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German Pages 908 [906] Year 1992
Sprachphilosophie Philosophy of Language La philosophie du langage
HSK 7.1
Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft Handbooks of Linguistics and Communication Science Manuels de linguistique et des sciences de communication Mitbegründet von Gerold Ungeheuer
Herausgegeben von / Edited by / Edités par Hugo Steger Herbert Ernst Wiegand
Band 7.1
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1992
Sprachphilosophie Philosophy of Language La philosophie du langage Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung An International Handbook of Contemporary Research Manuel international des recherches contemporaines
Herausgegeben von / Edited by / Edité par Marcelo Dascal · Dietfried Gerhardus Kuno Lorenz · Georg Meggle
1. Halbband / Volume 1 / Tome 1
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1992
Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft / mitbegr. von Gerold Ungeheuer. Hrsg. von Hugo Steger ; Herbert Ernst Wiegand. — Berlin ; New York : de Gruyter. Teilw. m it Parallelt.: Handbooks of linguistics and com m unication science. — Früher hrsg. von Gerold Ungeheuer u. Herbert Ernst Wiegand NE: Ungeheuer, Gerold [Hrsg.]; Steger, Hugo [Hrsg.]; PT Bd. 7. Sprachphilosophie. Halbbd. 1 (1992) Sprachphilosophie = Philosophy of language / hrsg. von Marcelo Dascal ... — Berlin ; New York : de Gruyter. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft ; Bd. 7) NE: Dascal, Marcelo [Hrsg.]; PT Halbbd. 1 (1992) ISBN 3-11-009583-1
© Copyright 1993 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustim m ung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilm ungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin
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Vorwort Sprachphilosophie ist als eigenständige Disziplin der Philosophie im abendländischen Kulturkreis erst ungefähr 200 Jahre alt, in der für ihr derzeitiges Selbstverständnis charakteristischen Funktion als Grundlagendisziplin für Untersuchungen sprachabhängiger Tätigkeiten sogar erst ein Resultat des 20. Jahrhunderts. Fragestellungen und Methoden der gegenwärtigen Sprachphilosophie sind entscheidend geprägt durch die Ausbildung des Werkzeugs der logischen Analyse sprachlicher Ausdrücke in der Analytischen Philosophie: die historischen Vorstufen im 18. und 19. Jahrhundert hingegen sind zunächst nahezu wirkungslos geblieben und werden erst gegenwärtig allmählich in ihrer Bedeutung gewürdigt. Diese späte Selbständigkeit der Sprachphilosophie ist jedoch keineswegs Zeichen für einen Mangel an philosophischem Interesse an der Sprache, eher schon ist sie Ausdruck der besonderen Schwierigkeit jeder Untersuchung, die ihren Gegenstand zugleich als Hilfsmittel zu dessen Darstellung einsetzen muß. Überlegungen zur Sprache waren freilich auch längst vor einer selbständig auftretenden Sprachphilosophie unerläßlicher Bestandteil jeder philosophischen Untersuchung — auch dort, wo sie nicht explizit auftauchten, sondern als Vorverständnis den Gang philosophischen Nachdenkens geleitet haben. In ausdrücklicher Form finden sich Reflexionen über Sprache in beinahe jeder philosophischen Abhandlung, gleichgültig aus welcher Epoche und in welchem philosophischen Traditionszusammenhang, auch außerhalb des abendländischen Kulturkreises. Philosophische Untersuchungen, die sich mit Sprache befassen, sind nur selten genau von Logik auf der einen Seite und von Psychologie auf der anderen Seite abgegrenzt worden. Noch heute gibt es einen breiten Bereich, in dem logische und sprachphilosophische Untersuchungen miteinander konkurrieren: sprachliche Ausdrücke werden unter den Gesichtspunkten ‘Bedeutung’, ‘Wahrheit’ und ‘Schlüssigkeit’ behandelt. Ebenso breit ist der andere Bereich, in dem psychologische und sprachphilosophische Untersuchungen in Wettstreit treten: sprachliche Ausdrücke werden in ihrer Funktion in bezug auf mentale Prozesse bei Sprecher und Hörer zum Gegenstand. Die Eigenständigkeit des Phänomens Sprache jenseits logischen oder psychologischen Zugriffs wurde lange Zeit — von den erst in der Gegenwart im einzelnen beachteten physikalischen Aspekten, z. B. in der Phonologie, oder biologischen Aspekten, z. B. in der Ethologie, einmal abgesehen — meist nur im Bereich dessen gesehen, was die traditionelle Grammatik behandelt hat. Natürlich darf man daraus nicht schließen, daß auf Sprache bezogene Fragestellungen, die über grammatische Probleme hinausgehen, sich erst durch den ›linguistic turn‹ insbesondere der Analytischen Philosophie zu Beginn dieses Jahrhunderts ergeben hätten. Selbstverständlich sind in den ursprünglich als Teil der Philosophie auftretenden Disziplinen Rhetorik, Poetik und ganz besonders Erkenntnistheorie seit der Antike auch sprachtheoretische Fragen behandelt worden, aber stets nur hilfsweise, um über weitere Mittel zur Lösung scheinbar sprachunabhängiger Sachprobleme zu verfügen;
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denn mit Problemen der (sprachlichen) Darstellung wollte man Sachprobleme nicht verwechseln. Auch die neuzeitliche Linguistik — anfangs in ihrer romantischen Gestalt einer Einheit von Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie, paradigmatisch verkörpert im Werk Wilhelm von Humboldts — bleibt zunächst eingebettet in Wissenschaft und Philosophie der Geschichte, der sie dient. Nach und nach erst entwickelt sich im 19. Jahrhundert jene Verselbständigung, bei der zum einen die Sprachwissenschaft (= Linguistik) — eine ›Objektdisziplin‹ — mit der Aufgabe befaßt ist, den empirischen Gehalt von Aussagen über Sprache zu erweitern, während die Sprachphilosophie — eine ›Metadisziplin‹ — sich der Klärung des begrifflichen Rahmens von Rede über Sprache widmet, zum anderen jedoch die Sprachwissenschaft dabei zwei teils miteinander konkurrierende, teils sich ergänzende Untersuchungsverfahren ausbildet, die als historisch-vergleichende Methode und als experimentell-beobachtende Methode bis heute Gestalt und interne Auseinandersetzungen der Linguistik bestimmen. In dem Maße nämlich, in dem sich das Selbstverständnis der Sprachwissenschaft, eine empirische und damit positive Wissenschaft zu sein, durchsetzt, finden alle diejenigen empirischer Kontrolle nicht zugänglichen Überlegungen in der Sprachwissenschaft keinen Platz mehr, die mit der Herkunft der ersichtlich ebenfalls hauptsächlich sprachlichen wissenschaftlichen Hilfsmittel befaßt sind: Sprachphilosophie erhält als reflexive ›Grundlagenwissenschaft‹ ihre Selbständigkeit. Sie artikuliert sich zum letztenmal vor der von der Analytischen Philosophie durchgesetzten sprachkritischen Wende im Bereich der Grundlagenforschung in der Philosophie der symbolischen Formen Ernst Cassirers (1923—1929). Mit dem systematischen Einsatz der Sprachanalyse bei der Behandlung philosophischer Probleme kommt es in den letzten hundert Jahren zu einer sich ständig beschleunigenden Entwicklung der Sprachphilosophie sowohl diachron, durch immer bessere Kenntnisse der historischen Vorläufer, als auch synchron, durch Differenzierung der begrifflichen Hilfsmittel. Sie findet in enger Wechselwirkung mit Logik, Linguistik, Psychologie und der aus ihnen entwickelten Kognitionswissenschaft statt, neuerdings auch in Konkurrenz zu der als Wissenschaft vom Zeichengebrauch eine integrierende Funktion beanspruchenden Semiotik und zur Theorie der Kommunikation, insofern Sprachhandlungen als Handlungen mit Kommunikationsabsicht gelten. Wird Zeichengebrauch noch in zeichenvermitteltes, empirisch beobachtbares Verhalten eingebettet aufgefaßt, so nimmt in diesem Zusammenhang wiederum Handlungstheorie (Pragmatik/ Praxeologie) und Verhaltensforschung (Ethologie), ergänzt um die von der Theorie der künstlichen Intelligenz bereitgestellten Modellbildungen, die Stelle sowohl der Semiotik wie der Theorie der Kommunikation in ihrer Rolle als fundierende Disziplinen ein. Die Fülle der Einzeluntersuchungen ist trotz aller in regelmäßigen Abständen wiederholten Versuche, durch thematisch gegliederte Aufsatzsammlungen Forschungsschwerpunkte und Diskussionszusammenhänge international zu dokumentieren, auch für den Fachmann mittlerweile weitgehend unübersehbar. Für jemanden, der von einer Nachbardisziplin herkommt und Übersicht über den Stand der Sprachphilosophie zu gewinnen sucht, ist die Lage praktisch aussichtlos, zumal die zahlreich verfügbaren Lehrbücher, häufig aus Vorlesungen ihrer Verfasser entstanden, in die Sprachphilosophie schon aus Platzgründen nur unter einigen Aspekten und auch dann nur in groben Zügen einführen können. Erschwerend kommt hinzu, daß in vielen Fällen nicht klar erkennbar ist, ob sich eine sprachphilosophische Untersuchung wissenschaftstheoretisch, also als zugehörig
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zur Philosophie der Linguistik oder gar zur allgemeinen Wissenschaftstheorie, versteht, oder aber, ob sie mit philosophischen Sachproblemen befaßt sein will, also unterstellt ist, philosophische Probleme seien stets auf Probleme der bei ihrer Behandlung verwendeten Sprache reduzierbar: die Untersuchung gehört dann der linguistischen Philosophie an. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß gegenwärtig sogar darüber gestritten wird, ob Sprachphilosophie und Linguistik nicht wieder in dem Sinne miteinander vereinigt werden können, daß Philosophie, Logik, Psychologie und andere Disziplinen mit offensichtlich sprachabhängigen Gegenstandsbereichen wie Kognitionswissenschaft und Psychoanalyse, Hermeneutik und Rhetorik, zu Teildisziplinen einer umfassend verstandenen Linguistik umdeutbar sind. Schließlich sollte nicht unterschlagen werden, daß im Licht der jeweils unternommenen sprachphilosophischen Untersuchungen auch die philosophische Tradition, wird sie in die Betrachtung einbezogen, eine Beleuchtung erfährt, die es im einzelnen Fall schwer macht, sprachphilosophische Aspekte am untersuchten Textzusammenhang vom durch denselben Textzusammenhang möglicherweise ausgedrückten sprachphilosophischen Interesse klar zu trennen. Hier soll das Handbuch Sprachphilosophie im Rahmen der Zielsetzung der Reihe Handbü cher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, dem es angehört, Abhilfe schaffen. Für Studierende, Lehrende und Forschende der Philosophie sowie aller Disziplinen, die sich mit der Sprache als einem Forschungsgegenstand befassen, oder die Sprache gar als ein Darstellungsmittel ausdrücklich thematisieren, will das Handbuch Sprachphilosophie eine nach Fragestellungen, Behandlungsmethoden und theoretischem Rahmen möglichst umfassende Übersicht über den aktuellen Stand dieser Disziplin geben, so wie er von Fachleuten gesehen wird, die in verschiedenen Teilbereichen der Sprachphilosophie und in verschiedenen Traditionszusammenhängen ihrer Herkunftsländer tätig sind. Dem Charakter eines Handbuches entsprechend ist keine enzyklopädische, rein berichtende, auf viele kleine Einzelartikel verteilte Behandlung des Gebiets vorgenommen worden; vielmehr wird in längeren, grundsätzlich monographisch verfaßten Artikeln neben der Information sowohl über systematische Probleme als auch über historische Ereignisse und Entwicklungen zugleich Gelegenheit für kritische Beurteilung des behandelten Teilbereichs aus der Sicht des jeweiligen Bearbeiters gegeben. Den Bearbeitern war es daher auch freigestellt, sich in ihrer Darstellung auf Paradigmata innerhalb ihres Bereichs zu beschränken und gegebenenfalls im Zusammenhang von dort auftretenden Kontroversen ausdrücklich Stellung zu beziehen. Die Herausgeber haben deshalb darauf verzichtet, Überschneidungen bei der Behandlung verschiedener Artikel zu verhindern, und ebenso darauf, auf jeweilige Vollständigkeit der Darstellung zu dringen. Sie haben statt dessen versucht, durch Auswahl und Gliederung der verschiedenen Artikel, bei der viele Kollegen beratend mitgewirkt haben, eine Einteilung der Sprachphilosophie, wie sie gegenwärtig international betrieben wird, zu gewinnen, mit der die nach ihrer Ansicht wichtigsten Bereiche der Sprachphilosophie erfaßt sind. Da weder auf seiten der Bearbeiter noch auf seiten der Benutzer nationale Beschränkungen berücksichtigt werden sollen, bleiben die für sprachphilosophische Arbeiten gegenwärtig gebräuchlichsten drei Sprachen — Deutsch, Englisch, Französisch — auch Medium der Darstellung in diesem Handbuch. Das Handbuch umfaßt 120 Artikel, verteilt auf zwei Teilbände mit je 60 Artikeln, die in je drei Kapitel gegliedert sind. In den ersten drei Kapiteln liegt der Akzent auf
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historischen Aspekten, in den letzten drei Kapiteln auf systematischen Aspekten. In der Mitte der ersten Hälfte steht Kapitel II mit 26 Artikeln, die den sprachphilosophischen Aspekten im Werk historischer Personen gewidmet sind, in der Mitte der zweiten Hälfte steht Kapitel V mit 22 Artikeln, die wichtige Begriffe explizieren und in ihrer Funktion vor allem für die gegenwärtige Gestalt der Sprachphilosophie begründen. Für eine angemessene Behandlung des historischen Aspekts der Sprachphilosophie war es erforderlich, Kapitel II durch zwei weitere Kapitel zu flankieren, Kapitel I mit 13 raumzeitlichen Übersichten und Kapitel III mit Darstellungen von 21 sprachphilosophischen Positionen, die entweder, obwohl bereits historisch, noch immer von großem Einfluß sind oder doch Einfluß zu haben verdienten, oder die gegenwärtig vertreten werden. Ganz entsprechend verlangt es eine angemessene Behandlung des systematischen Aspekts der Sprachphilosophie, die Erörterung der sprachphilosophisch zentralen Begriffe zu ergänzen um ein Kapitel IV, in dem 16 wichtige sprachphilosophische Kontroversen der Vergangenheit und der Gegenwart kritisch dargestellt werden, und ein Kapitel VI, das in 22 Artikeln sprachphilosophische Aspekte in anderen Bereichen zum Gegenstand hat. I.Raumzeitliche Übersichten 1.Sprachphilosophische Anfänge 2.Stoische Sprachphilosophie 3.Jüdische und arabische Sprachphilosophie 4.Sprachphilosophie in der Scholastik 5.Indische Sprachphilosophie 6.Chinesische Sprachphilosophie 7.Sprachphilosophie in der Renaissance 8.Sprachphilosophie in der Aufklärung 9.Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert 10.Die skeptische Tradition in der Sprachphilosophie 11.Die empiristische Tradition in der Sprachphilosophie 12.Die rationalistische Tradition in der Sprachphilosophie 13.Sprachphilosophie in der Romantik II.Personen 14.Platon 15.Aristoteles 16.Aurelius Augustinus 17.Bhartṛhari 18.Jayanta 19.al-Fārābī 20.Peter Abaelard 21.William of Ockham 22.John Locke 23.Gottfried Wilhelm Leibniz 24.Giambattista Vico 25.Johann Georg Hamann 26.Johann Gottfried Herder 27.Wilhelm von Humboldt 28.Bernard Bolzano
29.Alexander Bryan Johnson 30.John Stuart Mill 31.Wilhelm Wundt 32.Charles Sanders Peirce 33.Anton Marty 34.Gottlob Frege 35.Fritz Mauthner 36.Ferdinand de Saussure 37.Ernst Cassirer 38.Karl Bühler 39.Ludwig Wittgenstein III.Positionen 40.Die Lehre der Terministen 41.Die Lehre der Modisten 42.Der Apohavāda in der logischen Schule des Buddhismus 43.Der Sphoṭavāda bei den indischen Grammatikern 44.Die Position der rationalen Grammatik 45.Die hermeneutische Position 46.Die phänomenologischen Positionen 47.Die dialogischen Positionen 48.Die marxistische Lehre 49.Die ideologiekritischen Positionen 50.Die behavioristischen Ansätze 51.Die strukturalistischen Ansätze 52.Der interaktionistische Ansatz 53.Die transzendentalpragmatische Position 54.Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie 55.Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen Semantik 56.Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprachsoziologie und der Soziolinguistik
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57.Die philosophischen Grundlagen der Sprachpsychologie und der Psycholinguistik 58.Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung 59.Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 60.Das Normalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie IV.Kontroversen 61.Der Universalienstreit 62.Der ϕύσει-θέσει-Streit 63.Der Streit um den Primat von Wort oder Satz 64.Der Streit um eine Universalsprache 65.Der Streit um den Sprachursprung 66.Der arisch-semitische Streit zu Beginn der modernen Sprachwissenschaft 67.Sprache als System versus Sprache als Handlung 68.Der Streit um Bedeutungstheorien 69.Der Streit um Wahrheitstheorien 70.Der Streit um den Primat von Wahrheit in der Sprachphilosophie 71.Der Streit um den Primat von Denken oder Sprechen 72.Der Streit um die eingeborenen Ideen 73.Der Streit um die Unbestimmtheit von Übersetzung 74.Für und wider einen linguistischen Relativismus 75.Sprachphilosophische Argumente im Streit um eine Logik oder viele Logiken 76.Mereologie und Mengenlehre als konkurrierende sprachphilosophische Werkzeuge V.Begriffe 77.Artikulation und Prädikation 78.Referenz durch Namen und Kennzeichnungen; Variable 79.Deixis und Selbstbezug 80.Propositionale Einstellung 81.Sinn und Bedeutung 82.Abstraktion und Konkretion 83.Identität und Individuation 84.Eine Übersicht über semantische Relationen 85.Analogie
IX 86.Synonymie und Analytizität 87.Äußerung — Satz — Aussage — Urteil 88.Mögliche Welten — mögliche Individuen 89.Konditional 90.‘Symptom’ und ‘Symbol’ in der Sprache 91.Metapher 92.Kontext und Kotext 93.Intentionalität 94.Kommunikation und Verstehen 95.Illokution 96.Spiel in der Sprache 97.Präsupposition und Implikatur 98.Vagheit und Ambiguität VI.Sprachphilosophische Aspekte in anderen Bereichen 99.Sprachphilosophie in der Wissenschaftstheorie 100.Sprachphilosophie in den exakten Wissenschaften 101.Sprachphilosophie in den Gesellschaftswissenschaften 102.Sprachphilosophie in der Jurisprudenz 103.Sprachphilosophie in der Theologie 104.Sprachphilosophie in der Ethik 105.Sprachphilosophie in der Ästhetik 106.Sprachphilosophie in der Literaturwissenschaft 107.Sprachphilosophie in der Literatur 108.Sprachphilosophie in den nichtwortsprachlichen Künsten 109.Sprachphilosophie in der Psychoanalyse 110.Sprachphilosophie und Psychologie 111.Sprachphilosophie und Logik 112.Sprachphilosophie und Rhetorik 113.Sprachphilosophie und Linguistik 114.Sprachphilosophie und Semiotik 115.Sprachphilosophie und Kommunikationstheorie 116.Sprachphilosophie und Verhaltensforschung 117.Sprachphilosophie und künstliche Intelligenz 118.Sprachphilosophie und linguistische Philosophie 119.Sprachphilosophie und Ontologie 120.Sprachphilosophie und die Methode der Sprachanalyse
Die 13 Artikel des Kapitels I, Raumzeitliche Übersichten, sind so ausgewählt, daß sich relativ geschlossene Traditionszusammenhänge ergeben, deren Darstellung zu einer ersten gründlichen historischen Orientierung taugt. Dabei werden auch solche für die Geschichte der Sprachphilosophie wichtigen Personen an dieser Stelle bereits gewürdigt, die deshalb, weil sie in eine länger dauernde Tradition gehören, sie vielleicht sogar begründet oder doch maßgeblich bestimmt haben, nicht im Kapitel II erscheinen. Eine Übersicht über die Sprachphilosophie des 20. Jahrhunderts ist ausdrücklich unterblieben, weil die dafür wesentlichen und grundsätzlich auch gegenwärtig noch vertretenen
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Positionen in Kapitel III Aufnahme gefunden haben, von einigen sprachphilosophisch eigenständigen, ins Kapitel II aufgenommenen Personen einmal abgesehen (Mauthner, Saussure, Cassirer, Bühler, Wittgenstein). Die Auswahl der 26 Personen in Kapitel II ist im übrigen so vorgenommen, daß insbesondere das Ausmaß ihrer historischen Wirkung und die Vielgestaltigkeit der bei ihnen sich findenden sprachphilosophischen Überlegungen maßgebend war. Sie verbietet es, sie nur für einen der in Kapitel I auftretenden relativ einheitlichen Traditionszusammenhänge in Anspruch zu nehmen. Die scheinbaren Ausnahmen mit Personen, die der indischen, der arabischen und der scholastischen Tradition angehören, erklären sich auf folgende Weise: Bhartṛhari ist innerhalb der historisch noch relativ wenig erschlossenen indischen Sprachphilosophie einer der gegenwärtig am besten zugänglichen indischen Sprachphilosophen, Jayanta einer der erst in neuester Zeit in seiner sprachphilosophischen Eigenständigkeit erkannten indischen Philosophen; al-Fārābī wiederum verdient wegen seiner Bedeutung gerade für die sprachphilosophisch reflektierte Vermittlung griechischen Erbes eine besondere Würdigung; Abaelard und Ockham schließlich wurden aus dem scholastischen Traditionszusammenhang eigens ausgewählt, weil sowohl für den Beginn der Scholastik als auch für deren Ende zwei durch historische Forschung mittlerweile gut zugängliche gegensätzliche Positionen paradigmatisch herausgehoben und detailliert vorgestellt werden sollten. Für die Wahl der 21 Artikel in Kapitel III, Positionen, war ausschlaggebend, eine möglichst umfassende Palette der für sprachphilosophische Thesen in Anspruch genommenen allgemeinen philosophischen Rahmentheorien zu gewinnen, damit deutlich wird, welche Abhängigkeiten zwischen einem allgemein-philosophischen Ansatz und der in seinem Zusammenhang vertretenen Sprachphilosophie bestehen. Dabei stehen die für die zeitgenössische Diskussion wichtigsten beiden Rahmentheorien innerhalb der Analytischen Philosophie, der insbesondere Bertrand Russell verpflichtete und im Wiener Kreis wurzelnde logische Empirismus (Blütezeit 1920—1950) und der hauptsächlich auf George Edward Moore zurückgehende und in der Oxford Philosophy kulminierende linguistische Phänomenalismus (Blütezeit 1930—1960), am Ende des ersten Bandes (Artikel 59 und 60) im Mittelpunkt einer kritischen Darstellung ihrer sprachphilosophischen Programme. Darüber hinaus sollten im Interesse einer Aufklärung auch des Zusammenhangs linguistischer Theorien mit allgemeinen philosophischen Überzeugungen insbesondere die mehr oder weniger stillschweigend gemachten sprachphilosophischen Annahmen und damit philosophischen Grundlagen gegenwärtig wichtiger linguistischer Theoriebildungen in eigenen Artikeln herausgearbeitet werden (Artikel 54—58). Im allerletzten Artikel des Handbuchs (Artikel 120) wird noch einmal, und zwar ganz allgemein, der Frage nach dem Zusammenhang einer philosophischen Position, wie sie sich im Verständnis der Methode der Sprachanalyse ausdrückt, mit der dadurch in einem gewissen Maß präjudizierten sprachphilosophischen Position nachgegangen. Die 16 Artikel im Kapitel IV, Kontroversen, sind insofern komplementär zu den Artikeln, die Positionen zum Gegenstand haben, als es in diesen Fällen nicht um die Herausarbeitung interner Stringenz einer Position, sondern um die kritische Würdigung einer externen argumentativen Auseinandersetzung um eine sprachphilosophische Streitfrage geht. Einige dieser Kontroversen, in der Vergangenheit geführt, bedürfen ausdrücklicher historischer Rekonstruktion, um ihren Zusammenhang mit gegenwärtigen Streitfragen sichtbar zu machen (Artikel 61—66), die übrigen bestimmen in
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vielfältigen Verästelungen einen Großteil der systematischen sprachphilosophischen Forschung der Gegenwart. Das Kapitel V, Begriffe, wurde so in 22 Artikel gegliedert, daß, abgesehen von den generell zentralen Begriffen zu Beginn (Artikel 77), zunächst Titelbegriffe im Umkreis primär sprachsemantischer Untersuchungen zusammengestellt sind (Artikel 78—89), wobei aufgrund der bereits erwähnten Abgrenzungsprobleme zur Logik auch die Aufdeckung des Zusammenhangs logischer und sprachphilosophischer Verwendung der Termini ein Bestandteil der jeweiligen Begriffsexplikation ist; es folgen Titelbegriffe im Umkreis primär sprachpragmatischer Untersuchungen (Artikel 90—98), bei denen es entsprechend auch um Aufklärung des Zusammenhangs psychologischer und sprachphilosophischer Verwendung der jeweiligen Termini geht. Im Kapitel VI, Sprachphilosophische Aspekte in anderen Bereichen, dem letzten der beiden Teilbände, betrifft die erste Hälfte der Artikel (99—109), deren Titel durch die Wendung ‘in den/der’ charakterisiert ist, den Gebrauch, der von sprachphilosophischen Einsichten, seien es Fragestellungen, Methoden oder gar Theoriestücke, in anderen wissenschaftlichen oder nichtwissenschaftlichen Bereichen gemacht wird, auch wenn solches Ingebrauchnehmen natürlich nicht durchweg, sondern nur teilweise geschieht. In der zweiten Hälfte der Artikel (110—120), im Titel durch das Wort ‘und’ ausgezeichnet, geht es um die verschiedenen bereits angedeuteten Abgrenzungs- und Konkurrenzprobleme, denen sich die Sprachphilosophie anderen älteren wie auch neueren Disziplinen gegenüber ausgesetzt sieht und deren Behandlung für eine sichere Bestimmung der Sprachphilosophie als eigenständiger Disziplin unentbehrlich ist. Neben der jedem Artikel angefügten Auswahlbibliographie steht am Ende des 2. Teilbandes eine aus den Angaben der Autoren zusammengestellte Gesamtbibliographie, die bei jedem Eintrag diejenigen Artikel nennt, zu denen er gehört. Darüber hinaus findet sich dort eine Zusammenstellung der im Handbuch Sprachphilosophie verwendeten Abkürzungen. Ein nach Personen und Sachen gegliedertes Register beschließt das Handbuch. Den Herausgebern ist bewußt, welcher Mühe sich jeder der Bearbeiter mit der Übernahme eines Essays für das Handbuch unterzogen hat, und sie danken jedem einzelnen für seinen Einsatz; insbesondere für die Geduld derjenigen, die als erste ihren Beitrag eingesandt haben und die darauf warten mußten, bis auch die letzten — unter ihnen diejenigen, die auf die besondere Bitte eines der Herausgeber noch plötzlich entstandene Lücken zu füllen bereit gewesen sind — mit ihrem Beitrag fertig waren. Nicht immer konnte mit dem Recht auf Änderungen und Ergänzungen bei der Fahnenkorrektur die von manchem Autor gewünschte Aktualisierung seines Beitrags in einer ihn befriedigenden Form zustandegebracht werden; dem Wunsch einer ausdrücklichen Nennung des Jahrs der Manuskriptabgabe konnten die Herausgeber, weil nicht generell durchsetzbar, gleichwohl nicht folgen. Aus dem gleichen Grunde sind auch die von einigen Autoren angefügten Danksagungen an Freunde und Mitarbeiter nicht mit in den Druck gegangen. Hingegen gehörte es zu den gewiß von den Autoren zuweilen auch als belastend empfundenen Pflichten der Herausgeber, auf möglichst genaue und vollständige Belege bei der Bezugnahme auf andere Texte zu dringen; ebenso auf Vollständigkeit der auftretenden Personennamen und im ersten, durch Betonung des historischen Aspekts ausgezeichneten Teilband auch auf die Hinzufügung der Lebenszeit der genannten Personen.
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Wo immer möglich und sinnvoll, sind wichtige originalsprachliche Ausdrücke verwendet oder hinzugefügt worden; sofern dabei nichtlateinische Schrifttypen oder lateinische Transliterationen beziehungsweise Transkriptionen auftreten, wurde im Falle der Nennung von Ausdrücken auf den Einsatz der sonst durchweg verwendeten einfachen Anführungszeichen ‘ , ’ in der Regel verzichtet. Uneigentlicher Gebrauch allerdings und ebenso Hervorhebung werden stets durch umgekehrte eckige Klammern › , ‹ beziehungsweise durch Kursivierung angezeigt. Zitiert wird unter Verwendung der in der jeweiligen Sprache des Beitrags üblichen Zeichen: „ “ (dt. Text), “ ” (engl. Text), « » (franz. Text); liegt für ein Zitat kein Stellennachweis vor, so ist es als uneigentlich verwendet markiert. Einzelne Wörter sind dabei selbst dann, wenn ein Stellennachweis hinzugefügt ist, grundsätzlich nicht als Zitat, sondern ebenfalls höchstens als uneigentlich verwendet markiert. Bei der Transliteration fremdsprachiger Namen ließ sich angesichts der drei gleichberechtigten Sprachen des Handbuchs Einheitlichkeit nur auf der Ebene des jeweiligen Beitrags durchsetzen. Über die Jahre weg haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Herausgeber an der oft mühsamen Verwirklichung einer einheitlichen Gestalt des vorliegenden Handbuchs mitgewirkt. Ausdrücklich genannt mögen diejenigen sein, die für die Gesamtbibliographie und das Register die Hauptlast getragen haben: die Herren Thomas Kepler und Henning Kniesche für die Bibliographie, Shahid Rahman und Frau Dagmar Schmauks für das Sachregister, Kai Buchholz und Frau Ingrid Weber für das Personenregister. Ihnen allen gehört unser besonderer Dank. In ihn eingeschlossen sind auch die Partner der Herausgeber auf der anderen Seite. Ohne die bewunderungswürdige Geduld des für diesen Band zuständigen Reihenherausgebers, Herrn Kollegen Herbert E. Wiegand, und darüber hinaus die nie erlahmende Beharrlichkeit im Einsatz gerade für diesen Band bei dem bis zur Umorganisation Ende 1991 verlagseitig für die Reihe der Handbücher verantwortlichen Kollegen Heinz Wenzel wäre die Verwirklichung dieses Projekts unmöglich gewesen. Wiederholen aber möchten die Herausgeber ihre Dankbarkeit schließlich noch einmal den Autoren gegenüber, die das Erscheinen ihres Beitrags nicht mehr haben erleben dürfen. Dem Andenken an die verstorbenen Kollegen Angus C. Graham, Albert Heinekamp und Bimal K. Matilal sei daher dieses Handbuch gewidmet. Sommer 1992
M. Dascal, D. Gerhardus, K. Lorenz, G. Meggle
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Preface The philosophy of language as a distinct philosophical discipline has been in existence in the West for no more than 200 years. It acquired a special, constitutive role for the study of all speech- dependent phenomena even more recently, in the 20th century, in close connection with the development, by analytic philosophy, of the tools for the logical analysis of linguistic expressions. In fact, its historical predecessors in the 18th and 19th centuries had very little influence, and only recently their significance has come to be fully appreciated. Such a relatively late origin is not, however, an indication of a lack of interest in language by philosophers, it is rather a consequence of the special difficulties involved in an investigation that must employ, from the outset, its very object as a tool for its own representation. Long before the philosophy of language appeared on the scene as an independent discipline, linguistic considerations were persistently present even in the kinds of philosophical investigations where, though not made explicit, they influenced the path of philosophical reflection. One can find explicit discussion of language either parenthetically and dispersed throughout the text or else in larger digressions in any philosophical treatise, whatever its historical period or philosophical tradition, nonWestern cultures included. Furthermore, philosophical research on language is only seldom precisely demarcated from logic on the one hand and psychology on the other. In fact, even now, logic and philosophy of language have considerable overlap especially in the investigation of linguistic expressions from the point of view of ‘meaning’, ‘truth’ and ‘deducibility’. Similarly, psychology and philosophy of language overlap and sometimes compete in their analysis of the function of linguistic expressions in terms of the mental processes of speakers and listeners. Setting aside the physical aspects of language, which came to be handled by phonetics and phonology, or the biological aspects, dealt with by ethology, the specificity of the phenomenon of ›language‹ vis-àvis that studied by logic and psychology has for a long time been considered to be confined to the domain covered by traditional grammar. This is not to imply that issues about language, which go beyond grammatical problems, have arisen for the first time in the wake of 20th century’s well known ›linguistic turn‹ in philosophy. Obviously, theoretical questions about language have been asked since Antiquity, in originally philosophical disciplines such as rhetoric and poetics, as well as in the theory of knowledge. But they were always conceived of as subservient to the solution of language- independent ›factual‹ problems, which were carefully kept apart from problems about (linguistic) representation. In its beginnings, modern linguistics displays a remarkable unity between the science and the philosophy of language. Wilhelm von Humboldt’s work is paradigmatic of this phase. But in this early romantic form, linguistics’ independence was entirely subordinated to the services it rendered to the dominant science and philosophy of history of its time. Only slowly, in the course of the 19th century, did the science of language (= linguistics) dissociate itself from the philosophy of language, along two main lines, which partly compete
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with and partly complement each other methodologically. They determine the parameters of linguistics up to the present day and are known under the labels ‘historicalcomparative’ and ‘experimental- observational’. As a result, the science of language becomes an ›object- discipline‹, charged with expanding the empirical content of its assertions, whereas the philosophy of language becomes a ›meta-discipline‹, whose task is the clarification of the conceptual frame underlying talk about language. In so far as linguistics adopts the self-image of an empirical — i. e. ›positive‹ — discipline, it excludes from its field those inquiries that lack empirical control yet are indispensable for understanding how the linguistic tools involved in doing science come into being. The philosophy of language thus achieves its independence in the capacity of a purely ›reflexive‹, foundational research. Its last appearance in this form, before the shift towards a critique of language engineered by analytic philosophy, is in Ernst Cassirer’s Philosophie der symbolischen Formen (1923—1929). The roughly hundred years of use of linguistic analysis in dealing with philosophical problems have been accompanied by an ever accelerating development of the philosophy of language. Such a development shows up both diachronically, in a better understanding of its historical predecessors, and synchronically, in a diversification of its conceptual tools. It takes place in close connection with logic, linguistics, psychology, and their present- day offshoot, cognitive science; more recently it is qualified by a competition with semiotics and communication theory. The competitive stance derives from the fact that semiotics claims for itself an integrative function, in its capacity as a science of symbolic systems, and communication theory emphasizes the communicative intentions underlying any language activity. If one views the use of symbols as a kind of empirically observable behaviour, itself mediated by symbols, then action theory (pragmatics/ praxeology) and ethology, possibly supplemented by models such as those devised in artificial intelligence, should in turn replace both semiotics and communication theory with respect to their foundational claims. In the wake of the upsurge of interest in the field, even the specialist is nowadays unable to keep pace with all developments, and to maintain a global view of the mass of specialized research. No doubt there are many thematic collections of articles and other efforts in the direction of international documentation, but they hardly solve this problem. For someone coming from a neighbouring discipline, looking for a clear overview of the state of the art in the philosophy of language, such a situation is, to say the least, frustrating. The existence of several introductory texts is of little or no help in this respect. For, usually issuing from courses delivered by their authors, such texts are forced to restrict themselves — due to limitations of space or of perspective — to the discussion of a few aspects of the field, and even so in a rather cursory way. Furthermore, studies in the philosophy of language are often unclear about their scope and nature: are they epistemological — i. e. do they belong to the philosophy of linguistics or perhaps to the philosophy of science at large —, or else do they purport to deal with first- order philosophical problems? In the latter case, they seem to presume that first- order problems reduce to second- order ones, i. e. to problems of language, in which case such studies belong to linguistic philosophy. The difficulty is compounded by the current debate over whether linguistics and philosophy of language could and should merge, so that philosophy, logic, psychology and other disciplines characterized by language- dependent object domains as, for example, cognitive science and psychoanalysis, hermeneutics and rhetoric, would become components of a new brand of
Preface
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›general linguistics‹. Finally, one should not forget that, when present-day philosophers of language turn their attention to the past, it is hard to distinguish between the ›philosophy of language‹ attributed by them to the classical texts, and the actual interest in this field expressed by the texts themselves. The present handbook of the Philosophy of Language is intended to help solve some of the difficulties just mentioned, within the framework of the general purposes of the series Handbooks of Linguistics and Communications Science. It should provide an overall view of the current state of the philosophy of language, conceived as broadly as possible. This includes an adequate coverage of the range of questions posed, of methods applied, and of theoretical frameworks adopted. Specialists belonging to different currents of thought and working within different traditions in several countries will provide the answers. The book is addressed to students, teachers, and researchers in philosophy, as well as in any discipline that takes language as its object of investigation or thematizes its use as a means of representation. As indicated by its title, the book is not conceived as encyclopaedic in character. Our aim is not to cover the field by means of many brief articles. Instead, the articles are monographic by nature and, besides the information they carry on specific issues, doctrines and historical developments, they convey their author’s own critical assessment of the topics discussed in the article. Accordingly, contributors have been free to restrict the scope of their articles to the exposition and analysis of a paradigmatic contribution to the topic and even, in the case of controversies, to espouse explicitly one of the conflicting positions. This is why the editors gave up both the attempt to avoid any possible overlap between different articles, and the requirement of exhaustive coverage of a topic. They intended, however, to achieve a working map of philosophy of language, as it is currently practised throughout the world, a map representing the most important research domains in the field. The choice and organization of the articles, which reflect such a map, have been established after extensive consultation with many colleagues. In order to avoid nationality limitations, both regarding contributors and readers, the three main languages now used by most researchers in the philosophy of language — English, German, and French — have been adopted as a means of presentation following the choice of the contributor. The handbook is comprised of 120 articles, divided into two parts with 60 articles each, which are subsumed under three chapter headings in each part. The first three chapters are mainly historically oriented, whereas the remaining ones are predominantly systematic in nature. At the center of the first part, the 26 articles of Chapter II are devoted to the philosophy of language in the works of historically important persons, whereas at the center of the second part, the 22 articles of Chapter V present fundamental concepts and explain their role mainly in present- day philosophy of language. In order to ensure an adequate treatment of the historical aspects of the philosophy of language, Chapter II has been complemented by two further chapters, Chapter I, consisting of 13 articles which provide spatio-temporal surveys of main currents and periods, and Chapter III with 21 articles, on various philosophical positions about language, which are currently held or which, though belonging to the past, still are or ought to be influential. Likewise, for guaranteeing an adequate treatment of the systematic aspects in the philosophy of language, Chapter V has been flanked on the one side by Chapter IV, which explores 16 important controversies of both past and present, and on the other side by Chapter VI, whose 22 articles deal with aspects of philosophy of language in other fields.
XVI
I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. II. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. III. 40. 41. 42. 43. 44. 45.
I.Preface
Spatio-temporal surveys First thoughts about language Stoic philosophy of language Jewish and Islamic philosophy of language Philosophy of language in scholasticism Indian philosophy of language Chinese philosophy of language Renaissance philosophy of language Philosophy of language in the age of enlightenment Historically oriented philosophy of language in the 19th century The sceptical tradition in the philosophy of language The empiricist tradition in the philosophy of language The rationalist tradition in the philosophy of language Philosophy of language in romanticism Persons Plato Aristotle Aurelius Augustinus Bhartṛhari Jayanta al-Fārābī Peter Abaelard William of Ockham John Locke Gottfried Wilhelm Leibniz Giambattista Vico Johann Georg Hamann Johann Gottfried Herder Wilhelm von Humboldt Bernard Bolzano Alexander Bryan Johnson John Stuart Mill Wilhelm Wundt Charles Sanders Peirce Anton Marty Gottlob Frege Fritz Mauthner Ferdinand de Saussure Ernst Cassirer Karl Bühler Ludwig Wittgenstein Positions The terminists’ doctrine The modists’ doctrine Apohavāda in Buddhist logic The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians The rational grammar position The hermeneutic approach
46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. IV. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76.
V. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83.
Phenomenological approaches Dialogical approaches The marxist doctrine Critique of ideologies Behavioristic approaches The structuralist approaches The interactionist approach The position of transcendental pragmatism The philosophy of language underlying speech act theory The philosophy of language underlying formal semantics The philosophy of language underlying sociology of language and sociolinguistics Philosophical foundations of psychology of language and of psycholinguistics Philosophical foundations of content analysis Formal languages in analytic philosophy Ordinary language in analytic philosophy Disputes For and against universals Are words and things connected by nature or by convention? The dispute on the primacy of word or sentence The universal language problem Disputes on the origin of language The Aryan-Semitic dispute at the beginning of modern linguistics Language as system versus language as action Disputes about theories of meaning Disputes about theories of truth The dispute on the primacy of the notion of truth in the philosophy of language The dispute on the primacy of thinking or speaking The dispute over innate ideas The dispute on the indeterminacy of translation Pro and contra linguistic relativism One or many logics? Arguments relevant to the philosophy of language Mereology and set theory as competing methodological tools within philosophy of language Concepts Articulation and predication Reference: names, descriptions and variables Deixis and selfreference Propositional attitude Sense and reference Abstraction and concretion Identity and individuation
Preface
84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. VI. 99. 100. 101. 102.
A survey of semantic relations Analogy Synonymy and analyticity Utterance — sentence — proposition — judgment Possible worlds — possible individuals Conditionals ‘Symptom’ and ‘symbol’ in language Metaphor Context and cotext Intentionality Communication and understanding Illocutionary force Games in language Presupposition and implicature Vagueness and ambiguity Aspects of philosophy of language in other fields Philosophy of language in philosophy of science Philosophy of language in the exact sciences Philosophy of language in the social sciences Philosophy of language in law
XVII
103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120.
Philosophy of language in theology Philosophy of language in ethics Philosophy of language in aesthetics Philosophy of language in the theory of literature Philosophy of language in fiction and poetry Philosophy of language in non-verbal arts Philosophy of language in psychoanalysis Philosophy of language and psychology Philosophy of language and logic Philosophy of language and rhetoric Philosophy of language and linguistics Philosophy of language and semiotics Philosophy of language and communication theory Philosophy of language and ethology Philosophy of language and artificial intelligence Philosophy of language and linguistic philosophy Philosophy of language and ontology Philosophy of language and the method of logico-linguistic analysis
The 13 articles of Chapter I, Spatio-temporal surveys, have been chosen so as to provide thematic units whose presentation offers a first relatively deep encounter with several historical traditions. They contain an exposition of the work of those persons that belong to a lasting tradition, possibly because they have either originated or significantly determined such a tradition. This explains why these persons are not treated in special articles in Chapter II. We have deliberately omitted an overview of 20th century philosophy of language, since the important positions, generally still held today, are dealt with in Chapter III. The only exceptions here are certain philosophers whose independent or even idiosyncratic positions within the philosophy of language justify their inclusion in Chapter II (Mauthner, Saussure, Cassirer, Bühler, Wittgenstein). The choice of 26 Persons discussed in Chapter II has been based on their historical influence and on the varied character of their contributions. Both factors prevent their subsumption under one of the traditions in the philosophy of language as discussed in Chapter I. The apparent exceptions made for persons who belong to the Indian, to the Islamic, or to the scholastic tradition are due to the following facts: Bhartṛhari is at present, within the relatively unexplored field of Indian philosophy of language, one of the most accessible thinkers, Jayanta, on the other hand, has been recognized as an independent Indian philosopher of language only very recently; al- Fārābī, again, has argued in detail for his transposition of Greek philosophy into an Arabic context, whereas the desire to present a detailed account of two conflicting paradigms of scholastic thought, marking respectively the beginning and the end of scholasticism, resulted in choosing Abaelard and Ockham as the two representatives, whose work has been discussed in recent historical research in an especially enlightening way. The 21 articles of Chapter III, Positions, have been chosen with a view to presenting the widest possible range of theses in the philosophy of language, as well as their
XVIII
Preface
relationship with the general philosophical conceptual frameworks to which they are attached. The two main branches of analytic philosophy, logical empiricism (flourished 1920—1950), as espoused by Bertrand Russell and nourished in the Vienna Circle, and linguistic phenomenalism (flourished 1930—1960), which was inaugurated by George Edward Moore and experienced its heyday in the Oxford Philosophy, are investigated with respect to their philosophy of language in the last two articles of the first part (no. 59 & 60). Of special concern are furthermore the more or less tacit presuppositions which current linguistic theories borrow from philosophy, and hence their philosophical foundations, through their implicit adoption of a philosophy of language (no. 54—58). The last article (no. 120) reconsiders — in a more general vein — the issue of the relationship between a philosophical position, as expressed in the choice of a method of logico- linguistic analysis, and the position — somehow biased by such a choice — adopted in the associated philosophy of language. The 16 articles of Chapter IV, Controversies, are conceived of as complementing the articles on positions. The emphasis, though, is not on the internal argumentative structure of each doctrine, but rather on the critical assessment of its arguments vis-àvis externally competing positions. In order to show their links with contemporary disputes, it is necessary to provide an explicit historical reconstruction of some controversies of the past (no. 61—66). Other old and recent controversies still determine, through their multiple ramifications, a great deal of contemporary research in the philosophy of language. Chapter V, Concepts, contains 22 articles. Apart from the first (no. 77) which deals with terms which are central for the philosophy of language in general, the first section of articles is concerned with concepts emanating mainly from semantic research (no. 78—89). Given the above- mentioned difficulty in separating logic and philosophy of language, the exposition of each concept in this section will include an elucidation of the connections between its logical and its philosophical uses. The remaining articles have as their focus concepts used mainly in research on the pragmatics of language (no. 90—98). Their elucidation requires, in turn, an analysis of the links between the philosophical and psychological uses of the corresponding terms. Finally, in Chapter VI, Aspects of philosophy of language in other fields, the first half of the articles (no. 99—109), whose title is formed with the preposition ‘in’, deals with the use by other disciplines of the insights of the philosophy of language, either concerning the questions to be asked and the methods to be employed, or else as substantive contributions to the theories in these fields. These articles attempt to cover also cases of ›partial borrowing‹, as in literature or in art. The second half of the chapter (no. 110—120), whose article headings contain the conjunction ‘and’, is devoted to problems of demarcation and overlapping which confront philosophers of language. For it is impossible to characterize a discipline as an independent field of studies without situating it with respect to both old and new competitors. The last section of each article contains selected references which are also part of a general bibliography at the end of the second part of the handbook, the entries being supplied by the authors. To each entry the numbers of those articles are attached to which the entry belongs. Antecedent to the general bibliography there is a list of abbrevations. The handbook ends with an index of persons and an index of subjects. The editors are aware what a laborious task it was to undertake to write an essay for this handbook and we thank each individual author for his or her dedicated effort;
Preface
XIX
thanks are especially due for the patience shown by those who were first to send their contribution and had to wait till the last contributions were ready. Among the latter are those by contributors who consented to fill certain unforeseen gaps when approached with a special request by one or other of the editors. The justified wishes of some authors to add and change at the stage of proof reading in order to bring the contributions up to date could not always be complied with in a form satisfactory to them. Similarly, the desire to mention the year of sending the manuscript, since it was not possible to carry it out on a general basis, could not be accomodated. For the same reason, the appendage of thanks to friends and assistants forewarded by some authors, has not gone into print. On an altogether different plane is the plea for providing the accurate and the maximum possible evidence when referring to other texts, a plea that belongs to the region of editorial duty, but one that certainly feels burdensome to the authors now and then. The same is true of the demand to provide the full names of the persons mentioned in an essay, and in the first volume, where the emphasis on historical aspects is prominent, in addition, to annex the period of their lives. Wherever possible and sensible, important terms of the source language have been made use of or have been added; whenever non-latin script types or latin transliterations or transcriptions appear as a consequence, the otherwise customary employment of the simple inverted commas ‘ , ’ to mention the expressions, are avoided as a rule. The improper use or the emphasis, however, are indicated through the reversed angular brackets › ,‹ or through the use of italics, respectively. Citation is done through the signs customary in the respective languages: „ “ (German text), “ ” (English text), « » (French text); if the reference to the source of the citation is lacking then it is marked as improper use. Individual words, however, are usually not marked as citation, even when the source is mentioned; at the most they are marked by using › , ‹. In case of transliteration of foreign names, considering the equal status of all the three languages of the handbook, it has been possible to enforce the unity of spelling only at the level of each single contribution. To the, often laborious, process of realizing an integrated and uniform form of the present handbook many assistants of the editors have contributed over the years. Only those who had to bear the main burden of compiling the final bibliography and the index can be mentioned here: Thomas Kepler and Henning Kniesche for the bibliography, Shahid Rahman and Dagmar Schmauks for the index of subjects, Kai Buchholz and Ingrid Weber for the index of persons. To all of them our special thanks are due. Included are the partners of the editors on the other side. Without the admirable patience of the series editor in charge of this handbook, our colleague Herbert E. Wiegand, and beyond that without the infatigable encouragement offered towards the completion of just this volume by our colleague Heinz Wenzel who has been responsible for the whole series of handbooks at the de Gruyter Publishing Company up to an internal reorganisation of duties at the end of 1991, the final accomplishment of this project would have been impossible. Finally, the editors wish to repeat their sense of gratitude especially towards those authors who are no more there to witness the publication of their contributions. Let this handbook be dedicated therefore to the memory of the expired colleagues, Angus C. Graham, Albert Heinekamp, and Bimal K. Matilal. Summer 1992
M. Dascal, D. Gerhardus, K. Lorenz, G. Meggle
XX
Préface La philosophie du language, en tant que discipline autonome dans la culture occidentale, existe depuis deux siècles à peine. Ce n’est que depuis la fin du XIX e siècle ou au déb ut du XX e qu’elle a accédé à la dignité de fondement de toute recherche dans le domaine des activités basées sur le langage. Les problèmes et les méthodes, qui lui sont propres dans la philosophie contemporaine, tirent leur origine de l’analyse logique du langage, telle qu’elle fut élab orée au sein de la philosophie analytique. Les travaux antérieurs n’ont exercé aucune influence sur son développement et ce n’est qu’après coup que nos contemporains ont mis en évidence leur importance. Cette autonomie tardive de la philosophie du langage ne témoigne cependant pas d’un manque d’intérêt de la philosophie pour le langage, mais elle s’explique par la difficulté générale d’aborder le phénomène linguistique: celui-ci doit remplir la double fonction d’ob jet de recherche et de moyen de sa représentation. Bien évidemment, les réflexions sur le langage, ne serait-ce que sous forme d’un travail préliminaire à la réflexion philosophique propre, furent considérées comme étant indispensab les à toute recherche en philosophie b ien avant l’émergence d’une philosophie du langage autonome. D’explicites réflexions sur le langage se trouvent donc dans presque tout traité philosophique, de quelconque tradition ou époque, et aussi dans des cultures autres que l’occident. En général, la réflexion sur le langage se sépare rarement, d’une manière nette, de la logique et de la psychologie. Aujourd’hui même, les domaines de la logique et celui de la philosophie du langage se chevauchent fréquemment, et ceci avant tout pour ce qui est de l’analyse des expressions linguistiques selon les notions de ‘signification’, de ‘vérité’ et de ‘validité’. De la même façon, psychologie et philosophie du langage se rejoignent en ce qui concerne l’analyse des expressions linguistiques en fonction des processus mentaux du locuteur et de son interlocuteur. Si l’on écarte les aspects physiques du language, dont traitent la phonétique, voire la phonologie, ainsi que ses aspects biologiques, objets d’études récentes de l’éthologie, on remarque que le propre du phénomène linguistique, c’est-à-dire ce qui le distingue de la logique, d’une part, et de la psychologie, d’autre part, fut longuement confondu avec ce à quoi s’intéresse la grammaire traditionnelle. Toutefois, il ne faut pas en conclure que des prob lèmes linguistiques allant au-delà du cadre de la grammaire ne se soient guère prononcés avant le ›linguistic turn‹ au début de ce siècle. Bien au contraire, des analyses linguistiques se trouvent dès l’antiquité dans la rhétorique, la poétique et, avant tout, la théorie de la connaissance, sousdisciplines de l’ancienne philosophie. Pourtant, ces analyses ne furent jamais considérées que comme des auxiliaires à la résolution de prob lèmes réels puisqu’on se défendit d’assimiler les problèmes réels au simple problème de leur représentation (linguistique). L’avènement de la linguistique moderne n’a pas modifié, au moins à ses débuts, ces liens de dépendance. L’aspiration romantique à une union entre science du langage et
Préface
XXI
philosophie du langage, telle qu’elle apparaît de la manière la plus parfaite dans l’œuvre de Wilhelm von Humb oldt, ne vise en fait qu’à mettre la linguistique au service de la science et de la philosophie de l’histoire. C’est au cours du XIX e siècle que la linguistique se détacha lentement de la philosophie du langage et devint autonome: elle se présente désormais comme une discipline propre, ayant pour objet le côté empirique du langage, tandis que la philosophie du langage est devenue une ›métadiscipline‹ qui se propose de définir le cadre conceptuel de tout discours sur le langage. La linguistique a gagné cette indépendance par le b iais de deux méthodes de recherche, l’une comparative et l’autre expérimentale, qui tantôt se complètent, tantôt se contrarient, et qui la caractérisent jusqu’à nos jours. Dans la mesure où cette science nouvelle se veut être une science positive, partout empirique, l’origine des outils qu’elle emploie, et qui sont euxmêmes des éléments langagiers, ne se présente plus à sa portée. Cette tâche de mettre en évidence les fondements méthodologiques de la linguistique est alors confiée à la philosophie du langage, et celle-ci apparaît par conséquent comme une discipline réflexive. Avant qu’il ne se manifeste dans la philosophie analytique, ce rôle s’exprime pour la dernière fois dans la Philosophie der symbolischen Formen (1923—1929) de Ernst Cassirer. La mise en œuvre de l’analyse logique du langage pour résoudre des prob lèmes philosophiques a finalement engendré le développement rapide de la philosophie du langage au cours de notre siècle, tant d’un point de vue diachronique, en se livrant à une étude de plus en plus approfondie du travail des précurseurs, que d’un point de vue synchronique, en s’appliquant à diversifier les outils conceptuels disponib les. Ce développement se fait en rapport étroit avec la logique, la linguistique, la psychologie et, tout récemment, la nouvelle science cognitive. La sémiotique et la théorie de la communication, pour leur part, aspirent à détrôner cette philosophie du language; la première en proposant une théorie intégrative de l’usage général des signes, la seconde en concevant les actions linguistiques comme des actions qui se caractérisent par une intention communicative. Lorsque l’usage de signes est enfin envisagé comme une activité empiriquement ob servab le, sémiotique et théorie de la communication, en revanche, se trouvent sub stituées par la théorie de l’action (pragmatique/praxéologie) et par l’étude du comportement (éthologie) que complètent les modèles de l’intelligence artificielle. En dépit d’un effort systématique de documentation et de classement thématique dû à une collab oration internationale, les spécialistes de la discipline eux-mêmes ne sont pas en mesure de survoler l’ensemb le des recherches en cours dans le domaine de la philosophie du langage. Le novice désireux de connaître l’état actuel de cette discipline se retrouve donc devant une situation désespérée, d’autant plus qu’il ne dispose que de manuels extrêmement sélectifs. Ajoutez à cela une difficulté supplémentaire. Faut-il tenir la philosophie du langage pour une philosophie de la linguistique, à savoir une b ranche de la philosophie de la science, ou serait-il préférab le de la considérer comme une philosophie linguistique? Dans ce cas-là, elle se présenterait comme une manière nouvelle d’aborder, par le moyen de l’analyse linguistique, les prob lèmes philosophiques traditionnels. Par ailleurs, il reste toujours possib le que philosophie du language et linguistique puissent un jour fusionner dans une ›linguistique générale‹ qui engloberait toutes les disciplines traitant du language: philosophie, logique, psychologie, science cognitive, psychanalyse, herméneutique et rhétorique.
XXII
Préface
N’oub lions pas enfin que la tradition philosophique elle-même est réexaminée et réinterprétée à la lumière de la philosophie du langage, en sorte qu’il est difficile d’étab lir une séparation nette entre les prob lèmes soulevés par cette dernière quant à l’interprétation de certains textes et les thèmes de philosophie du langage abordés dans ces mêmes textes. Le manuel La philosophie du language se propose, dans le cardre de la série des Manuels de linguistique et des sciences de communication, de remédier, autant que possible, à cette situation. Il est destiné à la fois aux philosophes, étudiants, professeurs et chercheurs, et aux spécialistes de toutes les disciplines qui traitent du langage en tant qu’objet de recherche ou moyen de représentation. Il se propose d’offrir aux uns et aux autres une vue d’ensemb le de la discipline considerée dans les problèmes qu’elle soulève, les méthodes qu’elle emploie et les cadres théoriques qu’elle se donne. Bien éloigné de se b orner au point de vue unilateral d’une école ou d’un pays, il regroupe les contrib utions de spécialistes qui traitent des divers domaines de la philosophie du langage, et relèvent des traditions les plus diverses. Ce manuel n’est pas une encyclopédie: bien éloigné de regrouper une foule d’articles brefs, il rassemble un nombre assez restreint de monographies dont les auteurs complètent par des jugements critiques portant sur les prob lèmes, les concepts et les développements historiques, la part qu’ils réservent à l’information. Les collab orateurs avaient la faculté de retenir, dans les domaines qui leur ont été assignés, les points qu’ils jugeaient essentiels. Il leur était aussi loisible de susciter des controverses sur les problèmes qu’ils ont abordés. Les directeurs de l’ouvrage ont laissé à leurs collab orateurs une entière lib erté. Pas plus qu’ils n’ont exigé un traitement exhaustif de chaque sujet, ils n’ont pris parti dans les controverses. Leur rôle s’est borné à choisir judicieusement et répartir les sujets d’étude. Il est résulté de cette tâche, à laquelle ont contrib ué plusieurs collègues, une classification systématique des principaux domaines de recherche dans la philosophie contemporaine du langage. Ecartant les b arrières nationales qui auraient pu reb uter certains de leurs collab orateurs, ils ont accepté et même encouragé l’usage de trois langues: la française, l’allemande et l’anglaise. Chacun des deux volumes du manuel regroupe 60 articles, réparties en 3 chapitres. Le premier traite plutôt des aspects historiques, et le second des aspects systématiques des problèmes. Le chapitre II, qui occupe la partie centrale du premier tome, regroupe 26 articles et traite des contrib utions à la philosophie du langage dont nous sommes redevab les à des personnes historiquement importantes. Le chapitre V, qui figure dans le second volume, traite en 22 articles des concepts fondamentaux qui dominent largement, quant à la forme et au contenu, la philosophie contemporaine du language. En vue d’un traitement satisfaisant des aspects historiques de la discipline, on a jugé nécessaire de compléter le chapitre II par deux autres: le chapitre I qui regroupe 13 aperçus spatio-temporels, et le chapitre III, qui expose 21 doctrines en philosophie du langage. Les unes relèvent de l’histoire et traitent des écoles anciennes qui ont exercé une influence importante, les autres sont celles qui jouent un role essentiel dans la pensée contemporaine. De manière semb lab le, deux chapitres du second volume, complètent l’exposé des concepts fondamentaux. Dans le quatrième, 16 controverses importantes, passées ou présentes, font l’objet d’exposés critiques; dans le sixième, 22 articles examinent les aspects de la philosophie du langage dans d’ autres domaines.
I.Préface
I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. II. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. III. 40. 41. 42. 43.
Aperçus spatio-temporels Premières réflexions sur le langage La philosophie du langage des stoïciens Les philosophies du langage juive et arabe La philosophie du langage dans la scolastique La philosophie indienne du langage La philosophie chinoise du langage La philosophie du langage dans la Renaissance La philosophie du langage au Siècle des Lumières La philosophie du langage à orientation historique au 19ème siècle Le scepticisme en philosophie du langage La tradition empiriste dans la philosophie du langage La tradition rationaliste dans la philosophie du langage La philosophie du langage à l’époque romantique Personnes Plato Aristote Aurelius Augustinus Bhartṛhari Jayanta al-Fārābī Pierre Abélard William of Ockham John Locke Gottfried Wilhelm Leibniz Giambattista Vico Johann Georg Hamann Johann Gottfried Herder Wilhelm von Humboldt Bernard Bolzano Alexander Bryan Johnson John Stuart Mill Wilhelm Wundt Charles Sanders Peirce Anton Marty Gottlob Frege Fritz Mauthner Ferdinand de Saussure Ernst Cassirer Karl Bühler Ludwig Wittgenstein Doctrines La doctrine des terministes La doctrine des modistes Apohavāda dans l’école logique du Bouddhisme La doctrine du sphoṭa des grammairiens indiens
XXIII
44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56.
57. 58. 59. 60. IV. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76.
La position de la grammaire rationnelle Le point de vue herméneutique Les points de vue phénoménologiques Les points de vue dialogiques La doctrine marxiste Les points de vue de la critique des idéologies Les positions du behaviorisme Les positions structuralistes Le point de vue interactionniste Le point de vue du pragmatisme transcendantal La philosophie implicite du langage dans la théorie des actes de parole La philosophie implicite du langage dans la sémantique formelle La philosophie implicite du langage dans la sociologie du langage et dans la socio-linguistique Fondements philosophiques de la psychologie du langage et de la psycho-linguistique Fondements philosophiques de l’analyse du contenu Les langages formels en philosophie analytique Le langage ordinaire en philosophie analytique Controverses La querelle des universaux Les rapports entre langage et monde sont-ils naturels ou conventionnels? La controverse sur la primauté du mot ou de la phrase Le problème de la langue universelle La controverse sur l’origine du langage La controverse aryanosémitique au sein de la linguistique moderne Le langage comme système et le langage comme action La controverse sur les théories de la signification La controverse sur les théories de la vérité La controverse sur la primauté de la notion de vérité dans la philosophie du langage Penser et parler: à qui la primauté? La controverse sur les idées innées La controverse sur l’indétermination de la traduction Le pour et le contre du relativisme linguistique Une ou plusieurs logiques? Les arguments pertinent pour la philosophie du langage La méréologie et la théorie des ensembles en tant qu’outils méthodologiques concurrent en philosophie du langage
XXIV
V. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. VI. 99. 100.
Concepts Articulation et prédication La référence: noms, descriptions et variables Deixis et autoréférence Attitude propositionnelle Sens et référence Abstraction et concrétisation Identité et individuation Rélations sémantiques: vue d’ensemble Analogie Synonymie et analyticité Énonciation — énoncé — proposition — jugement Mondes possible — individus possibles Les conditionnelles ‘Symptôme’ et ‘symbole’ dans le langage Métaphore Contexte et cotexte Intentionnalité Communication et compréhension Force illocutoire Jeux dans le langage Présupposition et implicitation Le vague et l’ambigu Aspects de la philosophie du langage dans d’autres domaines La philosophie du langage dans la philosophie des sciences La philosophie du langage dans les sciences exactes
Préface
101. La philosophie du langage dans les sciences sociales 102. La philosophie du langage dans les sciences juridiques 103. La philosophie du langage en théologie 104. La philosophie du langage en éthique 105. La philosophie du langage dans l’estéthique 106. La philosophie du langage dans la théorie littéraire 107. La philosophie du langage dans la littérature 108. La philosophie du langage dans les arts nonverbaux 109. La philosophie du langage dans la psychanalyse 110. Philosophie du langage et psychologie 111. Philosophie du langage et logique 112. Philosophie du langage et rhétorique 113. Philosophie du langage et linguistique 114. Philosophie du langage et sémiotique 115. Philosophie du langage et théorie de la communication 116. Philosophie du langage et éthologie 117. Philosophie du langage et intelligence artificielle 118. Philosophie du langage et philosophie linguistique 119. Philosophie du langage et ontologie 120. La philosophie du langage et la méthode de l’analyse logico-linguistique
Les aperçus spatio-temporels qui composent les 13 articles du chapitre I présentent des ensembles d’idées qui, relativement cohérents et fermes, se prêtent à un exposé de caractère nettement historique. Naturellement, les articles discutent fréquemment les œuvres d’auteurs importants au sein des traditions dont ils relèvent. En dépit de leur importance historique, nous n’avons pas toujours jugé nécessaire d’en reprendre l’examen dans le chapitre II. L’ab sence d’un aperçu de la philosophie du langage au XX e siècle se justifie par le fait que les positions actuelles sont amplement développées dans le chapitre III et retentissent encore dans certaines présentations d’auteurs du chapitre II (Mauthner, Saussure, Cassirer, Bühler, Wittgenstein). Les 26 personnes présentées dans le chapitre II ont été retenues en raison de l’étendue et de la variété de leurs contrib utions à la philosophie du langage, en sorte qu’on ne peut les considérer comme appartenant à l’une des traditions qui font l’objet du chapitre I. Font exception toutefois quelques auteurs qui ressortissent à une tradition indienne, arabe ou scolastique. La raison en est que Bhartṛhari est, dans l’histoire de la philosophie indienne du language, l’un des auteurs les plus accessib les actuellement, alors que Jayanta est, parmi les philosophes indiens, le premier dont la réflexion sur le langage ait été reconnue comme originale. Si, de son côté, al-Fārābī mérite un exposé particulier, c’est en raison du rôle important qu’il a joué dans la transmission et l’utilisation de l’héritage grec. Enfin, si Ab élard et Occam ont été retenus plutôt que d’autres scolastiques, c’est avant tout parce que leurs œuvres datant, qui du déb ut, qui de la fin de l’âge scolastique, représentent des positions paradigmatiques que la recherche historique actuelle nous permet de comprendre en détail.
Préface
XXV
Le dessein qui a présidé au choix des 21 doctrines examinées dans le chapitre III était de présenter une gamme aussi variée et complète que possib le des théories générales dont découlent les différentes thèses en philosophie du langage, afin que le lecteur prenne conscience des rapports qui lient ces thèses fondamentales aux positions philosophiques dont elles font partie. Les deux positions qui dominent la discussion actuelle en philosophie analytique font l’ob jet d’un exposé critique situé à la fin du premier volume (articles 59 et 60). Il s’agit de l’empirisme logique dont l’apogée se situe entre 1920 et 1950, et du phénoménalisme linguistique qui atteint son sommet, avec un décalage de dix ans, entre 1930 et 1960. Notons encore que le premier de ces deux courants tire son origine des travaux exhaustifs de Bertrand Russell ainsi que de l’activité féconde du Cercle de Vienne, et que le mérite d’avoir engendré le second, devenu célèbre pour la première fois sous le nom d’Ecole d’Oxford, revient à George Edward Moore. En outre, le lecteur sera mis à même de saisir les rapports entre certaines théories linguistiques et certaines prises de position philosophiques qui en sont le fondement tacite (articles 54—58). Dernier article du manuel, l’article 120 reprend, et cette fois dans une perspective tout à fait générale, le prob lème du rapport entre telle position philosophique qui se manifeste dans le choix d’une méthode d’analyse logicolinguistique d’une part, et les principes philosophiques que ce choix présuppose d’autre part. Dans la mesure où ils ont pour ob jet des prises de position, les 16 articles de controverses qui composent le chapitre IV viennent contreb alancer ceux du chapitre III. Ces controverses ne sont pas seulement exposées pour elles-mêmes, dans leur organisation interne, mais aussi du point de vue des critiques externes dont elles ont fait l’ob jet, et du rôle critique qu’elles jouent dans certains déb ats philosophiques importants. Parmi ces déb ats, ceux qui appartiennent au passé font l’ob jet de reconstitutions historiques précises, en sorte qu’apparaîtra clairement l’intérêt qu’elles présentent dans les déb ats actuels (articles 61—66), alors que d’autres dominent encore, par certains de leurs aspects, les efforts de systématisation entrepris par les chercheurs contemporains. Le chapitre V, qui traite des concepts, se subdivise en 22 articles. Le premier, l’article 77, est consacré aux concepts fondamentaux en général. Les articles 78 à 89, qui ont pour ob jet les notions sémantiques, tiennent compte du prob lème déjà mentionné des frontières communes à la logique et à la philosophie du langage, et se proposent d’éclaircir le rapport entre l’usage logique et celui philosophique des concepts dont ils traitent. Suit l’exposé des concepts pragmatiques (articles 90—98) qui, de manière semb lab le, met en lumière la façon dont usage psychologique et usage philosophique de ces concepts se superposent. Le chapitre VI, qui clôt l’ouvrage, ab orde les aspects de la philosophie du langage dans d’ autres domaines. II comprend deux parties, d’étendue sensib lement égale. Les articles qui composent la première (article 99—109), et dont les titres font usage des prépositions ‘en’ et ‘dans’, traitent des ›insights‹, fussent-ils partiels ou implicites, de la philosophie du langage dans la prob lématique, la méthodologie et les développements théoriques d’autres domaines, scientifiques ou non. La seconde moitié (articles 110—120), dont les titres usent de la conjonction ‘et’, s’attache plus particulièrement à l’étude des interactions qui lient la philosophie du langage et d’autres domaines du savoir, interactions étant à l’origine de recherches ›inter-disciplinaires‹ et dignes de retenir l’attention, pour cette double raison que leur étude met en évidence la fécondité de la philosophie du langage, et qu’elle permet d’en préserver l’identité.
XXVI
Préface
Complétant les b ib liographies sélectives annexées aux articles, une b ib liographie d’ensemb le, constituée d’après les indications des auteurs, figure à la fin du second volume. Chaque entrée renvoie aux articles auxquels elle se rapporte. S’y ajoutent enfin une tab le des ab réviations utilisées dans le manuel, ainsi qu’un index nominum et rerum. Bien conscients des efforts fournis par chaque auteur, les éditeurs tiennent à les remercier d’avoir tenu leurs engagements. Nous remercions particulièrement ceux d’entre eux qui, ayant remis les premiers leurs contrib utions, ont dû patienter jusqu’à l’achèvement des derniers manuscrits, dont les articles des auteurs qui avaient la gentillesse de combler avec leurs contributions quelques lacunes en dernière minute. Lors de la correction des épreuves, les éditeurs n’ont pu, malheureusement, tenir compte de toutes les mises au point souhaitées par les auteurs. S’ils ont renoncé à mentionner les dates de dépôt des manuscrits, c’est parce qu’ils n’ont pu en imposer le principe à tous les collab orateurs. C’est pour la même raison qu’ils ont dû écarter les remerciements que certains ont ajouté a leurs contributions. Il était en revanche de leur devoir — un devoir parfois ressenti péniblement par les auteurs — d’exiger des références exactes et précises, ainsi que la transcription complète des noms propres mentionés. Ils ont cru devoir ajouter les dates de naissance et de décès des auteurs évoqués, particulièrement dans le premier volume où l’aspect historique des questions traitées joue un rôle essentiel. Chaque fois que la chose était possible et utile, on a mentionné ou ajouté, dans leur langue originale, les expressions caractéristiques importantes. Lorsque ces dernières ne figurent pas en caractères romains ou lorsqu’elles sont données en tant que translitérations ou transcriptions en caractères romains, on a renoncé à les signaler par des guillemets anglais simples: ‘ , ’ symboles systématiquement utilisés dans les autres cas où une expression se trouve d’être nommée. On a employé soit des caractères italiques, soit des crochets inverses › , ‹ tantôt pour mettre en relief une expression, tantôt pour signaler les termes pris dans un sens figuré. On a inséré les citations littérales entre les guillements usuels de la langue employée: „ “ pour l’allemand. “ ” pour l’anglais, « » pour le français. Les citations dont la référence exacte n’a pu être trouvée sont signalées par les symboles: › , ‹. Par principe, ces mêmes symboles encadrent les citations à un terme isolé, citations qui ne sont pas considérées comme telles, même lorsqu’on a ajouté la référence exacte. Compte tenu du fait qu’une égalité de droit a été accordée à chacune des trois langues utilisées dans le manuel, la translitération de termes étrangers ne prétend être homogène qu’au sein de chaque contribution. Plusieurs années durant, maints collab orateurs et collab oratrices se sont adonnés à cette tâche difficile qu’est la mise au point d’une présentation uniforme du manuel. Nous nous faisons un devoir de mentionner les noms de ceux d’entre eux à qui incombait la lourde tâche de la préparation de la bibliographie: MM. Thomas Kepler et Henning Kniesche, de l’index des matières: M. Shahid Rahman et Mme Dagmar Schmauks, et de l’index des personnes: M. Kai Buchholz et Mme Ingrid Weber. Nous leur exprimons une reconnaissance particulière. Nous ressentons également le vif besoin de mettre en valeur l’admirable patience de notre collègue M. Herbert E. Wiegand, directeur de la série des Manuels de linguistique et des sciences de communication, ainsi que l’engagement infatigable dont témoigna M. Heinz Wenzel, qui, jusqu’à une réorganisation interne des éditions de Gruyter à la fin
Préface
XXVII
de 1991, s’occupa de la série à la maison d’édition. Sans eux, ce manuel n’aurait jamais pu être réalisé. Les éditeurs gardent un souvenir reconnaissant de ceux des auteurs que la mort a privés du plaisir de lire leurs contrib utions dans le texte imprimé. C’est à la mémoire des collègues Angus C. Graham, Alb ert Heinekamp et Bimal K. Matilal que nous dédions ce manuel. Au mois d’août 1992
M. Dascal, D. Gerhardus, K. Lorenz, G. Meggle
XXIX
Inhalt/Contents/Table des matières 1. Halbband/Volume 1/Tome 1 Vorwort ........................................................................................................................ Preface .......................................................................................................................... Préface ..........................................................................................................................
I.
Raumzeitliche Übersichten Spatio-temporal surveys Aperçus spatio-temporels
1.
Matthias Gatzemeier, Sprachphilosophische Anfänge (First thoughts about language. Premières reflexions sur le langage) ................................. Karlheinz Hülser, Stoische Sprachphilosophie (Stoic philosophy of language. La philosophie du langage des stoïciens) ......................................... Lenn E. Goodman, Jewish and Islamic philosophy of language (Jüdische und arabische Sprachphilosophie. Les philosophies du langage juive et arabe) ........................................................................................................... Wolfgang Gombocz, Sprachphilosophie in der Scholastik (Philosophy of language in scholasticism. La philosophie du langage dans la scolastique) .......................................................................................................... Bimal K. Matilal, Indian philosophy of language (Indische Sprachphilosophie. La philosophie indienne du langage) ........................................... Angus C. Graham, Chinese philosophy of language (Chinesische Sprachphilosophie. La philosophie chinoise du langage) ....................................... Gabriel Nuchelmans, Renaissance philosophy of language (Sprachphilosophie in der Renaissance. La philosophie du langage dans la Renaissance) ........................................................................................................... Gerda Haßler, Sprachphilosophie in der Aufklärung (Philosophy of language in the age of enlightenment. La philosophie du langage au Siècle des Lumières) ............................................................................................... Hermann J. Cloeren, Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert (Historically oriented philosophy of language in the 19th century. La philosophie du langage à orientation historique au 19ème siècle) ........................................................................................................... Jim Hankinson, The sceptical tradition in the philosophy of language (Die skeptische Tradition in der Sprachphilosophie. Le scepticisme en philosophie du langage) ............................................................................... Lia Formigari, The empiricist tradition in the philosophy of language (Die empiristische Tradition in der Sprachphilosophie. La tradition empiriste dans la philosophie du langage) .........................................................
2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
10. 11.
V XIII XX
1 17 34 56 75 94 104 116
144 162 175
XXX
12. 13.
Inhalt/Contents/Table des matières
Sylvain Auroux, La tradition rationaliste dans la philosophie du langage (Die rationalistische Tradition in der Sprachphilosophie. The rationalist tradition in the philosophy of language) ...................................................... Helmut Gipper, Sprachphilosophie in der Romantik (Philosophy of language in romanticism. La philosophie du langage à l’époque romantique) ............................................................................................................
II.
Personen Persons Personnes
14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.
Nicholas P. White, Plato (427—347) ........................................................... Wolfram Ax, Aristoteles (384—322) ........................................................... Erhardt Güttgemanns, Aurelius Augustinus (354—430) ............................. Madhav M. Deshpande, Bhartṛhari (ca. 450—510) ..................................... Bimal K. Matilal, Jayanta (ca. 840—900) ................................................... Jacques Langhade, al-Fārābī (872—950) ..................................................... Lambertus M. de Rijk, Peter Abaelard (1079—1142) .................................. Egbert Bos, William of Ockham (ca. 1285—1347) ..................................... Gerhard Streminger, John Locke (1632—1704) ........................................... Albert Heinekamp, Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) .................... Nancy S. Struever, Giambattista Vico (1668—1744) ................................... Rüdiger Welter, Johann Georg Hamann (1730—1788) ................................ Ulrich Gaier, Johann Gottfried Herder (1744—1803) .................................. Silke M. Kledzik, Wilhelm von Humboldt (1767—1835) ........................... Jan Berg, Bernard Bolzano (1781—1848).................................................... Lars Gustafsson, Alexander Bryan Johnson (1786—1867) .......................... Willem R. de Jong, John Stuart Mill (1806—1873) ..................................... Clemens Knobloch, Wilhelm Wundt (1832—1920) .................................... Bernd Michael Scherer, Charles Sanders Peirce (1839—1914) ................... Savina Raynaud, Anton Marty (1847—1914) .............................................. Matthias Schirn, Gottlob Frege (1848—1925) ............................................. Elisabeth Leinfellner-Rupertsberger, Fritz Mauthner (1849—1923) ........... Christian Stetter, Ferdinand de Saussure (1857—1913) ............................... Henning Kniesche, Ernst Cassirer (1874—1945) ......................................... Robert E. Innis, Karl Bühler (1879—1963) ................................................. Jacques Bouveresse, Ludwig Wittgenstein (1889—1951) ............................
III.
Positionen Positions Doctrines
40.
Klaus Jacobi, Die Lehre der Terministen (The terminists’ doctrine. La doctrine des terministes) .............................................................................. Gereon Wolters, Die Lehre der Modisten (The modists’ doctrine. La doctrine des modistes) .................................................................................
41.
184 197
234 244 260 269 278 279 290 296 308 320 330 339 343 362 381 393 401 412 431 445 467 495 510 524 550 563
580 596
Inhalt/Contents/Table des matières
42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56.
57.
58. 59.
Victor van Bijlert, Apohavāda in Buddhist logic (Der Apohavāda in der logischen Schule des Buddhismus. Apohavāda dans l’école logique du Bouddhisme) ................................................................................................ Bimal K. Matilal, The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians (Der Sphoṭavada bei den indischen Grammatikern. La doctrine du sphoṭa des grammairiens indiens) ................................................................................. Jean-Claude Pariente, La position de la grammaire rationelle (Die Position der rationalen Grammatik. The rational grammar position) ........ Kurt Wuchterl, Die hermeneutische Position (The hermeneutic approach. Le point de vue herméneutique) ................................................................... David Woodruff Smith, Phenomenological approaches (Die phänomenologischen Positionen. Les points de vue phénoménologiques) ................ Else M. Barth, Dialogical approaches (Die dialogischen Positionen. Les points de vue dialogiques) ........................................................................... Volkbert M. Roth, Die marxistische Lehre (The marxist doctrine. La doctrine marxiste) ........................................................................................ James Bohman, Critique of ideologies (Die ideologiekritischen Positionen. Les points de vue de la critique des idéologies) .................................. Ausonio Marras, Behavioristic approaches (Die behavioristischen Ansätze. Les positions du behaviorisme) ......................................................... Axel Bühler, The structuralist approaches (Die strukturalistischen Ansätze. Les positions structuralistes) ............................................................. Harald Wenzel, Der interaktionistische Ansatz (The interactionist approach. Le point de vue interactionniste) .................................................... Wolfgang Kuhlmann, Die transzendentalpragmatische Position (The position of transcendental pragmatism. Le point de vue du pragmatisme transcendantal) ............................................................................................ Hans Julius Schneider, Die sprachlichen Annahmen der Sprechakttheorie (The philosophy of language underlying speech act theory. La philosophie implicite du langage dans la théorie des actes de parole) ............... Helmut Schnelle, Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen Semantik (The philosophy of language underlying formal semantics. La philosophie implicite du langage dans la sémantique formelle) .................. Johannes Schw italla, Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprachsoziologie und der Soziolinguistik (The philosophy of language underlying sociology of language and sociolinguistics. La philosophie implicite du langage dans la sociologie du langage et dans la socio-linguistique) .... Jan Sleutels, Philosophical foundations of psychology of language and of psycholinguistics (Die philosophischen Grundlagen der Sprachpsychologie und der Psycholinguistik. Fondements philosophiques de la psychologie du langage et de la psycho-linguistique) ............................................. Hans Glinz, Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung (Philosophical foundations of content analysis. Fondements philosophiques de l’analyse du contenu) .......................................................... Henri Lauener, Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie (Formal languages in analytic philosophy. Les langages formels en philosophie analytique) ..................................................................
XXXI
600 609 620 638 649 663 677 689 705 718 732 746 761 775
785
797 810 825
XXXII
60.
Inhalt/Contents/Table des matières
Eike von Savigny/Oliver Scholz, Das Normalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie (Ordinary language in analytic philosophy. Le langage ordinaire en philosophie analytique) .............................................
2. Halbband (Überblick über den vorgesehenen Inhalt) Volume 2 (Overview of Contents) Tome 2 (Articles prévus) IV.
Kontroversen Disputes Controverses
61.
Paul Gochet, La querelle des universaux (Der Universalienstreit. For and against universals) Bimal K. Matilal/Jürgen Mittelstraß, Are w ord and things connected by nature or by convention?/Der ϕύσει-θέσει-Streit (Les rapports entre langage et monde sont-ils naturels ou conventionnels?) Bimal K. Matilal, The dispute on the primacy of word or sentence (Der Streit um den Primat von Wort oder Satz. La controverse sur la primauté du mot ou de la phrase) Vivian Salmon, The universal language problem (Der Streit um eine Universalsprache. Le problème de la langue universelle) Gordon Hew es, Disputes on the origin of language (Der Streit um den Sprachursprung. La controverse sur l’origine du langage) Maurice Olender, La controverse aryanosémitique au sein de la linguistique moderne (Der arisch-semitische Streit zu Beginn der modernen Sprachwissenschaft. The Aryan-Semitic dispute at the beginning of modern linguistics) Konrad Ehlich, Sprache als System versus Sprache als Handlung (Language as system versus language as action. Le langage comme système et le langage comme action) Georg Meggle/Geo Sigw art, Der Streit um Bedeutungstheorien (Disputes about theories of meaning. La controverse sur les théories de la signification) Pirmin Stekeler-Weithofer, Der Streit um Wahrheitstheorien (Disputes about theories of truth. La controverse sur les théories de la vérité) Simon Blackburn, The dispute on the primacy of the notion of truth in the philosophy of language (Der Streit um den Primat von Wahrheit in der Sprachphilosophie. La controverse sur la primauté de la notion de vérité dans la philosophie du langage) Marcelo Dascal, The dispute on the primacy of thinking or speaking (Der Streit um den Primat von Denken oder Sprechen. Penser et parler: à qui la primauté?)
62. 63. 64. 65. 66.
67. 68. 69. 70.
71.
859
Inhalt/Contents/Table des matières
72. 73. 74. 75.
76.
Stephen P. Stich, The dispute over innate ideas (Der Streit um die eingeborenen Ideen. La controverse sur les idées innées) Jay F. Rosenberg, The dispute on the indeterminacy of translation (Der Streit um die Unbestimmtheit von Übersetzung. La controverse sur l’indétermination de la traduction) William Berriman, Pro and contra linguistic relativism (Für und wider einen linguistischen Relativismus. Le pour et le contre du relativisme linguistique) Neil Tennant, One or many logics? Arguments relevant to the philosophy of language (Sprachphilosophische Argumente im Streit um eine Logik oder viele Logiken. Une ou plusieurs logiques? Les arguments pertinents pour la philosophie du langage) Peter M. Simons, Mereology and set theory as competing methodological tools w ithin philosophy of language (Mereologie und Mengenlehre als konkurrierende sprachphilosophische Werkzeuge. La méréologie et la théorie des ensembles en tant qu’outils méthodologiques concurrent en philosophie du langage)
V.
Begriffe Concepts Concepts
77.
Kuno Lorenz, Artikulation und Prädikation (Articulation and predication. Articulation et prédication) Nathan U. Salmon, Reference: names, descriptions and variables (Referenz durch Namen und Kennzeichnungen; Variable. La référence: noms, descriptions et variables) Wolfgang Künne/Ernest Sosa, Deixis und Selbstbezug/Deixis and selfreference (Deixis et autoréférence) Wolfgang Lenzen, Propositionale Einstellung (Propositional attitude. Attitude propositionelle) Michael Dummett, Sense and reference (Sinn und Bedeutung. Sens et référence) Joëlle Proust, Abstraction et concrétisation (Abstraktion und Konkretion. Abstraction and concretion) Stew art Candlish, Identity and individuation (Identität und Individuation. Identité et individuation) Sanford Shieh, A survey of semantic relations (Eine Übersicht über semantische Relationen. Rélations sémantiques: vue d’ensemble) Wim de Pater, Analogy (Analogie. Analogie) How ard Callaw ay, Synonymy and analyticity (Synonymie und Analytizität. Synonymie et analyticité) Gottfried Gabriel, Äußerung — Satz — Aussage — Urteil (Utterance — sentence — proposition — judgment. Énonciation — énoncé — proposition — jugement) Jaakko Hintikka, Possible w orlds — possible individuals (Mögliche Welten — mögliche Individuen. Mondes possibles — individus possibles)
78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88.
XXXIII
XXXIV
89. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98.
Inhalt/Contents/Table des matières
Ernst Adams/Ruth Manor, Conditionals (Konditional. Les conditionnelles) Jerzy Pelc, ‘Symptom’ und ‘Symbol’ in der Sprache (‘Symptom’ and ‘symbol’ in language. ‘Symptom’ et ‘symbole’ dans le langage) Umberto Eco, Metaphor (Metapher. Métaphore) Dorothea Franck, Kontext und Kotext (Context and cotext. Contexte et cotexte) John R. Searle, Intentionality (Intentionalität. Intentionnalité) Georg Meggle, Kommunikation und Verstehen (Communication and understanding. Communication et compréhension) Daniel Vanderveken, Illocutionary force (Illokution. Force illocutoire) Marcelo Dascal/Jaakko Hintikka/Kuno Lorenz, Jeux dans le langage/ Games in language/Spiel in der Sprache Michael Astroh, Präsupposition und Implikatur (Presupposition and implicature. Présupposition et implicitation) Ingemund Gullvåg/Arne Naess, Vagueness and ambiguity (Vagheit und Ambiguität. Le vague et l’ambigu)
VI.
Sprachphilosophische Aspekte in anderen Bereichen Aspects of philosophy of language in other fields Aspects de la philosophie du langage dans d’autres domaines
99.
Felix Mühlhölzer, Sprachphilosophie in der Wissenschaftstheorie (Philosophy of language in philosophy of science. La philosophie du langage dans la philosophie des sciences) Gilles Granger, La philosophie du langage dans les sciences exactes (Sprachphilosophie in den exakten Wissenschaften. Philosophy of language in the exact sciences) Hans G. Zilian, Sprachphilosophie in den Gesellschaftsw issenschaften (Philosophy of language in the social sciences. La philosophie du langage dans les sciences sociales) Werner Kraw ietz, Sprachphilosophie in der Jurisprudenz (Philosophy of language in law. La philosophie du langage dans les sciences juridiques) Wim de Pater, Philosophy of language in theology (Sprachphilosophie in der Theologie. La philosophie du langage en théologie) Richard M. Hare, Philosophy of language in ethics (Sprachphilosophie in der Ethik. La philosophie du langage en éthique) Dietfried Gerhardus, Sprachphilosophie in der Ästhetik (Philosophy of language in aesthetics. La philosophie du langage dans l’esthétique) Harald Fricke, Sprachphilosophie in der Literaturw issenschaft (Philosophy of language in the theory of literature. La philosophie du langage dans la théorie littéraire) Lutz Danneberg, Sprachphilosophie in der Literatur (Philosophy of language in fiction and poetry. La philosophie du langage dans la littérature) Dietfried Gerhardus, Sprachphilosophie in den nichtw ortsprachlichen Künsten (Philosophy of language in non-verbal arts. La philosophie du langage dans les arts non-verbaux)
100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107. 108.
Inhalt/Contents/Table des matières
109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120.
Alfred Lorenzer/Michael Wetzel, Sprachphilosophie in der Psychoanalyse (Philosophy of language in psychoanalysis. La philosophie du langage dans la psychanalyse) Joseph Margolis, Philosophy of language and psychology (Sprachphilosophie und Psychologie. Philosophie du langage et psychologie) Wojciech Buszkow ski, Philosophy of language and logic (Sprachphilosophie und Logik. Philosophie du langage et logique) Michael Astroh, Sprachphilosophie und Rhetorik (Philosophy of language and rhetoric. Philosophie du langage et rhétorique) Alice ter Meulen, Philosophy of language and linguistics (Sprachphilosophie und Linguistik. Philosophie du langage et linguistique) Roland Posner, Sprachphilosophie und Semiotik (Philosophie of language and semiotics. Philosophie du langage et sémiotique) Gerhardt Fritz, Sprachphilosophie und Kommunikationstheorie (Philosophy of language and communication theory. Philosophie du langage et théorie de la communication) Harvey Sarles, Philosophy of language and ethology (Sprachphilosophie und Verhaltensforschung. Philosophie du langage et éthologie) Yorick Wilks, Philosophy of language and artificial intelligence (Sprachphilosophie und künstliche Intelligenz. Philosophie du langage et intelligence artificielle) Zeno Vendler, Philosophy of language and linguistic philosophy (Sprachphilosophie und linguistische Philosophie. Philosophie du langage et philosophie linguistique) Jonathan Cohen, Philosophy of language and ontology (Sprachphilosophie und Ontologie. Philosophie du langage et ontologie) Friedrich Kambartel/Pirmin Stekeler-Weithofer, Sprachphilosophie und die Methode der Sprachanalyse (Philosophy of language and the method of logico-linguistic analysis. La philosophie du langage et la méthode de l’analyse logico-linguistique)
Bibliographischer Anhang und Register Bibliographic appendix and indexes Annexe bibliographique et index Verzeichnis der Beiträger/List of contributors/Liste des auteurs Sigla/Sigla/Sigles Publikationen/Publications/Ouvrages Personenregister/Index of persons/Index nominum Sachregister/Index of subjects/Index rerum
XXXV
1
I.
Raum-zeitliche Übersichten Spatio-temporal surveys Aperçus-spatio-temporels
1.
Sprachphilosophische Anfänge
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
1.
Vom Mythos zum Logos. Rationalität und Sprache Vor- und Frühgeschichte der Sprachreflexion Die ionische Naturphilosophie Der Pythagoreismus Der Heraklitismus Der Eleatismus Die jüngere Naturphilosophie Der Atomismus Die Sophistik Schlußbemerkung Literatur in Auswahl
Vom Mythos zum Logos. Rationalität und Sprache
Die Sprachphilosophie ist, wie andere Errungenschaften des menschlichen Geistes auch, nicht plötzlich als vollständige Theorie entstanden. Bevor der Status einer Theorie erreicht wurde, gab es sporadisch einzelne Reflexionen über Sprache, und vor diesen expliziten Reflexionen lassen sich vereinzelt Besonderheiten im faktischen Sprachgebrauch ausmachen, die als Vorstufe zu theoretischen Überlegungen angesehen werden können. Die folgende Erörterung der ›sprachphilosophischen Anfänge‹ wird daher insbesondere auch die Vorstufen der Theorieentwicklung zu berücksichtigen haben. — Philologische und historische Probleme (z. B. der Textkritik, der Echtheit und der Datierung) werden, da sie den Rahmen dieser Darstellung sprengen würden, in der Regel nicht behandelt. 1.1. Die bewußte Verwendung sprachlicher Ausdrucks- und Darstellungsmöglichkeiten, insbesondere die Reflexion auf Sprache (wie man ‘Sprachphilosophie’ sehr allgemein bestimmen könnte) gilt in der Regel als Beginn der Rationalität. Der Rationalitätsbegriff (›westlicher‹ Prägung; Rationalitätsverständ-
nisse anderer Kulturen und Traditionen seien hier ausgeklammert) ist eng mit einer bestimmten Vorstellung von Sprachverwendung und Sprachreflexion verbunden. Demgegenüber wird der Mythos als Paradigma der Nicht-Rationalität angesehen: Der Weg des Fortschritts der (beziehungsweise) zur Vernunft ist die Entwicklung „vom Mythos zum Logos“ (Nestle 1942 ; Snell 1955). Der Unterschied von Mythos und Logos läßt sich — stark vereinfacht — an folgenden sprachlichen Charakteristika verdeutlichen (cf. Gatzemeier 1976, 7 f): (1) Die Sprache des Mythos ist, sprachphilosophisch betrachtet, undifferenziert: durchgängig narrativ konzipiert, unterscheidet sie nicht zwischen Erzählung und Begründung, zwischen historischen und systematischen Darstellungen. Die Sprache der entwikkelten Vernunft und damit der Philosophie dagegen differenziert, bemüht sich um systematisch geordnete, vollständige und widerspruchsfreie Gedankenreihen, verwendet durchgängig die ›apophantische‹ (Aristoteles, De int. 5, 17 a 9—26), die in ein Begründungsverfahren eingebettete behauptend-argumentierende Rede. (2 ) Der Mythos bedient sich der uneigentlichen und fingierenden Sprache der Bilder, Metaphern und Symbole; die philosophische und wissenschaftliche Rationalität dagegen verzichtet bewußt auf ein derartiges Sprachverhalten und achtet streng auf überprüfbare Referenz und Prädikation. (3) Methodenreflexion und Methodenkritik, wesentliche Elemente der Rationalität, finden im mythischen Denken nicht statt. 1.2. Diese an sprachphilosophischen Unterscheidungen und methodischen Grundannahmen orientierte Grob-Klassifikation mag durchaus plausibel, zutreffend und anwendbar sein; sie greift aber zu kurz, denn sie
2
I. Raum-zeitliche Übersichten
verurteilt den Mythos voreilig zur völligen Arationalität und blendet die auch schon im Mythos vorhandenen Rationalitätsmomente systematisch aus. Auch der Mythos besitzt und repräsentiert Rationalität — wenn auch in einer sprachlichen Form, die den üblichen Rationalitätskriterien des entwickelten Logos nicht gerecht wird. Zumindest in seinen fortgeschrittenen Repräsentationen dient der Mythos immer auch der Legitimation und enthält in seiner (gewiß gruppenspezifisch eingeschränkten) Allgemeinheit, Konsistenz und Verfügbarkeit für jedermann wichtige Elemente einer Begründungsrationalität (cf. Ros 1989, 30—34). Dies gilt nicht nur für die Mythen der europäischen Kulturtradition. So hat Edward E. Evans-Pritchard (1978, 2 16; cf. Fretlöh 1989, 37—55) in den Mythen der Zande-Kultur (Zentralafrika) ein hohes Maß an logischer Verknüpfung und Konsistenz sowie empirisch überprüfbarem Realitätsgehalt festgestellt; ähnliches läßt sich auch für die griechische Philosophie konstatieren (cf. 2 .2 .1.). — Allgemein kann festgehalten werden, daß der Mythos wenigstens in seiner Orientierungs-, Deutungs(explanatorischen), Begründungs- (aitiologischen) und handlungsnormierenden Funktion (cf. Gatzemeier 1976, 7 f) stets auch wichtige Rationalitätselemente und -ansprüche enthält, die nicht in den Blick kommen, wenn man den Unterschied von Mythos und Logos einseitig an der Rationalität einer bestimmten Sprachpraxis festmacht. — Eine Erörterung der ›sprachphilosophischen Anfänge‹ hat also auch die nicht der heute gültigen Norm rationaler Sprache entsprechenden sprachlichen Aspekte des Mythos zu berücksichtigen. — Insbesondere bei der Erörterung der ›Vorund Frühgeschichte der Sprachreflexion‹ (cf. 2 .) wird es also weniger um Sprachphilosophie im engeren Sinne, als vielmehr um den sprachphilosophisch interessanten und relevanten Umgang mit der Sprache gehen.
2.
Vor- und Frühgeschichte der Sprachreflexion
2.1. Vorbemerkung: Odysseus und Palamedes Auch wenn nicht von einer bewußten Reflexion auf Sprache die Rede sein kann, so lassen sich doch schon in der vorphilosophischen Zeit einige Zeugnisse für die Bedeutung besonderer Sprachkompetenz ausmachen, und zwar vor allem in den Homerischen Figuren
Odysseus und Palamedes, den mythischen ›Erfindern‹ und Prototypen der Rhetorik. Der ›listenreiche‹ Odysseus stellt seine ›Kunstfertigkeit‹ (τέχνη) unter anderem als schlagfertiger Redner unter Beweis (vor allem in der Ilias); sein Widersacher, der große Erfinder Palamedes — an dem Odysseus unrühmliche Rache nimmt, was Homer allerdings verschweigt (cf. Aristoteles, De poet. 8, 1451 a 2 3—2 9) —, der die Buchstabenschrift erfunden beziehungsweise erweitert haben soll (cf. Hyginus, Fabeln 2 77; Tacitus, Annalen 11, 14), gilt noch in der klassischen griechischen Zeit als Prototyp der Sprachgewandtheit. Gorgias von Leontinoi (ca. 480—380) (B 11 a; VS II, 2 94—303) nimmt ihn als ›Titelfigur‹ für seine Musterrede ‘Apologie des Palamedes’, und Platon (42 7—347) (s. Art. 14) nennt Zenon, um ihn als Meister der Redekunst (λόγων τέχνη) zu charakterisieren, „den eleatischen Palamedes“ (Phaidros 261 d 6). 2.2. Die vorphilosophischen Denker Unter der Bezeichnung ‘vorphilosophische Denker’ werden die philosophisch relevanten Autoren vor Thales zusammengefaßt (VS Nr. 1—10; VS I, 1—66). Hauptthema ihrer teils in Versen, teils in Prosa abgefaßten Schriften ist die Weltentstehung (Kosmogonie, Astronomie). Damit stehen sie einerseits in der Tradition der alten Mythen, andererseits antizipieren sie zugleich die wichtigsten Themen der frühen Naturphilosophen. Insbesondere in den sprachlichen Besonderheiten dieser Texte wird der Übergang vom mythischen zum philosophisch-rationalen Denken und Argumentieren deutlich (cf. Schadewaldt 1978, 122—161). 2.2.1. Die ›Heiligen Reden‹ der Orphiker Als Orphiker bezeichnet man eine Gruppe von Autoren poetischer, mystisch-religiöser Schriften des 7. und 8. Jahrhunderts v. u. Z. Sie werden nach dem mythischen Sänger Orpheus benannt; ihre Historizität im einzelnen ist umstritten. — Die unter dem Titel ‘Heilige Reden’ überlieferten Schriften (Orpheus B 12 —15; VS I, 10—13) gelten als ältestes Werk des Orphismus; ihr Inhalt ist die Kosmogonie und Theogonie: Chronos erzeugt Aither (den Himmel) und Chasma (den ›finsteren Schlund‹); aus dem Aither bildet sich ein silbernes Ei, das den zweigeschlechtlichen Phanes enthält, der seinerseits Mond, Erde und Gestirne erschafft und mit seiner Tochter Nyx das Geschwisterpaar Uranos und Gaia erzeugt. Uranos wird von Kronos, dieser von
1. Sprachphilosophische Anfänge
Zeus entmannt und entthront. Zeus ist daraufhin alleiniger Weltherrscher; seine Beisitzer beim Gericht über die Welt sind Dike, Nomos, Eusebeia und andere. Dies scheint — auf den ersten Blick — ein völlig traditioneller Mythos zu sein: narrative Sprache (ohne Begründungen), personifizierende und bildhaft metaphorische Redeweise. Bei näherer Betrachtung sind jedoch einige mythen-untypische Elemente zu erkennen: Zunächst gibt die Einführung neuer, der griechischen Mythologie bis dahin nicht bekannter Gottheiten (Chronos, Aither, Chasma und Phanes) zu denken, die der griechischen Götterwelt, die mit Kronos beginnt, vorgeordnet werden. Der Grund hierfür ist, wie schon antike Kommentatoren vermuten, daß die Orphiker eine stringente, aus einem einheitlichen Ursprung deduzierbare Kosmogonie und Theogonie entwerfen wollten. Das bei den Philosophen später durchgängig zu beobachtende Anliegen, einen einheitlichen Ursprung oder Anfang (ἀρχή) zu finden, aus dem die ganze Welt erklärbar wird, begegnet in einer Vorstufe schon bei den Orphikern, und zwar im sprachlichen Gewand des Mythos. Die personifizierende, bildhafte Sprache ist — entgegen dem ersten Anschein — nicht-mythologisch zu verstehen. Auch in der Antike ist dies schon so gesehen worden. Clemens Alexandrinus (ca. 140/150—2 16/2 17) (Orpheus B 2 2 ; VS I, 18 f) bietet folgenden rationalistischen ›Übersetzungskatalog‹: Tränen des Zeus = Regen; weißgewandete Moiren = Mondphasen; Gorgoantlitz = Mond; Aphrodite = Zeit der Aussaat, usw. Man kann noch einen Schritt weiter gehen und die oben genannten neuen Gottheiten als philosophische Prinzipien interpretieren, denn diese ›Gottheiten‹ weisen, wenn man ihre Funktion im Detail untersucht, eine verblüffende Ähnlichkeit mit den kosmologischen Prinzipien der späteren Philosophen auf. Chronos wird als zeitloser (ungewordener und unvergänglicher), einheitlicher, inhaltlich unbestimmter Urgrund der Welt verstanden — wie später bei Anaximander das Apeiron als Arche der Welt. Daraus entstehen Aither und Chasma (Licht und Dunkel) als erstes Gegensatzpaar — ähnlich wie z. B. die Gegensatzpaare warm/kalt, feucht/trocken bei Anaximander, die den Beginn der Weltentstehung ermöglichen. Nach der Etablierung allgemeiner Prinzipien und Gegensatzpaare kann Phanes als Demiurg die Welt erzeugen — ähnlich wie der Demiurg bei Platon im Timaios die Existenz der Ideen voraussetzt. Zeus als oberstes Rechtsprinzip garantiert für das gesellschaft-
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liche Leben Einheitlichkeit und Konsistenz des Rechtes (cf. 3.). 2.2.2. Musaios Ein weiteres, deutlicheres Beispiel für ein Sprachverhalten, das in den Charakteristika mythischer Rede eine empirisch überprüfbare These formuliert, findet sich in der Astronomie des Musaios, dessen Historizität allerdings umstritten ist. In traditioneller mythischer Manier formuliert er: „Aither und Okeanos hatten zwölf Töchter, von denen fünf als Hyadengestirn, sieben als Plejaden erscheinen“ (Musaios B 18; VS I, 2 6). Der Kontext läßt erkennen, daß Musaios mit diesem Mythos in die Diskussion um die Anzahl der Hyaden eingreift. Im Unterschied zu anderen, die nur zwei Hyaden annehmen, spricht er sich für fünf Hyaden aus. In der Sprache des Mythos bringt er naturwissenschaftlich-empirische Sachverhalte zum Ausdruck. Sollte die Musaios (A 4; VS I, 2 1) ebenfalls zugeschriebene Aussage, „daß alles aus einem ›Urgrund‹ entstehe und sich in denselben hinein wieder auflöse“, echt sein (cf. hierzu Capelle 1968, 44 Anm. 1), so hätten wir hier einen vorphilosophischen Beleg für philosophisch-rationalistische Sprache. Vermutlich handelt es sich jedoch um eine in die Diktion des Quellenautors Diogenes Laërtios (2 ./3. Jh. n. u. Z.) transponierte mythische Aussage des Musaios von derselben Art, wie wir sie oben kennengelernt haben. 2.2.3. Pherekydes von Syros (7./6. Jahrhundert v. u. Z.) Seine Schrift Heptamychos (Siebenschlucht, siebenklüftiger Kosmos), das erste bekannte Prosawerk in griechischer Sprache, ist bewußt in einer uneigentlichen, metaphorischen und allegorischen, mehrdeutigen Sprache abgefaßt, deren ›eigentlicher‹ Sinn nur schwer zu fassen ist (cf. Diels 1897); daher soll hier nicht der Inhalt, sondern nur die sprachliche Eigenart behandelt werden. Schon Aristoteles (384—32 2 ) (s. Art. 15) und Damaskios (ca. 458—533) (Pherekydes A 7—A 8) verstehen unter den Götternamen im Werk des Pherekydes nicht mythische Wesen, sondern philosophische Prinzipien, zum Beispiel: Chronos = ewiges Urprinzip der Welt (und der Zeit); Zas und Chthonie = die Gegensatzprinzipien des Aktiven und Passiven sowie des Hellen und Dunklen; Eros = Eintracht; usw. Aus diesen theoretischen Elementen wird die Entstehung der Welt erklärt, wie in den
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›Heiligen Reden‹ der Orphiker (cf. 2 .2 .1.). — Daß diese allegorische Deutung der Götternamen durchaus legitim, nämlich im Sinne des Pherekydes ist, erhellt daraus, daß Pherekydes selbst den ›Realitätsbezug‹ seiner mythischen Götternamen durch Etymologien herstellt (besonders deutlich in B 1, = VS I, 7). 2.2.4. Theagenes von Rhegion (6. Jahrhundert v. u. Z.) Im Unterschied zu den bisherigen Schriften, die wir in Übereinstimmung mit antiken Autoren allegorisch deuteten, deutet Theagenes seinerseits die griechische Mythenerzählung als Allegorie. Mit seinem Homerbuch, das vermutlich den Titel ‘Über Homer’ trug (A 2 und A 4; VS I, 52 ), gilt er als Begründer der allegorischen Homerinterpretation; zugleich kann er als Begründer der allegorischen Interpretationsmethode insgesamt sowie als Begründer der Texthermeneutik überhaupt angesehen werden. Die Götternamen Homers deutet er als Naturphänomene und -elemente (z. B. Apollon oder Helios = Feuer; Poseidon = Wasser; Hera = Luft; Artemis = Mond) bzw. als geistige Eigenschaften (z. B. Athene = Einsicht; Ares = Unverstand; Hermes = Vernunft); die feindlichen Begegnungen von Göttern und Titanen versteht er als Kampf der Naturqualitäten, z. B. des Trockenen mit dem Feuchten, des Warmen mit dem Kalten (A 2 ). — Den philosophischen Hintergrund für diese Allegorese bildet die altionische Naturphilosophie (Thales und Anaximander) mit ihrer Theorie der Gegensätze und der Annahme, daß man das Naturgeschehen als Kampf zwischen einander widerstreitenden Prinzipien und Kräften erklären könne. Der praktische Hintergrund besteht darin, daß Theagenes mit seiner durchgängig rationalistischen, aufklärerischen Interpretation Homer gegen die aufkommende rationalistische Kritik verteidigen und den Geltungsanspruch der Epen retten wollte (cf. Gatzemeier 1985, 30—39; Wehrli 192 8). Die von Theagenes erstmals theoretisch legitimierte und an Homer praktizierte Methode des allegorisierenden Umgangs mit Sprache war wirkungsgeschichtlich von großer Bedeutung: Metrodor von Lampsakos der Ältere erweitert sie um die ›physiologische‹ Allegorese (cf. 3.3.); Antisthenes (ca. 455—360) wendet sie auf Probleme der Ethik und der Rhetorik an; Palaiphatos versucht, die Dichtung insgesamt durch Allegorese vor rationalistischer Kritik zu schützen. Die Stoa überträgt die allegori-
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sche Deutung auf alle Bereiche der Erkenntnis, in Verbindung mit subtil entwickelten Etymologien; sie bietet den historischen Ausgangspunkt für die allegorische Bibelauslegung im Christentum und Judentum (s. Art. 2).
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Die ionische Naturphilosophie
Mit der Entstehung der ionischen Naturphilosophie in Milet beginnt zugleich die Etablierung der spezifisch abendländischen (›westlichen‹) Rationalität. Diese Rationalität ist intrinsisch an eine bestimmte Sprachpraxis gebunden, und diese Sprachpraxis provozierte alsbald auch die Reflexion über Sprache: die Sprachphilosophie. — Das äußerlich am meisten auffallende Merkmal der Sprache der Rationalität ist die Prosa: Die Sprache des Mythos (Homer, Hesiod u. a.) ist die in Versen gebundene Dichtung — mit Ausnahme des Heptamychos des Pherekydes (cf. 2 .2 .3.) und der Genealogien des Akusilaos von Argos (5. Jh. v. u. Z.) (VS I, 52 —60). Die Sprache der Philosophie ist die Prosa — mit dem Lehrgedicht des Parmenides (cf. 6.2 .) als bekanntester Ausnahme —, deren Spezifika zum Beispiel schon von Hekataios (cf. 3.2 .) bewußt eingesetzt werden. 3.1. Thales von Milet (ca. 625—547) Da von Thales keine Zeile im originalen Wortlaut erhalten ist, beruht die folgende Darstellung auf Interpolationen und allgemeinen Deutungen aufgrund des Kontextes seiner Philosophie. Weniger seine berühmte These vom Ursprung der Welt ‘Das Wasser ist der Ursprung von allem’ (B 12 ; VS I, 76 f), als vielmehr seine Aussagen über Naturphänomene und -ereignisse sind hier von Interesse: Sonne und Mond sind natürliche, natürlich erklärbare Gegenstände (A 17 a und b; VS I, 78), nicht mehr verehrungswürdige und zu fürchtende Gottheiten; sie sind berechenbare Objekte (A 1, A 17, A 19; VS I, 68; 78); Erdbeben und die Nilschwellen werden auf natürliche Weise erklärt (A 15, A 16; VS I, 78). Diese naturwissenschaftlichen Erklärungsversuche setzen eine besondere Sprache voraus: die Sprache des Begründens, die bestimmte Zustände als Ursachen, andere als Folgen unterscheidet und diese theoretisch miteinander verknüpft. Von ebenso großer Bedeutung für die Entwicklung der Sprachphilosophie sind die in Philosophiegeschichten in der Regel ausgeklammerten geometrischen Sätze, die Thales zugeschrieben werden
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3.3. Metrodor von Lampsakos der Ältere (ca. 460—390)
(zum folgenden cf. Mittelstraß 1970, 18—32 ; Mittelstraß 1974, 31—40). Der Beweis dieser Sätze impliziert, daß Thales die Objekte der Geometrie (Kreis, Dreieck) als ideale Gegenstände konstituiert hat, die unabhängig von mehr oder weniger gelingenden empirischen Realisierungen bestimmte Eigenschaften (z. B. die Winkelsumme) unverändert aufweisen. Erst durch die sprachliche Konstitution derartiger idealer Gegenstände lassen sich die erfahrungsunabhängigen generellen Aussagen und Beweise der Geometrie formulieren. — Platon hat später diese sprachtheoretische Konstruktion seiner Ideenlehre zugrundegelegt, um über den Bereich der Geometrie hinaus für alle Gegenstände der Erkenntnis erfahrungsunabhängige generelle und damit dauerhaft gesicherte Aussagen (›absolute‹ Wahrheiten) ermöglichen zu können (Gatzemeier 1984).
Metrodor, ebenfalls Anhänger der ionischen Naturphilosophie, führt im Gegensatz zu Hekataios (cf. 3.2 .) die von Theagenes (cf. 2 .2 .4.) begründete Allegorese fort und erweitert sie (cf. VS II, 49 f). Er deutet die Namen der Homerischen Helden als Naturphänomene (z. B. Agamemnon = Äther; Achill = Sonne; Helena = Erde; Paris = Luft; Hektor = Mond) und die Götternamen als Organe des menschlichen Körpers (z. B. Demeter = Leber; Diogenes = Milz; Apollon = Galle). Auf die sonst allgemein übliche etymologische Legitimation für die Allegorese verzichtet er. Ein besonderes Motiv für die extrem ungewöhnliche ›physiologische‹ Allegorese der Götternamen ist nicht erkennbar (cf. Nestle 1907).
3.2. Hekataios von Milet (ca. 560/550—480)
3.4. Diogenes von Apollonia (ca. 460—390)
Hekataios, vermutlich Schüler des Anaximenes (ca. 585—52 6), gilt neben Pherekydes (cf. 2 .2 .3.) als bedeutendster Prosaautor der frühen griechischen Literatur. Darüber hinaus kann man ihn als Begründer der wissenschaftlichen Kritik ansehen. Mit seinen sprachlichstilistischen Neuerungen hat er die Entwicklung der wissenschaftlichen Darstellungsweise maßgeblich beeinflußt (Quellentexte bei Jacoby 1957, 1—47; Schadewaldt 1982 , 96— 105). — In streng rationalistischer Weise kritisiert Hekataios die allegorische Homerinterpretation des Theagenes (cf. 2 .2 .4.), und an den empirischen Begründungsverfahren des Thales (cf. 3.1.) übt er methodische Kritik, und zwar wegen immanenter Widersprüchlichkeit, voreiliger Verallgemeinerung und Einführung unüberprüfbarer Hypothesen. Grundlage seiner Kritik ist die von ihm weiterentwickelte Wissenschaftssprache. Er wählt bewußt die Ich-Form der Darstellung, um seinen Wahrheitsanspruch, seine Begründungspflicht und seine kritische Haltung gegenüber anderen Autoren unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen. Besonders deutlich tritt der neue wissenschaftliche Stil im Postulat von der präzisen Textgliederung zutage, kenntlich gemacht durch sprachliche Indikatoren wie ‘zuerst’, ‘dann’, ‘schließlich’, usw. (Fragment 1, Jacoby 1957); mit Hilfe dieser sprachlichen Zäsuren sorgt er für einen planmäßigen, Schritt für Schritt konstruierten und damit im einzelnen genau nachprüfbaren Aufbau wissenschaftlicher Argumentation (cf. Fränkel 1960, 390—397; Krafft 1971, 141— 148).
Diogenes, neben Metrodor (cf. 3.3.) der letzte Vertreter der ionischen Naturphilosophie und ›Erfinder‹ des Theorems von der ›schönsten aller Welten‹ (B 3; VS II, 60), setzt die von Hekataios (cf. 3.2 .) begründete Reflexion auf eine adäquate Wissenschaftssprache fort (cf. Burkert 1968; Diller 1941; Zafiropulo 1956). Auch er wählt bewußt die Ich-Form der Darstellung, plädiert für Klarheit und Angemessenheit der Sprache und postuliert die Unbezweifelbarkeit der Grundlagen: „Zu Beginn jeder [wissenschaftlichen] Darstellung (λόγος) muß man, meine ich, eine unbestreitbare Grundlage (ἀρχή) angeben: die Ausdrucksweise aber muß einfach und ernst sein“ (B 1; VS II, 59)
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Der Pythagoreismus
Bei den Pythagoreern lassen sich nur wenig sprachphilosophisch relevante Themen und Thesen ausmachen. Aëtios berichtet, Pythagoras habe die Ansicht vertreten, auch die sogenannten unvernünftigen Lebewesen wie Affen und Hunde besäßen Vernunft, aber im Unterschied zum Menschen nicht die Fähigkeit des mit der sprachlichen Artikulation verbundenen Denkens. Geht man von der Echtheit dieses im Quellenwert und in der Datierung umstrittenen Hinweises aus, so besitzen wir hiermit den frühesten Beleg für die These, daß die Sprachfähigkeit das Spezifikum des Menschen und das menschliche Denken notwendig an Sprache gebunden sei. — Dem pythagoreisierenden Musiktheoretiker Da-
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mon, der Lehrer des Sokrates (470—399) gewesen sein soll (A 7; VS I, 382 ), wird eine Theorie vom Wortklang und Wortrhythmus und ihren mimetischen Eigenschaften zugeschrieben (cf. Koller 1954, 2 1—2 5; 12 5—142 ), deren Spuren vermutlich in den Etymologien Platons (Kratylos 391 ff) ihren Niederschlag gefunden haben. — Der Arzt und Sinnesphysiologe Alkmaion von Kroton, der unmittelbarer Schüler des Pythagoras gewesen sein soll, vertritt die Auffassung, daß der Mensch geistige Gehalte nur über ›Zeichen‹ (τεκμήρια), worunter er die empirischen Gegenstände der Sinneswahrnehmung versteht, erkennen, also lediglich erschließen könne. Nur den Göttern, die auf den Umweg über diese empirischen ›Zeichen‹ nicht angewiesen seien, sei eine direkte und unverstellte und somit Gewißheit gewährende Erkenntnis möglich (B 1 und 1 a; VS I, 214 f; vgl. Röd 1976, 72 f). ›Zeichentheoretisch‹ kann auch die für den Pythagoreismus insgesamt kennzeichnende Auffassung verstanden werden, nach der geometrische Gebilde und Zahlen beziehungsweise Zahlenrelationen, und damit nichtsprachliche Ausdrücke, Begriffe, also das ›Wesen‹ einer Sache repräsentieren. Im Kontext dieser Tradition steht das Diktum des Pythagorasschülers Lysis (A 4; VS I, 42 1), daß die Zahl, die das Wesen Gottes definiert, unaussprechbar sei. — Als typisch pythagoreische Variante der Allegorie kann man den Versuch des Philolaos von Kroton (ca. 470—390) ansehen, Götter- und Heroennamen als Zahlen beziehungsweise als Winkelgrößen im Dreieck, im Quadrat, usw., zu deuten (A 13, A 14; VS I, 400 ff).
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Der Heraklitismus
5.1. Heraklit von Ephesos (ca. 550/ 530—480) Die aphoristisch-sentenzenhafte Sprache Heraklits, die ihm schon in der Antike den Beinamen ‘der Dunkle’ einbrachte (A 1; VS I, 141), ist bis in die jüngste Zeit Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen (cf. z. B. Snell 192 6; Diller 1942 ; Fränkel 1960, 2 37—2 83; Reinhardt 1968; Heidegger 1979, 2 8—43; Schadewald 1978, 351—433; Coseriu 1970, 19—2 6). Dabei sind hauptsächlich folgende Aspekte diskutiert worden: (1) Die durchgängig heftige und derbe Kritik an Andersdenkenden, an Philosophen, Dichtern, Ärzten, den Zeitgenossen in Ephesos wie überhaupt an der Dummheit der
›Masse‹. Diese ungewöhnlich scharfe Polemik, die kaum als wissenschaftliche Kritik angesehen werden kann, wird in der Regel als persönliche Charaktereigenart Heraklits interpretiert. (2 ) Die auf den ersten Blick sprunghafte Gedankenführung Herakliteischer Texte verleitete zu der Annahme, daß eine sprachlich und methodisch kontinuierliche Argumentationsabfolge nicht auszumachen, j a nicht einmal vom Autor intendiert sei. Demgegenüber hat Marcovich (1965, 2 69) aufgrund sorgfältiger Analysen der Herakliteischen Sprachpraxis folgende Argumentationsschritte ausgemacht: (a) Formulierung einer Ausgangsbehauptung mit kurzer Begründung; (b) Schlußfolgerung daraus; (c) praktische Anwendung; (d) hypothetische Stützung, und zwar durch den Nachweis der Unmöglichkeit des Gegenteils, z. B.: Wenn A (= Gegenposition zu Heraklits Ausgangsbehauptung) wahr wäre, dann müßte B der Fall sein, was aber unmöglich ist. Nach dieser Rekonstruktion hat Heraklit die wissenschaftliche Methode um den indirekten Beweis e contrario (i. e. reductio ad absurdum) erweitert (cf. 6.3.). (3) Der Schwerpunkt der Forschung ist den stilistischen Besonderheiten der Sprache Heraklits gewidmet (cf. vor allem Snell 192 6). Im einzelnen lassen sich folgende sprachphilosophisch relevante Eigenheiten ausmachen. (a) Als allgemeines Stilmerkmal wird immer wieder hervorgehoben, die Sprache Heraklits sei mythisch, archaisch, esoterisch, hermetisch, elitär, monologisch und nicht selten mehrdeutig. Als Grund hierfür werden in der Regel seine Herkunft aus altem Königs- beziehungsweise Priestergeschlecht oder psychische Abnormität (Theophrast diagnostiziert ›Schwarzgalligkeit‹, i. e. ›Melancholie‹; Diogenes Laërtios Vitae philosophorum IX, 6) genannt. Neben solchen subjektiv-psychologischen Motiven waren es aber wahrscheinlich vor allem philosophische Gründe, die einen derartig abnormen Sprachstil notwendig erscheinen ließen. Die grundsätzliche Ablehnung aller bisherigen Philosophie erforderte eine grundlegend andersgeartete Sprache. (b) Eine charakteristische Besonderheit ist die antithetische und asyndetische, nicht durch Konjunktionen verbindende, Wortfolge; dies aus der Orakelsprache übernommene Stilmerkmal hat Heraklit offensichtlich bewußt eingesetzt, um die philosophische Bedeutung seiner Gegensatzlehre zum Ausdruck zu bringen (cf. B 12 6; VS I, 179). (c) Die ›Flußlehre‹, das Kernstück der Philosophie Heraklits, fin-
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det ihren sprachlichen Niederschlag einerseits darin, daß zur Darstellung des Bewegungscharakters der Dinge nicht Substantive (wie ‘Bewegung’, ‘Umwandlung’), sondern Verbalformen (wie ‘sich wandeln’) gewählt werden; andererseits vermeidet Heraklit Ausdrücke, die auf eine Festlegung und Isolierung von Gegenständen hindeuten. Konstante Referenzobjekte gibt es nach Heraklit nicht, ebensowenig wie eine dauerhafte Prädikation: „Es ist nicht möglich, zweimal in denselben Fluß zu steigen“; „Den in dieselben Flüsse Steigenden fließt anderes und anderes Wasser hinzu“ (B 91 und B 12 ; VS I, 171; 154). Das Einzelne, das Vereinzelte (ἴδιον) bietet nach Heraklit keine Erkenntnis. Dies anzunehmen ist der Grundirrtum der bisherigen Philosophie, die deswegen scharfe Kritik erfährt. Dies leistet nur das Umfassende, das Gemeinsame (ξυνόν, B 114; VS I, 176). (d) Heraklit versucht, die in der Philosophie inzwischen etablierte objektivierende Wissenschaftssprache des distanzierten Beobachtens rückgängig zu machen und die Prozeßhaftigkeit allen Seins aus der Sicht der sich verändernden Dinge heraus zu formulieren. Um die Unmittelbarkeit der Wahrnehmung angemessen zum Ausdruck zu bringen, ist er bemüht, die sprachlich vorgegebene Subjekt-Objekt-Trennung aufzuheben. Kausalausdrücke dienen ihm nicht zur Bezeichnung distanziert-objektivistischer Ursache-Wirkungs-Relationen; sie bringen vielmehr eine Grund-Folge-Beziehung der sich aus sich heraus wandelnden Dinge zum Ausdruck. (e) Den bestimmten Artikel verwendet Heraklit oft in seiner ursprünglichen Funktion als Demonstrativum. Methodisch gesehen handelt es sich hier um den Übergang von der Prädikation zur Kennzeichnung eines bestimmten Gegenstandes. Daneben dient der bestimmte Artikel der Verallgemeinerung und der Abstraktion, und zwar zu dem Zweck, das Wesen einer Sache zu bezeichnen, z. B. „Der Gott ist Tag, Nacht, Winter, Sommer [...]“ (B 67; VS I, 165), d. h. „Das Wesen Gottes ist Tag, Nacht [...]“. (f) Die auffallend häufigen Substantivierungen haben ebenfalls die Funktion der Verallgemeinerung und der Konstruktion abstrakter Gegenstände. Bei Verben beziehen sie sich nur auf den Bereich des Denkens (z. B. ›das Erkennen‹), bei Adjektiven nur auf den Bereich der Wahrnehmung: Wahrnehmungen werden so aus der Individualität der Einzeleindrücke herausgehoben und damit theoriefähig. (g) Eher traditionell ist die legitimierende Verwendung von Etymologien (z. B. B 32 und B 48; VS I,
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159; 161). Heraklits Sprache dient vor allem der Präzision der Darstellung und dem Anliegen, der spezifischen Art seiner Philosophie einen angemessenen Ausdruck zu geben. Die später (cf. Platons Kratylos) intensiv diskutierte Problematik der ›Richtigkeit der Benennungen (ὀρθότης ὀνομάτων) ist erstmals von Heraklit thematisiert worden. Die berühmt-berüchigte ›Dunkelheit‹ seiner Sprache ist durch die dem Normalverständnis weitgehend verschlossene Besonderheit seiner Philosophie bedingt. Was er über die Orakelsprache Apolls sagt, ist auch auf seine eigene Sprache anwendbar: „Der Gott, dem das Orakel zu Delphi zu eigen ist, sagt nichts, verbirgt nichts, sondern bedeutet (σημαίνει)“ (B 93; VS I, 172 ), d. h. er gibt Hinweise, Zeichen, die gedeutet werden müssen. Ein deutliches Indiz dafür, daß er der Sprache allgemein eine große erkenntnistheoretische Bedeutung beimißt, ist — neben den erwähnten Details der sprachlichen Gestaltung im einzelnen — die zentrale Stellung des Wortes ‘Logos’ im philosophischen System Heraklits, übersetzbar zum Beispiel als ‘Weltgesetz’, ‘Vernunft’, ‘vernünftige Rede’, usw. 5.2. Die Herakliteer Die Herakliteer ziehen aus dem Haupttheorem Heraklits, daß alles in ständiger Bewegung sei, mit Heraklit die sprachphilosophische Konsequenz, daß dieselbe Prädikation sowohl wahr wie auch falsch sei, und behaupten über Heraklit hinaus, daß es deshalb keine ›Lüge‹, Unwahrheit oder Falschheit (λόγος ψευδής) geben könne. — Dem Philosophen Kratylos (5. Jahrhundert), der Schüler Heraklits und Lehrer Platons gewesen sein soll, schreibt Platon (Kratylos 42 9 ff; 383 ff) die These von der natürlichen Richtigkeit der sprachlichen Ausdrücke zu, nach der der Unterschied zwischen wahrer und falscher Benennung entfällt und durch den von Benennung (›richtig‹) und Nicht-Benennung (›falsch‹) ersetzt wird (s. Art. 14). Ob die in Platons Kratylos aufgeführten Etymologien und die These von der natürlichen Bedeutung von Wortelementen, Silben und Buchstaben auf Kratylos oder andere Herakliteer zurückgehen, ist ungewiß (cf. 8.1.). — Nach Aristoteles (M etaphys. III 5, 1010 a 7—15 = Kratyl. Fragment A 4) soll Kratylos die Aussage Heraklits (B 91), man könne nicht zweimal in denselben Fluß steigen, ergänzt haben durch ‘auch nicht einmal’; er habe einen konsequenten Skeptizismus vertreten, der alle Aussagen
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beziehungsweise Prädikationen als falsch ansehe, weshalb er sich schließlich entschlossen habe, nichts mehr zu sagen, sondern nur noch mit dem Finger Zeichen zu geben.
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Der Eleatismus
auch neben dem semantisch-logischen Aspekt die ontologische Intention des Parmenides hervorgehoben wurde (Tugendhat 1970, 134—146; Detel 1982; Heidegger 1992). 6.2.1. Logik und Semantik der Seinslehre
Parmenides präsentiert seine Philosophie in Form eines in Hexametern abgefaßten Lehr6.1. Xenophanes von Kolophon (ca. gedichtes (geschrieben ca. 480 v. u. Z.). In 580—478) Übereinstimmung mit der Tradition dieser liXenophanes, der Anaximander (ca. 611— terarischen Form beginnt er mit einem my547) gehört und Lehrer des Parmenides gethischen Proömium, einer Reise zur ›Göttin‹, wesen sein soll (A 2 ; VS I, 2 14), bildet die deren Verhältnis zur explizit genannten Dike, Brücke zwischen der ionischen Naturphiloder Göttin des Rechts, unklar bleibt (B 1 und sophie (cf. 3.1.) und dem Eleatismus, dessen B 8; VS I, 2 2 8 ff; 2 35 ff). Aber Parmenides Einheitslehre er vorbereitet beziehungsweise versteht sich nicht als göttlich inspirierter Myim Kern vorwegnimmt (A 33, 35 und 36; VS ste, denn er läßt durch die Göttin die AufforI, 12 2 ff). In der poetischen Sprache des Lehrderung an sich ergehen, ihre Ausführungen gedichts übt er rationalistische Kritik an Ho›mit Vernunft‹ (λόγωι, B 7,5; VS I, 2 35) zu mer und Hesiod (um 700 v. u. Z.), an anthroprüfen. Folgende drei ›Wege der Untersupomorphen Göttervorstellungen und an der chung‹ (B 2 ,2 ; VS I, 2 31) hält Parmenides Athletenverehrung seiner Zeit (B 1, 2 , 11—16; theoretisch für möglich (B 2 —B 8, 49; VS I, VS I, 122 6—133). Seine Naturerklärungen las2 31— 39): sen deutlich Bezüge zum Rationalismus der (a) „Es ist, und das nicht-Sein ist nicht.“ Milesier erkennen (z. B. A 40—A 45; VS I, (b) „Es ist nicht.“ 12 4 f). Gegen die Übermacht von Tradition (c) „Sein und nicht-Sein sind dasselbe und und Konvention (νόμος) setzt er das eigennicht dasselbe.“ ständige Denken, dessen Leistungsfähigkeit Der zweite ›Weg‹ wird ausgeschlossen, weil, er allerdings skeptisch beurteilt, und zwar ofwas nicht ist, weder erkannt noch sprachlich fensichtlich auch im Blick auf die Defizienz repräsentiert werden kann; der dritte ›Weg‹ sprachlicher Repräsentation der Gedanken: entfällt, weil diese Position in sich wider„Denn selbst wenn es einem in höchstem sprüchlich, d. h. semantisch unmöglich ist. Es Maße gelingen würde, Vollendetes auszusprebleibt also — die Vollständigkeit der Aufzähchen, so würde er gleichwohl nicht wissen“ lung vorausgesetzt — nur der erste ›Weg‹ als (B 34; cf. B 35; VS I, 137). logisch und sprachphilosophisch korrekte Möglichkeit übrig. Umstritten ist (Owen 6.2. Parmenides von Elea (ca. 515—445) 1960; Furley 1967), ob mit dem ‘Es’ in der Die statische Seinslehre des Parmenides bildet ersten und der zweiten Formulierung das Sein das genaue Gegenstück zur dynamischen oder das Erkenntnisobjekt des Denkens ge›Flußlehre‹ Heraklits (cf. 5.1.). Bis hin zu Plameint ist. Für letzteres spricht die ›Identitätston kann die griechische Philosophiegethese‹ von Parmenides: „denn dasselbe ist schichte im wesentlichen als eine AuseinanDenken und Sein“ (B 3; VS I, 2 31). Allerdings dersetzung zwischen den grundlegenden Alist diese ›Identitätsthese‹ mehrdeutig. Einerternativen des Heraklitismus und des Eleatisseits kann sie — mit dem konkreten Bezug mus angesehen werden. Interessant und für auf die Möglichkeit der Existenz der Dinge den hier zu erörternden Kontext von beson— verstanden werden als (historisch erste) derer Bedeutung ist die Tatsache, daß mit explizite Formulierung der logischen IdentiParmenides die Diskussion einen überwietät, andererseits — und dies dürfte die vorgend apriorischen Charakter annimmt. Parrangige Intention des Parmenides gewesen menides (und das gilt auch für seine Nachsein — als Hinweis darauf, daß die Wirklichfolger) begründet seine Position nicht empikeit und die Aussage über sie nicht den Norrisch, sondern durch apriorische, d. h. logimen und Gesetzen des Denkens, also der Losche und semantische Argumente. Dies ist von gik und der Semantik, widersprechen dürfe. der Antike (z. B. von Platon und Aristoteles) Seinsordnung, Denkordnung und Sprachsybis heute so gesehen worden, wenngleich stets stem müssen miteinander kompatibel sein.
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6.2.2. Prädikation und Existenz — ἐστιν und ἔστιν Auch der Nachweis der ›Qualitäten‹ des Seienden beruht auf semantischen Analysen, nicht auf empirischen Erkenntnissen. Die ›Seinsqualitäten‹, z. B. ‘unentstanden’, ‘unvergänglich’ und ‘unbeweglich’, ergeben sich eo ipso aus der Analyse der Begriffe ‘Werden’ und ‘Vergehen’. Da beide Begriffe die Existenz von Nicht-Seiendem implizieren (das Werdende entsteht aus Nicht-Seiendem, das Vergehende vergeht in Nicht-Seiendes), muß das Seiende logischerweise unentstanden, unvergänglich und unbeweglich sein. Ähnlich argumentiert Parmenides in bezug auf die ›Qualitäten‹ ‘Homogenität’, ‘Einheit’ und ‘Kontinuität’, die dem Seienden ebenfalls notwendigerweise zukommen müssen, weil ihre Negation die Existenz von Nicht-Seiendem implizieren würde. — Platon (Sophistes 2 37 ff; 2 57 ff) und Aristoteles (Phys. I 8) haben diese Argumentation des Parmenides auf sprachphilosophischer Basis kritisiert, und zwar mit dem Hinweis darauf, daß Parmenides nicht zwischen ‘sein’ als Existenzaussage (ἔστιν) und Prädikation (ἐστιν) unterschieden habe. Die Argumentation des Parmenides sei nur dann schlüssig, wenn ‘sein’ ausschließlich und unterschiedslos im Sinne von ‘existieren’ verstanden werde; dagegen sei das ‘so-Sein’ beziehungsweise das ‘nicht-so Sein’ logisch und semantisch korrekt prädizierbar. Gleichwohl bleibt Parmenides das Verdienst, als erster konsequent die formale Denkweise sowie das apriorisch-analytische Argumentieren und die ›voraussetzungslosen‹ Allgemeinbegriffe in die Philosophie eingeführt zu haben. Die auffälligste Parallele hierzu findet sich — trotz der erwähnten Kritik im einzelnen — bei Platon und Aristoteles: Platon (Sophistes 2 54 b — 2 55 e) führt neben den Ideen als allgemeinste Bedingungen des Seins die folgenden fünf ›Hauptbegriffe‹ (μέγιστα γένη) ein: Sein, Bewegung, Ruhe, Identität und Nicht-Identität (Bewegung im deutlichen Gegensatz zu Parmenides); Aristoteles (M etaphys. IV 2 , 1003 b 2 3 ff) hebt hervor, daß Sein, Identität und Einheit zu den Grundbestimmungen des Seienden als Seiendem zählen, und zwar deshalb, weil ohne sie eine korrekte Prädikation nicht möglich ist. 6.2.3. Die Funktionsfähigkeit der Namen (ὀνόματα) Die beiden Textstellen, in denen Parmenides auf die Leistungsfähigkeit der ›von den Sterb-
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lichen festgesetzten Namen‹ eingeht, sind dunkel und in der Interpretation umstritten: „Daher wird alles [bloßer] Name sein, was die Sterblichen [durch ihre Sprache] festgesetzt haben, überzeugt, es sei wahr: ‘Entstehen’ und ‘Vergehen’, ‘Sein’ und auch ‘Nicht-Sein’ und ‘Verändern des Ortes’ sowie ‘Wechsel der leuchtenden Farbe’“ (B 8, 38—41; VS I, 2 38). „[...] und dafür [für das ›nach Schein‹ (κατὰ δόξαν) Entstandene] haben die Menschen Namen festgesetzt, einen bezeichnenden für ein jedes“ (B 19; VS I, 2 45). — Leonard Woodbury (1958, 149 f) bezieht die Namensfestsetzung der Sterblichen im ersten Zitat (B 8, 38) auf das ›wahrhaft Seiende‹ und sieht hier infolgedessen keine Abwertung der Funktionsfähigkeit der Sprache; es handele sich nicht um ›bloße‹ Namen, sondern um korrekte Bezeichnungen. Überzeugender erscheint jedoch folgende Deutung: In bezug auf das ›wahrhaft Seiende‹ sind alle eine Prozessualität ausdrückenden Bezeichnungen ›bloße‹ Namen; sie treffen nicht die Wahrheit, weil sie mit unzulässigen Begriffen wie ‘Entstehen’, ‘Vergehen’, usw. operieren. In bezug auf die Welt der Wahrnehmung (B 19) räumt Parmenides der Sprache jedoch eine gewisse Leistungsfähigkeit in der Bezeichnungsfunktion ein, allerdings unter dem Vorbehalt, daß es sich hier nie um Wahrheit, sondern stets nur um Schein und Meinung handeln könne. 6.3. Zenon von Elea (ca. 490—430) Zenon, bekannt vor allem wegen seiner Paradoxien — ‘Achill kann die Schildkröte nicht einholen’; ‘Der fliegende Pfeil ruht’ —, versucht, die These seines Lehrers Parmenides von der Einheitlichkeit und Unbewegtheit des Seienden durch zahlreiche zusätzliche Argumente gegen die inzwischen aufgekommene Kritik zu verteidigen. Dabei entwickelt er das bei Parmenides schon erkennbare Verfahren der indirekten Beweisführung zur Virtuosität. Er übernimmt hypothetisch die Grundannahmen der Gegner, zum Beispiel die These von der Vielheit und der Bewegtheit des Seienden, und weist nach, daß diese zu einander widersprechenden Konsequenzen führen, weshalb die Ausgangssätze falsch sein müssen. Platon (Parmenides 12 7 d ff) hat diese besondere Art der Zenonischen Argumentation treffend wiedergegeben. Auch seine Beweisführung ist streng apriorisch. Die semantische Analyse der Gegenpositionen führt notwendigerweise zu ›Aporien‹, d. h. zu semantischen und logischen Antinomien. Man kann Zenon als den Begründer der aporetischen Methode ansehen, die später, insbesondere bei Aristoteles,
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I. Raum-zeitliche Übersichten
zum methodischen Grundbestand der griechischen Philosophie wurde. Nicht ohne Grund nennt Aristoteles Zenon den ›Erfinder der Dialektik‹ (A 1 und A 10; VS I, 247; 250). 6.4. Melissos von Samos (ca. 410—360) Melissos verteidigt die Theorie seines Lehrers Parmenides mit direkten Beweisen, vor allem gegen die Angriffe des Empedokles und der Atomisten. Gegen Parmenides lehnt er die hypothetische Geltung der Sinneswahrnehmung und damit implizit die Funktionsfähigkeit der auf diesen Bereich bezogenen Benennungen (cf. 6.2 .3.) ab. Aus semantischen Überlegungen leitet er die These von der Nicht-Existenz des Leeren ab und schließt daraus auf die Unmöglichkeit der Bewegung, weil nämlich Bewegung die Existenz des Leeren voraussetze. Auch er bedient sich durchgängig der apriorischen, semantisch-logischen Argumentation.
7.
Die jüngere Naturphilosophie
7.1. Empedokles aus Akragas (ca. 492—430) Empedokles, der seine Lehre in Hexametern niederschrieb, kann als Vermittler zwischen der Herakliteischen und der Eleatischen Philosophie angesehen werden. Er versucht, die Phänomene für den ›normalen Menschenverstand‹ (gegen Parmenides) zu retten, indem er (mit Heraklit und gegen Parmenides) die Realität der Bewegung und die Vielheit des Seienden sowie (gegen Heraklit und mit Parmenides) die qualitative Unveränderlichkeit des Seienden (d. h. für ihn: der vier Elemente) behauptet. Die vier Elemente des Seienden (Feuer, Wasser, Erde, Luft) haben alle die unveränderlichen Eigenschaften des Parmenideischen ›Seienden‹. — Auffallend ist, daß Empedokles sich in keiner Weise auf die apriorische, logisch-semantische Argumentation des Parmenides einläßt; er begründet seine Theorie vielmehr einerseits mit empirischen Hypothesen und Postulaten über die Existenz, die Natur und die Wirkweise der vier Elemente, andererseits mit dem metaphysischen Postulat von ›Liebe‹ (φιλία) und ›Streit‹ (νεῖκος), die durch ihren immerwährenden Kampf miteinander das Bewegungsprinzip des ewig fortdauernden Weltprozesses bilden. — Die Leistungsfähigkeit menschlicher Sprache beurteilt er skeptisch (B 9 und B 15; VS I, 312 ff). — Aristoteles sieht in ihm den Erfinder der Rhetorik (Zenon Fragmente A 1 und A 10; VS I, 247; 250).
7.2. Anaxagoras aus Klazomenai (ca. 500/496—428) Anaxagoras, in der Tradition der ionischen Naturphilosophie stehend, bemüht sich ebenfalls um eine Vermittlung von Heraklitismus und Eleatismus. Anders als Empedokles nimmt er aber nicht vier, sondern unendlich viele Grundbestandteile des Materiellen an, die jeweils für sich — wie das eleatische ›Seiende‹ — ungeworden und qualitativ unveränderlich sind (die ›Homöomerien‹). Diese ›Homöomerien‹ sind unendlich klein und daher nicht wahrnehmbar, weshalb er sagen kann: „Aufgrund der Schwäche unserer Sinne sind wir nicht in der Lage, die Wahrheit zu erkennen“ (B 21; VS II 43; cf. B 7; VS II, 36). Diese grundsätzliche Unerfahrbarkeit der Wirkweise der ›Homöomerien‹ bedingt zugleich eine systematische Fehlleitung und Fehlleistung unserer Sprache. Aufgrund oberflächlicher und falscher Sinneseindrücke reden wir von ›Entstehen‹ und ›Vergehen‹. Diese Ausdrucksweise ist falsch, denn im Grunde handelt es sich beim sogenannten ›Entstehen‹ beziehungsweise ›Vergehen‹ um ein ›Sich-Vermischen‹ beziehungsweise ›Sich-Trennen‹ von Grundstoffen (B 17; VS II, 40 f; cf. A 43 und A 52; VS II, 17; 20).
8.
Der Atomismus
Der Atomismus stellt den dritten Versuch dar, die Parmenideische Seinslehre mit der ›Flußlehre‹ Heraklits in Einklang zu bringen; während aber Empedokles mit den immateriellen Prinzipien ›Liebe‹ und ›Streit‹ (cf. 7.1.) und Anaxagoras mit dem ›Geist‹ (νοῦς) als Bewegungsprinzip eine Lösung auf der Basis des philosophischen Dualismus anstrebten, begehen die Atomisten den Weg eines konsequenten materialistischen Monismus. 8.1. Leukipp aus Milet/Abdera (5. Jahrhundert v. u. Z.) Leukipp, Schüler Zenons und Lehrer Demokrits, stammt aus Milet und gründet nach ausgedehnten Reisen nach 450 v. u. Z. die Philosophenschule der Atomisten in Abdera (Thrakien). Mit seiner Atomtheorie glaubt er, so berichtet Aristoteles, eine Theorie gefunden zu haben, „die im Einklang mit der Sinneswahrnehmung steht und die weder Entstehen noch Vergehen noch Bewegung noch die Vielheit der Dinge aufhebt“ (A 7; VS II, 73). Aber auch seine ›Rettung der Phänomene‹ stößt an die Grenze der Sprache beziehungs-
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weise steht nicht in Übereinstimmung mit dem faktischen Sprachgebrauch, denn die Unsichtbarkeit des ›wirklichen‹ Vorganges verleitet zu sprachlichen Mißgriffen (cf. 7.2 .): ‘Entstehen’ bedeute eigentlich ‘Vereinigung von Atomen’, ‘Vergehen’ sei ‘Trennung von Atomen’. — Auch Leukipps These von der Existenz des Leeren hat sprachliche und sprachphilosophische Implikationen: das Leere existiert nicht ›schlechthin‹ wie die Atome, sondern nur im Sinne eines ›Nichtso-Seins‹, eines ›Anders-Seins‹ (μὴ ὄν). Dadurch, daß er diese der griechischen Sprache eigentümliche Variante der Negation (μὴ ὄν = nicht so seiend, statt οὐκ ὄν = [absolut] nicht seiend) sprachphilosophisch bewußt einsetzt, um die besondere Existenzweise des Leeren zum Ausdruck zu bringen, bereitet er die Lösung vor, die Platon später (Sophistes 2 37 a 8 ff) für das von Parmenides gestellte Problem der Unmöglichkeit des ›Nicht-Seins‹ findet (cf. 6.2.2.). Die Annahme unendlich kleiner, nicht weiter teilbarer Atome dient Leukipp zusammen mit dem Postulat des in besonderer Weise existierenden Leeren als Modell für die Erklärung der Vielheit und der Veränderbarkeit aller seienden Dinge. Der Gedanke, daß die gesamte Natur durch Atome, die sich nur durch Gestalt, Lage und Anordnung unterscheiden, erklärt werden könne, ist von seinen Zeitgenossen als unzureichender Erklärungsversuch kritisiert worden. Dieser Kritik begegnet Leukipp mit einer interessanten Analogie von Sprache (beziehungsweise Schrift) und Wirklichkeit. Die Zusammensetzung der Wirklichkeit aus Atomen entspreche der Zusammensetzung der Sprache aus Buchstaben, die ja auch eine beliebig große Zahl von zum Teil einander widersprechenden und sehr unterschiedlichen Wörtern und Sätzen zuließen: „denn aus denselben Buchstaben entsteht die Tragödie und die Komödie“ (A 9; VS II, 74). Dieselbe Analogie benutzt er, um seine These von der unterschiedlichen Gestalt, Anordnung und Lage der Atome plausibel zu machen: „Es unterscheidet sich nämlich das A vom N durch die Gestalt, das AN vom NA durch die Anordnung, das H vom H durch die Lage“ (A 6; VS II, 72 ). Diese Analogie von Atomen und Buchstaben hat vermutlich dazu geführt, die Buchstaben als ›Atome‹ der Sprache, als deren letzte Elemente und Sinnträger, zu interpretieren (cf. Platon, Kratylos 423 e—427 c).
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8.2. Demokrit aus Abdera (ca 470—380/70) Demokrit übernimmt mit nur geringfügigen Änderungen die Atomtheorie seines Lehrers Leukipp, führt sie im Detail weiter aus und wendet sie auf verschiedene Spezialgebiete, insbesondere der Seelenlehre und der Erkenntnistheorie, an. (a) Die Problematik einer adäquaten sprachlichen Wiedergabe philosophischer Gedanken und Einsichten tritt bei ihm besonders deutlich zutage: das Leere bezeichnet er wie Leukipp als das ‘Nicht-soSeiende’ (μὴ ὄν, A 38; VS II, 94); den unendlich großen Ur-Raum, den von ihm postulierten ursprünglichen Ausgangspunkt aller Atombewegung, nennt er das ‘Leere’, das ‘Nichts’ und das ‘Unendliche’, wobei jede dieser drei Urformen des Seienden die Bezeichnung das ‘Ichts’, das ‘Feste’ und das ‘Seiende’ erhält (A 37, A 49, B 156; VS II, 93; 97; 174). Mit der Übersetzung ‘Ichts’ soll der Gegensatz und zugleich die Affinität zum ›Nichts‹ sprachlich deutlich gemacht werden. Im Griechischen handelt es sich um die Antithese von δὲν und μηδέν. Demokrit hat den Kunstausdruck δὲν als Derivat von μηδέν eingeführt, um eine besondere Seinsweise zu charakterisieren, die sonst nicht bekannt ist und für die die normale Sprache daher keinen adäquaten Ausdruck anbieten kann. (b) Häufiger als bei Leukipp begegnet man bei Demokrit dem Problem der Umdefinition gebräuchlicher Ausdrücke. Demokrit sieht sich immer wieder zu semantischen Korrekturen genötigt, weil die übliche Verwendungsweise der Ausdrücke nicht das trifft, was er aufgrund seiner Theorie zum Ausdruck bringen muß: ‘Entstehen’ ist ‘Vereinigung von Atomen’, ‘Vergehen’ ist ‘Trennung von Atomen’ (A 37; VS II, 94), womit die für die Quellenautoren Aristoteles und Simplikios so wichtige Unterscheidung von ‘Veränderung’ und ‘Entstehung’ aufgehoben wird, da Demokrit beides auf die ›Vereinigung von Atomen‹ reduziert. Der ›Tod‹ ist das „Entschwinden derartiger [= der Seelen-] Atome“ (A 106; VS II, 110). Diese und andere Umdefinitionen haben Aristoteles veranlaßt, in Demokrit den ersten Philosophen zu sehen, der sich, und zwar „von der Sache selbst genötigt“, mit dem Problem der Definition explizit befaßt habe (A 36; VS II, 93). Diese ›Sache selbst‹ liegt in erster Linie in der Erkenntnistheorie beziehungsweise der Erkenntniskritik Demokrits begründet. Sinneswahrnehmungen sieht er als nicht verläßlich, sondern als bloßen Schein an: „[Nur] durch Festsetzung (νόμῳ) [gibt es] Farbe, durch
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Festsetzung Süßes, durch Festsetzung Bitteres, in Wahrheit aber nur Atome und das Leere“ (B 12 5; VS II, 168). Dieser erkenntnistheoretische Skeptizismus führt unmittelbar zur Sprachkritik. Die gebräuchliche Sprachpraxis orientiert sich am ›Herkommen‹, an ›Tradition‹, an der ›bloßen Meinung‹, dem ›subjektiven Eindruck‹, nicht an ›der Natur (φύσις) der Dinge‹ (A 49; VS II, 97). Hiermit nimmt Demokrit im φύσει-θέσει-Streit (s. Art. 62 ) eine interessante Zwischenposition ein. In bezug auf den umgangssprachlich üblichen Gebrauch vertritt er die Nomos-These — Benennungen sind bloße und dazu noch falsche Setzungen —, in bezug auf den philosophisch gereinigten Sprachgebrauch, die ›Orthosprache‹, vertritt er die Physis-These — hier entsprechen die Benennungen der ›Natur der Dinge‹. (c) Referenzobjekte der Sprache sind nicht die uns erscheinenden Phänomene, sondern ›Bilder‹ (ἰδέαι, εἴδωλα) oder ›Vorstellungen‹ (φαντασίαι), denn das, was wir als Phänomen wahrzunehmen glauben, ist in Wirklichkeit ein Zustrom von Atomkonstellationen, die sich uns als Wahrnehmungsbilder darbieten (B 7; VS II, 138 f). In diesem Sinne ist vermutlich auch der kryptische Satz zu verstehen: „Die Götternamen sind sprachliche Abbilder der Götter“ (B 142 ; VS II, 170), d. h. sie beziehen sich wie die ›Bilder‹ empirischer Gegenstände auf Vorstellungen in unserem Bewußtsein. Demokrit scheint also eine Vorform des Konzeptualismus entwickelt zu haben. (d) Allerdings ist nicht jede Vorstellung schon allein deswegen, weil sie eine Vorstellung ist, auch wahr. Diese These begründet Demokrit damit, daß er die entgegengesetzte Behauptung hypothetisch setzt und dann die Konsequenzen prüft: „Wenn [...] jede Vorstellung wahr ist, dann wird auch die Behauptung, daß nicht jede Vorstellung wahr ist, wenn man sich ihren Inhalt vorstellt, wahr; und so wird die Behauptung, daß jede Vorstellung wahr sei, falsch“ (A 114; VS II, 111). Diese Argumentation geht offenbar von einem Repräsentationsmodell der Sprache aus: Aussagen oder Behauptungen werden durch oder in Vorstellungen repräsentiert. (e) Den Sprachursprung (s. Art. 65) erklärt Demokrit aus den Kommunikationsbedürfnissen der ersten sozialen Gruppierungen von Menschen: „Und als sie [= die ersten noch vereinzelt lebenden Menschen], von wilden Tieren bedroht, einander zu Hilfe kamen, wurden sie durch den [gemeinsamen] Vorteil belehrt, und [einmal] aufgrund von Furcht zusammengekommen, lern-
I. Raum-zeitliche Übersichten
ten sie allmählich gegenseitig ihre Art kennen. Da aber ihre Laute undeutlich und verworren waren, verbesserten sie alsbald ihre Artikulation, setzten untereinander Zeichen (σύμβολα) fest für jedes Ding und schufen [damit] ein ihnen allen vertrautes Verständigungsmittel (ἑρμενεία). Weil derartige Vereinigungen auf der gesamten bewohnten Erde stattfanden, hatten nicht alle eine gleichlautende (ὁμόφωνον) Sprache (διάλεκτος), da die einzelnen [Menschengruppen] ihre sprachlichen Ausdrücke (λέξεις) festsetzten, wie es sich gerade traf. Daher gab es auch die unterschiedlichsten Spracheigentümlichkeiten (χαρακτῆρας διαλέκτων), und diese zuerst entstandenen Zusammenschlüsse waren der Ursprung aller [späteren] Völker“ (A 5; VS II, 135). Dies bedeutet: (1) praktische Interessen und Bedürfnisse führten die Menschen zusammen; (2 ) das Zusammenleben machte ein sprachliches Kommunikationsmittel erforderlich; (3) die sprachlichen Zeichen wurden — von Fall zu Fall unterschiedlich — durch Konvention festgelegt; (4) aus den ursprünglichen Sprachgemeinschaften gingen die Völker hervor. Kurz: Die Entstehung sozialer Gemeinschaften ist unmittelbar mit der Sprachentwicklung verbunden. (f) Den in seiner Sprachursprungstheorie erkennbaren, eher historisch-diachron zu verstehenden Sprachkonventionalismus hat Demokrit auch synchron, bezogen auf die Sprache seiner Zeit, vertreten, und zwar mit folgenden vier Argumenten beziehungsweise Unterscheidungen, die alle auf dem Faktum beruhen, daß eine Eins-zu-eins-Entsprechung von bezeichnendem Wort und bezeichneter Sache nicht durchgängig gegeben ist (Siebenborn 1976, 19 f): (1) verschiedene Dinge werden mit ein und demselben Wort bezeichnet (Homonymie bzw. Polysemie); (2 ) für dieselbe Sache gibt es verschiedene synonyme Bezeichnungen (Polyonymie); (3) bisweilen wechselt die Bezeichnung für ein und dieselbe Sache (Metonymie); (4) für manche Sachverhalte gibt es überhaupt kein sprachliches Äquivalent. (Die in den Klammern stehenden Ausdrücke sind teils der Terminologie Demokrits, teils der des Quellenautors Proklos (ca. 411—485) entnommen.) Diese Inkongruenz von Wort und Sache zeige, daß die Bezeichnungen auf Setzung (θέσις) bzw. Zufall (τύχη) beruhen und nicht von Natur aus (φύσει) gegeben sind (B 2 6; VS II, 148). (g) Die kryptischen Ausführungen Demokrits zum Problem der Wortrichtigkeit bei Homer (A 101; VS II, 109) scheinen zu besagen, daß Wortrichtigkeit nur
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dann gegeben ist, wenn Wortursprung, Lautgestalt (Morphem bzw. Graphem) und die dazugehörende Vorstellung übereinstimmen (Siebenborn 1976, 17 ff).
9.
Die Sophistik
Die Sophisten, die um die zweite Hälfte des fünften Jahrhunderts in Athen auftreten, üben aufklärerische Kritik an Traditionen, herkömmlichen Bildungs- und Verfassungseinrichtungen und -idealen sowie an gesellschaftlichen Normen. Im Kontext dieser Intentionen entwickeln sie die Rhetorik in Theorie und Praxis zur Blüte. Sie sind Wort-, Sprach- und Argumentationskünstler, „Wettkämpfer in der Kunst des Redekampfes“ (Platon, Sophistes 231 d). 9.1. Protagoras aus Abdera (ca 480—421) Von Protagoras stammt der berühmte ›Homo-Mensura-Satz‹: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden, daß/wie sie sind, der nicht-seienden, daß/wie sie nicht sind“ (B 1; VS II, 2 63). Dieser Satz ist die klassische Formulierung des erkenntnistheoretischen Relativismus oder Skeptizismus, nach dem es keine objektive Wahrheit gibt, sondern nur die jeweilige Meinung eines Erkenntnissubjektes. Protagoras begründet diese Position mit dem deutlich an Heraklit erinnernden Theorem, daß alle Dinge im ständigen Fluß begriffen seien (cf. 5.1.), was sowohl für die Erkenntnisobjekte als auch für die Erkenntnissubjekte gelte; ›Erkenntnisse‹ seien daher jeweils nur für eine bestimmte Person in einer bestimmten Situation ›gültig‹ (A 14; VS II, 2 58). Daraus scheint er den Schluß gezogen zu haben, daß sämtliche Vorstellungen und Meinungen wahr seien (B 1; VS II, 2 62 f) — eine These, deren Widerlegung durch Demokrit überliefert ist (cf. 8.2 .). Ob Protagoras seinen erkenntniskritischen Relativismus auch sprachkritisch verstanden hat, etwa in dem Sinne, daß auch die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke einem ständigen Wechsel unterworfen sei, ist den überlieferten Fragmenten nicht zu entnehmen; de facto setzt er eher auf eine Konstanz der Wortbedeutungen. An der Wissenschaftssprache der Astronomie und Mathematik übt er deutliche skeptische Kritik. Die Mathematik treffe mit ihren Begriffen (Linie, Kreis usw.) nicht die Wirklichkeit, weil keine wirkliche Linie den Idealen oder Postulaten der Mathematiker entspreche; daher sei die Anwendung der
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Sprache der Mathematik auf die realen Gegenstände der Astronomie nicht zulässig (B 7; VS II, 2 66). — Aus der seinen erkenntnistheoretischen Relativismus markierenden Überzeugung heraus, es gebe zu jeder zur Diskussion stehenden Position auch eine Gegenposition, soll er die ›sokratische Methode‹ des Fragens und Antwortens als erster aufgebracht haben (A 1; VS II, 2 53 f), allerdings in der für ihn typischen Form der Eristik, der bloßen Streitkunst, die nicht, wie Sokrates den philosophischen Dialog versteht, im Frage-und-Antwort-Spiel zur Wahrheit gelangen, sondern nur die Berechtigung von These und Gegenthese aufzeigen, beziehungsweise im faktischen Streitgespräch obsiegen will. Ein wesentliches Element seiner Streitkunst soll es gewesen sein, das Problem der richtigen Benennung in den Mittelpunkt zu stellen. Beim Problem der richtigen Benennung (ὀρθοέπεια) hat er als erster auch die grammatische Form sprachlicher Ausdrücke zur Geltung gebracht (Siebenborn 1976, 15 f). Er hat erstmals das Genus der Substantive untersucht, dabei die seitdem übliche Einteilung in Masculina, Feminina und Neutra vorgenommen, und die Satz- beziehungsweise Äußerungsarten unterteilt in Bitt-, Frage-, Antwort- und Befehlssatz (A 1 und A 2 7; VS II, 2 54; 2 62 ). Bei den Untersuchungen zur grammatischen Form hat er festgestellt, daß der faktische Sprachgebrauch Widersprüche oder Diskrepanzen aufweist zwischen der grammatischen Kategorie und der Sprecherintention beziehungsweise dem bezeichneten Sachverhalt (Gegenstand): z. B. sei die grammatische Form der Anrufung der Göttin im ersten Vers der Ilias ein Imperativ (Satzart des Befehls), der Sprecherintention nach aber könne es sich nur um die Satzart der Bitte handeln; ähnlich soll er sich über die Diskrepanz zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht geäußert haben (A 2 9 und C 3; VS II, 2 62 ; 2 70 f). Sprachrichtigkeit liegt nach Protagoras nur dann vor, wenn grammatische Kategorie und Sprecherintention beziehungsweise Sachverhalt übereinstimmen; ist dies nicht der Fall, so fordert er eine Korrektur der Umgangs- und auch der Dichtersprache. In diesem Sinne läßt Platon (Protagoras 338 e f) ihn sagen: „Ich jedenfalls [...] halte dafür, daß es für einen Mann den bedeutendsten Teil der Erziehung ausmacht, gründliche Kenntnisse in bezug auf die Poesie zu besitzen; dies aber bedeutet, daß er imstande ist, zu beurteilen, welcher Art die Rede der Dichter ist und was sie [sprachlich] kor-
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rekt gedichtet haben und was nicht, [die Dichtwerke] zu analysieren und auf Fragen [über sie] Rechenschaft zu geben“ (A 2 5; VS II, 261). Zur Sprachentstehung äußert er sich ähnlich wie Demokrit (cf. 8.2 ), allerdings deutlich weniger differenziert. 9.2. Gorgias aus Leontinoi (ca. 480—380) Gorgias zählt zu den bedeutendsten Redekünstlern seiner Zeit. Beispiele seiner Rhetorik bieten die fast vollständig erhaltenen Musterreden Lobrede auf Helena und Apologie des Palamedes (B 11 und 11 a; VS II, 2 88— 303). Seine berühmte Schrift Über das Nichtseiende ist in der neueren Forschung oft als unbedeutende Spielerei, ja sogar als „eine radikale Absage an jede ernsthafte Philosophie, überhaupt an jede wirkliche Wissenschaft“ (Capelle 1968, 343 f) (miß)verstanden worden. In der Tat erscheinen seine drei Thesen auf den ersten Blick absurd und pragmatisch widersprüchlich: wie kann jemand etwas mitteilen wollen, der behauptet, man könne nichts verständlich mitteilen? Bei näherer Untersuchung, insbesondere unter sprachphilosophischen Aspekten, zeigt sich jedoch die Ernsthaftigkeit der Problematik und die theoretische Relevanz seiner Argumente (cf. Newiger 1973, 14—180). Seine provozierenden Thesen lauten (B 3; VS II, 279): „(1) Es gibt nichts. (2) Gesetzt, es gäbe etwas, so wäre es für den Menschen nicht erkennbar. (3) Gesetzt, es wäre erkennbar, so wäre es den Mitmenschen nicht mitteilbar und nicht verständlich zu machen.“ Hierzu liefert Gorgias — in sorgfältigem methodischen Aufbau — etliche Detailargumente, die formal genau dem Argumentationsmuster des Parmenides (cf. 6.2 .) entsprechen; inhaltlich hingegen widerspricht er mit seiner ersten These der Grundposition des Parmenides. Die beiden ersten Thesen begründet er ausschließlich apriorisch, d. h. durch den Aufweis logischer Widersprüche und semantischer Inkonsistenzen bei der Annahme des Gegenteils: die Methode des indirekten Beweises, der reductio ad absurdum, ist bei ihm bis zur Perfektion ausgebildet. Die Begriffe ‘Sein’, ‘Nicht-Sein’, ‘Einheit’, ‘Vielheit’, ‘ewig’ und ‘geworden’ bilden die Basis seiner semantischen Analysen: „Es kann aber nicht beides sein, [nämlich] zugleich ewig und geworden, denn dies sind einander aufhe-
I. Raum-zeitliche Übersichten
bende [Begriffe]“; „Wenn [das Seiende] existiert, muß es entweder eines oder vieles sein; es ist aber weder eines noch vieles [...]; also existiert das Seiende nicht“ (B 3; VS II, 2 80 f). — Interessanterweise benutzt Gorgias für seine dritte These (über die Nicht-Mitteilbarkeit) nicht apriorische, sondern empirische Argumente; er bezieht sich hier ausschließlich auf das Problem der Mitteilbarkeit von empirischen Eindrücken beziehungsweise von Gegenständen. Seine Beweisführung ist in zwei Argumentationsstränge gegliedert: (1′) Die Dinge sind nicht identisch mit den sprachlichen Bezeichnungen. Empirische Eindrücke nehmen wir mit den Sinnesorganen wahr; „das Organ aber, mit dem wir etwas mitteilen, ist der Logos, der Logos aber ist nicht das Ding und das Existierende. Den Mitmenschen teilen wir also nicht die Dinge mit, sondern den Logos, der ja von den Dingen verschieden ist [...]. Wenn es [das Ding] aber nicht mit dem Logos identisch ist, so kann es [das Ding] nicht [als Logos] einem anderen mitgeteilt werden (B 3; VS II, 2 82 ). Der jeweilige Sinneseindruck hat eine Realität außer uns, etwas ›Existierendes‹; dies gilt jedoch nicht für sprachliche Ausdrücke: „denn wenn auch der Logos existiert [...], so unterscheidet er sich doch von den übrigen existierenden Dingen“. Der Quellenautor Sextus Empiricus (2 . Hälfte 2 . Jh. n. u. Z.) betont am Ende seines Gorgias-Referates, daß hiermit „das Kriterium der Wahrheit“ aufgehoben würde (B 3; VS II, 283). Der zweite Argumentationsgang findet sich in der pseudoaristotelischen Schrift Über M elissos, Xenophanes und Gorgias (Capelle 1968, 351 ff; bei Diels/Kranz nicht aufgenommen): (2 ′) Niemand versteht unter demselben Wort dasselbe wie ein anderer. Mitteilungen über empirische Eindrücke werden nicht mit einem einzelnen, kontextlosen Wort, das z. B. einer Farbe entsprechen könnte, vorgenommen, sondern mit einem vollständigen Logos, d. h. als Sinnkomplex in einem Kontext; nun ist aber der Sinnkomplex zweier Kommunikationspartner nie vollkommen identisch, da alles im ständigen Fluß begriffen ist (cf. 9.1.); also ist die Übereinstimmung des Sinngehaltes zwischen Sender und Empfänger eine durch nichts bewiesene, bloße Hypothese. — Außerdem erfahren wir bei Pseudoaristoteles über Gorgias: Worte sind ›Zeichen‹ und als solche von den Dingen verschieden; wer die Gegenstände oder Eindrücke nicht sinnlich wahrgenommen hat, von denen die Rede ist, kann auch die Zeichen nicht verstehen.
1. Sprachphilosophische Anfänge
Gorgias benutzt — wie Parmenides (cf. 6.2 .) — das ontologische Modell ‘Sein-Denken/Vorstellung-Sprache’. Ihn mit dem Argument des pragmatischen Widerspruchs abtun oder ›widerlegen‹ zu wollen, würde seinem Anliegen nicht gerecht. Er stellt wichtige logische, semantische und sprachtheoretische Aporien vor, und zwar mit der Intention, die Problematik der Gegenpositionen deutlich zu machen, die auf sichere Erkenntnis bauen zu können glauben; deutlich wird z. B. die Problematik des Repräsentationsmodells von Sprache und Ding sowie die der Legitimation absolut gültiger Wahrheitkriterien. 9.3. Prodikos von Keos (2. Hälfte des 5. Jh.) Prodikos, von dem die bekannte Parabel Herakles am Scheidewege stammt (B 1 und B 2 ; VS II, 312 —316), gilt als Begründer der wissenschaftlichen Synonymik und der Topik (A 10; VS II, 310). Seine Untersuchungen über sinnverwandte Ausdrücke beschränken sich nicht auf den Bereich der empirischen Linguistik; sie stehen vielmehr im Kontext der Problematik der Sprachrichtigkeit und haben einen normativen, sprachkorrigierenden Charakter. Prodikos untersucht die Synonymität, um vorhandene synonyme Ausdrücke durch semantische Nuancierungen zu vermeiden oder zu eliminieren. Im Unterschied zu Demokrit, der das Faktum der Synonymität lediglich konstatiert und als Argument für seine These von der Konventionalität der Sprache benutzt (cf. 8.2 .), versucht Prodikos, die Leistungsfähigkeit der Sprache, der Umgangssowohl wie der Wissenschaftssprache, durch semantische Präzisierungen zu erhöhen. So präzisiert er den Unterschied der bedeutungsähnlichen Ausdrücke ‘streiten—zanken’, ‘achten—loben’ und ‘Vernügen—Lust’ (A 13; VS II, 311). — Im Kontext seiner semantischen Differenzierungen hat Prodikos auch die Methode der Begriffszergliederung, der Dihärese, entdeckt, die dann für Platons (Sprach-)Philosophie, für seine ›Dialektik‹, konstitutiv werden sollte (Platon, Phaidros 2 66 b). Z. B. unterteilt er die Freude in Vergnügen, Ergötzung und Fröhlichkeit (A 19; VS II, 312 ). Daß Begriffsdihäresen zur Definition führen können und sollen, ist schon von antiken Autoren gesehen — und (im Falle Prodikos) kritisiert worden. Er spiele sich mit seinen normativen Definitionen als ›Gesetzgeber‹ auf, wo er doch ›nichts Gescheites‹ anzubieten habe (A 19; VS II, 312 ). — In seiner Schift Über die Natur des M enschen kritisiert und korrigiert Prodikos die Synony-
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mie in der Wissenschaftssprache der Medizin seiner Zeit, und zwar mit dem Hinweis darauf, daß die vermeintlichen Synonyme eine unterschiedliche Etymologie (und daher verschiedene Bedeutungen) hätten und daß die von den Medizinern fälschlicherweise unterstellte Synonymität zu Fehlern in Theorie und Diagnose führten (Siebenborn 1976, 21 f). 9.4. Der unbekannte Sophist in Platons Theätet Platon stellt im Theätet (156 c—157 c) die Position eines namentlich nicht genannten ›Weisen‹ vor, dessen Thesen einerseits die ›Flußlehre‹ Heraklits (cf. 5.1.), andererseits die Sinnesphysiologie Demokrits (8.2 .) zur Grundlage haben: Es gibt nichts konstant, dauerhaft Existierendes, sondern alles ist im Prozeß des Werdens begriffen. Daraus folgt, daß alle Bezeichnungen, die etwas Feststehendes voraussetzen, falsch sind; dies gilt nicht nur für einfache, empirisch-hinweisende Ausdrücke wie ‘dies’, ‘jenes’, ‘du’ und ‘ich’, sondern auch für zusammenfassende Bezeichnungen wie ‘Mensch’, ‘Stein’ und ‘Lebewesen’. Diese Position will zwar nicht die Leistungsfähigkeit der Sprache überhaupt, sondern nur die der konstatierenden, der festsetzenden Sprache bestreiten, denn sprachliche Ausdrücke, die dem Prozeßcharakter der Wirklichkeit entsprechen, werden ausdrücklich zugelassen. Es wird jedoch implizit die faktische (griechische) Sprache insgesamt als untauglich hingestellt, denn die These will die Subjekt-Objekt-Struktur der Sprache aufheben, die (feststellende) Funktion des Nominators eliminieren, was die elementare Prädikation (x ε P), d. h. die Formulierung von Aussagen überhaupt unmöglich machen würde (s. Art. 77).
10. Schlußbemerkung Ohne die geschichtsphilosophische These von einer diachronen Kontinuität des Denkens vertreten zu müssen, lassen sich Verbindungslinien sprachphilosophischer Probleme und Lösungsansätze herstellen, die schon in den frühesten historisch greifbaren Zeiten beginnen und die schließlich in der klassischen griechischen Philosophie bei Platon und Aristoteles den Ausgangspunkt für neue Ansätze und Lösungsversuche bilden. Der Zusammenhang von Sprache und Rationalität zeigt sich schon im Mythos (cf. 1.). Dabei ist es unerheblich, ob die literarische Form der Prosa- oder der Poesie-Sprache verwendet wird. In der poetischen Sprache des
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Mythos werden naturwissenschaftliche Sachverhalte dargestellt (cf. 2 .2 .), und Parmenides formuliert seine logischen Sätze in Hexametern (cf. 6.2 .). Aristoteles (De poetica 9, 1451 b 1—4) stellt zu diesem Problem (am Beispiel der Geschichtsschreibung) treffend fest: „Der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch, daß der eine in Versen, der andere in Prosa spricht (man könnte ja das Werk Herodots in Verse bringen, und es wäre um nichts weniger ein Geschichtswerk, sei es nun mit oder ohne Versmaß)“. — Schon früh wird die sprachphilosophisch bedeutsame Besonderheit der Etymologie, der Allegorie und der Allegorese erkannt (cf. 2 .2 .3.; 2 .2 .4.; 3.3.). Prodikos setzt später die Etymologie als Argument für eine Korrektur der Wissenschaftssprache ein (cf. 9.3.). — Thales bietet mit seiner sprachlichen Konstruktion idealer Gegenstände (cf. 3.1.) die Folie für Platons Ideenlehre. Nicht die Umgangssprache, sondern die Sprache der Wissenschaft steht zuerst im Mittelpunkt des Interesses. Schon bei den vorphilosophischen Denkern ist Kritik an der Wissenschaftssprache auszumachen (cf. 2 .2 .); explizite Kritik findet sich bei den Sophisten Protagoras und Prodikos (cf. 9.1.; 9.3.). Hekataios und Diogenes von Apollonia (cf. 3.2 .; 3.4.) bemühen sich um die Entwicklung besonderer Kriterien der Wissenschaftssprache, ein Anliegen, mit dem sich Aristoteles später ausführlich in den Werken des Organon befaßt. Die Umgangssprache wird analysiert, beschrieben und in grammatische Kategorien eingeteilt von Demokrit, Protagoras und Prodikos (cf. 8.2 .; 9.1.; 9.3.), wobei Prodikos die empirische Linguistik um den Aspekt der normativen Sprachkorrektur ergänzt. Die von Demokrit (8.2 .) angesprochenen Probleme der Homophonie u. a. werden im ersten Kapitel der Aristotelischen Kategorienschrift wieder aufgegriffen. Die Intention der Sprachkritik und Sprachkorrektur wird am deutlichsten in der intensiven Diskussion über das Problem der Sprachrichtigkeit erkennbar. Grundlage für diese Diskussion ist das erkenntnistheoretische Modell der Übereinstimmung oder Korrespondenz von Sein, Denken und Sprechen (cf. 6.2 .; 9.2 . sowie Art. 69), wobei vor allem das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit problematisiert wird. Insbesondere dann, wenn aufgrund bestimmter philosophischer Positionen (erkenntnistheoretischer oder ontologischer Art) die Leistungsfähigkeit der Sprache angezweifelt wird, wird das Problem der Sprachrichtigkeit bedeutsam; erkenntnis-
I. Raum-zeitliche Übersichten
theoretischer Skeptizismus und Relativismus sind in der Regel mit Sprachkritik eng verbunden (cf. 5.2 .). — Heraklit (5.1.) scheint als erster die Funktionstüchtigkeit und Angemessenheit der Sprache in Frage gestellt zu haben, und zwar in grundsätzlicher, radikaler Art und Weise. Die übliche Sprache ist überhaupt nicht in der Lage, seine ›Flußlehre‹ und die damit verbundene Philosophie adäquat zum Ausdruck zu bringen; explizit findet sich eine derartige Argumentation beim unbekannten Sophisten in Platons Theätet (cf. 9.4.). Die Inadäquatheit der Sprache veranlaßt Demokrit zu ungewöhnlichen Wortneuschöpfungen (cf. 8.2 .), Anaxagoras, Leukipp und auch Demokrit zu semantischen Umdeutungen und Umdefinitionen (cf. 7.2 .; 8.1.; 8.2 .); Prodikos sieht sich zu Sprachkorrekturen genötigt (cf. 9.3.). — Das wohl bekannteste Beispiel der Umdefinition bei Platon (M enon 81 c—d) dürfte das von ihm neu eingeführte Verständnis von ‘Lernen’ sein: Lernen ist nicht eine mentale ›creatio ex nihilo‹, sondern ›Wiedererinnerung‹ (Anamnesis). Mit ausdrücklichem Hinweis auf Prodikos erörtert Aristoteles das Problem der Sprachrichtigkeit in der Rhetorik (III 5, 1407 a/b). Die apriorische logisch-semantische Argumentation (cf. 6.2 .; 6.3.; 9.2 .) setzt ein generelles Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Sprache voraus; die legitimierende Inanspruchnahme der Sprache wäre ohne diese Voraussetzung ohne jede Basis. Ansätze für eine Zeichentheorie finden sich bei den Pythagoreern und bei Demokrit (cf. 4.; 8.2 .). Sprachursprungshypothesen haben Demokrit und Protagoras entwickelt (cf. 8.2 .; 9.1.). Hinweise auf das Problem der Schriftlichkeit lassen sich bei Leukipp ausmachen (cf. 8.1.). Platon und Aristoteles finden eine philosophische Tradition vor, die nicht nur inhaltliche, sondern vor allem auch methodische Probleme und Problemlösungsansätze enthält. Für die Bearbeitung der inhaltlichen Probleme ist die Weiterentwicklung der Methoden, der logischen und sprachtheoretischen Vorgehensweisen, unabdingbare Voraussetzung. Vor diesem historischen Problemhintergrund ist es nicht erstaunlich, daß Platon nicht nur in den sprachphilosophischen Dialogen (Kratylos, Sophistes und Theätet) und Aristoteles nicht nur in den Schriften des Organon sprachtheoretische Fragen erörtern; für beide zählt die Reflexion auf die Bedingungen und Möglichkeiten der Sprache — als ›Erbe‹ der Vorsokratik — zu den Grundvoraussetzungen der Philosophie überhaupt.
2. Stoische Sprachphilosophie
11. Literatur in Auswahl Ax 1986, Laut, Stimme und Sprache. Studien zu drei Grundbegriffen der antiken Sprachtheorie. Cassirer 192 2 , Die Begriffsform im mythischen Denken. Cassirer 1925 a, Sprache und Mythos. Classen 1986, Ansätze. Beiträge zum Verständnis der frühgriechischen Philosophie. Diels/Kranz 1971, Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch [= VS]. Fränkel 1960, Wege und Formen frühgriechischen Denkens. Literarische und philosophische Studien. Gatzemeier 1985, Wahrheit und Allegorie. Zur Frühgeschichte der Hermeneutik von Theagenes bis Proklos, in Wahrheit und Begründung, Gerhardt/ Herold (Hg.). Gentinetta 1961, Zur Sprachbetrachtung bei den Sophisten und in der stoisch-hellenistischen Zeit.
2. 1. 2. 3. 4.
1.
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Held 1980, Heraklit, Parmenides und der Anfang von Philosophie und Wissenschaft. Eine phänomenologische Besinnung. Hoffmann 192 5, Die Sprache und die archaische Logik. Kahn 1973, The Verb ‘be’ in Ancient Greek. Liebermann 1971, Voraussetzungen antiker Sprachbetrachtung. Zur Erkenntnisfunktion der Sprache im frühen Griechisch, in Donum Indogermanicum, Schmitt-Brandt (Hg.). Mourelatos 1970, The Route of Parmenides. A Study of Word, Image and Argument in the Fragments. Onians 1951, The Origins of European Thought. About the Body, the M ind, the Soul, the World, Time and Fate. Snell 1978, Der Weg zum Denken und zur Wahrheit. Studien zur frühgriechischen Sprache.
Stoische Sprachphilosophie Einleitung Die sprachphilosophischen Grundbegriffe Die Theorie der Aussage Literatur in Auswahl
Einleitung
1.1. Was die Stoiker über die Sprache gedacht haben, war in der Antike ziemlich berühmt. Trotzdem sind uns davon fast keine Originaltexte erhalten. Und da die Überlieferung von der stoischen Dialektik auch sonst sehr fragmentarisch ist, müssen wir die Sprachphilosophie der Stoiker in mühsamer Kleinarbeit rekonstruieren und uns gleichwohl mit einem Ergebnis begnügen, das lückenhaft ist. Vor allem über die Entstehungsphase der stoischen Lehre wissen wir verhältnismäßig wenig. Fest steht jedoch, daß die Sprache bei den Stoikern von Anfang an ein Hauptthema der Philosophie bildete. Seit der Gründung der Schule durch Zenon v. Kition (333/2 — 2 62 v. Chr.) und vor allem seit Chrysipp (2 81/ 77—2 08/4 v. Chr.) wurde sie dort in vielen Hinsichten studiert; in mehreren Entwicklungsschritten wurde für sie eine zusammenhängende Systematik entworfen; und man hat
in die Struktur der Sprache richtungweisende Einsichten gewonnen, deretwegen die stoische Dialektik hoch angesehen war; durch sie hat die Stoa auch in der Sprachtheorie, Logik und Grammatik späterer Jahrhunderte deutlich erkennbar fortgewirkt. Um ihre Auffassungen genauer darzustellen, ist zuerst auf den Ort einzugehen, den die Sprachphilosophie in der Lehre der Stoiker einnahm. Auch wenn es inzwischen ein Gemeinplatz ist, in solchen Zusammenhängen an die Einteilung der stoischen Philosophie zu erinnern, führt dies doch rasch auf die zentralen Punkte. 1.2. Bekanntlich gliederten die Stoiker ihre philosophischen Studien im Anschluß an Xenokrates in drei Teile: Naturphilosophie (Physik), Ethik und Logik. Der sog. logische Teil (λογικὸν μέρος) — Chrysipp sprach hier auch von der logischen Art (λογικὸν εἶδος) der Philosophie — wird von Long „the science of rational discourse“ genannt (1974, 12 2 ; 1987 I, 188; s. a. Hülser 1979, 2 84) und beinhaltet die Sprachphilosophie der Stoiker. Dort wurden nämlich sämtliche sprachtheoretischen Fragen erörtert. Des näheren gliederte die Logik sich standardmäßig in die Dialektik (διαλεκτική) und die Rhetorik
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(ῥητορική); zuweilen wurden auch die erkenntnistheoretischen Untersuchungen (περὶ φαντασίας καὶ αἰσθήσεως, περὶ κανόνων καὶ κριτηρίων) und die Definitionslehre (τὸ ὁρικόν, περὶ γενῶν καὶ εἰδῶν) als eigene Fächer ausgewiesen, die jedoch von anderen Stoikern lieber in die Dialektik eingebaut wurden. Diese behandelte eine Fülle von Themen, außer der Semantik, Grammatik und formalen Logik auch die Stilistik, Poetik und noch einiges andere (vgl. z. B. das detaillierte Referat des Diogenes Laertius oder auch den Überblick darüber bei Hülser 1987 I, LXXIX). Eingeteilt wurde sie jedoch in zwei Gebiete, denen Chrysipp die Überschriften ‘Περὶ σημαινόντων’ [Über das Bezeichnende] und ‘Περὶ σημαινομένων’ [Über das Bezeichnete] gab. Das zweite Gebiet war auch unter den Titeln ‘Περὶ λεκτῶν’ [Über die Lekta (das Gesagte, Sagbare)] und ‘Περὶ πραγμάτων’ [Über die Sachen] bekannt, während das erste auch den Titel ‘Περὶ φωνῆς’ [Über die Stimme] trug und im Schriftenverzeichnis Chrysipps Λογικὸς τόπος περὶ τὰς λέξεις καὶ τὸν κατ’ αὐτὰς λόγον [Das mit den Phonemreihen und mit der ihnen entsprechenden Rede befaßte Gebiet der Logik] heißt. Obgleich es wegen des relativ detaillierten Referats des Diogenes Laertius (7,55—62 ) gern als der erste Teil der stoischen Dialektik bezeichnet wird, stand es nicht immer an deren Anfang, sondern nimmt in einem von Diogenes Laertius anderenorts mitgeteilten Plan erst die zweite Stelle ein (7,43 f; vgl. FDS 33 — die Fragmente zitiere ich anstatt nach v. Arnim nach der von mir selbst herausgegebenen Fragmentsammlung). Gleichviel, — im ›ersten‹ Teil der Dialektik, also in dem ‘über das Bezeichnende’, behandelte man typischerweise die Themenkomplexe über die Stimme (περὶ φωνῆς), über die Redeteile oder Wortarten (περὶ τῶν τοῦ λόγου μερῶν), über die Vorzüge und Fehler der Rede (περὶ τῶν τοῦ λόγου ἀρετῶν καὶ κακιῶν) und viertens eine Reihe weiterer Fragen wie etwa Verse und Dichtung, Mehrdeutigkeiten (ἀμφιβολίαι), evtl. auch Definition und Einteilung u. a. m. Jeder dieser Themenkomplexe hatte eine Vorgeschichte bei Platon und Xenokrates oder bei Aristoteles und Theophrast. Die Stoiker haben die verschiedenen Traditionen aufgegriffen und in ihrer Dialektik zusammengeführt; die dadurch hergestellte Verbindung der Themenkomplexe, vor allem der ersten drei, war für die Stoa und ihr Fortwirken charakteristisch (Barwick 19 22 , 89—111; Frede 1978, 38 ff; Ax 1986, 157—162 ). Bei der
I. Raum-zeitliche Übersichten
Durcharbeitung der Themen hat man ebenfalls an die genannten Traditionen angeknüpft, sie weiterentwickelt und sich auch innerhalb der Schule zu einer Lehrentwicklung anregen lassen; erst Diogenes v. Babylon (gest. im Alter von 88 Jahren zw. 155 u. 150 v. Chr.) hat den ersten Teil der Dialektik etwa so geprägt, wie er uns überliefert ist (vgl. insbesondere FDS 476; 536; 594). Im zweiten Teil, d. h. in dem ‘über das Bezeichnete’, fingen manche Stoiker mit der Erkenntnislehre an; im Anschluß daran oder gleich zu Beginn erörterte man den Begriff des Lekton (λεκτόν) und studierte dann die verschiedenen Arten von Lekta, vor allem die Prädikate (κατηγορήματα), die Aussagen (ἀξιώματα) und die Argumente (λόγοι) und unter letzteren besonders die Syllogismen (συλλογισμοί) und die Trugschlüsse (σοφίσματα). Es gab hier lebhafte Diskussionen, und zahlreiche Einzelfragen dieses Bereichs wurden unterschiedlich gelöst. Aber im ganzen hat der zweite Teil der Dialektik sein charakteristisches Gepräge anscheinend schon durch Chrysipp erhalten, der die Ansätze der frühen Stoiker und der Dialektischen Schule fortentwickelte (vgl. Sedley 1977, 74 ff; Ebert 1987, 83 ff). 1.3. Die skizzierten Befunde zeigen, daß die Sprachphilosophie bei den Stoikern eine geschlossene Form erhielt und sogar ein Hauptgebiet ihrer Philosophie bildete. Zu diesem Ansehen verhalf ihr nicht bloß die Tradition einer von Xenokrates vorgezeichneten Fächereinteilung. Vielmehr gaben die Stoiker dafür auch Gründe an. Abgesehen von vielschichtigen Überlegungen zur Zusammengehörigkeit der drei Teile der Philosophie (vgl. FDS 1) machten sie vor allem geltend, daß Theoriebildung sich immer sprachlich vollziehe (FDS 87). Außerdem wird die Sprache durch die stoische Ontologie zu einem spannenden Thema (vgl. 2 .1.). Daher waren die Stoiker an sprachphilosophischen Fragen nachhaltig interessiert und werden wegen ihrer Leistungen mit Recht bewundert. Gleichwohl unterscheidet sich ihr maßgebliches Interesse deutlich von dem eines modernen Logikers oder Sprachanalytikers. Sie verstanden ihre Philosophie nämlich als eine Ausübung von Vernunft und Weisheit (ἐπιτήδευσις λόγου ὀρθότητος, ἐπιτήδευσις σοφίας, ἄσκησις ἐπιτηδείου τέχνης, ἐπιστήμη, περὶ λόγον πραγματεία o. ä.), wobei die Vernunft (λόγος) als Konstituent und Teil der Natur galt, so daß die logischen Studien schon als solche
2. Stoische Sprachphilosophie
dem dienen, worauf es nach stoischer Auffassung immer am meisten ankommt, dem Ziel, in Übereinstimmung mit der Natur zu leben (FDS 2 ff; 15; 87 ff; Long 1974, 118—12 1; 1978, 101 ff). Dieser Zusammenhang der sog. Logik mit dem Hauptzweck der stoischen Philosophie erstreckt sich auch auf alle ihre Teilgebiete und verleiht selbst den verwinkeltsten Einzelheiten der Dialektik eine im Sinne der Stoiker wahrhaft philosophische Relevanz. Auch wenn die Quellen das nur bei wenigen Einzelthemen hervorheben, z. B. beim Thema der μέρη λόγου [Redeteile, Wortarten] (FDS 79; 88; dazu Frede 1978, 59 ff) oder bei den σοφίσματα [Trugschlüssen] (FDS 93), und obwohl darauf in der Literatur verhältnismäßig selten hingewiesen wird, muß man es bei allen Fragen der stoischen Sprachphilosophie mitverstehen (Long 1974, 12 1; Caujolle-Zaslawsky 1978, 425 ff). 1.4. Wie die Fremdartigkeit des skizzierten Lehrplans der Logik und Dialektik beweist, unterscheidet die stoische Sprachphilosophie sich von heutigen Ansätzen außer durch das zentrale Interesse auch durch das Spektrum und die Gliederung der Themen. Diesen Unterschied umsichtig durchzureflektieren ist an dieser Stelle nicht möglich. Auch kann hier nicht auf alle Themen und Gliederungsprobleme bei den Stoikern eingegangen werden. Und bei denen, die zur Diskussion kommen, muß ein Minimum an Belegstellen genügen. Vor allem wird die Rhetorik der Stoiker ganz übergangen, so daß ihre Sprachphilosophie sich auf die Dialektik konzentriert. Diese Einschränkung ist einerseits dadurch gerechtfertigt, daß das, was die Stoiker in der Rhetorik zu sagen hatten (einiges davon bei Barwick 1957, 88 ff), heute von deutlich geringerem sprachphilosophischen Interesse ist als in der Antike. Andererseits haben auch die Stoiker selbst die Rhetorik insofern auf einen nachgeordneten Platz verwiesen, als ihr Verhältnis zur Dialektik nach dem Unterschied langer und kurzer Reden bestimmt wurde, so daß die ›langen Reden‹ der Rhetorik auch dem Urteil des Dialektikers unterlagen (FDS 35 ff; 44 ff). Die sprachphilosophisch grundlegenden Reflexionen fanden also in der Dialektik statt. Der erste wichtige Schritt ist dort die Untereinteilung des Faches bzw. die dazu verwendete Unterscheidung von Bezeichnendem und Bezeichnetem. Damit befaßt sich also der erste Hauptteil dieses Beitrags und entwickelt in verhältnismäßig ausführlicher Form die Grundbegriffe der stoischen Sprachphiloso-
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phie, darunter vor allem den Begriff des Lekton. Der bedeutendste Anwendungsfall ist zweifelsohne die Aussage; von ihr handelt daher der zweite, weniger umfangreiche Hauptabschnitt. Im Rahmen dieser beiden Abschnitte können einige wichtige Aspekte der stoischen Sprachphilosophie eingehend dargestellt und andere wenigstens kurz gestreift werden.
2.
Die sprachphilosophischen Grundbegriffe
Die Unterscheidung von σημαῖνον und σημαινόμενον [Bezeichnendem und Bezeichnetem] besagt ganz allgemein, daß sprachliche Ausdrucksmittel etwas anderes als ihre Bedeutungen sind und daß zwischen beiden eine strukturerhaltende Zuordnung besteht. So weit war das in der Antike ziemlich selbstverständlich, und man kann es etwa auch aus Aristoteles herauslesen (De interpretatione 1, 16 a 3—8; vgl. Art. Nr. 15, 3.3.1.). Aber Chrysipp ging einen Schritt weiter. Indem er die Gliederung der Dialektik in die Gebiete ‘Περὶ σημαινόντων’ [Über das Bezeichnende] und ‘Περὶ σημαινομένων’ [Über das Bezeichnete] einführte (FDS 63 bzw. 62 1), benutzte er die Unterscheidung zur Einteilung einer Disziplin und machte sie zur Grundunterscheidung der Dialektik. Was ihn zu dieser Neuerung bewog, ist nicht ausdrücklich überliefert. Ein nicht unerheblicher Grund wird jedoch in der Ontologie der Stoiker gelegen haben, worauf deshalb kurz eingegangen werden soll. Die andere Frage ist, was die Stoiker als Bezeichnendes und was sie als Bezeichnetes angesehen haben. In den Anfangskapiteln der beiden Dialektikteile, also in den Erörterungen über die Stimme und in den Erklärungen über die Lekta, haben sie dazu ihre eigenen, originellen Antworten entwickelt; dabei ist es ihnen gelungen, eine Vielzahl sprachtheoretischer Ansätze zu ordnen und ein System sprachphilosophischer Grundbegriffe zu entwerfen. Davon berichten die Abschnitte 2.2. und 2.3. 2.1. Zur Ontologie der Stoiker Ein σῶμα [Körper] ist ein τριχῇ διαστατὸν μετ’ ἀντιτυπίας [dreidimensionales Gebilde mit Widerständigkeit] und dementsprechend dasjenige, ὃ οἷόν τε ποιεῖν ἢ πάσχειν [was auf anderes Wirkungen ausüben oder auf das von anderem eingewirkt werden kann] (FDS 736 ff). Mit diesem Begriff des Körpers wandten die Stoiker sich gegen die These, Unkör-
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perliches könne Wirkungen ausüben. Indem sie dann weiter festlegten, nur ein Körper sei etwas Seiendes (ὄν), vermieden sie die durch Parmenides (VS, Frgm. 2 8 B 3) vorbereitete gängige platonische Ansicht, etwas verdiene schon als εἶδος, ἕν und νοητόν τι, also schon aufgrund seiner begrifflichen Bestimmtheit, Einheit und Denkbarkeit als etwas Seiendes betrachtet zu werden (vgl. z. B. Platon, Parm. 132 b—c; dazu Long/Sedley 1987 I, 164). Infolge dieser Auffassung ergäbe sich nämlich die Problematik der Ideenlehre; die allgemeinen Ausdrücke müßten jeweils etwas Seiendes bezeichnen. Das aber tun sie keineswegs, wie die Stoiker mit dem ‘Niemand’-Sophisma (οὔτις) klarzustellen versuchten, welches die besagte Voraussetzung der Ideenlehre ad absurdum führen sollte (FDS 12 47). Die allgemeinen Ausdrücke und das, wofür sie stehen, bedürfen also einer anderen Analyse. Die Grundidee der Stoiker zu diesem Punkt war dann, daß der kognitive Gehalt sämtlicher Allgemeinbegriffe (προλήψεις, ἔννοιαι, εἴδη, ἐννοήματα) vollständig auf Einzelfälle (τὰ καθ’ ἕκαστα) zurückgeführt werden könne; auch angesichts der Allgemeinbegriffe bestehe das Universum nur aus individuellen Gegenständen (FDS 315 ff). Dementsprechend sind auch die Definitionen (ὅροι) zu verstehen. Zwar werden sie typischerweise als Dihäresen formuliert, z. B. ‘Die Rede ist eine Stimme, die artikuliert ist und Bedeutung hat’ (vgl. 2 .2 .2 .). Doch unterscheiden sie sich, so wird mit Betonung erklärt, von den allgemeinen Sätzen nur durch den sprachlichen Ausdruck; und die allgemeinen Sätze haben eigentlich nicht die Form ‘Alle φ sind ψ’, sondern müssen als indefinite Konditionalsätze aufgefaßt werden: „Wenn etwas φ ist, ist es ψ“ (FDS 62 9; 102 1). Auf derartige Auskünfte über Einzelfälle sind also sämtliche Allgemeinbegriffe zurückzuführen. Da auch die Erkenntnispsychologie diesem Grundsatz entspricht und jeder Begriff empirisch aus einzelnen αἰσθήσεις [Sinneswahrnehmungen] gewonnen wird (FDS 255 ff; 267 ff; 276 ff), hat die Allgemeinheit als solche bei keinem Allgemeinbegriff irgendeinen Realitätsgehalt. Die Allgemeinbegriffe sind daher nur gedankliche Phänomene und im übrigen vollkommen entbehrliche ἐννοήματα, d. h. bloße Vorstellungsbilder des Verstandes. Sie erscheinen nur so, als stünden sie für etwas, sind aber Fiktionen und repräsentieren nicht mehr als folgenlose ὡσανεί τινα [Quasi-Etwasse] (FDS 315 ff; 12 47). Jedoch gehen wir darüber hinaus mit einigen Begriffen und Vorstellungen um, die
I. Raum-zeitliche Übersichten
sich zwar nicht auf körperliche bzw. seiende Individuen zurückführen lassen; aber sie beziehen sich auf etwas, was an solchen Individuen auftritt und in dieser Weise zur Konstitution der Realität gehört. Das sind die unkörperlichen τινά [Etwasse], die zwar keine Wirkungen ausüben und die auch nicht ›sind‹, die aber in Abhängigkeit von Körpern Bestand haben und ›subsistieren‹ (ὑφεστάναι), wie die Stoiker sich ausdrücken (FDS 717; 808 f; vgl. Long/Sedley 1987 I, 164 f). Solche Etwasse sind der Ort (τόπος), das Leere (κενόν), die Zeit (χρόνος) und schließlich das Lekton (λεκτόν), das Herzstück der stoischen Semantik, von dem noch ausführlich zu reden sein wird. Die stoische Ontologie geht also von materiellen Gegenständen und ihren Wechselwirkungen aus und unterscheidet dann dreierlei: körperliche Etwasse, unkörperliche Etwasse und Quasi-Etwasse, die weder körperlich noch unkörperlich sind, weder ›sind‹ noch ›subsistieren‹. Jede dieser Sparten wurde von den Stoikern gründlich durchdacht. Aber was hier interessiert, ist die Sprache, die sich als ganze zunächst keiner der drei Klassen fügt und sich insofern der ontologischen Einordnung entzieht. Weil zu ihr nämlich in der Regel eine Bedeutung (σημαινόμενον) gehört, die von ihr verschieden ist, ist die Einheit des Gegenstandes nicht gewahrt und eine doppelte Einstufung erforderlich. Ein Ausweg aus dieser Schwierigkeit besteht darin, die Doppelung in den Begriff der Sprache aufzunehmen und sie grundsätzlich einerseits als Bezeichnendes und andererseits als Bezeichnetes anzusehen. In den nächsten Abschnitten wird gezeigt, wieso die Sprache einesteils tatsächlich entsprechend ihrer physischen Realität etwas Körperliches ist und anderenteils mit ihrer Bedeutung zum Unkörperlichen gehört. Daraufhin wird sie erstens mit der vorausgesetzten Ontologie beschreibbar; und zweitens korrespondiert dann der sprachtheoretischen Unterscheidung von Bezeichnendem und Bezeichnetem eine maßgebliche ontologische Unterscheidung. Das wiederum ist ein wichtiges Argument dafür, die Unterscheidung von Bezeichnendem und Bezeichnetem zu einer grundlegenden Unterscheidung zu machen, wie das die Stoiker seit Chrysipp taten. 2.2. Über die Stimme Im ersten Teil der Dialektik betrachteten die Stoiker die Sprache, insofern sie etwas Bezeichnendes (σημαῖνον) ist. Im ersten Kapitel dieses Teils äußerten sie sich zur Konstitution
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des Bezeichnenden und analysierten es mit Hilfe der Begriffe ‘φωνή’ [Stimme, Laut], ‘λέξις’ [sprachlicher Ausdruck, Phonemreihe] und ‘λόγος’ [Rede]. 2.2.1. Definition und Ursprung der Stimme Mit den Aristotelikern, vor allem aber mit Platon und seiner Schule setzten die Stoiker sich nachdrücklich über die Frage auseinander, ob die Stimme körperlich oder unkörperlich sei. Während die Gegner argumentierten, die Stimme existiere nur, solange sie hervorgebracht werde, also nur im Werden und niemals als dauerhaftes Resultat eines Produktionsprozesses, deshalb sei sie nichts Seiendes und daher kein Körper (FDS 481), trugen die Stoiker zahlreiche Argumente für die Körperlichkeit der Stimme zusammen. Indem die Stimme z. B. vom Sprecher zum Hörer übergeht oder weil ihre Lautstärke durch äußere Einflüsse evtl. beeinträchtigt wird, kann sie Wirkungen ausüben und erleiden. Da sie also ein Körper (σῶμα) — und deshalb auch etwas Seiendes (ὄν) — ist, wandelten die Stoiker eine Aristotelische Beschreibung des ψόφος [Lauts, Schalls] (De anima II 8, 419 b 9— 11) ab und definierten die φωνή [Stimme] nicht als πλήγη ἀέρος [Erschütterung von Luft], sondern als ἀὴρ πεπληγμένος [erschütterte Luft] (FDS 476; 479 ff; 482 ff; 489 ff). Nach Eustathius geht diese Definition bereits auf Zenon v. Kition zurück (FDS 487); berühmt geworden ist sie als die erste Definition der Stimme des Diogenes v. Babylon. Dessen zweite Definition erklärt die Stimme als τὸ ἴδιον αἰσθητὸν ἀκοῆς [das individuelle Wahrnehmungsobjekt des Gehörs] (FDS 476). Nachdem die erste Definition an die Erzeugung der Stimme anknüpft, geht die zweite von der Seite des Hörers aus. Auch sie lehnt sich an eine Aristotelische Charakterisierung des Lauts an (De anima II 6, 418 a 11 ff u. ö.) und nimmt wie die erste Definition in Kauf, daß das Definiens eigentlich nicht die Stimme umschreibt, sondern den Schall. Die Bedeutungsbreite des griechischen Wortes für ‘Stimme’ läßt das zwar zu. Aber es wirkt trotzdem unproportioniert und dient im Anschluß an Xenokrates offenbar der Absicht, den Gegenstand der Sprachtheorie ab ονο einzuführen (vgl. Ax 1986, 159 ff); die Dialektik beginnt mit physikalischer Akustik. Das freilich war auch in der Stoa nicht neu. Denn Wolfram Ax konnte aus den lateinischen Grammatikern und aus Plutarch eine Chrysippsche Definition der Stimme wiederherstellen, die das gleiche besagt wie die zweite
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Definition des Diogenes, die sich allerdings einer schwer verständlichen Terminologie bediente und deshalb von Diogenes in Anlehnung an Aristoteles umgestaltet wurde; nach ihr war die Stimme τὸ αἰσθητὸν ἀκοῆς ὅσον ἐφ’ ἑαυτῷ [das Wahrnehmungsobjekt des Gehörs, soweit dies an ihm selbst liegt] (1986, 169—175). Da die Stimmdefinitionen eigentlich Schalldefinitionen sind und nur das Genus fixieren, muß die Stimme daraus durch die Angabe eigentümlicher Merkmale erst noch ausgegrenzt werden, bevor sie ihrerseits in Unterarten gegliedert werden kann. Die Thesen zur Herkunft der Stimme erfüllen diese Aufgabe und stellen die Gesichtspunkte für die weitere Untergliederung bereit; zugleich bringen sie die physiologischen und psychologischen Aspekte der Sprache in die Dialektik ein. Um vom Schall zur Stimme eines Lebewesens zu kommen, werden die Stoiker (Diogenes v. Babylon) — so ist rekonstruktiv zu vermuten — die Schallquelle spezifiziert und gesagt haben, daß die Stimme nicht aus dem Kopf komme, sondern von weiter unten durch die Luftröhre (Ax 1986, 181; vgl. FDS 450). Der nächste Schritt ist die Differenzierung zwischen Menschen- und Tierstimme. Zu diesem Zweck unterschied man bedeutsame und nichtbedeutsame Stimmen (φωναὶ σημαντικαί vs. φωναὶ ἄσημοι). Für Chrysipp war der Aufgabe damit schon Genüge getan; er meinte, daß die Tiere (und die Kinder) zwar zu stimmlicher Artikulation in der Lage seien und es darin u. U. sogar bis zur Nachahmung von Wörtern bringen, daß dagegen allein der (erwachsene) Mensch die stimmlichen Äußerungen geordnet hervorbringen könne und ihnen einen Sinn zu geben vermöge (FDS 512 ). Diogenes v. Babylon sah das etwas differenzierter. Er unterschied die bedeutsamen Stimmen in solche, die vom Verstand (ἀπὸ διανοίας) und in solche, die triebhaft (ὑπὀ ὁρμῆς) verursacht werden, und erklärte erst auf dieser Ebene, erstere seien Menschen- und letztere Tierstimmen. Hinter beiden Ursachen der Stimme steht eine Vorstellung (φαντασία), die sich also entweder über die Wirkungskette ‘Verstand — bedeutsame Menschenstimme’ oder über die Wirkungskette ‘Trieb — bedeutsame Tierstimme’ mitteilt und Ausdruck verschafft (FDS 476; vgl. Ax 1986, 181—190). Trotz der Differenzen zwischen Diogenes und Chrysipp können die beiden doch gemeinsam die Unterscheidung von äußerer und innerer Rede (λόγος προφορικός vs. λόγος ἐνδιάθετος) vertreten und sagen, allein beim Men-
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schen sei die äußere Rede Ausdruck einer inneren (FDS 52 8 ff). Außerdem können sie sich beide das Argument des Schulgründers aneignen, wonach der Verstand (διάνοια) in der Gegend des Herzens sitzt. Denn die Stimme kommt aus der Luftröhre; und woher die Stimme kommt, kommt auch die Rede; die aber kommt vom Verstand, der sich also nicht im Gehirn befindet (FDS 449 ff). 2.2.2. Die Erscheinungsformen der Stimme Die weitere Differenzierung der Stimme ist von Diogenes Laertius 7,56 f (FDS 476) in sehr unübersichtlicher Form überliefert worden. Klarheit gewinnen wir da nur dank des Umstandes, daß Galen das bereits erwähnte Argument zum Sitz des Verstandes in drei Fassungen überliefert hat, nämlich in den verhältnismäßig unterschiedlichen Formulierungen Zenons, Diogenes’ und Chrysipps (FDS 450). Daraus und aus dem Diogenes LaertiusText ergibt sich, daß Diogenes v. Babylon die Stimme im eigentlichen Sinne (also nicht den Schall) nach linguistischen Eigenschaften dihäretisch weiter untergliedert hat, und zwar in folgender Weise: Die Stimme ist entweder artikuliert oder nicht artikuliert. Wenn sie nicht artikuliert ist, handelt es sich um bloße Laute (ἦχος). Wenn sie dagegen artikuliert ist (φωνὴ ἔναρθρος), handelt es sich um eine λέξις [Phonemreihe], die dann entweder etwas bezeichnet oder aber nichts bezeichnet. Wenn sie etwas bezeichnet (λέξις σημαντική), handelt es sich um eine Rede (λόγος). Und wenn sie andererseits nichts bezeichnet (λέξις ἄσημος), hat man den Fall von βλίτυρι oder σκινδαψός, die frühzeitig zu Paradebeispielen für Unsinnswörter geworden sind, die aber ursprünglich aus der Musik kommen und ‘Anschlag eines Saiteninstruments’ bzw. ‘Saiteninstrument’ bedeuten. Wie sie von dieser Bedeutung zu ihrer späteren Rolle gekommen sind, dafür gibt die Deutung von Hagius einen Fingerzeig; er meint, βλίτυρι und σκινδαψός stünden in der stoischen Dialektik für Musikstimmen oder ähnliche artikulierte Laute, die aber ihrerseits keine Bedeutung haben, auf die sie verweisen würden (1979, 12 6). Die Stimmdihärese des Diogenes v. Babylon sollte ein älteres Begriffssystem ablösen, das vermutlich von Xenokrates herkam und von Chrysipp noch verwendet wurde. Danach wird die λέξις [Phonemreihe] durch die Aufschreibbarkeit der Stimme definiert (φωνὴ ἐγγράμματος) und der λόγος [die Rede] als φωνὴ σημαντικὴ ἀπὸ διανοίας ἐκπεμπομένη [bedeutungsvolle, vom Verstand ausgesandte
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Stimme] bestimmt. Das gegenseitige Verhältnis dieser Begriffe ist freilich unklar, ein dihäretisches Gefüge allenfalls zu vermuten. Demgegenüber stellt das System des Diogenes v. Babylon eine erheblich vertiefte Einsicht in die Ordnung der Ebenen dar, die bei der Analyse der Sprache zu unterscheiden sind. Zur Verdeutlichung sei hinzugefügt, daß jede Erscheinungsform der Stimme für sich weiteren Untersuchungen zugänglich ist. So hat die λέξις — zumal nach der älteren Definition — als kleinste Einheit ihr στοιχεῖον [Element], nämlich das Phonem bzw. den Buchstaben; im Griechischen gibt es davon 2 4 Stück, die sich in Vokale und verschiedene Arten von Konsonanten gruppieren (FDS 476). In anderer Weise wird die λέξις beim Studium des διάλεκτος [Dialekts] thematisiert (darunter verstanden die Stoiker sowohl national- als auch regionalsprachliche Varianten der λέξις, also z. B. das Griechische im Unterschied zu anderen Sprachen und innerhalb des Griechischen etwa das Attische im Vergleich zum Ionischen) und in wieder anderer Weise bei der Erörterung von Versen (ποιήματα), die Poseidonios als metrische oder rhythmische λέξεις definierte (FDS 594). Der λόγος hat ebenfalls seine στοιχεῖα [Elemente], worunter man in diesem Fall aber nicht die einzelnen Wörter verstand, sondern die verschiedenen μέρη λόγου [Wortarten] (FDS 536 a; 539 ff), mit denen sich der zweite Themenkomplex des ersten Teils der Dialektik befaßt. Der dritte Komplex behandelte die ἀρεταὶ καὶ κακίαι λόγου [Vorzüge und Fehler der Rede]. In diesem weitgehend stilistischen oder gar rhetorischen Gebiet gab es auch sprachlogisch interessante Themen, da die Rede zumindest den Vorzug des ἑλληνισμός [Hellenismos] haben, d. h. gutes Griechisch sein sollte und deshalb nach stoischer Erklärung zwei wohlunterschiedene Fehler vermeiden mußte, den βαρβαρισμός [Barbarismus] und den σολοικισμός [Solözismus], d. h. unkorrekt geformte Wörter und syntaktische Unstimmigkeiten (FDS 594). Mit dem Solözismus stellt sich wie schon bei der Frage nach der Kombinierbarkeit der Wortarten das Problem einer Syntaxtheorie (vgl. 3.2 .1.); und der Barbarismus könnte nach einer Vermutung Fredes (1978, 68—70) der Zusammenhang gewesen sein, in dem die Stoiker ihre etymologischen Theorien entwickelten (vgl. 2 .3.3.). — Schon aufgrund dieser Themen erscheint die Rede (λόγος) als das Hauptthema des ersten Teils der Dialektik. Das ist sie aber vor allem deshalb, weil im Unterschied zur Phonem-
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reihe (λέξις) erst sie wirklich etwas Bezeichnendes (σημαῖνον) ist. Sie ist daher auch das eigentliche Ziel des Kapitels über die Stimme; was dort an Sprachebenen unterschieden wird, läßt sich dementsprechend am besten begründen, wenn man nicht so sehr beim Schall den Anfang macht als vielmehr den λόγος mit vielfältigen anderen stimmlichen Äußerungen und Tönen vergleicht. Gleichwohl ist die bisher erreichte Beschreibung der Rede noch unbefriedigend. Zunächst legen die Definitionen der λέξις und des λόγος nichts über deren Länge fest. Λέξις ist alles, was artikuliert bzw. aufschreibbar ist, also Phoneme oder Buchstaben ebenso wie Silben, Wörter, Sätze und ganze Texte; und den Begriff des λόγος erfüllt jedes irgendwie sinnvolle Wort ebenso wie jede umfangreichere sinnvolle Äußerung, handle es sich nun um einen Satz oder um eine längere Rede. Daran ist nichts auszusetzen, solange nur die Stimmdihärese zugrundegelegt wird. Aber Einzelworte sind eigentlich bloß Grenzfälle der Rede und nicht der Normalfall. Die Definition des λόγος sollte deshalb auch syntaktische oder pragmatische Gesichtspunkte einbringen. So gesehen ist der bisherige Begriff der Rede, der sich allein auf das Merkmal des Bedeutunghabens stützt, zu schwach. Daß die Stoiker ihn nachgebessert hätten, ist nicht bezeugt; und es ist schwer zu sehen, an welcher Stelle der Dialektik sie dafür einen Ansatzpunkt gehabt haben könnten. Trotzdem müssen sie das Problem gespürt haben. Denn schon in der Lehre von den Wortarten, die bezeichnenderweise μέρη λόγου [›Redeteile‹] heißen, wird ein syntaktisch angereicherter Begriff der Rede unterstellt. Und wie sich in 2 .3.4. weiter herausstellen wird, ist der Redebegriff, der im zweiten Teil der Dialektik für das Lekton vorausgesetzt wird, außerdem durch sprachpragmatische Gesichtspunkte bestimmt. Auch wenn von diesem Ergebnis jetzt noch nicht ausgegangen werden kann, ist es wichtig, auf entsprechende Probleme gefaßt zu sein und zu beachten, was die bisherige rein semantische Rededefinition nicht sagt. Daß die Rede bezeichnend sei und eine Bedeutung habe, besagt zwar, daß ihr etwas Bezeichnetes zugeordnet ist. Es sagt aber nichts Genaueres über das Bezeichnete und besagt insbesondere nicht, daß der Typ des Bezeichneten bei jeder Art von Rede derselbe sein müßte; vielmehr kann er, soweit es nach der semantischen Rededefinition geht, ganz verschieden ausfallen und durchaus ontologisch differieren.
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2.3. Die Bedeutungstheorie Die Rede (λὁγος) unterscheidet sich von der Phonemreihe (λέξις) dadurch, daß sie etwas bezeichnet. Nun wird der Begriff des Bezeichneten (σημαινόμενον) in den Quellen häufig dem zentralen Begriff der stoischen Semantik gleichgesetzt, nämlich dem Begriff des λεκτόν, d. h. des Gesagten oder Sagbaren, im folgenden meist unübersetzt und lediglich transkribiert: Lekton (vgl. 1.2 .). Manchmal sagte man dafür auch ‘λεγόμενον’ [gesagt werdendes, Gesagtes] (z. B. FDS 194; 476; 703). Die bedeutungstheoretische Frage, was des genaueren unter dem Bezeichneten zu verstehen ist, welches als etwas von der Rede Verschiedenes zu ihr gehört, führt daher zur Lektontheorie der Stoiker, um die es nun gehen wird. Allerdings ist eine begriffliche Vorbemerkung nötig: Wenn zu jeder Rede etwas Bezeichnetes gehört und wenn die Termini ‘Bezeichnetes’ und ‘Lekton’ äquivalent sind, bezeichnet jede Rede ein Lekton. Ob das aber tatsächlich so ist, steht erst in 2 .3.3. zur Debatte und wird dort verneint; um ein Lekton zu bezeichnen, muß die Rede mehr Anforderungen erfüllen als nur die, etwas zu bezeichnen. Auf dieses Ergebnis wird im folgenden nicht vorgegriffen. Vielmehr wird der rein semantische Redebegriff aus dem Kapitel über die Stimme als Mindestbegriff der Rede vorausgesetzt und so argumentiert, daß das Gesagte nicht geändert werden muß, wenn ein stärkerer, für das Lekton geeigneter Redebegriff unterlegt wird. 2.3.1. Der Begriff des Lekton Worin die Bedeutung der Rede besteht und was das Lekton ist, erklärten die Stoiker einerseits gelegentlich unter Bezugnahme auf die äußere, stimmlich verlautbarte Rede (λόγος προφορικός) und definierten es andererseits auf eine vorstellungstheoretische Weise. Wenn sie den ersten Weg gingen, erinnerten sie z. B. an die Situation eines uninformierten Laien (ἰδιώτης) im Kreis fachsimpelnder Spezialisten oder an einen Ausländer (βάρβαρος), der in eine Unterhaltung hineingerät, die in einer ihm unbekannten Sprache geführt wird (FDS 514; 67). Beide verstehen nicht, welche Bedeutung die verschiedenen Äußerungen haben, worum es in den einzelnen Redebeiträgen geht und was jeweils gesagt wird, und unterscheiden sich eben dadurch von den eigentlichen Gesprächsteilnehmern. An diesen Unterschied knüpften die Stoiker den Begriff der Bedeutung oder des Bezeichneten (σημαι-
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νόμενον) an, den Begriff der intendierten Sache (μρᾶγμα) und nicht zuletzt den Begriff des Gesagten oder Sagbaren (Lekton); die drei Begriffe beziehen sich in jeweils anderer Weise gleichermaßen auf das, was von den eigentlichen Gesprächsteilnehmern verstanden wird, nicht aber vom Laien oder vom Ausländer, und sie gelten dementsprechend als äquivalent. Dagegen wurde die eigentliche Definition des Lekton vorstellungstheoretisch formuliert. Danach ist es „τὸ κατὰ λογικὴν φαντασίαν ὑφιστάμενον“ [das, was nach Maßgabe einer vernünftigen (redetauglichen) Vorstellung subsistiert] (FDS 33; 696; 699; auch 67). Von einer Vorstellung (φαντασία) auszugehen hatte für die Stoiker den Vorteil, daß sie die Bedeutung unabhängig von den verschiedenen Arten sprachlicher Aktivitäten definieren konnten. Ob man nämlich denkt, laut vernehmlich redet oder eine Rede anhört, in jedem Fall geht der Verstand mit etwas um, das sich ihm dargeboten und ihn affiziert hat, also mit einer Vorstellung; und diese offenbart sowohl sich selbst als auch ihre Ursache (FDS 2 68) und macht so zugleich klar, ob das Vorgestellte auf einen Sinneseindruck von materiellen Gegenständen zurückgeht, begrifflich bedingt ist oder bloß auf Fiktion beruht. Alle diese Varianten wurden von den Stoikern bedacht (vgl. FDS 2 55; 2 67 ff) und brauchen in einer vorstellungstheoretischen Konzeption nicht einzeln durchgemustert zu werden. Doch davon abgesehen laufen die beiden Erklärungen auf dasselbe hinaus, weil einerseits die äußere, stimmlich verlautbarte Rede auf die innere Rede verweist und auf eine Vorstellung zurückgeht (vgl. 2 .2 .1.), so daß auch die Bedeutung der Rede bzw. das Lekton unter Bezugnahme auf eine Vorstellung erklärbar sein muß. Auf der anderen Seite setzt die Definition des Lekton bei der vernünftigen (redetauglichen) Vorstellung an, d. h. bei derjenigen Vorstellung, „καθ’ ἣν τὸ φαντασθὲν ἔστι λόγῳ παραστῆσαι“ [der zufolge es möglich ist, das Vorgestellte durch Rede zu präsentieren] (FDS 699), oder die als gedanklicher Akt (νόησις) eine Disposition zum Aussprechen hat (FDS 2 55). Sie unterscheidet sich von anderen Vorstellungen, die nicht auf sprachliche Weise geäußert werden können, und hat offenbar in allen sprachtheoretisch wichtigen Hinsichten dieselben Eigenschaften wie die äußere Rede (vgl. Long 1971, 82 f). Und wenn es heißt, das Lekton sei etwas Subsistierendes (ὑφιστάμενον), also ein unkörperliches Etwas, so wird darauf im Zusammenhang der anderen Erklärung ebenfalls
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ausdrücklich hingewiesen; in 2 .3.2 . kommen wir auf diesen Punkt zurück. Was sich über das Bezeichnete und das Lekton sonst ergibt, ist (a), daß es nicht nur etwas anderes als die äußere Rede ist, sondern auch etwas anderes als die vernünftige (redetaugliche) Vorstellung (λογικὴ φαντασία) und etwas anderes als die Gegenstände, auf die wir uns mit der Sprache beziehen. Sextus Empiricus unterstreicht diese Unterschiede, wenn er an der berühmten Stelle Adv. M ath. 8, 11 f von den verschiedenen Theorien über den Ort des Wahren und Falschen spricht und dabei berichtet, daß nach stoischer Lehre „τρία [...] συζυγεῖν ἀλλήλοις, τὸ τε σημαινόμενον καὶ τὸ σημαῖνον καὶ τὸ τύγχανον“ [dreierlei miteinander in Verbindung stehe: das Bezeichnete, das Bezeichnende und das Erlangende (der Namenträger)] (FDS 67). Und die Abgrenzung des Lekton von der Vorstellung ist nicht nur wegen der peripatetischen Lehrtradition hervorhebenswert (vgl. Aristoteles, De interpr. 1, 16 a 3—8, wo die Vorstellung als Bedeutung sprachlicher Zeichen angesehen werden kann), sondern auch deshalb, weil Vorstellungen und gedankliche Akte nach Auffassung der Stoiker bestimmte natürliche Modifikationen des menschlichen Zentralorgans (ἡγεμονικόν) und folglich private Ereignisse sind; als solche können sie schwerlich das sein, was gedacht, gesagt und verstanden wird oder werden kann, so daß es zum Zwecke einer Bedeutungstheorie auch von daher nötig ist, den menschlichen Geist von dem abzugrenzen, was er denkt. Die entsprechende Unterscheidung bei der äußeren Rede ist die zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem/Lekton; sie ist zusätzlich deshalb sinnvoll, weil man mit ein und demselben Satz u. U. Verschiedenerlei tun, d. h. verschiedene Sprechakte ausführen kann (FDS 909; 913) und weil mit demselben Behauptungssatz ggfls. mehrere verschiedene Aussagen gemacht werden können (vgl. 3.1.3.). — Ferner (b) ist die Bedeutung (τὸ σημαινόμενον) ein bestimmtes Etwas, nämlich das, was gemeint, gesagt und verstanden wird, der intersubjektiv vermittelbare objektive Inhalt eines gedanklichen bzw. sprachlichen Aktes. Obwohl alle Vorstellungen und Begriffe empirische Grundlagen haben, hängt sie deshalb von unserem Denken und Sprechen ab. Das heißt jedoch nicht, daß die Lekta der Realität bloß als eine Art Raster übergeworfen würden (so Watson 1966, 2 7 f). Denn Wirkungen gehören von Hause aus zur Realität und werden von den Stoikern als Lekta verstanden (vgl.
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2 .3.2 .), und wahre Aussagen, eine besonders prominente Art der Lekta, entsprechen den Tatsachen (vgl. 3.1.1.). Beides setzt voraus, daß die Lekta Konstituenten der uns umgebenden Wirklichkeit sind. Mit den anderen Feststellungen — Unterschied zu den Gegenständen, auf die wir uns sprachlich beziehen, und Abhängigkeit vom Denken/Sprechen — paßt dies dann zusammen, wenn die Lekta auch als Konstituenten der Wirklichkeit nicht anders als sprachlich in Erscheinung treten können. Indem sie als vermittels der Sprache bezeichnete Gebilde zur Wirklichkeit gehören, bilden sie die Beziehung zwischen Sprache und Welt und sind für eine objektive Darstellung der Welt unentbehrlich (vgl. das Unverständnis des Laien und des Ausländers, ferner die ansonsten unzulängliche Lektonerklärung des Ammonios, FDS 702 ). — Weiterhin (c) gilt das Lekton als πρᾶγμα [(intendierte) Sache], lateinisch durch ‘res’ wiedergegeben. Obwohl diese Bezeichnung am Beispiel des Laien oder des Ausländers intuitiv gerechtfertigt und der damit verbundene Sinn von etwas Gedachtem aus den anderen Angaben zum Lekton verständlich wird, liegt darin eine systematische Schwierigkeit. Der Ausdruck πρᾶγμα steht bei den griechischen Grammatikern und von der Grundbedeutung her für eine Tätigkeit oder ein Erleiden; deshalb hat er eine besondere Affinität zu aktiven und passiven Prädikaten (κατηγορήματα ὀρθά und κ. ὕπτια), und dieser Bezug war für die Stoiker zweifellos wichtig (vgl. 2 .3.2 .). Nun gibt es aber auch Lekta ohne Prädikate, z. B. das προσαγορευτικόν [die Anrede] (FDS 874; 897). Daher meinte Nuchelmans, die Stoiker seien erst angesichts solcher Lekta dazu übergegangen, unter einem πρᾶγμα bloß etwas Gedachtes zu verstehen (1973, 67). Dagegen hat neuerdings Schenkeveld vorgeschlagen, die gedachte Sache enger mit der Tätigkeit zu verknüpfen, die in den verschiedenen Sprechakten selber liegt, und in ihren Begriff etwa auch den Gedanken des Anredens aufzunehmen (1984, 313 f). Wenn das richtig ist, gibt es bei jedem Lekton eine Möglichkeit, seine Bezeichnung als πρᾶγμα mit der Grundbedeutung dieses Wortes in Verbindung zu bringen. 2.3.2. Die Unkörperlichkeit der Lekta Da das Bezeichnete/Lekton etwas anderes als das Bezeichnende und die vernünftige Vorstellung ist, muß es ontologisch eigens eingestuft werden. Wie schon mehrfach angedeutet wurde, ist es anders als die Stimme und Rede
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etwas Unkörperliches, das nicht ›ist‹ (εἶναι), sondern lediglich ›subsistiert‹ (ὑφεστάναι). Aus welchen Gründen die Stoiker zu dieser Einschätzung gekommen sind, ist nicht ausdrücklich überliefert, läßt sich aber vermuten: (1) Was sinnvolle Behauptungssätze bedeuten, kann wahr oder falsch sein; und falsche affirmative Aussagen können keine Bedeutung haben, die eine körperliche Existenz hätte. (2 ) Sätze bestehen aus mehr Elementen als die Realität, auf die sie sich beziehen; zumindest das Verb hat dort kein separat vorweisbares Gegenstück. ‘Cato spaziert’ bezieht sich vielmehr nur auf einen einzigen Körper; dieser befindet sich allerdings in einem bestimmten Zustand, den wir als Merkmal von ihm abstrahieren, indem wir ihm ein entsprechendes Prädikat zusprechen (vgl. FDS 443; 892 ). Demnach können die Lekta (Prädikate oder auch Aussagen) als Abstraktionen von Körpern angesehen werden und sind dann buchstäblich ›körper-los‹; möglicherweise ist dies der Sinn, in dem sie „κατὰ μετάβασίν τινα“ [aufgrund eines Übergangs, einer Transzendierung] (FDS 2 55) gedacht werden. Zu diesen beiden Gründen, die Long und Sedley für die Unkörperlichkeit der Lekta angeben (1987 I, 199 f), kann man (3) ein kommunikationstheoretisches Argument hinzufügen: Die Körperlichkeit bemißt sich danach, ob etwas Wirkungen ausüben oder erleiden kann. Als stimmliche Äußerung besteht die Sprache diesen Test, da sie z. B. vom Sprecher zum Hörer hindringt. Ihre Bedeutung indes läßt sich, wie der Fall des Ausländers (βάρβαρος) und das Beispiel des Laien (ἰδιώτης) zeigen, nicht auf die stimmliche Äußerung reduzieren, sondern tritt in Verbindung mit ihr als etwas anderes auf und besteht den Test nicht. Denn im Unterschied zur stimmlichen Äußerung wird sie dem Hörer nur bedingt zuteil (falls er nämlich sprachkundig ist, genug Vorwissen mitbringt u. a. m.) und entfernt sich jedenfalls nicht vom Sprecher, der das Gesagte ja u. U. wiederholen kann. Das Lekton ist daher auf keinen Fall ein Körper. Daß zwischen ihm auf der einen Seite und seiner sprachlichen Darstellung auf der anderen Seite ein wesentlicher ontologischer Unterschied besteht, ist also bei den Stoikern die Erklärung dafür, daß mehrere Personen mit ihrem jeweils eigenen Verstand doch denselben Gedanken fassen können. In diesem Zusammenhang muß aber auch die Ursachenlehre erwähnt werden. Bereits Zenon v. Kition verstand unter einer Ursache
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(αἴτιον) das, was infolge stoischen Einflusses später weithin als Ursache galt, nämlich ein Ding, das durch seine Tätigkeit eine Wirkung hervorbringt. Als ein solches Ding ist die Ursache ein Körper. Die Wirkung indes ist kein Ding, sondern ein unkörperliches Ereignis (συμβεβηκός). Sie wird nämlich erst hervorgebracht und ist jedenfalls nichts, worauf bereits eingewirkt werden könnte oder was gar seinerseits Wirkungen auszuüben vermöchte (FDS 762 ff). Wie Long und Sedley (1987 I, 340) außerdem geltend machen, gibt es unbeschadet der durch die Ursache herbeigeführten Veränderungen etwas kontinuierlich Fortbestehendes; auch deswegen muß die Wirkung unkörperlich sein. Wenn beispielsweise mit einem Messer Fleisch geschnitten wird, bringt das Messer am Fleisch die Wirkung hervor, geschnitten zu werden, wobei aber kein neues Ding entsteht und auch keins verschwindet, sondern das Fleisch fortbesteht (FDS 763 ff). Die Wirkung ist also kein Körper. Sie läßt sich aber sprachlich darstellen und erscheint dann als dasjenige, was durch ein Verb (ῥῆμα) bezeichnet wird: ‘Das Messer schneidet das Fleisch’, ‘Das Fleisch wird geschnitten’. Daher analysierten die Stoiker die Wirkung schon von Zenon an als Bedeutung eines Verbs, d. h. als ein — selbstverständlich unkörperliches — κατηγόρημα [Prädikat] (FDS 762 ). Spätestens Kleanthes hat die κατηγορήματα [Prädikate] dann ganz passend als Lekta bezeichnet (FDS 763), die daraufhin ebenfalls unkörperlich sein müssen. — Zwei ergänzende Bemerkungen mögen diesen Komplex abrunden: (a) Wenn Ursache/Wirkungs-Verhältnisse sprachlich dargestellt werden und wenn die Nominal- und die Verbphrasen dabei so Verschiedenartiges ausdrücken, wie das die Stoiker lehrten, dann haben diese Satzteile asymmetrische semantische Funktionen. Insofern beeinflußt die Lehre von Ursache und Wirkung auch die Prädikations- und Aussagentheorie; und die Lektontheorie soll offenbar dazu beitragen, die Komplementarität und die Asymmetrie der semantischen Funktionen von Nominalund Verbphrasen einheitlich zu deuten. — (b) Kleanthes ist der erste Stoiker, von dem ausdrücklich bezeugt ist, daß er von Lekta gesprochen hat. Man hat deshalb vermutet, er habe die Rede von Lekta überhaupt erst eingeführt und eben die Prädikate so genannt. Von dieser Ursprungsbedeutung aus sei der neue Terminus mit einer gewissen Konsequenz zunehmend extensiver verwendet worden, bis schließlich — vielleicht! (vgl. 2 .3.3.)
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— sogar die Bedeutungen sämtlicher sprachlicher Zeichen als Lekta gegolten hätten. Obwohl ich diese Einschätzung seinerzeit selbst unterstützt habe (1979, 2 96) und ungeachtet des Umstands, daß Nuchelmans die zugehörige Begriffsgeschichte genauer zu rekonstruieren versucht hat (1973, 45—72 ), sind Zweifel angebracht, u. a. deshalb, weil der Terminus ‘Lekton’ mit einer relativ umfangreichen Bedeutung schon um 300 v. Chr. im PhiletasEpigramm vorzukommen scheint (FDS 699 a). Im übrigen ergibt die Nachricht von Kleanthes schon dann einen vollkommen befriedigenden Sinn, wenn Kleanthes und Archedemos, der im fraglichen Fragment ebenfalls erwähnt wird (FDS, 763), lediglich besonders betont und hervorgehoben haben, daß die Prädikate Lekta und eben keine realen Gegenstände wie die seien, für die die Nominalphrasen eines Satzes stehen. Zu solcher Betonung gab es genügend Anlaß. 2.3.3. Vollständige und unvollständige Lekta In unmittelbarer Nachbarschaft der Definition des Lekton überliefern Diogenes Laertius und Sextus Empiricus auch seine Einteilung (FDS 696; 699; s. a. 33; 695). Danach sind die Lekta teils vollständig (αὐτοτελῆ) und teils unvollständig (ἐλλιπῆ). Zur Erläuterung der Einteilung wäre eine Definition der Vollständigkeit hilfreich; doch so etwas ist nicht überliefert. Statt dessen werden gleich anschließend oder auch anderwärts als unvollständige Lekta κατηγορήματα [Prädikate] angegeben, u. U. auch mehrere Prädikatarten, und als vollständige Lekta werden ἀξιώματα [Aussagen], συλλογισμοί [Syllogismen], ἐρωτήματα καὶ πύσματα [Entscheidungs- und Bestimmungsfragen], προστακτικά [Aufforderungen], ὁρκικά [Eide] u. a. m. genannt, lauter abgerundete Sinneinheiten, die anscheinend höchstens aus externen Gründen zu Rückfragen nötigen. Offenbar kann man mit einem vollständigen Lekton einen illokutionären Sprechakt vollziehen; und es erscheint als sinnvoll, die Bedeutungen der zum Vollzug solcher Sprechakte eingesetzten Reden als Lekta und als (intendierte) Sachen (πράγματα) anzusehen. Auch die naheliegende Folgerung, daß unvollständige Lekta für einen illokutionären Sprechakt nicht ausreichen, wird durch deren kurze Liste bestätigt; Prädikate allein reichen dazu in der Tat nicht aus, geben vielmehr zu Rückfragen Anlaß (FDS 696). Trotzdem nötigt die Einteilung dazu, den Lektonbegriff und sein Umfeld
2. Stoische Sprachphilosophie
noch einmal zu überprüfen. Es fragt sich nämlich, ob die kurze Liste unvollständiger Lekta abgeschlossen ist oder ob es außer den Prädikaten auch noch andere unvollständige Lekta gibt. Aufgrund der Erklärung des λόγος [der Rede] im Kapitel über die Stimme hätte man erwarten dürfen, daß jedes Wort, das eine Bedeutung hat, ein Lekton bezeichnet, und daß dieses Lekton nun als ein unvollständiges Lekton eingestuft würde. Diese Erwartung bestätigt sich jetzt allein für Verben (ῥήματα) oder auch für umfangreichere Verbphrasen; denn die drücken Prädikate im Sinne der Stoiker aus (FDS 536). Dagegen wird die Erwartung in allen anderen Fällen enttäuscht, und das sogar auf zwei Weisen. Die erste Frage ist dann, ob die Liste der unvollständigen Lekta wirklich abgeschlossen ist. Falls sie dies ist, besteht ein Unterschied zwischen dem Redebegriff, der bei der Erklärung des Lekton zugrundegelegt wurde, und dem Begriff, der aus dem Kapitel über die Stimme bekannt ist. Es fragt sich dann weiter, was dieser Unterschied bedeutet. Die besagte Erwartung wird auf eine erste Art enttäuscht, weil die Stoiker sagen, die κατηγορήματα [Prädikate] müßten mit geeigneten ‘πτώσεις’ [Kasus] verknüpft werden, um vollständige Lekta bzw. Aussagen zu ergeben (FDS 696; vgl. 3.2 .1.). Von daher könnten die ‘Kasus’, wie immer ihre Beziehung zu den Nominalphrasen aussieht, ebenfalls unvollständige Lekta sein. Tatsächlich werden sie aber nirgends als Lekta bezeichnet. — Die andere Art der Enttäuschung entsteht im ersten Teil der Dialektik, wo einiges gesagt wird, was mit der Annahme weiterer unvollständiger Lekta kaum vereinbar ist: (a) Die ὀνόματα [Eigennamen] und die προσηγορίαι [Appellative] bezeichnen ἰδίαι bzw. κοιναὶ ποιότητες [individuelle bzw. allgemeine Eigenschaften], und das sind nach stoischer Lehre — wie hier freilich nicht weiter ausgeführt werden kann — ebenso wie die Dinge selbst Körper (FDS 746 f; 751—753). Ἄρθρα [Artikel] bestimmen u. a. das γένος [Genus], ebenfalls eine körperhafte Eigenschaft (FDS 536; vgl. 92 1). Nach den ῥήματα [Verben] stellen als fünfte Wortart die σύνδεσμοι [Konjunktionen] Verknüpfungen in der Rede her (FDS 536). Dabei haben sie alle eine Bedeutung; in der Natur gibt es wirkliche Verknüpfungen zwischen Sachverhalten: Subjunktionen, Disjunktionen, Konjunktionen usw. (FDS 583 ff; 948 ff). Das heißt jedoch nicht, daß jede einzelne Konjunktion isoliert für sich ein Lekton bezeichnen würde. Denn dann hätten die Stoi-
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ker sicher nicht erklärt, in den molekularen Aussagen (Lekta) würden die Teilaussagen (Lekta) durch Konjunktionen verknüpft, die unstreitig zum Bezeichnenden gehören und keine Lekta sind (FDS 914). — (b) Seit den Sophisten fragte man in der Sprachphilosophie nach dem Verhältnis der Wörter zu den Dingen; Platons Kratylos ist das herausragende literarische Zeugnis dieser bedeutenden Tradition (s. Art. 14). Die Stoiker haben dazu ausgiebig Stellung bezogen und nicht nur festgestellt, daß gelegentlich Anomalie (ἀνομαλία) herrscht, wenn nämlich ähnliche Dinge unähnlich bezeichnet werden oder ähnliche Bezeichnungen für unähnliche Dinge stehen (FDS 640). Angeregt von Platon haben sie zu diesem Thema vielmehr vor allem ihre etymologischen Theorien entwickelt. Danach haben die ursprünglichen Wörter ihre Bedeutung nicht auf konventionelle, sondern auf natürliche Weise bekommen, indem sie die Dinge nachahmten; dafür war eine Ähnlichkeit maßgeblich, die sich entweder auf die akustischen Eigenschaften der Dinge und Wörter erstreckte (Onomatopöie) oder auf die Eigenschaften des zu bezeichnenden Dings und desjenigen psychischen Eindrucks, der bei der Rezeption der dieses Ding bezeichnenden Laute entsteht. Von solchen Wörtern aus habe sich auf mehrerlei Weise das zeitgenössische Vokabular entwickelt; und auf solche Wörter seien nach bestimmten Prinzipien alle Wörter zurückführbar. Danach gilt die Etymologie, so bizarr die einzelnen Wortableitungen der Stoiker auch sein mögen, als Schlüssel sowohl zur Erkenntnis der Dinge als auch der Wörter; und das ist ebenso von grundsätzlichem Interesse wie die Prinzipien der Wortbildungslehre, die von den Stoikern in diesem Rahmen entwickelt wurden (FDS 639—680; 73 f; 560—562 ; vgl. Barwick 1957, 2 9—33; 58—79; Pinborg 1962 , 161—165; Long 1974, 132 —135; Pfaffel 1981, 17—31). Eine wesentliche Voraussetzung all dieser Erörterungen besteht darin, daß mit der vorausgegangenen Tradition angenommen wird, die Bedeutungen der Wörter seien Dinge oder bestimmte Eigenschaften der Dinge, also in jedem Fall Körper. Dadurch steht die etymologische Theorie in einem latenten Widerspruch zur Lektontheorie (Lloyd 1971, 62 —66). Um die Konsistenz zu wahren, müßte mindestens verlangt werden, daß im Rahmen der Etymologie als Bedeutungen der Verben die Bedeutungen ihrer Nominalisierungen (Infinitive) studiert werden, und das könnten dann vielleicht körperliche Gegen-
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stände sein (vgl. FDS 573). Aber die Etymologie läßt auf keinen Fall weitere unvollständige Lekta außer den Prädikaten zu. — (c) Von Chrysipp ist die These überliefert, alle Wörter seien von Natur aus mehrdeutig (ἀμφίβολοι), weil sie alle in verschiedenerlei Bedeutung verwendet werden könnten (FDS 636). Wie er das genauer gemeint und begründet hat, ist unsicher. Chrysipp kann aber schwerlich gemeint haben, jedes Wort bezeichne mehrerlei Lekta. Demnach sind die verschiedenen Bedeutungen der Wörter wohl keine Lekta. Die Erwartung, jedes Wort mit Bedeutung bezeichne ein Lekton und es gebe daher mehr unvollständige Lekta als nur die Prädikate (κατηγορήματα), wird also auf vielfache Weise enttäuscht. Trotzdem haben die meisten Gelehrten versucht, sie ganz oder wenigstens ein Stück weit aufrecht zu erhalten; vor allem wollte man die πτώσεις [Kasus] in die Liste der unvollständigen Lekta aufnehmen (vgl. Schmidt 1839, 57; Müller 1943, 46 f; Mates 1961, 16 f; Kneale 1968, 144; Watson 1966, 47—49; Pinborg 1975 a, 80 f; Frede 1978, 31; Graeser 1978, 78—81; 84). Eine gründliche Würdigung dieser Auffassung ist hier nicht möglich. Vielmehr sei nur festgestellt, daß (a) angesichts des in 3.2 .2 . skizzierten Textbestands schwer einsichtig zu machen ist, wieso die Nominalphrasen einerseits als grammatische Fälle angesehen werden und dann Kasus bzw. Lekta bezeichnen sollen und andererseits als bestimmte Wortarten gelten müssen und dann körperhafte Eigenschaften bezeichnen; in jedem Fall wird damit im Begriff des σημαινόμενον [Bezeichneten] eine Differenzierung vorgenommen, die ursprünglich nicht vorgesehen war. Außerdem (b) ist zwar einzuräumen, daß ein vereinzeltes Scholion die Kasus deshalb als etwas Bezeichnetes ansieht, weil ein bestimmter Eigenname trotz vieler Genetivformen gewiß nur einen Genetiv (γενική) hat (FDS 773); auch gibt es eine Klemensstelle, wo die Kasus als unkörperlich ausgegeben werden (FDS 763), und eine andere, wo die Bedeutung des Wortes ‘Embryo’ als Lekton eingeschätzt wird (FDS 69). Daraus zu schließen, Kasus seien Lekta, liegt zweifellos nahe. Aber es ist zu bezweifeln, daß die angeführten Stellen sich fehlerfrei auf orthodoxe stoische Lehre beziehen (vgl. Frede 1978, 31 f; Long/Sedley 1987 I, 2 01). Schließlich (c) beruft man sich für die These, jedes Wort bezeichne ein Lekton, gern auf den in 2 .3.1. erwähnten Text des Sextus Empiricus (Adv. M ath. 8,11 f; FDS 67). Aber dieser Text
I. Raum-zeitliche Übersichten
ist keineswegs so beweiskräftig, wie es auf den ersten Blick erscheint. Sextus will nämlich darstellen, wo das Wahre (ἀληθές) und das Falsche (ψεῦδος) nach den Stoikern seinen Ort hat. Daher muß er eigentlich Behauptungen oder Aussagen (ἀξιώματα) und nicht Einzelwörter vor Augen haben und behandelt die Termini ‘σημαινόμενον’ [Bezeichnetes] und ‘λεκτόν’ [Lekton] dann nur in dem dadurch abgesteckten Rahmen als äquivalent. In der Fortsetzung des Textes sieht er sich zu dem Hinweis genötigt, daß nicht jedes Lekton wahr oder falsch werden könne, sondern nur das vollständige und auch das nur dann, wenn es eine Aussage sei; diese nachträgliche Korrektur deutet ebenfalls an, daß es vorher allein um Behauptungen ging. Dem steht lediglich das Beispiel des Sextus entgegen; er führt als σημαῖνον [Bezeichnendes] den Eigennamen ‘Dion’ und als τύγχανον [Erlangendes] (dazu 3.2 .2 .) den Träger dieses Namens an, die Person des Dion selbst. Ein Bezeichnetes und ein Lekton dazu beschreibt er allerdings nicht, wohl weil es das erst geben kann, wenn der Eigenname zu einem Satz ausgebaut ist. Die Gegenthese, nach der allein die Prädikate unvollständige Lekta sind, ist bereits von Bréhier vorsichtig ins Spiel gebracht worden (1951, 60), wird seit geraumer Zeit besonders von Long vertreten (1971, 78; 104— 106; 1974, 135 f; 1987 I, 2 00) und hat inzwischen mit Recht weitere Anhänger gefunden (vgl. z. B. Sedley 1982 , 198 f; Brunschwig 1984, 8 f). Im Begriff des Bezeichneten muß sie natürlich ebenfalls eine Differenzierung vornehmen, freilich eine, die ziemlich einsichtig ist und gut an eine Erklärung Senecas angeknüpft werden kann. Nach Seneca ist es ein himmelweiter Unterschied, ob man einen Gegenstand lediglich nennt oder ob man darüber spricht (›plurimum autem interest utrum illud dicas an de illo‹); und Seneca betont diesen Unterschied, um die eigentümliche Leistung herauszustellen, die dank der vernünftigen (redetauglichen) Vorstellung (λογικὴ φαντασία) in dem ›Sprechen über etwas‹ zustandekommt (FDS 892 ). Danach erstreckt der Begriff des Lekton sich nicht auf das ›Nennen von etwas‹, sondern nur auf das ›Sprechen über etwas‹ und kann mit dem Bedeutungsbegriff auch nur in diesem Bereich äquivalent sein. Anderweitig vorkommende Bedeutungen sind daher keine Lekta; und so gibt es keinen Grund, die Liste der unvollständigen Lekta zu erweitern. Sie umfaßt also wirklich nur die Prädikate (κατηγορήματα). Die Unvollständigkeit dieser Lekta beruht
2. Stoische Sprachphilosophie
dann darauf, daß sie nicht auf irgendetwas referieren, sondern eine entsprechende Leerstelle haben, während vollständige Lekta kein solches Defizit aufweisen. Im Fall der Aussagen wird es durch die Kasus behoben, die den unvollständigen Lekta bzw. den Prädikaten Referenz verschaffen. Damit wird klar, in welcher Weise die Lektontheorie zu einer einheitlichen Deutung der Komplementarität und Asymmetrie der semantischen Aufgaben von Nominal- und Verbphrasen in der Aussage verhelfen soll. Die Prädikate im Sinne der Stoiker sind ergänzungsbedürftige Funktionen im Sinne Gottlob Freges (s. Art. 34); in ihre Leerstellen sind Kasus einzusetzen, die, ohne selber etwas Gesagtes zu sein, dem bis dahin unvollständigen Gesagten die nötige Referenz verschaffen und dadurch eine Aussage aus ihm machen. 2.3.4. Konsequenzen für den Begriff der Rede Wenn nur die Prädikate unvollständige Lekta sind, besteht ein Unterschied zwischen dem Redebegriff, der in dem Kapitel über die Stimme entwickelt wurde (R1), und dem Redebegriff, der für die Erklärung des Lekton unterstellt werden muß (R2). In beiden Fällen gehört zur Rede eine Bedeutung. Aber das zu R2 gehörige Bezeichnete ist immer ein Lekton, während das zu R1 gehörige entweder ein Lekton oder etwas anderes ist. Von dem Kapitel über die Stimme aus gesehen ist der Unterschied der, daß, um von R1 nach R2 zu gelangen, stärkere Anforderungen an die Rede gestellt werden müssen, nämlich Anforderungen, die zu einer Präzisierung der Redebedeutung und dazu führen, daß zur Rede nur noch ein Typ von Bezeichnetem gehört, das Lekton. Aber vielleicht kommt auch das umgekehrte Verfahren in Betracht; vielleicht ist es angemessener, von R2 auszugehen und erst durch eine Abschwächung dieses Redebegriffs nach R1 zu kommen. Eine Stellungnahme der Stoiker ist dazu nicht überliefert; und daß sie R2 trotzdem förmlich definiert hätten, ist kaum zu vermuten. Nichtsdestoweniger können wir über diesen Redebegriff etwas sagen und zeigen, daß er nicht nur wie R1 durch das Merkmal des Bedeutunghabens bestimmt ist, sondern auch syntaktisch und sprachpragmatisch geprägt ist. Die syntaktische Qualität ergibt sich aus dem Unterschied vollständiger und unvollständiger Lekta und wurde am Ende des vorigen Abschnitts bereits angedeutet: Weil schon die unvollständigen
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Lekta wegen ihrer Ergänzungsbedürftigkeit eine syntaktische Dimension haben, gibt es eine Syntax der Lekta (vgl. 3.2 .); deshalb muß aber auch die Rede, die die Lekta bezeichnen soll, syntaktische Züge haben und R2 ein syntaktisches Merkmal besitzen. Natürlich kennt man auch im Griechischen Einwortsätze wie ‘ὕει’ [es regnet] und Anordnungen, die mit einem einzigen Wort, einer geeigneten Verbform, zum Ausdruck gebracht werden. Daraus läßt sich kein Einwand gegen die syntaktische Qualität von R2 gewinnen. Doch machen diese Varianten auf andere Grenzfälle aufmerksam, an denen außerdem der pragmatische Charakter des im zweiten Teil der Dialektik unterlegten Redebegriffs vollkommen evident wird. Da ist zunächst die Anrede (προσαγορευτικόν), z. B. „Tapferster Atride, Herrscher der Menschen, Agamemnon“ (FDS 874). Sie ist ein vollständiges Lekton und enthält überhaupt kein unvollständiges Lekton; die in ihr vorkommenden Wörter erfüllen R1 und bezeichnen allesamt keine Lekta; aber indem sie zur Anrede gebraucht werden, erfüllen sie R2 und bezeichnen ein Lekton. Demnach setzt dieses einen sprachpragmatisch ausgerichteten Redebegriff voraus. Des weiteren sind die hypothetische Annahme (ὑποθετικόν) und die Ekthese (ἐκθετικόν) zwei vollständige Lekta, deren Unterschied eigentlich nicht semantisch oder syntaktisch, sondern pragmatisch einsichtig zu machen ist. Ob nämlich ‘Dies sei eine Gerade’ normativ als Ekthese oder hypothetisch als diskussionsbedürftige Annahme zu verstehen ist, hängt von dem jeweiligen Verwendungszusammenhang in der Geometrie ab. Schließlich ist das vollständige Lekton ‘προστακτικόν’ [Befehl] offensichtlich die Bedeutung eines illokutionären Sprechakts; denn es wird definiert als πρᾶγμα, ὃ λέγοντες προστάσσομεν [eine Sache, die wir dadurch, daß wir sie sagen, befehlen]. Und bei der Definition der Entscheidungs- und der Bestimmungsfrage (ἐρώτημα und πὺσμα) wird ebenfalls auf Gesichtspunkte der Redeverwendung zurückgegriffen (FDS 874). Wir können also sagen, das Lekton sei die Bedeutung einer Rede, deren Begriff nicht nur semantisch gefaßt ist wie in dem Kapitel über die Stimme, sondern der darüber hinaus auch syntaktische Gesichtspunkte berücksichtigt und gewissen sprachpragmatischen Anforderungen genügt; R2 schließt alle Dimensionen ein, die für ein vollwertiges sprachliches Zeichen erforderlich sind. Ob vor allem die pragmatische Komponente dieses Redebegriffs noch weiter präzisiert werden kann, muß künftige Forschung
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I. Raum-zeitliche Übersichten
zeigen; erste erfolgversprechende Ansätze dazu hat Schenkeveld unterbreitet (1984, 32 6—331). Damit hängt auch die Frage zusammen, wie die semantische, syntaktische und pragmatische Dimension der Rede sich nach R2 zueinander verhalten sollen. Ist etwa die semantische Dimension wirklich so unabhängig von den beiden anderen Aspekten verständlich, wie das in dem Kapitel über die Stimme insinuiert wird, oder ist sie nur aus dem Zusammenhang mit ihnen begreiflich? In diesem zweiten Fall wäre für die Stoiker selbst R1 ein von R2 abgeleiteter Redebegriff; und man könnte schließen, daß das Lekton, zumal das vollständige Lekton, die Grundbedeutung von ‘Bedeutung’ ist. Daß die Termini ‘σημαινόμενον’ [Bezeichnetes] und ‘λεκτόν’ [Lekton] in den Quellen häufig als äquivalent gelten, mag darauf hindeuten, daß die Stoiker so etwas wirklich im Sinn hatten. In allen anderen Fällen könnte dann nur in einem abgeleiteten Sinn von einer Bedeutung und etwas Bezeichnetem gesprochen werden, dies ganz besonders dann, wenn der Zusammenhang mit einem Lekton vollkommen aufgelöst ist und es um die ›Bedeutung‹ isolierter Wörter geht.
3.
Die Theorie der Aussage
Das wichtigste Lekton ist zweifellos dasjenige, welches durch einen Behauptungssatz bezeichnet wird, und so geht der letzte Teil dieses Beitrags darauf in aller Kürze ein. Die Stoiker nannten dieses Lekton ἀξίωμα, was trotz einiger begrifflicher Nuancen gern mit ‘proposition’ oder ‘Aussage’ übersetzt wird. Besonders wichtig ist die Aussagentheorie, weil sie ein Kernthema jeder systematischen Sprachphilosophie ist, weil die Quellen darüber sehr ausführlich berichten, weil sie beachtliche Verbindungslinien zum ersten Teil der Dialektik erkennen läßt und weil sie als Zentrum für viele Themen des zweiten Teils gelten kann. Trotzdem darf die Darstellung hier kurz ausfallen, weil es zu vielen Teilen der Aussagentheorie übersichtliche Abhandlungen gibt. 3.1. Der Begriff der Aussage 3.1.1. Neben der eigentlichen Definition der Aussage ist eine stoische Formel überliefert, nach der die Aussage das ist, „ὅπερ ἢ ἀληθές ἐστιν ἢ ψεῦδος“ [was entweder wahr oder aber falsch ist] (FDS 874 ff; 877 ff). Die Stoiker vertraten also die uneingeschränkte Gül-
tigkeit des Bivalenzprinzips und bestimmten dann die Disjunktion und die Negation so, daß auch das Tertium non datur immer gilt; die Gültigkeit erstreckt sich in beiden Fällen insbesondere auch auf die Zukunftsaussagen; und Chrysipp hat alle diese Implikationen der stoischen Formel gegen Aristoteles und Epikur nachdrücklich verteidigt. Die Wahrheitsbedingungen sind so, daß eine Aussage genau dann wahr ist, wenn der ihr entsprechende Sachverhalt der Fall ist; andernfalls ist sie falsch (FDS 874). Nach Sextus Empiricus drückten die Stoiker das auch ganz anders aus; sie benutzten dann das terminologisch interessante Wort ‘ὑπάρχειν’ [bestehen, der Fall sein, wahr sein, ...] und nahmen auf die καταληπτικὴ φαντασία [kataleptische Vorstellung] — ihr Wahrheitskriterium — Bezug (FDS 887; vgl. Long 1971, 88—94; Bobzien 1986, 15 ff). Obgleich sie mit dieser anderen Ausdrucksweise dasselbe meinten, läßt sich an sie etwas Weiterführendes anschließen, insofern das Wort ὑπάρχειν nur bei Aussagen anwendbar ist; andere vollständige Lekta können geradezu dadurch gekennzeichnet werden, daß es bei ihnen keinerlei ὕπαρξις, kein Der-Fall-sein gibt (Schenkeveld 1984, 315 f). Endlich ist hier passend auf präsuppositionstheoretische Ideen hinzuweisen (s. Art. 97). Die Aussagen ‘Sokrates spaziert’ und ‘Sokrates spaziert nicht’ enthalten nach den Stoikern beide die verkappte Behauptung ‘Sokrates existiert’; erst die Aussage ‘Nicht: Sokrates spaziert’ enthält diese Behauptung nicht mehr. Für den kontradiktorischen Gegensatz verlangte man deshalb die äußere, aussagenlogische Negation; andere Arten der Verneinung galten nicht als Negationen im eigentlichen Sinne (FDS 914; 92 0 ff; Lloyd 1978, 289 ff; Caujolle-Zaslawsky 1978, 425 ff). 3.1.2. Anders als die genannte Formel entzieht sich die eigentliche Definition der Aussage heute wie zuweilen schon in der Antike der unmittelbaren Verständlichkeit und fordert zu eingehenderen Erörterungen heraus, wie sie zuletzt von Frede (1974, 32 ff) und Bobzien (1986, 11 ff) unterbreitet worden sind. Sie lautet: „λεκτὸν αὐτοτελὲς ἀποφαντὸν ὅσον ἐφ’ ἑαυτῷ“ [ein Lekton, das vollständig ist und behauptet werden kann, soweit dies an ihm selbst liegt] (FDS 874; 877 f). Grundsätzliches Einverständnis besteht über den dihäretischen Aufbau der Definition; und strittig ist vor allem, was das letzte Definitionsglied noch zur Bestimmung der Aussage beiträgt. Die Aussage ist also zunächst ein Lekton und subsistiert nach Maßgabe einer
2. Stoische Sprachphilosophie
vernünftigen (redetauglichen) Vorstellung. Des näheren ist sie ein vollständiges Lekton, also wohl ein Lekton, mit dem man einen illokutionären Sprechakt ausführen kann; es ergibt einen abgerundeten Sinn und nötigt nicht als solches zu Rückfragen (vgl. 2 .3.3.; FDS 696; 877). Lekta dieser Art gibt es mehrere; die Stoiker haben 10 oder 11 Typen unterschieden (FDS 874—876 a; 897 ff; Schenkeveld 1984, 300 ff). Die Aussage ist eine davon und zeichnet sich dadurch aus, daß sie behauptbar ist, soweit dies an dem behauptbaren vollständigen Lekton selbst liegt. Man sieht hierin eigentlich zwei Definitionsschritte, hat aber Schwierigkeiten, die Grenze zwischen ihnen zu fixieren, den zweiten Schritt zu verstehen und zugleich zu erklären, inwiefern schon nach dem ersten Schritt die Äquivalenz mit der Wahr/FalschFormel erreicht ist. Die im letzten Definitionsschritt benutzte Wendung ‘ὅσον ἐφ’ ἑαυτῷ’ [soweit dies an ihm selbst liegt] wurde anscheinend erstmals von dem Dialektiker Philon bei der Definition des Möglichen benutzt (FDS 988); dann hat Chrysipp sie verwendet; ansonsten wurde sie außer zur Definition der Stimme (vgl. 2 .2 .1.) nur noch sehr selten aufgegriffen. Wie bei Philon bezieht sie sich auch in der Syntax des Apollonios Dyskolos auf „ein Phänomen ›für sich betrachtet‹, d. h. aus einem Beziehungsgeflecht gelöst, mit dem es im unreflektierten Bewußtsein meist ungetrennt verwoben ist“ (Ax 1986, 171). Bezüglich der Definition der Aussage meinte Frede, daß ein von ihm noch näher bestimmter „Teil der Umstände der Äußerung, die für die Frage der Wahrheit und Falschheit wesentlich sind, nicht mit zur Identifikation der Aussagen gehören“ dürfe und daß der letzte Definitionsschritt der Aussage eine entsprechende Unabhängigkeit von den Umständen ihrer Verwendung gewährleiste (1974, 35 ff, Zitat 35). Bobzien hat an dieser Erklärung die nötige Kritik geübt (1986, 2 0 f) und vorgeschlagen, den Schlußteil der Definition mit ‘behauptbar nur für sich selbst’ oder ‘nur um seiner selbst willen’ wiederzugeben; so werde das Merkmal der Behauptbarkeit präzisiert und für die Aussage verlangt, daß die behauptende Absicht die ausschließliche Absicht ist; jede andere Absicht, durch die die behauptende Absicht ergänzt oder sonstwie modifiziert wird, hindere das behauptbare vollständige Lekton daran, eine Aussage zu sein oder gehöre jedenfalls nicht zu ihm als einer Aussage (Bobzien 1986, 12 f). Mit Blick auf die genannten drei Schwierigkeiten der
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Aussagendefinition überzeugt auch diese Lösung noch nicht ganz. Vor allem das Merkmal der Behauptbarkeit müßte noch einmal diskutiert werden; und dabei sollten die sprechakttheoretischen Ansätze der Stoiker noch stärker berücksichtigt werden. 3.1.3. Zur Verdeutlichung ist noch einmal auf den Lektoncharakter der Aussage hinzuweisen (vgl. 2 .3.1.). Seinetwegen kommt die Beziehung des Denkens oder der Rede zur Welt nicht erst nachträglich zu einer ansonsten schon fertigen Aussage hinzu, sondern wird von den Stoikern als in der Aussage enthalten gedacht. Deshalb gibt es zwei Aussagetypen, die man heute nicht mehr kennt. Wenn das Subjekt eines Satzes ein deiktisches Pronomen ist, wird damit durch eine Deixis je nach Verwendungszusammenhang auf einen anderen Gegenstand Bezug genommen, und es ergibt sich dadurch eine jeweils andere Aussage. Weil die jeweilige Deixis zu den unverzichtbaren Eigentümlichkeiten der einzelnen Aussagen zählt, wechselt mit ihr die Aussage und gibt es ἀξιώματα φθαρτά [vergängliche Aussagen]. Das sind diejenigen, bei denen das Demonstrativpronomen auf einen Gegenstand referiert, der seinerseits vergänglich ist; geht er zugrunde, so geht notwendig auch die Aussage zugrunde (FDS 695; 994; Frede 1974, 48 f). Außerdem kannten die Stoiker ἀξιώματα μεταπίπτοντα [Aussagen, die ihren Wahrheitswert ändern] (FDS 82 6; 886; 914; 994; 1010; 102 5; 112 0 f; 12 00). Dafür kommen nach Frede (1974, 44—48) nur Aussagen in Frage, die irgendeine relative Zeitangabe enthalten. Wann der Wechsel tatsächlich eintritt, wann er von Wahr nach Falsch erfolgen kann und wann umgekehrt, wurde von Bobzien auseinandergesetzt (1986, 2 3—34). An Grundsätzlichem ist davon festzuhalten: (a) Die Aussage ist als Bezug der Rede zur Welt ein temporales Gebilde, so daß der Wahrheitsanspruch nur für den Zeitpunkt der Behauptung erhoben wird und der Wahrheitswert auch von diesem Zeitpunkt abhängt. (b) Die Identität des behaupteten Sachverhalts hängt in hohem Maße von der Formulierung ab. Wenn beispielsweise behauptet wird, morgen finde eine Seeschlacht statt, dann ist diese Behauptung wahr, wenn morgen eine Seeschlacht stattfindet. Wenn die Behauptung dann aber immer noch aufgestellt und dazu derselbe Satz verwendet wird, schlägt ihr Wahrheitswert um; sie wird falsch, weil sie auch dann relativ zum Zeitpunkt der Behauptung für ›morgen‹ eine Seeschlacht an-
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kündigt. Wer das vermeiden will, muß etwa sagen, daß die Seeschlacht gestern stattgefunden habe. Die erste Aussage wird nicht durch den Gang der Ereignisse in die zweite transformiert. 3.2. Die Aussage und ihre Konstituenten 3.2.1. Die Aussagen wurden von den Stoikern in verschiedene Richtungen weiter untersucht. Am besten überliefert und am bekanntesten ist die Einteilung in ἀξιώματα ἁπλᾶ und ἀξιώματα οὐχ ἁπλᾶ [elementare und molekulare Aussagen]. In deren Rahmen erörterte man u. a. eine Reihe von Aussageverknüpfungen und ging dann weiter zur Lehre von den λόγοι [Argumenten], speziell zur Aussagenlogik, was alles zuletzt von Frede zusammenhängend dargestellt wurde (1974, 49 ff; 73—107; 118 ff; ergänzend Egli 1977, 786—790); für die elementaren Aussagen ist zusätzlich auf eine demnächst zum Abschluß kommende Arbeit von Theo Ebert hinzuweisen, wo gezeigt wird, daß die bei Sextus Empiricus überlieferte Einteilung in ἀξιώματα ὡρισμένα, ἀόριστα und μέσα [definite, indefinite und mittlere Aussagen] (FDS 916) aus der Dialektischen Schule stammt und in der Stoa weiterentwickelt wurde. Die logisch grundlegende Aussageform ist aber auch dann die Form ‘Dies/-e/-er ist/tut φ’ und nicht die, bei der das logische Subjekt durch einen Eigennamen gebildet wird. Ferner diskutierte man die Modalitäten der Aussagen und schloß daran eine Modallogik an. Wegen der ungünstigen Quellenlage ist dieses Gebiet schwierig zu rekonstruieren; über den durch Frede (1974, 107—117) erreichten Forschungsstand geht die Arbeit von Bobzien (1986, 40—12 0) am weitesten hinaus. Noch weniger wissen wir über verschiedene weitere Einteilungen der Aussagen und über Verbindungen von Aussagen und anderen vollständigen Lekta (vgl. FDS 914; 698 col. XI— XIII). Erheblich besser ist die Überlieferung jedoch, wenn nach Formationsregeln für Aussagen und speziell nach der Konstitution der elementaren Aussage gefragt wird; hierzu soll nun noch etwas gesagt werden. Nach einer Syntax hat man bei den Stoikern bis vor kurzem immer nur im ersten Teil der Dialektik gesucht, ist über die einschlägigen Anknüpfungspunkte (vgl. 2 .2 .2 .) aber nicht hinausgekommen. Dagegen gibt es im zweiten Teil eine ziemlich anspruchsvolle Syntax der Lekta; Egli hat sie als förmliches Regelwerk rekonstruiert und inzwischen eine Fassung
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mit einer längeren Liste syntaktischer Kategorien und 8 Kombinations-, 7 Inklusions-, 8 Transformations- und 11 lexikalischen Regeln vorgelegt, wobei freilich auch schon Negationen, Konjunktionen, Disjunktionen und Subjunktionen einbezogen sind und somit über die elementaren Aussagen hinausgegangen wird (1986, 2 83 ff). Die folgende Skizze geht anders vor und arbeitet den Rahmen aus, der durch die stoische Definition des Prädikats (κατηγόρημα) abgesteckt wird. Dieses ist „τὸ κατά τινος ἀγορευόμενον ἢ πρᾶγμα συντακτὸν περί τινος ἢ τινῶν, ὡς οἱ περὶ ’Απολλόδωρόν φασιν, ἢ λεκτὸν ἐλλιπὲς συντακτὸν ὀρθῇ πτώσει πρὸς ἀξιώματος γένεσιν“ [das, was von etwas ausgesagt wird, oder, wie die Leute um Apollodor sagen, eine Sache, die mit Bezug auf einen oder mehrere [Gegenstände] konstruiert werden kann, oder ein unvollständiges Lekton, welches mit einem Nominativ zusammengesetzt werden kann, so daß dabei eine Aussage entsteht] (FDS 696).
Wir betrachten also zunächst die Kasus und dann die Prädikate. 3.2.2. Unter einem Kasus (πτῶσις) verstehen die Quellen teils einen grammatischen Fall und anderenteils ein Wort bzw. eine Nominalphrase in einem grammatischen Fall. Diese zweite Bedeutung ist die bei den Stoikern vorherrschende Standardbedeutung, bei der die Kasus nämlich ihre Aufgabe erfüllen, den Prädikaten Referenz zu verschaffen. Außerdem sind die Kasus, wenn sie als Nominalphrasen in einem grammatischen Fall aufgefaßt werden, zum Bezeichnenden (σημαῖνον) zu rechnen (vgl. 2 .3.3.). Und drittens wird bei dieser Deutung des Kasusbegriffs auch die Extension verständlich, die er bei den Stoikern erhalten hat. Denn sie betrachteten auch den Nominativ (εὐθεῖα) als einen Kasus; um das den Kritikern zu erklären, machten sie von der Kasusmetaphorik einen eigenwilligen Gebrauch und sagten, daß die Begriffe bei der Nennung von Gegenständen als Wörter vom Denken auf die Gegenstände herunterfallen und auf sie senkrecht (Nominativ) oder schräg (oblique Kasus) auftreffen; Nominalphrasen sind daher immer Nominalphrasen in einem bestimmten grammatischen Fall und als solche ›Kasus‹ im Sinne der Stoiker (FDS 776 ff). Die Gegenstände werden dabei zu Namenträgern: Sie „πίπτουσιν ὑπό“ [fallen unter] die Kasus (FDS 636 a; 916), „τυγχάνουσι τῶν πτώσεων“ [erlangen die Kasus] (FDS 316; 763), sind „τυγχάνοντα“ [Erlangende] (FDS 67; vgl. 2 .3.1.) und lassen die Kasus als „τευκταί“ [Erlangte] erscheinen (FDS 860). Die Peripatetiker meinten, diese
2. Stoische Sprachphilosophie
ganze Metaphorik lasse sich auf alle Wörter mit Bedeutung übertragen. Aber das war ein Mißverständnis. Nur Nominalphrasen referieren auf etwas; Verben (ῥήματα), Adverbien (ἐπιρρήματα) und Konjunktionen (σύνδεσμοι) ›nennen‹ nichts; daher stellt sich bei ihnen nicht die Kasusbeziehung zu den Gegenständen her (FDS 536; 776 f). Aufgrund ihres Begriffs lassen die Kasus sich auf verschiedene Weisen betrachten, (a) im Hinblick auf die grammatischen Fälle, womit sie Gegenstand einer Flexionslehre werden (vgl. z. B. FDS 567 ff; Barwick 1957, 34—57), und nach syntaktischen Gesichtspunkten, insofern sie das sind, womit zusammen Prädikate Aussagen ergeben, und insofern die Prädikate bestimmen, in welchem grammatischen Fall eine Nominalphrase an welcher Stelle einer Aussage zu stehen hat (vgl. 3.2 .3.). Die Kasus lassen sich (b) unter semantischen Aspekten nach Wortarten (μέρη λόγου) betrachten. Sie gliedern sich dann in ἄρθρα [Artikel], ὀνόματα [Eigennamen], προσηγορίαι [Appellativa] (FDS 536) und nominalisierte Infinitive (FDS 763). Zu den Artikeln zählten dabei auch die ἀντωνυμίαι [Pronomina]; des näheren teilte man die Artikel in definite und indefinite Artikel ein (ἄρθρα ὡρισμἑνα vs. ἄρθρα ἀοριστώδη) und betrachtete alle die als definit, die deiktisch sind, während die heutigen bestimmten Artikel bei den Stoikern als indefinit galten (FDS 550 ff). Außerdem lassen die nominalen Wortarten sich vielfältig kombinieren. Von den zugehörigen Untersuchungen der Stoiker ist wenig erhalten. Aber daß Chrysipp den Eigennamen als eigene Wortart bestimmt hat, die mit Bedacht untergliederte Wortart der Artikel und einige weitere Indizien deuten darauf hin, daß die Stoiker an den logischen Eigenschaften der nominalen Wortarten in dem Maße interessiert waren, wie sie die Analyse und die Wahrheitsbedingungen der Aussage beeinflussen (vgl. z. B. FDS 698 col. V; 914; 916; Pohlenz 1939, 163—166; Frede 1978, 59 ff; Brunschwig 1984, bes. 5 f; 2 .1.). Endlich (c) können die Kasus nach den Gegenständen betrachtet werden, auf die sie referieren. Das führt zu der sog. Kategorienlehre der Stoiker (FDS 82 7—873). Sie arbeitet die metaphysischen Gesichtspunkte aus, unter denen ein Körper betrachtet werden kann, und unterscheidet 4 γένη τῶν ὄντων [Klassen des Seienden]. Diese weisen zwar Bezüge zur Wortartenlehre auf, sind aber wohl kein genuin dialektisches Thema, wie Lloyd (1971, 69 f) meinte. Denn
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die beiden ersten Kategorien (das ὑποκείμενον [Substrat] und das ποιόν [eigenschaftsmäßig Bestimmte]) mit den Unterarten des ἰδίως und des κοινῶς ποιόν [des individuell und des allgemein Qualifizierten] wurden nach Long und Sedley ursprünglich unterschieden, um das ontologische Problem von Identität und Wandel zu lösen (1987, I, 166; 172 f). 3.2.3. Das Prädikat (κατηγόρημα) ist der zweite Konstituent der Aussage und bestimmender als der oder die Kasus. Als Funktion im Sinne Freges regiert es nämlich die Syntax der Aussage und legt je nach seiner besonderen Art ein anderes Aussagemuster fest (vgl. 2 .3.3.). Daher soll nun kurz zusammengestellt werden, welche Prädikattypen die Stoiker unterschieden haben und was sie über die temporalen und modalen Eigenschaften der Prädikate gesagt haben. Wie die zitierte Definition des Prädikats erkennen läßt, gab es zwei Terminologien. Dazu betrachte man die Sätze ‘Sokrates spaziert’ und ‘Sokrates liebt Xanthippe’. Nach der einen Terminologie gilt die Bedeutung des Verbs als Prädikat, also ‘spaziert’ oder ‘liebt’; ein Prädikat in diesem Sinne kann u. U. mit mehreren Kasus verknüpft werden. Nach der anderen Auffassung ist die Bedeutung des Verbs ‘liebt’ nur ein unvollständiges Prädikat (ἔλαττον ἢ κατηγόρημα); ein vollständiges (κατηγόρημα) ist erst die Bedeutung von ‘liebt Xanthippe’ und allgemein das, was nach Streichung des logischen Subjekts von einer Aussage übrigbleibt; ein solches Prädikat enthält u. U. einen Kasus, kann aber nur mit einem einzigen weiteren Kasus verbunden werden. Ersichtlich entsprechen diesen terminologischen Unterschieden verschiedene Zerlegungen der Elementaraussage. Aber man kann nun bei jedem Prädikat im ersten Sinne fragen, ob es im zweiten Sinne ein vollständiges Prädikat ist oder ein unvollständiges, das einer Ergänzung bedarf, bevor es zusammen mit einem Nominativ einen abgerundeten Sinn ergeben kann. Und da es außer persönlichen Prädikaten (κατηγορήματα, συμβάματα) auch unpersönliche (παρακατηγορήματα, παρασυμβάματα) gibt, bei denen das logische Subjekt in einem obliquen Kasus stehen muß, führt diese Frage zu insgesamt 4 Prädikatklassen mit jeweils anderen Formationsregeln für Aussagen (FDS 789 ff). Ferner haben die Stoiker auf handlungstheoretische Art neben einer Gruppe von reziproken oder reflexiven Prädikaten (ἀντιπεπον-
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I. Raum-zeitliche Übersichten
θότα), die man später mit dem Begriff des Mediums (διάθεσις μέση) neu konzipiert hat, aktive (ὀρθά) und passive (ὕπτια) Prädikate unterschieden und Regeln für die wechselweise Transformation aktiver und passiver Aussagen angegeben (FDS 33; 696; 800 ff). Des weiteren wurden die temporalen Eigenschaften der Prädikate und Aussagen studiert und ein Tempussystem entworfen (FDS 807— 82 6), das man auf verschiedene Weisen zu rekonstruieren versucht hat. Überzeugend war erst der Vorschlag von Versteegh, nach dem das System von einer Grundeinteilung in abgeschlossene und Verlaufstempora ausging (1980, 338 ff). Für das Präsens, Imperfekt und Futur gab man ebenfalls Transformationsregeln an, die interessanterweise nicht so sehr auf die Prädikate als vielmehr auf die vollständigen Aussagen bezogen wurden (FDS 82 5; 92 1). Bei der Singular/Plural-Transformation, die außer den Prädikaten auch die Kasus betrifft, ist das sogar die näherliegende Konzeption (vgl. FDS 82 4 a). Was schließlich den Modus (ἔγκλισις) angeht, nahmen die Stoiker an, daß das Prädikat in der Aussage immer von einem Verb im Indikativ (ὁριστική, καταφατική) bezeichnet wird, und näherten sich einer Theorie der Modi über die Liste der vollständigen Lekta (Schenkeveld 1984, 331 ff). Dies mag eine weitere Bestätigung dafür sein, daß die zahlreichen Unterscheidungen bei den Kasus und den Prädikaten als Formationsregeln für Aussagen und
3. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1.
überhaupt für Lekta gedacht waren.
4.
Literatur in Auswahl
Ax 1986, Laut, Stimme und Sprache. Rekonstruiert 138—2 11 die stoischen Auffassungen zum De voce-Kapitel der antiken Sprachtheorie und gibt weiterführende Literaturhinweise. Egli 1979, Bibliographie zur stoischen Sprachwissenschaft (Dialektik), in: Schmidt, Die Grammatik der Stoiker. Hülser 1987, Die Fragmente zur Dialektik der Stoiker. 4 Bde. (= FDS) Umfassende, systematisch angeordnete Sammlung der Quellen mit paralleler deutscher Übersetzung und Kommentaren. Long/Sedley 1987, The Hellenistic Philosophers. 2 Bde. Zusammenstellung der wichtigen Quellentexte (Bd. 2 ) mit englischer Übersetzung und einem textlich genauen, an philosophischer Systematik interessierten Kommentar (Bd. 1). Zur Ontologie/Logik und Semantik/Erkenntnislehre der Stoa I, 162 — 266. Nuchelmans 1973, Theories of the Proposition. Erörtert 45—87 den Lekton- und den Aussagenbegriff der Stoiker und bespricht dabei auf sehr differenzierte Art die relevanten Termini und viele Textstellen.
Karlheinz Hülser, Konstanz (Deutschland)
Jewish and Islamic philosophy of language The Ikhwān al-Ṣafā’ Al-Fārābī Saadiah Gaon Ibn Ṭufayl Maimonides The philosophical thrust of the tradition Ibn Khaldūn Selected references
The Ikhwān al-Ṣafā’
1.1. The Power of Language 1.1.1. The short essay on the subject matter of the Isagoge found as the tenth epistle in the mathematical (including logical) series of
the Rasā’il Ikhwān al-Ṣafā’ (ca. 970) compactly summarizes the new ideas about language accessible in Arabic after the first major impact of the translation of Greek philosophic and scientific materials had been absorbed (Goodman 1983). Discourse (nuṭq), according to the Ikhwān, distinguishes men from beasts, just as mortality distinguishes us from the divine. Language, verbal discourse, is a product of the unseen discourse of reason (cf. Plato Theaet. 189 e, Soph. 2 63 e, Aristotle De Int., Augustine De Trin. VII 4.7). It is perceptible, public, external and conventional. It need not express all our inward thoughts. Written letters are signs of spoken ones, and spoken letters, of mental ones: The true word is in the heart, Of which the tongue but gives the sign.
3. Jewish and Islamic philosophy of language
The mental letters are formed virtually (lit.: in their substances) prior to the utterance of the corresponding sounds. Of all the arts, language is the most nearly spiritual, since its substrate is the soul and its products are not physical bodies but moral effects “as in promise and threat, enticement and intimidation, praise and censure”. It is “evident in the effects of speech upon the soul as compared with bodies upon one another” that language, like thought, brings us into contact with a different order of being, in which true values and higher realities are found (Ikhwān 1957, 1.390, 392 f, 399). As the Ikhwān argue in concluding their lengthy search for the proper basis of man’s claimed superiority (Ikhwān 1978, 2 00 ff), it is only conscience, our intellectual susceptibility to divine commands, that renders the soul immortal and human life superior to that of the beasts. Language is not the source but the expression of that consciousness. When the authors cite Arabic verses (1957, 1.391) to corroborate their view that the pen is mightier than the sword, “Words affix awe in the soul. They have power to lead leaders of men. Even swords, deadly as they are, Cannot slay like the stroke of a pen.”
they are arguing for the efficacy of the true reality, the realm of ideas. 1.1.2. The power of language, the Ikhwān propose (1957, 1.392 ), rests not merely on its affective dimension but on its virtual correspondence to all things. The abundance of word and diversity of usages are not objects of anxiety, to be reduced to order in an artificial language. Rather, linguistic richness (clearly reflected in the diction of the Arabic poetry for which the Ikhwān show such fondness) is a mark of the adequacy of language to touch on all things, just as a number can be found for all things numbered. The argument would be that for any identifiable object a word either exists or can be devised. If metaphor, symbolism, and allusion are allowed, the Ikhwān might have added, even things unseen and unseeable. For the mention of warnings and reproofs alludes to the Qur’ān, whose admonitions and inducements make reference to a realm far beyond the concrete images it employs. Indirection too, then, is a source of linguistic power. That helps to explain why ambiguity is not an embarrassment but a blessing: It is a guarantor of privacy but also an evidence of the larger, mental reality than underlies our use
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of language. 1.2. Language and Logic 1.2.1. In Arabic, as in Greek, the term for logic (manṭiq) is derived from that for discourse (nuṭq) and connotes rationality. (Nāṭiq is in the differentia of man because humanity is distinguished by the discourse of reason.) “Verbal discourse is physical and sensory, whereas mental discourse is spiritual and intelligible” (Ikhwān 1957, 391 f). Thus there are two logics, linguistic (lughawī) and philosophic. The former deals with morphology, inflection — the semantical and syntactical aspects of verbal discourse; the latter, with the conception of things as they really are and the distinctions among them in thought. Philosophical logic addresses language, but transcends it, since its interest in the expression of ideas relates to any language, whereas linguistic logic concerns the usages of a particular language. The method of philosophic logic is analytic. But its subject matter includes the means by which our concepts are abstracted from sensory experience and the means by which we achieve purely conceptual knowledge, “penetrating the meanings of things in thinking of them by way of reason”. Such rational knowledge, the Ikhwān remark, almost parenthetically, “is called revelation or inspiration” (1957, 391 f). 1.2.2. Spoken sounds are made up of letters, 2 8 in Arabic, joined to form words. Words with meanings become names, and names when they apply to more than one thing become terms. Properly joined together, these form sentences (cf. Aristotle De Int., 1—3) in metre or prose. Prose may be declamatory and rhetorical or discursive and conversational. Of this second, more intimate type, some serves the populace in pursuit of their needs, without proof or controversy, while some seeks to persuade or dissuade regarding worldly, religious or speculative matters, using proofs and criticisms. In higher as in worldly persuasion testimony and reasoning are relied upon; logic is the standard of sound argument, as calibrated weights and measures are the standard of sound value in the marketplace (1957, 1.393—94). — Linguistic logic is the branch and philosophic is the root, for words are only the conventional signs of ideas; but our entree into philosophic logic rests on understanding of the general require-
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ments of language: A name is any word that signifies some idea, meaning or notion (ma‛nā), without regard for time. The namer is the speaker, the naming is what he says, and the object named is the notion referred to. Similarly with description and predication (1957, 1.398, 394 f). 1.2.3. Philosophers use six (not five as in Porphyry; see Gyekye 1979, 189) types of terms which are crucial to logic: ‘individual’, ‘species’ and ‘genus’ refer to the ideas of things, subjects of predication; ‘differentia’, ‘property’ and ‘accident’ refer to the notions assigned as predicates. A (singular or) individual term is any verbal expression used to designate one sensory particular as distinguished from all others, for example, ‘this man’, ‘that stone’, and like expressions, used to designate one thing only. A species name is an expression used to designate a plurality of individuals with the same essential, spiritual form in common. A genus name is used to designate a plurality diverse in some essential forms but alike in others. Differentia are essential characteristics, dividing genera but uniting species: Without them the object they pertain to is not found. Accidents may be durable but not essential, like the blackness of pitch or whiteness of snow; or they may be transient, like blushing, or standing. Durable accidents are sometimes called properties because they can be used to differentiate the kinds of things. But they are not essential, substantial properties because their negation does not negate the being of the subject. Essential or substantial characteristics like the wetness of water or hotness of fire provide the proper differentia of things. They are called ‘differentia’ (fuṣūl) because they differentiate (tufṣilu) reality into species. The term ‘property’ may be applied in a weak sense to a characteristic shared by several species, as bipedalism names a ›property‹ man has in common with birds. In another sense the term ‘property’ is applied to characteristics found in but one species, yet not in all its members, as being a merchant is found only in man, but not in all men. A third sort of ›property‹ belongs to all and only members of a species, but not at all times, as hoariheadedness in man. The fourth sort belongs to all and only members of a single species and at all times, like the ability to laugh or cry in man. For no other creature laughs or cries in just the way man can do from birth to the hour of death. Such predicates are called ›proper
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properties‹; their names designate the characteristics which are ›properly proper‹ (the phrase tickled Edith Sitwell) in a species (Ikhwān 1957, 1.395—97). — The account grows naturally out of the corresponding discussions in late Greek and early Islamic philosophy and is fairly typical of their tenor (so it need not be repeated in what follows). Awareness of the linguistic basis of classification and predication and sensitivity to the relative softness and extreme flexibility of linguistic usage were not seen as requiring a Wittgensteinian qualification to essentialism or demanding the least retreat from realism. For the predications which are ›properly proper‹ organize reality according to its actual divisions. Their relations of inclusion and exclusion ground the functioning of logic. All (proper) predicates of a genus necessarily belong to its species; and all those of a species, to its members. 1.3. Language, Ideas, and Things 1.3.1. All things are individuals or forms projected and differentiated in the emanative act of God via the Active Intellect and the universal, celestial Soul, which is present in the macrocosm like a person’s soul in the body. Forms in the universal Soul are like a craftsman’s plan. In the Active Intellect they are like a scholar’s lesson. In God they are like the number one, from which all other numbers arise. The forms of things emanate from God to Nous, to Psyche, and from Psyche at the cosmic level, onto matter, where they can be apprehended by individual human beings as the objects of conceptual understanding. Knowledge, or science, is the form of the object known in the soul of the knower, and art is the expression of that form by its imposition on matter. Education is bringing out (’ikhrāj) of intellectual potential, making the mind actually intelligent, developing the inner likeness of man to the divine and leading us to the supernal realm and immortality (1957, 1.399, citing Plato, Theaetetus 176 b and Qur’ān 39: 9, 6: 12 2 ). Forms are the ultimate referents of all signification that does not refer to individuals as individuals, and each human soul acquires its knowledge of them by emulation of the universal, cosmic Soul, with the aid of the Active Intellect. For all forms, as principles of actuality in things and in thought, have their source in the Active Intellect and thus stem ultimately from God (1957, 398 ff).
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1.3.2. Meanings or ideas are spirits, and words are like their bodies: words without meanings are like spiritless bodies, and thoughts without any word to express them are like bodiless spirits. In the manner typical of textbooks, Porphyry’s Isagoge had avoided an immediate display of its author’s neoplatonic commitments, although these were hinted when Porphyry argued a tollendo tollens, that to do away with the genus is to do away with the species and its members. But the Ikhwān, typically of the Muslim philosophic tradition, make no bones about their neoplatonism. Their care to differentiate word and object expresses a Platonic interest in locating a referent for all significant expressions (cf. Ikhwān 1957, 400; 403).
2.
Al-Fārābī
2.1. Life and Work 2.1.1. Abū Naṣr al-Fārābī (872 —950) (s. art. 19) is called the Second Teacher because of his crucial role in conveying an adequate understanding of the logic of Aristotle (s. art. 15) to readers of Arabic. He was a descendant of Turkic tribesmen recruited by the Islamic Khalifate; his father, a military officer. He grew up in Fārāb, near the Jaxartes (Syr Darya) and Aris rivers and began his training in higher Islamic studies and music probably in Bukhara. He advanced in the study of logic at Marw, under the Syriac speaking Nestorian Christian master Yuḥannā ibn Ḥaylān, as whose disciple he came to Baghdad and perhaps Harran. It was evidently with Ibn Ḥaylān that al-Fārābī penetrated Aristotle’s Analytica Posteriora (called in Arabic the ›Book of Demonstration‹) as well as the more familiar earlier portions of Aristotle’s Organon. His claims to primacy in such apodeictic studies on the grounds that Christian scholars were restrained from passing beyond the Analytica Priora were apparently somewhat exaggerated (al-Fārābī, 1981 a, cvii). Yet he was a pioneer in these studies nonetheless, bringing them to life philosophically through his original development of the themes explored by his predecessors. Probably not a native speaker of Arabic, al-Fārābī may have spoken Soghdian or a Turkic language as his native tongue. He was proud of his (fairly rudimentary) knowledge of Greek and of knowing other languages such as Turkish and Persian. By one obviously fanciful account, he knew
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some sixty languages in all. His distinctive habit of citing examples from languages other than Arabic, like his attempt to state general rules about all languages and even to formulate some of the principles of what we might call a universal or deep grammar, is indicative of his belief that logic (the philosophic logic whose concept the Ikhwān adopt from him) is the universal guiding principle behind the grammars of particular languages. It is said that al-Fārābī did not know Arabic well enough to do philosophy in it until he came to Baghdad as a young man and heard another Nestorian, Abū Bishr Mattā ibn Yūnus. In order to master Arabic, he exchanged lessons in logic and musical theory for instruction from the eminent Arabic grammarian Ibn al-Sarrāj. His lifelong interest in the problems of grammar, translation and the philosophy of language is an example of the non-native speaker’s interest in such formal questions, that many Muslim theorists remark upon. Reportedly al-Fārābī lived and travelled in Byzantine lands for some eight years in the first decade of the tenth century. Returning to Baghdad, he won his reputation as a major philosopher; his students included the warmly humanistic Jacobite Christian philosopher Yaḥya ibn ‛Ādī (d. 975) and Yaḥyā’s brother Ibrahim. Al-Fārābī’s times saw great political instability and theological ferment: The ‛Abbāsid Khalifate of Baghdad fell into the hands of dynasts from among its Turkic soldiery, and Islam itself redefined its orthodoxy in more predestinarian and less rationalistic and voluntaristic terms than had been in the ascendant when the great work of translation from the Greek was first undertaken. In 942 , after writing his magnum opus on musical theory, al-Fārābī left Baghdad and traveled first to Damascus, then to Egypt, finally back to Damascus, where he died at the court of the Shī‛te Ḥamdānid Maecenas, Sayf al-Dawla. — In political thought al-Fārābī was an intellectualist and idealist who understood the rhetoric and dialectic of the Qur’ān Platonically, as poetic persuasion. In metaphysics, ethics and cosmology he was a reconciler of Plato and Aristotle (al-Fārābī, 1961 a, 1985). His special interest in the philosophy of language reflects his cosmopolitanism, but his knowledge of Plato extended to the Cratylus, which he describes as an investigation of the power of language to inform and a critique of the notion that the meaning of words is a sufficient source of knowledge as to the natures of things (al-Fārābī 1962, 56).
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2.2. Being and the Categories 2.2.1. In his Book of Letters al-Fārābī is at pains to explain that philosophers call the answer to a when question ‘a when’, and correspondingly in philosophy there are ‘a where’, ‘a how’ (kayfa), ‘a how many’ (kam), ‘a what sort’ (’ayy), and ‘a what’ (mā). These terms form abstract derivatives in philosophic discourse (whence our ‘quiddity’, ‘quality’, ‘quantity’ and the like). But there is no such expression as ‘a whether’, or ›whetherness‹ (pace the grammarian al-Sīrāfī, d. 979, whose polemical remark is probably parodistic; see al-Tawḥīdī 1905, 105; 12 4). Rather, philosophers speak of thatness, in an assertoric sense, whose “assigned significance is clear in all languages”, that “meaning is persistence, duration, perfection, stability in existence and in knowledge“ (al-Fārābī 1969, 61). In Arabic, factuality is asserted by way of the affirmative particle ‘’inna’ and (its grammatical sister) ‘’anna’, which means ‘that’. In Persian there is the particle ‘ke’, again meaning ‘that’ [cf. the Latin ‘quod’ or French ‘que’]. In Greek, ›more plainly‹, there is ‘on’ [ὄv], indicating affirmation, and its more emphatic form with a long ‘o’ [oὖν = ὦν], reserved for God (cf. Exod. 3: 14, ap. Philo Quod Det. 160). In Arabic, philosophers speak of the existence of a thing as its thatness. Al-Fārābī’s easy assertion that this notion (of factuality) is found in all languages provides fascinating evidence against the vulgar misuse of Whorfian ideas in the popular thesis that language sets the bounds of thought: Gliding past the fact that Semitic languages regularly suppress the present tense of the verb to be, he finds the relevant concept as the referent of a particle (al-Fārābī 1969, 61 f). Indeed he is striking in his emphatic treatment of the copula as a form of the verb ‘to be’, in accordance with Aristotle’s doctrine of the manifold senses of being in the Categoriae, despite the fact that Arabic, like other Semitic languages, does not rely on the verb to be to express the copula in the present tense. The copulative sense of the verb ‘to be’ (what Stephanus called the ›hyparctic‹) is present in any case, whether express or understood, since the being of an attribute is assigned to that of a substrate or subject by predication, regardless of how the assignment is communicated. As al-Fārābī argues, the logical, not the morphological form is what we must treat as primary if our interest is in understanding. 2.2.2. Where the Ikhwān carefully list Aris-
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totle’s categories in their traditional order, explaining that they were derived by the earliest sages surveying reality with the mind’s eye and arraying all as they found it, in system, like the order of the numbers (Ikhwān 1957, 404 f), al-Fārābī starts from the side of language, treating the categories and other notions including ›thatness‹ by reference to the expressions that bring them into view. For logic, as he says, deals not with pure concepts but with concepts insofar as these are signified by words: Logic shows a certain congruence between words and concepts because it often uses words as surrogates of concepts where such a congruence is found (al-Fārābī 1960 c, 18). Thus al-Fārābī refers to substance in the first instance as an object and not merely of perception (maḥsūs) but of ostension as well (al-mushār ’ilayhi). He defines substance, following Aristotle, as that which is not predicated of anything else, except accidentally and artificially (“for we sometimes say, ‘That white object is Socrates’”, An. Pr. I 2 7, 43 a 2 5—40). The categories too are defined linguistically and psychologically: “Every conceptual notion signified by a given expression in terms of which some aspect of this object of ostension is characterized we call a category” (al-Fārābī 1969, 62 ). Clearly al-Fārābī does not believe that to be is to be the argument of a predicate, but he does not mistake the established philosophic table of predications for an unconstructed picture of reality. The primacy of ›absolute substance‹ (Aristotle’s primary substance) is real: Substance is not predicated of anything else because it does not belong to anything else. The essence of a thing, which reveals what that thing is, is predicated of the thing (and of all things of its kind), although it is in a secondary sense a substance, the substance in fact of the object of reference. But it remains unpredicable of any other things, at least not by way of telling what they are in the most definitive way (alFārābī 1969, 63). Language does not impose but does reveal the underlying structure of reality. The predication of genus and species terms over a plurality is (not merely a convention, nor yet a necessity of nature but) a feature of psychology, attendant on the entry of concepts into our minds. Here we see a strength of making notions the referents of words. For we describe things as we think them, not simply ›as they are‹. 2.2.3. It is because concepts are mental that they can be classified, related to one another, known by way of one another, treated as
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more general or more specific. All these reflect mental operations, just as a concept’s being more or less ›intelligible‹ or ›understandable‹ is a reflex of its subjectivity. “If there are concepts which are purely intellectual and do not derive from the objects of the senses, that is not clear to us from the outset“ (al-Fārābī 1969, 64). Concepts derived from sense experience are simple, and the simple must precede the complex. But the properties and relations that pertain to concepts insofar as the concepts are mental are themselves capable of being thought, and these concepts do not arise as images of sensory objects. Terms like ‘man’ and ‘white’ do, of course, have a sensory reference, and so accordingly does the judgment ‘This white (object) is this man’, where the indexical betrays the ostensive reference. Even ‘Man is white’, where the ostension is eliminated, still leads back to sensory objects. But when the mind conceives what it is for man to be man or white to be white it leaves behind the sensory: Ideas of the essences of things cannot be derived simply from sensory apprehension but must arise from reflection, apprehension of the character of an idea as an object of thought. “For what can be pointed at is only ‘this white’, not whiteness or the white as such” (al-Fārābī 1969, 75 f). Al-Fārābī renders somewhat clearer how conceptual ideas succeed sensory images in his exposition of the role of the Active Intellect: Ideas in matter are only potentially understood, thus only potentially ideas, as colors in bodies are only potentially colors until light renders them actually seen. Thus the sensory images preserved as memories by imagination are embedded in matter and only potentially intellectual in nature; the mind in which they persist is itself intelligent or intellectual only potentially. But the Active Intellect, identical with the form-giving, disembodied intelligence of the tenth (lunar) sphere, possesses the pure intellectual concepts or patterns of things actually, and its emanative activity transforms the mere images of the human material or potential intellect into conceptual ideas, as the sun’s light renders vision actual and as matter is realized by the receipt of form (al-Fārābī 1985, 196— 2 04). The images that are the material substrate for conceptual ideas are, in effect, cues (Platonic reminders); they serve, we might say, as signs suggestive of the pertinent ideas (al-Fārābī 1985, 2 79). Here we see the roots of al-Ghazālī’s profound, ultimately Aristotelian idea that this world is a symbol system
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whose unriddling leads us to the supernal world of the divine, the heavenly kingdom, Malakūt, which the Ikhwān al-Ṣafā’ identified with the realm of Platonic ideas as elucidated by al-Fārābī (L. E. Goodman 1989; Ikhwān 1978, 1.400). — Since our conceptual knowledge is framed on the trellis of sensory experience, language naturally mingles conceptual with empirical reference. The latter, al-Fārābī explains, is the focus of those who think (not groundlessly) that all reference must be phenomenal and ultimately ostensive; the former is the province of those who see that our ability to understand and make ourselves understood to one another depends on our access to concepts beyond the sensory. 2.2.4. We reach the realm of pure ideas by way of higher order thinking. Higher order concepts treat ideas themselves as objects of thought, but they can be handled with the same facility as other concepts. For we readily perform the same operations on them recursively (ta‛ūdu ‛alayhā tilka ’l-aḥwāl) as on first order (sensory) concepts, just as we can transform words morphologically, regardless of their sense, to correspond to any syntactical operation. Thus knowledge can become an object of knowledge. There is no ground for concern about the objections of Antisthenes that such patterns lead to an infinite regress. For the regress is not vicious: Recognition of the concept ‘man’ as such is recognition of all its instances, be they finite or infinite. No further concept is required. By the same token we can freely perform any intellectual operation upon any concept (treat an idea as a genus, species or differentia and draw appropriate inferences, for example), provided that we understand the operation — just as we can put any word into any grammatical case. We can have a concept of concept, and so ad infinitum — provided the recursion is univocal. There can be genera of genera just as the word ‘nominative’ can itself be placed in the nominative case. “The infinity founds no proof. For to know one instance is to know all, if we know what all have in common — even if they are infinite” (alFārābī 1969, 64 f). Antisthenes was mistaken in objecting to the request for a definition of ‘man’ by saying that first we must know the definition of ‘definition’ and then of ‘definition of definition’ and so ad infinitum. Such knowledge was not relevant or needed. For once we know what definition is, the same notion holds throughout the series and indeed
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ad infinitum, just as the idea of ›nominative‹ is the same whether it applies to ‘Zayd’ (a man’s name) or to the word ‘nominative’ itself. We do not need to know what knowledge is, and knowledge of knowledge of knowledge, ad infinitum before we can know. And we do not need to know whether ‘same’ is the same as another ‘same’ or different, whether ‘other’ is other than another ‘other’ or the same, so that other becomes same and same other — and so forth. All such questions are of a type. All deal with higher order concepts and all receive the same answer, modelled on the treatment of grammar, which does not discriminate one level of metadiscourse from another but recognizes the same formal relations in all (al-Fārābī 1969, 65 f). Relying on psychologism and the perfect abstractness of formal relations in grammar, al-Fārābī dissolves all concerns for the special treatment of higher order concepts. Senses must be kept distinct, as the example of ‘same’ and ‘other’ suggests. But the distinctions needed can traverse the boundaries that divide higher from lower orders of discourse. So al-Fārābī does not feel bound to make a fetish of metalevels. Still less does he make them ends in themselves. Problems of self-reference seem transparent to him, once the notion of pure ideas is allowed. Yet he calls Antisthenes’ question an error, not a sophism. Like Spinoza (Ethica, II, 43) he grounds its dismissal in the adequacy of our primary concepts and their most elementary mental ›concomitants‹. 2.2.5. Linguistically, al-Fārābī argues, the phenomenal dimension of thought is best arrested in verbs, whose conjugations reflect the temporality of their (fleeting) objects of reference and allow their flexible use as predicates in all nine non-substantial categories. But the conceptual dimension necessary to understanding and communication (fahm, tafāhum) is captured in the (unconjugated) verbal noun (maṣḍar), analogous to our infinitive, and in ›abstract‹ nouns in ‘-iyya’, analogous to our ending ‘-ity’ (al-Fārābī 1969, 78; Arnaldez 1977). As ›derived forms‹, inflected verbs suggest by their morphology that while they may be phenomenally primary they are conceptually secondary, and al-Fārābī has little difficulty in demonstrating that they are so. For verbal predication, he reasons, is just a special case of attribution, linking a semantical predicate notion (linguistically expressible in a maṣḍar) with a subject notion. This can be done, he argues, only by way of
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the verb to be, whether explicit or understood, applied as a copula of judgment in one or another of its special predicative senses. But these notions of being are all higher order concepts not derivable from the senses. So in the simplest phenomenal judgment there are in fact at least two conceptual elements present implicitly from the outset, even if the maker of the judgment is unaware of them: the conceptual notion of the predicate term and the notion of being, that is the belonging of the predicated characteristic to a subject. In addition, we can say, there is the existentiated subject, treated conceptually insofar as it is made notionally substantive. Analysis reveals what a habit of language guided by mere images need never make explicit, unless judgments are to be made scientific: that all our judgments rest epistemically upon conceptual foundations. 2.2.6. To designate concrete, sensory particulars which are not in a substrate and which anyone can point at does not require much linguistic articulacy. Thus countless particulars are unnamed. Language becomes active and highly inflected where it seeks to signify in the categories other than primary substance — to entail rather than to point. Epistemically and thus linguistically we can differentiate (schematizing an old illustration of Plato’s): (1) the ostensive object (›that, down there‹), (2 ) the fact that it is this man or this white thing, (3) man or the white in general (the extension of the term), (4) Man (humanity) or whiteness itself. It is important to alFārābī’s account that universals are not just more widely referential terms than particulars. They are second order concepts; they rely on a ›second intention‹. That is, they indicate not just an idea of a thing, but an idea of an idea, or an idea taken as an idea rather than as directly intending an object or a sensory property in an object: There is an inner recursiveness in the idea of a universal. It is self-conscious and modulated by a rule of inclusion and exclusion. Gyekye (1971) following Madkour (1934) credits al-Fārābī with developing the notion of first and second intention; and this may well be sound, although there is probably a basis laid in the earlier commentators, going back to Ammonius, Themistius and ultimately Porphyry and Alexander of Aphrodisias; for al-Fārābī handles second intention as an established technical notion and clearly regards it as a natural elaboration of Aristotle’s conceptual ap-
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proach to meaning. Gillespie cautions against assigning to Aristotle the idea that words refer by way of concepts, arguing, “This is too sophisticated for a primitive logic. Adam gave names to things, not to meanings; these things have natures of their own, signified by the name. It is wise to avoid speaking of concepts and Begriffe in connexion with Plato and Aristotle“ (192 5, 79, n. 11). But the Second Teacher is confident that his approach is on good Aristotelian ground. Glossing the opening lines of Peri Hermeneias, al-Fārābī writes: “Aristotle reports that words indicate concepts in the soul [...] He says impressions in the soul rather than concepts because he wants to include all that arises in the soul when sensory objects are no longer present to perception [...] like the mental image of Zayd and other things, like the goatstag, that the soul invents by combining images with one another” (1960 c, 24 ad 16 a 1—4). 2.2.7. Since apprehension of the essences of things, knowing things conceptually as they are, is dependent on our use of higher order concepts, concepts self-consciously conceived as concepts, it is only on the basis of the fourth level of ›abstraction‹ that real naming begins, “For the soul is eager to signify what cannot adequately be signified by pointing. What is pointed at is this white, not whiteness or the white as such, this long thing, not the long in general — although the long or the white is closer to what is pointed at than is length or whiteness” (De An. III 8, 432 a 10—11). Having teased out these aspects of things, our faculty of rational discourse (al-quwwatu ’l-nāṭiqa), which is synthetic as well as analytic, can recombine or segregate them in various ways — indicatively in affirmations or denials, hypothetically in conditionals, imperatively in commands and prohibitions, and in other sentential complexes. Using these — categorical and hypothetical, universal and particular judgments — we can render terms considered and critical, allowing them to reflect conceptual rather than just sensory notions. Thus al-Fārābī, like Kant, relies on the power of the sentential form of judgment to warrant the adequacy of the ultimate conceptual categories. In al-Fārābī’s case this means reliance on the power of the Aristotelian syllogism as the tool with which to define classes and so hone our concepts of the substances in the world to the true conceptual topography of the intellectual realm that is their source. But in our normal
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consciousness and in the development of language as a human institution, we always work from the sensory toward the conceptual. Language develops, in the first instance, as a representation of the notions in our soul; and they, in turn, represent what is external to it. For abstract notions do not occur outside the soul (al-Fārabī 1969, 74 ff). This bold assertion may seem to qualify al-Fārābī’s commitment to Platonism, but it does so only within the limits of the tradition: ›Abstractions‹, of course, do not exist ›by themselves‹, but ever since Alexander of Aphrodisias adopted the expedient of locating the (formative) ideas in the mind of God, his Active Intellect, the ideas had not wanted for a home, or for an explanation of their causal efficacy. Al-Fārābī assigned a threefold existence to ideas: in nature, in the mind, and in the Active intellect; only their logical use was abstract, thus confined to the mind. In each case the existence of universals is dependent on that of some particular; they never exist ›on their own‹. Knowledge, as the Aristotelian correspondence theory of truth entails, involves matching our notions to (the forms of) things. Language involves a three way match: words indicate notions, and notions represent things: scil., under concepts. 2.2.8. Words, corresponding as they do to ideas in the soul, are much closer to thoughts than to things. It is for this reason that some thinkers deny the reality of the universals indicated by such words as ‘whiteness’. They think that ideas are about words rather than vice versa. Indeed, many deny the reality of ‘the white’ and ‘man’ and claim that what exists is only this white, this man. They argue that no totum can be pointed at and reject concepts altogether. But this violates our sensory awareness (of the commonalties among our diverse sensory impressions), our primary knowledge, and our very nature as humans. “For it is human nature to discourse by way of words, to signify and to teach. And it is human nature that things should enter our minds as concepts correspondent to the terms in which they are described.” (al-Fārābī 1969, 76 f). We must posit rationality, explanation and understanding to establish what we and our detractors have in common and differentiate ourselves from the beasts. Otherwise there would be no distinction between us and a plant or stone. But whatever distinctions are introduced reintroduce ideas, even where one might attempt to banish them.
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2.3. Language and Thinking 2.3.1. What relations hold between language and critical thought? To address this question al-Fārābī sets out a developmental account: Sensitivity to demonstration takes time to develop, so philosophic certainty is preceded by sophistic, dialectic, and a sort of protophilosophy that al-Fārābī calls muddled (mumawwah), insights shot through with uncritical notions, which there is not yet the technical means to refine away. Eristic and sophistic precede philosophy as the fertilizer and the flower precede the fruit. Religion, insofar as it is a human institution, depends on philosophy for its ideas. It comes after philosophy as a tool devised to meet a need. Its function is to promulgate philosophic ideas as beliefs and practices among the masses. But to do so it relies on persuasive rather than demonstrative reasoning. Accordingly, it transposes philosophical ideas into the vein of imagery and story. Its ancillary arts, jurisprudence and that dialectical mode of apologetics which the Arabs call ‘kalām’ build upon assumptions given by religion; and if the philosophy at the base of the tree is suppositious or addled, they may well accept its ideas uncritically or defend the images and parables in which even true philosophic conceptions have been clothed, as though they were the truth itself (al-Fārābī 1969, 131 f). The theologian, practitioner of kalām, as distinguished from the philosopher, is confined by the persuasive, ultimately rhetorical character of the discourse he employs, to the primal level of the populace, to whose common notions and emotions he appeals. He may exchange one doctrine for another within the popular repertoire. He may even popularize ideas derivative from philosophy, seeking to prove them by appeal to commonly held notions or traditions. In a sense he is a leader, but only within his particular community. In international or intercultural terms, only the philosopher stands apart from the populace. The jurist or politician works within the framework laid down by the founder of his tradition, whereas one who relies on reason (al-muta‛aqqil) uses universally acknowledged premises or premises derived from firsthand experience, and thereby overcomes intellectual dependency (al-Fārābī 1969, 132 f). — Religion, not language, we observe, articulates the confining premises of popular culture. But the vehicle of religion is the peculiar
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discourse of a culture — its myths, iconography, common notions and the derivative dialectic that arises from their themes. It is not the oddness of symbols that confines but, paradoxically, their commonness. The dependence of public discourse on the vulgar and therefore parochial creates bonds which only conceptual thought can release. 2.3.2. The common people, al-Fārābī writes, exist before there are any who are elite. Each people has its own determinate land, bodily form, physical temperament, psychical propensities and receptivities toward specific modes of apprehension and imagination. An isolated individual growing up in a state of nature would develop habits of movement, learning and thought simply by doing what came most easily to his nature. But such habits, based on repetition, are the matter of art, including linguistic art: If such a person “needed to inform another of what was in his mind (fī ḍamīrihi) or what he inwardly intended, at first he would use pointing to signify what he wanted from the person with whom he sought to communicate”. Next vocalization would be employed: “The first vocalizations (taṣwītāt) were calls by which the person one sought to communicate with was made aware that he himself was intended and none other”. Subsequently a variety of determinate vocalizations came into use, to designate each determinate ostensive sensory object distinctly (al-Fārābī 1969, 134 ff). Vocalizations are simply beatings upon the air of our breath by the divers parts of our throat and mouth: As the air issues from our lungs and passes out through the mouth and nose, the tongue, lips and teeth compress and modulate the stream into discrete and articulate segments. Linguistic differences arise in the phonetic differences resultant from the ease or difficulty of specific patterns of oral movement for the peoples of different lands. It is not Saussure’s need for phonemic contrast (or Lévi-Strauss’ for thematic contrast) but the biological differences of heredity and environment, then, that take the place of Babel. — The first vocalizations are ›vowelized letters‹, i. e., syllables. But there are too few such signs (‛alāmāt) to allow designation of all conventionally conceptualized objects. Language users must form combinations to cover sensory objects and the notions dependent on (tastanidu ’ilā) reference to such objects. By invention of signs, ostension of their objects, and convention in their usage, a variety of established signs is developed: proper names
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(’alqāb) to designate sensory objects, and those signs (e. g. ‘dog’, ‘cat’) that signify universal ideas which have sensory instances (cf. Aristotle, Categoriae 5, 3 b 14—17). The latter are understood by way of their reference to a given ostensive particular and to all others like it (al-Fārābī 1969, 136 f). 2.3.3. Linguistic usage begins with one person using a given vocalization to designate a given object, and another imitating the first. It spreads by hearing and imitation from the initial pair, ultimately to a whole society. All rests on convention and agreement. But as the stock of familiar signs grows, by invention and acceptance among the populace of a given country, one who ›orders their affairs‹ may introduce an entire body of vocalizations to supply all that is necessary but wanting in the familiar stock. Such a figure is a linguistic founder or language giver, the very same as the lawgiver al-Fārābī describes in his political works (al-Fārābī 1960 a, 2 7 11. 13—15; the identification, noted by Walzer in al-Fārābī 1985, 476 n. 893, is omitted by Zimmermann in al-Fārābī 1981 a since he cannot account for it in the MS tradition; cf. Plato, Cratylus 388 e—390 e, 437 e). — Language begins with the commonplace, sensory objects seen by all and such sensorily manifest items of theory as the sky, stars and earth and the general sensory notions pertinent to these. It goes on to devise words for the basic human actions that arise from our natural powers, to the habits that develop when those actions, through repetition, become traits of character or arts, which depend on skill and practice, and to the actions associated with such habits. Gradually, language develops further, to encompass the knowledge derived from common experience and expectation, and then to the specialized concerns of various practical arts, speaking of their tools and products, and ultimately covering all of a nation’s needs (al-Fārābī 1969, 137 f). 2.3.4. In a nation whose people are well balanced in constitution and naturally inclined to intelligence and understanding there is a natural propensity to develop a vocabulary reflective of reality as they accurately conceive it. Where the nation as a whole lacks that propensity, those who direct their linguistic affairs will legislate it (yusharri‛ūnahā). Distinctions and similarities will be marked by the use of universal and singular terms, and by the inflection of words: “If a notion stays
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the same through an alteration of successive accidents, the expression assigned to it is a word that remains constant while certain of its letters alter, each shift indicating a changing accident” (al-Fārābī 1969, 139 f). — The relations signalled by the use of common words may be non-essential or remote; and words, accordingly, become ambiguous. Similarly, through purely verbal distinctions and connections language acquires synonymy and homonymy. These result, then, from a kind of rambunctiousness of language, losing or loosening its moorings in reference through efforts at comprehensiveness and order. But while our linguistic penchant for projecting non-essential relationships is noted, there is no Wittgensteinian discomfort with the conceptual/referential account of meaning. The model for words is reality, and combinations of words are linked together in the same manner as combinations of ideas in the soul. 2.3.5. Once words are established as signs of ideas and so ordered that they are capable of signifying the actual natures of things, indirection (naskh) and figurative usage come into play: “An idea is expressed without use of its originally assigned name, and the name earmarked for a given idea to signify its essence, is assigned to express something else, with which it has some connection, regardless how slight, whether a distant likeness or some other relation, without the new application becoming definitive and without the word signifying the essence of its new referent. Thus arise figurative and metaphoric usage [...] Such are the origins, first of the rhetorical and then, gradually, of the poetical” (al-Fārābī 1969, 141). Metaphor, in al-Fārābī’s view, is not a main source but a derivative of the primary, referential use of language. Essential reference is primary. Metaphoric usage, as its name ‘borrowed’ suggests, operates through the direct, referential senses of words, interchanging, arranging and embellishing them. Poetry, in al-Fārābī’s account, is not the mother but the daughter of plain, prosaic speech. And so it must be if our reference to things is to be by way of concepts that refer to their real natures. For unlike images, words have no resemblances to their referents; and the images words may stand for have real reference only through the concepts whose outlines they suggest to the emerging intelligence. 2.3.6. A native speaker who grows up using the letters and words, phonetic values, mor-
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phologic patterns, and connected phrases of a given nation, and no others, so that he knows no other and his tongue chafes at even pronouncing any others, is the perfect standard of that nation’s usage. Such a person’s notions are entirely on the level of rhetoric, as distinguished from philosophy. They arise from primary notions, gradually, in response to the need to persuade. Poetic ideas arise similarly, with the use of images and illustrations to elucidate or stand in for ideas, gradually generating the art of poetry itself. Poetry, then, would be a fabric of discourse that works by indirection. Like rhetoric it is “one of the rational arts, responsive to our natural predilection for order and design in all things” (al Fārābī 1969, 146 f). For in poetry the very measures of our syllables are ordered pleasingly. (So poetry is the forerunner of logic, science, and mathematics.) Both poetry and rhetoric become repositories of valued traditions from the past and news of the present, fostering the crafts of the reciters and memorizors, from whom arise the eloquent speakers and indeed the sages and linguistic mentors of the nation. These artists and artisans construct new words synonymous with the familiar ones, creating an esoteric diction, which they pass along among themselves. Sometimes they take linguistic note of characteristics not yet named, or name objects for which no noun as yet exists, perhaps because none had been needed for practical purposes. While the new names may remain rare, they are continuous with the main linguistic stream because those who construct new words follow the phonetic patterns of the language, choosing among the permissible combinations of letters the construct most likely to signify the intended idea and making known its newly created function. Through such attentions a language is refined and perfected, its diction made more expressive (afṣaḥa mimmā kānat) and its usages smoother and pleasanter. The native speaker acquires this clear and eloquent language just by hearing it from his elders and speaking it as he grows up. Any divergence from its usages is barbarous in his ears. One who circulates among such people can preserve in memory the linguistic achievements of the poets and orators of the past — along with the traditions and customs they contain. But ultimately the cumulative weight of tradition becomes too great for memory, and writing is devised. Initially the scheme is haphazard, but over a long period it is refined to represent all the
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words in a language as faithfully as manageable, just as words, from of old, were devised to correspond to ideas. Recorded in books, the written word preserves what is too hard to remember or too important to risk forgetting, so that it can be passed on to posterity or taught and made intelligible, even for those who live in a distant land or time. 2.3.7. The formal study of language next arises, gradually, reflecting a passionate interest in the words found embedded in preserved specimens of poetry, oratory and tradition, and a desire to glean them from the discourse of eloquent speakers. In any nation, the purest linguistic materials upon which to found such studies are located among “the desert dwellers, who live in homes of wool or hair, in tents, wherever there is a sip of ground water”. They have never mingled with speakers of another language and have never heard a barbarous phrase or construction, let alone felt ready to twist their mouths around a foreign phrase (1969, 141—146). The Arabs afford a case in point, since some live in the deserts, while others inhabit the garrison cities that grew up after the Islamic conquest. City Arabs began to pursue language studies avidly in the second Islamic century, from around the year 90 (708) down to the year 2 00 (815), principally in Basra and Kufa. Nomadic Arabs were the informants, preferably, “those of the interior and those who were the wildest and wooliest (ashadduhum tawaḥḥushan wa-jafā’an), the most intractable and unfettered — Qays, Tamīm, Asad, Ṭayy, then Hudhayl. These were the bulk of the sources for the Arab tongue. From the rest, nothing was taken: They were from more marginal Arab lands, had mingled with other peoples and docilely adapted to the modes of expression used by the surrounding nations — Ethiopians, Indians, Persians, Syrians, Aramaeans, and Egyptians” (al-Fārābī 1969, 146 f). 2.3.8. The scholars of language master and record the diction and then the connected expressions, common and arcane, of their informants, finally concentrating on poetry and rhetoric. They base their theories empirically upon the collected material, comparing, drawing analogies, classifying, and formulating inductive rules. To express, learn and teach these rules it becomes necessary either to create new words from the phonetic resources of the language or to adapt old ones
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to new senses, ideally developing the abstract vocabulary of grammar by analogy with the senses of words already in use. With the development of this specialized usage, language becomes a technical subject that can be studied, taught, and explained in words. Professions emerge in rhetoric, poetry, philology (“the ability to preserve their traditions, poems, and narratives”), the “profession of linguistic science” (al Fārābī 1969, 148 f), and, once it becomes possible to discuss the signs used in writing, orthography. Rhetoric, as a persuasive art directed to the concerns of the masses, uses words in their first intention. Poetry uses imagination to evoke the same referents. The science of language itself uses words only in their primary intention: it does not refer to higher order ideas but to words as objects. For this reason, none of these ›popular‹ arts legitimately exerts leadership. To refer to signs which themselves refer only to sensory things might give an art a nominal precedence over first order discourse. But a chief who orders his subjects’ affairs for their material benefit or his own has only nominal, not real precedence to his subjects. Because his goal is of the same order as theirs, he is one of them in reality. And, for the same reason, the linguistic arts do not rise above the arts that use the object language: their ultimate concern goes no higher (al-Fārābī 1969, 148 f). So much for the still active notions of the moral authority of criticism, the metaphysical authority of linguistics, and spiritual authority of poetics. 2.3.9. A higher understanding arises when ›souls incline‹, after the development of the popular arts, “to grasp the causes of sensory things — on earth, above it and around it” (al Fārābī 1969, 151). We yearn to understand shapes, numbers, mirror images, colors. As a result, we learn the inadequacy rhetoric in disputes about reality and begin to disengage dialectic from sophistry and to give preference to dialectic, except perhaps as a defense against persecution (miḥna). Dialectic too falls short of certainty, but it continues to develop through its use in politics, as a supplement to rhetoric, becoming almost scientific (‛ilmī) ultimately and thus setting the stage for the emergence of a Plato: “it continues thus until the development of philosophy reaches the stage it was at in the time of Plato” (al-Fārābī 1969, 151). — Through dialectic the methodology of certitude is then rapidly established, as it was by Aristotle. The sciences are perfected, and the elite can learn
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and teach by demonstrative means. Dialectic, rhetoric and poetry remain accessible to all, but the latter two take on the special role of imparting to the masses practically or speculatively relevant beliefs and opinions, based on conceptual knowledge validated by proof. Using persuasion (rather than proof) a legislator can teach and discipline (yu’addibu) the masses, informing their thought and ethos, and aiding them in securing happiness, that is, their objective wellbeing, although, as masses, they have no articulate awareness of any interest higher than the material and no vocabulary in which to express such higher interests. Religion is the outcome of this process. Jurisprudence (fiqh) and kalām arise from the efforts of interpreters to develop and extend the ideas expressed by a religious lawgiver. But kalām readily acquires its apologetic role, defending received tradition against external polemic and internal critique. This popular function requires kalām to rely on the common, persuasive mode of argument and not rise to the apodeictic (al-Fārābī 1969, 150—153). 2.4. Symbol versus Idea 2.4.1. Now all of the foregoing describes the development of the rational arts when they arise in nations from the natural talents and interests of the people. “A religion based on a philosophy that has matured after the differentiation of all the rational arts in the manner and order we have laid down is solidly grounded in excellence” (al-Fārābī 1969, 153). But if philosophy in a nation has not yet become demonstrative and certain but still rests on rhetorical, dialectical or sophistical claims then the religion that develops may well be infected in whole or in large part with false beliefs, reflected in turn in false, misleading, ultimately corrupting imagery. The unsoundness is all the more insidious in that it is insensate. Taken as truth, delusions may form the basis of corrupt laws. Only sound philosophy can establish a sound society. But either religion or philosophy can be adopted and adapted from an external source. Suppose a religion is adopted by a nation that had no prior religion, perhaps improved, augmented or altered in the new host community, who are then governed by it, learn from it and form their ethos accordingly. Such a religion could take hold prior to the endemic development of philosophy in the host nation, even the primitive dialectical or sophistical
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philosophy. If the philosophy grounding the adopted religion is sound but expressed solely or largely in the language of parables, leaving tacit its apodeictic basis, the religious symbols will likely be mistaken for truth itself, and the subsequent importation of philosophy, even of the very philosophy upon which the acquired religion was founded, might well lead to dissension: “Philosophy would not be immune from opposition by that religion, whose adherents would attack and reject it. Advocates of philosophy would attack that religion, as long as they did not know that it comprised parables of philosophic matter” (al-Fārābī 1969, 155). Once they learned that the religion merely symbolized the contents of philosophy, philosophers would withdraw their opposition. But adherents of the religion, operating within the confines of imagination, and not grasping the conceptual meaning behind the imagery, would continue to oppose the seemingly alien philosophy. Philosophy and philosophers would never be allowed a role of leadership, so philosophy would not prove of much help to the religion, and philosophers might well be harmed grievously by its adherents (al-Fārābī 1969, 153 ff). The model seems intended to suggest the Islamic case: a religion founded on sound philosophy, but engaged on a broad front in unwitting, parricidal conflict with the apodeictic enterprise. 2.4.2. Suppose, by contrast, al-Fārābī proposes, that a nation has adopted a religion founded on corrupt philosophy and then imports sound demonstrative philosophy independently. The opposition between philosophy and religion will be total. Each will aspire to destroy the other; each will undercut the other and would obliterate all trace of the other from the people’s souls, should it gain victory. The importation of dialectic or sophistry to a nation with an established religion, well entrenched in the people’s hearts, would be detrimental to that religion, planting doubts and confusions in the minds of the believers, through the powers of these two trades to argue for or against any thesis. Accordingly lawgivers tend to oppose dialectic and sophistry stringently; and monarchs who take the role of protectors of religion, any religion, seek vigorously to restrain sophists and dialecticians and vehemently warn their subjects against them. — Towards philosophy policies vary: “Some rulers are friendly toward it, others tolerate it, others say nothing about it, others forbid it —
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either (a) because it is not customary in that nation for the unvarnished truth or matters of theory to be taught as they are but (in keeping with the natures of the people or a bias among them or against such studies) to seek to train the ethos through illustrations of the truth alone, or perhaps through actions and practices, practical means alone, not speculatively, or only minimally so, or (b) because the religion is backward and corrupt and pursues not the interest of the people but that of its introducer, who intends to exploit it. Such a figure dreads discovery by the nation, should they investigate philosophy, of the corruption of the creed he has striven to instill in their souls. Thus in every religion there is some quarrel with philosophy, and the art of apologetics (kalām) in each will be at odds with philosophy; its practitioners will oppose philosophy in the same measure that their religion does” (al-Fārābī 1969, 155 ff).
2.5. Coined and Imported Terminology 2.5.1. When a new religion arises new terminology is needed to express its legal principles (sharā’i‛). The founder can either invent or adapt terms or borrow them, relying on analogies, perhaps with an earlier scripturally founded tradition of legislation. If the new religion is imported in whole or part, the requisite terminology may be imported with it, needing adjustment only to the phonetic forms of the recipient nation. Similarly, the exponents of dialectic, sophistry, or philosophy, when these first arise, may either invent or adapt the requisite terminology, relying on semantic analogies. When philosophy is borrowed from another nation, its exponents must study the terminology of their foreign predecessors and devise their own, based on the notions found in common between the two nations. They use words commonplace in their own language, but now in new, technical senses. Or, if they find new ideas, unknown and unnamed in their own language, they can assign them names based on analogy. Ideally, the analogies are semantic/conceptual, based on similarities of reference, not on the words themselves. When no analogy can be found — “although this scarcely ever happens” (al Fārābī 1969, 156) — terms can be invented, either as new words formed from the letters of the recipient language, or as homonyms of existing words. Alternatively, foreign terms can be borrowed and adapted for ease of pronunciation. The new ideas will be quite exotic at first, if they have no counterpart or analogy in the recipient culture. But there will be no ›incommensurability‹.
3. Jewish and Islamic philosophy of language
The conceptual achievements of one nation’s philosophers are accessible to those of another via the same intellectual insight that originally devised them, transmissible by ordinary methods of instruction (al-Fārābī 1969, 156—159). In al-Fārābī’s nations, even when they are preliterate, Lucien Levy-Bruhl has not set foot, so language, in al-Fārābī’s theory, remains a tool rather than a cage. 2.5.2. “The philosophy found today among the Arabs was imported from the Greeks. Those who transposed it chose the methods we have mentioned in assigning names to its ideas. Yet we find that the pedants and dandies tried to express all of these in Arabic. The result was to breed equivocations, confounding, for example, the notions of matter and element by assigning to both the same Arabic word”, where retaining the Greek would have protected clarity. “Stoichos [element] is not called matter or hyle. But sometimes they used ‘hyle’ for it; and sometimes they used ‘‛unṣur’ in place of ‘hyle’. Few things were left with their Greek names” (alFārābī 1969, 159). — Technical vocabularies reliant on existing words can mislead because of the familiar connotations of their nontechnical senses. So some prefer new coinages. But for purposes of instruction terms developed by analogy are more effective than invented words. One need only take care not to confuse the technical, philosophic senses with the familiar ones. If we keep in mind the order of precedence of things and remember that what comes first to our knowledge might well be last in real terms, we should not have difficulty in ordering the diverse senses of terms, discovering which senses are primary, and avoiding confusions (al-Fārābī 1969, 157; 159 f).
3.
Saadiah Gaon
3.1. Life and Work 3.1.1. Saadiah Gaon (882 —942 ) was the founding figure of Hebrew grammar, lexicography, and scientific exegesis, translator of the Hebrew Bible into Arabic, and the first systematic philosopher of Judaism. Born in the Fayyūm region of Egypt, he rose to prominence by way of his learning not only in Rabbinic and Masoretic studies but in philosophy, cosmology, and the study of language and was selected as Gaon of the ancient
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Talmudic academy of Sura, relocated, by his time to the Islamic capital of Baghdad. After considering the poetics and hermeneutics Saadiah deployed to guide his exegesis, we shall briefly acknowledge Ibn Ṭufayl’s application of al-Fārābī’s theory of symbolic expression and then consider how the resultant theory was fused with Saadiah’s method by Maimonides to form a profound theory of religious language and how Ibn Khaldūn relied on the same Fārābīan theory in formulating his strikingly original philosophy of history and culture. 3.1.2. The Arabic grammatical tradition to which al-Fārābī refers was of deep import to Saadiah both in his grammatical work (Skoss 1955) and in the larger project of anchoring Biblical exegesis on sound philosophic footings. Saadiah was not the logician al-Fārābī was, but he was a creative philosopher, particularly insightful in any area touching psychology or phenomenology. His unrivalled Biblical learning allowed him not only to puzzle out hapax legomena but also to elucidate Biblical imagery with unprecedented clarity and consistency. His interest was not in the imagery for its own sake but as a vehicle of meaning. In translating scripture his regular practice is to resolve metaphors and other figures to their referential senses. In so doing he articulates an awareness of the structure and logic of Hebraic imagery which is far more explicit than a merely passive reading or calque. Using his immense store of Biblical and Rabbinic diction and usage, a ready willingness to draw analogies with Arabic and Aramaic cognates, and a keenly conceptual sense of tact, Saadiah enlivens Biblical images and Hebraisms which might readily have remained dead or colorless in a less activist reading. Where humdrum glossators read the Hebrew ‘hen’ transparently as ‘lo’, Saadiah sees it as a signal of the painting of a verbal picture, as in introducing Pharaoh’s dreams; he translates: ‘It was as if’. Saadiah knows what gossamer is and how the role of ‘goel’, ‘ger’ or ‘kohen’ parallels that of ‘walī’, ‘jār’ or ‘imām’. His naturalism renders him impatient of aggadic embroideries, his rationalism readily discovers connected arguments in the allusive rhetoric of scripture, his cosmopolitan outlook simply dismisses parochial claims. His exegesis is critical in that it employs a stated set of rules for evaluation of figurative discourse, thus placing Biblical narrative on the same level of seriousness that Biblical legislation had enjoyed since Rabbi
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Ishmael’s laying down the 13 rules of exegesis in the 2 nd century, or Hillel’s seven rules in the first pre-Christian century. 3.2. Saadiah’s Hermeneutics 3.2.1. As was traditional, Saadiah differentiates between the outward, apparent sense of words and a secondary, borrowed or derivative sense. He is chary of arbitrary or excessive interpretation, a favorite device of sectarians. His principal rule serves to control such abuse: The apparent sense of an expression is to be preferred — unless voided by reason, scientific knowledge, a rival text or authentic tradition. The table of exceptions vividly displays the tenor of Saadiah’s commitments: Scripture, as divinely inspired truth, must be congruent with Godgiven reason and the teachings of the senses, which are also vouched for by God. Further, Scripture is coherent internally. Each text is consistent with every other. The assumption is not conducive to a disentangling of diverse historic threads. But Saadiah’s purpose was not to unravel but to discover (or elicit) conceptual themes. Here his premise yields a powerful analytic tool. Every part of the canon may elucidate any other, enlivening the poetry which is the scriptural vehicle of concept and argument. The Rabbinic technique of citing prooftexts is refined into a grid of critical exegesis, by which every proposed figurative reading must be justified by a scriptural parallel in which context excludes the apparent sense and determines the proposed one. Finally, the continuous tradition of Rabbinic learning (when undisturbed by alien incursions, apologetics, or arbitrary caprices) is itself coherent with the scriptural thematic and therefore capable of demanding the recess of literalism. 3.2.2. Allegories, symbols, allusions had long been found in Hebrew scripture. A chief bone of contention between the Sadducees and Pharisees had been the Pharisees’ penchant for finding allusions to an afterlife in Biblical phrases that seemed innocent of any such notion. It was Resh Lakish, the third century gladiator turned amorah and aggadist, who argued that sin, death and the ›saṭan‹ were one and the same and that Job was a fictional exemplum. The Aramaic Targumim (translations) of the Bible (2 nd century) pioneered in deanthropomorphising the text in periphrastic glosses. And the Midrash founds its hom-
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iletic discourse on an elaborate tissue of allegory. But prior to Saadiah it had not seemed relevant to define systematically the ontic status of that allegoric world vis a vis the world spoken of directly in the sacred text, answering at length the questions engendered by the Biblical claim to universal truth: what was history, nature, reality — what was imagery? How did figurative usage bespeak fact, and where was it pure fiction or mere embellishment? Saadiah’s poetics made possible a systematic answer to such questions and provided the methodic by which they could continue to be answered even when his own scientific views had faded or the cosmologies familiar in his time had been exploded. It is of particular relevance to our present concern with language that the means by which Saadiah rectified a world view and provided for the construction of subsequent world views long after his own time was hermeneutical. The hierarchy of precedence and collaboration among seemingly rival senses or stories by which Saadiah integrated the natural, divine and symbolic worlds rested on his achievements in marshalling the figurative usages of Scripture and demonstrating that ultimately referential senses could be found for every scriptural usage: none must be consigned to a pure realm of ›poetic‹ virtuality without external reference, once each was properly unfolded. 3.2.3. Saadiah’s exegetical tool chest includes semantic, syntactic, etymologic, idiomatic, phonetic and morphological principles. Citing prooftexts, he will demonstrate the possibility of consonantal shifts (e. g. ‘l’ to ‘n’), transpositions, morphologic variants, semantic nuances, and idiomatic implications. Using the Talmud and the Targumim as quarries and drawing on a rich Arabic vocabulary, Saadiah can find cognates for roots and parallels for usages which vastly enhance his semantic reach. But it is in the realm of figurative usage that Saadiah finds the richest ore. In the course of his commentary on Job (Saadiah 1988) he analyzes over sixty figures of thought and speech and a dozen more types of syntactical and morphological shift. All require taking the words of Scripture in senses other than the apparent. Almost never does Saadiah introduce technical names for these devices; he tends simply to explain their function and demonstrate their occurrence in Biblical parallels. But his perhaps circumlocutious method has the advantage of demanding precise analysis rather than the somewhat fuzzy
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reference that technical names of figurative usages tend to acquire. He follows the exact semantic contours of each Hebrew figure, rather than imposing a preconceived scheme. 3.2.4. An artifact of Saadiah’s method is the tendency to treat all figurative language as idiomatic. Since usage is the standard, established texts must vouch for the authenticity of a figure, and unique figures become as problematic semantically as hapax legomena are etymologically. The values canonized by the method are near diametrical opposites to those, say, of al-Hamadhānī, a literary dandy who prizes coinages in proportion to their rarity and assays a poet’s art in his leverage in giving currency to unique expressions. — In Saadiah’s translations metaphors are resolved to similes and similes to comparisons, with the tertio comparationis stated explicitly. Ironies, rhetorical questions and opening gambits resolve to asseverations. Every indirection becomes candid, and a prose sense is found behind every poetic expression, much as Aristotle’s philosophy seeks to resolve Plato into prose. The great difference is that where Aristotle finds myths or symbols in Plato which his philosophy is unable to resolve, he usually attempts to replace or reject them. Saadiah will take no such liberties with Scripture. So, despite his serious commitment to deanthropomorphizing the scriptural sense, a tendency to reify lingers within the Gaon’s exegesis. He finds a concrete referent, for example, for the scriptural ‘glory’, the ›created glory‹, as he calls it, to make clear that it is no hypostasis or distinct divine person but only a persona by which God manifests Himself. Similarly with the ›light sown for the righteous‹ in the Hereafter. Despite Saadiah’s naturalism and his aliveness to poetics, the Biblical symbolism is not resolved completely, and objects are reified which we can honestly say were unknown to the prophetic poets. It is left to Maimonides to deploy Saadiah’s own sensitivity to the subjective, creating an alternative to the supernal light and created glory by developing a phenomenology of prophetic experience which brings down the experientially (and therefore finite) numinous definitively on the side of subjectivity. But to achieve this precipitation, which cleanses divine transcendence of the projective (and therefore anthropomorphized) human notions of glory, Maimonides must rely on al-Fārābī’s theory of prophetic imagination and of popular culture as a culture of concrete imagination; and specifically,
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on the application of that theory by Ibn Ṭufayl.
4.
Ibn Tufayl
4.1. Language as Vehicle and Obstacle 4.1.1. Ibn Tufayl (ca. 1100—1185) follows in the tradition of Ibn Bājjah, his Andalusian predecessor, who had lost Plato’s hope and al-Fārābī’s wish that philosophers might one day govern. Ibn Bājjah saw intellectual freedom and ultimate fulfillment in withdrawal from the institutions of religion and the state. Ibn Tufayl carried further the ancient prompting of meditative philosophy towards contemplative withdrawal, idealizing the purity of rational inquiry and mystical insight, conceived as accessible to individuals, not through but in spite of cultural institutions and social, even biological ties. Language, as the vehicle of social discourse and link with the empiric world, was not essentially a help in our quest for ultimate felicity, and Ibn Ṭufayl’s fictive hero, Ḥayy Ibn Yaqẓān discovers the truth about nature, the cosmos, God’s unity, ultimacy and necessity, even man’s near-divinity, without benefit of language, culture, parents or institutions. 4.1.2. Language, Ibn Ṭufayl reasoned, is naturally a vehicle of prejudice. The theory bears comparison with modern linguistic relativism and determinism. But Ibn Ṭufayl thought that the biases of language could be overcome by reason. His depreciation of language was not the distillate of a prior discovery of the relativity of human thought — although allied ideas were accessible to him in the work of his admired Eastern predecessor al-Ghazālī — but rather reflected the traditional dichotomy between thought and language addressed by the Ikhwān. Pure gnosis, in Ibn Ṭufayl’s neoplatonic thinking, is sufficient to guarantee the authenticity of insight, even if such prosaic notions as that of identity and difference must be left behind in the empiric world (Ibn Ṭufayl 1983, 154 f). The prejudice of language, in Ibn Tufayl’s view, was not mere arbitrariness. It was not that languages simply guess among various positions and might as easily guess right as wrong. Nor was it that differences among linguistic categorizations undercut the very notion of a right or wrong way to organize the universe. Rather, the difficulty was a systematic and predictable bias
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of language toward the world of sensory objects and appetites. The bias was predicted by al-Fārābī when he spoke of the rootedness of language in sensory designata. Yet it could be overcome, although systemic and constitutive in all languages. For thought does not depend on language or even on imagination, but can make language rise above its sensory reference, as al-Fārābī had proposed. The systematic dependence of language upon imagery and of imagery on sensory reference, Ibn Ṭufayl found, could be used rhetorically to free language, if not to follow thought then at least to point the direction in which thought had gone: away from the crude and crass attachments of this world and toward the pure and intellectual, the oneness of the Absolute (Ibn Ṭufayl 1983, 163 f). Language, imagery, even culture, was not the real enemy. These are aids to ordinary men, suggesting higher ideas by way of symbols, practical and poetic. The rituals and myths of Scripture convey our minimal obligations through laws, which are, as Plato and al-Fārābī had seen clearly, another way of rendering the ideal concrete for the ordinary mind. Symbols become an obstacle only when they lose transparency and are taken for the truth itself; laws become a hindrance only when their minimalism is lost sight of and obedience is mistaken for moral sufficiency (Ibn Tufayl 1983, 161—164). For laws too have an opacity, when the means to virtue are taken for virtue itself, and moral virtue is taken for the end rather than a means to the end of ultimate felicity. Language is a passive tool in all this, not neutral, but not fatal either. Wisdom fulfills itself by cutting clear of it.
5.
Maimonides
5.1. Deconstructing Anthropomorphism 5.1.1. Jurist, physician, and philosopher of religious language, Maimonides (1135—12 04) followed al-Fārābī and Ibn Tufayl in their Platonic accounts of prophecy as an imaginative bridge from the conceptual discoveries of philosophy to the pictorial thinking of ordinary men, and he followed Aristotle (Metaphysica I 9, 991 a 2 0—2 2 ) in the belief that poetic imagery which cannot be resolved must be rejected: Thus he was prepared to ›allegorize away‹ any apparent sense of Scripture that could not be squared with reason. This will entail abandonment of all efforts to de-
scribe God, since all attempts to give definition to the Infinite are irreducibly poetic. But Maimonides does not believe that language can denote only by describing. Rather he unfolds a highly precise and specific linguistic system of negative theology, deconstructing the imagery of scripture by developing Ibn Ṭufayl’s tacit suggestion that religious impulses can be oriented dialectically, by the extent and character of their departure from the familiar sensory predicates of ordinary experience. 5.1.2. All common predicates, Maimonides argues, are universals derived from sense experience. But God, as a necessary being, is unique and beyond sensory experience or any other finite intuition. There can be, therefore, no positive description of God, and all talk of God, whether in ordinary discourse, Rabbinic allegory or Scriptural poetry, can have no literal sense in the familiar ostensive or descriptive (thus finitizing) acceptations of the idea of meaning. When Maimonides echoes the Rabbinic dictum, “Great is the boldness of the prophets who liken the creature to its Creator” (cf. Guide I, 46), he has in mind the transcendence of God beyond finitude and the inadequacy of language to describe the Infinite. Organizing Scriptural predications by the empiric method Saadiah had employed, Maimonides discovers a hierarchy from the sensuous to the intellectual/transcendent. Biblical words like ‘form’ show a systematic range of senses, from the sensory to the imaginative, to the conceptual. The spectrum is Platonic, with the most purely intellectual senses pointing the way to absoluteness and the pure simplicity of the Necessary Being. Any language applied to God is to be taken in the highest conceivable sense. Thus God’s ›sitting at the flood‹ alludes to His ontic stability; God’s notorious ›jealousy‹ alludes to His exclusivity. R. Judan in the Midrash had called out the Scriptural references to divine wisdom and design as anthropomorphisms on a par with describing God in physical terms, and Maimonides now argued that compassion is as anthropomorphic a notion as corporeality: To assign any real predicate to God, thus limiting His nature and compromising His unity, was on a par with polytheism and a more grievous departure from truth (›more hateful to God‹, in scriptural idiom) than idolatry. All Biblical language that makes reference to God operates by license of prophetic exigency and does not describe but only excludes broader or
3. Jewish and Islamic philosophy of language
narrower ranges of finitude or privation. Only the tetragrammaton refers to God truthfully in its primary and proper sense, and that is not to designate a finite or recurrent character but to express necessity and self-sufficiency, as Maimonides infers, following Exodus (3: 14). All other expressions only point to infinite perfection by proximately denoting what would be finite and specialized perfections for us, or by excluding imperfections whose inappositeness to divinity we may not have considered (Maimonides Guide I, 46—63; L. E. Goodman 1976, 52—119).
6.
The philosophical thrust of the tradition
If there is a moral here in the achievement of Maimonides and the traditions he synthesizes, I think it lies in the ray of light the JudaeoIslamic tradition shines on a fissure and possible avenue of escape from the tyranny of ordinary language (L. E. Goodman, 1988 a). Avicenna (Ibn Sīnā 980—1037) led the way with his powerful, ultimately Biblically inspired analysis of the verb ‘to be’: Being, as spoken of in ordinary language, is contingent. But that is because ordinary beings are finite. If belief in rational explanation is to be maintained, then finite beings presuppose an Absolute and Infinite Author, Source, Ground, Cause or Creator, counterpart to the contingency of creation (Ibn Sīnā 1951, 2 5). The language of creation will not be applicable properly to such a Being. Where Humeans would argue that all existential propositions are synthetic and that a necessary Being is therefore inevitably a contradiction in terms, the Judaeo-Islamic tradition, in a mingled and muted but still coherent voice answers that the thesis that all existential propositions are synthetic derives its plausibility from inductive sampling of existential propositions about finite and thus contingent entities. It is custom in Hume that grounds causal and moral thinking, the natural and the social order. And for that reason Hume relied on the familiar, contingent sense of the verb ‘to be’ and projected its usage from customary language, the bastion of familiarity and tradition, his repository of value and authority, onto the extraordinary realm in which our daily usage and experience hold no sway. Similarly, as Maimonides, following al-Ghazālī (1058—1111), is keenly aware, the neoplatonic Aristotelians who denied creation gave color of rigor to their arguments by projecting their analysis of time (it always has
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a before and after), causality (cause and effect are correlatives), potentiality (it presupposes a material substrate) onto a realm of which we have no experience and in which the premises of our familiar discourse are out of place. The problem was one of projecting the categories and assumptions of ordinary usage upon a realm far beyond that of their origin, having first secured the supposition of the universal adequacy of their application by way of the seemingly innocent analysis of language. Hume, who is the founder of our traditions of analysis, was a past master of this sleight of hand. It lays the basis of his celebrated critique of causality (A does not imply B because A and B are distinct events) and of his equally celebrated insistence on the ‘is/ought’-dichotomy (‘is’-propositions cannot imply ‘ought’-propositions because they say different sorts of things); it lays out the lines on which all the subsequent bulwarks of reductive metaphysics will be built, buttressed against the confining chambers of logical atomism (L. E. Goodman 1988 b). Ordinary usage (as al-Fārābī’s analysis makes clear) expresses facts and needs. It must sharply distinguish the two. But extraordinary usage, in poets, philosophers and prophets, expresses the unity of being with perfection and marks the ethical path not as one of divergence from or conformance to facticity but as one in which finite beings achieve or realize the actuality of their being. Ordinary usage sharply demarcates each being from its cause — not to imply their isolation but to discriminate their roles! Extraordinary usage, in mystics, monists and speculative metaphysicians, marks the unity or symbiosis of all causes and effects in an interactive system which allows distinctions but no real discontinuities. Ordinary usage (to choose two of Aristotle’s clearest abuses of the authority of ordinary language) speaks of ‘place’ as the finite boundary of a body and of species as discrete and invariant. But human thought can express itself in an extraordinary usage which speaks of space instead of place and can recognize — as it does in Darwin or in Genesis — the possibility of evolution or creation.
7.
Ibn Khaldūn
7.1. Language as a Cultural Artifact 7.1.1. Ibn Khaldūn (1332 —1406), the great theorist of civilization, looks back on the achievement of medieval Arabic linguistic
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theory and caps the work of his predecessors in much the way that the similarly encyclopedic Ikhwān al-Ṣafā’ introduce that work and achievement. He sees language as a necessary basis of social cooperation and cites the speech of Mobedhan before Bahram, from al-Mas‛ūdī: sovereignty and religion are interdependent, both need men, and men need property, which comes only from development (‛imāra). Development, civil and agricultural, depends on justice; and the cooperation upon which the entire system rests is not possible without language (Ibn Khaldūn n. d., 39; Rosenthal, 1.79 f). Ibn Khaldūn’s special interest in language is evinced by his devising his own system of transliteration to represent Berber names more faithfully than Arabic does (Ibn Khaldūn 34; Rosenthal 1.66). Yet he regards linguistic sciences as ancillary. They rely for their raison d’etre on the need to preserve and interpret sacred texts, and they tend to become overdeveloped, over-technical and somewhat decadent, an idle pastime, when language is treated as an object of study in its own right (Ibn Khaldūn, 537; Rosenthal 3.2 99). Pettish oversensitivity to matters of grammar and undersensitivity to matters of fact and laws of nature led some readers of the Qur‘ān to believe the most outlandish tales, as, for example, of the fabulous city of Iram (Ibn Khaldūn, 14 f; Rosenthal 1.25—28). 7.1.2. Native speakers of Arabic needed no formal linguistic training. But non-Arabs among the sedentary people of the garrison cities in Iraq developed linguistic sciences and became proficient in them because they had to labor to acquire their mastery of Arabic. To a great degree it came to them through books rather than viva voce (Ibn Khaldūn, 537—545, cf. 452 ; Rosenthal 3.2 98—319, cf. 3.2 0). — As in many other areas, Ibn Khaldūn adopts a somewhat more critical stance about questions of linguistic purity and originality than do many other writers. He accepts the traditional view that the tribes of inner Arabia represented the purest standard of Arabic, the closer to Quraysh, the tribe of Muḥammad, the better. The tribes of the periphery were not consulted by grammarians because their usage was barbarized by contacts with Persians, Abyssinians, Byzantines and Europeans. But it was the language of the interior, the language of the Mudar tribes, Ibn Khaldūn points out, that was most altered in the diaspora that resulted from the Islamic conquests. Dialects and languages
I. Raum-zeitliche Übersichten
shift and split, he argues, basing his claims on phonetic as well as semantic differences. No one can say that the Arabic of the tribes today is the original form of the language, although it is the least disturbed by foreign influences and probably the closest to the language of the Prophet. It is excessive to claim that city folk mispronounce the letter ‘q’ by making it almost guttural, as some Shī‛tes claim who wish to follow Beduin pronunciation. But it is at least as foolish to reject the Beduin pronunciation (further forward on the soft palate, between ‘q’ and ‘k’). The Beduins preserve what is most likely the old sound. But both the city and the Beduin pronunciations stem from the same (Mudar) source, and both are versions of the same sound: They do not represent different letters (Rosenthal 3.347—5 2 ). Today’s Arabic, whether in the cities or in Beduin camps, is a different language from the Mudar of the Prophet in the same way that Mudar was a different language from Ḥimyarite. So no one should heed the pedants and purists who mourn the loss of the case endings. Grammarians built up the linguistic sciences to preserve the language of the Qur’ān and traditions, but they had no exigent need to develop corresponding sciences of contemporary Arabic: “Perhaps if we smoked out our present day Arabic language, studied its principles empirically, we would find the equivalents in new laws specific to it, which compensate for the loss of the case endings” (Ibn Khaldūn, 557; Rosenthal 3.347).
For the order and connection of words clearly convey much of the information once given in the case endings. “The endings may follow a different pattern from the old one in the language of Mudar. But languages and their habits of usage are not simply haphazard” (Ibn Khaldūn, 555—559 with 546; Rosenthal 3.345—353 with 321). 7.2. The Linguistic Sciences 7.2.1. Ibn Khaldūn delineates four linguistic sciences: that of grammar; that of diction, i. e., lexicography; that of composition; and that of literature. Language, he writes “from the point of view of the communicator, is a speaker’s expression of what he intends. Such expression is the task of the tongue, and it must be acquired as a habit, by repetition in the organ responsible, the tongue in the case of speech [sc., or the hand in the case of writing, but Ibn Khaldūn is emphatic in assigning primacy to the tongue]; in
3. Jewish and Islamic philosophy of language
every nation the habit is laid down in accordance with their own idiom” (Ibn Khaldūn, 546; Rosenthal 3.320 f).
The Arabs, it was said, had their language by nature. What this means is that they learned Arabic by imitation, while other nations learned it from them (Ibn Khaldūn, 554 f; Rosenthal 3.342 f). One who studies classical models and has some taste and sensitivity for linguistic values can learn to express himself in classic style. But language in all its forms is a matter of habit and therefore of practice, not of theory. Many people speak fine Arabic while knowing nothing of formal grammatical rules, and some learn all the rules yet can only embarrass themselves if called upon to write a brief letter to a friend or a petition for redress, just as a man who knows the principles of carpentry or tailoring may find himself all thumbs, despite his excellent discourses on such subjects, when called upon to sew or saw (Ibn Khaldūn, 559 ff; Rosenthal 3.353—58). The linguistic facility of the Arabs is uniquely developed for clarity and explicitness because Arabic can signify a variety of ideas without extra words — by syntactic governance, for example in the construct case, and by the letters that change verbs into substantives. “Other languages need a new word to signify every idea or state of affairs. That is why we find foreigners more prolix than Arabs, and that is what the Prophet meant in saying, ‘I was sent with comprehensive words and the gift to speak concisely’” (Ibn Khaldūn, 546; Rosenthal 3.321).
7.2.2. No formal art was needed to establish linguistic concision and precision in the early Arab days since people learned by imitation, as children do today. But when the Arabs set out for empire with the coming of Islam, they mingled with foreign peoples and picked up the barbarisms of the Arabized, “because hearing founds the habits of the tongue” (Ibn Khaldūn, 545 ff). Fearing linguistic decay and eventual transformation of the Qur’ān and ḥadīth into closed books, scholars devised rules to regulate usage. These were based on generalizations and schemes of classification drawn from the flow of usage, as universals are abstracted by induction. They gave the name ‘inflection’ to the phonetic shifts which modulate meanings; the word that governs such a shift was called an ‘operator’. As they proliferated technical terminology, they transformed their study into the specialist discipline of grammar. Grammar is the most im-
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portant linguistic science because it is the most crucial in determining meaning — differentiating subject from object or complement, for example. Tracking the slight but critical shifts of syntax is a far more sensitive task than that of lexicography, because the semantic dimension of language is far more stable: Words retain their sense semantically through most syntactic shifts, even when such changes utterly transform the relations they stand in (Ibn Khaldūn, 545 ff; Rosenthal 3.319—25). 7.2.3. The science of diction addresses the senses assigned to words. Again its original raison d’etre was conservative. Its methods are technical and systematic: al-Farāhīdī (died 786), the pioneer lexicographer, actually used the theory of permutations to calculate the possible combinations of 2 , 3, 4 and 5 root consonants. (The usual Semitic root, of course, has three.) Organizing his material not according to the familiar alphabet, but phonetically, by the position of each letter in the mouth, from laryngeals, to velars, to dentals and labials, he then sought to determine the range of actual word formations. Later workers found it necessary to complete, but also to abridge al-Farāhīdī’s Kitābu ’l-‛Ayn for ease of memorization, omitting obsolete words and occurrences. They also adopted the alphabetic mode of ordering entries (Ibn Khaldūn, 548 ff; Rosenthal 3.32 5—32 8). The celebrated Mu‛tazilite exegete al-Zamakhsharī (died 1144) expanded the range of the science by cataloguing comprehensively the metaphoric usages of Arabic, much in the manner of Saadiah, whose theology was also Mu‛tazilite in flavor: As exegetes whose glosses anchored controversial points of theology, the two understandably founded their hermeneutics on empiric surveys of usage. This is the method Ibn Khaldūn approves. Scholars can easily discount al-Zamakhsharī’s Mu‛tazilism, he argues, but will gain much from his comprehensiveness (see F. E. Peters 1973, 2 2 4 ff). — Ibn Khaldūn’s pragmatism does not leave room for al-Fārābī’s type of speculation about the origination of words by analogical reasoning, and his interest in diction does not parallel al-Fārābī’s fascination with the process of borrowing and adaptation of foreign terms and meanings. He argues, as Saadiah does, that it is not enough simply to know the semantic base or root meaning of words if one wishes to use an expression in context: The usage of the Arabs
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(Saadiah speaks identically of the usage of the Hebrews) must attest the particular sense intended. This is especially important for the man of letters (al-’adīb). The point is not to establish that the Arabs (sc., Beduins) invented a given usage; there is no evidence of that, and it is unlikely that they did. The model of the Arabs is a standard of pure usage, not a key to some ur-meaning. We cannot simply deduce meanings a priori from what analogy seems to require: usage is the sole standard, unless one enters a technical realm like law, which has its own rules of inclusion and exclusion governing the reference of terms, e. g., that the prohibition of wine includes the fermented juice of dates (Ibn Khaldūn, 550; Rosenthal 3.331 f). 7.2.4. To be Arabic at all, an expression must be fully articulate and explicit, using the full range of semantic and syntactic signs to specify its referent and all the intended relations and properties thereof. But Arabic is expressively rich (wasī’), not merely precise in diction and inflection. It uses word order and other signs to establish emphasis, precedence, insistence and other modal distinctions. It can be terse or expansive, sententious, periphrastic or indirect. The science of rhetoric (‛ilm al-balāgha) concerns the adequate expression of nuance. It is a branch of composition in the broad sense. But composition proper (‛ilm al-bayān) is narrower than composition in the broad sense and goes further: to the connotative dimensions of language — metaphor, metonymy and the like. This we would call poetics. Added to these as the third element of composition in its broad sense is the matter of ornament — the use of rhyme (saj‛) punctuationally in prose, and of word play (tajnīs) to point up parallels and other coordinate relations. Allusion suggests an unstated meaning. Antithesis points up contrasts. All the embellishments come under the heading of style (badī‛). Thus in composition, beyond the requirements of semantic and syntactic explicitness, we consider rhetoric, which modulates the articulacy of language; poetics, which concerns figurative usage and again adds semantic value; and style, which may seem a luxury but which makes language an art and without which the higher forms of expression cannot be understood. Indeed the analysis of rhetoric and style is the key to alZamakhsharī’s exegesis of the Qur’ān and the only way of apprehending the inimitability of its language, in which the miracle of the rev-
I. Raum-zeitliche Übersichten
elation can be apprehended by all with the taste and sensitivity to recognize greatness in Arabic expression (Ibn Khaldūn, 550—553; Rosenthal 3.332—39). 7.2.5. The science of literature “has no subject of its own whose characteristics might be affirmed or denied in theories. Its sole object for the students of our language is its fruit, which is excellence in the arts of poetry and prose, with the fashion and elan of the Arabs” (Rosenthal 3.339 f). It is to this end that students of literature “collect the speech of the Arabs: poetry of the highest type and rhymed prose of equal quality, points of diction and grammar scattered through them in dispersed occurrences” (Rosenthal 3.339 f). From these a student can generally glean most of the principles that govern Arabic expression. But it is not enough simply to memorize. One must also grasp the reference of the ancient songs and stories to the Battle Days of the Arabs, their lineages and traditions. It is only by giving precedence to sense that linguistic skills are perfected. For this reason scholars defined the discipline by saying, “Literature is the preservation of the lays and lore of the Arabs, taking a bit from every science” (Rosenthal 3.339 f). Ibn Khaldūn explains: “They meant, from the sciences of language and religious law, strictly in terms of the materials they provide for studies of Qur’ān and ḥadīth. For there was no entry of other sciences into Arabic speech until modern aficionados of style began to incorporate scientific allusions into their poetry and prose” (Ibn Khaldūn, 553; Rosenthal 3.339 f).
7.3. Language and History 7.3.1. The great value of al-Zamakhsharī’s poetics for Ibn Khaldūn, parallel to Saadiah’s for Maimonides, is that its analyses of figurative language allow him to discern a thematic behind the indirections of Scripture; in Ibn Khaldūn’s case, in the highly allusive and elliptical (Wansbrough 1977) usage of the Qur’an. The project in both cases remains Fārābīan. Maimonides bases even his distinction between divine and human laws on alFārābī’s trenchant remark that a ruler who legislates only for material welfare, his own or that of others, does not rise beyond the level of the mass. A divine law, Maimonides argues, would provide not only for the common weal (by civil and criminal legislation, the minimal requirements of social cooperation, as in Ibn Ṭufayl) but also for moral
3. Jewish and Islamic philosophy of language
betterment and intellectual awakening, as in Plato’s ideal law. 7.3.2. In Ibn Khaldūn the central subject is not law but history. But the Fārābīan philosophy of language remains the foundation. Tribes are the primitive human groups, held together by ‛aṣabiyya, the zeal, nerve, identification, that renders individuals willing to fight and risk death for someone other than themselves. Empire is the goal of tribal spirit, leading to the efflorescence of civilization, the gradual loss of tribal virtues, decadence, decline, and succumbing to a new wave of tribal conquest. This is the pattern of history according to Ibn Khaldūn, divinely ordained and unchangeable. Tribal ‛aṣabiyya is its engine. But ‛aṣabiyya at the tribal level can achieve nothing and would remain mired in petty feuding unless it were suffused by an idea. The sublimation of ‛aṣabiyya by the universal values of a religion renders tribal energies coherent, integrated, historically significant (L. E. Goodman 1972 ). Yet tribes are not philosophers. Language, the symbolic language of prophecy, is the vehicle in the sublimation of ‛aṣabiyya. The written and spoken word channel the energies of construction and destruction, and, as in the couplet cited by the Ikhwān al-Ṣafā’, direct the hand behind the sword.
8.
Selected references
Some pertinent sources not already cited above: Anawati 1979, La Notion d’al-Wujūd (Existence) dans le Kitāb al-Ḥudūd d’al-Fārābī, in Actas del V Congreso Internacional de Filosofia Medieval, 1. Bernand 1985, ’Uṣūl al Fiqh through a Manuscript of al-Gaṣṣās, in Journal of the American Oriental Society 105. This legal theorist (died 980) developed an original theory of discourse as used in sacred law, partly under Stoic influence. Al-Fārābī 1938, Fī ‛Aql (De Intellectu), Bouyges
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(ed.). Al-Ghazālī, M aqāṣid al-Falāsifa, S. Dunya; no date. Graham 1965, Being in linguistics and philosophy, in Foundations of Language 1; and the response of F. Shehadi, Arabic and the concept of being, in Essays on Islamic Philosophy and Science Hourani (ed.), 1975. Halevi 1964, Kitāb al-Radd wa-’l-Dalīl fī’l-Dīn alDhalīl (Al-Kitāb al-Khazarī), Baneth (ed.) (tr. as The Kuzari, An Argument for the Faith of Israel). Halevi was one of the greatest of the post-Biblical Hebrew poets, and the particularities of language, culture, and sacred geography have a notable place in his philosophy. Kraemer 1986, Philosophy in the Renaissance of Islam: Abū Sulaymān al-Sijistānī and his Circle. Pages 149—165 deal with logic and language. Madkour 1969, L’Organon d’Aristote dans le M onde Arabe. Rabin/Khalafallah/Fück/Gibb/Wehr/Fleisch/Marçais et al. 1960, ‛Arabiyya, in Encyclopedia of Islam 1. A general survey of Arabic language and literature. Rachid 1978, Dieu et l’être selon Al-Fārābī: le chapitre de ‘l’être’ dans le Livre des Lettres, in Dieu et l’être: Exégèses d’Exode 3, 14 et de Coran 20,11— 24. Shehadi 1969, Arabic and ‘To Be’ in The Verb ‘Be’ and its Synonyms. Weiss 1974, Medieval Muslim Discussions of the origin of language in Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft 12 4; see also his: Subject and predicate in the thinking of the Arabic philologists, in Journal of the American Oriental Society 105, 1985. Zimmermann 1972 , Some observations on al-Fārābī and logical tradition, in Islamic Philosophy and the Classical Tradition (Essays Presented to Richard Walzer), Stern/Hourani/Brown (ed.). Note on transliteration For Arabic words the international system of transliteration has been used, cf. art. no 19.
Lenn E. Goodman, Honolulu, Hawai (USA)
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4. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1.
I. Raum-zeitliche Übersichten
Sprachphilosophie in der Scholastik Einleitung Vom Scholion zur Scholastik Chronologie, Perioden, Quellen Scholastische Bedeutungslehre bis einschließlich Anselm Anfänge der Theorie der proprietates terminorum Hoch- und Spätscholastik: Semantik der Terme versus Semantik der Propositionen Zusammenfassung, Überblick, Ausblick Literatur in Auswahl
Einleitung
1.1. Vorbemerkung Die philosophische Auseinandersetzung mit der Sprache, mit Sprachlichem in sehr verschiedenen Hinsichten ist im europäischen Mittelalter vom Beginn an aufs engste mit der Logik (im weiten Sinne des Triviums von Grammatik, Rhetorik und Logik) verknüpft. ›Sprachphilosophie‹ erscheint auf der Bühne des abendländisch-mittelalterlichen Denkens hauptsächlich und zunächst in Verbindung mit Logik, sie wird als philosophische Semantik und Grammatik, als Bedeutungslehre also, sowie als Erörterung damit zusammenhängender mentaler Phänomene (Lewry 1981, 94—98; Marenbon 1981, 12 —2 9; Ebbesen 1982 , 101 ff) betrieben. Diese philosophische Sprachtheorie der Mittelzeit (im Sinne von Pinborg 1967, 9—16) hat ihren Ausgangspunkt in der Interpretation der aristotelischperipatetischen Texte der sog. ›Logica vetus‹ (Pinborg 1972 , 16—2 1), d. h. sie verdankt ihre Entstehung und Entwicklung dem ›Lehrplan‹ (sowie besonders den Schul- und Textbüchern des Triviums) jener Schulen, aus welchen die Universitäten hervorgehen werden. In engem Anschluß an approbierte Texte erfolgt die philosophische Lehre und Forschung hier vor allem als Textanalyse und -interpretation. Struktur und Grundbegriffe eines (autoritativen) Textes müssen geklärt, von vermeintlichen Widersprüchen befreit werden. Die Entfaltung der sich daraus ergebenden Reflexion auf das implizite semantische Fundament ist dadurch gekennzeichnet, daß sich ein von konkreten, individuellen Gegenständen ausgehender Aristotelismus gegenüber den platonisierenden Deutungen der Logica vetus mehr und mehr durchsetzt. 1.2. Wichtige Marksteine bzw. Phasen dieser
Entwicklung sind: (a) die Übersetzungen, Kommentare und logisch-semantischen Monographien von Boethius (vgl. 4.2 .); (b) das monumentale Werk der lateinischen Grammatik, die Institutiones grammaticae von Priscian (6. Jh.); (c) eine erste ›Aristotelisierung‹ dieser Grammatik und der von ihr beeinflußten Bedeutungslehre im 11. Jahrhundert; (d) die Wiederentdeckung des gesamten aristotelischen Organons in der Zeit Peter Abaelards (1079—1142 ) (s. Art. 2 0); (e) die sichtlich zunehmende Bevorzugung des extensionalen Gesichtspunktes (Benennung (appellatio); denotativer Bezug auf Individuen) gegenüber dem intensional-konnotativen (Bezeichnung (significatio); Bezug auf Universalien; später bevorzugt intensional gedeutetes Stehen-für (suppositio)) in der Bedeutungslehre von der Zeit der Terministen (12 . Jh.) an (s. Art. 40); (f) die streng aristotelische Wissenschaftsauffassung durch Albertus Magnus (ca. 1193—12 80), Thomas Aquinas (12 2 5— 12 74) und z. B. Boethius von Dänemark (floruit 12 75—12 77); (g) die Unterscheidung zwischen grammatischer und logischer Form von Aussagen schon bei Anselm von Canterbury (1033—1109) einerseits, sowie (h) von sprachlicher Form (secundum formam loquendi) und Wirklichkeit (secundum rem) spätestens seit Wilhelm von Ockham (ca. 12 85—1347) andererseits (s. Art. 2 1), obgleich (i) das nicht schwindende Schwanken vieler Scholastiker zwischen den Bereichen der appellativen Denotation (Benennung von realiter existierenden Individuen) und der signifikativen Konnotation (Bezeichnung von Universalien) und (j) ihr gemeinsames Festhalten am peripatetischen Substanz-Begriff die Ausbildung einer Bedeutungslehre als einer konsequenten semantischen Theorie verhindert. 1.3. ‘Scholastik’ und ‘scholastisch’ sind treffende Beinamen für philosophische Erzeugnisse und Philosophen (besonders der Frühzeit) dieser Periode, da sie häufig und typisch als Kommentare/Kommentatoren von Textund Lehrbüchern des Triviums in Erscheinung treten. Scholastik in diesem Sinne ist indes keine Schöpfung des europäischen Mittelalters; bereits seit dem 2 . nachchristlichen Jahrhundert erreicht eine derartige Schulphilosophie in der griechisch sprechenden Welt der ausgehenden Antike eine erste Blüte (Barnes 1981, 79—82 ), welche wenigstens bis 52 9 andauert, bis zum Jahr der Vertreibung des
4. Sprachphilosophie in der Scholastik
Lehrkörpers der platonischen Akademie aus Athen. Die lateinische Scholastik, über deren Sprachphilosophie hier gehandelt wird, ist nicht bloß ein vergleichbares Phänomen, sie ist die unmittelbare Nachfolgerin ihrer griechischen Vorgängerin. Die spätantike griechische Philosophie in ihrer Gesamtheit ist zwar vordergründig eine platonische, d. h. eine neuplatonische Scholastik, sie enthält aber aufgrund der Auffassung von der Lehrübereinstimmung (Homodoxie) aller alten Schulen etwa seit der Zeitenwende ebenfalls aristotelische und stoische Schulweisheit. Während die aristotelische Scholastik vornehmlich der Logik im weiteren Sinne diente, die stoische im besonderen auch in der Ethik tradiert ward, wurde aus dem platonischen Erbe (unter gelegentlicher Verwendung fremder Lehrstücke) der Untergrund der übrigen philosophischen Teildisziplinen befestigt. Daraus ergibt sich auch, daß spätantike wie frühmittelalterliche Scholastik nicht bloß das Trivium, oder gar nur Logik im engen Sinne umfaßte, sondern u. a. auch Ethik, Musik (= Harmonielehre), Astronomie, Metaphysik. Wesentliche Teile der lateinischen Scholastik des 11. und beginnenden 12 . Jahrhunderts konzentrierten sich in diesem Ausmaß erstmals in der Geschichte des abendländischen Denkens auf Logik, Grammatik und Semantik, also auf ›Sprachphilosophie‹.
2.
Vom Scholion zur Scholastik
2.1. Scholastische Methode Griechischen wie lateinischen ›Sprachphilosophen‹ der genannten Periode standen verschiedene literarische Ausdrucksformen zur Verfügung, aber die diesen Kommentatoren eigene Methode führte zu einer Bevorzugung des sog. Scholions, einer Anmerkung zu einem Textabschnitt in einem der gängigen Lehrbücher. Der Umfang solcher Scholien schwankt zwischen einer (kurzen) Zeile und mehreren Seiten, wobei längere Randbemerkungen regelmäßig Exkurse zu Problemen des Textes (lat. dubia; griech. ἀπορίαι) bringen. Kurze, wenige Worte umfassende Notizen, ‘Glossen’ genannt, werden dabei einfach über dem jeweils betroffenen Dubium zwischen den Zeilen eingefügt; längere Anmerkungen, die eigentlichen Scholien, setzt man an den Rand, weswegen diese auch ‘Marginalien’, jene ‘interlineare Glossen’ heißen. Die Kommentare der griechischen Scholastik sind vielfach bloße Sammlungen solcher Scholien, die gelegentlich durch eine Einleitung mit allge-
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meinen Ausführungen zum kommentierten Text ergänzt werden. Um einen solchen Kommentar zu erzeugen, durchackerte der Scholastiker (für Boethius vgl. Barnes 1981, 78 f) im Normalfall ältere Werke und schuleigene ›Handexemplare‹; aus den so gewonnenen Glossen und exzerpierten Scholien versuchte er ein neues Ganzes, z. B. einen Literalkommentar, zu komponieren. 2.2. Literal- und Quaestionenkommentare ‘Literalkommentare’ heißen solche Werke, wenn sie Zeile für Zeile, Wort für Wort (lat. littera) dem Text folgen. Das lateinische Mittelalter setzte diese Tradition der Glossen, Marginalien und scholastischen Literalkommentare fort, welche noch im 12 . Jahrhundert in der Übernahme von Einteilungsgesichtspunkten und Redewendungen den griechischen Vorbildern ebenso ähneln, wie bereits die Kommentare des Boethius zu Aristoteles und Porphyrios aus dem 6. Jahrhundert. Im 13. Jahrhundert kommt neben diesen und den Summen eine neue literarische Form zur Blüte, der ‘Quaestionen-Kommentar’: Der Verfasser verläßt die Enge einer zeilenweisen Deutung eines Textes, um eine Sammlung von (jeweils in der Form einer Disputation pro und contra verfaßten) Problemerörterungen (quaestiones disputatae; quaestiones quodlibetales) zu geben. In der ursprünglichen, einfachen Form hat eine ›quaestio‹ folgendes Aussehen: (a) Das Problem (titulus quaestionis) wird durch eine Frage, welche nur eine Antwort mit ‘Ja’ oder ‘Nein’ erlaubt, eingeführt. (b) Argumente bzw. autoritative Zitate für Nein-Antworten (quod non) werden zusammengetragen. (c) Argumente für Ja-Antworten (quod sic) folgen. (d) Die richtige Lösung (ad hoc dicendum) des Problems wird vorgetragen. (e) Argumente aus (b) und (c) werden, insofern sie oder aus ihnen folgende Konklusionen mit (d) in Widerspruch stehen, der Reihe nach widerlegt oder aufgelöst. — Es gibt nichts diesen ›quaestiones‹ Vergleichbares in der Scholastik der ausgehenden Antike; die Lanfrank (ca. 1010—1089) zugeschriebenen, nur in einem sächsischen Katalog aus dem vorscholastischen 11. Jahrhundert erwähnten Quaestiones (ebenso wie seine Dialectica) sind verlorengegangen (Lewry 1981, 99 f).
3.
Chronologie, Perioden, Quellen
Die lateinische, scholastische Philosophie gliedert sich in vier zeitliche Abschnitte: Neben der Übergangszeit von der Spätantike (mit
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Apuleius bereits im 2 . Jh. n. Chr., bzw. Augustin im 5. Jh.) zum Mittelalter, der Vorscholastik (bis etwa Lanfrank und dem jungen Anselm von Canterbury), unterscheidet man innerhalb der eigentlichen Scholastik Frühscholastik (ca. 1100—12 40), Hochscholastik (ca. 12 40—1300) und Spätscholastik (bis etwa 1450/1500). 3.1. Vorscholastik (bis etwa 1050/1100) Diese Übergangsperiode unterscheidet sich stark von der eigentlichen Scholastik, da sie nicht nur in der Sprachphilosophie inhaltlich gesehen weitestgehend eine Wiederholung des Vorangegangenen darstellt. Abgesehen von Augustin (354—430) (s. Art. 16) und Boethius, deren Wichtigkeit für die beginnende Scholastik nicht leicht überschätzt werden kann, hält man sich bei sprachphilosophischen Themen besonders an die weitverbreiteten Kompendien von Martianus Capella (5. Jh.), Cassiodor (6. Jh.) und Isidor von Sevilla (7. Jh.), bzw. an die Grammatik des Priscian. Die antiken Definitionen werden einfach wiederholt; sie werden als nebeneinandergestellte Aussagen so gedeutet, daß sich die Grammatik aus sich heraus als richtig erweist. Im 10. Jahrhundert beginnen Gerbert von Aurillac (seit 999 Papst Silvester II.; ca. 940/950— 1003) und Abbo von Fleury (gest. 1004) die Kommentare und auch die selbständigen Monographien des Boethius ausgiebig auszuwerten (Lewry 1981, 95). Im 11. Jahrhundert ist Berengar von Tours (ca. 1000—1088) ein Beispiel für die Fortsetzung dieses Weges unter Beiziehung eines aristotelisch gedeuteten Priscianus. Als Anselm 1059 Bec in der Normandie erreichte, war die Kontroverse zwischen seinem nachmaligen Lehrer Lanfrank und Berengar über die Bedeutung der Wandlungsworte (der Messe) auf dem Höhepunkt. Grammatik und Dialektik waren zum Vehikel einer (theologisch ausgebeuteten) Bedeutungslehre geworden. Mit Anselm beginnt die 3.2. Frühscholastik (ca. 1100—1240) Das Aufblühen der Städte im 12 . Jahrhundert führt zu einer Neubelebung der Schulen und des Geisteslebens, die eigentlich schöpferische Phase der Sprachphilosophie der Mittelzeit (wie der scholastischen Philosophie überhaupt) nimmt ihren Anfang. Für sprachphilosophische Leistungen dieser Periode ist, neben Anselm und Gilbert von Poitiers (ca. 1080—1154), Abaelard beispielhaft. Grammatische und logische Terminologien bzw. Lehrmeinungen werden konfrontiert; die Lo-
I. Raum-zeitliche Übersichten
gik droht, die Grammatik zu verschlingen. Die Autoren gehen zu diesem Zwecke genauer den schon bekannten Schriften der ›Logica vetus‹ (Categoriae und De interpretatione von Aristoteles in der lateinischen Version von Boethius sowie Porphyrs Einleitung) nach, sie sind aber bemüht, neue Quellenschriften aufzufinden. Etwa ab 112 0 sind die übrigen Übersetzungen des Boethius (Analytica Priora; Topica mit Sophistici elenchi) wieder zugänglich, um 1150 das ganze ›Organon‹ sowie Physica, De anima und Teile von Parva naturalia und M etaphysica ins Lateinische übertragen. Gestützt auf die ›Logica vetus‹ wird bei schrittweiser Einbeziehung der ›Logica nova‹ (Analytica Priora; Topica; Sophistici elenchi; vgl. Pinborg 1972 , 18) eine semantische Analyse der aristotelischen Logik vorangetrieben; dies führt in der Zeit von etwa 12 30 bis 12 45 zu neuartigen, den sogenannten terministischen Lehrbüchern u. a. eines Petrus Hispanus (ca. 122 0—12 77; 12 76—12 77: Papst Johannes XXI.) oder eines Roger Bacon (ca. 12 10/14—12 92 /94). Da bei diesen sogenannten Summulisten (Libera 1982 , 177 f), neben den Klassikern Aristoteles (s. Art. 15), Porphyrios und Boethius, neue Themen in signifikantem Ausmaß zur Sprache kommen, ist der selbstbewußte Name ‘Logica moderna’ durchaus berechtigt. 3.3. Hochscholastik (ca. 1240—1300) Die Entfaltung der Bedeutungslehre der Terministen (s. Art. 40) zu einer ›Logica moderna‹ geht mit der Aufnahme der ›Logica nova‹ in allen Wissenschaftsbereichen einher; die Hochscholastik als solche konzentriert sich dabei innerhalb der Logik bzw. des Triviums auf die Syllogistik und die Wissenschaftslehre, welcher Umstand sich u. a. auch dem Bekanntwerden der beiden aristotelischen Analytiken schon im 12 . Jahrhundert verdankt. Durch die starke Ausrichtung auf das aristotelische Dogma eines feststehenden Gegenstandsbereiches für jede Wissenschaft, wird die Sprachtheorie (wie besonders die Logik) der Hochscholastik stärker mit der Ontologie (Was ist die Substanz, was sind die Gegenstände, mit welchen sich Logik, Grammatik und Semantik beschäftigen?) und der Psychologie (Wie entstehen Begriffe und Bedeutungsinhalte von Termen im menschlichen Intellekt?) verknüpft. Philosophische Grammatik und Semantik werden auf Ontologie zurückgeführt (Pinborg 1972 , 88; Pinborg 1967, 55—59). Dies gilt auch für die etwa 12 70 einsetzende Sprachtheorie der Modisten
4. Sprachphilosophie in der Scholastik
(s. Art. 41), die ›Grammatica speculativa‹, welche sich in neuen Texten der Gattung ›De modis significandi‹ niederschlägt. Unter dem Druck einer aristotelischen und regelmäßig theologisch überhöhten Dogmatik tritt terministische Sprachtheorie und -philosophie zwar etwas zugunsten eines ›reinen‹ Aristotelismus zurück, aber die Problemstellungen der Terministen haben ringsum sichtbaren Einfluß auf Form und Inhalt verschiedener Diskussionen der Hochscholastik. — Neben den Giganten der Scholastik Albertus Magnus, Thomas, Bonaventura (122 1—12 74) und Duns Scotus (12 65—1308) seien Wilhelm von Shyreswood (ca. 12 00/10—12 66/72 ), Petrus Hispanus, Robert Kilwardby (vor 12 2 0— 12 79), R. Bacon, Martin (floruit um 12 70) und Boethius von Dänemark, Radulphus Brito (gest. 132 0) und Siger von Courtrai (gest. 1341) wegen ihrer Bedeutung für die Kontinuität der terministischen bzw. für die beginnende modistische Sprachphilosophie erwähnt. 3.4. Spätscholastik (ca. 1300—1450/1500) Im 14. Jahrhundert kommt es zu einer Verschmelzung von ›Logica nova‹ und terministischer Sprachtheorie einerseits, zur Synthese der Modisten andererseits. Der Modus significandi wird hier zum Kernstück der grammatischen Sprachbetrachtung; eine stärker semantische Analyse der aristotelischen Logik dort anerkennt sie wiederum als rein formales System; auch die anderen Disziplinen des Triviums werden aus der ontologischen Umklammerung gelöst. Die Gegenstände, mit denen sich Logik und Semantik beschäftigen, gelten als Produkte des Intellektes. Diese Lehrmeinung wird gewöhnlich ‘Nominalismus’ genannt. Wilhelm von Ockham wird zum Symbol einer solchen Epoche, in welche auch ein Dante Alighieri (12 65—132 1) und ein Johannes Aurifaber (Erfurter Schule um 1330; vgl. Pinborg 1967, 141 f) hineinragen. Für Entstehung und Entfaltung der spätscholastischen Sprachphilosophie sind insbesondere die englischen Schulen von Bedeutung, wie auch die folgende Liste zeigt, welche zunächst fünf Mitglieder der Oxforder Universität nennt: Walter Burley (ca. 12 75—1344/ 45), Robert Holkot (gest. 1349), Ockham, Richard Billingham (floruit 1344—1361), William Heytesbury (gest. 1372 /73), Gregor von Rimini (ca. 1300—1358), Johannes Buridan (ca. 1300—1358; Rektor der Universität Paris 132 8 und 1340), Albert von Sachsen (ca. 1316—1390) und Paulus Venetus (gest. 1429).
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4.
Scholastische Bedeutungslehre bis einschließlich Anselm
4.1. Vorscholastische Naivität Die Gigantomachie zwischen materialistischer und idealistischer Philosophie, auf welche Platos Sophistes (2 46 ab) anspielt, ist auch in der Sprachphilosophie ausgefochten worden. Wie kommen die Dinge zu ihren Namen? In welcher Beziehung stehen Name (nomen) bzw. Term (terminus) und benannter Gegenstand? Die Antworten auf diese Fragen gehören zu den am heißesten umstrittenen Lehrmeinungen der Disziplin, im besonderen bezüglich der generellen Terme (Universalien). Haben die Bedeutungen von Sätzen und ihren Termen neben den benannten, realiter existierenden Gegenständen irgendeine Existenzform? Oder existieren etwa nur die Worte mit/ in ihrem konventionalen Gebrauch? usw. — In Ermangelung einer brauchbaren semantischen Analyse jener Formen von Aussagen (propositiones) und ihrer Bestandteile, wie sie in der ›Logica vetus‹ seit Apuleius (2 . Jh.) und Martianus Capella quer durch eventuelle semantische Stufungen hindurch standardisiert sind, widmen sich vorscholastische Autoren in ihren Bedeutungsanalysen höherstufiger Sätze einer weitgehend naiven Suche nach den Bezugsobjekten der in solchen Aussagen vorkommenden Terme. Der Satz ‘Socrates est animal’ [Sokrates ist ein Lebewesen], in welcher die Gattung (Lebewesen) von einem Individuum ausgesagt wird, dient dabei als Analogon für die Analyse von Aussagen der Art ‘Mensch ist eine Spezies’ oder ‘Lebewesen ist eine Gattung’. Die einfältige, objektorientierte Suche nach dem hierin Benannten und die feste Überzeugung, daß individuelle Dinge bzw. irgendetwas Räumlich-Wirkliches (res) die gesuchten Bezugsgegenstände sind, führt zum Universalienproblem (s. Art. 61). 4.2. Boethius (ca. 480—524/26) Boethius geht in seinen beiden Kommentaren zu Porphyrios’ Isagoge kurz auf die Universalienproblematik ein. Im ersten sagt er jedenfalls soviel, daß Gattungen und Arten — für Boethius die Bezugsgrößen sprachlicher Universalien — in irgendeiner Form existieren müssen, sie können nicht bloßes Figment des Geistes sein; im zweiten Kommentar entwickelt er zur Erklärung der Universalien die Idee einer in der Wahrnehmung bzw. in der Wirklichkeit selbst gegründeten Abstraktionsleistung des Denkens (cogitatio): Spezies
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wären danach mentale Gegenstände aufgrund einer Abstraktion aus der Wesensgleichheit (similitudo substantialis) numerisch unterscheidbarer Individuen; Gattungen wären derlei gedankliche Konstrukte aus der Wesensgleichheit verschiedener Arten (cogitatio collecta ex specierum similitudine). Die ›Similitudo‹ in den Individuen ist den Sinnesorganen zugänglich (sensibilis), d. h. Gegenstand der Wahrnehmung, die ›Similitudo‹ in den Arten ist intelligibel, d. h. Ergebnis des Denkens. Die (Bezugsgegenstände von) Universalien subsistieren demnach aufgrund der Tatsache ihrer Wahrnehmbarkeit in individuellen Substanzen realiter, hinsichtlich ihrer nur der Vernunft zugänglichen Anwesenheit in Spezies und Genera aber bloß mental. An einer Stelle im Kategorienkommentar schlägt Boethius jedoch vor, daß die Terme (nomina) in den zuletzt angeführten Beispielsätzen wiederum Nomina benennen; er erklärt dort ‘Gattung’ (genus) und ‘Art’ (species) für Namen von Namen (sunt quodammodo nominum nomina), ohne daraus weiteres Kapital zu schlagen. Garlandus Compotista (floruit 2 . Hälfte des 11. Jhs.) folgt dieser Lehrmeinung, wenn er z. B. die Aussage ‘Animal est genus’ auf eine Prädikation über das Wort ‘animal’ (de [...] sola voce [...] animal agit) reduziert. Der Nominalismus und insbesondere eine angemessene Debatte über ihn stekken jedoch im 11. Jahrhundert noch in den Kinderschuhen; der Nominalismus unterliegt zunächst einmal u. a. wegen der Übermacht solcher aus der theologischen Dogmatik schöpfenden Dialektikfeinde wie Petrus Damian (gest. 1072 ) und wegen der von Priscian herrührenden Auffassung der Grammatiker, daß Nomina sowohl Substanz(en) als auch Qualität(en) bezeichnen. Anselms Attacke (nach 1090) gegen Roscelin von Compiègne (ca. 1050—112 5) ist jedoch alles andere als ein unbehauener Universalienrealismus. Vielmehr ist auch Anselm Zeuge für die Auswirkungen jener Naivität, von der oben die Rede war; sie ist sichtbar in einer Liste von vorgeblich erschöpfenden Antworten auf die Fragen nach dem durch solche Universalien Benannten, die sich bereits in einer über und über zitierten Stelle der Porphyrischen Isagoge finden: Existieren Genera und Spezies realiter, oder sind sie bloßes Gedankenprodukt? Wenn sie wirklich sind, subsistieren sie als Körper oder unkörperlich? Bestehen sie in (Verbindung mit) den wahrnehmbaren Gegenständen, oder subsistieren
I. Raum-zeitliche Übersichten
sie unabhängig von der wahrnehmbaren Sinnenwelt (Henry 1982 , 12 9—133; Lewry 1981, 101 f)? 4.3. Bedeutung in Grammatik und Semantik: Priscian versus Aristoteles In den 18 Büchern von Priscians Institutiones grammaticae findet die vor- und frühscholastische Sprachbetrachtung eine unerschütterliche Autorität, die Grundlage jedes tiefergehenden Studiums der lateinischen Sprache; als Hinweis auf die Bedeutung dieser Autorität sei erinnert, daß mehr als 1000 PriscianHandschriften bekannt sind. Die ersten 16 Bücher behandeln die Laut- und Formenlehre; dieser sogenannte Priscianus maior steht neben dem Priscianus minor, der Syntax in den beiden letzten Büchern. Zu Priscian hinzu wird noch die Ars grammatica des Aelius Donatus (4. Jh.), eine knappe, für den Anfangsunterricht geeignete Schulgrammatik, ausgiebig benützt. Neben der lateinischen Bibel (Vulgata), Aristoteles und den eigentlichen Autoren (auctores) der ›Logica vetus‹ genossen diese Grammatiker uneingeschränktes Ansehen, in der Sprachtheorie war an ihren Lehren nicht zu rütteln. Sie erwiesen sich als unentbehrliche Mittel zur Erlernung und für das Verständnis jener Sprache, in der die heilige Schrift übermittelt war, in welcher in den Schulen gelehrt und disputiert wurde. (Vom Griechischen wußte man am Festland so gut wie nichts mehr; die romanische oder germanische Muttersprache galt als barbarisch oder vulgär.) Aus Priscian und Donatus bezog man die Auffassung des Vorliegens von acht Redeteilen (partes orationis), d. h. von acht semantischen Kategorien: Nomen, Verbum, Präposition, Partizip, Pronomen, Adverb, Konjunktion, Interjektion. Die Achtzahl selbst rührt von Dionysios Thrax (ca. 170—90 v. Chr.) her, dem Verfasser des ältesten Handbuchs der griechischen Grammatik, wobei anstatt des im Griechischen gebräuchlichen bestimmten Artikels bei den genannten Lateinern die Interjektion zu einem eigenen Redeteil erhoben wird. Im 11. Jahrhundert konnte man bereits auf eine lange Tradition in der Abweichung der semantisch-logischen Lehre über Natur und vor allem Anzahl der Redeteile von der grammatischen zurückblikken. Boethius hielt mit der aristotelischen Logik daran fest, daß es nur zwei logisch relevante Redeteile, das Nomen (Substantiva und Adjektiva umfassend) und das Verbum, gibt. Mit Priscian und Donatus mußte man diesen
4. Sprachphilosophie in der Scholastik
beiden Kategorien noch Partizipium, Pronomen, Präposition, Adverb, Interjektion und Konjunktion anfügen. 4.4. Proprium est nominis significare substantiam et qualitatem Die Unterschiede zwischen Logik und Grammatik führen aufgrund einer Sonderdeutung des als Kapitelüberschrift zitierten Prisciantextes über die Bezeichnung des Nomens (Henry 1982 , 133 f; Pinborg 1967, 46 f; 72 ; 2 2 6; 2 41; 2 53) im weiteren zu Details der Sprachanalyse, die für die Entwicklung der Bedeutungslehre durchaus belangvoll sind. Nach Priscian bezeichnen Nomina Substanz und Qualität; in der Kategorienschrift des Aristoteles (caput 4) liest man bezüglich einer Teilmenge der Nomina, der Paronyma, sie würden ausschließlich Qualität bezeichnen. Da nun scholastische Sprachlehre im Fahrwasser Priscians die Position einnimmt, alle Nomina bezeichneten jeweils Substanz und Qualität in einem (substantiam cum qualitate anstatt des milderen substantiam et qualitatem), muß es zum Konflikt mit der aristotelischen Abweichung in der für einen Teil der Nomina geltenden Auffassung als nur Qualität bezeichnend kommen. In den Categoriae (caput 4) wird ‘grammaticus’ [des Schreibens und des Lesens kundig: gebildet] als Beispiel eines Nomens angeführt, welches nur Qualität bezeichnet. (Die im Griechischen wie Lateinischen gegebene Ununterscheidbarkeit eines adjektivischen von einem substantivischen ‘grammaticus’ ist deutsch nicht nachahmbar, hier in diesem Kontext aber irrelevant.) ‘Gebildet’, ‘weiß’ oder ‘gerecht’ werden als Paronyma rubriziert, d. h. als Ableitungen zu bzw. von entsprechenden abstrakten Nomina, z. B. ‘gebildet’ (grammaticus) von ‘Bildung’ (grammatica), ‘gerecht’ von ‘Gerechtigkeit’ usw. (Derartige Ableitungen werden ‘denominativ’ genannt.) 4.5. Anselms De grammatico In seinem Dialog De grammatico weitet Anselm diese Beobachtung an gewissen denominativen Namen in eine strikte Zweiteilung von Nomina, welche Substanz(en), und solche, welche Qualität(en) bezeichnen, aus, wonach nur noch denominative Nomina Qualitäten bezeichnen. Daraus folgt für Anselm, daß die Sprache selbst Substanz-Namen von Qualität-Namen scheidet, indem für Substanz-Nomina keinerlei Abstrakta zu ihrer Herleitung existieren; Anselm übersieht aller-
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dings, daß das aristotelisch-boethianische Latein diese Bedingung gar nicht erfüllt, wie z. B. aus ‘humanitas’ für ‘homo’ ersichtlich ist. Es mag also sein, daß ‘grammaticus’ nur die Qualität, schreiben und lesen zu können, bezeichnet, und nicht auch die Substanzen, die so gebildet sind, d. i. individuelle Menschen — allerdings nicht aus den Gründen, die Anselm anführt. Nun hat Priscian dazu, wenn auch nur beiläufig durch ein Beispiel, schon vor Anselm Stellung genommen: Der Sprachlehrer unterscheidet innerhalb der Klasse der Nomina ›nomina propria‹ [Eigennamen] und ›nomina appellativa‹ [Gattungsnamen], ja er teilt das Genus ›Nomen‹ in die Spezies ›Eigennamen‹ und ›Gattungsnamen‹; die Spezies der appellativen Nomina enthält weiters die Adjektiva als Subspezies. Solche Adjektiva werden regelmäßig mit Eigennamen und Gattungsnamen, welche beide Substanz(en) benennen, verbunden, um die Qualität und Quantität der benannten Gegenstände zu spezifizieren. Als ein Beispiel für solche Substanzen bezeichnende Namen führt Priscian jenes ‘grammaticus’ an, welches nach des Meisterlogikers Categoriae längst als autoritatives Beispiel für einen Qualität-Namen besetzt ist. Priscian fügt also zu seiner antiaristotelischen Lehre, daß alle Nomina Substanz(en) und Qualität(en) in einem bezeichnen, noch die Ungehörigkeit eines Gegenbeispiels zur Bedeutungsanalyse der ›Logica-vetus‹-Theoretiker hinzu. Der daraus entstehende Konflikt ist in Vor- und Frühscholastik schön nachweisbar. Durch die Enge der scholastischen Methode herrscht indes auf beiden Seiten der Kampflinie die Tendenz vor, nicht zu sehen bzw. nicht zu untersuchen, was ist, sondern zu fragen und zu beweisen, warum das, was ist, so ist, wie es ist. Man steht vor fraglosen Gegebenheiten, hie Priscian, dort Boethius und die ›Logica vetus‹; daran knüpft Anselm in De grammatico z. B. seinen Versuch nachzuweisen, daß das von (der seiner Meinung nach höheren Autorität) Aristoteles Gelehrte wahr ist; ähnlich ergeht sich die Sprachphilosophie der Vorscholastik in schier unaufhörlichen Erklärungen des Warum und des Weil autoritativer Lehrmeinungen. Trotz der traditionellen Nomenklatur derartiger Kontroversen zeigt sich bei näherem Hinsehen aber, daß der Konflikt Voraussetzungen hat, die zwei grundsätzlich verschiedene Methoden der Bedeutungs-, ja der Sprachanalyse spiegeln. Einerseits kann man den tatsächlichen Gebrauch einer Sprache (usus loquendi) durch eine Gruppe als kompetent anerkannter Benützer untersuchen; Priscian er-
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weist sich als Anhänger einer solchen empirisch-deskriptiven Vorgangsweise, die er methodisch auf die Tradition der Grammatiker seit Dionysios Thrax und inhaltlich auf die Texte der von ihm hochgeschätzten Schriftsteller stützt; andererseits kann man a priori und vor Erforschung des Sprachgebrauchs die Bedeutung von Worten und auch von Sätzen unter Zuhilfenahme des Instrumentariums der aristotelischen Logik und Semantik analysieren, wie es Anselm im Falle der denominativen Namen tut. Betrachten wir das Beispiel aus caput 14 von De grammatico: In einem Schuppen sind weiße Pferde eingeschlossen; jemand, der davon weiß, behauptet dazu wahrheitsgetreu, daß sich etwas Weißes in dem Gebäude befindet. Der Hörer ist ohne Kenntnis näherer Umstände nicht in der Lage, das durch das paronyme Subjekt der Aussage Benannte eindeutig bzw. auch nur näherungsweise zu identifizieren. Die Weite möglicher Denotata würde in Ermangelung irgendeines einschränkenden Hinweises schließlich die gesamte Welt physischer Substanzen im Sinne der aristotelischen Ontologie umfassen. Nach Anselms Überzeugung kann ein derartiger Umfang möglicher Denotata nicht in der Bedeutung von ‘weiß/ etwas Weißes’ enthalten sein; er wäre lediglich aufgrund der empirischen Gegebenheiten im Universum kontingenterweise mitassoziierbar. Anselms Argumentation will erhärten, daß die eigentliche und strenge Bedeutung (significatio per se) des denominativen Nomens ‘weiß’ nur Weiße ist, oder genauer ›weiß-seiendes ...‹, wobei die Leerstelle auf irgendeine Substanz deutet. Insofern hat Anselm wenigstens für einige Paronyma gezeigt, daß sie per se nur Qualität bezeichnen, womit Aristoteles Recht bekommt, das vermeintliche Priscian-Dogma aber, alle Nomina bezeichneten Substanz und Qualität in einem, widerlegt ist. Anselm ist jedoch nicht blind für den Druck, der vom ›Usus loquendi‹ ausgeht; eine Erforschung des tatsächlichen Sprachgebrauches bezüglich ‘grammaticus’ zeigt, daß es immer vom Menschen ausgesagt wird, welcher Umstand des Grammatikers Behauptung zu bestärken scheint, es würde ‘gebildeter Mensch’ und nicht bloß ‘gebildeter/s ...’ bedeuten. Es ist Anselms Anliegen, die Komponente ‘Mensch’ aus dem Bedeutungsgehalt von ‘grammaticus’ herauszuschneiden, wie er überhaupt einen Bezug auf identifizierbare Substanzen aus der eigentlichen Bedeutung paronymer Nomina entfernt. Dies führt bei Anselm zur Entwicklung einer Nomenklatur
I. Raum-zeitliche Übersichten
von ›significatio‹ und ›appellatio‹, welche die nächsten Jahrhunderte beherrschen wird, zu einer Terminologie, die ihn zum Erfinder (Gombocz 1983, 12 5—130) des Unterschieds von Intension und Extension, von Sinn und Bedeutung in Fregescher Ausdrucksweise, macht: „[...] Diese Distinktion wird aber nicht zu einer allgemeinen semantischen Unterscheidung zwischen Intension und Extension ausgebaut. Das geschieht erst im Mittelalter, zuerst bei Anselm“ (Pinborg 1972, 41).
4.6. Appellatio versus significatio ›Appellatio‹ ist bei Anselm (De grammatico, caput 12 ) explizit als jene Bedeutungskomponente bzw. als jener semantische Bezug definiert, mittels welchen sich ein Wort im aktuellen Kontext der gesprochenen Sprache auf die durch es benannten individuellen Gegenstände bezieht: „Appellativum autem nomen cuiuslibet rei nunc dico, quo res ipsa usu loquendi appellatur“ [Appellativ aber nenne ich den Namen von irgendeinem Etwas nun, insofern durch ihn im gewöhnlichen Sprachgebrauch dieses Etwas selbst benannt wird.]
Bei paronymen Nomina mag im Usus loquendi das Benannte (die Extension) verschiedenen Arten oder Gattungen zugehören, wie im Falle von ‘weiß’, oder die Spezies aller benannten Individuen ist gleichbleibend, wie bei ‘grammaticus’. Dagegen bringt die ›significatio‹ eines Terms im eigentlichen Sinne (significatio per se) nur den Begriffsinhalt (intellectus) bzw. die ›Definition‹ (definitio et esse; caput 13) zum Ausdruck. Bei denominativen Nomina ist diese ›Definition‹, i. e. die Intension, offen hinsichtlich zukünftiger Erweiterungen der Extension auf bisher im tatsächlichen Sprachgebrauch damit nicht benannte Gegenstände. In diesem uneigentlichen Sinne (per aliud) bezeichnen ‘weiß’ und ‘gebildet’ auch Menschen, im eigentlichen Sinne aber (significatio per se) bezeichnen beide, wie alle Paronyma, nur Qualität, hier die Eigenschaften, weiß bzw. gebildet zu sein. Anselm kann durch seine Unterscheidung von ›significatio per se‹ und ›appellatio‹ als ›significatio per aliud‹, d. h. von Intension und Extension eines Terms, sowohl Priscian als auch Aristoteles sagen lassen, was sie sagen wollen, obschon eine explizite Definition der intensionalen Bezeichnungskomponente fehlt, ja diese selbst aufgrund der SubstanzQualität-Ontologie Anselms verschwommen bleibt: Im eigentlichen Sinne (per se) bezeich-
4. Sprachphilosophie in der Scholastik
nen Nomina ihren Bedeutungsinhalt, die aristotelischen Paronyma a fortiori also nur Qualität; in einem uneigentlichen Sinne (per aliud) kann mit Priscian auch die appellative Beziehung eines Nomens zu seinen Relata als ein Bezeichnen aufgefaßt werden, aber eben nur per aliud [mittels eines anderen, i. e. mittelbar], wie z. B. ‘grammaticus’ in einem umgangssprachlichen Kontext tatsächlich (nur) Menschen betrifft, d. h. benennt. Diese Unterscheidung von ›appellatio‹ und ›significatio per se‹, von Extension und (etwas ungenau) Intension, ist vom Beginn des 12 . Jahrhunderts an Gegenstand intensiver Diskussion, ohne daß man einen unmittelbaren Einfluß von Anselm bisher nachgewiesen hat. Wilhelm von Champeaux (ca. 1070—112 2 ), Gilbert von Poitiers, Abaelard, Johannes von Salisbury (ca. 112 0—1180) und die zeitgenössische anonyme Ars M eliduna halten an dieser Distinktion fest, ja bereits Gilbert verfeinert die Unterscheidung durch seine verallgemeinernde Forderung, jedem Nomen sowohl ein ›appellatum‹ als auch ein davon immer verschiedenes ›significatum‹ zuzuweisen. 4.7. Umgangssprache versus Idealsprache Bedeutsamkeit, wahrer Rang und Ansehen Anselms als eines Bedeutungstheoretikers und ›logischen Linguisten‹ werden bis in die neueste Zeit herauf durch seine hervorragenden Leistungen in Theologie und Metaphysik verdeckt. Dieses Ungleichgewicht in der ›normalen‹ Historiographie der Philosophie beginnt sich erst in den letzten Jahrzehnten zugunsten eines gerechteren Bildes, wie es z. B. bei Abaelard schon lange vorliegt, zu ändern: Anselm wird gerne (neben oder zusammen mit Boethius) Vater der Scholastik genannt; dann aber ist er erst recht Vater der scholastischen Sprachphilosophie. In der Überwindung der vorscholastischen Naivität bezüglich der Lehre von der Bedeutung der Nomina eilt Anselm seinen Zeitgenossen voraus; er stimmt mit den auf ihn folgenden Generationen von Sprachtheoretikern in der Ansicht überein, eine logisch präzise Idealsprache müsse gelegentlich die Regeln der Umgangssprache verletzen; er übertrifft aber diese alle in seiner Ausweitung der Unterscheidung von ›significatio per se‹ und ›significatio per aliud‹: Diese Distinktion beim Nomen (worüber systematisch De grammatico handelt) wird auf das Verbum übertragen, womit er zum Wegbereiter einer sehr allgemeinen Term- und Propositionensemantik, welche ein deutlich kausales Element enthält, wird. (Innerhalb
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dieser finden sich u. a. auch Theoriestücke über die Notwendigkeit einer Unterscheidung von Objekt- und Metasprache, über die Semantik nominaler und propositionaler Negation, über Intension und Extension privativer und leerer Namen und zur VerwendungErwähnung-Unterscheidung.) Seit dem Jahre 1936, in welchem Franciscus Salesius Schmitt die sog. Lambeth-Fragmente veröffentlichte (Schmitt 1936, 2 3—45; Hopkins 1976, 3—2 9; Henry 1982 , 139 f), ist der Zugang zum ›ganzen‹ Sprachphilosophen Anselm erleichtert. Die 2 2 Druckseiten dieser Erstausgabe enthalten mehrere Bruchstücke, welche als erste Entwürfe verschiedener allgemeiner Schemata für die Sprachanalyse angesehen werden können. Diese seine nirgendwo vollständig ausgeführte Sprachphilosophie ist, wie seit Desmond P. Henrys Forschungen klargeworden ist, im Gesamtwerk durchaus anwesend. Anselm versucht im längsten der Fragmente den Kontrast zwischen ungenauer, ja irreführender Umgangssprache und präziser ›Idealsprache‹ am Beispiel propositionaler Verbalkonstruktionen zu verdeutlichen. Ihm schwebt in diesem (auf das Prädikatsverb in Standardaussagen der ›Logica vetus‹ gerichteten) Kontext eine Schablone vor, die er mittels des Verbums ‘facere’ entwickelt; seine Analyse erbringt vier allgemeinste Satzformen, welche letztlich, wenn auch partiell nur uneigentlich (improprie), auf eine Grundform, die unten Form (1) genannte Schablone, reduzierbar sind. Durch eine Verknüpfung äquipollenter positiver und negativer Formen von Propositionen (in Analogie zum logischen Quadrat) mit einer zweifachen Deutung von ‘facere’ als ‘verursachen per se’ (causa proxima) und ‘verursachen per aliud’ (causa longinqua) kann Anselm insgesamt 48, davon 32 sekundäre Aussageformen auflisten (s. Hopkins 1976, 33—36). ‘Facere’ [tun; handeln; verursachen], so argumentiert Anselm, kann an die Stelle jedes beliebigen Verbums gesetzt werden: „Verbum hoc, quod est facere, solet poni pro omni verbo cuiuslibet significationis, finito vel infinito, etiam pro non facere“ [Das Verb ‘facere’ kann gewöhnlich für jedes Verb beliebiger Bedeutung, sei es finit oder infinit, selbst für ‘non facere’ [nicht tun], substituiert/supponiert werden] (Schmitt 1936, 2 5; Hopkins 1976, 5; vgl. Proslogion, caput 7).
Die vier propositionalen Formen lauten: (1) ‘facere esse ...’ [tun, daß etwas ist; kurz: tun-daß]; (2 ) ‘facere non esse ...’ [tun, daß etwas nicht ist; kurz: tun-daß-nicht]; (3) ‘non
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facere esse ...’ [nicht tun, daß etwas ist; kurz: nicht-tun-daß]; (4) ‘non facere non esse ...’ [nicht tun, daß etwas nicht ist; kurz: nichttun-daß-nicht]. Anselm behauptet nun, Aussageform (1) habe eine eigentliche, ihr eigentümliche Bedeutung unmittelbaren Handelns bzw. Verursachens: Wer immer tut-daß, tut etwas direkt, d. h. verursacht als ›causa proxima‹ bzw. als ›causa efficiens‹, daß etwas der Fall ist, das nicht der Fall war. Oft aber werde (1) — tun-daß — in der Umgangssprache uneigentlich (improprie) verwendet, wenn z. B. streng genommen eine Instanz von nichttun-daß-nicht, also Aussageform (4) vorliegt: Man sagt z. B., ein Mensch tue Böses, wenn in Wirklichkeit er nicht(s) tut, daß dieses Böse nicht sei, wenn er z. B. zusieht, wie Böses geschieht, ohne einzugreifen, d. h. wenn er eigentlich eine ›causa non efficiens‹ ist. Und doch ist Anselm gewillt, in diesen beiden Fällen hier von einem ›facere per se‹ zu sprechen, welches er einem vierfachen ›facere per aliud‹ gegenüberstellt. Ein weiteres Beispiel soll dies verdeutlichen (Schmitt 1936, 2 9 f; Hopkins 1976, 9 f; 33 f): Ein Mensch (M) tötet einen anderen Menschen (P). Nach der ›facere‹Analyse lautet die Übersetzung der Aussage in Form (1) so: M tut, daß P tot ist. Anselm gibt als Beispiel, daß M selbst, also direkt, P mit dem Schwert tötet. Die zweite direkte Form einer Tötung sieht Anselm in der Übersetzungsmöglichkeit (4): M tut/verursacht nicht, daß P nicht tot ist. Anselm sagt, er habe dafür kein Beispiel aus dem Leben, es sei denn, M hätte die Macht, Tote zum Leben zu erwecken und würde es im Falle des P nicht tun. Diesen eigentlichen Fällen einer Tötung ›per se‹, stellt er uneigentliche Fälle von Tötung ›per aliud‹ gegenüber, welche in einer präzisen Sprache auch als solche erscheinen müßten: (a) M tut, daß P tot ist, weil er tut, daß N mit einem Schwert bewaffnet ist, mit welchem er P tötet (Form (1) ›per aliud‹). (b) M tut, daß P tot ist, weil er nicht tut, daß P bewaffnet ist, um sich gegen N schützen zu können (Form (3) ›per aliud‹). (c) M tut, daß P tot ist, weil er tut, daß P nicht bewaffnet ist, um sich schützen zu können (Form (2 ) ›per aliud‹). (d) M tut, daß P tot ist, weil er nicht tut, daß N nicht mit einem Schwert bewaffnet ist, mit welchem er P tötet (Form (4) ›per aliud‹). In allen diesen Fällen ist Aussageform (1) — M tut, daß P tot ist — in der Umgangssprache in Gebrauch, obschon eine Analyse zeigt, daß dieser Gebrauch einer Perse-Form anstatt des zutreffenden Per-aliud systematisch irreführend ist. — Ein letztes,
I. Raum-zeitliche Übersichten
etwas umfangreicheres Beispiel soll die allgegenwärtige Unterscheidung von eigentlicher (= logischer) Form und umgangssprachlicher (= regelmäßig irreführender) Form einer Aussage anhand eines leeren Namens demonstrieren: Anselms Gegenstück zu ‘Butter kann durch nichts ersetzt werden’ lautet ‘Nihil me docuit volare’ [Nichts hat mich fliegen gelehrt]. ‘Nihil’ ist zwar das grammatische Subjekt der Aussage, für Anselm aber nicht das logische; wäre ‘nihil’ ein Nomen im Sinne der logischen Analyse von Aussagen, folgte daraus z. B., ich (me) hätte von dem durch dieses Nomen benannten Etwas fliegen gelernt; ähnlich wie bei privativen Nomina (Blindheit; Ungerechtigkeit) unterscheidet Anselm noch vor Anwendung seiner Appellatio-significatio-Distinktion bei ‘nihil’ eine als signifikativ angesehene Funktion ›secundum formam loquendi‹ [gemäß der Struktur der Umgangssprache] von einer solchen ›secundum rem‹ [nach Maßgabe der realen Umstände]. In Wirklichkeit (secundum rem) benennt ‘nihil’ kein Etwas, vom Standpunkt grammatischer Strukturen aus betrachtet aber bezeichnet es etwas (aliquid). — Den Abschluß der Fragmente bildet ein hierzu komplementäres Lehrstück über die Bedeutung von ‘aliquid’, in welchem Anselm durch Verbindung von Extension und Intension eines Ausdruckes und unter Einbeziehung des Wortes selbst (im Sinne eines Graphems oder Phonems), vier Gebrauchsweisen bzw. Bedeutungen (quattuor modi) von ‘aliquid’ unterscheidet (Schmitt 1936, 42 f): (1) Im eigentlichen Sinne (proprie) nennen wir dasjenige ‘aliquid’ [etwas; ein Etwas], was „suo nomine profertur et mente concipitur et est in re“ [durch seinen Namen benannt wird, durch den Verstand erfaßt wird und real existiert]. Ein Etwas im eigentlichen Sinne (proprie dicto) liegt also vor, wenn einem entsprechenden Ausdruck Intension und Extension zukommen, wie bei ‘Stein’ oder ‘Holz’. (2 ) Aber auch extensionslose Ausdrücke wie ‘Chimäre’ führen zum (umgangssprachlichen) Gebrauch von ‘aliquid’. Ein solches Etwas hat zwar einen Namen und einen Begriffsinhalt (et nomen habet et mentis conceptionem), existiert aber nicht in Wirklichkeit. (3) Die dritte Art des Gebrauchs von ‘aliquid’ liegt bei Ausdrücken vor, die nach Anselms Auffassung, der hier in der Tradition der Augustinischen Privationstheorie steht, weder Intension noch Extension haben, wie z. B. die Nomina ‘iniustitia’ [Unrecht] oder ‘nihil’ [nichts]. (4) Die scholastische Vervollständigung dieser Einteilung
4. Sprachphilosophie in der Scholastik
sei wörtlich angefügt: ›Nominamus etiam aliquid, quod nec suum nomen habet nec conceptionem nec ullam existentiam [...]‹ [Wir nennen ‘etwas’ auch (dasjenige), was weder (s)einen Namen hat, noch einen Begriff(sinhalt), noch irgendeine Existenz]. — Für Anselm handelt es sich nur bei (1) um ein eigentliches Etwas (aliquid proprie dictum), (2 ) bis (4) nennt er ‘quasi aliquid’. ‘Nihil’ hätte nach Bedeutung (3) auf den ersten Blick weder ›Sinn‹ noch ›Bedeutung‹ (um Freges Worte zu gebrauchen); Anselm kommt aber bereits im Nachsatz (Schmitt 1936, 43) diese durch die Privationstheorie vorgegebene extreme Position problematisch vor, so daß er einschränkt, ‘nihil’ konstituiere zwar keineswegs etwas (aliquid) im Intellekt, es gäbe aber dem Intellekt doch Information (constituere intellectum), insofern es ›removet aliquid et non ponit aliquid in intellectu‹ [etwas entfernt, obwohl es nicht etwas im Intellekt setzt]. — Die Möglichkeit intensionsloser Ausdrücke mit Extension, wie es nach Auffassung mancher moderner Semantiker genuine Eigennamen wie ‘Snoopy’ oder ‘Sokrates’ sind, kommt Anselm nicht in den Sinn. Auch Platzhalter wie ‘nihil’ hätten hier als eine scholastische Subspezies Platz finden können.
5.
Anfänge der Theorie von den proprietates terminorum
Die Wechselbeziehungen von Denken und Sprache, bzw. von Sprache und Wirklichkeit rücken schon im 11. Jahrhundert zum Mittelpunkt philosophischen Interesses hin. In letzter Beurteilung erscheinen dabei Sprache, Denken und Wirklichkeit als selbständige Ganzheiten von gleicher logischer Struktur bzw. Konsistenz. Die Sprache wird nicht bloß als Mittel des individuellen Sich-Ausdrükkens, der zwischenmenschlichen Kommunikation und als Instrument des Denkens angesehen, die gesprochene Sprache selbst wird für die Philosophen dieser Periode zu einer wichtigen Erkenntnisquelle über Wesen und Natur der Wirklichkeit. Aufgrund dieser Verflechtung von den Anfängen her sind logischsemantische und ontologisch-metaphysische Problemstellungen innerhalb der Sprachbetrachtung stets miteinander verwoben. Die ersten Scholastiker mit einem ausgeprägten Fachinteresse an der Sprache selbst waren die Lehrer des Triviums, bes. die Grammatiker. Neben der Pflege der Syntax kommt es bei ihnen zur Entwicklung logisch-semantischer
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Fragestellungen, die schrittweise vom Wort zum Satz führen, wie es in den einleitenden Abschnitten in Beispielen beschrieben wird. Außer von Berengar von Tours gilt dies z. B. für die Schule von Chartres bereits um 1030: Worte werden nicht mehr als selbständige, quasi-lexikalische Einheiten außerhalb des Sprachzusammenhanges untersucht, dieser sprachliche Kontext selbst und der ›usus loquendi‹ gelangen in den Blickpunkt linguistischen Interesses. Aussagen (propositiones), nicht einzelne Worte unabhängig vom Aussagenzusammenhang, werden als Grundeinheit von Sinn und Bedeutung erkannt, und folglich zum bevorzugten Gegenstand der linguistischen Analyse gemacht. Die Bedeutung bzw. Bezeichnung eines Wortes im tatsächlichen Gebrauch eines propositionalen Kontextes wird schließlich für so wichtig erachtet, daß es zur Ausbildung einer neuen Nomenklatur kommt, welche sich auf Terme (termini), d. i. auf die Nomina und Verba als Teile von Standardpropositionen, und auf ihre syntaktischen und semantischen Eigenschaften bezieht. Umfang und Geschwindigkeit der Entwicklung der Lehre von den ›proprietates terminorum‹ verdanken sich dabei nach einer anfänglichen Periode der Dominanz der ›appellatio‹ der rasch wachsenden Vorherrschaft eines anderen solchen Merkmals, nämlich der ›suppositio terminorum‹, der Eigenschaft eines Wortes, für etwas zu stehen, kurz der Eigenschaft des Stehens-für. Auf der anderen Seite bleiben autoritative Lehrstücke der ›Logica vetus‹ und Priscians in Kurs, welche nicht immer zum Vorteil der Disziplin Voraussetzungen und Begrenzungen weiterer Entwicklungen bestimmen. Das auffälligste Beispiel für eine solche Beschränkung ist das Festhalten an der Lehre von der ›significatio terminorum‹ innerhalb der Grenzen der ›significatio per se‹ der scholastisch-aristotelischen Substanz-Qualität-Ontologie bis hinauf in die Spätscholastik. 5.1. Kontextanalyse und ›significatio per se‹ Selbst jene Bedeutungstheoretiker der beginnenden Scholastik, welche den aktuellen Sprachgebrauch und den propositionalen Kontext eines Terms als von höchster Wichtigkeit für seine tatsächliche Bedeutung ansehen, und die daher zum Zwecke des Auffindens der Bedeutung(en) eines Terms die Kontextanalyse forcieren, stehen unter der Hypothek der unausrottbaren Lehre von der vorgegebenen Bedeutung von Worten, wenn
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auch im Gewande der Signifikation der Terme, wie sie aus der Beschäftigung mit platonischen Versatzstücken antiker Sprachentstehungslehre in Verbindung mit der Logica vetus erwachsen ist. Der unhintergehbare Kern dieser Doktrin, welche u. a. ›konservative‹ Elemente der voraristotelischen Physeithesei-Kontroverse (s. Art. 62 ) weiterschleppt, ist der folgende: Die aktuelle Bedeutung irgendeines Terms, d. h. seine Bedeutung in einem beliebigen Einzelfall seines Gebrauches, gilt als prinzipiell auf eine postulierte Grundbedeutung (ϕύσει; ›significatio per se‹ bzw. später ›naturalis‹) rückführbar; diese Grundbedeutung erscheint als eine Wesenseigenschaft des Terms selbst, welche seine Natur bzw. seine Form (essentia; forma) ausmacht. Bei heuristischer Gegenüberstellung dieser zwei Elemente, hier theoriegeleitete Kontextanalyse, dort das Grunddogma der ›naturgegebenen‹ ›significatio‹ von Termen, wird man wichtige Entwicklungsstufen in der Lehre von den ›proprietates terminorum‹ bis hin zur ›suppositio naturalis‹ als jeweils unter dem Übergewicht des einen oder des anderen Einflusses stehend rubrizieren dürfen. Ein erster Nebenertrag derartiger Bedeutungslehre ist die terministische Klassifikation in Terme, welche unabhängig und für sich allein Bedeutung haben (›termini significativi‹ bzw. ›categorematici‹), und in solche, welche nur in Verbindung mit Termen der ersten Art etwas bedeuten (›termini consignificativi‹ bzw. ›syncategorematici‹). Nur die erstgenannten Kategoremata haben Bedeutung im eigentlichen Sinne (significatio). Sieht man einmal von Anselm ab, so konzentriert sich die Sprachphilosophie vor und in der terministischen Phase auf die Bedeutung des Nomens (nomen). Die entsprechende und auf Priscian zurückgehende Definition lautet, das Nomen bezeichne Substanz und Qualität in einem (substantiam cum qualitate). ‘Substantia’ meint hier nichts anderes als individuelle Gegenstände, ‘qualitas’ bezieht sich auf (allgemeine) Eigenschaften, in bzw. an welchen Individuen partizipieren. Noch im 13. Jahrhundert ist innerhalb von Logik und Grammatik die Auffassung vorherrschend, daß eine ›substantia‹ ein Individuum, ›qualitas‹ aber (s)eine Wesenseigenschaft ist, d. h. die Menge jener Gegenstände benennt, zu der das Individuum gehört. ›Substantia‹ wird auch zum eigentlich tauglichen Thema des philosophischen Diskurses erklärt, es sei „id de quo sermo fit“ [das, worüber die gelehrte Disputation handeln soll] (de Rijk 1982, 163 f).
I. Raum-zeitliche Übersichten
5.2. Significatio, impositio, appellatio ›Significatio‹ gilt nach dem Ausgeführten als ein Wesensmerkmal des Terms selbst, als der Grundbestandteil jeder Art seiner Bedeutung. Diese ›significatio‹ eines Terms stützt sich inhaltlich auf seine ›impositio‹, d. h. die ursprünglich-erstmalige Einführung bzw. Anwendung des Terms. Eine einzige, d. h. einmalige ›impositio‹ hat eine einzige, d. h. eindeutige ›significatio‹ des betreffenden Terms zur Folge. Terme werden gewöhnlich und selbstverständlich öfter als einmal verwendet; erfolgen alle diese Verwendungen mit derselben ›significatio‹, dann nennt man den Gebrauch, aber auch den Term selbst ‘univok’. Univoken Termen stehen äquivoke gegenüber, Terme, welche mehr als eine ›impositio‹ zu verzeichnen haben/hatten, und die daher mannigfache ›significationes‹ in verschiedenen Einzelvorkommnissen besitzen bzw. haben können. Ein univoker Term weist also eine eindeutige einzige Signifikation auf, obschon er bei Verwendung in unterschiedlichen Propositionen für verschiedene Gegenstände stehen kann. Univoker Gebrauch von Nomina wie ‘Lebewesen’ oder ‘Mensch’ schließt das Stehen dieser Nomina für numerisch unterscheidbare Individuen nicht nur nicht aus, dieses sich wandelnde Supponieren wird vielmehr als eine Wirkung der sogenannten ›appellatio(nes)‹ solcher Nomina angesehen. Als eine Folge daraus entwickeln die Terministen eine prinzipielle Unterscheidung zwischen ›significatio‹ und ›appellatio‹ eines Terms, wie sie uns in ähnlicher logisch-semantischer Umgebung schon bei Anselm (noch im 11. Jh.) begegnet. Sie ist um 1150 allgegenwärtig (Henry 1982 , 137 f; Libera 1982 , 174 ff; Spade 1982 , 188—196). Nicht erst die Terministen haben bemerkt, daß gewisse Terme, insbesondere Gattungsnamen und andere Universalien, auch für ihren Begriffsinhalt oder für sich selbst als Wort supponieren können: (a) ‘Mensch’ ist eine Spezies. (b) ‘Mensch’ ist ein Nomen. (c) ‘Mensch’ ist einsilbig. Hinzu tritt die Beobachtung, daß das Tempus des Verbums der Proposition, in welcher ein Nomen als Subjektterm verwendet wird, die aktuelle Bedeutung dieses Nomens beeinflußt. In einem solchen Fall eines komplexen Analysandums mit variierenden ›significationes‹ und ›suppositiones‹ erscheint die ›appellatio‹ gewissermaßen als Anker der Terministen: ›Appellatio‹ eines Terms heißt hier Benennung existierender Individuen durch das Nomen, und zwar zunächst unabhängig davon, ob sie
4. Sprachphilosophie in der Scholastik
jetzt existieren, in der Vergangenheit existierten oder in Zukunft existieren werden. ›Appellatio‹ erscheint in diesem sehr allgemeinen Kontext als zeitunabhängige (omnitemporale) Extension des Terms. In einem engeren Sinne ist die Rede von der Appellation eines Terms aber mit einem präsentischen ‘est’ oder ‘sunt’ (oder mit einer derlei implizit enthaltenden finiten Verbform) verbunden. So definiert z. B. Wilhelm von Shyreswood ‘appellatio’ als die ›gegenwärtige‹, richtige Anwendung/Verwendung eines Terms. Innerhalb von Propositionen kann aber aus verschiedensten Gründen die ›korrekte gegenwärtige‹ ›appellatio‹ durch ›restrictio‹ [Beschränkung] oder durch ›ampliatio‹ [Erweiterung] modifiziert werden; dies kann z. B. durch ein futurisches Tempus des Verbums oder durch Worte wie ‘potest’ geschehen, womit hier auch mögliche Individuen in die Extension einbezogen würden. Die erste und entscheidende Stufe in der Entwicklung der Lehre von den ›proprietates terminorum‹ ist die Betonung der ›appellatio‹, und nicht, noch nicht, der ›suppositio‹, welche später zum Charakteristikum terministischer Sprachtheorie wird. Bemerkenswert ist das Faktum, daß ›ampliatio‹ und ›restrictio‹ sich in dieser Phase nur auf die ›appellatio‹ beziehen, während sie doch in der voll entwickelten Form der Lehre von den ›proprietates terminorum‹ den ›Artenreichtum‹ der ›suppositiones‹ bestimmen. ›Appellatio‹ scheint sogar einen Primat gegenüber der ›significatio‹ erreichen zu können, wie die bereits genannte Ars M eliduna anzunehmen nahelegt (de Rijk 1982, 164 ff). 5.3. Appellatio, subiectio, suppositio Die zweite und nicht minder entscheidende Phase in der Entwicklung der Lehre von den ›proprietates terminorum‹ ist die Erweiterung und schließliche Überwindung der Lehre von der ›appellatio‹ durch die komplexe Theorie von den ›suppositiones terminorum‹. Diese durch die Bewegung weg vom Wort und hin zum Satz beförderte Entwicklung vollzieht sich in zwei Schritten: (1) Ergänzung bzw. Erweiterung der ›appellatio‹ durch ›subiectio‹; (2 ) Erweiterung und schließliche Überwindung der ›appellatio‹ durch ›suppositio‹. — Um solche Aussagen, wie ‘ ‘Lebewesen’ ist ein Nomen’ oder ‘ ‘Lebewesen’ ist eine Gattung’, mit einer betont appellativen (= extensionalen) Semantik in den Griff zu bekommen, bedurfte es einer Ausweitung der Lehre von der ›appellatio‹ in eine allgemeinere Theorie über jeden möglichen Gebrauch eines No-
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mens als Subjektterm von Standardpropositionen, d. h. über die ›subiectio‹ appellativer Nomina. In dieser Phase der Entfaltung mit Konzentration auf den Subjektterm von Propositionen bzw. auf ›nomina appellativa‹ treten zwar die verschiedenen ›suppositiones‹ noch nicht mit ihren späteren Bezeichnungen auf, die ersten Anfänge aber der neuen Terminologie sind erkennbar. Den Abschluß dieser Entwicklung terministischer Theorie bildet die Lehre von den ›suppositiones‹, wobei die übrigen bereits definierten ›proprietates‹ (›ampliatio‹, ›appellatio‹, ›restrictio‹, ›significatio per se‹, ›subiectio‹) der ›suppositio‹ untergeordnet werden. Jeder Gebrauch eines Terms wird nun durch die Theorie von der ›suppositio‹ gedeckt bzw. erklärt. Es gibt vollständige Listen der Termini technici für die verschiedenen ›suppositiones‹, ja die anonymen Introductiones Parisienses fassen die ›suppositio‹ bereits in ›Anselmscher‹ Breite auf, wenn sowohl Subjekt als auch Prädikat einer Proposition mittels ihrer ›suppositio‹ analysiert werden. In diesem Entwicklungsprozeß spielen zunächst die Berücksichtigung, dann die Betonung und grundsätzliche Einbeziehung des Aussagenzusammenhanges in die Bedeutungsanalyse von Worten die entscheidende Rolle. Dieser kontextbezogene Zugang wird schließlich so dominant, daß die traditionellen Ausdrücke ‘nomen’ und ‘verbum’ zugunsten des als eine ›pars orationis‹ definierten ‘terminus’, welcher sowohl Subjekt als auch Prädikat einer Proposition sein kann, in den Hintergrund treten. Wir haben es nun eben mit einer Theorie über ›proprietates terminorum‹ zu tun. Aus dem bisher zu Anselm und wiederum in diesem Kapitel Ausgeführten ergibt sich meines Erachtens klar, daß bei wichtigen Gruppen der frühscholastischen und terministischen Sprachphilosophen das Hauptinteresse dem extensionalen Bedeutungsaspekt gewidmet ist, jedenfalls mehr Interesse, als dem eher abstrakten Begriff der ›significatio‹ mit der betont ›intensionalen‹ Komponente. Was ein Term in primärer Hinsicht bedeutet oder meint, sind für diese Philosophen individuelle konkrete Gegenstände, die er benennt; lediglich in sekundärer Weise ist auch das von Interesse, was diese Individuen gemeinsam haben und der Term ebenfalls bedeutet bzw. bezeichnet. Diese Darstellung mit einem Übergewicht zugunsten des extensionalen Zuganges betont jedoch nur eine, wenn auch sehr wichtige Entwicklungslinie der scholastischen Sprachtheorie; tatsächlich indes krankt die gesamte Sprachphi-
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losophie der scholastischen Periode — anachronistisch gesprochen — an einer grundsätzlichen, inneren Inkohärenz bezüglich der Auffassung von Intension und Extension, i. e. an dem unauflöslichen Konflikt von Bedeutung als Bezug auf konkrete Individuen und von Bedeutung als Bezeichnung des allgemeinen Begriffsinhalts. Dieser Gegensatz geht u. a. in die Lehre von der natürlichen Supposition ein. 5.4. Suppositio, significatio, suppositio naturalis Petrus Hispanus sagt in den Summulae logicales (ca. 12 35), der Term ‘Mensch’ supponiere natürlich, d. h. außerhalb und abgesehen vom sprachlichen Kontext (per se sumptus), für alle Menschen, für jene, die jetzt leben, für die bereits vergangenen und für alle zukünftigen Menschen. Dieser ›suppositio naturalis‹ von ‘Mensch’ steht eine ›suppositio accidentalis‹ gegenüber, welche durch den Kontext der Verwendung innerhalb einer Proposition entsteht. In ‘Homo est’ supponiert ‘homo’ akzidentell z. B. für jetzt lebende Menschen, in ‘Homo fuit’ für bereits vergangene, usf. in weiteren Beispielen akzidenteller Supposition. — In welcher Beziehung stehen nun ›significatio‹ und ›suppositio naturalis‹ eines Terms zueinander? Petrus Hispanus verwendet offensichtlich ‘significatio’ als allgemeinsten Begriff von Sinn und Bedeutung, da die Signifikation eines Terms nach ihm zweierlei umfassen kann: (1) Die Benennung jener konkreten Individuen, welche die Referenzobjekte des Terms sind, und (2 ) die Bezeichnung der allgemeinen Eigenschaft, welche ihnen gemeinsam ist. Für Petrus befaßt also ‘significatio’ sowohl Extension als auch Intension unter sich. Die Einbeziehung der ›suppositio naturalis‹ durch Petrus scheint daher prima facie die beiden ihm und der Tradition zugehörigen Unterscheidungen ‘ExtensionIntension’ und ‘significatio-suppositio’ zu verwässern. Die Signifikation eines Terms (in dem ausgeführten, sehr allgemeinen Sinn) stützt sich auf seine Imposition; Supposition eines Terms bedeutet aber die Annahme bzw. Verwendung dieses Terms als für-etwas-stehend, wobei die Signifikation, sei sie eindeutig, sei sie mehrdeutig, bereits als gegeben vorausgesetzt ist. Eine sorgfältige Überprüfung der relevanten Texte von Petrus Hispanus zeigt aber, daß ihm mittels seiner Deutung von ›suppositio naturalis‹ eine konsistente Erweiterung der terministischen Semantik gelungen ist (Libera 1982 , 177 f; de Rijk 1982 ,
I. Raum-zeitliche Übersichten
168 ff). Sofern ein Wort (vox) Signifikation (etwas durch Imposition) besitzt, wird es zu einem Term (terminus) im Sinne einer ›pars orationis‹ und bezeichnet (significat) eine ›natura/essentia universalis‹ [eine allgemeine Natur/eine Wesenseigenschaft/ein Universale], welche(s) als sein eigentliches Signifikatum angesehen wird. Eine derart ausgestattete vox erwirbt als terminus die ›natürliche‹ Fähigkeit zur Supposition für alle wirklichen und möglichen Individuen, welche unter das Universale fallen; genau diese Eigenschaft eines Terms nennt Petrus Hispanus ‘suppositio naturalis’ [natürliche Supposition]. Diese sehr allgemeine natürliche ›Disposition‹ eines Terms verdankt sich ausschließlich seiner Signifikation, d. h. sie ist die natürliche ›Fähigkeit‹ oder Anlage, in einem signifikativen Term innerhalb einer Proposition, aber auch ohne Kontext, für etwas zu supponieren. Diese natürliche Supposition ist verschiedenen Restriktionen gegenüber offen; eine solche Einschränkung kann durch Hinzufügung eines weiteren Terms geschehen, wie z. B. die komplexe Verbindung ‘weißes Pferd’ eine ›restrictio‹ der ›suppositio‹ von ‘Pferd’ bedeutet, oder wie jede Verwendung in einer Proposition durch Hinzufügung des Verbs eine Restriktion der natürlichen Supposition des Subjektterms ergibt. Immer dann nun, wenn in solchen Fällen eines aktuellen Zusammenhanges vom Kontext abgesehen wird, d. h. der Term für sich genommen wird, dann besitzt der Term für Petrus Hispanus seine ganze, durch keine Beschränkung verminderte Extension: In unserem Beispiel sind dies alle Individuen der Spezies Pferd, gegenwärtig, vergangen und zukünftig. Das heißt aber, daß für Petrus Hispanus ›suppositio naturalis‹ das extensionale Gegenstück zu ›significatio‹ (im Sinne der ›impositio‹) ist. Die dominierende Parallelität zur ›significatio‹ liegt darin, daß die natürliche Supposition eines Terms das Stehenkönnen für alle Individuen involviert, welche Disposition ein signifikativer Term von Natur aus besitzt; diese weitestmögliche Extension des Terms wird durch das Absehen vom tatsächlichen Kontext seines Vorkommens erreicht. Die Tatsache des Vorliegens eines faktischen Zusammenhanges, von welchem zum Zwecke der Analyse abgesehen wird, unterscheidet indes die natürliche Supposition von der Signifikation, welche ihrerseits als vor jedem sprachlichen Gebrauch oder Zusammenhang bereits gegeben gilt. Und doch darf man Petrus Hispanus keine ›idealistische‹ Auffassung der ›suppositio naturalis‹ vorwerfen.
4. Sprachphilosophie in der Scholastik
5.5. Materialistische versus idealistische Auffassung von Supposition und Appellation Petrus Hispanus ist indes Zeuge für die Fortsetzung der Gigantomachie zwischen ›Materialismus‹ und ›Idealismus‹ in der Sprachphilosophie auch des 13. Jahrhunderts. In diesem Zusammenhang sind die folgenden Begriffe von größter Wichtigkeit für die Suppositionslehre: ›ampliatio‹, ›restrictio‹, ›appellatio‹. Dabei erscheint ›appellatio‹ als empirisch-extensionales Gegenstück zu einer ›idealistisch‹ gedeuteten ›suppositio‹. Nach Petrus besteht die allgemeine(re) Auffassung unter den Philosophen darin, daß die Appellation eines Terms nur realiter existierende Individuen zum Zeitpunkt der Äußerung der Proposition betrifft, während die Supposition sich gleichermaßen und natürlicherweise auf existierende und nicht existierende Gegenstände bezieht. Unter diesen Gegebenheiten muß die Supposition durch Restriktion auf den Bereich der Appellation eingeengt werden, da eine so verstandene Supposition einem Term aus sich selbst heraus (de se) zugeschrieben wird. R. Bacon nun verteidigt die gegenteilige Position: Ein Term steht von sich aus (de se) nur für gegenwärtig existierende Gegenstände; immer dann, wenn ein Term für andere Gegenstände supponiert, geschieht dies aufgrund einer kontextualen Modifikation wie z. B. Ampliation. Im Beispielsatz ‘Ein Mensch läuft’ steht ‘Mensch’ für sich genommen nur für gegenwärtig lebende Menschen, welche Supposition auch durch das Prädikat ‘läuft’ nicht verändert wird. Wenn die Proposition aber lautet ‘Ein Mensch läuft oder kann/wird laufen’, dann ist die Supposition faktisch von wirklich lebenden bzw. wirklich laufenden Menschen auf nicht existierende Menschen erweitert worden. Folglich, so behauptet man dann, falle der eigentliche, durch die Sprache selbst gegebene Bereich von Supposition mit dem der Appellation zusammen, womit es notwendig ist, die Supposition mittels Ampliation zu modifizieren, um über den Bereich der Appellation hinauszugelangen. Die Möglichkeit einer restriktiven Modifikation durch das Verb im umgekehrten Sinne wird damit illusorisch. R. Bacon nimmt in seinen Summulae ausdrücklich auf zwei Auffassungen von Appellation Bezug, wird aber nicht müde, jene Position zu verteidigen, daß ein Term de se nur für existierende Gegenstände stehen kann, und daß folglich ein Supponieren für nicht existierende Dinge nur aus
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spezifischen Modifikationen (z. B. innerhalb einer Proposition) resultieren kann. Einen Grund für diesen Umstand sieht R. Bacon darin, daß eines Wortes Imposition nur für bzw. auf gegenwärtige Gegenstände geschehen kann. Es ist nicht überraschend, daß Anhänger dieser letzten Position wenig Interesse an den Themen von Restriktion oder von ›idealistisch‹ verstandener De-se-Supposition bekunden. Und doch muß angemerkt werden, daß selbst die scharfsinnigsten unter den scholastischen Sprachphilosophen dem vielversprechenden Zugang über den sprachlichen Kontext nicht zum ›erwarteten‹ Durchbruch verholfen haben; vielmehr glaubt eine führende Forschungsrichtung, daß diese Scholastiker den zielführenden Kontextzugang von der ständigen Gefahr der Zerstörung durch die indirekte Voraussetzung einer natürlichen Priorität der Signifikation vor der Supposition nicht befreien konnten. Ein sich darauf beziehendes, hier nicht (mehr) für überzeugend gehaltenes Diktum der Cambridge History of Later M edieval Philosophy konnte auch Wilhelm von Ockham nicht von einem entsprechenden Urteil ausnehmen: „They would have done a better job, if, instead of rejecting such notions as natural or simple supposition, they had abandoned their notion of signification itself. The most critical logicians of the Middle Ages used a sharp knife, but amputated the wrong leg“ [Sie hätten bessere Arbeit geleistet, wenn sie anstelle der Widerlegung solcher Begriffe wie natürliche oder einfache Supposition ihren eigenen Begriff der Signifikation aufgegeben hätten. Die scharfsinnigsten Logiker des Mittelalters benützten ein scharfes Messer, sie amputierten indes das falsche Bein] (de Rijk 1982, 173).
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Semantik der Terme versus Semantik der Propositionen
‘Terminus’ wird in der scholastischen Philosophie in mehrfachem Sinn verwendet; wenigstens drei dieser Bedeutungen sind hier wichtig: Einmal sind Subjekt und Prädikat in einer kategorischen Standardaussage Terme, d. i. sie bilden die zwei ›Begrenzungspunkte‹ (= termini) der Proposition. In diesem Sinne können auch komplexe Phrasen Terme sein, wie z. B. sowohl das Subjekt als auch das Prädikat in ‘Einzeln ausgesprochene Worte sind Nomina, welche etwas bedeuten’, aber nur bestimmte Wortarten können für sich genommen als Terme auftreten: Substantiva, Adjektiva, Verba. In einem allgemeineren und nicht durch die logische Enge von Standard-
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propositionen bestimmten Sinne kann jedes beliebige Wort als Term betrachtet werden, womit neben den genannten Kategoremata andere kategorematische und vor allem synkategorematische Terme einbezogen werden können. (Die dritte Bedeutung fußt auf einer Dreiteilung in geschriebene, gesprochene und mentale Termini, von der etwas später gehandelt wird.) Von den zwei Grundeigenschaften der Terme (in der scholastischen Semantik), Signifikation und Supposition, wird die Signifikation von vielen Scholastikern für eine (zumindest teilweise) kausale Eigenschaft der Terme selbst gehalten, und zwar aufgrund des autoritativen Textes aus Aristoteles’ De interpretatione (in der interpretierenden Übersetzung des Boethius): „Ipsa quidem secundum se dicta nomina sunt et significant aliquid. Constituit enim qui dicit intellectum et qui audit quiescit“ [Worte selbst für sich gesprochen sind eben Nomina und bezeichnen etwas. Wer (sie aus)spricht, erzeugt ein Verstehen, und wer (sie) hört, hält untätig still] (caput 3).
Dieser Text führte zur weit verbreiteten Gleichung: Signifikation eines Terms = Verursachung/Erzeugung seines Verstehens. Ein Term ›bezeichnet‹ (significat) das, was er einen ihn hörenden Menschen denken/verstehen macht; die Signifikation eines Terms ist also eine kausale Eigenschaft seiner selbst. Ebenfalls aufgrund aristotelisch-boethianischer Autorität, bestärkt durch Augustin, hielt man an drei Gattungen von Termen sowie drei Arten von Sprachen fest: Geschriebene, gesprochene und mentale Terme bzw. Sprache. Mentale Terme oder Begriffe sind zwar die eigentlichen, naturgegebenen Terme und besitzen eine natürliche Signifikation; gesprochene Terme aber werden für diese Begriffe konventional (ad placitum), d. i. aufgrund einer willkürlichen sprachlichen Setzung verwendet; geschriebene Terme stehen in derselben konventionalen Beziehung zu den gesprochenen. Diese vermeintliche Doktrin des Boethius ist alles andere als klar. Mancherlei Scholastiker hielten des weiteren diese komplexe Beziehung selbst für eine semantischsignifikative Relation, d. h. sie glaubten, geschriebene Terme (wie auch Propositionen; dazu s. u.) bezeichneten (significant) gesprochene Terme, und diese gesprochenen Terme hätten als ihre Signifikation mentale Terme, was immer dies heißen soll. Durch diese Quasi-Transitivität der Signifikation bildeten manche von ihnen die weitere Ansicht aus, gesprochene und insbesondere geschriebene Terme bezeichneten lediglich mittelbar, während den mentalen Termen eine ›letzte, unmittelbare Signifikation‹ zueigen sei. Die aus
I. Raum-zeitliche Übersichten
mentalen Termen bestehende mentale Sprache hielt man für eine alle Menschen umfassende einheitliche Denksprache bzw. Begriffswelt. Die verständlichen Teile dieser Theorie(n) fügten sich gut in die Lehre ein, Sprache diene der sozialen Verständigung, sie veranlasse andere Menschen, unsere Gedanken zu verstehen. Sie erklärten z. B. auch das Gelingen von Übersetzungen, welche sozusagen als die jeweilige Reduktion verschiedener geschriebener/gesprochener Sprachen auf die eine mentale Sprache angesehen wurden. Sie führten indes in einen Gegensatz zur ›gewöhnlichen‹ Auffassung, sprachliche Imposition könne Terme mit beliebiger Bedeutung schaffen, um alle möglichen Themen zu erörtern, und nicht bloß eigene, in mentalen Aussagezusammenhängen vorgegebene Gedanken. 6.1. Signifikation kategorematischer und synkategorematischer Terme Aus der Vielfalt an Theorien über die Signifikation synkategorematischer Terme seien einige markante Positionen gestreift: Präpositionen oder Konjunktionen, die wichtigeren Synkategoremata, würden nicht bezeichnen (significare), sondern ›mitbezeichnen‹ (consignificare; consignificatio), liest man schon bei Boethius; sie besitzen eine unbestimmte Signifikation, während die Kategoremata bestimmt bezeichnen (Abaelard); sie bezeichnen überhaupt nicht, sie bestimmen nur die Wahrheitsbedingungen von Propositionen (Ockham); sie bezeichnen mentale Einstellungen bzw. verursachen ein Verstehen, wenn auch nicht ein Verstehen von etwas (Augustin; Anselm); sie bezeichnen lediglich sekundär oder mittelbar, sie konnotieren; usw. usf. Konnotation sah man auch bei kategorematischen Termen wie ‘Blindheit’ oder ‘Ungerechtigkeit’ gegeben, da diese indirekt (per aliud) den Verstehenden von Gerechtigkeit und Recht bzw. von Sehkraft und Gesicht denken machen, woraus man schloß, daß ‘Blindheit’ auch, wenn auch uneigentlich oder bloß mittelbar, Sehen mit-bezeichnet, sowie ‘Ungerechtigkeit’ Recht und Gerechtigkeit; Anselms Analysen von ‘nihil’ und ‘aliquid’ fallen unter dieses Thema konnotativer Signifikation. 6.2. Suppositionstheorie; Arten der Supposition Supposition ist eine Eigenschaft ausschließlich kategorematischer Terme im strengen Sinne des propositionalen Kontextes, d. h.
4. Sprachphilosophie in der Scholastik
eine Eigenschaft von Subjekts- und Prädikatsterm(en). Die Suppositionstheorie selbst zerfällt in zwei relativ selbständige Teile, (1) in die eigentliche, allgemeine Lehre von den ›suppositiones‹ als ein extensionales Gegenstück zur ›significatio terminorum‹, (2 ) in die besondere Theorie von den verschiedenen Arten bzw. Modi der ›suppositio personalis‹. Die allgemeine Suppositionstheorie ist eine Referenztheorie für Terme; im gewöhnlichen Diskurs supponieren diese ›Endpunkte‹ einer Proposition für jedes einzelne Ding, von welchem sie zutreffend prädiziert werden können, d. h. sie stehen in allen Fällen wahrer Prädikation für etwas durch sie Benanntes. In diesen Fällen der Benennung außersprachlicher Gegenstände heißt ihre Supposition persönlich [personalis]. Aber es gibt auch andere Kontexte und andere Formen von Prädikation. So hat man metaphorischen oder poetischen Gebrauch als uneigentliche Supposition (impropria) klassifiziert. Andere Verwendung wiederum wurde zwar als eigentlich, aber nicht persönlich rubriziert, wie z. B. ›suppositio materialis‹ und ›suppositio simplex‹. Materiale Supposition liegt vor, wenn ein Term in nicht-persönlicher Supposition für einen geschriebenen oder gesprochenen Ausdruck supponiert, z. B. ‘Mensch’ in ‘ ‘Mensch’ ist einsilbig’. Einfache (simplex) Supposition sahen sowohl Universalienrealisten als auch
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Nominalisten im nicht-persönlichen Vorkommnis von ‘Mensch’ in ‘ ‘Mensch’ ist eine Spezies’ gegeben. Damit sind auch schon die drei Grundrelationen semantischer Betrachtung genannt: Personale, einfache und materiale Supposition. Diese werden nun regelmäßig von gegensätzlichen bzw. komplementären Suppositionen abgehoben, so daß es zur Bildung von Paaren kommt (Enders 1975, 81—86): In der materialen Supposition steht ein Term für sein eigenes Laut- bzw. Schriftgebilde, in einfacher Supposition für ein Universale, d. i. je nach ontologischer Position eine mentale oder extramentale Entität; in der persönlichen steht der Term für das, worauf er zutrifft, d. i. je nach semantischer Position die signifikative Verwendung oder nicht; die diskrete personale Supposition ist die der singulären Terme, die allgemeine die der generellen Terme; die konfuse allgemeine Supposition liegt vor im allgemeinen Satz, die determinierte im partikulären. Petrus Hispanus, Wilhelm von Shyreswood, Walter Burley, Wilhelm von Ockham, Albert von Sachsen und viele andere Scholastiker treffen diese Unterscheidungen, sie unterscheiden sich aber ihrerseits untereinander stark in den Unterund Überordnungen der Paare, welche z. B. bei Wilhelm von Ockham folgendes Ausssehen haben:
Abb. 4.1: Ockhams Suppositionsbaum
6.3. Terme und Propositionen Für eine getrennte semantische Analyse von Termen und Propositionen konnte man ebenfalls auf die Autorität des Aristoteles zurückgreifen, der in Categoriae (caput 2 ; 1 a 16— 19) und in De interpretatione (caput 4—5; 16 b 2 6—17 a 2 4) die Propositionen gegenüber ›unverbundenen‹ Nomina und Verba (incomplexa) dadurch kennzeichnet, daß jene wahr oder falsch sind, während auf diese die Begriffe von Wahrheit und Falschheit nicht ohne ›Verknüpfung‹ (συμπλοκή; σύνδεσμος) angewandt werden können. Durch eine solche einheits- und wahrheitsstiftende Verbindung (lat. complexio) von Termen entsteht eine
Proposition, eine Rede (gr. λόγος; 16 b 2 6), die dazu verwendet wird, etwas Wahres oder etwas Falsches auszudrücken bzw. mitzuteilen (oratio verum falsumve significans). Der lateinische Fachterm ‘propositio’ meint (seit Apuleius) einen Aussagesatz als Satz, und nicht das, was eine solche Aussage ausdrückt bzw. bedeutet. Weiters sind sich die scholastischen Philosophen über den Unterschied einig, der zwischen einer ›propositio/complexio/ἀπόϕασις‹ im Sinne einer bloßen Prädikation und einer solchen Prädikation mit Wahrheitsanspruch besteht, sie unterscheiden also gewöhnlich zwischen (prädikativer bzw. oft bloß mentaler, nicht assertorischer) Aussage und Behauptung. Wie bei der Bedeutungsanalyse der Terme stellt sich auch hier
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bei den Propositionen die Frage nach der semantisch-ontologischen Beziehung mentaler Propositionen zu ihren geschriebenen und gesprochenen Surrogaten. Diese Frage mündet in jene nach der Bedeutung deklarativer Propositionen aller drei Arten, erfährt jedoch eine klare, ja einfache Antwort: In Anlehnung an die Anfangsbestimmungen von De interpretatione (16 a 3—18) und in Übereinstimmung mit Boethius lehrt man zunächst, geschriebene Propositionen seien konventionale Zeichen für gesprochene, und diese seien konventionale Zeichen für mentale Propositionen, bzw. sie bezeichneten mentale Akte (παθήματα τῆς ψυχῆς; 16 a 6—7). Später lehrt Ockham z. B., alle drei Arten von Propositionen hätten zwar dasselbe Signifikatum, aber mentale Propositionen bezeichneten es auf natürliche und direkte Weise, während die anderen konventionale Zeichen dafür seien. Mentale Propositionen erscheinen dabei als bejahende oder verneinende intentionale Akte, welche in einer einenden Verbindung (λόγος συνδέσμῳ εἷς; De int. 17 a 9) des Prädikates mit dem Subjekt bestehen, wobei im Falle einer Behauptung gedacht wird, was bzw. wie es tatsächlich ist. Diese mentalen ›Moleküle‹ nun sollen ihre Signifikata auf natürliche Weise bezeichnen. Was aber ist überhaupt das Signifikatum einer (mentalen) Proposition? 6.4. Signifikata mentaler Propositionen ‘Significare/significatio’ ist im Kontext intentionaler Akte mindestens doppeldeutig. Zum einen verwendet man es zur Bezugnahme auf denkende bzw. sprechende Subjekte, welche einen Glauben oder eine Ansicht sprachlich ausdrücken, wobei ‘significare’ hier dann bedeutungsverwandt mit ‘proponere’, ‘enuntiare’ oder ‘dicere’ ist; das so Geäußerte ist eben ›dictum‹, ›enuntiabile‹ oder ›significatum‹ oder dergleichen. Zum andern bedeutet ‘significare’ nach dem Verständnis des Denkens als eines nach außen stummen, ›inneren‹ oder mentalen Sprechens die Gegenstände der rein mentalen Akte des Urteilens, Glaubens oder Wissens; die Frage erweitert sich zur Fragestellung nach dem adäquaten Signifikatum mentaler Propositionen im Gegensatz zu den (als problemlos angesehenen) Signifikaten gesprochener oder geschriebener Propositionen. Was ist das eigentliche Objekt eines Urteilsaktes oder einer mentalen Behauptung? Oder in den Worten des Aristoteles (Cat. 10; 12 b 15) gefragt: Was ist dieses Etwas (τὸ ὑϕ’ ἑκάτερον πρᾶγμα), was ist das Wesen
I. Raum-zeitliche Übersichten
dieses Etwas, welches einem Urteil(en) oder einem Behaupten als rechtfertigende Grundlage dient? Mit Aristoteles (12 b 9—15) mußte man ja ein solches Etwas für wahre, aber auch für falsche Propositionen ansetzen, womit es — das ›negative‹ Etwas zumindest — eine Mittelstellung zwischen dem Akt des Urteilens oder Behauptens für sich und der äußeren Wirklichkeit einnehmen muß. Beschränkt man sich auf positive bzw. wahre Urteile oder Behauptungen, so stellt sich die Doppelfrage, was ihnen denn in der aktuellen Welt entspricht, und welchen Rang oder welchen Platz sie selbst in der wirklichen Welt einnehmen? Weiters stellen sich hier die Fragen nach den eigentlichen Trägern von Wahrheit und Falschheit und nach der Natur der realen Relata logischer oder semantischer Beziehungen überhaupt. Für den mittelalterlichen Aristotelesinterpreten läßt sich dieser Komplex auf die Frage nach der Natur jenes Etwas (πρᾶγμα) reduzieren, von dem die Kategorienschrift mehrfach spricht: „τῷ γὰρ τὸ πρᾶγμα εἶναι ἢ μὴ εἶναι, τούτὼ καὶ ὁ λόγος ἀληθὴς ἢ ψευδὴς εἶναι λέγεται ... [Denn darum, weil dies (andere) Etwas ist oder nicht ist, wird auch die (mentale) Proposition als wahr oder falsch bewertet ...]“ (4 b 8—10). „ἒστι δὲ ὁ μὲν ἀληθὴς λόγος οὐδαμῶς αἴτιος τοῦ εἶναι τὸ πρᾶγμα, τὸ μέντοι πρᾶγμα ϕαίνεταί πως αἴτιον τοῦ εἶναι ἀληθῆ τὸν λόγον˙ τῷ γαρ εἶναι τὸ πρᾶγμα ἢ μὴ ἀληθὴς ὁ λόγος ἢ ψευδὴς λέγεται. [Nun ist aber die wahre Proposition gewiß nicht Grund dafür, daß das Etwas ist; vielmehr erscheint dies Etwas geradezu (πως) als der Grund dafür, daß die Proposition wahr ist. Denn insofern dies Etwas ist oder nicht ist, wird die Proposition wahr oder falsch genannt.]” (14 b 18—22)
Die wichtigsten, unter den bisher aus dem überfließenden Quellenmaterial erhobenen Antworten lassen sich unter drei Überschriften zusammenfassen: Dictum-, Res- und Complexum-Theorie. 6.5. Dictum versus res An der Unterscheidung zwischen einer ›propositio/complexio‹ im Sinne einer bloß behauptbaren Prädikation und einer solchen Prädikation als einem behauptenden Akt mit Wahrheitsanspruch hält zum Beispiel Abaelard fest; er stellt also (prädikative, nicht assertorische) Aussagen und Behauptungen neben- bzw. gegeneinander: Um eine ›propositio‹ vom bloß assertiblen in den assertorischen Modus überzuführen, bedarf es eines mittels finiten Verbums erhobenen Anspruchs, daß die in der Proposition ausgedrückte (enuntiabile; dictum) Verknüpfung
4. Sprachphilosophie in der Scholastik
(von Subjekt und Prädikat) tatsächlich der Fall ist. Das ›enuntiabile‹, bzw. das als faktisch vorliegend Behauptete, betrifft als solches zwar Gegenstände der Dingwelt und nicht etwa Worte oder Gedanken, ist aber selbst nicht ein Gegenstand von der Art, wie sie von Nomina benannt werden. Ein ›enuntiabile‹ oder ›significatum propositionis‹ erscheint vielmehr als eine bestimmte Sachlage, d. h. als die Art und Weise, in welcher die durch Subjekt- und Prädikatterm benannten Dinge aufeinander bezogen sind (rerum modus habendi se). Das ›significatum propositionis‹ fällt daher nicht unter die Kategorie individueller Gegenstände, es ist etwas Komplex(er)es, das (im Lateinischen) durch Ausdrücke in der sächlichen, dritten Person (sic est; contingit) mit nachfolgender Infinitivkonstruktion (AcI) ausgedrückt werde(n kann). Darum nennt Abaelard derartige ›enuntiabilia‹ bevorzugt ‘dicta’ und hält sie für Wahrheitsträger schlechthin; verglichen mit den ›dicta‹ sind gesprochene, geschriebene, aber auch mentale Propositionen lediglich in einem abgeleiteten Sinne wahr oder falsch. Ein wahrheitswertfähiges ›dictum‹ muß demnach neben (dem Akt) der Behauptung und außerhalb der wirklichen Dingwelt ein ontologisches Drittes sein, über dessen Natur wir aber von Abaelard, sieht man vom nachdrücklichen Hinweis auf das Nicht-Ding-Sein ab, in einem Dunkel belassen werden. Der bald weit verbreiteten Dictum-Theorie aus dem 12 . Jh. wird im 13. Jh. — offensichtlich aus theologischen Gründen — eine Res-Theorie an die Seite gestellt: Was ist der unveränderlich gleichbleibende Gegenstand eines beliebigen Artikels des Glaubens? Die hochtheologisch begründete und bevorzugte Antwort lautet: Gegenstand z. B. des Glaubens, Gott sei höchst einfach, ist und bleibt durch alle Sprachvariation hindurch ein ›aristotelisches Etwas‹ (πρᾶγμα; res), hier der einfache Gott, welches jedenfalls kein ›complexum‹, wie eine ›propositio/complexio‹ sie darstellt, sein kann, und also ein incomplexum, eine einfache res, ist. Zur Stützung dieser orthodoxen Ansicht konnte man anführen, daß der Gläubige während seines irdischen Lebens denselben Glaubensgegenstand, i. e. Gottes Einfachheit, anzielt bzw. trifft, welchen er in der jenseitigen ›visio beatifica‹ durch einen einfachen und vollkommen klaren ›intuitus‹ schauen werde; eine derartige, klarste Intuition ist aber weder zusammengesetzt, also kein ›complexum‹, noch durch irgendeine ›Prädikation‹ qualifiziert oder bestimmt, also
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kein ›dictum‹. Gegen die Res-Theorie konnte man wiederum aus dem Wahrheitsanspruch des Gläubigen bezüglich seines Glaubens Kapital schlagen: Der Inhalt jedes Glaubensanspruches ist als Gegenstand eines Glaubensaktes entweder wahr oder falsch, tertium non datur. Die Begriffe von Wahrheit und Falschheit sind aber nur auf durch Propositionen Ausgesagtes anwendbar, d. h. Wahrheit und Falschheit betreffende Urteile setzen die entsprechende ›complexio‹ (σύνδεσμος) von Subjekt und Prädikat voraus. Der Gegenstand menschlichen Glaubens, welcher im Bedeutungsfeld einer ›propositio‹ gesehen wird, ist demnach ein ›complexum‹. Gibt man dies zu, so kommt hier — vereinfachend gesprochen — ein subjektives Moment herein; obgleich die theologischen Fakten von Gottes wahrer Einfachheit und z. B. von Christi wahrer Geburt als eines Menschen vom wahrheitssuchenden Gläubigen unabhängige ›Sachen‹ (πράγματα; res) sind, erscheinen die entsprechenden Behauptungen des Glaubenden als sekundäre Menschengebilde. Während Bonaventura die theologisch striktere ResAuffassung durchzuhalten versucht, sieht sein Zeitgenosse Thomas Aquinas eine Möglichkeit, beide Theorien zu vereinen: Vom Standpunkt des Glaubenden aus kann die Complexum-Theorie, vom Gesichtspunkt des Geglaubten her die Res-Auffassung Wahrheit beanspruchen. Thomas ist mit diesem Kompromißvorschlag ein beredtes Zeugnis für das Nebeneinander von Dictum-, Res- und Complexum-Auffassung, welche in Abaelards Zeit und unmittelbar danach noch nicht in dem exklusiven Wettstreit liegen, wie ihn das 14. Jh. voraussetzt. 6.6. Complexe significabile Der frühscholastischen Dictum-Deutung kommt Gregor von Rimini (ca. 1300—1358) mit seiner Lehre vom ›complexe significabile‹ sehr nahe. Der in Wien verstorbene Gregor steht jedoch aufgrund der derzeitigen Forschungslage im Schatten von Adam Wodeham (ca. 12 98—1358) und dem ein wenig älteren Wilhelm Crathorn, deren darauf bezügliche Theorie-Stücke gerade erst erforscht werden. Betrachten wir Gregors Analyse von Akten des Zustimmens bzw. des Wissens; Gegenstand solchen mentalen ›Tuns‹ ist nicht eine res der Dingwelt, auch nicht ein ›complexum‹ im Sinne der Complexum-Theorie, sondern das, wovon eine ›propositio mentalis‹ ein natürliches Zeichen ist, etwas, das nur durch eine ›propositio‹ als ›complexio‹ zweier
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I. Raum-zeitliche Übersichten
Terme, niemals durch einen alleinstehenden Term oder eine Anhäufung von Termen ohne assertive Verknüpfung bezeichnet wird; ein derartiges natürliches ›significatum propositionis‹ nennt er ‘complexe significabile’ (oder: ‘complexe enuntiabile’). Bei der Erläuterung des ontologischen Status der ›complexe significabilia‹ greift Gregor auf eine dreifache Bedeutung von ‘aliquid’ und ‘res’ zurück, wobei es ihm gelingt, die autoritative Äußerung des Aristoteles bezüglich πρᾶγμα (res; ›etwas‹) miteinzubeziehen: Ein ›complexe significabile‹ ist kein Etwas (aliquid; res; πρᾶγμα) im Sinne der durch kategorematische Terme benannten Substanzen; es ist aber ein Etwas in dem Sinne, in welchem Aristoteles von ihm sagt, daß dieses Etwas einer Behauptung zugrundeliegt, welche genau deswegen wahr ist, weil dies Etwas (der Fall) ist; und es ist weiters ein wirkliches Etwas bzw. etwas Wirkliches (res), insofern im Falle einer wahren Proposition das durch sie bezeichnete ›complexe significabile‹ wirklich ist, d. h. ein Teil der Welt, wie sie ist. Die ›complexe significabilia‹ Gregors sind also entweder (a) Tatsachen, oder (b) Sachverhalte, aber niemals (c) Dinge im engen Sinne der Substanz-Akzidenz-Ontologie. Trotz eines sich gleich erhebenden Widerstandes gegen Gregor (z. B. durch Buridan) bleibt seine Terminologie, welche noch im 16. Jh. (in Paris) in Gebrauch ist, im Schwange.
7.
Zusammenfassung, Überblick, Ausblick
Mit Rücksicht auf die in eigenen Artikeln ausführlich behandelten Philosophen und philosophischen Positionen im für die lateinische Scholastik einschlägigen Umkreis sind hier neben einer allgemeinen Übersicht vor allem Boethius, Anselm, Petrus Hispanus und Gregor von Rimini etwas ausführlicher behandelt worden. Die Fragestellungen des Universalienstreites (s. Art. 61) sowie die Physeithesei-Kontroverse (s. Art. 62 ) konnten ebenfalls unberücksichtigt bleiben, so daß hauptsächlich die frühscholastische Vorbereitung und einige wesentliche Züge der sich daraus entwickelnden hochscholastischen Sprachtheorien in ihrer Einbettung ins Trivium zur Darstellung gelangen. Gerade hierin, d. h. in der Logik in ihrem weiten scholastischen Feld samt Sprachanalyse, Bedeutungslehre und grammatisch-linguistischer Theorie, hat die Scholastik größere Fortschritte als in allen anderen Disziplinen der mittelalterlichen Universität verzeichnet — sieht man von der ›na-
türlichen‹ Ausnahme der rationalen Theologie ab. — Als Renaissance und Humanismus zu ihrem Kampf gegen die mittelalterliche Scholastik antraten, richteten sich viele der schärfsten Attacken gegen die Logik, die linguistischen Theorien und die darin begründeten neuen Lehrmethoden. Es sind die damals mitverschütteten Schätze, die es heute zu bergen gilt. Obschon die letzten Dezennien große Fortschritte bezüglich wichtiger Editionen, Übersetzungen und Handbücher gebracht haben, liegt dennoch der Großteil relevanter Texte in unüberschaubaren Mengen von Handschriften verborgen. Erst wenige Monographien, die über Einzelfragen oder individuelle Figuren hinausgehen, liegen vor, d. h. wir stehen an einem Beginn; gerade im Bereich der früh- und hochscholastischen Sprachphilosophie wird man künftiger Forschung ausreichend Zeit und Mittel einräumen müssen.
8.
Literatur in Auswahl
Adams 1987, William Ockham, 2 Bde. Ashworth 1978, The Tradition of M edieval Logic and Speculative Grammar from Anselm to the End of the Seventeenth Century: A Bibliography from 1836 Onwards. Gemeinsam mit Koerner (1980) und Kretzmann (1982 ) faktisch vollständige Bibliographie von publizierten Quellen und Sekundärliteratur. Barnes 1981, Boethius and the study of logic, in Boethius. His Life, Thought and Influence. Zu 4.2. Biard 1989, Logique et théorie du signe au xive siècle. Zu 5.—6.; monographische Darstellung der Sprachlogik ausgewählter, Autoren des 14. Jhs. Bursill-Hall 1971, Speculative Grammars of the M iddle Ages. The Doctrine of Partes Orationis of the Modistae. Zu 6. Covington 1984, Syntactic Theory in the High M iddle Ages. M odistic M odels of Sentence Structure. Zu 6.; ausgezeichnete Darstellung der syntaktischen Theorien der Modisten. Ebbesen 1982 , Ancient scholastic logic as the source of medieval scholastic logic, in The Cambridge History of Later M edieval Philosophy. Zu 3. Gál 1977, Adam of Wodeham’s question on the ‘complexe significabile’ as the immediate object of scientific knowledge, in Franciscan Studies 37. Zu 6.6.; belegt die Abhängigkeit Gregors von Wodeham.
5. Indian philosophy of language
Gombocz 1983, Anselm über Sinn und Bedeutung, in Anselm Studies. An Occasional Journal 1. Zu 4.4.—4.7. Grabmann 192 6 b, Die Entwicklung der mittelalterlichen Sprachlogik (Tractatus de modis significandi), in M ittelalterliches Geistesleben. Abhandlungen zur Geschichte der Scholastik und M ystik Bd. 1, [1922]. Zu 5. Henry 1982 , Predicables and categories, in The Cambridge History of Later M edieval Philosophy. Zu 4.1.—4.3. Hopkins/Richardson (Hg.) 1976, Anselm of Canterbury, Bd. 2, Philosophical Fragments. Koerner 1980, Medieval linguistic thought: A comprehensive bibliography, in Studies in M edieval Linguistic Thought Dedicated to Geoffrey L. BursillHall. Kretzmann/Kenny/Pinborg/Stump (Hg.) 1982 , The Cambridge History of Later M edieval Philosophy from the Rediscovery of Aristotle to the Desintegration of Scholasticism 1100—1600. Trotz beachtlicher Mängel und Lücken eine ausgezeichnete Darstellung nach thematischen Zusammenhängen; bes. zu 5. und 6. Lewry 1981, Boethian logic in the medieval west, in Boethius. His Life, Thought and Influence. Zu 4. Marenbon 1981, From the Circle of Alcuin to the School of Auxerre. Logic, Theology and Philosophy in the Early Middle Ages. Konzise Darstellung zur Kategorien- und Universalienlehre von Vor- und Frühscholastik. Nuchelmans 1973, Theories of the Proposition.
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Nuchelmans 1980, Late-Scholastic and Humanist Theories of the Proposition. Nuchelmans 1982 , The semantics of propositions, in The Cambridge History of Later M edieval Philosophy. Zu 6. Panaccio 1990, Supposition naturelle et signification occamiste, in De Ortu Grammaticae, BursillHall/Ebbesen/Koerner (Hg.). Zu 5.5.; u. a. gegen de Rijk. Perler 1990, Satztheorien. Texte zur Sprachphilosophie und Wissenschaftstheorie im 14. Jahrhundert. Pinborg 1967, Die Entwicklung der Sprachtheorie im Mittelalter. Pinborg 1972 , Logik und Semantik im M ittelalter. Ein Überblick. Pinborg 1984, M edieval Semantics. Selected Studies on Medieval Logic and Grammar. de Rijk 1982 , The origins of the theory of the properties of terms, in The Cambridge History of Later Medieval Philosophy. Zu 5. Schmitt (Hg.) 1936, Ein neues unvollendetes Werk des Hl. Anselm von Canterbury. Spade 1982 , The semantics of terms, in The Cambridge History of Later M edieval Philosophy. Zu 5.2.—5.4. Tachau 1987, Wodeham, Crathorn and Holcot: The development of the complexe significabile, in Logos and Pragma, de Rijk/Braakhuis (Hg.). Zu 6.6. Tachau 1988, Vision and Certitude in the Age of Ockham.
Wolfgang L. Gombocz, Graz (Österreich)
5. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Indian philosophy of language Introduction Grammar and linguistic studies Classification of words Primary and non-primary meanings of a word: Metaphor Kāraka as a set of unique categories of the philosophy of Sanskrit grammar Knowledge from linguistic utterance Selected references
Introduction
Human language is a very complex phenomenon. But its supreme relevance lies in the recognition of the fact that thinking is almost
impossible without language and hence by analysing language, we can analyse thought. Our thoughts are communicable by means of language. This is not an accidental connection. We use language to communicate thoughts, because we have an implicit understanding of how our language works. These principles governing the use of language are shared though implicitly by all the languageusers. One modern philosopher, Michael Dummett (*192 5), who firmly believes that the philosophy of language is “the base of the entire structure” (Dummett 1980, 442 ) we call ‘philosophy’, argues that there is a very general aspect of our concern with language and this concern is with the fundamental outlines
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of an account of how language functions — it is in this sense that the philosophy of language is to be regarded as the foundation of all the rest in philosophy. This over-all concern with how our language works was not the chief concern of most classical Indian philosophers except the Grammarians like Bhartṛhari (ca. 450—510) (s. art. 17). Thus with Bhartṛhari and all post-Bhartṛhari Grammarians, language acquired a metaphysical importance. Although Bhartṛhari sometimes asked similar questions as postFregean philosophers did, what he supplied as answers would not engage the attention of modern analytical philosophers. Hence we must conclude that the basic attitude was very different. When we talk about Indian philosophy of language we must take a slightly different approach. In a specific sense, the philosophy of language was part of the Indian philosophical activity from the beginning of its history. One reason was to recognize the Scripture’s (Veda’s) authority in certain areas of our belief system. The Indians do not always talk about ›revelation‹ in the way it is understood in the Judaeo-Christian tradition. The Scriptures were regarded by the tradition as embodying certain truths derived from the supposedly ›revealed‹ insights of the sages called ‘seers’ (ṛṣi). The ›Veda‹ means thus a body of knowledge, in fact, a source or ›means‹ of knowledge called ‘verbal testimony’ (śabda), insofar as it is a text. There are other sources of knowledge, like perception and inference, but concern about verbal testimony has led to the general inquiry about how a word or a sentence, imparts knowledge to the hearer. Therefore, what we call the philosophy of language in India has always formed a part of the classical philosophers’ general epistemological inquiry, the ›pramāṇa-śāstra‹, or theory of knowledge. In particular, however, analysis of sentences and words into significant components, the relationship between word and meaning, classification of words according to semantic contribution, division of words in reference to the division of ontological categories, logical and psychological factors for knowing the meaning of a sentence, philosophical significance of grammatical analysis, and principles of linguistics — all these have been repeatedly discussed by philosophers over the centuries. This discussion constitutes the vast amount of writing which we can very profitably explore to talk about the classical Indian
I. Raum-zeitliche Übersichten
philosophy of language. As the list of topics is rather vast, it would be difficult to prepare an exhaustive account. We shall aim at limited comprehensiveness, focussing our attention upon certain particular issues. ‘Śabda’ in this writing will be often translated as ‘language’ unless the context demands that it be translated as ‘linguistic utterance’, that is, ‘word-instance’ and ‘sentence-instance’. But often ‘linguistic expression’ would be a good translation, that is ‘śabda’ would mean ‘words and sentences’. A piece of knowledge derived from the linguistic utterance (the hearer’s knowledge) is accorded (by all philosophers except the Vaiśeṣikas and the Buddhists) a special status side by side with perception and inference. It is not subsumed under perception (pratyakṣa), nor under inference (anumāna) either. When, for example, my father tells me that his grandfather (whom I did not see) was six feet tall my knowledge derived from his statement is unique in the sense that it is neither perceptually obtained (my father cannot transmit his ›perception‹ to me) nor inferentially arrived at on the basis of a ›mark‹ or an evidence (which must be known to be concomitant with what I infer). But my father’s words themselves coupled with my implicit trust in him generates the required knowledge in me (that my great-grandfather was six-feet tall). Vātsyāyana (ca. 350—42 5) cites as examples scriptural statements about heaven etc. imparting knowledge about such facts (Nyāyasūtra 2.1.52).
2.
Grammar and linguistic studies
2.1. Setup of grammar The traditional name for grammar or linguistics is ‘vyākaraṇa’. Its foremost author of great importance was Pāṇini (ca. 400 B. C.). There were, to be sure, a number of prePāṇinian Sanskrit grammarians, but Pāṇini’s glory eclipsed that of all others. Linguistics and along with it the philosophy of language, developed in India since fifth century B. C. although not much is known about them in the early centuries except the work of three grammarians, Pāṇini, followed by Kātyāyana (ca. 2 50 B. C.) and Patañjali (ca. 150 B. C.) as well as that of the etymologists such as Yāska (ca. 5th century B. C.). Vyākaraṇa (literally it may mean ‘analysis’) was regarded as the gateway for other disciplines. It was part of the curriculum for the
5. Indian philosophy of language
study of the Vedas. It was traditionally called a ‘Vedāṅga’, one of the six ›limbs‹ i. e. auxiliary (or preparatory) disciplines for the successful study of the Vedas. The six ancilliaries include grammar, phonetics, etymology, metrics, astronomy, and the science or art of rituals. Of these, grammar was regarded as the ›prime mover‹ of Vedic studies. Early development of ›grammar‹ led to many interesting results. Intimate relationship between logical and grammatical categories was noticed: What may be called certain ›universals‹ of logic and language were noted, distinction between language and metalanguage, or rather between use and mention, was underlined, and metalinguistic notions were more clearly understood and treated accordingly. For example, in rule 1.1.68, Pāṇini notes the distinction between the practices in the ›language‹ of grammar and the ordinary language. In grammar, by the use of a word (say ‘cow’) we refer to the word itself while in ordinary language by the use of a word we refer to its object, a cow. Pāṇini seems to be saying that in ordinary language when we use a word to refer to itself, i. e. where we mention it, we mark it (in Sanskrit) with an ‘iti’ (which functions as quotation-marks in Sanskrit), but in grammatical rules where we frequently mention the word instead of using it, it is convenient to have the reverse convention: mark the word with ‘iti’ when we use it and leave it unmarked when we mention it; possible exceptions were also noted in the same rule, e. g. the technical terms of grammar itself should be used, not mentioned. Pāṇini’s Aṣṭādhyāyī is certainly a monumental work — an achievement of encyclopaedic research and technical perfection, a comprehensive grammar of the Sanskrit language which includes both the Vedic Sanskrit and what is called ‘classical’ or laukika Sanskrit. It consists of nearly four thousand sūtras, short grammatical rules in aphoristic style. A comparatively simple outline of Pāṇini’s subject-matter in Aṣṭādhyāyī may be attempted here. ‘Vyākaraṇa’ may be taken to mean the process of analysing language and in such a process the first element we reach is a sentence, which consists necessarily of a verb in various tenses and moods, and a number of substantives called ‘kārakas’ [causal or contributory factors] to the action denoted by the verb or the action-word, and also the qualifiers and other related items belonging to such kārakas. The forms of verbs found in sentences can be viewed as made up of an
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original root-stem called ‘dhātu’ and a number of endings called ‘pratyayas’. These endings, Pāṇini thinks, give the verbs their temporal and modal significance. While dealing with verbal endings, Pāṇini notices that there are a vast number of verbal derivatives which are treated as substantives and take kāraka inflections but they can be analysed into rootstems and a set of inflections which he calls ‘kṛt’. This has led to the interesting philosophical discussion between the Nairuktas or Etymologists and Pāṇinīyas: According to the Etymologists, all nouns (substantives) are derived from some verbal root or other. Yāska in his Nirukta defends this view which requires that all words are to be analysable into atomic elements, ›roots‹ or ›bases‹ and ›affixes‹ or ›inflections‹, i. e. dhātu and pratyaya. ‘Dhātu’ in ordinary Sanskrit meant ‘base metal’ and ‘pratyaya’ meant, among other things, a ‘causal factor’ or a ‘condition’ (a constituent), in dependence upon which a product will come into being. Hence the implicit physical analogy was: Usable words of language were like finished products, produced from the ›bases‹, being modified or transformed by the causal factor, inflection. There is also an implicit ritualistic analogy: just as in a Vedic sacrifice, an ordinary object or a naturally produced object, e. g. some grains of rice, cannot be used as such but has to be ritualistically ›cleansed‹ (of saṃskāra) by sprinkling water, etc. with mantras, a root cannot be used directly or as such in an actual linguistic expression (sentence, etc.) unless it is ›cleansed‹ with inflections. This last point is realized in Pāṇini (rule 2 .3.46) where the first ›vibhakti‹ or first triplet for nominal root marker, is assigned the function of bringing out ›the meaning of the root itself‹ (prātipadikārtha), and the nominative or accusative relation is expressed by the verbal ending (Pāṇini rule 3.4.69; see also Thieme 1971, 573—595). Leonard Bloomfield (1887—1949) has described Pāṇini’s grammar as “one of the greatest monuments of human intelligence” (Bloomfield 1933, 11). Few have disputed this claim. Besides, some linguists have recognized the significance of Pāṇini’s functional analysis of word forms of Sanskrit for the rise of comparative grammar in the West. Paul Thieme has said that it is on the whole not a description of Sanskrit speech but an argument that is meant to show that most of the speech units (śabda) are ›built up‹ from simpler elements in a way that can be captured
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by formulating ›grammatical rules‹ (cf. Thieme 1971, 617). These rules are called ‘lakṣaṇas’ [characteristics], and the forms explained thereby are called ‘lakṣya’ [that which is (to be) characterized]. Or, if the rules are called ‘definitions’, the forms are those that are captured by such ›definitions‹ (Matilal 1985, 176 f). The Pāṇinīyas (grammarians who follow Pāṇini and comment on his system of grammar) claim that the grammar follows correct usage, i. e. it explains the forms of such correct usage. Pāṇini’s grammar is generally regarded as descriptive, not prescriptive. Patañjali’s characterization of it as a śabdānuśāsana [(treatise on) instruction for (forming correct) words] has created the impression among the modern interpreters (Thieme) that the grammar dealt exclusively with word formation, to the exclusion of syntax. But this was not quite correct. For Pāṇini deals with syntactic relations as well as relation among certain kinds of sentences. His kāraka system is based upon an implicit sentence analysis (see 5.). It is, however, undeniable that he had only limited interest in syntax and semantics. 2.2. Why should anyone study grammar? Why did Pāṇini compose his grammar? It is difficult to answer the second question. We shall use comments of later scholars to formulate an answer. Grammar is regarded as a śāstra, ›a system of thought‹ with a purpose and directed towards a goal composed for the sake of well-defined readership. As a śāstric discipline it has four anubandhas or ›parameters‹, or ›delimiting lines‹: subject, connection, purpose and readership (›owners of entitlement‹). The ›subject‹ of grammar is śabda insofar as it analyses śabda into roots and suffixes and thus helps our understanding of its significances. Its purpose is clearly stated in Pāṇini’s title of Aṣṭādhyāyī: śabdānuśāsana: teaching of the principles that would serve to distinguish correct forms from incorrect ones. This is the main or immediate purpose, as Kaiyaṭa, a Grammarian from Kaśmīr in the 11. century, has noted. But Patañjali has remarked in the beginning of his Mahābhāṣya [Great Commentary] that the ›purpose‹ would be (also) to take care of the following: ›protection‹ of the scriptural texts in their pristine purity (rakṣā), transformation of word-affixes to suit ritual context (ūha), recitation of the Scriptures (agama), a simpler way of learning the language (laghu) and certainly a way of learning about the proper meanings when am-
I. Raum-zeitliche Übersichten
biguous words are used (asaṃdeha). Of these, the last two might have some significance today, for grammar is certainly the simpler and more effective way of learning a new language, because we cannot learn a language word by word, and it is true that ambiguities in word-meanings are sometimes dispelled by our knowledge of the grammar. It is significant to note that no clear and cogent reason was given for the study of grammar, except the most obvious ones. The discipline nevertheless became important because it became part of the scriptural education. The impetus for the development of the science of linguistics, phonetics and metrics came from the motivation for the pursuit of religious merit. In fact Patañjali says at one point that language is the great ›spirit‹ (deva) that has entered into the mortals (mankind) and study of grammar helps us to get control of this great spirit in mankind, viz., language, i. e. to get ourselves to be identified with this ›essence‹ of mankind. In this same context Patañjali asks how should the grammar be written or taught? We cannot separate incorrect word-forms from correct word-forms just by enumerating them one by one. It may be said that since correct words are by far outnumbered by incorrect words (for each correct words, there could be several incorrect forms), we can make a list of correct words (a lexicon?). But even that has been found to be impracticable. For one can spend one’s whole lifetime by collecting and learning a language through the wordby-word method. Hence the best method is to formulate rules following the principles of generalization (sāmānya) and showing exceptions (viśeṣa) to such generalities. A general rule will teach a number of word-forms together, and an ›exception‹ rule will mark those which are different. Example: add ‘a(Ṇ)’ affix when the root is connected with an accusative: ‘kumbha + vkṛ + a(Ṇ)’ (= ‘kumbhakāra’) [maker of pots] (Pāṇini 3.2 .1), but add ‘(K)a’ affix to the roots ending in a: ‘go + vdā + (K)a’ (= ‘goda’) [giver of cows]. 2.3. Learning a language Does grammar help our learning a language? If learning a language is facilitated by our learning of the meanings of words, then Indian philosophers, from very ancient times, gave almost unanimous answer to this question. It is one of many ways (they counted eight such ways) of learning the meaning of the word.
5. Indian philosophy of language
a) Grammar: As has been noted already, the meanings of all laukika words, i. e. words normally derived from roots and suffixes and other ›atomic‹ words, are learnt through grammar, for it supplies the roots (as well as their meanings) and the significance of the suffixes. The list of roots (called ‘dhātupāṭha’) is thus thought to be an integral part of Pāṇini’s grammar, although it is not known to us today whether the meanings were also supplied with roots in the primitive list or a later hand added to them. b) Analogy: An unknown object, say a kangaroo, may be learnt through a description of it (from someone who is familiar with it) based upon analogy or similarity with some known or familiar object. The word ‘kangaroo’ may be introduced as meaning ‘some animal similar to a rabbit’. But we learn the meaning of this word when we have actually seen the animal in question and remember the analogising description, the resulting form of our knowledge being ‘this is called a kangaroo’. Such knowledge of meaning can also be derived from dissimilarity and other descriptive words, provided we remember the older description when we first experience the object. This analogy-based information is regarded as a separate source of knowledge in the Nyāya school of philosophy, upamāna (comparison). It is neither perception, nor inference, nor is it word-generated. The wordgenerated knowledge supplies the crucial information about similarity, and the later perception coupled with the already gathered information generates the knowledge by which we learn to associate the word ‘kangaroo’ with its denotation. c) Lexicon: It is an obvious source of the knowledge of the meanings of words. Presumably, it supplies what is meant by the primary significative power of the word. Metaphorical meanings are not noted in a lexicon, unless they are already well-known and well-entrenched. d) Statement of a trusted person: The parents point to an object and say ‘this is a horse’, and the child learns the meaning of the word ‘horse’. e) Speech-behaviour of the elders: This is perhaps the most important one among these eight ways (Nāgeśa 192 5, 64) upon which Prabhākara (ca. 650—72 0) makes a significant comment in Bṛhatī. “We do not find any other cause (reason, source) to be there, be-
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sides the speech-behaviour of the elders” (Prabhākara 1932 , 2 58). In Gaṅgeśa (ca. 1300 A. D.) we find almost the same view: “Everybody in his or her first learning of the language depends exclusively on the speechbehaviour of the elders” (Gaṅgeśa 1884— 1901, Śabdakhaṇḍa). The process is described as follows. The older adult of the community commands ‘Bring a cow’ and the younger adult obeys by bringing a cow. The child as an onlooker understands that the utterance (sound-blasts emitted by the older adult) as a whole means the activity of the younger adult. Then on another occasion from such and other commands as ‘Bring a horse and tie the cow’ which prompt the younger adult to bring a horse and tie the cow, the (onlooker) child through an unconscious process of assimilation and elimination (āvāpodvāpa), learns the meanings of such words as ‘cow’, ‘horse’, ‘bring’ and ‘tie’. The process involves not only both perception and inference, but also something else. The child must understand that the adults’ intention is shown by their bodily movements and that the command of the older adult causes activity in the younger adult who is commanded, and that a sort of communication takes place between them. The method parallels here the usual pragmatistic explanation of our language learning mechanism (s. art. 32). f) Larger context of the sentence or the passage: The special meaning of a word may be learnt from our knowledge of the larger context. Contextual factors are the main source for resolving ambiguities in meaning. g) Explanation or Commentary: Words of doubtful meanings are usually explained by a definition of some knowledgeable person in a commentary. h) Syntactic connection with words whose meanings are already known: This is a common way of determining the meaning of an unfamiliar word occurring in a sentence. ‘The pika sings sweetly sitting on this mango tree’. Here the word ‘this’ indicates that both the speaker and the hearer can see a tree nearby where a particular bird sits and sings sweetly. Hence the meaning of the unfamiliar word ‘pika’ can be inferred from its syntactical connection with other known words. This may be taken to be a special case of contextuality, but attention is drawn specially to syntactical
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I. Raum-zeitliche Übersichten
consideration. In the case under consideration, a cuckoo will be presumably singing, and ‘pika’ will mean ‘cuckoo’.
3.
Classification of words
Yāska divides words or ›parts of speech‹ (pada) into four groups: nāma [nouns], ākhyāta [verbs], upasarga [›pre-verbs‹ or prefixes], and nipāta [›particles‹, invariant words or prepositions(?)]. This four-fold division was, as John Brough rightly conjectures (Brough 1953, 414), a legacy of the analysis of the saṃhitā or ›connected text‹ as uttered in the recitation of the Ṛg-vedic hymns, into its constituent words called the ‘pada-text’, i. e., the forms in which they appear in isolation. This breaking down of sentences into words generated a philosophical controversy. In the Prātiśākhya texts, the gist of the controversy was cryptically put as samhitā pada-prakrtih. According to one analysis of the compound word, here ‘pada-prakṛtiḥ’, the words would be primary elements (prakṛti), out of which the sentence is constructed, while according to another analysis, it means the opposite, viz. the sentence would be the primary entity, originally given, and the words are arrived at only through analysis and abstraction. To call something ‘primary’ in this context meant that it had a preferred ontological status. What was called secondary would have a derived status, either a constructed conglomerate or an abstracted constituent. The controversy over the relative primacy of the word and the sentence was long and protracted, and, one should add, tenuous in a way that Yāska was completely unaware of (s. art. 63). The fourfold division of words was not directly connected with the ontological division of entities. But since Yāska was also concerned with the meaning of words, this had implication for the ontological categories. The rather intriguing Sanskrit term for what is generally called (ontological) categories, is ‘padārtha’ [literally: ‘word’s referent’]. But the word ‘artha’ like Latin ‘res’ is highly ambiguous. Regarding the artha of a word, there is a variety of views. According to some, it is the individual thing (vyakti), the cow individual if the word is ‘cow’; according to others, it is the universal (jāti) cowhood. According to still others, it is the form or configuration (ākṛti) of a cow — as seen in such usages as ‘the golden cow’. In early Nyāya it is all these three items taken together, in late or Navya Nyāya it is the individual qualified by the
universal cowhood. Again another view states that the artha of ‘cow’ is the locus (tad-vān) of cowhood whereas the Buddhists state that it is the exclusion (apoha) of all classes which are contrary to the class of the cows (s. art. 42 ). Classification of words from the point of view of their artha would automatically have relevance to ontology and semantics. This becomes clear from Patañjali onwards. Yāska’s contribution however lay in singling out two main (ontological) categories, a process or an action and an entity or a being or a thing. Lakshman Sarup chose to contrast these two, ‘bhāva’ and ‘sattva’, by using the familiar terminology of ‘becoming’ and ‘being’ (Sarup 192 1, 5). Recently E. Kahrs has questioned these translations and suggested ‘being’ for ‘bhāva’ and ‘entity’ for ‘sattva’ (Kahrs 1986, 117 f). I am not sure whether translation of ‘bhāva’ as ‘being’ is really helpful. We need a contrast in selecting a pair of English words, as Yāska originally intended by choosing the pair of Sanskrit words ‘bhāva’ and ‘sattva’. Yāska first defined the notion of ‘ākhyāta’ [verb], and then the notion of ‘nāma’ [noun], by reversing the order of his own enumeration. It may be that he was implicitly influenced by the philosophical view of the grammarians that the verb constitutes the centrepiece of any sentence. The verb is defined as that which has bhāva [›process‹] as its predominant notion and a noun is defined as that which has sattva [›thing‹] as its predominant notion. Although I am somewhat persuaded by the argument of Kahrs, I wish to suggest that the ›thing—process‹ polarity might capture the contrasting function of the pair ‘sattva—bhāva’. The ›process‹ is one that has, according to one interpretation, a former stage and a later stage and when such a ›process‹ is the dominant sense, a finite verb is used as in ‘vrajati’ [walks], ‘pacati’ [cooks]. But when a process is referred to as a ›petrified‹ or ›configured‹ mass (mūrta) extending from start to finish, a verbal noun is used as ‘vrajyā’ [(a) walk], ‘pakti’ [(a) cooking]. In the latter case the notion of process is subordinated for the element of sequence in the process is lacking. Hence we have a noun derived from a verb to express it. There might have been a profound insight in Yāska’s writing when he used the demonstrative pronoun ‘that’ and said that a ›thing‹ is referred to by the pronoun ‘that’. Whatever we can point out by saying ‘that’, such as, a cow, an elephant or a horse, would be the referent of a noun. Even an abstract idea or
5. Indian philosophy of language
an action can be referred to by a noun, because we can also refer to it by ‘that’. This may be the beginning of the idea that ‘things’, whatever they are, can be referred to by the use of a noun and that the pronoun ‘that’ is a dummy for any noun. Yāska’s intuition was right. Perhaps, it was re-interpreted by Helārāja (early 11th century A. D.) in his commentary on Bhartṛhari’s Vākyapadīya when he was talking about the definition of ‘dravya’ which in the absence of a better term I shall call ‘substance’. The idea of a ›thing‹ or a ›substance‹ necessarily carries with it the idea of ›existence‹ or ›reality‹ or ›substantiality‹. We can support it from our direct experience of the objects in the physical world. I shall come back to the problem below. The pre-verbs (upasarga) were never considered to be independently meaningful. Their significance lies in the contribution they make to the meaning of the main verb to which they are attached. Sometimes they modify, sometimes they reverse the meaning of the main verb. A well-known (later) verse states that the pre-verbs by force change and modify the meaning of the verbs just like the oceanwater contaminates the sweetness of the water of the river Ganges. For example, the root ‘hṛ’ means ‘to steal’, but with ‘pra-’ it means ‘to strike’, with ‘ā-’ it means ‘to eat’, and with ‘pari-’ ‘to abandon’. Some have propounded the theory that the pre-verb are not to be regarded as ›denotative‹ of any meaning, but only ›indicative‹ of some meaning that is actually located in the verbs, and to round up the view they would say that a verbal root does not have any fixed meaning. In fact such roots implicitly possess the power to have many meanings, and a particular pre-verb’s function is to bring about some such meaning as is already implicitly existent in the verb. On this view, the pre-verbs would be only functional, lacking any denotation. Nipāta constitutes a very heterogeneous group of words. According to Yāska (standard interpretation), they do not have any fixed meaning but each has a variety of meanings and the contextual factors etc. determine which meaning it has. In Pāṇini’s grammar they have been defined by a list beginning with ‘ca’ [‘and’] (rule 1.4.57) as well as described as signifying ›non-things‹ (a-sattva). In fact in Pāṇini, nipāta forms a much broader category of invariant words. The class of pre-verbs forms a sub-class of this broader class. Another sub-class is formed by the group of ›pre-verbs‹ that are called
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‘karma-pravacanīya’. These words, mostly pre-verbs, stand alone in a sentence, i. e. without being added to any verbs. They signify various meanings, in fact the meanings that are assignable to some verbs or other. I say ‘signify’ here, for the original theory was that the pre-verbs do not have a denotative power, and the same point of view is maintained in this case of karma-pravacanīya. They should be said to ›indicate‹ meanings, but meanings of what? The answer lies in the derivative meaning of the technical term itself. Here ‘karma’ means ‘verb’. Hence a karma-pravacanīya is actually a dummy for a fullfledged pre-verb plus a verb in combination. Such verbs were mainly ›relational‹ verbs, and a karma-pravacanīya in this way is said to specify or qualify the relation expressed by the absent verb. In the sentence ‘He was granted a boon after prayers’ the Sanskrit word ‘anu’ would be used for ‘after’ and it would not simply indicate the temporal relation of posterity between prayers and granting a boon, but would specifically signify ‘after having heard (the prayer)’. The verb ‘hear’ was understood. Similarly in ‘Lightning flashes at the tree’ the Sanskrit ‘anu’, used for ‘at’, would signify not simply the particular direction but rather ›aiming towards or at’ (the verb ‘aiming’ being understood).
4.
Primary and non-primary meanings of a word: Metaphor
While discussing the ›multiple meaning‹ problem, we have seen that a word having multiple meaning may be said to have one primary meaning (as a lexicographer would note) and perhaps several secondary or derived meanings. Expressive power of any natural language is thus enhanced. This is to be distinguished from the cases of homonyms which generate systematic ambiguity to be resolved by contextual factors. We may limit ›words with multiple meaning‹ (or homonyms) to those in which each of the two or several meanings would be considered primary. But it is a common phenomenon of a natural language, where any word, apart from having one or several primary meanings, could be used to convey meanings (or denote objects) which are, though distinct from the ordinary (primary) meaning, nevertheless, connected in some way or other with the same primary meaning. This phenomenon is usually captured by the rhetoricians’ term, ‘metaphor’ or
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‘metaphorical use’. This may also be called the ‘metaphorical extension’ of the meaning of a word. In fact this phenomenon is so pervasive in our language that sometimes we wonder whether there is any sense in our assuming that there are at all any fixed primary meanings of the words we use, and it may be that the meaning of a word is to be found or determined simply by its use. Our general tendency is however to isolate and learn the words as having certain fixed primary meanings (determined possibly by their frequency of occurrences) and then explain the additional meanings of senses that the user of a word may convey, as metaphorical extensions. Indian philosophers (specially of the Nyāya school) give an account of this phenomenon by identifying two different ›powers‹ in a word: one is that of saying (abhidhāna) and the other is that of signifying or indicating (lakṣaṇā). The first is called the primary meaning-giving power while the second is called the secondary or indicatory meaning-giving power. By the first, the word speaks as it were while by the second it only points up, and a metaphor is born. The rhetoricians and the literary critics however sometimes argue that there is, besides the primary (denotative) power and the indicatory power, a third power of the word, the suggestive power, which is sometimes relevant in poetry and rhetorical speech. A word can thus have a suggested meaning, which is not covered by the scope of its primary or indicatory meaning. High class poetry, says Ānandavardhana (ca. 9th century A. D.) is one where the suggested meaning of the word excels, that is, it is more beautiful and more charming than the ordinary meaning (which may be either the lexical meaning or, to suit the context, the indicatory or transferred meaning). It should be noted that the need for the metaphorical or indicatory or transferred meaning (lakṣyārtha) arises when and only when the primary or normal or lexical meaning does not fit the context. But the suggested meaning is appealed to only after the (literal) sentence-meaning has been fully comprehended with the help of both normal and metaphorical meaning. This has appeal only to the appropriate hearer, in poetry it appeals only to the sensitive reader. Ānandavardhana has called it ›reverberation‹ of the sense from the sound, i. e. speech. When the hearer has apprehended that the village is on the bank of the Ganges from the utter-
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ances of the sentence ‘gaṅgāyām ghoṣaḥ’ [The village is on the (river) Ganges] he may further comprehend that the speaker here intends to emphasize by this metaphor the natural beauty and simplicity of the place, the village (and hence its excessive proximity to the river has been underlined). This claim for a third power of the word (by the literary critics) has not gone unchallenged. Words may be suggestive because people are suggestible. But it may become a very subjective factor and each hearer might have propensity to be suggestible in different ways. Hence an account of this power of suggestion can be given in terms of inference (by the hearer), without attributing a separate ›power‹ or dispositionality to the word itself. In poetry or literature there may be wellentrenched and well-practiced ways of suggesting beauty, charm, and aesthetic rapture through use of particular words and devices. This, however, can hardly be a proof for the existence of an ontological property in words called ‘the suggestive power’. But the power to denote or mean (the primary meaning) as well as to indicate or signify (the metaphorical or non-primary meaning) is a different kettle of fish. Both are, let us say, designatory power, without which the meaning of a sentence would not be comprehended. It has already been noted that sometimes the old metaphorical meaning can be so well-entrenched as to gain currency as the lexical meaning. (To resolve the translational problems we may, I suggest, decide to use ‘denoting’, ‘signifying’ and ‘suggesting’ for the three powers: abhidhāna, lakṣaṇā, and vyañjanā).
5.
Kārakas as a set of unique categories of the philosophy of Sanskrit grammar
5.1. The notion of kāraka is one of the central themes of Pāṇinian system of grammar. George Cardona has said that it is “basic to Pāṇini’s derivational system” (Cardona 1976, 2 15). ‘Kāraka’ is not defined by Pāṇini, but rule 1.4.2 3 kārake is read as a head rule (adhikāra). It is followed by the definition of six varieties of kāraka: apādāna [point of origin], saṃpradāna [recipient or beneficiary], karaṇa [instrument], adhikaraṇa [locus], karman [object of action], kartṛ [agent]. Apādāna and sampradana may be said to correspond to the meaning of ablative and dative in Western Grammar. But I hesitate to accept William
5. Indian philosophy of language
Dwight Whitney’s (182 7—1894) characterization of kāraka categories as “simply a reflection of the case-forms” (Whitney 1893; Staal 1972 , 166), so I have refrained from suggesting such equivalents at the outset. A kāraka, as the name implies, is a contributory factor for some action. An action is usually denoted by a verbal form such as ‘patati’ [falls]. The action of falling requires at least three (or two) factors; e. g. ‘vṛkṣāt parṇam bhūmau patati’ [leaf falls from the tree to the ground]. Here there are three factors mentioned as contributing to the action of falling: the leaf, the tree and the ground. Pāṇini’s rules assign each factor to a particular kāraka class for the purpose of deriving the said sentence. The classification is presumably based upon the particular role each plays with respect to the action. The leaf is the agent because it functions independently (svatantra) (cf. rule 1.4.54 svatantraḥ kartā), the tree is the ›fixed‹ (dhruva, rule 1.4.2 4) point of departure and hence called ‘apādāna’, and the ground is the locus (adhikarana, rule 1.4.45) of the falling leaf, and hence called ‘adhikaraṇa’. Similarly in ‘rājā viprāya sva-hastena dhanam dadāti’ [the King gives wealth to the brahmin by his own hand] we have besides the agent, the king, an object to be given, wealth (rule 1.4.49), a recipient called ‘saṃpradāna’, the brahmin (rule 1.4.32 ), and an instrument for the giving, the hand (rule 1.4.42 ). The kāraka classification is set up to indicate conditions under which post-verbal and post-nominal affixes would be introduced. Although the above categories are defined by Pāṇini in terms of some semantic considerations, the kārakas are connected with the general syntactic system of the Sanskrit language. After applying the kāraka categorization rules to classify items, it becomes easy to formulate grammatical rules which introduce affixes to such items based upon such condition. An object (karman) for example, takes the ‘-am’ affix, the second triplet (provided it is not otherwise expressed) and an instrument the ‘-ṭā’ affix (the third triplet). Modern writers have disputed the precise status of kāraka categories. Some have argued that they are extra-linguistic, logical and ideational. Some claim that they are purely semantic. Others believe that they are also syntactic. I believe the controversy has been somewhat counter-productive (Cardona 1976, 2 15—2 2 4). After defining the kāraka categories on the basis of semantic considerations, the agent, the locus, the object and so
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on, Pāṇini formulated a number of additional rules which widened the scope of each category formulating definition in terms of syntactic and other considerations. For example, rule 1.4.45 says that the substratum relative to an action is adhikarana, the locus, but 1.4.46 says that the same substrata relative to an action would be karman, the object, provided that action is denoted by particular verbs prefixed with particular pre-verbs ‘adhiśī’ ‘adhi-sthā’ and ‘adhi-ās’ [lying, staying or being seated]. (1) grāmam adhitiṣṭhati [(He) stays in the village]. (2) grāme tiṣṭhati [(He) stays in the village]. The village here is classified as the ›object‹ (karman) in (1) and the ›locus‹ in (2 ). This shows at least that a kāraka category like karman or adhikarana is not defined by Pāṇini in purely semantic terms. The kāraka categories were introduced (obviously they were not exactly what were called cases in Latin or Western grammar, e. g. the genitive was not a kāraka), as far as I can judge, as an expedient to facilitate Pāṇini’s own description of the Sanskrit language. In particular they mediate between introduction of affixes in words and the representation of certain semantic relations. Unless the narrow, semantically conceived kāraka categories are widened (in the way Pāṇini did) to include various other items, grammar would have to be conceived differently. The same expediency might have prompted Pāṇini to disregard a distinction between agents (kartṛ) which are sensient beings and those which are not. He classifies both a man (Devadatta) and an axe as agents receiving the same analysis and (linguistic) derivation: (3) devadattaḥ vṛkṣam chinatti [Devadatta is cutting the tree]. (4) paraśur vṛkṣam chinatti [The axe is cutting the tree]. It is well known that Pāṇini and the Pāṇinīyas were śabdapramāṇakāḥ [those who regard speech patterns as authority]. Patañjali has said (which has often been quoted): ›We accept the authority of the speech. What speech ›tells‹ us is what we depend upon (for deciding issues)‹. This, I believe, means that we should put stress upon the point that grammar is not concerned with ontology (or semantics, i. e. things and events) but with what people actually say, or rather how people speak of things and events. Pāṇini’s kā-
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raka categories fit in well with this point and hence we can easily account for such usages as ‘sthālī pacati’ [the cauldron cooks], although we know very well that the cauldron is the substrate where cooking takes place, not the agent of cooking. But philosophically, one can still think of the cauldron as a contributing factor to the action of cooking and some agency may be attributed to it. This syntactic-semantic dispute over the nature of the kāraka categories might be read as a reflex of a much older dispute between the logicians (Naiyāyikas) and the grammarians (Vaiyākaraṇas). The Naiyāyikas were artha-pramāṇakāh [those who regard things and events as authority] as opposed to śabdapramāṇakāh. They were interested in the way the world is (or supposed to be), not particularly in how people speak about them. They were, to be sure, concerned with semantics, ontology and epistemic questions, although they would try to derive their insights through an analysis of how people speak about such things. Vātsyāyana got involved in the discussion of kāraka categories while he was trying to answer the Mādhyamika criticism of the logicians’ distinction of pramiti [knowledge], pramātṛ [knower], prameya [object to be known] and pramāṇa [means of knowledge]. In the grammarian’s terminology, the first one is an ›action‹ (meaning of a verb) and the other three are three kārakas, the agent, the object, and the instrument. Nāgārjuna (founder of the Mādhyamika school of Buddhism, 2 th century A. D.) argues that this popular distinction (prevalent both in grammar and logic) is arbitrary, for the same item can be the object according to one description and the instrument according to another. Vātsyāyana in reply said that the fundamental kāraka classification was based upon some property (power) grounded in the things and a thing can have many powers. In other words, it is not a classification of things but of powers in the thing. I quote from Vātsyāyana (Nyāyasūtra 2.1.16): “(All) kāraka words apply through the incidence of some ground or other. In ‘the tree stands (there)’ — the tree is the agent because it has ›independence‹ (Pāṇini’s rule 1.4.54) with regard to the matter of standing. In ‘(he) sees the tree’, the tree is ›ardently desired‹ through the action of seeing (by the agent) and hence it is the object. In ‘(he) shows the moon by the tree’, the tree is the ›chief instrument‹ for showing and hence is the instrument (karaṇa). In ‘(he) sprinkles water for the tree’, the tree is intended to be ›the beneficiary‹ of the action of sprinkling, and hence is the saṃpradāna. In ‘the leaf
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falls from the tree’, the tree is the apādāna [fixed point of departure] for it is the unmoved point when separation through movement is intended. In ‘the crows live in the tree’, the tree is the locus by virtue of its being the substrate with regard to the ›action‹ of living. In this way it is neither the thing itself nor the action itself that is a kāraka. What then? When a thing is a participant in an action or when it is endowed with a special functional activity, it becomes a kāraka. That which is independent in performing an act is the agent, it is neither the bare thing nor the bare action. That which is most desired to be obtained (by the agent) is the object, it is neither the bare thing nor the bare action. In this way one can explain the notion of the most efficacious in defining the instrument and so on. The assigning of kāraka categories follows this rule. A kāraka category applies neither to the bare thing nor to the (mere) action. What then? It applies to the thing that participates in action and to what is endowed with some special functional activity”.
Vātsyāyana apparently refers to Pāṇini’s six major rules that ›define‹ the six kārakas in their initial or primary meanings and ignores the usage of kāraka categories in their extended or secondary senses. In these major rules, the semantic criteria for the kāraka categories are most dominant. But as I have already noted, Pāṇini’s assignment of kāraka categories was based upon many other considerations. For example, sometimes presence of certain pre-verbs (upasarga) in the root verb turns a ›locus‹ into an ›object‹ (rule 1.4.46). Here the Pāṇinīyas will say that the same item village (see above examples (1), (2 )) can manifest both powers or properties, that of being a substrate in (2 ), and that of being an object in (1). The accompanying condition determines (in this case, presence of certain pre-verbs) which aspect or power is to be given prominence to. The moral is that the usage must determine the grammatical theories, not the meaning. Patañjali’s idea of ›śabda-pramāṇakāḥ‹ is again vindicated here. 5.2. The question about the ‘quiddity’ of kāraka, that is the question, ‘what is a kāraka?’ has not been settled by Pāṇini. Patañjali has remarked under rule 1.4.2 3 that the derivative meaning of ‘kāraka’ will help us to understand its actual usage. He derives it as ‘karoti kriyām nirvartayati’ [that which does, performs the action]. ‘Kāraka’ thus means a doer, an actor, hence a participant in an action. This is, however, ambiguous. There are in general two suggested definitions of ‘kāraka’ prevalent in the tradition of both grammar and logic. One is ‘kriyānimittam’ [causal fac-
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tor of an action/verb], and the other is ‘kriyānvayin’ [syntactically connected with action/verb, kriyā]. Both definitions exploit the ambiguity of the term ‘kriyā’. It may stand for an action (or at least the meaning of a verb) or just the verb-form, a syntactic entity. I believe the former definition depends upon the meaning, action, while the latter upon the verb-form. If this is a correct appraisal, then of the two definitions we may say that the former has semantic overtones while the latter syntactic overtones. There is need for another subtlety here. ‘Kriyā’ [action] has also a technical sense, it means meanings of verbal roots (dhātu). But the meaning of some root can even denote a substance. For ‘dhātu’ refers to the items in the list of roots in the dhātupāṭha, a text attached to Pāṇini’s grammar. Now it just happens that some dhātu [bases] found in the list do not mean activity, but a substance, e. g. the base ‘gaṇdi’ means ‘part of the face’. The sentence ‘gaṇḍati kapolam’, consisting of a noun and a verb, is interpreted as meaning ‘the cheek is what is identical with a part of the face’. Here ‘gaṇḍati’, the verb, denotes kriyā but what it denotes is not an action in the ordinary sense but a substance, part of the face. We have to call such items kriyā and thereby explain the cheek as the agent, a kāraka in relation to this kriyā. We should note that there is no ‘is’ of identity in the given Sanskrit sentence. It consists of a noun and a verb — both apparently refer to the same object. A further point is this. If ‘kāraka’ means a do-er then it would be synonymous with the agent (kartṛ) and the other kārakas will have to be excluded. Bhartṛhari says that we can get around this difficulty in the following way. All the kāraka-items are in some sense doing something or performing some function towards the completion of the main action. When Devadatta is cooking, the action is a set of functions extending over some time, the logs burn to cook, the pot holds the rice for cooking, the rice-grains soften to facilitate cooking and so on. Hence in this rather loose sense, they are all behaving as agents, i. e. they are characterized by agenthood. However, we call one the instrument, the other the object and another the locus when we consider the difference of their roles and functions towards the completion of the main action (Vākyapadīya III.7.18). If kāraka is defined simply as a causal factor of an action we underline its semantic aspect and if it is defined as what is (syntac-
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tically) connected with the action-verb we underline its syntactic or its grammatical aspect. Both these definitions have been faulted. The causal relationship between a kāraka and the action must be taken in a broader sense so that it would include both direct relationship and the indirect or ›chain‹ relationship. For otherwise only the agent or the instrument would be designated as a kāraka. The saṃpradāna [recipient] (or the meaning of dative) and apādāna [the unmoved point in departure] (or the meaning of ablative) are only very indirectly connected with the action by causal relationship. Now if we widen the notion of causal relationship to include both direct and indirect relations in the present context, we make the definition too wide or over-extensive (ativyāpta). For there is another peculiarity in the notion of ‘kāraka’ that is not shared by Western case grammar. The so-called genitive (Pāṇini’s term for it is ‘śeṣa’ [the remainder]) is not a kāraka. A discussion of this point will further illuminate the notion of kāraka. A kāraka underlines the relation between a thing (dravya) and an action. The genitive or ›the remainder‹ is what expresses a relation between one thing or substance (dravya) and another, e. g. ownership, and parenthood — ‘Caitra’s wealth’, ‘Caitra’s son’. We have to be careful, however, to distinguish between the remainder relation to be contrasted with kāraka relation and the sixth triplet (or sixth ›case‹-affix, ṣaṣṭhi vibhakti) which is used to express both. In ‘Rāmasya putraḥ’ [Rāma’s son] the sixth affix denotes the remainder relation, but in ‘Rāmasya gamanam’ [Rama’s going] the sixth affix denotes the agency of Rāma, a kāraka relation. There is some laxity here in the usage. The sixth affix is also used in the case of some other kāraka relation, the object etc., provided the speaker wishes to emphasize only a general kāraka relationship, but not any special kāraka relationship. In any case, it is agreed by all parties that the remainder relation must be distinguished from kāraka relation, although both relations may be expressed by the sixth affix. At the syntactic level, the remainder relation introduces the sixth affix to combine two nominal or pronominal words. But a kāraka introduces affixes of the sixth triplet that combine a nominal or pronominal word with a verb. We can explain the over-extension of the above two definitions. Consider the example: ‘Caitrasya taṇḍulam pacati’ [(he) cooks the rice of Caitra]. Here Caitra does not fall under any of the kāraka categories, it is a śeṣa, the
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remainder. But with a little ingenuity one can argue that our ›extended‹ notion of causal relationship will also hold between Caitra and cooking. For the cook could not have cooked the rice in question if Caitra somehow were not a factor in it (Caitra being the owner must have given tacit permission to cook, etc.). Hence the definition based upon causal relationship is too wide. Can we say that ‘Caitra’ is not syntactically connected (anvita) with the verb-form ‘cooks’ directly and therefore the second definition based upon syntactic connection is faultless? Not quite. We cannot use ‘direct syntactic connection’ in our definition of ‘kāraka’. For Pāṇini has several rules (from 2 .3.51 to 2 .3.56) which mention several specific (syntactic and other) conditions that turn a specific kāraka, an object or an instrument, into a non-kāraka, śeṣa, the remainder. Consider these examples: ‘mātuḥ smarati’ [(he) remembers mother] and ‘sarpiṣo jānīte’ [(he) acts with the idea that there is butter]. Here both words expressing mother in one and butter in another have direct syntactic connection with their respective verbs. Both are recognized as having affixes of the sixth triplet on the condition that they are śesa and non-kāraka. By using ‘direct’ to qualify syntactic connection we cannot avoid the overlap. Besides, use of ‘direct’ cannot be replaced by ‘direct or indirect’ or by ‘no qualification at all’, for then in ‘Rāmasya putram abhivādayate’ [(he) greets Rama’s son], ‘Rāmasya’ is at least indirectly connected with the verb through the word denoting son. This will be another case of over-extension, for Rāma in the given sentence is a non-kāraka, it belongs to the ›remainder‹ category. The Navya-naiyāyikas of 15th/16th century A. D. devised a way out of this difficulty. I shall follow Bhavānanda (ca. 1570 A. D.) in suggesting this device. Bhavānanda says that a karaka, both in its principal sense and its secondary sense, is to be defined as that which is syntactically connected (anvayin) with the action verb through the intermediary of the meaning of vibhaktis (the so-called case-affixes). It is clear here that the karaka categories are intermediaries between the semantic interpretation and grammatical expressions. A principal karaka, according to Bhavānanda, is what both denotes an explicit causal factor and is connected with the verbform syntactically through the meanings of case-affixes. Obviously in the secondary sense, a karaka category is determined by various syntactic and other considerations. Thus in ‘cakṣuṣā paśyati’ [sees by the eye],
I. Raum-zeitliche Übersichten
the eye is clearly a causal factor. But in ‘ghatam jānāti’ [knows the pot], the pot may not be, under certain views, strictly a causal factor for knowledge. It is at least at the syntactic level connected with the action verb through the intermediary of the meaning of the second triplet. The reason for adding the qualification ‘through the intermediary of the meaning of case-affixes’ is not absolutely clear. Bhavānanda believes that this will avoid the overlap with adverbs, e. g. ‘stokam pacati’ [(he) seldom cooks]. The word ‘stoka’ takes second triplet but according to one theory these adverbial affixes do not denote any meaning. They are used to turn the stem into a usable (inflected) Sanskrit word (pada) in a sentence. Hence the qualification is necessary to exclude adverbs from the domain of karaka. But according to another view, the adverbs are to be treated as adjectives or qualifiers of verbs. The affix that we add in this way to the adverbial stem is denotative of abheda [nondifference or identity] with what they qualify. On this view, however, adverbs like adjectives will be treated as kārakas. Hence we do not need this qualification to exclude them. Some say that the said qualification is needed to exclude from the domain, effort or krti, for kṛti being the meaning of the verbal affixes would otherwise be covered by the definition. But in any case, this qualification cannot be happily explained. The main purpose of defining ‘kāraka’ would be to exclude the non-kāraka relations which Pāṇini called ‘śeṣa’, the ›remainder‹, and which are usually denoted by the sixth triplet. Syntactically, the words denoting these remainders, or more specifically the word taking the sixth triplet are also connected with verb forms as in ‘caitrasya pacati’ [(he) cooks Caitra’s (rice)]. Thus Bhavānanda at the end says that the correct definition would be as follows: A kāraka is what is syntactically connected with (anvita) the action-verb and is endowed with any one of the six properties or powers: agenthood, objecthood, instrumentality, recipienthood, apādānatva [being a fixed point of departure], and locushood. The crucial term here is ‘anvaya’. It is sometimes used in an ambiguous fashion, although predominantly, I believe, it means syntactic connection between grammatical or syntactic elements. But it may also indicate the semantic counterpart, the connection between meanings of grammatical elements. When we do not wish to emphasize the syntactic connection (of a nominal stem)
5. Indian philosophy of language
with some verbal form, we opt for a nonkāraka relation. Similarly in ‘daṇḍena ghaṭaḥ’ [the pot is (produced) by the stick], the stick is called simply ‘hetu’, a causal factor, not a kāraka because its explicit connection with the action-verb is missing. Pāṇini formulated a special rule (rule 2 .3.2 3) to explain the third triplet here. The same stick would be a kāraka, an instrument, and this relation would be denoted by the same third triplet, by rule as in ‘daṇḍeṇa ghaṭaḥ kṛtaḥ’ [the pot is produced by the rod], provided an explicit syntactic connection with a verb is shown. The concept of ‘kāraka’ was presumably clear to the native language user as it was to Pāṇini. But it is almost impossible to define it or to find a lakṣaṇa, i. e., a uniquely distinguishing feature that would belong to all and only the six well-known kārakas. Various alternative definitions that have been suggested, in order to try to capture this intuition, but they fail to do so completely. Bhavānanda finally resolves that we have to list the six powers independently in a list and then say that any one of them would supply the ground (nimitta) for applying the term ‘kāraka’. It is not unusual to say in philosophy that we can possess a unifying intuition to combine these six powers under one heading, ‘kāraka’, but we cannot often fully and faultlessly articulate this intuition in a logical definition.
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Knowledge from linguistic utterance
6.1. Basic tenets of the Nyāya school Most Indian philosophers accept that linguistic utterance is another (in fact, a very important) source of knowledge. It has been recognized as verbal testimony (śabda) in Western tradition. In giving an account of it, I shall follow the Nyāya school. According to Nyāya it is a separate type of pramā, a different type of knowledge, the causal factors of which cannot be assimilated into those of perception (pratyakṣa) or inference (anumāna). Predominant Western views are divided. According to some it is an inference, while according to others, it is a sort of perception. Nyāya view differs from both. Since type-distinction in knowledge is taken to be based upon the distinction of the ways by which we acquire it (upon the crucial causal factors that generate it), we must distinguish this utterance-generated knowledge from perception and inference.
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‘Śabda’ stands for human speech and hence for linguistic utterances. Such utterances are usually made by a speaker, a person who is a participant in a linguistic community. The mechanism can be understood on the basis of the following considerations. (1) The speaker emits such sound as is identifiable as a piece of linguistic utterance. (2 ) This is done to communicate some knowledge or information to a hearer. (3) The hearer is a participant in the same linguistic community (i. e. he has linguistic competence). (4) The utterance must be that of a sentence which consists of words, sometimes simply a word plus a suffix. It can consist of a single word but that word would be a one-word sentence. (5) The hearer has auditory perception of each word in the utterance. (6) The hearer, as a consequence of (3) and (5), is reminded of the meanings/objects/things associated with each word. (7) The hearer then acquires knowledge of the connected meaning communicated by the utterance. The hearer thus comes to know what the speaker wants him to be informed of by the utterance. (8) Several auxiliary factors or pieces of knowledge are worth mentioning to explain how the final knowledge is reached as the end-product. (8 a) The words must be mutually related (syntactically) to constitute a linguistic sentence. Call it ‘syntactic expectancy’, for it is seen that one word or one element ›expects‹ the other word to form together an independent linguistic utterance. This ensures indirectly the grammatical acceptability of the sentence uttered. Words are expected to be grammatically tied; an analytic list of necessary words and suffixes will not do. (8 b) The meaning of the word-elements must fit or be compatible with each other or the hearer must have some awareness of such compatibility or, at least, he must not be aware of any incompatibility or lack of fitness. Call this the ›fitness‹ condition. ‘Fire’ and ‘dampness’ are not compatible, neither are ‘pig’ and ‘fly’. Another way of putting the same point is to say that if the hearer knows that ›pig‹ (the meaning of ‘pig’) and ›fly‹ (the meaning of ‘fly’) do not fit, he would not have any śābdabodha, any language-generated knowledge from the utterance ‘pigs fly’. (8 c) Word-elements must be spatio-temporarily proximate to each other so that the hearer will be able to discern the togetherness of the two or more wordelements. Call this ‘āsatti’ [physical proximity]. (8 d) If some word in the sentence is ambiguous (usually has two or more meanings), the hearer should be able to have an
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intelligent guess about the speaker’s intention from the context, the situation of utterance, etc. Thus, ambiguities can sometimes be resolved as in ‘Please, bring me saindhava’ uttered during a meal by a speaker. ‘Saindhava’ can either mean ‘a horse’ or ‘some salt’. Obviously the latter meaning is intended by the speaker, as the context no doubt indicates. In the above analysis of the ›causal‹ mechanism, the utterance triggers off the process. The knowledge of the word in the hearer (derived from hearing) is the efficient causal factor (instrument) for the final (hearer’s) knowledge of the meaning of the uttered sentence. The final piece of knowledge (called a ‘pramā’, also a ‘śābdabodha’) is produced through another intermediate factor called ‘vyāpāra’ [function, operation], which is in this case the resulting remembrance of the meaning of the individual words from the auditory perception of the words. The theory is that an efficient causal factor (an instrument [karaṇa]) needs an intermediate factor, called ‘vyāpāra’, to produce the end-product (phala, in this case a pramā). The following skeletal causal model is presupposed. We write with a pen. The pen is an ›instrument‹ (the most efficient causal factor) for the end-product, writing on the paper. But besides the agent (the writer, who is not considered in this skeletal account), the pen needs to be in physical contact with the paper to produce writing. Such contact with the paper is its vyāpāra, its ›operation‹, ›function‹ or ›intermediate causal factors‹. This intermediate causal factor owes its origin to (is caused by) the pen and at the same time causes the writing (the final result) to come about. Hence here is the skeletal causal model: (I + V) ~> R, where ‘I’ stands for the ›instrumental cause‹, ‘V’ for the intermediate vyāpāra, and ‘R’ for the end-product. The model is applied to explain the origin of any mental event, specially the cognitive events we call knowledge-episodes. In the case of perception, the sensory faculty is the ›instrument‹. What is instrumental to generate a piece of knowledge (a pramā) is called an epistemic means (pramāṇa). Thus the sensefaculty is called ‘pramāna’ (I) in the case of perception and the sense-object connection is the intermediate vyāpāra (V). The end-product (R) is the perceptual knowledge. In the case of inference, the knowledge of concomitance or pervasion (vyāpti, i. e. implication)
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between the evidence or reason and the inferable feature (sādhya) is called the ‘pramāṇa’ (I), and the combined knowledge (technically called a ‘parāmarśa’, a judgement having a special structure) that the particular evidence in question is such an evidence as is pervaded by the inferable features is called the intermediate factor or vyāpāra (V). The knowledge of concomitance is usually derived from memory. It is usually a knowledge of the connection between universal features or sortals. But the final premise which gives, i. e. produces, the inferential conclusion — the final episode of knowledge derived from an immediately preceding knowledge-episode — must be of the form: the particular case (P) contains this particular evidence, i. e. instantiation of the same evidence which is pervaded by (concomitant with) the feature we intend to infer. Thus the instantiation of the model ‘(I + V) ~> R’ in the case of perception is (The sense-organ + the sense-object connection) ~> perceptual knowledge and in the case of inference (Knowledge of concomitance + parāmarśa) ~> inference The same applied to śābdabodha is given as follows: (Knowledge of the word-elements + knowledge of their meanings) ~> (hearer’s) knowledge-episode from śabda. In the case of the production of the hearer’s knowledge from the hearing of the utterance (i. e. śābdabodha) several other factors demand attention. The hearer’s knowledge of the word-meanings from the utterances of the words is generated according to the following psychological rule of association and memory. The hearer is a competent language-user, and he is acquainted with the connection between word and meaning. The acquaintance or cognition may be called ‘śakti-jñāna’ or ‘vṛtti-jñāna’. The said connection is called ‘vṛtti’, and an awareness of it would be called ‘vṛtti-jñāna’. The general nomological rule is that whenever such cognition of the connection between the two items is present a cognition of one will generate remembrance of the other. Hence if words are cognized, meanings are presented to the hearer. This is therefore noted as an auxiliary factor. It is easy to see why this factor is necessary. If the hearer hears a word, say ‘a pot’, and comprehends its meaning, and then remembers through association another item, say the space (since he recalls that a pot is always in the space)
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he may then have an awareness where the two items are computed as ‘a pot in a space’. But this would not be a piece of knowledge derived from any linguistic expressions or śabda, for the second item, the space, was presented in a different way, not as the meaning of the word ‘(the) space’ by the utterance of the word ‘(the) space’. The above factor is noted so as to ensure that the resulting knowledge is generated solely from the linguistic expressions through our cognition of their meanings. Some further considerations enter in the account of the origin of speech-generated knowledge. Naiyāyikas note four further auxiliaries, which are also necessary. Even if the bits of knowledge of the word-meanings are presented by the knowledge of the words in the relevant manner there must exist syntactic expectancy between the words uttered in sequence. In other words, words must be related to each other in the way they are made to relate in a given linguistic practice. There is syntactic expectancy between word A and word B, if the utterance of A cannot contribute to the knowledge of the sentence-meaning without being in combination with word B. It follows that the utterances of words must follow an established linguistic practice, i. e. the grammar and syntax of a particular language. Some have said that syntactic expectancy is in fact the sequential order in which words and suffixes are arranged in a particular language following its rules of grammar and syntax (ānupūrvī = ākāṅkṣā). A sequence of word utterance that violates these established rules will not be potent to set the mechanism in action and produce the relevant hearer’s knowledge. With such input, there is no output such as an episode of word-generated knowledge. The words and inflections may be juxtaposed following the rules of grammar and syntax, but if they are juxtaposed at random in this way, the result may still be at times a nonsensical utterance such as ‘pigs fly’ or ‘drink bananas’. These utterances lack semantic fitness or compatibility (yogyata). Again, such utterances cannot be proper inputs for the śābdabodha mechanism. Thus the hearer’s lack of awareness that the items do not fit is a necessary factor, another auxiliary for language-generated śābdabodha. The hearer should also have clear indication as to the spatio-temporal togetherness of the relevant words. This is ensured by the physical proximity of such words. If the two
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words, ‘drink’ and ‘milk’, are set apart spatiotemporally or intervened by such words as ‘eat’ and ‘rice’, as in ‘drink eat milk rice’, the hearer will fail to get the message. The hearer’s awareness of the meaning of the unintervened sequence of words is another auxiliary. This seeks to avoid to some extent the structural or constructional ambiguities of sentences, etc. 6.2. An alternate account by the Grammarians and the Mīmāṃsakas So far, I have delineated the mainstream view in the Navya-Nyāya tradition ignoring any difference of opinion and controversies within the Nyāya tradition or even between Nyāya schools and others. My concern here has been to give a causal account of the origin of the mental episode called ‘śābdabodha’, i. e. the hearer’s knowledge from the linguistic utterance, underlining the usual nomological connection between mental events. ‘Śābdabodha’ is also used, by extension, to denote the description of the content of the hearer’s relevant knowledge. Given a sentence-utterance, one may ask: What is its śābdabodha? The answer is presumably given by describing the knowledge-episode which is produced in the hearer by the utterance. In this way, an instance of śābdabodha is given by the description of exactly the message contained in and communicated through the utterance of the sentence. This description corresponds very roughly to what we sometimes call a ‘paraphrase’, provided such paraphrasing is done following a definite set of ›translational‹ rules. The idea is to represent the meanings of each word along with its semantic connection with others in the cluster. Implicit relations are thereby made explicit and the meaning intended by the speaker of the original sentence is supposed to be rendered unambiguous. This process is variously called ‘śābdabodha’, ‘anvayabodha’ or ‘vākyārtha-bodha’ (knowledge of the ›meaning‹ of the sentence). I have used the word ‘meaning’ here with some trepidation. It is clear from above that the Naiyāyikas along with many others in India are trying to articulate the hearer’s meaning. Meaning, as the modern adage goes, is not ›in the heads of the speakers‹, nor is it ›in the heads of the hearers‹ either. In actuality the hearers sometimes may hear but not fully comprehend what is said. What goes on in the ›inner world‹ of the individual hearer is not presumably accessible to us. We therefore conceive here an ›ideal hearer‹ who is also a
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competent language-user. The idea is that the structured thought or knowledge-episode that is supposed to arise (being caused in the above manner) in the ›ideal hearer‹ is what is shared by all language-user and hence inter-subjectively available. The knowledge-episodes arising in all individual hearers are distinct events, but, on this theory all such events share the same structured content, provided the original causal mechanism is triggered off by the utterance of the same sentence in the same situation (by the same speaker). In fact, the ideal hearer is like a computing machine, where the input would be the utterance and the output would be a corresponding uniquely structured knowledge-episode. In conceiving such an ›ideal hearer‹, we have to exclude obviously a number of other variable factors that may inhibit the functioning of the said machine. The Naiyāyikas have claimed in this way that an account or analysis (or structural description) of the objectcomplex grasped by the knowledge-episode would be an account of the meaning of the sentence. Hence the equation: śābdabodha = vākyārthabodha. The ›meaning‹ is the objectcomplex related in a given manner that has been grasped by the knowledge of the hearer when he hears the sentence uttered. The said knowledge-episode is qualificative in character. Its structure is assumed to be attributive-substantive in form (that is, the ›qualifier-qualificand‹ model), and hence the structural description seeks to identify what qualifies what: If ‘x is qualified by y’ then x can be called the qualificand, the substantive, and y the qualifier, the attribute. The lexical items along with the grammatico-syntactic elements of the uttered sentence are mapped into the object-complex of the said knowledge-episode following some conventional rules of mapping. There is however difference of opinion among the philosophers as to which word in the sentence would contribute its meaning-element as the chief qualificand, the chief substantive. The chief qualificand is the nucleus around which the other elements would gather as qualifier, qualifier of the qualifier, the bonding agent between a qualifier and a qualificand and so on. The Grammarians and the Mīmāṃsakas believe that the principal element in a sentence is the verb itself and hence part of the meaning-complex of the verbal expression should be the chief qualificand. In Sanskrit, the verbal expression has two main parts, the verbal
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root and the verbal suffix. For example, ‘pacati’ [cooks] = ‘pac’ + ‘(a)ti’. According to the Vaiyākaraṇas (Grammarians), the meaning of the verbal root (e. g. ‘pac’) is dominant, and therefore this should be selected as the principal qualificand while a structural description of the śābdabodha is in order. Consider the sentence ‘Rāmaḥ annam pacati’ [Rama cooks rice]. It should first be analysed into the constituent lexical and grammatical elements (altogether six such elements here) as ‘Rāma + S/ anna + am/ pac + (a)ti’ Here ‘ti’ which is technically called ‘ākhyāta’ here, means ›agency‹ which qualifies the meaning of the verbal root ‘pac’, i. e. the cooking or the action conducive to cooking. In fact the verbal root is said to have both meanings, the result (phala, here: cooking) and the activity conducive to such result. The meaning of the second ending or inflection, ‘am’, in the nominal root ‘anna’, is karma, the accusative, or rather the substratum of accusativeness, and this is connected with the meaning of the root itself by the relation of identity. That is, the substratum, denoted by ‘am’ is identical with rice (the meaning of ‘anna’). This complex is then connected (as being the accusative) with the meaning of the verbal root, cooking, being softening of the rice grain as well as the operation or activity conducive to such softening. The ākhyāta, i. e. ‘ti’ has three meanings apart from meaning agency, a substratum, a number (singular), and a particular time (present time). The one with the first inflection, Rāma, is connected with the substratum of agency by the relation of identity, the number also goes along with it, and the present time qualifies the operation or activity, one of the meanings of the verbal root. Besides, I have already noted that the meaning of ‘ti’ qualifies the meaning of ‘pac’. Hence the description of the content of the śābdabodha, according to the Vaiyākaraṇas, is as follows: (1) It is the activity, which is presently taking place, which is tied to the substratum which is identical with one (single) Rāma, and which is conducive to the softening located in the substratum which is identical with rice. In the above presentation, I have followed the old Vaiyākaraṇas. The New Vaiyākaraṇas would have a slightly different structural description. Roughly the New School as found e. g. in the writings of Nāgeśa (ca. 1670—
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1750) and Kauṇḍabhaṭṭa (ca. 1610—1660) would say: (1 a) The activity of cooking occurring in present time has an agent which is identical with Rāma (or qualified by Rāma as its agent) and qualified by rice which is connected with it by way of being its object. According to the Mīmāṃsakas, the meaning of the verbal suffix or ākhyāta, not of the root, should be the principal qualificand. This meaning is identified by the Mīmāṃsakas as bhāvanā [making something to be, to become or to happen]. Āpadeva (ca. 1610 A. D.) has defined bhāvanā as “bhavitur bhāvanānukūlo bhāvaka-vyāpāraviśeṣaḥ” (Āpadeva 1911, 1). It is argued that in each sentence there is a verb, and in each verb there is an implicit verb ‘bhū’ [to be, to become]. When something becomes, that which happens or becomes is called ‘bhavitṛ’ [become-er] and it presupposes something else that makes it become, and the second item is called ‘bhāvaka’ or ‘bhāvayitṛ’ [maker of becoming]. Bhāvanā is the operation or function of the maker conducive to his making whatever he makes. Bhāvanā is therefore the making function. This is expressed by the ākhyāta, ‘ti’, in ‘pacati’, and according to the Mīmāṃsakas, this meaning is the chief qualificand which the action of cooking qualifies as a qualifier. In fact, the action of cooking becomes the object (karman) or the instrument (karaṇa) of the making function (bhāvanā). ‘Pacati’ [cooks] is paraphrased as ‘pākam karoti’ [makes cooking], and ‘annam pacati’ [cooks rice] is paraphrased as ‘pākena annam karoti’ [makes rice by cooking]. Here the meaning of the verbal root takes the role of a kāraka, a ›maker‹, an auxiliary to making, just as the meanings of the nominal roots are kārakas (and hence they take kāraka inflections explicitly). Consider the sentence: ‘Rāmaḥ kāṣṭhena annaṃ pacati’ [Rāma cooks rice with fire-wood]. The initial paraphrase on this view would be: ‘Rāmaḥ kāṣṭhena pākena annaṃ karoti’ [Rāma makes rice by cooking by firewood]. The final structural description of the knowledge would be (2) It is a making function, which is happening at present, which is done through the instrumentality of cooking (i. e. qualified by cooking), which (cooking) has rice as its object-goal (karman) and is done through the instrumentality of firewood, and it is the making function qualified by Rāma as its agent.
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To avoid complications I have omitted the mention of singularity or singleness (expressed by the singular suffixes) in such items as the karman (rice), and the agent (Rāma). I have also avoided complications in the English presentation by not giving the detailed analysis of the connection between such items as making function and cooking, cooking and rice, cooking and firewood. The Naiyāyikas however give a different analysis, for they believe that the word with the first ending (prathamā vibhakti) should be given primacy in a sentence and hence its meaning should be selected as the chief qualificand. All the other meaning elements including that of the verbal root or verbal suffix should be connected with this element as its qualifiers. To use an imagery, according to the Vaiyākaraṇas, the meaning of the verbal root, and according to the Mīmāṃsakas, the meaning of the final verbal suffix, should be at the centre around which all other meaningelements should rotate. According to the Naiyāyikas, the meaning of the word with the first ending (usually the nominative or the subject), should be at the centre around which other elements should rotate. The meaning of ‘ti’ in ‘pacati’ on this view is the effort, a property, which can be located in the agent who cooks. Udayana (ca. 975— 1050) in Nyāyakusumāñjali gives the initial paraphrase of ‘pacati’ [cooks] as ‘pākānukūla-vartamāna-yatna-van’ [possesses effort at present conducive to cooking]. The Naiyāyikas in this regard have sometimes been followed by the Ālaṃkārikas such as Jagannātha (17th century) and Vedāntins such as Dharmarāja (17th century). Consider the sentence: ‘Rāmaḥ mahānase kāṣṭhena annam pacati’ [In the kitchen Rāma cooks rice with firewood]. The structural description of the relevant hearer’s knowledge (generated in the above manner by the utterance) would be: (3) It is Rāma who is qualified by the effort that is conducive to cooking, which cooking has rice as its object-goal (i. e. qualified by the ›object-hood‹ in rice), which is qualified by instrumentality in firewood, and it is the same Rāma who is qualified by being located in the kitchen. The last clause can also be written as
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(3 a) [...] which cooking is qualified by being located in the kitchen. In fact (3 a) would be more in accordance with the grammatical convention according to which the locative is a kāraka which provides the location of the action. The above way of representing the knowledge-content is admittedly very cumbersome and tenuous specially in its English version. In Sanskrit however, part of the complexity is resolved by natural nominalizations, compound-formation, etc., which are very common features of the Sanskrit language. To represent clearly the structure or formation of this rather artificial description of the knowledge-content, we may use a device which I had suggested earlier (Matilal 1968). Use ‘Q’ for qualification-connector and read ‘Q (ab)’ as ‘a (is) qualified by b’. Allow the following formulas: (i) Q (ab) Q (ac) = Q (a (bc)). (ii) Q (ab) Q (bc) = Q (a Q (bc)) Read (i) as ‘a (is) qualified by both b and c’ and (ii) as ‘a (is) qualified by b which is qualified by c’. Using this convention we may represent (3 a) as (3 a′) Q (a Q (e Q (e (rfk))) Where a = Rāma, e = effort, c = cooking, r = rice, f = firewood, and k = kitchen. The above structural representation both reveals and conceals. We have used a simple connector-function, a two-place predicate ‘Q’. But in each case the specific nature of this connector is different and hence it needs to be spelled out in each case to reveal the structure in full. In the fully explicit Sanskrit representation, each connector is articulated in language. For example, the connector between cooking and rice is the objecthood that is resident (niṣṭha) in rice and conditioned (nirūpita) by cooking. When even a deeper analysis is required, it would be represented by saying that cooking is connected with objecthood and objecthood is connected with rice. Writing ‘o’ for ‘objecthood’ we can write: Q (c, r, Ro) and read it as ‘Rice qualifies cooking through objecthood connector’. These ›connectors‹ or ›mixers‹ between the meaning-elements are usually of two types: non-identity and identity. Non-identity has various sub-categories, owner-owned (represented usually by genitive), location-locatable (represented by locative suffixes), objecthood, goal-hood, contenthood (all represented by the accusative suffix in connection with var-
I. Raum-zeitliche Übersichten
ious verbs, ‘cooking’, ‘going’ and ‘knowing’) etc. In fact the connectors are regarded as the semantic counterpart of various syntacticgrammatical elements represented in the surface structure of the sentence. Identity is usually the connector between the meaning-elements where two or more words are appositional (have same endings or vibhakti). In the above analysis, the following correlation between the linguistic elements and the corresponding components of the knowledge-content of the hearer has been made: Linguistic elements Components of knowledge The word ‘Rāma (+ s)’ Rāma The verbal suffix ‘ti’ The effort (kṛti) The root ‘pac +’ The action of cooking ‘mahānasa +’ kitchen The affix (locative) ‘-e’ location or occurrenthood ‘kāṣṭha +’ firewood The instrumental suffix ‘-ena’ instrumentability ‘anna +’ rice The accusative ‘am’ objecthood The affix ‘s’ in ‘Rāmaḥ’ The meaning of the stem itself (prātipadikārtha)
6.3. Supporting arguments for either view Both the Naiyāyikas and the Vaiyākaraṇas, and also the Mīmāṃsakas, have given arguments to support their respective positions. The details of these arguments I shall omit here. Only one argument may be mentioned. This is based upon the supposed relationship between a sentence with a sub-sentence. Consider: ‘Look, the deer runs’ (Paśya mṛgo dhāvati) The Vaiyakāraṇas argue that since this is to be treated as a single sentence with one principal qualificand in the content of the verbal knowledge, their own analysis with the meaning of the verbal root as the principal element provides a better structural description. (1) It is the seeing (by you) which is the object of command, and which is at the present time and which has the running as its object, which running belongs to the deer as its agent. Here, since the object (karman) is expressed by a verbal root (dhāv [run]), and not by a nominal root, one would not expect a second ending ‘am’ (those endings are specifically meant for nominal stems). The proto-analysis of the Naiyāyikas would have been (1 a) The deer is qualified by the effort conducive to running, and your being the
5. Indian philosophy of language
location of seeing is the object of command. Here clearly we have two sentences joined by ‘and’, and the two components are independent of each other. But this is counter-intuitive. For intuitively this sentence is to be treated as a single sentence with a subordinate clause or subsentence. If however the first part is made dependent upon the latter part, the deer would undoubtedly be the object (of seeing) and hence the word for deer would have to be inflected with second (accusative) ending. The Naiyāyikas do not think this to be a serious argument. For the above sentence can also be explained on their theory as one single sentence with one subordinate clause. (2) You are the locus of a commanded seeing, which seeing has such deer as its object, as is qualified by the effort conducive to running. Here the entire sentence (subsentence) ‘the deer runs’ refers to the object of seeing, not simply the expression for the deer, and therefore there is no scope for the second (accusative) ending to appear as an inflection for the subsentence. Such inflections to be sure appear in nominal roots only, not in a sentence as a whole. I shall conclude by noting a few arguments of the Naiyāyikas in support of the languagegenerated knowledge as a separate knowledge, distinct from perception and inference. In other words, a question generally arises: Why the hearer’s relevant knowledge from the utterance cannot be a special case of inference or even a case of perception? Why it should be regarded as another category of knowledge-episode, called ›verbal knowledge‹? Both the Vaiśeṣikas and the Buddhists have settled for inference. That is, for them, this so-called ›verbal knowledge‹ or speechgenerated knowledge is only a special case of inference. But the Naiyāyikas find it important to distinguish verbal knowledge from both perception and inference. Many arguments have been given by Udayana as well as other Naiyāyikas. I shall note only one argument here which will be based on Jagadīśa (ca. 1600 A. D.). He (Jagadīśa 1934) says that the verbal knowledge or śābdabodha or the knowledgeepisode arising in the hearer from the utterance of a sentence has always a determinate structure that constitutes it (niyantritārtha). This determination is a causal determination,
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the structure of the object complex being uniquely determined by the particular sentence that is uttered. In the case of perceptual knowledge such unique determination is absent. For example, consider a perceptual situation where a cat is sitting on the mat. The object complex which produces the perceptual awareness has a ›neutral‹ structure, a cat, a mat and a connection. The resulting perceptual knowledge may have either of the two forms: ‘The cat is on the mat’ or ‘The mat is under the cat’. Different verbal expressions of the perceptual knowledge reveal different structures. But the utterance of ‘The cat is on the mat’ would produce in the hearer a knowledge-episode with a determinate structure. It is the cat qualified by the occurrence-in-themat. From the utterance of ‘The mat is under the cat’ there will be a different knowledgeepisode in the hearer. The same feature, that of having a structure uniquely determined by the particular utterance, distinguishes language-generated knowledge from inference also. In inference, the final knowledge episode is produced by what is called a ‘parāmarśa’, a combined judgement based upon an awareness of the presence of evidence (of liṅga or hetu), and another awareness (knowledge) of its concomitance with the inferable feature, the sādhya. The combined judgement may take either of the two forms (revealing two different structures of the object complexes of the knowledge): ‘The hill has smoke which is concomitant with fire’ or ‘There is such smoke on the hill as is concomitant with fire’. These judgements lead to two different knowledge-episodes (i. e. inferential knowledge): ‘The hill has fire’ or ‘There is fire on the hill’. Although the verbal expressions of these two inferential knowledge-episodes imply each other, the knowledge-episodes themselves are different as episodes. Hence the structural content of the inferential knowledge-episode is not uniquely determined by the evidence or the inferential mark (liṅga). But in the case of the uttered sentence ‘The hill has fire’ there will arise a knowledge-episode with a uniquely determined structure. Thus, arguably a śābdabodha, the hearer’s knowledge,
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I. Raum-zeitliche Übersichten
has a distinct feature and it is distinguished from perception and inference. But of course, if we wish to put little importance on this feature of having a uniquely determined structural content, the distinction between inference and śābdabodha may be eliminated.
7.
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Bimal K. Matilal, Oxford (Great Britain)
Chinese philosophy of language Introduction Confucian and Mohist theories of naming Sophist and Taoist criticism of language Selected references
Introduction
China provides the unique instance of philosophy of language developed in a language of uninflected words organised solely by word order and the functions of grammatical particles. In the absence of morphological features such as compel attention in Indo-European and Semitic languages, there is little to make Chinese aware of the structure of their own language. Linguistic study therefore centred on lexicography rather than on grammar, and philosophy of the classical period (500—2 00 B. C.) on the name rather than the sentence; (only one text clearly distinguishes sentence from complex name, cf. 2 .1.4). Philosophy of language is nevertheless quite central to Chinese thought whenever it passes from moral and political to epistemological and logical questions, which are discussed in terms, not of abstract entities, but of fitting ming [names] to shí [objects] (concrete and particular). In philosophical discourse the regular way of asking ‘What is X?’ is ‘What does one call ‘X’?’ (he wei ‘X’). There is consequently no tendency to think of each name as representing an entity: ‘horse’, ‘white’ and ‘ride’ all raise the question whether in their different ways they ›fit‹ (dang) the particular object, whether it is ›this‹ (shì), a horse, and
whether it is ›so‹ (ran) that it is white or someone is riding it. Although some (e. g. Fung 1952 , 2 03 ff) have claimed to find realism in Chinese philosophy, all explicit theories of naming in the classical period take nominalism for granted. The terms closest to ‘meaning’ are ‘zhi’ [point out (objects from each other)] and ‘yi’ [idea, image (of objects)]. In order to escape as far as possible from imposing Western preconceptions on Chinese thought, it will be necessary to root the exposition in non-technical equivalents of the key Chinese terms (e. g. avoiding ‘true’ for ‘so’, and refusing such Western technical terms as ‘class’, ‘category’ or ‘species’ for ‘lei’ [kind]), and also to translate at some length in order not to lose touch with the manner in which the thought proceeds. Only philosophy of the classical period, when the main lines of thought were laid down, will be considered here.
2.
Confucian and Mohist theories of naming
2.1. Later Mohism 2.1.1. Chinese philosophy of language has no known mythological background. Attention to naming begins in concern with the improper use of ritual and moral terms. The slogan ‘Make names correct’ already appears in a saying doubtfully ascribed to Confucius (551—479 B. C.), on the regulative function of names in ordering society:
6. Chinese philosophy of language
“When names are incorrect saying is off course, & then things are left undone, & then rites & music do not flourish, & then punishment misses the mark, & then the people have nowhere to lay hand or foot. Therefore what the gentleman puts a name to can always be said, & what he says can always be put into effect. It is simply that the gentleman is never careless in what he says” (Analects 13.3).
Theorising begins in the 4th century B. C. with the sophists, from whom few fragments remain (cf. 3.1.1.—4.). But from ca. 300 B. C. we have a manual of disputation from the school of Confucius’ earliest rival Mozi (late 5th century B. C.), the Canons and their Explanations, as well as the remains of two fragmentary treatises, Expounding the canons and Names and objects (ch. 40—45 of the Mohist corpus M ozi, translated Graham 1978). The Canons divide into a series of 75 definitions of logical, ethical and geometrical terms, with an appendix listing different usages of a further 12 (A 1—87), and a series of 93 propositions (A 88—B 82). 2.1.2. ‘Name’ is classed among the terms with different usages. “Name: Unrestricted, of the kind, private. Explanation: ‘Thing’ is unrestricted; any object necessarily awaits this name. Naming something ‘horse’ gives its kind; for ›like the object‹ this name is necessarily usable. Naming someone ‘Zang’ is private; this name stays confined to this object” (Canons A 78).
It may be noticed that the assumption that one applies common names on grounds of similarity is so deep-rooted that ‘thing’, being applied irrespective of similarity, is classed separately like the proper name. Referring to an object by name, and all saying, are understood as presenting what the object is ›like‹: “›Referring‹ is presenting the analogue for the object” (Canons A 31); “›Saying‹ is uttering references” (Canons A 32 ). The proof that knowledge of an object is sufficiently conveyed by names for what it is like is that to say that an unknown object is in colour like a known object which is white conveys that it is white (Canons B 70). Knowledge, other than of concrete objects and of how to act, is conceived exclusively in terms of naming: “Knowing: By hearsay, by explanation, by personal experience. Of names, of objects, of how to join them, of how to act” (Canons A 80).
The fourfold classification of knowledge by explanation seems to be the basis of the organisation of the Canons, since both definitions and propositions run in sequences
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dealing with them in the same order. A point long overlooked (as in Hansen 1983, 100 ff), resulting in serious confusion about Chinese logic, is that explanation of names (Canons A 70—75, B 32 —82 ) and of joining names to objects (Canons A 1—6, A 88—B 12 ) are treated in different parts of the book as fundamentally different disciplines, of which only the former relates to logic. The crucial difference is that, since objects change, their relation to names also changes, while relations between names do not. The Canons on change conclude the definitions with “›Staying‹ is continuing as such” (Canons A 50), “ ›Necessary‹ is unending” (Canons A 51). Names only temporarily ›stay‹ in objects, allowing the last of four kinds of doubt (classified in Canons B 10): “Is it knowing, or is it supposing the already ended to be so?”. Between names however there are relations which never end, and also, as causal necessity, between objects. The relations are the ›joins‹ (classified in three kinds in Canons A 83), one of them necessary: “If without the other it is necessarily absent, the join is necessary. The judgments of the sages, employ but do not treat as necessary. The ›necessary‹, accept and do not doubt”.
2.1.3. Explanation of names Since a common name is applied on the basis of similarity, one requires a standard for the name: “The ›standard‹ is that in being like which it is so. Explanation: The idea, the compasses, a circle, all three may serve as standard” (Canons A 70).
Although the Mohist frequently mentions saying as the transmission of ideas or images, this does not affect his position as nominalist, not conceptualist; it is only in the absence of an actual circle for comparison that one has to imagine one. The Mohist art of disputation is based on the principle that a name, e. g. ‘ox’, either fits an object or does not, in which case what does fit is ‘non-ox’: “they do not both fit, and if they do not both fit necessarily one does not fit” (Canons A 74). Debate on whether an object is ox or horse (it could be neither) or whelp or dog (it could be both) are excluded on principle from the art; “in ›disputation‹ one calls it this, the other calls it not this, and to fit is to be the winner” (Canons B 35). Namings are said to ›exclude each other‹ or ›follow from each other‹, but the Mohist has the same indifference as all Chinese thinkers to the forms of argument. His whole attention is focused on the defining of names. Thus he has no account of the
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syllogism but does have definitions of the quantifiers: “ ‘All’ (jin, verbally ‘exhaust’, adverbially ‘all’) is none not being so” (Canons A 43), “ ‘Some’ is not all” (Names and objects 5). He uses ‘xian’ [beforehand (of knowledge)] founded on the operation of names without appeal to observation (cf. our ‘a priori’), and says of the circle: “By the things which follow from or exclude each other one may know beforehand that something is this” (Canons A 93). It is characteristic of his approach that he offers no consecutive demonstration of this claim, instead designs his scattered definitions to interlock in a chain arrivat ‘circle’ from the undefined terms ‘like’ and ‘so’ (= ‘like it’) at the foundations of his theory of naming. “ ›Exhausting‹ is none not being so” (Canons A 43), “ ›Same in length‹ is exhausting each other when laid straight” (Canons A 53). “The ›centre‹ is the place from which they are the same in length. Explanation: Distances outward from this are alike” (Canons A 54). “ ›Circular‹ is having the same lengths from one centre” (Canons A 58). The weak link is ›straight‹, which he has to define by visual alignment (a difficulty familiar also in the Western tradition): “›Straight‹ is aligned” (Canons A 57). Similarly he describes the virtues and vices as “what the sage desires or dislikes beforehand on behalf of men” (Expounding the canons 2 ), and organises his ethical definitions in a chain deriving from the undefined ›desire‹ and ›dislike‹ (the usages of which he distinguishes in Canons A 84). The Explanations attached to the Canons do include consecutive demonstrations. But even in the following, very neat in form (to be contrasted with the very different kind of argument used in joining names to objects, 2 .1.4.), the Mohist’s attention is not on an abstractable form but on the precise use of names: no less than seven of the words, the most important, have been defined elsewhere in the corpus. The issue discussed is whether one can love all men if their number is infinite, i. e. if space is infinite (for which ‘The south is limitless’ was the standard formula) and is everywhere inhabited. “Being limitless is not inconsistent with something being done to every one. Explanation: (Objection) The south if limited is exhaustible, if limitless is inexhaustible. If whether it is limited or limitless is not yet knowable, then whether it is exhaustible or not, whether men fill it or not, and whether men are exhaustible or not, are likewise not yet knowable, and it is fallacious to treat it as necessary that men may be exhaustively loved. (An-
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swer) If men do not fill the limitless, men are limited, and there is no difficulty about exhausting the limited. If they do fill the limitless, the limitless has been exhausted, and there is no difficulty about exhausting the limitless” (Canons B 73).
2.1.4. Explanation of joining names to objects This second discipline is concerned, not with inferring from the known to the unknown, but with describing the known consistently, naming the similar similarly and the different differently. Four varieties of sameness and difference are distinguished (Canons A 86, 87): being identical or two, belonging to a whole or not belonging, being together or not, being of a kind or not. Whether two objects are judged the same or different is for some names relative to a third object (‘more/less’, ‘elder/younger’), for other names is not (‘white/black’, and above all the crucial ‘this/ not this’) (Canons A 88). The Canons lay down a procedure in four stages for defending a description (Canons A 93—B 2 ): (1) The ›commitment‹; to explain why you call something short you say what you are committed to calling long. (2 ) The ›standard‹ for the name (cf. 2 .1.3.). (3) What you depend on (yin) in applying a standard which does not fit exactly. ‘Circle’ does fit exactly, but to apply ‘black man’ to a man only partially black requires a decision as to which parts of the body to depend on. (4) The ›kind‹; whatever name is given to the object must be usable of all of the same kind. The Canons discuss the sentence only in terms of ›linking‹ names (Canons B 3); thus in describing two men one may link ‘both’ with ‘fight’ (‘They both fight’) but not with ‘two’ (‘They are both two’), an observation which leads on to further differentiations of distributive and collective usages. We find a more advanced and presumably later system in Names and objects. This treatise (which begins ‘Names and objects do not join necessarily’) distinguishes in its fragmentary first part between ›naming by shape and characteristics‹ (e. g. ‘mountain’, ‘sword’), ›naming by number and measure‹ (e. g. ‘big’), and ›naming by residence and migration‹ (e. g. ‘Qin horse’). Observing that “to have a certain Qin horse is to have a certain horse & to know that it is the horse of a comer from there”, and that “in cases where naming cannot be by shape and characteristics we may know such-and-such even if we do not know this thing is such-and-such” (Names and objects 2).
6. Chinese philosophy of language
It arrives at the crucial insight that “knowing is different from having an image”; thus “having an image of a pillar is not having an image of wood, it is having an image of the wood of this pillar”, while on the other hand “having an image of a catch of game is having an image of birds” (Names and objects 3). With recognition of the distinction between the complex name conveying an image and the sentence by which one knows, attention shifts to the similarities and differences between sentences. The four types of sameness distinguished in the Canons (identity, belonging to the whole, together, of a kind) are repeated and summed up as “sameness with the same name”; then four more types are listed and contrasted with the former as “sameness with the some root” (Names and objects 6). Of these two are plainly intelligible from the many examples of parallel sentences quoted as the same or different, and as about being ›this‹ or ›so‹: ›sameness in being this‹ (of ‘A white horse is a horse’ and ‘A black horse is a horse’) and ›sameness in being so‹ (of ‘Rides a white horse’ and ‘Rides a black horse’). It seems then that the ›root‹ is the complement (‘is a horse’) or the main verb (‘rides’), which in Classical Chinese are most conveniently treated, not as predicated of a subject, but as the sentence core expandable with dependent elements including the subject. This interpretation of the ›root‹ agrees with the description of the ›ci‹ [sentence] (Names and objects 10): “The sentence is that which is generated in accordance with facts, grows up according to a pattern, and proceeds according to its kind”.
As for ›proceeding according to its kind‹, ‘A white horse is a horse’ proceeds (xing) to ‘Riding a white horse is riding a horse’ (i. e. implies it), but there are superficially parallel sentences which do not proceed similarly, because they are not of the same kind. To sort out the possibilities of confusion the Mohist distinguishes between cases of (1) ›being this (e. g. horse) and so (that one rides it)‹ (2 ) ›being this but not so‹ (3) ›being not this but so‹. He then lays out series of parallel sentences, by comparison with which one decides to which kind a sentence belongs. His groupings of sentences alike in form are easily misunderstood as a unique case of a Chinese thinker attending to logical form, but misled by failure to notice idiomatic shifts. But once it is seen that they belong to his art of consistently joining names to objects, it becomes
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clear that the exposure of idiomatic shifts is the whole point of the exercise. Thus the Mohists had been accused of inconsistency in advocating both love of everyone and execution of robbers; it was objected that ›Robbers are people, killing robbers is killing people‹. They discerned that what makes this formulation treacherous is that it seems to say more than ‘A robber is a man, to kill a robber is to kill a man’; ‘sha’ [kill] combined with ‘dao’ [robber] becomes ‘sha dao’ [executing robbers], combined with ‘ren’ [people] becomes ‘sha ren’ [murder], so that execution of an enemy of mankind seems to be the murder incompatible with love of mankind. The confusion is exposed by classing this with sentences of the second kind which make similar idiomatic shifts (Names and objects 15). “Huo’s parent is a person, serving her parent is not ›serving a person‹ (shi ren [serving a husband]). Her younger brother is a handsome man, loving a younger brother is not ›loving a handsome man‹ (loving him for his looks) [...] The whole world agrees in accepting these; but if such is the case, there is no longer any difficulty in admitting that, although robbers are people, loving robbers is not ›loving people‹ (loving mankind), not loving robbers is not not loving people, killing robbers is not ›killing people‹ (murder).”
If this argument is mistaken for a muddled attempt at logical demonstration (of which we saw a meticulous example in 2 .1.3.), it seems to depend on an arbitrary decision to class with the second instead of the first kind of sentence. But an opponent could not reply ‘I prefer to class with ‘A white horse is a horse, riding a white horse is riding a horse’’ without shifting the meaning to the neutral: ‘A robber is a man, killing a robber is killing a man’, emptying the sentence of the pejorative associations incompatible with universal love. It may be noticed that quantification is irrelevant to this issue; when Names and objects does introduce quantification, it is in making another sort of distinction, between ‘He rides horses’ (which implies only having ridden at least one horse, Names and objects 17) and the superficially parallel ‘He loves people’ (which implies loving all mankind). These and other analyses and comparisons show that sentences “become different as they proceed, become dangerous when they change direction, fail when carried too far, become detached from their base when we let them drift, so that we must on no account be careless with them, and must not use them too
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rigidly. Hence saying has many methods, separate kinds, different reasons, which must not be looked at only from one side” (Names and objects 12).
2.2. Xunzi 2.2.1. Among early Confucians Xunzi (ca. 2 98—2 38 B. C.) has an essay M aking names correct. Like the Canons, on which it probably depends, this begins with a series of definitions of key terms. Xunzi recognises naming as by convention, a point not made explicitly in surviving Mohist texts, although probably implicit in their criticisms of Zhuangzi (3.2.2.). “Names have no inherent appropriateness, one names by convention. When the convention is fixed & the usage established one calls them appropriate, when they differ from the convention one calls them inappropriate” (Xunzi 144).
Consequently names change with the times: “Should a true king arise, he will certainly follow some of the old names and invent some new names” (Xunzi 141). To invent names which conflict with the convention should be treated as “like the crime of falsifying tallies and measures” (Xunzi 140). Although like Names and objects he mentions the ‘ci’ [sentence], it is not clear that he has got past the assumption of the Canons that it is a mere ›linkage‹ of names: “The object being conveyed when the name is heard is the function of names. Composing a text by connecting them is the linking of names. When its function and links are both grasped one is said to know the name. The ›name‹ is the means of marking connected objects off from each other. The ›sentence‹ is a compounding of the names of different objects to organise a single idea” (Xunzi 147).
His nominalism is as uncompromising as the Mohist’s. ‘Shí’ [object] (unlike the more general ‘wu’ [thing]) is concrete and particular: “There are things the same in characteristics but different in place, and things different in characteristics but the same in place, which are to be distinguished. Things the same in characteristics but deemed different in place, although joinable we call two objects; things deemed different in that characteristics have altered without objects becoming distinct we call ›transformed‹, and what has transformation without distinction we call one object” (Xunzi 144 f).
Objects if similar can share a common name. “With whatever is the same in kind and in essentials, the presentation by the senses of the image of a thing is the same. Therefore, when compared, being assimilable they interchange; this is why we
I. Raum-zeitliche Übersichten
make their conventional names general and thereby mark things off from each other” (Xunzi 142).
We observe similarities and differences between objects, then “we proceed to name them. If they are similar name them similarly, if different differently. If a single name is sufficient to communicate, use a single name; if not, use a compound. When the single is nowhere inconsistent with the compound, it is more general, and it is no objection to it that it is more general. To know that different objects have different names and therefore make every different object have a different name, so that they cannot be confused, would be no better than making every different object have the same name. Therefore, although the myriad things are so many, there are times when we wish to refer to all of them, and therefore call them ‘things’. ‘Thing’ is the major general name. Pushing forward to generalise, beyond the general here is the more general, and only when there is nothing more general do we stop. There are times when we wish to refer to some rather than others, and therefore call them ‘birds’ or ‘animals’. ‘Bird’ and ‘animal’ are major distinguishing names. Pushing distinctions further, within distinctions there are distinctions, and only when there are no more distinctions do we stop” (Xunzi 143 f).
2.2.2. Xunzi lays down three tests of whether names are being properly applied; these may be seen to correspond to the Mohist classification of knowing how to join names to objects, knowing objects and knowing names. He classes fallacious propositions by which test they fail. Test 1: ›the purpose of having names‹, which is to clarify similarities and differences. The Mohist’s ‘Killing robbers is not killing people’ is classed as a case of “disordering the names (i. e. in the description) by confusion in the use of names. If you test it by the purpose of having names and observe which alternative proceeds, you can put a stop to it” (Xunzi 145).
Here Xunzi takes the common sense position that ‘Robbers are people’ does ›proceed‹ to ‘Killing robbers is killing people’, but he agrees with the Mohist in treating the issue as one, not of inferring from the unknown to the known, but of coherently describing the known. “Therefore the wise made for us divisions and distinctions, in the first place to clarify levels of value, in the second place to discriminate between same and different. When levels of value are clarified, and same and different distinguished, there is in consequence never the trouble of intentions not being communicated, never the misfortune of affairs being hampered and frustrated” (Xunzi 142).
6. Chinese philosophy of language
Test 2 : ›the evidence on which we assimilate and differentiate‹, which comes from perception by the five senses in conjunction with a judgment by the heart (supposed in ancient China to be the organ of thought). Such a claim as ›the essential desires are few‹ (a thesis of Song Xing, 4th century B. C.) is a case of “disordering the names by confusion in the consideration of objects. If you test it by the evidence on which we assimilate and differentiate, and observe which alternative agrees with it, you can put a stop to it” (Xunzi 145).
Here we are in the realm of the Mohist knowledge of objects; the thesis, as Xunzi explains when directly criticising Song Xing, conflicts with the factual evidence that there is a wide variety of desires essential to being human. Test 3: ›the pivotal requirements for instituting names‹, in particular ›the convention for the name‹ (presumably the definition). ‘A white horse is not a horse’ (a notorious sophism of Gongsun Long, early 3rd century B. C.) is a case of “disordering the objects by confusion in the use of names. If you test it by the convention for the name, and use the accepted to show the fallacy in the rejected, you can put a stop to it” (Xunzi 146).
This belongs to the Mohist realm of knowledge of names, and for Xunzi too is the only type which raises logical issues. The Confucian Kong Chuan had replied to Gongsun Long that ‘horse’ is simply more general than ‘white horse’. For Xunzi the same answer would follow from his principle that a single name is more general than a compound, but if compatible with it can apply to the same object. The third type of error, like the second, is a factual mistake; unlike the second, it derives not from bad observation but from bad logic.
3.
Sophist and Taoist criticism of language
3.1. The Sophists and Zhuangzi 3.1.1. The Confucians and Mohists were moralistic schools, concerned with fixing names in order to lay down the firm standards for the conduct of life and government which constitute the ›Way‹ (dao) in which society should be organised. The Taoist texts Zhuangzi (nucleus by Zhuangzi ca. 32 0 B. C.) and Laozi (first attested ca. 2 50 B. C.) take the opposite position, that standards and names hamper us in reaching the Way. Here
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we may notice what seems to be an underlying assumption of Chinese in contrast with Western thought, that language makes divisions in the whole rather than brings discrete entities together. Hansen (1983, 30 ff), in calling attention to this difference, explains it by the Chinese noun functioning more like the mass nouns of Indo-European languages than the count nouns marked by grammatical number. Since dividing and naming are guided by both subjective interests and objective differences, Chinese thought does not draw a sharp line between prescription and description; ›making names correct‹ is a socially regulative activity not only for Confucius but for the whole tradition. Xunzi puts value distinctions before the same and the different (cf. 2 .2 .2 . Test 1); for Zhuangzi dividing starts from self-centred preference, and it is in ceasing to divide that one finds oneself moving spontaneously on the course which is the Way. 3.1.2. Radical questions about naming had already been raised by the sophists, of whose work we possess only lists of unexplained paradoxes (some ascribed to Hui Shi, an elder friend of Zhuangzi), and two essays (The white horse and Pointing and things) ascribed to Gongsun Long. The latter are preserved in the book Gongsun Long zi, the rest of which (with the probable exception of a dialogue on left and right) was forged between A. D. 300 and 600. The white horse defends his sophism ‘A white horse is not a horse’. Pointing and things is the most variously interpreted document in Chinese philosophical literature, but on the reading assumed here (cf. Graham 1978, 457 ff) its theme is a crucial problem of naming. Since the function of names is to point out one object from another (cf. Xunzi’s ›instituted names whereby to point out objects‹, 2 .2 .2 . Test 1), how can there be such a name as ‘world’ to embrace the whole? Even among Taoists, who are quite willing to accept the undivided as the nameless, one meets such a sentence as “ ‘Universal’, ‘everywhere’, ‘all’, these three are different names for one object, what they point out is one” (Zhuangzi 161). But if these names indeed serve to point out, one is driven to the paradox enunciated at the head of Gongsun Long’s essay: “When no thing is not the pointed out, to point out is not to point it out”. The essay starts with a defence of the thesis: “[...] That, nothing within the world being the pointed out, a thing may not be said to be the pointed out, is there not being anything not the pointed out, which is no thing not being the pointed
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out; and no thing not being the pointed out, to point out is not to point it out”.
The sophist then refutes the thesis, arguing that the pointing out of world is the collection of the pointings out of things: “That nothing within the world is the pointed out derives from each thing having its own name and not being deemed the pointed out. When though not deemed the pointed out we say they are the pointed out, we make a collection of the not deemed the pointed out [...] It is not that to point out is not to point it out, it is pointing out with a thing conjoined which is not pointing it out.”
3.1.3. Several of the sophisms preserved without their arguments raise issues of naming. The Mohists, while recognising that an object may have more than one name, such as ‘whelp’ and ‘dog’, had denied that one may call a dog a ‘crane’, on the grounds that what is so of it is not so of a crane. Such a transfer they call ‘loan-naming’, and object that “what it is loan-named it necessarily is not, otherwise it would not be a loan-name. When a dog is loan-named to be a crane, it is as when ‘Crane’ is given as its personal name” (Canons B 8).
But the dismissal assumes that there are already acknowledged standards for what is so of a dog and of a crane. If all naming is conventional, is any object in itself the thing we call it rather than another thing? Among the propositions of the sophists is “A dog may be deemed a sheep” (Zhuangzi 2 84), on which the commentator Sima Biao (died A. D. 306) says: “By the name one names the thing but it is not the thing. The name ‘dog’ or ‘sheep’ is not the dog or sheep. If what is not a sheep may by naming be deemed a sheep, a dog may be named a ‘sheep’. In Zheng what they call ‘pu’ is undressed jade, in Zhou unprepared ratmeat. Therefore the form belongs to the thing but the name to man”.
Difficulties were seen also in the assumption that we can divide things into kinds and judge oxen similar to each other and different from horses. The Mohists themselves acknowledged that kinds differ in scale, the same object being on the smaller a deer and on the larger an animal (Canons B 2 ). Hui Shi sees a paradox in classing things as either the same or different: “Being both similar on a large scale and different from the similar on a small scale is what one calls ‘being similar or different on a small scale’. The myriad things to the last one being similar, to the last one being different, is what one calls ‘similar or different on the large scale’” (Zhuangzi 283).
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Hui Shi’s friend the Taoist Zhuangzi takes up both these themes of the sophists, in the swift fluid style which reflects his distrusts of the precise formulations of sophists and Mohists. “Saying is not blowing breath, saying says something; the only trouble is that what it says is never fixed. Do we really say something? Or have we never said anything? If you thing it different from the twitter of fledgelings, is there proof of the distinction? Or isn’t there any proof?” (Zhuangzi 52 ). “If you look at them from the viewpoint of their differences, from liver to gall is as far as from Chu to Yue; if you look at them from the viewpoint of their sameness, the myriad things are all one” (Zhuangzi 76 f).
3.1.4. Much of Zhuangzi’s criticism takes advantage of the Chinese practice of making judgments with demonstratives, ‘this’ or ‘so’ referring back to a name, which calls attention (as Western ‘true’ does not) to the dependence of a judgment on the initial choice of name. To assent to an object being an ox in Classical Chinese you must have divided off oxen as ›this‹ from non-oxen as ›that‹. Nor is this the only preceding choice; the Mohists recognised that to describe objects often assumes a choice, not only of the standard for the name, but of which object or part of it to ›depend on‹ (yin) in applying the standard (cf. 2 .1.4.). This complication inspired the unattributed sophism “A white dog is black” (Zhuangzi 2 84), on which Sima Biao comments: “When a dog’s eyes are blind we call it a blind dog, when a dog’s eyes are big we do not call it a big dog. Here in the former case it is this and in the latter is not. If so, a white dog with black eyes may also be deemed a black dog”.
From such considerations Zhuangzi drew the radical conclusion that every judgment as to what thing an object is starts from arbitrary choices of which alternative is ›this‹ rather than ›that‹ and of which tests to ›depend on‹, which could just as well have been made the other way round. Gongsun Long wasted his time trying to prove that a white horse is not a horse; you have only to reverse the names ‘horse’ and ‘non-horse’, and what was previously called a horse is not a horse. Moreover even when the choices are made, there will be a moment of change when the name ceases to apply and the object is simultaneously this and not this, as shown by a paradox of Hui Shi: “At the moment of being at noon the sun is declining, at a moment of
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being alive a thing dies” (Zhuangzi 2 83). This is only one of a series of spatio-temporal paradoxes of Hui Shi (e. g. ‘The South has a limit yet has no limit’) which could be read as proofs that there can be no division without contradiction. Zhuangzi’s solution is to open oneself to the ›illumination‹ of ceasing to divide even self from other. All these themes mingle in the following lengthy passage: “The Way is hidden by the complete on a small scale, saying is darkened by its foliage and flowers. Consequently we have the ‘This or not this’ of Confucians and Mohists, by which what for one of them is this for the other is not, what for the one of them is not this for the other is. If you wish to affirm what they deny and deny what they affirm. The best means is Illumination. No thing is not that, no thing is not this. If you make yourself that they do not appear, if you know of yourself you know of them. Hence it is said, ‘That comes out from this, this too depends on that’, the opinion that that and this are born in the same moment. However, ‘at the moment of being alive one dies’ and at the moment of dying one is alive, at a moment of being allowable the one (i. e. that one is alive) becomes unallowable, at a moment of being unallowable the other (i. e. that one dies) becomes allowable. If depending on the one it is this then depending on the other it is not, if depending on the one it is not then depending on the other it is. This is why the sage does not take this course, but opens them up to the light of Heaven; his too is a dependent ‘This’. This too is that, that too is this. There they say ‘This or not this’ from one point of view, here we say ‘This or not this’ from another point of view. Are there really that and this? Or really no that and this? Where neither that nor this finds its opposite is called the axis of the Way. When once the axis is found at the centre of the circle, there is no limit to responding with either, on the one hand no limit to what is this, on the other no limit to what is not. Therefore I say ‘The best means is Illumination’. Rather than use the pointed out to show that ‘to point out is not to point it out’, use what is not the pointed out. Rather than use the horse to show that ‘a horse is not a horse’ use the non-horse. Heaven and earth are a single thing pointed out, the myriad things are a single horse” (Zhuangzi 52 f).
3.1.5. It is in this passage that Zhuangzi introduces a technical term of his own, the ›dependent This‹ (yin shì) which shifts with changing viewpoints and circumstances, treating all division and naming as fluid; he contrasts it with the ›This which deems‹ (wei shì) of Confucians and Mohists who assume fixed divisions and names. “The Way has
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never had borders, saying has never had norms; it is by a ‘This’ which deems that a boundary is drawn” (Zhuangzi 57). But since naming is only of the things we divide up, even the ›dependent This‹ lapses in the wordless Illumination in which division even of self and other ceases altogether. This state is conceived in Chinese terms as the discovery, not of ultimate Reality or Being (the existential ‘you’ [there is] is in any case used only of concrete things) but of that ›Way‹ guiding action which Confucians and Mohists try vainly to pin down in words. The Way is the direction in which, in ceasing to divide, you find yourself tending spontaneously, moved by forces you no longer conceive as outside you. In the words of a Taoist describing one level of trance, “names and objects had not found a way in, but the impulses were coming up from my heels” (Zhuangzi 97). “The Way in being walked becomes complete, things by what you call them become so [...] The dividing of them is completion, the completion of them is dissolution; all things by completion or dissolution reverting interchange and are deemed to be one. Only the understanding which is unrestricted knows how to interchange and deem them one: the ›This‹ which deems it does not use, but finds for them lodging-places in the usual. The ›usual‹ is the usable, the ›usable‹ is the interchangeable, to ›interchange‹ is to have grasped; and once you grasp it you are almost there. The dependent ›This‹ comes to an end; and when it is at an end, that of which you do not know what is so of it you call the ‘Way’” (Zhuangzi 53 f).
Since all naming implies division, the undivided can have no name; ‘Way’ itself is merely a term relating it to action. It is a case of that ›loan-naming‹ to which the Mohists objected: “ ‘Way’ as a name is what we loanname to walk it” (Zhuangzi 153). Even to call it the ‘One’ is to separate oneself off from it. “‘Nothing in the world is bigger than the tip of an autumn hair, and M ount Tai is small; no one lives longer than a doomed child, and Peng Zu died young; heaven and earth were born together with me, and the myriad things and I are one’ — Now that we are deemed one, can I still say something? Already having called us one, did I succeed in not saying something? One and the saying make two, two and one make three. Proceeding from here even an expert calculator cannot get to the end of it, much less a plain man. Therefore if we take the step from nothing to something we arrive at three, and how much worse if we take the step from something to something. Take no step at all, and the dependent ‘This’ comes to an end” (Zhuangzi 56).
3.1.6. Since philosophers argue from different definitions of names, disputation can lead
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to no agreed result. Debating with Hui Shi Zhuangzi says: “‘If archers who hit what they haven’t previously marked off as the target were to be called good archers, everyone in the world would be as great an archer as Yi — allowable?’ ‘Allowable’, said Hui Shi. ‘If the world has no common ‘This’ and each treats as this what is this for him, everyone in the world is as great a sage as Yao — allowable?’ ‘Allowable.’ ‘Then of the four doctrines of Confucians & Mohists, Yang and Bing, which with your own make five, which is really ‘this’” (Zhuangzi 101).
How then should one use language to guide towards the Way? Zhuangzi recommends three methods (Zhuangzi 106 f): (1) “ ‘Saying from a lodging-place works 9 times out of 10’ — You borrow from outside to sort the matter out”. This has traditionally been taken for the literary device of speaking through imaginary characters, but seems rather to be argumentum ad hominem. By ›lodging-place‹ Zhuangzi elsewhere means the temporary standpoints between which the sage circulates as circumstances change; in ›saying from a lodging-place‹ you argue from the other man’s definitions, which although arbitrary are the ones you must start from to shake his faith in fixed divisions. “If mine are the same as his he responds, if not he turns the other way. What agrees with his he approves with a ‘This’ which deems, what disagrees he rejects with a ‘Not this’ which deems.” (2 ) “ ‘Weighty saying works 7 times out of 10’ — It is what you say on your own authority”. Weighty saying makes its point without argument; it is presumably most concentrated in aphorism. Its value depends on the experience of the speaker; an old man without experience is only an ›obsolete man‹. (3) “ ‘Spillover saying is new every day, smooth it out on the whetstone of Heaven’ — Follow what it depends on and let the stream find its own channels; this is the way to last out your years.” The metaphor here is from a type of vessel designed to tip over and right itself when filled too near the brim. Since language fits things ›unevenly‹, to let the ›dependent This‹ vary with circumstance, keeping a fine balance between affirming too strongly and too weakly, is the most natural way to talk, not wearing yourself out and shortening your life by forcing experience into a rigid frame; without it, ›who could keep going for long?‹. In distinguishing and naming you treat all divisions as fluid and provisional, aware that no name fits perfectly. “If you refrain from saying, everything is even; the even is uneven with saying, saying is uneven
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with the even. Hence the dictum ‘In saying say nothing’. If in saying you say nothing, all your life you say without ever having said, all your life you refuse to say without ever failing to say. What from one standpoint is allowable from another is unallowable, what from one standpoint is so from another is not so” (Zhuangzi 107).
3.2. Laozi 3.2.1. The Taoist, instead of arguing with Confucians and Mohists over their conflicting definitions of the Benevolence and Duty which they mistake for the Way, uses or discards the moral terms according to whether in given circumstances he sees them as coinciding with the Way. “Names are tools for public use, one should not have too strong preferences between them. Benevolence and Duty are the grass huts of the former kings; you may put up in them for a night but not settle in them for long, and the longer you are noticed in them the more will be demanded of you. The utmost men of old borrowed right of way through the benevolent, lodged for a night in the dutiful, to roam in the emptiness where one rambles without a destination” (Zhuangzi 129).
The sage grasps the Way as a carpenter masters his craft: “If I chip at a wheel too slowly, the chisel slides and does not grip; if too fast, it jams and catches in the wood. Not too slow, not too fast; I feel it in the hand and respond from the heart, the mouth is unable to say it, there is a knack in it somewhere which I cannot convey to my son and my son cannot learn from me” (Zhuangzi 140).
All that the sage values in words is an ›idea‹ which guides in the right direction, not of course an intellectual concept but the image of something concrete inseparable, outside logical discussion of such a name as ‘circle’, from the impulse to act with which one responds to it. (Needless to say, there is no idea of the Way.) “The bait is the means to get the fish where you want it; catch the fish and you forget the bait. The snare is the means to get the rabbit where you want it; catch the rabbit and you forget the snare. Saying is the means to get the idea where you want it; catch on to the idea and forget the saying. Where shall I find a man who forgets what was said, so that we can say something to each other?” (Zhuangzi 190).
3.2.2. In Laozi there is none of Zhuangzi’s intellectual ›saying from a lodging-place‹ to smash conceptual schemes, but intensive exercises in the aphoristic mode of his ›weighty
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saying‹ and the paradoxes of his ›spillover saying‹. This philosophical poem is not a theoretical but a practical demonstration that all names mislead unless you shift their meaning from sentence to sentence and with a change of context use them to say the opposite (Laozi 78): “Correct saying is as though wrong way round”. Its mode of language, in which the sayer can himself say “The knower does not say, the sayer does not know” (Laozi 56) is already in full spate in the preliminary words on the Dao [‘Way’, verbally ‘speak of as the Way’] with which the book starts: “A dao which can be dao-ed is not the constant Dao,/a name which can be named is not the constant name./The nameless is the beginning of heaven and earth,/the named is the mother of the myriad things./By being constantly desireless observe the most fine in it,/by constantly having desires observe where it tends./These two are the same in origin but differ in name; as the same, call them the ‘Dark’./Go from the dark into the darker,/to the gate of all that is most fine.”
The first sentence rejects the formulated ways and fixed names of Confucians and others, but suggests that beyond them there is indeed a constant Way with a constant name. Yet the contradiction in ‘a name which can be named is not the constant name’ implies that in reaching it we leave the name behind. The very first words warn that the book will not tell us what the Way is, only orientate us towards it. The next sentence poses the alternatives of treating it as the ›nameless‹, the perfectly insubstantial which preceded the existence of things, into which we return in ceasing to prefer one to another (and so divide), or as the ›named‹, the ancestral thing which generates distinguishable things, along a course which we discover by from moment to moment preferring one to another. (The unorthodox translation ‘observe where it tends’ is based on the oldest manuscripts, only recently discovered, cf. Lau 1982 , 170.) Confidence in the adequacy of the words ‘constant’ and ‘desire’ is shattered by forcing us to search for a sense in which one can be constantly both desiring and desireless. Then our assumption that the nameless must be nearer to the Way than the named is overturned by the pronouncement that the two, although different in name (the ›nameless‹ now emerging as itself a name) derive from the same source. With the invitation to call this the ‘Dark’, and the shift of metaphor to the ›gate‹, it turns out that, even if it is namable, ‘Way’ is an imperfect name for it. The
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poem throughout moves backward and forward between treating the Way as nothing or something, the nameless or a ›thing‹ with a name. “The Way is constantly nameless [...] Only when it is cut up are there names” (Laozi 32 ). Now that it is cut up, when you search into the origin of things, “from the present to the past its name does not depart” (Laozi 21). To get to it you ceaselessly rename it. “There is a thing completed by jumbling together,/born before heaven and earth. [...] It may be deemed the mother of heaven and earth./I have not got to know its name,/style it the ‘Way’. I force a name on it, ‘Great’,/for great say ‘Receding’,/for receding say ‘Far’,/for far say ‘Gone back’” (Laozi 25).
3.2.3. The section of the Mohist Canons on the logical relations between names (Canons B 32 —82 ) has a number of items defending the art of disputation against the Taoist enterprise in deconstruction. Debate being confined strictly to the issue of whether e. g. ‘ox’ or ‘non-ox’ fits the object, so that necessarily one fits if the other does not, there is no room for doubt that in disputation one party i s right and the other wrong. That the Mohist thinks even of debating philosophers as objects which a complex name fits is shown very clearly by the phrasing of his answer to Zhuangzi: “To call disputation ‘without a win’ necessarily does not fit” (Canons B 35). As for the problem of the demonstratives, it does not matter which alternative you choose as ‘this’ as long as you recognise them as different and call the other ‘that’. “If the ones ›here‹ and ›there‹ are to stay where they are, and on this condition you treat the one here as ›there‹, then the one there will likewise be treated as ›here‹” (Canons B 68).
To Zhuangzi’s advice to “treat even what is not this as ›this‹”, the demonstrative being applicable to anything, the Mohist replies that “You cannot treat as ›this‹ without treating only this as ›this‹” (Canons B 82 ), and that the demonstrative is used of only one thing at a time. Although you can call anything you like a ‘crane’, to do so does not abolish its difference from what is commonly called a crane (Canons B 72). The insistence of Taoist teachers that there is nothing to learn gets the answer one would expect: “If he deems it useless to learn, to teach is self-refuting” (Canons B 77). Of especial interest are two arguments similar to Aristotle’s refutations in the M etaphysics of ‘All propositions are true’ and ‘All propositions are false’. The implica-
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tions of Zhuangzi’s claim that to be allowable from one standpoint is to be unallowable from another, that one may either affirm or deny anything, are formulated as ‘All saying is self-refuting’ and ‘Reject denial’. The Mohist answers: “To deem all saying self-refuting is self-refuting. Explained by what he says himself. Explanation: To be self-refuting is to be unallowable. If what he says is allowable, there is saying which is allowable (and so not self-refuting); if what he says is unallowable, to suppose that it fits is necessarily illconsidered” (Canons B 71).
Here it may be noticed that the logical inadmissibility of a combination of names, and the consequent necessity that it does not fit the object, are separate steps, not reduced to one by any equivalent of our own word ‘true’. “To reject denial is self-refuting. Explained by
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the failure to reject it. Explanation: If he does not reject his own denial he does not reject denial. Whether rejection is rejectable or not, it is failure to reject denial” (Canons B 79).
4.
Selected references
Fung 1952, A History of Chinese Philosophy. Graham 1978, Later M ohist Logic, Ethics and Science. Hansen 1983, Language and Logic in Ancient China. Lau 1979, Confucius. The Analects. Lau 1982, Laozi. Chinese Classics, Tao Te Ching. Watson 1963, Xunzi (= Hsün Tzu). Basic Writings. Graham 1981, Zhuangzi (= Chuang Tzu). The Seven Inner Chapters and Other Writings from the Book ‘Chuang tzu’.
Angus C. Graham, Singapore
Renaissance philosophy of language The scholastic tradition Nicholas of Cusa Anti-scholastic humanism The language question Philosophy of grammar Selected references
The scholastic tradition
During the period of the Renaissance, which will be taken here as covering roughly the years between 1450 and 1600, scholastic philosophy (s. art. 4) was still very much alive. Within that current of thought philosophy of language was mainly discussed in treatises on logic, more particularly in that part of the ›logica modernorum‹ which was called Parva logicalia and dealt with such subjects as the various properties of terms and so-called exponible propositions, that is, declarative sentences that have to be analysed in order to exhibit the import of some syncategorematic sign occurring in them. During the whole period a considerable number of texts containing this kind of questions continued to appear. That means that in spite of the several innovatory tendencies that are characteristic of the Renaissance the general background against which the more traditional interests become understandable had not altogether
disappeared. As it is this background which drew most of the attacks mounted by the innovators, it is useful to recall briefly its principal features. — In general, scholastic thinkers were led by an ideal of theoretical knowledge reached by intellectual insight and discursive reason. They strove after scientific truth, provable apodictically by means of syllogistic reasoning that consists of abstract and universal propositions. On this view the best preparation for further academic studies was a course in the liberal arts, especially in the arts of the trivium. Within the trivium pride of place was given to logic, in particular to the theory of the syllogism and to those issues in the field of formal logic and semantics whose treatment was considered to be indispensable for the solution of problems in philosophy proper and theology. Grammar was taught for the practical purpose of learning Latin, but also as an introduction to subjects which came after it; that is why in grammar ample attention was paid to questions of a logical and ontological nature. Rhetoric, on the other hand, was regarded as being only of secondary importance. The Latin language, in which academic instruction, research and debate were conducted, had been gradually adapted to precisely those purposes. In addition to being a lingua franca for
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the learned, it was also a technical and artificially refined instrument by which the results of a variety of investigations could be most adequately expressed. — It is in this atmosphere of intellectual activity and education that in Italy the school of Paul of Venice, for instance, continued to exert a considerable influence during the fifteenth century. And at the University of Paris the scholastic conceptualism of the ›nominales‹ enjoyed a remarkable vogue between about 1470 and 1530. There, scholars from France, Spain, Scotland and the Low Countries developed the traditional doctrines to a point beyond which worth-while extensions were hardly possible with the means which at that time they had at their disposal. The newly invented art of printing provided these epigones with the opportunity to make their own views and those of their predecessors widely known. But towards the middle of the sixteenth century this vigorous revival of conceptualism came to the end of its resources and virtually disappeared from the scene. By contrast, Thomist and Scotist realists managed to hold their positions in face of the hostile reactions coming from those circles and countries in which the combined forces of humanism and reformation had got the upper hand. A steady stream of textbooks and commentaries carried their specific doctrines on to the seventeenth century, without, however, adding anything really new to what they had inherited from the past.
2.
Nicholas of Cusa
2.1. In a survey of Renaissance philosophy of language, Nicholas of Cusa (1401—1464), whose thought might be characterized as lying somewhere between scholasticism and the revolutionary changes which the more radical representatives of Renaissance humanism attempted to bring about, deserves a separate niche. While sharing with the humanists an eager interest in the revival of classical studies, he elaborated a philosophical system that is rather different from what most of the other champions of antiquity propagated under that name. But his philosophy also has some fundamental features which distinguish it from the common run of scholastic doctrines. In the first place, Nicholas’ thought has conspicuous affinities with that Platonic tradition which had never been interrupted in the Middle Ages and was to gather new strength after
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him. Moreover, there is a clear streak of mysticism in his writings. And he also shows a more than usual appreciation of mathematics. In these latter respects too, he may be considered as a forerunner of tendencies that, each in its own way, were to become typical of later generations. The originality with which Nicholas combined past currents of thought into a tightly coherent system can also be claimed for his philosophy of language, which is an organic part of the whole structure. He never wrote a special treatise on that subject, but, apart from passages where he incidentally touches upon certain of its aspects, there is one text which offers sufficient information about his basic ideas to be taken as the source of a brief exposition. That text is the Idiota de mente (A Layman on the Mind) of 1450, in particular chapters II and III (Nicholas of Cusa 1937, 49 ff). — There, a general discussion about the meaning of a word is occasioned by the Layman’s contention that ‘mens’ is derived from ‘mensurare’ [to measure]. In accordance with this startingpoint, it seems appropriate to begin with some remarks made by Nicholas about the difference between the divine mind and the human mind. As the Word (Logos, Verbum) par excellence, the divine mind is the infinite and absolutely simple enfolding (complicatio) of the exemplary ideas of everything there is, the totality of the truth and precision of all things. Its thinking produces the ineffable form that is the essential and antecedent determination of all entities coming into existence. Although the actual nature of the divine mind eludes human understanding, Nicholas tries to elucidate it through some analogues. According to him, the ideas of mathematical figures are devised by the human mind, as one of the ways in which that mind unfolds itself. When we want to make an idea such as that of triangularity visible, we draw a certain figure having three angles. In so far as that figure exhibits the intended shape, the form of triangularity shines forth in it. If it is further supposed that the word ‘trigon’ is the precise name of the form of triangularity, the precision of that name enables us to know the precise names of all polygons: a figure with four angles will be called ‘tetragon’, a figure with five angles ‘pentagon’, and so on. Analogously, if we could know the precise name of one of God’s works, we would know all the names of all his works, since the divine word is the precision of every possible name. A second comparison used by Nicholas concerns the art of making wooden spoons. The
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exemplary idea of a spoon exists only in the craftsman’s mind. In contrast with sculptors and painters, who imitate the forms of things that already exist, the carver of spoons creates new objects in conformity with a model that he conceives of by the sheer power of his own mind. In this respect, his art resembles the infinite art of God. Now, when the craftsman wants to make his preconceived idea of spoonness (coclearitas), which in itself is wholly inaccessible to the senses, perceptible, he applies the various movements of his tools to a piece of wood until the exemplary form of spoonness shines forth in it to a satisfactory degree. While the truth and precision of spoonness, which as such is unmultipliable and incommunicable, cannot be rendered sensible perfectly by any tools or by any artist, it is still the case that in all the finished spoons the absolutely simple form of spoonness shines forth to a varying degree, more in one and less in another, but in none precisely. There is only one completely true and precise ideal form of spoonness; all the perceptible instances in which that form is exemplified display varying degrees of diversity and imperfection. — Whereas, then, the divine mind is the totality of truth in things and its act of conceiving is an act of producing things, the human mind is merely the totality of the concepts which it frames as similitudes of the objects of which it is thinking. While the divine mind is the enfolding of perfectly true and precise exemplars, the human mind is the enfolding of mere likenesses of the absolute truth. So the human mind itself is nothing but an imperfect image of God’s infinite mind. Nicholas calls that aspect of mental activity which derives the abstract concepts of genera and species from the similarities and differences noticed among sensible things, ›reason‹ (ratio), as opposed to ›intellect‹. This faculty of the human mind is dependent upon the observation of those perceptible things in which the forms are realized only in varying degrees. It is from that imperfect material that reason gathers its notions of genera and species, which therefore share with the sensible things the defective way in which they are related to the true forms in the divine mind. Since the notions of genera and species, as entities of reason, covary with the contingent individuals of which they register the similarities and differences, reason is doomed to mere conjecture and opinion. Nevertheless, human nature being what it is, man feels most at home in this
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fallible domain, whose proper study is logic. 2.2. According to Nicholas, words are imposed upon things by the activity of reason. The concepts that reason frames in order to record the similarities and differences encountered among perceptible things are the mental correlates that lend meaning to the spoken and written sounds. Now, just as human reason does not attain to the true nature of things as it is in the divine mind, so do the words whose meanings are determined by such entities of reason as the genera and species that are the contents of human conceptions fall short of it. Words have meanings that, measured by the ideal standard of God’s mind, are only more or less adequate. In addition to the obvious differences in sound which words for the same thing display in various languages, there are bound to be differences in meaning as well. For what acquires a name under one conception of human reason in some community may be named under another conception elsewhere. If human discretion is involved in framing the genera and species that are associated with a word, these must be an element of variability and arbitrariness in the meanings of words for the same thing, no less than in the sounds. — This element of arbitrariness, however, does not prevent the imposed word from being fitting (congruus). The arbitrariness is limited by the fact that, although perceptible things exemplify an ideal form only imperfectly, yet it is that form as it is variously shining forth in those things which determines the generalizing conception of them and consequently the meaning of the common name destined to denote them. It is this necessary connection with the form as it is revealed in the denoted things which makes the name fitting. At the same time, it is evident that the names imposed by men cannot be precise. The only word that is precise and natural (vocabulum naturale) is the name that forms a unity with the ideal exemplar in the divine mind. The names given by men are not entirely dissimilar to that natural name; they are related to it by the fact that the natural name shines forth in all the various names which as a result of one conception or another have been imposed by communities of language-users. But it is impossible that the actual names imposed by human reason should ever coincide with the single precise and natural name that is God’s word. There is only
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one ineffable word that is the precise name of all things upon which human reason imposes a name. This ineffable name typically shines forth in all names, because it is the infinite possibility of any name whatever. — In connection with his philosophy of language Nicholas divides philosophers into two classes. Some of them limit their investigations to the domain of reason. They refuse to admit pure and independent forms having a separate existence of their own and devote their studies solely to those forms which are products of human reason. They are interested only in the observation of individual things, in the way concepts of genera and species are formed on the basis of that observation, and in the logic of the linguistic expressions that derive their meaning from the notions produced by human reason. In sum, they hold that there are no other things than those which are signified by language. Others extend the realm of being beyond the individual things that are perceptible by the senses and beyond the concepts of genera and species that are derived from perceived things and determine the meaningfulness of the words of human language. For them, there are not only individual men and the concept of man framed by reason, but also the exemplary idea of humanity as such, which is quite independent of the existence of individual men and of the various conceptions by which reason attaches meaning to such words as ‘man’. Such philosophers do not content themselves with studying, as logicians, the domain of reason and language, but, realizing that this field concerns nothing but semblances of the true forms, they try to see things in a more theological light by directing their attention to the exemplary ideas themselves. This mystical search for the ineffable wisdom which precedes the imposition of names and everything namable requires silence and intellectual vision rather than talking and listening. — Nicholas of Cusa’s philosophy of language is remarkable in that it clearly diverges from a main tenet of the Aristotelian tradition. Both realist and conceptualist scholastics commonly followed Aristotle in holding that the thoughts which lend meaning to the conventional signs of a spoken or written language are the same for all men. Nicholas, on the other hand, extends the element of variability that is obviously characteristic of the written and spoken signs used by diverse language-communities to meanings as well. He makes allowance for a certain
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liberty which human reason has in classifying things according to observed similarities and differences. To the extent that the classificatory concepts vary from one community to another the meanings of the corresponding words will equally show a lack of universal sameness. Man’s discretion, however, is not absolute, but limited by the fact that his concepts and thus the meanings of the words he imposes upon things are derived from the eternal forms as they are imperfectly exemplified in perceptible objects. The dynamic aspect of Nicholas’ philosophy of language lies in his view that man’s attachment of meanings to sounds is an open-ended process of approximating ever more closely to the ideal standard that is thought by the divine mind.
3.
Anti-scholastic humanism
3.1. Before considering some philosophical aspects of the views about language put forward by particular humanists it may be useful to sketch the changes in outlook which were more or less common to all of them. Many of the humanists’ mordant reactions against scholasticism are explainable in the light of their belief that the gradually changed social circumstances required a drastic reform of the predominant system of education. Especially in Italy a strong need was felt to replace the inherited fashion of schooling adolescents by a novel programme which aimed at forming all-round personalities that would be capable of any kind of public service in worldly professions and careers. In order to become able to cope with all facets of life in the upper circles of the community, promising young men should receive a well-balanced and harmonious instruction in which the emotional and moral sides of their character and various kinds of practical skills had a place of no less importance than theoretical knowledge and the cultivation of reason and intellect. Besides this predilection for useful and efficacious knowledge, doubt had spread with regard to the attainability of absolutely guaranteed truth by means of apodictic proofs. It was urged that this austere standard be lowered to a more feasible endeavour at reaching workable solutions for specific problems by reasoning dialectically from commonly accepted starting-points to probable conclusions in arguments that were less cogent than the syllogism cherished by the scholastics, but more effective in producing agreement. — As
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this sceptical attitude led to a keen appreciation of the element of persuasiveness in the means by which debates are conducted, a different conception of the functions of language came to the fore. Influenced by the rhetorical writings of Cicero and Quintilian, the humanists stressed the need of a tight connection between wisdom or knowledge in the broadest sense, and eloquence. This continuously recurring theme of the unity of ›sapientia‹ and ›eloquentia‹ reflects the conviction that a common store of insights and courses of action can be arrived at only by persuasion and that the success of attempts at persuading each other is largely dependent upon an appropriate use of language, modelled upon the great examples of the past and adapted to customary practice and general intelligibility. Naturally, this altered view of the purposes language was expected to fulfil caused a shift in the hierarchy of the arts of the trivium. Logic as a discipline whose core was formed by the syllogism lost its privileged position. Instead, rhetoric was given the lion’s share of attention, in the renewed guise that was made possible by a fresh study of ancient sources. Accordingly, logic or dialectic was increasingly assimilated to the dominant subject of rhetoric. And grammar too changed its character: it was no longer considered mainly as a preparatory training for the purpose of becoming a skilled user of the technical idiom of philosophy and theology, but rather turned into a philological and stylistic exercise in handling the instruments that gave access to the culture and literature of antiquity and enabled the student to imitate those models after his own fashion. — Besides the rhetorical, literary and philological-historical bent that is typical of the humanist movement, the growing need of gentlemanly education also prompted its adherents to assure a wide dissemination of their pedagogical ideas by presenting the necessary subject-matter in the most elegant and simplified didactic form. It is this striving after simplification that is, no less than the shift in interest, responsible for the gradual disappearance of the major part of scholastic philosophy of language, which was of a highly specialized nature. That traditional body of doctrine was deemed to be not only irrelevant, but also far too technical. The neglect of this valuable material was compensated only partly by the enlarged interest in the peculiar structure of such diverse languages as Greek, Hebrew and the various vernaculars and by a more profound acquain-
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tance with ancient theories of language. 3.2. The new pattern of culture of which the above-mentioned features are characteristic was not only zealously practised, but also reflected upon and explicitly defended. Already in 1439, Lorenzo Valla (1407—1457) wrote the Disputationes dialecticae, a treatise of modernized logic that may be regarded as a manifesto of the rapidly growing humanist movement. The general view of language that permeates this book and which became extremely influential when, at the close of the century, it was diffused in print, is squarely opposed to the conception of language current in scholastic circles. Whereas the latter considered language as a highly specialized instrument in the service of philosophical doctrines that were largely gained on independent grounds, Valla tended to measure the correctness of philosophical theories by standards imposed upon the language in which they were expressed. According to him, philosophers, like anybody else, should employ language, in particular Latin, in a manner that is grammatically impeccable, true to the Latinity of the best classical authors, and scrupulously conforming to ordinary usage as it is found among common people. He likens the status of ›auctoritas‹ and ›consuetudo‹, in which the proper nature of each language manifests itself, to the sanctity of the laws and customs that regulate life in a political community. Whoever violates linguistic norms ought to be despised by the literate in the same inexorable way as those who show contempt for laws and customs should be turned out from the state. Valla’s attitude seems to be rooted in the conviction that truth in the broadest sense is embodied in the common core of concepts and beliefs developed and tested by members of a society in a long process of exchanging experiences and opinions; and that this store of commonsensical thought is preserved in the structure and products of their language. From this viewpoint it becomes at least intelligible that he so often and so confidently appeals to philological and literary criteria in deciding philosophical issues. — For example, his reduction of the six traditional transcendentals to one, namely thing (res), and of the ten Aristotelian categories to three, substance, quality and action, in I, 1—13 (Valla 1962 , 645 ff) is chiefly based on observations concerning peculiarities of Greek and Latin usage, strength-
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ened by a longing for simplicity. In this connection, Valla (1962 , 649) also tries to refute Aristotle’s contention that one is not a number by invoking the ordinary parlance of two unsophisticated women who have agreed that an even number of eggs laid on one day by their commonly owned twelve hens will go to one of them and an uneven number to the other: on a day when only one egg has been laid they will certainly say that it is due to the owner who is entitled to the uneven number. That proves that plain women sometimes have a better understanding of the meaning of words than the smartest philosophers. The former keep to the established usage of words, while the latter only trifle with them in play. — No doubt such an appeal to ordinary idiom and common sense can be very effective in restraining the all too fanciful flights of the speculative mind and exposing consequential perversions of language. In so far as scholastic philosophy showed excesses that needed a corrective, Valla abundantly obliged it. Some authors, however, notably Gerl (1974, 2 17 ff), Waswo (1979, 2 65 ff) and Otto (1983, 504 ff), have claimed merits for Valla’s philosophy of language that go much farther. In their eyes, he held a kind of Humboldtian view of language according to which it does not represent an independently existing reality but rather constitutes, in a second, specifically human creation, a world consisting of things that are determined by the particular meanings of the corresponding words and come into existence for man only in so far as language reveals their specific relevance to his needs. This thesis is derived especially from a remarkable passage in Disputationes dialecticae, I, 14 (Valla 1962 , 676 f). Unfortunately, that passage only appears to lend support to those authors’ theory by the fact that they seriously misread it. For that reason and because it is interesting in its own right, it may be worth-while to outline its correct interpretation. After distinguishing the sounds produced by the human voice, the meanings attached to those sounds by divinely inspired human fiat, and the spoken and written words in which sound and meaning are combined, Valla states that by words in the strict sense (vox, vocabulum) is understood everything that we utter (quidquid loquimur), even the names of his three categories, ‘substance’, ‘quality’, ‘action’, and also the transcendental term ‘thing’ (res). For just as ‘wood’ is the name of wood, ‘stone’ of stone, ‘iron’ of iron,
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and — to turn to immaterial things — just as ‘knowledge’ is the name of knowledge, ‘virtue’ of virtue, ‘genus’ of a genus, and ‘species’ of a species, so too ‘substance’ is the name of a substance, ‘quality’ of a quality, ‘action’ of an action, and, finally, ‘thing’ the name of a thing. Therefore, we can say that ‘thing’ as a sign signifies a thing as that which is signified by the sign. The thing as that which is signified is not necessarily a word, but the sign ‘thing’ which signifies it is a word. Consequently, as a signifying device ‘thing’ may be defined, namely, as a word or vocable that includes in its significate the significates of all other words. As one will observe, in this definition the generic notion of a word is wider than the notion of ‘thing’ as a sign, since ‘thing’ is a word among other words. By contrast, what ‘thing’ signifies is more comprehensive than what ‘word’ signifies; from that point of view a word is a thing, and one kind of thing only. The word ‘thing’, however, has the peculiar feature of signifying all things. We may compare it to the word ‘God’: that is less general than many other words — such as ‘spirit’, ‘substance’, ‘essence’, ‘something’, ‘thing’ — but because of the dignity of its signification it transcends everything else, since God is the creator of all other things. That peculiar feature of the word ‘thing’ is the reason why, whereas one can intelligibly ask for a definition by such questions as ‘What is wood?’ or ‘What does ‘wood’ signify?’, it is impossible to make sense of such a demand for a definition as ‘What is a thing?’ or ‘What does ‘thing’ signify?’. Given that ‘what’ is equivalent to ‘what kind of thing’, such a question is tantamount to ‘What kind of thing is a thing?’ or ‘What kind of thing does ‘thing’ signify?’. Nonetheless, there is a proper answer to the different question ‘What kind of word is ‘thing’?’, namely, the definition already given: that it is a word that signifies the significates of all other words. In that case the word ‘quae’ in the Latin sentence ‘Quae vox est res?’ is taken in the sense of ‘qualis’, which means that as a sign ‘thing’ can be considered as somehow subordinate to the more general notion of a word. To put it briefly, Valla is making the altogether plausible point that, while as a linguistic expression the word ‘thing’ is quite capable of being defined, from that very definition it is evident that what ‘thing’, as the sole transcendental term, signifies is undefinable. If this reading is correct, the passage does not in the least support the Humboldtian
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theory defended by the above-mentioned authors. 3.3. The impact of Valla’s Disputationes dialecticae was considerably strengthened by the treatise De inventione dialectica which was written by the Dutch humanist Rodolphus Agricola (1444—1485) about 1479 and printed for the first time in the second decade of the sixteenth century. Continuing the line that starts from the beginning of Aristotle’s Topics, where the author declares that he is seeking for a method which will enable disputants to argue about any propounded question from premisses that are readily believable, Agricola’s work has strongly contributed to the tendency to make questions and the methods for discovering answers to them in a systematic manner the very heart of dialectic. It is this dialectical and rhetorical turn given to logic by Valla and Agricola that became characteristic of many other textbooks in the sixteenth century and thus helped to determine the nature of the philosophy of language that pervades them. Perhaps the most important writer in this connection is the Spanish scholar Juan Luis Vives (1492 —1540), who spent most of his life in the north of Europe. He had received a thorough training in the logic of the ›nominales‹ at the College of Montaigu in Paris, but in his Adversus pseudodialecticos of 152 0 he took vengeance for this painful experience through a furious attack on what by then he had come to consider as sheer sophistry. While the general drift of this pamphlet is determined by the common aversion for the doctrine of the syllogism and the Parva logicalia associated with it, Vives intersperses his harsh censure of traditional logicians with occasional remarks that display his positive view of language. Being convinced that the three arts of the trivium are about language, he frequently insists that writers on logical subjects, no less than authors of grammars and treatises of rhetoric, should strictly keep to the idiomatic usage that is characteristic of the language in which they have chosen to write. Both with regard to the sentences selected as subjectmatter and in their own comments on those samples, they ought to respect the peculiar features that determine the specific nature of each language. Common practice precedes theory and is the only measure of its correctness; at the same time, the theory should be expressed in such a way that it is intelligible to the average language-user, who is most
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competent to judge its merits. While the Greek of Aristotle and the Latin of Cicero conform to these precepts, Peter of Spain (ca. 12 05—12 77) and his followers continually violate them. They concoct examples and conduct their investigations in a language that deviates from all known idioms and certainly is not Latin; Cicero would not have understood their outlandish lucubrations. They behave as if they had power to make words mean whatever they please. But if they decide to teach logic in Latin, they ought to use words with meanings that are established by the conventions of that language-community, rather than employ expressions that belong to other languages or to no language at all. In this connection Vives (1979 b, 66) offers the example of a double negative, which in Latin is equivalent to an affirmative, but in many other languages yields greater negative force than a single negative. Now, if those logicians had to teach their subject in one of these latter languages, would they be so foolish as to employ a double negative, not according to the rules of that particular language, but according to Latin usage? If not, then neither should they introduce all kinds of foreign elements into Latin, the language which they are actually wont to use. — Although Vives thus severely restricts the possibilities of developing technical modes of speech for the purpose of adequately expressing the results of highly specialized sciences, he occasionally permits a useful philosophical neologism, as in general he has a keen eye for the historical process through which words come and go. In De prima philosophia, I, he follows Valla in rejecting the usual lists of categories and transcendentals. As regards the latter, he agrees that the word ‘res’ is more familiar to Latin ears than the word ‘ens’. Nevertheless, he is prepared to admit that ‘ens’ is a more apposite term; and though not current at a given time, it may be generally accepted and so become familiar by being used (Vives 1782 —1790, III, 196 f). — At the beginning of the first book of De censura veri in enuntiatione, a treatise that covers books 17—18 of the large work De disciplinis of 1531, Vives (1782 —1790, III, 142 ff) offers a more systematic and irenic survey of his semantic theory. Conspicuous is the extent to which he simply adopts traditional scholastic concepts and distinctions. But there are a few points that deserve to be mentioned. In the first place, Vives is sharply aware of the triadic nature of the relation of signifying: a
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conventional sign signifies something, not absolutely or universally, but always with respect to certain people, or even animals, such as horses or dogs. In this connection, he mentions the peculiar language used by the blind in Spain, as well as codes employed for secrecy. Furthermore, in discussing the distinction between categorematic and syncategorematic signs, he declares that old and primitive languages have fewer syncategorematic words than those which are of more recent origin and more developed and refined, just as the most eloquent speakers excel in making a very accurate use of them, whereas children and dull-witted persons acquire command of the names of things more easily than of those secondary signs. As regards categorematic signs, he points out that they are used as public marks by means of which people disclose to each other what they mentally conceive of and that therefore the signification of those words is related to the mind, rather than to things in the outside world. Such words as ‘Hector’, ‘chimera’, ‘The Punic War’, mean something even though the corresponding things exist nowhere in nature; they have a sort of being at the moment of utterance only inasmuch as they are apprehended by the understanding. Moreover, after distinguishing tokens of the same word, synonyms, and such equivalent expressions as ‘Socrates’ and ‘the son of Sophroniscus’, he brings up the question whether words that have a similar meaning but belong to different languages should be called synonymous. According to Vives, the answer is negative, except when the foreign word has gained currency in the language in which the other word is at home, as is the case with ‘ϕλέγμα’ and ‘pituita’. In view of the triadic nature of the relation of signifying, two words can be said to be synonymous only if they signify the same thing for the same community. — The foregoing points, to which one might add the very acute remarks about the art of translation in Ch. 12 of the De ratione dicendi (Vives 1782 —1790, II, 2 32 ff), testify to a certain freshness and openmindedness with which Vives looked at language. Although for the most part his conceptual tools are fairly traditional, he applied them to a much richer material than the scholastics did and from points of view that often surprise by their originality. 3.4. Whereas Valla, Agricola, and Vives developed their ideas in a climate of thought
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that was still largely shaped by the uniform faith of the Roman Church, the humanist movement that they helped to initiate also came to be very closely linked to the Reformation as it was embodied in the Protestant Churches. The educational programme favoured by Lutherans was mainly due to the pedagogical activities of Philipp Melanchthon (1497—1560), whose textbooks of logic, which became a paradigm for several generations of teachers, show all the features that are typical of the treatises composed by Valla and Agricola. In Calvinist regions humanism exercised its influence chiefly through the writings of Petrus Ramus (1515—1572 ), who was deemed to have died as a martyr for the new creed in the Massacre of St Bartholomew. From the viewpoint of the philosophy of language, Ramus is of some interest in that he strove to establish logic as the autonomous study of thought and its purely conceptual constructions. In his view, this study should accordingly be sharply delimited from the neighbouring arts of grammar and rhetoric, which are about language, and its independence ought to find reflection in an appropriate terminology having a minimum of associations with the technical terms of the other fields of inquiry. As Ramus was firmly convinced that scholastic terminology, with its emphasis on the analogy between language and thought, tended to obscure the fundamental difference between the two, and as he loathed that kind of Latin anyhow, he attempted to introduce an entirely new vocabulary for logic, derived from the usage he found in ancient authors. Most of the energy of his numerous followers and adversaries was spent in disputes about the merits and demerits of these terminological proposals. In general, Renaissance philosophers, acquainted as they were with a much greater variety of possibilities than their medieval colleagues, devoted a lot of time to heated debates concerning purely verbal questions, often without any proportional gain on the substantive side. — The latter remark applies also to Marius Nizolius (1488—1567), who is perhaps best known as a lexicographer of Ciceronian Latin, but deserves a place in this survey because of his De veris principiis et vera ratione philosophandi contra pseudophilosophos of 1553, a work that was reprinted, with an introduction by Leibniz, in 1670 and again, under the title Anti-Barbarus sive philosophia scholasticorum impugnata, in 1674. At the outset of this book Nizolius (1956, I,
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2 1 ff) sums up the five principles on which in his opinion the right mode of philosophizing should be based. First of all, the philosopher ought to possess a complete mastery of Greek and Latin, because in these languages everything that is worth knowing has been written and handed down to posterity, in an ideal combination of wisdom and eloquence. The second principle requires a thorough familiarity with the precepts of grammar and rhetoric, which are not only true, but also useful and indispensable from a practical and social point of view, in contrast with the teachings of the dialecticians and metaphysicians, who are concerned solely with theoretical truth. Moreover, the latter wrongheadedly believe that they are entitled to a special jargon of their own, whereas actually there is only one right usage of Greek and Latin, to which even philosophers should adhere. According to the fourth principle, philosophers ought to recognize no other authorities but the five senses, intelligence, reflection, memory, use and experience. Lastly, Nizolius urges the philosopher to refrain from any ways of expressing himself that are paradoxical or obscure to men of non-specialized interests. — In elaborating these principles, Nizolius directs his caustic attacks especially against the dialecticians and metaphysicians, to whom he ascribes the delusion that absolutely guaranteed truths can be reached by syllogistic proofs consisting of propositions about abstract universals. He repudiates the claim that there exist abstract universals in their sense; consequently, there cannot be any apodictic proofs exploiting them, which means that metaphysics and dialectic, in so far as they pretend to use demonstrative methods of arriving at the truth, are wholly superfluous. The only real entities that exist in the world are particulars, either as singular individuals or as collections of such items. Instead of the process of abstraction by which scholastic philosophers thought they could attain universals, Nizolius introduces the mental operation of ›comprehensio‹, an intellectual act by which the mind collects a number of individuals into a homogeneous set, called ‘universum’. This act of collecting individuals into some group is based upon an act of comparing individuals. As the comparison may be performed from different points of view, Nizolius denies that the predicables are fixed once for all, so that for instance the notions of ‘differentia’ and ‘proprium’ would be mutually exclusive. According to the various
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ways in which individual things may be compared and grouped the names they acquire under the head of the predicables may vary as well (Nizolius 1956, I, 152 ff). — Much of what Nizolius says about the mental operation of ›comprehensio‹ and its products, the ›universa‹, is strongly reminiscent of the doctrine of such act-conceptualists as William of Ockham (s. art. 2 1). But there are differences too. For Ockham and his followers, universalizing acts of conceiving things in general are the same for all men. Nizolius, on the other hand, calls attention to the possibility that things are collected according to the particular needs and interests of a single community, thereby giving a certain relativistic flavour to his philosophy of language. Moreover, there is some evidence (cf. Breen 1955, 82 f) that he connected the act of ›comprehensio‹ with the rhetorical figure of ›synecdoche‹. When we speak, for example, of the triangle, we actually mean all triangles as individual things, collected into one ›universum‹, but choose the singular number in order to bring out that any one element of the set can do duty for all the others. Therefore, while in fact Cicero entitled one of his works De officiis, in a literal way of speaking, he might just as well have called it De officio, using the figure of synecdoche. What Nizolius seems to be driving at is the thesis that the act of universalizing is nothing but the mental operation that makes the figure of synecdoche intelligible. This idea is characteristic of his endeavour to rejuvenate philosophy by bringing it into the ambit of rhetoric. In the same vein, he maintains that arguments, which of necessity are about contingent individuals or sets of individuals, should be conducted, not according to the inappropriate standards of the syllogism, but rather in conformity to the rules of more flexible patterns of reasoning that induce the audience to concede the probability of a conclusion in the light of premisses which they already believe. Every attempt at convincing others has to start from statements that are known better than the conclusion, not by nature, but to the particular persons who happen to be addressed at a given moment (Nizolius 1956, II, 150).
4.
The language question
Although Renaissance humanism is, almost by definition, characterized by an absorbing interest in classical Greek and Latin, this does not mean that other languages were com-
7. Renaissance philosophy of language
pletely ignored. Apart from the fact that each humanist was a native speaker of his mother tongue, especially in Italy there was also a flourishing literature in the vernacular that could hardly fail to attract attention or even admiration. This situation, in which a zealous cultivation of the classical languages coexisted with a growing awareness of the possibility of developing a full-blown national language as a rival, led to a long series of disputes about the relative potentialities and merits of the competitors. A typical example of such a debate is the Dialogo delle lingue that was published by Sperone Speroni (1500—1588) in 1542 . After a lively exchange of arguments by a champion of extreme Latinism and defenders of some variety of Italian, this dialogue contains an alleged report of a conversation between the Greek immigrant Janus Lascaris (1445—1534) and Peretto, who is the Aristotelian scholar Pietro Pomponazzi (1462 —152 5). As the latter’s standpoint is fairly representative of a strand in Renaissance thought that is very different from the humanist mentality and was to become at least equally influential, it is worth-while to expound it in some detail. — The conversation (Speroni 1975, 108 ff) is said to have been occasioned by Pomponazzi’s remark that he is going to teach a course on Aristotle’s Meteorologica, and that in doing so he will make use of a Latin translation of the commentary on that work by Alexander of Aphrodisias (ca. 2 00 A. D.). When Lascaris expresses doubt about the profitableness of reading a Greek text in a Latin translation, Pomponazzi replies that he expects to learn as much from the Latin translation, or even from a translation in the vernacular, if that existed, as a Greek learns from the Greek text. According to him, Lascaris would be right if the user of the translation were a native speaker of Greek, but that not being the case it would surely be foolish to require from someone who wants to become a philosopher that he double his efforts by acquiring a knowledge of Greek as well. In Pomponazzi’s opinion, the fact that the quality of contemporary scientific activities is inferior to the level attained in antiquity is mainly due to the priority given to the study of Greek and Latin. At the most vital age such an amount of time and energy is spent in becoming fluent in these foreign languages that those who have been subjected to this kind of education either do not care any more for non-verbal knowledge or simply echo what they read in ancient treatises. It is
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true that as long as there exist no translations in the various national languages it will be necessary for scientists to consult the original texts of their Greek and Latin colleagues; but if progress is to be made, future generations will have to bring about a situation in which any subject can be treated in any language in any part of the world. — At this point, Lascaris compares translating Aristotle from the Greek into the dialect of Lombardy to transplanting an orange-tree or an olive-tree from a well-cultivated garden into a clump of thorny shrubs. Moreover, the subject-matter of philosophy has a weight that demands other shoulders than those of the vulgar tongue. Pomponazzi, however, insists that all languages are of equal value and that it is a mistake to consider them, like trees or grass, as products of nature, some of them weak and sickly, others strong and robust and more fitted to carry the burden of our ideas. Languages are tools invented by man in order to express his thoughts; and by the same exercise of the human will that has made languages so different every one of them can be developed and improved at pleasure. No language whatever has a natural privilege of being the unique vehicle of the concepts of the mind. It is an error to believe that the contingent fact that it has become customary to discuss philosophical questions in Greek and Latin is sufficient proof that it is impossible to do otherwise. Instead of regarding philosophy as something holy and divine, to be touched rather with the letters of a foreign language than with the living voice of one’s own, we ought to hope that at last somebody will have the courage to make the treasures of knowledge that are still inaccessible to so many available to them in their own tongue. — Pomponazzi’s passionate defence of a kind of principle of unlimited expressibility is further strengthened by the bold contention that the mastering of Greek and Latin, which in itself cannot be extremely difficult, is so vexatious because in concentrating on mere words we go against the natural inclination of the human intellect. Since our mind has an innate urge to acquire knowledge about the world of things, it experiences the study of language as a hindrance that prevents it from getting its proper food and reaching genuine happiness. Given this prevailing curiosity about the structure of the world of things, it would have been most fitting if mankind had been provided by nature with a single universal language. This not being so, the best solution
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I. Raum-zeitliche Übersichten
consists in thinking and writing in a way that is most conformable to nature, by using the language that we learn soon after birth, at a time when we are not yet able to understand other things. Humanists, however, seem to regard the very fact that the vulgar tongue is learnt so easily as proof that it is unfit for adequately expressing the higher products of the mind. Far from seeing that it is only the road of universal reason that, through any language whatever, leads to the attainment of truth, they arrogantly believe that they can show a knowledge of the world of things by cleverly quoting some Greek or Latin author. — It is evident that Pomponazzi is made to voice a view of language that came to be shared by many pioneers of the rising natural sciences. It is opposed to essential ingredients of the humanist ideal in three respects: it claims priority for knowledge of things over fluency in some privileged language; it considers languages in general as different manmade tools that in principle are all equally fit for the purpose of expressing the products of universal human reason; and it denies that there are any languages which by a special connection between eloquence and wisdom are inherently superior to all other idioms.
5.
Philosophy of grammar
In the Middle Ages attempts at providing theoretical foundations of a philosophical nature for grammar had been most prominent in several treatises on grammatica speculativa or modi significandi which appeared in the period between 12 75 and 132 5. After that time the movement of the so-called ‘modistae’ (s. art. 41) had lost its vigour and proved unable to resist attacks from many quarters. Among humanists, the paradigm of a very different approach to grammar was no doubt Lorenzo Valla’s Elegantiae Latini sermonis, completed about 1440 and printed in no less than 59 editions between 1471 and 1536. As the title of this influential book indicates, it is first and foremost an erudite display of samples of right usage, culled from authors who were deemed worthy of being imitated. Valla proceeds by apt illustration, rather than by inculcating abstract formal rules and offering theoretical considerations in support of them. In general, grammarians who follow Valla’s lead show a similar predilection for concreteness, practical utility and persuasiveness, in complete accordance with the methods preached in humanist dialectic and rhet-
oric. — In the course of the sixteenth century, however, there also appeared some grammars of Latin that are remarkable precisely because of the theoretical background against which the observed phenomena are treated. Of the two that gained widest fame — the De causis linguae Latinae published by Julius Caesar Scaliger (1484—1558) in 1540, and the Minerva seu de causis linguae Latinae published in a final version by Franciscus Sanctius Brocensis (152 3—1600) at Salamanca in 1587 — especially the latter is worthy of note. After Chomsky had tried to establish a link between his own theory of language and certain aspects of ›Cartesian linguistics‹ as it is found in the Grammar and Logic of Port-Royal (s. art. 44), others have attempted to go back even farther, and one of the effects of this search has been an enlarged interest in Sanctius’ work as a possible influence on the authors of the Grammaire générale et raisonnée of 1660. But even apart from this wider perspective, Sanctius is fully entitled to a place of his own in Renaissance philosophy of language. — In particular the first two chapters of the first book of the M inerva contain a general view of language which is an original development of tendencies that had been present in linguistics from Plato’s Cratylus and Sophist onwards. According to Sanctius, man, endowed as he is with reason, must have devised primeval language in conformity to nature and the universal laws of human thought. Originally, therefore, the relationship between words and things was such that to each thing as it was conceived of by the mind there corresponded exactly one word and that no word signified more than one thing. Homonyms and synonyms are to be seen as deviations from this ideal situation caused by the arbitrariness that came to determine later stages of evolution. Equally, the syntactic structures of the sentences of the first language mirrored the forms of thinking about the world that are peculiar to the human intellect as such, and the parts of speech which are the elements of those constructions were a faithful reflection of the overall organization of reality. Now, Sanctius claims that this initial concord between reason and language is still the key to understanding and describing language in the various shapes that it has taken subsequently. For it may be assumed that each language has preserved its original rationality to such a degree that its outer appearances are determined and explainable by an underlying system of regular-
7. Renaissance philosophy of language
ities that may be expressed in uniform laws and rigorous rules. Some of these rules apply to all languages without exception — for example, that every sentence contains a noun and a verb, that active verbs are always transitive and therefore require supplementation by at least two nouns, that everywhere nouns have exactly six cases — while other rules have only a limited scope. — In actually disclosing and demonstrating the underlying structures to which the grammarian is entitled to appeal, Sanctius puts his main trust in logical considerations that reveal the universal workings of the human mind. Of course, he tries to corroborate the results of this method as much as possible by empirical evidence in the form of actually occurring expressions of Latin, or, if need be, of other languages, but even in cases where such confirmation is not to be had he remains confident of the plausibility of the hypothesis concerned on logical grounds. At the same time, he is careful to state a kind of rules of transformation which lead from a postulated underlying structure to the actual surface form. For instance, in the pattern that underlies constructions with a relative pronoun the relative is flanked by two case-forms of a noun, one as antecedent and one in the relative clause, as in ‘Vidi hominem qui homo disputabat’. By ellipsis either one or both of the case-forms of the noun may be deleted. Besides this type of ellipsis, which is strictly circumscribed, there is also a looser kind of omission by which constructions that otherwise would be too complex and prolix are simplified for the purpose of brevity and elegance. Further, there is a rule of addition, whereby for example adjectives, which have no inherent gender, receive the gender of the substantive with which they already agree in case and number. Finally, transposition accounts for such phenomena as the placing of the preposition ‘cum’ after ‘me’ in ‘mecum’, whereas substitution explains the fact that a neuter relative occurs after a feminine antecedent in ‘Lunam et stellas quae tu fundasti’: the relative agrees with the unexpressed substitute ‘negotia’. — Sanctius’ assumption of a latent harmony between an ideal language of reason and each particular language as it has historically grown is rather similar to the basic tenet of the modistae, that the modes of being determine the modes of thinking and that the latter determine the modes of signifying. It also resembles the view of many logicians concerning ›crypsis‹, by which was meant the circumstance that the logical form
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of a sentence is often hidden by its external appearance and has to be brought to light by eliminating such distorting features as ellipsis, redundancy, transposition, and figures of speech. In sum, Sanctius’ philosophy of language proves again that during the Renaissance period universalism and rationalism did not lose their attraction, but rather underwent interesting modifications which were to give them a new lease of life in the next centuries.
6.
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116
I. Raum-zeitliche Übersichten
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Gabriel Nuchelmans, Leiden (Netherlands)
Sprachphilosophie in der Aufklärung Stellenwert sprachtheoretischer Positionen in der Aufklärung Philosophische Implikationen der These vom arbiträren Zeichencharakter Die Sprachursprungsfrage, ihr anthropologisches und erkenntnistheoretisches Umfeld Sprachrelativität des Denkens — ein Diskussionsgegenstand der Aufklärung Differenzierung und Radikalisierung der Sprachphilosophie der Aufklärung Literatur in Auswahl
Stellenwert sprachtheoretischer Positionen in der Aufklärung
Sprachtheoretische Auffassungen waren gerade in der Aufklärung nicht nur Ausdruck, sondern oft sogar konstitutiver Bestandteil philosophischer Positionen. Anthropologische Probleme, wie die Überwindung des Dualismus von Körper und Geist, das geschichtliche Menschenbild der Aufklärung, die Entwicklung und Perfektibilität mensch-
licher Erkenntnisprozesse wurden auch in Gestalt sprachtheoretischer Fragestellungen diskutiert. In ihren Stellungnahmen zu Problemen der Sprache haben Philosophen, wie z. B. François Marie Arouet de Voltaire (1694— 1778), Denis Diderot (1713—1784), Jean-Jacques Rousseau (1712 —1778), Etienne Bonnot de Condillac (1714—1780), Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 2 3), Christian Wolff (1679—1754), Johann Gottfried Herder (1744—1803) (s. Art. 2 6), Michail Vasil’evič Lomonosov (1711—1765), Cesare Beccaria (1738—1794), Melchiore Cesarotti (1730—1808), Adam Smith (17 2 3—1790) oder Gaspar Melchor de Jovellanos (1744— 1811), gerade ihre Positionen als Aufklärer ausgedrückt. Bei aller weltanschaulich-philosophischen Differenziertheit und nationalen Spezifik ihrer Aussagen zur Sprache im allgemeinen und zu den historischen Sprachen im besonderen verband sich die auf dem Höhepunkt der Aufklärung ausgearbeitete säkularisierte Sicht des Menschen und der Ge-
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
sellschaft mit einer entsprechenden Weiterentwicklung und Umwertung sprachtheoretischer Positionen des 17. Jahrhunderts (vgl. Ricken 1984, 8). Im Spannungsfeld der Auseinandersetzungen um das sinnliche Vorstellungsvermögen und die körperliche oder geistige Natur des Menschen hatte die Sprachproblematik bereits im 17. Jahrhundert große philosophische Aktualität gewonnen. Mit der Erklärung der Sprache und des Denkens als Ergebnisse einer langen wechselseitigen Entwicklung in der Geschichte der Menschheit wird Stellungnahmen zu Wesen und Ursprung der Sprache in der Aufklärung eine neue Tragweite verliehen. In naturwissenschaftlicher Richtung weitergeführt, verbindet sich die Auseinandersetzung über den Sprachursprung (s. Art. 65) mit den damaligen Ansätzen des Evolutionsdenkens, dessen sprachtheoretische Gesichtspunkte sich in der naturwissenschaftlichen Transformationslehre des 20. Jahrhunderts wiederfinden lassen. Auch die Betrachtung grammatischer Erscheinungen der Sprachen, wie z. B. der Wortstellung, der Metaphorik oder der Synonymenunterscheidung, gewann in der Aufklärung ausgeprägt philosophische Züge. In Frankreich, wo diese Tendenz besonders deutlich war, wurden Autoren, die sich in philosophisch-weltanschaulicher Sicht mit sprachlichen Problemen beschäftigten, ‘grammairiens-philosophes’ genannt, eine Wortneubildung, die den engen Zusammenhang philosophischer und linguistischer Probleme unterstreicht. Die Skala der verschiedenen Grammatiktypen erstreckt sich von elementaren didaktischen Werken bis zu überwiegend sprachphilosophischen, die eine Erklärung sprachlicher Erscheinungen und ihrer Zusammenhänge mit dem Denken beabsichtigen. — Neben das Interesse für sprachliche Normen und Korrektheit des Ausdrucks, das durch das Bedürfnis nach einer einheitlichen nationalen Literatursprache in einzelnen Ländern (z. B. Italien, Rußland) besonders stark sein konnte, trat auch im Bewußtsein der sprachlich interessierten Öffentlichkeit zunehmend die Frage nach der Funktion der Sprache für den Menschen und für die Gesellschaft, nach der Rolle der sprachlichen Zeichen für das menschliche Denken in den Vordergrund. In diesem Zusammenhang wurde in der Sprachdiskussion der Aufklärung auch die Wahrheit der Erkenntnisse und Ideen, die mit Hilfe der Wörter fixiert und kommuniziert werden, thematisiert. Die grundsätzliche Erörterung der Zuverlässigkeit durch Sprache
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vermittelter Erkenntnisse verband sich in der Aufklärung zunehmend mit dem Bewußtwerden der Sprachverwendung als Instrument der Täuschung und der geistigen, oft auch der politischen Unterwerfung. Daß solche Sprachkritik unmittelbar in Gesellschaftskritik münden konnte, zeigt besonders eindrucksvoll die Beschreibung der Sprache als Instrument der Ausbildung und Festigung der Herrschaft eines Teils der Gesellschaft über den anderen in Rousseaus Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité (1755). Auch in so zentralen Werken der Aufklärung wie Claude Adrien Helvétius’ (1715—1771) De l’esprit (1758) und De l’homme, de ses facultés intellectuelles et de son éducation (postum 1772 ) ist die Darstellung des Sprachmißbrauchs einer korrupten Gesellschaftsform eine Verbindung von Sprachkritik und Gesellschaftskritik. — Als eine für das Anliegen der Aufklärung besonders geeignete Publikationsform erwies sich das dictionnaire, das die bewußte und oft unverhohlene Stellungnahme nicht nur zu sprachlichen, sondern darüber hinaus zu philosophischen, ästhetischen, politischen und naturwissenschaftlichen Kontroversen der Epoche erlaubt (vgl. Ricken 1984, 80). Als Sachwörterbücher illustrieren Voltaires Dictionnaire philosophique (1764) und die gegenaufklärerische Erwiderung in Gestalt des Dictionnaire antiphilosophique (1767) das unmittelbare Eintreten für oder gegen die Aufklärung in dieser Publikationsform. Diderots und Jean le Rond d’Alemberts (1717—1783) Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des Sciences, des Arts et des M étiers (1751 ff) ist als größtes buchhändlerisches Unternehmen des 18. Jahrhunderts zugleich wissenschaftliches Sachwörterbuch und Wörterbuch der französischen Sprache und widerspiegelt außerdem in den sprach- und grammatiktheoretischen Artikeln wichtige Aspekte der Sprachphilosophie der Aufklärung. — Im Zusammenhang mit dem Aufschwung der Lexikographie und der Diskussion des Zusammenhangs von Sprache und Denken steht auch die Aktualität semantischer Fragestellungen, beginnend mit der zunehmenden Detaillierung der praktischen Bedeutungsbeschreibung in Wörterbüchern bis hin zur Erörterung der Zuverlässigkeit sprachlich fixierter Erkenntnis. Ein besonderer Stellenwert in der damit verbundenen Diskussion um die Wortbedeutungen, ihren Wahrheitswert und ihre Entstehung kommt der Auffassung vom arbiträren Zeichencharakter zu (vgl. Coseriu 1968, 81 ff), in deren
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I. Raum-zeitliche Übersichten
Modifikation und Umdeutung im 18. Jahrhundert zugleich eine spezifisch aufklärerische Sicht der Sprache deutlich wird.
2.
Philosophische Implikationen der These vom arbiträren Zeichencharakter
2.1. Arbitrarität sprachlicher Zeichen in der augustinisch-rationalistischen Tradition Die Einbeziehung der Sprache in die philosophischen Systeme solcher Denker wie René Descartes (1596—1650), Antoine Arnauld (1612 —1694), Nicolas Malebranche (1638— 1715) und Baruch Spinoza (1632 —1677) beruht vor allem auf der Annahme einer Analogie der Beziehung von Sprache und Denken zum Verhältnis von Körper und Geist. In ihren Grundzügen bereits bei Aurelius Augustinus (354—430) (s. Art. 16) entwickelt, wurde die Lehre vom unkörperlichen, reinen Denken, das jedoch für den Menschen nach der Erbsünde nicht mehr verfügbar sei und durch ein von Zeichen unterstütztes Denken ersetzt werde, auch zur Grundlage der rationalistischen Sprachtheorien (s. Art. 12 ). Sprache ist für Augustinus das notwendige Gewand des Denkens, wenn dieses sich in die körperliche Welt herabläßt, d. h. wenn es mitgeteilt werden soll. Das vom sprachlichen Zeichen Bezeichnete ist demnach ein rein geistiger Gegenstand, der mit dem Wort als körperlichem Gegenstand nur eine Repräsentationsbeziehung eingehen kann. Während Wörter eine unterschiedliche, arbiträre Lautgestalt haben, sind die Begriffe weder griechisch noch lateinisch, sondern universell und von sinnlichen Gegebenheiten unabhängig. — Wie für Augustinus ergibt sich auch für die an ihn anknüpfenden Philosophen des 17. Jh. die Notwendigkeit der Sprache erst durch die Kommunikation zwischen den Menschen, in der eine Weitergabe reiner Begriffe unmöglich ist. Schon die Tatsache, daß Tiere mit hochentwickelten Sprechwerkzeugen zwar in der Lage sind, menschliche Lautsprache nachzuahmen, aber niemals menschliches Denkvermögen erreichen können, verweist nach Descartes auf die besondere Stellung des Menschen und die Unabhängigkeit seines Denkens von materiellen Erscheinungen wie der Sprache. Wie später noch ausdrücklicher bei Géraud de Cordemoy (ca. 162 0—1684) wird hier die Verbindung zwischen Zeichen und Gedanken als eine Art Modell der Beziehung von Körper und Geist angenommen. Nur weil
Körper und Seele nicht identisch sind, könne es überhaupt zur Verschiedenheit der Sprachen kommen. Einen Beweis für die Sprachunabhängigkeit des Denkens sieht schließlich Cordemoy (1970, 61 f) auch darin, daß wir uns oft nicht erinnern können, in welcher Sprache wir einen Gedanken formuliert hörten. — Wenn in der augustinisch-rationalistischen Tradition das reine Denken zwar als sprachfrei angenommen wird, so wird eine Folge der Kommunikation mittels Sprache darin gesehen, daß die Menschen sich daran gewöhnt haben, auch in ihrem Denken Zeichen zu benutzen. Die unumgänglich gewordenen sprachlichen Zeichen genügen jedoch dem Denken nur in sehr unvollkommener Weise, denn intuitive Konzeptionen überfluten das Denken, während die Sprache eher verlangsamt und ablenkt. Aus diesem Spannungsverhältnis zwischen unkörperlichem Denken und körperlichem Kommunikationsmittel, insbesondere aus der Annahme, daß die Unvollkommenheit der Wörter mit ihren verschwommenen Bedeutungen das Denken behindert, ergeben sich bereits deutliche Anhaltspunkte für eine rationalistische Sprachkritik. — Die Untersuchung der drei Ebenen des sprachfreien. Denkens, des in der Kommunikation mitgeteilten Denkens und des schließlich aus Gewohnheit sprachgebundenen Denkens findet sich auch in der Grammatik (1660) und der Logik (1662 ) von PortRoyal wieder (vgl. Robinet 1978, 9 ff) (s. Art. 44). Arnauld, der philosophisch bestimmende Autor beider Werke, knüpft an die augustinisch-cartesianische Position an und sieht das einzige Mittel zur Erkenntnis der Wahrheit darin, dem Gedanken mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Wörter sind arbiträr, was bedeutet, daß es lächerlich wäre, so natürliche und einleuchtende Erscheinungen wie die Gedanken als abhängig von den nur nach Phantasie und Laune festgelegten Wörtern anzunehmen. — Die Bedeutung eines Wortes wird jedoch in der Logik von Port-Royal nicht als feste Größe angenommen, sondern in Abhängigkeit von der Anschauungsweise des jeweiligen Sprachverwenders gesehen. Einen Zusammenhang zwischen Sprache und spezifischem Denken und Erkennen der Sprecher sehen Arnauld und Pierre Nicole (162 5— 1695) nicht nur beim Vergleich der verschiedenen Nationalsprachen, sondern auch bei der Betrachtung verschiedener Entwicklungsetappen einer Sprache (vgl. Arnauld/Nicole 1965, 75 f). Diese Problematisierung des Zusammenhangs von Sprache und Denken er-
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
gibt sich daraus, daß die Entsprechung des Zeichens nicht unmittelbar im Gegenstand gesehen wird, sondern in den sich verändernden Vorstellungen der Menschen von diesem Gegenstand. Mit dieser Feststellung wies die Logik von Port-Royal bereits über den streng rationalistischen Rahmen hinaus und bereitete die Erkenntnis vor, daß sich gute Rhetorik, um das Bewußtsein der Menschen zu erreichen, auch unter Berücksichtigung konnotativer Merkmale an die Imagination und nicht nur an den Verstand wenden muß. — Hatte bereits die Logik von Port-Royal auf den erkenntnisfördernden Einfluß der Sprache hingewiesen, indem sie erklärte, daß von einem Wort gebildete Ableitungen uns durch ihre Form zu neuen Gedanken hinführen (Arnauld/Nicole 1965, 2 47), so wendet sich Spinoza noch grundsätzlicher gegen eine Überbetonung der hemmenden Wirkung der Sprache im Erkenntnisprozeß. Alles durch Sprache Überlieferte, auch die Bibeltexte, ist nach Spinozas Auffassung unter dem Gesichtspunkt zu überprüfen, inwieweit allgemeingültige Konzeptionen oder entsprechend der Sprache der Zeit und des Volkes ausgeprägte Begriffe ausgedrückt werden. Spinozas Anliegen ist ein von sprachlichen Vorbildern freier und kritischer Sprachgebrauch. Die Verwechslung von Wörtern, Ideen und Sachen wird von ihm als gefährliche Quelle von Irrtümern und Vorurteilen beschrieben (Spinoza 192 5, Opera II, 131). — Bei Arnauld, Descartes und Spinoza sowie bei anderen rationalistischen Denkern des 17. Jahrhunderts waren somit bereits Ansätze gegeben, den Einfluß der Sprache auf den Erkenntnisprozeß als Problemstellung zu erkennen und zu erörtern. In Verbindung mit der Anerkennung eines sprachfreien, reinen und in seinen Grundzügen eingeborenen Denkens (s. Art. 72 ) war jedoch erkenntnistheoretisches Interesse an der Sprache eine zweitrangige Erscheinung, der nur im Rahmen rationalistischer Sprachkritik größere Bedeutung zukam. Die Auffassung vom arbiträren Zeichencharakter nimmt dabei noch eine Schlüsselstellung in der Argumentation gegen eine erkenntnistheoretische Relevanz der Sprachverschiedenheit ein. 2.2. Umdeutung des Arbitraritätsbegriffs unter dem Einfluß sensualistischer Erkenntnistheorien Der Hypothese einer körperlichen Natur des Denkens, die bereits Hobbes als extreme Schlußfolgerung aus der Abhängigkeit des
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Denkens von den Sprachzeichen vorgebracht hatte, hatten Descartes und die Logik von Port-Royal entgegengehalten, daß das menschliche Denken mit dem Bedeuteten operieren würde, nicht mit den Wörtern selbst, die durch Konvention festgelegt würden und daher einzelsprachlich verschieden sein können, ohne die Universalität des Denkens aller Menschen in Frage zu stellen (vgl. Arnauld/Nicole 1965, 32 ). Dagegen verwendet Giambattista Vico (1668—1744) (s. Art. 2 4) die Behauptung eines formenden Einflusses der Sprachen auf das Denken als Prämisse seines Beweises für die Überlegenheit des Französischen als Sprache der Wissenschaften und kehrt damit die Argumentationsweise der bisherigen, auf rationalistischer Grundlage vorgenommenen Sprachapologie um (Vico 1947, 71). Nicht weil die französische Sprache geeignet sei, eingeborene und unwandelbare Denkstrukturen ohne Umwege auszudrücken, sondern weil sie selbst ein den Wissenschaften angemessenes Denken schaffe, gebührt ihr nach Vico der Vorrang als Wissenschaftssprache. 2.2.1. Wesentliche Veränderungen in der Auffassung vom arbiträren Zeichencharakter hatten sich vor allem infolge der nominalistischen (s. Art. 11) Grundhaltung des englischen Empirismus ergeben. Ausgehend von sensualistischen erkenntnistheoretischen Positionen dehnte John Locke (1632 —1704) (s. Art. 2 2 ) in seinem Essay concerning Human Understanding (1690) den arbiträren Zeichencharakter nicht nur auf die Beziehung zwischen Lautfolgen und Ideen, sondern auch auf die Zusammensetzung der bezeichneten Ideen selbst aus. Das sprachliche Zeichen repräsentiert nach Locke nicht unmittelbar die Erkenntnisgegenstände, sondern die Begriffe, die sich der Erkennende bildet. Sowohl Ideenbildung als auch Bezeichnung sind willkürlich, durch ›voluntary imposition‹ festgelegt. Die Sprache wird von Locke nicht mehr als System zum Ausdruck der universellen Ratio, sondern als Widerspiegelung des unter den speziellen historischen und sozialen Bedingungen einer Sprachgemeinschaft organisierten Denkens verstanden. Umgebung, Sitten und Gewohnheiten sind nach Locke maßgebend für die begriffliche Einteilung der Welt, für die Bildung komplexer Ideen und deren Bezeichnung. Ideenkombinationen, die im Leben der Menschen häufig auftreten, werden zu komplexen Ideen und erhalten Namen, während die Menschen es bei seltenen Kom-
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binationen von Ideen vorziehen, sie lose und ohne Namen zu lassen und die einzelnen Ideen aufzuzählen, wenn sie wirklich einmal zusammen benötigt werden. Die einmal sprachlich fixierten Ideenkomplexe wirken dann auf das Denken zurück. Z. B. würde das Vorhandensein der unterschiedlichen Bezeichnungen ‘ice’ und ‘water’ jedem Engländer nahelegen, auch zwischen zwei verschiedenen Dingen zu unterscheiden. Dagegen würde jemand, der in Jamaika aufgewachsen sei und daher weder die Erscheinung Eis noch den Namen dafür kenne, nicht zögern, Eis und Wasser als ein und dieselbe Sache anzusehen und sie mit demselben Wort zu benennen (Locke 1894, II, 69). — Diese nominalistische Erklärung der Rolle der Sprache im Erkenntnisprozeß forderte die Kritik Leibniz’ (s. Art. 2 3) heraus, der auf der Grundlage seiner Lehre von der prästabilierten Harmonie die Annahme ablehnt, daß die sprachlichen Zeichen die einfachen Ideen willkürlich zusammenfassen. Sogar den sprachlichen Zeichen selbst billigt Leibniz, ausgehend vom Prinzip des zureichenden Grundes und der prästabilierten Harmonie, eine gewisse Motiviertheit zu. Zwar werde nicht die Gestalt der Wörter durch eine natürliche Notwendigkeit bestimmt, ihre Bedeutungen werden jedoch nicht vom Zufall festgelegt (Leibniz 192 3 ff, Sämtl. Schr. R. 6 VI, 2 78). Im Hinblick auf Lockes Erkenntnistheorie hatte Leibniz die sensualistische Formulierung ‘nihil est in intellectu quod non prius fuerit in sensu’ mit dem Zusatz ‘nisi intellectus ipse’ versehen. Er spielt damit auf die Tatsache an, daß Locke mit der ›reflection‹ eine von den Sinneswahrnehmungen und von den Einflüssen der Sprache unabhängige Erkenntnisquelle angenommen hatte. Mit dem Dualismus von ›sensation‹ und ›reflection‹ unterscheidet Locke neben den unmittelbar durch die gegenständliche Welt hervorgerufenen Sinneseindrücken eine neue Stufe von Ideen, die auf apriorische Denkfähigkeit des Menschen zurückgehen. Diese Annahme einer neben der Sinnestätigkeit von Anfang an vorhandenen Reflexion korreliert bei Locke (1894, § 1) mit der Übernahme der biblischen Schöpfungsthese in der Erklärung des Sprachursprungs: Gott stellte den Menschen als ein über Reflexion verfügendes und damit der Sprache fähiges gesellschaftliches Wesen in die Welt. 2.2.2. Versuche einer Lösung der Widersprüche, die sich bei Locke aus dem dualistischen Relikt für eine kohärente Erklärung der Rolle
I. Raum-zeitliche Übersichten
der Sprache im Erkenntnisprozeß ergeben hatten, wurden bereits im 17. Jh. unternommen. Als Mangel in Lockes Essay empfindet es schon George Berkeley (1685—1753) (1871, Works I, 153), daß der Sprache nicht durchgängig und systematisch Aufmerksamkeit gewidmet werde. Locke habe der Sprache zu sehr vertraut und verkannt, daß sie das größte Hindernis auf dem Wege zur Erkenntnis sei. Die folgenschwerste Auswirkung des Einflusses der Sprache im Erkenntnisprozeß sieht Berkeley gerade darin, daß sprachliche Zeichen den Anschein erwecken, es gäbe abstrakte Ideen, zu deren gefährlichsten die Materie gehöre (vgl. Berkeley 1871, Works I, 143 ff). Nach Berkeleys Auffassung bezeichnen die Wörter nichts anderes als eine Vielzahl von einzelnen Ideen, die den Empfindungen des Subjekts entsprechen, und erwecken nur den Anschein, es handle sich um Abstraktionen. — Einen wichtigen Grund für die hemmende und irreführende Wirkung der Sprache im Erkenntnisprozeß sieht Berkeley neben dem Vortäuschen von Abstraktionen auch darin, daß sich die Sprache an den Begriffen und Vorurteilen der Menge orientiert. So müsse selbst der von der Richtigkeit des kopernikanischen Weltbildes Überzeugte davon sprechen, daß die Sonne aufgeht, untergeht oder sich dem Scheitelpunkt nähert (vgl. Berkeley 1871, Works I, 182 f). Zwar nehme man stillschweigend eine Korrektur an diesem Sprachgebrauch vor, das sei jedoch nur möglich, weil in diesem Fall das Auseinanderklaffen von Sprache und Vorstellung besonders sinnfällig sei. In anderen Fällen sei dem sprachlich verursachten Irrtum Tür und Tor geöffnet. 2.2.3. Ebenfalls ausgehend von Locke, jedoch mit ganz anderen Schlußfolgerungen als Berkeley entwickelte Condillac in seinem Essai sur l’origine des connaissances humaines (1746) eine zusammenhängende sensualistische Theorie für die Entwicklung aller Denkvorgänge, in der die Auffassung vom arbiträren Zeichencharakter eine zentrale Stellung einnimmt. Hatte Locke neben den ›sensations‹ in der ›reflection‹ noch eine von den Sinnen unabhängige Erkenntnisquelle anerkannt, so führte Condillac die gesamte menschliche Erkenntnistätigkeit auf die Sinneswahrnehmungen zurück und erklärte die höheren Denkoperationen als mit Hilfe sprachlicher Zeichen umgewandelte Empfindungen (sensations transformées). Nach Condillacs Theorie verfügten die Menschen ur-
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
sprünglich über eine aus Schreien und Gebärden bestehende Sprache (langage d’action), die zunächst für ihre primitiven Lebensverhältnisse genügte. Mit der weiteren Entwicklung der Kommunikationsbedürfnisse entstanden die arbiträren Zeichen der Lautsprache, durch die es dem Menschen möglich wird, frei über seine Imagination zu verfügen und Sinneseindrücke abwesender Gegenstände bewußt wachzurufen. Arbiträren Charakter besitzen nach Condillac solche Zeichen, deren Gebrauch von unmittelbaren äußeren Stimuli unabhängig ist und der Entscheidungsfreiheit des Sprechenden unterliegt (vgl. Auroux 1979 a, 2 9). Darin bestehen gerade die Voraussetzungen für die höheren Denkoperationen des Unterscheidens, Verallgemeinerns, Vergleichens, Urteilens und Schließens, durch deren psychogenetische Erklärung Condillac die Kluft zwischen Erfahrung und Verstand überwinden konnte. — Kennzeichnet Condillac im Essai die Sprachzeichen noch im Anschluß an Locke als ›institutionell‹ und ›arbiträr‹, so schlägt er in seiner Grammatik (1775) vor, sie zur Vermeidung von Mißverständnissen nicht ‘arbiträr’, sondern ‘künstlich’ (artificiels) zu nennen. Diese künstlichen oder institutionellen Zeichen sind in einem kontinuierlichen Prozeß aus natürlichen hervorgegangen, wobei stets von schon bekannten Zeichen ausgegangen wurde. Dieses von Condillac immer wieder unterstrichene Prinzip der Analogie bei der Bereicherung von Zeichensystemen ist dann auch die notwendige Bedingung für das Funktionieren der künstlichen Zeichen, nachdem sie einen autonomen Status gegenüber den natürlichen Zeichen erreicht haben (vgl. Ricken 1984, 12 9). Mit der Berufung auf die Analogie bei der Erklärung des Funktionierens und der Weiterentwicklung der menschlichen Lautsprache spricht Condillac den Sachverhalt an, der in der modernen Linguistik als Motiviertheit des sprachlichen Zeichens charakterisiert wird. In dieser funktionellen Perspektive läßt die Lautsprache keinesfalls eine von der Laune des Sprechenden abhängige Zeichenwahl zu. Die in einem langen Prozeß der Wechselwirkung von Sprache und Denken entstandenen Regeln für Kombinationen von Ideen und für deren Belegen mit Zeichen sind vielmehr für den Sprecher verbindlich und bestimmen den besonderen Charakter einer Sprache (le génie de la langue). Zum besonderen Charakter der Sprachen gehört ihre einzelsprachliche Spezifik als analytische Methode, die vor allem davon abhängt, welche
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Bedeutungen mit sprachlichen Zeichen belegt werden. Arbiträre Zeichen sind aufgrund ihrer Beziehungen untereinander Träger von Bedeutungen und funktionieren auf der Grundlage der im Sprachsystem vorliegenden Analogie (s. Art. 85). Die Verwendung arbiträrer Zeichen ist nicht mehr natürliche und spontane Reaktion auf Sinneswahrnehmungen, sondern Sprachtätigkeit auf einer bestimmten Stufe der miteinander verflochtenen Entwicklung von Sprache und Denken. — Condillac wendet sich dabei ausdrücklich gegen eine vorwiegend negative Einschätzung des Einflusses der Sprache auf das Denken. Die Sprachen sind zwar unvollkommene Methoden und lenken deshalb das Denken manchmal auf Irrwege. Aber gerade weil sie Methoden sind, deren Funktionieren auf innerer Analogie beruht, müssen sie in vielen Fällen zu richtigen Ergebnissen führen (Condillac 1947—1951, Œuvres philos. II, 400). Je größer die Bewußtheit der Menschen in der Verwendung der Sprache wird, um so besser sind sie in der Lage, sich von den negativen Einflüssen der Sprache auf das Denken zu befreien, die Sprache selbst zu korrigieren und sie als analytische Methode zu verbessern. Für die richtige Verwendung der Sprache im Interesse des Denkens und der Wissenschaft trägt nach Condillacs Auffassung die Gesellschaft volle Verantwortung. Mehrfach richtet er die Aufforderung an die Herrschenden, sich für eine sinnvolle Sprachverwendung einzusetzen, um die menschliche Erkenntnis zu fördern. Wenn die Erkenntnisentwicklung gehemmt wird, so ist daran nicht die Sprache schuld, die ihrem Wesen nach fähig ist, sich an neue Bedürfnisse anzupassen, sondern die Regierungen, die das Fortschreiten der Vernunft aufhalten: „La raison n’est jamais retardée dans ses progrès, que par les vices du gouvernement“ (Condillac 1947—1951, Œuvres philos. II, 38). — Die aufklärerische Forderung, sich der eigenen Vernunft zu bedienen und dabei scheinbare Schwierigkeiten, die sich aus den Unvollkommenheiten der Sprache ergeben, zu überwinden, richtet Condillac auch an die Philosophen. Ein grundsätzlicher Fehler der Metaphysik sei es, um Worte statt um Dinge zu streiten (z. B. Condillac 1947— 1951, Œuvres philos. II, 92 ). Den übermäßigen Drang der Philosophen, ihre Lehren zu Systemen auszubauen und die Rolle der Sprache beim starren Beibehalten dieser Systeme kritisierte Condillac in seinem Traité des systèmes (1749). Der sprachkritische Gedanke, den Condillac vor allem von Locke überneh-
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I. Raum-zeitliche Übersichten
men konnte, erhält im Rahmen seiner Sprachtheorie durch die Annahme der Möglichkeit einer bewußten Einwirkung auf die Sprache und ihrer Anpassung an die Erfordernisse des Denkens eine erkenntnisoptimistische Ergänzung.
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Die Sprachursprungsfrage, ihr anthropologisches und erkenntnistheoretisches Umfeld
3.1. Hauptrichtungen der Diskussion der Sprachursprungsfrage in der Aufklärung (s. Art. 65) Die Problematik des arbiträren Zeichencharakters in einer solchen Perspektive wie Condillac aufzuwerfen, bedeutet zugleich auch Aspekte der Entstehung und Entwicklung der menschlichen Lautsprache zu behandeln. Bereits in der Frühaufklärung wurde die Frage nach dem Sprachursprung im Rahmen der historischen Bibelkritik (insbesondere Richard Simon, 1638—1712 ) und der Naturrechtslehre (Samuel Pufendorf, 1632 —1694) aufgeworfen, wobei sich Bezüge zu der vom Cartesianismus ausgelösten Debatte über die Existenz psychischer und kommunikativer Fähigkeiten der Tiere ergaben. Im Bemühen um eine „Resakralisierung“ (Droixhe 1978, 162 ff) der schon Anfang des 18. Jh. vorhandenen Tendenz zu einer säkularisierten Interpretation des Sprachursprungsproblems hatte Jean Frain du Tremblay (1641—172 4) in seinem Traité des langues (1703) den später mehrfach aufgegriffenen Einwand erhoben, wie es denn möglich sein sollte, daß man Sprache erfindet, ohne sprechen zu können, da man doch keine Brillen herstelle, ohne sehen zu können. In der weiteren Diskussion um die Reihenfolge der Entstehung der Sprache, des Denkens und des sozialen Verhaltens als wichtiger Wesenszüge des Menschen sowie um den Typus der Gattung Mensch, der am Anfang der Geschichte steht, ging ein ähnliches Dilemma aus der Erkenntnis der gegenseitigen Bedingtheit von Sprache, Denken und Gesellschaft hervor. Ein Lösungsversuch bestand in der Annahme, daß Formen der menschlichen Gesellschaft und die mit voller Denkfähigkeit ausgestattete Gattung Mensch als Ergebnis übernatürlicher Schöpfung bestanden haben müssen, bevor die Sprache erfunden wurde. Selbst das u. a. bei Locke vorzufindende Postulat, daß Sprachfähigkeit und Gesellschaft auf einen gemeinsamen Schöpfungsakt zurückgehen, konnte durchaus den
Blick auf Aspekte der gegenseitigen Abhängigkeit und gemeinsamen Entwicklung von Sprache und Gesellschaft freigeben. Durch das Prisma biblischer Überlieferung gebrochen, wurde diese Problematik dann in Gestalt der babylonischen Sprachenverwirrung oder der grundsätzlichen Annahme, Sprache und Gesellschaft hätten sich von einem idealen Urzustand entfernt, thematisiert. Bei grober Abstraktion von vielfältigen Besonderheiten bei den einzelnen Autoren lassen sich die im 18. Jahrhundert vorgetragenen Hypothesen über den Ursprung der Sprache in drei hauptsächliche Gruppen einteilen (vgl. Ricken 1984, 164): (a) Übernatürliche Eingebung der Sprache an die ersten Menschen (z. B. Johann Peter Süßmilch, 1707—1767; Nicolas Beauzée, 1717—1789), (b) Sprache als Schöpfung der mit Denkfähigkeit ausgestatteten Menschen, womit sowohl für eine rationalistische Ausgangsposition als auch für einen Sensualismus Lockescher Prägung der Sprachursprung erklärbar und zudem durch das Ausgehen von einer Denkfähigkeit übernatürlicher Herkunft die Übereinstimmung mit einem religiösen Weltbild gesichert war, (c) gemeinsame Entstehung und Entwicklung von Sprache und Denken im Verlauf der Geschichte der Menschheit. — Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen um die Philosophie der Aufklärung gewann die Debatte über den Sprachursprung (s. Art. 65) zunehmende Aktualität. Der Zusammenhang von Zeichen und Denken und der Bezug zur Entstehung der Gesellschaft stellten die Sprachursprungsproblematik in den Rahmen der Diskussion um ein neues geschichtliches Bild des Menschen und der Gesellschaft. 3.2. Psychogenetische Erklärung des Sprachursprungs und geschichtliches Menschenbild Während bei Locke der Sprachursprung als Problem noch außerhalb des Gesichtskreises lag, war Condillacs Sprachursprungshypothese besonders deshalb folgenreich für die Sicht des Menschen und der Gesellschaft, weil er den Zeichen die bestimmende Rolle beim Übergang von der sinnlichen Erkenntnis zum abstrakten Denken zuwies. Nicht unbedeutend dürfte dabei der Einfluß Christian Wolffs gewesen sein, der die Sprache mit den Leibnizschen Erkenntnisstufen in Beziehung gesetzt hatte und dabei zu der Schlußfolgerung gekommen war, daß die Sprache der Stufe der figürlichen Erkenntnis entspricht, möglicherweise diese Stufe sogar erst begründet.
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
3.2.1. Condillacs Sprachursprungshypothese bezieht nun auch die Gesellschaft in die genetische Betrachtung ein und stellt sie damit in eine neue entwicklungsgeschichtliche Perspektive. War bereits mit der kommunikativ beabsichtigten Verwendung von Schreien und Gebärden im Stadium des ›langage d’action‹ ein erster Schritt vom Instinktiven zum Bewußten gegeben, so waren diese Zeichen der Gebärdensprache doch entsprechend dem Bau des menschlichen Körpers von der Natur vorgegeben, in ihren Grundzügen eingeboren. Gerade im Zusammenhang mit der Ablehnung der eingeborenen Ideen gewinnt die Annahme eines eingeborenen Kommunikationsmittels besondere Bedeutung. Die Frage nach der Herkunft der ersten geistigen Operationen, die über reine Wahrnehmungsprozesse hinausgingen, sich aber noch nicht auf bewußte Zeichenverwendung stützen konnten, wurde von Condillac durch den Verweis auf die Gebärdensprache und ihre Rolle im Erkenntnisprozeß beantwortet. Die mit der weiteren Entwicklung der Kommunikationsbedürfnisse entstandenen arbiträren Zeichen der Lautsprache vermischten sich zunächst mit der Gebärdensprache. Erst allmählich erlangte die Lautsprache in einem Prozeß der ständigen Wechselwirkung mit dem Denken allgemeine Geltung, behielt jedoch zunächst noch Merkmale des ›langage d’action‹ bei, was sich besonders in der Wortstellung, der Flexion und der Prosodie äußerte. Die Bedürfnisse der Menschen in ihrer Auseinandersetzung mit der Umwelt erfordern und ermöglichen dann die beständige Weiterentwicklung der intellektuellen und kommunikativen Fähigkeiten. — Die geschichtliche Entwicklungsdimension der Menschheit wird durch die menschliche Lautsprache und die auf ihrer Stufe erreichte kognitive und kommunikative Funktion überhaupt erst ermöglicht. Während bei den Tieren der Lernprozeß von Generation zu Generation immer wieder auf der gleichen Stufe einsetzt und auf diese Weise keine Entwicklung zuläßt, die über den Stand des Individuums der Gattung hinausgeht, können die Menschen in ihrer Sprache von Generation zu Generation gesellschaftliche Erfahrung akkumulieren und weitergeben. In dem Maße, wie sich die anthropologische Betrachtung der Sprache als Instrument der Entfaltung geistiger Fähigkeiten des Individuums der Gattung Mensch zur Einordnung der Sprache als Voraussetzung für die geschichtliche Entwicklung der Gesellschaft erweitert, wird die Geschichte der
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menschlichen Gesellschaft ebenso wie die Sprache und das Denken als Werk des Menschen selbst verstanden. Gesellschaft, voll ausgebildete menschliche Denkfähigkeit und Sprache sind somit für Condillac Ergebnisse der Geschichte, und die Gemeinschaft der Menschen ist ihr Schöpfer in einem kontinuierlichen Prozeß geschichtlicher Erfahrung (Ricken 1984, 171 f). 3.2.2. Die sensualistische Sprachursprungshypothese erhielt in Rousseaus Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes (1755) eine betont sozialkritische Stoßrichtung. Rousseau übernimmt Condillacs Hypothesen zur Rolle der Sprache in der Entwicklung des Denkens und beim Übergang der Menschheit vom Natur- zum Kulturzustand, hebt dabei jedoch statt eines relativ harmonischen Verlaufs der Menschheitsentwicklung gerade die sozialen Widersprüche hervor, die Gesellschaft und Individuum deformieren. Mit Hilfe der Sprache konnte von denjenigen, die sich den Boden aneigneten, allmählich die Idee des Eigentums ausgebildet und zu einer bestimmenden Norm des gesellschaftlichen Lebens gemacht werden. Mit der Feststellung der sprachlichen und damit historischen Relativität der Begriffe und Termini der Moral, des Besitzes und der Macht wendet sich Rousseau gegen ihre naturrechtliche Legitimierung (Rousseau 1970, 197 ff; 2 09; 2 15). — Der Beginn des Sprechens wird von Rousseau aus dem Naturzustand in eine geschichtliche Zeit verlagert und gemeinsam mit der Entstehung sozialer Ungerechtigkeit als Ergebnis eines Lernprozesses der Menschen dargestellt, der sich aus bestimmten Veränderungen in der physischen Welt ergibt. Katastrophen, Überschwemmungen und Gewaltakte der Natur, die zur Vereinigung der Menschen in der Gesellschaft drängten, hinterließen ihre Spuren in der entstehenden Sprache. Der Gedanke eines Bruches wird dabei durch die Verbindung von Sprache, Gesellschaft und Ungleichheit besonders akzentuiert. Der erste, der mit den Worten ‘ceci est à moi’ etwas als Eigentum beanspruchte und der Menschen fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war nach dieser These der wahre Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Hätte sich damals jemand gefunden, der diese sprachliche Eigentumsbekundung als Lüge entlarvt hätte, so wären den Menschen Verbrechen, Kriege, Morde und anderes Elend erspart geblieben. Das zentrale Spannungs-
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feld in Rousseaus Sprachdenken liegt zwischen dieser gesellschaftskritischen Konzeption und dem eher ‘affektiven’ Herangehen, das im Sprechen einen spezifischen und dem Wesen des Gesangs vergleichbaren Ausdruck von Gefühl sah. Beide Tendenzen fließen in Rousseaus Essai sur l’origine des langues (postum 1781) zusammen, wo das ›affektive‹ Herangehen bereits durch den Untertitel privilegiert wird (‘où il est parlé de la mélodie, et de l’imitation musicale’) und die Darstellung durch die Annahme einer Polygenese an Komplexität gewinnt. Außerdem wird der Sprache in ihrer Funktion (Kapitel 1), Geschichte und sogar in ihrem Verfall (Kapitel 2 , 9 und 2 9) die Bestimmung offengehalten, der moralischen, affektiven und materiellen Vereinigung des Menschengeschlechts zu dienen. Die Sprachentstehung wird dabei nicht etwa einem bestimmten Menschentyp oder einer bestimmten Epoche vorbehalten. Die historisch aufeinanderfolgenden Produktionsstufen der Jagd, Weidewirtschaft und Bodenbearbeitung werden vielmehr als Etappen der Vergesellschaftung des Menschen und seiner Kommunikationsfähigkeit gesehen. Im Zeitalter der Weidewirtschaft entwickelt sich die primitive Sprache auf zwei Wegen, von denen der eine mit den Notwendigkeiten des Überlebens zusammenhängt. Ein Teil der Jäger wurde seßhaft und zähmte Vieh, woraus sich bereits eine größere Übung der Sprechorgane ergab. Das Hirtenleben weckte außerdem Leidenschaften, die nicht auf das unmittelbare Überleben gerichtet waren. Während die lebenserhaltenden Bedürfnisse und die Suche nach Nahrungsmitteln die Menschen dazu brachten, sich gegenseitig zu fliehen, wurden sie durch diese ›passions‹ einander nähergebracht. Nicht der Hunger und der Durst, für deren Ausdruck außerdem Gesten genügt hätten, brachten somit die ersten lautsprachlichen Äußerungen hervor, sondern Gefühle wie Liebe, Haß, Mitleid und Wut (vgl. Rousseau 1970, Kapitel 2 ). Solche ›passions oiseuses‹, insbesondere die Liebe, werden jedoch durch nichts anderes als durch auf Lebenserhaltung gerichtete Bedürfnisse ermöglicht. Rousseau fragt danach, wie die Selbstgenügsamkeit und das Gleichgewicht des Hirtenzeitalters zerüttet werden konnten und führt als Grund wie im Discours zunächst den störenden Einfluß der Umwelt an. Dabei handelt es sich im Unterschied zum Discours jedoch nicht um Katastrophen, sondern Unterschiede der Jahreszeiten und des Klimas genügen, um Gruppenbildung und Zusam-
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menarbeit zu bewirken. Wenn die Winter hart und Jagdzüge unmöglich wurden, waren die Menschen zur Vereinigung gezwungen und wurden dadurch zugleich in die Lage versetzt, einander zu helfen und eine Art Konvention untereinander einzugehen. In den warmen Klimazonen führte die Notwendigkeit der Wassersuche die Menschen zusammen und brachte dadurch die ›passions‹ hervor, aus denen sich Sprache ergab. Es erscheint daher übertrieben, einem Süden mit gesungener Sprache und Kommunikation aus Liebe einen Norden gegenüberzustellen, der Prinzip des Unglücks und der Verderbtheit sei. Rousseaus sprachphilosophisches Denken läßt sich nicht auf dichotomische Gliederungen und Wortspiele reduzieren, wie etwa seine Aussage über die Völker des Nordens: „le premier mot ne fut pas chez eux, aimez moi, mais aidez moi“ (Rousseau 1970, 131). — Auch die Opposition Natur/Zivilisation erfaßt offensichtlich nur die als solche unvollständigen Gegenpole einer dialektischen Bewegung, die nicht auf eine nostalgische Sicht, sondern auf Befreiung abzielt. Wie der Mensch selbst wird die Sprache entwürdigt und mißbraucht, wenn sie vor allem dazu dient, das egoistische Ich zu behaupten, ungerechten Eigentumsverhältnissen Dauerhaftigkeit zu verleihen oder gesellschaftliche Mißstände zu verdecken. Dennoch ist die Sprache so eng mit der Vervollkommnung des Menschen und dem Prozeß seines notwendigen Hinauswachsens über die passive und animalische Natur verbunden, daß man die Andeutungen einer positiven Kraft der Sprache in Rousseaus Essai nicht übersehen kann. 3.3. Zur Sprachursprungsfrage in der Enzyklopädie der französischen Aufklärung Für die weltanschauliche Heterogenität der Encyclopédie (1751 ff), aber auch für die Komplexität des Sprachursprungsproblems selbst spricht allein schon die Tatsache, daß mit nur wenigen Seiten Abstand zwei völlig entgegengesetzte Auffassungen zu dieser Frage vertreten werden konnten. Im Artikel langage begründet der Chevalier de Jaucourt (1704—1779) unter Berufung auf Condillac den menschlichen Sprachursprung, während Beauzée im Artikel langue die übernatürliche Schöpfung der Sprache als einzige Erklärungsmöglichkeit ansieht. Bei Diderot selbst, aber auch bei den für die Mitarbeit an der Enzyklopädie gewonnenen Grammatikern César Chesneau du Marsais (1676—1756)
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
und Beauzée, sind Bemerkungen zum Sprachursprung der Absicht untergeordnet, die allgemeinen, abstrakten, aber verifizierbaren Bedingungen der Entstehung eines Ausdrucksmittels zu untersuchen. War bereits Rousseau davon ausgegangen, daß die Entwicklung der Gesellschaft eines Tages Sprache hervorbringen mußte, und hatte er die tatsächliche Existenz der Sprache in die Geschichte projiziert, so verlagern die Enzyklopädisten den Sprachursprung in eine zeitlich unbegrenzte Gegenwart, da die für Sprachentstehung notwendigen Bedingungen ständig gegeben sind. Die Frage nach der Kausalität des Sprechens und der Sprache schließt dabei die genetische Fragestellung nicht aus, verlagert sie jedoch auf die Ebene theoretischer Notwendigkeiten. — Diderot selbst entwickelte seine Gedanken zum Sprachursprung in der Lettre sur les sourds et muets (1751) vor allem im Zusammenhang mit der Problematik der Wortstellung (vgl. Ricken 1978, 118 ff). Sollten sich aus der Reihenfolge der Entstehung von Benennungen nicht auch Hinweise für das viel diskutierte Thema finden lassen, welche Wortfolge in der gegenwärtigen Verwendung der Sprachen die ›natürliche‹ ist? Diderot folgt dabei der Auffassung, daß zunächst die wahrnehmbaren Objekte benannt wurden, die als erste die Sinne getroffen haben. Mit bereits vorliegenden sensualistischen Positionen stimmt Diderot auch in der Erklärung der Entstehung abstrakter Begriffe durch den Vergleich und das Herausarbeiten des Gemeinsamen sprachlich verarbeiteter Bedeutungen überein (vgl. Condillacs Analogiebegriff unter 2 .2 .3.). Im Unterschied zu Condillac steht jedoch bei Diderot die Simultaneität des Denkakts im Vordergrund. Das Problem der Entstehung und Verwendung sprachlicher Zeichen stellt sich daher im Grunde immer wieder von neuem, sobald die Ganzheit eines Gedankens durch die lineare Abfolge von Wörtern ausgedrückt werden soll. — Einen ähnlichen, auf die gegenwärtigen Funktionen und die Kausalität der Sprache gerichteten Anspruch erhebt Du Marsais’ Fragment sur les causes de la parole, das 1793, also siebenunddreißig Jahre nach dem Tode seines Verfassers, erschien. Du Marsais gehörte als vermutlicher Autor eines Essais über die Vorurteile zu den hervorragendsten Denkern seiner Zeit. Im Anschluß an Locke kommt Du Marsais zu der Feststellung, daß die Analyse der Sinneswahrnehmungen als Grundlage der gesamten Denk- und Sprachtätigkeit erst durch das Kommunikationsbedürfnis veranlaßt
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wird. Wenn bereits im Titel von Du Marsais’ Aufsatz nach den Gründen des Sprechens gefragt wird, so ist also andererseits das Sprechen selbst eigentliche Ursache des Denkens. Sprache wird notwendig, um unser Denken zu gliedern, zu analysieren, es in seinen Einzelheiten auszudrücken und wahrnehmbar zu machen. Die Notwendigkeit der Analyse des Denkens zum Zweck der Kommunikation läßt uns dann oft erst erkennen, was ohne die sprachliche Verarbeitung unbemerkt geblieben wäre. Nach erfolgter Analyse muß der Satz in der Sprachverwendung das wiederherstellen, was im Denken als Einheit existierte. Eine solche Sichtweise, die auch Diderot teilte, läßt die Frage nach einer notwendigen, festgelegten Wortfolge unangebracht erscheinen. Alle Sprachen haben eine ihnen angemessene Wortfolge und lassen durch die Beziehungen zwischen den Wörtern im Satz Sinn entstehen. — Neben der Syntax behandelte Du Marsais als bevorzugtes Thema die Metaphern (Des Tropes, 1730), die er als eine Art zweite Geburt der Sprache betrachtet (s. Art. 91). Nachdem in der Phase des Ursprungs der Sprache den sinnlich wahrnehmbaren Objekten Namen beigelegt wurden, entstehen durch Nachahmung und Analogie Metaphern, die Abstraktes durch Konkretes, Geistiges durch naheliegendes Materielles abbilden. Wie im Bereich der Syntax ersetzte Du Marsais auch in der Semantik die Genesis durch eine Nachschöpfung, die im alltäglichen Sprechen faßbar wird. Bemerkenswert am Vorgehen Beauzées, der die Nachfolge Du Marsais’ als wichtigster Grammatiker der Enzyklopädie antrat und 1767 eine Grammaire générale veröffentlichte, ist das Bemühen, den offensichtlichen Widerspruch zwischen der Schöpfungslehre und der für die menschliche Erfahrung faßbaren Sprachentwicklung zu überbrücken. Die göttliche Sprachgebung betrachtet Beauzée lediglich als Schöpfung und Anregung einer menschlichen Fähigkeit, die dann entsprechend den Bedürfnissen der sich entwickelnden Gesellschaft wirksam wurde. Mit der Bezugnahme auf die kommunikativen Bedürfnisse und der Feststellung, daß die Menschen selbst die notwendigen Wörter und Wendungen erfinden, versucht Beauzée, den sprachlichen Erfahrungstatsachen Rechnung zu tragen. In seiner Begründung des göttlichen Sprachursprungs nimmt er Rousseaus Eingeständnis, daß die Entstehung der Sprache auf natürlichem Wege schwer erklärbar ist, als Beweis gegen den menschlichen Sprach-
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ursprung. Den einzelnen Argumenten Rousseaus brauche man nichts hinzuzufügen, nur habe er in der Annahme göttlicher Einwirkung noch einen Schritt weiter gehen sollen. — Die Vorstellung von einem primitiven Zustand der Menschen, in dem sich die Sprache allmählich entwickelte, betrachtet Beauzée als besonders gefährliche und Glaubenswahrheiten widersprechende Hypothese. Jede Sprache setze bereits eine Gesellschaft voraus, die jedoch ohne Sprache ihrerseits nicht entstehen könne. Als Ausweg aus diesem Dilemma sieht Beauzée nur die Anerkennung einer gleichzeitigen Erschaffung von Sprache und Gesellschaft durch Gott. Mit der Auffassung vom göttlichen Sprachursprung verbindet sich hier der Hinweis auf den Offenbarungscharakter der entstandenen gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Sprachursprung bringt in diesem Sinne eine politische Konsequenz mit sich, die auf die Erhaltung der bestehenden Ordnung gerichtet ist und zu einer der wichtigsten sprachphilosophischen Thesen der Gegenaufklärung wurde. 3.4. Resakralisierung und säkularisierte Sicht der Sprachursprungsfrage in der Debatte an der Berliner Akademie Die Lehre vom göttlichen Sprachursprung behielt nicht nur Anhänger aus Gründen der Orthodoxie, sondern sie gewann als fertige Antwort auf ein schwieriges Problem wieder an Attraktivität. Der enge entwicklungsgeschichtliche und funktionelle Zusammenhang von Sprache, Denken und Gesellschaft ließ die Frage nach der Priorität eines der drei sich gegenseitig voraussetzenden Relationspartner zu einem Dilemma werden, das Autoren wie Beauzée oder Noël-Antoine Pluche (1688—1761) unter dem Hinweis auf göttliche Einwirkung lösen wollten. Die Möglichkeit, in derartige Begründungen eines übernatürlichen Sprachursprungs Argumente Rousseaus einzubeziehen, ergab sich eher aus Gemeinsamkeiten in der Komplexität der Sichtweise als aus einem selbständigen weltanschaulichen Wert dieser Argumente. 3.4.1. Besonders deutliche Gegensätze in der philosophischen Erklärung wechselseitiger Beziehungen von Sprache, Denken und Gesellschaft zeigt die Sprachursprungsdebatte an der Berliner Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste (vgl. Aarsleff 1982 a, 146 ff; Droixhe 1978, 178 ff; Ricken 1984, 177 ff; Hartung 1977, 83 ff). Eine wichtige Vermittlerrolle kommt dabei deren Präsiden-
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ten, dem französischen Philosophen, Mathematiker und Biologen Pierre Louis Moreau de Maupertuis (1698—1759) zu, der 1748 selbst eine Arbeit unter dem Titel Réflexions philosophiques sur l’origine des langues et la signification des mots in die Diskussion eingebracht hatte (vgl. 4.2 .). Von ihm war die Anregung ausgegangen, in der schließlich für 1759 ausgeschriebenen Preisfrage der Akademie den Zusammenhang der Sprache mit den Meinungen des Volkes zur Diskussion zu stellen (vgl. 4.3.). Ausschlaggebend dafür, daß auch die Sprachursprungsfrage dann für 1770 als Preisfrage thematisiert wurde, war neben dem breiten Interesse für dieses Problem Süßmilchs Versuch eines Beweises, daß die erste Sprache ihren Ursprung nicht vom M enschen, sondern allein vom Schöpfer erhalten habe (gelesen 1756, veröffentlicht 1766, vgl. 3 ff). Süßmilch wollte diese Arbeit ausdrücklich als Reaktion gegen Maupertuis verstanden wissen, wandte sich darin jedoch auch gegen Condillac und Rousseau. Ganz im Sinne einer Resakralisierung der Sprachursprungsfrage wird dabei die These vom untrennbaren Zusammenhang von Sprache und Denken zum zentralen Argument gegen die Möglichkeit der Sprachhervorbringung durch den Menschen umgedeutet: Sprache ist nach Süßmilch notwendige Voraussetzung für die Tätigkeit des Verstandes, sie ist jedoch andererseits selbst ein so kompliziertes und vollkommenes Produkt, daß ihre Erfinder unbedingt bereits über Verstand verfügt haben müssen, was wiederum ohne Sprache unmöglich sei. Als Ausweg aus diesem Dilemma sieht Süßmilch nur die Anerkennung der Sprachgebung durch Gott. — Andererseits trug zur Verbreitung der Sprachphilosophie Rousseaus in Deutschland insbesondere die 1756 erschienene und von Moses Mendelssohn (172 9—1786) besorgte Übersetzung des Discours sur l’origine de l’inégalité bei. Mendelssohn teilt darin vollkommen die natürliche Erklärung der Sprache als Schöpfung des Menschen, ohne sich allerdings Rousseaus politischer Radikalisierung anzuschließen. Als Voraussetzung für die Schaffung der Sprache sieht Mendelssohn nicht eine ausgebildete Vernunft, sondern sinnesgebundene Einbildungskraft und die Fähigkeit zur Vervollkommnung. Gegen diese sensualistische Erklärung des Sprachursprungs wandte sich z. B. Jean Henri Samuel Formey (1711—1797), der später als ständiger Sekretär der Akademie sogar den Ankündigungstext der einschlägigen Preisfrage zu verlesen hatte. Unter dem Eindruck des Wi-
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
derspruchs zwischen Maupertuis und Süßmilch war 1759 Formeys Schrift Réunion des principaux moyens pour découvrir l’origine du langage, des idées et des connaissances de l’homme entstanden, die ihr Autor wegen der besonders gegen Rousseau gerichteten Polemik 1763 in seinen Anti-Emile aufnahm. Bemerkenswert ist, daß Formey von Anfang an auf die Argumentationsweise aus säkularisierter Sicht eingeht und die Frage nach dem Sprachursprung mit der Frage nach der Natur des Menschen verbindet. Unmittelbar auf die explizite Formulierung dieser wichtigen Grundposition der Sprachdiskussion der Aufklärung läßt Formey jedoch den Vorwurf folgen, Philosophen wie Condillac oder Charles Bonnet (172 0—1793) hätten nichts zur Unterscheidung von Körper und Seele und damit auch nichts zur Erfassung des ursprünglichen Charakters der menschlichen Seele beigetragen, ja sogar möglicherweise durch ihre Lehren dem Materialismus den Weg geebnet (vgl. Formey 1763, 2 13). Die Ablehnung auch nur in der Tendenz materialistisch interpretierbarer Thesen liegt der gesamten Schrift Formeys zugrunde und führt schließlich auch zur Verneinung der Frage, ob die Menschen sich selbst überlassen Sprache erfinden konnten (Formey 1763, 2 2 9). Wenn er dennoch ein ›Experiment‹ vorschlägt, bei dem Kinder isoliert von jeglichen sprachlichen Einflüssen aufwachsen sollten, äußert er von vornherein die Überzeugung, daß diese Versuchspersonen keine Sprache entwickeln und bis zu ihrem Lebensende im Zustand der ›animalité‹ verbleiben würden. Der Gedanke eines Naturzustandes der Menschen wird schließlich von Formey zugunsten der Vorstellung verworfen, der Mensch habe vom Schöpfer zusammen mit seiner Existenz auch die ersten Ideen und die Fähigkeit zu ihrer Mitteilung erhalten. Für die Ausbildung und weitere Entwicklung dieser Fähigkeit setzt er jedoch gesellschaftliche Unterweisung und Kommunikation als notwendig voraus. — Eine heftige Diskussion, in der vor allem die sensualistische Sprachursprungsthese auf weltanschaulich betonte Ablehnung gestoßen war, hatte somit die schließlich 1769 gestellte Preisfrage vorbereitet: ‘Haben die Menschen, ihrer Naturfähigkeit überlassen, sich Sprache erfinden können? und auf welchem Wege wären sie am füglichsten dazu gelangt’. Wenn Herder 1771 schließlich als Preisträger aus 31 Einsendungen ausgewählt wurde, ist zunächst bemerkenswert, daß fast alle Einsendungen, die vom Preisrichter mit lobenden Worten bedacht
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wurden, Momente der psychologischen Sprachbetrachtung und des Verhältnisses von Sprache und Denken betonten. Eine Reihe von Einsendungen, nicht zuletzt die preisgekrönte Schrift Herders selbst, verdeutlichen, daß die Frage nach dem Ursprung der Sprache immer zugleich eine Frage nach ihrem Wesen und ihrem Verhältnis zum Denken ist (vgl. Bahner 1978, 93 ff). 3.4.2. Auf dem Hintergrund der vorangegangenen Diskussion um die Sprachursprungsfrage wirkt der erste Satz von Herders Preisschrift provokatorisch: „Schon als Thier hat der Mensch Sprache“ (Herder 1978, Werke II, 91). Herder (s. Art. 2 6) beabsichtigt damit jedoch nicht jene Rückführung der Sprache auf unartikulierte Schreie, die er in Auseinandersetzung mit Condillac und Rousseau ablehnt, sondern vielmehr die Kennzeichnung des Menschen als sprachliches Wesen von Anfang an. Schon vor seiner Preisschrift hatte Herder Süßmilch vorgeworfen, daß ihm der Geist der Geschichte fehle und damit das Verständnis dafür, daß die Sprache nur als ein historisches Entwicklungsprodukt im Verlauf der Menschheitsgeschichte erklärbar sei (vgl. Ricken 1984, 179). Als die Eigenschaft des Menschen, die ihn aus dem Tierreich hervorhebt und auch zur Entwicklung von Sprache befähigt, hebt Herder in der Preisschrift die Besonnenheit hervor. Diese Besonnenheit ist zwar noch nicht mit der voll ausgebildeten Reflexion gleichzusetzen, ermöglicht jedoch sowohl Sprache als auch Reflexion, indem sie den Strom der Empfindungen anhält und in Merkmale zergliedert. Nach ihrer Herausbildung wirkt dann auch die Sprache fördernd auf die Besonnenheit zurück, sie ist somit letztlich sowohl ihr Produkt als auch ihr Organ. Das eigentliche Wesen des Menschen bildet sich, ausgehend von der Besonnenheit als einer apriorischen Grundlage, erst im Verlauf der nachfolgenden Evolution von Sprache und Denken heraus. — Nach den äußerst kritischen Einwänden seines Lehrers Johann Georg Hamann (1730—1788) (s. Art. 2 5) etwas verhaltener geworden, wandte sich Herder im Vorwort zu der 1784 erschienenen deutschen Übersetzung von Lord Monboddos (James Burnett, 1714—1799) Origin and Progress of Language nochmals der Sprachursprungsfrage zu, ohne allerdings im Sinne seiner Preisschrift auf Monboddos Widersprüchlichkeit in der Behandlung dieses Problems einzugehen. Für Monboddo hat die Sprache, die erst nach der Ausbildung der
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Ideen entstand, ihren Ursprung in unartikulierten Schreien, und sie kann nur von in einer Gesellschaft lebenden Menschen hervorgebracht werden, sobald sie für die Bedürfnisse der kollektiven Arbeit notwendig ist. In einer zweiten Phase treten bei Monboddo dann anti-empiristische Momente in den Vordergrund, die seine Sprachursprungslehre als historische Seite und Ergänzung der neoplatonischen universellen Grammatik James Harris’ (1709—1780) kennzeichneten (vgl. 4.5.1.). Dagegen war Herders an den Sensualismus der Aufklärung angelehnte Sprachauffassung Bestandteil seines geschichtlichen Menschenbildes und trug zu seinem Vertrauen in die Perfektibilität des Menschen bei. Obwohl Herders Position zur Sprachursprungsfrage in ihren philosophischen und gesellschaftstheoretischen Konsequenzen gemäßigt war, wurde ihm aus der Sicht der Gegner der Aufklärung vorgeworfen, mit der Leugnung des göttlichen Sprachursprungs die menschliche Gesellschaft als ein Werk der Menschen selbst erklärt und damit ihre Umwälzung vorbereitet zu haben. 3.5. Differenziertheit der Aspekte der Sprachursprungsfrage Die Sprachursprungsfrage findet sich in der Aufklärung in sehr speziellen Aspekten des Funktionierens und des Erwerbs von Zeichensystemen thematisiert. Phylogenese und Ontogenese werden dabei bis zu einem solchen Grade identifiziert, daß die Beschreibung des Spracherwerbs durch ein menschliches Individuum zum Modell der Sprachentstehung überhaupt werden kann. In dieser Perspektive waren außerhalb der Gesellschaft aufgewachsene Kinder, Taubstumme, primitive Stämme oder auch Völker mit stark abweichenden Sprach- bzw. Schriftsystemen vielversprechende Forschungsgegenstände, die allerdings oft nur im Gedankenexperiment als ›empirisches‹ Material herangezogen wurden. Mit dem Bewußtwerden der Schwierigkeiten des Sprachursprungsthemas im 18. Jahrhundert geht außerdem seine Aufspaltung in mehrere Richtungen einher, in denen die philosophische Problematik auf unterschiedliche Weise mit anthropologischen, politisch-gesellschaftstheoretischen, philologischen und poetischen Gesichtspunkten verbunden wird. Jede dieser Richtungen faßt die zeitliche Ausdehnung des Begriffs der Genese sehr unterschiedlich auf: vom mythologischen Ursprung jenseits aller möglichen Erkenntnis über die
I. Raum-zeitliche Übersichten
rekonstruierte Ursprache oder die unmittelbare Herkunft bestimmter Sprachen bis hin zur aktuellen Sprachverwendung als Folge allgemeingültiger Gesetzmäßigkeiten der Sprachentstehung werden die verschiedensten Gegenstände im Zusammenhang mit der Sprachursprungsfrage thematisiert. 3.5.1. Elemente einer ›Resakralisierung‹ des Ursprungs der Sprache aufnehmend, kam es auch zur Hervorkehrung mythisch-poetischer Anhaltspunkte für die Suche nach transzendentaler Erkenntnis. Für den im Zentrum der französischen Illuminaten stehenden ›philosophe inconnu‹ Louis-Claude de Saint-Martin (1743—1803) liegt der Sprachursprung nicht in einem nach der Entstehung des Menschen und seines Geistes vollzogenen Ereignis, sondern Sprachursprung und Ursprung des Denkens fallen zusammen. Unterscheidet er sich in dieser dialektischen Sicht der Entstehung der Sprache im Zusammenhang mit den menschlichen Fähigkeiten kaum von hervorragenden Vertretern der Aufklärung, so hebt sich der übergreifende Rahmen seiner Sprachtheorie deutlich von deren Anliegen ab (vgl. Friedrich 1935, 2 93 ff). Die Sprache (langage) der geoffenbarten Geisteseinheit mit Gott sei verlorengegangen, sie schimmere aber — gemäß dem Symbolcharakter aller Erscheinungen — in den ›langues‹, den gefallenen Sprachen, noch durch. Dieser universale Symbolismus zeigt sich auch in der Annahme einer ursächlichen Verbindung zwischen Wörtern (Namen) und Sachen, wobei den Wörtern die Eigenschaft zugeschrieben wird, etwas vom Wesen der Sachen zu enthüllen. Das Bestreben der Illuminaten, unter Umgehung des diskursiven Denkens der Wahrheit innerlich ansichtig zu werden, erhielt bei Saint-Martin eine ausdrücklich sprachtheoretische Prägung. In einigen Grundgedanken besteht dabei Übereinstimmung mit Autoren wie Beauzée und Formey, die bereits im Verlauf der Sprachdiskussion des 18. Jahrhunderts um eine Neubegründung des göttlichen Sprachursprungs bemüht waren. Ähnlich wie diese verwendet SaintMartin die von Rousseau aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Sprachentstehung als Argument gegen den natürlichen Ursprung der Sprache. Die von Saint-Martin selbst erwähnte Gemeinsamkeit mit Rousseau erstreckt sich auch auf die Ablehnung der Auffassung, daß die Sprache nur als Instrument zur Befriedigung der unmittelbaren Lebensbedürfnisse entstanden sei sowie auf die An-
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
nahme eines Bruchs zwischen der Ebene des Ursprungs und der geschichtlichen Zeit. Wenn Saint-Martin diese Gedanken Rousseaus aufnimmt und radikalisiert, so unterscheiden sich beide jedoch in wesentlichen Zügen ihres Denkens. Was Rousseau als Argumente in einer Beweisführung darstellte, verwandelt Saint-Martin in Schlußfolgerungen, und Rousseaus Suche nach den Ursachen der Entfremdung im Verlauf der Geschichte wird bei Saint-Martin durch eine Poetik des Verfalls ersetzt. Trotz ihrer gegensätzlichen Orientierung, der Notwendigkeit der persönlichen und sozialen Wiederherstellung des Menschen bei Rousseau und der Sehnsucht nach einer in der Vielzahl von Sprachen verlorengegangenen Einheit bei Saint-Martin, teilen beide die Auffassung von der Sprache als wesentlichem Instrument des menschlichen Wesens. 3.5.2. Ein anderer Weg, das Sprachursprungsproblem in seinen Auswirkungen in die Gegenwart zu verlagern, regte die Dichtkunst an, die immer deutlicher als Bestandteil des Wesens der Sprache verstanden wurde. So bereitete z. B. Du Marsais die Wiederbelebung der bildhaften Sprache vor, und Diderot suchte am Gegenstand des Inversionsproblems eine neue Art und Weise, die ursprüngliche Ganzheitlichkeit der Sinneswahrnehmungen im sprachlichen Ausdruck herzustellen. Der notwendigen und für die menschliche Erkenntnis vorteilhaften Wirkungsweise der Sprachen als analytische Methoden wird somit bereits in der Aufklärung die beschwerliche Linearität der Rede als Nachteil gegenübergestellt, den der Dichter durch Andeutungen, Konnotationen der Wörter und Inversionen in der Wortfolge überwinden muß. — Unabhängig davon, ob sie von der schöpferischen Kraft des Wortes in seiner aktuellen Verwendung ausgingen oder sich vorwiegend für die ›Harmonie‹ der Sprachen und ihre Verwandtschaft interessierten, führten die Überlegungen zur Ursprungsproblematik oft zu politischen Implikationen. In Fortsetzung der Theorien Beauzées und Saint-Martins verbanden Antoine Fabre d’Olivet (1768— 182 5), Louis Bonald (1754—1840), Pierre-Simon Ballanche (1776—1847) und Joseph de Maistre (1753—182 1) mit der sprachlichen Offenbarung die göttliche Auferlegung einer festen sozialen Ordnung. Durch die Betonung des wichtigen Anteils der sprachlichen Zeichen an der Vervollkommnung des Individuums und der Entwicklung der Gesellschaft verlagern dagegen z. B. Condillac und Rous-
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seau den Schwerpunkt vom Problem der Genese auf das Problem der ständigen Spracherzeugung und der Ursachen dieses Prozesses. Wie Daniel Droixhe (1976, 119 ff) am Beispiel Proudhons nachgewiesen hat, konnte ein in dieser Perspektive entwickeltes sprachphilosophisches Interesse zu gesellschaftstheoretischen Konsequenzen und sogar zu entsprechenden Handlungen führen. 3.5.3. Die anthropologischen Konsequenzen der Sprachursprungsdiskussion der Aufklärung fanden auch bei den Naturwissenschaftlern Aufnahme und Fortsetzung. Im Kontext der Debatte um naturwissenschaftliche und philosophische Fragen der Entstehung der Arten ergaben sich Ansätze einer naturgeschichtlichen Entwicklungslehre auch bei der Behandlung der Tiersprache und des Sprachursprungs (vgl. Ricken 1984, 182 ff). Wie überhaupt bei der Anwendung solcher zentralen Begriffe des Geschichtsdenkens der Aufklärung wie Fortschritt und Perfektibilität wurde versucht, den Menschen auch in seiner Sprach- und Kommunikationsfähigkeit in den Gesamtzusammenhang der Natur zu stellen. — Schon 1739 hatte Guillaume-Hyacinthe Bougeant (1690—1743) mit seiner Schrift Amusement philosophique sur le langage des bêtes die Kirche zum Eingreifen veranlaßt, weil seine Darstellung der Empfindungs- und Kommunikationsformen von Tieren den Rang des Menschen als Krone der Schöpfung in Frage stellte. Dabei hatte Bougeant versucht, die philosophische Tragweite der Anerkennung einer Seele der Tiere als unabwendbare Folgerung der Anerkennung ihrer ›Sprache‹ einzuschränken, indem er ihnen nur Seelen von Dämonen zuwies. Doch sogar die bei Voltaire von Locke übernommene Beteuerung, daß die hypothetische Annahme einer materiellen Seele nicht glaubenswidrig sei, da sie die Allmacht des Schöpfers, der auch die Materie mit Denkfähigkeit ausstatten könne, unterstreiche, hatte den Verdacht des Materialismus und Atheismus nicht abwenden können. — Die sensualistische Hypothese über Ursprung und Entwicklung der Sprache gab sprachtheoretischen Fragestellungen eine neue weltanschaulich-philosophische Dimension, die auch für das Evolutionsdenken wichtig wurde. Die These, daß die Tiere nach Maßgabe ihrer Bedürfnisse untereinander kommunizieren und dafür Körperbewegungen und nichtartikulierte Laute einer auch dem Menschen eigenen Gebärdensprache verwenden, wird in die Argumentation
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für eine naturgeschichtliche Entwicklungslehre einbezogen. So betrachtet Condillac, insbesondere in seinem Traité des animaux (1755), die Elemente der Aktionssprache als für Tier und Mensch gleichermaßen in Gestalt ihres Organismus gegeben. Den Lernprozeß, der für die Anwendung der Aktionssprache bei Tier und Mensch nötig ist, führt der Mensch schließlich bis zur Ausbildung der artikulierten Lautsprache weiter (Condillac 1947—1951, Œuvres philos. I, 360 ff). Trotz aller qualitativen Unterschiedlichkeit haben die tierisch-menschliche Aktionssprache und die artikulierte Lautsprache des Menschen ein gemeinsames Funktionsprinzip in der Gedankenverknüpfung (liaison des idées) und eine gemeinsame Triebkraft in Gestalt der Kommunikationsbedürfnisse. — Diese bei Condillac vorwiegend philosophisch-spekulativ formulierte Erklärung der tierischen und menschlichen Kommunikation wird bei Charles Bonnet durch Tierbeobachtungen und physiologisch-anatomische Gesichtspunkte erweitert. Neben den Kommunikationsbedürfnissen werden von ihm vor allem Unterschiede in der organischen Struktur als Ursache unterschiedlicher Kommunikationsfähigkeit bei Mensch und Tier aufgezeigt. Auch der bedeutende Naturforscher Albrecht von Haller (1708—1777) widersprach der von Georges Louis Leclerc Buffon (1707—1788) im Anschluß an den cartesischen Dualismus gezogenen Trennungslinie zwischen Mensch und Tier und sah eine wichtige Gemeinsamkeit beider in der Sprache der Leidenschaften, die sogar eine Kommunikation zwischen Mensch und Tier erlaube. Das schlechtere Gedächtnis und damit die geringere Perfektibilität der Tiere erklärt Haller aus der Tatsache, daß sie weniger Zeichen besitzen. — An die Stelle einer statischen Stufenfolge und Verkettung der Lebewesen (Chaîne des êtres) trat bei Maupertuis und mit noch deutlicheren sprachtheoretischen Bezügen bei Diderot ein evolutionistisches Transformationskonzept, das die Funktion von Sprache und Zeichen einbezog (vgl. Ricken 1984, 189). Diderot ging dabei in seinen Pensées sur l’interprétation de la nature (1753—1754) bis zu der Annahme, daß eine Vereinigung von Elementen der Materie einen Organismus bildet, der in einem langen Entwicklungsprozeß immer neue Stufen erreichen kann. — Die Übernahme sprachphilosophischer Überlegungen der Aufklärung in das naturwissenschaftliche Evolutionsdenken läßt sich bis hin zu Charles Darwin (1809—188 2 ) nachweisen. Schon
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Jean Lamarck (1744—182 9) hatte im Anschluß an die sensualistische Erklärung der Sprachentwicklung die Rolle der Bedürfnisse bei der Höherentwicklung der Artikulationsorgane und des Gehirns betont und letztere außerdem in einem Prozeß der Wechselwirkung mit der Sprache gesehen. In Darwins 1871 veröffentlichter Abstammung des M enschen (The Descent of M an) findet sich dann die Feststellung: “I cannot doubt that language owes its origin to the imitation and modification, aided by signs and gestures, of various natural sounds, the voices of other animals, and man’s own instinctive cries” (Darwin 1871 I, 56).
Darwin beruft sich dabei auf Veröffentlichungen von zeitgenössischen Linguisten, die er zum Teil selbst durch sein erstes Hauptwerk Über den Ursprung der Arten (On the Origin of Species) (1859) angeregt hatte. So hatte August Schleicher (182 1—1868) unter dem Einfluß Darwins in seiner Schrift Über die Bedeutung der Sprache für die Naturgeschichte des M enschen (1865) die Entstehung und Entwicklung der Sprache in Formulierungen dargelegt, die an die sensualistischen Argumente der Sprachursprungsdiskussion in der Aufklärung erinnern. Ebenso betonte Ernst Haeckel (1834—1919) unter Berufung auf die glänzenden Resultate der vergleichenden Sprachforschung seiner Zeit den Zusammenhang von Sprachursprung und Anthropogenese. Auch in dieser Fortsetzung einer Reihe von Grundpositionen der Sprachursprungsdebatte der Aufklärung im 19. Jahrhundert und in ihrer Integration in ein naturwissenschaftlich orientiertes Weltbild zeigt sich die philosophische Tragweite der auf dem Höhepunkt der Aufklärung entwickelten Sprachphilosophie. Sie wurde zum Bestandteil und Instrument einer säkularisierten Sicht des Menschen, das über seine Zeit hinauswies und zu anthropologischen Forschungen anregte.
4.
Sprachrelativität des Denkens — ein Diskussionsgegenstand der Aufklärung
4.1. Universalismus und Relativität — zur Charakteristik einer Problemstellung Die Vorstellung von einem ›Paradigma‹ der Sprachphilosophie der Aufklärung, das die Vielfalt der Sprachen universell gültigen Denkstrukturen nach- und unterordnet und für die Sprachbetrachtung feste Kategorien einer an streng rationalistischer Logik orien-
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tierten allgemeinen Grammatik vorschreibt, ist in der Forschung der letzten Jahre mehrfach relativiert worden (vgl. z. B. Aarsleff 1982 a, 101 ff; Auroux 1979 a, 69 ff; Bergheaud 1984, 31 ff; Christmann 1967, 441 ff; Delesalle/Chevalier 1986, 331 ff; Haßler 1984, 2 7 ff; Ricken 1984, 210 ff). Die These, daß die Sprachen in ihrer vielfältigen Gestalt nur in Abhängigkeit von einer universellen Struktur des Denkens existieren, ließe sich als eine der in der Sprachphilosophie der Aufklärung vorliegenden paradigmatischen Positionen charakterisieren, die sich vor allem mit der Begründung der Einheit und Unveränderlichkeit der Menschheit in Zeit und Raum verbindet. Mit der Erkenntnis der historischen Entstehung und Entwicklung des Menschen und all seiner Lebens- und Kommunikationsformen erlangt jedoch eine andere paradigmatische Position an Gewicht, die der Sprache einen formenden Einfluß auf das Denken zugesteht. Die Sprachenvielfalt ist aus dieser Perspektive nicht mehr Hülle und Verkleidung des universellen Denkens, sondern Folge der unterschiedlich verlaufenen gemeinsamen Entwicklung von Sprache und Denken. In Anlehnung an später besonders explizite und wirksame Formulierungen dieser paradigmatischen Position (s. Art. 74) ist der Gedanke, „daß die Sprache, d. h. in erster Linie natürlich die Muttersprache, in irgendeiner Art und in irgendeinem Ausmaß (also keineswegs notwendigerweise vollständig) die ›Weltansicht‹, das Denken, das Leben ihrer Sprecher beeinflußt“ (Christmann 1981, 87)
auch im Hinblick auf die Sprachphilosophie der Aufklärung als ‘These vom Weltbild der Sprache’ oder als ‘Linguistic Relativity’ (Penn 1972 , 45 ff) bzw. ‘Linguistic Relativism’ (Politzer 1963, 5 ff) bezeichnet worden. — Mit der Sprachrelativität des Denkens als Diskussionsgegenstand der Aufklärung ist die das Denken konstituierende und in seiner Spezifik gestaltende Funktion der Sprache gemeint. Diese Auffassung konnte sich vor allem auf der Grundlage einer neuen Einordnung der Problematik des arbiträren Zeichencharakters ergeben, die im Rahmen der sensualistischen Sprachtheorien erfolgte und mit einer Überwindung der dualistischen Interpretation des Verhältnisses von Sprache und Denken verbunden war. Unter 2 .2 .1. wurde bereits darauf hingewiesen, daß Locke die Tatsache der Sprachverschiedenheit und die damit verbundene unterschiedliche Bildung komplexer Ideen bei verschiedenen Völkern als Argument gegen die rationalistische An-
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nahme eingeborener Ideen verwendete. — Die Verschiedenheit der Sprachen konnte auch als sprachpraktisches Phänomen nicht übersehen und mußte in der wissenschaftlichen Sprachbetrachtung zunehmend beachtet werden. Dabei verschob sich das Interesse von einer Begründung der Tatsache der Sprachverschiedenheit zugunsten der Notwendigkeit, den besonderen Charakter der Sprachen in der Bestimmung des Verhältnisses von Sprache und Denken zu berücksichtigen. Obwohl der Blick auf jene, die über andere Zeichensysteme verfügen, oft nicht ein Blick auf die Alterität, sondern in die eigene Vergangenheit war (vgl. Schlieben-Lange 1984, 2 4), wurde das Bewußtsein für die Verschiedenheit der Sprachen auch in erkenntnistheoretischen Zusammenhängen geschärft. Aus der Sprachdiskussion der Aufklärung erwuchs die Annahme einer Sprachrelativität des Denkens, die zur Überwindung der rationalistischen Erkenntnistheorie beitrug und den Aufruf zur verantwortungsbewußten Verwendung der Sprache unterstützte (Haßler 1984, 2 7 ff; 43 ff; 113). Dabei ergab sich bereits als ein wichtiger Aspekt der intensiven Diskussion um den Zusammenhang von Sprache und Denken die Korrelation bzw. Wechselwirkung zwischen dem besonderen Charakter der Sprachen und der Denkweise ihrer Sprecher. — Die bei Locke vorhandene Tendenz zur Annahme einer Sprachrelativität des Denkens, die zunächst durch den Dualismus von Sensation und Reflexion eingeschränkt blieb, wurde durch die späteren Vertreter des Sensualismus in verschiedenen Richtungen weiterentwikkelt. Condillacs Erklärung der höheren Denkprozesse als mit Hilfe sprachlicher Zeichen umgewandelte Sinneswahrnehmungen gibt auch der Besonderheit der einzelnen Sprachen als Erkenntnismethoden eine neue Tragweite. Voraussetzung für das Funktionieren der Sprache als Kommunikationsmittel und Mittel der Erkenntnis ist die Berücksichtigung der durch ihren besonderen Charakter vorgegebenen inneren Zusammenhänge und Regelmäßigkeiten. Die funktionelle Bestimmung der sprachlichen Zeichen als historisch motiviert eröffnet daher die Möglichkeit, daß bestimmte relativ selbständige und isolierbare Kategorien für einen konkreten Zustand der Sprache als vorgegeben angenommen und in ihrer Rückwirkung auf das Denken betrachtet werden können. Die Annahme eines Denkens in der jeweiligen Einzelsprache (Condillac 1947—1951, Œuvres philos. II, 90) verbindet sich dabei jedoch mit der Anerkennung
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einer über die Bedürfnisse vermittelten Bezogenheit des Erkenntnisprozesses auf die Außenwelt. Sprachen sind korrigierbar, sobald es der von den Bedürfnissen angeregte Erkenntnisprozeß erfordert, denn die von Condillac angenommene Wechselbeziehung zwischen Sprache und Denken schließt ein, daß zur Weiterentwicklung des Denkens eine Änderung der sprachlichen Konvention notwendig werden kann. Er gesteht den Menschen trotz aller Verbindlichkeit der sprachlichen Zeichen durchaus zu, die Sprache zu verbessern: „[...] pour rendre le langage exact, on doit le réformer sans avoir égard à l’usage“ (Condillac 1947—51 I, 106). Die Annahme einer Sprachrelativität des Denkens ordnet sich somit der aufklärerischen Forderung unter, sich der eigenen Vernunft zu bedienen und dabei scheinbare Schwierigkeiten, die sich aus der Sprache ergeben, zu überwinden. Am Beispiel Berkeleys (vgl. 2 .2 .2 .) hatten wir jedoch bereits gesehen, daß die Annahme eines formenden Einflusses der Sprache auf das Denken auch zu ausgesprochen pessimistischen Schlußfolgerungen hinsichtlich der Verläßlichkeit und Perfektibilität der menschlichen Erkenntnis führen konnte. Mit der an Condillac gerichteten Aufforderung Diderots zur Auseinandersetzung mit dem subjektiven Idealismus (vgl. Haßler 1984, 33 ff) war deutlich geworden, daß die vom Sensualismus als erkenntnistheoretischer Richtung durchlaufene Entwicklung zwei gegensätzliche Tendenzen aufwies. So stand Mitte des 18. Jahrhunderts die Auffassung der Sinneserkenntnis als Widerspiegelung der objektiven Realität im menschlichen Bewußtsein gegen die Isolierung der Perzeptionen von ihrer außerhalb des Bewußtseins liegenden Quelle, der Materie, die in extremen Fällen bis zum Aufgeben des Materiebegriffs führte. — Daß sich dieser Gegensatz auch auf sprachphilosophischem Gebiet ausprägte, ist sicher nicht zuletzt auf die Bedeutung der Sprache als Methode zur Analyse der Perzeptionen zurückzuführen. Nicht zu übersehen ist auch, daß dabei das Problem der Sprachrelativität des Denkens im Mittelpunkt stand. 4.2. Die Auseinandersetzung zwischen Maupertuis und Turgot Die konzentrierteste Anwendung des subjektiven Idealismus Berkeleys auf die Sprache und ihre Stellung im Erkenntnisprozeß hatte Maupertuis 1748 in seinen Réflexions philosophiques sur l’origine des langues et la signification des mots vorgelegt (vgl. Maupertuis/
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Turgot/Condillac u. a. 1970, 2 4 ff; vgl. auch Politzer 1963, 5 ff). Maupertuis hatte versucht, eine Art mathematisches Modell der Sprachentstehung darzulegen, ließ dabei jedoch keinen Zweifel daran, daß es ihm um die Fortsetzung der Philosophie Berkeleys auf sprachtheoretischem Gebiet ging. Dabei geht er ganz in Übereinstimmung mit Berkeley davon aus, daß der Erkenntnis zunächst nur isolierte Perzeptionen zur Verfügung stehen, über deren Herkunft und Beziehungen untereinander keine gültige Aussage möglich sei. Um sie voneinander zu unterscheiden, belege der Mensch diese Perzeptionen mit Zeichen, etwa mit A für die Perzeption /ich sehe einen Baum/ und mit B für die Perzeption /ich sehe ein Pferd/. Allmählich stelle sich dabei heraus, daß die dafür benötigte Menge an Zeichen die Möglichkeiten des menschlichen Gedächtnisses übersteigt, weshalb schließlich im Ergebnis einer weiteren Aufgliederung der Perzeptionen jeweils gleiche und rekurrente Teile gleiche Zeichen erhalten. Im Unterschied zur psychogenetischen Erklärung des Sprachursprungs (vgl. 3.2 .) sind für Maupertuis die ersten Zeichen demnach nicht Namen für Gegenstände und Erscheinungen der Außenwelt, sondern Bezeichnungen subjektiv vermittelter Perzeptionen. Die anschließend erfolgende sprachliche Fixierung der Aufgliederung der Perzeptionen folgt keiner vorgegebenen Richtung und läßt von vornherein der Sprache viel Selbständigkeit. — Durch ein Gedankenexperiment, in dem er den Sprachvergleich als Methode zur Gewinnung philosophischer Erkenntnisse vorschlägt, gelangt Maupertuis zur Annahme sprachlich bestimmter geistiger Ebenen, die die Erkenntnismöglichkeiten der Sprecher festlegen (vgl. Maupertuis/Turgot/ Condillac u. a. 1970, 2 7). Aus der Auffassung von solchen ›plans d’idées‹ ergibt sich für Maupertuis die Frage, ob eine objektive, von den Besonderheiten des jeweiligen Sprachbaus unabhängige Erkenntnis überhaupt möglich ist. Ein extremer Pessimismus in dieser Frage kann Maupertuis nur mit wesentlichen Einschränkungen zugeschrieben werden, obwohl Formulierungen, die Fragestellungen und Denkmuster der Wissenschaften allein auf die Gestalt der Sprachen zurückführen, einen solchen Gedanken nahelegen könnten: „Ce que nous appellons nos sciences dépend si intimement des manieres dont on s’est servi pour désigner les perceptions, qu’il me semble que les questions et les propositions seroient toutes différentes si l’on avoit établi d’autres expressions des
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premieres perceptions“ dillac u. a. 1970, 39).
(Maupertuis/Turgot/Con-
Diese gegenüber den Wissenschaften und den menschlichen Erkenntnismöglichkeiten so skeptischen Überlegungen werden jedoch dadurch modifiziert, daß Maupertuis im Zusammenwirken von Wissenschaftlern mit unterschiedlichen Muttersprachen eine Möglichkeit zur Überwindung der Grenzen des durch die ›plans d’idées‹ vorgegebenen Erkenntniskreises sieht. Mit dem Gedanken, daß die verschiedenen Sprachen im Zusammenwirken gerade durch ihre Verschiedenheit zur weiteren Annäherung an die Erkenntnis der Wirklichkeit beitragen können, hatte seinerzeit bereits Leibniz auf einen wichtigen Aspekt der Problematik der Sprachrelativität des Denkens hingewiesen (vgl. Leibniz 192 3 ff, Sämtl. Schr. R. 6 VI, Kap. IX). Im Sinne einer — analog zur Vielheit der Monaden — durch die Sprachen bewirkten Vervielfältigung der Welt hatte sich Leibniz Aufschlüsse für die Erkenntnis der Wirklichkeit und der menschlichen Denkprozesse durch die Aufzeichnung und den Vergleich des Wortschatzes und der Grammatiken verschiedener Sprachen erwartet. Maupertuis abstrahiert nun bewußt von bestimmten durch den sozialökonomischen Entwicklungsstand objektiv gegebenen Erkenntnisschranken der Völker, die wenig entwickelte Sprachen sprechen, und betrachtet die Sprachen verschiedener Erkenntnisstufen als gleichwertige Methoden der Erkenntnis, die im Zusammenwirken fruchtbare Ergebnisse bringen können. — Trotz der zunächst sehr geringen Anzahl der verfügbaren Exemplare fanden die Réflexions Maupertuis’ bald Beachtung und ausführliche Kritik. 1752 antwortete Condillac, dem Maupertuis ein Exemplar zugesandt hatte und der auf Veranlassung des Präsidenten Maupertuis in die Preußische Akademie aufgenommen worden war, in einem Brief mit dem Bekenntnis, möglicherweise selbst den Zeichen einen zu großen Einfluß zuerkannt zu haben (Condillac 1947—1951, Œuvres philos. II, 536). Die Präzisierung des Verhältnisses von Sprache und Denken in späteren Arbeiten Condillacs, die sich im Vermeiden von Überspitzungen der These von der Sprachrelativität des Denkens und in der Betonung des eingeborenen Charakters einer Aktionssprache ausdrückt, ist sicher nicht zuletzt auf die Auseinandersetzung mit der relativistischen Grundhaltung in Maupertuis’ Réflexions zurückzuführen. Doch schon 1750 hatte ihm ein damals noch sehr junger Gelehrter die wesentlichsten Ge-
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danken einer konsequent sensualistischen Kritik an Maupertuis’ Abhandlung vorweggenommen. Der später vor allem als Ökonom und Staatsmann bekannt gewordene Anne Robert Jacques Turgot (172 7—1781) hatte mit den bis zu seinem Tode unveröffentlichten Remarques critiques sur les Réflexions philosophiques de M aupertuis eine der besten und eigenständigsten Arbeiten seiner frühen Schaffensperiode geschrieben. Vielleicht war es gerade die offensichtliche Übereinstimmung Maupertuis’ mit Berkeley, zu dessen Widerlegung Turgot 1750 eine weitere Schrift verfaßte, die ihn zur Abfassung der kritischen Bemerkungen gegen Maupertuis anregte. — Inkonsequenzen in Maupertuis’ Anwendung des sensualistischen Prinzips auf die Beschreibung der Sprachentstehung bilden zunächst den Hauptangriffspunkt der Kritik Turgots. Die Sprachen sind nach Turgots Auffassung nicht mit mathematischen Gebilden zu vergleichen, die im Ergebnis kühler Reflexion entstehen, sondern sie bilden sich unter Einwirkung von Bedürfnissen und Leidenschaften heraus. Unvorstellbar ist von diesem Standpunkt aus, wie die sprachlichen Zeichen zunächst nur Perzeptionen und nicht sinnliche Dinge bezeichnet haben sollen. In seiner Polemik gegen Maupertuis beruft sich Turgot auch auf den traditionellen Gegensatz von Wörtern und Sachen und deutet ihn im Sinne seiner Theorie. Nicht die Suche nach Wörtern als Entsprechungen irgendwelcher Perzeptionen sei für die sprachliche Tätigkeit des Menschen kennzeichnend, sondern die Dinge selbst müßten ausgedrückt werden. Wenn alle Menschen die gleichen Sinne haben, ist es nach Turgots Auffassung unmöglich, ihnen unterschiedliche ›plans d’idées‹ zuzuschreiben. Für die Ausrichtung der geistigen Entwicklung einer Menschengruppe sei es daher nicht von so weitreichender Bedeutung, mit welcher Sprache man die ersten Ideen bezeichnete, da die Quelle der Ideen, die Sinneswahrnehmungen, in jedem Fall die gleiche bliebe (vgl. Maupertuis/Turgot/Condillac u. a. 1970, 38). Ohne einen engen Zusammenhang von Sprache und Denken in Frage zu stellen, wendet sich Turgot damit gegen Maupertuis’ sprachrelativistische Konsequenz und betont die Bezogenheit der Erkenntnisprozesse auf die Außenwelt. Die Sprachen können die Weiterentwicklung des Denkens unterstützen, sie jedoch nicht selbst hervorbringen. — Wie die Kontroverse zwischen Turgot und Maupertuis zeigt, waren auch innerhalb der paradigmatischen Position, die der Spra-
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che einen formenden Einfluß auf das Denken zugesteht, gegensätzliche Standpunkte möglich, die sich mit philosophisch-weltanschaulichen Schlußfolgerungen verbanden. Ausgehend von der entgegengesetzten paradigmatischen Position, der Annahme einer Sprachunabhängigkeit des Denkens, wurde der Streit zwischen Maupertuis und Turgot 1815 Gegenstand von Überlegungen, die eine Abkehr vom Gedankengut der Aufklärung kennzeichneten. Der ehemals von der sensualistischen Richtung der Aufklärungsphilosophie beeinflußte, im Verlauf seiner Entwicklung aber immer mehr auf spiritualistische Positionen übergehende Maine de Biran unterzog die Gedanken Maupertuis’ und Turgots einer Kritik, in der er sich sowohl gegen den subjektiven Idealismus Maupertuis’ als auch gegen den Sensualismus Turgots wandte. Turgot habe zu Unrecht versucht, Maupertuis nachzuweisen, daß man die Sprachentstehung nicht mit mathematischen Modellen beschreiben kann. Sprachen seien nämlich durchaus das Werk des sich selbst gegenwärtigen Verstandes, nicht, wie Turgot behauptete, das Ergebnis einer durch Bedürfnisse und Gefühle bestimmten Auseinandersetzung mit der Umwelt. Gegen Maupertuis wendet sich Maine de Biran (Marie-François-Pierre Gonthier de Biran, 1766—182 4) mit der Überzeugung, daß man keine Sprache finden könne, die tatsächlich auf grundsätzlich anderen geistigen Ebenen aufgebaut ist als die bekannten europäischen Sprachen. In den verschiedenen Sprachen werde man vielmehr immer wieder die gleichen Grundformen des Denkens wiederfinden, die dem menschlichen Wesen von der Natur gegeben sind und das charakteristische Kennzeichen aller denkenden Lebewesen ausmachen (vgl. Maine de Biran 192 0 ff, Œuvres X, 316). Gegen die relativistische Auffassung von sprachspezifischen gedanklichen Ebenen stellte Maine de Biran somit die Annahme eingeborener Ideen und der Existenz des Denkens vor der Sprache. 4.3. Sprache und ›Meinungen‹ des Volkes — eine akademische Preisfrage Zu den von Maupertuis ausgegangenen Einflüssen auf die sprachphilosophische Diskussion in der Aufklärung gehört auch die Anregung, in der für 1759 ausgeschriebenen Preisfrage der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften den Zusammenhang der Sprache mit den ›Meinungen‹ des Volkes zur Diskussion zu stellen. — Die bereits durch den Text der Preisaufgabe vorge-
I. Raum-zeitliche Übersichten
zeichnete Grundposition einer Wechselseitigkeit des Zusammenhangs von Sprache und Denken machten sich die einzelnen Bewerber keinesfalls in der gleichen Tiefe zu eigen. Den Preis erhielt schließlich die Beantwortung der Frage von dem Einfluß der M einungen in die Sprache und der Sprache in die M einungen von Johann David Michaelis (1717—1791), der sich als gründlicher Philologe und Kenner der bisherigen Sprachdiskussion der Aufklärung erwies, auf die er seinerseits zurückwirkte. — Ausgehend von einer am Gebrauch orientierten, demokratischen Sprachauffassung sieht Michaelis die Beziehung zwischen Einzelsprache und Erkenntnisstand unter neuen Gesichtspunkten und mißt der Rückwirkung der Angehörigen aller Schichten auf ihre Muttersprache noch größere Bedeutung bei als etwa Condillac und Diderot. Jede einzelne Sprache betrachtet Michaelis als „eine Sammlung der Weisheit und des Genies gantzer Völcker, zu dem ein jeder das seinige gegeben hat: nicht blos der Gelehrte, der oft ein kleines Genie hat, und noch öfter durch Vorurtheile abgehalten wird etwas neues zu entdecken, und am Ende doch nur den hundertsten Theil der Menschen ausmacht, sondern auch der witzige, und der Natur gleichsam näher wohnende Ungelehrte; nicht blos der, dessen Gedancken die Menge annahm, sondern auch der weiter sehende Kätzer; ja das Kind, dessen Genie das lebhafteste, und von Vorurtheilen am wenigsten eingeschränckte ist, und welches oft durch dreiste Associationen der Ideen Wahrheit findet, giebt seinen Tribut zu diesem allgemeinen Schatz des Volckes“ (Michaelis 1760, 15 f).
Damit erweitert Michaelis die bereits von den französischen Aufklärern gestellte Forderung, entsprechend den spezifischen Erkenntnismöglichkeiten jeder Berufsgruppe zur Verbesserung der Sprache beizutragen, indem er sie auf jeden auch noch so ›ungelehrten‹ Sprecher anwendet. Allerdings wird nicht jeder gleich eine wirkliche Sprachveränderung bewirken können, denn die ›oberste Gewalt‹ in der Sprache ist das Volk selbst, das eine Neuerung annehmen oder ablehnen kann. — Den rückwirkenden Einfluß der Sprache auf die ›Meinungen‹ des Volkes sieht Michaelis sowohl als positive als auch als negative Erscheinung. Vorteilhaft ist dieser Einfluß der Sprache, wenn ihr Reichtum an Wörtern genügend Genauigkeit im Denken zuläßt. Dagegen ist es für Michaelis, wie vor und nach ihm für viele andere Vertreter der These von der Sprachrelativität des Denkens, unvorstellbar, daß man bei Völkern, deren Sprache und Denken noch keine Bezeichnungen für größere Zahlen
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
entwickelt haben, Menschen zu Mathematikern heranbilden könnte (vgl. Michaelis 1760, 34). Jedoch nicht nur Armut in der Sprache kann zu schädlichen Auswirkungen für Denken und ›Meinungen‹ führen, sondern auch unproportionierter Überfluß und Homonymie verwechselbarer, bedeutungsverwandter Wörter. Auch das Fehlen von neutralen Bezeichnungen für bestimmte Begriffe kann sich ungünstig auswirken, insofern negativ oder positiv wertende Bezeichnungen Vorurteile festlegen. So gebe es im Deutschen kein wertungsfreies Wort für das französische ‘le luxe’, mit dem eine in der Aufklärung vieldiskutierte Erscheinung bezeichnet wurde, und Wörter wie ‘Üppigkeit’ oder ‘Überfluß’ legten bereits abwertende Urteile fest. In Etymologien können nach Michaelis’ Auffassung sowohl Wahrheiten als auch Irrtümer verewigt werden und die Meinung der Sprecher bestimmen. So komme von der Etymologie der Krankheitsbezeichnung ‘Krebs’ die abergläubische Vorstellung, daß diese Krankheit von der Berührung toter und verfaulter Krebse komme (Michaelis 1760, 50 ff). — Obwohl Michaelis den nachteiligen Einflüssen der Sprache auf die ›Meinungen‹ des Volkes breiten Raum gibt, möchte er sie nicht überschätzt wissen. Falsche sprachliche Bilder und Etymologien, Armut oder unnötiger Überfluß in der Sprache bilden sich immer gemeinsam mit einem fehlerhaften Denken heraus, können allerdings unter Umständen in der Sprache länger und nachhaltiger wirken. Michaelis wendet sich damit bereits gegen die Ersetzung einer verantwortungsbewußten Haltung zum gesamten Erkenntnisprozeß und seinen Ergebnissen durch den Verweis auf eine sprachliche Determiniertheit des Denkens. Eine Seite der von Michaelis behandelten Preisfrage griff der Mathematiker und Philosoph Johann Heinrich Lambert (172 8— 1777) 1764 nochmals in einer Arbeit auf, der er den Titel Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein gab. Doch nicht nur die Fragestellung, ob die Sprache, in die der Mensch „die Wahrheit einkleidet, durch Mißverstand, Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit sie unkenntlicher und zweifelhafter mache, oder andere Hindernisse in den Weg lege“ (Lambert 1764, Vorrede)
weist große Ähnlichkeit mit Michaelis auf. Lambert stimmt in wichtigen Positionen mit dem Preisträger überein, der in Deutschland bei vielen Aufklärern ein Nachdenken über den Einfluß der Sprache auf die Denkprozesse
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ausgelöst hatte. Ein so bedeutender Denker wie Hamann hatte sich zur Thematik der Preisfrage selbst geäußert, in Gotthold Ephraim Lessings (172 9—1781) Literaturbriefen erschien eine ausführliche Besprechung von Michaelis’ Schrift, und direkte Bezüge zu ihr finden sich sogar noch 1796 in einer Philosophisch-kritischen Vergleichung und Würdigung von vierzehn älteren und neueren Sprachen Europens des Berliner Predigers Daniel Jenisch (1762 —1804). — Wie Michaelis sieht Lambert die „Sprache als eine Democratie [...], wo jeder dazu beytragen kann, wo aber auch alles, gleichsam wie durch die Mehrheit der Stimmen, angenommen oder verworfen wird, ohne daß man sich immer um das Wahre oder Falsche, Richtige oder Unrichtige, Schickliche oder Ungereimte viel umsieht“ (Lambert 1764, II, 6).
Sprachliche Zeichen werden von ›Ungelehrten‹ entworfen, sie gehen der wissenschaftlichen Erkenntnis voraus, die sich dann jedoch ihrer bedienen muß. Zu Schwierigkeiten kann es dabei kommen, wenn ein Begriff nach wissenschaftlichen Erkenntnissen anders gefaßt werden muß, als ihn das Volk vorher auffaßte. Wörter konservieren nämlich nicht nur die Resultate des bisherigen Denkens, sondern die „ziemlich bestimmte Anzahl der Wörter einer Sprache setzet unserer Erkenntniß, in Absicht auf ihre Ausdehnung, gewissermaßen Schranken und giebt derselben eine ihr eigene Form oder Gestalt, welche allerdings in die Wahrheit selbst einen Einfluß hat [...]“ (Lambert 1764, II, 5).
In Überwindung dieser Schranken soll die Neuordnung der Wissenschaften, ausgehend von den Sinnesempfindungen und deren Verarbeitung, auch die Grundlage für eine wissenschaftliche Sprache schaffen. Da die ständige Verwechslung von Begriffen und Wörtern unvermeidlich sei, sieht Lambert das Ideal einer Sprache in dem Zustand, wo die ›Theorie der Sache‹ und die ›Theorie der Zeichen‹ ohne Gefahr miteinander verwechselt werden können. Lambert wiederholt damit Condillacs Gedanken von der Wissenschaft als einer wohlgeformten Sprache und stellt ganz im Sinne der Aufklärung die Forderung nach ständiger Verbesserung der Sprache und ihrer Anpassung an die Erfordernisse des Erkenntnisprozesses. 4.4. Nationalsprache und Entwicklung der Kultur Neben der Frage, welche sprachlichen Voraussetzungen die Entwicklung der Wissenschaften fördern können, wurde im Zusam-
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menhang mit der Sprachrelativität des Denkens auch der Einfluß der Sprache auf die Nation und ihre Geschichte diskutiert. Die Betrachtung der Sprache als ›Bildungsmittel der Nation‹ trat dabei besonders dort in den Vordergrund, wo der Kampf um eine einheitliche Literatursprache und deren Geltungsbereich noch nicht abgeschlossen war. So wurde die Problematik einer Sprachrelativität des Denkens zum Bestandteil der italienischen ›Questione della lingua‹, die vor dem 18. Jahrhundert vor allem den Geltungsbereich des Toskanischen und der übrigen Dialekte, Fragen der sprachlichen Norm, die Bewertung des im 14. Jahrhundert erreichten Höhepunkts in der Sprachentwicklung und den Widerstreit zwischen Modernisten und Traditionalisten beinhaltet hatte. Mit der Forderung, das Italienische gegenüber anderen Sprachen, insbesondere dem Lateinischen und dem Französischen, aufzuwerten, war die Notwendigkeit verbunden, seine Eigenart und Individualität gegen den rationalistischen Universalismus zu verteidigen. Eine Bezugnahme auf den besonderen Charakter der Sprachen (genio della lingua) ergab sich somit bereits aus der Tradition der ›Questione della lingua‹. Die im 18. Jahrhundert auch in Italien zunehmende philosophische Durchdringung der Sprachbetrachtung (vgl. Formigari 1984, 61 ff) und die gesellschaftliche und politische Relevanz einer einheitlichen Nationalsprache führten dazu, daß insbesondere dem Verhältnis zwischen Sprache und Kultur sowie dem Zusammenhang zwischen Sprache und Wesensart eines Volkes besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. 4.4.1. Zwar hatte Vico den gegenseitigen Zusammenhang von Sprache und Denken bereits als Feststellung formuliert, systematisch wurde jedoch dieses sprachtheoretische Problem in Italien erst behandelt, nachdem der französische Sensualismus diskutiert bzw. übernommen war. Das Verdienst, die Sprachtheorie Condillacs in Italien bekannt gemacht zu haben, gebührt vor allem Francesco Algarotti (1712 —1764), dessen Saggio sopra la necessità di scrivere nella propria lingua (1750) die grundlegenden sprachtheoretischen Feststellungen des Essai sur l’origine des connaissances humaines zusammenfaßt. Die von Algarotti beabsichtigte Verteidigung des Gebrauchs der italienischen Sprache auf allen Gebieten stützt sich auf Argumente, die die Erkenntnis eines Einflusses der Einzelsprache auf das Denken voraussetzen. Nachdem er
I. Raum-zeitliche Übersichten
Beispiele für den besonderen Charakter einzelner Sprachen genannt hat, kommt Algarotti zu der Erkenntis, daß Sprache und Denken eines Volkes so eng zusammenhängen, daß in einer fremden Sprache zu schreiben hieße, seine eigene Wesensart aufgeben zu wollen. — Die Diskussion um die Rolle der Sprache im Erkenntnisprozeß erreichte in Italien in den Jahren des Erscheinens der Zeitschrift Il Caffè (Juni 1764—Mai 1766) ihren Höhepunkt. Mit Cesare Beccarias Frammento sullo stile wurde in ihr 1764 ein Text abgedruckt, der die Grundlagen einer sensualistischen Sprach- und Stiltheorie in sehr konzentrierter Form darbot. Das Verfolgen der kulturellen und sprachlichen Entwicklung der Völker läßt Beccaria zur Feststellung der Wechselseitigkeit des Zusammenhangs von Sprache und Denken kommen. Das einfache Volk sei größtenteils darauf angewiesen, die Objekte danach zu unterscheiden, welche Unterschiede in den Wörtern einer Sprache vorzufinden sind. Bevor ein Volk den Höhepunkt seiner geistigen Entwicklung erreichen kann, müsse die Sprache bereits diesen höchsten Stand erreicht haben, das ›Jahrhundert des Ausdrucks‹ (secolo dell’espressioni) gehe immer dem ›Jahrhundert der Reflexion‹ (secolo delle riflessioni) voraus. (Beccaria 1958 b, 171). — Im bedeutendsten italienischen sprachphilosophischen Traktat des 18. Jahrhunderts, Cesarottis Saggio sulla filosofia delle lingue, wurde dann der flexible Charakter der sprachlichen Besonderheiten betont, die sich ständig mit der Entwicklung des Wissens der Völker verändern und sich als Resultat der Auffassungs- und Urteilsweise der Sprachgemeinschaft an neue Erfordernisse anpassen (Cesarotti 1788, 125). 4.4.2. Auch in der Apologie der spanischen Sprache nimmt die These von der Sprachrelativität des Denkens eine wichtige Stellung ein. Schon der bedeutendste Vertreter der spanischen Frühaufklärung Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro (1676—1764) hatte die Betonung des Wortreichtums der spanischen Sprache mit Angriffen gegen ihre Überfremdung durch Entlehnungen aus dem Französischen verbunden. Er appelliert an das Nationalgefühl der Spanier, wenn er das Französieren der spanischen Sprache als ein Zeichen der Unterwürfigkeit gegenüber einer anderen Nation kennzeichnet, und nennt Beispiele aus der spanischen Geschichte, wo die Sprache trotz fremder Besetzung beibehalten oder im Fall der Eroberung durch die Römer
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
erst spät aufgegeben wurde. Können diejenigen, die ohne Notwendigkeit die spanische Sprache französieren wollen, noch als legitime Abkömmlinge dieser Geschichte gelten? (Feijoo 192 3, 2 73 f). Verbindet sich diese Frage bei Feijoo mit der ausdrücklichen Bejahung der Verarbeitung aufklärerischen Gedankenguts aus dem Ausland und damit verbundener sprachlicher Entlehnungen, so wurde sie bald aus traditionalistischer Sicht vereinnahmt. Aus der Sprachdiskussion der Aufklärung entlehnte z. B. Juan Pablo Forner (1756— 1797) (192 5, 107 f) die Feststellung eines engen Zusammenhangs zwischen der Denkweise eines Volkes und dem Charakter seiner Sprache, kehrte sie jedoch zu einem Argument gegen die ›afrancesados‹ um. Gerade wegen dieses Zusammenhangs zwischen dem Volkscharakter und den Besonderheiten der Sprache könne man die Denkweise eines anderen Volkes nicht nachahmen, ohne dem Charakter der eigenen Sprache Schaden zuzufügen. 4.4.3. Einen unmittelbar sprachpraktischen und sprachpolitischen Aspekt gewann die aufklärerische Einsicht in den Zusammenhang von Sprache und Kultur einer Nation in Rußland. Die sich in der Aufklärung vollziehende und mit ihr verbundene Herausbildung der russischen Literatursprache ist ein Prozeß, der durch theoretische und praktische Bemühungen der russischen Aufklärer gefördert wurde. Die dabei gewonnene Erkenntnis des eigenständigen Werts und der gesellschaftlichen Bedeutung einer philologischen Kultur trug zur Formierung des Bilds einer Sprecherpersönlichkeit und einer Sprachgemeinschaft bei. Bereits Lomonosov hatte sich die Annahme einer Wechselbeziehung zwischen Sprache und Denken zu eigen gemacht und die Sprache als Voraussetzung der Entwicklung der Gesellschaft betrachtet. Einen noch größeren Stellenwert erhält die Sprache in Aleksandr Nikolaevič Radiščevs (1749—1802 ) philosophischer Schrift Über den M enschen, über seine Sterblichkeit und Unsterblichkeit (O čeloveke, o ego smertnosti i bessmertii, 1792), wo sprachliche Zeichen als Voraussetzung für die praktische und wissenschaftliche Tätigkeit des Menschen angenommen werden. Wegen der wichtigen Rolle der Sprache für die Erziehung des Denkens tritt Radiščev für den Unterricht in der Muttersprache ein, die sich am Sprachgebrauch des Volkes zu orientieren habe und eine Norm erhalten müsse (Zur Sprachphilosophie der russischen Aufklärung vgl. Berezin 1979, 2 1 ff). — Der Beitrag, den
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die Sprachdiskussion in Deutschland für die Bestimmung des Verhältnisses von Sprache und Denken, insbesondere die Vorbereitung der Humboldtschen Idee von der sprachlichen Weltansicht leistete, wird in vielen Darstellungen der Geschichte der Sprachtheorie als entscheidend betrachtet, wobei oft vom Vorläufer-Denken, das in Herder einen Vorromantiker sieht, ausgegangen wird. Abgesehen davon, daß die Sprachdiskussion an der Berliner Akademie in allen Grundzügen der Aufklärung verbunden ist (vgl. 3.4. und 4.3.), läßt sich jedoch eindeutig nachweisen, daß auch aus anderen Ländern zahlreiche Anregungen kamen, die Wilhelm von Humboldts (1767— 1835) (s. Art. 2 7) ›innerer Sprachform‹ und ›sprachlicher Weltansicht‹ einen geschichtlichen Hintergrund geben. 4.5. Innere Form und Sprache bei Harris Hamann hatte für seinen Schüler Herder 1768 Harris’ Hermes bestellt, über den sich dieser später in seinem Vorwort zur Übersetzung von Monboddos Of the Origin and Progress of Language sehr lobend äußerte. Die Wertschätzung Herders für Harris und Monboddo kann sicher nicht nur als eine Verbeugung vor dem englischen Neoplatonismus gewertet werden, die Herder Hamann nach dessen Kritik an der Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772 ) schuldig zu sein glaubte. In James Harris’ Hermes or a philosophical inquiry concerning universal grammar (1751), den Herder durch Hamanns Vermittlung zwanzig Jahre vor dem Erscheinen einer deutschen Übersetzung kennenlernen konnte, finden sich tatsächlich Ansätze zu einer Bestimmung des Verhältnisses von Sprache und Denken, die erst bei Humboldt konsequent angewandt wurden. 4.5.1. Nachdem eine sprachliche Gestaltung der menschlichen Erkenntnisprozesse bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts diskutiert worden war, gibt Harris erstmalig Hinweise, die den Begriff der ›inneren Form‹ mit der Rolle der Sprache im Erkenntnisprozeß in Zusammenhang bringen. In der Anwendung des Begriffspaares ‘Stoff/Form’, das er aus der griechischen Philosophie entlehnte, bleibt Harris allerdings ganz im Rahmen eines besonders an Platon und der Cambridger Schule orientierten Rationalismus, der den Stoff als passiv und nur potentiell als Träger von Gestalten auffaßt und alles Aktive, Bewegende, Strukturierende der Form zuschreibt. Während im mechanischen Hervor-
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bringen von Lauten die menschliche Sprache durch nichts wesentliches ausgewiesen sei, sie in ihrem Stoff also mit vielen anderen hörbaren Erscheinungen übereinstimme, bestehe ihr Charakter gerade darin, daß bestimmte Gliederungseinheiten der Sprache eine Bedeutung haben und Ideen ausdrücken. Diese Ideen und Bedeutungen, die die Menschen durch Beobachtung und Abstraktion gewonnen haben, sind die Form, das eigentlich Prägende der Sprache. Durch eine einfache Zuordnung, die von den in der Gesellschaft lebenden Menschen vorgenommen wird, erhalten die Laute Symbolcharakter und werden zusammen mit ihren Bedeutungen zu Wörtern (Harris 1972 , 318 ff). Diese Wörter tragen jedoch nichts zum Abstraktionsprozeß bei, abstrakte Ideen seien vielmehr vor ihren sprachlichen Bezeichnungen gegeben. Die Beschreibung der Wörter anhand ihres linguistischen Status ermöglicht nicht die Konstruktion einer Theorie des Verstandes, sondern höchstens die Beobachtung verschiedener Abstraktionsgrade, so wie der Verstand sie sich aneignet. — Harris’ Beitrag zur Weiterentwicklung der Auffassungen von der Rolle der Sprache im Erkenntnisprozeß liegt jedoch weniger in seinen unmittelbaren Aussagen zu diesem Problem als vielmehr in einer nur in Ansätzen skizzierten Analogie der Erkenntnisfindung zum künstlerischen Schaffensprozeß. Die Frage nach der Herkunft unserer Ideen versucht Harris durch den Vergleich mit der Beobachtung eines komplizierten, kunstvoll hergestellten Uhrwerks zu beantworten. Nach eingehender Betrachtung habe man ein genaues Bild von der Uhr und ihrem Aufbau. Dieses Bild habe nichts Materielles an sich, es sei eine ›innere Form‹ (internal form), die sich der Mensch im Prozeß der Beobachtung eines materiellen Objekts, einer ›äußeren Form‹ (external form) bildet (Harris 1972 , 349). Die dabei gewonnene innere Form, die auch zur inneren Form der Sprache wird, sobald das Erkenntnisergebnis mitgeteilt werden soll, ist zwar zunächst etwas Festes, ein ›Werk‹ oder — mit einem späteren Terminus — ein ergon. Gleichzeitig besitzt aber der Mensch damit auch eine Art intellektuelle Form, mit der er in der Lage ist, nicht nur den Mechanismus bereits gesehener Werke zu erkennen und zu verstehen, sondern auch den jeglicher anderen Werke der gleichen Art, die er später sehen könnte. Darüber hinaus sieht er in der inneren Form sogar eine Art Bauplan für das Vorgehen in der schöpferischen Tätigkeit: der
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Uhrmacher hat eine Idee von dem, was er bauen will, bevor er die Uhr als äußere, wahrnehmbare Form schaffen kann. Damit gesteht Harris der inneren Form auch die Eigenschaft zu, nicht nur Ergebnis, sondern gestaltendes Element des Erkenntnisprozesses, nicht nur ergon, sondern energeia zu sein. — Harris gliedert seine epistemologische Kritik somit nach einer Typologie der Ideen, in der es drei Entstehungsebenen gibt: die des Beobachters, die Ebene des beobachteten Gegenstandes und die des Schöpfers. Auf der Ebene des Beobachters können die empirischen Beschreibungen gültig sein, jedoch nicht zu einer Aussage über die Natur der Ideen, sondern höchstens über ihre Aneignung führen. Die Trennung von Erfahrung und Wissenschaft sowie von Aneignung und Entstehung ermöglicht es Harris in Übereinstimmung mit Locke, das Wort als Symbol einer allgemeinen, durch Abstraktion angeeigneten Idee zu akzeptieren und dennoch die sensualistische Erkenntnisformel in „nihil est in sensu, quod non prius fuit in intellectu“ (Harris 1972 , 356) umzukehren. Nicht weniger bedeutsam ist es, daß Harris in der isolierten Betrachtung des menschlichen Erkenntnisprozesses die Sinneswahrnehmungen zum Ausgangspunkt für die Ideenbildung erklärt. Dementsprechend zwiespältig ist sein Verhältnis zum Sensualismus, den er insbesondere in Gestalt der Assoziationspsychologie in David Hartleys (1705—1757) Observations on M an, his Frame, his Duty and his Expectations (1749) zwar bekämpfte, dessen sprachtheoretische Schlußfolgerungen zur Rolle des besonderen Charakters der Sprachen im Erkenntnisprozeß aber mit seinen eigenen Überlegungen nicht nur übereinstimmten, sondern durch Harris’ Formbegriff sogar größere Tragweite erhielten. Doch auch als System von Bedeutungen, als Genius of the language, ist die Sprache sekundär und durch eine vorher existierende innere Form gestaltet. 4.5.2. Eben jene Postulierung des Primats der Ideen, die sich aus dem Neoplatonismus ergab, läßt auch Monboddo in seinem Origin and Progress of Language (1773—1792 ) zwar eine notwendige Verbindung zwischen Denken und Reden anerkennen, gleich darauf aber feststellen, daß es keine Sprache ohne Ideen und keine Ideen ohne Abstraktion gebe. Seine Theorie über den Sprachursprung erscheint auf diese Weise als die historische Seite der universellen Grammatik und entspricht
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
zunächst der gleichen Zielstellung, eine Gegenposition zu Lockes Erkenntnistheorie zu entwickeln. Ausgehend von der entgegengesetzten paradigmatischen Position eines Einflusses der Sprache auf das Denken, aber in einer gegenüber Monboddo wesentlich engeren Perspektive hatte sich in England auch Adam Smith in seinen Considerations concerning the First Formation of Languages (1761) der Sprachursprungsfrage zugewandt und war dabei zu Ansätzen einer Sprachtypologie gekommen (zum paradigmatischen Gegensatz zwischen Monboddo und Adam Smith vgl. Bergheaud 1984). Wie die dargestellten Beispiele zeigen, hatte sich die Korrelation bzw. Wechselwirkung zwischen dem besonderen Charakter der Sprachen und der Denkweise der Sprecher in der Sprachdiskussion der Aufklärung als ein wichtiger Aspekt der intensiven Debatte um den Zusammenhang von Sprache und Denken ergeben. Hans Helmut Christmann (1981, 87 ff) hat sogar ›praktische‹ Anwendungsversuche der These von der Sprachrelativität des Denkens im 18. Jahrhundert nachgewiesen: So ergab sich der Kampf des Abbé Henri Grégoire (1750—1831) gegen die Dialekte aus dem nach der Französischen Revolution vorhandenen Bedürfnis nach einer einheitlichen Nationalsprache, die auch das Denken der Bürger entsprechend formen sollte, und eine 1780 im fürstlichen Auftrag entstandene Schrift von Carl August Göriz (1744—1799) läßt bereits im Titel keinen Zweifel an der Hoffnung, die man in die erkenntnisleitende Funktion der Sprache setzte: Untersuchung über den Einfluß der Verbesserung der mutterländischen Sprache in den moralischen Charakter einer Nation.
5.
Differenzierung und Radikalisierung der Sprachphilosophie der Aufklärung
Die Darstellung der Aufklärungsphilosophie als einer einheitlichen Erscheinung, die sich in ein und derselben Richtung entwickelte und auf eine eindeutig bestimmbare Weise zur Säkularisierung des Weltbildes und zur Mündigsprechung des menschlichen Verstands beitrug, wäre eine unzulässige Vereinfachung. Schon das Erscheinungsbild der allgemeinen (philosophischen) Grammatik, die als vorherrschendes Paradigma der Sprachbetrachtung im 18. Jahrhundert angesehen werden könnte, ist recht differenziert. Ging es in der Grammatik von Port-Royal noch um die Dar-
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stellung jener universellen Prinzipien der Logik, als deren Manifestation die Sprache betrachtet wurde, so suchte Beauzée auch Allgemeines in den Gesetzmäßigkeiten der Sprachen selbst, und mit dem Vordringen der empiristischen Methode war es üblich geworden, dieses Allgemeine zumindest hypothetisch auf induktivem Weg zu ermitteln (Auroux 1979 a, 19 f; Delesalle/Chevalier 1986, 88). — Auch am Beispiel der These von der Sprachrelativität des Denkens wurde deutlich, daß durchaus von sehr unterschiedlichen philosophischen Standpunkten Beiträge zu aktuellen sprachtheoretischen Fragestellungen geleistet wurden. Andererseits wirkten die Verwendung sprachtheoretischer Einsichten zu politischen Zwecken, die unterschiedlichen nationalen Bedingungen der Entfaltung der sprachtheoretischen Diskussion, Anforderungen der gesellschaftlichen Sprachpraxis sowie gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Notwendigkeit der Anpassung an die veränderte Situation nach der Französischen Revolution und ihre Auswirkungen in Europa als Faktoren der Differenzierung. Neben der Abschwächung philosophischer Konsequenzen, die sich sowohl aus den veränderten Bedingungen als auch aus dem Vordringen empirischer Verfahren in der Sprachbetrachtung ergeben konnte, kam es in einigen Fällen auch zur Radikalisierung sprachphilosophischer Positionen der Aufklärung. Die folgende Darstellung kann nur einige wenige Beispiele für die Differenzierungsprozesse innerhalb der Sprachphilosophie der Aufklärung und ihrer Rezeption vorführen. 5.1. Das Thema ›Mißbrauch der Wörter‹ Nicht unbeeinflußt von der philosophisch-anthropologischen und erkenntnistheoretischen Problematik, wandte sich die Diskussion des 18. Jahrhunderts auch dem Sprachgebrauch in der gesellschaftlichen Kommunikation zu. Vehemente Kritik der Aufklärung richtete sich gegen die sprachliche Verfestigung und Überlieferung der Vorurteile als eine Form des Mißbrauchs (vgl. Ricken 1984, 195). Hatte die Betonung eines Abstandes oder Gegensatzes zwischen Wörtern und Dingen eine lange, bis zu Platons Kratylos zurückgehende Tradition (s. Art. 62 ), so war insbesondere im 17. Jahrhundert der politische Sprachmißbrauch zu einem Thema geworden, zu dem sich Vorläufer der Aufklärung wie Francis Bacon (1561—162 6), Hobbes, Pufendorf, Spinoza äußerten. Locke hatte darauf hingewie-
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sen, daß die Sprache zu einem Instrument der Aufhebung des Völkerrechts werden und durch pompöse Terminologie den Weg zu wirklicher Erkenntnis verstellen kann. — Dem ›abus des mots‹, der sich auf die Unklarheit der Wortbedeutungen stützte, schreibt Helvétius im Anschluß an Locke nicht nur die Verantwortung für philosophische und religiöse Streitigkeiten, sondern auch für Blutvergießen und Kriege zu. Besonders spürbar werde die Verschwommenheit der Bedeutungen bei solchen Wörtern wie ‘amour-propre’, ‘liberté’, ‘vertu’, die den Menschen sehr nah berührten und für deren Bedeutungsbestimmung sie oft aus Eigennutz kein Interesse hätten. Der Sprachverbesserung, der Erfindung einer philosophischen Sprache, in der alle Bedeutungen genau definiert sind, steht Helvétius schon aus diesem Grunde sehr skeptisch gegenüber. Da der Sprachgebrauch das Bewußtsein der Beherrschten ablenken soll, sei die Festlegung der Wortbedeutungen unter den gegebenen Bedingungen nicht möglich. Falls ein solches Projekt tatsächlich zu verwirklichen sei, könne es nur von einem freien Volk in Angriff genommen werden. — Mit deutlichen gesellschaftskritischen Akzenten wendet sich auch Diderot in seinem Enzyklopädieartikel Bassesse sprachkritischen Fragen zu und verwirft die Erklärung von ‘bassesse’ und ‘abjection’ als Synonyme, die von einer Verbindung von Bezeichnungen der sozialen Herkunft mit moralischen Wertungskriterien ausgeht und damit Vorurteile sprachlich anerzieht. Die Erkenntnis, daß die Verwendung der Sprache nicht außerhalb gesellschaftlicher Beziehungen und Interessen erfolgt, verleiht der Betrachtung des Einflusses der Sprache auf das Denken einen pragmatischen Aspekt, der auf die Problematik der Bewußtseinsbildung mittels Sprache hinweist. — Nach Rousseaus Auffassung ist die gesellschaftliche Kommunikation seit dem Zustand der Ungleichheit ein Dialog zwischen Reichen und Armen, Mächtigen und Unterdrückten, in dem die Wörter zum Instrument der ›Überzeugung‹ werden, mit dessen Hilfe die Zustimmung des Volkes zu den im Interesse der Herrschenden gesetzten gesellschaftlichen Normen erreicht werden soll. Bezeichnungen für Gerechtigkeit und Gehorsam sind deshalb in Wirklichkeit Instrumente der Gewalt und des Unrechts, und Wörter wie ‘bien public’, ‘patrie’ und ‘citoyen’ dienen der Verschleierung sozialer Ungleichheit und sind in dieser Eigenschaft Indiz einer korrupten Gesellschaftsform. —
I. Raum-zeitliche Übersichten
Durch die Französische Revolution wurde der Auseinandersetzung um sozial und politisch relevante Wortbedeutungen eine noch größere Aktualität verliehen. Anhänger wie Gegner der Revolution beschuldigten einander, die Sprache zu verfälschen und den Wortmißbrauch für ihre politischen Zwecke einzusetzen. Aus der Sicht der Konterrevolution wurde der Wortmißbrauch als Instrument der Verführung des Volkes sogar zur Ursache der revolutionären Umwälzungen erklärt (vgl. Ricken 1984, 2 06). Die Maßnahmen gegen den Wortmißbrauch gingen bis zu praktischen Vorschlägen und der Gründung verantwortlicher Gremien. So wurde 1791 eine Société des amateurs de la Langue Française gegründet, die das Befreiungswerk der Revolution auf die Sprache übertragen sollte. Der vielleicht verhängnisvollste Irrtum, der die Menschen ins Unglück stürzte, nämlich der Mißbrauch der Wörter, der uns über die Natur der Dinge täuscht, sollte jetzt endlich beseitigt werden. Zu den Abonnenten des Journal de la Langue Française, das dieser Gesellschaft nahestand, gehörten auch Condorcet (MarieJean-Antoine-Nicolas de Caritat, 1743— 1794) und Robespierre. 5.2. Der linguistische Empirismus Horne Tookes und seine gesellschaftspolitischen Konsequenzen Zu einer nicht nur anthropologischen und erkenntnistheoretischen Radikalisierung des sensualistischen Standpunkts kam es in der Sprachtheorie des englischen Philosophen und Demokraten John Horne Tooke (1736— 1812 ), der eher eine Einzelerscheinung der Sprachdiskussion in seinem Land war und sich bald heftiger Kritik ausgesetzt sah. In Gegenposition zu der Sprachtheorie Harris’ und Monboddos (vgl. 4.5.) führt Horne Tooke einen zugespitzten Nominalismus ein, den er außerdem mit ethisch-politischen Aussagen verbindet. Die Rekonstruktion der ursprünglichen Bedeutung der Wörter durch die Untersuchung ihrer historischen Überlieferung in den Sprachen ermöglicht es nach Tooke zu zeigen, daß auch abstrakte Wörter auf Bezeichnungen sinnlicher Wahrnehmungen der gegenständlichen Welt zurückgehen. — Als Gegner des konservativen Establishment und Anhänger der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung war Horne Tooke 1777 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil er in einer ›aufrührerischen‹ Schrift die englischen Soldaten des Mordes angeklagt hatte. Tooke hatte bereits damals die Gültig-
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
keit des Urteils anhand linguistischer Argumente bestritten, indem er die semantische Interpretation bestimmter Anklagepunkte diskutierte. Besonders im zweiten Teil seiner Diversions of Purley (1. Teil 1786, 2. Teil 1805) nutzt er dann die etymologische Argumentation bei der Untersuchung ethischer und juristischer Schlüsselwörter wie ‘true’, ‘right’, ‘law’ mit unmittelbar ideologischer Zielstellung. Die Etymologie ist für ihn Argument dafür, daß die Begriffe ‘Wahrheit’, ‘Gesetz’, ‘Gerechtigkeit’, ‘Ungerechtigkeit’ nur in ihrem Bezug auf konkrete menschliche Zustände bestimmt werden können. Den Begriffen des Rechts und der Moral wird somit der Bezug auf eine ewige, vom Menschen unabhängige Wahrheit abgesprochen, sie werden völlig säkularisiert und sogar historisiert. — Die Thesen Horne Tookes lösten eine Debatte aus, in die im sprachtheoretischen Bereich vor allem John Fearn (1768—1837) mit seinem Anti-Tooke (182 4—182 7) eingriff. Doch auch Dugald Stewart (1753—18 2 8) hielt die sprachtheoretischen Auffassungen von Tooke für so gefährlich, daß er selbst eine gesonderte Antwort auf sie verfaßte, in der er den Aussagewert historischer Untersuchungen über die Sprache für philosophische Zwecke bestreitet und ähnlich wie seinerzeit Harris den Bereich der empirischen Erforschung der Welt von dem der Ontologie und der Moral trennt. Um sowohl Anzeichen von Skeptizismus und Materialismus als auch eine Rückkehr zum systematischen Idealismus zu vermeiden, akzeptieren Thomas Reid (1710—1796) und Stewart die induktive Methode, schränken ihre Gültigkeit aber zugleich durch den Hinweis auf die apriorische Existenz bestimmter Kategorien ein, die unter Berufung auf den ›common sense‹ begründet werden. 5.3. Nationale Besonderheiten der Sprachdiskussion am Beispiel Spaniens Zur Differenzierung der Sprachphilosophie der Aufklärung trugen auch nationale Besonderheiten bei, die sich aus der Spezifik der Aufklärungsbewegung in den einzelnen Ländern, aber auch aus den besonderen Erfordernissen bei der Entwicklung nationaler Literatursprachen ergaben. Gerade in Spanien führte das Spannungsverhältnis zwischen der Fortführung nationaler Traditionen und den Einflüssen der europäischen Aufklärung zu sprachtheoretischen Fragestellungen, deren ideologische Brisanz sich in der Rezeption fortsetzte. Die Grenzen, die der spanischen Aufklärung durch „die unzerreißbare Macht
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des katholischen Glaubens“ (Krauss 1973, 7 f) gesetzt waren, wurden auch auf sprachtheoretischem Gebiet sichtbar und führten insbesondere bei der Behandlung des Sprachursprungs und des arbiträren Zeichencharakters zu spezifischen Lösungsversuchen und Kompromissen. So wäre es im Spanien des 18. Jahrhunderts zweifellos eine sinnlose Verwegenheit gewesen, die Sprachursprungslehre der Bibel prinzipiell anzugreifen. Auch auf dieser Basis kam es jedoch zur Diskussion sprachtheoretischer Fragestellungen, die säkularisierte weltanschauliche Positionen sichtbar werden lassen (vgl. Lázaro Carreter 1985, 65 ff). Die Erklärung des Ursprungs der menschlichen Sprache tritt dabei hinter Überlegungen zu ihren funktionellen Eigenschaften zurück (z. B. bei Feijoo), oder die Perspektive wird unter Hervorkehrung nationaler Gesichtspunkte auf die Herkunft und Entwicklung des Spanischen verkürzt (z. B. bei Martin Sarmiento). Die relativ späte Rezeption des Lockeschen Sensualismus in Spanien bedingt allerdings auch, daß er von Anfang an durch Einflüsse des konsequenteren, insbesondere auch sprachtheoretisch weiter ausgearbeiteten Sensualismus Condillacscher Prägung überlagert war. Der Rezeption einer Sprachtheorie, die den Zeichen der Lautsprache eine zentrale Rolle bei der Erklärung der höheren Denkprozesse beimißt, kam entgegen, daß ein qualitativer Unterschied zwischen den ursprünglichen (natürlichen) und den arbiträren Zeichen in der spanischen Sprachdiskussion bereits mehrfach festgestellt worden war. Der Hintergrund dieser Feststellung war allerdings die Notwendigkeit gewesen, zwischen den natürlichen Wörtern der Ursprache und den arbiträren Zeichen der historisch überlieferten Sprachen zu unterscheiden. Als Besonderheit kam außerdem hinzu, daß die Grammatik und die Logik von Port-Royal in Spanien weitgehend unberücksichtigt geblieben waren, obwohl der spanische Grammatiker des 16. Jahrhunderts Francisco Sanchez de las Brozas (Sanctius, 152 3— 1600) zu den wichtigsten Quellen des grammatischen Rationalismus gehört hatte. Die zeitliche Verkürzung in der aufeinanderfolgenden Rezeption des Sensualismus Lockescher, Condillacscher und ›ideologischer‹ (vgl. 5.4.) Prägung sowie die um etwa ein Jahrhundert verzögerte Aufnahme der rationalistischen Sprachtheorie von Port-Royal führte in Spanien zu einem Nebeneinander und zur Verflechtung verschiedenartiger Ansätze und Positionen. So folgte Jovellanos in seiner
142
Trennung der sinnlichen Erkenntnis von den höheren Denkprozessen dem Lockeschen Dualismus von Sensation und Reflexion und begründete seine Notwendigkeit unter dem Eindruck der inzwischen erfolgten Weiterentwicklung des Sensualismus sogar ausdrücklich mit der Unteilbarkeit, Unkörperlichkeit und Unveränderlichkeit der Seele. Demgegenüber schloß er sich in methodologischer Hinsicht Condillac an und erklärte die analytische Methode zum einzig möglichen Weg der Wahrheitsfindung und der Vermittlung der Wissenschaften. — In einem in dieser Traditionslinie stehenden Werk von Ramón Campos (gest. 1808) (El don de la palabra en órden a las lenguas y al exercicio del pensamiento, 1804) kommt es sogar zu einer Radikalisierung der These von einer konstitutiven Rolle der Sprache für das Denken. Campos attakkiert Condillacs Bestimmung der Identität der menschlichen Persönlichkeit als ein SichEmpfinden mit sprachtheoretischen Argumenten und wirft ihm Inkonsequenz in der Anwendung des sensualistischen Prinzips vor. Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, das menschliche Denken sei von Natur aus nicht zur Abstraktion und Verallgemeinerung fähig, da es immer an irgendwelche sinnlichen Eindrücke gebunden sei. Auch die Bedeutungen der Pronomen (‘yo’ [ich], ‘tú’ [du] etc.) seien Abstraktionen, nämlich aus den möglichen Handlungsträgern der Verben entstanden. Das Wesen des Menschen als vernunftbegabter und moralisch Handelnder bestehe demgegenüber in einer Menge für ihn charakteristischer Instinkte. — Zu völlig entgegengesetzten Schlußfolgerungen kommt Padre Lorenzo Hervás y Panduro (1735—1809), dessen Werke sich als philosophische Zurückweisung, aber auch als empirische Fortsetzung und Bestätigung der Sprachphilosophie der Aufklärung ansehen lassen. Der ehemalige Jesuit und Gegner des ›siglo tenebroso‹ der Aufklärung betrachtet den Zusammenhang zwischen Zeichen und Ideen analog zum Verhältnis von Körper und Geist. Während die psychogenetische Erklärung der gemeinsamen Entstehung von Sprache und Denken in ihren weltanschaulichen Konsequenzen nicht mit Hervás’ Absicht vereinbar ist, erweist sich die funktionelle Bestimmung des Wechselverhältnisses von Besonderheiten in Sprache und Denken der Völker als durchaus nutzbar. Eben diese Wechselbeziehung ist auch die Grundlage für Hervás’ berühmten Catálogo de las lenguas de las naciones conocidas (1800—1805), der eine Art Fortsetzung
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seines anthropologischen Werkes unter dem besonderen Gesichtspunkt der Verschiedenheit der Sprachen und Völker, ihrer Kultur und Geschichte ist. Die anthropologische, in der Tradition der Aufklärung stehende Zielstellung des Catalogo bringt Hervás selbst zum Ausdruck, wenn er die Sprachen zum geeignetsten Kriterium für die Klassifizierung der Völker erklärt. Wie bereits Fernando Lázaro Carreter (1985, 12 3) feststellte, wollte Hervás mit seinem monumentalen Werk jedoch nachweisen, daß die Vielfalt der Sprachen nur durch übernatürliches Eingreifen erklärbar ist. Ein Werk, das noch heute mitunter zu den unmittelbaren Vorläufern der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft gezählt wird, entstand somit aus der Überzeugung vom göttlichen Sprachursprung und der Sprachverwirrung von Babel. 5.4. Der Beitrag der ›Ideologen‹ zur Fortsetzung und zum Vergessen der Sprachphilosophie der Aufklärung Gegen Ende des 18. Jh. hatte die Kritik an sprachphilosophischen Positionen der Aufklärung bereits ein Ausmaß erreicht, das ihre unmodifizierte Fortsetzung in Frage stellen konnte. Insbesondere in der Nachfolge der Französischen Revolution war es zu einer Veränderung der Bedingungen gekommen, in die sich auch die anthropologischen, erkenntnistheoretischen und politischen Implikationen sprachtheoretischer Thesen neu einordneten. Für Frankreich selbst, wegen ihrer Wirkung und Ausstrahlung im 19. Jahrhundert jedoch auch für andere europäische Länder und Lateinamerika, kommt dabei den ›Ideologen‹ eine wichtige Rolle zu (vgl. Rikken 1984, 2 50 ff; Haßler 1984, 85 ff; Schlieben-Lange 1984, 18 ff; Busse/Trabant 1986, 19 ff). Diese in sich sehr differenzierte Gruppe von Philosophen, Psychologen, Grammatikern, Pädagogen und Medizinern, die besonders zwischen 1795 und 1802 in Frankreich über maßgeblichen Einfluß verfügte, hatte sich das Ziel gestellt, eine umfassend verstandene Wissenschaft vom Menschen zu schaffen, wobei der Problematik des sprachlichen Zeichens eine integrative Funktion zukam. Bestand unter den Ideologen weitgehende Übereinstimmung in der Anerkennung einer Erkenntnisfunktion der Sprache, so blieb jedoch der Grad des Einflusses der Zeichen auf das Denken ein umstrittenes Thema. — Modifikationen der sprachphilosophischen Fragestellungen und Thesen der Aufklärung ergaben sich dabei bereits aus der veränderten
8. Sprachphilosophie in der Aufklärung
Wissenschaftsauffassung der Ideologen. Die Betonung der Beobachtung und Verarbeitung von ›faits positifs‹ mußte sich in besonderem Maße auf die Sprach- und Zeichenproblematik auswirken, die bei der Fundierung der ›Ideologie‹ als einer im naturwissenschaftlichen Sinne verstandenen exakten Wissenschaft von den Ideen eine Schlüsselstellung einnahm. Deutlich kam diese neue Funktion sprachtheoretischer Fragestellungen im Stellenwert der Einzelsprachen in den Überlegungen der Ideologen zum Ausdruck. Obwohl eine zumindest implizite Unterscheidung zwischen ‘langue’ und ‘langage’ längst nicht mehr neu war, wirkte sich das veränderte gesellschaftliche Bedürfnis nach der Untersuchung von Einzelsprachen in einer bisher nicht gekannten Hervorhebung der ›langue‹ gegenüber dem ›langage‹ aus. Auch die Frage nach der Berechtigung, von sprachlichen Universalien zu sprechen, wurde in diesem neuen Zusammenhang gestellt. Andererseits wurde gerade der Herausarbeitung sprachlicher Universalien und der Entwicklung einer Universalsprache oder Universalschrift (Pasigraphie) verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. — Zur Diskontinuität der Ideologen gegenüber der Aufklärung trug sowohl die mechanisch-materialistische Anthropologie eines Georges Cabanis (1757—1808) bei als auch Versuche, die sensualistische Philosophie von befürchteten materialistischen Tendenzen zu säubern und sie der veränderten Situation nach der Französischen Revolution anzupassen. Letzteres geschah in einigen Fällen sogar in ausdrücklicher Auseinandersetzung mit dem ›Reduktionismus‹ Condillacs und unter Rückgriff auf den Lockeschen Dualismus von Sensation und Reflexion. Joseph-Marie de Gérando (1772 —1842 ), Preisträger des von den Ideologen am Institut National ausgeschriebenen Wettbewerbs zur Bestimmung des Einflusses der Zeichen auf die Ideenbildung betont z. B. die Aufmerksamkeit (attention) und die Willenskraft (volonté) als wichtige Komponenten der inneren, von der physischen Organisation des menschlichen Körpers und den Sinneswahrnehmungen weitgehend freien Aktivität des Menschen. Der Beitrag der Sprache zur Entwicklung der höheren Denkprozesse besteht nach de Gérando vor allem in der weiteren Ausbildung der ›attention‹, jener auf innerer Aktivität beruhenden menschlichen Fähigkeit, die für ihn das einzige verläßliche Mittel zur Wahrheitsfindung darstellt (Gérando 1800, III, 2 69 f; 2 81; 191). — Die grundlegende pädagogische Mo-
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tivation der Ideologen erforderte außerdem eine Vereinheitlichung und Elementarisierung des Wissens im Interesse seiner Lehrbarkeit, in deren Ergebnis poetische, politische und utopische Züge der Aufklärungsphilosophie weitgehend ausgegrenzt wurden (vgl. Schlieben-Lange 1984, 18 ff). Die Betrachtung psychogenetischer Aspekte einer gemeinsamen Entwicklung von Sprache und Denken als ursprünglich zentraler Gegenstand der sensualistischen Sprachtheorien war zunehmend hinter klassifikatorische Gesichtspunkte und die Beobachtung des Beobachtbaren zurückgetreten. Waren die Ideologen als philosophisch und politisch identifizierbare Gruppe, als nach der rechten Zeit gekommene ›Spätaufklärer‹ im 19. Jahrhundert einer Tabuisierung ausgesetzt, so hatten sie selbst nicht unerheblich zur Umdeutung und sogar zum Vergessen bestimmter Fragestellungen der Sprachphilosophie der Aufklärung beigetragen. — Ein interessanter, bisher wenig beachteter Gesichtspunkt liegt in der Tatsache, daß die Ideologen gerade dann in anderen europäischen Ländern aktuell wurden, als ihnen die Bedingungen ihrer Wirksamkeit in Frankreich weitgehend entzogen waren. In Italien und Spanien blieb die Sprachtheorie der Ideologen noch bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einflußreich und verband sich mit Ansätzen der historisch-vergleichenden Sprachbetrachtung. — Wilhelm von Humboldt (s. Art. 2 7) äußert sich in seinen Tagebüchern über die Ideologen als Schüler Condillacs, die „unendlich viel Gewicht in die Verbindung der Begriffe mit Zeichen“ (Humboldt 1916— 1918, I, 449) legen. Gerade jene Bindung des Denkens an Sprache ging als implizite Übernahme aus der Aufklärungsphilosophie in die Sprachtheorie Humboldts ein, wurde dort jedoch nicht mehr unter dem Zeichenaspekt, sondern im Zusammenhang mit der Betrachtung der Sprache als eines organischen Ganzen problematisiert (vgl. Haßler 1986, 163 ff). Für die Berechtigung, die Aufklärung ein Jahrhundert der Sprachdiskussion zu nennen, spricht nicht nur die Tatsache, daß sprachphilosophische Argumente in so zentralen Werken wie Helvétius’ Über den Geist oder Rousseaus Abhandlung über die Ungleichheit verwendet wurden, sondern auch das weit verbreitete Aufgreifen sprachlicher Themen in historiographischen, belletristischen und naturwissenschaftlichen Texten. Ebenso wie Wörterbücher als für das 18. Jh. typische Publikationsform trugen sie zur Entwicklung des Sprachbewußtseins bei. — Auch ein so be-
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I. Raum-zeitliche Übersichten
deutender Philosoph der Aufklärung wie Immanuel Kant (172 4—1804), der sich nicht selbst mit der Sprache beschäftigt hatte und deshalb bereits von Hamann und Herder kritisiert worden war, beeinflußte mittelbar das sprachphilosophische Denken. Während Versuche wie die August Ferdinand Bernhardis (1769—182 0) und Karl Leonhard Reinholds (1758—182 3), die Erkenntnistheorie Kants unmittelbar auf die Sprache anzuwenden, widerspruchsvolle programmatische Skizzen blieben, wurden schließlich bei Humboldt die Beziehung der Sinneswahrnehmungen zum Denken und die geistige Tätigkeit selbst systematisch als sprachlich beschrieben.
6.
Literatur in Auswahl
6.1. Überblicksdarstellungen zur Sprachphilosophie der Aufklärung Droixhe 1978, La linguistique et l’appel de l’histoire. Haßler 1984, Sprachtheorien der Aufklärung. Ricken 1984, Sprache, Anthropologie, Philosophie. Ricken 1988, Sprachtheorie und Weltanschauung. Robinet 1978, Le langage à l’âge classique. Zum Vorfeld der Sprachphilosophie der Aufklärung. Rosiello 1961, Linguistica illuminista.
6.2. Zur Spezifik der Sprachphilosophie in einzelnen Ländern Aarsleff 1967, Study of Language in England. Auroux 1979 a, La sémiotique des encyclopédistes. Berezin 1979, Istorija russkogo jazykoznanija. Formigari 1984, Teorie e pratiche linguistiche nell’ Italia del Settecento. Hartung 1977, Problem des Sprachursprungs. Lázaro Carreter 1985, Ideas lingüísticas en España durante el siglo XVIII. Ricken (Hg.) 1990, Sprachtheorie und Weltanschauung. Rousseau 1986, Connaissance et langage chez Condillac.
6.3. Zur Diskussion um die Rezeption der Sprachphilosophie der Aufklärung Aarsleff 1982 a, From Locke to Saussure. Busse/Trabant (Hg.) 1986, Les Idéologues. Haßler 1986, These von der Sprachrelativität des Denkens. Schlieben-Lange 1984, Vergessen in der Sprachwissenschaftsgeschichte. Schlieben-Lange et al. 1989/91, Europäische Sprachwissenschaft um 1800. 2 Bde. Trabant 1986, Apeliotes. Humboldts Sprach-Bild.
Gerda Haßler, Halle (Deutschland)
9. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.
Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert Erklärung des Titels Der philosophiegeschichtliche Rahmen für die Darstellung Die Interdependenz von Denken und Sprache Der sprachanalytische Empirismus Denkakte und Sprechakte Die Wissenschaft vom Denken auf der Basis der Sprachwissenschaft Die monistische Sprachtheorie Die glottopsychische und glottologische Theorie Sprache ein menschliches Erzeugnis, aber keine Erfindung des Menschen Der Ursprung der Vernunft aus der Sprache Die Bedeutung der Gegensätze für die Denkund Sprachentwicklung Sprache als sekundäre Effloreszenz des Willens Das Leben der Sprache Literatur in Auswahl
1.
Erklärung des Titels
Der Titel dieses Artikels bedarf einer terminologischen Klärung. Der Ausdruck ‘historisch’ hat in der Philosophiegeschichte mehrere Bedeutungen. Er bedeutet nicht nur was vergangen ist, sondern bezieht sich besonders seit der von John Locke (1632 —1704) (s. Art. 2 2 ) im Essay Concerning Human Understanding vorgeschlagenen ›historical plain method‹ auch auf genetische, entwicklungsgeschichtliche Aspekte. Aus räumlichen Gründen beschränkt sich die Darstellung in diesem Artikel auf die deutsche Tradition dieses Denkens im 19. Jahrhundert. Daraus ergibt sich, daß in diesem Rahmen solche Theorien vorzustellen sind, die in besonderer Weise die Denk- und Sprachentwicklung zum Gegenstand hatten und in vielen Fällen zur For-
9. Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert
mulierung von Theorien der Interdependenz von Denken und Sprechen geführt haben. Obwohl es sich hierbei nicht um eine formelle oder begrifflich scharf definierte Schule handelt, erlauben der begriffliche Zusammenhang dieser Theorien und in vielen Fällen die persönlichen Beziehungen ihrer Autoren dennoch eine zusammenfassende Darstellung. Historische Orientierung ist hier so weit gefaßt, daß sich darunter die Theorien der frühen sprachkritischen Opponenten Immanuel Kants (172 4—1804), d. h. besonders die Johann Georg Hamanns (1730—1788) (s. Art. 2 5), Johann Gottfried Herders (1744—1803) (s. Art. 2 6) und Karl Leonhard Reinholds (1758—182 3), aber auch diejenigen Theorien späterer antiidealistischer Denker mit gleichfalls sprachkritischer Absicht aufführen lassen. Ebenfalls zu berücksichtigen ist die Sprachphilosophie solcher Denker, die an der gleichen Thematik arbeiteten, obwohl ihr Interesse so stark sprachwissenschaftlich und sprachpsychologisch war, daß sie zwar die Bedeutung sprachphilosophischer Überlegungen für die Erkenntnistheorie betonten, jedoch selber nicht an deren Ausarbeitung gingen. Die Thematik, die hier zu behandeln ist, reicht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zurück, erstreckt sich durch das 19. Jahrhundert und findet sich noch im 2 0. Jahrhundert etwa bei Fritz Mauthner (1849—192 3) (s. Art. 35).
2.
Der philosophiegeschichtliche Rahmen für die Darstellung
Vom Ende des 18. Jahrhunderts an wurde in Deutschland gelegentlich betont, daß das Studium der Sprache die wichtigste Aufgabe der Philosophie sei und sprachkritisches Philosophieren mit der Berücksichtigung der Sprachentwicklung den besten Aufschluß über die Denkentwicklung böte. Dieser Ansicht lag die fundamentale Annahme der Interdependenz von Denken und Sprechen zugrunde. Vertreter dieser Sprachphilosophie verstanden Geschichte im Sinne von Lockes ›historical plain method‹, die nicht Bezüge auf zeitlich frühere Theorien herstellen, sondern die Entstehung von Begriffen, in Lockes Terminologie von Ideen, freilegen wollte. Diese Theorien wurden darum auch meist im bewußten Rückblick auf die Vorarbeiten der britischen Empiristen (s. Art. 11) entwickelt. Unter ihnen fanden Francis Bacon (1561— 162 6), Locke, George Berkeley (1685—1753)
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und David Hume (1711—1776) besondere Beachtung. Sofern die historisch orientierte Sprachphilosophie in Deutschland jedoch nicht nur die Theorien der britischen Empiristen berücksichtigte, sondern auch Kants methodologischen Ansatz in Anschlag brachte, schloß sie eine bloß historische, ebenso wie eine bloß sprachwissenschaftliche oder sprachpsychologisch-genetische Betrachtung aus. Sie war deshalb nicht einseitig empiristisch in ihrer Grundtendenz, sondern schloß wesentlich transzendentale Untersuchungen ein, die sich im Sinne Kants mit den Bedingungen der Möglichkeit von Denken und Sprechen befaßten. Die heute weitverbreitete sprachphilosophische Ansicht von Sprachkritik als Grundlagendisziplin für sprachabhängige Tätigkeiten findet sich damit schon ausdrücklich in der deutschen Sprachphilosophie des 19. Jahrhunderts. Sprachkritik wurde bei Reinhold zur Grundwissenschaft, zur Philosophie der Philosophie, die anstelle der Metaphysik als philosophia prima zu fungieren hat. Wilhelm von Humboldts (1767—1835) (s. Art. 2 7) These der Relativität der Weltansichten auf Grund der verschiedenen Sprachstrukturen ihrer Sprecher bereitete grundsätzlich die Theorien der Relativität aller Begriffe vor (s. Art. 73), die von Otto Friedrich Gruppe (1804—1876), Gustav Gerber (182 0—1901), Max Müller (182 3—1900), Ludwig Noiré (182 9—1889) und anderen ausgebaut wurden. Dies fand seinen schärfsten Ausdruck im Kampf gegen den deutschen Idealismus, dem ungerechtfertigtes Schlußfolgern aus absolut genommenen Begriffen vorgeworfen wurde. Hierin zeigt sich eine metaphysikkritische Haltung, die die Annahme der Relativität aller Begriffe mit Grundpositionen der klassischen britischen Empiristen verbindet, sofern sie Metaphysik als sinnlos, da nicht verifizierbar, betrachtet. Gleichwohl hat die historisch orientierte Sprachphilosophie in Deutschland, die diese Ansicht vertrat, tiefer gegraben und einen angeblich reinen Empirismus als naiv zurückgewiesen. Desgleichen verwarf sie Positivismus und Materialismus als Spielformen der Metaphysik und damit als sinnlos. Sie bestand darauf, im Sinne Kants die Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung zu ergründen. Dabei wurde sprachkritisches Philosophieren als notwendig und radikal neuartig erklärt und als eine Revolution in der Philosophie ausgerufen. Wie die sprachanalytische Philosophie des 2 0. Jahrhunderts hoffte sie auf eine Beendigung der Streitereien in der Philosophie, sobald sich
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zeigen läßt, daß der Streit ein bloßer Wortstreit ist, sich um Scheinprobleme dreht und nicht sinnvolle Sätze zum Gegenstand hat. Anstatt jedoch Sprachkritik einseitig als destruktives Werkzeug zur Bekämpfung der Metaphysik zu sehen, wurde sprachkritisches Denken auch wesentlich bei transzendentalen Untersuchungen über die Bedingungen der Möglichkeiten der Philosophie und Wissenschaft gebraucht. Dementsprechend lassen sich die Funktionen sprachkritischer Philosophie wie folgt zusammenfassen: Sprachkritik als Erkenntniskritik zeigt die Bedingungen der Möglichkeit des Erkennens im allgemeinen und der Philosophie im besonderen auf, d. h. sie übernimmt die Aufgabe der Erkenntniskritik in ihrer transzendentalen Funktion. In ihrer negativen, destruktiven Funktion entlarvt sie sinnlose Ausdrücke und Sätze und dient zur Eliminierung der Metaphysik. In ihrer positiven Funktion begründet sie legitime Begriffe und bietet Kriterien für sinnvollen Sprachgebrauch. Durch ihre Befreiung von sinnlosen Sätzen und philosophischem Unsinn erzielt sie Heilung und bringt dem befreiten und erleichterten Philosophen Frieden und Harmonie. Das sprachphilosophische Problem, über Sprache in Sprache zu denken und über Denken in Sprache zu sprechen, wurde zwar gesehen, wurde aber meist unter ziemlich allgemein gehaltenen Verweisen auf die Interdependenz von Sprechen und Denken und die Aktualität von Kommunikation als nicht unüberwindbar betrachtet. Es wurde zur Aufgabe sprachkritischen Denkens, die normalerweise nicht reflektierten Bedingungen von Sprechen und Denken, besonders den Hintergrundcharakter der Sprache zu thematisieren. Wichtige Anstöße dafür fand die deutsche Tradition dieses Denkens in Bacon. Dann war es besonders Hamann, der das historische Apriori der Sprache herausstellte und damit bedeutende Impulse für die sprachkritische Philosophie gab. Dieselbe Thematik wurde von Herder in seiner Metakritik aufgegriffen, und Reinhold, Friedrich Heinrich Jacobi (1743—1819) und Georg Christoph Lichtenberg (1742 —1799) entwikkelten sie weiter. Eine besondere Bedeutung kommt dabei Reinhold zu, der zumeist nur Beachtung findet, insofern er den Übergang von Kant zum deutschen Idealismus geschaffen hat. Wie weit sich in den Theorien dieser und späterer sprachkritischer Denker ein Frühstadium sprachanalytischen Philosophierens entwickelt hat, ist allerdings immer noch nahezu unbekannt. Einzelne Beiträge
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zur Erhellung dieser Zusammenhänge in der europäischen Sprachphilosophie finden sich bei Sylvain Auroux (1988), Wilhelm Büttemeyer (1986) und Siegfried J. Schmidt (1968, 1971, 1976); die erste ausführliche Darstellung für den deutschen Sprachraum bei Cloeren (1967, 1971, 1972, 1988).
3.
Die Interdependenz von Denken und Sprache
Der Gedanke von der gegenseitigen Abhängigkeit von Denken und Sprechen wurde zunächst in Deutschland in kritischer Wendung gegen Kants Annahme der Unabhängigkeit der Vernunft von der Sprache entwickelt. Hamanns und Herders Beiträge zu dieser Diskussion sind bekannt. Weniger Beachtung hat Reinholds Theorie von der Reziprozität von Denken und Sprechen gefunden. Doch nahm diese Thematik bei Reinhold wie bei späteren Denkern in der historisch orientierten Sprachphilosophie eine zentrale Stelle ein und begründete weitgehend einen Traditionszusammenhang unter ihnen. Gemeinsames Interesse jedoch schloß keineswegs verschieden akzentuierte Bearbeitungen aus. Deshalb wird die Bedeutung der Denk- und Sprechakte, die von Gruppe ebenso wie von Müller und anderen erkannt und betont worden ist, hier im Blick auf Gerber dargestellt werden, während die auch schon bei Lichtenberg, Gruppe und Gerber vorhandene Praxis der Sprachanalyse zum intendierten Zweck der Destruktion metaphysischer Substanzen wie Geist, Verstand, Vernunft und Wille besonders bei Müller ins Auge gefaßt werden wird. Wie diese Gedanken der Interdependenz von Denken und Sprache, zum Teil unter Arthur Schopenhauers (1788—1860) Einfluß, zur Ausbildung von Theorien führte, die entweder ausdrücklich oder wenigstens ihrer Tendenz nach monistische Züge zeigten und Annäherungen an eine Willensmetaphysik darstellten, wird im Blick auf die Sprachphilosophie Noirés, Georg Runzes (185 2 —19 22 ), Lazarus Geigers (182 9—1870) und Julius Bahnsens (1830— 1881) dargestellt werden. Die wichtige Reflexion auf die Sprache und ihre synchrone Entstehung mit dem Denken ist ein gemeinsamer Zug in der historisch orientierten Sprachphilosophie des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Karl Wilhelm Ludwig Heyse (1797—1855) lenkte dabei die Aufmerksamkeit besonders auf den physiologisch-psychologischen Prozeß, in dem dies geschieht. Die für diese Tra-
9. Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert
dition ebenfalls typische Zurückweisung instrumentalistischer Sprachauffassungen findet bei Geiger, unabhängig von Schopenhauer, eine Ausformung, die, statt die Priorität des Denkens von der Sprache anzunehmen, zum anderen Extrem geht und, um die Wechselbeziehung von Erkenntnis und Sprache zu betonen, die Entstehung des Denkens aus der Sprache behauptet. Konstituierend für die Sprach- und Denkentwicklung ist das Denken in Gegensatzpaaren. Diese Theorie wird von Gruppe im Rückgriff auf Herder so entwickelt, daß die begrifflich-sprachliche Notwendigkeit in Gegensatzpaaren zu denken und zu sprechen betont wird. Bei Geiger findet sie sich unter Verweis auf ein ursprüngliches Gefühl für Gegensätze, das sich in der unterscheidenden Sinneswahrnehmung manifestiert. In der weiteren Entwicklung dieses Gedankens versucht Carl Abel (1837—1906) die Bedeutung der Gegensätze für die Geschichte der Sprachentstehung nutzbar zu machen. Während Abel bei seinen Ausführungen ontologische Aussagen vermeidet, verankert Bahnsen die Bedeutung von Gegensätzen in seiner Realdialektik und erläutert die wechselseitige Bedingtheit zwischen Vernunft und Sprache in seiner Willensmetaphysik. Die Ansicht, daß Sprache und Denken aus etwas ihnen Vorausgehendem entsteht, wird von Philipp Wegener (1848—1916) so ausgelegt, daß egoistische und sympathische Gefühle denk- und sprachvorgängig sind und zu rudimentärer Kommunikation führen. Wegener führt zur Erklärung Beispiele aus der Sprachwissenschaft und Psychologie an. Eine eingehendere Darstellung der Modifikationen dieser für die historisch orientierte Sprachphilosophie im Deutschland des 19. Jahrhunderts charakteristischen Themen wird im folgenden unter Berücksichtigung der besonderen Beiträge geboten, die einzelne Sprachphilosophen als Repräsentanten dieser Denktradition in Deutschland geliefert haben. — Reinhold sah in der Sprachkritik die neue philosophia prima, die als Metakritik der Vernunft grundsätzlich eine Metaphilosophie ist. Sprachkritik erhält bei ihm die Funktion der Erkenntniskritik. Wenngleich Reinhold diese Position erst am Ende seiner Laufbahn nach vierfachem Wechsel früherer Positionen bezog, so läßt sich dennoch zeigen, daß Reinhold immer noch an der Hauptaufgabe seines Lebens arbeitete, der Philosophie ein neues Fundament zu geben. Da es bislang noch keine erfolgreich durchgeführte Sprachanalyse gab, hat die Philosophie noch nicht die
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Effizienz der naturwissenschaftlichen Analyse erreicht, deren Erfolg Reinhold paradigmatisch in der chemischen Analyse verkörpert sieht. Nach Reinhold lassen sich in den Naturwissenschaften schwankende Wortbedeutungen vermeiden und Eindeutigkeit der Aussagen, sowie intersubjektive Verständigung unter den Forschern erzielen, weil ein Rekurs auf die Erfahrung möglich ist, d. h., weil Nachprüfbarkeit möglich ist, die sich letztlich auf die Evidenz des Zeugnisses der Sinne gründet. In der Philosophie jedoch ist ein solcher objektiver Bezugspunkt nicht erreichbar, da die Interdependenz von Sprache und Denken ein faktisches Apriori darstellt, das nicht unterlaufen werden kann. Obwohl Reinhold Sprachkritik als metaphysikkritische Sprachanalyse versteht, tendiert er damit nicht zum Szientismus mit positivistischer Ersetzung der Philosophie durch die Naturwissenschaften. Die Sätze der empirischen Wissenschaften sind nie absolut sicher, sondern bleiben wesentlich hypothetisch. Reinholds Interesse an der transzendentalen Fragestellung läßt ihn die Untersuchungen über die Fundamente der Erkenntnis und der Philosophie um eine Sprachkritik bereichern. Dabei verspricht er sich von der Sprachkritik eine gründlichere Erkenntnistheorie als die Kants. Als therapeutische Wirkung erwartet er die Befreiung vom Wahn der Metaphysik durch das Bewußtmachen der Relation von Denken und Sprechen. Das aber heißt für ihn näherhin, daß die Interdependenz, in der Sprache und Denken zueinander stehen, sichtbar gemacht werden muß. Damit wird die Einseitigkeit einer instrumentalistischen Sprachauffassung mit ihrer Annahme der Priorität des Denkens vor dem Sprechen (s. Art. 71) vermieden und die stets mögliche Bedrohung des Denkens durch die Sprache aufgewiesen. Die Gefahren, die dem Denken von der Sprache her drohen, sind, daß die Sprache in ihrem Hintergrundcharakter nicht reflektiert wird und die Sprache deshalb das Denken (den Intellekt) unter ihre Herrschaft bringen kann, wie Reinhold im Rückgriff auf Jacobi und letztlich auf Bacon sagt. Es erhellt daraus, daß sprachkritisches Philosophieren durchaus nicht erst seit Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39), wie oft, aber zu Unrecht behauptet, als Kampf gegen die Verhexung des Denkens durch die Sprache verstanden worden ist. Wie später etwa Rudolf Carnap (1891—1970) im logischen Positivismus oder die ›therapeutic analysts‹ der Oxford Schule, so verspricht sich schon Reinhold
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von der Sprachanalyse Befreiung von Scheinproblemen. Der Streit unter den Philosophen entfiele, wenn er nur verstanden würde als „bewußtlose Wortstreitigkeiten zwischen partikulären Sprachgebräuchen“ (Reinhold 1812 , 10). So lange aber eine solche Sprachkritik fehlt, ist kein Fortschritt in der Philosophie zu erwarten. Reinhold betrachtet Sprache als Werkzeug, als Organ der Vernunft, zugleich aber auch als die Bedingung von deren Möglichkeit, so daß der Sprache damit eine transzendentale Funktion zukommt. Die Interdependenz von Sprechen und Denken wird von Reinhold unmißverständlich formuliert: „Das Denken, als solches im Bewußtsein und seine Darstellung in demselben, das Sprechen, setzen sich daher nicht nur einander wechselseitig voraus: sondern sie gehen auch in einander über, sind nur Inund Durcheinander, was sie sind“ (Reinhold 1812 , 3).
Vom Standpunkt dieser Interdependenztheorie aus weist Reinhold wie nach ihm andere Denker dieser Tradition jede instrumentalistische Sprachauffassung zurück, die eine Priorität des Denkens vor dem Sprechen behauptet und als die wichtigsten Funktionen der Sprache ansieht, das zuvor Gedachte auszudrücken, zu speichern und zu kommunizieren. Daß aber gerade eine solche Theorie vorherrschend gewesen ist, zeigt Reinhold in einem aufschlußreichen philosophiegeschichtlichen Überblick. Reinhold „beschreibt die Eigentümlichkeit der Sprache als wesentlicher Bedingung des denkenden Vorstellens; und zeigt, daß und warum und inwieferne die Wortsprache nicht etwa nur zur Auffassung, Festhaltung und Mitteilung, sondern auch zur ursprünglichen Erzeugung, und Entwicklung der Begriffe, diese mögen dem Verstande, oder der Vernunft angehören, und in der Erfahrung, im Gewissen, oder im Philosophieren statt finden, durchaus unentbehrlich ist“ (Reinhold 1816, 14).
Die Sprache wird dementsprechend von Reinhold charakterisiert „als unentbehrlich zur ursprünglichen Erzeugung, und Entwicklung aller Begriffe ... als grundwesentliche Bedingung alles denkenden Vorstellens, und als innerlicher Bestandteil des menschlichen Erkenntnisvermögens selber“ (Reinhold 1816, 3).
Reinhold sieht „die menschliche Erkenntnis, als durch die Wortsprache bedingt und durch dieselbe sich aussprechend“ (Reinhold 1816, 2 52 ). Man ist gewohnt, diese Gedanken auf Humboldt zurückzuführen, übersieht damit aber, daß Reinhold diese Gedanken bereits 1812 und 1816 publiziert hat. Nach Reinhold
I. Raum-zeitliche Übersichten
kann die Begründung der Philosophie nicht die erste Arbeit des Philosophen sein, sondern muß die letzte Frucht philosophischer Analyse sein, die alle vorausgegangenen großen philosophischen Arbeiten zu notwendigen Voraussetzungen hat und diese kritisch reflektiert. Die Entwicklung Reinholds ist deshalb um so interessanter, als er selber erst geholfen hat, Kants Philosophie zu popularisieren und danach maßgeblich den Weg bereitet hat für den deutschen Idealismus. Dieser war es, der eine neue Welle sprachkritischen Denkens provozierte und schon zu Lebzeiten Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770—1831) in Gruppe einen scharfen Gegner der spekulativen Philosophie fand.
4.
Der sprachanalytische Empirismus
Die historisch orientierte Sprachphilosophie in Deutschland war im wesentlichen empiristisch und opponierte durchweg scharf gegen Metaphysik und Spekulation. Insofern sich in dieser Haltung Empirismus und Sprachkritik verbinden, kann Gruppe als besonders repräsentativ betrachtet werden. Immer wieder betont Gruppe, daß Philosophie nur in steter Reflexion auf ihre eigene Geschichte betrieben werden könne. Die Gründe für einen solchen zunächst rein historisch scheinenden Zugang zur Philosophie sind aber in den früher erwähnten Bedeutungen von ‘historisch’ zu finden. Philosophie tritt nur sprachlich auf. Sprache und Denken sind geschichtlich gegeben und haben eine unaufgebbare Reziprozität. Aufschlüsse über Wortbildung geben Aufschlüsse über Begriffsbildung. Begriffe werden im Urteilsakt gebildet, in dem metaphorische Übertragungen die Erkenntnis erweitern, neue Begriffe bilden und Kommunikation ermöglichen. Das Ergebnis solcher Betrachtung ist die Einsicht in den relativen Charakter von Denken und Sprechen, Begriffen und Wörtern. Gruppe nimmt in Humboldts Sinn eine Relativität der Weltansichten an, die durch die Verschiedenheit der Sprachstrukturen bedingt ist. Diese Sicht der Relativität von Denken und Sprechen lehnt jeden absoluten Gebrauch von Begriffen ab. Sie veranlaßt Gruppe zum schärfsten Angriff auf den deutschen Idealismus und alle spekulative und metaphysische Philosophie. Die Besinnung auf Sprach- und Denkgeschichte schließt absoluten Sprachgebrauch als unberechtigt aus. Unter Verwendung eines empiristischen Sinnkriteriums werden Inhalt und Verifizierbarkeit für alle sinnvollen Sätze ver-
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langt, sofern sie nicht inhaltsleere und tautologische mathematische oder logische Sätze sind, deren Wahrheit oder Falschheit auf Grund formaler Kriterien ermittelt werden können. Die Entstehung der Metaphysik wird durch Gruppe damit erklärt, daß die Philosophen seit den Zeiten der Griechen sich nicht über die Strukturen der Sprache und ihren Einfluß auf das Denken und die Logik im klaren waren. Metaphysik entsprang aus mißverstandener Sprache. Philosophen wurden die Opfer der Täuschung, die von der Sprache ausging, insofern sie z. B., wie Bacon schon betonte, an die Existenz von Dingen glaubten, die sie nur deshalb annahmen, weil sie sie als Korrelate von Wörtern und Begriffen ansahen, die bereits in der Sprache existierten. Die Sprache hat eine täuschende, verführende, autonome Kraft, die die Philosophen zur Annahme unberechtigter hypostatisierter Entitäten verführt, nur weil es gewisse Worte gibt, die diese suggerieren. Die Aufgabe der sprachkritischen Philosophie ist, diese Scheinprobleme zu erkennen, Sprachanalyse zu betreiben, die die Metaphysik beendet, den legitimen Gebrauch relativer Begriffe zu erklären und zu begründen und dem Philosophen, befreit von Scheinproblemen, die Ruhe seines Geistes zurückzugeben, seine Heilung zu erzielen. In seiner Theorie antizipiert Gruppe in oft verblüffenden Formulierungen wesentliche Züge der Philosophie sowohl des frühen wie des späten Wittgenstein.
5.
Denkakte und Sprechakte
Die grundsätzliche Annahme der Interdependenz von Denken und Sprechen ermöglicht ein besseres Verständnis der Denk- und Sprechakte, das in kritischer Stellungnahme gegen Kant erarbeitet wird. Gerber ist in seiner Theorie typisch für diese Sicht, die einen gemeinsamen Zug in der hier behandelten Sprachphilosophie darstellt. Gerber hält es für höchst unkritisch in Kants kritischer Philosophie, daß er die Rolle der Sprache für das Erkennen nicht berücksichtigt hat. Demgegenüber verlangt Gerber, die Kritik der reinen Vernunft durch eine Kritik der unreinen Vernunft, d. h. durch Sprachkritik zu ersetzen, da Denken immer nur sprachlich auftritt. Diese Ansicht schließt eine instrumentalistische Sprachauffassung aus. Anstatt Begriffsbildung als sprachunabhängig oder sprachvorgängig anzunehmen, ist sie in ihrer Interdependenz mit Wortbildung zu verstehen. Begriffsbildung ist nach Gerber ebenso Sprech-
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akt wie Denkakt. Diese Akte wiederum sind nicht absolut, sondern vollziehen sich in geschichtlichen, kulturellen und sozialen Situationen, die als außersprachliche Faktoren an der Konstitution von Bedeutung wesentlich beteiligt sind. Damit ist jeder absolute Denkund Sprachgebrauch zurückgewiesen und der spekulativen Philosophie eine grundsätzliche Absage erteilt. Gerber geht soweit, die Arbeiten Hegels und der Hegelianer für verrückt zu erklären. Er erklärt die Metaphysik für sinnlos, weil sie ohne kognitiven Inhalt sei, wobei Inhaltlichkeit im Sinne des Empirismus verstanden wird, der empirische Nachprüfbarkeit zum Kriterium für sinnvolle Aussagen macht. Was an der Metaphysik zu bewundern ist, ist nicht ihr Inhalt, sondern ihre architektonische Form. Metaphysik bietet keine neuen Erkenntnisse, sie hat jedoch ästhetischen Wert und gleicht als Poesie der Begriffe oder Begriffsdichtung anderen Kunstformen, die keine inhaltlichen Aussagen machen, aber Gefühle zum Ausdruck bringen. Gerber erklärt das Unaussprechliche nicht einfachhin als das Unvernünftige. Vieles bleibt unsagbar, was dennoch gefühlt werden und durch die Kunst, etwa in der Musik, zum Ausdruck gebracht werden kann. Was gefühlt wird, kann nicht erkannt werden. Aber daß etwas gefühlt oder geahnt wird, kann gewußt werden und etwa vom empirischen Psychologen studiert werden. Gerber stellt die Metaphysik auf die Stufe von mythologischen Allegorien, die er selber für die Produkte einer kranken Sprache ansieht. Gerber folgt hierin Müller und Herbert Spencer (182 0—1903). Diese Krankheit der Sprache affiziert die spekulativen Philosophen in einem so hohen Grade, daß Hegel und die Hegelianer mit den Insassen eines Irrenhauses verglichen werden. Da Erkenntnis immer sprachlich vermittelt und damit relativ ist, verbietet sich jeder absolute Sprachgebrauch wie etwa der von ‘Nichts’ als sinnlos. Die Interdependenz von Denken und Sprechen, Gerber spricht von einem Gesetz der Wechselwirkung, schließt damit auch jede rein instrumentalistische Sprachauffassung aus. Denken und Sprechen sind synchrone Elemente. Gleichwohl weiß Gerber, von Bacons Idolenlehre beeinflußt, um die negative Wirkung, die die Sprache auf das Erkennen ausüben kann: Usus tyrannus. In der Politik, ebenso wie in der Religion und der Philosophie, kann der Sprachgebrauch der verschiedenen Parteien, Kirchen oder Schulen zu heftigen Kämpfen führen, die nicht immer nur leere Wortstreite bleiben, sondern oft zu blu-
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tigen Kämpfen führen. Sprachkritik ist nötig, um hier zu befreien und den Frieden herzustellen. — Gerber steht damit im Zusammenhang von Theorien, die sich von Reinhold über Gruppe weiter bis zu Mauthner, zum logischen Empirismus und zur analytischen Philosophie im 2 0. Jahrhundert verfolgen lassen. — Sprachkritisches Denken zeigt aber auch, daß es nicht die Sprache schlechthin gibt, sondern daß es sehr verschiedene Sprachen gibt wie eine Geschäftssprache, eine Sprache der Wissenschaften, eine Sprache der Höflichkeit und eine Sprache des Rechts. Das Kriterium dieser Sprachen ist ihre Effizienz. Das heißt, daß diese Sprachen nicht notwendigerweise etwas aussagen, sondern etwas leisten, d. h. im heutigen Sprachgebrauch performativ sind. Die Sprache hat, bzw. die Sprachen haben folglich auch nicht-kognitive Funktionen. Dieses Thema ist heute besonders im ethischen Non-Kognitivismus aktuell. Die Effizienz der sprachlichen Kommunikation beruht nicht, wie etwa die formalen Analytiker anstreben, auf präzise definierten Begriffen/Wörtern. In seiner Bacon, Lichtenberg und Gruppe verwandten anti-definitorischen Haltung weist Gerber vielmehr das Postulat nach solcher Präzision und Eindeutigkeit ab. Die phänomenologische Beschreibung des aktuellen Sprachgebrauchs deutet nämlich auf ein relativ präzises Verständnis und auf überlappende Bedeutungsgebiete von Wörtern und Begriffen. Hierin ist Gerber ein Vorläufer des späten Wittgenstein. Gerber betont immer wieder, wie vor ihm besonders auch Gruppe, die grundsätzliche Bedeutung, die Kontext und Sprechsituationen im Zusammenhang mit der kulturellen Tradition der Sprecher für die Konstitution von sinnvollen Sätzen und erfolgreicher Kommunikation haben. Mit solchen Überlegungen steht Gerber im Lager der nicht-formalen Analytiker (s. Art. 60), die hier von den formalen Analytiker (s. Art. 59) von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 2 3) über Gottlob Frege (1848—192 5) (s. Art. 34) zu Bertrand Russell (1872 —1970) und Carnap zu unterscheiden sind. Wenngleich Gerber idealistische Spekulation und Metaphysik als kognitiv sinnlos zurückweist, so glaubt er dennoch an den Fortbestand der Metaphysik. Sie ist zusammen mit Mythologie für die Sprache selbst kennzeichnend und entspringt einem tief verwurzelten menschlichen Bedürfnis nach Vollständigkeit der Erkenntnis. Während Kant dieses als eine Naturanlage der Vernunft ansah, verankert Gerber diese Sehnsucht nach Vollständigkeit im
I. Raum-zeitliche Übersichten
Gefühl. Gerber spricht von der Bildekraft des Universums und der Bildekraft der Seele, die den Erkenntnisprozeß initiieren. Das heißt, daß nicht-rationale oder vorrationale Gefühle Willensimpulse auslösen, die zu sprachlich und begrifflich artikulierter Erkenntnis führen. Schopenhauers Einfluß ist hierin zu verspüren. Doch lehnt Gerber Schopenhauers Hypostatisierung des Willens strikt ab. Für Gerber sind die Bildekraft des Universums und die Bildekraft der Seele nicht transzendente Entitäten, sondern transzendentale Funktionen. Insofern sie den Erkenntnisprozeß einleiten, sind sie Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis. Letzten Endes aber bleibt Gerbers Versuch, dem Willen keine ontologische, sondern nur eine transzendentale, erkenntnistheoretische Funktion zuzuweisen, fragwürdig. Gerber steht damit denselben Problemen gegenüber, auf die auch die anderen Sprachdenker stoßen, die eine vorrationale Basis für Denken und Sprechen in irgendwelchen Gefühlen suchen.
6.
Die Wissenschaft vom Denken auf der Basis der Sprachwissenschaft
Innerhalb der hier besprochenen Tradition verlagerte sich das sprachphilosophische Interesse von der Erkenntnistheorie mehr zur Sprachwissenschaft und Sprachpsychologie. Die Theorie Müllers, der in Oxford lehrte, charakterisiert die Verbindung von Sprachwissenschaft und sprachphilosophischem Interesse in besonderer Weise. In der Sprachwissenschaft sieht er die Basis für eine Wissenschaft vom Denken, insofern sich die entwicklungsgeschichtlichen Aspekte von Denken und Sprechen in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit gegenseitig erhellen. In Anlehnung an Bacons Warnung vor der Macht der Sprache über das Denken spricht Müller vom unwiderstehlichen Charme der Sprache, demzufolge nomina zu numina werden. Demgegenüber wendet er Sprachanalyse an, um metaphysische Substanzen zu entlarven. Seine Analyse von ‘Vernunft’ und ‘Gedächtnis’ ist ein gutes Beispiel. Es gibt weder eine Substanz ›Vernunft‹ noch eine Substanz ›Gedächtnis‹, die Träger der Aktivitäten des Denkens oder Erinnerns wären. Eine gewisse Kontinuität dieser Aktivitäten genügt, sie mit den zusammenfassenden und abkürzenden Ausdrücken ‘Vernunft’ und ‘Gedächtnis’ zu benennen. Die Sprache verführt dazu, eine Substanz anzunehmen, die den existierenden Substantiven
9. Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert
entspreche. Es gilt jedoch, diese irreführenden metaphysischen/mythologischen Begriffe durch Ausdrücke zu ersetzen, die wir heute im Anschluß an Gilbert Ryle (1900—1976) ‘dispositional terms’ nennen. In der empiristischen Destruktion metaphysischer Substanzen steht Müller in besonderer gedanklicher Verbindung mit Hume und Lichtenberg und später mit Ernst Mach (1838—1916), Russell, Mauthner, Ryle und John Langshaw Austin (1911—1960), die alle zwar Denktätigkeiten betonen, aber ein dahinterstehendes metaphysisches Subjekt als Träger solcher Akte für überflüssig erklären. Müller betrachtet solche metaphysischen Entitäten als mythologisch und als eine Krankheit der Sprache. Gleichwohl sieht er das mythologische Denkstadium in der intellektuellen Entwicklung der Menschheit als unvermeidlich an. Obwohl er mit der Annahme solcher Stadien, die schließlich zu wissenschaftlichem Denken führen, in die Nähe Auguste Comtes (1798— 1857) rückt, lehnt Müller Positivismus ebenso wie Materialismus und Idealismus ab und nimmt eine Position ein, die die Philosophie als eine analytische Tätigkeit begreift. Die Aufgabe dieser analytischen Tätigkeit ist, einen gesunden Sprachgebrauch herbeizuführen. Die Durchführung von Sprachanalyse beendet in Müllers Sicht nicht nur mythologisches Denken, von dem sie befreit, sie übernimmt auch die Aufgabe der Erkenntnistheorie und wird in dieser Funktion zur philosophia prima und ultima philosophia. Am Ende dieser analytischen Tätigkeit steht das Ende der Philosophie selber, wenn dieses auch nicht in der nahen Zukunft zu erwarten ist. Der Grund, weshalb Sprachanalyse Erkenntnistheorie sein kann, liegt in der Interdependenz und letztlich in der Identität von Denken und Sprechen, die die Griechen mit dem Ausdruck λόγος bezeichneten. Müller betont, daß seine ›Science of Thought‹ auf seiner ›Science of Language‹ basiere. Intellekt, Geist, Vernunft haben keine absolute, selbständige Existenz, sie existieren nur in sprachlicher Manifestation, in speziellen sprachlichen Testimonia. Da Denken und Sprechen interdependent sind, ist ein methodischer Zugang zum Denken durch eine Analyse der Sprache möglich, deren historische Manifestationen sich empirisch studieren lassen. Die wahre Geschichte des menschlichen Geistes ist deshalb die Sprachgeschichte. Tote Sprachen sind Petrifakte früherer Entwicklungsstufen. Sorgfältige Analyse kann die Zellen des Denkens in den Sprachwurzeln freilegen. Der Ursprung und die Entwicklung der Begriffe und allen
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Denkens werden zu Gegenständen eines historischen Studiums, das auf Fakten, den Fakten der Sprache beruht. Da ‘historisch’ hier besonders ‘entwicklungsgeschichtlich’ bedeutet, kann Müller diese Untersuchungen auch als naturwissenschaftliche Studien ansehen. Sprachgeschichte wird zur Autobiographie des menschlichen Geistes erklärt. In jeder Sprache liegt eine versteinerte Philosophie. Jede Sprache ist eine Schicht in der Entwicklung des Denkens, die es sorgfältig zu erforschen gilt. Die Sprachwissenschaft öffnet Steinbrüche des Denkens, in denen die verschiedenen Schichten der Entwicklung sichtbar werden. Im Einklang mit seiner Erwartung des Endes der Philosophie erklärt Müller die Sprachwissenschaft für eine Naturwissenschaft. Die Metaphern, die er aus der Geologie und Biologie entlehnt, unterstreichen dies. Wortbildung, genauer die Bildung sprachlicher Wurzeln sind für Müller identisch mit Begriffsbildung. Eine etymologische Wortanalyse ist darum zugleich Bedeutungsanalyse von Begriffen. Dementsprechend sieht er die Geschichte eines Wortes als dessen beste Definition an. Sprache bleibt ein historisches Apriori für den Menschen. Es gibt keinen sprachfreien oder sprachunabhängigen Standpunkt für das Erkennen, das damit wesentlich relativ bleibt. Wir bleiben Sklaven der Sprache. Die gegenseitige Abhängigkeit von Denken und Sprechen verbietet jeden absoluten Gebrauch von Worten und Begriffen und schließt damit die spekulative Philosophie und Metaphysik aus. Nicht einmal Sprachanalyse kann darum ein für allemal völlige Heilung bringen, sie muß vielmehr eine lebenslange, therapeutische Tätigkeit bleiben: aegri mortales. Müller rückt in seiner Sprachphilosophie scharf von der Metaphysik ab, deren Probleme für ihn bloße Scheinprobleme sind. Doch führt ihn sein erkenntnistheoretisches Interesse von der Sprachpsychologie zur Sprachwissenschaft hin. Für ihn ist die Frage nicht, was der Geist oder das Ich sind, sondern was man geistige oder rationale Akte oder Ereignisse nennen kann. Anstatt über metaphysische Substanzen zu sprechen, beschreibt Müller die Funktion von Ausdrükken, die heute ‘dispositional terms’ genannt werden.
7.
Die monistische Sprachtheorie
Die monistische Sprachtheorie zeigt besonderes sprachpsychologisches Interesse. Wie sehr darin sprachkritisches und monistisches
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Denken historisch orientiert ist, geht aus Noirés Bemerkung hervor, nach der die Wissenschaften erst dann wirklich wissenschaftlich geworden sind, als sie sich von Spekulation und apriorischem Denken entfernt haben und historisch geworden sind. Noiré meint damit, daß die Wissenschaften begonnen haben, ihre Aufmerksamkeit auf die entwicklungsgeschichtlichen Aspekte und den Prozeßcharakter ihrer Gegenstände zu richten. Der erfolglosen spekulativen Philosophie stellt er als Beispiele für erfolgreiche Wissenschaften die Naturwissenschaften, die Sprachwissenschaften, Jurisprudenz, Ökonomie, Philologie, Archäologie und Psychologie gegenüber. In Übereinstimmung mit Müller sieht er voraus, daß die Philosophie der Zukunft Sprachphilosophie sein wird. Noiré sieht Sprache und Denken als untrennbar, spricht von alternierenden Wirkungen und lehnt die Annahme der Unabhängigkeit des Denkens vom Sprechen als einen weit verbreiteten Irrtum ab. Seine Interdependenztheorie von Denken und Sprechen steht im erklärten Widerspruch zu instrumentalistischen Sprachauffassungen, die Denken für unabhängig von der Sprache erklären und Sprache als bloßes Instrument betrachten, zuvor Erkanntes im Gedächtnis zu speichern, auszudrücken und anderen mitzuteilen. In dieser kritischen Stellung erblickt Noiré, wie andere Denker in dieser frühen sprachanalytischen Tradition, eine Revolution in der Erkenntnistheorie. Da Sprache und Denken wesentlich aufeinander bezogen sind, sind sie beide wesentlich relativ. Damit kann es keine absolut sichere Erkenntnis geben und jeder absolute Wortgebrauch ist illegitim. In scharfen Angriffen wendet er sich gegen die Abstraktionsdichtung und den sinnlosen Sprachgebrauch der idealistischen Philosophen, den Baader-Schelling Unsinn und den spekulativen Schwindel, der mit Ausdrücken wie ‘reines Sein’ und ‘das Absolute’ betrieben wird. In Noirés Sicht führen die spekulativen Philosophen einen mystischen Eiertanz auf. Hegels Philosophie ist ihm voll von Hirngespinsten und die Absurditäten der Hegelianer hält er für denselben Unsinn wie den, den die Insassen eines Irrenhauses produzieren. In Übereinstimmung mit anderen hier behandelten Denkern wirft Noiré den spekulativen Philosophen insbesondere vor, daß sie keine Aufmerksamkeit auf die Begriffsbildung richteten, Worte und Begriffe als vorhanden und statisch verstanden und somit darüber hinwegsahen, welche Rolle die Sprache für das Denken und die Begriffsbildung
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spielt und wie sie eine verführerische Gewalt hat, die zu Scheinproblemen führen kann. Für Noiré gibt es kein absolutes Erkenntnisvermögen, das Sinneseindrücke in Gedanken umformen und dann sprachlich zum Ausdruck bringen könnte. Die Sprache ist bereits beim Erkenntnisprozeß beteiligt. Noiré knüpft damit, wie andere deutsche Sprachphilosophen in dieser Tradition, an Bacon an, wenn er auf den Hintergrundcharakter der Sprache aufmerksam macht. Seine Sicht von der Relation von Denken und Sprache sieht er am kürzesten durch das griechische λόγος ausgedrückt. Noiré würdigt Schopenhauers Angriff auf die Illusion, daß die Erkenntnis Priorität vor dem Willen besitze, lehnt aber die metaphysischen Aspekte in Schopenhauers Theorie des Willens ab. Noiré, der klare Züge analytischen Denkens aufweist, ist sichtlich beeinflußt von monistischen Gedanken, die auf ihn wie andere Denker, die die Dualität von Denken und Sprechen hinterfragen wollen, eine starke Anziehung ausüben. Das zeigt sich etwa darin, wie er mit dem Zirkelproblem umgeht, das mit der Annahme der Interdependenz von Denken und Sprechen auftritt. Ein Ausbrechen aus dem Zirkel — Sprache, darum Vernunft; Vernunft, darum Sprache — ist nur im Rückgang auf etwas möglich, das beiden vorausgeht. Aus diesem Grunde lehnt Noiré es ab, im Streit darüber, ob die Sprache aus der Vernunft oder, wie Geiger lehrte, die Vernunft aus der Sprache entstanden sei, Position zu beziehen. Er betrachtet diese Fragestellung selbst als falsch gestellt und müßig. Noiré verteidigt Geiger allerdings mit dem Hinweis darauf, daß die Annahme, die Sprache sei vom Menschen bewußt und absichtlich hervorgebracht worden, abzulehnen sei und billigt Geiger zu, daß er der Deutlichkeit halber seine Gegenthese so habe zuspitzen müssen, daß sie geradezu paradox erschien. Was Geiger wirklich herausstellen wollte, war, wie Noiré betont, die Korrelation von Denken und Sprechen. Noiré findet in einer monistischen Willenstheorie die Möglichkeit, die Dualität von Denken und Sprechen auf eine gemeinsame Wurzel, den Willen, zurückzuführen und sie daraus zu erklären. Bei diesem Versuch jedoch zeigt er sowohl Übereinstimmung mit Schopenhauer, sowie Distanz zu ihm. Schopenhauer bietet Noiré sozusagen im Willen ein Letztes, auf das sich Denken und Sprechen reduzieren lassen. Doch kann man annehmen, daß es Kants Einfluß ist, der Noiré davor bewahrt, diese monistische Theorie als ontologische Position
9. Historisch orientierte Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert
zu behaupten. Stattdessen argumentiert er energisch, daß der Wille für ihn keine metaphysische Substanz ist, sondern nur die fundamentale epistemische Funktion hat, durch Handlungsimpulse zu Erkennen und Sprache zu führen. D. h., der Wille ist als transzendental anzusehen, wenn Noiré auch davor zurückscheut, den Terminus ‘transzendental’ zu gebrauchen. Der Wille, obwohl er die Bedingung der Möglichkeit von Denken und Sprechen in ihrer historischen und dynamischen Natur ist, ist selber keine metaphysische Entität. Noiré macht damit einen kühnen Versuch, kantisches und schopenhauerisches Denken in seiner Sprachphilosophie zu verbinden, ein Versuch, der auch von Runze unternommen wurde. Gleichwohl gebraucht Noiré so oft Formulierungen, die dem Willen letzte Qualitäten zusprechen und in ihm den Urgrund der Realität sehen, daß es schwerfällt, ihm zu glauben, dies alles sei nur transzendental zu verstehen und er könne alle ontologischen Bindungen vermeiden. Bahnsen bekannte sich seinerseits konsequenterweise zu einer Willensmetaphysik und Realdialektik, die nicht nur epistemologische Bedeutung hatten, sondern auch ontologische Positionen waren.
8.
Die glottopsychische und glottologische Theorie
Sprachpsychologische Untersuchungen sind in Gefahr psychologistisch zu werden. Innerhalb der hier beschriebenen Tradition jedoch finden sich methodologisch reflektierte Studien, die dies vermeiden, wie besonders bei Runze sichtbar wird. Runze beruft sich auf Hamann, Müller und andere frühe sprachkritische Denker, um jede Annahme der Unabhängigkeit des Denkens von der Sprache zurückzuweisen. Sprache ist nie bloßes Instrument zum Ausdrücken von zuvor Erkanntem, sie ist vielmehr oft causa cognoscendi. Sprache ist ein historisches Apriori für das Denken. Denken tritt immer nur in einer bereits bestehenden Sprache auf, so daß die Begriffe des Denkens auf ihre sprachgeschichtliche Entstehung untersucht werden müssen. In Übereinstimmung mit dieser Denkrichtung betont Runze deshalb eine sprachgeschichtliche Untersuchung der Begriffe und empfiehlt eine sprachpsychologische Methode zur Erhellung der Begriffsbildung. Dies Verfahren ist im mehrfach erläuterten Sinn historisch, als es genetische Erklä-
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rungen anstrebt. Wenn Runze aber seine eigene Methode ‘sprachpsychologisch’ nennt, so bewahrt ihn doch Kants Einfluß davor, dem Psychologismus zu verfallen. Sprachkritische Erkenntnistheorie nämlich wird bei ihm zur Grundwissenschaft. Damit aber nimmt sie in Kants Sinn transzendentale Aufgaben wahr, von denen empirische Probleme in der Psychologie zu unterscheiden sind, mit denen sie allerdings auch zu tun hat. Runze hat von Kant gelernt, daß Untersuchungen, sofern sie sich auf transzendentale Bedingungen der Erkenntnis beziehen, nicht wissenschaftliche, d. h. empirische Untersuchungen sein können, da sie freizulegen suchen, was jeder Einzelerfahrung voraus bzw. zugrunde liegt. Über Kant hinausgehend, dessen Ignorieren des apriorischen Charakters der Sprache Runze als seine Achillesferse ansieht, betont er, daß wissenschaftliche Fragen selber bereits sprachlich geprägt sind. Die Sprache beeinflußt sowohl die Formulierung von Problemen wie deren Lösungen. Runze, selber Autor einer Metaphysik, versteht unter Metaphysik aber keine Wissenschaft, die sich mit erfahrungsjenseitigen, transzendenten Entitäten beschäftigt, sondern eine analytische Tätigkeit, die die Aufgabe hat, die allgemeinsten Begriffe zu klären und das Problem der Relation von Denken und Sein zu untersuchen. Soweit sich die Relativität des Denkens und Sprechens empirisch studieren läßt, ist sie ein wissenschaftlicher Gegenstand. Sofern sie jedoch wiederum jeder wissenschaftlichen Fragestellung und jeder Konstatierung von Fakten vorausgeht, ist sie nur als transzendental zu verstehen. Runze sieht durchaus die Attraktivität einer monistischen Position, die die Dualität von Denken und Sprechen auf einen gemeinsamen Ursprung reduziert. Darin gleicht er Noiré. Er unterscheidet sich von ihm dadurch, daß er nicht völlig der monistischen Versuchung erliegt, wenn er auch davon überzeugt ist, daß die Erkenntnistheorie zu einer monistischen Weltsicht fortschreiten wird. Zur Erklärung muß hier hinzugefügt werden, daß Runze den Monismus nur als metaphysische Position zurückweist, ihn aber als das Resultat einer psychologischen und erkenntnistheoretischen Sprachkritik annimmt. Der Monismus, den er von Schopenhauer beeinflußt akzeptiert, ist, wie er immer wieder behauptet, nur methodischer Art. Statt dogmatisch zu werden, bleibt Runze seiner sprachkritischen Überzeugung treu und spricht seiner eigenen Theorie konsequenterweise nur eine probeweise Bedeutung zu; sie
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ist nur ein dialektischer Versuch. Dementsprechend ist sein Monismus, in dem er Sprache und Denken auf den Willen zurückführt, ein epistemologischer Versuch und keine metaphysische Lehre. Der erkenntnistheoretische Monismus ist als ein Versuch zu verstehen, Materialismus und Idealismus zu vereinen. Doch darf auch ein glottopsychisch und glottologisch begründeter Dualismus beibehalten werden, da auch er einen relativen Nutzen hat. Er muß nur dann aufgegeben werden, wenn er keine brauchbare erkenntnistheoretische oder sprachliche Funktion mehr hat. Monismus wie Dualismus sind für Runze gewisse Sichtweisen der Welt, die aber keinen Anspruch darauf erheben dürfen, ein logisch oder metaphysisch korrektes Spiegelbild der Realität zu sein. Die epistemologische Vorsicht, die ihn metaphysische Bindungen im traditionellen Sinn vermeiden läßt, bewahrt Runze auch vor Szientismus und Materialismus. Positivismus und Materialismus sind für ihn nur verschiedene Formen willkürlicher Spekulation. Ein angeblich reiner Empirismus erscheint ihm als naiv, weil eine solche Position übersieht, daß es keine neutralen, objektiven Daten und Fakten gibt, auf die man sich als festen Ausgangspunkt beziehen könnte. Wissenschaftliche Erkenntnis ist immer hypothetisch und vorläufig. Einerseits gibt es nämlich nie genug Material für eine vollständige Induktion, andererseits kann man nie zu absolut sicheren und definitiven Resultaten gelangen, weil das vorhandene Material, zu dem immer neue Erfahrungsdaten hinzukommen, zu reichhaltig und dynamisch ist. Zwar gibt es feste Begriffspaare wie ‘Subjekt und Objekt’, ‘Geist und Materie’, αἴσθησις und αἴσθημα, αἴσθησις und νόησις, die unverrückbare Gegensätze darstellen, aber diese sind nicht ontologisch begründet, sondern sind, wie Runze mit Nachdruck herausstellt, sprachlicher Natur. Statt also diese Differenzen als ontologische zu behaupten, macht er vielmehr auf die Unaufgebbarkeit von analoger sprachlicher Differenzierung aufmerksam. ‘Subjekt und Objekt’, ‘aktiv und passiv’, ‘Welt und Ich’, ‘φύσις und ψυχή’ können beibehalten werden, wenn sie als sprachliche Gegensätze verstanden werden, die für Denken und Sprache notwendig sind. Runze führt damit ein Thema fort, das bei Gruppe große Aufmerksamkeit gefunden hat, sich zuvor schon bei Herder und Rousseau, sowie in verschiedenen Formen bei Abel und Bahnsen findet. Scheinprobleme entstehen, wenn diese sprachliche Notwendigkeit, in Ge-
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gensatzpaaren zu denken, zur Illusion führt, daß die Realität selber dualistisch sei. — In diesem Punkt unterscheidet sich Runzes Theorie von derjenigen Bahnsens. — Sprachkritisches Philosophieren kann vor solchen Täuschungen bewahren oder, wenn man ihnen zum Opfer gefallen ist, von ihnen wieder analytisch befreien. Philosophie in ihrer analytischen Funktion hat darum auch eine therapeutische, heilende Kraft und verhilft dem Philosophen zur Ruhe und Lebensharmonie. Dies Thema wird in Varianten bei Bahnsen und Wegener wieder aufgenommen.
9.
Sprache, ein menschliches Erzeugnis, aber keine Erfindung des Menschen
Die historisch orientierte Sprachphilosophie sah Sprache nicht als eine Erfindung des Menschen an, wenngleich sie sie als ein menschliches Erzeugnis betrachtete. In seinem System der Sprachwissenschaft versucht Heyse dies zu erläutern. Obwohl uns Sprache immer schon erfahrungsmäßig gegeben ist, bleibt sie meist unreflektiert. „Wir denken, ohne uns dabei zugleich der Gesetze des Denkens bewußt zu sein; wir sprechen, ohne uns der Sprachgesetze bewußt zu sein. Diese Tätigkeit also, obwohl Tätigkeit des selbstbewußten Geistes, ist selbst nur eine unreflektierte; sie hat die Form einer natürlichen, organischen Funktion. Das Agens in ihr ... ist ein natürlicher Trieb, ein instinktmäßiges Gefühl“ (Heyse 1856, 3; 63 f).
Es ist Aufgabe der Sprachphilosophie, die für Heyse als Wissenschaft große Wichtigkeit hat, darauf zu reflektieren. „Philosophie der Sprache ... ist aber notwendig zugleich Geschichte der Sprache, da die Sprache ihrer Natur nach geschichtlicher Prozeß ist“ (Heyse 1856, 21).
Wenn Heyse auch in der Tradition des deutschen Idealismus gesehen wurde und von seinem Schüler und Freund Heymann Steinthal (182 3—1899), der die originale Leistung Heyses in keiner Weise schmälern wollte, der eigentliche Repräsentant der Hegelschen Philosophie in der Sprachwissenschaft genannt wurde, so darf man dabei nicht vergessen, daß Heyse selber diese Charakterisierung zurückgewiesen und seine Eigenständigkeit behauptet hat. Heyses Position ist tatsächlich antiidealistisch, wenn er die Philosophie als eine unendliche Aufgabe betrachtet, die nur relative Lösungen zuläßt und die es als Wissenschaft mit empirischen Gegenständen zu
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tun hat. Die Empirie aber ist nie völlig von der Theorie einzuholen, sondern ist mit immer neuem Material ihrer theoretischen Erfassung voraus und läßt sich darum nie endgültig und abschließend systematisieren. Die Sprache läßt sich als historisch geworden deshalb auch nicht in einem idealistischen Begriffssystem konstruieren. „Ihre Entwicklung muß als ein psychologisch-physiologischer Prozeß dargestellt werden, in welchem beide Seiten sich vollständig durchdringen“ (Heyse 1856, 66).
Bei Heyse blieb diese Aufgabe ein Postulat. Sein Schüler Steinthal dagegen widmete der psychologischen Betrachtung seine volle Aufmerksamkeit. Heyse betont, daß es zum Wesen der Sprache gehört, daß sie keine durch den subjektiven Verstand fixierte Form ist, sondern lebendiger Prozeß, fortschreitende Entwicklung. Das Werden der Sprache ist substantielle Bestimmung der Sprache selbst. Nach Heyse entwickelt sich die Sprache wie ein Naturprodukt, und darf in einem bestimmt umrissenen Sinn als ein „ursprünglich durch und durch ... organisches Gebilde“ (Heyse 1856, 66) angesehen werden. Gleichwohl betont Heyse, daß sie kein Organismus im vollen Sinne dieses Begriffes ist, denn sie entwickelt sich nicht passiv wie eine Pflanze, sondern ist durch Selbstentwicklung charakterisiert. Die Sprache, die für den Menschen in ihrer historischen Natur etwas empirisch Gegebenes ist, ist „nicht mit dem physischen Organismus des Menschen fertig gegeben“ (Heyse 1856, 46). Deshalb ist eine Betrachtung ihrer Entstehung erforderlich. Historisch ist allerdings nichts über die Entstehung der Sprache auszumachen, denn der Ursprung der Sprache, wie der Ursprung des Menschengeschlechtes selbst, liegt jenseits der Geschichte. Deshalb „müssen wir die Vorstellung eines Ursprungs der Sprache als eine schiefe und unhaltbare verwerfen, sofern man bei Ursprung dem Wortsinne nach an ein einmaliges Entstehen denkt“ (Heyse 1856, 48).
Heyse kritisiert folglich frühere Theorien der Sprachentstehung. Sprache ist dem Menschen nicht fertig und unmittelbar von Gott gegeben worden; die Sprache ist kein von vorhergehendem Denken geplantes Produkt der Menschen. Das heißt genauer gesprochen, daß die Sprache keine Erfindung des Menschen ist, wenn sie auch von ihm erzeugt wird. Mit dieser Unterscheidung will Heyse solche Theorien zurückweisen, die zur Erklärung der Sprachentstehung menschliches Denken als
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ausgebildet voraussetzen müssen, um verständlich zu machen, wie die Menschen etwas so Kompliziertes wie die Sprache hätten erfinden können. Eine solche Unabhängigkeit des Denkens vom Sprechen weist er jedoch im Einklang mit den anderen hier besprochenen Denkern unter Verweis auf die synchrone Entwicklung von Denken und Sprechen und die Identität von Wort und Begriff entschieden zurück. Die Sprache ist das Korrelat der Vernunft. „Daher muß auch der Ursprung der Sprache unmittelbar mit dem Ursprung des Menschengeschlechtes zusammenfallen“ (Heyse 1856, 63).
Die Menschen waren nicht erst Tiere, die nur langsam zu Bewußtsein erwachten. Was denn meint Heyse, wenn er die Sprache ein Naturerzeugnis des menschlichen Geistes nennt? Heyse erklärt, daß die historische Entwicklung der Sprache weder das Werk des berechnenden Verstandes noch der Willkür, noch eines blinden Zufalls ist, sondern des absichtslos wirkenden Volks- und Sprachgeistes. „Die Erzeugung der Sprache geschieht mit Notwendigkeit, ohne besonnene Absicht und klares Bewußtsein, aus innerem Instinkt des Geistes, also in der Form einer organischen Naturtätigkeit“ (Heyse 1856, 62).
Heyse hält aber daran fest, daß diese Notwendigkeit kein Naturzwang einer organischen Funktion ist, sondern die Lebensäußerung des freien Geistes. Heyse erklärt dies weiter, indem er zwischen zwei Hauptfaktoren des menschlichen Selbstbewußtseins, dem allgemeinen, objektiven Geist und dem besonderen, subjektiven Geist unterscheidet. Der allgemeine, objektive Geist wird von ihm auch die menschliche Vernunft in ihrem Naturgrunde genannt. Der besondere, subjektive Geist ist der reflektierende Verstand als die freie Tätigkeit des Individuums. Neben dieser Unterscheidung findet sich bei Heyse auch die Einteilung des geistigen Wesens des Menschen in die empfindende Seele, die als bewußtloser Trieb die Funktionen des Empfindens und Begehrens hat, und den Geist, dessen Funktionen Denken und Wollen sind und der sich dementsprechend als theoretischer und praktischer Geist ansehen läßt. Heyse wehrt jedoch entschieden den Gedanken ab, daß Seele und Geist getrennt seien; sie sind nicht nebeneinander, sondern ineinander zu denken. Es ist dasselbe immaterielle Wesen des Menschen, das Seele genannt wird, sofern es in der Leiblichkeit des Menschen existiert und materiell bedingt und gebunden ist. Es
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kann Geist genannt werden, sofern es zum Selbstbewußtsein gelangt und in freier Selbstbestimmung sich über seine materielle Gebundenheit erheben kann. Insofern Heyse einen unreflektierten, natürlichen Trieb, ein instinktmäßiges Gefühl als das Agens bezeichnet, das im Denken und Sprechen wirkt, weist er in die Richtung, die Geiger und besonders Noiré und Bahnsen in ihren Bemühungen einschlugen, etwas Grundsätzliches zu erreichen, das sowohl Denken und Sprechen vorausgeht und sie ermöglicht. Insofern er in seiner Erklärung der Sprachentstehung die Sprache als dem theoretischen Geist zugehörig erklärt, mit dem sie sich synchron entwickelt, steht er im Gegensatz zu Bahnsen, der die Sprach- und Vernunftentstehung und Entwicklung auf den praktischen Geist, genauer auf den Willen zurückführt. Heyse sieht natürlich, daß die Sprache auch zu Willensäußerungen dienen kann, etwa in Befehlen oder Wünschen. Allerdings betont er, daß die Sprache dabei primär Gedachtes zum Ausdruck bringt. Sprache bezieht sich grundsätzlich nicht unmittelbar auf äußere Objekte, sondern auf Vorstellungen. Hierin führt Heyse einen Gedanken fort, der eine besondere Rolle in Lockes Erkenntnis- und Sprachtheorie spielt. Heyse weiß aber auch um andere Funktionen der Sprache als die der direkten Benennung von geistigen Inhalten und der indirekten Benennung äußerer Objekte. Wie Gruppe vor ihm und Austin nach ihm darauf achteten, was Worte tun und ausrichten, also performativ sind (s. Art. 95), so sieht auch Heyse, daß Worte Taten sein können, insofern sie förmliche Willenserklärung, Zusage oder Verweigerung oder beleidigende Rede sein können. Wenn Heyse die Sprache als Hauptform des theoretischen Geistes erblickt, so heißt das für ihn nicht, daß die Sprache die einzige Äußerung des theoretischen Geistes ist. Vielmehr betont er, daß es wichtige andere Manifestationen gibt. Damit berührt er ein Thema, dem später besonders Ernst Cassirer (1874—1945) (s. Art. 37) und Susanne Katherina Knauth Langer (1895— 1985) ausführliche Aufmerksamkeit gewidmet haben. Sosehr Heyse einerseits an einem Gegensatz zwischen Denken und Wollen, Sprechen und Handeln festhält, er spricht von einer Urspaltung des geistigen Wesens der menschlichen Natur in Denken und Wollen, so betrachtet er sie anderseits als Äußerungen desselben freien Geistes, der sich in ihnen nur in verschiedener Weise äußert. Mit Baruch Spinoza (1632 —1677) erklärt er, ›voluntas et
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intellectus unum et idem sunt‹. „Im Denken ist zugleich das Wollen, im Wollen das Denken“ (Heyse 1856, 2 6). Damit kehrt sich Heyse implizit von Kants Aufsplitterung der menschlichen Geisteskräfte ab. Für ihn sind diese geistigen Kräfte zwar unterscheidbar, aber auch untrennbar. Trotz großen Respekts und freundschaftlicher Beziehung zu Heyse, dessen System der Sprachwissenschaft Steinthal nach Heyses Tod herausgab, wies schon Steinthal auf ungelöste Probleme in Heyses Theorie hin.
10. Der Ursprung der Vernunft aus der Sprache Die Bemühungen innerhalb der historisch orientierten Sprachphilosophie, die Priorität des Denkens vor dem Sprechen zurückzuweisen und durch Interdependenztheorien zu ersetzen, findet einen zugespitzten Ausdruck bei Geiger. Früh durch die Lektüre Herders auf den Zusammenhang von Denken und Sprache aufmerksam gemacht, lenkte Geiger sein Interesse auf Sprach- und Begriffsentwicklung. Die Vernunft ist weder unveränderlich, noch ist sie plötzlich entstanden, sondern hat eine Entwicklung durchlaufen. Ihr Studium hat darum ein historisches zu sein; es ist als empirische Forschung zu verstehen. Dies ist möglich, wie Geiger in einer methodologischen Reflexion begründet, weil man analytisch vom Gegebenen zum Gesuchten fortschreiten kann. Was aber gegeben ist, ist die Sprache; was studiert werden kann, ist die Sprache in ihrer Entwicklung, ist Sprachgeschichte. Da sich Natur und Geist in der Sprache geeint haben und Naturgeschichte geworden sind, läßt sich hoffen, daß eine exakte Wissenschaft der Sprache die Sprachphilosophie zum Verschwinden bringt. Von einer sicheren Lehre des Begriffs erhofft Geiger eine empirische Unterlage für die Philosophie. Denn, da das Denken von einem gewissen Punkte an eine nachweisbare Geschichte hat, wird die Frage nach der Entstehung des Denkens zu einer empirischen. Geiger betont, daß die Probleme der Sprach- und Denkentstehung und ihrer weiteren Entwicklung damit aufhören, transzendente Gegenstände der Metaphysik zu sein. Seine Theorie steht im gleichen schroffen Gegensatz zu instrumentalistischen Sprachauffassungen, der die Theorien der anderen Denker in diesem Traditionszusammenhang kennzeichnet. Die Sprache ist nicht nur das Werkzeug, zuvor
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Gedachtes zum Ausdruck zu bringen und anderen mitzuteilen. Eine solche Sicht würde die explizite oder implizite Annahme einschließen, daß es eine sprachunabhängige oder der Sprache vorausgehende Vernunft gäbe, was diese Linie in der deutschen Sprachphilosophie entschieden zurückwies. Zwar erkennt Geiger an, daß die Sprache ein höchst wichtiges Werkzeug für den Menschen ist, betont aber, daß sie nicht ein Produkt des Denkens ist, sondern selber Erkenntnis ermöglicht. So muß für eine neue Erkenntnis von Gegenständen eine neue Sprache gebildet werden, wie Geiger es z. B. in der Chemie geschehen sieht. Sprache und Erkenntnis sind in ihrer Wechselbeziehung zu sehen. Die Sprache entspringt nicht aus dem Denken, sondern, wie Geiger pointiert formuliert, das Denken aus der Sprache. Geigers These ist, daß der Begriff als einfachster Bestandteil der Vernunft aus Sprachlauten zu erklären ist. Diese hält er für befähigt, Begriffsbildung, Denktätigkeit und Selbstbewußtsein zu erzeugen. Die Sprache sieht er mit einem tierischen Schrei beginnen, wobei dieser Schrei selber schon auf einen Eindruck des Gesichtssinnes folgt. Das Denken ist damit wesentlich die Vorstellung gesehener Bewegung. „Das Denken ist in Wahrheit das zweite Gesicht, es ist das Sehen des Ungesehenen, des Unsichtbaren [...]“ (Geiger 1868, 76).
Für Geiger wäre ohne den Gesichtssinn keine Wahrnehmung des Ursachenverhältnisses möglich. Bewußtseinsbildung ist erst möglich mit der Unterscheidung der Sinneswahrnehmungen. Die quantitativen Unterschiede von Empfindungen ermöglichen absichtliches Vergleichen. Unterscheidungen aber entspringen dem Gefühl des Gegensatzes. Verglichen mit dem scharfen Ton, mit dem die frühen sprachanalytischen Denker Kant und die deutschen Idealisten kritisierten, ist Geigers Kritik Kants überaus gemäßigt. Seine fundamentale Theorie von der geschichtlichen Natur der Vernunft und ihrem Ursprung in der Sprache steht zwar im Gegensatz zu Kants Philosophie. Geiger erklärt aber in ruhigem Ton, daß die Erforschung der Sprache und ihrer Entwicklung bereits eine empirische Kritik der menschlichen Vernunft darstellt. „Kant behandelt die Vernunft wie ein Augenglas, dessen Farbe oder Brechungskraft feststehen, um bei Beurteilung der Gegenstände von ihr abstrahieren zu können, aber [...] die Vernunft ist das Auge selbst. Es genügt nicht länger, dem Denken eine bloße Ausbildung, eine sozusagen mechanische Zunahme durch [...] Erfahren, Lernen, Entdecken und
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Erfinden zuzugestehen [...] Die Vernunft ist gewachsen, aus wesentlich anderen Geisteszuständen erst entsprungen, deren Spuren sie noch jetzt in ihren Funktionen aufweist, ja ohne deren Voraussetzung als Grund und Wurzel ihres Daseins sie garnicht lebensfähig wäre“ (Geiger 1865, 16).
Damit erübrigt sich in seiner Sicht eine transzendentale Untersuchung im Sinne Kants. In kantischer Terminologie könnte man jedoch sagen, daß für Geiger die Bedingungen der Möglichkeit der Vernunft und des Denkens in der Sprache liegen. Diese wiederum ist ihrerseits ermöglicht durch die fundamentale menschliche Fähigkeit der Unterscheidung von Empfindungen, die aus dem Gefühl des Gegensatzes entspringt. Begriffe sind für Geiger relativ, sie sind von der jeweiligen Weltanschauung, d. h. wörtlich davon, wie die Welt physisch gesehen wird, abhängig. Damit aber zeigt sich, daß die Sprache sich nicht direkt auf Gegenstände der Außenwelt bezieht, sondern nur mittelbar. Unmittelbar ist sie mit Gedachtem beschäftigt. Geiger folgt darin Lockeschen Gedanken. Der Erkenntnisprozeß vollzieht sich nach Geiger in einem Dreischritt von Verwechslung, Unterscheidung und Vergleichung. Die Fähigkeit zu unterscheiden basiert auf dem Gefühl des Gegensatzes. Quantitative Unterschiede von Empfindungen ermöglichen absichtliches Vergleichen.
11. Die Bedeutung der Gegensätze für die Denk- und Sprachentwicklung Der Gedanke, daß die Erfassung von Gegensätzen eine grundsätzliche Funktion für die Entwicklung des Denkens und Sprechens besitzt, findet in der hier behandelten Tradition sprachphilosophischen Denkens verschiedene Ausprägungen, die teils mehr epistemologisch, teils mehr sprachwissenschaftlich oder psychologisch geprägt sind. In seinen Reflexionen über den Ursprung der Sprache und über den Gegensinn der Urworte verweist Abel darauf, daß Antithese und Vergleich nötig sind, um Urteile zu bilden und daß Begriffsbildung durch Vergleichung ermöglicht wird. Abel bemüht Sprachgeschichte, um die Entwicklung des Denkens in seinem Verhältnis zum Sprechen zu erklären. Er legt seine Sprachtheorie im Rückblick auf das in seiner Schrift über Jahrtausende fixierte Ägyptisch und seine gewandelte Form im Koptischen dar. Er ist der Absicht, daß man durch das Studium von Worten mit entgegengesetzten Bedeutungen, er spricht auch von gegenfüß-
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lerischen Wörtern, das Werden von Begriff und Sprache in primitiver Zeit erhellen kann. Ohne Unterscheidung von Gegensätzen ist keine Begriffsbildung möglich. Hell läßt sich nur im Kontrast zu dunkel, warm zu kalt, groß zu klein, gut zu schlecht begreifen. In modernen Sprachen bleibt zwar jedes Wort mehrsinnig, aber es schließt nicht mehr seinen absoluten Gegensinn ein. Es ist von dieser Sicht aus deshalb zunächst schwer zu verstehen, daß die Urworte Gegensinn gehabt haben sollen. Abel aber weist nach, daß im Altägyptischen viele Worte kontradiktorische Bedeutungen haben. Begriffe sind Zwillinge ihrer Gegensätze. Sie konnten anderen darum nur mitgeteilt werden, wenn sie an ihren Gegensätzen gemessen werden konnten. Abel spricht daher von der bewußten Gegensätzlichkeit der Urbedeutung solcher Worte wie ‘stark’ und ‘schwach’. Beide Ideen hatten ursprünglich im Bewußtsein gegenwärtig zu sein, daß man je eine von ihnen spezifisch fassen konnte. So hat nach Abel der menschliche Geist denken gelernt. Die sprachliche Mitteilung von Begriffen und Worten bedurfte aber weiterer Hilfe. Um die Bedeutung zu klären, die ein Doppelbegriff wie ‘starkschwach’ in einem bestimmten Zusammenhang und einem bestimmten Augenblick hat, bedurfte es im schriftlichen Ägyptisch des erklärenden Bildes hinter dem alphabetisch geschriebenen Laut, z. B. ‘stehender bewaffneter Mann’ oder ‘hockender Mann’. Für die gesprochene Sprache bedurfte es der erklärenden Geste. Begriffe mußten allerdings vorhanden sein, um ausgedrückt werden zu können, aber die Begriffsbildung kam nur zustande mit Hilfe gegensinniger Laute. Ihre Mitteilung benötigte sowohl diese Laute wie sie begleitende erklärende Gebärden. „Die Begriffe, die nur antithetisch gefunden werden konnten, werden dem menschlichen Geist im Laufe der Zeiten genügend angeübt, um jedem ihrer beiden Teile eine selbständige Existenz zu ermöglichen, und jedem somit seinen separaten lautlichen Vertreter zu schaffen“ (Abel 1885, 334 f).
Abel betont, daß alles auf Erden relativ ist. Man kann einem Ding nur dann unabhängige Existenz zusprechen, wenn man es in seinen Beziehungen zu und von anderen Dingen unterscheidet. Mit diesem Gedanken führt Abel der Sache nach weiter, was vor ihm schon von anderen wie Gruppe und Geiger ausgebildet worden war. Individuen, sowohl als Gattungen, gibt es nicht in der Natur. Sie sind vom Menschen gebildete Entitäten, die komplexe Relationsverhältnisse denkökonomisch zu-
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sammenziehen. Angesichts des von Abel beschriebenen Begriffsbildungsprozesses kann man fragen, was es bedeutet, daß im jüngsten Amerikanisch der Gebrauch von ‘bad’ im Sinne von ‘good’ lexikographisch erfaßt ist mit Beispielen wie ‘He is a bad man on drums, and the fans love him’.
12. Sprache als sekundäre Effloreszenz des Willens Die Gegensätzlichkeit, die bei Abel eine sprachwissenschaftliche und erkenntnistheoretische Bedeutung hat, ohne ontologische Behauptungen einzuschließen, verfestigt sich bei Bahnsen in der Realdialektik zur ontologischen Theorie der grundsätzlichen Widersprüchlichkeit der Welt. Diese tritt anti-evolutionistisch auf, wenngleich sie, wie Bahnsen eigens betont, keineswegs geschichtslos ist. Sie führt zu einer affirmativen Willenspraxis und hat den Charakter eines Erlösungswerkes, insofern sie durch die Einsicht in die alles durchwaltende Widersprüchlichkeit den Philosophen der Mühe enthebt, an der Auflösung der Widersprüche zu arbeiten. Diese bleiben unauflösbar. Nach Bahnsen steht die Sprache wie alle Intellektualfunktionen zum Willen im Verhältnis einer sekundären Effloreszenz. Das läßt sich dadurch beweisen, daß man zeigt, daß die Vernunft von der Sprachentwicklung abhängig ist. Die Vernunft ist ebensosehr ein Produkt historischen Werdens wie die Sprache. In einer kritischen Stellungnahme gegen Schleichers Organismus-Auffassung der Sprache betont Bahnsen, daß die Vernunft sich zum Sprechen wie das Gewissen zu ethisch prädizierbarem Handeln verhält. Beide, d. h. Vernunft wie Gewissen, erwachen erst „unter den Friktionen des geselligen Austausches aus der Latenz eines gänzlichen Nichtumsichselberwissens“ (Bahnsen 1881, 17). Nach Bahnsen statuiert die Willensmetaphysik eine wechselseitige Bedingtheit zwischen Vernunft und Sprache. Demgemäß hat Sprachphilosophie ein integrierender Bestandteil der Erkenntnistheorie zu sein. Damit wendet sich Bahnsen gegen instrumentalistische Sprachauffassungen und betont, weit über die frühere Annahme hinauszugehen, nach der die Sprache nur die älteste Tochter der Vernunft sei. Bahnsen nimmt Geiger, mit seinen dysteleologischen Anschauungen, sofern dieser bei der Sprachentwicklung den Zufall am Werk sah, zum Bundesgenossen der antilogistischen Realdialektik gegen die rationalistischen An-
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sprüche der Vernunft, als unanfechtbare Autorität die letzte Instanz für alle Wissensprüfung zu sein. Die Sprachschöpfung vollzieht sich naiv, sie ist ein prometheischer Schöpferakt. Die Vernunft dagegen ist durch ihre Reflexion auf sich selber epimetheisch. Vom Standpunkt der Willensmetaphysik aus will Bahnsen zeigen, wie der Wille sowohl Sprache wie Vernunft aus sich herausbringt. Die Vernunft verharrt solange in phänomenloser Existenz, bis die Sprache ihr jene Begriffssphären eröffnet, die dem sprachlosen Intellekt verschlossen sind. Dieses aber „ist nur möglich vermöge der aus dem Ursein stammenden präformierenden Präexistenz der intellektualen, im Willen urständenden Urpotenz“ (Bahnsen 1881, 2 0). Die Denkformen stammen jedoch nicht aus der Sprache. Die Sprache äußert sie nur als Typen, die die Vernunft zuvor geprägt hat. Diese Typen aber sind selber Siegelabdrücke von Urbildern, die nicht aus der Vernunft, sondern aus dem Willen stammen. Unter Berufung auf Geiger und mit einer abschätzigen Bemerkung über Noiré, der nur Geigers Gedanken ausgearbeitet habe, betont er, daß die Vernunft mehr Produkt als Produzent ist, mehr Resultat als Anlage. Der intuitive Wille in seinem Drang nach Klarheit und Mitteilung läßt Denken und Sprache entstehen; er verlangt nach Äußerung. Bahnsen sieht einen instinktiven Willensmechanismus am Werk, der das gesamte Räderwerk des Sprechens in Gang setzt. Die Sprache ist einer der μηχαναί des Willens. Der Wille mit seinem Sensorium geht der reflexionsmäßigen Bewußtheit überall voraus. Damit ist die Rezeptivität für Bahnsen nicht wie für Kant passiv, sondern spontane Rezeptivität. Um angesammelte Vorstellungsmassen zu bewältigen, schafft sich der Wille die Sprache und Vernunft zum abstrakten Denken. Damit hat der Wille für Bahnsen eine ähnliche transzendentale Funktion wie die, die Kant der Spontaneität zuspricht, die zur apriorischen Begriffsbildung führt und dem Verstand erlaubt, das Empfindungsgewühl zu organisieren. Wie Kant Bewußtsein ermöglicht sieht durch die Ursynthese in der transzendentalen Apperzeption, so sieht Bahnsen den intuitiven Willen mit seinem Drang nach Klarheit des Erkennens und nach Mitteilung des Erkannten die Vorstellungsmassen präformieren und, anders als bei Kant, sogar erzeugen. Die Aufgabe der Vernunft ist dann die weitere und feinere Formung dieses Materials. Klarheit der Erkenntnis ist aber erst dann erreicht, wenn sie ge-
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nötigt ist sich zu äußern und mitzuteilen. Bahnsen sieht drei Hauptfunktionen, für die der Wille die Sprache gebraucht. Sprache ist „erstens ein Nachaußensetzen innerer Regungen zum Zweck der Selbstbefreiung durch Objektivierung, er will etwas loswerden, was er innerlich als Hemmendes, Drückendes, Beklemmendes empfindet — zweitens ein Mitteilen äußerer oder innerer Vorgänge, Ereignisse, Pläne u. dergl. zum Zweck des Mitwissens anderer und drittens ein geistiges Verarbeiten ungegliederten Bewußtseinsmaterials zum Zweck bequemerer Verwendbarkeit, klarerer Einsicht, handlicherer Mitteilbarkeit, kurz: vernünftiger Beherrschung“ (Bahnsen 1881, 3).
Bahnsen hat damit Gedanken ausgesprochen, die sich auch bei Wegener finden, dem Langer und David Wilfred Abse (*1915) größere Aufmerksamkeit gewidmet haben. Der Grund für dieses Interesse liegt bei Abse besonders darin, daß sich in der Sprachtheorie Wegeners wichtige Impulse für die Tiefenpsychologie und Psychoanalyse Sigmund Freuds (1856— 1939) finden, sowie Ideen, die sich in der klinischen Psychotherapie anwenden lassen. Gerade dieser Gedanke von der befreienden Wirkung, der Heilung, die darin liegt, daß innerlich Bedrückendes zum Ausdruck, also wörtlich nach außen gebracht wird, ist, wie die zitierte Stelle zeigt, eben auch schon von Bahnsen formuliert worden. Für Bahnsen ist sie in der Tat die zentrale und die erste Funktion der Sprache. Bahnsen nennt als ein Beispiel solcher Befreiung Tagebuchaufzeichnungen, die vielleicht absichtlich in einer so unleserlichen Schrift gemacht sind, daß sie selbst von ihrem Schreiber bald danach nicht mehr entziffert werden können. Sie haben als Äußerungen inneren Bewußtseinsinhaltes damit schon von diesem befreiend gewirkt und somit ihren Zweck erfüllt. Allerdings sind der Sprache Umfang und Grenze gesetzt: was nicht aufgeht in Bewegungsformen, kann von ihr nicht zum Ausdruck gebracht werden. Eben deshalb verstummt der Mystiker, wenn er sich meditativ im namenlosen Geheimnis des ewigen Ursprungs versenkt. Bahnsen sieht es als Humboldts große Entdeckung an, daß er die Bewegung als das zwischen Laut und Bedeutung Vermittelnde erkannt habe.
13. Das Leben der Sprache Der Gedanke von der Wichtigkeit der Bewegung wird von Wegener fortgeführt. Er versteht seine Untersuchungen über das Sprachleben so, daß diese Auskunft geben über die Geschichte des Erkenntnislebens, der
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Ethik und Ästhetik. Die Erscheinungen des Geisteslebens formen für ihn einen Gesamtorganismus, in dessen Organen insgesamt „jede Regung des einzelnen Organs nachzittert“ (Wegener 1885, 60). Die Frage ist, was diese Bewegungen veranlaßt und wie diese Sprache und Denken verursachen und formen. Um darüber Auskunft zu gewinnen, empfiehlt er Ethik und Psychologie als die Disziplinen, die zur Lösung dieser Probleme die Schlüssel halten. Wie andere Sprachdenker vor ihm, insbesondere jene, die von einer monistischen Position ausgingen, den Willen als vernunft- und sprachvorgängig und diese verursachend ansahen, so nimmt Wegener Gefühle als denk- und sprachvorgängig an. Es sind nach ihm egoistische, sowie sympathische Gefühle, die in den ethischen Bedingungen der Gesellschaft wie des Einzelmenschen verwurzelt sind, die man berücksichtigen muß, wenn man die Sprache in ihrer kommunikativen Funktion verstehen will. Beim Kind führt der egoistische Wunsch, den Willen anderer zu beeinflussen und sie zu Handlungen zu veranlassen, zu lautlichen Äußerungen, zur ursprünglichen Sprache in abgekürzten Imperativen und in Fragen, bei denen Sätze aus einem Wort bestehen, ehe später weniger zweckinteressierte Äußerungen in der Form von Aussagesätzen dazukommen. Im Hörer korrespondiert, unter der von Wegener vorausgesetzten Bedingung der gleichen psychischen Struktur der Menschen, ein sympathisches Gefühl, das den Hörer zu korrespondierenden Taten veranlaßt und seinerseits sprachliche Äußerungen hervorruft. Wegener belegt dies mit Hinweisen auf die Entwicklung in den indoeuropäischen Sprachen, die Form ihrer Imperative und ihre Tendenz, das logische Prädikat vorherrschend zu machen und es dann zum grammatischen Prädikat zu machen. Andere Wortarten und grammatische Elemente entwickelten sich als Hilfen und in untergeordneter und erklärender Funktion. Substantiv und Adjektiv waren ursprünglich selber Sätze. Weil die Kommunikation mit der Äußerung des Prädikats oder Ein-Wort-Satzes oft nicht gelingt, sind „nachträgliche Korrekturen“ (Wegener 1885, 60) nötig. Der Sprechende erkennt die Notwendigkeit einer Exposition, um sich verständlich zu machen. Dies führt zu immer weiterer Sprach- und Gedankenbildung, besonders wenn nicht nur auf direkte Handlungen Bezug genommen wird, sondern komplexe Tatbestände dargestellt werden sollen. Für die
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Entwicklung der Grammatik war deshalb „das Verfahren der Korrektur“ (Wegener 1885, 36) notwendig. Wegener sieht das Verständnis einer Erzählung oder sonstigen sprachlichen Mitteilung ermöglicht, „erstens durch Schlüsse auf nachfolgende Momente der Entwicklung, zweitens durch Rückschlüsse auf Vorausliegendes“ (Wegener 1885, 12 8). Solche Schlüsse jedoch lassen sich nicht aus Worten allein ziehen, sondern können nur aus der Erfahrung geschöpft werden. Fehlt diese völlig, läßt sich kein Verständnis einer erzählten Handlung erzielen. „So kann die Mitteilung: das Fleisch wird gekocht, das Fleisch ist gar ... nur dadurch verstanden werden, daß man den Zweck des Kochens kennt und danach die Mittel, welche demselben dienen, findet oder aus der Erfahrung erschließt, und bei gar, daß uns der Zustand bekannt ist, in dem das Fleisch als genießbar gilt“ (Wegener 1885, 128).
Letzten Endes setzt das im Sinne des Empirismus Sinnesdaten voraus: „Also eine Tätigkeits-Mitteilung ist nur dem verständlich, der die Tätigkeit durch Gesicht oder Tastsinn wahrgenommen und mit Bewußtsein erfahren hat“ (Wegener 1885, 159). Diese bewußten Erfahrungen lassen sich jedoch normalerweise nicht völlig in physiologisch, begrifflich und sprachlich atomare Bestandteile zerlegen. Vielmehr stößt man auf Reihen von unbewußten körperlichen und seelischen Bewegungen. Wegener sieht diese automatischen Mechanismen als molekulare Vorgänge an, die sich nur von Experten weiter analysieren lassen. So kann der Laie beim bloßen Hören der Worte die Handlung nicht verstehen, wenn man ihm, ohne etwas zu zeigen, sagt, „man lege die Zunge an die Alveolen, öffne die Stimmritze usw.“ (Wegener 1885, 158), um etwa ‘a’ oder ‘r’ auszusprechen. Die Handlung des ›Legens‹ und ›Öffnens‹ ist zwar normalerweise bekannt, aber im gegebenen Beispiel fehlen dem Laien die Bezugspunkte. Daraus folgt allgemein, „Tätigkeit ist ohne die Berührung der Beziehungspunkte nicht vorhanden, und ein Verbum ohne seine Objekte ist ein nichtssagendes Abstraktum“ (Wegener 1885, 158). Die Erwartung von Handlungsabläufen ist von größter Wichtigkeit für das Verständnis der Welt. „Es wandelt sich somit der psychische Zustand der Erwartung in die logische Vorstellung eines Kausalitätsverhältnisses und unsere durch Erfahrung gewonnenen Erwartungen in ihrer Totalität sind die Formen und das Schema, nach denen wir alles Geschehen in der Welt verknüpfen“ (Wegener 1885, 130).
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Die Intensität der Erwartung, das Gefühl der Spannung, oder beim Widerspruch das Gefühl der getäuschten Erwartung weicht dem blassen „Gefühl logischer Übereinstimmung und logischen Widerspruchs“ (Wegener 1885, 131). Wegener reduziert somit das Logische auf das Psychologische. Er ist sich über den lückenhaften Charakter der Erfahrung im klaren und schließt sich, ohne es eigens zu erwähnen, den klassischen Empiristen an, wenn er zugibt, „daß die Schlüsse auf die Weiterentwicklung einer Handlung unsicher und nur Vermutungsschlüsse seien“ (Wegener 1885, 131).
Wegener führt ein grundsätzliches Thema der hier behandelten Sprachphilosophie fort, wenn er Metaphern als Hauptfaktoren der Sprach- und Denkentwicklung ansieht. Um neue Inhalte mitzuteilen, braucht man grundsätzlich Metaphern. Diese Metaphern vermitteln in bestimmten Kotexten und Kontexten, i. e. gesellschaftlichen Sprechsituationen Inhalt, insofern sie Beziehungen zu Neuem durch Rückbezug auf bereits Bekanntes herstellen und Teile dessen auf bislang Unbekanntes übertragen. Gewisse Erwartungen auf der Seite des Hörers fungieren als verständnisermöglichend. Des weiteren tragen Kontext und Kotext (s. Art. 92 ) zur effektiven Verständigung bei. „Erwartung und Zweckvorstellungen von Bewegungsreihen sind wichtige Faktoren für das Verständnis der Handlung“ (Wegener 1885, 181).
Diese Bewegungsreihen sind teils lautlicher, teils logischer Natur. Das heißt, daß sich auf gewisse Gefühle durch inneren Mitteilungsdrang — beim Kind oft unter Weinen — lautliche Äußerungen einstellen, die durch die Bewegung unserer Organe hervorgebracht werden. Es heißt aber auch, daß die Verkettung von Gedanken in logischen Schlüssen eine solche Bewegungsreihe darstellt. Ein bei Wegener unerwähnt bleibender Ahnherr vieler dieser Gedanken ist Thomas Hobbes (1588—1679), der ebenfalls in seiner mechanistischen Erkenntnistheorie die gedanklichen, logischen Bewegungen und Verkettungen auf die mechanischen Bewegungen des Addierens und Subtrahierens reduzierte. Was Langer bei Wegener als neu ansieht, z. B. die mnemonische Funktion von Worten und die fundamentale Einsicht in die erkenntniserweiternde und kommunikationsermöglichende Funktion der Metaphern, sowie der Kotexte und Sprechsituationen, in denen diese wirken, ist jedoch geradezu schon Gemeingut der frühen sprachanalytischen Phi-
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losophen in Deutschland. Lichtenberg gab grundsätzliche Hinweise darauf. Gruppe, Müller und Noiré, um nur diese zu nennen, betonten die grundsätzliche Funktion von Metaphern nicht nur im allgemeinen, sondern wiesen ihre Bedeutung auch in detaillierten Untersuchungen nach. Was Abse mit Recht als wichtig bei Wegener betont, „velleity pervades developed speech“ (Abse 1971, 6), ist aber auch schon grundsätzlicher Bestandteil der auf der Willensmetaphysik basierenden Sprachtheorie Bahnsens. Die Bedeutung von Kontext und Kotext ist ein Thema, das Berkeley schon streifte, das dann bei Gruppe, Gerber und anderen frühen sprachanalytischen Denkern in Deutschland vor Wegener ausführlich behandelt wurde. Für Wegener ist charakteristisch, daß er seine Gedanken nicht in beständiger Rückbeziehung auf frühere Sprachphilosophen präsentiert, sondern sie aus seinen psychologisch-sprachwissenschaftlichen Untersuchungen entwickelt. Wie Langer (1957) und Abse (1971) zeigen, hat Wegener mit seinen Gedanken besonders Karl Bühlers (1879—1963) (s. Art. 38) Sprachtheorie beeinflußt. Der diesem Beitrag gesetzte Rahmen gestattet lediglich, die interessanten gedanklichen Verbindungen von Wegener zu Freud und Bühler zu erwähnen, nicht mehr dagegen, diese im Detail zu verfolgen. — Die hier vorgestellten Theorien zeigen, wie sich das sprachphilosophische Interesse der historisch orientierten, d. h. der entwicklungsgeschichtlich orientierten Sprachphilosophie im 19. Jahrhundert in Deutschland mehr und mehr sprachwissenschaftlichen und sprachpsychologischen Untersuchungen zugewandt hat.
14. Literatur in Auswahl Abel 1885, Sprachwissenschaftliche Abhandlungen. Abse 1971, Speech and Reason. Bahnsen 1881, Aphorismen zur Sprachphilosophie. Cloeren 1972 , Philosophie als Sprachkritik bei K. L. Reinhold, in Kant-Studien 63. Cloeren 1988, Language and Thought. Erste ausführliche Darstellung frühen sprachanalytischen Denkens in Deutschland. Geiger 1868, Ursprung und Entwickelung der menschlichen Sprache und Vernunft. Gerber 1961, Die Sprache als Kunst. [1871, 2 . Aufl. 1885] Gerber 1884, Die Sprache und das Erkennen. Gruppe 1831, Antäus.
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Gruppe 1834, Wendepunkt der Philosophie. Gruppe 1855, Gegenwart und Zukunft der Philosophie. Heyse 1856, System der Sprachwissenschaft. Keller 1884, Der Ursprung der Vernunft. Eine kritische Studie über Lazarus Geigers Theorie von der Entstehung des Menschengeschlechts. Müller 1978, The Science of Thought [1878]. Müller 1861—1864, The Science of Language. Noiré 1874, Die Welt. Noiré 1875, Der monistische Gedanke. Noiré 1877, Der Ursprung der Sprache.
Noiré 1877, M onistische Erkenntnistheorie, 2 . Aufl. 1884. Noiré 1885, Logos. Reinhold 1812, Grundlegung einer Synonymik. Reinhold 1816, Das menschliche Erkenntnisvermögen. Runze 1886, Die Bedeutung der Sprache. Runze 1889, Sprache und Religion. Runze 1905, Metaphysik. Wegener 1885, Grundfragen des Sprachlebens.
Hermann J. Cloeren, Worcester, Mass. (USA)
10. The sceptical tradition in the philosophy of language 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Introduction Parmenides, Plato, and the roots of reference The origins of language and linguistic significance Naming, ostension, and individuation Conclusion Selected references
Introduction
This article is of necessity general in its aims: it is to be hoped that this does not render it superficial in its content. I intend to follow through on a broad front the history and development of a series of themes which relate language to various types of position which can be accounted sceptical. The treatment is thematically organised; but within each subsection I shall pursue the inquiry historically; the historical parameters of the discussion will be set by the Presocratics at one end, and Willard Van Orman Quine (* 1908), Saul Aaron Kripke (* 1940), and Jacques Derrida (* 1930) in the twentieth century at the other. What I hope thereby to demonstrate is the longevity and vitality of the themes that emerge, and their enduring interest and value in the philosophy of language. My treatment will be necessarily abrupt, and skewed in the direction of my own areas of interest and competence. I should begin with a little preliminary mapping of the territory. ‘Sceptical’
and ‘scepticism’ are words with a wide range of connotations, and we should determine at the outset just what varieties of scepticism are to be treated as being relevant. First of all, there is a quite general and non-technical notion of scepticism; one is sceptical, in this sense, if one is inclined to doubt things, if one is predisposed against credulity. Secondly, there is the rather more technical issue of what David Hume (1711— 1776) called ‘Scepticism with regard to the senses’; how far can we be confident of the truth of our perceptual notions of the world in the face of the evident facts of illusion and delusion? Derived from this latter consideration is the notion that language itself, in which we report our affections, and with which we communicate our perceptions, may itself be radically unable to bear the weight that ordinary usage places upon it. First, the relation between the alleged referential terms in our language and the objects supposedly referred to may be disputed: how can we be sure that our language relates directly to extra-linguistic items in the world? Such questions have been alive at least since the time of Parmenides (ca. 500 B. C.), and it is with the Parmenidean arguments that I propose to begin; but they have contemporary resonances as well. Secondly, one may hold, with Quine, that our criteria for the interpretation of utter-
10. The sceptical tradition in the philosophy of language
ances are themselves provisional and suspect — such moves are, I think, distinctively modern, and I shall consider them last. But related to this is a concern, to be found at least as early as Aristotle (384—32 2 B. C.) (s. art. 15), and treated in a sceptical vein by Augustine (354—430) (s. art. 16), with the question of how we can be sure what our ostensive definitions pick out. Furthermore, one may inquire sceptically into the foundation of meaning in language: can language, in any sense, be semantically natural? These issues were first raised by the Greek Sophists, are discussed in Plato’s Cratylus, and formed the locus of a dispute between the Epicureans and the Stoics on the one hand and the Greek sceptics on the other; and they resurface in the seventeenth and eighteenth centuries. Lastly there is a more technical concern, evinced most directly in the writings of Sextus Empiricus (ca. 2 00), as to whether there can ever be a properly founded science of language, or whether rather all the pretensions of the professional grammarians to produce one are inherently flawed. Scepticism sometimes denotes an attitude of either a general or a restricted nature to the credibility of beliefs and the possibility of knowledge: Hume’s scepticism was at least in part of this type. More rarely it can be a way of life, a set of practical procedures, as it was for the ancient Pyrrhonists. Failing that, it can be a methodology, a type of approach to conceptual issues that holds out the hope ultimately of clarifying and laying bare the foundations and scope of possible knowledge, a procedure with which we are familiar since René Descartes (1596—1650). In this paper I shall examine some of the impact of each of these varieties of scepticism on the philosophy of language and linguistics. I have very little to say about some of the larger figures in the history of scepticism, notably Nicolas of Autrecourt (ca. 1300—1350), Michel Eyquem de Montaigne (1533—1592 ), and Hume: this is simply because in my view they contribute nothing of substantial interest to the debate concerning language as such — epistemological scepticism does not necessarily directly affect linguistic concerns.
2.
Parmenides, Plato, and the roots of reference
2.1. Forerunners Parmenides of Elea flourished in the first
163
half of the fifth century B. C., and it is to him that the first articulation of a genuinely sceptical position regarding language is to be attributed. However, even earlier than Parmenides, Xenophanes of Colophon (ca. 580—485 B. C.) elaborated a position regarding the world, our sensory access to it, and the language in which we habitually report that access, which might (with a little charity) be described as sceptical. Xenophanes is accorded a role by Sextus Empiricus in the development of a sceptical outlook (Adv. M ath. VII 49, = Bury 1933— 1949, Sext. Emp. II, 2 5), for what that’s worth (Sextus tends to discern scepticism in almost everybody); and one fragment which bears on this claim, and is relevant to the issue of language is: “no-one has yet or will in future see the clear truth of what I speak about [...] and even if he should manage to speak what was indeed the truth, none the less he himself would not know it” (DielsKranz 1951, 2 1 B 34; cf. B 35, 38). Xenophanes appears to make the claim that, even if on occasion our language does refer appropriately to reality, we can never know that it does: and that seems, in at least one of the senses I distinguished in the Introduction, to be a sceptical claim about language. But its scepticism is modest. Xenophanes does not claim that reality is so divorced from our attempts to describe it that language as a whole may fail to refer at all; rather it seems that our terms will refer, but we can never be sure whether the things we predicate of them are true or false. Heraclitus (ca. 500 B. C.) perhaps adopts a similar stance: at all events, he holds that “of this account that holds always men prove uncomprehending” (Diels-Kranz 1951, 2 2 B 1; the awkward translation preserves an indeterminacy in the reference of ‘always’), which might plausibly be expanded to involve the claim that no-one thinks and hence expounds the right view of reality, and hence that their language fails in some relatively radical way to refer properly. Ordinary language is wedded to stability; but subtle metaphysics shows that everything must be perpetually in flux; hence ordinary language radically misrepresents the world as it is. This is certainly how Plato (42 7—347 B. C.) (s. art. 14) is to develop the account in the Theaetetus, although Plato is concerned to make explicit sceptical conclusions which he takes ultimately to constitute a reductio of the Heraclitean position, and which are only latent within it.
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2.2. Parmenidean metaphysics, platonic reaction, sophistic arguments However, it is in Parmenides that we first come across an argument that self-consciously involves reference. Ordinary language, Parmenides thinks, behaves as though it can refer both to what is and to what is not; and yet a subtle investigation of the logic of being, as well as of the causal conditions for generation and destruction, will convince the researcher that as a matter of fact generation and destruction are impossible, and all that exists is a single, unchanging, spherical One (Diels-Kranz 1951, 31 B 8); for only the things that can be thought of (and hence described) can exist (B 3, 6). If something cannot exist, it cannot be referred to (Diels-Kranz 1951, 31: cf. Wittgenstein T 5.473, PU § 45). But any attempt to describe change necessarily involves ›reference‹ to things which are not: for the logical form of a change is ‘x becomes F from having been not-F’ (or vice versa). Thus it follows that any attempted reference to change, decay, generation and destruction, fails. It is actually the case that our language refers to the unaltering Eleatic One, even if ordinary mortals “who ply a ringing ear and tongue” (Diels-Kranz 1951, 31 B 7), and who “know nothing and wander twoheaded” (B 6) get this wrong. Human language “sets up two forms for naming” (Diels-Kranz 1951, 31 B 8), i. e. that things can be and not be, but all such “orderings of words [are] deceitful” (B 8); this is where language goes wrong. In a sense, Parmenides’ metaphysics can be viewed as the contrapositive of Heraclitus’s: the latter argues from the instability of the cosmos to the failure of reference of language; the former argues from the conditions of reference for language to the stability of the cosmos. Both, in a relatively clear sense, evince a scepticism that relates to the philosophy of language. Plato treats of these issues in the first part of his Theaetetus, in the course of refuting Theaetetus’s claim that knowledge is perception. Plato in effect argues that such a claim involves relying on a Protagorean relativist epistemology, plus a Heraclitean metaphysics. The details of the argument need not detain us: but what does matter is his explicit espousal of the idea that a Heraclitean metaphysics of instability intrinsi-
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cally obviates the possibility of language having any proper reference (Theat. 179d2— 183b8); if everything is in a constant state of change, then nothing is any more F than not-F for any value of F. This commits one to a Protagorean relativism: “since not even this stays constant [...] but it changes, so that there is a flux of that very thing, whiteness, and change to another colour, [...] since that’s so, can it ever be possible to refer to any colour in such a way as to be speaking of it rightly?” (Theaet. 182d1—5).
By contrast, the stability of Eleaticism is greatly to be preferred (Theaet. 183e2 ff): and of course it is partially at least in order to take advantage of such stability, and to nail down the reference of key terms to something non-fluid, that Plato feels constrained to develop his theory of Forms. In the Parmenidean vein (although for more questionable motives) — it is reported by Sextus (Adv. M ath VII 65—87, Bury 1933—1949, Sext. Emp. II, 35—45) — the sophist Gorgias of Leontini (floruit late fifth century B. C.) held, in his On Nature (or On Non-Being), that nothing existed; or if it did, it was inapprehensible; or even if it was apprehensible, it was uncommunicable. The arguments involved are for the most part jejune and sophistical; but they are interesting for two reasons. Firstly, their form (notA; but even if A, not-B; but even if B, notC) is characteristic of later scepticism. And secondly the final argument explicitly concerns language. Truths are incommunicable, because they must concern objects; but the medium of communication (speech) is not an object (or perhaps not the same as the objects it purports to communicate; Adv. M ath. VII 84, Bury 1933—1949, Sext. Emp. II, 45), hence it cannot communicate them; furthermore, speech is produced by (and hence explained by) objects; and so objects cannot be explained by speech (Adv. M ath. VII 85); and finally even if speech does subsist in some way, it does not do so in the same way as the objects it attempts to convey, nor is it appreciated by the same sensemodalities (Adv. M ath. VIII 86). I shall leave those arguments with the remark that, according to the influential recent interpretation of Hintikka and Hintikka (1986), the Gorgian claim that language is not an object is precisely what Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. art. 39) came to reject in the course of his development of the private-language argument.
10. The sceptical tradition in the philosophy of language
3.
The origins of language and linguistic significance
3.1. The Sophists and Plato’s Cratylus In his dialogue Cratylus, Plato deals with the question of the origin of language. Do words signify naturally or merely by convention? (s. art. 62 ) This issue had been raised in the fifth century B. C. by the Sophistic movement: and the debates turned partly on the question of the correctness of names, whether there was some objectively proper form of language (Protagoras, ca. 485—415 B. C., and Prodicus, ca. 460 B. C., offered instruction in the matter). In some cases, this simply evinced a concern with the canons of conventionally correct usage; and sometimes it is connected with the topic of rhetoric, in other words with persuasion; and in neither case has the debate got much to do with scepticism. But the habit of giving etymologies of a supposedly enlightening nature was deeply ingrained in the Greek psyche; and those etymologies frequently took the form of an attempt to show that names were, in some disguised manner, definite descriptions. In the Cratylus, Hermogenes holds that names are purely conventional; and in this he follows Democritus (ca. 470—380 B. C.) (Diels-Kranz 1951, 68 B 2 6); Socrates proceeds to demonstrate, by means of some fairly wild ›etymologies‹, that this is not unrestrictedly the case. Hence he ›shows‹ that ὅ ἄνθρωπος [man] is derived from ὅ ἄναθρῶν ὄπωπεν [the one who looks up at what he sees] (Crat. 399 c); and he attempts to demonstrate the fact that ‘heroism’ and ‘eroticism’ ultimately derive from the same root, and hence have a linked significance. 3.2. The Epicureans and Stoics and the sceptical reaction Whatever the oddnesses of the Cratylus account, Plato stops short of attributing natural significance to all words in a language; plainly such ›etymologies‹ as that of ὅ ἄνθρωπος rest on the significance of further, more basic, signifiers: and it seems that they at least must be conventional (otherwise infinite regress threatens, as Sextus realised). The Epicureans made no such concessions. For them, language was natural in a much stronger sense: human beings are caused by environmental circumstance to utter certain sounds (yelps of pain, and the like); and these get solidified
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into a language (Letter to Herodotus, Diog. Laect. X. 75 f, Arrighetti 1973, II, 6). The Stoics, as reported by Origen (ca. 185—2 54) (cf. Against letters I 2 4, Borret 1967—76, I, 136; s. art. 2 ), held a similar view, “that names come to be by nature, and that the primary sounds are imitations of things of which the names are said” (Long/ Sedley 1987, 192 ). And they too were devotees of supposedly explanatory etymology; Galen (ca. 130—2 10) reports (and derides) Chrysippus’s argument that the word ἐγώ [I] is naturally significant because in pronouncing it the jaw points to the chest, which is the seat of the soul. Sextus Empiricus, as one might expect, has no time for such claims. At Adv. M ath. I 142 —158 (Bury 1933—1949, Sext. Emp. IV, 84—95), he attacks the view of grammarians (he has the Stoics and Stoicinfluenced theorists primarily in mind) that certain nouns are ›naturally‹ feminine in gender, others ›naturally‹ masculine; and he prefaces his attack with some general remarks on the concept of naturalness, to the effect that it is unclearly defined (143), and extremely difficult to determine (144); but in any case, if such things were natural, then there should be general agreement as to genders, which there is not (148 f). This rests on a general principle (one put to work throughout Sextus’s scepticism, and which is indeed the cornerstone of all Pyrrhonian anti-Dogmatic argument) that if anything is F by nature, it is F unrestrictedly, without exception, and in all circumstances (147). If language was naturally significant, there would be no problems with translation, and everyone would naturally understand everyone else (145); and furthermore, if gender were naturally built into language, then all things that were male would have masculine names, and so on (150—153). Finally, Sextus argues that the doctrine of naturalism asserts that language is natural either because uttered sounds are natural, which has already been refuted (cf. 145); or in virtue of the naturalness of some non-evident theoretical entities, the existence of which cannot be established in non-question-begging terms (155—158). Sextus too, predictably, rejects etymology as a criterion of correct Greek (Adv. M ath. I 2 41—2 47, Bury 1933, Sext. Emp. IV, 136— 139) on the grounds that an infinite regress is threatened if we attempt to explain each descriptive term on the basis of some further set of descriptive terms (2 42 f); and if we rely on some conventional basis for the etymolog-
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ical structure, then we will have agreed that the whole thing is, au fond, conventional — which is just what the Sceptics want to show (2 44). Sextus’s targets are modest; they are the pretensions of the professional grammarians to having constructed a science of language capable of legislating canons of correctness. By contrast, Sextus repeatedly urges that the only canon is ordinary usage, and any attempt to provide an alternative is either circular, question-begging, infinitely regressive, or as a matter of fact relies ultimately on ordinary usage. Such arguments are central to the Pyrrhonian account of the proper way to live: ordinary life, and ordinary custom are to be the guides, not vacuous and ultimately foundationless theorising (cf. Hyp. pyrrh. I, 2 3 f, Bury 1933—1949, Sext. Emp. I, 16—17); and ordinary language is an intrinsic part of this project. 3.3. The conventionalism of signs: mediaeval and early modern debates The idea that names are merely conventionally applied, contra the claims of the Epicureans and the Stoics, became a philosophical commonplace in the early modern period; but it had already been reemphasised by medieval thinkers, such as William of Ockham (ca. 12 85—1347) (s. art. 2 1) Ockham held (Summa Totius Logicae I 1: On Terms, Boehner 1990, 47 ff, Hyman/Walsh 1983, 653 f) that “language is three-fold: written, spoken, and conceptual” (he fathered this view on Boethius, ca. 480—52 4), and of this triad only the latter is naturally significant; “words”, Ockham writes, paraphrasing Aristotle, “are the signs of impressions in the soul, and “a concept or mental impression signifies naturally whatever it signifies; a spoken or written term on the other hand does not signify anything except by free convention”. Consequently “we can change the designation of a spoken or written term as we wish, but the designation of a conceptual term is not to be changed at anyone’s will”. There is, on Ockham’s view, a sort of ›mentalese‹ common to everyone in which we frame our concepts. In order to obviate confusions, Ockham distinguishes two ways in which a sign can be naturally significant: it can have the tendency to make us ›know something actually which we already have the disposition to know‹ (ordinary written and spoken words fall into this class); but this must not be confused with the broader notion of natural signification, in the sense of there being a direct link of fitness
I. Raum-zeitliche Übersichten
between sign and object. Ockham’s distinctions form part of his general philosophical account of language, an account of much intrinsic interest and power, in particular in its distinction between categorematic and syncategorematic terms (broadly, between terms that genuinely refer, and those which are of logical force), and between terms of ›first and second imposition‹, between signs that refer to items in the world, and those that refer to other signs, that are in other words metalinguistic. While this is not of direct relevance to the sceptical tradition, some of these distinctions will later be made, in a variety of guises, to go to work in sceptical arguments. All these issues, in the medieval context at least (s. art. 4), are related to theological questions; and in particular (for our purposes at any rate) to the dispute concerning the extent to which God and God’s attributes could be known. This debate has its sceptical ramifications: for effectively, if one adopts the via negativa of pseudo-Dionysius (= Dionysios Areopagita, treatises from the end of 5th century), and denies that we can ever understand or positively predicate properties of God (on the grounds that his attributes, being infinite, are literally beyond human comprehension), then one is committed to a sceptical reassessment of the nature and significance of the language that one uses in speaking of the divine in the first place. The acceptance of the via negativa makes it the case that all that we can truly say about God is negative in form; we can say what he is not, but we cannot say what he is. This conclusion was, for fairly obvious reasons, unsatisfactory to many thinkers: Thomas Aquinas (12 2 5— 12 74) (Summa Theologiae, I, Qu. 13, Art. 2 , 5, Hyman/Walsh 1983, 52 7—531) resisted it by arguing that although such concepts as ‘wise’ and ‘good’ could not be understood as holding of God in the same way as their analogues are predicated of ordinary individuals in the world, that did not render them simply ambiguous; consequently it is not the case that we cannot understand the one on the basis of the other. In order to develop this solution to the sceptical difficulty, Aquinas has to rely on a doctrine of analogous significance. ‘Wise’ does not mean exactly the same thing when applied to God as it does when predicated of a man; but their separate significances are intrinsically linked. In a similar vein, John Duns Scotus (12 65—1308) argues in a strikingly sceptical fashion that if the via negativa is all that is open to us as a means
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of coming to understand God’s attributes, we would as a matter of fact fail to understand them completely: for “however far we go with negations, either God is no more understood than is nothing, or the series must come to a halt in a positive concept which is primary” (Ordinatio I, Dist. 3, Qu. 1; cf. Qu. 2 ; cf. Dist. 2 ; Qu. 2 , Hyman/Walsh 1983, 602 —614). The belief that words are signs with a merely conventional significance becomes one of the commonplaces of the early modern period; and thus a sceptical position (in a very limited sense) becomes part and parcel of the generally accepted account of language. Thomas Hobbes (1588—1679), in his robust and antischolastic account of meaning and truth (Hobbes 1951, 100—110), agrees with Ockham: “the general use of speech is to transfer our mental discourse into verbal”; for John Locke (1632 —1704) (s. art. 2 2 ), all naming is conventional (Locke 1894 II, 87 f); and this is one of the things which Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. art. 2 3), in his Nouveaux Essais (1704—1714), agrees with him about: “Il ne s’agit point ici des noms, qui sont arbitraires en quelque façon, au lieu que les idées et les vérités sont naturelles” [names are not in question here. They are in a way arbitrary whereas ideas and truths are natural] (Leibniz 192 3 ff, Sämtl. Schr. 6. R. VI, 85). Locke’s views are given their fullest expression in Book III. Language is natural in the sense that it is appropriate to the sort of social creature God designed us to be (Locke 1894, II, 3); but the actual types of significant sound occur accidentally and conventionally: “thus we may conceive how words [...] came to be made us of by men as signs of their ideas; not by any natural connexion that there is between particular articulate sounds, for then there would be but one language amongst all men; but by a voluntary imposition, whereby such a word is made arbitrarily the mark of such an idea” (1894, II, 8; cf. 1894, II, 18);
but here too Leibniz does not attack the basic general point (192 3 ff, Sämtl. Schr. 6. R. VI, 2 78). George Berkeley (1685—1753), in the Third Dialogue Between Hylas and Philonous agrees that ›names are of arbitrary imposition‹, and Hume equally holds this view — but neither adds anything of importance to the general picture that has emerged. Although he is quite clear that the signs themselves are arbitrary and conventional, Leibniz is none the less concerned to counter possible sceptical developments of that thesis. Hobbes (1951, I 5) had famously held that
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“reasoning is nothing but reckoning”; inference consisted in teasing out the syntactical entailments of the sentences involved. And as such, language formed a closed system; there was no easy road from the syntactic structure of the language itself to a semantics that would relate it to objects in the world. These considerations formed the basis of his objections to Descartes’ M editationes (Obj. III, 4; Descartes 1897—1910, Œuvres Complètes VII, 178 [Descartes 1911, II, 65 f]): “ratiocinatio nihil aliud [est] quam copulatio et concatenatio nominum sive appellationum, per verbum hoc ‘est’. Unde colligimus ratione nihil omnino de natura rerum, sed de harum appellationibus, nimirum utrum copulemus rerum nomina secundum pacta (quae arbitrio nostro fecimus circa ipsarum significationes) vel non” [reasoning is nothing but a combination and series of names joined by the word ‘is’. From this it would follow that by reasoning we conclude nothing at all concerning the nature of things, but only concerning their names. We simply see whether we join well or ill the names of things according to the conventions that we have arbitrarily made concerning the significations of those names].
Descartes’ reply turns on the idea that, notwithstanding the fact that French and German (say) are distinct languages, with distinct and arbitrary structures, none the less it is possible to determine when a Frenchman and a German are thinking or expressing the same proposition (cf. Ockham and ›mentalese‹); similarly Antoine Arnauld (1612 —1694) (Arnauld 1964, 31—38) had taken issue with Hobbes: “finally, the word ‘arbitrary’ is misleading: that a given idea be joined to one sound rather than another is arbitrary; but the ideas themselves [...] are not arbitrary” / Enfin il y a une grande équivoque dans ce mot d’arbitraire. Car il est vrai que c’est une chose purement arbitraire, que de joindre une telle idée à un tel son plutôt qu’à un autre: mais les idées ne sont point des choses arbitraires” (1964, 35 / Arnauld 1965, 4).
This debate is located in a theological context — and the basic issue is, as it was with the mediaevals, that of how we can come to form an adequate concept of God. Descartes and Arnauld detect a sceptical threat to the coherence of religious language which they are concerned to nullify. Leibniz takes up the cudgels against scepticism concerning this type of language in the Discours Préliminaire of his Essais de Théodicée, although his immediate target is Pierre Bayle (1647—1706), and the latter’s claim that the truths of religion were beyond ra-
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tional appreciation, and hence must be accepted on faith (a view with a long and varied philosophical and theological pedigree); Leibniz’ reply takes the form of distinguishing between truths that are against reason and those that are merely above it, and of locating the religious mysteries in the latter class — we cannot comprehend them: but we can come to see that they are necessary. The coherence of such a view rests, as Leibniz clearly saw, on a theory of linguistic signification which allows our language to refer to things, and not merely to be a closed syntactical system — for in some way, even though we cannot comprehend the full significance of the terminology we use (because God’s atributes are beyond human comprehension), none the less our religious language can refer to God (this recalls Aquinas’ doctrine of analogical significance, s. art. 85). Leibniz laid out his views on conventionalism and significance most concisely in his Dialogus de connexione inter res et verba (Leibniz 1875— 1890, Philos. Schr. VII, 193 [Leibniz 1956, I, 283]): “Vides utcunque arbitrio sumantur characteres, modo tamen in eorum usu certus ordo et modus servetur, semper omnia consentire [...] veritates [consistunt] [...] non in eo quod in [characteribus] est arbitrarium, sed in eo quod est perpetuum” [no matter how arbitrarily we choose characters, the results always agree provided we follow a definite rule and order in using the characters [...] truth is not based on what is arbitrary in characters, but what is permanent in them].
It was upon this counter attack to a sceptical threat in semantics that Leibniz was to erect his hopes for the discovery of the universal calculus of human reasoning, the characteristica universalis. 3.4. Saussure and Derrida The Swiss theoretical linguist Ferdinand de Saussure (1857—1913) (s. art. 36), in his revolutionary development of structural linguistics at the beginning of this century, also insisted on the arbitrary nature of phonetic and semantic units; but his conception of the arbitrariness involved was of a deeper and more radical kind, and turns on his fundamental distinction between signifiers, uttered and written words and signs, and signifieds, or mental concepts (note that the relation at issue here is not that between words and their referents). Natural languages are arbitrary, according to Saussure, in two distinct ways. Firstly there is no natural, determinate link
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between signifiers and what they signify (sets of objects in the world); there is no intrinsic property of all members of a particular set of objects that makes them members of that set (this view has affinities with Wittgenstein’s doctrine of family resemblance: see 4.2 . and art. 39). Secondly, there is an arbitrariness intrinsic to the functioning of signifieds, internal mental concepts: for the taxonomic structures they impose upon the world are not determined by the actual structure of the world itself (in this sense, Saussure’s position is metaphysically anti-realist); taxonomies for Saussure (as they were to an extent at least even for Charles Darwin, 1809—1882 ) are arbitrary, and hence the structure of signifieds that constitutes the conceptual apparatus of any language community is arbitrary too (the well-known difficulties of producing accurate translations from one language to a remote one with a different implicit taxonomy are relevant here, as they are to Quine: see 4.3.). Saussure uses these insights to draw the conclusion that language is a sort of floating mass of inherently unstable and fluid structures. The constituent units of language, the phonemes and sememes, are to be defined purely in terms of their relations with the rest of the system; but the system itself is nothing more than the sum-total of those inter-relations. There is a kind of vertiginous anti-foundationalism behind the whole structure here: ›language is a form, not a substance‹ is perhaps Saussure’s most famous and influential dictum. It is by way of this vertiginousness, and the apparent decoupling of language from direct links with the world, that the sceptical elements in Saussurian linguistics were to have their particular impact on structuralism and post-structuralism, in particular on the work of Derrida. Derrida extends and elaborates upon the vertiginousness of the Saussurian position. Derrida’s critique of established views in metaphysics and semantics begins with his attack on the centrality of the ›metaphysics of presence‹ to the western tradition, a metaphysics which broadly speaking affirms that only what is present (spatio-temporally) is real; for Derrida, to hold this belief is already to have made a disastrous and irretrievable mistake. Bound up with the metaphysics of presence is the supremacy in the western tradition of the spoken over the written word. Derrida traces the history of this from Plato’s Phaedrus onwards (cf. 1972 a); in contemporary discussion this primacy has
10. The sceptical tradition in the philosophy of language
once again been affirmed by Hans-Georg Gadamer, geb. (* 1900), what Derrida characterises as ›phonocentricity‹ (which is a species of the more general disease of logocentricity). The idea is that the spoken word has attained this privileged position because it alone is, in the appropriate sense, present; everything else turns out to be in some way or other illusory (cf. Hume’s account of the ›fiction‹ of identity across time, and Alfred Jules Ayer’s, 1910—1989, early views on the past and the future in Ayer 1936); a product of the phonocentric view of the world is the belief in the objectivity of the world as it is characterised in speaking, and of a necessary connection between signifier and signified. Thus Derrida’s critique is situated firmly in the tradition of semantic discussion which we have been discussing: his views grow out of a consideration of Saussure’s; and he is naturally radically opposed to any moves in the direction of discerning a natural signification for words, the view that objects somehow wear their names on their sleeves, in the way in which Gadamer (1960, Pt. 3) apparently does. This conventional view is, Derrida holds, mistaken, and necessarily productive of irreducible paradox; for then language must in some way at all times involve elements of both the past and the future in ways in which, at least on the surface (if Derrida’s account is the right one), it ostensibly eschews. Just as, for Saussure, the sign only has meaning in the context of the system in which it is embedded, so for Derrida it must be the case that the present phoneme (or grapheme) owes its very existence and its significance to non-present surrounding structures: nothing, either in the elements or the system, is either ›simply present‹ or ›simply absent‹. The upshot of this (crudely put) is, among other things, that every act of speaking and writing that depends in whatever way upon the metaphysics of presence contains within itself the seeds of its own incoherence; in Derrida’s terms, it deconstructs itself. The role of the Derridean semantic investigator is to show up the ways in which texts (principally written texts) actually do this. Argument is reduced to rhetoric; and indeed it seems as if the structure of meaning itself must break down. Derrida’s position is, self-consciously, a paradoxical one: he attempts to describe in writing the incoherence of all (conventional) writing; one might imagine that such a project was at best self-defeating, at worst simply incoherent. As Montaigne put it, Pyrrhonian
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philosophers cannot even express their Pyrrhonism: for they would need a new language to do it. Derrida, like other sceptics before him, cheerfully accepts the implications of his critique for his own texts; like the sceptical arguments of the Pyrrhonists which ›act as purges, expelling first dogmatism and then themselves‹, Derrida’s deconstruction deconstructs itself.
4.
Naming, ostension, and individuation
4.1. Aristotle and natural kinds Aristotle had little time for sceptical arguments (although M et. IV 4—5 shows him to be aware of them; and indeed his argument for the absolute fundamental certainty of the Principle of Non-Contradiction in M et. IV 4 rests primarily on the claim that, if it were false, language would be meaningless); but a brief summary of his brief account of how we come to be able to apply natural kind terms will be of relevance to what follows. At the beginning of the Physica (I 1), Aristotle remarks that very small children refer to all men as ‘father’ and all women as ‘mother’ before they learn to distinguish general terms from names (cf. Locke 1894, II, 17 f; cf. Leibniz 192 3 ff, Sämtl. Schr. 6. R. VI, 2 90). This prompts the question: ‘how are they able to do this?’ It looks as though ostension alone will be inadequate, if we are to be hard-line empiricists about the issue; for in order to know what the name is supposed to apply to, we need to know antecedently what is being ostended (this is a point of fundamental importance for the Quinian account of indeterminacy of translation: see 4.3. and art. 73). Aristotle’s own answer to the question is to be found in the final chapter of Analytica Posteriora. We come to form general concepts as a result of repeated experiential exposure to instantiations of those concepts (we learn the concept ‘white’ by observing very many white things). But this raises again the question of how we can ever form a picture of the structure of the world and the categories it breaks down into in default of some antecedent knowledge of the categories themselves. How can I form empirical generalisations in the Lockean manner (Locke 1894, I, 64—91; cf. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schr. 6. R. VI, 69 ff) if I do not antecedently know what to generalise over? That problem is just as telling in the matter of language; and Aristotle’s solu-
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tion is, in effect, to say that in a sense we do have that antecedent knowledge (in this he is a precursor of Leibniz, and more remotely of Noam Chomsky, * 192 8); it is a part of the necessary conceptual equipment for animal survival. Consequently, induction does not feature in language-learning, at least at its most basic level. We do not infer that all animals of that sort form a particular species which we call ‘dogs’: we just see that they form such a species. In this Aristotle is followed by Galen (Kühn 182 1—1833, X, 12 8— 135). Language, then, follows the natural development of innate conceptual structures; and there is no sceptical problem about how the concepts can have been individuated prior to their receiving names. 4.2. Augustine, Wittgenstein, and language acquistion At the beginning of his Philosophische Untersuchungen Wittgenstein quotes from Augustine’s Confessiones (I 8) a passage designed to exemplify a naïve ostension theory of naming and language-acquisition. On this model, children learn the names of things as a result of having them pointed out to them, along with the names, by their parents: “their intention was shown by their bodily movements, which are as it were the natural language of all peoples” (PU § 1). As a matter of fact, Wittgenstein seriously misrepresents Augustine’s actual position in order to create a target for his own sceptical arguments — Augustine himself does not subscribe to such a simple view of language, nor is it the case (as Wittgenstein charges) that he “does not speak of there being any difference between kinds of word” (PU § 1). In an early dialogue, the De M agistro (Hyman/Walsh 1983, 2 0—33), Augustine discusses the shortcomings of simple ostension: the problem is that of explaining the meanings of words. Some words can be explained in terms of others; but some appear to resist such explanation (De M agistro ii 3), and in any case, such a process of explanation must come to an end somewhere; the obvious step, at least in the case of names, is to think that the process ends with an act of ostension, or baptism (De M agistro iii 5: something like this is, in a very much more sophisticated form, the basis of the referential accounts of Keith Donnellan, Saul Kripke, and Hilary Putnam). But there are immediate difficulties with this. Supposing I want to know the meaning of the word ‘walk’, and you get up
I. Raum-zeitliche Übersichten
and walk; might I not think that you mean by ‘walk’ what you in fact mean by ‘hurry’ (De M agistro iii 6; x 2 9)? Augustine’s solution is that, while some words are explicated in terms of other words and further signs, what is ultimately required on the part of the learner is something like an innate intelligent ability to pick up on precisely what it is which is being ostended (in however complex a fashion, cf. De M agistro 32 ); indeed “if I am given a sign and I do not know of what it is the sign, it can teach me nothing” (De M agistro x 33). But no explanation (apart from the invocation of divine illumination) can be given for that ability. It will be seen that Wittgenstein’s report traduces the complexity of Augustine’s account; but for all that, there is a naïve model of language which is the target both for Wittgenstein and (properly understood) for Augustine. And the inadequacies of that model which was perhaps adopted by Locke (1894, II, 10) indicate the shortcomings of a purely empiricist account of language-acquistion, shortcomings which must be overcome if the philosophical account of language-learning and comprehension is to be rendered immune to sceptical objections. A consideration of Wittgenstein’s answer to the problem will lead us directly to Quine, Donald Davidson (* 1930), and radical translation, and to the ›sceptical paradox‹ discerned by Kripke at the very heart of Wittgenstein’s late philosophy (s. art. 39). Wittgenstein’s solution is, essentially, that to grasp a language is to understand a system of rules for the manipulation of words; language-use is a type of rule-following; and the understanding of a language consists in understandig the rules that govern the moves that are allowable with the particular counters (in this case words) in the language-game. The different legitimate uses for the words may be linked by no more than ›family resemblance‹, there may be no nontrivial property or disjunction of properties common to all successful applications of a word. Crucial to the whole enterprise is the rejection of the atomistic account of language which Wittgenstein had himself embraced in his Tractatus (and which he attributes directly to Bertrand Russell 1872 —1970); words now only have meanings in the context of the sentences in which they find themselves (this insight is attributed to Frege, but it has obvious Saussurian overtones; see 3.4.; as for Davidson, cf. 4.3.). The vital insight for Wittgenstein is that language is something which
10. The sceptical tradition in the philosophy of language
is used (he frequently invokes metaphors of tool-using); and that use consists in the rulegoverned operation of words as part of complete sentences. Thus Wittgenstein rejects the view of the Theaetetus which has it that there are primary, indefinable elements the reference to which is fixed by ostension, basic simples out of which the complex totalities are built (PU § 2 1), on the grounds that the notions of simplicity and complexity are not pellucid and context independent: what counts as simple in any instance will depend upon the interests of the speaker, and consequently cannot be used as an independent given from which to construct an account of meaning in language (PU § 21 f). In his discussion of the primitive language game described for the purposes of showing up the drawbacks of the naïve ›Augustinian‹ account of language, Wittgenstein writes: “how we group words into kinds will depend on the aim of the classification, and on our own inclination” (PU § 8; cf. the common anthropological claims of the culture-relativity of taxonomic procedures). The notion, common to the tradition of the Stoics and William of Ockham, that there can be anything like a science of grammar independent of linguistic interests and objectives is itself under attack. The scope and intensity of the Wittgensteinian scepticism about language, and the profundity of its assaults on ordinary, deeply-entrenched ideas of the signification of words in a language, should by now be clear; I shall return finally to in 4.4. 4.3. Quine, Davidson, and radical interpretation In his Word and Object, Quine treats of what he calls ‘radical translation’: radical translation is the type of translation undertaken by an anthropologist from a foreign language into his own when he has no independent means, either through chains of interpretation, or in the form of a lexicon, for determining what correspondences might hold between the two languages. Quine describes (1960, 2 6 f) how such an anthropologist might go about constructing a ›translation manual‹ for such a language. Quine’s picture relies upon his notion of ›stimulus meaning‹: the stimulus meaning for any sentence is just that set of external circumstances which will prompt a speaker to utter (truly, non-ironically, and so on: these caveats point to the intrinsic difficulties of the task) some token sentence of the language. Quine’s own ex-
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ample is that of the word ‘gavagai’ uttered by a native in the presence of a rabbit; the visiting anthropologist might be tempted by this occurrence to frame the hypothesis that ‘gavagai’ meant ‘rabbit’, or possibly ‘Look: a rabbit’; and he could proceed to test this hypothesis by constructing a variety of experimental situations and assessing the native-speaker’s response to them. However, this procedure will work if it works at all only for a certain class of sentences, which Quine calls ‘occasion sentences’: sentences for which assent and dissent is appropriate only in the presence of certain stimuli. Yet even at this level it is sometimes difficult or impossible to discern simply from apparent similarities of perceptual phenomena what as a matter of fact constitutes the appropriate stimulus for an occasion sentence: ‘that man is a bachelor’ would be an example, as there is no set of observable characteristics common to all bachelors; in Quine’s terms, some sentences will be more ›observational‹ than others: “we have defined observationality for occasion sentences [...] as degree of constancy of stimulus meaning from speaker to speaker” (1960, 43). Given all of this, we can define ‘stimulus synonymy’ as a relation holding between two separate terms just in case they share identical stimulus-meanings (Quine 1960, 46—51). However, it is not the case that stimulus synonymy guarantees sameness of reference: “for consider ‘gavagai’. Who knows but what the objects to which this term applies are not rabbits after all, but mere stages, or brief temporal segments, of rabbits? In either event the stimulus situations that prompt assent to ‘Gavagai’ would be the same as for ‘Rabbit’. Or perhaps the objects to which ‘gavagai’ applies are all and sundry undetached parts of rabbits; again the stimulus meaning would register no difference. When from the sameness of stimuli the linguist leaps to the conclusion that a gavagai is a whole enduring rabbit, he is just taking for granted that the native is enough like us to have a brief general term for rabbits and no brief general term for rabbit-stages or parts” (52 f).
And there are further options. Crucially, our ability even to begin to build up the translation manual of occasion sentences depends upon an assumption of the relative concurrence of our taxonomic interests and those of the tribe whose language we are interpreting; and perhaps upon the stability of our intuitions concerning natural kinds (there are obvious connections here with Putnam’s work on meaning, reference, and natural-kind terms).
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The difficulties become even more acute when we consider the procedures necessary for dealing with logical connectives. For while it may seem relatively straightforward to discern truth-conditionally the native equivalents for the logical connectives in terms of their effects on complexes of stimulus meaning, how can we be sure that the native language operates according to the same, or even roughly similar, logical constraints? “Consider the familiar remark that even the most audacious system-builder is bound by the law of contradiction. How is he really bound? If he were to accept contradiction, he would so readjust his logical laws as to insure distinctions of some sort; for the classical laws yield all sentences as consequences of any contradiction. But then we would proceed to reconstrue his heroically novel logic as a non-contradictory logic, perhaps even familiar logic, in perverse notation” (Quine 1960, 59).
This is presented as a basic interpretative tool: indeed, it is a version of the principle of charity (on the principle, see Davidson 1979 a, 2 2 8). We will make what adjustments we need in our theory to ensure that the language we are interpreting makes sense to us. Davidson (1973, 136) goes even futher: “we look for the best way to fit our logic, to the extent required to get a theory satisfying convention T [the convention that says a theory of truth is satisfactory if it generates a T-sentence for each sentence of the object-language] on to the new language”.
But matters do not stop there; for the creation of a translation manual involves the use of what Quine calls ‘analytic hypotheses’, working models which enable the translator tentatively to assign English ›equivalents‹ to native words and phrases, in accordance with what has been discovered about the translatability of the various types of sentence and connective. But these hypotheses must reflect the translator’s own linguistic expectations; it is “a method of catapulting oneself into the jungle language by the momentum of the home language” (Quine 1960, 70). And here is the pay-off: different hypotheses will yield different equivalent versions for the same locutions; and yet there may be no internal method of testing the hypotheses one against the other; there may be any number of such hypotheses, all of which are empirically adequate. Suppose we hypothesize that some native locution L means ‘are the same’; then in response to a question concerning ‘gavagai’, we may conclude that ‘gavagai’ means ‘rabbit’; but if we take L to mean ‘are
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stages of the same animal as’, then ‘gavagai’, under precisely the same circumstances of questioning, will seem to mean ‘rabbit-stage’ (Quine 1960, 72 ). The upshot is that radical translation is indeterminate: we cannot settle the interpretation of the occasion sentences independently of the adoption of the analytic hypotheses; or as Davidson put it (1973, 12 7): “interpreting an agent’s intentions, his beliefs and his words are part of a single project, no part of which can be assumed to be complete before the rest is”; and this leads to a certain type of holism: “there is no chance of giving a foundational account of words before giving one of sentences” (cf. the views of Saussure, 3.4.). The old decompositional semantic picture, of giving an account of sentencemeanings in terms of their basic semantically and epistemologically privileged atomic constituents, which is as old as Aristotle, but which was alive as late as the Viennese positivists and the Wittgenstein of the Tractatus, has yielded to a sceptical argument in the philosophy of language. The thesis of the indeterminacy of radical translation is closely linked to that of the inscrutability of reference (see Quine 1969 a, and Davidson 1979 a; indeed, Quine later held that the ‘gavagai’ example was intended to illustrate the latter); but I will not deal with that directly here (for a further example of how different candidates for translations of occasion-sentences may each perfectly satisfy different analytical hypotheses, see Davidson 1979 a, 2 30). Neither Quine nor Davidson draw explicitly sceptical conclusions from the sceptical arguments about translation and reference: although their solutions (Quine’s in particular) are, in Kripke’s sense, sceptical solutions (see Kripke 1982 , 66). Kripke acknowledges the connections between Quine’s concerns and those which motivate Wittgenstein but feels that Quine (1969 a, 31) misses the point when he thinks that Wittgenstein’s difficulty concerning the ostensive definition of ‘sepia’ (PU § 14 f) is an unreal one. In the final analysis, Quine does not think that we are as a matter of fact in doubt about how to proceed in radical translation (at least in general); but that every procedure is as he characterizes it an inductive one, prone to the frailties of induction in general; and, more radically, that very fact may itself mean that, in the case of determining meanings, there is no room for ontological realism: “the point is not that we cannot be sure whether the analytical hypothesis is right, but there is not
10. The sceptical tradition in the philosophy of language
even [...] an objective matter to be right or wrong about” (1960, 73). Methodological scepticism proceeds in the philosophy of language, as it does so frequently, by undermining the robust realism of the ordinary man concerning matters of fact; in the case of reference, what there is for Quine is what our best theories tell us that there is; as Davidson (1979 a, 2 32 ) puts it, “the fixing of reference and ontology for the object language has been done on the basis of an arbitrary choice”; and there is no theory-independent means of justifying that choice: “[for Quine] reference and ontology are doubly relative, once to a choice of manual of translation and once to some background theory or language”. 4.4. Kripke, Wittgenstein, and private languages It is time to turn finally to Kripke’s interpretation of Wittgenstein’s Private Language Argument, and his belief that “Wittgenstein has invented a new form of scepticism ... the most radical and original scepticism that philosophy has seen” (Kripke 1982 , 60), although it is at least arguable that both the problem and the solution are to be found in Nelson Goodman’s (*1906) early work on projectibility and entrenchment (see Goodman 1973, 59 ff; 99 ff). The scepticism derives directly from something which we have already considered, namely Wittgenstein’s notion of rule following. If learning a language is a matter of internalising rules and systematically applying them, how can we know whether we have grasped the right rule? Indeed, what can be said to constitute, in any genuine sense, the ›right‹ rule in the first place? In any case, “the use of a word [...] is not everywhere circumscribed by rules” (PU § 33); and yet “what does a game look like that is everywhere bounded by rules? [...] Can’t we imagine a rule determining an application of a rule and a doubt it removes, and so on?” (PU § 39). The answer to that question is, ultimately, no, or only on pain of infinite regress. Wittgenstein indeed thinks that rules simply are things we apply in appropriate ways; we just know how to use words, and use them correctly (›blindly‹, as he puts it), without being thereby able to spell out their enormously complex truth-conditions — even supposing such a thing were in principle possible (PU § 53 f). This leads Wittgenstein, on Kripke’s account at least, into his ›sceptical paradox‹: for no finite number of applications of a putative
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rule can uniquely determine the rule; any arithmetic series, of no matter what length, can be continued in indefinitely many ways. Thus there seems to be no internal canon, to be determined simply from an examination of previous moves in the sequence, to determine how the sequence ought to be continued. Kripke considers the arithmetic function of addition; supposing someone, having added in a perfectly ordinary and familiar way pairs of numbers up to 57, suddenly produces 5 as a ›sum‹ for 57 and 68; have they gone wrong? How can they tell? And suppose they define a rule that yields this result (Kripke calls it ‘quaddition’), and claim to have been following it all along; how can we tell whether we as a matter of fact have been applying the rule of addition ourselves rather than some exotic variant such as quaddition? The whole point of rules of this sort is that they are indefinitely applicable; and for this reason noone can survey the whole range of applications to see which rule they are actually following. It is this that Kripke fastens on in his account of Wittgenstein’s radical scepticism; what differentiates Wittgenstein from Quine on this view is Quine’s reliance on external behavioural criteria, while Wittgenstein concentrates on a process of introspection (Kripke 1982 , 14 f); it is this which generates the radical doubt as to which rule we ourselves have been following, a doubt which (on Kripke’s reading) no amount of introspection (and no amount of searching for meta-rules for the application of rules) could of itself settle. Whether or not Kripke’s is the correct interpretation of Wittgenstein’s meaning need not trouble us (although I personally doubt that it is); for Kripke’s Wittgenstein, whatever his intellectual ancestry, is an independently interesting figure. And Kripke’s version has the advantage of showing the argument against the possibility of a private language in a revealing light. Broadly, the argument is that there can be no entirely private language simply because we need some external, public criterion of the correctness of application of a name which, ex hypothesi, no private candidate for a language could satisfy. Kripke holds that some of the undoubted strangeness of this view is dissipated if we see Wittgenstein not as trying bizarrely to show that something which we can all uncontroversially manage is itself suspect, but rather as desperately searching for some guarantee that will under-write any linguistic practice, all of which has been
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I. Raum-zeitliche Übersichten
called into question by the sceptical paradox, and finding it only in the possibility of external checking against canons to be found in the public criteria. The crucial point is made at § 81 of Philosophische Untersuchungen: “it is not possible to obey a rule ›privately‹: otherwise thinking one was obeying a rule would be the same as obeying it”. If one’s practice cannot in principle be corrected, then one is not in any genuine sense following a practice at all. The ›solution‹ to the problem, if it really is one, is certainly sceptical; it consists in embracing the conclusion that there can be no genuine facts about an individual, dispositional or otherwise that determine whether or not they are acting in accordance with a particular rule, for the application of language, or for the construction of arithmetical procedures, or whatever. But, Kripke’s Wittgenstein thinks (Kripke 1982 , 83), understanding and applying a rule is simply a matter of going on in the right way. Correctness of languageuse is not a matter of sentences correctly picking out facts, of words hooking up to objects in the atomistic vein of the Tractatus (Kripke 1982 , 78; 84 f) at all; it is simply a matter of behaving in a certain sort of way: not arbitrarily, but correctly (and corrigibly) within a practice (Kripke 1982 , 86—88). There is, in most cases, no room for doubt about the correctness of the procedure simply because there is no doubt about it; doubt is, in these instances, simply misplaced; and a radical scepticism about foundationalism in meaning has shown, simply, that meaning and language use cannot be a matter of determining linguistic and semantic foundations.
5.
Conclusion
I hope to have shown, albeit in a crabbed and compressed manner, the multiplicity, divergence, and fecundity of what one might call the sceptical tradition in the philosophy of language. Our investigations have taken us through a wide variety of quite distinct and indeed not obviously related types of concern. And yet I hope to have shown how the differing threads of sceptical inquiry intertwine to weave a coherent philosophical fabric in the supremely important field of the interpretation of human language. Sceptical argument uncouples language from its primitive
and pre-theoretical tight bonding with the world; sceptical methodology shows why it does not need to hold that privileged and untenable place in order to be the effective medium it is.
6.
Selected references
Arrighetti 1973 (ed.), Epicuro: Opere. Barnes 1984, The Complete Works of Aristotle: The Revised Oxford Translation. The best available English translation of Aristotle. Bury 1933—1949, The Works of Sextus Empiricus. Greek text with facing English translation. Davidson 1973, Radical interpretation. In: Davidson 1984 a. Davidson 1979, The inscrutability of reference. In: Davidson 1984 a. Derrida 1967 a, L’écriture et la différence. Derrida 1972 b, Positions. These texts outline and exhibit the major preoccupations Derrida’s earlier work on language. Diels/Kranz 1951 (eds.), Die Fragmente der Vorsokratiker. Hintikka/Hintikka 1986, Investigating Wittgenstein. Hobbes 1951, Leviathan (ed. C. B. Macpherson) [1651]. Hyman/Walsh 1983 (eds.), Philosophy in the M iddle Ages. An excellent selection, covering more than a thousand years of philosophy. Jowett 189 2 , The Dialogues of Plato. Still the most accessible and readable Plato. Kripke 1982 , Wittgenstein on Rules and Private Language. Locke 1894, Essay Concerning Human Understanding (ed. A. C. Fraser, 1960). Quine 1960, Word and Object. Quine 1969 a, Ontological Relativity and Other Essays. These two texts of Quine contain the exposition of his views on radical translation and inscrutability of reference. de Saussure 1916; Cours de Linguistique Générale. The posthumously published summa of Saussure’s views. Wittgenstein 1953, Philosophische Untersuchungen/Philosophical Investigations [= PU]. The great work of Wittgenstein’s later period.
Jim Hankinson, Austin, Texas (USA)
11. The empiricist tradition in the philosophy of language
11.
175
The empiricist tradition in the philosophy of language
1. 2. 3. 4. 5.
The historiographic category ‘empiricism’ Empiricism in semantic theory The development of classical empiricism Conclusions and prospects Selected references
1.
The historiographic category ‘empiricism’
1.1. It is a necessary precaution, before developing our topic, to point out that the historiographic category ‘empiricism’ cannot be employed as a principle of discrimination of authors or schools which correlates mechanically epistemological empiricism with linguistic empiricism. In fact, it would be hardly possible today to subscribe to the rigid dichotomy, consecrated by generations of historians of philosophy, between empiricism and rationalism. Thus, Anthony Kenny (1986, 3), in his introduction to a volume whose title evokes such a dichotomy, contests its validity, and reduces it rather to a distinction (which can also be accepted as a guiding criterion concerning theories of language) “between thinkers who regard it as essential to place scientific regularities within a general picture of the structure of the universe, and those who collect regularities without linking what is observed to any general concept of reality”.
Hans Aarsleff (1982 a, 108), when discussing Noam Chomsky (*192 8), highlighted a ›rationalistic‹ core even in the philosophies of John Locke (1632 —1704) (s. art. 2 2 ) and Etienne Bonnot de Condillac (1714—1780), by pointing out that in fact none of these philosophers had ever denied that reason and its manifestations in reflection are innate to man. In fact, neither Locke nor any other author takes the ›tabula rasa‹ metaphor to imply the inexistence of the ›table‹ itself; or, to use Leibniz’s phrase, of the ›intellectus ipse‹. In short, epistemological empiricism does not exclude, neither in principle nor in fact, a naturalistic foundation of cognitive activity. Locke still calls such a foundation by its rationalistic name ‘lumen naturae’, and Condillac, David Hume (1711—1776), and the Idéologues view it as the simple regularity of the working mechanisms of the mind. Aarsleff’s considerations are an invitation to caution in using sharp historiographic dichotomies, which become the less defensible
the closer one looks at history. Luigi Rosiello (1967, 132 ff) already stressed the inductivism of general grammar as practiced by César Chesneau du Marsais (1676—1756) and the Encyclopedists. Sylvain Auroux (1984 a) argues that there is a substantial continuity in method between the philosophical grammars of the 17th century (s. art. 44) and the grammatical investigations of the first decades of the 19th century. Auroux himself has reminded us of the declared empiricism of some followers of Port Royal, and has observed, with special reference to Nicolas Beauzée (1717—1789), that even classical general grammar is not necessarily an a priori discipline. Aarsleff (1982 a, 113; 169) points out how du Marsais, the main representative of philosophical grammar in French Enlightenment, declared himself to be a Lockean. Daniel Droixhe (1978, 14—2 0) talks about a ›genetic‹ perspective — and therefore of an experimental, empirical methodology — introduced by sensationalism in the tradition of general grammar. Marc Dominicy (1984) has shown how certain theoretical devices developed by Port Royal continued to function satisfactorily well beyond the framework of their original ›rationalism‹. The intricacy of the inter-relations between these historiographic categories in the French tradition is documented in Ulrich Ricken’s studies (see especially 1984). Other investigations by Auroux (1974 a; 1985 a) reveal further theoretical intersections. A single example — Condillac’s description of the birth of the parts of speech in the second book of his Essai sur l’origine des connoissances humaines — clearly shows how semantic arbitrarism does not in fact jeopardize the idea that grammatical structures are innate to human mind (so much so that it is possible to demonstrate the psychological-genetic ›necessity‹ of their formation). And I think one would in vain look for a refutation of the natural character, i. e. ultimately of the universality, of the grammatical categories or ›parts of speech‹ in classical empiricism. On the other hand, Auroux (1981, iv-vii) has correctly stressed the psychologism of the conception of logic in the Langue des calculs, i. e. precisely in that work by Condillac in which tradition has seen the birth of a logicist programme. He has also shown (Auroux 1982 ) the coherence between Condillac’s epistemological empiricism and his grammatical the-
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ories. To consider the undeniable coexistence of semantic empiricism (to be soon defined) with syntactic rationalism (the attribution of universal validity to grammatical categories) as an indigestible residue in the philosophy of the Enlightenment would be anachronistic. The idea of the contingency of grammatical categories could not be born otherwise than through a confrontation between heterogeneous linguistic families; and even in the heyday of comparative linguistics, the hypostasis of the grammatical categories of indo-european languages as universal forms of thought is maintained for a long time. Besides, to defend the ›rationalistic‹ thesis of a ›natural‹ foundation of grammatical behavior does not contradict in any way the ›empiricist‹ axiom of abstracting from particulars as the only legitimate procedure for getting to know the universal laws of thought and language. Nor is it opposed to the method — equally ›empiricist‹ — of historical-genetic reconstruction, i. e. to the idea that the essence of cognizing processes manifests itself in their history, in their forms of emergence: and this is true also for grammatical categories, whose gradual genesis through stages indicating an ever growing linguistic control over reality, is described in 17th and 18th century philosophy. These descriptions are ›empirical‹ in so far as they purport to show the psychological development of universal features of human behavior. This genetic-descriptive technique, of which there are many other examples, is a characteristic feature of empiricist methodology. It certainly includes an anthropological approach aiming at a historical — even though hypothetical — reconstruction of the birth of language (s. art. 65) and its forms in the course of the process of humanization of the species, as opposed to theories that simply identify the soul with language ability. In this sense, all of 17th century’s anthropological linguistics can be labelled ‘empiricist’. The hypothetical character of many genetic reconstructions (e. g. Jean-Jacques Rousseau’s (1712 —1778) Essai sur l’origine des langues) contradicts only apparently the empiricist approach: the philosophical fiction, in anthropology, becomes a sort of mental experiment; history — even the hypothetical story of the origins — is the laboratory of human sciences conceived as observational sciences. 1.2. But I wish to turn now to a specification of this category, restricting it to what I have
I. Raum-zeitliche Übersichten
called semantic empiricism. To render the sense of this concept more precise means, I think, to establish a crucial reference point regarding the relationship between epistemology and linguistics as conceived by classical empiricism, and this enables us to see its decisive contribution to a redefinition of the theory of meaning. The term ‘phenomenalism’ sums up the theory of knowledge arising with Locke’s criticism of the notion of substance. To say, with Locke, that only nominal essences, i. e. those aspects of the thing that are represented and collected in its name, are cognizable means, from an epistemological point of view, to claim that no representation exhausts the represented being, and from a linguistic point of view, that no discursive act exhausts its referent. Such a claim means, therefore, that there is no other referent than that which is constructed by the speaker who organizes linguistically the representations themselves. This is far from the position that might be called ‘rationalistic’ (still held by Thomas Hobbes, 1588—1679, Gottfried Wilhelm Leibniz, 1646—1716, s. art. 2 3, and the theoreticians of universal languages), for which the semantic act of referring is not the construction of genera, but rather the acknowledgment of already formed general: an acknowledgment which can be hindered but not made impossible by the ambiguity and uncertainty of the historical-natural languages. The doctrine I have called ‘semantic empiricism’, whose meaning will be clarified by reference to Locke’s texts, can be adopted not only as a lead to historiographic reconstruction, but also as a theoretical suggestion still to be developed in a ›neo-empiricist‹ perspective. That is to say, a perspective which purports to explain the creative potentiality of language without appealing to transcendental arguments functioning as a device to ensure both the objectivity of experience and the intersubjectivity of meanings. Such a reading and use of Locke’s theory is incompatible with those interpretations of Locke’s semiotics which consider it to be an eminent example of the ›representational fallacy‹, i. e. of the conception of language as being primarily an aggregate of words whose function (illustrated mainly by names) is to designate mental images and, through them, objects. This is for instance Roy Harris’ (1980, 63 ff) interpretation of Locke’s semantics. Before him, Ian Hacking (1975 a) had described the linguistic theories of the 17th
11. The empiricist tradition in the philosophy of language
century as belonging to the ›heyday of ideas‹. According to him these theories were equally characterized by assuming ideas to be “the interface between the knowing subject and what is known” (Hacking 1975 a, 187) or as “the link between the Cartesian ego and the world external to it” (Hacking 1975 a, 159). Of course, the sharing of the ›way of ideas‹ and of the function of semiotic mediation of ideas is beyond dispute, in so far as the linguistic theories of classical empiricism are concerned. But the modes of such a mediation are to be carefully considered, since they are certainly not the same in all the authors Hacking puts together. In particular, the preeminence and autonomy of ›mental discourse‹, which both Harris and Hacking see as a dominant characteristic in empiricist philosophy of language, is far from established for Locke. For him, ›public discourse‹ — the one which makes use of historical-natural languages — determines to a large extent mental discourse. And this fact certainly modifies not only the conception of the relations between the subject and the world, but also the very conception of the subject, which distances itself from the simplicity of the Cartesian thinking substance, loading itself with those historicalempirical dimensions of which — as the Enlightenment philosophers will clearly state — language is at the same time the support, the testimony, and the archive. The criterion for assessing the novelty introduced by Locke’s philosophy in semantic theory is not the option pro or con the representative power of language, as suggested by the critics of representationalism. It is indeed debatable whether there is at all a theory of language that denies its having any representative function (cf. Parret 1978, 74 f). But within a representative theory of linguistic signs, the question is — as just said — to examine the modes of such representation, i. e. to examine whether the theory assigns to language a simple reproductive power or else a power of articulation vis-a-vis reality. In the former case, language is a universal system of representation where the only relevant relation is the one obtaining between linguistic entities and pre-constituted mental entities, either because a one-to-one correspondence between the ontological and linguistic levels is presupposed, or because empirical linguistic acts express immediately the mental reality of an ideal speaker. Whether in the form of classical rationalism, or of Chomskyan neorationalism, or of the rough form of empiri-
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cism which might be called ‘intuitive materialism’, or ‘sense data mythology’, in Auroux’s (1985 b, 42 5) phrase, this view corresponds to a ›strong‹ sense of representative theory: discourse doesn’t have the active possibility of articulating or moulding the cognitive behavior or the mental reality of the speaker. The latter remains an ideal speaker because he is subtracted from every empirical determination, from every interactive context, and from all conditioning factors inherent to a historical-natural language. Language, accordingly, does not act in any form on mental life: it can at most express it outwards, represent it. Contrarywise, in the case of a ›Lockean‹ speaker, the empirical context, where an important role is assigned also to norms of usage and semantic configurations of the historicalnatural language he uses, is taken into account. The thesis of the conditioning character of language vis-a-vis reflection, developed by 18th century philosophy on the basis of empiricist premises, is one of the logical and historical ancestors of the contemporary concept of articulation. Here too, to be sure, representation is at stake; but it is a representation articulated through an arbitrary syntagmatic activity, and hence somehow ›constructed‹ by language. Among the investigations on 17th century theory of knowledge, John William Yolton (1975), who examines Locke’s theory of ideas against the background of the Arnauld-Malebranche polemics, points out (without developing it further) the connexion between the ›deontologization‹ of the ideas and the theory of language. To deontologize the ideas means precisely to use them “as a way of talking about thinking and perceiving” (Yolton 1975, 161).
2.
Empiricism in semantic theory
2.1. It is perhaps worthwhile to take a closer look at the relationship between epistemological empiricism and theories of language, by means of Locke’s text. I have shown elsewhere (Formigari 1988, 99—131) how the two spheres intersect in the refutation of substantial forms, achieved by the new metaphysics within the framework of its critique of scholasticism. Such a refutation leads to emphasizing the power of language as a means to classify the cognizable world, the latter’s relative independence from the realia, and consequently, the arbitrariness of the linguistic sign.
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The scholastic idea of substantial form (s. art. 4) had its origin in the reference of every natural phenomenon to an entity which was distinct from the modifications of matter. The new physics, on the other hand, strived to show that physical and chemical phenomena (alteration, generation, and corruption) can be explained in terms of corporeal agents, without appealing to formal entities (or, as will be later said, transcendentals). We do not know, of bodies, anything other than their sensible qualities; hence we cannot distinguish genera and species except on the basis of an empirical classification of things, i. e. on the basis of aggregations or collections of accidents held together by names. Translated in linguistic terms, this epistemological argument implied a deep revolution in semiotic theory. For it called into question the idea that between the names (which are conventional signs of things) and the things themselves, there were concepts immediately representative of genera and species existing in nature, functioning as natural signs capable of mediating the semantic relation. It called into question the idea that between names and things there were connections transcending the various languages, the linguistic habits, the empirical circumstances in which language itself exercizes its function of an instrument of classification. In short, it called into question what Harris (1980, 36) calls the ‘priority of the nominatum’, and in that way prepared the ground for a critique of the conception of language as nomenclature: it is no longer the essences, or substantial forms, that define the scope of meaning of names, but, on the contrary, the linguistic habits are what contribute, together with other pragmatic factors, to the constitution of the ›realia‹. There is not doubt that the behavior of the human mind in the cognizing process is, already in Locke’s conception, largely determined by language. This paves the way for the thesis, developed by the Enlightenment and later on by Wilhelm von Humboldt (1767—1835) (s. art. 2 7), of the linguistic nature of thought. Locke’s problem was not only that of understanding how general ideas and their respective names are formed. It was to understand how general terms can signify things, which are always particular. This is possible because the nominal essences function as patterns which are able to mediate the relationship between names and things. Such a me-
I. Raum-zeitliche Übersichten
diation, performed by the abstractive pattern, is minimal in the case of ideas which refer immediately to sensible experience (the socalled simple ideas: the sensation of heat, the impression of a color, etc.). It is larger in the case of the ideas of substance (here Locke gives many examples of the uncertainty of the classification of animal and vegetal species, anticipating the debate that will take place within biological sciences in the 18th century). It is largest, finally, in the case of the ideas which have no existential referent (e. g. the moral and juridical terms). This is accompanied by an increase in the degree of arbitrariness, which is maximal where the mediation is performed by voluntary collections of ideas held together by name, without a natural model to support it. For instance, there is in nature no more specific link between the idea of killing and the idea of man than between the idea of killing and the idea of sheep; however, only in the former case there is a specific name for the act (‘murder’). This means that the classification of things and events, as well as their respective denomination, evolve under the influence of practice, are determined by the needs of communication and dictated by habit and tradition, in short, by cultural factors, broadly speaking. This is true not only for the moral terms, but also for the designations of things: we have two distinct names to designate water in liquid and solid states; but we don’t have distinct names to designate solid and melted gold. The same name can designate for some a bigger collection of simple ideas, for others a smaller one: for the child a yellow brilliant color is sufficient to constitute the idea of gold; others add to it malleability, fusibility, specific weight; others still other qualities. In this description of the semiotic behavior of the human intellect, the arbitrariness of the sign is, thus, not merely the indifference of the sound with respect to the thing. It is rather a characteristic of the concept itself (or of the abstract idea or nominal essence). In short, the name is not arbitrary only as a sound which has no necessary connection with its meaning, but also in so far as the idea it connotes is an arbitrary classification of reality. Whereas the traditional notion of conventionality, still present in Hobbes (Formigari 1988, 92 ff), as indifference of the sound with respect to the meaning, did not challenge the isomorphism between language and reality, ensured by that network of natural signs
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which are the concepts, when we come to arbitrariness, it is the very correspondence between the ontological and linguistic spheres which is no longer guaranteed. It is the mediating signs of the semantic relationship which are, in the first place, arbitrary, i. e. the ideas, which — to be sure — represent the things, but according to links and aggregations which are largely (or even totally) independent from natural models. 2.2. Such a radicalization of the idea of arbitrariness of the linguistic sign has a number of implications which become fundamental for the development of Enlightenment linguistics and, through it, for the modern theories of language. First, it leads to a new attention to the pragmatic elements of meaning. In other words, the conceptual selection which constitutes meanings is dynamic. The practical factors that contribute to the selection made in the act of speaking are manifold: the current linguistic usage; the characteristics of the historical language employed; the needs of communication, which require highlighting of some but not other aspects of that about which one speaks; the stylistic habits or conventions linked to various kinds of communication (e. g. rhetorical-literary, rhetoricalpolitical, scientific, etc.); the linguistic habits connected to the cultural or social level of the interlocutors; etc. The selection which is operative in the constitution of names is no more stable and exhaustive. It is not grounded on an intuition of the real essence of the thing; on the contrary, the scope of the meaning of a name is often amplified or restricted, in accordance with the functional needs of communication. In short, meaning is an information about the objects which is demarcated by the sign, and is no longer homologous to the objects themselves. This grants language a power over thought, which it wouldn’t have if words were simply the verbal translation of stable meanings, warranted by a correspondence between the linguistic and the ontological spheres, between names and things. Therefore, thought is largely determined by language; the historical languages induce us to ›think‹ reality in certain ways and not in others. Such a dynamic conception of meaning, with its implied possibility that the configurations of ideas collected in a nominal essence (i. e. in a significant, in a name) change from an interlocutor to another, has important
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consequences also for the theory of communcation. One speaks ›as if‹ the nominal essences were stable, and identical in the minds of speaker and addressee. This is the tacit presupposition of the communicative use of language (Locke, Essay, III, ii, 2 ). But in fact the referent is not stable, since it is by definition a dynamic entity. The implication for the theory of communication is this: “To require than men should use their words constantly in the same sense, and for none but determined and uniform ideas, would be to think that all men should have the same notions, and should talk of nothing but what they have clear and distinct ideas of (Locke, Essay, III, xi, 2).
The critique of substantial forms — which is the very foundation of empiricist epistemology — makes the idea that in language the order of things is given indefensible. On the contrary, it implies a process of continuing construction of such an order. Names do not find their referents ready-made in nature; they have so to speak to construe them again and again in communication, pigeon-holing the classes of objects in the fabric of experience. Hence, not only words are institutional devices, but their institution itself is not guided by a classification given ›in rerum natura‹ (Locke, Essay, III, v, 3), but only by the pragmatic demands of knowledge and communication. The idea of a nature which is given, containing all the models of things with names assigned to them, as a big Noah’s Ark, is replaced by a dynamic conception both of natural reality and of language: the one being constantly modified by the transformations of matter, the other by the demands of praxis. The Lockean theme of the ›abuse of words‹ is ideally paired to the Baconian ›distrust of language‹, which imposes to the scientist an endless adjusting of the techniques of communication, which however are unable to represent faithfully and with full ostensive efficacy the experimental practices of science (Formigari 1988, 1—14). In the light of what has been said, I believe that, instead of a “translation theory of understanding” (Harris 1981, 101), one should speak — in the case of Locke — of a sketch of an hermeneutical theory of comprehension. The non-coincidence of form and meaning which constrains one to talk as if the referents were identical to all interlocutors, constrains also the interlocutors themselves to work out an adjustment, which puts in evidence, in the very act of speaking, the elements which are pertinent at every step. To be sure, such a
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I. Raum-zeitliche Übersichten
labor implies, as a kind of regulative ideal, a “search for invariants of meaning which are unaffected by differences between one communication situation and another” (Harris 1981, 92 ). But this does not necessarily equate, as suggested by Harris, “the linguist who is working within the framework of a Lockean model of communication” (ibid.) with the modern theoreticians of generative grammar. If there is a subsequent model which allows for the integration of Locke’s, it is rather the Humboldtian model. The dialectics of energeia and ergon in Humboldt’s theory expresses quite adequately the relationship between the spontaneity of linguistic production and the stability of the code, as well as its ability to condition spontaneity, among other things in the direction of a (relative) invariance of meanings. To be sure, a neo-empiricist (or at least non-idealistic) reading of this aspect of Humboldt’s philosophy should insist upon the plurality of the erga, i. e. of the plurality of the codes even within the same historic-natural formation.
3.
Developments of classical empiricism
3.1. In the various phases of development of the empiricist tradition, the theory of general terms remains the problematic core around which the discussion about the relationship between language and thought evolves. Hobbes’s nominalism was a first characterization of that core. By claiming that only the use of words allows for transcending empirical imagination and hence for producing science, Hobbes represents an important turn, relative to his contemporaries, such as Pierre Gassendi (1592 —1655) and even Baruch Spinoza (1632 —1677), who saw in language rather an obstacle to thought (Zarka 1985, 195). But Hobbes lacks any hypothesis about the autonomy of meanings and of their disposition in discourse, vis-a-vis ›conceptions‹, which are, ultimately, the real tokens of the linguistic computation in which thought consists (Formigari 1988, 92 ff). Language therefore remains substantially a translation, a device for transforming mental into verbal discourse, the concatenations of thoughts into concatenations of words. In order to overcome such a narrowly instrumental conception of language, it was necessary to call into question the very notion of words as marks, as immediate signs of empirical intuitions,
and to show how words themselves intervene in the construction of data. In short, to realize the dependence of thought on language, not only for verbal ›translation‹, but also and foremost for its determination and articulation. If there is a pervasive distinction in Hobbes’s writings, this is, according to YvesCharles Zarka (1985, 184), the distinction between empirical and rational knowledge. But this is a distinction present in all phases of the development of the empiricist tradition, even in sensualism. The specificity of epistemological empiricism does not lie in the denial of the double source of knowledge. It lies rather in the fact that, whereas epistemological rationalism views the exercize of rationality as spontaneous, empiricism views it as mediated. And such a mediation is provided precisely by language, in that it allows for the application of universals to particular empirical data. Hence the importance acquired by language in 18th century epistemology: the more the mediating role of language becomes apparent, the more the conception — still dominant in Hobbes — of the representativity of the idea, conceived as a mental image which pictures directly external objects and indirectly — through the signs of affections (Zarka 1985, 191 f) — internal states, is reframed. Thus, Heinz Paetzold (1985, 153) correctly describes Locke’s semiotics and the positive function ascribed to language in its epistemological perspective as a “Wandlung im Paradigma des Empirismus”. What constitutes the object is the nominal essence; hence general terms do not so much represent general ideas as they rather construct them. In short, the connotation of general terms is given in linguistic praxis. In the third book of his Essay, Locke presents a logic of invention, whose underpinnings are to be found already in the critique of epistemological innatism in the first book. This is supported by Aarsleff’s (1982 a, 37) interpretation, according to which the innatists whom Locke has in mind were the supporters of the Adamic language doctrine (s. art. 72 ). The critique of innatism is then already linguistic in nature, for denying the existence of innate ideas implies that the essences cannot any more be ›recognized‹ in language, that meanings are no longer the mere acknowledgment of pre-ordained classes in reality or in the mind. This pragmatic potential of Locke’s semantics is rendered explicit by Condillac.
11. The empiricist tradition in the philosophy of language
What the arbitrary sign permits is not thought in general; it is rather voluntary thought, which coincides with the ability to coin and manipulate arbitrary signs. This principle, stated in the Essai sur l’origine des connoissances humaines (1746), is confirmed by the ›functionalism‹ (Auroux 1982 , 198) of the grammatical theories put forth in Condillac’s later works: morphology has the same instrumental function which is characteristic of signs, the order of words does not translate the order of ideas (since the ideas have no order before the advent of language), but is itself determined by use, i. e. again by praxis. Lacking any internal source of organization, the thinking subject must rely entirely upon language in order to structure the representations themselves. What is then lifted to the forefront is the process of formation of ideas and the need to capture the constitutive role played by signs in this process. It is precisely arbitrary signs that, for Condillac, make reflection possible, because they free the imagination and the memory from the subservience to objects. The memory is exactly the ability to recall signs of our ideas even in the absence of the objects which generated them. Once acquired, with the use of words, the free disponibility of memory, man begins to be also the free master of his imagination. The richer his repertoire of arbitrary signs, the broader and richer will be his memory and imagination, hence his thinking capacity. The higher and specifically human capacity called reflection is in fact the capacity to apply our attention to various objects or various parts of the same object, to combine their ideas even in the absence of the sensory stimulus. And all this can be done only thanks to the semiotic faculties of imagination and memory, i. e. thanks to the use of arbitrary signs. As Condillac will stress in his later works, language is a condition for the ›connoissance de theorie‹. The necessity of language for the analysis of thought derives, besides, from a discrepancy between them, pointed out by Condillac in his Grammaire (I, 4—5), namely the fact that in thought ideas are simultaneously given, whereas in discourse they appear in succession. This difference between the holistic and syncretic process of thought and its linear and successive linguistic counterpart, complements the semantic empiricism established by Locke, and contributes to reframe the theory of the representativity of the ideas and of the primacy of mental discourse.
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3.2. The liberation of language from its ›translating‹ function was anticipated in the thought of another great representative of classical empiricism, namely George Berkeley (1685—1753). This was facilitated by his metaphysical immaterialism, which allowed him to attribute a large measure of autonomy to language vis-a-vis its ontological referent. So much so that Berkeley was led to stress the multiplicity of non-referential and pragmatic uses of speech. A passage of the Alciphron, which epitomizes his linguistic doctrine, illustrates this point: “[...] signs [...] do not always suggest ideas signified to the mind; [...] when they suggest ideas, they are not general abstract ideas; [...] they have other uses besides barely standing for and exhibiting the ideas, such as raising proper emotions, producing certain dispositions or habits of mind, and directing our action [...]; signs may imply or suggest the relations of things; which relations, habitudes and proportion, as they cannot be by us understood but by the help of signs, so being thereby expressed and confuted, they direct and enable us to act with regard to things [...]; the true end of speech, reason, science, faith, assent, in all its different degrees, is not merely, or principally, or always, the imparting or acquiring of ideas, but rather something of an active operative nature, tending to a conceived good; which may sometimes be obtained, not only although the ideas marked are not offered to the mind, but even although there should be no possibility of offering or exhibiting any such idea to the mind [...]” (Berkeley, Alciphron, VII, 14).
Behind these statements there is more than the well-known criticism of Locke’s notion of abstract general idea. They are backed by the complex linguistic doctrine of the Essay Towards a New Theory of Vision as well as by the apologetic strategy pervading all of Berkeley’s thought, whose importance for Berkeley’s linguistics has been rightly stressed (Mugnai 1979; Brykman 1984). In the New Theory of Vision, Berkeley reduced the relationship between linguistic signs to a particular case of the relation of signification between series of heterogeneous ideas (e. g. belonging to different senses), which, as such, are not connected by similarity or causality, but only by empirical concomitance, i. e. habit. Thanks to this purely empirical link, lacking any necessity, it is possible to construct objects starting with perceptions belonging to different senses (the chariot which I have heard, then seen arriving, then touched, is construed by the concomitance of these heterogeneous perceptions, which have no necessary inherence to each other: New The-
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ory of Vision § 47). Not unlike this, words suggest to the imagination, through the mediation of sounds, ›objects‹ which do not belong to audition (§ 9 f). The process of signification evolves entirely within a relationship between perceptions and imagination, which is responsible for the construction of objects, independently of their material substratum. But the ›language‹ of perceptions functions in Berkeley also in the absence of any referent, material or ideal, because it has at its disposal a higher representational device — a transcendental device as one would say in postKantian terms — which guarantees also the meaningfulness of discourse — namely divine thought. That is to say, backing the language of perceptions and its arbitrary articulation, there is a Subject who, when he thinks (and talks by means of the visible forms) creates the referents of a language which is not by itself linked to a material world of representations. The pragmatic potential of the empiricist linguistic theory is, instead, fully explored by Hume, with the introduction of the general principle of association and of the device of custom. The name, which obtains from custom its semantic power, functions in the act of linguistic reception not as presenting or representing the individuals which belong to the designed class, or the idea which is in the mind of the speaker, but as evoking in the addressee a disposition (readiness) to refer to any of the individuals themselves, according to the practical motivation or to the needs of communication. “When we have found a resemblance among several objects, that often occur to us, we apply the same name to all of them, whatever differences we may observe in the degrees of their quantity and quality, and whatever other differences may appear among them. After we have acquired a custom of this kind, the hearing of that name revives the idea of one of these objects, and makes the imagination conceive it with all its particular circumstances and proportions. But [...] the word not being able to revive the idea of all these individuals, only touches the soul, if I may be allowed so to speak, and revives that custom, which we have acquired by surveying them. They are not really and in fact present to the mind, but only in power; nor do we draw them all out distinctly in the imagination, but keep ourselves in a readiness to survey any of them, as we may be prompted by a present design or necessity” (Hume, Treatise, I, i, 7).
This passage of the Treatise of Human Nature embodies many of the consequences im-
I. Raum-zeitliche Übersichten
plicit in the semiotic revolution initiated by Locke. It adds to Locke’s description of the abstractive genesis of general names (classification disregards the degrees of quantity or quality of the individuals in question) the habitual behavior of imagination, in order to explain the semantic power of names. The semantic device is considered, thus, no longer from the point of view of the speaker, but from the point of view of the addressee (what happens when we hear someone pronounce a name; how does this sound signify something for us). And here custom functions as a readiness to apply that name to any of the individuals that linguistic usage has led to associate to it: a disposition which is actualized in one direction or another according to the motivations or praticai needs of the moment. Meaning is, in short, a potential of names, whose actualization depends upon pragmatic factors. This is the thesis which, stemming from Berkeley, Hume develops in the section of the Treatise (I, i, 7) devoted to abstract ideas.
4.
Conclusions and prospects
If the identity of the empiricist (or ›Lockean‹) speaker sketched in the preceding pages is correct, then the interplay of genealogies becomes rather complex. Locke becomes in fact the logico-historical ancestor of every constructivist conception of language (i. e. of any conception which attributes to language a power of interpretation, of ›construction‹ of experience, rather than being a mere ›channel‹ of transmission of representations). He becomes then the ancestor — though a thousand times renegated by the philosophical propaganda of the 19th century — of the idealistic concept of creativity. The creative power is bestowed upon language by its ability to articulate experience. In this sense, Aarleff’s reconstruction of Humboldt as a follower of Condillac and of the Idéologues, i. e. of a ultimately ›Lockean‹ Humboldt, is doubtless correct. Even if in Humboldt’s — and in general in the idealistic — notion of creativity there is more than that (and one should determine exactly what). Any non-idealistic reconstruction of the notion of linguistic creativity comprises, I believe, among other things, a vindication of the empiricist roots of this notion. It is indeed classical empiricism, as I have tried to show, that calls into question the idea of language as a simple, neutral ›channel‹ for
11. The empiricist tradition in the philosophy of language
the communication of the mental representations of the speaker. This is a persistent idea (Reddy 1979), which prevents realizing the constitutive role of language in thought; which thus views linguistic expression as something secondary, accidental, or, worse, a mechanism that, as pointed out by Herman Parret (1978, 77), “affaiblit par des transformations déformantes les qualités logiques sous-jacentes de la pensée”. It is classical empiricism that proposed, before Ferdinand de Saussure (1857—1913) (s. art. 36), with Locke and Condillac, the opposed theoretical model, according to which discourse articulates the content of thought and every linguistic act is, therefore, an interpretation of experience. Modern constructivism, in all its forms, has its origins, consciously or not, in this paradigmatic option performed by 18th century thought. It is an origin which has been hidden by traditional historiography, which has perpetuated, until a few decades ago, the idealistic thesis that empiricism had asserted the total receptivity of the intellect, forgetting its active side or ›spontaneity‹. Such a presupposition has lead to a reductive reading of authors such as Johann Gottfried Herder (1744—1803) (s. art. 2 6), whom idealistic historiography — aiming at reconstructing the theoretical ancestry of the ›deutsche Bewegung‹ — has always or mainly represented as a precursor of classical German philosophy, inserting him, accordingly, in the tradition of linguistic transcendentalism. One of the results of such a position is that even the most scrupulous historiography tends to overlook a text like the Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft, which contains the most beautiful refutations of idealism, and can be read as an important moment in the history of empiricism in linguistics. I have in mind mainly the theory of the material, i. e. corporeal, origin of linguistic categories, which is the foundation — against Kantian formalism — of a materialistic theory of grammar (Formigari 1977, 43—53). If it is true that, among the forms of constructivism in the theory of language, one finds also the idealistic conception of creativity, one should ask by what radical change the empiricist concept of articulation becomes the idealistic concept of creation. In other words, when — to use again Parret’s (1978, 81) felicitous wording — the idea of a subject who “manipule le langage comme une forme autoproductive dans la vie solitaire de l’homme” was born? It is clear that such a
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change occurs with the introduction in linguistics of the notion of transcendental (Formigari 1988 a). Realizing this leads necessarily to a reappraisal of another fundamental historical intersection, namely Humboldt’s philosophy of language (s. art. 2 7). It is a merit of recent historiography to have begun to show the richness and multiplicity of points of view of this personality, to whom one always ends up by returning. Such a return raises however serious exegetical problems: the fact is that the contribution of the empiricist tradition, stressed by Aarsleff (1980, 335—355), is absorbed by Humboldt within the framework of idealistic dialectics, translated into the language of classical German philosophy. The ›empiricist‹ or neo-empiricist reader of Humboldt faces the same task presumably already faced by 19th century psychologism, namely to distinguish in Humboldt speculation and empirical research, to look for a mediation between the two elements outside the idealistic dialectics employed by Humboldt, to seek to free the notion of creativity from the mortgage of a transcendental subjectivity. Beyond this specific historiographic operation, the themes of linguistic empiricism reappear today, also in the light of the development of artificial intelligence research. These, on the one hand, facilitate experimentation, thanks to the simulation of mental processes, and, on the other, impose the search for a human specificity which cannot be taken to be simply indicated in the mind. Hence, for instance, the need to re-examine, as was done by 19th century psychologism after the heyday of idealistic ›mentalism‹, the sphere of pre-verbal experience, and its relations with language; the need to have in mind corporeality as that which introduces in experience the historical-empirical dimension which does not belong to the mind (nor to the machine) as such. In an article quoted many times above, Auroux (1985 a, 42 6) observes that “d’une certaine façon l’empirisme est toujours un retour à la philosophie des Lumières”. But — among the differences that a critical return always comprises — Auroux not accidentally points out the fact that for a contemporary empiricism it is not essential to refute every nativist hypothesis. In fact, the problem of structures, as raised in the sociobiological debate of the last few years, touches also linguistic behavior. What must be payed attention to by anybody investigating language is
184
I. Raum-zeitliche Übersichten
the importance of corporeality as a determinant of specifically human behavior, as a source not only of biological recursivity, but also of the differential historicity of the intelligence and of natural language.
5.
Selected references
On the historiographic category of ‘empiricism’ as applied to the philosophy of language of the 17th and 18th centuries: Auroux 1984 a, Le rationalisme empiriste. Auroux 1985 a, Pour un nouvel empirisme. Kenny (ed.) 1986, Rationalism, Empiricism and Idealism. Further documentation has been mentioned in the body of the article, and includes: Aarsleff 1982 a, From Locke to Saussure. Essays on the History of Linguistics and Intellectual History. Auroux 1982 a, Empirisme et théorie linguistique chez Condillac. Brykman 1984, Berkeley. Philosophie et apologétique. Dominicy 1984, La naissance de la grammaire moderne. Langage, logique et philosophie à Port-Royal.
Droixhe 1978, La linguistique et l‛appel à l’ histoire (1600—1800). Rationalisme et révolutions positivistes. Formigari 1970, Linguistica ed empirismo nel Seicento inglese. Formigari 1977, La logica del pensiero vivente. Il linguaggio nella filosofia della Romantik. Formigari 1988a, Language and Experience in 17thCentury Philosophy. Formigari 1988b, De l’idéalisme dans les théories du langage. Histoire d’une transition, in Histoire épistémologie langage 10. Hacking 1975 a, Why does Language matter to Philosophy? Harris 1980, The Language Makers. Harris 1981, The Language Myth. Mugnai 1979, Segno e linguaggio in George Berkeley. Parret 1982 , Les positions paradigmatiques de la linguistique et son idéologie essentielle, in Ideologia, filosofia e linguistica. Ricken 1978, Grammaire et philosophie au siècle des Lumières. Rosiello 1967, Linguistica illuminista.
Lia Formigari, Roma (Italia)(Translated from the Italian by M. Dascal)
12. La tradition rationaliste dans la philosophie du langage 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1.
Introduction La linguistique est-elle une science? Y-a-t-il quelque chose de nécessaire dans le langage humain? Y-a-t-il des universaux linguistiques? L’analyse linguistique est-elle une discipline formelle? Le langage humain peut-il s’expliquer en postulant la raison, comme faculté générale? Le rationalisme minimum Bibliographie sélective
Introduction
C’est avec la grammaire générative (cf. Chomsky 1966) que la discussion sur les rapports entre les conceptions linguistiques et le rationalisme est devenue particulièrement abondante, en même temps qu’elle devenait une affaire idéologique concernant un large public. En présentant sa Cartesian Linguistics comme un chapitre dans l’histoire du ratio-
nalisme, Noam Chomsky (*192 8) a prétendu avec éclat que: i) il y aurait une tradition rationaliste ayant des idées précises sur le langage, liée aux thèses cartésiennes et à la grammaire générale de Port-Royal; ii) la grammaire générative reprendrait cette tradition et lui apporterait une confirmation définitive. De manière générale la validité historique des thèses de Chomsky a été contestée, avec succès par les historiens: qu’il s’agisse de l’idée d’une linguistique cartésienne (Salmon 1969; Aarslef 1982 a), de la prédominance du rationalisme aux 17° et 18° siècles (Joly 1977, 1985), de l’identité de démarche entre Port-Royal et la grammaire générative (Pariente 1975, 1985), voire même de la définition du rationalisme classique (Cooper 1972 et la réponse dans Chomsky/Katz 1975). Le phénomène le plus frappant est sans doute l’extrème confusion de l’argumentation et de ses références philosophiques. L’ouvrage organisé par Massimo Piatelli-Palmarini
12. La tradition rationaliste dans la philosophie du langage
(1979), qui reprend un débat sur la question, réunissant autour de Jean Piaget (1896— 1980) et Chomsky, une pléiade de célébrités, est un excellent témoin de cette confusion, qui aurait pu être évitée par la présence d’un historien des sciences et de la philosophie, voire d’un partisan de la philosophie transcendantale comme Karl-Otto Apel (*192 2 ). Il est probable, aussi, qu’un philosophe averti aurait fait remarquer que la thèse chomskyenne d’une faculté spécifique destinée à expliquer les phénomènes linguistiques, est précisément le contraire d’une conception rationaliste du langage, telle qu’on peut l’inférer des passages de la cinquième partie du Discours de la Méthode que Chomsky a cités avec abondance. Pour le rationalisme cartésien, c’est évidemment la raison seule qui explique les phénomènes linguistiques. C’est un bien étrange rationalisme que celui dont la thèse principale commence par exclure la raison, au profit d’une faculté ad hoc. De ce point de vue la thèse de la modularité de l’esprit (Fodor 1983) paraît un développement cohérent des hypothèses chomskyennes, qui les éloigne toutefois du rationalisme proclamé au départ. L’idée d’une tradition rationaliste en matière de langage a été parfaitement affirmée au début de notre siècle, aussi bien par les linguistes que par les philosophes. C’est ainsi que Guy Harnois oppose dans la pensée classique française l’approche génétique de Etienne Bonnot de Condillac (1714—1780) et de ses successeurs aux conceptions linguistiques des cartésiens, parmi lesquels il place en premier lieu les grammairiens de PortRoyal et l’encyclopédiste Nicolas Beauzée (1717—1789) (Harnois 1919, 31). De son côté Edmund Husserl (1859—1938), dans la quatrième de ses Logische Untersuchungen en déterminant les éléments a priori qui définissent toutes les langues, pense faire renaître l’idée traditionnelle de ›grammaire universelle‹, sans s’apercevoir que les grammairiens du 18° siècle étaient fort éloignés de toute philosophie transcendantale (v. art. 44). L’appréhension confuse de ce que peut être le rationalisme linguistique n’est donc pas née avec Chomsky. L’idée même du rationalisme, telle que la définissent les meilleurs interprètes du cartésianisme s’intéressant à la question — savoir la thèse assertant la prédominance dans les activités humaines d’une faculté rationelle universelle (cf. Laporte 1950, p. XIX) — est trop indéterminée pour fournir une base de discussion concernant des questions
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précises. Si on cherche à définir le rationalisme en matière de langage, par l’unité d’un programme de recherche ou un ensemble de thèses cohérentes et soutenues par un ensemble défini d’auteurs ou d’écoles, on ne parviendra pas à cerner le courant rationaliste ni dans la philosophie du langage, ni dans les théories linguistiques. Le rationalisme doit plutôt être conçu comme le choix de certaines réponses possibles, mais non nécessairement consistantes, à des grandes questions concernant l’activité de recherche dans le domaine du langage: La linguistique est-elle une science? Y-a-t-il quelque chose de nécessaire dans le langage humain? Y-a-t-il des universaux linguistiques? L’analyse linguistique estelle une discipline formelle (pour des raisons qui apparaîtront plus loin, il vaut mieux aujourd’hui préférer cette formulation à la question traditionnelle: le langage humain a-t-il un fondement logique)? Le langage humain peut-il s’expliquer en postulant la raison, comme faculté générale? En examinant les réponses à ces question on remarquera, d’abord, que dans des contextes précis, et par opposition, on peut assigner le qualificatif de rationalistes à ceux qui soutiennent certaines d’entre elles; on remarquera ensuite qu’il est très difficile de trouver un philosophe ou un linguiste qui, par quelque point, n’est pas rationaliste, même dans le cas extrème, où le linguiste soutient que sa discipline n’est pas scientifique et où le philosophe défend une conception empiriste de la connaissance (voir plus loin, par exemple, le cas Condillac). «Everybody’s Rationalist in the long run» (Fodor 1981 a, 315).
2.
La linguistique est-elle une science?
L’idée que la grammaire puisse ou non être une science n’a guère préoccupé les anciens philosophes: Aristote (384—32 2 av. J.-C.) (v. art. 15) l’affirme dans les Topiques (VI.5), mais ne s’intéresse guère à la question qu’il ne troite jamais extensivement. Toutefois la définition de Denys Le Thrace (Dionysios Thrax, ca. 170—90 av. J.-C.), qui dans le premier paragraphe du texte que la tradition lui attribue sous le nom de Tέχνη Γραμματική fait de la grammaire la «connaissance empirique (ἐμπειρία) de ce qu’on lit couramment chez les poètes et les prosateurs» a été très tôt contestée (Denys Le Thrace 1985). Dès la génération suivante à l’expression ‘ἐμπειρία’, qui désigne une activité non théorisée, on a substitué le terme — devenu canonique — de
186
‘τέχνη’ [art] qui désigne une connaissance raisonnée, supposant, dans la conception aristotélicienne, une subsomption sous l’universel. En fait, par la suite, on rencontre essentiellement l’opposition science/art; les auteurs qui nous intéressent sont ceux qui soutiennent que la grammaire est une science et non un art. Les premiers d’entre eux sont les grammairiens médiévaux qui ont développé la grammaire spéculative, et plus particulièrement la seconde génération d’entre eux, celle des modistes (v. art. 41). Thomas d’Erfurt (première moitié du 14° siècle) commence son traité De modis significandi sive Grammatica Speculativa (ca. 1300), en fixant sa méthode sur celle de la science, qui est connaissance à partir de principes (›intelligere et scire contingit in omnia scientia ex cognitione principiorum‹). On voit parfaitement l’enjeu de cette détermination, si on suit la discussion qui ouvre par exemple le traité des Quaestiones Alberti de modis significandi, qui a été faussement attribué à Albert le Grand (ca. 1193—12 80) (Kelly 1977). Selon ce texte, que la grammaire soit une science, suppose: [1] (i) qu’elle dérive de principes universels. (ii) qu’elle soit la même pour toutes les langues. (iii) qu’elle soit théorique (c’est-à-dire qu’elle ne soit pas définie par un but pratique).
De [1 i] et [1 iii] découle: [1 iv] La grammaire est une discipline démonstrative.
C’est cette problématique que l’on retrouvera avec la grammaire générale, ainsi que l’explique clairement l’article ‘grammaire’ de l’Encyclopédie, dans un passage probablement dû à Beauzée: «La Grammaire générale est [...] la science raisonnée des principes immuables et généraux de la parole prononcée ou écrite dans toutes les langues. Une Grammaire particulière est l’art d’appliquer aux principes immuables et généraux de la parole prononcée ou écrite, les institutions arbitraires et usuelles d’une langue particulière» (Auroux 1973 b, 67). De la grammaire modiste à la grammaire générale — plutôt que dans les textes proprement philosophiques — se constitue un corps de doctrine fixant le noyau générateur des conceptions rationalistes en matière de langage. Ce noyau tient à l’assertion de la scientificité de la discipline. Pour assurer la validité des principes énoncés en [1], il a fallu trouver un niveau d’analyse manifestant avec certitude les propriétés concernées. Chez les modistes, il s’agit des modes de signifier
I. Raum-zeitliche Übersichten
(connectés aux modes de l’être et à ceux de l’intellect); chez les modernes il s’agit de la pensée. D’une certaine façon, dans les deux cas on procure un fondement sémantique à la grammaire, avec ceci de particulier chez les modernes, que le développement cartésien de la subjectivité et le dualisme ontologique qu’elle suppose, conduisent à la conception représentationnaliste de la pensée (il n’y a aucune communauté de nature entre l’idée et ce qu’elle représente). Dans ces conditions, la scientificité de la grammaire repose sur la nature de cette pensée, dont la structure est indépendante de celle du monde: le rationalisme linguistique se lie à la position d’une faculté rationnelle et pourra être discuté en termes d’innéité, ou de philosophie transcendantale. Une grande partie des attaques contre la scientificité des conceptions linguistiques provient du refus de [1 i] et [1 ii], nous y reviendrons dans les sections 2 —4. Autrement dit on perçoit le ›relativisme linguistique‹ (v. art. 73), comme mettant ce que la seconde philosophie de Ludwig Wittgenstein (1889— 1951) (v. art. 39) nommera des ›formes de vie‹ à l’abri d’une représentation scientifique. Toutefois on peut envisager un changement dans la conception de la scientificité. C’est ce qui s’est produit avec le développement de la grammaire historique et comparative. Par “science”, il faut entendre, dans cette tradition, connaissance des faits, les contraintes de généralité portent sur la méthode non sur l’objet, et on renonce seulement à l’axiome aristotélicien selon lequel il n’y a de science que du général. If faut remarquer cependant que le comparatisme, dans la mesure où il s’opposait à la grammaire générale, a toujours été perçu comme refusant les théories rationalistes en matière de langage, ce qui montre que la perception du rationalisme linguistique est lié davantage aux thèses concernant l’universalité et la nécessité qu’à l’idée de science, qui semble en être la matrice historique. Pour de nombreux commentateurs, son rapport aux faits, donne au comparatisme la qualité d’une discipline ›empiriste‹, alors qu’il n’est qu’une forme particulière de savoir ›empirique‹. C’est toutefois, toujours sur la question de l’universalité, qu’on finira par argumenter. Ainsi Geoffrey Sampson, lorsqu’il dénie toute possibilité de linguistique scientifique: «The true general theory of language is that there is no general theory of language; the only features common to all human languages are pre-
12. La tradition rationaliste dans la philosophie du langage
dictable consequences of principles belonging to other, established disciplines, so that there is no room in the intellectual arena for an independent theoretical subject called ‘general linguistics’» (1980, 241).
Sampson emprunte son ›anti-épistémologie‹ au philosophe et économiste néo-libéral Friedrich August von Hayek (*1899). Cela le conduit à refuser la ›fausse évidence du scientisme‹: [2 ] tout objet qui peut être décrit peut l’être par une méthode scientifique (Sampson 1980, 157)
Les propriétés du langage analysables en termes scientifiques ne sont pas proprement linguistiques, mais relèvent d’autres sciences. A l’inverse celles de ses propriétés qui sont spécifiques ne peuvent appartenir à la science, parce qu’elles relèvent de la liberté et ne sont pas prédictibles (Sampson 1980, 2 36). Par là Sampson commet, à nos yeux, l’erreur d’accepter ce qu’on pourrait appeler la ‘fausse évidence de l’humanisme irrationaliste’: [3] un objet humain qui n’est pas le produit d’une activité rationnelle ne saurait être connu rationnellement c’est à dire par une méthode scientifique.
Le côté positif de l’attitude de Sampson est l’exigence d’un contact vécu avec les langues. Ce contact produit un savoir du type de ce que les grecs nommaient φρόνησις, quelque chose d’irrémédiablement lié à la particularité de l’objet comme à celle du sujet connaissant. Cette tradition poursuit la philologie traditionnelle et ses méthodes herméneutiques; elle préserve encore aujourd’hui, la connaissance des langues, conçues comme des totalités culturelles. Elle correspond à ce que l’on peut nommer un ›empirisme pratique‹ (l’ἐμπειρία de Denys le Thrace), irrémédiablement opposé à tout ›rationalisme théorique‹, ce qui ne l’empêche pas, évidemment, d’argumenter, c’est-à-dire d’adopter un ›rationalisme pratique‹. Une telle position n’est pas non plus (contrairement à ce que semble croire Sampson) totalement incompatible avec une philosophie rationaliste du point de vue de la théorie de la connaissance: il suffit que celleci considère le langage humain comme un produit purement contingent et arbitraire de l’activité empirique des hommes (position de Immanuel Kant dans le § 18 de la seconde rédaction de la déduction des concepts de l’entendement dans la Kritik der reinen Vernunft).
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3.
Y-a-t-il quelque chose de nécessaire dans le langage humain?
3.1. Le rationalisme théorique a ses fondements dans la conception aristotélicienne de la science; il les a plus encore dans le rationalisme philosophique qui s’est développé de René Descartes (1596—1650) et Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (v. art. 2 3) à Kant (172 4—1804). Il s’agit là fondamentalement d’une théorie de la connaissance et de la science; on peut la ramener à un axiome épistémologique de base, un axiome incontournable de la logique des modalités, et à leurs diverses conséquences: [4] (i) La connaissance scientifique doit être nécessaire. (ii) Une proposition nécessaire ne peut logiquement découler d’une proposition contingente (vérité de fait vs. vérité de raison).
Si l’on admet [4], à moins de reconnaître qu’il n’y a pas de science, il faut trouver une solution, ce qu’ont fait les théories innéistes et transcendantales. L’innéisme me paraît une réponse illusoire à ce problème, parce que dans le fond la structure innée de l’esprit humain pourrait être conçue comme le produit contingent de l’évolution biologique. La philosophie transcendantale et le platonisme ont tenté de trouver une réponse à la question en respectant l’axiome [4 i]; une autre solution consiste évidemment à abandonner cet axiome (cf. David Hume ou Rudolf Carnap), abandon qui peut servir à définir l’empirisme philosophique, même si historiquement, il s’est d’abord défini (Thomas Hobbes, John Locke, Condillac) par son refus de l’innéisme (sur ces points cf. Auroux 1985 a). Pour la philosophie transcendantale, il s’agit, selon les mots de Husserl, de rechercher «l’élément ›rationnel‹, au sens authentique, du langage, et en particulier son élément ›logique‹, l’a priori de la forme de signification/ das im echten Sinne ›Rationale‹ und insbesondere ›Logische‹ der Sprache, [...] das Apriori der Bedeutungsform» (Husserl 1972 , 134). Dans la mesure où il est purement grammatical, ce noyau rationnel concerne la forme des significations en tant qu’elles peuvent être réalisées comme unités de sens. La grammaire pure logique étudie «les structures de significations primitives, les types primitifs d’articulation et de connexion, ainsi que les lois opératoires, fondées sur eux, de la combinaison et de la modification des significations/die primitiven Bedeutungsstrukturen, die primitiven Verknüpfungstypen [...], sowie die in ihnen grün-
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denden Operationsgesetze der Bedeutungskomplexion und -modifikation» (Husserl 1972, 132).
La discipline concerne donc essentiellement ce qu’en termes traditionnels, on considérait comme la signification formelle ou mode de signifier associé aux parties du discours et aux fonctions syntaxiques. La transgression des lois qui en résultent donne le non-sens (das Unsinnige) comme par exemple la suite ‘Plus car agonisions de’. A dire vrai la conception transcendantale du langage devrait dépendre également des lois a priori déterminant les objets des représentations en tant qu’ils sont constitués par les formes pures de la conceptualisation, autrement dit en tant qu’ils relèvent de ce que Husserl nomme une ontologie formelle. Il y aurait ainsi une ›sémantique transcendantale‹ (quelque chose qui organiserait les traits du lexique) dont toute transgression produirait l’absurdité (das Widersinnige). On rencontre rapidement une difficulté que Jean Cavaillès (1903—1944) avait notée dès 1947 (1960, 71 sqq). Toute fondation transcendantale suppose qu’il soit possible de donner a priori un système d’axiomes consistant et complet. Or, depuis les travaux initiés par Kurt Gödel (1906—1978) nous savons au moins deux choses: d’abord que les systèmes répondant à ces caractéristiques sont très pauvres (ils ne peuvent contenir l’arithmétique), ensuite qu’une propriété aussi simple que la non-contradiction d’une théorie, ne peut être démontrée au sein de cette théorie. Cela sonne définitivement le glas de toute tentative logique d’une fondation formelle de la ›linguistique transcendantale‹. Reste évidemment l’élément de base du recours à la conscience (cf. par ex. Descombes 1983). Le problème essentiel posé par une approche transcendantale du langage consiste à résoudre la question de savoir ce qu’elle peut bien apporter par rapport à une approche basée sur la constatation des phénomènes et des généralisations conduites à partir de là. On comprend facilement l’enjeu philosophique: passer de la question de fait à la question de droit. Le transcendantal (pour autant qu’il puisse exister), c’est ce qui, par son existence a priori, nous assure qu’il existe de la nécessité dans la région phénoménale concernée. Bien souvent toutefois, ce que le philosophe assigne comme transcendantal, n’est que le mirage de la fondation absolue qu’exige pour toute science la tradition rationaliste et son attachement à une philosophie du sujet. C’est ainsi que François Laruelle
I. Raum-zeitliche Übersichten
(Laruelle 1979) propose de doubler le concept linguistique de phonème, par celui de ›phonèse‹, entité mystérieuse dont l’essence se réduit à la fonction de ramener (quasiment par décret) le divers phénoménal à l’activité fondatrice de la conscience. On gagne peut-être ainsi l’unité, mais on n’ajoute rien à la connaissance des phénomènes. Si pour un philosophe la nécessité scientifique se résout tout naturellement dans l’a priori transcendantal, le sens exact de l’assertion de nécessité n’est pas toujours quelque chose de très clair. Il n’est guère facile de distinguer entre [5 i, ii] et [5 i’, ii’], la nécessité se confond assez naturellement avec l’universalité (c’est pourquoi Carnap, au reste, proposait de se passer de logique modale). [5 i] Si x est un F, alors x est nécessairement un G [5 ii] Dans toute langue, il y a nécessairement au moins un x qui est F [5 i’] Pour tout x, si x est un F alors x est un G [5 ii’] Dans toute langue, il y a au moins un x qui est F
Dans une certaine mesure le langage modal est une façon de parler de l’universalité, et il concerne davantage la théorie philosophique de la connaissance, que le rapport aux phénomènes sous forme de falsification ou de confirmation, puisque dans les deux cas la falsification passe par le contre-exemple. De ce point de vue on retrouve facilement une opposition claire dans la conception du langage entre les partisans du rationalisme philosophique et ceux de l’empirisme. Beauzée et Condillac défendent tous les deux le programme de la grammaire générale, c’est-à-dire l’idée que toutes les langues ont quelque chose en commun. Mais le premier soutient qu’il y a des éléments nécessaires dans le langage, les huit parties du discours. Ainsi peut-il écrire qu’il «n’est pas possible d’admettre des langues sans Verbes, à moins de dire que se sont des langues avec lesquelles on ne saurait parler» (art. verbe, Encyclopédie Méthodique, t. 3: 623).
A l’inverse, le sensualiste (cf. la Grammaire de 1775) ne reconnaît pas la nécessité des parties du discours, notamment parce qu’il admet qu’elles ont une genèse. Il y a pour lui seulement des classes de mots suffisantes à l’expression de toutes les pensées (le verbe substantif, le nom substantif, le nom adjectif et les prépositions, cf. Auroux 1986 a). Ces deux exemples montrent assez bien, d’une part, que la question de la nécessité tient à la question philosophique de l’opposition du ra-
12. La tradition rationaliste dans la philosophie du langage
tionalisme à l’empirisme, mais qu’elle est aussi, d’autre part, une façon de traiter les universaux linguistiques, c’est-à-dire de discuter leur statut. 3.2. Toutefois l’universalité ne prouve en rien la nécessité (on peut avoir une universalité accidentelle: tous les papiers qui sont sur ma table sont blancs), et l’assertion de nécessité a des conséquences sur le statut reconnu au langage, et à son étude. La nécessité est, en effet, aussi une façon de parler de la légalité: en soutenant que certaines assertions sont nécessaires, on voulait dire autrefois, non seulement qu’elles étaient universelles, mais qu’elles avaient force de loi, ce que nous traduirions aujourd’hui en soutenant qu’elles corroborent des assertions contraires aux faits. Historiquement, l’un des recours les plus célèbres à la notion de nécessité ne concernait pas les universaux, mais les lois phonétiques (c’est dire des formules comme [7 iv], cf. 4.), valides seulement sur des langues et des époques précises. En affirmant qu’elles agissaient ›sans exception‹ et ›avec une nécessité aveugle‹, les néogrammairiens (cf. Auroux 1979 b) soutenaient non seulement qu’elles correspondaient à une assertion universelle sur l’univers restreint des cas pertinents, mais qu’il était impossible que le contraire advienne. Il paraît difficile que la linguistique générale puisse se passer des ›modalités‹, puisque l’opposition entre universalité et particularité est insuffisante et qu’il lui faut recourir au ›possible‹ (cf. 4.). La plupart du temps les auteurs qui se réclament du rationalisme (quel que soit le sens qu’ils peuvent accorder à ce terme) utilisent la notion de nécessité en fonction de l’axiome [4 ii], dans une stratégie complexe en vue de démontrer qu’il est impossible de réduire la conception du langage à des assertions empiriques, c’est-à-dire non-nécessaires. C’est le cas notamment de la dernière philosophie de Jerrold Jacob Katz, qui choisit de défendre un réalisme des universaux, qualifié de ›platonisme‹ (il évite ainsi la contingence intrinsèque à tout innéisme psychologique). Je ne pense pas que de cette façon on puisse obtenir un argument concluant qui échappe à la pétition de principe et à la confusion. C’est ce que montre bien un raisonnement très contourné de Katz (Katz 1981, 179), qui, si je le comprends bien, peut se résumer comme suit. Supposons qu’existe une proposition analytique S, et une proposition empirique E, telles que ‘S implique E’. Puisque E est empirique, ‘il est contingent que E soit
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fausse’ est vraie; il suit alors de la première implication que ‘il est contingent que S soit fausse’ est vraie, ce qui est contraire à l’hypothèse de l’analycité de S. On peut sans dommage se passer de l’argument, logiquement totalement creux (il revient à dire que ‘s’il est nécessaire que p alors il est contingent que q’ n’est pas un théorème de la logique modale). De fait, tout repose non seulement sur l’existence de propositions analytiques, mais sur le statut de la nécessité qu’on leur attribue. Tout français sait qu’un célibataire n’est pas marié. Cela n’implique pas la proposition suivante: ‘l’idée éternelle de célibataire implique nécessairement le contenu propositionnel ’un célibataire n’est pas marié’, mais plutôt la proposition logiquement contingente suivante ‘en français le mot ‘célibataire’ ne s’applique pas à des personnes mariées’. On pourra peut-être trouver un sens du mot ‘nécessité’ qui s’applique à ce cas, mais il ne sera certainement pas de nature logique. Ce qui nous gêne dans la discussion de l’analycité, c’est que la notion philosophique classique (Kant) d’analycité — c’està-dire portant sur le rapport de deux contenus conceptuels — a sa source dans la conception de Port-Royal de deux types de relatives (restrictives et non restrictives), qui peut ellemême être dérivée de certaines analyses médiévales (cf. Auroux 1985 b et Auroux/Rosier 1988). La logique traditionnelle considérait sans doute que cette notion d’analycité était d’essence ›logique‹, ce n’est pas une raison pour admettre que cette conception, qui est d’essence linguistique, puisse se confondre avec une quelconque notion de la logique formelle moderne, où l’on ne peut accorder le qualificatif d’›analytique‹ (= logiquement nécessaire) qu’aux propositions logiquement vraies.
4.
Y-a-t-il des universaux linguistiques?
4.1. La question des universaux ne se limite ni au problème de la nécessité, ni à la question du transcendantal. Comme le notait Husserl «on peut étendre l’idée de la grammaire universelle au-delà de la sphère de l’a priori, en recourant à la sphère (vague à certains égards) de ce qui est universellement humain au sens empirique/Natürlich kann man den Gedanken der universellen Grammatik über die apriorische Sphäre hinaus erweitern, indem man die (in einiger Hinsicht vage) Sphäre des allgemein Menschlichen im empirischen Sinne heranzieht» (Husserl 1972, 132 f).
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Dès lors un universel n’est jamais prouvé: il peut au plus être corroboré ou falsifié. On doit tenir pour acquis l’axiome [6], sans lequel aucune grammaire ne serait possible. La question de fond concerne le statut des généralités dont parle [6]. [6] toute grammaire — qui a pour objet la construction de la chaîne parlée — énonce des généralités à valeur prédictive.
A l’exception de [7 iii], qui est purement empirique, au sens où elle asserte un fait, les propositions de [7], sont toutes des assertions auxquelles on peut faire correspondre des quantifications universelles, au besoin en restreignant l’univers. Toutefois la plupart d’entre elles, à l’exception de [7 v’], formulée en termes de possibilité, sont exposées à des contre-exemples: on opposera, par exemple à [7 iii] les vieux pluriels saxons par alternance vocalique (‘foot/feet’), et pour [7 iv] on fera remarquer que si ‘filiam’ donne bien ‘hija’, ‘focum’ donne ‘fuego’. [7] (i) en anglais pour obtenir un pluriel, il faut mettre un -s à la fin des substantifs. (ii) dans toute langue il y a des noms et des verbes. (iii) le pluriel en -s de l’anglais vient du français, à la suite de l’invasion normande. (iv) le /f/ du latin devient /h/ en espagnol moderne. (v) les consonnes en position intervocaliques s’altèrent. (v’) les consonnes en position intervocaliques sont exposées à s’altérer.
Un universel linguistique est traditionnellement une propriété qu’on peut retrouver dans toute langue. Ainsi conçus les universaux linguistiques correspondent à ce qu’on a pris l’habitude de nommer des ‘universaux substantiels’. On peut les définir de la façon suivante: [8] (i) Soient A1 ... An, les unités d’une langue que l’on obtient par une procédure quelconque d’analyse. (ii) Admettons qu’existe un ensemble de propriétés P1 ... Pn, telles que pour définir chacune d’entre elles nous puissions nous passer de recourir à aucune unité linguistique (en utilisant, par exemple, l’acoustique, la phonétique articulatoire, la logique, la sémantique, etc.). (iii) Nous pouvons donc remplacer n’importe quel Ai par une description définie de la forme: [(le x tel que) (Pi (x) ⋀ ... ⋀ Pk (x)]. (iv) la thèse de l’existence d’universaux substantiels, peut s’énoncer: [quelle que soit la langue Li, il y a un x, tel que (Pi (x) ⋀ ... ⋀ (Pk (x))] NB: tel est le schéma logique d’une assertion
I. Raum-zeitliche Übersichten
comme [7 ii].
La grammaire générale classique défendait implicitement une conception des universaux définie par [8], notamment pour les principaux d’entre eux, les parties du discours. Il en résulte immédiatement qu’un universel reçoit une définition en compréhension (qui assure son caractère prédictif) et qu’il ne peut être atteint par ostension. L’universel a une fonction explicative, avant même d’avoir une fonction descriptive (voir, pour une formulation contemporaine claire de cette thèse, Lieb 1978). A peu près tous les auteurs de grammaire générale s’efforcent de déduire les catégories grammaticales d’une théorie élémentaire du jugement, réduite à la structure prédicative ‘S est P’. Cette structure est évidemment une limitation excessive des conceptions classiques; son rôle épistémologique permet cependant de définir le rôle exact des universaux linguistiques, tels que les rationalistes théoriques les conçoivent. N’est universel que ce qui relève de l’expression de la pensée. C’est ainsi que Joachim Sever Vater (1771—182 6) refuse, par définition, la possibilité de fonder la grammaire générale sur une théorie des espèces de signes qui serait indépendante des contenus (1801, 142 ). C’est une façon de dire que le type d’universalité dont il est question est intrinsèque à la langue naturelle, en ce qu’il dépend de son contenu expressif. Il y a là une conception profonde qui peut être généralisée en des termes contemporains. Elle permet notamment de distinguer, chez les linguistes, les rationalistes théoriques (entendons les générativistes de stricte obédience) et les fonctionalistes, qui se réclament souvent de l’empirisme (cf. Garvin 1979), mais demeurent évidemment des rationalistes pratiques, et soutiennent l’existence d’universaux au sens [9]. Pour un fonctionaliste l’explication dépend de ›functional prerequisites‹ qui appartiennent «to the extralinguistic requirements and constraints imposed on natural languages» (Dik 1986, 2 1). L’universel que défend le rationalisme théorique doit être une propriété assertable des seuls éléments des langues naturelles. Quand bien même une formulation rigoureuse de ce principe est pratiquement impossible (contrairement au cas de sa version classique), c’est sans doute lui qui explique, que le théorème de Löwenheim-Skolem, par exemple, n’a jamais été considéré comme un universel linguistique. 4.2. C’est probablement Beauzée qui a proposé la version la plus forte de la théorie
12. La tradition rationaliste dans la philosophie du langage
classique des universaux, tout en la rendant compatible avec une certaine variabilité catégorielle. Les classes de mots correspondent chez lui à une classification, au sens logique du terme. Les universaux sont dans cette classification les nœuds de rang u, tels qu’il n’existe dans aucune langue aucun élément qui ne puisse être classé sous un et un seul de ces nœuds (cf. Auroux 1988). Pour les rangs u + n, on peut avoir des éléments n’apparaissant pas en toute langue (l’article par exemple), l’essentiel est que les catégories optionnelles soient branchées sous un nœud universel. La meilleure façon d’argumenter contre les universaux consiste à ›croiser‹ les propriétés propres à certaines catégories: en montrant par exemple qu’il existe dans telle ou telle langue des éléments qui ont telle propriété relevant de la catégorie ›nom‹ et telle propriété relevant de la catégorie ›verbe‹. La meilleure façon d’échapper à la discussion elle-même, tout en conservant un métalangage scientifique général (dont aucun relativiste ne saurait se passer) consiste à abandonner l’axiome [8 iv]. Les propriétés de [8 ii] sont conçues comme des ›dimensions‹ qui définissent l’espace des possibles, sans que l’on ait à asserter qu’aucune de ces dimensions ou aucune de leurs conjonctions se retrouve dans toutes les langues possibles. C’est ainsi que les phonéticiens travaillent depuis le dernier tiers du 19° siècle, en utilisant un lot de propriétés articulatoires. Il ne semble donc pas que l’analyse linguistique ait besoin de supposer l’existence d’universaux substantiels (je reviendrai en 6.1 sur le problème posé par la traduction, le principe d’effabilité ne me paraissant pas un affaiblissement de [8], mais quelque chose de différent). Dans la discussion sur l’existence des universaux, il est plus clair de remplacer [8 iv] par une formulation plus abstraite et plus générale: [9] un universel linguistique est une proposition assertant une propriété linguistique qui demeure vraie lorsque tous les éléments, qui dans la proposition permettent d’identifier une langue, sont remplacés par des variables quantifiées.
L’adoption d’une structure implicationnelle, proposée par Joseph Harold Greenberg (*1915), permet alors de surmonter les variations catégorielles, et, surtout, de dégager des régularités moins immédiates que les universaux substantiels traditionnels. Soit par exemple l’universel 25 de Greenberg 1966: [10] si dans une langue l’objet pronominal suit le verbe, alors l’objet nominal le suit aussi.
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La structure implicationnelle de [10] fait que le français n’est pas un contre-exemple: puisque l’objet pronominal (‘Je l’ai vu’) y précède le verbe, l’antécédente est fausse et conséquemment la conditionnelle toujours vraie (cf. Kefer 1986, 58). L’assertion resterait également vraie si d’aventure il existait une langue qui ne possède ni nom, ni pronom. Contrairement à ce que pense Sampson (voir notre citation en 2 .), une science générale du langage est possible, indépendamment du sort réservé aux universaux substantiels. Il suffit pour cela que la linguistique ne se limite pas à des assertions d’existence (connaissance des faits), mais qu’elle traite des modalités d’existence, ce qu’elle ne peut pas ne pas faire sans perdre tout intérêt (cf. sur ce point la position d’un Hagège 1985, 54—88). Si tout est possible, en effet, alors, nous ne savons, ni ce qu’est le langage, ni ce qu’est une langue quelconque. Telle est la vérité incontournable du rationalisme, dont doit hériter tout travail théorique.
5.
L’analyse linguistique est-elle une discipline formelle?
Il est évident que la question du rationalisme concerne la méthode de l’analyse linguistique. Il est clair en effet que tout rationalisme soutiendra que la discipline est démonstrative (cf. chap. 2 . [1 iv]). A cela s’oppose une conception qui réduirait la linguistique à la recension des faits, même si en tout état de cause cette recension est une activité constante de la discipline (cf. Robins 1975, Sharahdzenidze 1976). Les discussions méthodologiques ne sont pas toujours très claires. On a identifié le rationalisme avec la tentative de déduire a priori (c’est-à-dire sans les induire des faits) les catégories linguistiques à partir des catégories logiques. Cette accusation de ›logicisme‹ a été élevée contre les grammairiens de Port-Royal, par les comparatismes du siècle suivant. En fait, il s’agissait de concepts comme ‘sujet’ ou ‘prédicat’, dont l’appartenance à la logique au sens moderne du terme n’est plus très claire. Il me semble plus adéquat aujourd’hui — compte tenu, en particulier, de la multiplication des systèmes logiques possibles — d’aborder la question à partir du rapport des langues naturelles aux systèmes formels en général, comme nous le ferons tout à l’heure. De nombreux linguistes (cf. Ramat 1985, 13 sqq) soutiennent que leur discipline doit
192
suivre une démarche ›empirique‹, ou encore disent-ils ›inductive‹. Cela consiste à analyser des faits et à proposer des généralisations, plutôt que de partir d’hypothèses et d’en déduire des conséquences. Il est clair que toute généralisation suppose des hypothèses, et doit elle-même être testée soit directement, soit à partir de ses conséquences. Le choix de l’induction est donc moins une question de méthode logique que de stratégie: dans le fond ceux qui se réclament de l’inductivisme, signifient par là avant tout, que la recherche linguistique ne leur paraît pas suffisamment avancée pour fournir des hypothèses globales. Par opposition à l’inductivisme ainsi défini, on réduit souvent le rationalisme à une méthode déductive a priori, sans préciser si cet a priori est absolu (avant toute expérience), ou relatif (précédé par une connaissance inductive fournissant des hypothèses générales) et correspondant à une démarche hypothético-déductive, qui est celle par exemple d’une science empirique comme la physique. Un linguiste comme Antoine Meillet (1866— 1936) — ›inductiviste‹ s’il en fut — n’hésitait pas à écrire que «la linguistique générale est dans une large mesure une science a priori» (Meillet 192 6, 59). Il voulait simplement dire qu’elle devait déterminer les ›possibles‹, en établissant des lois. A moins de réduire la connaissance du langage naturel au pur établissement des faits, il faut accorder que la déduction y trouve sa place. Une déduction étant une suite de propositions qui sont des conséquences logiques les unes des autres, elle doit nécessairement partir d’axiomes. L’axiomatisation de la linguistique (pas plus que celle de la physique) ne suppose pas qu’on soutienne une forme de rationalisme philosophique: on peut axiomatiser une discipline après-coup, notamment pour l’éclaircir à un moment donné. Au reste l’une des premières tentatives d’axiomatisation est celle de Leonard Bloomfield (1887— 1949), partisan du behaviourisme, c’est-à-dire d’une certaine forme d’empirisme philosophique (cf. Lieb 1980). A l’époque moderne la forme la plus pure de rationalisme méthodologique est le formalisme, qui n’implique pas, lui non plus, qu’on soutienne le rationalisme philosophique. Bien au contraire les premiers partisans des formalismes ont refusé toute hypothèse sur la nature du sujet parlant (cf. Hjelmslev 1968, 185 sq). Les formalismes sont des langages artificiels définis par quelques propriétés bien spécifiées, concernant leurs éléments, les règles
I. Raum-zeitliche Übersichten
de constitutions des expressions bien formées, et la position d’au moins un axiome. Dire qu’il s’agit de formalisme revient à dire que l’on s’interdira de considérer toute propriété qui n’a pas été spécifiée au départ ou qui ne découle pas de ces propriétés spécifiées. L’élément essentiel du formalisme est en fait le calcul. On peut construire différents formalismes, plus ou moins utiles. Certains formalismes reprennent quelques propriétés que l’on rencontre sporadiquement dans les langues naturelles, c’est le cas notamment des calculs des propositions et des prédicats. La question est de savoir s’il peut exister un formalisme qui admette pour modèles (pour interprétation) les langues naturelles et elles seules, et la signification exact du rapport du formalisme au langage naturel. Louis Hjelmslev (1899—1965), l’un des premiers instigateurs de cette démarche (probablement sous l’influence de Carnap) concluait qu’en l’adoptant « ‹ La linguistique › serait alors une algèbre du langage qui opérerait sur des grandeurs non dénommées — c’est-à-dire dénommées arbitrairement, sans qu’il existe pour elles de désignations naturelles — qui n’acquerraient de désignation motivée que par leur rattachement à la substance» (Hjelmslev 1968, 109).
Il y a là toutefois une ambiguïté. Si l’on dispose d’une théorie axiomatisée, il y a toujours — théoriquement — moyen de la formaliser. La question est de savoir ce que l’on calcule. On pourrait calculer des énoncés assertant des propriétés des langues naturelles, à la façon dont une théorie physique formalisée calcule certaines propriétés des entités spatio-temporelles. De manière générale, les linguistes ›formalistes‹, prennent pour termes de leurs calculs, les éléments de la langue naturelle euxmêmes, qu’il s’agisse de les définir (Helmslev, quoique son formalisme soit inconsistant, cf. Prebensen 1967) ou de les ›engendrer‹ (Chomsky, à la suite de Zelig Harris). Pour le formalisme linguistique ce n’est pas seulement la théorie du langage qui est formelle, c’est le langage lui-même. C’est pourquoi Richard Montague (1930—1971) peut écrire: «I reject the contention that an important theoretical difference exists between formal and natural language» (1974, 188).
De ce point de vue toute comparaison avec la physique est exclue. Cela n’implique pas — pour formelle qu’elle soit — que la linguistique cesse d’être une discipline empirique et construise ses objets comme les mathématiques ou la logique: en dernier recours, elle
12. La tradition rationaliste dans la philosophie du langage
a toujours pour contrainte d’être valide pour les activités linguistiques humaines données dans l’expérience. Nous reviendrons en 6.3 sur les problèmes posés par la notion de calcul, et la réduction des langues naturelles à une structure formelle.
6.
Le langage humain peut-il s’expliquer en postulant la raison, comme faculté générale?
Il est évident qu’en dernier recours la question du rationalisme en matière de langage concerne le rationalisme philosophique, c’està-dire une théorie de la connaissance. Pour le rationaliste, les propriétés essentielles du langage s’expliquent par une faculté individuelle, que l’on retrouve à l’œuvre dans une activité comme le calcul et dans la recherche scientifique caractéristique des sciences modernes. On peut refuser cette thèse, en soutenant que le langage met en œuvre d’autres facultés, comme le sentiment et les passions, ainsi que l’ont fait les romantiques (cf. Formigari 1977). En tout état de cause le langage est aussi un problème pour le rationaliste: comme le notait Johann Georg Hamann (1730— 1788) (v. art. 2 5) (1967, 89—94), il oblige à mettre en rapport l’entendement et la sensibilité. Le rationalisme philosophique dans son rapport à l’analyse linguistique concerne essentiellement le mentalisme, l’innéisme et la créativité. 6.1. Mentalisme La thèse essentielle des classiques fait du langage la représentation de la pensée (hypothèse du langage-traduction, cf. Auroux 1979 a, 70). Le mentalisme est le pivot essentiel du rationalisme et il a des conséquences fondamentales pour la discussion de l’innéisme. Ce dont les empiristes refusent l’innéité, c’est seulement des connaissances et pas des structures organiques que les pourraient conditionner. C’est en ce sens que Condillac pouvait soutenir qu’il «y a un langage inné quoiqu’il n’y ait point d’idées qui le soient» (cf. Auroux 1979 a, 31). Pour lui en effet le langage d’action (le langage primitif constitué de gestes, correspondant à un certain montage corporel) est inné. Cela n’implique aucunement que notre langage possède rien d’inné, car il est le produit d’une genèse historique. A l’inverse un cartésien ne s’intéressera pas essentiellement à la question de savoir si aucun langage est inné, ce qui l’intéresse ce sont les idées, et
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le langage en tant qu’il en est l’expression ›arbitraire‹. Jerry Fodor qui comprendra pourtant que seul le contenu propositionnel est en question (Fodor 1983, 5), a donné un mauvais argument en faveur de l’innéisme (Fodor 1981 a, 2 78), en rappelant, avec raison, que tous les empiristes admettent un point de départ inné. Mais on ne peut confondre, chez Hume, les relations philosophiques (qui sont des représentations) avec les relations naturelles (qui sont les mécanismes producteurs des représentations). La thèse du rationalisme philosophique, ce n’est pas un nativisme quelconque, c’est que la structure représentationnelle de la pensée est avant toute expérience, et surtout avant tout langage (c’est à ces deux thèses que se ramène la spontanéité de l’entendement, cf. Formigari 1988). Il est clair que les actes de langage suiréférentiels — tout le rituel social en quoi le langage est fondateur — posent un problème incontournable au rationalisme, en ce qu’ils ne concernent en rien la fonction représentative du langage. Condillac semble avoir déjà tenté de dépasser le rationalisme par ce biais (cf. Auroux 1986 b). La seule solution consiste à rabattre les actes de langage sur un calcul mental des intentions. On peut aussi détacher le mentalisme de la thèse représentationnaliste. C’est ce qu’avait tenté Fodor en 1975: il soutient l’existence d’un langage mental, différent de tout langage naturel et dont aucun langage naturel n’est la représentation, mais dont il est nécessaire de postuler l’existence, si on admet que les activités langagières (notamment l’apprentissage) sont le résultat d’un calcul. Le mentalisme peut simplifier la théorie de la traduction: si le ›langage mental‹ est un universel, on passe facilement d’une langue naturelle à une autre. L’intraduisibilité n’est pas un argument contre le mentalisme (puisque les entités mentales peuvent ne pas correspondre), la traduisibilité en est un pour l’universalité des entités mentales. D’où la défense par Katz du postulat d’effabilité (cf. Katz 1978; cf. Dominicy 1984, 100—105 pour une discussion de ce postulat à propos de la grammaire générale), selon lequel toute langue peut exprimer n’importe quoi (pourvu que certaines conditions qui ne concernent pas le langage — comme le niveau culturel — soient remplies). Mais la traduisibilité universelle n’est pas évidente: de langue à langue on trouvera toujours des correspondances qui manquent. Ce qu’on peut soutenir c’est qu’à partir de toute langue naturelle on peut créer
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des procédés pour exprimer tout contenu exprimé ailleurs, mais c’est à condition, soit de changer la langue, soit d’utiliser le niveau métalinguistique, donc de ne pas traduire (dans le fameux ouvrage de Benjamin Lee Whorf 1956, l’auteur utilise quantité de ces procédés pour nous faire comprendre le sens d’expressions de langues amérindiennes qui sont — selon lui — littéralement intraduisibles dans des langues européennes). On doit donc pouvoir formuler une version du postulat d’effabilité qui n’implique pas l’universalité sémantique et soit compatible avec le relativisme (c’est pourquoi il ne nous semble pas que ce postulat puisse être considéré comme une version faible de [8] et venir au secours des universaux substantiels). 6.2. Innéisme C’est sur le problème de l’innéisme (v. art. 72 ) que les théories chomskyennes ont sans doute le plus innové par rapport aux occurrences antérieures de ce thème. Le phénomène de l’apprentissage est utilisé contre la thèse génétique. A l’âge classique, la philosophie de Locke a été une source importante de renouveau pédagogique et l’on opposait, au contraire, la nécessité d’un apprentissage à la grammaire générale. Au 19° siècle, l’hypothèse d’une structure biologique innée, était rattachée à la diversité des familles linguistiques, dont chacune était censée se rattacher à une ›race‹. Les générativistes, au contraire, rattachent la structure innée aux universaux et à une nature humaine indivise en tout homme. L’empirisme tend naturellement à supposer l’antériorité génétique des termes concrets par rapport aux termes abstraits. Leibniz dans ses Nouveaux Essais opposait à Locke le fait qu’étymologiquement les noms propres (par exemple, fr. AU-roux) dérivent souvent des noms communs. L’encyclopédiste Beauzée a repris l’argument, qui n’a jamais troublé aucun empiriste. Ce dernier soutient, en effet, simplement l’antériorité génétique, dans la connaissance, des termes singuliers (cf. Dominicy 1985, pour une analyse formelle du problème). La stratégie des rationalistes modernes consiste à montrer que le passage du singulier perçu à la généralité linguistique est impossible ou au moins peu plausible. Dans une situation normale d’apprentissage l’enfant n’est pas soumis à suffisamment de stimuli pour qu’on puisse expliquer par là l’apparition de ses aptitudes à manier une langue. En particulier, l’enfant produit des séquences
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linguistiques qu’il n’a jamais entendues. L’argument est censé provenir de Descartes: la conduite humaine suppose l’aptitude à répondre correctement face à des situations nouvelles, la raison seule est un instrument universel. La défense de l’innéisme peut s’appuyer sur l’échec de la réduction behaviouriste de la signification à une réponse non linguistique à un stimulus externe (Fodor 1969, 52 sq). On admet généralement que cette réduction est impossible puisque la propriété essentielle du comportement verbal est l’indépendance sémantique, c’est-à-dire la possibilité que l’on a d’utiliser les mots hors de la présence des choses. Willard Van Orman Quine (*1908) avait dès 1960 (Quine 1960, 32 sq) proposé une théorie qui rende compte de cette propriété, en comptant comme élément de la ›stimulus-signification‹ à la fois les éléments qui présentés au locuteur entrainent son assentiment et ceux qui entrainent son dissentiment. Jules Vuillemin (*192 0) a fourni une critique décisive de cette conception (1976). Son argument consiste à insister sur la liaison entre assentiment et dissentiment. Puisque les couples d’antonymes sont variables de langue à langue, les stimuli naturels ne peuvent en rendre compte et il faut présupposer la structure conceptuelle de la langue pour comprendre dans chaque cas le fonctionnement de la négation. Le plus souvent l’innéisme est défendu par ce qu’on peut appeler l’argument de Goodman ou par l’universalité. Nelson Goodman (*1906) a montré comment on peut construire des prédicats incompatibles susceptibles de recevoir une confirmation empirique (1954). L’exemple des émeraudes auxquelles on peut attribuer également le prédicat ‘green’ et le prédicat ‘grue’ (lequel s’applique à toutes les choses examinées jusqu’à maintenant, seulement si elles sont vertes, mais à toutes les autres choses seulement si elles sont bleues, cf. 1983, 74), a connu une fortune exceptionnelle chez les générativistes (par exemple, Katz 1966, 2 18). Ces derniers en concluent que pour choisir un prédicat, il faut une hypothèse qui n’est pas donnée dans l’expérience, argument qui n’ajoute rien à ce que Kant dans la Préface de la première Kritik tirait des conditions mêmes de l’expérimentation scientifique. Mais s’il faut des conditions non données dans l’expérience pour sélectionner des hypothèses, d’une part nous avons toujours un système de préjugés à disposition que nous inculque notre histoire et
12. La tradition rationaliste dans la philosophie du langage
celle que nous transmet notre éducation, d’autre part, rien n’implique que les conditions au départ de toute connaissance doivent être de nature cognitive (nous avons des conditions physiques concernant la perception). L’universalité n’est pas une preuve pour l’innéisme, il ne s’agit ni d’une condition nécessaire (l’innéité impliquerait l’universalité), ni d’une condition suffisante (l’universalité impliquerait l’innéité). Elle n’est pas nécessaire, car il y a manifestement des traits innés non universaux. Elle n’est pas suffisante. Supposons qu’elle le soit. Ce qui est universel est inné, et par contraposition, ce qui n’est pas inné n’est pas universel. Mais, il pourrait très bien se faire qu’il y ait de l’universel non inné qu’on expliquerait, par exemple, par l’identité des fonctions ou celle du monde. Les propriétés universelles, enfin, peuvent être des propriétés du système en lui-même, indépendantes du fait que le système soit ou non utilisé par un esprit humain; il n’est pas illogique de soutenir que la grammaire d’une langue est une propriété de la langue et non du cerveau qui l’utilise (cf. Putnam, dans Piatelli-Palmarini 1975, 418). L’innéisme n’est pas une hypothèse commune nécessaire au linguiste, même s’il adopte les techniques des générativistes (cf. Milner 1982 , 302 —317), pas plus qu’aucune hypothèse biologique ou psychologique. 6.3. Créativité L’idée classique d’une créativité par des règles (un ›ars inveniendi‹) est fournie par le De Arte Combinatoria de Leibniz. Il s’agit d’un mythe, fondé sur l’image (qu’on trouve déjà dans l’idée cartésienne de langue universelle) de l’engendrement de la suite des entiers naturels. L’apport incontournable de Chomsky est d’avoir proposé un moyen simple pour rendre la grammaire des langues naturelles ›calculable‹, au sens moderne de la récursivité et des machines de Turing. Ceci impose des contraintes très fortes sur la notion même de ›règle de grammaire‹: elles doivent (grossièrement) correspondre à des algorithmes de réécriture (cf. Chomsky 1961). On pourrait concevoir, à l’inverse, qu’une règle de grammaire est une prescription qui asserte qu’un sujet doit effectuer un certain acte (cf. les règles de morale), ce qui n’implique pas qu’il suive nécessairement la règle (fautes). Il me semble que les classiques — cela est pour une grande part liée à leur attitude presciptiviste — envisagent plutôt les règles sur le modèle
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des règles morales, position qui suppose que l’activité linguistique repose sur la conscience qu’a le sujet parlant de la règle (thèse défendue aujourd’hui par des auteurs comme Gauger 1976 et Itkonen 1978). On peut expliquer ainsi certaines propriétés linguistiques; l’assertion classique selon laquelle dans une langue deux mots ne peuvent être exactement synonymes (Gauger 1973, Auroux 1984 c) peut être conçue comme une règle du comportement linguistique de sujets rationnels. On aura également une conception claire de ce qu’est une faute de grammaire. Mais à l’inverse des règles de Chomsky (ou de toute autre grammaire formelle) on n’explique pas la construction effective des expressions linguistiques. D’une certaine façon la réduction des règles grammaticales à des algorithmes confirme l’intuition des classiques concernant l’importance de l’arithmétique dans les activités rationnelles. Toutefois, c’est jouer sur les mots que de parler d’invention ou de création. A coup sûr je puis engendrer tout nouvel entier à partir de zéro, un et la fonction successeur, mais l’invention, ce n’est pas de produire un nouvel entier, c’est, par exemple, de produire un irrationnel. Mettez un ordinateur dans une cave, programmez-le pour construire la suite infinie des entiers, revenez dans mille milliards d’années, il n’aura toujours pas produit un nombre irrationnel. L’interprétation de la créativité par la récursivité fait, en outre, violence à des propriétés élémentaires du langage naturel. On a fait remarquer en effet qu’elle suppose: i) la grammaticalité de phrases de longueur infinie; ii) la fixité de la signification des mots, ou du moins son indépendance par rapport à l’activité du locuteur (Parkinson 1972 ). La question — qui touche aussi bien l’acte de parole individuel que l’évolution historique des langues — est de savoir d’où vient la capacité d’engendrer du ›nouveau‹. Si on opte pour la récursivité, le calcul rend l’innovation prédictible, mais tombe sous le coup de l’argument sur l’émergence des irrationnels. Evidemment on peut toujours recourir à une liberté inassignable (Parkinson 1972 , 59; Sampson 1980), à la sensibilité ou à une faculté esthétique de l’homme, comme l’ont fait Wilhelm von Humboldt (1767—1835) (v. art. 2 7) ou Benedetto Croce (1866—1952 ). Mais si on ne veut pas sombrer dans l’irrationalisme pur et simple, il faut proposer un autre modèle. De manière générale toutes les réductions de l’activité linguistique à un calcul, qui ont
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été proposées jusqu’ici, reposent sur ce qu’on pourrait appeler ‘l’axiome de la langue’: il y a une langue homogène, intériorisée par tous les sujets parlants (cf. la compétence chomskyenne). Cet axiome peut s’interpréter par les conditions [11] et [12 ]. Si la thèse du calcul ne s’y réduit pas, elle est, du moins sous la forme que nous lui connaissons, impossible sans lui. L’axiome de la langue est une contrainte plus forte que la conception structurale, qui propose simplement une communauté de formes (par ex. le système phonologique au sens praguois). Si on admet [12 i], alors d’une part la connaissance d’une représentation collective comme le langage peut s’effectuer sur la compétence d’un seul individu, et d’autre part la représentation collective peut être étroitement dépendante d’une contrainte biologique de type hérédité. A l’inverse si on refuse [12 i], on fait en quelque sorte la ›conjecture sociologique‹, selon laquelle le langage est ce qui se passe entre les individus parlants et pas seulement dans la tête de chacun d’entre eux. [11] L’ensemble des propriétés de toutes les phrases possibles d’une langue L (ou l’ensemble des phrases possibles), peut être décrit (ou engendré) par un ensemble consistant d’axiomes. [12 ] Soient un groupe de sujets S1 ... Sn et R(i,j) la représentation j du sujet Si; soit A une fonction qui fait passer de l’ensemble des représentations individuelles à une représentation collective R(col, k). On dira que la représentation collective est une représentation commune si et seulemement si: (i) pour tout j, A[R(1, j), ..., R(n, j)] = R(col, j) on a R(col, j) = R(1, j) = ... = R(n, j).
La standardisation dans les grands Etats donne une certaine consistance empirique à l’axiome de la langue, mais cette rationalisation de la communication ne peut certainement pas être conçue comme révélant l’essence de l’activité linguistique. Il y a incontestablement une hétérogénéité de la grammaire. Le français populaire ‘L’homme que je lui ai parlé’ et le français standard ‘L’homme à qui j’ai parlé’ ne peuvent probablement pas être décrits à partir des mêmes axiomes. Cela n’invalide probablement pas la tentative d’expliquer les activités linguistiques par le calcul. Mais au lieu d’envisager des règles homogènes, présentes en tout sujet parlant, il faudra sans doute construire des modèles interactifs mettant en présence différents sujets aux compétences différentes, dont la confrontation dans le temps, produit de nouvelles règles et de nouvelles structures linguistiques.
I. Raum-zeitliche Übersichten
7.
Le rationalisme minimum
Comme nous l’avons noté au départ, la définition de la tradition rationaliste en matière de philosophie du langage n’est pas quelque chose de simple. Il faut la chercher davantage chez les linguistes que chez les philosophes, sans doute parce que si l’on excepte la problématique transcendantale à la Husserl, les philosophes rationalistes n’ont pas de position véritablement caractéristiques en matière de langage, si ce n’est peut-être d’accorder à ce dernier une position subalterne, voire accessoire (cf. Kant) dans l’activité cognitive. Le contenu philosophique de la conception rationaliste du langage est constituée par l’entrecroisement de certains éléments du rationalisme philosophique (innéisme, spontanéité de l’entendement, etc.) et de préoccupations méthodologiques essentielles à la représentation du langage humain. On peut définir, au plus proche du rationalisme philosophique, un rationalisme maximum. Il accorderait de la plus forte à la plus faible, au moins l’une des thèses suivantes: i) l’innéisme, ii) le transcendantal, iii) le statut de nécessité logique des assertions définissant la nature des langues naturelles, iv) les universaux substantiels, v) la créativité, vi) la réduction de l’activité linguistique à un calcul homogène. L’axiome de la langue, qui découle de ces thèses, paraît moins un axiome du rationalisme que du positivisme (il est soutenu notamment par les néogrammairiens). Il faut relier aux thèses i—ii, également, une thèse au statut ambigu (il est difficile de dire si elle en découle ou en constitue le principe) et que nous n’avons pas discutée. Elle asserte que seuls les animaux humains peuvent posséder ce que nous considérons au sens propre comme un langage (mais en elle-même, cette thèse peut n’être qu’une constatation empirique; cf. Premack 1986). La thèse, caractéristique du rationalisme cartésien, selon laquelle aucune machine ne saurait avoir un comportement linguistique, tient moins à l’essence de la tradition rationaliste qu’à la conception étroite que le philosophe avait du concept de machine (sa négation est impliquée par la thèse vi). C’est pourquoi nous ne l’avons pas non plus discutée. Nous pensons avoir donné suffisamment d’arguments pour soutenir que le rationalisme maximum ou rationalisme théorique n’est pas tenable. Dans l’avenir, il pourrait ne subsister de la tradition rationaliste que deux thèses constituant, en quelque sorte, un rationalisme minimum: i) les
13. Sprachphilosophie in der Romantik
langues naturelles peuvent faire l’objet d’assertions générales spécifiques à valeur prédictive; ii) le calcul a une place dans l’activité linguistique. Il s’agit là des requisits indispensables à ce qu’on puisse considérer les langues naturelles comme les objets possibles d’une approche scientifique au sens strict.
8.
Bibliographie sélective
Beauzée 1767, Grammaire Générale. Il s’agit probablement de la grammaire générale au sens classique, la plus achevée jamais écrite. Chomsky 1966, Cartesian Linguistics: A Chapter in the History of Rationalist Thought. Il s’agit du point de départ des discussions contemporaines sur la question. Husserl 1972 , trad. fr. de Logische Untersuchungen.
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(cf. Gesammelte Werke, Band XVIII) [1901]. Exposition du point de vue de la philosophie transcendantale. Katz 1981, Language and Other Abstract Objects. Il s’agit sans doute de l’exposé des positions les plus extrêmes du rationalisme, puisqu’il aboutit au platonisme et soutient ouvertement que la sémantique doit être une discipline a priori. Piatelli-Palmarini (éd.) 1979, Théories du langage/ Théories de l’apprentissage. Le débat entre Jean Piaget et Noam Chomsky. Il s’agit du débat le plus complet sur la question; dans son équilibre, une certaine prépondérance des arguments rationalistes. Sampson 1980, Schools of Linguistics. Critique maximaliste des conceptions rationalistes des langues naturelles.
Sylvain Auroux, Paris (France)
13. Sprachphilosophie in der Romantik 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Der Epochenbegriff ‘Romantik’ und die Wortgeschichte Die Begründung der modernen Sprachphilosophie im Zeitalter der Romantik Sprachphilosophie und Sprachästhetik der deutschen Romantik Das Verhältnis der systematischen Philosophie zur Sprachphilosophie Gibt es einen romantischen Sprachbegriff? Die französischen Ideologen Literatur in Auswahl
Der Epochenbegriff ‘Romantik’ und die Wortgeschichte
1.1. Jeder Versuch, die Geistesgeschichte Europas nachträglich mit Hilfe von Leitbegriffen zu erfassen und zu gliedern, bleibt anfechtbar, weil die geistigen Strömungen, um die es dabei geht, immer vielschichtig sind und weil die Zuordnung der einzelnen Persönlichkeiten noch zusätzliche Schwierigkeiten bereitet. Denn diese haben häufig in ihrem Leben erhebliche Wandlungen durchgemacht, so daß man sie nicht in bestimmte Kästchen einordnen kann. Hinzu kommt, daß die großen Strömungen, die diesen Kontinent erfaßten, in den einzelnen Ländern ein unterschiedliches Schicksal erfahren haben. Die kulturellen, politischen und sozialen Voraussetzungen waren derart verschieden, daß auch die Denk-
richtungen, die daraus entstanden sind, eigentümliche Ausprägungen gefunden haben. So gibt es für manche Entwicklungen bestimmte Ursprungsländer und daneben Randgebiete, die weniger stark erfaßt worden sind. Außerdem haben sich im Laufe der Zeit in den einzelnen Ländern eigenständige Leitbegriffe für die verschiedenen Bereiche geistigen und künstlerischen Schaffens herausgebildet, die schlecht übertragbar sind und infolgedessen eine allgemeine Übersicht und Verständigung erschweren. Ferner ist zu beachten, daß manche Strömungen von einem Land auf andere Länder übergegriffen haben und daß auch Rück- und Wechselwirkungen eingetreten sind. Dadurch werden die zeitlichen Bestimmungen erschwert. Die Erscheinungen treten häufig nicht zeitgleich auf, alte und neue Bewegungen können sich überdies in ein und demselben Lande überschneiden. Dies alles bringt es mit sich, daß jede verkürzte und schematisierende Darstellung die Gefahr von Fehldeutungen mit sich bringt. Das Gesagte gilt nun in ganz besonderem Maße für die große europäische Geistesbewegung, die heute mit dem Stichwort ‘Romantik’ bezeichnet wird. Sie ist so vielschichtig, daß manche Beobachter auf diesen umstrittenen Epochenbegriff ganz verzichten wollten. Das ist aber angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Darstellungen den Begriff schon im Titel tragen, weder sinnvoll noch praktisch durchführbar. Wir werden aber die Ausdrücke ‘romantisch’
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und ‘Romantik’ zu klären haben, bevor in diesem Essay über die Sprachphilosophie in der Romantik berichtet werden kann. Die Wahl des Titels zeigt, daß absichtlich der Ausdruck ‘romantische Sprachphilosophie’ vermieden worden ist. Dies hat mehrere Gründe: In der Geschichte der Philosophie tauchen die Begriffe ‘romantisch’ und ‘Romantik’ nur selten auf. Hier sind andere Kennzeichnungen und Epochenbegriffe üblich. So gilt Frankreich als Stammland des Rationalismus und der Aufklärung, England als das des Sensualismus und des Empirismus und Deutschland als das der transzendentalen und idealistischen Philosophie. Dahingegen ist die romantische Bewegung primär im Bereich der Literatur und Poesie sowie in den bildenden Künsten und in der Musik beheimatet. Daß es in dieser Epoche, die zeitlich noch einzugrenzen ist, auch Philosophie gegeben hat, ist klar, ob und inwieweit diese aber von romantischem Gedankengut berührt worden ist oder dieses sogar beeinflußt hat, bleibt zu prüfen. Noch schwieriger ist es, innerhalb der Philosophie speziell sprachphilosophische Überlegungen auszugrenzen, denn überraschenderweise hat die Sprache bei den meisten Philosophen der Zeit entweder gar keine oder doch nur eine beiläufige Rolle gespielt, während den meisten Romantikern die Sprache so wichtig war, daß sie eigene sprachphilosophische Gedanken entwickelt haben. Bevor dies aber gezeigt werden kann, ist ein Rückblick auf die Geschichte des Begriffs ‘romantisch’ unerläßlich. Dazu müssen historische und etymologische Wörterbücher herangezogen werden, wobei Vorsicht am Platze ist. Das Wort ‘romantisch’ hat eine wechselvolle Geschichte und dabei erhebliche semantische Wandlungen erfahren. Die Fachwörterbücher registrieren die Belege in historischer Reihenfolge und legen Wert auf Erstbelege. Diese Angaben geben den jeweiligen Stand der Forschung wieder. Die Erstbelege besagen aber oft wenig und werden leicht überbewertet. Verweise auf die etymologische Herkunft nutzen meist wenig, weil diejenigen, die die Ausdrücke verwendet haben, von deren Herkunft gar nichts gewußt zu haben brauchen. Nur unter Berücksichtigung aller Begleitumstände kann man aus der Chronologie der Belege Rückschlüsse auf die begriffsgeschichtliche Entwicklung ziehen. Beim Vergleich der Wörterbücher fällt auf, daß die späteren vieles von den Vorläufern übernommen haben. So enthält z. B. der 8. Band des Deutschen Wörterbuches der Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm (1785—
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1863, 1786—1859) aus dem Jahre 1893, das von Moriz Heyne (1837—1906) bearbeitet ist, bereits die meisten Angaben, die auch in späteren Werken anzutreffen sind. ‘Romantisch’ wird hier als Entsprechung zu frz. ‘romantique’, engl. ‘romantic’ vorgestellt, und zwar als Ableitung zu frz. ‘romant’, einer Nebenform zu ‘roman’. Ein Roman ist „eine erdichtete oder dichterisch ausgeschmückte erzählung gröszeren umfangs in prosa, deren kern gewöhnlich ein liebesvorgang ist“ (1152 ). Es handelt sich ursprünglich um eine Erzählung in der romanischen Volkssprache (richtiger: in einer romanischen Volkssprache), im Gegensatz zum Lateinischen. ‘Roman’ kennzeichnet später eine literarische Gattung, wobei das Merkmal des Erdichteten betont wird. Die Eigenschaften der Romane, das Abenteuerliche, Phantastische, auch das Mittelalterliche, das Malerische der Naturbeschreibungen u. ä. haben dem Worte ‘romantisch’ dann ihre inhaltlichen Merkmale vererbt. Für das Deutsche wird der Erstbeleg auf das Jahr 1698 angesetzt. Der Gebrauch ist zunächst schwankend, allmählich erweitert sich die Bedeutung. So wird es von der Welt der Dichtung in Romanen im Sinne von ‘poetisch’, ‘die Phantasie anregend’, ‘phantastisch’ gebraucht, so noch von Friedrich Schiller (1759—1805), Johann Wolfgang Goethe (1749—1832 ) und Jean Paul (Johann Paul Friedrich Richter, 1763—182 5). Im 18. Jahrhundert wird es häufig auf Landschaften bezogen, so bei Johann Christoph Adelung (1732 —1806) und Johann Gottfried Herder (1744—1803) (s. Art. 2 6). Später kennzeichnet ‘romantisch’ die Poesie oder eine poetische Lebensauffassung, vor allem des katholischen Mittelalters im Gegensatz zum klassischen Altertum. Hier nähern wir uns bereits der Epoche der Romantik. Schiller nannte seine Jungfrau von Orleans z. B. ‘Eine romantische Tragödie’. Sodann wird ‘romantisch’ für die dichterische Richtung gebraucht, die von den beiden Schlegel eingeleitet und als ›romantische Schule‹ bekannt wurde. Schließlich wird ‘romantisch’ auf andere Kunstgebiete übertragen, z. B. auf die Malerei und auf die Musik. Das Adjektiv geht dem Epochenbegriff ‘Romantik’ weit voraus. Über das Stichwort ‘Romantik’ berichtet das Grimmsche Wörterbuch nur kurz und unzureichend: Es wird damit das Romantische an einer Landschaft oder einem Dichtwerk ausgedrückt, und als Allgemeinbegriff steht es für die romantische Richtung in der Lebensauffassung, vor allem in der Kunst. Die Vertreter dieser
13. Sprachphilosophie in der Romantik
Richtung werden dann ‘Romantiker’ genannt. Im Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache von Kluge/Mitzka (1967) wird darüber hinaus angegeben, daß die englischen Romane auf Europa gewirkt und dem Romantischen einen neuen Sinn gegeben haben. Vorher sei ‘romantisch’ vorwiegend abwertend gebraucht worden, später auch im positiveren Sinne. Es folgen Hinweise wie die, daß Ludwig Tieck (1773—1853) seine Dramensammlung 1799 Romantische Dichtungen genannt hat, daß August Wilhelm Schlegel (1767—1845) den Gegensatz ‘klassisch-romantisch’ herausgestellt und daß Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772 —1801) den Begriff ‘Romantik’ in Analogie zu ‘Klassik’ gebildet haben soll. 1.2. Der bisherige Rückblick auf die Wortgeschichte hat gezeigt, wie vieldeutig die Ausdrücke ‘romantisch’ und ‘Romantik’ sind. Zahlreiche weitere Untersuchungen bestätigen dies (Mason 1970; Wellek 1963; 1965; Prang 1968; Oppel 1968; Behler 1972 ). Über den wichtigen Sinngehalt, den sie in der Epoche der Romantik gewonnen haben, besagt dies aber noch nichts. Die entscheidende Ausprägung des Begriffs ‘romantisch’ ist auf das Ende des 18. Jahrhunderts zu datieren, sie ist eng verbunden mit der zentralen Gestalt der deutschen Romantik, nämlich mit Friedrich Schlegel (1772 —182 9). Diese wichtige Einsicht verdanken wir detaillierten Untersuchungen des Engländers Eudo C. Mason (1901—1969) in seiner Studie Deutsche und englische Romantik (1970). Friedrich Schlegel sah sich 1794/95 in seinem Buch Über das Studium der griechischen Poesie aufgrund des Vergleichs der antiken Dichtung mit der Moderne zu der Annahme gedrängt, der Augenblick für eine ästhetische Revolution sei reif. Modern ist für ihn alles vom Mittelalter an bis zur Neuzeit. Was Johann Joachim Winckelmann (1717—1768) für die griechische bildende Kunst gezeigt hat, das will er für die griechische Dichtung leisten. Dieser Aufgabe ist er aber noch nicht gewachsen. Das Kennzeichen wahrer Dichtung ist Schönheit, die nur als Sieg über die bloße Natur möglich und nur durch einen radikalen Wandel des Geschmacks zu erreichen sei. Allen modernen Dichtern spricht er Schönheit in diesem Sinne ab. Sein Schönheitsbegriff ist von Auffassungen Immanuel Kants (17 2 4—1804), Winckelmanns und Schillers geprägt. Freilich erkennt Schlegel auch in der Moderne Lobenswertes, beson-
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ders bei William Skakespeare (1564—1616), aber diesem fehle letztlich doch die Schönheit. Schlegel glaubt hier ein ›charakteristisches‹ und ›philosophisches‹ Interesse feststellen zu können. Er sucht nach einem noch treffenderen Ausdruck zur Charakterisierung der modernen Dichtung, die sie von (antiker) Schönheit unterscheidet, und erwägt mehrere Möglichkeiten: Er versucht es mit ‘charakteristisch’ als Gegenbegriff zu ‘schön’, dann mit ‘individuell’, ‘philosophisch’ und ‘subjektiv’ gegenüber ‘objektiv’ als Synonym zu ‘schön’. Kurz darauf schlägt er ‘interessant’ vor, vielleicht angeregt durch Kants Auffassung der Kunst als interesselosem Wohlgefallen. Die neuere Dichtung will interessant sein. Obwohl Schlegel hier schon eine geheime Neigung für das Interessante verrät, bleibt ihm die moderne Dichtung fragwürdig. Die nötige Reaktion sieht er bereits in Goethes klassizistischer Entwicklung seit 1780 angebahnt. Die geforderte ästhetische Revolution besteht für Schlegel zu diesem Zeitpunkt in einer vorbehaltlosen Rückwendung zum Vorbild der Griechen, also zu strengem Klassizismus. Genau in diese Richtung bewegte sich die gerade jetzt von Schiller und Goethe propagierte ästhetische Kunstauffassung. Kurz vor der Veröffentlichung von Schlegels Buch erscheint Schillers Schrift Über naive und sentimentalische Dichtung, die Schlegels Problem trifft. ‘Naiv’ entspricht ungefähr Schlegels ‘schön’, ‘sentimentalisch’ ungefähr ‘interessant’. Schiller aber hebt das Positive des Sentimentalischen hervor und stellt die Moderne gleichberechtigt neben die Antike. Schlegel erkennt mit großer Betroffenheit, daß Schiller recht hat und vollzieht eine radikale Kehrtwendung, die allerdings im nachträglich noch eingefügten Vorwort zum eigenen Werk nur angedeutet wird. So kann Mason mit Recht sagen, daß Schlegel praktisch noch vor dem Erscheinen seines ›klassischen‹ Manifests bereits zum ›Romantiker‹ geworden ist, und dies ausgerechnet durch den Einfluß des ›Klassikers‹ Schiller (Mason 1970, 12 ). Schlegel aber sucht immer noch nach einem passenden, und zwar jetzt positiv gemeinten Begriff für die ›interessante‹ Dichtung. Im Herbst 1797 muß er dann auf ‘romantisch’ gekommen sein, und jetzt gewinnt der Begriff seine für die deutsche Romantik charakteristische Bedeutung, die dann auch auf die europäische Romantik einwirkt. Am 2 6. August 1797 nennt Friedrich Schlegel in einem Brief an seinen Bruder August Wilhelm Goethes Hermann und Dorothea ein ‘romantisches Epos’. August Wilhelm ver-
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steht das nicht und bittet um Erläuterung. Friedrich antwortet, er könne dies brieflich nicht mitteilen, habe aber das Wort bereits auf 12 5 Bogen erläutert (Mason 1970, 14). Im November desselben Jahres werden die Fragmente für die geplante Zeitschrift Athenäum angekündigt, und dort ist dann 1798 im Fragment 116 die romantische Poesie als ‘progressive Universalpoesie’ gekennzeichnet. In diesen neuen Begriff strömen nun alle die inhaltlichen Bestimmungen ein, die für die romantische Bewegung in dieser Frühphase bestimmend geworden sind. Es geht um eine Wiedervereinigung aller Gattungen der Poesie, ihre Anbindung an Philosophie und Rhetorik. Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunst- und Naturpoesie sollen sich mischen und miteinander verschmelzen. Leben und Gesellschaft, alles, auch der Witz, soll poetisiert werden. Neue Synthesen werden gesucht, Entgrenzung wird angestrebt, dazu bedarf es einer spontanen Leistung der ›schöpferischen Einbildungskraft‹. Ein höchstes Maximum der Poesie soll erreicht werden. F. Schlegel erklärt dazu: „Nach meinem Sprachgebrauch ist eben das romantisch, was uns einen sentimentalen Stoff in einer fantastischen Form darstellt“ (Behler 1966, 73). Hiermit wird auch der Anschluß an das Romanhafte hergestellt, das in seiner neuen Theorie des Romans Eingang findet. Der neue vertiefte Begriff des Romantischen verdankt dann seine weitere Ausprägung der engen Zusammenarbeit F. Schlegels mit seinen Freunden. Besonderer Anteil kommt dabei dem jung verstorbenen Novalis zu. Wichtig ist, daß der neue Sinngehalt des Begriffs ‘romantisch’ mit ziemlicher Sicherheit zeitlich bestimmbar ist, und zwar auf den Herbst 1797. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, bei jedem Auftreten des Wortes Zeitpunkt und Umstände zu beachten. So gebrauchte F. Schlegel selbst das Wort vor 1797 gelegentlich noch als Synonym für ‘mittelalterlich’ oder ‘gotisch’, zur Zeit seiner ›Gräkomanie‹ auch im Sinne von ‘schwärmerisch’, ‘überspannt’, also ausgesprochen abwertend. Wichtig ist auch, wie Goethe den Ausdruck verstanden hat. Oft zitiert ist sein von Johann Peter Ekkermann (1792 —1854) 1959, 2 53 überlieferter Ausspruch: „Das Klassische nenne ich das Gesunde, und das Romantische das Kranke“. Entscheidend aber ist Goethes folgende Erläuterung: „Und da sind die Nibelungen klassisch wie der Homer, denn beide sind gesund und tüchtig. Das meiste Neuere ist nicht romantisch, weil es neu, sondern weil es schwach, kränklich und krank ist,
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und das Alte ist nicht klassisch, weil es alt, sondern weil es stark, frisch, froh und gesund ist. Wenn wir nach solchen Qualitäten Klassisches und Romantisches unterscheiden, so werden wir bald im Reinen sein“ (Eckermann 1959, 253).
Weiter ist zu beachten, was Goethe laut Eckermann über die Entstehungsgeschichte der Unterscheidung von Klassik und Romantik sagt: „Der Begriff von klassischer und romantischer Poesie, der jetzt über die ganze Welt geht und so viel Streit und Spaltungen verursacht, fuhr Goethe fort, ist ursprünglich von mir und Schiller ausgegangen. Ich hatte in der Poesie die Maxime des objektiven Verfahrens, und wollte nur dieses gelten lassen. Schiller aber, der ganz subjektiv wirkte, hielt seine Art für die rechte, und, um sich gegen mich zu wehren, schrieb er den Aufsatz über naive und sentimentale Dichtung. Er bewies mir, daß ich selber, wider Willen, romantisch sei, und meine Iphigenie, durch das Vorwalten der Empfindung, keineswegs so klassisch und im antiken Sinne sei, als man vielleicht glauben möchte. Die Schlegel ergriffen die Idee und trieben sie weiter, so daß sie sich denn jetzt über die ganze Welt ausgedehnt hat, und nun jedermann von Klassizismus und Romantizismus redet, woran vor fünfzig Jahren niemand dachte“ (1959, 308 f).
Schließlich ist bemerkenswert, daß Goethe in einem Gespräch mit seinem Sohn August zugesteht, daß er selbst im Helenaakt des Faust (2 . Teil) dem „antiken Teil“ eine „opernartig romantische Hälfte“ entgegengesetzt habe (Eckermann 1959, 470 f). Beide Auffassungen stehen hier also gleichberechtigt nebeneinander. Bedenkt man ferner, daß Goethes Werther, sein Götz von Berlichingen und Wilhelm M eisters Lehrjahre voller romantischer Motive stecken und von einigen Romantikern deshalb auch gepriesen worden sind, dann wird deutlich, daß auch über die ›Klassizität‹ Goethes nicht pauschal geurteilt werden darf. Aus den geschilderten Voraussetzungen heraus ist die deutsche romantische Bewegung entstanden. 1.3. In England und Frankreich sieht es ganz anders aus. Wenn man daher von einer gesamteuropäischen romantischen Bewegung spricht, so handelt es sich um eine aus großer Distanz gewagte Zusammenschau disparater Erscheinungen. Generell kann gesagt werden, daß sich am Anfang überall besonders in literarischen Kreisen eine Unzufriedenheit über den Zustand von Literatur und Poesie bemerkbar macht, die dann auch die übrigen Künste erfaßt. Das Unbehagen an den herr-
13. Sprachphilosophie in der Romantik
schenden Zuständen ist durch verschiedene Ursachen ausgelöst, die im 17. Jahrhundert zu suchen sind und ins 18. Jahrhundert einwirken. Es handelt sich um bestimmte tradierte Kunstauffassungen und Denkweisen, die mit Epochenbegriffen wie ‘Rationalismus’, ‘Aufklärung’ und ‘Klassik’ bzw. ‘Klassizismus’ zu fassen sind. Diese Bewegungen hatten, von Land zu Land in verschiedener Ausprägung und Stärke, eine Vorherrschaft reinen Verstandes- und Fortschrittdenkens begünstigt und eine einseitig an der Antike orientierte regulative Kunstauffassung gefördert, so daß die für eine volle künstlerische Entfaltung unentbehrlichen Kräfte des Gefühls und der individuellen Schöpferkraft zurückgedrängt wurden. Rationalismus und Aufklärung hatten außerdem atheistische Tendenzen gefördert und die christliche Religion als kulturbestimmende Weltanschauung in Frage gestellt. Bei aller berechtigten Begeisterung für die antike Kunst setzte sich die Einsicht durch, daß diese viel zu einseitig und daher unangemessen beurteilt worden war. Auch die Versuche einer Wiederbelebung der Antike durch klassizistische Nachahmung konnten nicht mehr befriedigen. So setzte eine Rückbesinnung auf die eigene Geschichte und deren künstlerische Leistungen ein und führte zu einer neuen Würdigung nationaler Kunst, an die man anknüpfen konnte. Das Mittelalter, von den Aufklärungsdenkern als Zeitalter der Barbarei verfemt, und mit ihm das (katholische) Christentum, erschienen jetzt in einem neuen, allerdings sehr idealisierten Licht. Außerdem machte sich, angeregt durch die Lektüre Jean-Jacques Rousseaus (1712 — 1778) u. a., eine neue Rückwendung zur Natur und zum Universum in seiner unendlichen Größe und Schönheit geltend, und ein damit eng verknüpfter Gottesbegriff lenkte den Blick auf den transzendenten Urgrund allen Seins. Besonders Baruch Spinozas (1632 — 1677) pantheistische Naturauffassung hat hier eingewirkt. Eine Befreiung aller geistigen und künstlerischen Kräfte von Regelzwängen jeglicher Art wurde gefordert, und zwar um so stärker dort, wo diese Bande als besonders drückend empfunden wurden. Große politische Ereignisse, die Europa erschütterten, kamen als auslösende Impulse hinzu. Hier ist vor allem die französische Revolution zu nennen, die von allen freiheitsliebenden europäischen Geistern zunächst mit großer Zustimmung aufgenommen wurde. Dann aber folgte nach der Schreckensherrschaft eine große Ernüchterung, und als Napoleon Bonaparte
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(1769—182 1) die Länder Europas mit Krieg und Schrecken überzog, setzte eine Reaktion ein, die anfangs berechtigte patriotische Gefühle weckte, dann aber auch nationalistische und chauvinistische Züge annahm. Die romantische Bewegung schlug unter diesen Umständen teilweise in das Gegenteil dessen um, was sie anfangs gewesen war: sie nahm konservative, restaurative, ja reaktionäre Züge an. Demokratische Tendenzen wurden zurückgedrängt, und die alten autoritären politischen Ordnungen gingen gestärkt aus den Wirren der napoleonischen Kriege hervor. — Faßt man das Romantische als eine gefühlsbetonte, naturnahe, gegen Zwänge aller Art gerichtete Geisteshaltung mit metaphysischem, irrationalem Einschlag, so kann eine solche Einstellung zu allen Zeiten möglich sein. Entsprechend ist auch ‘romantisch’ auf Kunstwerke verschiedener Epochen bezogen worden. So konnten z. B. die Odyssee Homers (8. Jh. v. Chr.), die Nibelungen, der Don Quijote des Miguel de Cervantes (1547—1616) (oder die Werke Shakespeares) als ‘romantisch’ bezeichnet werden. Hier aber soll ‘Romantik’ nur die europäische Bewegung kennzeichnen, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts in England erste Ansätze zeigte, von da auf das kontinentale Europa übergriff, besonders stark Deutschland erfaßte und von dort aus nach allen Seiten ausstrahlte und so auch auf England wieder zurückwirkte. Romantischer Einfluß reichte aber weit über Europa hinaus bis in die südamerikanischen Kolonialstaaten, wo er die Ausbildung eigener nationaler Literaturen förderte. Wenn man bedenkt, daß die geistesgeschichtlichen und politischen Voraussetzungen für das romantische Denken in den europäischen Nationen sehr verschieden waren und sich zudem zahlreiche Einflüsse und Wechselwirkungen von Land zu Land ergaben, dann wird begreiflich, daß die Romantik in den verfügbaren Darstellungen zeitlich verschieden beurteilt und terminiert wird. 1.4. In England, wo bereits Dichter wie Edward Young (1683—1765), Thomas Gray (1716—1771) und James Macpherson (1736—1796), der Autor der angeblich von einem schottischen Barden Ossian stammenden Gesänge, als wichtige Vorläufer gelten, ist die Abgrenzung einer eigentlichen ›Romantik‹ kaum möglich. Die englischen Darstellungen bevorzugen eine Kennzeichnung ihrer geistesgeschichtlichen Epochen nach hervorragenden Gestalten, und so findet man
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Vertreter romantischer Anschauungen im späten ›Age of Johnson‹ — gebildet nach Samuel Johnson (1709—1784), vor allem aber im ›Age of Byron‹ — nach George Gordon Noel Lord Byron (1788—182 4), und noch im ›Age of Tennyson‹ — nach Alfred Lord Tennyson (1809—1892 ). Zur Bildung einer ausgesprochenen romantischen Schule kam es schon deshalb nicht, weil die klassizistischen und aufklärerischen Strömungen im traditionsbewußten England nachwirkten und nicht zu so heftigen Reaktionen Anlaß gaben, wie dies etwa in Frankreich der Fall war. Die englische Bewegung hat ihren Schwerpunkt in der Dichtung, die nie das Erbe des 18. Jahrhunderts ganz verleugnet. Stellvertretend seien hier nur William Wordsworth (1770— 1853) und sein Freund Samuel Taylor Coleridge (1772 —1834) sowie der Romancier Walter Scott (1771—1832 ) genannt. — In Frankreich darf zwar schon Rousseau als Vorläufer romantischer Denkansätze gelten, aber die eigentliche französische Romantik setzt erst wesentlich später ein und steht überdies unter dem Einfluß der deutschen Entwicklung. Madame de Staëls (Anne Louise Germaine Baronne de St. Holstein, geb. Necker, 1766— 1817) berühmtem Werk De l’Allemagne, das 1813 erschien, kommt hier eine vermittelnde Rolle zu. Insgesamt umspannt die französische Romantik etwa den Zeitraum von François René Vicomte de Chateaubriand (1768— 1848) bis zu Victor Hugo (1802 —1885) und Alfred de Musset (1810—1857). Sie erstreckt sich also bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein und führte auch zu aggressiven Haltungen, weil es Anlaß genug gab, gegen die Regelstrenge klassischer und akademischer Doktrinen und gegen die Herrschaft des ›Ancien Régime‹ anzukämpfen. So zeigt die französische Romantik, mitbedingt durch die Revolution, den Aufstieg und Sturz Napoleons, die anschließenden Auseinandersetzungen zwischen Restauration und revolutionären Kräften, ebenfalls verschiedene Seiten: auch sie hat christlich-restaurative Züge, jedoch auch liberalisierende und soziale Tendenzen; allenthalben zeigt sich ihre Wirkung, aber ihr Schwerpunkt liegt eindeutig im Literarischen. — In keinem Lande gewann die Romantik jedoch eine so zentrale Bedeutung wie in Deutschland. Hier erfaßte sie alle Bereiche des Geisteslebens mit gleicher Intensität, die Philosophie ebenso wie die Literatur, die Geschichtsschreibung, die Sprachwissenschaft und die schönen Künste, hier besonders die Malerei und die Musik. Vor allem
I. Raum-zeitliche Übersichten
aber spielt die Idee der Sprache in ihr eine entscheidende Rolle. Ihre Blütezeit liegt etwa zwischen 1790 und 1830. Nicht ganz zu Unrecht hat man gesagt, die Sonderstellung der Romantik in Deutschland hänge damit zusammen, daß die romantische Geisteshaltung diesem Volke besonders gemäß sei, während Frankreich im Grunde immer mehr klassizistischen Auffassungen zugeneigt habe. In Deutschland dominiert der romantische Einschlag sogar derart, daß die gleichzeitige deutsche Klassik, repräsentiert durch Goethe und Schiller, besonders im Blick ausländischer Betrachter dahinter zu verschwinden droht. In Frankreich und England gelten z. B. Schiller und Goethe als Romantiker, und wenn man sie etwa mit den französischen Klassikern des 17. Jahrhunderts, Pierre Corneille (1606— 1684) und Jean Racine (1639—1699), vergleicht, wird dieses Urteil verständlich. — In den deutschen Darstellungen ist es nun üblich, eine frühe oder ältere Romantik, auch Berliner oder Jenaer Romantik genannt (etwa von 1796—1806), zu unterscheiden von der jüngeren Hochromantik, die auch als Heidelberger Romantik bezeichnet wird. Diese reicht bis etwa 1815, und auf sie folgt noch die Spätromantik, der die sogenannte schwäbische Schule zugerechnet wird. Schlüsselfiguren der frühen Romantik sind die Brüder Schlegel, August Wilhelm und Friedrich, und der Dichter Novalis. Stellvertretend für die Hochromantik seien hier lediglich die für die Sprachwissenschaft bedeutsamen Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, und die durch ihre Volksliedsammlungen berühmten Dichter Clemens von Brentano (1778—1842 ) und Achim von Arnim (1781—1831), und als Vertreter der Spätromantik schließlich Joseph von Eichendorff (1788—1857) genannt. — Die romantische Bewegung blieb jedoch keineswegs auf die bisher erwähnten Länder England, Frankreich und Deutschland beschränkt. Zu nennen wären für Italien Ugo Foscolo (1778—182 7) und Alessandro Manzoni (1785—1873), für Spanien Ángel de Saavedra Duque de Rivas (1791—1865), für Polen Adam Mickiewicz (1798—1855) und für Rußland Aleksandr Sergeevič Puškin (1799— 1837) und Michail Jur’evič Lermontov (1814—1841). Infolgedessen kann man von einer gesamteuropäischen Bewegung sprechen, die allerdings — wie dieser kurze Überblick deutlich machen sollte — ein äußerst vielschichtiges Phänomen ist. Aus diesem Grunde ist es auch unmöglich, allgemein verbindliche zeitliche Grenzen für die Epoche der
13. Sprachphilosophie in der Romantik
Romantik anzugeben. In dieser Lage scheint es vertretbar, auf einen Datierungsvorschlag zurückzugreifen, den die weitverbreitete amerikanische Colliers Encyclopedia anbietet. Dort heißt es kurz und bündig: “The three generations of men who dominated the intellectual scence in the Western World between 1770 und 1850 are known as Romanticists” (1950—51, XX).
In bezug auf bedeutsame Männer wie Schiller und Goethe oder die französischen Ideologen enthält dieser Satz zweifellos ein unhaltbares Pauschalurteil; ansonsten aber darf man diesem Vorschlag entsprechend die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit dem Schwerpunkt auf den Jahren 1800—1830, als den Zeitraum zu bezeichnen, der in diesem Beitrag zu berücksichtigen ist. Nun aber erhebt sich die Frage, welche sprachphilosophischen Bemühungen und Leistungen in dieser Zeit zu verzeichnen sind. Zunächst wäre zu klären, was als sprachphilosophisch anerkannt werden kann und wie dies gegen sprachwissenschaftliche Ansätze abzugrenzen ist. Auch die Frage nach dem Unterschied zwischen Philosophie und Wissenschaft ist zu stellen. 1.5. Überblickt man die philosophischen Leistungen in der uns interessierenden Zeit in Bezug auf Sprachprobleme, so zeigt sich, daß keiner der führenden Philosophen in dieser Epoche eine Sprachphilosophie entwickelt hat, ja daß bei ihnen die Sprache keine zentrale Rolle gespielt hat. Während im 17. und 18. Jahrhundert John Locke (1632 —1704) (s. Art. 2 2 ) und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 2 3), Rousseau und Etienne Bonnot de Condillac (1714—1780) die Sprache durchaus beachtet haben, kann weder bei Voltaire noch bei David Hume (1711—1776) noch bei den deutschen Philosophen, angefangen bei Kant über Johann Gottlieb Fichte (1762 —1814) und Friedrich Wilhelm Schelling (1775—1854) bis zu Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770—1831), von Sprachphilosophie die Rede sein. Gerade diese Tatsache hat den Protest von Männern wie Johann Georg Hamann (1730—1788) (s. Art. 2 5) und Herder hervorgerufen. In der Epoche der Romantik kommt das erneute starke Interesse an der Sprache von der Seite der romantischen Dichter und Denker, die durch ihre Rückbesinnung auf die schöpferische Leistung in Literatur und Poesie auch auf die Sprache als Voraussetzung und den
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Urgrund aller Wortkunst gelenkt werden. Hinzu kommt noch ein zweites wichtiges Moment: die Zeit der Romantik ist auch die große Entdecker- und Pionierzeit der neu entstehenden Sprachwissenschaft, und zwar gleich auf zwei großen Gebieten. Zum einen entsteht, maßgeblich gefördert durch die Wiederentdeckung der heiligen Sprache Indiens, des Sanskrit, die indogermanisch- bzw. indoeuropäisch-vergleichende Sprachwissenschaft. Ihre große Leistung ist der Nachweis einer genetischen Verwandtschaft der meisten europäischen alten und neuen Sprachen mit dem Altpersischen und dem Sanskrit. Es handelt sich um eine eminent historische Betrachtungsweise, die in der Folge zur Entwicklung der großen Einzelphilologien des Germanischen, Romanischen und Slavischen und zur Entstehung der historischen Grammatiken der zugehörigen Sprachen geführt hat. — Zum anderen leitet eine neue vertiefte Betrachtung der Sprachen in ihrer Bedeutung für die Gesamtkultur und für das Denken der Menschen zur Begründung der allgemeinen Sprachwissenschaft. Gerade dieser Zweig sprachwissenschaftlicher Forschung führt fast zwangsläufig zu sprachphilosophischen Überlegungen. Die Verbindung zur Romantik ist ebenso eng wie begreiflich. Dies gilt besonders für die Brüder Schlegel, die eigentlichen Begründer der ersten romantischen Schule. Sie haben sich als Sprachforscher einen Namen gemacht und der neuen vergleichenden Sprachwissenschaft wichtige Impulse verliehen. August Wilhelm trat darüber hinaus in Zusammenarbeit mit Tieck als Übersetzer Shakespeares und später Pedro Calderóns de la Barca (1600—1681) hervor und hat sich mehrfach zum Übersetzungsproblem geäußert. Hier war also ein enger Umgang mit Sprache gegeben, der auf sprachwissenschaftliche und sprachphilosophische Probleme hinlenkte. Aber auch die Dichtergefährten Novalis und Tieck waren an Sprachfragen sehr interessiert. Die Philosophen, mit denen sie in enger Verbindung standen, Fichte und Schelling, lieferten zwar kaum direkte sprachphilosophische Anstöße, aber manche ihrer erkenntnistheoretischen und ästhetischen Vorstellungen ließen sich mit den Sprachproblemen verbinden. Die schwierige Frage, was Sprachphilosophie ist und wie sie sich von Sprachwissenschaft unterscheidet, kann hier nur verkürzt wie folgt beantwortet werden: Sprachwissenschaft hat es mit der Erforschung natürlicher Sprachen zu tun, Sprachphilosophie mit der Bedeutsamkeit der Spra-
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I. Raum-zeitliche Übersichten
che für den Menschen, sein Denken, Erkennen und Weltverhalten. Damit ist schon gesagt, daß die Grenzen zwischen Wissenschaft und Philosophie fließend sind. Kein Philosoph kann ohne den Rückgriff auf sprachwissenschaftliche Fakten Sprachphilosophie betreiben, und jeder allgemeine Sprachwissenschaftler wird, sobald er die Implikationen des Sprachbesitzes für das menschliche Welterkennen einbezieht, zu sprachphilosophischen Überlegungen gedrängt. — Zu sprachphilosophischen Überlegungen kann auch jede vertiefte Literaturbetrachtung und -kritik führen. Insofern kann es nicht überraschen, daß sich bei fast allen Dichtern und Denkern, die dem romantischen Umfeld zuzuordnen sind, Äußerungen über die Sprache sowie ihre Rolle im dichterischen Schöpfungsprozeß und ihre Bedeutsamkeit für den Menschen und sein geistiges Streben und Tun finden. Doch handelt es sich selten um eine thematische Behandlung der Sprachprobleme, sondern um Gedanken, die zumeist in Werke mit anderer Problematik eingestreut sind. Man kann sie herausfiltern und analysieren und stößt dabei auf manche bedeutsame sprachphilosophische Einsicht, es wäre aber übertrieben, den Autor deshalb als Sprachphilosophen zu bezeichnen. Dies gilt z. B. für Novalis, Jean Paul und Friedrich Hölderlin (1770—1843), auch wenn die beiden letztgenannten meist nicht zu den eigentlichen Romantikern gezählt werden.
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Die Begründung der modernen Sprachphilosophie im Zeitalter der Romantik
2.1. Die Vorläufer: Johann Georg Hamann und Johann Gottfried Herder (s. Art. 25, 26) Wenn man die Entwicklung der Sprachphilosophie im Zeitalter der Romantik in Deutschland beurteilen will, muß man zwei Männer berücksichtigen, die Wegbereiter wichtiger neuer Ideen waren und einen großen Einfluß ausgeübt haben. Der bedeutendste war der aus Ostpreußen stammende evangelische Theologe und spätere Generalsuperintendent in Weimar, Johann Gottfried von Herder. Aber Herder ist kaum ausreichend zu verstehen ohne den Einfluß seines älteren Landsmannes und Freundes, des nebenberuflich philosophischen Schriftstellers Johann Georg Hamann. Dieser originelle protestantische Denker hat in einer dunklen, bilderrei-
chen Sprache Ansichten über Sprache und Mensch ausgesprochen, die an die Fundamente der menschlichen Existenz heranführen. Die Bedeutung von Hamann und Herder für das Sprachdenken der Romantik und für die allgemeine Sprachwissenschaft ist in den letzten Jahren in mehreren Untersuchungen erneut hervorgehoben und präzisiert worden. Hamann ist eine höchst eigenartige Persönlichkeit. Man darf ihn als einen ‘gläubigen Weisen’ bezeichnen, der wortgewaltig und kompromißlos seine christliche Deutung des Menschen aus dem Geist der Bibel vorträgt. Die Sprache Hamanns ist sehr schwierig, überaus metaphernreich und oft rätselhaft. Ohne ausführliche Erklärungen bleiben ganze Passagen unverständlich. Daher ist auf die ausgezeichnete Darstellung von Elfriede Büchsel (*192 2 ) zu verweisen, in der auch die Wirkungsgeschichte der Herderschriften Hamanns und die wichtigste Sekundärliteratur kritisch behandelt sind (Hamann 1956 ff; Hauptschriften IV). Die Hamannschen Originale sind hier abgedruckt und ausführlich erklärt. Aus dem Umstand, daß die Kommentare den Urtext an Umfang oft weit übertreffen, geht hervor, wie zahlreich die Andeutungen Hamanns sind, die ohne Kenntnis seiner Denkweise und Quellen verschlossen bleiben. 2.1.1. Die wichtigste Überzeugung des ›Magus im Norden‹ ist die, daß der Mensch als Geschöpf Gottes nach dessen Ebenbild ein vernunft- und sprachbegabtes Wesen von Anbeginn an ist. Nicht der Mensch hat das Wort gemacht, sondern das Wort den Menschen. Gott hat sich zum Menschen als seinem Geschöpf ›herabgelassen‹, und dieser ›Herablassung‹ Gottes hat der Mensch alles zu verdanken. Georg Baudler hat den existentialen Kern des Hamannschen Sprachdenkens, den Glauben an die gottmenschliche Urkorrespondenz des Daseins, in einer Untersuchung mit dem bezeichnenden Titel Im Worte sehen (1970) herausgearbeitet. Diese Arbeit ist besonders für die Beurteilung des religiösen und theologischen Hintergrundes von Hamanns Schaffen wichtig. — Vernunft und Sprache sind für Hamann eines, es gibt keine Sprache ohne Vernunft und keine Vernunft ohne Sprache. Trotz dieser rückhaltlosen Bejahung des göttlichen Ursprungs der Sprache zeigt Hamann eine überraschend modern anmutende sprachkritische Haltung. Sie entspringt seiner Skepsis gegenüber den leeren Abstraktionen der Allgemeinbegriffe, die den Sprachge-
13. Sprachphilosophie in der Romantik
brauch der rationalistischen Philosophen beherrschten. Hamann kämpft gegen den abstrakten Allgemeinbegriff, der den individuellen Gedanken zu ersticken droht. Deshalb ringt er um eine unverwechselbare eigene Ausdrucksform seines Gedankens. Das aber geht nur auf Kosten der Allgemeinverständlichkeit. Wir stehen hier vor dem gleichen Problem, vor das sich auch manche Romantiker und Dichter unserer Zeit wieder gestellt sahen und das auch in der analytischen Sprachphilosophie eine Rolle spielt (vgl. Gipper 1967). — Hamann gelangt bei seinen eigenwilligen Formulierungen zu großartigen Aussagen, denen Bruno Liebrucks (1911—1986) im ersten Band seines großen Werkes Sprache und Bewußtsein höchstes Lob gespendet hat. Liebrucks beurteilt die Gedanken Hamanns als einen Gipfel der Sprachbetrachtung und würdigt ihn als einen bedeutenden Sprachdenker (Liebrucks 1964, 286—340). Durch die hohe Einschätzung der Sprache gerät Hamann in Gegensatz zu seinem Lehrer Kant, für den die Vernunft primär und entscheidend war und der die fundamentale Bedeutung der Sprache im menschlichen Erkenntnisprozeß nicht erkannt hat. Hier wird nun auch Hamanns Einfluß auf Herder deutlich, der ebenfalls Schüler Kants in Königsberg gewesen war. Auch Herder sieht die zentrale Bedeutung der Sprache, auch er wendet sich gegen Kant und greift dabei auf Gedanken Hamanns zurück. Wilhelm Streitberg (1864—192 5) hat in seinem Aufsatz Kant und die Sprachwissenschaft (1909) darauf hingewiesen, daß es vor allem Lockes drittes Buch von der Sprache im Essay concerning human understanding (1690) war, das die beiden Freunde bei ihrer Auseinandersetzung mit Kant als hilfreich empfanden. Beide, Hamann und Herder, begreifen den Menschen als Sprachwesen, und diese Überzeugung geben sie weiter an Wilhelm von Humboldt (1767— 1835) (s. Art. 2 7), der sie als zentrales Motiv in seine Sprachphilosophie aufnimmt. Der Einfluß Herders auf Humboldt ist jedoch angezweifelt worden. In Humboldts gesammelten Schriften ist Herder aber mehrfach erwähnt, wenn auch nur in Briefen und Tagebuchnotizen. Humboldt hat Herder persönlich gekannt, ihn besucht und mit ihm korrespondiert. In den Paralipomena (Humboldt 1903—1936, Ges. Schriften VII, 2 , 372 ) ist in den Notizen Aus Engels philosophischen Vorträgen sogar Herders Preisschrift erwähnt. Daß Humboldt Herders Schriften gekannt hat, steht also außer Frage. — Den meisten
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Kommentatoren ist es entgangen, daß sich verwandte Gedankengänge fast gleichzeitig auch in Frankreich finden, und zwar bei dem ›Illuminaten‹ Claude de Saint-Martin (1743— 1803), der auch dem Kreis der französischen Ideologen zuzurechnen ist (vgl. 6.3.). Der Romanist Hugo Friedrich hat in einem Aufsatz Die Sprachtheorie der französischen Illuminaten des 18. Jahrhunderts, insbesondere SaintM artins (1935) auf diesen esoterischen, aber philosophisch und theologisch hochgebildeten Theosophen hingewiesen und gezeigt, daß auch nach dessen Überzeugung, Sprachursprung und Ursprung des Geistes, Menschwerdung und Sprachentstehung zusammenfallen. Friedrich vermag jedoch keine direkte Verbindung zu Hamann und Herder nachzuweisen. Saint-Martins Auffassung war es, daß die schöpferischen Kräfte als schaffendes Prinzip das Wesen der Welt ausmachen. Auf diesen energetischen Grundgedanken gründet er die erste Sprachtheorie in Frankreich mit idealistischem Einschlag, die den Weg dort in die Romantik freilegen hilft. Trotz der Gemeinsamkeiten der Auffassungen blieb das Verhältnis der Freunde Hamann und Herder nicht ungetrübt. Anlaß zu einem schweren Zerwürfnis war Herders berühmte Abhandlung über den Ursprung der Sprache, die er 1771 auf eine Preisfrage der Berliner Akademie der Wissenschaften einreichte und für die er ausgezeichnet wurde. Das damalige große Interesse am Sprachursprungsproblem, das das 18. Jahrhundert beherrschte (s. Art. 65), muß mit dem besonderen Anliegen der Aufklärer in Zusammenhang gebracht werden, die Wurzeln der menschlichen Vernunft freizulegen. Hier war die Auseinandersetzung mit dem biblischen Schöpfungsbericht nicht zu umgehen. Da nach kirchlich-orthodoxer Auffassung die Erde kaum 6 000 Jahre alt war, bleibt für die Annahme einer Evolution von niederen zu höheren Lebewesen ohnehin kein Platz. Auch für eine entsprechende Sprachentwicklung war wenig Spielraum. Vielen galt Hebräisch als die Ursprache, wenig später machte das wiederentdeckte Sanskrit ihm den Rang streitig (vgl. Gipper/Schmitter 1985, 63 ff) (s. Art. 66). — Unter solchen Voraussetzungen muß man die Sprachursprungshypothesen, die manche Denker des 17. und 18. Jahrhunderts aufstellten, als kühn bezeichnen. Wenn sie, wie z. B. Condillac, annahmen, daß sich die Sprache aus tierischen Lauten entwickelt haben könnte, wobei Affekt, Instinkt, Imitation, Ausdrucks- und Mitteilungsabsicht eine Rolle gespielt haben moch-
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ten, dann verstießen sie nicht nur gegen den Wortlaut der Bibel, über deren Geltung immer noch die Zensur großer Universitäten wachte, sondern sie zogen auch bereits Vergleiche, die heute wie Vorahnungen des Evolutionsgedankens wirken. Man muß sich diese Lage vor Augen halten, um Herders Abhandlung über den Ursprung der Sprache gerecht beurteilen zu können. 2.1.2. Anlaß zur Verfassung dieser Schrift boten Ereignisse an der Berliner Akademie der Wissenschaften. Deren Präsident Pierre-Louis Moreau de Maupertuis (1697—1759) hatte sich in zwei Abhandlungen für einen Sprachursprung aus Gesten und Geschrei ausgesprochen (Maupertuis 1756) und damit den Widerspruch eines anderen Akademiemitgliedes, des Theologen und Begründers der Bevölkerungsstatistik Johann Peter Süßmilch (1707— 1767), hervorgerufen. Süßmilch antwortet mit einer Schrift Versuch eines Beweises, daß die erste Sprache ihren Ursprung nicht von M enschen, sondern allein vom Schöpfer erhalten habe. Sie war bereits 1756 in der Akademie vorgetragen worden, erschien aber erst 1766 im Druck. Um den Streit zu schlichten, stellte die Berliner Akademie der Wissenschaften 1769 die für den Zeitgeist typische Preisfrage: ‘En supposant les hommes abandonnés à leurs facultés naturelles, sont-ils en état d’inventer le langage? et par quels moyens parviendront-ils d’eux à cette invention?’ — Es geht also um die Frage, ob die Sprache ›natürlichen‹, d. h. menschlichen Ursprungs, oder ›übernatürlichen‹, d. h. göttlichen Ursprungs ist. Herder ergreift diesen Anlaß, gegen Süßmilch zu Felde zu ziehen und eigene Gedanken zu sprachlichen Problemen erneut zusammenzufassen. Er verfaßt seine Schrift in Eile und reicht sie zum letztmöglichen Termin ein. Die Arbeit erhielt den Preis, sie wurde 1772 auf Geheiß der Akademie veröffentlicht. Die Fragestellung der Akademie zeigt bereits, daß man weit davon entfernt ist, den biblischen Schöpfungsbericht noch für verbindlich zu halten. Es wird schlicht vorausgesetzt, daß es Menschen ohne Sprache gegeben hat. Der Spracherwerb wird mit einer Erfindung verglichen, so wie Werkzeuge, Geräte und Maschinen erfunden werden. Zu Erfindungen gehörten bestimmte Fähigkeiten der Intelligenz. Damit spitzt sich die Frage so zu: Reichten die natürlichen intellektuellen Fähigkeiten des noch sprachlosen Menschen zur Erfindung eines so komplizierten Werkzeugs wie der Sprache aus — oder mußte
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Gott, dessen primäre Schöpfungstat nicht in Frage gestellt war, erneut eingreifen und dem Menschen noch nachträglich das Geschenk der Sprachen machen? Herders Antwort ist klar: Der Mensch hat sich selbst Sprache geschaffen, aber es handelt sich um keine Erfindung, sondern um einen langen Prozeß, dessen Möglichkeit bereits vom Schöpfer in ihn hineingelegt war. Insofern ist es ungenau, wenn behauptet wird, Herder habe den menschlichen Ursprung der Sprache beweisen wollen. Aus dem Munde eines Theologen wäre eine solche Behauptung auch befremdlich. Vielmehr möchte Herder Gottes Schöpfertat, von der auch er überzeugt ist, in einem noch größeren Lichte zeigen, indem er die von Gotte geschenkte menschliche Seele als die Kraft hinstellt, die den Menschen befähigt, sich selbst die Sprache zu schaffen. Es ist daher zutreffender, vom ›menschlich-göttlichen Ursprung der Sprache‹ bei Herder zu sprechen, wie es Manfred Krüger (*1933) in seinen Bemerkungen zu Herders Sprachtheorie getan hat (1967). — Für die heutige Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie ist der alte Streit um den göttlichen oder menschlichen Ursprung der Sprache nunmehr von rein historischer Bedeutung. Wir verstehen kaum mehr, wie sich die Gemüter an dieser Frage derart erhitzen konnten. Herders Auffassungen verdienen aber heute noch Beachtung. Sie enthalten Einsichten, die manche aus reiner Unkenntnis gefällte Fehlurteile in den Hintergrund treten lassen. Bereits der erste Satz der Abhandlung schockiert: „Schon als Tier hat der Mensch Sprache“. Herder will sagen, daß der Mensch als Lebewesen bereits ein Sprachwesen ist. Mit dem Tier hat der Mensch manches gemeinsam, so auch die ›Sprache der Empfindungen‹, die affektiven Laute des Wohlbefindens und des Schmerzes. Aber aus diesen Naturtönen, die beim heutigen Menschen nur noch schwach lebendig sind, hat sich nie menschliche Sprache entwickeln können. Denn das ›Naturgesetz empfindsamer Maschinen‹, ihr ›Geschrei der Empfindungen‹, ist etwas ganz anderes als Sprache. — Herder weist Spekulationen Süßmilchs zurück, die jener zum Beweis des göttlichen Ursprungs der Sprache geltend macht, z. B. den Hinweis darauf, daß alle Sprachen mit einer ganz geringen Anzahl von ›Buchstaben‹ — richtiger: von Lauten — auskommen. Herder lehnt auch Condillacs Annahme der Spracherfindung von einsam aufwachsenden Kindern und ähnliche Gedanken Maupertuis’ und Rousseaus ab. Seine eigene Begründung
13. Sprachphilosophie in der Romantik
stützt sich auf philosophische, anthropologische, biologische und psychologische Argumente, die mehr eigenem Scharfsinn entstammen als wissenschaftlich gesicherten Fakten. Der Mensch ist im Gegensatz zum Tier arm an Instinkten und schwach in Bezug auf die Qualität seiner Sinne. Er ist körperlich benachteiligt, ein Mängelwesen. Kompensiert werden die Mängel durch die ›breitere Sphäre‹, die die geschwächten Sinne dennoch eröffnen, durch das breitere Spektrum möglicher Interessenahme, durch das göttliche Geschenk der Freiheit, die den Menschen befähigt, der Welt ganz anders als das Tier zu begegnen. Der Mensch hat eine unteilbare Seele, geistige Kräfte, die ihn befähigen, sich Sprache zu schaffen. Besonders ist es die ›Besonnenheit‹, die Fähigkeit zur Reflexion, die es ihm ermöglicht, Distanz zur Flut der Erscheinungen zu gewinnen, die Gegenstände der Erfahrung nicht nur wahrzunehmen, sondern sie auch zu erkennen und wiederzuerkennen. Besonnenheit versetzt den Menschen in die Lage, den Strom der Empfindungen anzuhalten, aus den komplexen Erfahrungsgegenständen einzelne Merkmale herauszugreifen, sie mit lautlichen Merkzeichen festzuhalten und geistig verfügbar zu machen. Das berühmte Beispiel des Schafes, dessen Blök-Laut zum Merkmal, zur ›tönenden Bezeichnung‹, wird, ist bekannt. Das erste erkannte ›tönende Merkmal‹ wird zum ›Wort der Seele‹. Damit ist die Sprache gegeben. Die Annahme, Herder habe an einen Onomatopoetischen Sprachursprung gedacht, ist trotz mancher in diese Richtung weisenden Äußerungen nicht zwingend. Entscheidend ist die Merkmalheraushebung als solche, ganz gleich, über welchen Sinn sie gewonnen ist. Das Bleibende ist die Einsicht, daß es sich bei der Merkmalfindung, bei der abstraktiven Hervorhebung von Kennzeichen um ein konstitutives Element sprachlicher Begriffsbildung handelt. Herder hat auch das soziale Element im Prozesse der Sprachentstehung beachtet. Das ›zweite Naturgesetz‹, das Herder im zweiten Teil seiner Abhandlung formuliert, lautet: „Der Mensch ist in seiner Bestimmung ein Geschöpf der Herde, der Gesellschaft: die Fortbildung einer Sprache wird ihm also natürlich, wesentlich, notwendig“ (Herder 1960, 67). Herder sieht also den sozialen Charakter der Sprache. Diese Einsicht läßt sich aber auch aus seinen Äußerungen über die Vermittlungsfunktion des Gehörsinnes herauslesen. — Wichtig für die Romantik wurden Herders Äußerungen über die
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Sprachverschiedenheit und die ›Nationalsprachen‹. Trotz der Annahme eines monogenetischen Sprachursprungs hält Herder die Aufspaltung in viele Einzelsprachen für notwendig und natürlich. Sein ›Drittes Naturgesetz‹ lautet: „So wie das ganze menschliche Geschlecht unmöglich eine Herde bleiben konnte, so konnte es auch nicht eine Sprache behalten. Es wird also eine Bildung verschiedner Nationalsprachen.“ (Herder 1960, 74).
Hier ist ein für das romantische Sprachdenken bedeutsamer Punkt erreicht: die Entdeckung der Nationalsprachen, die an bestimmte Sprachgemeinschaften gebunden sind. Die Sprachen werden als Spiegel des ›Volksgeistes‹, als Ausdruck der Mentalität ihrer Sprecher gesehen. Herder betont, daß jeder Mensch ›im eigentlichen metaphysischen Verstande‹ seine eigene Sprache spricht, ein Gedanke, der auch bei Humboldt wieder auftaucht. Jedes Geschlecht wird eine verschiedene Mundart sprechen, viele Gründe lassen sich für die Ausdifferenzierung der Sprachen auf der Erde nennen, aber ein bestimmter Grad der Gemeinsamkeit muß doch die Verständigung innerhalb einer Sprachgemeinschaft garantieren. Haß kann die Sprachverschiedenheit zwischen benachbarten Völkern verschärfen. Hier erwähnt Herder auch den biblischen Bericht von der babylonischen Sprachverwirrung, aber nicht, um diesem ›Poem‹ Wahrheitscharakter zuzusprechen, sondern um zu unterstreichen, „daß die Vielheit der Sprachen keinen Einwand gegen das Natürliche und Menschliche der Fortbildung einer Sprache abgeben könne“ (Herder 1960, 80). — Auf Herders Ausführungen über die Sprachentwicklung einzugehen, lohnt sich nicht. Es fehlen ihm ausreichende Kenntnisse, um hier weiterführende Einsichten gewinnen zu können. Für die Sprachwissenschaft ist vor allem Herders Hinwendung zu den Sprachen der Völker und zu ihrer Geschichte wegweisend geworden. Hier finden Humboldt und Grimm den Boden vorbereitet, auf dem sie ihre eigenen Auffassungen entwickeln konnten. 2.1.3. Die scharfe ablehnende Reaktion des Freundes Hamann auf die Abhandlung über den Ursprung der Sprache hat Herder schwer getroffen. Er bedauert seine zu eilig verfaßte Schrift und distanziert sich von ihr. Er sucht Hamann zu besänftigen: „Daß Gott durch Menschen die Sprache würke — wer zweifelt?“ schreibt er 1772 an seinen erzürnten
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Freund (Salmon 1968/69, 68). Trotzdem läßt er die zweite Auflage seiner Abhandlung 1782 fast unverändert. 1784 erkennt er jedoch in einem Vorwort zu Lord Monboddos (James Burnett, 1714—1799) Werk Of the origin and progress of language (1773—1792 ), das ein Jahr nach der eigenen Arbeit zu erscheinen begann, dem Engländer ›die Palme‹ zu. Monboddo geht zwar auch ausführlich auf die geistigen und körperlichen Voraussetzungen der Sprache ein und hebt besonders das wachsende Vermögen zur Abstraktion als entwicklungsförderndes Element hervor, weicht aber in entscheidenden Punkten erheblich von Herder ab. In Herders Ursprungsschrift ist seine Sprachauffassung am deutlichsten ausgeprägt (vgl. dazu Krüger 1967; Lauchert 1894). Große Bedeutung mißt ihr auch Liebrucks im ersten Band seines großen Werks Sprache und Bewußtsein zu (1964). Aber Herder hat den Sprachfragen auch in anderen Werken Beachtung geschenkt und ist dabei zu sprachphilosophisch bedeutsamen Einsichten gelangt. Erich Heintel (*1911) hat die wichtigsten Stellen aus dem Gesamtwerk ausgewählt und kommentiert (1960). Hier können nur einige besonders wichtige Gesichtspunkte erwähnt werden. In den Fragmenten wird mehrfach die Abhängigkeit des Denkens von der Sprache betont, die „der ganzen menschlichen Erkenntnis Schranken und Umriß gibt“ (Herder 1960, 99). Hier wird auch die Bedeutung der Nationalsprache hervorgehoben. „Jede Nation spricht also, nach dem sie denkt, und denkt, nach dem sie spricht“ (Herder 1960, 100). Wichtig ist Herders Einsicht, daß auch der Philosoph ohne die Voraussetzungen seiner Muttersprache nicht zu seinen Spekulationen gelangen kann. Herder sagt mit Recht, daß wir, bevor wir ›Weltweisen‹ werden, schon Denkart und Sprache haben und daß uns die Muttersprache eine ganze Welt von Kenntnissen vermittelt, bevor philosophisches Denken überhaupt einsetzen kann. Die Menge der Ideen, die in der Sprache bereits vorliegen, ist gleichsam „Ein Berg, gegen welchen die kleine Anzahl philosophischer Abstraktionen ein künstlich aufgeworfener Maulwurfshügel — einige Tropfen abgezogenen Geistes gegen das Weltmeer!“ (Herder 1960, 136). Auch in den Ideen zur Philosophie der Geschichte der M enschheit (1784/85), in denen Herder ein Panorama der Völker und Kulturen unter Berücksichtigung geographischer und klimatischer Bedingungen entwirft, wird die Bedeutung der Sprache für die Bildung des Menschen hervorgehoben.
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Das bezeugen Sätze wie die folgenden: „Ein Volk hat keine Ideen, zu der es kein Wort hat [...] eine reine Vernunft ohne Sprache ist auf Erden ein utopisches Land“ (Herder 1784/85, 173); „Alle kommen wir zur Vernunft nur durch Sprache und zur Sprache durch Tradition, durch Glauben ans Wort der Väter“ (Herder 1784/85, 175).
In Verstand und Erfahrung. Eine M etakritik zur Kritik der reinen Vernunft (1799) faßt Herder schließlich zusammen, was er gegen Kants Auffassungen vorzubringen hat. Ganz im Sinne seines Freundes Hamann rügt er, daß Kant die Sprache in seiner Voraussetzungsproblematik nicht berücksichtigt hat. Man hat diese Metakritik vielfach getadelt und Herder sowohl grobe Mißverständnisse Kants und eine polemische Argumentationsweise vorgeworfen. Das mag in vielen Details zutreffen, aber sein Grundanliegen bleibt gerechtfertigt. Für das romantische Denken ist Herder in vielfacher Hinsicht Vorläufer und Anreger gewesen. Wohl alle Zeitgenossen haben seine Schriften gekannt und aus ihnen gelernt, auch wenn sie das nicht eigens bekundet haben. Herder hat den Blick auf die Literaturen der europäischen Völker einschließlich der slavischen gelenkt, aber darüber hinaus auch auf die Völker des Orients, und er hat schon auf das ferne Indien und die Bedeutung des wiederentdeckten Sanskrit hingewiesen. Er hat Volkslieder und Balladen aus verschiedenen Ländern gesammelt, Ossian und Shakespeare geschätzt und ist sogar als Übersetzer hervorgetreten. Der Organismusgedanke ist ihm wichtig, ebenso die genetische Methode, die das Entstehen und die Entwicklung der historischen und kulturellen Erscheinungen zu erfassen sucht. Auch die Hochschätzung Spinozas findet sich bereits bei ihm. So konnten die Romantiker fast alle Grundgedanken, die ihnen teuer waren, schon bei Herder vorgebildet finden. Andererseits bleibt er auch der Aufklärung verbunden. In Paris hat er u. a. 1769 Denis Diderot (1713— 1784) und Jean le Rond d’ Alembert (1717— 1783) kennengelernt und sich mit französischer Philosophie und Literatur auseinandergesetzt. So ist er ein Vermittler zwischen den großen Epochen, ein Kind der Aufklärung und ein Wegbereiter der Romantik (vgl. auch Gaier 1988). 2.2. Die Brüder Schlegel 2.2.1. Friedrich Schlegel, der geniale Kopf der frühen Romantik, war wie viele seiner Zeitgenossen auf zahlreichen Gebieten tätig. Die
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wichtigsten Bereiche seines Schaffens waren die Philosophie, Sprachtheorie, allgemeine Ästhetik sowie die Universal- und Literaturgeschichte. Ein genaues Bild von seinem umfangreichen Werk bietet die Kritische Ausgabe seiner Werke, die Ernst Behler (*192 8) mit großer Sorgfalt vorbereitet hat (vgl. Behler 1957; 1958) und die er seit 1958 unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner (*192 1) herausgibt. Desweiteren sei verwiesen auf die neueren Monographien (Wirz 1939; Mettler 1955; Dempf 1958; Nüsse 1962 ; Klin 1964; 1971) sowie auf die Darstellungen (Haym 1870; Enders 1913; Finke 1918; Kainz 1938), ferner auf Behlers ausgezeichnete Biographie (1966). Friedrich Schlegel wird durch sein Literaturstudium auf die Bedeutung der Sprache gelenkt und gehört wie sein Bruder August Wilhelm zu jenen Denkern der Zeit, die sich, ohne von Hause aus Sprachwissenschaftler zu sein, eingehend mit dem Sprachstudium beschäftigt und sogar wichtige Anstöße zu der Anfang des 19. Jahrhunderts entstehenden indoeuropäisch-vergleichenden Sprachwissenschaft geliefert haben. Sprachtheoretische und sprachphilosophische Überlegungen durchziehen das Gesamtwerk F. Schlegels, sie müssen daher aus dem umfangreichen Opus herausgefiltert werden. Dieser Aufgabe haben sich vor allem Eva Fiesel in ihrer Sprachphilosophie der deutschen Romantik (192 7) und nach ihr Friedrich Kainz (1897—1977) in seinem Aufsatz Friedrich Schlegels Sprachphilosophie (1939) unterzogen. Da Kainz über Fiesel hinausgeht und deren Ansichten modifiziert, ergänzt und vertieft, ist sein Beitrag nach wie vor unentbehrlich. Hier seien nur einige Auffassungen F. Schlegels erwähnt, die von sprachphilosophischem Interesse sind: Für ihn ist der Mensch ein vollständig zur Sprache gelangtes Naturwesen, Sprache ist ein lebendes Produkt des ganzen inneren Menschen und an der Ausbildung von Vernunft und Phantasie maßgeblich beteiligt. Sprache ist Symbol und Abbild der vernünftig-sinnlichen Natur des Menschen. Allerdings ist zu beachten, daß F. Schlegel den Begriff ‘Sprache’ oft metaphorisch auf andere menschliche Bereiche überträgt. So begegnet bei ihm die Idee der ›zwei Sprachen‹, wobei die erste, die tatsächliche Sprache zum äußeren gemeinsamen Gebrauch dient, während die zweite als ›innere Sprache des Herzens und des wahren Lebens‹ weit darüber hinausreicht. F. Schlegel spricht auch von der ›Sprache der Natur‹ und stellt allgemein die ›Kunst als Sprache‹ der ›Sprache
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als Kunst‹ gegenüber. Sprache, Denken und Bewußtsein gehören für ihn engstens zusammen; wie auch andere Denker betrachtet er Reden als äußerliches Denken und Denken als innerliches Reden, und zwar mit dialogischem Charakter. Daß ohne Sprache ein vollentwickeltes Geistesleben nicht möglich ist, sucht er durch den Hinweis auf die Taubstummen zu belegen, die daher behinderter sind als die Blinden. Kainz weist auch mit Recht auf die sprachästhetischen und sprachsoziologischen Einsichten F. Schlegels hin, die z. T. neuere Auffassungen vorausnehmen. Auch bemüht sich F. Schlegel um die Charakterisierung des ›Nationalstils‹ einzelner Sprachen und gelangt dabei zu einer Aufwertung des Deutschen. Ein wesentlicher Einschnitt und Wandel in F. Schlegels Sprachauffassung erfolgte in den Jahren 1802 —1808. 1802 war er mit seiner Lebensgefährtin Dorothea Veit (1764—1839) auf der Suche nach neuen beruflichen Möglichkeiten nach Paris gekommen und hatte dort neben privater Vorlesungstätigkeit aus romantischem Interesse für ferne Völker und Kulturen das Studium des Persischen und des wiederentdeckten Sanskrit begonnen. Als Frucht dieser Bemühungen legt er dann 1808 in Köln seine berühmte Schrift Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Ein Beitrag zur Begründung der Altertumskunde. Nebst metrischen Übersetzungen vor, die zu einem Meilenstein für die neuentstehende historisch-vergleichende Sprachwissenschaft wurde. Mit dieser Hinwendung zum praktischen Sprachstudium tritt einer folgenschwerer Umbruch seiner Sprachideen ein. Die philosophisch-systematischen Auffassungen treten in Widerstreit mit sprachhistorischen Einsichten und zwingen zum Umdenken. Aus heutiger Sicht ist dazu anzumerken, daß F. Schlegel über Alter und Aufschlußkraft des Sanskrit für die Fragen des Sprachursprungs und der Sprachentwicklung nur sehr unzureichende, ja falsche Vorstellungen hatte. Kurz vor seinem Tode, im Dezember 182 8 und Januar 182 9, hat F. Schlegel in Dresden nochmals philosophische Vorlesungen, insbesondere über Die Philosophie der Sprache und des Wortes gehalten. In der Einleitung hierzu im 10. Band der kritischen Friedrich-Schlegel-Ausgabe weist aber der Herausgeber Behler darauf hin, daß dieser Titel für das direkte Verständnis irreführend war. Dies mußte, wie Josef Körner (1888—1950) bemerkte, „alle die sehr enttäuschen, ja verärgern, die eine eigentliche Sprachphilosophie darin suchten“ (F. Schle-
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gel 1958 ff, Krit. Ausgabe X, XLIX). Zwar werden sprachphilosophische Themen aufgegriffen, so am Ende der 2 . und in der 3. Vorlesung das Problem des Ursprungs der Sprache und in der 6. Vorlesung die Theorie der Silben und der Buchstaben, aber der eigentliche Gegenstand der Darlegungen ist doch ›Philosophie des Lebens‹ im Sinne einer ›Wiederherstellung des Bewußtseins und des lebendigen Denkens‹. 2.2.2. Bei der Frage nach dem Ursprung der Sprache geht es um eine „richtige[n] Idee dieses allumfassenden und wunderbaren Sprachvermögens, als der merkwürdigsten und höchsten Eigenthümlichkeit des Menschen“ (F. Schlegel 1958 ff, Krit. Ausgabe X, 350). Der Zusammenhang von Sprache und Denken ist, wie bereits erwähnt, so eng, daß er Reden als äußerlich gewordenes Denken und Denken als innerliches Reden und immerwährendes Selbstgespräch begreift (350). Jede sprachliche Äußerung gewinnt Dialog- und Gesprächscharakter, und das Gebet erscheint ihm als ein Gespräch der Seele mit Gott. F. Schlegel weist zunächst zwei verbreitete Auffassungen vom Ursprung der Sprache zurück: die einseitige Herleitung der Sprache aus tierischem Naturschrei und mechanischer Schallnachahmung und die unreflektierte Hinnahme eines göttlichen Sprachursprungs, wie ihn die Bibel berichtet, was zu dem mißglückten Versuch einer Rückführung aller Sprachen auf die Ursprache Hebräisch geführt hat. Zwar sei die Suche nach einer oder mehreren Ursprachen nicht völlig grundlos, aber dieser Begriff bleibe selbst höchst problematisch. F. Schlegel gibt zu bedenken, daß alle überlieferten Sprachen bereits äußerst kunstreiche Formen zeigten, die nicht ursprünglich sein können. So wie sich bei der Erforschung der Erdkruste zahlreiche Schichten und Mischungen, aber auch ältere Urgebirge zeigten, so finde man auch bei den Sprachen zahlreiche ›gemischte Aggregatssprachen‹ wie z. B. Englisch und Persisch, die dennoch höchst leistungsfähig seien, und selbst ›Muttersprachen‹ wie das Römische (Latein) und Indische (Sanskrit) enthielten fremde Elemente. Sprachursprung im Sinne neuer Sprachentstehung gebe es ständig, zum Verständnis der tatsächlichen Entstehung wirklicher Ursprachen seien aber andere Denkvorstellungen erforderlich. Hier sei an eine Hervorbringung im Ganzen zu denken, wobei die ›produktive Einbildungskraft‹ noch in genialischer Weise schöpferisch gewirkt
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haben müsse (F. Schlegel 1958 ff, Krit. Ausgabe X, 368). Aufgrund der Verschiedenheit der großen Sprachfamilien plädiert F. Schlegel für die Annahme mehrerer Ursprachen. Am besterforschten Beispiel der indischen Sprachfamilie (der indogermanischen Sprachen) sucht er den möglichen Gang der Entwicklung zu zeigen, wobei er dieser Sprachfamilie den Vorrang vor den anderen zuerkennt. Selbst dem Ägyptischen weist er eine niedere Entwicklungsstufe zu, dem Hebräischen räumt er jedoch eine gewisse Sonderstellung ein. Er bezeichnet es aufgrund bestimmter Struktureigenheiten (z. B. der in den Wurzeln angelegten ›mystischen‹ Beziehungen) als eine prophetische Sprache. — Das ganze System der Sprachen aber ist Abdruck und treuer Spiegel des Bewußtseins und inneren Denkvermögens des menschlichen Geistes, und alle Sprachen zusammen stellen in ihrer geschichtlichen Entwicklung „gleichsam das gemeinsame Gedächtnis und große Erinnerungsorgan des ganzen Menschengeschlechts“ dar (F. Schlegel 1958 ff, Krit. Ausgabe X, 372 ). Das sind Sätze, die Verwandtschaft zu Auffassungen Herders und Humboldts zeigen. Schlegels Überlegungen führen schließlich zur Frage nach der psychologischen Entwicklung des Systems der Grundkräfte des Bewußtseins. Die Erscheinung der Sprache bleibt dabei als etwas Neues und von Anbeginn an Ganzes, auch als ›SprachenGabe‹ bezeichnet, ebenso wunderbar wie unbezweifelbar. Das menschliche Bewußtsein selbst sieht Schlegel von vier Grundkräften her bestimmt: Verstand, Willen, Vernunft und Phantasie. Dazu setzt er als Nebenvermögen das Gewissen (sittlicher Instinkt für Recht und Wahrheit) an und das Gedächtnis als mittleres Vermögen zwischen Verstand und Vernunft. Es ist eine Vorratskammer des Verstandes. Seinem Ursprung gelten F. Schlegels letzte Überlegungen. Er zieht hierzu mehrere Philosopheme heran, so Leibnizens angeborene Ideen, die Annahme vorgezeichneter Denkformen (Kants Kategorien), Platons (42 7—347 v. Chr.) (s. Art. 14) Erinnerung an eine frühere Existenz und die indische Seelenwanderungslehre. Alle diese Hypothesen scheinen ihm aber kaum annehmbar zu sein. Präexistenz oder Seelenwanderung verträgt sich kaum mit der christlichen Gottesauffassung. Die eingeborenen Ideen sind schwer vorstellbar, und auch die ›vorgezeichneten Denkformen‹ (apriori-Kategorien Kants) erscheinen ihm bedenklich, und so warnt er vor aller schematischen Vorstellung etwa der
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„Vernunft als einer allumfassenden Denkschachtel mit sehr vielen kleinen und großen Abtheilungen und Unterabtheilungen“ (F. Schlegel 1959 ff, Krit. Ausgabe X, 377). Von solchen umständlichen Prozeduren erhofft er sich wenig. Statt dessen spricht er sich dafür aus, „das lebendige Denken so viel als möglich in seinem Leben aufzufassen oder wie nach dem Leben zu schildern“ (377). Ansonsten aber bleibt für F. Schlegel die Frage nach Herkunft der Seele und der damit verbundenen Mitgabe an den Menschen durchaus sinnvoll, zumal die Seele als Schöpfung Gottes auch einen Anteil des Geschöpfs an diesem Urquell einschließe. So wird er zum Schluß auf die religiöse Frage nach Zeit und Ewigkeit gelenkt, die er anschließend behandeln will. — Diese kurze Zusammenfassung der letzten Gedanken F. Schlegels zur philosophischen Einschätzung der Sprache für den Menschen zeigen, daß er wichtige Fragestellungen deutlich erkannt hat und zugleich die Schwierigkeit sieht, sprachwissenschaftliche Einsichten mit bestimmten philosophischen Postulaten zu verbinden. Alte Überlegungen münden schließlich in einer religiösen Sicht, in der die Gottähnlichkeit des Menschen durch die Sprache erhöht wird. Demgegenüber ist die Leistung des älteren Bruders August Wilhelm von den meisten Beobachtern geringer eingeschätzt worden. Seine große Bedeutung für die romantische Bewegung ist aber gar nicht zu übersehen. Haym hat sie in seinem unentbehrlichen Werk Die romantische Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Geistes (1870) ausführlich geschildert. Sprachphilosophische Gedanken finden sich u. a. in seinen Berliner Vorlesungen zur Theorie und Geschichte des europäischen Dramas von den Griechen bis zur Gegenwart und in seinen Briefe(n) über die Poesie, Silbenmaß und Sprache (1795). Kurt Müller-Vollmer (*192 8) hat es unternommen, die sprachphilosophischen Einsichten A. W. Schlegels zu würdigen. Hier ist noch seine herausragende Leistung als Übersetzer hervorzuheben. August Wilhelm ist nicht nur — mit Tieck und seiner Frau Karoline (1763—1809) — als Übersetzer Shakespeares hervorgetreten, sondern er hat auch griechische, italienische, spanische und portugiesische Autoren übersetzt (u. a. Dante, Petrarca, Cervantes, Calderón, Camões). Als eine besondere Leistung muß die Übersetzung der indischen Bhagavadgītā aus dem Sanskrit ins Lateinische genannt werden. Die sprachtheoretischen und praktischen Überlegungen, die
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A. W. Schlegel zum Übersetzungsproblem angestellt hat, verdienen noch heute Beachtung (vgl. Gipper 1987). Eine Sprachphilosophie im eigentlichen Sinne aber hat auch er nicht entwickelt. 2.3. Wilhelm von Humboldt (s. Art. 27) 2.3.1. Humboldt hat sich in der Geschichte Preußens als Diplomat und Staatsmann, als Chef des preußischen Unterrichtswesens und Begründer der Berliner Universität einen Namen gemacht. Neben seinen vielen Ämtern hat er sich von Jugend an für das Sprachenstudium interessiert. Er hat zahlreiche Länder Europas bereist, kannte viele tote und lebende indoeuropäische und nichtindoeuropäische Sprachen, lernte noch im Alter Sanskrit und gehörte zu den besten Sprachenkennern seiner Zeit. Er hat sowohl spezielle, empirische Sprachstudien vorgelegt, als auch wichtige sprachphilosophische Schriften verfaßt. In seinem Werk sind die Grenzen zwischen Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie fließend. Die letzten Jahre seines Lebens waren ganz sprachwissenschaftlichen und sprachphilosophischen Studien gewidmet. Die hervorragendste Arbeit ist die Einleitung zum sogenannten Kawi-Werk, einer geplanten Darstellung der Sprache Javas, die als Mittelglied zwischen den westlichen und östlichen Sprachtypen in Humboldts Sicht besondere Wichtigkeit erlangt hatte. Wenn man Humboldt als Begründer der allgemeinen Sprachwissenschaft bezeichnen kann, so ist das besonders dieser programmatischen Einleitung zuzuschreiben, in der die verschiedensten Seiten des Sprachproblems beleuchtet werden. Schon der Titel ist kennzeichnend für die Einstellung des Autors: Ueber die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des M enschengeschlechts (1830—1835). Das Werk wurde erst nach Humboldts Tode von seinem Bruder Alexander (1769—1859) veröffentlicht. — Die Wirkung von Humboldts Ideen war zunächst nicht groß. Zu sehr zog in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die entstehende historisch-vergleichende Sprachwissenschaft die Aufmerksamkeit der Fachwelt auf sich. Diese u. a. von F. Schlegel eingeleitete Entwicklung, die zur Ausbildung der Indogermanistik führte, ging zwar in eine andere Richtung, hat aber Humboldt viel zu verdanken. Er nahm an ihr lebhaften Anteil und seinem Einfluß ist die Berufung Franz Bopps (1791—1867) als Professor für Orientalistik und allgemeine Sprachenkunde an die
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neugegründete Universität Berlin und diejenige A. W. Schlegels als erster Sanskritist an die Universität Bonn zu verdanken. — Humboldt war ein philosophisch und literarisch gebildeter Mann. Die intensive Beschäftigung mit der idealistischen und kritischen Philosophie, vor allem mit Kant, sowie die persönliche Begegnung, ja Freundschaft, mit Schiller und Goethe haben zu einer Weite des Blickes geführt, die einmalig ist. In seinen sprachwissenschaftlichen und philosophischen Überlegungen geht es um grundlegende Fragen der menschlichen Existenz und der Bedeutsamkeit der Sprache für die Menschheit und ihre geistige Entwicklung, um Themen also, die ebenso schwierig wie vielschichtig sind. Humboldts Interesse an den Sprachen ist anthropologischer, philosophischer, aber auch literarischer und ästhetischer Art, also humanistisch im weitesten Sinne. Es geht ihm um die geistige Entwicklung der Menschheit, die sich unter entscheidender Mitwirkung der Sprachen innerhalb der Völker und Kulturen vollzieht. Die Gesamtentwicklung zielt, so glaubt er, auf eine wachsende Vollendung des Geistes und des Denkens hin. Die Sprachen stehen mit dem Denken in enger Wechselwirkung. Das Denken vollzieht sich zwar nach allgemeinen Gesetzen, und hier ist deutlich der Einfluß Kants spürbar, aber doch in verschiedener, nämlich sprachbedingter Weise. Humboldts Einsicht, daß sich das Denken der Menschen praktisch in den Bahnen vorgegebener Sprachstrukturen bewegt, liefert ihm den Schlüssel zu wegweisenden Erkenntnissen. Allerdings interessiert ihn die Frage nach dem Sprachursprung weniger. Für ihn ist die Sprache so eng mit der menschlichen Existenz verbunden, daß er sagen kann: „Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache; um aber die Sprache zu erfinden, mußte er schon Mensch seyn“ (Humboldt 1903—36, Ges. Schriften IV, 15). Hier klingt Herder an, der wie Hamann den Menschen nicht ohne Sprache denken kann. Die Sprache muß, so meint Humboldt, mit einem Male da sein, keine Sprache ist je im ersten Werden ihrer Formen überrascht worden, wir finden sie alle bereits als fertige Organismen vor und in der Vielfalt historisch gewachsener Erscheinungen. Die große Verschiedenheit der Formen und Strukturen muß die Aufmerksamkeit des Sprachforschers auf sich ziehen. 2.3.2. Humboldts Begriff der Form gewinnt dabei eine zentrale Bedeutung. Form ist bei Humboldt nicht statisch gegebene Gestalt,
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sondern formendes Prinzip, man könnte auch sagen: forma formans, nicht forma formata. Die äußeren Formen der Sprache sind sehr verschieden. Aber es lassen sich Ähnlichkeiten in den Bauprinzipien aufweisen. Eine Klassifikation ist denkbar. Allerdings kann die gängige Auffassung, wonach Humboldt als einer der Begründer der Sprachtypologie hingestellt wird, in dieser Form nicht aufrechterhalten werden. Es darf aber gesagt werden, daß Humboldt Anregungen gegeben hat, die für die folgende Sprachtypologie von großer Bedeutung gewesen sind. Humboldt ist wie die meisten seiner Zeitgenossen vom hohen Rang einer formenreichen Grammatik, wie sie das Altgriechische zeigt, überzeugt, aber er vermag auch die Vorzüge des formenarmen, isolierenden Chinesisch zu sehen. Kennzeichnend für seinen Weitblick ist die Einsicht, daß der unleugbare Formenschwund, der sich in der Entwicklung der indogermanischen Sprachen beobachten läßt, keinen Verfall bedeutet, wie es aus der Sicht mancher Romantiker erscheinen mochte, sondern daß es sich um eine geistige Höherentwicklung handelt. Denn was an Formenreichtum aufgegeben wurde, bedeutet keinen Verlust, sondern ökonomische Einsparung, die Platz schafft für höhere begriffliche Leistungen. Ähnlich positiv äußert sich übrigens später auch J. Grimm, der trotz seiner Bewunderung für die frühere Formvollkommenheit und den alten Wohllaut der Sprachen den ›Trieb zum Gedanken‹ als leistungssteigernde Kraft wirksam sieht (Grimm 1958, 38 f). — Wichtiger aber als die äußere lautliche Verschiedenheit der Sprachen ist ihre innere, semantische Verschiedenheit. Zwei zentrale Begriffe Humboldts tragen dem Rechnung: der Begriff der ›sprachlichen Weltansicht‹ und der Begriff der ›inneren Sprachform‹. Humboldt ist der Überzeugung, daß die Verschiedenheit der Sprachen nicht nur eine Verschiedenheit der ›Schälle‹ ist, sondern eine Verschiedenheit der Weltansichten selbst. Dieser Begriff der sprachlichen Weltansicht hat zahlreiche Mißverständnisse ausgelöst. Leo Weisgerber (1899—1985), der konsequenteste Fortführer Humboldts, hat hierfür den Begriff des ›sprachlichen Weltbildes‹ eingeführt, aber auch dieser Begriff, der oft mit dem belasteten Begriff der (ideologischen) Weltanschauung verwechselt wurde, hat Angriffe und Fehldeutungen nicht zu verhindern vermocht (s. Art. 58). Will man den rationalen Kern dieses Gedankens herausarbeiten, so muß man betonen, daß die sprachliche Weltansicht bzw. das
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sprachliche Weltbild sich auf die Art des Gegebenseins der Welt in den Kategorien einer Sprache, in ihrem grammatischen, d. h. morphologischen und syntaktischen, sowie in ihrem semantischen Aufbau bezieht. Es geht also darum, in welcher Weise in einer bestimmten Sprache die Welt in den Gedanken überführt worden ist. Hier liegt keine Spekulation vor, sondern es werden Fakten und Tatsachen angesprochen. Ein Blick auf die inhaltliche Gliederung und den Aufbau des Wortschatzes einer Sprache überzeugt davon, daß das erfahrbare und denkbare Seiende in einer bestimmten Weise ›auf den Begriff‹ gebracht worden ist. Dies ist in einem jahrhundertelangen wechselvollen Prozeß geschehen und setzt sich fort, solange eine Sprachgemeinschaft mit dieser Sprache lebt und handelt. Jeder, der in die Gemeinschaft hineinwächst, übernimmt die sprachlichen Sehweisen, er beginnt die Welt, bildlich gesprochen, durch die Brille seiner Muttersprache zu sehen. — Zweifellos wird auch sein Denken und Handeln durch die vorgegebenen semantischen Strukturen und Aussagemöglichkeiten gelenkt, aber er wird deshalb kein Sklave seiner Sprache, sondern kann über sie hinausdenken und gegen sie andenken. Die sprachliche Weltansicht hat insofern apriorischen Charakter, als sie dem individuellen Denken und Erfahren notwendig vorausliegt. Alle weiteren Weltentwürfe, wissenschaftliche Weltbilder und ideologische (religiöse und politische) Weltanschauungen werden erst später sekundär erworben. Sie mögen auch unter sprachlicher Wirkung stehen, sind aber nicht mit der vorgegebenen sprachlichen Weltansicht zu verwechseln. Daß der Mensch kein Sklave seiner Sprache ist, geht schon aus der Tatsache hervor, daß er die Eigenart der sprachlichen Weltansicht im Vergleich mit der erfahrbaren Welt und vor allem mit anderen Sprachen zu erkennen vermag und daß er auf sie einwirken, sie also verändern kann. Allerdings ist vor einer folgenschweren Verwechslung des wertneutralen Begriffs Humboldts mit den konkurrierenden Ausdrücken ‘(wissenschaftliches) Weltbild’ und ‘(ideologische) Weltanschauung’ zu warnen. Da diese Unterscheidungen bei den Übersetzungen aus dem Deutschen meist verwischt werden, entsteht hier eine ständige Quelle der Mißverständnisse. Darauf hat Helmut Gipper (*1919) in seinem Buch Gibt es ein sprachliches Relativitätsprinzip? Untersuchungen zur SapirWhorf-Hypothese (1972 ) mit Nachdruck hingewiesen. — Die Weltverschiedenheit der Sprachen muß sich auch strukturell erfassen
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lassen. Man hat in diesem Bereich oft sehr vordergründig argumentiert: die Vielfalt konkreter Bezeichnungen für manche Gegenstandsbereiche in einzelnen Sprachen, das Fehlen mancher Begriffe, die Aufspaltung einzelner Begriffe in zwei oder drei Synonyme oder Antonyme usw. wurden immer wieder als Beweise für die inhaltliche Verschiedenheit der Sprachen angeführt. Dabei handelt es sich hier um Randphänomene, die für die strukturelle Beurteilung belanglos sind. — Es wurde schon erwähnt, welche Forscher auf Humboldt eingewirkt haben. Auf die schwierige Frage weiterer Einflüsse und deren Wirkungen auf Humboldts Sprachphilosophie kann hier nicht eingegangen werden (vgl. dazu Gipper/Schmitter 1985, 97 ff). Da Humboldt häufig seine Quellen selbst nicht mehr nennt, sind sie nur durch sorgfältige Recherchen nachzuweisen. Das ist bei seiner Vertrautheit mit den Schriften von Leibniz, Fichte, Schelling, Goethe, Schiller usw. keine leichte Aufgabe. Bei dem Aufweis von Vorbildern und Parallelen ist es aber entscheidend, was Humboldt aus ihnen gemacht hat. Da nun zeigt sich seine unvergleichliche Begabung, selbst alte Probleme neu zu sehen und in seine eigene Sprachphilosophie einzubauen. 2.4. Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher 2.4.1. Ähnliche Gedanken wie bei Humboldt finden sich bei Schleiermacher (1768—1834), der zu seiner Zeit nicht nur als einer der bedeutendsten protestantischen Theologen galt, sondern auch als Philosoph und Philologe und Platon-Übersetzer hervorgetreten ist. Er war zugleich ein intimer Jugendfreund F. Schlegels. Wie ein Blick in die Gesamtdarstellungen der Sprachphilosophie und der Geschichte der Linguistik zeigt, ist Schleiermachers Beitrag zur sprachphilosophischen Diskussion des 19. Jahrhunderts jedoch bis heute kaum gewürdigt worden. Unvergessen ist Schleiermachers Wirken freilich innerhalb der philosophischen Tradition, insbesondere innerhalb der Hermeneutik, wie sie in Deutschland von Hans-Georg Gadamer (*1900) und Karl-Otto Apel (*192 2 ) oder in Frankreich von Paul Ricœur (*1913) vertreten wird. Hier ist erkannt, daß Schleiermacher und Wilhelm Dilthey (1833—1911) aus der philologischen Exegese eine allgemeine Hermeneutik entwikkelt und das hermeneutische Problem zu einem philosophischen gemacht haben: „C’est avec Schleiermacher et Dilthey, que le pro-
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blème herméneutique devint problème philosophique“ (Ricœur 1969, 6). Schleiermacher markiert, wie Apel (1973 a I, 281) sagt, einen „Wendepunkt in der Geschichte der Hermeneutik“ und hat „mit seinem Grundsatz, daß, strenggenommen, nicht das Verstehen, sondern das Mißverstehen das Selbstverständliche sei, [...] gewissermaßen den kartesischen Zweifel in die [...] Kunstlehre der Hermeneutik hineingetragen und das ›Verstehen‹, unabhängig von allen dogmatischen und pragmatischen Bindungen der Bibelinterpretation, zum Thema philosophischer Erkenntnistheorie erhoben“.
Daß seine Theorien nur in geringem Maße rezipiert wurden, mag einmal daran liegen, daß der sich in der Wissenschaft durchsetzende Positivismus dem dialektischen Denkens Schleiermachers — ebenso wie dem Humboldts — feindlich gegenüberstand und seine Texte schwer zu verstehen waren. Zum anderen sind seine sprachphilosophischen Äußerungen in seinem Opus weit verstreut, und es kommt noch hinzu, daß es sich bei seinem sprachphilosophischen Hauptwerk Hermeneutik und Kritik um einen Text aus nachgelassenen Notizen und Vorlesungsmitschriften aus der Zeit von etwa 1805 bis 1833 handelt, der — wie Manfred Frank (*1945) (Schleiermacher 1977, 57 ff) jetzt wieder aufgezeigt hat — seine Gedankengänge nur recht unvollkommen wiedergibt. Wichtig ist hier die von Heinz Kimmerle (*1930) nach den Handschriften neu herausgegebene und eingeleitete Hermeneutik (Kimmerle 1959). In seiner neuen Edition von Hermeneutik und Kritik (1977) hat Frank jedoch auch die wichtigsten sonstigen sprachphilosophischen Texte Schleiermachers zusammengestellt, so daß dessen Sprachtheorie jetzt leicht zugänglich geworden ist. In einer ausführlichen Einleitung gibt Frank außerdem eine zusammenfassende Darstellung dieser Theorie, wobei auch auf Zusammenhänge mit neueren linguistischen und literaturwissenschaftlichen Ansätzen verwiesen wird (Schleiermacher 1977, 7—67). — Darüber hinaus finden sich weitere aufschlußreiche Darlegungen zur Sprachtheorie in Schleiermachers Abhandlung Ueber die verschiedenen M ethoden des Uebersetzens, die im Jahre 1813 in der Berliner Akademie der Wissenschaften verlesen wurde und in dem von Hans Joachim Störig (*1915) herausgegebenen Sammelband Das Problem des Übersetzens (1963) greifbar ist. — Die Verwandtschaft mit Humboldtschen Gedanken zeigt sich an vielen Stellen, von denen hier nur auf die Themenkreise ‘Ver-
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schiedenheit der Sprachen’, ‘sprachliche Weltansicht’, ‘das Verhältnis von Denken und Sprechen’ und die ‘Auffassung der Sprache als Ergon und Energeia’ verwiesen sei. So wie für Humboldt die Verschiedenheit der Sprachen nicht in erster Linie eine Verschiedenheit der ›Schälle‹ ist, ist auch für Schleiermacher die ›Differenz des Klanges‹ weniger bedeutsam als ›die innere des Gehaltes‹ (Schleiermacher 1977, 461). Und wenn er sagt: „Es ließe sich denken, daß nur der Klang verschieden sei, der Gehalt derselbe. Aber kein Wort, das eine logische Einheit in sich trägt, korrespondiert mit einem Wort in einer anderen Sprache“ (1977, 461),
wird nicht nur die Dominanz der semantischen gegenüber der lautlichen Verschiedenheit hervorgehoben, sondern zugleich auch postuliert, daß es in verschiedenen Sprachen keine inhaltlich völlig identischen Wörter geben kann. Dieser Gedanke findet sich bei Humboldt (1903—36, Ges. Schriften III, 170) etwa in dem Hinweis, daß „die Wörter verschiedener Sprachen nicht vollkommene Synonyma sind, und dass wer ἵππος, equus und Pferd ausspricht, nicht durchaus und vollkommen dasselbe sagt“, und gehört in der Humboldtschen Sprachtheorie zu den Grundpfeilern der These von der ›Weltansicht‹ der Sprachen (vgl. Schmitter, 1977, 171 ff). Wie nahe Schleiermachers Konzeption diesem Theorem kommt, wird noch deutlicher in einer Passage, in der Schleiermacher von der Verschiedenheit der Sprachen auf eine Verschiedenheit des Denkens schließt und dann fortfährt: „In der Sprache zeigt sich schon die Relativität des Wissens; die Grenzen sind verschieden nach der Verschiedenheit oder Verwandtschaft der einzelnen Sprachen. [...] Wird also die Sprache schon hervorgelockt durch den Prozeß des Schematisierens, so muß in diesem selbst schon eine Differenz und die Relativität des Wissens liegen, welche sich in der Differenz der Sprachen ausdrückt“ (1977, 461).
2.4.2. Eng verknüpft mit dieser Problematik ist die Frage nach dem Verhältnis von Denken und Sprache (s. Art 71), auf die Schleiermacher folgende Antwort gibt: „Der Einzelne ist in seinem Denken durch die (gemeinsame) Sprache bedingt und kann nur die Gedanken denken, welche in seiner Sprache schon ihre Bezeichnung haben. Ein anderer neuer Gedanke könnte nicht mitgeteilt werden, wenn nicht auf schon in der Sprache bestehende Beziehungen [Bezeichnungen?] bezogen“ (1977, 78; vgl. 1963, 43).
Diese Bestimmung des Gedankens durch die Sprache wird auch an einer anderen Stelle
13. Sprachphilosophie in der Romantik
hervorgehoben, wo Schleiermacher davon spricht, daß man die Sprache insofern betrachten kann, „als sie das Denken aller Einzelnen bedingt, den einzelnen Menschen aber nur als den Ort für die Sprache und seine Rede nur als das, worin sich diese offenbart“ (1977, 79).
Dieser Satz läßt zwar vermuten, Schleiermacher sei der Ansicht, daß der Mensch in seinem Denken durch die vorgegebene Sprache determiniert ist, doch wie die zuvor zitierte Stelle zeigt, glaubt er, daß der Mensch — wenn auch basierend auf der vorgegebenen Sprache — durchaus neue Gedanken denken kann, und nimmt man einen späteren Passus (Schleiermacher 1977, 460) noch hinzu, sogar dazu fähig ist, ›Irrtum und Wahrheit‹ in der Sprache zu erkennen. Demzufolge ist es für ihn auch durchaus möglich, unangemessene Termini zu durchschauen und ›falsche‹ sprachlich verfestigte Begriffe zu revidieren. — Den Ergon- und Energeia-Aspekt der Sprache, auf den Humboldt hinweist, könnte man schließlich bei Schleiermacher darin finden, daß er einerseits die Sprache als vorgegebenes Objektivgebilde ansieht und ›alle Akte des Redens‹ als eine Art, „wie die Sprache in ihrer eigentümlichen Natur zum Vorschein kommt“. In dieser Hinsicht ist der „Einzelne nur ein Ort [...], in dem die Sprache erscheint“ (1977, 78).
Andererseits betont Schleiermacher aber auch, daß die Sprache aus „den jedesmaligen Akten des Sprechens“ entsteht (1977, 80) und der Sprecher in einem ›schöpferischen Akt‹ auf die Sprache einwirkt (1977, 32 5 ff) und so im Akt der Rede neuen Sinn erzeugt. In der Abhandlung Ueber die verschiedenen M ethoden des Uebersezens wird dieser Gedanke noch weiter ausgeführt. Dort heißt es: „In diesem Sinne also ist es die lebendige Kraft des einzelnen, welche in dem bildsamen Stoff der Sprache neue Formen hervorbringt, ursprünglich nur für den augenblikklichen Zwekk ein vorübergehendes Bewußtsein mitzutheilen, von denen aber bald mehr bald minder in der Sprache zurükkbleibt und von ändern aufgenommen weiter bildend um sich greift“ (Schleiermacher 1963, 43 f).
Neben diesen und weiteren Parallelen — wie etwa der Auffassung der Sprache als System und der Determination der einzelnen Sprachelemente durch das Ganze — darf freilich nicht übersehen werden, daß Humboldt und Schleiermacher von unterschiedlichen Interessenslagen aus an die Sprache herangehen. Während bei Humboldt die Spracherzeugung durch den Sprecher im Vordergrund der Ana-
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lyse steht, gilt Schleiermachers Aufmerksamkeit vor allem dem (allerdings auch bei Humboldt anklingenden) Verstehensproblem, weshalb er in seiner Sprachbetrachtung mehr vom Rezipienten oder Hörer ausgeht. Auf die Frage, ob eine direkte Beziehung zwischen der Humboldtschen und der Schleiermacherschen Sprachtheorie besteht, kann man aufgrund der vorliegenden Literatur noch keine endgültige Antwort geben. Es ist zwar bekannt (vgl. Mattson 1972 , 101 Anm. 2 ), daß Humboldt und Schleiermacher sich wahrscheinlich schon 1801 kennengelernt haben, daß Schleiermacher ab 1815 alle kirchlichen Funktionen in der Familie Humboldts übernahm und von Humboldt an die im Jahre 1809 gestiftete Universität Berlin auf den Lehrstuhl für evangelische Theologie berufen wurde, doch scheint der Umgang zwischen den beiden Männern, wie Mattson (1972 , 101) aufgrund der genannten Fakten und der erhaltenen Humboldtbriefe schließt, „mehr menschlichen als philosophischen Gehalt gehabt zu haben“. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch schon Haym (1856, 596). So ist also von einer langjährigen Bekanntschaft zwischen Humboldt und Schleiermacher auszugehen, doch bedarf es noch genauerer Untersuchungen, um zu klären, inwieweit diese Beziehung in dem philosophischen und sprachtheoretischen Denken beider Männer konkret nachzuweisen ist. 2.5. August Ferdinand Bernhardi In enger Verbindung mit den Frühromantikern stand der Sprachforscher Bernhardi (1769—182 0), ein Schwager Tiecks. Über seine Lebensumstände und sein Werk berichtet Haym in seinem Standardwerk Die romantische Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Geistes (Haym 1972 , 2 7 ff). Bernhardi war Schüler des bekannten Philologen Friedrich August Wolf (1759—182 4) und Fichtes. Er trat hervor mit seiner Sprachlehre (1801—03), die er Wolf widmete. Das Werk enthält zwei Teile, die Reine Sprachlehre und die Angewandte Sprachlehre. Es ist lang und schwer lesbar und wohl nicht zuletzt deshalb in der Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie fast in Vergessenheit geraten. Bei seinem Erscheinen aber hat es große Beachtung gefunden. Von A. W. Schlegel wurde es gewürdigt, Sprachforscher wie Bopp und Humboldt sind von ihm beeinflußt, wie weit, muß allerdings offen bleiben. Die Sprachlehre steht unter dem Einfluß der Grammaire générale, der Sprachtheorien der Aufklärung,
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der Philosophie Kants und besonders der Wissenschaftslehre Fichtes, so daß Haym sie sogar als Seitenstück hierzu bezeichnen konnte. Bernhardi will zeigen, wie die Sprache notwendig aus den Kräften des menschlichen Geistes hervorgehen mußte, und er sucht dies in einem streng deduktiven Verfahren am Leitseil logischer Gesetze und Kantischer Kategorien in Fichtescher Manier zu deduzieren. Er geht vom Menschen als Sinneswesen aus und versucht zu zeigen, wie er von dieser Basis aus seine Welt begreifen und organisieren muß. Sicher hat er Locke und Herder studiert. Radikal verkürzt ist sein Weg folgender: Aus Sinnesempfindungen entstehen Anschauungen, diese werden zu Vorstellungen, die von der Einbildungskraft bearbeitet werden. Sie reproduziert die eingebildete Anschauung als Sache in uns und macht ideale Anschauungen und Bilder produzierbar. Diese werden durch das Vermögen des Verstandes in eine Regel gebracht und eingeschränkt. Hinzu kommt die Vernunft, die das Ganze der aufgenommenen Erfahrungsdaten organisiert und ordnet und durch eigenständiges Wirken der Phantasie frei zu erweitern vermag. So werden später Kunst und Dichtung möglich. Doch zunächst vollzieht sich das alles noch ohne Sprache. Diese wird erst notwendig, wenn die außersprachlichen Vorstellungen dargestellt und von einem (darstellenden) Subjekt einem anderen (empfangenden) Subjekt mitgeteilt werden sollen. Jetzt muß nach einem geeigneten Mittel dafür gesucht werden. Die Stimme erweist sich dann als optimales Medium. Nun erst wird die Genese der Sprache deduziert. Als integrales Element der Sprachentwicklung wird der Dialog herausgestellt. Dazu müssen sprachliche Zeichen entwickelt werden, deren Weg vom Natürlichen zum Arbiträren führt. Aus einfachen Elementen entstehen Redeteile, aus ihnen Sätze, und zwar in notwendiger Folge. Dabei werden Prinzipien der Logik und der allgemeinen Grammatik sowie die Kantischen Kategorien (ohne Nennung Kants) als Richtmaße herangezogen. Hier kommt es zu gewagten und unhaltbaren Parallelisierungen von transzendentalen und sprachlichen Kategorien, so von ‘Quantität’ mit ‘Substantiv’, von ‘Qualität’ mit ‘Adjektiv’, von ‘Modalität’ mit ‘Verbum’ usw. Dies ist in höchstem Maße fragwürdig. An keiner Stelle stellte Bernhardi sich die Frage, ob denn z. B. Vorstellungen (von etwas als etwas), Verstand (als Vermögen von Begriffen), die Kategorien und Urteile Kants ohne Sprache überhaupt denkbar sind. Mit
I. Raum-zeitliche Übersichten
anderen Worten: es fehlt jede Reflexion auf die sprachliche Voraussetzungsproblematik und damit jede kritische Stellungnahme zu Kant und auch zu Fichte. Daß Bernhardi diese Problematik überhaupt nicht gesehen hat, geht auch aus seiner vernichtenden Kritik von Herders Metakritik im Schlegelschen Athenäum hervor, in dem er Herder eine völlige Fehlinterpretation Kantischer Begriffsunterscheidungen vorwirft, ohne den eigentlichen Kern der Herderschen Intention überhaupt zu erwähnen (Bernhardi 1800, 2 68— 2 83). Im zweiten praktischen Teil der Sprachlehre, in dem die Leistung der Sprache für Poesie und Wissenschaft bzw. Philosophie erörtert wird, ist der Bezug zu romantischen Auffassungen deutlicher spürbar. Hier kann auch eher Positives anerkannt werden. Dichterisches und philosophisches Verfahren dienen nach Bernhardi demselben Ziel, nämlich der Darstellung der Formen der Natur. Dies kann natürlich nur dann gelten, wenn man ›Natur‹ in einem Mensch und Welt umfassenden Sinne begreift. Das dichterische Verfahren faßt Bernhardi als im Grunde synthetisch, das philosophische als analytisch auf. ›Bilder‹ bilden die Grundlage der Poesie, ›Begriffe‹ die der Wissenschaft und Philosophie. Im Anschluß daran nimmt er eine Klassifikation der Künste und literarischen Gattungen vor, die mit den Auffassungen der Schlegels zu vergleichen wäre, und bietet eine neue Interpretation der rhetorischen Ausdrucksformen bzw. Tropen. In den letzten Kapiteln des Werks werden der Begriff und der artikulierte Ton erörtert. — Um Stellung zu nehmen, ist es geboten, nach weiteren kritischen Stimmen zum Werke Bernhardis Ausschau zu halten. Fiesel, die Autorin der ersten Monographie zur Sprachphilosophie der deutschen Romantik, weist Bernhardi eine Schlüsselstellung für das romantische Sprachdenken zu, spart aber auch nicht mit kritischen Bemerkungen. Erst in jüngster Zeit ist das Interesse an Bernhardi wieder stark gewachsen. Auch in den neuen Publikationen stehen sich ablehnende und zustimmende Urteile schroff gegenüber. Bernd Naumann (*1938) hat in seinem Buch Grammatik der deutschen Sprache zwischen 1781 und 1865 (1986), also im Zeitraum der Romantik, auch Bernhardi behandelt und gelangt zu einem ziemlich vernichtenden Urteil. Nicht nur scheint ihm die Sprachlehre so gut wie unbenutzbar — „mehr ein rationalistischer Roman oder Feuilleton zur Sprache im geistreichen Plauderton“ (1986, 69) —, sondern auch Verfahren, Gehalt und Schlußfol-
13. Sprachphilosophie in der Romantik
gerungen sind für ihn unannehmbar. Auch er bemängelt, daß Bernhardi sich bei seinen Deduktionen zwar auf die Kantische Kategorienlehre beruft, aber in recht willkürlicher Weise mit ihr umgeht, Ontologie und Logik mischt und eine Verbindung zu sprachlichen Kategorien darstellt, die inakzeptabel ist. Seine Definitionen passen ganz und gar nicht zur Kategorientafel. Trotz dieser Ungereimtheiten hat das Werk anregend auf die zeitgenössischen Grammatiker gewirkt. Kurz darauf ließ Bernhardi noch die Anfangsgründe der Sprachwissenschaft (1805) folgen, ein kleineres Werk, das als Berichtigung und Ergänzung der Sprachlehre gedacht war. Ganz anders sehen dies Brigitte Schlieben-Lange (*1943) und Harald Weydt (*1938) in ihrem Aufsatz August Ferdinand Bernhardi (1770— 1820) aus dem Jahre 1988. Die Autoren wollen Bernhardis Sprachlehre und seine Anfangsgründe der Sprachwissenschaft erneut zugänglich machen. Bernhardi sei bis zum heutigen Tage verkannt und unterschätzt worden. Er wird als Erbe der Aufklärung und ihrer linguistischen Theorie, besonders der Grammaire générale, bezeichnet und als Schüler Wolfs in Halle herausgestellt (s. Art. 44). Bernhardi habe die schwierige Aufgabe übernommen, die Allgemeine Grammatik und Rhetorik in der Sehweise des deutschen Idealismus (Kant/Fichte) neu zu formulieren. Die von ihm ausgearbeitete Sprachtheorie sei noch heute aufschlußreich. Auch sei er als Vorläufer Humboldts zu würdigen. Die Autoren halten die Sprachlehre für ein ausgezeichnetes, wohldurchdachtes und durchgegliedertes Buch. Die allzu knappe Inhaltsangabe kann man aber nur ganz verstehen, wenn man sie ständig mit dem Original vergleicht. Es fehlt aber vor allem jeder kritische Kommentar zu den Deduktionen Bernhardis. Seine eigentliche Leistung wird als Synthese von Auffassungen des deutschen Idealismus und der sensualistischen Sprachtheorie des 18. Jahrhunderts als Basis semiotischer Systeme gekennzeichnet. Gemeint sind auf deutscher Seite Kant und Fichte, auf der sensualistischen Seite wären Locke und Condillac zu nennen. Es fehlt jeder Hinweis auf die bedeutsame Tatsache, daß in Kants Kritik der reinen Vernunft weder bei der für Bernhardi so wichtigen Kategorientafel noch beim analytischen und synthetischen Urteil (a priori) die Sprache als konstitutives Medium erkannt ist. Die Autoren versuchen, in der Gedankenführung Bernhardis Neues und Wegweisendes zu entdecken und enthalten sich jeglicher Kri-
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tik. Dies wäre aber zumindest an den bereits genannten Stellen vonnöten gewesen. — Wie aber ist nun nach Abwägung des geschilderten Für und Widers Bernhardis sprachwissenschaftliche und sprachphilosophische Leistung zu bewerten? Zuzugestehen ist, daß es sich um einen kenntnisreichen und zu systematischem Denken befähigten Gelehrten handelt, der die Fachliteratur, die zeitgenössische Philosophie und das romantische Gedankengut gut kannte. Begrüßenswert ist auch, daß er bei seinen Überlegungen vom Menschen als Sinnenwesen ausgeht und von dort zu seinen geistigen Leistungen vordringt. Er hat offensichtlich Herders Ursprungsschrift und Locke gelesen. Wie er dann aber durch reine Begriffskonstruktionen die weitere Entwicklung zu deduzieren sucht und dabei die Kategorien Kants und die logischen Prinzipien der allgemeinen Grammatik auf die Sprachentstehung anzuwenden sucht, daß bleibt höchst bedenklich. Daß in diesen Überlegungen die Einbildungskraft des Menschen, also ein generatives Prinzip, eine führende Rolle spielt, verbindet Bernhardi sicher mit den Romantikern und auch mit Humboldt. Auch das romantische Grundproblem der Beziehung von Freiheit und Notwendigkeit, von Allgemeinheit und Individualität spielt bei Bernhardi die ihm gebührende Rolle. Aber worin diese Notwendigkeit besteht, welche Rolle dabei philosophische, logische und sprachliche Kategorien spielen, das bleibt unbefriedigend und anfechtbar. Bernhardi hat, so könnte man sagen, alle Elemente in der Hand, mit denen eine tragfähige Sprachphilosophie hätte entwickelt werden können, aber er erkennt die tatsächliche Voraussetzungsproblematik nicht, auf die Gipper jetzt in seinem Buch Das Sprachapriori. Sprache als Voraussetzung menschlichen Denkens und Erkennens (1987) besonders in der Auseinandersetzung mit Kant hingewiesen hat. Vergleicht man aber Bernhardi mit Humboldt, so muß man sagen: Der Verfasser der Sprachlehre reicht bei weitem nicht an Humboldt heran. Allein Humboldts Abhandlung Ueber das vergleichende Sprachstudium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung aus dem Jahre 182 0 bietet unvergleichlich mehr sprachphilosophische Einsichten als Bernhardis beide Hauptwerke zusammen. Schlieben-Lange und Weydt haben dies freilich auch gesehen, und sie betonen mit Recht, daß hierbei alle Fragen möglicher Einflüsse mit großer Vorsicht zu behandeln sind.
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3.
I. Raum-zeitliche Übersichten
Sprachphilosophie und Sprachästhetik der deutschen Romantik
Die erste umfassende Monographie über Die Sprachphilosophie der deutschen Romantik ist die Arbeit von Eva Fiesel (1891—1937) aus dem Jahre 192 7. Sie liefert einen Überblick über die Gesamtentwicklung und charakterisiert die einzelnen Entwicklungsphasen und die wichtigsten Persönlichkeiten der Zeit (umfassend dazu Gipper/Schmitter 1985). Die Verfasserin unterscheidet eine frühe ›transzendentale‹ Romantik, die das letzte Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts umfaßt und mit dem Tode des Novalis zum Abschluß kommt, und eine jüngere ›diesseitige‹ Romantik, für die der Dichter Eichendorff als Repräsentant stehen kann. Davon abgehoben wird die Nachromantik und die politisch engagierte Bewegung des jungen Deutschlands, der sich Heinrich Heine (1797—1856) verbunden fühlte. Die Sprachphilosophie der deutschen Romantik betrachtet Fiesel als Ausdruck der romantischen Weltanschauung. Die zentrale Sprachidee ist verankert in der Religion und damit auf einen göttlichen Mittelpunkt bezogen. Für die frühen Romantiker war die Sprache ein universelles Erlebnis. Sie ist Schöpfung und Spiegel des Geistes, der von Gott stammt und zugleich das Sinnbild einer verlorenen Einheit von Sinnenwelt, Poesie, Philosophie und Religion. Dies entspricht zugleich einer poetischen Weltanschauung, für die Sprache Poesie und diese letztlich Musik ist. Damit verbunden ist die Idee einer ursprünglichen Einheit aller Sprachen. Es handelt sich letztlich um eine metaphysische Sprachidee, deren Form nur eine symbolische sein kann. Sie findet sich im Werk der frühen Romantiker an vielen Stellen verstreut, ohne daß dies am Titel der Schriften erkennbar wäre. Fiesel weist auf Bezüge der frühromantischen Denker zu Platon, Rousseau, Louis de Bonald (1754—1840), Hamann und Herder sowie zu dem deutschen Mystiker Jacob Böhme (1575—162 4) und dem niederländischen Philosophen Frans Hemsterhuis (172 1—1790) hin. Charakteristisch für die romantischen Ideen ist, daß sie nicht von der Erfahrung ausgehen, sondern von Begriffen. Dies beweisen entsprechende Äußerungen F. Schlegels, der zugleich eine entscheidende Wandlung und damit eine neue Epoche einleitet. Die jüngere deutsche Romantik wendet sich seit dem Be-
ginn des 19. Jahrhunderts wieder mehr der geschichtlichen Wirklichkeit zu und wertet die Sprache im wachsenden Maße als historische Erscheinung. Jetzt wird die Sprache vor allem als Ausdruck des Volksgeistes betrachtet und das Augenmerk auf die Erforschung der nationalen Vorzeit gelenkt. Dabei gewinnt die Mythologie entscheidende Bedeutung und die Philosophie der Sprache wird zu einer Philosophie der Mythologie. Schließlich weicht die romantische Mythenforschung auch rationaleren Deutungen und die Sprachbetrachtung entfernt sich allmählich ganz von der Philosophie und endet in reiner Materialforschung. Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft tritt ihren Siegeszug an. In der Spätromantik erlischt, so sagt Fiesel, der ›Sprachsinn‹ vollends, die Sprache hört auf, eine zentrale Rolle zu spielen. Als für die romantische Sprachphilosophie besonders wichtig, stellt Fiesel F. Schlegel, den Sprachforscher Bernhardi, vor allem aber Humboldt heraus. Als einen wichtigen Grund für den Wandel der Auffassung betrachtet sie den Umstand, daß die idealistische Philosophie Fichtes durch die Lehre des Naturphilosophen Schelling abgelöst und dadurch ein neues Gefühl für das Leben und die Wirklichkeit geweckt wurde. Dies habe die frühen Romantiker wieder aus überzeitlichen Fernen an die historischen Tatsachen herangeführt. — Wenn Fiesel auch den komplexen Phänomenen durch die Einpassung in oppositionelle Begriffsschemata, die sie der Methode von Fritz Strichs (1882 —1963) Deutsche Klassik und Romantik oder Vollendung und Unendlichkeit (2192 4) verdankt, stellenweise Gewalt antut, bleibt ihre Darstellung noch heute lesenswert. Besonders wird deutlich, wie sich die Einstellung zu den Sprachproblemen im Laufe der Zeit gewandelt hat. An der Einstellung zur Frage des Sprachursprungs ist das gut abzulesen: Die Denker des 17. und 18. Jahrhunderts hofften noch, sie mit den Denkmitteln ihrer Zeit lösen zu können. Für die Frühromantiker entzieht sich das Geheimnis der Entstehung der Sprache dem menschlichen Erkenntnisvermögen. Die späte Romantik hofft durch den Rückgriff auf die Mythen und auf sprachhistorische Errungenschaften einer Lösung des Problems näherzukommen. Der Arbeit von Fiesel folgte 1975 der Beitrag von Gipper und Peter Schmitter (*1943): Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie im
13. Sprachphilosophie in der Romantik
Zeitalter der Romantik als Beitrag zum 13. Band der von Sebeok herausgegebenen Current trends in linguistics unter dem Bandtitel Historiography of linguistics. Dieser Beitrag erschien dann 1979 in stark erweiterter und überarbeiteter Form als Monographie und 1985 in 2 . verbesserter Auflage. 1977 erschien die weitere Gesamtdarstellung von Lia Formigari (*1931) La logica del pensiero vivente, die die vorangegangenen Untersuchungen in dankenswerter Weise ergänzt. Eine weitere wichtige Ergänzung der Darstellung von Fiesel verdanken wir dem gründlichen Kenner der romantischen Epoche Friedrich Kainz. In seinem Aufsatz Die Sprachästhetik der Jüngeren Romantik (1938) bemängelt er, daß Fiesel überscharfe Trennungslinien zwischen Früh- und Spätromantik gezogen hat und weist auf Gemeinsamkeiten hin, die sich besonders auf dem Gebiet der Sprachästhetik zeigen. Kainz betont, daß auch in der Spätromantik trotz der Wandlungen frühromantische Auffassungen noch durchaus lebendig sind. Er zeigt auch, daß einzelne Sprachprobleme von den Zeitgenossen teilweise so verschieden beurteilt wurden, daß es gefährlich ist, von durchgängigen Auffassungen zu sprechen. Da die Sprachästhetik als ein besonderer Zweig der Sprachphilosophie in den meisten Darstellungen zu kurz kommt, seien hier wenigstens die wichtigsten Probleme genannt, auf die Kainz eingeht. (1) Das Problem der ästhetischen Bedeutsamkeit von Sprachfügungen, (2 ) Die Frage des Sprachursprungs unter ästhetischem Blickwinkel, (3) Die Lautästhetik, verbunden mit den Fragen der Lautsymbolik, der Beziehungen von Laut und Sinn (Onomatopoetik, Lautmetaphorik und Synästhesie), (4) Das Verhältnis von Sprache und Musik und dessen Wandel von der Früh- zur Spätromantik, (5) Das sprachästhetische Problem der dichterischen Bildlichkeit, (6) Das Problem des Verhältnisses von Sprache und Anschauung, (7) Der Problemkreis von Witz, Ironie, Humor und Wortspiel, (8) Das Problem der ›Nationalästhetik‹, (9) Der Archaismus als ein Zentralproblem der jüngeren Romantik, (10) Das Problem der ästhetischen Charakterisierung einzelner Sprachen, (11) Das Übersetzungsproblem in der Sicht der Romantiker. — Kainz zeigt, wie diese Probleme behandelt worden sind und welche Wandlungen sich dabei von der Früh- zur Spätromantik vollzogen haben (vgl. dazu Gipper/Schmitter 1985, 134 ff).
219
4.
Das Verhältnis der systematischen Philosophie zur Sprachphilosophie
4.1. Es ist eine überraschende Tatsache, daß die Sprachphilosophen der romantischen Epoche keine Berufsphilosophen waren und daß die großen Philosophen der Zeit keine Sprachphilosophie entwickelt haben. Heintel hat diesen Umstand bedauert. Er erblickt sogar eine Tragik darin, „daß Hamann und Herder, die Romantik und selbst Humboldt bei allem Reichtum der Ideen und bei aller Tiefe der treibenden Motive, jenes philosophische Rüstzeug vermissen lassen, das die systematische Philosophie in mühsamer ›Anstrengung des Begriffes‹ in ihrer Entwicklung von Descartes und Leibniz zu Kant und Hegel geschaffen hat“ (Heintel 1957, 589).
Diese Äußerung enthält zwar einen wahren Kern, bedarf aber eines Kommentars. Was Hamann, Herder und Humboldt anbelangt, so waren sie nicht nur gründliche Kant-Kenner, sondern darüber hinaus mit der zeitgenössischen Philosophie vertraut. Es wurde bereits betont, daß Hamann und Herder sich gerade durch Kants Vernachlässigung der Sprache zu deren Verteidigung herausgefordert fühlten (vgl. Streitberg 1909; Cassirer 192 3 a; Slagle 1974; Spranger 1908). Auf die Tatsache, daß Humboldt in vieler Hinsicht Kant verpflichtet ist, haben bereits die ersten Biographen Humboldts, Gustav Schlesier und Rudolf Haym (182 1—1901), hingewiesen. Auch Heymann Steinthal (182 3—1899) war dieser Ansicht (vgl. dazu Gipper/Schmitter 1985, 138 ff). — Erstaunlich bleibt, daß für Kant selbst die Sprache nicht thematisch geworden ist. In seiner Kritik der reinen Vernunft knüpft er die Möglichkeit der Erkenntnis ganz an bestimmte im Menschen vorgegebene Fähigkeiten, nämlich an die a priori, d. h. unabhängig von aller Erfahrung, gegebenen Anschauungen von Raum und Zeit, die Kategorien und Formen der analytischen und synthetischen Urteile a priori, sieht aber nicht, daß die Sprache dabei als unentbehrliche Voraussetzung einbezogen werden muß. Gipper hat in seinem Buch Das Sprachapriori. Sprache als Voraussetzung menschlichen Denkens und Erkennens (1987) zu zeigen versucht, weshalb ein solcher Ansatz den tatsächlichen Zusammenhängen nicht gerecht wird. Er betont, daß kein Mensch mit den ihm von Kant zugesprochenen Fähigkeiten geboren wird, sondern diese sämtlich mit Hilfe der Sprache erlernen und erwerben muß. Spracherlernung ist aber ohne Erfahrung nicht denkbar. Trotz-
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dem ist die Sprache eine echte Bedingung der Möglichkeit menschlicher Erkenntnis, also in diesem eingeschränkten Sinne als ein Apriori anzuerkennen, nicht aber in der transzendentalen Bedeutung völliger Erfahrungsunabhängigkeit. Gipper zeigt, an welchen Stellen des Werkes Kant die Sprache berücksichtigt und wo sie übersehen ist. Im ganzen besteht also der Vorwurf Hamanns und Herders zu Recht, daß Kant in seinem System die Sprache nicht als konstitutiven Faktor einbezogen hat. Dessenungeachtet bleibt Kants Werk wichtig für die Sprachphilosophie. An Versuchen, Kants Vernunftkritik durch eine Sprachkritik zu ergänzen, hat es nicht gefehlt. Einen Vorstoß in dieser Richtung unternahm Carl Leonhard Reinhold (1758—182 5) mit seinen beiden Werken Grundlegung einer Synonymik für den allgemeinen Sprachgebrauch (1812 ) und Das menschliche Erkenntnisvermögen aus dem Gesichtspunkte des durch die Wortsprache vermittelten Zusammenhangs zwischen der Sinnlichkeit und dem Denkvermögen (1816). Reinhold schlägt bestimmte Sprachregelungen vor, die die Philosophie zu einer Wissenschaft erheben könnten, aber sein sprachkritischer Ansatz erweist sich doch als ungeeignet, auch wenn er berechtigten Absichten entspringt. Weniger bedeutsam ist Siegmund Levys Dissertation Kants Kritik der reinen Vernunft in ihrem Verhältnis zur Kritik der Sprache (1868). Dagegen verdient mehr Beachtung das Buch von Ludwig Noiré (1829— 1889) Die Lehre Kants und der Ursprung der Vernunft (1882 ). Es handelt sich um einen konsequenten, wenn auch nicht voll gelungenen Versuch, Kants Kritik der reinen Vernunft für die Sprachwissenschaft fruchtbar zu machen. Positiv ist festzuhalten, daß Noiré Bedenkenswertes über den Unterschied des tierischen und menschlichen Zugangs zur Welt und über die Rolle der begriffsspendenden Sprache bei der menschlichen Erkenntnis gesagt hat. — Wie aber steht es mit den übrigen wichtigen Philosophen jener Zeit, mit Fichte und Schelling, mit Arthur Schopenhauer (1788—1860), mit Friedrich Heinrich Jacobi (1743—1819) und vor allem mit Hegel? Auch von ihnen ist keiner Sprachphilosoph, aber sie haben sich alle zu Sprachfragen geäußert und die meisten haben direkt oder indirekt auf die Sprachphilosophie der Zeit gewirkt. Fichte, der kämpferische Begründer des deutschen Idealismus in seiner radikalen Form, geht von Kant aus, der die entscheidende Rolle im Erkenntnisprozeß ganz dem erkennenden Subjekt und dessen a priori ge-
I. Raum-zeitliche Übersichten
gebenen Fähigkeiten zuerkannt hatte. Das erkennende Subjekt ist aber nicht völlig frei, sondern bedarf der Empfindungen, die von der existierenden, aber nicht direkt zugänglichen Welt, den ›Dingen an sich‹, kommen und den Erkenntniskräften erst ihren Stoff zur Verarbeitung übergeben. Fichte sieht dadurch die Freiheit des Ichs noch beschränkt. Er will diese Freiheit noch steigern und verabsolutieren und gelangt zu der tollkühnen Annahme, das Ich schaffe erst mit seinen Vorstellungen die Welt, dieser komme gar keine selbständige Wirklichkeit und Existenz zu. Dieser extreme Idealismus führt zu Widersprüchen und Aporien. Wenigstens die Freiheit anderer Ichs muß anerkannt werden, wenn das eigene Ich nicht ganz ins Nichts versinken soll. Fichte erkennt die Abgründe, in die sein Denkweg zwangsläufig führt, und nach langem Ringen gelangt er dazu, das unhaltbare absolute Ich durch den absoluten Gott als Ursprung des Daseins abzulösen. Das könnte man in Analogie zur berühmten Kehre in Heideggers Denken die Kehre im Denken Fichtes nennen. ‘Leben in Gott und frei sein in ihm’ ist dann der letzte Satz, in dem dieser radikale Denker Ruhe findet. Das zentrale Werk, in dem Fichte sein gewaltiges und gewaltsames System begründet, ist die Wissenschaftslehre (1794). Unbegreiflicherweise hat sich der redliche Kant negativ über sie geäußert, obwohl er sie nach der Überzeugung des Herausgebers gar nicht gelesen hat (Jacobs 1984, 84). Fichte will hier die Philosophie zu einer systematischen (Ur)wissenschaft machen, die allererst erklärt, was überhaupt Wissenschaft ist. Ähnlich wie René Descartes (1596—1650) sucht er nach einem begründenden ersten Grundsatz, der aus und durch sich selbst einleuchten muß. Was sich nicht wegdenken läßt, ist für ihn das Wissen selbst, denn dessen Wegdenken wäre selbst schon ein Wissensakt. In diesem Argumentationszusammenhang werden Ausdrücke wie ‘Wissen’, ‘Wollen’, ‘Tat’, ‘Handlung’ in einem neuen, eigenwilligen terminologischen Sinn eingesetzt, ohne daß dieser durch entsprechende Präzisierungen und Definitionen abgesichert würde. So ist Mißverständnissen Haus und Tür geöffnet. Wie bei Kant aber fehlt auch hier ein Bezug auf die Sprache als Bedingung der Möglichkeit menschlichen Ich-Bewußtseins, menschlichen Erkennens und Handelns. 4.2. Daß die Sprache in der Wissenschaftslehre keine Rolle spielt, überrascht um so mehr, als im gleichen Jahre 1795 seine Ab-
13. Sprachphilosophie in der Romantik
handlung Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache erschien. Er hatte sich also doch mit der Sprache beschäftigt. Vergleicht man diese Schrift mit der Ursprungsschrift Herders aus dem Jahre 1772 , die er nicht einmal erwähnt, so zeigt sich, daß er weit hinter dieser zurückbleibt. Ausgehend von der Prämisse, daß Sprache Ausdruck unserer Gedanken durch willkürliche Zeichen sei, sucht Fichte in abstrakten Spekulationen zu deduzieren, wie der Mensch sich die Sprache erfinden mußte, und nicht etwa nur, wie er sie hätte erfinden können. Entscheidend ist, daß Fichte Vernunft und Vernunftgebrauch bereits vor der Sprache voraussetzt und damit Kants Postulaten der Kritik der reinen Vernunft folgt. Die Gedanken sind bereits da, es handelt sich bei der Spracherfindung nur noch um die Suche nach einem Mittel, diese auszudrücken. Bezeichnend für diese unhaltbare Annahme ist seine Anmerkung zu der Behauptung, daß bei der Spracherfindung keineswegs nur Zeichen fürs Gehör in Betracht kamen, sondern alle möglichen Zeichen. Es heißt da: „Ich beweise hier nicht, daß der Mensch ohne Sprache nicht denken kann, und ohne sie keine allgemeinen abstracten Begriffe haben könne. Das kann er allerdings vermittelst der Bilder, die er durch die Phantasie sich entwirft. Die Sprache ist meiner Überzeugung nach für viel zu wichtig gehalten worden, wenn man geglaubt hat, daß ohne sie überhaupt kein Vernunftgebrauch statt gefunden haben würde“ (Werke 8, 309).
Hier wird die Kluft zu Hamann und Herder deutlich. Was den Gang der Sprachentstehung anbetrifft, so bewegt sich Fichte ganz in den Bahnen der Sprachursprungsschriften der Aufklärer: Lautnachahmung und Gesten als Ausgangspunkt, allmählicher Übergang von der Bezeichnung konkreter Gegenstände zu abstrakteren Begriffen. Was er aber über die ›willkürlichen Sprachzeichen‹ und über deren Natur sagt, ist durchaus bedenkenswert und berührt sich mit heutigen sprachwissenschaftlichen Auffassungen. Ansonsten aber bleibt die Bedeutung der Sprache entschieden unterbewertet. Trotzdem glaubt Fichte in der Lage zu sein, den Gang der Sprachentwicklung als ein notwendiges Geschehen aus selbstgesetzten Prämissen ableiten zu können, d. h. in der Natur des Menschen Mittel nachweisen zu können, die zu der von ihm geschilderten Realisierung der Sprache führen mußten. Deshalb meint er auch, daß sich eine „Geschichte der Sprache a priori“ entwerfen ließe (Werke 8, 304). Ein seltsamer Begriff,
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der nur Sinn ergibt, wenn man das Apriori als allgemeinen Hinweis auf notwendige Voraussetzungen gelten läßt, die aber für Geschichte nicht auffindbar sind. Daß seine Deduktionen der Entstehung der sprachlichen Kategorien und der Syntax aufgrund des Gesagten völlig unhaltbar ausfallen, überrascht nicht. Kurz darauf hat sich Fichte in seinen sogenannten Platner-Vorlesungen nochmals zum gleichen Thema unter dem Titel Ueber den Ursprung der Sprache geäußert (1796/98). Hier ist seine Auffassung teilweise erweitert und vertieft. Vom Sprachursprung kann nur die Rede sein, wenn eine Zeit vorausgesetzt werden darf, wo es Menschen ohne Sprache gab. Wird dies verneint, muß gefolgert werden, ›daß der Mensch nur durch Sprache Mensch‹ ist, was auch Humboldts Ansicht war. Fichte sieht den Kommunikationszwang vernünftiger Wesen, die Notwendigkeit der gegenseitigen Mitteilung der Begriffe durch Zeichen, die Wechselwirkung durch Zeichen als Bedingung der Menschheit an. Trotzdem bleibt er aber dabei, daß Begriffe auch ohne Zeichen denkbar sind und daß die Zeichen höchstens als Aufforderung zu denken sind, den übersinnlichen Gehalt der Begriffe durch geistiges Handeln zu konstruieren. Fichtes Skepsis gegen die Leistungsfähigkeit der Sprache bleibt also bestehen, sie tritt noch krasser hervor, als er 1797/98 den Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre unternimmt. Darüber berichtet Manfred Zahn (*1930) in seinem aufschlußreichen Aufsatz Fichtes Sprachproblem und die Darstellung der Wissenschaftslehre (1981). Hier kritisiert Fichte die Sprachzeichen und damit die Sprache als ein schweres Hindernis für das, was er in der Wissenschaftslehre sagen will, insonderheit für das eigentliche Denken des Ich. Die Sprache ist nicht in der Lage, dies zu leisten, sie liefert nur unzureichende Zeichen für etwas, was jenseits ihrer Ausdrucksmöglichkeiten liegt, also unaussprechlich ist. Dieser extrem sprachkritische Standpunkt ist der Sprachphilosophie keineswegs fremd. Er taucht auch in der Moderne wiederholt bei Dichtern und Denkern auf und müßte ihre Vertreter zum Verstummen zwingen, gemäß dem Schlußsatz Ludwig Wittgensteins (1889—1951) (s. Art. 39) in seinem Tractatus logico-philosophicus (192 2 , 7.) „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen“. Fichte hat diesen Schluß aber nicht gezogen. Zehn Jahre später hat er sich dann nochmals zur Bedeutung der Sprache geäußert, und zwar in der 4. Rede an die
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deutsche Nation aus dem Jahre 1808. Diese zeigt ein wesentlich modifiziertes Urteil. Jetzt sieht Fichte die enge Verbindung von Sprache und Denken, erkennt die volksbildende Kraft der Sprache und ihre Herrschaft über den Einzelmenschen. Hier ist sogar eine Nähe zu Herder erkennbar und zu Humboldt, dessen frühe Schriften er seit seiner Berufung an die Universität Berlin im Jahre 1800 kennengelernt haben dürfte. Fichte nimmt jedenfalls jetzt seine frühere Geringschätzung der Sprache zurück und sieht ein, daß die Sprache ›den Einzelnen bis in die geheimste Tiefe seines Gemüts und Wollens begleitet und beschränkt und beflügelt‹ und ›die gesamte Menschenmenge, die dieselbe redet, auf ihrem Gebiet zu einem einzigen gemeinsamen Verstande verknüpft‹. So ist aus dem Saulus doch noch ein Paulus geworden, aber da das eigentliche philosophische Werk Fichtes von diesen Einsichten nicht mehr eingeholt worden ist, kann von einer eigenen Sprachphilosophie in einem positiven Sinne keine Rede sein. Dies bestätigten im Grunde auch die vier diesbezüglichen Aufsätze von Junker, Müller-Vollmer, Schrader und Zahn, die K. Hammacher als Leiter einer Fichte-Tagung im Jahre 1979 im dem Sammelband Der transzendentale Gedanke. Die gegenwärtige Darstellung der Philosophie Fichtes 1981 herausgegeben hat. 4.3. Schelling ist als der eigentliche Philosoph der Romantik bezeichnet worden. In der Tat zeigt sein Gedankengut die meisten Verbindungen mit dem seiner romantischen Freunde, den beiden Schlegels, Novalis und Tieck, in Dresden und Jena, wohin Goethe den Dreiundzwanzigjährigen als Professor berufen hatte. Ausgangspunkt seines Denkens ist das menschliche Ich wie bei Kant und Fichte, das Absolute ist sein Ziel. Dies sucht er auf einem eigenen Weg zu erreichen: Im menschlichen Ich entdeckt er als das Absolute Gott bzw. das Göttliche oder ›die Gottheit‹, wie er gern sagt. Gott, der Ursprung allen Seins, offenbart sich in der Natur und in deren höchstem Erzeugnis, dem Menschen. Unter dem Eindruck der aufstrebenden Naturwissenschaft bezieht Schelling die Natur in seine philosophischen Überlegungen ein und entfernt sich damit von Fichte. Er entwickelt eine eigene Naturphilosophie, in der schließlich Natur und Geist, Reales und Ideales als identisch gedacht werden, weshalb man auch von der ›Identitätsphilosophie‹ Schellings spricht. Hierbei ist der Einfluß Spinozas richtungsweisend. Die Natur wird als großer le-
I. Raum-zeitliche Übersichten
bendiger Organismus begriffen, der als höchstes Produkt den menschlichen Geist hervorbringt, der sich wiederum in der Kunst zur höchsten Leistung steigert. So wird die Natur in pantheistischer Sicht zum ›verborgenen Gott‹. Von der Naturphilosophie zur Kunstphilosophie bzw. zur philosophischen Ästhetik ist es dann nur ein kleiner Schritt. Im Kunstwerk wird das höchste erreicht, nämlich die Vereinigung von Natur und Geist, von Notwendigkeit und Freiheit. Diese Gedanken mußten den Romantikern höchst willkommen sein. Auf sie wirkt er vor allem durch seinen Begriff des Organischen, den er auch auf den Ursprung und das Wesen der Sprache bezieht. Nach seiner Überzeugung ist die Sprache bereits als ein organisches Ganzes entstanden. Diesen Gedanken finden wir auch bei Humboldt wieder. Übrigens war es auch Schelling, der die Frage des Sprachursprungs nochmals in der Berliner Akademie zur Diskussion stellte. Allerdings begnügte er sich selbst mit einigen Vorbemerkungen zu der Frage über den Ursprung der Sprache (1850), in denen er kritisch zu Herder und Hamann Stellung nahm; dagegen übernahm es J. Grimm, im folgenden Jahre seine Abhandlung über den Ursprung der Sprache vorzutragen. Doch mit seinem Weggang von Jena nach Würzburg (1803), dann nach Erlangen und München (182 7) setzt ein folgenschwerer Wandel ein. Schelling gerät unter den Einfluß des katholischen Denkers Franz Xaver Baader (1765—1841) und findet neue Geistesverwandte in dem französischen Illuminaten Saint-Martin und dem deutschen Mystiker Böhme. Die Natur wird nun auch in ihren Schattenseiten erkannt und der Mensch in seiner Gefährdung und Sündhaftigkeit gesehen. Das hat Rückwirkungen auf die Gottesauffassung und führt dazu, daß die ›Gottheit‹ selbst als im Grunde gespalten betrachtet wird und zur Einheit zurückstreben muß. Auf diesem Wege, der auch als großer Bewußtseinswerdungsprozeß von der Natur über den Menschen und seine Kunst zu Gott selbst gedeutet wird, soll die ursprüngliche Einheit wiederhergestellt werden. Mystische Gedanken vereinigen sich so beim späten Schelling mit christlich-katholischer Glaubensüberzeugung. In der Altersphilosophie Schellings geht es um religiöse, mythologische und mystische Probleme. Manchmal, so in der Einleitung zur Philosophie der M ythologie (posthum 1856 erschienen), tauchen bemerkenswerte Äußerungen über die Sprache auf wie diese:
13. Sprachphilosophie in der Romantik
„Da sich ohne Sprache nicht nur kein philosophisches, sondern überhaupt kein menschliches Bewußtseyn denken läßt, so konnte der Grund der Sprache nicht mit Bewußtseyn gelegt werden, und demnach, je tiefer wir in sie eindringen, desto bestimmter entdeckt sich, daß ihre Tiefe die des bewußtvollsten Erzeugnisses noch bei weitem übertrifft“ (Schelling 1856, 52).
In der Sprache liegen Schätze der Poesie und Mythologie verborgen, so daß man von einer ›verblichenen Mythologie‹ sprechen könnte. Aber diese Hochschätzung der Sprache kommt in dieser Form zu spät und macht aus Schelling keinen Sprachphilosophen. Auch er hat die Sprache nicht als konstitutives und integrales Medium des menschlichen Denkens in Wissenschaft und Philosophie erkannt. Auch er hat keine Sprachphilosophie entwickelt. Schopenhauer, der Autor des von pessimistischem Weltgefühl getragenen Werks Die Welt als Wille und Vorstellung (1818), ist nicht mit sprachphilosophischen Untersuchungen hervorgetreten. Wohl enthalten seine Schriften verschiedene Äußerungen über die Sprache von recht unterschiedlicher Qualität. Wie bei einem ebenso eigenwilligen wie kompromißlosen Denker nicht anders zu erwarten, urteilt er stets schroff und rückhaltlos. Dabei gelingen ihm treffliche Formulierungen, aber diese stehen oft unvermittelt neben ganz unhaltbaren Fehlurteilungen. Schopenhauer zieht gegen die ›Verhunzung‹ der deutschen Sprache zu Felde und gebärdet sich als Sprachpurist. Er urteilt in eigenwilliger Weise Ueber Sprache und Worte, nimmt einsichtig zu Übersetzungsfragen Stellung, rühmt den Bildungswert der klassischen Sprachen und fällt zugleich unglaublich abwertende Urteile über neuere Sprachen — so etwa wenn er vom Englischen Jargon spricht, „diesem aus Lappen heterogener Stoffe zusammengeflickten Gedankenkleid“ oder von einem so ekelhaften Jargon wie dem Französischen, „dieses auf die widrigste Weise verdorbene Italiänisch mit den langen, scheußlichen Endsilben und dem Nasal“. Diese Bemerkungen finden sich im zweiten Band der Parerga und Paralipomena (Schopenhauer 1977, 614; 62 2 ). Für die Sprachforschung ist nur weniges verwertbar, wie Eugenio Coseriu (*192 1) deutlich gemacht hat, der den Fall Schopenhauer als ein dunkles Kapitel in der deutschen Sprachphilosophie bezeichnet, dabei allerdings die positiven Seiten unberücksichtigt läßt (1979). 4.4. Anders wiederum steht es mit Hegel.
223
Auch er hat die Sprache nicht thematisch behandelt, wohl aber zahlreiche Äußerungen über sie gemacht, die freilich erst in jüngerer Zeit systematisch gesammelt und ausgewertet worden sind. Allerdings gibt es auch Stellen, an denen er die Bedeutsamkeit der Sprache unterschätzt. Die Sprache ist auch in den imposanten Bau seines philosophischen Systems einbezogen, aber sie erscheint dort im Grunde viel zu spät, so daß sie nicht als die entscheidende Bedingung der Möglichkeit des ›endlichen Geistes‹ gelten kann, der mit dem Menschen in Erscheinung tritt. Es geht bei Hegel um den Entwicklungsgang des Geistes im Prozeß der Weltgeschichte — vom Geist ›an sich‹ zum ›absoluten‹ Geist. Dieser Geist ist aber etwas anderes als Sprache, und vor allem mehr als sie. So ist es auch verständlich, daß Hegel keine Sprachphilosophie entwickelt hat. Dies kann zusätzlich damit begründet werden, daß die Entstehung der Sprache der vorgeschichtlichen Epoche zuzuordnen ist, die nach seiner Ansicht noch nicht Gegenstand der Philosophie sein kann. Daß auch Humboldt mit Hegels Philosophie in Berührung kommen mußte, versteht sich von selbst. Aber die Geisteshaltung beider Männer war derart verschieden, daß Humboldt sich von Hegel, der eine seiner indologischen Abhandlungen ohne ausreichende Sachkenntnis ziemlich grob kritisiert hatte, eher abgestoßen fühlen mußte (vgl. auch Steinthal 1971 b; Gipper/ Schmitter 1985, 141 f). — Hegels Äußerungen zur Sprache sind in drei neueren Untersuchungen ausführlich gewürdigt worden, auf die hier nur verwiesen werden kann (Simon 1966; Derbolav 1959; Coseriu 1977; vgl. dazu Gipper/Schmitter 1985, 142 f). Hegel hat zwar Wichtiges über die Sprache gesagt, aber von einer eigenen Sprachphilosophie und einer nennenswerten Wirkung der verstreuten Äußerungen auf die Sprachphilosophie des 19. Jahrhunderts kann nicht die Rede sein. Nun hat aber Liebrucks in seinem Werk Sprache und Bewußtsein einen ganzen Band Kant und vier weitere Bände Hegel gewidmet, so daß der Eindruck entsteht, es handle sich um Sprachphilosophen allerersten Ranges. Wie paßt dies zu dem Gesagten? — Hier ist die besondere Zielsetzung Liebrucks’ zu berücksichtigen. Für ihn ist wie für Hamann, Herder und Humboldt der Mensch in erster Linie Sprachwesen. Sprache ist Ausgangspunkt und Ziel alles menschlichen Verhaltens, sie steht nicht am Ende der Menschwerdung, sondern ist deren Voraussetzung (Liebrucks 1964 I, 47 u. ö.). Eine Einsicht in die volle Tragweite dieser neuen Sehweise erfordert ein radikales
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Umdenken, das nur die dialektische Denkform leisten kann. Somit gewinnt Hegels Dialektik eine Schlüsselstellung. Liebrucks will, und dies ist entscheidend, keine Sprachphilosophie im üblichen Sinne schreiben, sondern eine ›Philosophie von der Sprache her‹. Zu diesem Zweck will er die Philosophien der von ihm behandelten Autoren so ›umschreiben‹, daß sichtbar wird, in welchem Maße sie bereits dialektisch, d. h. sprachlich und somit spezifisch menschlich gedacht haben. Unter diesem Vorzeichen kann dann auch die Philosophie Kants und Hegels sprachphilosophisch gedeutet werden. Denn wenn man alles, was Kant über die Kategorien und Urteile und was Hegel über den Begriff und seine Dialektik gesagt hat, als Aussagen über Leistungen der Sprache ansieht, dann werden Kant und Hegel zu Sprachdenkern ›avant la lettre‹. Damit ist aber nicht die eigentliche Intention der Autoren getroffen. Für sie war die Sprache eben nicht die Bedingung der Möglichkeit des menschlichen Denkens, sondern dieses konnte auch ohne Sprache außergewöhnliche Leistungen vollbringen. Zum gesamten Fragenkomplex äußert sich Henri Lauener (*1933) (1962). 4.5. Wie steht es nun mit dem Schriftsteller und Philosophen Jacobi, den Georgi Schischkoff (1912 —1991) in dem von ihm bearbeiteten Philosophischen Wörterbuch (1982 , 32 8) als den ‘Philosophielehrer der Romantiker’ und ‘Verkünder des modernen Individualismus’ bezeichnet, während ihn Fiesel in ihrem Buch Die Sprachphilosophie der deutschen Romantik nicht einmal erwähnt? Jacobi stand mit zahlreichen wichtigen Zeitgenossen in z. T. engem Gedankenaustausch, so mit Lessing, Moses Mendelssohn (172 9—1786), Goethe und Humboldt, vor allem aber mit Hamann. Jacobis Roman Woldemar hatte Aufsehen, Zustimmung und Ablehnung erfahren. F. Schlegel schrieb eine vernichtende, Humboldt aus persönlicher Rücksichtnahme eine gemäßigte Rezension. Jacobis Philosophie entwickelte sich in der Auseinandersetzung mit Spinoza, Hume, Kant und Schelling (vgl. Jacobi 1812 —2 5, Werke VI, VI—LIII; Hammacher 1969). Er wandte sich gegen das einseitige Verstandesdenken der Aufklärung, gegen den spinozistischen Pantheismus und die Verherrlichung der Natur, die ihm gottlos erschien, und stellte dieser Denkrichtung den Glauben an den christlichen Gott als Ursprung aller Wahrheit und Ausgangspunkt menschlicher Erkenntnis entgegen. Das trug
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ihm das Etikett eines ‘Glaubensphilosophen’ ein. Verbunden damit war die Betonung der Gefühlskräfte des Menschen. Die damit vertiefte Kluft zwischen Glauben und Wissen schien Jacobi nur durch einen ›salto mortale‹ überbrückbar, ein Ausdruck, der zu scharfen Diskussionen Anlaß gab. Der junge F. Schlegel bezeichnete Jacobi als ‘subjektivistischen Gefühlsmetaphysiker’ und sprach am Ende seiner Woldemarrezension von einem „salto mortale in den Abgrund der göttlichen Barmherzigkeit“ (Haym 1972 , 331), ein Wort, das Kritiker später auf seine eigene Spätphilosophie übertrugen. Die Bedeutung der Sprache hat Jacobi an zahlreichen Stellen seines Werkes erkannt. Er vermißt u. a. in Kants Kritik der reinen Vernunft eine Kritik der Sprache, die eine Metakritik der Vernunft sein würde, aber die verstreuten sprachphilosophischen Äußerungen sind nicht zu einer eigenen Sprachphilosophie verdichtet worden. Die Zielsetzung Jacobis blieb im Grunde eine andere. Marco Maria Olivetti hat in seiner Untersuchung L’esito teologico della filosofia del linguagio di Jacobi (1970) gezeigt, daß Jacobis sprachphilosophische Ansichten zwar von seinem Freunde Hamann stark beeinflußt sind, aber doch in eine andere Richtung führen. Begründet wird dies durch fundamentale Unterschiede in den religionsphilosophischen Auffassungen. Für Jacobi kann das ›Buch der Natur‹ nur mit Gottes Hilfe gelesen werden, die Sinnhaftigkeit des ganzen Universums, d. h. der äußeren und inneren Wirklichkeit der Welt und des Menschen versinken ohne Gott ins Chaos und führen zum Nihilismus. Sprache ist in diesem Zusammenhang nicht als menschliche Sprache sensu stricto zu verstehen, sondern in einem umfassenden metaphysischen Sinne. Es geht um die Bedeutsamkeit und um das Verstehen der Schöpfung, die nur durch Gott und den Glauben an ihn garantiert werden können, weshalb sich auch der erwähnte ›salto mortale‹ in den Glauben lohnt. Bei seinen Gesprächen und im Briefwechsel mit Humboldt ging es im übrigen um verschiedene philosophische Probleme, aber nicht um Sprachphilosophie (vgl. Hammacher 1976). Manche Ideen Jacobis mochten romantischen Auffassungen entgegenkommen, aber angesichts der heftigen Kritik, die er aus Romantikerkreisen erfuhr, kann nicht davon die Rede sein, er sei ein philosophischer Lehrer der Romantiker gewesen. — Es ist hier nicht mehr möglich, auch auf die heute weniger bekannten Philosophen der romantischen Epoche näher einzugehen. Erwähnt
13. Sprachphilosophie in der Romantik
seien aber wenigstens der niederländische Philosoph Hemsterhuis, der deutsch-norwegische Naturphilosoph und Schüler Schellings Henrik Steffens (1773—1845), der Arzt, Maler und Philosoph Carl Gustav Carus (1789— 1869) und der Naturforscher und Philosoph Lorenz (eigentlich Ockenfuß) (1779—1851). Diese vier Gelehrten haben mit ihren Ideen auf die romantische Bewegung eingewirkt und auch die Sprache gelegentlich mit in ihre Überlegungen einbezogen, ohne sie ausführlich zu thematisieren. Sprachphilosophen im eigentlichen Sinne waren also auch sie nicht. Über den Gesamtzusammenhang haben wir bereits an Hand von Fiesels Die Sprachphilosophie der deutschen Romantik (192 7) berichtet. In der Sprachwissenschaft haben die Gedanken der Genannten jedoch kaum Spuren hinterlassen. — Leider kann im Rahmen dieser begrenzten Darstellung nicht auf die z. T. bedeutsamen Sprachauffassungen und Theorien einzelner Dichter und Schriftsteller der romantischen Epoche eingegangen werden. Es sei aber wenigstens auf die Sprachtheorie von Novalis verwiesen, die Heinrich Fauteck (1939) dargestellt hat, und auf Jean Pauls Vorschule der Ästhetik aus dem Jahre 1804, die ebenfalls wichtige Gedanken über die Sprache enthält.
5.
Gibt es einen romantischen Sprachbegriff?
5.1. Für die Beurteilung der sprachphilosophischen Bemühungen im Zeitalter der Romantik wäre es hilfreich, wenn diese Frage positiv beantwortet werden könnte. Dazu wäre aber der Nachweis erforderlich, daß es eine Sprachauffassung gegeben hat, die sich durch spezifisch romantische Vorstellungen auszeichnet und sich dadurch von anderen Sprachauffassungen, z. B. jener der Aufklärungsepoche, unterscheidet. Dabei wäre auch zu klären, ob sich diese Sprachauffassung nur aus einer Zusammenschau verschiedener Ansichten ergibt oder ob ein Einzelner sie tatsächlich vertreten hat. Der Klärung dieser schwierigen Frage hat sich Kurt Müller-Vollmer in seinem Aufsatz Von der Politik zur Linguistik. Wilhelm von Humboldt und der romantische Sprachbegriff (1976) angenommen. Er geht davon aus, daß Humboldt und einige Zeitgenossen eine Sprachauffassung entwickelt hätten, die auch philosophisch relevant sei. Der so entstandene ›romantische Sprachbegriff‹ ist demnach das Werk mehre-
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rer Denker, wobei Humboldt als der eigentliche Schöpfer der Synthese gilt. Diese Sicht setzt aber voraus, daß Humboldt als Romantiker erwiesen wird. Und Müller-Vollmer behauptet auch, Humboldt sei zu Unrecht der deutschen Klassik zugerechnet worden, er habe vielmehr in engem Kontakt mit den Hauptvertretern der Frühromantik gestanden und habe sogar aufgrund seiner Ästhetik und Dichtungstheorie sowie der Betonung der schöpferischen Einbildungskraft und anderer idealistischer Auffassungen eine Schlüsselstellung innerhalb der romantischen Bewegung eingenommen. Das dürfte übertrieben sein, aber daß zwischen ihm und den Romantikern z. T. enge Beziehungen bestanden, steht außer Frage. Richtig ist, daß die Frühromantiker ebenfalls wesensmäßige Beziehungen zur Sprache und Dichtung entdeckten und wie Humboldt mit der transzendentalen und idealistischen deutschen Philosophie wohlvertraut waren. Diese bot aber, wie Müller-Vollmer zutreffend bemerkt, höchstens methodische Anregungen, aber keine Sprachphilosophie. Eine solche mußten sich die Romantiker selbst schaffen. Müller-Vollmer unternimmt es, Verbindungslinien zwischen den Auffassungen von A. W. und F. Schlegel, Novalis und Madame de Staël zu ziehen, und er weist auf spätere Parallelen zu Coleridge, Benjamin Constant (1767—1830), Victor Hugo und Charles Baudelaire (182 1—1867) hin. Aus einem ganzen Geflecht von Ideen und Doktrinen arbeitet er dann die Sprachauffassung heraus, die er als ‘romantischen Sprachbegriff bezeichnet. — Es würde zu weit führen, der Darstellung im einzelnen zu folgen. Wichtig sind die Eckdaten, die genannt werden. Es sind die Jahre 1794/95 und 1812 /13, also die Zeit des Erscheinens von Fichtes Wissenschaftslehre, A. W. Schlegels Briefe(n) über die Poesie, Silbenmaß und Sprache sowie Madame de Staëls De l’Allemagne und Humboldts Ankündigung einer Schrift über die Vaskische [baskische] Sprache und Nation. Müller-Vollmer unterscheidet in seiner Darstellung fünf konstitutive Phasen. In der ersten habe Humboldt Fichtes generatives Modell der menschlichen Geistestätigkeit auf die Dichtung übertragen, so in seinem Aufsatz Über Göthes Hermann und Dorothea. Die zweite Phase sei gekennzeichnet durch A. W. Schlegels Briefe über die Poesie und seine Berliner Vorlesungen aus den Jahren 1801— 1804. In der dritten Phase sei dann unter dem Einfluß von Schellings Naturphilosophie das Fichtesche Modell nochmals transformiert
226
und ein universalistischer Poesiebegriff entwickelt worden, der in verschiedenen romantischen Schriften nachweisbar sei. Viertens sei dann im kritischen Werk von A. W. Schlegel und Madame de Staël eine Art Verschmelzung von sprachlichem und universalistischem Poesiebegriff feststellbar und schließlich fünftens eine neue Sprachauffassung, und zwar in mehreren Arbeiten Humboldts und in Madame de Staëls Auseinandersetzung mit sensualistischen Auffassungen Condillacs im Werke des Ideologen Joseph-Marie de Gérando (1772 —1842 ). Müller-Vollmer betont den Einfluß der Wissenschaftslehre Fichtes auf Humboldt, obwohl diese aufgrund der abstrakten Deduktionen kaum Humboldts Geschmack entsprechen konnte. Mehr dürfte er Kant zu verdanken haben. Das betrifft auch die von Müller-Vollmer hervorgehobene Oposition von Freiheit und Notwendigkeit in allen Denkakten, weil der individuellen Freiheit durch die apriori gegebenen Voraussetzungen Grenzen gesetzt sind. Dies ist ebenso die Auffassung Fichtes wie Kants. Humboldt überträgt dieses Modell auf die künstlerische Produktivität und dann auf die Sprache selbst. Die Kunst des Dichters besteht demnach in der „Fertigkeit, die Einbildungskraft nach Gesetzen produktiv zu machen“ (Humboldt 1903—36, Ges. Schriften II, 12 7). Das Kernproblem der romantischen Dichtungstheorie, das Verhältnis von (individueller) Poetizität und (allgemeiner) Sprachlichkeit, sucht Humboldt dadurch zu lösen, daß es dem Dichter durch eigene sprachliche Leistungen gelingen muß, „daß aus beidem ein Etwas werde, was mehr sey, als jedes einzeln für sich war“ (12 8). Müller-Vollmer zeigt dann, wie auch A. W. Schlegel zu einer ganz ähnlichen ›genetischen Sprachtheorie‹ gelangt ist. Auch für ihn beziehen sich die sprachlichen Zeichen nicht auf die Gegenstände, sondern auf die ihnen entsprechenden Vorstellungen und Ideen des Menschen. Auf diese Weise kann dieser eine eigene Ansicht von der Wirklichkeit gewinnen, d. h. sich von den jeweiligen Sinnesreizen befreien und eine reflexive Haltung einnehmen (vgl. A. W. Schlegels Berliner und Wiener Vorlesungen). Für die Ausbildung des romantisch universalistischen Poesiebegriffs hält Müller-Vollmer F. Schlegels Gespräch über die Poesie (1800) für maßgebend. Hier soll das ›generative Modell‹ durch Schellings Auffassung der Harmonie von Natur und Geist in seinem System des transzendentalen Idealismus (1800) nochmals umgeformt worden sein. In beiden Bereichen
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wirkt dieselbe schöpferische Kraft, in der Natur noch als unbewußter Geist, der im Menschen zum Bewußtsein gelangt. Diese verbindende Kraft macht das Wesen der Poesie aus. In der ausgebildeten romantischen Theorie durchdringen sich die Auffassungen A. W. Schlegels, Madame de Staëls und Constants. Dabei spielt auch der Konflikt zwischen Freiheit und Notwendigkeit wieder eine wichtige Rolle. 5.2. Den romantischen Sprachbegriff hat Madame de Staël zwar nicht eigens entwickelt, er ergibt sich aber aus zahlreichen Äußerungen über die deutsche und französische Sprache und deren Verschiedenheit und Eignung für bestimmte Gedankenformen, so in mehreren Kapiteln von De l’ Allemagne (vgl. Bd. I, Chap. XII, Bd. II, Chap. IX—XII). Ein Satz wie ‘apprendre une langue c’est acquérir un monde nouveau de sa pensée’ zeigt Geistesverwandtschaft mit Humboldt. Ähnliche Gedanken finden sich bei A. W. Schlegel, j a schon bei Rousseau. Spätere Äußerungen Hugos in seiner Préface de Cromwell zeigen eine frappierende Ähnlichkeit. — Die letzte Phase der Entwicklung des romantischen Sprachbegriffs belegt Müller-Vollmer an Texten Madame de Staëls und Humboldts. Der neue Sprachbegriff wird integraler Bestandteil der romantischen Literaturtheorie Madame de Staëls. Aufschlußreich ist ihre Auseinandersetzung mit de Gérando und dessen von Condillac übernommenen sensualistischen Auffassungen. In ihrer Kritik zeigt sie Vertrautheit mit der deutschen idealistischen Philosophie. Mit Humboldt teilt sie die Auffassung, daß mit dem Auftreten der Sprache die sensualistische Gebundenheit des Geistes aufgehoben wird und etwas gänzlich Neues entsteht: der Mensch wird zu einem eigenschöpferischen Wesen. Der Ursprung der Kunst liegt also letztlich in seiner Sprachfähigkeit. — Schließlich verfolgt Müller-Vollmer noch Humboldts Weg zu den sprachphilosophischen Problemen und zeigt zugleich, daß er dabei erstmals wichtige Unterscheidungen vorgenommen hat, die für die moderne Linguistik selbstverständlich geworden sind. Wichtig ist, daß für Humboldt das sprachliche Zeichen als Erzeugnis der menschlichen Geistestätigkeit eine bestimmte Struktur besitzt. Diese Auffassung entspringt dem Denkansatz des transzendentalen Idealismus und führt zu einer Veränderung des tradierten Zeichenverständnisses. Wenn es nämlich eine regelgebende Tätigkeit des menschlichen Gei-
13. Sprachphilosophie in der Romantik
stes (apriori) gibt, dann muß auch alle sinnliche Erfahrung unter diese Gesetzmäßigkeit fallen, d. h. den ›reinen‹ Formen der Anschauung und den Kategorien des Verstandes unterworfen werden. Humboldt steht hier unter dem Einfluß Kants, erkennt aber, daß die Sprache in die Erkenntnisvoraussetzungen einbezogen werden muß. Daraus ergibt sich dann auch die Strukturiertheit des sprachlichen Zeichens, die sowohl die lautliche als die inhaltliche Seite erfaßt. Dies hat für Humboldts Sprachtheorie weitreichende Folgen. Er überträgt außerdem die in der Poetik entwickelten Prinzipien auf die Sprachwissenschaft und begreift auch die Aufgabe der allgemeinen Grammatik in neuer Weise. Ihre angeblichen Gesetze sind nicht als Abstraktionen aus gegebenen Sprachen aufzufassen, sondern als Regeln der wirkenden Sprachfähigkeit. Sein Entwurf zielt auf das Studium aller existierenden und historischen Sprachen, um daran die Reichweite des menschlichen Sprachvermögens auszumessen. Jede Sprache enthält in ihrem Wesen den ganzen Geist der Menschheit, jedoch in einer ganz bestimmten Ausformung. Das zeigt Humboldt erstmals in seinem Essai sur les langues du nouveau continent (1812 ). So enthält Humboldts sprachphilosophisches Werk alle Facetten des romantischen Sprachbegriffs, an dessen Ausbildung besonders Madame de Staël und A. W. Schlegel beteiligt waren. Aus diesem Aufsatz lassen sich folgende Momente als wichtig für den hier postulierten romantischen Sprachbegriff herausfiltern: (1) Die Hervorhebung der schöpferischen Einbildungskraft in allen geistigen und damit in allen sprachlichen Prozessen. (2) Die Verlagerung der Erkenntnisvoraussetzungen in das Erkenntnissubjekt als Folgen der Postulate der transzendentalen und idealistischen Philosophie. (3) Die Einbeziehung der Sprache in diese Voraussetzungsproblematik, d. h. eine entscheidende Korrektur dieser Philosophie. (4) Die Thematisierung des Gegensatzes von Freiheit und Notwendigkeit, der im Widerstreit von sprachlicher Individualität des Dichters und Allgemeinheit der vorgegebenen Sprache ein Analogon findet. (5) Die Überwindung dieses Widerspruchs durch schöpferische Leistung des Dichters aufgrund der Möglichkeiten, die seine Sprachfähigkeit ihm bietet.
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(6) Die Auffassung jeder Sprache als Trägerin einer bestimmten Weltansicht und damit die Anerkennung ihrer unentbehrlichen Rolle bei der Vermittlung zwischen Mensch, sinnlicher Erfahrung und Welt. Unbedingt hinzuzufügen ist noch der Organismusgedanke, der romantisches Sprachdenken mitgeprägt hat. Dieser hat mehrfach Wurzeln, er findet sich etwa in Kants Kritik der Urteilskraft (§ 65), in der Philosophie Schellings und im naturwissenschaftlichen Werk Goethes. Dazu gehört auch die ›genetische Methode‹, die die Beachtung der Entwicklung von Sprache und Literatur fordert. Hier ist wieder Herder als wichtiger Anreger zu nennen. 5.3. Eine wichtige Ergänzung zur Darstellung Müller-Vollmers bietet der Aufsatz von Formigari De l’idéalisme dans les théories du langage. L’ histoire d’une transition (1988). Er behandelt die gleiche Problematik und berührt sich an mehreren Stellen mit ihr. Formigari geht es darum, den Übergang der sprachphilosophischen Auffassung von der Aufklärung zum deutschen Idealismus und zur Romantik als ein Musterbeispiel eines Ideenwandels zu schildern und dabei sowohl den Bruch als auch die Kontinuität bestimmter Grundvorstellungen aufzuzeigen. Der Hauptgedankengang ist folgender: Im Denken der Aufklärer spielte die Sprache stets eine wesentliche Rolle, sie war als Vermittlerin zwischen sinnlicher Erfahrung und geistiger Aktivität des Subjekts unentbehrlich. Ohne Sprache gibt es keinen reflektierten Gedanken (Condillac). In der deutschen transzendentalen und idealistischen Philosophie wurden die Erkenntnisvoraussetzungen ganz in den Geist bzw. die Vernunft des Menschen verlegt, sie waren a priori, d. h. unabhängig von aller Erfahrung, vorgegeben und bedurften auch der Sprache nicht. Diese wird also als Erkenntnismittel überflüssig und höchstens zum sekundären Ausdruck und zur Mitteilung des Gedachten erforderlich. Aus sprachphilosophischer Sicht ist also diese Philosophie negativ zu beurteilen. Die Leistung der romantischen Denker besteht nur darin, daß sie die Sprache wieder in die Erkenntnisvoraussetzungen einbeziehen und mit dem Postulat der Apriori-Struktur der Subjektivität zu verbinden suchen. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Formigari der Sprachphilosophie Humboldts. Er distanziert sich von der idealistischen Philosophie insofern, als er an der unentbehrlichen Vermittlerfunktion der Sprache festhält. Andererseits macht er sich bestimmte Postulate
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der Philosophie Kants zu eigen, indem er die Apriori-Problematik aufgreift, dabei aber die Sprache als Bedingung der Möglichkeit jeder geistigen Tätigkeit einbezieht. An dieser Stelle fehlt allerdings der Hinweis, daß der AprioriBegriff Kants nicht mehr in dem transzendentalen Sinne der Unabhängigkeit von jeglicher Erfahrung verstanden werden darf, sondern nur im Sinne einer ›Bedingung der Möglichkeit‹. Denn Sprache ist ohne Erfahrung nicht möglich, sie muß erlernt werden, und sie wird im Prozeß der Erlernung zur Grundlage menschlichen Denkvermögens (vgl. Gipper 1987). — Formigari weist dann auf einen angeblichen Zwiespalt in Humboldts Sprachauffassung hin, der darin bestehen soll, daß er einerseits die positiv gegebenen historischen Fakten der Sprache beachtet, andererseits aber spekulative Gedanken über Leistung und Wirkung der Sprache für den Menschen anstellt. Sie stellt die Begriffspaare ‘positiv-spekulativ’, ‘historisch-philosophisch’ für diese Doppelheit der Sehweise heraus. Man könnte die Opposition ‘praktisch-theoretisch’ hinzufügen. Für Humboldt ist in der Tat kennzeichnend, daß er keine philosophische Spekulation duldet, die nicht durch empirische Sprachuntersuchung gestützt werden kann. Es geht ihm stets um die Rolle der Sprachen auf drei Ebenen: der des Individuums, der der natürlichen Sprache bzw. Sprachgemeinschaft und der der Sprachfähigkeit der Menschheit. Die vorgenannten Oppositionen ergeben also keinen Konflikt, sondern sie ergänzen und bedingen einander. Formigari widmet schließlich Humboldts Gedanken des sprachlichen Weltbildes und der sprachlichen Zwischenwelt große Aufmerksamkeit (vgl. 2 .3.2 .). — Den eingangs genannten Wandel der Sprachauffassung vom 18. zum 19. Jahrhundert schildert Formigari noch an mehreren Beispielen. Kontinuität stellt sie etwa in Fichtes Schrift Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache fest, die noch ganz im Sinne der Aufklärung verfaßt ist und sich von ihr nur durch die deduktive philosophische Methode unterscheidet. Sie weist auch auf die Rolle Fichtes, A. W. Schlegels und Schellings für diesen Umbruch der Ideen hin. Für die Frage nach der Existenz eines romantischen Sprachbegriffs ist dem Aufsatz besonders die Einbeziehung der Apriori-Voraussetzungen der deutschen transzendentalen und idealistischen Philosophie in die neue Sprachauffassung zu entnehmen, die sich im Werk Humboldts vollzieht. Man könnte sagen, daß damit die Ergebnisse
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der deutschen ›klassischen‹ Philosophie, in der die Sprache keine entscheidende Rolle spielte, durch eine nachgeholte Korrektur in die Sprachphilosophie eingeholt worden ist. Vergleicht man die Darstellungen von MüllerVollmer und Formigari und stellt erneut die Frage nach einem romantischen Sprachbegriff, so läßt sich zusammenfassend etwa folgendes sagen: Die Epoche hat zweifellos wichtige neue sprachphilosophische Einsichten erbracht. Wichtige Elemente des (sensualistischen) Aufklärungsdenkens sind bewahrt worden. Wichtig ist die Auseinandersetzung mit den Postulaten der transzendentalen und idealistischen Philosophie der Zeit. In ihr wird die Rolle des Subjekts im Erkenntnisprozeß extrem hervorgehoben und die Sprache bei dieser Voraussetzungsproblematik übersehen. Die Romantiker und vor allem Humboldt haben diese neue Grundeinstellung akzeptiert, erkannten aber die Notwendigkeit, die Sprache in diese Voraussetzungen geistiger Tätigkeit einzubeziehen. Nicht klar erkannt worden ist, daß sich der Begriff des transzendentalen Apriori im Sinne völliger Erfahrungsunabhängigkeit nicht auf die Sprache anwenden läßt, die nur mit Erfahrung erworben werden kann. Wenn aber das menschliche Denken engstens mit Sprachbesitz verbunden ist, dann müssen auch die apriori angesetzten Kategorien und Urteile als mit Erfahrung vermischt anerkannt werden. Das Apriori darf dann nur noch im Sinne einer ›Bedingung der Möglichkeit‹ aufrechterhalten werden. Die transzendentale und idealistische Philosophie kann nicht als romantisch bezeichnet werden, wenn auch z. B. bei Schelling romantische Elemente eingeflossen sind. Eine romantische Sprachauffassung als geschlossenes Gedankengebäude hat es nicht gegeben. Wohl ist die Sprache in den Mittelpunkt romantischer Bemühungen gerückt. Humboldts sprachwissenschaftliches Werk stellt zweifellos den Höhepunkt der Entwicklung dar. In ihm vollzieht sich eine Synthese tradierter und neuer philosophischer Vorstellungen, wobei auch romantische Elemente eindringen. Humboldts Werk ist jedoch mehr als eine Zusammenschau von Gegebenem, es bietet etwas unverwechselbar Neues und stellt eine eigenständige Leistung dar. Es ist nicht vertretbar, sie als ‘romantisch’ zu kennzeichnen. Die ‘klassischen’ Elemente sind darin unverkennbar. Ein Besuch des Humboldtschlößchens in Tegel zeigt, in welcher geistigen Atmosphäre der Hausherr lebte und wirkte. Von Karl Fried-
13. Sprachphilosophie in der Romantik
rich Schinkel (1781—1841) in einen klassizistischen Bau verwandelt, birgt das Haus in seinen Räumen griechische Skulpturen und Reliefs, einen römischen Brunnen und hellenistische Plastiken. Ein Antikensaal bietet ein kleines Museum klassischer Kunst. Wenn auch romantisches Gedankengut im Denken Humboldts Eingang fand, als ein Repräsentant der romantischen Bewegung kann dieser Mann nicht gelten.
6.
Die französischen Ideologen
6.1. In fast allen bisher vorliegenden Darstellungen der Geschichte der Sprachwissenschaft und der Sprachphilosophie im Zeitraum der Romantik ist eine Gruppe französischer Gelehrter übersehen worden, die bereits wichtige sprachphilosophische Probleme behandelt haben, welche gelegentlich als Errungenschaften der neueren Sprachphilosophie betrachtet werden. Es handelt sich um die sogenannten Ideologen, einen Kreis von Gelehrten, der sich aus Teilnehmern der seit 1771 im Salon der Madame Helvétius tagenden ›Société d’ Anteuil‹ in Paris gebildet hatte und sich in der Folgezeit noch vergrößerte. Mehrere von ihnen wurden Mitglieder des Pariser ›Institut National des Sciences et Arts‹, das nach der französischen Revolution im Jahre 1795 neu organisiert wurde und die Tradition der französischen Akademie der Wissenschaften fortsetzen sollte. Die uns besonders interessierenden waren Constantin François Chassebœuf Comte de Volney (eigentlich Boisgirais; das Pseudonym Volney ist aus Voltaire und Ferney zusammengesetzt, 1757—182 0), Pierre Jean Georges Cabanis (1757—1808), der Freund und Arzt des Grafen Honoré Gabriel Riqueti de Mirabeau (1749—1791), Pierre Prévost (1751—1839), der Condillac-Schüler Antoine Louis Claude Destutt de Tracy (1754—1836), Marie François Pierre Gonthier Maine de Biran (1766—182 4) und de Gérando. Diese Männer waren der sogenannten englischen Schule, Locke, George Berkeley (1685—1753), Thomas Reid (1704— 1757), David Hartley (1710—1796) und Hume verpflichtet, vor allem aber ihrem Landsmann Condillac, der die Lockeschen Ideen in sprachphilosophischer Sicht weiterentwickelt hatte. Hinzu kommen einige besonders pädagogisch und bildungspolitisch engagierte Gelehrte, die z. T. an den gegründeten neuen höheren Lehranstalten (›Ecoles normales‹, ›centrales‹ und ›spéciales‹) tätig waren. Hier sind zu nennen:
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Pierre Roland François Butet (1769— 18 2 5), Dominique-Joseph Garat (1749— 1833), Jean François de La Harpe (1739— 1803), Pierre-François Lancelin (1769?— 1809), Pierre Laromiguière (1756—1837), Joseph de Malmieux (1753—182 0), Pierre-Louis Comte de Rœderer (1754—1835), Roch Ambroise Cucurron Sicard (1742 —182 2 ), Dieudonné Thiébault (1737—1803) und JeanFrançois Thurot (1768—1832 ). Auf die Ideologen und ihre sprachphilosophischen Auffassungen hat 1959 Harry Burrows Acton (*1908) mit seinem Aufsatz The philosophy of language in revolutionary France wieder aufmerksam gemacht, der Gipper/Schmitter in ihrem Buch Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie im Zeitalter der Romantik (1985) als Ausgangspunkt ihrer Darstellung diente. Inzwischen ist das Interesse an den Ideologen neu erwacht. 1983 fand in Berlin eine Tagung über sie statt, deren Ertrag 1986 von Winfried Busse und Jürgen Trabant in dem Sammelband Les idéologues vorgestellt wurde. Ulrich Ricken (*192 6), der wohl beste Kenner der Sprachauffassung der französischen Aufklärung und der Folgezeit, hat 1984 in seinem wichtigen Buch Sprache, Anthropologie, Philosophie in der französischen Aufklärung. Ein Beitrag zur Geschichte des Verhältnisses von Sprachtheorie und Weltanschauung auch den Ideologen ein aufschlußreiches Kapitel gewidmet (2 50—2 68). Eine weitere Sammlung einschlägiger Aufsätze wurde 1989 und 1991 von Schlieben-Lange (et al.) unter dem Titel Europäische Sprachwissenschaft um 1800 vorgelegt. Da in diesen Beiträgen alle Aktivitäten der Ideologen auf politischem, pädagogischem, sprachtheoretischem und philosophischem Gebiet behandelt werden, bleibt eine Auswertung aus sprachphilosophischer Sicht noch zu leisten. Dazu liefert besonders der Beitrag von Gerda Haßler: Sprachtheoretische und politische Gruppierungen innerhalb der französischen Ideologen gute Voraussetzungen (s. Art. 8). — Vor allem war es die 2 . Klasse des ›Institut National‹ für ›Sciences morales et politiques‹, in der es eine ›Section pour l’analyse des sensations et des idées‹ gab, welche sprachphilosophisch wichtige Fragen behandelte. Die Zielsetzungen der neuen Institution wurden von dem Deisten Volney mitbestimmt, einem vielseitig begabten Gelehrten, der bemerkenswerte Arbeiten zur Vereinfachung des Studiums der orientalischen Sprachen durch die Verwendung der europäischen Buchstabenschrift vorgelegt hatte und außerdem sprachphilosophisch interessiert
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war. Er war überzeugt, daß die Menschen nur dann Übereinstimmung in der Beurteilung ihrer Probleme erreichen könnten, wenn sie die Dinge so erfaßten, wie sie tatsächlich sind. Zwischen der Welt der Phantasie und derjenigen der Realität müsse daher eine Demarkationslinie gezogen werden. Theologische und religiöse Meinungen seien aus der sozialen Sphäre auszuschließen, nur dann würden alle irrigen Religionen durch die einzig haltbare Religion der Evidenz und der Wahrheit ersetzt. Volney weckte bei den Ideologen vor allem ein anthropologisches Interesse. — Cabanis neigte materialistischen und atheistischen Auffassungen zu und soll sich sogar gegen die Erwähnung Gottes im Institut verwahrt haben. Die geistigen Fähigkeiten des Menschen führte er auf hirnphysiologische Voraussetzungen zurück und verglich sie mit natürlichen körperlichen Ausscheidungen der Organe, was zu der zugespitzten Formulierung geführt hat: ‘Le cerveau secrète la pensée comme le foie secrète la bile’. Acton hebt besonders Destutt de Tracy heraus, den Napoleon als das eigentliche Haupt der Ideologen betrachtete. In einer Untersuchung Mémoire sur la faculté de penser (1795) beruft Destutt sich auf Condillac, der, Lockes Gedanken weiterführend, die Sprache für das Denken selbst als ebenso notwendig erachtete wir für den Ausdruck dieses Denkens. Destutt schlägt für diese Forschungsrichtung, die auf der Analyse der Empfindungen (sensations) und Vorstellungen (idées) gerichtet ist, den Ausdruck ‘idéologie’ vor, der der ganzen Forschergruppe die Bezeichnung ‘Ideologen’ eintrug. Zu beachten ist dabei, daß der Ausdruck ‘idée’ einer besonderen Klärung bedarf. Er ist im Sinne Lockes als einfache Sinnesempfindung, zunächst als ›perception by means of sight‹, zu verstehen, wird dann aber auf alle Sinnesempfindungen und schließlich auf die Erfahrung und auf das Denken schlechthin erweitert. 6.2. Zum besseren Verständnis der Zusammenhänge ist auf die Anschauungen von Condillac zu verweisen. Dieser bedeutende Anreger der französischen Ideologen gilt als sensualistischer Philosoph, der Anschauungen Lockes verpflichtet war. Dieser hatte bereits betont, daß die Sprache nicht von der Erkenntnis zu trennen sei. Condillac interpretiert diesen Zusammenhang so, daß Erkenntnis nur durch Analyse der Sinnesempfindungen erreicht werden könne, diese aber sei ohne den Gebrauch von Zeichen, also ohne Spra-
I. Raum-zeitliche Übersichten
che, nicht möglich. Wie Condillac sich die Genese des menschlichen Zeichengebrauchs, also den Ursprung der Sprache aus natürlichen Lauten und Gesten vorstellte, kann hier übergangen werden. Wichtig ist jedoch festzuhalten, daß er die besondere Leistung der sprachlichen Zeichen in ihrer Fähigkeit erblickte, die sinnlichen Erfahrungen zu ordnen. Sie erlauben vor allem Abstraktionen und somit Verallgemeinerungen, die wiederum die Formulierung allgemeiner Aussagen gestatten. Mehr noch: Condillac betont, daß sich die durch die Zeichen erzielten Klassifikationen jeweils nach den Bedürfnissen der sie gebrauchenden Menschen richten, also auch von Sprache zu Sprache verschieden sind. Damit ist zugleich eine bereits bei Locke nachweisbare Einsicht in das Wesen der Sprachverschiedenheit gewonnen, die später in der Sprachphilosophie Humboldts zentrale Bedeutung gewann. — Für die Wissenschaft ergeben sich daraus wichtige Folgerungen: Die Kunst des Denkens wird zu einer Kunst des sprachlichen Ausdrucks des Gedachten, und da die Sprachen selbst als analytische Methoden zur Erkenntnisgewinnung betrachtet wurden, erweisen sich die erfolgreichen Wissenschaften im Grunde als gut gemachte Sprachen. Condillac ist daher auch besonders von der Algebra als der Sprache der Mathematik beeindruckt. Nach deren Vorbild hält er alle philosophischen Probleme für lösbar. — Acton weist darauf hin, daß der Chemiker Antoine-Laurent de Lavoisier (1743—1794) als begeisterter Anhänger Condillacs versucht hat, die chemische Terminologie entsprechend zu verbessern. Die Sektion der Analyse der Empfindungen und Ideen war gegründet auf Lockes Empirismus, welcher durch Condillac zu einer Sprachphilosophie ausgearbeitet worden war. — Die Forschung der Ideologen auf diesem Gebiet sollte durch Preisaufgaben gefördert werden. Diejenige aus dem Jahre V der Republik, d. h. im Jahre 1796, zeigt in ihrer Fragestellung beispielhaft, um welche sprachphilosophischen Probleme es ging und verdient daher hier Erwähnung. „1. Ist es wahr, daß die Sinneswahrnehmungen sich nur mit Hilfe der Zeichen in Ideen umwandeln können? Oder, was auf das gleiche hinausläuft, setzen unsere Ideen ihrem Wesen nach die Hilfe der Zeichen voraus? 2 . Wäre die Kunst des Denkens vollkommen, wenn die Kunst der Zeichen zur Vollkommenheit gebracht würde? 3. Verdanken die Wissenschaften, in denen die Wahrheit ohne Einschränkung akzeptiert wird,
13. Sprachphilosophie in der Romantik
diese Übereinstimmung der Vollkommenheit ihrer Zeichen? 4. Ist in den Wissenschaften, die Anlaß zu ewigem Streit geben, der Gegensatz der Meinungen nicht eine unabwendbare Auswirkung der Ungenauigkeit ihrer Zeichen? 5. Gibt es ein Mittel, die unvollkommenen Zeichen zu verbessern und alle Wissenschaften gleichermaßen für überzeugende Beweisführung geeignet zu machen?“ (Ricken 1984, 262).
Der Ankündigungstext dieser für 1799 ausgeschriebenen Preisfrage ist also offenbar ganz im Geiste der sensualistischen Zeichenauffassung Condillacs formuliert. Den ersten Preis erhielt de Gérando, ein überzeugter Katholik, der zunächst gegen den Konvent gekämpft hatte, zweimal geflohen war, einmal in die Schweiz, dann nach Deutschland, wo er mehrere deutsche Denker kennenlernte. In Paris traf er 1798 auch mit Humboldt zusammen. Seine Antwort wurde in vier Bänden 1799 unter dem Titel Des signes et de l’art de penser, considéres dans leurs rapports mutuels veröffentlicht. Er vertritt darin die Auffassung, daß die geistige Aktivität als Voraussetzung jeglichen Zeichengebrauchs zu gelten habe. In ähnlichem Sinne hatte Maine de Biran von einer ›puissance motrice‹ gesprochen, ohne die es keine Wörter gibt. De Gérando unterscheidet prälinguistische und linguistische Zeichen, erstere lösen Gedanken und Erinnerungen aus, letztere lenken auf deren Bedeutung hin. Innerhalb der sprachlichen Zeichen unterscheidet er solche für konkrete Dinge und für Ideen. Er kritisiert Condillacs Auffassung, wonach Denken nur eine symbolische oder logische Transformation von Sinnesempfindungen sei. Seine diesbezüglichen Einwände trägt er 1804 in dem weiteren Werk Histoire comparée des systèmes de philosophie relativement aux principes des connaissances humaines vor. Das Ziel einer vollkommenen Wissenschaftssprache hält de Gérando für unerreichbar. Wichtig ist, daß er ähnlich wie Locke und Condillac auf die Kulturbedingtheit der Sprachverschiedenheit hinweist. Wie Locke spricht er von verschiedenen Bündeln von Ideen, die je nach den kulturellen Verhältnissen gebildet werden. Maine de Biran hatte sich ähnlich geäußert. Die Frage, ob wissenschaftliche Probleme nur ungenügender Exaktheit der Sprachmittel zuzuschreiben seien, beantwortet er mit dem Hinweis auf weitere zu berücksichtigende Faktoren wie die Verschiedenheit der Temperamente und Interessen der Forscher. Sie können jedem Begriff eine besondere Bedeutung zuschreiben. Eine Verbesserung der Wissen-
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schaften durch Verbesserung ihrer Sprachen scheint ihm nur erreichbar, wenn Humes Unterscheidung von ›truth of fact (relation of ideas to things)‹ und ›abstract truth (relation of ideas to one another)‹ berücksichtigt werde. Insgesamt ist de Gérandos Stellungnahme durch ein Bemühen um die Mäßigung extremer Standpunkte gekennzeichnet. Seine Kritik der Condillacschen Auffassung der ›sensation transformée‹ berührte einen zentralen Punkt der sensualistischen Theorie, fand aber, da sie geeignet war, den gegen die Ideologen erhobenen Vorwurf des Materialismus zu entkräften, vielfache Zustimmung. Die damit verbundene Aufwertung der freien geistigen Aktivität des Menschen nähert ihn auch idealistischen und romantischen Auffassungen. De Gérando hat sich übrigens immer mehr als Außenseiter betrachtet. Er machte unter Napoleon eine politische Karriere und löste sich, ähnlich wie Maine de Biran, von den Ideologen, was ihn allerdings nicht hinderte, nach dem Sturz Napoleons und nach der Julirevolution Mitglied der philosophischen Klasse der ›Académie des sciences morales et politiques‹ zu werden, die eine Art Renaissance ideologisch liberaler Auffassungen einleitete, ohne die frühere sprachtheoretische Diskussion wieder aufzunehmen. Mit dem Gesagten ist die ideologische Sprachproblematik keineswegs erschöpft. Haßler zeigt in ihrem bereits erwähnten jüngsten Beitrag über die sprachtheoretischen und politischen Gruppierungen innerhalb der Ideologen (Haßler 1989), daß deren Auffassungen nicht nur von außen angegriffen wurden, sondern auch innerhalb der eigenen Reihen umstritten waren. Besonders in den Jahren 1795—97 kam es zu heftigen Diskussionen über die philosophischen Grundlagen der Ideologie. Haßler zeigt auch das wechselvolle Schicksal der einzelnen Ideologen in den turbulenten Jahren der französischen Revolution, der napoleonischen Ära und der nachfolgenden Restauration auf. Wie immer in politisch bewegten Zeiten haben sich auch hier manche Gelehrte arrangiert, andere hingegen ihr Leben nur knapp retten können. So konnte sich z. B. Garat, der als Justizminister Maximilien de Robespierres (1758—1794) das Todesurteil für Ludwig XVI. verlesen hatte, trotzdem als Ideologe an der ›Ecole Normale‹ Ansehen verschaffen, während der Abbé Sicard nur um Haaresbreite dem Tode entkam. 6.3. In knapper Zusammenfassung seien hier wenigstens noch einige Hinweise auf die zen-
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tralen Themen gegeben, die kontrovers behandelt wurden. Generell kann man eine mehr materialistisch-positivistische Tendenz, eine mehr spiritualistisch-idealistische Tendenz und eine um Vermittlung zwischen den Extremen bemühte Richtung unterscheiden. Auf der materialistisch-positivistischen Seite ist das Bestreben zu konstatieren, durch strenge Sprachanalyse und Verbesserung der Wissenschaftssprache einen Fortschritt sowohl in der Erkenntnis als auch im öffentlichen Erziehungswesen zu erreichen. Auf dieser Seite wären zu nennen: Garat, sein Schüler Thurot, Malmieux, Butet, Cabanis, Laromiguière, Népomucène Lemercier (1771—1840) und Lancelin. Auf der anderen Seite wären zu erwähnen Saint-Martin, La Harpe, Destutt de Tracy, Sicard und de Gérando. Garat verglich das Denken mit Rechnen und forderte eine analytische Sprachbetrachtung mit dem Ziel erkenntnistheoretischen Fortschritts. Malmieux schlug die Schaffung einer künstlichen Sprache mit vollkommener Analogie, d. h. logisch eindeutiger Strukturierung, und eine entsprechende Universalschrift, ‘Pasigraphie’ genannt, vor. Er stößt damit auf den Widerstand Destutts und Thurots. Cabanis tritt für eine mechanisch-materialistische Psychophysiologie ein, und Prévost hält bereits die maschinelle Ausführung logischer Operationen für möglich. Condillacs 1798 postum von Laromiguière herausgegebenes unvollendetes Werk Langue des calculs, das eine Verbesserung der Wissenschaften durch Anwendung der Analogie (s. Art. 85) als Methode des Schließens empfiehlt, leistet diesen Bestrebungen weiteren Vorschub. Lancelin sieht den Fortschritt der Wissenschaft in vollkommener Abhängigkeit von Zeichen und reduziert ihn ganz auf das terminologische Problem. Neubelebt wurde die Zeichendiskussion durch originelle Anregungen des Abbé Sicard, der als Professor der Sektion des Instituts für allgemeine Grammatik angehörte und als Taubstummenpädagoge auf die Möglichkeit pantomimischer Erzeugungen von Wortbedeutungen und Ideen durch Gebärden hinwies. Er hielt Gebärden nicht nur für die Muttersprache der Gehörlosen, sondern auch zu einer Universalsprache geeignet (vgl. dazu Schumann 1940, 113—144). Sprachphilosophisch sind diese Bemühungen in den zeichentheoretischen Bereich einzuordnen, der heute in der Semiotik weiterentwickelt wird und historisch an die durch Leibniz geförderten Bemühungen um eine ›Mathesis universalis‹ bzw. ›Characteristica universalis‹ anzu-
I. Raum-zeitliche Übersichten
schließen sind. — Auf der Gegenseite tritt besonders Saint-Martin für die Betonung der geistigen, aktiven Rolle der Sprache im Erkenntnisprozeß ein und verwahrt sich gegen eine auf Konvention begründete Zeichenauffassung. Er hebt das Schöpferische in der Sprache hervor und rückt damit in die Nähe romantischer Auffassungen. La Harpe setzt der Sprachanalyse die Rhetorik entgegen und bewegt sich mit seinen Gedankengängen in der spiritualistischen Richtung. Rœderer tritt als um Vermittlung bemühter Denker für die Ergänzung der analytischen Methode durch die notwendige Synthese ein und findet damit die Zustimmung anderer Ideologen. Eine Aufwertung der freien geistigen Aktivität des Menschen unterstützen de Gérando und Maine de Biran, der die Originalität des individuellen Geistes mit der treffenden Bemerkung betont hat: Wenn die Sprache ein Kalkül wäre, dann könnte man sie getrost den Maschinen überlassen. Wenn Denken Rechnen wäre, würde es im Grunde überflüssig, und man sollte den Menschen dann davon entbinden. Mit dem Hinweis auf die freie Willenskraft wendet sich de Gérando auch gegen die materialistische Auffassung des Cabanis. Erwähnenswert ist, daß die Annahme sprachlicher Universalien von nicht wenigen Ideologen bezweifelt wird. Annäherung an bestimmte Auffassungen Humboldts zeigt Thiébault, der zwischen ›caractère d’ une langue‹, d. h. der beobachtbaren grammatischen Struktur, und ›génie d’ une langue‹, d. h. dem darin verborgenen geistigen Verfahren, unterscheidet, was an Humboldts ›innere Sprachform‹ erinnert. Humboldt kannte Thiébault und war sogar bei der Sitzung anwesend, in der dessen Aufnahme ins Institut — allerdings aus anderen Gründen — abgelehnt wurde. Es ist später versucht worden, Humboldt ganz in die Nähe des Ideologen zu rücken und seine Abhängigkeit von den französischen Denkern zu betonen, die er in Paris kennenlernte (Aarsleff 1977). Diese Auffassung ist indessen nicht haltbar und wurde von Gipper und Wulf Oesterreicher (*1942 ) widerlegt (vgl. Gipper/ Schmitter 1985, 99—113; Gipper 1981; Oesterreicher 1981). Unbestritten bleibt, daß Humboldt besonders dort, wo der Sprache eine entscheidende Bedeutung für das Denken eingeräumt und dem Eigencharakter jeder Sprache Bedeutsamkeit zuerkannt wurde, in der eigenen Sprachauffassung bestärkt werden konnte. Mit der gelegentlichen Betonung der aktiven Rolle der Sprache in den Denkprozessen und der in ihr steckenden schöp-
13. Sprachphilosophie in der Romantik
ferischen Momente zeigen bestimmte ideologische Auffassungen Berührungspunkte zu idealistischen und romantischen Sehweisen. — Acton (1959, 2 16) hat folgende Probleme herausgehoben, die von den Ideologen bereits behandelt wurden, dann aber erst im 2 0. Jahrhundert wieder thematisiert wurden: „(1) thinking is essentially talking; (2) language ist a calculus; (3) philosophical problems are pseudo-problems, they can be exposed and dispersed by means of linguistic reform“.
Hinzuzufügen wäre die allgemeine Semiotisierung der Wissenschaftstheorie und ihrer Weiterentwicklung in Richtung auf semantische Fragestellungen, also der Versuch einer Überführung der Philosophie in eine Zeichentheorie, und zwar im Anschluß an Locke und Condillac, aber unter veränderter Blickrichtung und mit neuen Akzenten. Das Ende der Ideologen sieht Haßler weniger durch philosophische Fakten als durch politische Ereignisse bedingt. Die 2 . Klasse des Instituts wurde 1803 durch Napoleon geschlossen, nachdem er sich vergebens bemüht hatte, die verdächtigen Intellektuellen für sich zu gewinnen. Verhängnisvoll für sie war, daß ihnen republikanische, atheistische und materialistische Tendenzen angelastet wurden, ja daß sie in der Restaurationszeit mit der französischen Revolution identifiziert wurden. An diesen Umständen konnte auch die 1832 neugegründete philosophische Klasse der ›Académie des sciences morales et politiques‹ nichts ändern, obwohl sich dort eine Reihe der ehemaligen Gesinnungsgenossen wieder zusammenfanden.
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7.
Literatur in Auswahl
Gipper/Schmitter 1985, Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie im Zeitalter der Romantik. Dieses Buch hat als Grundlage für das vorliegende Kapitel gedient. Die einschlägigen sprachphilosophischen Passagen sind meist stark gekürzt, überarbeitet und zum Teil auch ergänzt worden. Wiederholt ist auf den ausführlichen Ausgangstext verwiesen. Die wichtigsten Titel des Literaturverzeichnisses sind in die Gesamtbibliographie des Handbuchs aufgenommen. Die Ergänzungen betreffen neuere Arbeiten zum Thema und tragen dem heutigen Forschungsstand Rechnung. So ist z. B. Bernhardi stärker berücksichtigt und der Abschnitt über das Verhältnis der systematischen Philosophie zur Sprachphilosophie erweitert, insbesondere bei Fichte und Jacobi. Neu ist der Abschnitt über die wichtige Frage, ob es einen romantischen Sprachbegriff gibt. Ferner ist der Abschnitt über die französischen Ideologen aufgrund zahlreicher neuer Publikationen neu bearbeitet worden. Die neuen Literaturangaben sind ebenfalls in die Gesamtbibliographie aufgenommen. In Auswahl sei hier noch auf folgende Werke verwiesen: Fiesel 192 7, Die Sprachphilosophie der deutschen Romantik. Formigari 1977, La logica del pensiero vivente. Il linguaggio nella filosofia della Romantik. Busse/Trabant (Hg.) 1986, Les idéologues. Sémiotique, théories et politiques pendant la Révolution française. Schlieben-Lange et al. (Hg.) 1989/91, Europäische Sprachwissenschaft um 1800. 2 Bde.
Helmut Gipper, Münster (Deutschland)
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II. Personen Persons Personnes
14. 1. 2.
3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
1.
Plato (427—347) Introduction A brief look at some historical background: relativism, the problem of false belief, and definition The function of language: Plato’s Cratylus The problem of false statement Problems about false belief Further problems about language and thought Language, action and ethics Plato and modern philosophy of language Selected references
Introduction
Plato gives us the first surviving extended treatment in Western thought of problems in the philosophy of language. Moreover, no other philosopher gives more explicit attention to problems about the relations between language and thought, language and reality, and language and action. Through those who have accepted or rejected his views, they continue to influence the development of the philosophy of language in a vital way (cf. 8.). 1.1. However, in one sense it is not at all plain that Plato has a ›philosophy of language‹. For despite certain tempting interpretations, it is inaccurate to think of him as attempting to mak e the philosophy of language into either a separate branch of philosophy or a basis of philosophical activity. Rather, his ideas about language are continuous with and inextricable from the rest of his philosophy. 1.2. One source of the view that accords a special place in his philosophy to considerations about language is the fact that he wrote dialogues rather than philosophical treatises. A desire to understand this fact has suggested that to understand the rest of his philosophy
one must first understand the view of language that led him to that choice. Accordingly, some interpreters, including some associated with ›hermeneutics‹ (e. g., Gadamer 1980), center the study of his work on the dialogue form and associated linguistic issues. This style of interpretation has frequently sought support from the fact that Plato both expressed suspicion of written language (as in Phaedrus 274—289), and can be interpreted as having claimed that his own philosophical views cannot or should not be expressed in treatises (Epist. 7, 341—344 — though the genuineness of this writing has been doubted). 1.3. Another line of interpretation that pictures ideas about language as basic to Plato’s philosophy is offered by commentators of various ›analytic‹ or ›linguistic‹ types. According to such views, philosophical problems are to be understood and resolved by the examination of language. If one wishes to interpret Plato from this standpoint, one may try to see him as seek ing philosophical understanding by means of an understanding of the work ings of language (e. g., Ryle 1939 and Owen 1970). Such a perspective is often associated with an anti-metaphysical tendency, and an inclination to interpret Plato less as of a metaphysician than as a philosopher of language. This approach has been particularly practiced on dialogues usually considered to have been written after the middle of Plato’s life, such as the Parmenides and the Sophist, and has sometimes involved the view that after such work s as the Phaedo and the Republic, in which he was concerned mainly with metaphysics, he changed his whole approach. 1.4. The position to be adopted here is that although claims about the relations between language and reality, language and thought, and language and action, as well as other
14. Plato (427—347)
aspects of the work ings of language, are very important to Plato’s philosophical position, these claims are thoroughly intertwined with other parts of his philosophy and cannot be treated as either its foundation or a separate discipline within it. It is therefore inappropriate to follow the line of thought suggested by some ›analytical‹ interpretations, which would attribute to Plato the Twentieth-Century view that the study of language is the k ey to solving philosophical problems. On the other hand it is equally mistak en to follow a line of thought sometimes suggested by the other interpretative tradition described above (1.2.), which would assign a central place in Plato’s think ing about language to his views on dialogue and dialectical philosophical discussion. For although he believed that the dialogue is the right medium for philosophical expression, his own treatment of language was not focused on the dialogue as the linguistic unit. Rather, when he attack ed problems of how communication and discussion are possible between two or more people, he focused on now-classical problems about the meanings of words and sentences, much as Twentieth-Century philosophers of language, starting from Frege, have done.
2.
A brief look at some historical background: relativism, the problem of false belief, and definition
2.1. In order to focus on what is most important in Plato’s philosophy of language, it will be useful to glance briefly at some historical back ground. The impetus for his treatment of language was the same as that for the other central parts of his philosophy, namely, his desire to defend the notion of ›reality‹ or ›objective‹ facts and the possibility of k nowledge and intelligible discourse about it. The chief obstacle to achieving this goal, he thought, was the relativistic attitude enunciated by Protagoras and also sympathetically regarded by many other think ers of the period. Plato perhaps exaggerates the role of relativism in Protagoras’s own think ing (cf. Kerferd 1981, 83—110), but Plato plainly took the relativist element of the Sophistic movement as his main intellectual adversary (cf. Shorey 1902, 28). This focus is crucial in much of what he said about language. 2.2. From a relativist perspective, the most
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strik ing feature of language was the fact that languages differ one from another in a way that seemed inexplicable and ›arbitrary‹ (cf., e. g., Cratylus 385 d—e, and Rijlaarsdam 1978, 5). That is, there seemed to be no justification for using one expression rather than another to serve any linguistic purpose. Given this premise, to some it seemed legitimate (though in fact it is fallacious) to infer that there are therefore no objective facts about the world to be (truly or falsely) described (Crat. 385 e—386 a). 2.3. This is the back ground, very briefly described, of Plato’s theorizing about language. But the issues just broached immediately give rise to further ones concerning false statement and false belief. They arose because some Sophists, pick ing up an idea of the philosopher Parmenides, attempted to oppose the idea of genuine disagreement about objective facts by denying that anyone can mak e a false statement or hold a false belief, on the ground that in so doing one would have to state or believe ›what is not‹ (τὸ μὴ ὄν), which they alleged to be impossible (cf., e. g., Crat. 429 d, Theaet. 188—189, and the Sophist). Aside from metaphysical issues this matter involves questions in the philosophy of language, about how one can mak e a statement that is both false and meaningful, and it thus requires treatment of the notion of meaning, as well as truth and falsity. 2.4. Even more central to Plato’s concern with language is his interest in definitions corresponding to terms that figure in his discussions. Aristotle (s. art. 15) says (Metaphysics I.6) that Plato derived his interest in definitions from Socrates. However this may be, certain aspects of Plato’s interest in definitions (which manifests itself very strongly in earlier work s such as the Laches and the Charmides), are closely related to his belief in the existence of objective facts not created by human thought or convention. He never regarded definitions either as mere reports of accepted linguistic usage or as arbitrary stipulations. At the same time, however, he fairly early adopted the view that to explain how we understand the meaning or content of expressions, we must mak e reference to certain non-physical entities, which he sometimes called ‘Forms’ (εἴδη). To these, he believed, we must have some k ind of cognitive access if we are to understand the expressions that we employ every day (Phaedo 74—75, and also Parmenides 135 b—c); and defini-
II. Personen
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tions elucidating our words must mak e reference to these things, and thus must not be simply records of actual usage of words, but rather must be accounts of the real nature of properties with objective, mind-independent features, and thus in that sense ›real definitions‹ (cf. 6.2.). Though characters in Plato’s work s assess proposed definitions by mak ing judgments about what is correct to say, Plato never suggests that that correctness consists in mere conformity to accepted usage. Instead, he always represents such judgments as based on, and deriving such credence as they have from, the best effort of the person to state what he think s is in fact true (cf. White 1976, 13—19). In Plato’s view, the correctness of a definition is constituted by its fidelity to facts not created by the thoughts, practices, or verbal activity, of any individual or group of human beings.
3.
The function of language: Plato’s Cratylus
3.1. The only Platonic work devoted primarily to an examination of questions about language is Plato’s Cratylus. But although it is directly concerned with language, it shows the way in which Plato’s interest in language arises directly out of his other philosophical concerns, and manifests Plato’s view that previous theories about language failed precisely because they paid insufficient attention to the philosophical point that such theories ought to have. Since it is Plato’s only extended treatment of the nature of language, its contents should be summarized here. 3.2. The dialogue introduces its subject through a dispute between what are tak en to be the two plausible extant accounts of language, the ›naturalist‹ and ›conventionalist‹ accounts (s. art. 62). It is crucial to the understanding of the dialogue to recognize that Plato himself clearly rejects both of these accounts and offers a quite different one instead (White 1976, 131—140, and Williams 1982). 3.3. It is important (for reasons that we shall see, 4.3.) that Plato mainly treats individual words, especially nouns and adjectives, though he also tak es up a longer sort of unit, which he rather vaguely calls λόγοι (e. g., Crat. 422 a, 425 a; cf. 4.3.). He adopts a special terminology. One term that he uses is ‘name’ (ὄνομα). This term is sometimes used
in a broad sense to cover all of the individual words that he discusses (e. g., Crat. 422 a— b), but at other times it is contrasted, in a somewhat unclear way, with a label for expressions of another type, ῥήματα. (On this distinction, see below, 4.1.) 3.4. The dispute between the ›naturalist‹ and the ›conventionalist‹ theories of ›names‹ (s. art. 62) concerns the issue of what constitutes the ›correctness of a name‹ (the ὀνόματος ὀρθότης, Crat. 383 a, 390 a, 393 a, 394 e), which is tak en as equivalent to the question, what constitutes the relation of a name and a thing under which the name is a (›correct‹) name of that thing. It is important to realize that this question ask s not for some logically accidental feature of that relation, but rather for what it is for an expression to be a name of a given thing, and Plato tak es both theories to attempt to give answers to this question. Both theories tak e for granted that there are in fact such things as both names and objects (without assuming a particular view about what k inds of objects there are), and that it is possible to specify a relation between them. (Thus, neither theory maintains that the account of how language work s will be, e. g., a purely syntactic one mak ing no reference to any entities outside of language.) 3.4.1. The conventionalist theory holds that this relation is always constituted by some k ind of agreement or convention, which brings it about that a particular expression is a name of a particular thing, where there are no constraints of any k ind on which expression a convention may establish as a name of which object (Crat. 384 c—d). 3.4.2. The naturalist theory, on the other hand, holds that the relation between a name and a thing is fixed by features of names and things that are entirely independent of any human action, so that no matter what expression people may use to ›call‹ something, that expression is nevertheless not a name of the thing unless the appropriate ›natural‹ relation obtains between the two (Crat. 383 b— 384 a). 3.4.3. Several features of the conventionalist theory require comment. (1) The theory is neutral as to whether the ›conventions‹ that establish naming relations are set up by groups or by individuals. The theory would therefore allow something that many philos-
14. Plato (427—347)
ophers regard as impossible, but that Plato does not object to (Crat. 435 a), namely, a convention set up by a single person with himself alone. This may seem lik e a strange notion (and it may seem to run against the suggestion contained in the Greek s words ‘συνθήκη’ and ‘ὁμολογία’, for ‘convention’ and ‘agreement’, Crat. 384 d), but Plato never represents the conventionalist theory as maintaining that only a group can establish a naming relation, and the statement of the view at 384 d (cf. also Crat. 385 a, d—e) is that “whatever someone sets up as a name is correct”. (2) The conventionalist theory does not distinguish between the initial establishment of a naming relation between an expression and a thing, and subsequent uses of the name in conformity with the initial convention. Accordingly, the theory fails to separate the question whether a particular convention initially establishing a name can be ›correct‹ or incorrect, from the question whether a particular subsequent use of that name can be so. (3) It therefore appears that Plato’s conventionalist does not insist that language is essentially social. In fact, as we shall see (3.8.), Plato’s own view turns out to do more justice to the social nature of language than the conventionalist view does. 3.4.4. The naturalist theory also requires further explanation. The core of this theory is that there are strict constraints, entirely independent of human thought and practices, on what expressions can be the names of what things. In addition to this core claim of naturalism, Cratylus, its exponent in the dialogue, is also made to hold that a certain particular relation determines namehood, namely, a sort of similarity of a name to that of which it is a name (Crat. 430 a—b). 3.5. Although the details of Plato’s argument are too involved to be recounted here, the basic idea behind his rejection of these two theories and his defense of a distinct theory is that in order to say what constitutes a given expression’s being a name of a given thing, we must be aware of what the function of a name is (Crat. 388 a with Lorenz/Mittelstraß 1967, Kahn 1973, and White 1976, 137—149). This idea is consistent with Plato’s frequent claim that in order to k now what a certain sort of thing is — i. e., to get a definition of it — one must k now the function or use of that sort of thing (e. g., Rep. 601 b—d), at least when the thing in question is a tool or
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artifact. Indeed, Plato says in the Cratylus that a name is a ›tool‹ (388 a). In order to understand what a name is, therefore, one must k now what the function of a name is, that is, what we are to do with names (Crat. 388 b). Plato’s answer is that we use names to ›teach each other‹ and ›discern how things are‹ and “distinguish reality or being (οὐσία) as a shuttle distinguishes the threads of the web [sc. in weaving]” (Crat. 388 b—c). This appears to mean that the purpose to which we put names is to tell each other facts about things, with some k ind of special emphasis on mak ing clear to each other distinctions between distinct things. 3.6. Plato’s uses this idea against the conventionalist theory in the following way. In the first place, he assumes that Protagorean relativism is false (Crat. 385 e—386 b). (This assumption is argued for in the Theaetetus, at 169—179.) On this basis he then argues that both things and actions must have some objective nature. He tak es this to imply that an action must be such that whether it is or is not performed is an objective matter of fact. But since saying (λέγεσθαι) is an action, whether it is or is not performed must be an objective matter of fact (Crat. 387 b—c); and since naming (ὀνομάζειν) is a ›part‹ of saying, it too must be an action, so that whether or not it is in fact performed must be an objective matter of fact (Crat. 387 d). The function of names being what we have seen it to be (cf. 3.5.), anyone who in fact succeeds in naming things must do so in a way that fulfills that function of teaching and distinguishing, and lik e any craftsman, must do it in a medium (in this case consisting of letters and syllables, Crat. 390 e), that is best suited to his purpose. Accordingly, Plato concludes (Crat. 390 d— e), the establishing of a name is not entirely arbitrary and unconstrained, but must be done within the constraints of the function of naming. 3.7. But Plato also rejects the naturalist theory, on the basis of his thesis about the function of naming. His main point is that even if there is a ›natural‹ relation of either similarity or imitation (μίμησις) between a name and the thing that it names, nevertheless there is also another relation, which obtains by virtue of one person’s using a name to call a thing to someone’s mind. Cratylus is made to admit this distinction, when he says that even if everyone calls a thing by a certain expres-
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sion, that expression may not be a name of that thing (Crat. 383 b), which is to admit that there is a relation of the thing’s being ›called‹ by the name, which is distinct from the relation of ›natural naming‹. This ›calling‹ relation is what involved in what Plato later identifies as the function of a name (cf. 3.5. and Crat. 434 e). Plato then argues that convention, or ›habit‹, may play a role in determining which expressions are used for that function, of ›teaching‹ and ›distinguishing‹ (Crat. 434 e—435 c). He agrees with Cratylus that this task is made easier if there is some similarity between the name and the thing, since such similarity will aid in causing a person to think of the intended thing when he hears the name (Crat. 435 c). (He also apparently think s that names ought to be constructed in such a way that their parts call to mind the parts of the things of which they are names, and that atomic names ought thus to be names of atomic things; see Crat. 433 a—b; 424 b—d, with 4.3., and cf. Theaet. 200—202.) But he denies that an expression’s being a name of a thing is constituted by its resembling that thing, since the correctness of saying that an expression is a name of a thing is not a function of the degree of similarity between them (Crat. 432 b—c, 434 c—d). 3.8. The brief exposition of Plato’s own view of the ›correctness of names‹ contains the following points. His main point is that an expression’s being a name of a thing is a matter of its serving to cause another person to think of that thing when the name is used (Crat. 434 e and White 1976, 137—140). Being a name of a thing is therefore a matter of the degree to which it serves that function (Crat. 435 c with 387 a—d and 390 a). Thus, Plato’s account tak es into consideration, more fully than his conventionalist and naturalist opponents (cf. 3.4.3. and 3.4.4.), the idea that language is involved in human interaction. But Plato’s notion of the k inds of communicative purposes served by language directly opposes any form of relativism. On his view, the purpose of language is to cause others to have thoughts about a certain fixed reality, whose existence and structure is not determined by human thought or language. As Plato regards the matter, the purpose of language is not served merely when one person succeeds in causing another person to be in a certain purely subjective psychological state. Rather, the serving of that purpose nec-
II. Personen
essarily involves the second person’s coming to stand in the appropriate cognitive relation to certain obj ects and/or facts, which are correctly describable from a standpoint independent of the subjective states of the speak er and the hearer. The point can be roughly made by saying that for Plato, the k nowledge conveyed by successful use of language must be de re rather than merely de dicto; cf. Quine 1966 a, Kaplan 1969, Putnam 1975 b, and Burge 1977 b. It also introduces difficult problems, about what it is for a person to ›think about (or, of)‹ a particular thing, and what it is for a person to think about the same object that another person ›intends‹ him to. On these issues cf. 6. and 4.4. 3.9. It is possible that Plato tak es his notion of the successful use of language to impose restrictions on the k inds of things that fully successful communication can be about. For commentators traditionally hold that at Cratylus 438—440, he maintains that, strictly speak ing, sensible objects cannot be named, but that the only things that can be named in the strict sense are Forms (cf. 2.4. and White 1976, 145—148). If this is his conclusion, the line of thought leading to it would seem to run as follows. The possibility of naming a thing seems to depend on there being an expression suited for reliably mak ing someone think of that thing, by virtue of bringing to mind its characteristics and perhaps its essence. But to the extent that a thing is subject to change there will be a difficulty, because of variation of the characteristics of the thing that must be conveyed in order to mak e a person bring it to mind. Accordingly, since the Forms (according to Plato) are completely unchangeable whereas sensible objects all change constantly, the only names that will most strictly serve their function will be names of Forms. This argument would not imply that sensible objects cannot be named or brought to mind by language at all. (Or at least this would be an implication only if one interpreted Plato, with some commentators, as holding that sensible objects are so completely unstable that determinate features cannot be ascribed to them at all.) Rather, the implication would only be that sensibles cannot as reliably be brought to mind as Forms can be, and therefore that the function of a name cannot be as completely served with reference to them as it can be with reference to Forms.
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4.
The problem of false statement
The problem of false statement in Plato is a problem in the philosophy of language par excellence, since it arises from, and can be answered only by solving, a difficulty about linguistic expressions. As Plato’s attack s on the problem show, he eventually recognized that the problem can be solved only by distinguishing different functions that linguistic expressions perform, thus complicating the simpler view set forth in the Cratylus, according to which only a single function of expressions is recognized (cf. 3.8.). 4.1. Though a distinction between ὀνόματα and ῥήματα — best translated in a neutral way as ‘names’ and ‘verbs’ — is drawn in the Cratylus (399 a—c, 421 d—e, 425 a, 431 b— c), it is not brought to bear on the main issue there, concerning the relation between expressions and things. Plato there seems to hold (Crat. 431 b) that both names and verbs are equally and in the same manner associated with things in the world. The philosophical need for a distinction among expressions is made evident in the Sophist and also in the Theaetetus (187—200). 4.2. To address the problem of false statement one must show that a statement can be both false and meaningful. The obstacle in the Sophist is that since a false statement is tak en to state ›what is not‹, and since stating ›what is not‹ is held to amount to ›stating nothing‹, which is in turn held to amount to ›not stating‹, a putative false statement therefore turns out to be a non-statement, so that there is no possibility of a false statement that has content or meaning. To surmount this obstacle, one must show that it is one thing for a statement to be false, and quite another thing for it to be without meaning. 4.2.1. When we turn to expressions smaller than whole sentences, there is an equal necessity of distinguishing different functions that they may have. For if we tak e the components of a sentence to mak e contributions to both its truth/falsity and its meaningfulness/meaninglessness, then we must distinguish the function of contributing to the truth of a sentence from the function of contributing to its meaningfulness, to see that an expression might perform the latter but not the former. Although syntactically different expressions might characteristically mak e the
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one contribution or the other, the crucial point is to distinguish the two different functions themselves. 4.2.2. Another issue has to be k ept separate from this one. In the Sophist (255 e—256 a, e. g.) it appears that at least sometimes Plato is worried, lik e many philosophers, that if an expression purporting to refer to something fails in fact to do so, then the whole sentence in which it figures might thereby be rendered meaningless. (Note, however, that the interpretation of the Sophist on this point is controversial; cf. Owen 1970.) To avoid this result, one must mak e yet a further distinction between functions of expressions. For it is at least conceivable that if a putatively referring expression fails to refer to anything, then a sentence containing it may either (a) be false, or (b) lack truth-value, without being thereby meaningless. Thus we must distinguish three functions that an expression may have: (i) to refer to a thing, (ii) to contribute to the truthvalue of a containing sentence, and (iii) to contribute to the meaning(fulness) of the containing sentence. 4.3. It would probably be too much to say that Plato made all of these distinctions, but in the Sophist, at 261—264, and especially at 262 a—e, he goes a considerable way toward recognizing the differences in function that expressions may perform, and using it to solve the problem of false statement. There he realizes that a λόγος, such as ‘A man learns’, does something different from what a term lik e ‘man’ or ‘learns’ does by itself (cf. 3.3.). Here the term ‘λόγος’ almost certainly means ‘sentence’ or something close to it. In the Cratylus and the Theaetetus he mak es a distinction between simple and compound ›names‹, and supposes that the parts of an expression ought to mak e a contribution to the work ings of the whole, but he suggests no important distinction between the respective functions of expressions and their components (cf. 3.7.), and indeed in the Cratylus seems to assume that expressions have only one function (cf. 3.5.). Accordingly, what is notable in the Sophist is the crucial distinction there, between a sentence and a component thereof, drawn in terms of a difference in function. Plato also notices that in such a λόγος there must be one expression of each of two types, a ›name‹ and a ›verb‹, each mak ing a contribution to the special thing that a λόγος does.
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5.
II. Personen
Problems about false belief
5.1. One of Plato’s problems about false belief arises entirely from the foregoing problem about false statement, and is solved, as Plato saw, as soon as the problem of false statement is solved. This is the problem that Plato addresses in the Sophist, of mak ing sense of the idea that in the statement that S believes that p, it may be that p, the sentence giving the content of the belief, is false. In effect, believing falsely is felt to be problematic simply because it is held to be believing ›what is not‹, in the sense of believing something represented by a sentence that states ›what is not‹, which is in turn held to be problematic for reasons explained above (4.2.). Accordingly, when Plato attack s this problem in the Sophist he proceeds by explaining how it is possible to mak e a false statement, and once that has been done, he can mak e short of work of explaining, on that basis, what it is to have a false belief (263 d—264 b). 5.2. In addition to the problem of false belief just discussed (5.1.), Plato is also worried about a distinct set of problems, concerning the possibility of a particular k ind of false belief involving the notion of identity. These problems must be dealt with separately from the issue about false statement, because they explicitly raise additional questions about the relations among thought, language, and things in the world. The questions directly relevant to the philosophy of language are principally two: (1) What is involved in think ing ›about‹ a particular object, in such a way that one can have belief or k nowledge ›about‹ it? (2) Does all cognitive activity somehow involve language? Let us see briefly how these questions arise in Plato’s work , beginning with the former, and then (in 6.) turning to the latter. 5.3. In the Theaetetus, Plato discusses the question, ‘What is k nowledge (ἐπισήμη)?’ Although he reaches no satisfactory conclusion, one of his suggestions is that k nowledge is true belief with a λόγος (Theaet. 202—210). Three possible notions of λόγος are examined. The pertinent one for present purposes is that k nowledge about a thing is true belief about it along with having a ›sign‹ or ›mark ‹ (σημεῖον) by which the thing differs from everything else (Theaet. 208 c). This account is rejected on the ground that if one has a true belief about a thing, one must already
be able to distinguish it from everything else, or otherwise the belief would not be about that particular thing (Theaet. 209 c—e). If so, then the proposed definition is equivalent to saying that k nowledge about a thing is simply true belief about it, which Plato has already rejected earlier (Theaet. 200 e). The discussion raises important issues about what it is for an ›intentional attitude‹, such as k nowledge or belief, to be ›about‹ or ›directed (intentionally) toward‹ a particular object. Plato’s idea, that adopting such an attitude may require a person to ›have‹ (in some sense) a ›sign‹ by which the thing is distinguished from everything else, is reminiscent of Frege’s view that if a sentence expresses a complete thought, each singular term in it must express a sense (Sinn) that uniquely specifies a thing (cf. Frege 1892 a). It is also connected with problems about the notion of belief (and other intentional attitudes) de re (as opposed to de dicto; cf. 3.8.). Unfortunately, the delineation of these connections would require far more space than is available here. 5.4. Related issues also emerge in Theaetetus 187—188 and 189—200, where Plato raises the question whether a person can believe falsely that a is identical with b. He reaches no satisfactory explanation of how it is possible, the upshot of the discussion is difficult to be sure of. For in the Sophist, where he tries to explain how it is possible to have false belief, construed as belief concerning ›what is not‹ (cf. 4.2. and 4.2.2.), he neither explicitly treats false identity-beliefs nor says anything that seems relevant to the problems about them raised in the Theaetetus. Very briefly, the problem in the Theaetetus appears to be that, as Plato views the matter, if one is to have a false belief, then it must be a false belief about (in some sense) a particular thing, and if it is about that thing, then the thing must somehow enter into one’s think ing; but if it is true to say that that particular thing, as opposed to something else, has really entered into one’s think ing, then it cannot be the case that it fails to be distinguished, in one’s think ing itself, from other objects. Accordingly Plato cannot see any way in which one could believe about a and b that they are identical if in fact they are not. In the present passage, he does not lay down any such principle as the one just now compared to Fregean views (cf. 5.3.), but instead his ideas here seem more closely compartable to some that have been inspired by Russell (cf. McDowell 1969
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and 1973, 196 f). That is, he could be interpreted as holding that if one believes that a is thus-and-so, then there is a certain proposition in which the thing, a, itself (rather than some ›representation‹ of it) is a constituent, so that if one believes that a is identical with b, then the things, a and b, are themselves constituents of the proposition that one believes. But if this be so, then it can seem problematic how one could mistak enly identify them. (It should be noted that this is not the account usually offered by Russell of beliefs, e. g. in 1912, 125—130.) Regardless of Plato’s exact view on these issues, his discussion obviously treats questions of how we may describe the relation between intentional attitudes and things that they are about.
6.
Further problems about language and thought
These matters bring us close to question (2), above (cf. 5.2.). In fact, question (2) involves a host of different issues which are frequently confused with each other. For example, what is the relation between a person’s believing that a is F, on the one hand, and the person’s standing in some relation to some seemingly ›linguistic‹ entity, such as the sentence ‘a is F’, or the thought or proposition that a is F? If a person believes that a is F, does that entail that he stands in some particular relation to a sentence or a proposition? And if believing that a is F does entail standing in some relation to such a ›linguistic‹ thing, is that thing (whether it be a tok en of a sentence, or some sort of representation of a proposition) somehow ›in one’s mind‹, whether ›stored‹ or ›encoded‹ in one’s brain or nervous system, or in some other way (cf. Putnam 1975 b, Field 1978, and Fodor 1975)? (These issues are closely connected with the question whether semantic notions are reducible to intensional notions, or vice versa, or whether neither sort of notion is reducible to the other; cf. 3.8. and 6.4. with Field 1978 and Stalnak er 1984, 1—25.) Next, if some such thing as a sentence is thus ›in one’s mind‹, what implications does that have, if any, for whether it is available to conscious introspection? For instance, if one believes that a is F, can one always tell, simply by ›introspecting‹ one’s consciousness, what the content of one’s belief is, or is it possible to have beliefs whose content is not k nown to one merely on the basis of introspection (cf. Burge 1979 b and
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1982)? These questions arise at various important points in Plato’s work s, partly because of the connection between his philosophy of language and his epistemology. A number of these points should be surveyed briefly here. 6.1. Plato is often interpreted as holding that the best k ind of k nowledge (ἐπιστήμη) is a k ind of ›direct‹ and ›non-discursive‹ cognition of Forms. (For example, this sort of interpretation has traditionally been offered of Symposium 211—212, Republic 510—511, and other passages.) Although terms lik e ‘direct’ and ‘non-discursive’ are ambiguous, they have been used to ascribe to Plato the view that there is a k ind of k nowledge concerning Forms that in some sense does not involve language. One version of this interpretation would hold that ›direct‹ k nowledge is merely k nowledge not formulated in sentences of some actual natural language present in the mind of the k nower. Another interpretation would hold that such k nowledge does not involve any k ind of propositional content at all, but rather a k ind of k nowledge of less than propositional complexity. Yet another interpretation would hold that, even though k nowledge of a Form always involves a propositional content in the mind of the k nower, nevertheless the thing that the k nowledge is about, namely, the Form, is itself present to the k nower’s mind (as Russell, 1910 a and 1912, maintained could be the case), without being given to the mind under some ›mode of presentation‹ (as Frege 1892 a held). But these interpretations leave open a further question, whether a person can, merely by conscious introspection, identify the object of his cognition as being the particular thing that it is (cf. White 1976, 217—231, Fine 1979, and Sorabji 1982, 299—301, for different perspectives on this interpretative problem). 6.2. Similar questions arise in the interpretation of the Cratylus. When Plato examines the ›naturalist‹ theory of naming (cf. 3.7.), he assumes that it mak es sense to suppose that there was an original name-giver who set down all of the names of things correctly, on the basis of k nowledge about them (Crat. 438 a—e). (This ›correctness‹, he says, is not constituted by mere consistency, because any number of assignments of names might be consistent, even if only one can be ›correct‹ (Crat. 436 b—e).) He insists on this because he opposes the view that the only way in
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which to discover the facts about things is to examine their names (Crat. 435 d—436 a, 438 a—b). Indeed, he wishes to deny that one can reliably gain k nowledge of a thing merely by examining its name, because one would thereby be relying on the judgment — which might well be false — of whoever established the name. (His argument does not depend on saying that there ever actually was a historical name-giver, but only on saying that the supposition mak es sense.) If the name-giver began his work before there were any names, what is meant by saying that he had k nowledge of the things that he was to name? Does it mean, for example, that some sort of linguistic (and possibly propositional) content can be ascribed to him by us, even though he himself was not in any way using language? Or are we to suppose that even the attribution to him by us of cognitive states with linguistically expressible content would be mistak en? This question about the name-giver is closely connected to questions that we may ask about our own k nowledge concerning Forms, or any other objects. As has been mentioned, Plato regarded definitions as definitions of things, or ›real definitions‹, whose correctness consists in standing in the correct relationship — whatever that may be — to things or facts external to language, not as definitions of expressions, or ›nominal definitions‹, whose correctness would consist in accurately reflecting facts about the usage, or other features, of those expressions (cf. 2.4.). The question then arises how a person can k now that such a definition is correct. Does one k now it, for instance, by having some k ind of k nowledge of the thing that is in some sense prior to or independent of the use of language, as is suggested by the interpretation of Plato’s epistemology mentioned above (cf. 6.1.)? Certainly much of what Plato says suggests that he might well espouse an affirmative answer to this question, but the issue is under debate (cf. 2.6. with Ebert 1974, 37— 54, White 1976, 217—231, Wieland 1982, 224—236, Fine 1979, and Sorabji 1982). 6.3. A related question arises about what Plato says in the Theaetetus concerning false identity-beliefs (cf. 5.4.). At one point, he seems to claim that if one is to have a belief about something, it must be a thing that one ›k nows‹ (Theaet. 188), and he proceeds to argue that if one ›k nows‹ a thing one cannot falsely believe that it is something else. Later,
II. Personen
he mak es a different argument (summarized above at 5.4.), which says that if one is to have a belief about something, one must (in Plato’s phrase) ›grasp it with one’s soul‹ (Theaet. 190 c—e), or, in the case in which one’s belief concerns numbers, ›in one’s thought‹ (Theaet. 195 e). Although he here draws a close connection between language and think ing, or perhaps a certain k ind of think ing (cf. 6.4.), it is hard to be sure what he means by this notion of ›grasping‹ a thing, and whether or not it could simply amount to being able to use a linguistic expression referring to the thing. 6.4. In spite of the foregoing passages, Plato elsewhere arguably holds that all think ing depends on language in some substantial way. Theaet. 189 e—190 c (and perhaps 206 d), seems to say that think ing (διάνοια) is simply having one’s mind (or soul) ›go through‹ a λόγος, ask ing itself questions and giving answers, whereas to form a belief or to judge (δοξάζειν) simply is to ›assert (λέγειν) something to oneself‹. Similar views are also expressed at Sophist 263 e—264 b and Philebus 38—39. The question arises whether he is saying here that all types of cognitive state, and of think ing in the broadest sense, involve language or linguistic activity, or merely that some of those states do. Even in Theaet. 189 e—190 c, his talk of ›grasping‹ a thing (cf. 6.3.) shows that, in his view, to think ›about‹ a particular thing is not simply to have a word in mind that refers to it. That is, he seems not to be maintaining that the intentional relation is fully definable in terms of a semantic one (cf. 3.8. and 6.). Indeed, the same conclusion can probably be drawn from the Cratylus, where he seems to suggest that which expression is a name of a thing depends, at least in part, on which expression a person uses to ›call‹ that thing (cf. 3.7. and 3.8.).
7.
Language, action, and ethics
The relation between language, on the one hand, and human action, emotion, and motivation, on the other, was always treated by Plato as a matter of vital concern, and is from some points of view the most important part of his philosophy of language, and shows once again the inseparability of his views of language and his views on psychology in general (cf. 1.4.).
14. Plato (427—347)
7.1. The activity and theory of rhetoric formed a central part of Plato’s intellectual back ground, as we can see from such work s as the Gorgias. The power of words to stir people’s emotions and move them to action was extremely interesting to him, in large part because it was a salient part of political life in Greece, especially in Athens, and so many Greek intellectuals believed that it could be made the subject-matter of a systematic discipline. Plato sometimes seems to doubt this possibility (notably throughout the Gorgias), and at other times seems to give it some credence (as perhaps in the Phaedrus, at 273 d—e), but the issue itself plays a very large role in his thinking. 7.2. Early on Plato apparently accepted Socrates’ view that it is impossible to act against a fully held belief about what is the best course of action, at least in some sense of ›best‹ (cf. esp. Protagoras 348—362). It is generally thought that later on, in the Phaedo and after, he admitted the existence of motivations within a person that sometimes deflect him from acting as he think s is best. One might suppose that in Plato’s view language had only to do with the part of the personality, or soul, that he called the ›rational‹ or ›reasoning‹ part (the λογιστικόν). However, he mak es clear that he think s that words can affect other parts of the personality, notably by stirring the emotions, and also that reason is capable of conveying ›beliefs‹ to other parts of the personality (Rep. 442 c—d). 7.3. Although Plato distinguishes the ›reason‹ or ›rational‹ part of the personality from other parts of it, he does not mak e a distinction between two functions of language, a ›factstating‹ or ›cognitive‹ function and an ›emotive‹ function. It is frequently pointed out that when he think s of the ›rational‹ part of the soul or personality, he does not uphold the k ind of view of reason that is usually attributed to Hume, according to which reason never ›moves‹ us but merely calculates means to ends that are set by desires, which are themselves regarded as external to reason. On the contrary, reason in Plato’s view possesses its own desires (which he sometimes even calls ἐπιθυμίαι, as in Rep. 580 c—581 e). Moreover it is clear that for Plato there is in some sense no separation between reason’s k nowledge of what is good (ἀγαθόν) and its desire to do it (even if other parts of the personality can
243
interfere). That is, it is supposed to be impossible for the reason to apprehend that a thing is good and nevertheless not desire that it be accomplished or exemplified (Rep. 505 d—506 a). Thus, in Plato’s view, it is quite impossible for reason itself, once it has judged that something is good, even to raise the practical question whether or not to pursue it. Clearly he would not have accepted the distinction, advocated by some, between the ›cognitive‹ and the ›emotive‹ components of the meaning of the word ‘good’ or any other ›evaluative‹, or ›ethical‹, or for that matter ›aesthetic‹ word. On his view, goodness (τὸ ἀγαθόν) is an entirely objective property (cf. 2.1.), while at the same time the judgment that something has that property will always of itself move the person, to some extent, to desire and pursue the thing, even if other parts of the soul work in the contrary direction. The meaning of a term lik e ‘good’ is accordingly to be understood as combining inextricably the notions of objectivity and attractiveness.
8.
Plato and modern philosophy of language
We may conclude with some remark s about how to locate Plato’s views within modern work in the philosophy of language. Such descriptions of historical figures, while inevitably somewhat anachronistic, are necessary to the use of their work as food for our philosophical thought. The modern figure whose views on these matters most strongly resembles Plato’s is probably Gottlob Frege (s. art. 34) (though there are also strong similarities between Plato and Bertrand Russell, who in such work s as The Problems of Philosophy was consciously inspired by Plato; see Russell 1912, 91). The well-k nown fact that both Plato and Frege believed in the existence of non-physical entities, particularly entities involved in mathematics, is perhaps the most superficial of the many similarities between them. A deeper similarity lies in the fact that both were strongly opposed to relativism concerning matters of scientific investigation (cf. 2.1.—2.4. and Frege 1918), and took this opposition as their main reason for believing in both the existence of such entities and the mind’s ability to have access to them. Both of them, moreover, appealed to such entities in their explanations of the meaning or content of linguistic expressions (or at least something resembling such a notion), Plato in his
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II. Personen
theory of Forms (e. g., Phaedo 74—75), and Frege in his theory of senses and thoughts (›Sinne‹ and ›Gedank en‹, esp. in his 1918) (s. art. 81). Both also believed that actual linguistic usage can be a misleading guide to the facts about reality outside of language (cf. 6.1.—6.2. and Frege 1918), and therefore both considered it essential for a philosopher to get behind the misleading appearances presented by language, and to reform language, so far as possible, to eliminate those misleading appearances. In addition, both had to try to say how the human mind could have cognitive access of any k ind to entities not perceptible by the senses. Frege responded by involving the metaphor of ›grasping‹ (›Fassen‹, in Frege 1918), while Plato used various, often metaphorical expressions, including those related to vision (e. g., Rep. 518—519). (The two disagreed, however, on the status of evaluative judgments and expressions.) Finally, both believed that if genuine intersubjective communication was to be deemed possible, as the basis of a common enterprise of k nowledge, then it was absolutely necessary to accept the existence of these entities (Frege 1918, and Parmenides 135 b—c and Timaeus 51 d—52 a). It is equally illuminating to contrast Plato and Frege together with the later Wittgenstein, who rejected the idea of objective abstract platonic entities as the fixed and determinate meanings of linguistic expres-
sions, and substituted for it a more pragmatist outlook which, partly because of its relativistic-seeming tendencies would have been anathema to both Plato and Frege. It is no accident that in his Philosophical Investigations Wittgenstein begins his discussion of language by attack ing these three targets: Frege (PU § 22), a part of Augustine’s thought which is clearly influenced by Platonism (PU §§ 1—5), and a part of Wittgenstein’s Tractatus. We can see that Plato is still a force in the philosophy of language in the Twentieth Century, and that the understanding of both of Plato and of the problems that he revealed can fruitfully be pursued together.
9.
Selected references
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Nicholas P. White, Ann Arbor, Mich. (USA)
15. Aristoteles (384—322) 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Einleitung Werkbezogener Teil Systematischer Teil Zur Forschungslage Literatur in Auswahl
Einleitung
Es ist schon fast ein einleitender Gemeinplatz in der Literatur zur Sprachphilosophie des Aristoteles, daß ihm weder ein einheitlicher Begriff von Sprache zur Verfügung gestanden (Graeser 1983, 199), noch daß er die Sprache zum eigenständigen Objek t seines philosophischen Interesses erhoben hätte, z. B.: „Unlik e
the Stoics, Aristotle did not mak e language a topic of philosophical discourse“ (Graeser 1977, 373) oder: „Es ging Aristoteles primär nicht um die Sprache, sondern um die Sache, die in der Sprache zur Darstellung gelangt“ (Oehler 1984, 86). Dies ist sicher richtig, und doch auch wieder nicht: Zweifellos ist erstens die aristotelische Sprachterminologie verwirrend vielfältig (ὀνόμτα, λόγος, ἑρμηνεία διάλεκτος u. a. m.) und im einzelnen vieldeutig (z. B. λόγος = Wortgruppe, Satz, Definition, Text, menschliche Sprache). Aber andererseits gibt es auch ein k lar erk ennbares Streben nach terminologischer Fixierung des Begriffs ‘Sprache’ in bestimmten Kontexten, z. B. in den biologischen Schriften auf διά-
15. Aristoteles (384—322)
λεκτος und in der Poetik und der Rhetorik auf λέξις (Ax 1986, 127 ff; 133 ff). Sicher richtet Aristoteles zweitens sein philosophisches Interesse primär auf Struk turen des einfachen und k omplexen begrifflichen Denk ens (wie z. B. im Organon) oder auf Struk turen der außersprachlichen Realität (wie z. B. in den biologischen Schriften). Er war bestimmt k ein Philosoph, der sprachphilosophische Monographien verfassen wollte, oder etwa ein Linguist mit der erk lärten Absicht, Struk turen der griechischen Sprache zu beschreiben, wie später etwa der griechische Grammatik er Apollonios Dysk olos (2. Jh. n. Chr.). Und doch muß gerade unter dem Aspek t der Objek tbestimmung seiner Philosophie betont werden, daß die sprachphilosophische Perspek tive, auch wenn sie nicht als eigenständiges Objek t einer Monographie erscheint, deshalb k eineswegs vernachlässigt wird. Im Gegenteil: Sie erhält im Gesamtwerk des Aristoteles ein derart auch quantitativ erstaunliches Gewicht, daß man doch wieder versucht ist, von der Sprache als einem Objek t aristotelischer Philosophie zu reden. Dieses intensive sprachphilosophische Interesse äußert sich auf zwei Weisen: Einerseits k ann es sich zu einer größeren, k lar umreißbaren sprachbeschreibenden Passage verdichten wie etwa in den Kapiteln 1—4 von De interpretatione oder den Kapiteln 19—22 von De poetica — zumindest abschnittsweise widmet sich Aristoteles also doch direk t der Sprache als Beschreibungsobjek t. Andererseits findet sich eine Unzahl über das gesamte Werk verstreuter sprachphilosophischer Einzelbeobachtungen, die die Beschreibung des jeweiligen Objek tbereichs stetig begleiten. Sie sind von dem für die aristotelische Philosophie geradezu k onstitutiven Bemühen hervorgerufen, den fraglichen Gegenstandsbereich entweder mit Hilfe der Sprache, insofern sie nämlich die Struk turen des begrifflichen oder sachlichen Objek tbereichs widerspiegelt, oder gegen die Sprache, insofern sie solche Struk turen verdeck t und ihrer Erk enntnis hinderlich im Wege steht, beschreibend zu erfassen. Neben dieser eher äußerlichen Differenzierung nach zusammenhängenden Passagen und Einzelbeobachtungen lassen sich auch inhaltliche, vom Beschreibungsobjek t her bedingte Motive sprachphilosophischer Ansätze bei Aristoteles unterscheiden. Sie erwachsen hauptsächlich aus Beschreibungszusammenhängen (1) der Biologie und Psychologie, (2) der Logik und (3) der Poetik und Rhetorik . Sie betreffen genauer: die Sprache als Lauterzeugung, als ak ustisches Phänomen, also den
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lautphysi k alischen, bzw. -physiologischen Aspek t, die von den sprachlichen Lautzeichen symbolisierten Denk inhalte und -operationen, also den logisch-semantischen Aspek t, und die situations- und gattungsgerechte Sprachverwendung in Dichtung und Rede, also den stilistischen, bzw. pragmatischen Aspek t der Sprachbetrachtung. Der k omplexen Vielfalt des Phänomens ›Sprachphilosophie bei Aristoteles‹ wird dieser Artik el natürlich nicht gerecht. Es k ann nur auf dem Wege der repräsentativen Auswahl ein erster Zugang vermittelt werden. Das Material wird am besten erfaßt in einem werk bezogenen Teil, der vor allem größere Passagen im Zusammenhang bespricht, und einem nach systematischen Aspek ten gegliederten Teil, der die Fülle der über das Gesamtwerk verstreuten Einzelbeobachtungen zu ordnen versucht. Zum Schluß werden einige Bemerk ungen zum derzeitigen Forschungsstand gemacht.
2.
Werkbezogener Teil
2.1. Organon Sprachreflek tierende Passagen, deren Besprechung im Zusammenhang sich lohnt, finden sich vor allem im Organon und in der Poetik und Rhetorik . Aus dem Organon wähle ich die ersten vier Kapitel von Categoriae, die Kapitel 1—4 von De interpretatione und große Teile der Schrift De sophisticis elenchis, aus De poetica die Kapitel 19—22 und aus Rhetorica die Kapitel III 1—12. 2.1.1. Categoriae 1—4 Die Kapitel 1—4 der Kategorienschrift (dazu jetzt grundlegend der Kommentar von Oehler 1984 mit ausführlicher Bibliographie 120 ff; vgl. auch Graeser 1983, 202—207) bieten k einen in sich geschlossenen, k ohärenten Sprachbeschreibungsversuch wie etwa die ersten Kapitel von De interpretatione, aber sie enthalten doch für Aristoteles’ Sprachphilosophie insgesamt so grundlegende Distink tionen, daß sie hier nicht übergangen werden dürfen. Der Schnitt nach Kapitel 4 ist dabei willk ürlich, denn eigentlich wäre die gesamte Schrift mit ihrer Fülle von Sprachbeobachtungen heranzuziehen. Die Kapitel 1—3 geben Begriffserk lärungen, die die Behandlung der zehn Kategorien (Kap. 4—9) vorbereiten sollen. Kapitel 4 enthält die berühmte Kategorientafel. Im ersten Kapitel werden drei Beziehungen zwischen den Dingen und ihrer Bezeichnung
246
(ὄνομα) behandelt: die Homonymie, Synonymie und Paronymie. Diese drei Beziehungen haben größte Bedeutung für den sprachphilosophischen Ansatz im Gesamtwerk des Aristoteles, denn sie sind das wichtigste Hilfsmittel der Bedeutungsanalyse, die als Kontrollinstrument der begrifflichen Erfassung eines Objek tbereichs eingesetzt wird. Ich werde im systematischen Teil unter 3.3.3. darauf zurück k ommen. Im zweiten und dritten Kapitel geht es (grob) um verbundene und unverbundene sprachliche Ausdrück e, um die Aussage von Dingen als Prädik ate von Subjek ten und um spezifische Differenzen von Gattungen. Wichtig ist hier der Anfang des zweiten Kapitels (1 a 16—19), denn er bereitet die Liste der zehn Kategorien vor, die in 1 b 25 f sämtlich der Klasse ›Unverbundene Ausdrück e‹ zugewiesen werden. Dieses Verzeichnis der zehn Kategorien im vierten Kapitel (1 b 25—2 a 4) umfaßt bek anntlich Substanz, Quantität, Qualität, Relation, Ort, Zeit, Zustand, Haben, Tun und Leiden. Eine Auswertung dieser und anderer Passagen für die Sprachphilosophie des Aristoteles ist erstens deshalb schwierig, weil er durchweg, seiner primären Neigung zum Begrifflichen entsprechend, überwiegend onomasiologisch verfährt, d. h. nicht von sprachlichen, sondern von begrifflichen und sachlichen Gegebenheiten ausgeht, und dann nach deren sprachlicher Bezeichnung fragt (so besonders deutlich im Kap. 1). Τὰ λεγόμενα [das Gesprochene] (z. B. 1 a 16 und 1 b 25) k ann also auch Sprachstruk turen, aber ebensogut, wenn nicht eher, die von ihnen bezeichneten Begriffsstruk turen oder sogar die von diesen erfaßten Gegebenheiten der Realität meinen (dazu Oehler 1984, 205). So ergibt sich aus dem onomasiologischen Beschreibungsansatz des Aristoteles ein oft irritierendes, k aum trennbares Ineinander einer linguistischen, begrifflichen und ontologischen Perspek tive, was übrigens k eineswegs bedeutet, daß er sie nicht im Prinzip k lar geschieden hätte, wie noch unter 3.3.2. zu k lären sein wird. Aus dieser Irritation erk lären sich die k onk urrierenden Versuche, die Kategorientafel linguistisch, prädik atenlogisch oder ontologisch zu deuten. Das zweite Problem liegt darin, welches Kriterium der Unterscheidung ‘Verbundene vs. unverbundene Ausdrück e’ eigentlich zugrundeliegt. Aristoteles scheint mir hier selbst den richtigen Weg zu weisen, wenn er das Kriterium des Wahrheitswertes einführt (2 a 7 ff). Er trennt hier (wie später noch deutlicher in De interpretatione Kap. 1) die bloß
II. Personen
semantische Leistung isolierter Satzglieder von der an ihre gegenseitige Verk nüpfung gebundene Leistung des Zu- oder Absprechens von Wahrheit. Der Wahrheitswert ist nicht schon als semantisches Merk mal in unverbundenen Ausdrück en mitenthalten, sondern resultiert erst aus der Verk nüpfung mit dem Urteilspartner auf der nächsthöheren Ebene des Satzes (vgl. Ax 1979, 271; 273 — anders Oehler 1984, 178 f). Das Kriterium für die Trennung verbundener und unverbundener Ausdrück e ist also die satzsemantische Leistung des ἀληθές [Wahren] oder ψεῦδος [Unwahren], die von den Kategorien als isolierten Konstituenten des Aussagesatzes noch nicht erbracht werden kann. Welche Rolle spielen nun also die Kategorien für den sprachphilosophischen Ansatz des Aristoteles? Nach unseren Vorüberlegungen k ann es nicht verwundern, daß die Kategorien neben logischen und ontologischen Deutungen immer wieder auch als das Ergebnis linguistischer Analysen verstanden wurden, etwa als Wortartenk lassifizierung oder als ›analysis of the Greek sentence‹ (vgl. Oehler 1984, 52; 57; 72; 84). Solche Deutungen sind natürlich, wenn sie ihren linguistischen Er k lärungsansatz verabsolutieren, unangebracht. Schon Aristoteles hat unmißverständlich vor einer Verwechslung von linguistischen Klassifik ationen und seinen Kategorien gewarnt, nämlich in De sophisticis elenchis I 4 (166 b 10—19): ὑγιαίνειν [gesund sein] hat dasselbe σχῆμα τῆς λέξεως [sprachliche Form] wie ‘schneiden’ oder ‘bauen’. Aber unter dem Aspek t der Kategorien bedeuten das erste Verb eine Qualität und einen Zustand, die beiden anderen eine Ak tivität. Dies empfiehlt unbedingt eine nicht primär an den äußeren Sprachstruk turen orientierte, sondern eine von der äußeren Wortform unabhängige, semantische Auffassung der aristotelischen Kategorien. Gleichwohl ist es legitim, auch die Sprachdimension wieder in die Deutung der Kategorien einzubringen — insofern, als sich die semantischen Einheiten nur durch die Analyse sprachlicher Einheiten, nämlich durch Abtrennung lexik alischer Einheiten aus dem Satzzusammenhang, identifizieren lassen. Unter sprachbeschreibendem Aspe k t k önnten also die Kategorien durchaus als ›Semantik der Konstituenten des Aussagesatzes‹ verstanden werden, während sie unter logischem Aspek t ›Typen der Prädik ation‹ und unter ontologischem ›Gattungen des Seienden‹ repräsentieren mögen (vgl. Oehler 1984, 68).
247
2.1.2. De interpretatione 1—4 In den ersten vier Kapiteln von De interpretatione geht es um die das Gesamtthema λόγος ἀποϕαντικός [Aussage, Urteil] vorbereitenden Definitionen des λόγος und seiner Teile. (Zur These einer nachträglichen Revision des Kap. 4 durch die Kap. 1—3 vgl. Ax 1979, 273, Anm. 13). Zu diesem Zweck werden nach allgemeinen sprachsemiotischen Vorbemerk ungen im Kapitel 1, von denen später im Abschnitt 3.3. die Rede sein wird, das ὄνομα [Nomen] im Kapitel 2, das ῥῆμα [Verb/Prädik at] im Kapitel 3 und schließlich der λόγος [hier: Satz] im Kapitel 4 bestimmt. Dieser Abschnitt ist neben De poetica 19—22 der einzige, in dem die Sprache unzweifelhaft thematisiert wird und der zu den beiden k ohärenten Beschreibungsansätzen zählt, die die Sprache als ein System hierarchisch gegliederter Struk turelemente vorstellt. Das im Vergleich zur Poetik noch relativ einfache System von De interpretatione umfaßt nur drei Konstituenten (Nomen, Verb, Satz) und verbleibt ausschließlich im Bereich sinnvoller Stimmlaute. Es ist deshalb wohl auch das ältere System (vgl. Ax 1986, 206). Das in den Definitionen von Nomen, Verb und Satz verwendete Genusmerk mal (vgl. zum folgenden Ax 1986, 131 f) und die spezifischen Differenzen sind primär semantisch, denn alle Definienda gehören der Gattung ϕωνὴ σημαντική [semantische Verlautbarung] an, unterscheiden sich aber durch ein zweites semantisches Merk mal, die Teilbedeutsamkeit. So ist λόγος eine bedeutsame Verlautbarung, deren
Abb. 15.1: Schema der Ausgliederung des Urteilssatzes
isolierte Teile etwas bedeuten, z. B. die Satzglieder (16 b 26 ff), und ist das Nomen (bzw. Verb) ein ebenfalls bedeutsamer Laut, dessen isolierte Teile jedoch nichts bedeuten (16 a 19 ff), z. B. μ/υς von μῦς [Maus] (16 b 31). Dazu treten weitere Differenzen, die den λόγος generell — und damit auch seine Konstituenten — und speziell den Unterschied zwischen Nomen und Verb betreffen. Die erste Differenz trennt die Spracheinheiten Nomen (16 a 19) und Satz (17 a 1 f) als konventionelle, aufgrund von Verabredung (κατὰ συνθήκην) bedeutsame Stimmlaute von den ϕύσει, d. h. auf natürliche Weise semantischen Stimmlauten von Tieren (16 a 26—29). Die nächste Differenz ist wiederum semantisch, denn sie trennt das Zeitwort (ῥῆμα) vom zeitlosen Nomen (16 b 6 ff). Der λόγος als teilbedeutsame Lautäußerung läßt sich mit einer weiteren Differenz untergliedern in Satzarten ohne (z. B. die Bitte 17 a 4) und mit Wahrheitswert (Aussage, Urteil). Schließlich zerfällt der Satz mit Wahrheitswert noch in Affirmation und Negation. In ein dihäretisches Schema übertragen ergibt sich also folgende Ausgliederung des Urteilssatzes (s. Abb. 15.1; ∅ bedeutet anonyme Position in der Gattungshierarchie). Die vier Kapitel weisen eine Fülle von Einzelproblemen auf, die eine umfangreiche Literatur hervorgerufen haben. Darauf k ann hier mit Ausnahme der Semiotik von Kapitel 1 nicht eingegangen werden. Die Literatur ist bequem zugänglich bei Hellmut Flashar (1983, 203 f; 295 f) und bei Hans Arens (1984), der den ersten vier Kapiteln von De interpretatione eine ganze Monographie (allerdings
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zum großen Teil Übersetzungen) gewidmet hat (vgl. 3.3.1.; jetzt auch Montanari I 1984; II 1988). 2.1.3. De sophisticis elenchis Die Schrift De sophisticis elenchis handelt von den Trug- oder Scheinschlüssen, so wie sie nach Aristoteles’ Darstellung von den Scheinweisen, den Sophisten, für die dialek tische Argumentation verwendet wurden (165 a 19 ff). Hauptquelle zur Herstellung solcher Scheinschlüsse ist das geschick te Ausnutzen vor allem von Gegebenheiten der Sprache (165 a 4—6). Daher gehören weite Teile der Schrift in diesen Zusammenhang. Die Scheinschlüsse entstehen vor allem dadurch, daß man eine naive Gleichsetzung zwischen den Dingen und ihren Bezeichnungen vornimmt, also Eigenarten des sprachlichen Zeichensystems verk ennt oder auf die bezeichnete Realität überträgt. Es heißt: „Denn da es nicht möglich ist, im Dialog die Dinge selbst zu übermitteln, sondern wir statt der Dinge die Wörter als Symbole verwenden, glauben wir, daß das, was auf die Wörter zutrifft, auch auf die Dinge zutreffe [...]. Aber eben dies ist nicht das Gleiche. Denn Wörter und die Menge der Sätze sind der Zahl nach begrenzt, die Dinge aber sind unbegrenzt. Notwendigerweise muß also ein- und derselbe Satz und ein einzelnes Wort Mehreres bezeichnen“ (165 a 6—13).
Die Vermeidung von Fehlschlüssen liegt also gerade in der wachsamen Distanz zur Sprache und ihren Fallstrick en. Unter diesem generellen Aspek t werden in den Kapiteln 4—6 sechs sprachliche (Kap. 4) und sieben außersprachliche (Kap. 5) Möglichk eiten von Scheinschlüssen vorgeführt. Die in der Sprache liegenden sechs Modi sind die Homonymie (ὁμωνυμία), Amphibolie (ἀμϕιβολία), Verbindung (σύνθεσις), Trennung (διαίρεσις), Aussprache (προσῳδία) und Sprachform (σχῆμα λέξεως). Die Homonymie ist die Namensgleichheit: Zwei Dinge teilen sich einen Namen, wie z. B. τὸ δέον das k ausal und das moralisch Notwendige bedeutet (165 b 35 ff). Die Amphibolie ist die syntak tische Doppeldeutigk eit, z. B. „Laß’ mich die Feinde (bzw. die Feinde mich) ergreifen!“ (166 a 6 f). Die Verbindung und Trennung ist die fehlerhafte Interpretation von Satzk onstituenten, z. B. richtig: „Er k ann nicht schreibend schreiben“ und falsch: „Er k ann nicht schreibend schreiben“ (166 a 23 ff; 33 ff). Scheinschlüsse aus der Prosodie entstehen aus der Verwechslung der Aussprache gleichgeschriebener Wörter, z. B. οὐ [nicht] und οὖ
II. Personen
[wo] (166 b 1 ff). Fehlschlüsse aus der sprachlichen Form beruhen z. B. auf der Ink ongruenz zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht, zwischen sprachlicher und semantischer Kategorie (166 b 10 ff). Kapitel 6 faßt diese sprachlichen Fehlschlüsse noch einmal systematisierend zusammen (168 a 23 ff). Kapitel 19—23 liefern die entsprechenden Abwehrstrategien gegen die fallaciae dictionis. Die Schrift enthält noch sehr viel mehr an sprachbezogenen Reflexionen, die hier nur stichwortartig erwähnt werden k önnen, z. B. wichtige Bemerk ungen zum Wert der Sprachanalyse für die Erkenntnis: „Denn es ist schwer, auseinanderzuhalten, was in gleichem und was in verschiedenem Sinn gesagt wird — denn wer das leisten k ann, ist nahe daran, die Wahrheit zu erk ennen — [...]; weil wir alles, was von etwas ausgesagt wird, als ein bestimmtes Etwas und als eine Einheit auffassen“ (7,169 a 30— 35, ähnliches findet sich auch 16, 175 a 5 ff und 33,182 b 22 ff).
Daneben stehen eher äußerlich grammatische Überlegungen zum Solözismus, zu Sprachfehlern also, etwa zu falschem Genusund Kasusgebrauch in den Kapiteln 14 und 32. Die Schrift ist bisher in der Forschung, soweit ich sehe, stark vernachlässigt worden (Literatur bei Flashar 1983, 204; 296, Resümee 240). 2.2. Poetik/Rhetorik 2.2.1. De poetica 19—22 Die Kapitel 19—22 von De poetica dienen der Beschreibung eines der sechs Tragödienelemente, nämlich ihrer sprachlichen Formulierung, der λέξις (vgl. dazu Ax 1986, 132 ff). Nach der (hier zunächst uninteressanten) Vorbemerk ung von Kapitel 19 gibt Aristoteles im Kapitel 20 ein Verzeichnis der μέρη τῆς λέ ξεως [der Sprachsegmente] in Form einer Sprach k onstituentenanalyse in aufsteigender Linie vom k leinsten, dem Laut, Buchstaben (στοιχεῖον) bis zum größten Segment, dem λόγος [Satz, Text]. Ihm folgt mit Kapitel 21 eine Gruppierung des Wortschatzes (εἴδη ὀνόματος) nach morphologischen (Komposita, Erweiterungen etc.) und stilistischen Kriterien (Normalwörter, Glossen, Metaphern etc.). Der λέξις-Teil der Poetik endet mit Bemerk ungen zur ἀρετὴ τῆς λέξεως [sprachliche Vorzüge] im 22. Kapitel, d. h. vor allem zur Klarheit (σαϕές) und Angemessenheit (πρέπον) der poetischen Dik tion. Damit deck t der Lexis-Abschnitt der Poetik nach Inhalt und Disposition den späteren Aufbau der antik en ars grammatica mit ihren Hauptteilen (1)
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Sprachelemente (Kap. 20), (2) Wortarten (Kap. 20) und (3) Vorzüge und Fehler der Sprache (Kap. 22) bereits ganz ab, so daß der Prototyp der ars nicht erst bei den Stoik ern, sondern schon vor der aristotelischen Poetik anzusiedeln ist (Ax 1986, 132, Anm. 53). Im 20. Kapitel werden die Sprachsegmente in einer an De interpretatione 1—4 erinnernden, aber doch erheblich differenzierteren Weise gruppiert. Für alle Definienda gilt wiederum die Genuszuweisung ϕωνή [Stimme]. Sie verzweigt sich in folgende Sprachk onstituentengruppen: (1) nicht mehr segmentierbare Laute (στοιχεῖα [Laute/Buchstaben]) (2) segmentierbare und bedeutungslose Laute (συλλαβή, σύνδεσμος [Silbe, Konjunktion]) (3) segmentierbare und bedeutsame Laute (ὄνομα, ῥῆμα, λόγος [Nomen, Verb, Satz/ Text]) (4) bedeutsame, aber nicht teilbedeutsame Laute (ὄνομα, ῥῆμα, [Nomen, Verb/Prädikat]) (4 a) zeitlose Wörter (ὄνόματα [Nomina]) (4 a) Zeitwörter (ῥήματα [Verben/Prädiate]) (5) bedeutsamer und teilbedeutsamer Laut (λόγος) (5 a) isolierter Logos (λόγος1 [Satz]) (5 a) verbundener Logos (λόγος2 [Text, z. B. die Ilias]) Unter Einbezug der Stelle 1456 b 22 ff (Tierlaute) ergibt sich daraus folgende Dihärese (s. Abb. 15.2).
Abb. 15.2: Teile der Lexis
Das im Vergleich zu De interpretatione (vgl. 2.1.2.) wesentlich k omplexere System der λέξις und ihrer Teile in De poetica zeigt, daß Sprache sich aus semantischen und asemantischen Lautgebilden zusammensetzt. Damit wird Aristoteles zum Wegbereiter der stoischen Sprachdihärese (s. Art. 2). Denn, wenn in De poetica der stets semantische Logos unter die umfassendere, weil semantisch neutrale Lexis tritt, so ist damit die spätere stoische Differenzierung von Lexis (semantisch neutrale, artik ulierte Lautäußerung) und Logos (stets semantische, artik ulierte Äußerung) bereits im Keim angelegt, mit deren Hilfe die Sprache in der stoischen Theorie mit größerer Konsequenz als bei Aristoteles als ein Doppelsystem bedeutungsloser (Sprachlaute) und bedeutsamer ›Atome‹ (Wortarten) beschrieben wird. Die Stoik er unterscheiden sich außerdem von Aristoteles durch den Einbezug des von De poetica und De interpretatione noch getrennten physi k alisch-biologischen Komplexes der Sprachbetrachtung in ihre Dialek tik , wahrscheinlich unter dem Einfluß der xenok ratischen Dialek tik (vgl. Ax 1986, 206 f — Resümee u. Literatur bei Flashar 1983, 252; 305—308; 358—364). 2.2.2. Rhetorica III 1—12 Im dritten Buch von Rhetorica wird nach der Lehre von den Redegattungen und den Beweisen (Buch I, II) und vor der Lehre von der Disposition der Redeteile (τάξις, Buch III 13—19) an zweiter Stelle die Lehre von der sprachlichen Formulierung der Rede gegeben (λέξις, Buch III 1—12). Der Abschnitt steht
II. Personen
250
in vielfältiger Beziehung — es gibt Querverweise — zum Lexis-Abschnitt der Poetik , Kapitel 19—22, enthält aber k eine Analyse der Sprach k onstituenten. Vielmehr liegt der Schwerpunk t der zahlreichen, im ganzen wenig systematisch geordneten Detailbeobachtungen auf der ἀρετὴ τῆς λέξεως (virtus dicendi), d. h. auf dem richtigen, der jeweiligen Sprechsituation und Wirk ungsabsicht angemessenen Einsatz sprachlicher Mittel, was natürlich umgek ehrt der Vermeidung situationsund wir k ungsunangemessener Formulierungen entspricht. Unter diesem Aspek t werden u. a. besonders die Stilnormen Klarheit (σαϕές, Kap. 1), Sprachrichtigk eit (ἑλληνίζειν, Kap. 5) und Angemessenheit (πρέπον, Kap. 7) empfohlen. Dazu treten Empfehlungen zur Rhythmisierung (Kap. 8) und zu periodischen Gestaltungen des Satzbaus (Kap. 9). Neben den Kapiteln 21/22 von De poetica vermittelt die Fülle der Hinweise zur angemessenen sprachlichen Gestaltung der Rede in Rhetorica III 1—12 ein eindruck svolles Bild vom Reichtum der Sprachbetrachtung aus pragmatischer Perspek tive, der hier leider nur gestreift werden k ann. Das aus pragmatischen Erwägungen gewonnene Postulat der sprachlichen Anpassung der Rede an die Eigenarten der Redesituation (z. B. schriftlicher, mündlicher Vortrag, Publik um etc.) wird übrigens in Kapitel 12 explizit erhoben und für die einzelnen Redegenera erläutert. Weiterführende Kurzdarstellung und Literatur findet man bei Flashar (1983, 253—256; 308—310; 364—374; bes. 371 f).
3.
Systematischer Teil
Im folgenden werden ohne Anspruch auf Vollständigk eit die meines Erachtens wichtigsten Ansätze der aristotelischen Sprachphilosophie systematisch geordnet in gebotener Kürze dargestellt, jetzt unter Berück sichtigung des Gesamtwerk s. Natürlich k önnen in dem hier gegebenen Rahmen jeweils nur wenige Belege herangezogen werden, die ich für repräsentativ halte. Für die meisten Detailaspek te gibt es eine Fülle weiterer Belegstellen. Ich bespreche zunächst den biologischpsychologischen, dann den pragmatischen und schließlich den semiotischen Ansatz, also von der weitesten in Richtung auf die jeweils engere Perspek tive (Sprache als Naturphänomen, Sprache als Kommuni k ationsvorgang, Sprache als Zeichensystem). Zur Gefahr einer solchen systematisierenden Betrachtung vgl. Ax (1978, 266).
3.1. Der biologisch-psychologische Aspekt In einigen Partien seiner biologischen und psychologischen Schriften k ommt Aristoteles bei jeweils disparaten Beschreibungszielen zu einem relativ geschlossenen sprachreflek torischen Ansatz, den ich hier in gebotener Kürze sk izziere (vgl. dazu ausführlich Ax 1978; Zirin 1980; Ax 1986, 121 ff und zuletzt Sinnott 1989, 39 ff). Aristoteles versucht hauptsächlich an zwei Stellen die ak ustischen Genera Laut (ψόϕος), Stimme (ϕωνή) und Sprache (διάλεκτος) durch Dihärese zu unterscheiden: De anima II 8 (419 b 4 ff) und Historia animalium IV 9 (535 a 27 ff). In De anima II 8 geht es im Rahmen der Behandlung der fünf Sinne (II 7—11) um das Gehör und dessen Objek te. Oberste Gattung in der Hierarchie der ak ustischen Sinnesobjek te ist ψόϕος [Geräusch jeder Art], der mit den Merk malen (1) ›Kollision fester Körper‹ und (2) ›individuelles Objek t des ak ustischen Sinnes‹ bestimmt wird. Eine seiner Spezies ist die ϕωνή [Stimme], die mit Hilfe der Differenzen (1) ›von Lebewesen‹, (2) ›mit dem Atmungsapparat‹ und (3) ›mit einer Ausdruck sabsicht‹ erzeugter Laut ausgegliedert wird. Die Lautspezies ‘Sprache’ erscheint in De anima II 8 noch nicht als Glied der ak ustischen Dihärese, aber es werden doch bereits zwei wesentliche Eigenschaften miterfaßt: die Artik ulation (420 b 8) und die Semantizität (b 19 f). Allerdings wird das letzte Merk mal bereits Lautäußerungen der Klasse ϕωνή [Stimme] zugeschrieben, die für Aristoteles immer schon in σημαντικὸς ψόϕος [bedeutsamer Laut] ist (420 b 32 f). Dihäretisch gefaßt wird die Sprache erst in der Historia animalium IV 9. Hier werden die ak ustischen Genera Laut (ψόϕος), Stimme (ϕωνή) und Sprache (διάλεκτος) zur zoologischen Artenbildung verwendet (535 a 27 ff). Denn man k ann die Tiere einteilen in solche, die bloße Geräusche (ψόϕοι) hervorbringen, weil sie nicht über den stimmbildenden Atmungsapparat verfügen (z. B. Insek ten), in solche, die, entsprechend ausgestattet, Stimmlaute (ϕωναί) erzeugen (z. B. Säugetiere) und schließlich in solche, die die Stimme mit Hilfe eines zusätzlichen physiologischen Apparates (Zunge, Lippen, Zähne) zur Sprache (διάλεκτος) artik ulieren k önnen (z. B. Vögel, Menschen). διάλεκτος [Sprache] wird also im biologisch-psychologischen Kontext als die mit bestimmten Organen erzielte Arti k ulation eines mit dem Atmungsapparat erzeugten bedeutsamen Lautes eines belebten schallproduzierenden Wesens bestimmt. Die genaue
15. Aristoteles (384—322)
Betrachtung dieser Sprachdihärese und einer Reihe von Stützstellen ergibt weitere Differenzierungen: Die mit semantischen (Laut/ Stimme) und physiologischen Mer k malen (Laut/Stimme/Sprache) gezogenen Grenzen im Bereich ak ustischer Sinnesobjek te fallen nicht mit der Grenze Mensch/Tier zusammen, denn auch Tiere k önnen mit der Stimme k ommunizieren und auch artik ulieren (z. B. Vögel). Trotzdem scheint Aristoteles Menschund Tiersprache voneinander getrennt zu haben, und zwar zunächst unter semantischem Aspek t: Der menschliche Logos hat ethische, rationale Inhalte im Vergleich zu den bloß affektiven des Tieres (Politica 1, 2, 1253 a 7 ff). Tiere erreichen also ϕωνή und διάλεκτος, aber nicht λόγος. Aus semiotischer Sicht läßt sich der Definition des ὄνομα [Nomen] in De interpretatione (16 a 19, 27 ff) und des στοιχεῖον [Sprachlaut, Buchstabe] in De poetica (1456 b 22 ff) entnehmen, daß Aristoteles die menschliche Sprache weiter durch das Merk mal der Konventionalität des bedeutsamen Lautzeichens und durch die Kombinationsfähigkeit der Sprachlaute zu k omplexeren Einheiten, also durch die phonematische Struk tur des sprachlichen Zeichens von der Tiersprache absetzt. Aufgrund wahrnehmungstheoretischer und zoologischer Überlegungen bestimmt also Aristoteles mit einer zweistufigen physiologischen und einer semantischen Differenz den ψόϕος [Laut] als Kollision und individuelles Hörobjek t, die ϕωνή [Stimme] als k ommunik ativen, mit dem Atmungsapparat erzeugten Laut eines Lebewesens und διάλεκτος [Sprache] als artik ulierte Stimme. Außerhalb der Dihärese erscheint die artik ulierte Stimmspezies λόγος [menschliche Sprache], der semantisch besondere Inhalte ausdrück t und semiotisch (1) k onventionell bedeutsam und (2) phonematisch struk turiert ist. Aristoteles gelangt also im naturwissenschaftlichen Kontext nicht physiologisch, wohl aber semantisch und insbesondere semiotisch zu einer wenigstens in Grundzügen erk ennbaren Abgrenzung der menschlichen Sprache.
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anten dieses Modells hergeleitet werden. Grundsätzlich gilt für jede sprachliche Äußerung (λόγος) das Kommunikationsdreieck:
Abb. 15.3: Das Kommunikationsdreieck
Die drei Redegattungen unterscheiden sich aufgrund bestimmter Eigenarten der drei Konstituenten dieser generellen Sprechsituation, nämlich in der Zeitposition des Verhandlungsgegenstandes (G) und in der Funk tion der Instanzen Sprecher (S) und Hörer (H). Unterschiedlich ist auch das Ziel des jeweiligen Kommunik ationsvorganges. In der Beratungsrede liegt G in der Zuk unft, S rät zu oder ab (προτροπή, ἀποτροπή), H soll zu einer die Zuk unft betreffenden Entscheidung ak tiviert werden (ὁ περὶ τῶν μελλόντων κρίνων). Ziel ist es, den Redegegenstand als nützlich (συμϕέρον) oder als schädlich (βλαβερόν) erscheinen zu lassen. In der Gerichtsrede ist G vergangen, S k lagt an oder verteidigt (κατηγορία, ἀπολογία), H soll ebenfalls ak tiviert werden, aber jetzt über einen vergangenen Fall urteilen (ὁ περὶ τῶν γεγενημένων κρίνων). Ziel ist es hier, den Redegegenstand als gerecht (δίκαιον) oder als ungerecht (ἄδικον) erscheinen zu lassen. In der Festrede ist G zeitlich neutral, S lobt und tadelt (ἔπαινος, ψόγος), H bleibt passiver Rezipient der Rede (θεωρός). Ziel ist es hier, den Redegegenstand als ehrenvoll (καλόν) oder als tadelnswert (αἰσχρόν) auszuweisen:
3.2. Der pragmatische Aspekt 3.2.1. Ein Kommunikationsmodell (Rhetorica I 3) In Rhetorica I 3 (1358 a 36 ff) wird ansatzweise ein sprachliches Kommunik ationsmodell entwick elt, aus dem die drei Redegattungen, die Beratungsrede (γένος συμβουλευτικόν), die Gerichtsrede (γένος δικανικόν) und die Festrede (γένος ἐπιδεικτικόν) als Vari-
Abb. 15.4: Die Redegenera
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3.2.2. ›Sprechakte‹ Im Kapitel 4 von De interpretatione (17 a 1—7) wird, wie schon unter 2.1.2. beschrieben, das Urteil, der λόγος ἀποϕαντικός, einleitend von anderen λόγος-Arten abgesetzt. Nur das Urteil besitzt Wahrheitswert, andere λόγοι, wie etwa die Bitte (εὐχή), nicht. Sie sind weder wahr noch falsch, und für ihre Behandlung ist laut Aristoteles die Rhetorik und Poetik zuständig. Damit ist beispielhaft angedeutet, daß Aristoteles über das Urteil hinaus Kenntnis von sprachlichen Phänomenen besaß, die wir — mit allen Gefahren solcher Gleichsetzung — nach John R. Searle (* 1932) ‘speech acts’, ‘Sprechak te’, nennen. Noch deutlicher wird diese Kenntnis im Kapitel 19 von De poetica (1456 b 8—19). Dort werden zu Beginn der Besprechung der λέξις (vgl. 2.2.1.) solche ›Sprechak te‹ wieder, aber jetzt beispielreicher, erwähnt: ἐντολή [Befehl], εὐχή [Bitte], διήγησις [Bericht], ἀπειλή [Drohung], ἐρώτησις [Frage] und ἀποκρισις [Antwort]. Daß diese Beispielreihe unvollständig ist, zeigt das καὶ εἴ τι ἄλλο τοιοῦτον [und was es sonst noch derartiges gibt] (b 12 f). Aristoteles nennt sie hier σχήματα τῆς λέξεως [Ausdruck sarten] und verweist sie — für uns nicht eben deutlich — in die Vortragsk unst (ὑποκριτική). Solches sei nicht Gegenstand der Poetik — ein merk würdiger Gegensatz zum Verweis in die Poetik in De int. 4. Wenig später im Kapitel 20 (1457 a 21—23) heißen dann Frage und Befehl πτώσεις ῥήματος [Fälle des Verbs]. Unstimmigk eiten in der Terminologie der ›Sprechak te‹, ihre bloß beispielhafte, unvollständige Auflistung und ihr Verweis in andere Disziplinen zeigen, daß Aristoteles nicht an einer systematischen Erfassung dieses Bereichs interessiert war (vgl. aber die Behandlung von Frage und Antwort im dialek tischen Gespräch in Topica, Buch 8). Dennoch ist sein Zeugnis wichtig für die Existenz einer ›Sprechak tlehre‹ wahrscheinlich schon seit Protagoras (ca. 485—415 v. Chr.), die später besonders von den Stoik ern rezipiert und systematisiert wurde. (Grundlegend dazu jetzt Schenk eveld 1984; speziell zu Aristoteles: 292—294, und 328: Vergleich mit Searles ›speech acts‹.)
II. Personen
Eindrück e und das Geschriebene Zeichen des Stimmlichen. Und wie nicht alle dieselben Schriftzeichen haben, so sind auch die Stimmlaute nicht bei allen dieselben. Die psychischen Eindrück e aber, für die Laut und Schrift primär Zeichen sind, sind bei allen dieselben, und so auch die Dinge, deren Abbilder die psychischen Eindrück e sind“ (16 a 3—8).
Kaum eine Stelle aus dem Corpus Aristotelicum ist so oft zitiert und interpretiert worden wie diese Zeilen, jedoch scheint bis heute nur ein Konsens darüber möglich, daß es sich hier um den ›einflußreichsten Text in der Geschichte der Semantik ‹ handelt (vgl. Weidemann 1982, 241; Oehler 1982, 216; Arens 1984, 1 und Weidemann 1991, 176). Dagegen ist man, was den wissenschaftsgeschichtlichen Wert allgemein und viele Details angeht, durchaus verschiedener Meinung. So soll Aristoteles z. B. einerseits das semiotische Dreieck von Charles K. Ogden (1889—1957) und Ivor A. Richards (1893—1979) vorweggenommen (Lieb 1981, 155) und bereits semantische Funk tionen im Sinne von Gottlob Freges (1848—1925) (s. Art. 34) ›Sinn und Bedeutung‹ oder Willard Van Orman Quines (*1908) ›meaning and reference‹ unterschieden haben (Weidemann 1982 a, 242). Andererseits soll De interpretatione 1 laut Norman Kretzmann „not even a sk etch of a general theory of meaning“ darstellen (Kretzmann 1974, 5; dagegen Weidemann 1982 a, passim). Ursache für solche Unstimmigk eiten ist sicher der sk izzenhafte, eher andeutende als ausführende Stil der Passage, die sich zudem über Parallelstellen nicht hinreichend absichern zu lassen scheint. Es ist daher vielleicht von vornherein angebracht, mit Hermann Weidemann (1982 a) nur von ›Ansätzen zu einer semantischen Theorie‹ zu sprechen und vor einer Überbewertung ex eventu zu warnen. Aristoteles unterscheidet, vereinfacht formuliert, vier an der Konstitution des sprachlichen Zeichens beteiligte Instanzen: Schrift, Laut, Psyche und Dinge. Zugleich wird der Charak ter dreier Beziehungen zwischen diesen Instanzen angedeutet:
3.3. Der semiotische Aspekt 3.3.1. Das sprachliche Zeichen (De interpretatione 1) „Es ist also das Stimmliche Zeichen psychischer
Abb. 15.5: Konstituenten des sprachlichen Zeichens
a und b zu lesen als: Zeichen bzw. Symbol von ... (σύμβολον); c zu lesen als: Bild
15. Aristoteles (384—322)
(ὁμοίωμα) von ... Eugenio Coseriu (19752, 73) rechnet als vierte Relation den erst syntak tisch zu gewinnenden Wahrheitswert dazu. Relativ unproblematisch sind die Instanzen (1) und (2). Geschriebenes/Buchstaben (γραϕόμενα/γράμματα) stehen für Laute/Lautäußerungen (zum Doppelsinn vgl. Lieb 1981, 149). τά ἐν τῇ ϕωνῇ [das in der Stimme] — παθήματα zu ergänzen ist mit Rück sicht auf 23 a 32 f unnötig — umfaßt den stimmsprachlichen Bereich vom Phonem (16 a 5) bis zum Satz (16 a 3 in Kombination mit 24 b 1 f; vgl. Lieb 1981, 149—151). Erhebliche Schwierigk eiten bereiten dagegen die Instanzen (3) Psyche und (4) Dinge. Was (3) τὰ ἐν τῇ ψυχῇ παθήματα bezeichnen sollen, hat sich bisher nicht eindeutig aus der Schrift De anima, auf die 16 a 8 f verwiesen wird, erschließen lassen (vgl. Lieb 151 f; Weidemann 1982 a, 246—249; Oehler 1984, 207 f). Gesichert ist allerdings als Bezugstext zu 16 a 9 ff De anima 3,6 (430 a 26 ff). Es ist Hans Heinrich Lieb (1981, 151) zuzugeben, daß πάθη, παθήματα in De anima seelische Vorgänge allgemein von der Wahrnehmung über Affek te bis zu rationalen Operationen bezeichnen k ann, aber mir scheint, entgegen Weidemann (1982 a, 246 f), daß Aristoteles in 16 a 6—8 primär von der Wahrnehmungslehre ausgeht, die παθήματα hier also Wahrnehmungsinhalte meinen. Darauf deutet vor allem das ὁμοιώματα von 16 a 7, das als dritte Relation erst später besprochen wird. Die vierte Instanz, die πράγματα von 16 a 7, sind laut Lieb (1981, 152 f) „beliebige ontologische Identitäten“. Ähnlich weit legt Weidemann (1982 a, 249 ff) die Extension des Begriffs auf den Bereich vom Individuum über den Gattungsbegriff bis zu den von Aussagesätzen formulierten Sachverhalten fest (vgl. auch Oehler 1984, 210). Mir scheint, daß hier das Parallelmaterial noch intensiver ausgewertet werden müßte. Der Kontext von 16 a 7 selbst zeigt jedenfalls, daß Aristoteles hier mit πράγματα allein die außersprachliche Realität meint, denn die Instanz ›Dinge‹ ist ja deutlich von der Instanz ›Psyche‹ durch die Bildrelation getrennt. Es sind also in 16 a 3—8 im Zuge einer grundsätzlichen Erfassung der Sprachsemiotik nur solche Schrift-/Lautäußerungen gemeint, die über die psychische Instanz hinaus auf Dinge der außerpsychischen Realität verweisen k önnen, also in heutiger Terminologie referentielle Bedeutung haben. Daß es daneben auch referenzfreie, aber bedeutungshaltige Sprachelemente gibt, ist Aristoteles bek annt, ohne daß er sie in ein geschlossenes semantisches
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System gebracht hätte. Es gibt z. B. Wörter, die etwas bedeuten, aber k eine Referenz haben, weil sie μὴ ὄντα [Nichtexistierendes] bezeichnen wie τραγέλαϕος [Bock shirsch] (vgl. 16 a 16 f in Verbindung mit 92 b 5—8 und 208 a 30 f). Ebenso referenzfrei, aber sprachfunk tional sind die Kopula ‘ist’ und die Konjunktion ‘und’ (16 b 19 ff; 1456 b 38 ff und Ax 1979, 277 f). Die πράγματα von 16 a 7 sind also aus semiotischer Sicht außerpsychische Referenzobjek te, die auf die Psyche einwirk en und dort abgebildet werden. Wie man gleich sehen wird, ist die hier angedeutete Konstellation von ›Psyche‹ und ›Dingen‹ vor allem in der Wahrnehmungslehre entwick elt, die ein Teilgebiet der Psychologie ist, daher der Verweis von 16 a 8 f. Nun zu den drei Relationen zwischen den vier Instanzen, zunächst zweck mäßigerweise zur dritten Relation c, der Bildrelation zwischen ›Dingen‹ und ›Psyche‹: Die Wahrnehmung ist nach De anima 416 b 33, 424 a 1 ein πάσχειν, ein passiver, rezeptiver Vorgang. Der Sinn ist dabei zunächst von seinem Objek t verschieden, er wird erst nach der Einwirk ung des Objek tes gleich (ὅμοιον 418 a 5 f), wie z. B. am Geschmack ssinn erk ennbar (422 b 1 f). Der Sinn ist mit dem realen Sinnesobjek t also nur potentiell identisch (δυνάμει 424 a 1 f). Er ist dasselbe (ταὐτόν) wie das Objek t, aber sein Sein (εἶναι) ist verschieden (424 a 25 f). Die Identität von Sinneswahrnehmung und Objek t ist der des Ringabdruck s im Siegelwachs mit dem Ring selbst vergleichbar, wobei der Abdruck als Zeichen (σημεῖον) die Qualität des prägenden Objek ts annimmt, ohne dessen Materie zu übernehmen (424 a 17 ff). Wahrnehmungsund Denk inhalte (τὸ αἰσθητικὸν καὶ τὸ ἐπιστημονικόν) sind identisch mit ihren Objek ten, aber sie sind nicht die Objek te selbst, sondern ihr εἶδος [Form, Bild]. „Nicht der Stein ist in der Seele, sondern sein εἶδος“ (431 b 26—432 b 1). Das ὁμοιώματα von 16 a 7 bezeichnet also nichts anderes als die Identität psychischer Rezeptionsresultate (παθήματα) mit den sie bewirk enden außerpsychischen Gegenständen (πράγματα), und zwar im Sinne einer Abbildungs- und nicht einer Wesensidentität. Auf das Sprachzeichenmodell von 16 a 3—8 übertragen gilt also z. B. für das Wort ‘Stein’, daß das außerpsychische Sinnesobjek t ›Stein‹ über den Wahrnehmungsapparat ein mit ihm im Abbildungssinne identisches psychisches εἶδος [Bild] erzeugt, das durch Laut-/Schriftzeichen symbolisiert werden kann:
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Abb. 15.6: Konstituenten des sprachlichen Zeichens ‘Stein’
Daß im zweiten Teil des Kapitels 1 von De interpretatione (16 a 9 ff) nur noch vom νόημα [Gedank e] die Rede ist, muß vielleicht nicht die Sorgen verursachen, die sich Kretzmann und Weidemann darum gemacht haben (Weidemann 1982 a, 246 ff), weil sie sich bei dieser Verbindung von Wahrnehmungsinhalten und Gedank en zum Ansatz einer inadäquaten Bildtheorie des Denk ens bei Aristoteles gezwungen fühlten: Aristoteles läßt k einen Zweifel daran, daß er Wahrnehmen und Denk en für etwas Verschiedenes hält (427 b 6 ff; b 27). Aber andererseits gibt es für ihn k ein Denk en ohne Wahrnehmung, sind die Denk inhalte (νοητά) in den Wahrnehmungsobjek ten (αἰσθητά) enthalten und ist k ein Lernen und Verstehen ohne Wahrnehmung möglich (432 a 3 ff). Auch für die Vorstellung (ϕαντασία) gilt die grundsätzliche Abhängigk eit von der Wahrnehmung (427 b 15 f). Allein diese Auffassung von einer Dominanz der Sinneswahrnehmung über die übrigen psychischen Funk tionen und ihre generelle, für den psychischen Apparat repräsentative Funk tion ist meines Erachtens der Grund für die Vorschaltung der παθήματα für das νόημα von 16 a 10. Damit sind Unterschiede zwischen Denk en und Wahrnehmen nicht ausgeschlossen. Es bleibt trotzdem zu erwägen, ob solche Stellen wie 431 b26 ff nicht doch die Annahme einer Bildtheorie des Denk ens bei Aristoteles nahelegen. Die Relationen a und b k önnen zusammengefaßt werden, weil sie beide mit dem Begriff σύμβολον mark iert werden, also offenbar identisch sind. Auch hier wird das Verständnis durch den stichwortartigen, notizenhaften Stil der Ausführungen erschwert (vgl. zum folgenden Ax 1978, 263—265). σύμβολον hat zunächst nur die allgemeine Bedeutung eines Zeichens: aliquid stat pro aliquo (vgl. 24 b 2; 165 a 6 ff). Es ist deshalb im Prinzip mit σημεῖον (16 a 6) k ontextuell austauschbar. Aber eine andere Stelle (437 a 12 ff) beweist, daß unter σύμβολον eine den Sprachlauten nicht wesensgemäße, vielmehr
II. Personen
willk ürliche und damit per Konvention festzulegende Beziehung zwischen Laut und Sinn verstanden wird. Von hier aus werden 16 a 19 und 26—29 verständlicher, wo das ὄνομα mit dem Begriff σύμβολον als nicht von Natur aus (ϕύσει), sondern gemäß Verabredung, Übereink unft (κατά συνθήκην) von natürlich bedeutsamen Tierlauten abgesetzt wird. In Richtung Konventionalität weist übrigens auch schon 16 a 5 f: (k onventionelle) Laute und Schriftzeichen k önnen variieren, während der (natürliche) psychische Rezeptionsapparat und die (natürliche) Außenwelt im Prinzip bei allen Menschen gleich sind. Damit ist natürlich auch der λόγος [Satz] k onventionell bedeutsam (16 b 33—17 a 2). Das ὡς ὄργανον [Satz als Werk zeug, Instrument] von 17 a 1 verweist zugleich auf die Lehre vom Wortwerk zeug in Platons Cratylus 386 e ff (s. Art. 14). Aristoteles ergreift also in De interpretatione 1—4 — eher thesenhaft als begründend — Partei im Streit um den Konventionalitätscharak ter der Sprachzeichen: Er vertritt die Konventionalitätsthese. Die Versuche, aus der veränderten Formulierung κατὰ συνθήκην (statt συνθήκῃ) einen Neuansatz gegenüber Platons Alternative herauszulesen, haben sich bisher nicht durchsetzen k önnen. Ich meine vor allem Wolfgang Wielands Versuch (19702, 161—173), die aristotelische Wendung als Hinweis auf ein ›Übereingek ommensein‹ im Sinne einer intersubjek tiven Verständigung (vgl. dagegen Tugendhat 1963, 546) und Coserius finalistische Deutung des κατὰ συνθήκην als Hinweis auf ein von einer Ausdruck sabsicht motiviertes, also intentionales Zeichen (Coseriu 19752, 72 ff; 106 ff). In letzter Zeit ist man im allgemeinen wieder zur einfachen Konventionalitätsthese im traditionellen Sinn zurück gek ehrt (Lieb 1981, 154 f; Weidemann 1982 a, 244, vgl. aber Anm. 19; Oehler 1984, 207; Arens 1984, 37—39). Es sind zum Schluß noch zwei Relationen zu behandeln, die in 16 a 3—8 nur implizit enthalten sind: (1) Mit dem πρώτως von 16 a 6 wird eine direkte und eine indirekte semantische Relation unterschieden — insofern, als Laute/Schriftzeichen primär auf Psychisches und erst sek undär auf Außerpsychisches verweisen. Man hat darin, wie gesagt, eine Vorwegnahme der modernen Unterscheidung von Bedeutung und Referenz gesehen (Weidemann 1982, 242). (2) 24 b 1 ff zeigt, daß der Begriff σύμβολα von 16 a 4 ursprünglich zur Kennzeichnung der Parallelität von Sprechen und Denken und nicht der Konventionalität dienen sollte. Dies beweist auch der 16 a 3—
15. Aristoteles (384—322)
8 direk t angeschlossene Gedank e der Parallelität rein psychischer und lautlich geäußerter Verbindung und Trennung von 16 a 9 ff. Aristoteles steht in diesem Punk t übrigens bis in die Formulierung hinein unter dem Einfluß Platons (vgl. besonders Res publica 2,382 b 7— 11, weitere Stellen Ax 1986, 105; 146), wobei er k einen Versuch macht, die Parallelitäts- mit der Konventionalitätsthese zu harmonisieren (s. Art. 14). 3.3.2. Sprechen, Denken, Realität Die in De interpretatione 1 festgehaltenen semiotischen Instanzen und Beziehungen bleiben Aristoteles in nahezu allen Schriften bewußt und werden immer wieder zur Klärung verschiedenster Probleme herangezogen. Es gibt eine beträchtliche Zahl über das gesamte Werk verstreuter Einzelstellen, die das Verhältnis zwischen lautsprachlichen Äußerungseinheiten (Wort, Satz, Text), gedank lich-begrifflichen Einheiten (Sinn, Begriff, Meinung, Definition etc.) und außerpsychischer Realität (Sachen) wieder aufgreifen und so zur weiteren Differenzierung der lautlich-mentalen (meaning) und sprachlich-dinglichen Relation (reference) beitragen (vgl. dazu vor allem Graeser 1977 und 1978 c). Aristoteles versucht sogar, seine Beobachtungen zu einem relativ geschlossenen System semantischer Beziehungen auszubauen. Davon soll im nächsten Abschnitt die Rede sein. Hier zunächst einige allgemeine Vorbemerk ungen. Die drei Instanzen ›Sprechen, Denk en, Realität‹ werden deutlich voneinander geschieden und ihre wechselseitigen Beziehungen je nach den Erfordernissen des Kontextes bestimmt. Zunächst zur Referenz: λόγος [geäußertes Urteil] und δόξα [bloß gedachtes Urteil] sind wahrheitswertneutral, ihr Wahrheitswert hängt von den Gegebenheiten der Realität ab, auf die sie sich beziehen (‘Er sitzt’ ist je nach wirk licher Situation ›wahr‹ oder ›falsch‹). λόγος und δόξα unterscheiden sich also insofern vom πρᾶγμα [Sache], als nur das πρᾶγμα Veränderungen erfahren k ann, von denen dann die Qualität der beiden übrigen Instanzen abhängt (4 a 21— b 13). πρᾶγμα ist also die übergeordnete verursachende Instanz (αἴτιον 14 b 9—23). Trotzdem besteht im Prinzip Parallelität zwischen λόγος und πρᾶγμα (12 b 5 ff; 19 a 32 ff), wenngleich sich sprachliche Verhältnisse nicht mit realen deck en müssen (63 b 23—28). Ebenso k lare, teilweise sehr subtile Distink tionen werden zu lautlichbegrifflichen Bedeutungsbeziehungen vorgenommen. Begriffliche Einheiten entsprechen
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k einesfalls auch lautsprachlichen Einheiten. Ein Begriff (ὅρος) k ann z. B. durch ein Einzelwort (ὄνομα) oder eine Wortgruppe (λόγος) repräsentiert werden (48 a 29 f; 49 b 3 ff), allerdings haben Einzelwort und Wortgruppe einen verschiedenen Bestimmtheitsgrad (184 b 10 f). Grundsätzlich aber gilt Äquivalenz und damit Austauschbar k eit von ὄνομα und λόγος (101 b 38 ff; 1012 a 23 f; 1407 b 26 ff), wobei unter λόγος meist die dem ὄυοµα zugeordnete Definition (ὁρισμός) verstanden wird (93 b 29 ff; 101 b 39). Das ist nicht selbstverständlich, denn eine Äquivalenzbeziehung k ann auch zwischen Titel (ὄνομα) und Text (λόγος) bestehen. Die Ilias ist aber k eine Definition (1030 a 7 ff). Die Definition ist also eine Sonderform des Logos. Für bestimmte Den k operationen ist es übrigens besser, trotz Äquivalenz entweder dem ὄνομα oder dem λόγος den Vorzug zu geben, ὄνομα im Syllogismus (49 b 3 ff) und λόγος in der Definition (149 a 1 ff). Wichtig ist für das Verhältnis von ὄνομα und λόγος, und damit für das σημαίνειν überhaupt die schwierige Passage Metaphysica 4 (1006 a 32 ff). Ein ὄνομα k ann zwar viele Bedeutungen, Begriffe (λόγοι) haben, aber diese müssen der Zahl nach begrenzt sein. Eine unendliche Zahl von Bedeutungen würde die Verständigungsfunk tion der Sprache aufheben, denn Sprechen und Denk en (als Sprechen mit sich selbst) zielen immer auf ein Bestimmtes. 3.3.3. Semantische Relationen Es folgt eine Sk izze des aristotelischen Systems semantischer Relationen (s. Art. 84). Das Wort ‘semantisch’ verwende ich dabei als Oberbegriff für die Bedeutungs- und Referenzbeziehung und erinnere noch einmal daran, daß Aristoteles vorwiegend onomasiologisch verfährt, also meist von der Sache her über den Begriff zur Bezeichnung k ommt. Die aristotelische Semantik ist also eine Gruppierung des Seienden unter dem Aspek t seiner sprachlichen Erscheinungsform. Grundlegend für seine intensiven Bemühungen ist die Einsicht, daß sich die Struk tur eines Sach-/Denk bereichs nicht notwendigerweise mit der Sprachstruk tur deck t, sondern beide zum Vorteil besserer Erk enntnis stets gegeneinandergehalten werden müssen. Es ist ihm dabei be k annt, daß der Differenzierungsgrad sprachlicher Bezeichnung von der Vertrautheit mit dem jeweiligen Sachbereich abhängt (vgl. 494 b 19 ff zu den Körperteilbezeichnungen). Für Einzelheiten muß auf die weitere
II. Personen
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ausführliche Besprechung der folgenden Begriffe durch Klaus Oehler (1984, 158 ff) verwiesen werden. 3.3.3.1. Anonymie Mit dem Begriff ‘Anonymie’ (vgl. Bonitz 1870, Eintrag ἀνώνυμος) werden Bezeichnungslück en vermerk t, die sich aus dem Vergleich eines Sachbereichs mit den dafür in der Sprache bereitstehenden Bezeichnungsmöglichk eiten ergeben. Gedacht ist dabei fast ausschließlich an fehlende Einzelwörter (ὀνόματα) und hier insbesondere an fehlende Gattungsnamen. Nicht zufällig wird daher die Anonymie besonders häufig in den biologischen Schriften vermerk t, so z. B. im Bereich geflügelter Tiere (490 a 12 f) oder lebendgebärender Vierfüßler (490 b 31 ff). Aber auch beliebige andere Komponenten eines Sachbereichs werden als anonym ausgewiesen, z. B. namenlose Abstrak ta wie bestimmte Bewegungsarten (201 a 12 ff; 226 a 29 ff) oder aktivierte Sinnesobjek te (426 a 12 ff). Auch im Tugend-Lastersystem der Ethi k en werden Anonymien immer wieder notiert (z. B. 1221 a 3). Hilfsmittel zur Deck ung solcher Bezeichnungslück en sind die Wortneubildung (ὀνοματο-ποιεῖν 7 a 5), die Verwendung einer definierenden Umschreibung (λόγος 418 a 27) oder von Metaphern (1405 a 35 f). Von den drei Instanzen des Zeichenmodells, ὄνομα [Name], λόγος [Begriff, Definition] und πρᾶγμα [Sache] her gesehen gilt für die Anonymie:
Abb. 15.7: Schema der Anonymie
3.3.3.2. Homonymie Homonymie (vgl. Bonitz 1870, Einträge ὁμωνυμία, ὁμώνυμος) bezeichnet die Namensgleichheit, aber Gattungsverschiedenheit (mindestens) zweier Dinge. ›Lebewesen‹ und ›Bild‹ (= gemaltes Lebewesen) teilen sich im Griechischen den Namen ζῷον, aber die damit bezeichneten Dinge gehören verschiedenen Gattungen an, weshalb sie auch verschieden definiert werden (Cat. 1 a 1—6). Für das homonym verwendete ζῷον gilt also: ein Name (ὄνομα), zwei Begriffe/Definitionen (λόγοι): (1) ‘Lebewesen’, (2) ‘Bild’, und zwei Dinge (πράγματα): (1) Lebewesen und (2) Bild (in der Realität). ζῷον ist bereits, wie z. B. auch ὀϕθαλμός als das lebendige, funk -
tionsfähige Auge im Gegensatz zum blinden oder gemalten Auge (412 b 18 ff), ein schwer aufzudeck ender Sonderfall von Homonymie, weil die beiden Bedeutungen aufgrund einer auf Ähnlichk eit beruhenden Identität (wirk liches/gemaltes Lebewesen/Auge) nahe beieinanderliegen (Aristoteles berüc k sichtigt k eine etymologischen oder bedeutungsgeschichtlichen Vorgänge). Dagegen gibt es deutliche Fälle wie z. B. κλείς [Schlüssel], = (1) ‘Schlüsselbein’ und (2) ‘Türschlüssel’ (1129 a 29 ff). Es gilt also für die Homonymie:
Abb. 15.8: Schema der Homonymie
Der Homonymiebegriff ist von zentraler Bedeutung, denn an zahlreichen Stellen werden Homonymien aufgedeck t, um vor den von ihnen ausgehenden Gefahren unsauberen Denk ens und Schließens zu warnen. Zusammenhängend disk utiert wird das Homonymieproblem in der Topik 1,15 (106 a 1 ff) und in den Sophistischen Widerlegungen 165 b 30 ff; 175 a 36 ff; 177 a 9 ff) — s. auch 2.1.3. 3.3.3.3. Synonymie Synonym (vgl. Bonitz 1870, Einträge συνωνυμία, σνώνυμος) sind mindestens zwei Dinge, die mit einem gemeinsamen Namen bezeichnet werden k önnen, aber im Gegensatz zu homonymen Dingen derselben Gattung angehören, also auch nur einen, gemeinsamen Begriff haben (Cat. 1 a 6—12). Beispiel ist wieder ζῷον, um zu zeigen, daß man einund dasselbe Wort homonym und synonym, also auf gattungsverschiedene und gattungsgleiche Dinge anwenden k ann. Das synonym verwendete ζῷον ist also gemeinsamer Name für gattungsgleiche Dinge wie Mensch und Rind. Beide k önnen mit ‘Lebewesen’ bezeichnet werden, ohne daß die Definition geändert werden müßte. Es gilt also für die Synonymie:
Abb. 15.9: Schema der Synonymie
Welche Gefahren und Chancen sich aus dieser Unterscheidung für den dialek tischen Disput ergeben, zeigt besonders Topica 6,10 (148 a 23 ff). Neben diesem uns heute fremd gewor-
15. Aristoteles (384—322)
denen Synonymiebegriff der Categoriae (bestätigt durch 148 a 24 f und 162 b 37 f) k ennt Aristoteles auch die uns geläufige Auffassung von Synonymie als der Beziehung zweier oder mehrerer Wörter auf eine Sache (ohne Terminus 103 a 9; 112 b 21 ff und mit Terminus 1404 b 39 f). 3.3.3.4. Paronymie Paronym (vgl. Bonitz 1870, Eintrag παρώνυμος) wird ein Ding (D2) genannt, das seinen Namen (N2) von einem anderen Ding (D1) ableitet, das bereits einen eigenen Namen (N1) besitzt, von dem (N1) sich der abgeleitete Name (N2) dann nur durch eine andere sprachliche Ableitungsform (πτῶσις) unterscheidet (Cat. 1 a 12—15). Z. B. hat der Grammatik er (D2) seinen Namen (N2) von ‘Grammatik ’ (N1 von D1) oder der Tapfere (D2) seinen Namen (N2) von ‘Tapferk eit’ (N1 von D1). Es gilt also für die Paronymie:
Abb. 15.10: Schema der Paronymie
Solchen Ableitungen liegen keine linguistischmorphologischen, sondern rein onomasiologische, sachbezogene Überlegungen zugrunde. Ausgegangen wird von Verhältnissen im Dingbereich, denen dann die Benennungsverhältnisse parallel entsprechen. Im Dingbereich besteht ein Abhängigk eitsverhältnis von D2 zu D1 insofern, als von D1, einer Eigenschaft, D2, Eigenschaft + Subjek t, abgeleitet ist. Dem entspricht auf der Sprachebene die Ableitung von N2 aus N1. Auslöser für den Ableitungsvorgang ist aber D1 (nicht N1). Der Paronymievorgang wird noch deutlicher aus Cat. 10 a 27 ff, wo Fälle nicht durchführbarer Paronymien vorgeführt werden. Einerseits k ann D1 vorhanden sein, aber N1 fehlen, wie bei δρομικός [der Lauffähige], wo N1 für ‘Lauffähigk eit’ fehlt; andererseits k ann N1 vorhanden sein, aber nicht zur Ableitung von N2 benutzt werden wie bei ἀρετή [Tugend] und σπουδαῖος [der Tüchtige]. In beiden Fällen wird dann von einem Ersatznamen abgeleitet. Die Paronymie ist also k eine Form von Mehrdeutigk eit eines Namens, sondern bezeichnet nur dessen sek undären Ableitungscharak ter. Ihre Kenntnis ist ebenfalls wichtig für die richtige Einschätzung
257
der semantischen und damit auch ontologischen Verhältnisse, z. B. im Bereich von Gattung und Art (109 b 4 ff; 111 a 33 ff). Die drei Hauptbegriffe der aristotelischen Semantik bilden also zwei Gruppen: Homo- und Synonymie sind Fälle von Mehrdeutigk eit aufgrund sprachök onomischer Zwänge im Sinne von 165 a 6 ff. Die Paronymie erfaßt Fälle sek undärer Ableitung (anders Oehler 1984, 163 ff). Die ständige Beachtung aller drei Benennungstypen garantiert die Korre k theit und Überlegenheit im Denk en, Schließen und Disputieren. 3.3.3.5. Weitere semantische Relationen (a) Vieldeutigkeit (πολλαχῶς, πλεοναχῶς λέγεσθαι u. ä.). An zahlreichen Stellen wird die vielfache Weise, in der man von einer Sache spricht, oder semasiologisch ausgedrück t, die Vieldeutigk eit eines Wortes oder Begriffs (Wortgruppe) analysiert, oft durch Proben von Verwendung des Wortes im Kontext (Satzzusammenhang). Beispiele für solche Mehrdeutigk eitsanalysen sind 15 b 17 ff (ἔχειν), 185 a 20 ff (ὄν), 185 b 6 ff (ἔν), 210 a 14 ff (ἄλλο ἐν ἂλλῳ). Das Verfahren der Bedeutungsanalyse, d. h. der gliedernden Gruppierung der Bedeutungen eines Wortes/ Begriffes, wird als unerläßliche Voraussetzung zur Klarheit des Denk ens und zur Erfassung eines Sachbereichs gek ennzeichnet (280 b 1 ff; 992 b 18 ff). Offensichtlich wird dabei die prinzipielle Übereinstimmung von Bedeutungs- und Sachstruk tur unterstellt. Die Termini der Vieldeutigk eit k önnen gleichwertig mit dem Terminus ‘homonym’ verwendet werden (1129 a 26 ff), aber 110 b 16 ff zeigt, daß es auch andere als die homonyme Vieldeutigkeit geben kann, z. B. im Bereich der Relativa. (b) Die πρὸς-ἕν-Relation. Die homonyme Mehrdeutigk eit beruht auf Zufall, d. h. die von einem Namen bezeichneten Bedeutungen/Dinge sind gattungsverschieden, stehen also in k einer erk lärbaren Beziehung zueinander. Dagegen gibt es Fälle von Mehrdeutigk eit, bei denen die bezeichneten Bedeutungen/Dinge (wie schon bei der Synonymie) in einer sachlich begründeten Beziehung zueinander stehen, weil ihr gemeinsamer Name πρὸς ἕν [in bezug auf eines] oder ἀϕ’ ἑνός [von einem her] verwendet wird. So teilt sich die Vieldeutigk eit (πολλαχῶς λέγεσθαι) als Oberbegriff in (1) die Homonymie und (2) die πρὸς ἕν-Vieldeutigk eit (1003 a 33 ff). Die Bedeutungen z. B. von ὑγιεινόν [das Gesunde] als (1) Gesundheitbewahrendes (Vorbeugemaßnahme), (2) Gesundheitsbewir k endes
II. Personen
258
(Medik ament), (3) Gesundheitszeichen (Symptom), (4) Gesundheitsträger (Mensch) stehen in k einer Zufallsbeziehung zueinander, sondern sind durch die Zuordnung zu einem gemeinsamen Sachbereich (ὑγίεια [Gesundheit]) miteinander verbunden. Weitere Informationen bei Hermann Bonitz (1870, Eintrag ὁμώνυμος, 514,61 ff) und ausführlich bei Oehler (1984, 165 ff). (c) Begriffsreihe (συστοιχία). In Topica 2,9 (114 a 26 ff) werden verschiedene Wörter eines gemeinsamen Sachbereichs unter dem Begriff συστοιχα, συστοιχία zu einer Begriffsreihe zusammengefaßt, z. B. das Gerechte, der Gerechte, die Gerechtigk eit, gerecht. Das Prinzip der Zusammenstellung ist ebenfalls wieder primär sachbedingt, etymologische oder morphologische Kriterien spielen nur eine untergeordnete Rolle. So werden die Adverbien ‘gerecht’, ‘tapfer’ u. ä. als Derivationen (πτώσεις) gesondert gek ennzeichnet (114 a 32 ff), aber sie bilden nur eine Unterart zur Gattung der Begriffsreihe (συστοιχία), der sie untergeordnet werden. Die Systoichie geht nicht auf die Polysemie des Einzelwortes, sondern ist ein Versuch zur Erfassung lexik alischer Relationen auf semantischer, nicht morphologischer Basis. Die Systoichie dient ebenfalls der Argumentationstechnik (114 a 38 ff; 154 a 12 ff). Weitere Stellen bei Bonitz (1870, Einträge συστοιχία, σύστοιχος). (d) Amphibolie (ἀμϕιβολία). Auf die syntak tische Mehrdeutigk eit, d. h. die Möglichk eit fehlerhafter Interpretation von Satzk onstituenten wurde schon im Zusammenhang mit De Sophisticis elenchis 4 (166 a 6 ff) hingewiesen (s. 2.1.3.). (e) ›Wortfelder‹. Ohne einen Terminus und ohne theoretische Begleitnotizen ist bei Aristoteles ein Streben nach der Erschließung eines Sachbereichs mit Hilfe von ›Wortfeldern‹ erk ennbar, von struk tureller Aufgliederung eines Sachbereichs durch lexik alische Zusammenstellungen, so z. B. das Feld der Bewegungsarten (122 a 21 ff), der Gewässerarten (353 b 17 ff), der Geschmack s- und Farbadjek tive (442 a 12 ff) oder der biologischen Bewegungsarten (639 b 2 ff).
Abb. 15.11: Schema des ›Wortfeldes‹ Bewegungsarten
Solche lexik alischen Reihen sind nicht von
Begriffsverwandtschaft wie bei der Systoichie, sondern von der Genus-Spezies-Relation bestimmt. Aristoteles steht hier wie auch sonst oft dicht vor Methoden der Komponentenanalyse der neueren struk turellen Semantik (s. Art. 55). Ein besonders eindruck svolles Beispiel ist Topica 4,5 (127 a 4 ff) im Vergleich mit Ernst Leisi (1975, 22). 3.3.4. Morphologische Relationen (πτῶσις) Unter πτῶσις versteht Aristoteles sämtliche Flexionsformen, also etwa Kasus und Numerus bei Nomen oder Modi und Tempora beim Verb, ohne allerdings Termini für die morphologischen Kategorien zu haben (De int. 16 a 32 ff; 16 b 16 ff; 1457 a 18 ff). Allerdings zeigen Cat. 1 a 13 und andere Stellen (vgl. Bonitz 1870, Eintrag πτῶσις), daß πτῶσις auch eine weitere Bedeutung hat, d. h. jede Art von Ableitung eines Wortes von einem anderen bezeichnen k ann, etwa das Wort ‘Grammati k er’ von ‘Grammati k ’ (1 a 14). πτῶσις umfaßt also nicht nur die Flexion, sondern auch die Derivation. Wie schon gesagt, ist πτῶσις außerdem eine Unterart der Systoichie.
4.
Zur Forschungslage
Reichtum und Qualität sprachtheoretischer Ansätze in der Philosophie des Aristoteles stehen außer Frage. Unter sprachstrukturellem Aspek t gelingen ihm bedeutsame Aussagen zur Natur des sprachlichen Zeichens, er entwick elt ein differenziertes System semantischer Relationen (s. Art. 84) und gelangt im Bemühen um die dihäretische Ausgliederung des Urteils und der Lexis-Teile unter Verwendung hauptsächlich semantischer Kriterien zur Einsicht in die phonematische, morphologische und synta k tische Konstituentenstruk tur der Sprache. Zu den struk turellen Ansätzen zählt auch die Kategorientafel, wenn man sie von ihrer linguistischen Seite nimmt. Aus pragmatischer Sicht ist er auf dem Weg zu einem Kommunik ationsmodell (s. Art. 94), zeigt Kenntnis der wichtigsten Sprechak te und verfügt vor allem über eine relativ weit entwick elte Stilistik von Dichtung und Rede (s. Art. 112). Mit der Verbindung struk tureller und stilistischer Aspek te in der Poetik wird er (für uns) zum Vorläufer der späteren ars grammatica. Schließlich führt ihn die biologisch-psychologische Perspek tive zu bedeutsamen Chara k terisierungen der menschlichen im Gegensatz zur Tiersprache.
15. Aristoteles (384—322)
Dieses beeindruck ende Ergebnis sprachphilosophischer Reflexion ist natürlich von der Aristotelesforschung bereits in zahlreichen Beiträgen gewürdigt worden, die hier nur erwähnt, aber nicht disk utiert werden k önnen. Den besten Zugang zur Literatur und Forschungsproblematik bieten z. Zt. Flashar (1983, 184 f; 294 ff; 322 ff; 428 ff) und Oehler (1984, passim und 120—151). Gesamtdarstellungen liegen vor von Heymann Steinthal (1971 a), Pierre Aubenque (1967), Guido Morpurgo-Tagliabue (1967), Richard P. McKeon (1968), Miriam T. Lark in (1971), Walter Belardi (1975), Coseriu (19752) und Sinnott 1989. Weniger gravierende Forschungsprobleme sind etwa die Vorwegnahme von Methoden der struk turellen Linguistik (Tanner 1970; Ax 1978, 245 ff) oder Aristoteles’ Einstellung zur Konventionalitätsthese (s. 3.3.1.). Von sprachphilosophischer Relevanz ist vor allem eine von Wieland (1962, 141—230; 339 f und 19702 im Nachwort) vertretene These zur Rolle der Sprache in der Philosophie des Aristoteles, die in Kernprobleme seines Denk ens führt und daher bis heute disk utiert wird. Nach Wieland gewinnt Aristoteles seine Prinzipien aus der Sprachanalyse und deck t damit lediglich die Weise auf, mit der wir unreflek tiert von den Dingen sprechen. Die Sprachebene wird nicht verlassen. Sprache und Dinge werden nicht getrennt. Ermittelt werden also vornehmlich Sprach-, nicht Seinsstruk turen (1962, 339), die zudem noch an die Voraussetzungen historischer Sprachen (Indogermanisch, Griechisch) gebunden sind (1962, 340). Man k ann sagen, daß diese Auffassung Wielands heute meist auf Ablehnung stößt, die hier mit Graesers Formulierung wiedergegeben werden soll: „Daß den in desk riptiven Sätzen behaupteten Sachverhalten für Aristoteles reale Struk turen zugrundeliegen, steht außer Zweifel. Ebenso außer Zweifel steht allerdings [...] auch, daß Aristoteles die Art und Weise, wie wir von den Dingen sprechen, an der Art des Gegebenseins der Dinge bemißt, bzw. bemessen wissen will und nicht etwa umgek ehrt“ (Graeser 1978 c, 451).
Gegen Wielands These (ohne direk ten Bezug) argumentiert sehr überzeugend schon Oehler (1963, 20 ff). Weitere Kritik bei Hans Wagner (19792, 337 ff), Heinz Happ (1971, 47—49; 62), Flashar (1983, 184 f; 424) und Oehler (1984), der sich auf S. 72 f dagegen
259
ausspricht, „die Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie nur noch als sprachliche Phänomene“ und „die aristotelische Philosophie als ein antik es Double der Oxford Ordinary Language Philosophy“ zu werten. In der Tat ist sie, so glaube ich, primär eine Philosophie des Begriffs und der Sache — meist mit Hilfe, aber, wenn es sein muß, auch gegen die Sprache, eine Philosophie jedenfalls der wachen Distanz zu jenem System k ollek tiv und k onventionell vorgegebener, lautfixierter Sinneinheiten, das wir ‘Sprache’ nennen.
5.
Literatur in Auswahl
Ax 1986, Laut, Stimme und Sprache. Darstellung der Geschichte der antik en Sprachtheorie am Beispiel des Einleitungsk apitels der ars grammatica. Aristoteles: 119—138, dort weiterführende Literaturhinweise. Flashar 1983, Aristoteles, in Grundriß 3. Sehr nützliche, umfassende Darstellung des Gesamtwerk s mit ausführlichen Hinweisen zur Primär- und Sek undärliteratur und zur Forschungslage. Wichtig zur Sprachtheorie: 184 f; 294 ff; 322— 335; 428 ff. Graeser 1983, Aristoteles, in Philosophie der Antike 2. Übersichtliche Gesamtdarstellung mit vielen weiterführenden Literaturhinweisen. Zur Sprachtheorie wichtig: 199—215. Oehler 1984, Aristoteles, Kategorien. Übersetzung und Kommentar der Kategorien, in der Einleitung 37—119 und in den Anmerk ungen 153 ff immer wieder grundlegend wichtige Ausführungen zur Sprachtheorie des Aristoteles. Ausführliche Bibliographie: 120—151. In zweiter durchgesehener Auflage 19862 erschienen mit z. T. erheblich veränderter Paginierung, die in diesem Artik el nicht mehr berücksichtigt werden konnte. Sinott 1989, Kommunikation und Bedeutung bei Aristoteles. Ausführliche Darstellung des biologischen, logisch-semantischen und normativen Aspek ts der aristotelischen Sprachtheorie, nach Abfassung dieses Artikels erschienen. Weidemann 1991, Grundzüge der aristotelischen Sprachtheorie, in Sprachtheorien der abendländischen Antike, Schmitter (Hg.). Knappe, aber sehr nützliche Darstellung sprachtheoretischer Grundzüge bei Aristoteles mit neuester Literatur.
Wolfram Ax, Göttingen (Deutschland)
II. Personen
260
16. Aurelius Augustinus (354—430) 1. 2. 3. 4.
1.
Einleitung Augustins Entwicklung Sprache als ›signum desiderii‹ Literatur in Auswahl
Einleitung
Aurelius Augustinus bündelt in seinen sprachphilosophisch relevanten Schriften einerseits ein vielfältiges Erbe der Antik e (Marrou 1949; Straub 1954; Maier 1955; Holte 1962). Er ist aber auch andererseits zur ›Quelle des Mittelalters‹ geworden (Troeltsch 1915), in dem dogmengeschichtlich vor allem der ›Augustinismus‹ (Rottmanner 1892) eine zentrale Rolle spielte. Dies gilt in besonderem Maße für die Sprachphilosophie Augustins (Coseriu 1969), die man auch als ‘Semiotik ’ bezeichnen kann (Holl 1963; Vance 1986). In das Erbe der Antik e gehen, durch Augustins k omplexen Lebenslauf bedingt, eine Reihe von an sich unverträglichen, mindestens jedoch nicht ohne Spannungen miteinander zu verk nüpfenden ›Schulen‹ ein, aus denen Augustinus dann allerdings, auch durch mehrere Umschichtungen seines Denk ens, ein neues ›System‹ baut, das die Bewunderung der Nachwelt für diesen größten lateinischen Kirchenlehrer des Mittelalters bis heute erregt hat. Der mehrfache Paradigmenwechsel im Denk en Augustins bedingt, daß seine Sprachphilosophie nur anhand ihrer Entwick lung (Holl 1928; Adam 1931; LoofsAland 1953, 275—334) darstellbar ist, aus der man den ›jungen Augustinus‹ (Haenchen 1932; O’Meara 1954; König 1970) und denjenigen nach der ›Bek ehrung‹ (Thimme 1908) noch besonders herausheben kann.
2.
Augustins Entwicklung
2.1. Augustinus als Auditor des Manichäismus Seine vita (Loewenich 1965; Brown 1967; Altaner-Stuiber 1966, 412—449) ist für das Verständnis seiner sprachphilosophischen Gedank en grundlegend. Aus dem umfangreichen Werk (Altaner-Stuiber 1966, 420 ff) k önnen dabei nur einige der wichtigsten Stellen zitiert
werden. Allerdings läßt sich die Sprachphilosophie Augustins nur als Teil seiner Theologie darstellen, die man als Denk en Gottes jenseits der Vergänglichk eit des menschlichen Sprechens charak terisieren k ann. Daher werden hier auch Punk te erwähnt, die zunächst als digressio erscheinen mögen, aber dennoch zur Sache gehören. In Thagaste in Numidien als Sohn des städtischen Beamten Patricius (Taufe und Tod: 371) und der eifrigen Christin Monnik a geboren, sollte er nach dem Willen des Vaters Rhetor und damit ein „vir bonus dicendi peritus“ [Ehrenmann, der reden k ann] (Quint. XII, 1, 1) werden. Nach anfänglichen Studien in Madaura siedelte Augustin 371 nach Karthago über (Conf. II,3). Das vor allem sexuell ausschweifende Studentenleben führte zu einem Konk ubinat (bis 384; Conf. VI,15), dem ein Sohn Adeodatus (372—390) entsprang. Die Lek türe des nach dem Studienplan für 373 angesetzten Buches Hortensius (verlorengegangen) von Marcus Tullius Cicero (106—43 v. Chr.) (Ruch 1958; Testard 1958) erweck te das „desiderium sapientiae“, das Augustin seitdem nicht mehr losließ (Conf. III, 4). Die durch Cicero geweck te Liebe zur Philosophie (De beata vita I, 4), die Weisheit nach der stoischen Schultradition (c. Acad. I, 9, 24) ließen ihn dieses erste bestimmende Buch auch später als ›schola nostra‹ bewerten (c. Acad. III, 4, 7), das seinem desiderium das Begehrensziel vorgab. Um dieses Ziel zu erreichen, durchlief Augustinus, von der Bibel enttäuscht (Conf. III, 5), eine Reihe von Schulen, die dem Ziel eher zu entsprechen schienen. Zunächst wurde er (373—382/384) Auditor des Manichäismus (Conf. III, 6), einer schroff dualistischen, ask etischen Alternativreligion, die von dem vornehmen Perser Mani (geb. ca. 216 bei Ktesiphon; vermutlich 273 gek reuzigt) (Widengren 1961; Klima 1962) als neue Weltreligion gegründet worden war (Widengren 1965, 299 ff; Widengren 1977) und sich, vom Osten k ommend, als für das Christentum gefährliche Konk urrenz im 4. Jahrhundert auch im Westen voll ausgebreitet hatte (Adam 1958). Da Mani sich in seinen Briefen ‘apostolus Jesu Christi’ nannte (Epist. fundam.; Adam 1954, 27; Aug., c. ep. fund.; Zycha 197) und als solcher bis nach Indien und China
16. Aurelius Augustinus (354—430)
›Mission‹ getrieben hatte, er außerdem eine k osmoslogische Spek ulation über die Entstehung der Welt und des Bösen und über die Erlösung als k osmologischen Prozeß vortrug, die allerdings nur den electi voll bek annt wurde — die Manichäer besaßen eine hierarchische Organisation mit einem ausgebildeten Kult (Adam 1954, 39 ff) und feierten als Hauptfest das βῆμα [Fest des Lehrstuhls] zur Erinnerung an Manis Kreuzigung —, k ann man schon verstehen, daß Augustinus diese überwältigende Strömung attrak tiver fand als den verachteten ›Mutterglauben‹, zumal die manichäische Kritik am Alten Testament (Conf. III, 7) seinem Enttäuschtsein von der Bibel entsprach. Von der ask etischen Strenge merk te er als auditor k aum etwas, so daß die Opposition zu seiner sexuellen Libertinage nicht empfunden wurde. Der Dualismus Licht vs. Finsternis k onnte von Augustinus in dieser Phase im Sinne seines Zieles umgemünzt werden, aus der Finsternis seiner Herk unft zum Licht der „sapientia et veritas“ vorzudringen (Conf. III, 6). Es ist auf diesem Hintergrund nicht mehr verwunderlich, daß die Mutter ihn nach dem Abschluß der Studien und nach seiner Rück k ehr nach Thagaste (374—375) als vom Glauben der Eltern Abgefallenen nicht mehr ins Haus aufnahm (Conf. III, 11), er sich als ›doctor artium liberalium‹ wenig später in Carthago niederließ (375—383) (Conf. IV, 7). 2.2. Das Erbe der Stoa Durch die manichäische Phase wurde eine ältere Grundströmung überdeck t, die als ‘Erbe der Stoa’ bezeichnet werden k ann (Verbek e 1958; Pinborg 1962; Baguette 1970; Flasch 1980, 17—35), in das auch die Lek türe von Aristoteles’ Kategorienschrift (Conf. IV, 16) einging (374). Bereits in der überwältigenden Rolle der Rhetorik (Lausberg 1960) gegenwärtig, wurde es bei Augustinus auch später immer wieder wirk sam, so daß wir es als ‘stoische Grundschicht’ (s. Art. 2) bezeichnen k önnen, mit der auch die Semiotik in das Denk en Augustins Einzug hielt (Güttgemanns 1983, 101—170; Savan 1986). Da deren Vorgeschichte für das Verständnis seiner Sprachphilosophie wichtig ist, seien folgende Daten hervorgehoben. Die ältere Stoa wurde von Zenon aus Kition (ca. 334—263) gegründet und von Kleanthes von Assos (ca. 331—232) und Chrysipp von Soloi (ca. 281—208) fortgeführt. Die mittlere Stoa k nüpft mit Zenon von Tarsus (3./2. Jh. v. Chr.) bei Chrysipp an und läuft
261
dann über Diogenes von Seleuk ia zu Antipatros von Tarsus, von diesem zu Panaitios von Rhodos (ca. 180—110) und Poseidonios von Apameia (ca. 135—51), an den sich Athenodoros von Tarsus (ca. 75 v. Chr.—14. n. Chr.), der Freund des Cicero und der Lehrer des C. Octavius ›Augustus‹ (63 v. Chr. — 14 n. Chr.), anschließt. Vermutlich auch über das frühe Interesse für Cicero wurde bei Augustinus das stoische Erbe und damit insbesondere die Semiotik vermittelt (Flasch 1980, 23 ff). Von Zenons 18 Buchtiteln trägt einer den Titel De signis (SVF I, Nr. 41). Einer Definition von ‘signum’ bei Chrysipp (SVF II, Nr. 221) k önnen wir entnehmen, daß die Stoik er das Zeichen im Anschluß an die aristotelische Syllogistik als ›Mittel der Inferenz‹ einsetzten (Oehler 1962; 1981; 1986) und somit der ›Abduk tion‹ nach Charles Sanders Peirce (1839— 1914) (s. Art. 32) bereits vorgriffen. Als Ausgestalter der durch Aristoteles (s. Art. 15) begründeten Rhetorik als der ars inveniendi locos vel sedes argumentorum, qui fidem constituere possunt (meine eigene freie Umschreibung!) (Mainberger 1987, 23—260) waren die Stoik er auf das ›Enthymema‹ verwiesen, das in einer Benutzung von signa zum Zweck e der ›amplificatio fidei‹ besteht. Aratos von Soloi (ca. 310—245) führt daher in seinem ersten Lehrgedicht der Antik e Phainomena den Kosmos als ›Gramma‹ vor, das über eine bedachte ›Lek türe‹ zur Erk enntnis und zum Glauben an die Allgegenwart des ›Logos‹, der stoischen ›Weltvernunft‹ führt. Die signa des Kosmos sind so innerhalb einer ›Lesbark eit der Welt‹ (Blumenberg 1981) ›Beglaubigungsmittel‹ des Logos, die über eine ›enthymematische Lek türe‹ und ihre Syllogismen zum ›credibile‹ der stoischen Weltanschauung anleiten. Deren Rhetorik k ann zwar nicht zur Anerk enntnis zwingen, wohl aber seelisch geneigt machen. Für die Stoik er, die grundsätzlich vom Körper ausgehen, ist das signum eine ternäre Relation: Das σημαῖνον [Signifik ant] ist als materieller Zeichen-Körper ein significans (1), allerdings nur dann, wenn ihm ein πρᾶγμα [Sache] als σημαινόμενον, signatum, entspricht (2). Diese zunächst binäre Relation wird jedoch zwingend vermittelt durch ein λεκτόν, dictum (3), dessen Sein nur im Augenblick des ›Ausgesagt-Seins‹ als ideelle Größe besteht (significatum solum in dicto). Die Stoik er sprechen also dem Signifik at nur ein aristotelisches ›esse in actu locutionis‹ zu, während die ›Sache‹ nur ›per accidentiam‹
262
und nur als τυγχάνον [Zufälliges] mit dem Signifik anten verbunden ist. Chrysipp bestreitet ausdrück lich eine ›similitudo‹ zwischen ›verba‹ und ›res‹ (SVF II, Nr. 151) und Diok les Magnes bezeichnet das ›dictum‹ als dasjenige, was ›secundum logicam phantasiam‹ aufgestellt wird (SVF II, Nr. 181). Damit ist auf den ›imaginären Verweisungszusammenhang‹ angespielt, der mit dem durch den Logos nach seinem νόμος [Gesetz] gestalteten Kosmos im λόγος σπερματικός [samenhaft ausgestreuter Logos] des menschlichen Sprechens in Funk tion tritt. Der Ak t des Sprechens ist ein Produk t des ›vorstellenden‹ Logos und das Gesprochene (dictum) steht im μέσον [Mitte] zwischen νόημα [Gedank e] und πρᾶγμα [Sache] (Ammonius, SVF II, Nr. 168). Für Augustinus, der diese Grundansichten vermutlich nur durch die rhetorische Praxis des Sprechens vermittelt erhielt, sind damit Themen genannt, die sich in seinen sprachphilosophisch relevanten Werk en immer wieder erk ennen lassen. Indem der dualistische Manichäismus das ältere stoische Erbe zunächst überdeck te, mußte sich irgendwann die Frage stellen, ob denn die ›Stimme‹ und das von ihr erzeugte ›Ausgesagte‹ wirk lich dem Sein oder nicht doch eher dem Schein näher sind. Es ist diese Frage, der wir als einer der Hauptfragen seiner Sprachphilosophie begegnen. Auch das Thema der rationes seminales (McKeogh 1926) gehört dieser stoischen Grundschicht an. 2.3. Die Auseinandersetzung mit dem Neuplatonismus 2.3.1. Der Abschied vom manichäischen System (Conf. V, 7) fiel ungefähr mit seiner gegen den Willen der Mutter vorgenommenen Übersiedlung nach Rom zusammen (383; Conf. V, 8). Die manichäische Kosmologie, ihr Dualismus und ihr Gottesbegriff k onnten auf die Dauer nicht zum stoischen Erbe passen (Conf. III, 7, 10). Auch erk annte er den vielgerühmten Manichäerbischof Faustus von Mileve (in Numidien) (gest. um 400) bei einer Unterredung als einen gebildeten Schwätzer, der auf seine Glaubensfragen k eine befriedigende Antwort geben k onnte (Conf. V, 3, 6). Er erhielt daher später in 33 Büchern Contra Faustum (397/398) die ihm gebührende ›christliche Antwort‹. In dieser Phase des Umbruchs weisen bestimmte Zeichen auf den sich anbahnenden Wandel des Denk systems hin. Zu diesen gehören das erneute Zusammenwohnen mit der
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Mutter (Conf. VI, 1), die innere Unruhe, eine k örperliche Krank heit (Conf. V, 9), die zweifelnde Sk epsis (Conf. V, 10) und die erneute Fesselung durch Liebesleidenschaft (Conf. VI, 12 f). Die in Mailand 384 angenommene Stelle eines Lehrers der Rhetorik ließ auch den Vergleich seiner bisherigen Praxis des Sprechens mit derjenigen des Bischofs Ambrosius von Mailand (340—397) (Madec 1974) zu, der nach östlichem Vorbild den hymnischen Kirchengesang eingeführt hatte, insbesondere das Te Deum (Conf. V, 13—14; IX, 12; X, 34). Die von Ambrosius prak tizierte allegorische Auslegung des Alten Testaments ließ Augustinus die manichäische Kritik an diesem Bibelteil überwinden (Conf. V, 14). Die Anerk ennung Gottes als des reinen Geistes, die Geistigk eit der Seele und die Willensfreiheit (Jonas 1930; Benz 1932; Barth 1935) k onnten eher mit der stoischen Grundschicht verbunden werden als die Spek ulationen Manis. Daß dieser erste Eindruck von Ambrosius durch die Mutter vermittelt wurde (Conf. VI, 2 f), dann aber wieder einer Sk epsis wich (Conf. VI, 4), erlaubt eine Analyse Augustins mit dem Ansatz einer psychoanalytischen Semiotik , insbesondere durch Analyse der ›narratio conversionis‹ (Conf. VI, 7—12) (Güttgemanns 1983, 117—148) und nicht mit den Mitteln gegenwärtig üblicher Psychoanalyse (Dodds 1927/28; Kligerman 1957). Möglicherweise durch Ambrosius, jedenfalls aber durch den christlichen Neuplatonik er Manlius Theodorus wurde Augustinus auf Abhandlungen Plotins (205—270) hingewiesen (Conf. VII, 9). Damit wurde ein Rück griff hinter die Stoik er und Aristoteles auf Platon (427—347) möglich (Conf. VII, 2) (s. Art. 14), dessen ganz anders gearteter Dualismus einerseits eine Transformation des manichäischen gestattete und andererseits einen weiteren Paradigmenwechsel im Denk en Augustins anbahnte, obwohl der Neuplatonismus später von ihm als hochmütig empfunden wurde (Conf. VII, 20) und erst die Heilige Schrift als ›Rettung‹ erschien (Conf. VII, 21). Von Platons Werk en lernte Augustinus allerdings nur Phaidon und Timaios k ennen, vermutlich aus Zitaten Ciceros (Marrou 1949, 34). Plotins Lehre von Gott als rein geistiger Substanz und vom Bösen als ›Nichts‹ k onnten jedoch auch noch mit gewissen stoischen Grundzügen verbunden werden, so daß die Umschichtung seines Denk systems nur ›dialek tisch‹ zustande k am. Auch die Vermittlung Plotins durch Porphyrius (ca. 234—301/305)
16. Aurelius Augustinus (354—430)
wirft die Frage auf, ob Augustins Philosophie nicht eher ‘neuplatonisch’ als ‘christlich’ zu nennen ist (Grandegeorge 1896; Alfaric 1918; Theiler 1933; Barion 1935; Ritter 1937; Garvey 1953; Dörrie 1962; Parma 1971). 2.3.2. Platons Zweiteilung der Realität in ›Sinnliches‹ und ›Noetisches‹ (sensibile vs. intelligibile) wird bei Plotin in den Enneaden (Schmalzriedt 1974, 3122 a—3123 b) zu drei Bereichen des Ἕν [Einen] umgestaltet: (I) Das Ἕν [Eine] ist als Grund von allem Seienden dasjenige, um dessentwillen alles ist; es ist insofern das ›Gute‹ und ›überseiend‹, d. h. qualitätslos, unaussprechlich, absolut einfach und daher ohne Selbst- und Fremderk enntnis. Es ist ein alle Vorstellungen überschreitendes, in sich ruhendes göttliches Höchstes, das sich nur in Form negativer Prädik ationen beschreiben läßt. Insofern ist Plotins System zwar ein Monismus, zugleich jedoch eine Transformation der ἀόριστος δυάς [unbestimmte Zweiheit], die dann nach einer ›Bestimmung‹ auch wieder ›zerfallen‹ k ann. Dem ›Einen‹ Plotins entspricht in der mittleren Stoa (z. B. bei Poseidonios) das Ἕν καὶ πᾶν [Eine und Ganze], das als πνεῦμα [Geist] bereits eine Synthese von Geist und Stoff und das ›Göttliche‹ in der Welt ist. Es ist an sich gestaltlos, wandelt sich aber in alles, in das es will, indem es sich ihm angleicht. Auf dieser Ebene des platonischen ›Über das Sein hinaus‹ (Parm. 137 c 4— 166 c 5) k onnte daher Augustinus Gott ansetzen, bei dem er, in Konsequenz seiner Semiotik (Güttgemanns 1983, 148 ff), in einer ›theologia negativa‹, sogar das Aussagen seiner ›Unaussprechlich k eit‹ unmöglich findet (doctr. chr. I, 6), um in eben dieser Aporie die stoische Auffassung des ›dictum‹ mit dem neuplatonischen ›Über-Sein‹ zu verbinden. Gott ist für ihn das höchste, absolut einfache Sein (Civ. Dei XI, 10, 1; De trin. VI, 4, 6). (II) Das ›Noetische‹ im engeren Sinne (νοῦς, intellectus, spiritus) entspricht dem ›wahrhaft Seienden‹ bei Platon (zu dessen Semiotik : De Lacy 1986), also den ›Ideen‹, aber auch dem Demiurgen. Da nach Platon (Soph. 248 e 6) den Ideen Denk en und Leben zugesprochen werden muß und da nach Aristoteles (Oehler 1981; Oehler 1982) die ›noetischen Gegenstände‹ mit dem auf sie gerichteten Denk en identisch sind, existieren nach Plotin die Ideen nicht außerhalb des Intellek ts. Semiotisch gesprochen, sind sie das rein intelligible Signifik at, das im eigentlichen Sinne das ›Sein‹ ist.
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Als Spiegelbild aus dem ›Einen‹ hervorgegangen, umfaßt der νοῦς die Welt der Ideen als κόσμος νοητός. Bei Augustinus ist dies der ›mundus intelligibilis‹ (Ritter 1937), d. h. die ›semantische Welt‹ (c. Acad. III, 19, 42). Für ihn existieren diese ›Ideen‹ zunächst nur im Geist des Schöpfers selbst (quaestio 83, Nr. 46), obwohl in der ›trina quaedam unitas‹ der Trinität (De moribus I, 14, 24) und der die ›veritas‹ k onstituierenden ›prima essentia‹, d. i. Gott, (De immortalitate animae XII, 19) der Sohn diese ›intelligible Welt‹ ist (Scheel 1901, 36). Dieser bewirk t als ›ewiger Logos‹ und ›magister‹ die ›interior lux veritatis‹ auch im erk ennenden Menschen (De mag. XII, 40; XI, 38). (III) Unterhalb des ›Noetischen‹ liegt das ›Psychische‹, die Welt der Einzelseelen, die in bestimmten Fällen einer Dis- und Reink arnation unterliegen und insofern ein depotenziertes Sein realisieren. Teils sind sie unaffizierbar, teils den Affek ten unterworfen, insofern sie im Somatischen wirk en. Sie enthalten λόγοι [Begriffe], die Transformation der ›Ideen‹ in das Sprechbare. Diese Stufe ist das vermittelnde Glied (III) zwischen dem wahren Sein (II) und dem schlechthin Schlechten der nächsten Stufe (IV). Das ternäre Modell des ›dictum‹ bei den Stoik ern wird durch diesen Ansatz deutlich transformiert. Für Augustins manichäischen Hang in der Frühphase k onnte Plotins Ontologie durchaus eine Variation der Kosmologie Manis bilden, bei der das stoische Zeichenmodell zugleich ›aufgehoben‹ ist. (IV) Ganz unten befindet sich das ›Sinnliche‹, d. h. der materielle Stoff, den das Psychische mittels der Begriffe ›formt‹. Es ist die unterste Stufe abnehmender Vollk ommenheit und zunehmender Vielheit und insofern in Opposition zum reinen Sein (II), das dem ›Einen‹ (I) näher ist. Der rein sinnliche Stoff ist in Opposition zum noetischen, urbildlichen Stoff das Prinzip des Bösen, indem er reine Privation und damit Unbestimmtheit ist. Im scheinbaren Monismus Plotins liegt ein Dualismus verborgen, der für Augustinus in Gestalt einer Kombination von Platon und Mani die Abk ehr von der ›concupiscentia carnis‹ der Jahre vor der ›Bek ehrung‹ und die Hinwendung zur auch noch manichäisch mitbedingten Askese anbahnte. 2.3.3. Diese Entfaltung von ›Stufen des Seins‹ nennt Plotin ‘Emanation’: Ein zeitloses Ausstrahlen des Noetischen aus dem ›Einen‹, des
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Psychischen aus dem Noetischen und des Stoffes aus dem Psychischen. Obwohl dabei eine Depotenzierung des Seins stattfindet, vermindert die Emanation das Emanierende nicht, weil das ›Eine‹ dem ›Vielen‹ immanent bleibt und weil jede ›Hypostase‹, sich rück wendend, auf ihre Quelle schaut. Diese ›speculatio‹ ist zwar notwendig, aber weder geplant noch gewollt. Für Augustinus ergab sich auf dieser Grundlage die auch der stoischen Grundschicht entsprechende Kernfrage nach dem Verhältnis zwischen Gott und Seele (De ordine II, 18, 47): „Deum et animam scire cupio, nihil plus [...] nihil omnino“ (Soliloqu. I, 2, 7). Aus dieser Frage wurde eine neue Literaturgattung, die der Autobiographie geboren (Misch 1950), in der die Analyse der eigenen Seele als ›Innenschau‹ (Conf. X, 8) auch die bedrängende Gottesfrage lösen hilft (Conf. X, 17, 24, 26). Hatte Augustinus vorher unter der Qual gelitten, wie abhängig die Seele vom Körper sei (De quantitate animae XV, 26), so setzt sich jetzt allmählich die Überzeugung von der Selbständigk eit der Seele vom Leib durch (Flasch 1980, 40 f), indem die ternäre Relation Wahrheit — Gott — Seele bestimmend wird (Flasch 1980, 55—86). So entsteht die spezifisch augustinische Anthropologie (Dink ler 1934), aber auch seine Ethik (Mausbach 1929), als Praxis der Liebe (›amor Dei‹) (Arendt 1929), um derentwillen auch die Confessiones geschrieben sind (Conf. XI, 1). Sie bilden eine Neubestimmung des Verhältnisses von Wissen und Glauben (Gangauf 1850/54; Cushman 1950; Löwith 1954) sowie eine Geschichtstheologie (Wachtel 1960) mit ihrem eigenartigen Zeitverständnis (Marrou 1950; Guitton 1933; Janich 1972), das die ›peregrinatio animae‹ (Knauer 1957) mit dem semiotischen Problem der Zeitlichk eit der Signifik anten angesichts des vor der Weltschöpfung noch nicht an das Silbengesetz gebundenen ›Sprechens Gottes‹ verk nüpft (Conf. XI, 6 f) (Güttgemanns 1983, 148 ff). Diesen durch sein ›verbum aeternum‹ die Welt schaffenden Gott stellt sich Augustinus nach dem Muster des ›überseienden Einen‹ vor, das der Zeit und damit der Vergänglichk eit noch nicht unterworfen ist. Beide stammen offenbar aus dem neuplatonischen ›Stoff‹, der nur als Negation des Lebens empfunden werden k ann. In offenk undiger Spannung dazu steht der ›stoische Materialismus‹, so daß die nicht zu unterdrück ende ›Fleischeslust‹ der unk euschen Gedank en (Conf. X, 30), die immer wieder auf die ›aditus corporis‹ [Löcher des Körpers] (Güttgemanns 1983, 151 ff), also auf den
Mund, die Nase, die Ohren und die Augen (Conf. X, 31—34), hinführt, für Augustinus zu einem Problem werden mußte, bei dem die ganze ›Gespaltenheit‹ des Menschen offenk undig wird. Wohl nur noch bei Søren Kierk egaard (1813—1855) k ann eine ähnliche, psychosemiotisch bedingte, ›Gespaltenheit der Seele‹ festgestellt werden (Güttgemanns 1989). 2.4. Die ›Bekehrung‹ 2.4.1. Durch diese ›Stürme‹ auf einen gewissen Punk t vorbereitet, k am es allmählich zur ›Bek ehrung‹ (Herbst 386) (Flasch 1980, 41 ff), die auf dem beschriebenen Hintergrund zunächst k aum etwas anderes war als der Beschluß, jeden Coitus zu vermeiden (Soliloqu. I, 10, 17; De beata vita I, 4; De util. cred. VIII, 20; Flasch 1980, 49). Angeblich dem Manichäismus hin zur Lek türe der Heiligen Schrift entflohen (Conf. VIII, 12; vgl. Röm 13, 13 f; 14,1), bleibt dieser im Entschluß zum Mönchtum immer noch sichtbar, obwohl dabei zugleich auch von ask etischen Tendenzen des Paulus selbst gespeist (1. Kor 7,1). Allerdings ist diese Beschreibung im Sinne einer Psychosemiotik auf der einen Seite noch zu oberflächlich, will Augustinus doch den Aufstieg zu Gott (Conf. X, 40) innerhalb der ›loci memoriae‹ [Orte des Gedächtnisses] in Stufen suchen (Conf. X, 8), um Gott ›attingere‹ [berühren] zu k önnen (Conf. X, 17). So scheint Gott zunächst in der ›memoria‹ zu sein (Conf. X, 24), obwohl dort eher der ›locus animae‹ [Ort der Seele] gefunden wird (Conf. X, 25), so daß Gott nirgends und zugleich überall ist (Conf. X, 26). Erst in der Umk ehrung der Suche findet die Seele endlich ihren ›locus‹ in Gott, „quo colligantur sparsa mea“ [wo alles in mir Verstreute versammelt wird] (Conf. X, 40). Auf der anderen Seite aber ist die Mutter Monnik a auch hier wieder ›imaginäre Mittlerin der Enthaltsamk eit‹. Ihr Bild in Augustins Seele ist das einer Dienerin Gottes, deren Gaben sich der Zuchtrute der Erziehung durch die Befehlsgewalt des eingeborenen Christus verdank en (Conf. IX, 8). Alles hatte sie von Gott gelernt, „docente te magistro intimo in schola pectoris“ [dem inneren Lehrer in der Schule des Herzens] (Conf. IX, 9). Sie wuchs „pudice ac sobrie“ [züchtig und nüchtern] heran und sprach zu ihrem Ehemann durch ihre ›mores‹, „quia sentiebat praesentiam tuam in corde eius sanctae conversationis fructibus testibus“ [weil er ange-
16. Aurelius Augustinus (354—430)
sichts der Früchte dieses heiligen Wandels deine Gegenwart in ihrem Herzen fühlte] (Conf. IX, 9). Die ›cubilis iniurias‹ [Unrechtstaten des Ehebetts] ertrug sie in der Hoffnung, „ut in te credens castificaretur“ [daß er, wenn er an dich glaubte, k euscher würde] (Conf. IX, 9). Ursprünglich der ›Lust des Mundes‹, einfaches Tischwasser zu trink en, sogar bei größtem Durst abgeneigt, hatte sie sich allmählich „quibusdam superfluentibus aetatis excessibus“ [im Mutwillen ihres Alters] dazu verleiten lassen, heimlich sogar volle Becher Wein zu trink en und war dafür von einer Magd als ›meribibula‹ [Säuferin] gescholten worden. So hatte Gott die Krank heit der einen Seele durch die einer anderen geheilt (Conf. IX, 8) und damit Augustinus, dem Sohn, eine Imago vorgegeben, wie der Weg seiner eigenen ›Heilung‹ aussehen könnte. Diese ›imago matris‹ [Bild der Mutter] steigt in ihm angesichts des Themas ›Tod der Mutter‹ auf (Conf. IX, 8) und führt sofort zum ›mystischen Gespräch mit der Mutter‹ (Conf. IX, 10). Aus der Körperwelt langsam emporsteigend, die neuplatonische Emanation quasi umk ehrend, gelangen beide zur Erk enntnis, daß die fleischliche Sinneslust im Vergleich mit den Wonnen göttlichen Lebens k einer Erwähnung wert ist. Das ›os cordis‹ [Mund des Herzens] trank so aus den daherströmenden Wassern der Quelle Gottes (Conf. IX, 10). Die neuplatonisch gefärbte ›fruitio Dei‹ [Genuß Gottes] überwältigt die ›concupiscentia carnis‹ [Begierde des Fleisches], weil sie der bessere Genuß ist. Die sich anbahnende Ask ese Augustins bedeutet k eineswegs die radik ale Verleugnung des Lust-Zieles, sondern seine höchste Bejahung. ›Mit der Mutter in mystischer Vereinigung sprechen‹ läuft parallel zu dem Sprechen mit Gott im ›Innersten der Seele‹. Verräterischer k ann sich das Ego Augustins gar nicht äußern, denn ‘Gott’, ‘Mutter’ und ‘Seele’ sind hier zu einem gemeinsamen semantischen Feld vereinigt. 2.4.2. Der neuplatonisch gefärbte Presbyter Simplicianus, später Bischof von Mailand nach Ambrosius, wies Augustinus den ›Logos‹ von Joh 1,1—14 als Zugang zum νοῦς, dem ewigen Logos-Gott (Civ. Dei XIX, 29, 2), sowie die Wichtigk eit der Lek türe der Paulusbriefe auf (Conf. VII, 21, 27; c. Acad. II, 2), was ihm zugleich die ›Philosophie‹, das ursprüngliche Begehrensziel, endlich erschloß, insofern Paulus die Ehelosigk eit der von Augustinus immer noch bevorzugten Ehe den Vorrang einräumte (Conf. VIII, 1). Da-
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neben erzählte ein anderer Freund, Ponticianus, von seiner Lek türe der Vita S. Antonii des Athanasius (295—373), die ihn in ›Geburtswehen des neuen Lebens‹ zur Wahl des ask etischen Lebens ›entflammt‹ hatte (Conf. VIII, 6). Ciceros Hortensius hatte zwar schon immer die Verschmähung von Erdenglück als Weg zur ›sapientia‹ empfohlen, aber dieser Weg war von Augustinus immer wieder ›verschoben‹ worden. Jetzt, angesichts der ›narratio lectionis‹ seines Freundes, begegnete er endlich seiner eigenen Imago. Gott rück te sie ihm mit Gewalt vor Augen und erschütterte ihn damit: er k onnte sich selbst im ›Herzensspiegel‹ nur noch als häßlich, schmutzig und nack t sehen, was eine furchtbare Scham weck te (Conf. VIII, 7). In diesem Ablauf sind Züge des Narzißmus (Kohut 1971) unverkennbar. Durch dieses ständige Insistieren auf der Lek türe des ›Gramma‹ genügend vorbereitet, brach endlich der ›Seelenk ampf‹ im Mailänder Garten als Zwiespalt des Willens aus (Conf. VIII, 8 f), der im ›Todesk ampf des alten Menschen‹ die ›imago castitatis‹ [Bild der Keuschheit] vorstellte (Conf. VIII, 11). Das Seelenauge sah sie, brach in Tränen aus, nahm die Heilige Schrift, und die ›intentio digiti‹ [Intention des Fingers] fand den ›locus castitatis‹ bei Paulus. Der Entschluß stand fest und mußte sofort der Mutter zu deren Freude erzählt werden (Conf. VIII, 12). Das Lehramt des Rhetors wurde mit einem Rück zug auf das Landgut Cassiciacum aufgegeben (Conf. IX, 2), die Taufe in der Osternacht 387 durch Ambrosius empfangen (Conf. IX, 6), bevor der Tod Monnik as und die k lösterliche Abgeschiedenheit in Thagaste (388—391) diese totale Loslösung der Seele vom Somatischen abschloß (Conf. IX, 4, 11). Klarer hat k ein Schriftsteller ausgedrück t, wie allein das ›Imaginäre‹ dem Begehrensziel zum Durchbruch verhilft, ›Grammatologie‹ (Derrida 1967 b; Derrida 1967 a) und ›Psychagogik ‹ bringen das Sprechen zum Verstummen und geben der ›veritas vitae‹ [Wahrheit des Lebens] die Lek türe des ›Gramma‹, durchaus noch im Kern stoisch, vor: Die stoisch-materielle ›vox‹ wird dort zum ›flatus vocis‹ [Hauch der Stimme] und zum ›signum mortis‹ [Todeszeichen], wo sie vergessen hat, daß sie lediglich eine Entzifferung der Welt ›eingeschriebener Signifik anten‹ ist. Eine Theologie der ›viva vox‹ ist danach jedenfalls unmöglich geworden, weil sie dem Hauch der Stimme mehr ›Leben‹ entnehmen will als dem ›höchsten Sein‹, dessen Ausgang und Ziel das ›Über-Sein‹ ist.
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2.5. Die Spätphase: Theorie des Sakraments und Gnadenlehre 2.5.1. Durch Bischof Valerius von Hippo Regius (Numidien) 391 überraschend zum ›Presbyter‹ (Priester), 395 zum Mitbischof geweiht, trat Augustinus dessen Nachfolge an. Die letzte Periode seines Denkens begann. Die abschließende Auseinandersetzung mit dem Manichäismus (bis 400), der Versuch der Überwindung des donatistischen Schismas in Nordafrik a, der Kampf gegen den Pelagianismus (411—430) (Bonner 1972) sowie die monastische ›stabilitas loci‹ bestimmten fortan das zur Ek k lesiologie (Hofmann 1933) tendierende und die Sünden- und Gnadenlehre voll entwick elnde Denk en Augustins. Während der Belagerung der Stadt Hippo Regius durch die Vandalen unter Geiserich, die als ›signum finis imperii Romani‹ empfunden wurde (Fischer 1948), starb Augustinus, somit selbst im Tode noch ein ›signum finis antiquitatis‹, das zugleich alle Keime einer neuen Epoche enthielt. Donatus von Casae Nigrae, Bischof von Carthago (ab 316), hatte die in Todsünde vollzogenen Sak ramente für unwirk sam erk lärt und eine auf einen ohne Todsünde lebenden Klerus aufbauende Kirche gegründet, der man aus der ›ecclesia catholica‹ nur durch eine Wiedertaufe beitreten k onnte. Es ging also um die Realisierung eines Heiligk eitsideals, bei dem auch das Martyrium als Merk mal der wahren Kirche propagiert wurde. Obwohl an sich in bestimmten Punk ten Augustinus geistig verwandt, trat dieser ab 399 offen für den Einsatz staatlicher Gewalt gegen diese Häresie ein. Aber theologisch k onnte die Forderung persönlicher Heiligk eit von ihm gar nicht abgelehnt werden; er baute sie in eine Ek k lesiologie ein, in der die Kirche, allerdings erst im Eschaton der ›Vollk ommenheit‹, ihre geschichtlich bedingten Mängel überwindet (Karpp 1958). Die Kirche ist zwar einerseits ›Domini corpus verum‹, andererseits jedoch ›permixtum‹ (doct. christ. III, 32, 45); dazu gehört auch die ›Amtsheiligk eit‹ der Priester (c. litt. Petil. II, 48, 112). Die Sak ramente sind für Augustins immer wieder semiotisch orientiertes Denk en ›sacra signa‹ (Civ. Dei X, 5). Sie bleiben im Kern stoisch bestimmt: Die ›corporalia sacramenta‹ sind ›quasi verba visibilia‹ (c. Faust. XIX, 16) oder ›signacula quidem rerum divinarum visibilia‹, in denen allerdings die ›res ipsae visibiles‹ verehrt werden (cat. rudibus XXVI, 50). Wenn man die k örperlich-sensiblen Signifik anten
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sak ramental einsetzt, dann geschieht ›rei gestae commemoratio‹ so, daß das ›Andere‹ des Signifik anten in der Signifik ation als ›intelligibile‹ in Heiligk eit zu verehren ist (ep. LV, 1, 2). Zu dem k örperlich-materiellen ›elementum‹, dem ›visibile verbum‹, tritt das ›verbum‹ ›et fit sacramentum‹ (in Joann. LXXX, 3). Allerdings gilt dies nur innerhalb der Kirche; gegen die Donatisten ist über die Sak ramente zu behaupten: „extra ecclesiam non valent ad salutem“ (De bapt. IV, 17, 24). Trotz aller Paradigmenwechsel wird das stoische Grunderbe auch bei so hochtheologischen Themen immer wieder sichtbar: Eine Semiotik der Sak ramente k ann wohl ohne es nicht gedacht werden. 2.5.2. Pelagius (gest. nach 418), ein britischer Ask et, äußerte sich ebenfalls zum Thema ›Sünde‹ (Lorenz 1961). Obwohl mehrfach, auch unter Mitwirk ung Augustins auf Synoden verurteilt, stimmte er in vielen Punk ten mit Augustinus überein. Sein Anti-Manichäismus, der Radik alismus der Bergpredigt mit ihrem ›Gesetz der Vollk ommenheit‹, die Pflicht der Laien, sich gegenseitig ›Seelenführer‹ zu sein, das Vorgegebensein der Gnade, alles dies sind Punk te, in denen ein Konsens möglich sein mußte. Nach Pelagius gibt der gerechte Gott das Gesetz wegen der ›possibilitas boni‹ beim Menschen, dem eine ›naturalis quaedam sanctitas‹ möglich ist (ep. Demetr. 4). Sünde ist ›non naturae delictum, sed voluntatis‹, also eine freie Tathandlung, so daß sündenlose Menschen möglich sind. Ihnen ist die Gnade ein Vorgegebenes, das in der Willensentscheidung ak tualisiert oder verfehlt wird. Die Gnade Gottes läßt Seinsgesetzlichk eit und Sollensgesetzlichk eit zusammenfallen. Die ›Erbsünde‹ ist nur eine sündige Gewohnheit und eine Nachahmung Adams, womit zugleich die Notwendigk eit der Kindertaufe geleugnet wird. Christi Heilsbedeutung liegt allein in der Sündenvergebung. Da Augustinus seine Auffassung von Sünde und Glaube infolge seiner Erfahrungen geändert hatte, k onnten seine Gnadenlehre und seine Überzeugung von der Unfreiheit des Willens nach dem Sündenfall diesen Punk ten nur widersprechen. Für den paradiesischen Zustand Adams vor dem Sündenfall bestand dank der Hilfe der Gnade das ›posse non peccare‹ (De corrept. XII, 33). Der Sündenfall war jedoch das Verlassen der Gnade, so daß auch der Mensch verlassen wurde (De corrept. XI, 31): Als ›mors animae‹ (Civ. Dei XIII, 2) trat die Selbstliebe an die Stelle der
16. Aurelius Augustinus (354—430)
Gottesliebe (sermo 96,2). Die Sünde ist somit ein ›motus aversionis‹ und ein ›motus defectivus ex nihilo‹ (De lib. arb. II, 20, 54). Da in Adam gemäß Röm 5, 12 alle gesündigt haben (De pecc. mer. I, 23, 33), ist die ›Erbsünde‹ die gänzliche Unfähigk eit zum Guten (De div. quaest. I, 2, 16). Alle Menschen werden gezeugt und geboren ›ex malo concupiscentiae‹ (De nupt. I, 24, 27) und befinden sich im ›status corruptionis‹: Sie sind getrieben von der ›consuetudo satiendae insatiabilis concupiscentiae‹ (Conf. VI, 12, 22), d. h. von jener ›libido‹, „qua obscenae partes corporis excitantur“ (Civ. Dei XIV, 16), die als Folge des Sündenfalls aufgetreten ist (De pecc. mer. II, 22, 36). Dieser unübersehbare Zug des Antisexuellen ist wohl doch ein Rest aus einem unüberwundenen Manichäismus (Harnac k 1891, 191 Anm. 3; dagegen: Loofs-Aland 1953, 307 Anm. 9); auch geht der Neuplatonismus in die Gnadenlehre ein (Loofs-Aland 1953, 314—330). Wurde der Glaube vorher von Augustinus als ›a nobis in nobis‹ betrachtet, so ist das ›posse credere‹ nunmehr bedingt durch das Zuvork ommen des ›praecomium veritatis‹ (De praed. III, 7). Da alles Gute von Gott allein k ommt (De lib. arb. II, 19, 50), ist die ›fides‹ als ›donum Dei‹ inspiriert (De div. quaest. I, 2, 9), so daß man Gott nur um den Glauben bitten k ann (Soliloqu. — I, 1, 5). Die Gnade wird ›gratis‹ gegeben (enchir. 107) und ist ›irresistibilis‹ (De corrept. XII, 38). Auch das Durchhalten des Glaubens (perseverantia) ist ein Gnadengeschenk (De corrept. XII, 33), das an die Stelle der bösen Begierde eine ›concupiscentia bona‹ treten läßt, indem der Heilige Geist die ›caritas‹ in die Herzen ausgießt (De spir. et litt. IV, 6). Die ›gratia remissionis liberans‹ und die höhere ›gratia adiuvans‹ (expos. quarund. XIII, 44) bewirk en deren Wollen durch Gottes Berufung (quaest. 83, Nr. 68,5).
3.
Sprache als ›signum desiderii‹
3.1. In verschiedene Werk e verstreut, die zusammenhängend als Text interpretiert gehören (Güttgemanns 1983, 101—170), gibt es trotz ständig sich ändernder Denk figuren eine innere Systematik der sprachphilosophischen Äußerungen Augustins. In dem überaus umfangreichen Oeuvre (Loofs-Aland 1953, XI bis XIII; Altaner-Stuiber 1966, 419 ff) finden sich deren Quellen vor allem in folgenden, in chronologischer Reihenfolge angeordneten Werk en: Contra Academicos (386), Soliloquia
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(386/387), De immortalitate animae (387), De quantitate animae (388), De musica (387/389), De libero arbitrio (388/395), De magistro (389); De mendacio (395); Confessiones (396/ 398); De doctrina christiana (396/426); De Trinitate (399/419); De catechizandis rudibus (400); De Genesi ad litteram (401/414); De spiritu et littera (412); De Civitate Dei (413/ 426); Contra mendacium (420) und Enchiridion (423). Von der bisherigen, auf denselben Quellen beruhenden Darstellung vorbereitet, sollen jetzt wenigstens die Grundzüge der sprachphilosophischen Systematik dargestellt werden. Das Sprechen ist zunächst ein Instrument des begehrenden Willens und insofern ein ›signum desiderii‹. Ähnlich wie später Sigmund Freud (1856— 1939) (Güttgemanns 1983, 263—312) geht Augustinus von der prägenden Ursituation des ›in-fans‹ aus, das allmählich das Sprechen lernt. Die ›Lust des Mundes‹, durch Speise für ›oris aditus‹ gefüttert zu werden, nach Freud die älteste ›orale Triebregung‹ (Freud XIV, 13), verlangt nach Muttermilch und gibt deshalb ›signa‹, die voluntates [Begehrungen] zum Ausdruck bringen sollen. Werden sie nicht erfüllt, entsteht als ›motus‹ der Zorn. So lernt der Mensch die Zeichen, um sensa [Gefühle] anderen k undzutun (Conf. I, 6). Obwohl das infans darin ›sündig‹ ist (Conf. I, 7), lernt es das Sprechen zum Zweck e der Wunscherfüllung (Conf. I, 8): Das Saugenwollen wird zum Schrei, dann zum Lachen im Schlaf, zum Strampeln des Körpers als ›gestus‹, zum Weinen bei Verweigerung, und das Gebet zu Gott in der „commemoratio“ von Gottes bisherigem Erbarmen k ann sich anschließen (Conf. I, 6). Die unbeständigen, sinnlichen und zeitlichen ›res‹ entspringen den ›sempiternae rationes‹ als den ›immutabiles origines‹. Gottes Lachen über die k indische Frage nach dem ›Wo‹ Augustins vor der Schwangerschaft seiner Mutter (Frage nach dem ›locus ultimus‹) wird im Lobpreis beantwortet unter Verwendung des ›syllogismus coniecturae‹ aus der Beobachtung anderer und aus der Autorität unwissender Weiber. So macht Gott den Mund der infantes gemäß Mt 21,16 und Ps 8,3 ›disertus‹ [beredt] (vgl. Quintil. X, 7, 15), indem das menschliche Sprechen in der ›Rhetorica ad Deum‹ enden muß (Conf. VIII, 5). Das noch zu stark ›somatisch‹ an endlichen Begehrenszielen orientierte menschliche Stammeln soll sich von diesen lösen und die ›concupiscentia bona‹ lernen, indem es anhand der Zeitlichk eit der Signifik anten und
II. Personen
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ihrer Ziele die ›Überzeitlichk eit des ewigen göttlichen Signifik ats‹ lernt. In diesem Gedank engang sind stoisches Erbe, manichäischer Dualismus und neuplatonischer Monismus in einem neuen Sprachmodell ›aufgehoben‹, das als letztes Begehrensziel ein ›Sprechen‹ will, das irdisch niemals erreichbar, sondern nur als ›göttliche Erfüllung‹ zu hoffen ist. Erstrebt wird ein ›Jenseits irdischer Signifik anten‹, das die creatio Dei hinter den ›Sündenfall‹ zurück führt und letztlich nur in einem Sprechen Gottes selber enden k ann, das vor der Schöpfung der Zeitlichk eit und damit dem Tod noch nicht unterworfen war. 3.2. Die Prinzipien der Sprachk onstitution leiten auch die Subjek tk onstitution. Augustinus unterscheidet systematisch zwischen ›objek tiver‹ und ›subjek tiver‹ Wahrheit. Der Sprechak t der Lüge ist nur dann gegeben, wenn er nicht nur ›signa‹ oder ›significationes‹ produziert, die nicht der ›cogitatio cordis‹ entsprechen; vielmehr muß die ›cupiditas fallendi‹ als systematischer Täuschungswille hinzutreten, der die Welt zerstört (De mend. 3; Güttgemanns 1991). Die systematische Lüge ›zerspaltet‹ als ›insinceritas‹ [Unaufrichtigk eit] den Menschen in ›duplex cor‹ und ›duplex cogitatio‹. Sie mißbraucht die ontologische ›Schwäche‹ der Signifik anten zur Schöpfung einer antigöttlichen Gegen-Welt. Diese enge Verk nüpfung zwischen der Konstitution der Signifik anten und der Konstitution des ›Ego‹ bedingt einerseits die mit Augustinus beginnende Geschichte der abendländischen ›Subjek tivität‹, andererseits aber auch die ›k onfessorische Autobiographie‹, die erst recht dazu verleiten k ann, nicht nur ›insincerus‹ gegenüber den Lesern, sondern auch noch gegenüber sich selbst zu sein: Das ›Image‹, der Schein des Sein-Wollens, bricht mit Augustinus in die Literaturgeschichte ein, wobei er die Probleme seiner eigenen Subjek tk onstitution nicht hat verbergen können. ›To be honest to oneself‹ im Angesicht des Angebots der ›Schulen‹ leitete den Lebensweg Augustins auch in seinen literarischen ›Grammata‹. Gleichwohl mußte das Begehrensziel der ›sinceritas‹ bei einem so ›zerspaltenen‹ Denk er letztlich scheitern, k onnte er am Ende doch nicht mehr an die den Tod überwinden-
den ›signa‹ glauben; vielmehr verzweifelte er an ihnen (De magistro; Güttgemanns 1983, 162 ff). Die stets an ›Grammata‹ orientierte vita activa suchte die ›Lust am Text‹ (Barthes 1973). Zwischen dem Angebot der Texte hinund hergerissen, blieb ihr schließlich nur das ›desiderium Dei‹ als ›letzte Lust‹, durch die Mutter vermittelt und zusammen mit ihr ›genossen‹. ›Signa‹ sind ›res‹, die wie alle anderen ›res‹ nur ›benutzt‹ (uti) werden dürfen, um zum ›Genuß‹ (frui) zu gelangen. Von allen Genüssen dieser Welt enttäuscht, bleibt A. nur die imago der ›fruitio Dei‹, zu dem das höchste Sein auch die Menschen benutzt.
4.
Literatur in Auswahl
Adam 1931, Die geistige Entwicklung des hl. Augustinus. Alfaric 1918, L’évolution intellectuelle de Saint Augustin. Andresen (Hg.) 1962, Zum Augustin-Gespräch der Gegenwart. Flasch 1980, Augustin. Gilson 1930, Introduction à l’étude de Saint Augustin. Güttgemanns 1983, fragmenta semiotico-hermeneutica. Güttgemanns (Hg.) 1991, Das Phänomen der ›Simulation‹. Simon 1954, Aurelius Augustinus. Sein geistiges Profil. Thimme 1929, Augustins Selbstbildnis in den Konfessionen. Vance 1986, Augustine, in Encyclopedic Dictionary of Semiotics 1, Sebeok (Hg.). Quellen zitiert nach: Migne, Patrologiae cursus completus, series latina, vol. 32—47 (= Augustini opera omnia, 1861— 1862). Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum (Augustini opera, sect. 1—3, 5—8, 1887 ff). St. Augustine’s Confessions I—II (Hg. u. Übers. Watts 1631, Loeb Classical Library). Aurelius Augustinus, Der Lehrer — De magistro (Hg. u. Übers. Perl 31974).
Erhardt Güttgemanns, Bonn (Deutschland)
17. Bhartṛhari (ca. 450—510)
17. 1. 2. 3. 4.
1.
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Bhartṛhari (ca. 450—510) Introduction Summary of the Vākyapadīya Assessment of Bhartṛhari’s contribution to philosophy of language Selected references
Introduction
1.1. Bhartṛhari’s predecessors The history of the famous Pāṇinian tradition of Sansk rit grammar begins with three luminaries, i. e. Pāṇini (ca. 400 B. C.), Kātyāyana (ca. 250 B. C.) and Patañjali (ca. 150 B. C.). Pāṇini, the founder of the school, composed the well k nown Sansk rit grammar named Aṣṭādhyāyī. Kātyāyana wrote brief comments on the Aṣṭādhyāyī called Vārttikas. Finally, Patañjali composed a massive commentary on Pāṇini’s Aṣṭādhyāyī and on Kātyāyana’s Vārttikas. This commentary is k nown as the Mahābhāṣya. Pāṇini’s work provides us rules for the derivation of Sansk rit sentences and tak es care of the domains of syntax, morphology and phonology. It uses meanings as the starting point for derivation and as conditioning factors in many rules. However, this great grammar does not provide us any direct access to Pāṇini’s philosophy of language. Generally, it can be said that Pāṇini was not interested in having philosophical issues become part of a grammatical work . However, Kātyāyana and Patañjali bring up significant issues concerning the philosophy of language and discuss them alongside the issues of derivational procedures. Essentially, in the work s of these two grammarians, we see the beginning of two distinct but related analytical traditions, namely the tradition of derivational grammar (śabdaprak riyā) and the tradition of dealing with meaning (arthaprak riyā). There are philosophical issues which concern both of these traditions, but in these early work s, philosophical issues are not clearly separated from other concerns (s. art. 5). 1.2. Bhartṛhari and his works It is in the work of Bhartṛhari that we see a full development of the philosophical issues within the tradition of grammar. After Patañjali, Bhartṛhari is the next most prominent
name in the tradition of Sansk rit grammar. While there are still debates concerning his date, it now seems fairly certain that he must be placed about 450—510 A. D. (Iyer 1969, 2). He was k nown as a historical person of great fame to the Chinese traveler I-ching, and was apparently used as a source by the Buddhist logician Dignāga (ca. 480—540). Bhartṛhari’s teacher was Vasurāta (ca. 430— 490) who was evidently a student of the well k nown Buddhist grammarian and philosopher Candragomin. We also k now of a poet Bhartṛhari who composed the famous Śatakas [one hundred verses] each on the topics of nīti [worldly ways of behavior], śṛṅgāra [love] and vairāgya [renunciation]. It cannot yet be conclusively decided whether the poet Bhartṛhari was the same as the grammarianphilosopher. While some scholars attribute the authorship of the poem Bhaṭṭikāvya to Bhartṛhari, this is not generally accepted. Bhartṛhari’s extant work s on grammar are as follows: (1) Mahābhāṣyaṭīkā (-dīpikā?) (2) Vākyapadīya (kārikā), Kāṇḍas I, II and III. This work is also called Trikāṇḍī. (3) Vṛtti on Vākyapadīya I and II A fourth work , Śabdadhātusamīkṣā, is k nown from references in other work s, but is not available today. The first work is a commentary on Patañjali’s Mahābhāṣya. In its original form, it must have been a voluminous work , but we now have only a fragment of this commentary available in a single manuscript. It covers only the first 53 rules of Pāṇini’s Aṣṭādhyāyī. Kaiyaṭa (11th century) relied upon this work of Bhartṛhari in writing his own commentary on the Mahābhāṣya called the Pradīpa. The surviving fragment of Bhartṛhari’s commentary, now available in several editions, shows great erudition on the part of its author and helps us reconstruct the state of grammatical exegesis about 500 A. D. Though philosophical issues are raised while discussing the text of the Mahābhāṣya, this commentary is not an exclusively philosophical text. The main contribution to philosophy of grammar and philosophy of language is found in the Vākyapadīya and its commentary Vṛtti (found only on the first two chapters). The first chapter or ›k āṇḍa‹ is called ‘brahmak āṇḍa’ or ‘āgamak āṇḍa’. The second ›k āṇḍa‹ is called ‘vāk yak āṇḍa’, and
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the third is called ‘padak āṇḍa’, ‘prak īrṇa’ or ‘prak īrṇak a’. Often the first two chapters were traditionally considered to constitute the Vākyapadīya (= VP), and the third chapter was considered to be a separate work . However, there is some evidence (i. e. VP II, 488) to show that the third chapter is an integral part of the Vākyapadīya. While the text differs slightly according to different published editions, according to the critical edition of the verse portion of the Vākyapadīya published by Wilhelm Rau in 1977, the first and the second chapters have 183 and 490 verses, respectively. The third chapter, which is divided into 14 sections, has 1325 verses. All references to the verses of the VP in this article refer to Rau’s critical edition. Among all the scholars who have work ed on the Vākyapadīya, K. A. Subramania Iyer made the most voluminous contributions by editing all the different chapters with various commentaries and translating the whole text with notes. His book (Iyer 1969), though somewhat dated, remains the single most comprehensive study of Bhartṛhari’s contribution to the philosophy of language. Madeleine Biardeau (1964) and Gaurinath Sastri (1959) are also important general work s discussing Bhartṛhari’s linguistic philosophy. 1.3. Commentaries on Bhartṛhari’s Vākyapadīya. There are several commentaries on the Vākyapadīya, the oldest of which is called Vṛtti, Vivaraṇa or Ṭīkā. This commentary, in its available form, covers only the first two chapters with some significant gaps. Although it is traditionally ascribed to Bhartṛhari himself, some manuscripts give the name of the author as Harivṛṣabha. There is a commentary called Paddhati by Vṛṣabhadeva on the ›k ārik ās‹ and ›vṛtti‹ of the first chapter. Another commentary on the second chapter is traditionally ascribed to Puṇyarāja. Some scholars have argued that this commentary is most probably a shortened version of a commentary by Helārāja, who also composed the commentary Prakāśa on the third chapter. Of these commentaries, the Vṛtti is traditionally considered as being not a commentary on the Vākyapadīya, but an integral part of the Vākyapadīya. However, modern scholars have raised doubts concerning the authorship of the Vṛtti (for discussion, see Iyer 1969, 16 ff). There are several modern Sansk rit commentaries of which the most noteworthy is the commentary Ambākartrī by Raghunātha
II. Personen
Śarmā. It covers the entire Vākyapadīya While the date of Puṇyarāja is uncertain, Helārāja belonged to the earlier part of the eleventh century A. D. The date of the commentator Vrsabhadeva is still not certain though he is most probably pre-Kumārila. Besides these, there is a commentary called Vākyapadīyaprameyasaṅgraha by an unk nown author covering the second chapter of the Vākyapadīya. This is really an abridgement of the commentary usually ascribed to Puṇyarāja. 1.4. The historical context In the history of Sansk rit grammar, the position of Bhartṛhari is unique. There is a long hiatus in our k nowledge about the history of the Sansk rit grammatical tradition between Patañjali and Bhartṛhari which can be filled only with bits and pieces of information. We are informed by Bhartṛhari (VP II, 481—487, or by his student to whom this portion is ascribed by some) that an earlier work on the philosophy of grammar was Vyādi’s Saṅgraha. After this massive work fell into disuse, Patañjali composed his Mahābhāṣya which to some extent performed the same function as the Saṅgraha did in explaining the theoretical stance of the grammarians. However, the Mahābhāṣya turned out to be an unfathomable text and only a few accomplished scholars were able to understand the depth behind its apparent simplicity. Also there were other philosophers, interested in just plain hairsplitting, such as Baiji, Saubhava and Haryak ṣa, who vehemently attack ed the Mahābhāṣya. As a result of this situation, Patañjali’s disciples lost the tradition of the Mahābhāṣya and the k nowledge of the back ground of grammar, which came to be preserved only in written form in South India. The proper appreciation of the Mahābhāṣya was recovered from these southern sources by Bhartṛhari’s grand-teacher Candrācārya (= Candragomin) who made the ›āgama‹ or the theoretical back ground k nowledge of grammar a subject of intellectual activity. Many details about how exactly the Mahābhāṣya was transmitted and revived are hotly debated by scholars, but the general outline is quite clear. Bhartṛhari therefore represents not a continuous tradition going back to Patañjali, but a revival. Along with his teachers, Bhartṛhari attempted to mak e sense of the theories of Patañjali. The contemporary philosophical traditions were used to develop further insights into linguistic theories. While he definitely represents the Brahmanical tradition,
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in all probability he was in close contact with the Buddhist tradition. Bhartṛhari’s date comes very close to a time when the Buddhist schools of the Vijñānavāda and Madhyamak a were flourishing, and the Brahmanical think ers were involved in developing their theories by tak ing into account the arguments of their philosophical adversaries. The Grammarians also took into account the philosophical ideas concerning language developed by other Brahmanical schools such as the Mīmāṃsā and the Vaiśeṣik a schools (s. art. 5). Bhartṛhari also seems to have been in close contact with Brahmanical schools professing monistic idealism of some k ind. Bhartṛhari’s thought as expressed in the Vākyapadīya unmistak ably represents a k ind of linguistic monism, a philosophy in which a language-principle stands ultimately as the source of the entire material existence. In the process of such intense interactions, new ideas were grafted on the old and speculation concerning the role of language in every aspect was developed with full vitality. While the scope of Bhartṛhari’s work is truly encyclopedic, we shall briefly consider some of Bhartṛhari’s major contributions.
2.
Summary of the Vākyapadīya
2.1. The Brahmakāṇḍa 2.1.1. The doctrine of language-reality: Śabdabrahman The first ›k āṇḍa‹ begins with an assertion that the ultimate reality, Brahman, is the imperishable principle of language, without beginning and end, and the evolution of the entire world occurs from this language-reality in the form of its meaning (VP I, 1). Though this language-reality is ultimately only one and indivisible, through its manifold powers it seems as if it is differentiated (VP I, 2). Through these powers, this single languagereality becomes the seed for all multiplicity and exists in the form of the experiencer, the experienced and the experience (VP I, 4). The Veda is the means of attaining the true state of this language-reality, and while it is one, it is handed down in many traditions (VP I, 5). In order to propagate the k nowledge of the Veda, the learned sages created the traditions of remembered lore (smṛti). Grammar is the foremost of the ancillary sciences dealing with the Veda, closest to that language-reality. It is the direct path to the attainment of the highest blissful essence of the manifested lin-
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guistic diversity. Language is the vehicle of all human activity and the k nowledge of language cannot come about without grammar. Thus grammar is a gateway to salvation, a treatment for the defilements of language, and the leading branch of k nowledge. Through the science of grammar as something including among other things a language-based spirituality, one can attain to the state of the highest language-reality (VP I, 11—22). 2.1.2. Issues concerning language Bhartṛhari (VP II, 24—26) enumerates eight major topics discussed in his work : (1) Meanings which are isolated through analysis, (2) meanings which are in their natural pre-analysis state, (3) expressions which need to be explained, i. e. the data, the subject matter of grammar, (4) expressions which are instrumental in derivation, which help in grammatical process, (5) cause-effect relation between expressions and meanings, (6) their fitness to express certain meanings, (7) their ability to produce merit, and (8) their ability to express meaning. Bhartṛhari discusses (VP I, 27—43) the importance of the tradition and the necessity of relying on the inherited k nowledge in deciding non-mundane matters such as acquisition of spiritual merit. The tradition of grammar is also part of this traditional wisdom and the issues of correctness (sādhutva) and incorrectness (asādhutva) are decided by referring to this hoary tradition. 2.1.3. Sphoṭa [real word] versus dhvani [physical sound] From VP I, 44 onwards, Bhartṛhari begins the technical discussion on the nature of language. Here we have the discussion of the sphoṭa doctrine for which Bhartṛhari is particularly well k nown (s. art. 43). The real word (sphota) is to be distinguished from ›nāda‹ or ›dhvani‹ [physical sound]. We are told how the real word which has no parts and sequence is revealed by the physical sounds. Properties such as duration, speed and sequentiality apply only to the manifesting physical sounds and not to the manifested real word, which is conceived by the speak er and perceived by the listener as a single unit. By evaluating the properties of dhvani and sphota discussed by Bhartṛhari, one can conclude that, in modern terminology, ‘sphoṭa’ amounts to something lik e ›schema‹ or ›type‹ instantiated by the dhvani tok ens. The tok ens are uttered in order to reveal sphoṭa or the
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type. This tok en-type or dhvani-sphoṭa relationship may be considered at the level of individual sounds, words and sentences. 2.1.4. Grammar as a spiritual path to salvation Ultimately, the language-principle is related to and identical with the ultimate reality, Brahman. The possession of this languageprinciple distinguishes the animate from the inanimate. There cannot be any cognition without being formulated in language. The language-principle resides within us and is identical with Brahman, the ultimate reality. Bhartṛhari’s effort to elevate grammar to the status of not only a philosophical system but a spiritual path toward salvation is an elaboration of ideas scattered in Patañjali’s work . Thus the first chapter briefly describes the purposes of studying grammar as a philosophical and a spiritual system, the nature of language and grammar in general terms, the general issues of semantics, and the importance of relying on the tradition for true knowledge. 2.2. The Vākyakāṇḍa 2.2.1. Different conceptions of sentence (vākya) These different views are as follows: A sentence is defined variously by philosophers as (1) a verbal form (qualified by the meanings of other sentence constituents), (2) a (connected) collection of words, (3) the universal property residing in a collection of words, (4) one undivided expression, (5) a sequence of words, (6) a unification in mind, (7) the first word (in which the meanings of the following words are anticipated), and (8) all words expectant of other words. Some of these views are based on a belief in the indivisibility (ak haṇḍapak ṣa) of a sentence, while others are based on the notion of its divisibility (k hanḍapak ṣa). Among those views which hold a sentence to be divisible, some are based on the notion that the constituents of a sentence first express their individual meanings and these individual meanings then get interconnected (abhihitānvayavāda). Other views are based on the notion that the constituents of a sentence express interrelated meanings which are simply connected to each other to form the meaning of a sentence (anvitābhidhā
II. Personen
navāda). These views may be briefly explained as follows: View 1: A sentence primarily consists of a verbal form, which constitutes the nexus of the sentence. A verb form conveys its meaning, i. e. an action, as related to other constituents of the sentence expressing the participants in that action (k ārak as) etc. (see VP II, 327). View 2: A sentence is a collection (saṅghāta) of words. Words convey their individual meanings which are then interrelated (abhihitānvayavāda). In this view, a sentence has divisible constituents (padas) right from the outset which convey the same meaning in isolation as in a sentence (see VP II, 41—46). View 3: A sentence is not merely a particular collection of words, an individual instance of language, but a universal that characterizes many identical speech-instances. While an individual speech-instance is a divisible collection of words, the universal pertaining to such speech-instances is indivisible (see VP II, 7— 16 and VP II, 56). View 4: This view is similar to View 3 in that it holds a sentence to be an indivisible entity. However, in this view, a sentence is not a universal shared by identical-sounding speech-instances. A sentence is an indivisible particular instance. It is a particular, which has no constituents at the level of communication. It is viewed as being divisible on the level of analysis (see VP II, 56). View 5: A sentence is not a mere collection of words but a particular sequence of words (k rama). This view gives particular consideration to the sequential production and perception of a sentence (see VP II, 49—53). View 6: A real sentence is not a collection of words or their sequence, or some universal. A sentence consists in mentally gathering into one group sequentially perceived or cognized entities. It is a conceptual construction in which the listener pulls together everything he hears in sequence. The speak er also has a similar conceptual unit which has no sequentiality of its own. The sequence comes in only during the transmission (see VP II, 30—33). View 7: The first word of a sentence is the focal constituent (ādyaṃ padam). The focal word is considered as conveying not only its own lexical meaning, but also its potential relationships to other words in a generic way. The actual words which may follow this initial word successively constrain the potentialities expressed by the initial word. Thus the func-
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tion of the rest of the sentence is to restrict the potentialities conveyed by the first word to a particular situation. This view may be considered to fall within the theory of ›anvitābhidhānavāda‹ mentioned above (see VP II, 47 f). View 8: A sentence is a collection of words which have mutual expectancy. If these words are tak en separately, then their mutual expectancy is not fulfilled and they would seem incomplete utterances. However, in a sentence the mutual expectancies of the constituent words are properly fulfilled, and hence a coherent sentence-meaning is produced. This view generally represents the theory of ›abhihitānvayavāda‹ referred to earlier (see VP II, 47 f). 2.2.2. Definition of sentence in Mīmāṃsā and grammar The verses VP II, 3—6 discuss the definition of sentence offered by Mīmāṃsā in comparison with that offered by the grammarian Kātyāyana. The Mīmāṃsāsūtra (II, i, 41) defines a sentence as: “an utterance serving a single purpose, such that its constituent words, if separated from the sentence, remain expectant of other words”. The Mīmāṃsā definition thus relates to a sentence as an expression communicating a single purpose or a single complete idea, and does not stipulate whether it may contain one or more verbs etc.. Bhartṛhari points out that this notion of a sentence differs from the notion developed by the grammarian Kātyāyana for the purpose of explaining sentential accents etc.. Kātyāyana defines a sentence as a group of words centered around one and only one finite verb. He considers the finite verb as the nexus of a sentence with other words such as the related indeclinables and words expressing participants in the action expressed by the verb. With such a restricted definition, Kātyāyana expects to be able to explain the sentential accents (prescribed by rules such as Pāṇini 8, 1, 28). The Mīmāṃsā definition of a sentence represents a discourse unit larger than that which a grammarian calls a sentence. In order to enable the definition given by Kātyāyana to cover a somewhat larger corpus of sentences, Bhartṛhari says that a vocative word should be construed as being a modifier of the verb and hence part of a sentence (VP II, 5). However, in contrast to Kātyāyana’s ideas about a sentence, Bhartṛhari also enunciates Pānini’s view that there
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could be more than one finite verb in a single sentence (VP II, 6; II, 445). 2.2.3. Indivisible sentence (sphoṭa) and its indivisible meaning In verses VP II, 7—16, Bhartṛhari elaborates his idea that as a linguistic reality, as distinct from an object of grammatical study, a sentence in fact is an indivisible unit and so is its meaning. He mak es a distinction between real undivided cognitions of sentences in actual communication and their deliberate subsequent divisions by grammarians through theoretical analysis. He compares this with a cognition of a patch of variegated color. This is an undivided partless cognition which can be subsequently analysed into its seeming components in terms of cognitions of different colors and shapes (VP II, 7 f). Similarly, a sentence is in reality an undivided whole, complete in itself. However, it can be subsequently interpreted in terms of seeming components which are words with mutual expectancy. These words are not the real components of the original sentence, which has no parts. Just as words are subsequently analysed as having stems and affixes, so is a sentence subsequently analysed as having component words. But these components are not real. Just as the word ‘vṛṣabha’ is not made up by combining ‘v’ with ‘ṛṣabha’, similarly a sentence is not made up by combining words. Since there are no divisions in a sentence, the meaning conveyed by a sentence has no divisions either. A person who does not k now the true nature of language considers divisions of a sentence into its components through subsequent theoretical analysis as being real (VP II, 9—14) (s. art. 63). Bhartṛhari criticizes the opinion of the Mīmāṃsak as and others that the components of a sentence first convey their general lexical meanings which are subsequently combined to form a particular sentence-meaning. If a word first conveys a generic lexical meaning, how could it then be pinned down to a particular context? If somehow it is pinned down to a particular instance, then we have to abandon the earlier generic meaning. How can something once accepted be abandoned? Since the sentencemeaning does not directly stem from the words, one could, to think in a reverse way, possibly get a word-meaning without a word. If such be the case, then the connection of a linguistic expression with its meaning is completely lost (VP II, 15 f). Bhartṛhari himself
274
seems to clearly advocate the view of a sentence being indivisible. However, such an internal undivided unit cannot be transmitted without physical sounds which are of necessity produced in sequence. Thus the sequence belongs to the transmitting sounds, and not to the conceived sentence. In the same way, the uttered sentence is received through a sequence of sounds, and yet finally perceived as a single sentence. The undivided sentence is initially perceived indistinctly. As more and more sounds are perceived, the shape of the sentence becomes more and more distinct until at the end it is perceived distinctly (VP II, 19). A linguistic expression conceived as a single indivisible unit is referred to by the word ‘sphoṭa’ by the commentators on the Vākyapadīya. However, Shivram Dattatray Joshi (1967, 35 ff) argues that Bhartṛhari uses the terms ‘sphoṭa’ and ‘śabda’ in different ways. According to Joshi, for Bhartṛhari ›śabda‹ [word, linguistic expression] is a meaning bearing unit, such as a sentence. However, he uses the word ‘sphoṭa’ in the context of manifestation of eternal or generic sounds through the employment of transitory instances of physical sounds (dhvani). The term ‘sphoṭa’ is not used to refer to a necessarily meaning-bearing unit. In terms of the original statements of Bhartṛhari, the notion of indivisibility of a sentence refers to a sentence as a meaning-bearing unit being indivisible, rather than a sentence as an uttered expression being indivisible. The sphoṭa “stands for a single phoneme or sound-pattern” manifested by physical sounds (dhvani), and it “may or may not be meaning-bearing” (Joshi 1967, 51). The commentators on the Vākyapadīya, on the other hand, extend the term ‘sphoṭa’ to the level of the meaningbearing units such as sentences and then essentially identify the notions of ‘śabda’ and ‘sphoṭa’ as meaning a permanent mental-intellectual expression. This view of Joshi is rejected by Iyer (1969, 158 ff) by showing passages from the Mahābhāṣyadīpikā and the Vṛtti on the Vākyapadīya where Bhartṛhari uses the word ‘sphoṭa’ to gloss ‘śabda’ referring to a linguistic unit as a meaning-bearing entity. Iyer (1969, 160) concludes in the following way: “The identification of Patañjali’s śabda with the sphoṭa is an accomplished fact in Bhartṛhari. Kumārila (ca. 620—680) k new it and rejected it and Maṇḍana Miśra (ca. 660—720) k new it and accepted it. There is no justification to look upon it as a misinterpretation of Bhartṛhari by later grammarians. [...] It does not mak e much sense to main-
II. Personen
tain that Bhartṛhari believed in the sphoṭa, but that, for him, it is not the meaning-bearing unit, because the sphoṭa doctrine arose as a solution to the problem of the understanding of meaning. The problem was how to explain the understanding of meaning from sounds which are uttered in a temporal sequence. As they are not simultaneous and cannot co-exist, they cannot co-operate in order to convey the meaning. The doctrine of sphoṭa is the grammarian’s solution of the problem”.
Following Joshi, we derive a sphoṭa theory under another name; probably it should be termed the śabda theory of Bhartṛhari. To follow the tradition of the commentators and most modern authors on the subject is to derive a similar theory through a wide assumption that ‘śabda’ and ‘sphoṭa’ are in certain contexts synonymous — a theory more properly called the sphoṭa theory (s. art. 43). From a strictly historical point of view, Joshi’s arguments are valuable to decide what name we use for the so-called sphoṭa theory. However, the theory remains the most valuable contribution made by Bhartṛhari. It may be observed that in Patañjali’s work the notion of a ›saṅghāta‹ [collection] as a meaningbearing unit appears, and he considers that this ›collection‹ is manifested by the physical sounds and discerned by one’s intellect. Bhartṛhari saw the logical problems in such a notion and advanced the notion of unity and partlessness of the revealed sentence. Thus, he most certainly advances the logic of the sphoṭa theory beyond Patañjali. 2.2.4. Sentence: A conceptual entity While the conceived and the perceived sentence has no sequence or parts in it as an experience of language in operation, the sentence is manifested and heard through the medium of sequential physical sounds. This sequence leaves its imprint on the partless cognition of a sentence and its meaning, and hence the partless sentence and its meaning appear as if they have parts (VP II, 22—27). If one believes that a sentence is divisible into words and words are divisible into their constituents, then the sounds themselves would have to be brok en down into their parts, lik e atoms. Since such parts (and their parts) would not form any cohesion, there could not be any wholes such as sounds and words, and finally we would not be able to point to anything as being a meaning-bearing unit (VP II, 28 f). Thus it is advisable to accept a sentence as representing a single linguistic unit which is not an external physical entity, but
17. Bhartṛhari (ca. 450—510)
an internal conceptual entity (antaḥ-śabdatattvam, VP II, 30). This indivisible internal linguistic unit is manifested through physical sounds. Similarly, the meaning of this internal linguistic unit is manifested through the divisions of meanings. The linguistic unit as the manifester of meaning and the meaning as the manifested notion are both internal and are in reality two aspects of the same internal entity (VP II, 31 f). 2.2.5. Sentence-meaning is not divisible Bhartṛhari criticizes what we view as primarily the Mīmāṃsā doctrine that even in communication there are constituent words in a sentence and that they each have their individual meanings. If, on the basis of commonsense understanding, one were to claim that there are such constituent words and their individual meanings, then these individual meanings would have to be abandoned after an integrated sentence-meaning is produced, and hence the individual words would become purposeless (VP II, 34). In the expression ‘aśvak arṇa’ which refers to a k ind of tree, the meaning is understood without first comprehending the meaning of the components ‘aśva’ [horse] and ‘k arṇa’ [ear]. Thus, we do not need to think of this word as having parts. Similarly, a sentence conveys its meaning as a single idea, and there is no need to imagine any constituent words (VP II, 36). When the so-called constituents of an expression convey a meaning totally unrelated to the meaning of a whole compound, even the grammarians consider these as indivisible conventional expressions (VP II, 37). The division of a sentence into its constituent words and the division of a word into its constituent morphemes is only a useful fiction, and there is no invariant rule governing the nature of these useful fictions (VP II, 38). 2.2.6. Padavāda versus Vākyavāda Some philosophers, the Vāk yavādins, consider a sentence to be a primary unit and believe that words are analytically derived from sentences. Others, the Padavādins, argue that words are more primary and that sentences are built by combining these words (VP II, 57). Bhartṛhari presents a detailed controversy between these two views (s. art. 63). The Vāk yavādin argues that just as sounds in a word are meaningless, so are words in a sentence. The sentence as a whole is the only meaningful unit. The Padavādin
275
argues that the sentence-meaning is understood only when all the words come together. Similarly, the meaning of a word is understood only when all the constituent sounds come together (VP II, 60 f). If the sentence as a whole is a single entity communicating a single meaning, then, argues the Padavādin, how shall we deal with sentences lik e ‘one should sacrifice with rice’? In case one cannot obtain rice, one can normally use some other substitute. However, if a sentence does not have any constituent words, then how would it be possible to deal with such a substitute? (VP II, 64—71). When one hears a sentence and does not understand a particular word, he ask s ‘what does this word mean?’ That shows that there must be words in a sentence (VP II, 72). The Padavādin argues that the existence of words in a sentence must be accepted, so that all the conflict-resolving procedures in Vedic interpretation may become work able. If sentences are undivided whole entities, then most of these procedures will become meaningless, since one will not be able to show conflicts between, say, the meaning of a particular sentence and the meaning of a particular word in that sentence (VP II, 73—83). Similarly, most exegetical techniques will be meaningless if words are meaningless (VP II, 84—87). The Vāk yavādin replies that all these procedures will work , even if the sentence-meaning is indivisible, because after the initial indivisible cognition, one can analytically isolate the constituent-meanings (VP II, 88 ff). Since the so-called constituent words of a sentence do undergo euphonic changes in a sentence, their original shape is destroyed and it is often impossible to point exactly to the boundary between two words. If the words cannot even be separated from each other, how can their separate meaning be established? (VP II, 95). Therefore, it is prudent to accept a sentence as an indivisible entity. 2.2.7. A linguistic unit and its relation to its meaning Bhartṛhari argues that through repeated practice a linguistic unit (śabda = word or sentence) leads to an instantaneous cognition (pratibhā) of its meaning, not only for formal communicators, but for children and animals as well (VP II, 117). This repeated usage of language is the same as the convention which has no beginning in time and is inherited from prior lives.
II. Personen
276
2.2.8. Nature of word-meaning (śabdārtha)
2.3. The Padakāṇḍa
Bhartṛhari argues that the primary meaning of all words is of the form ‘x exists’. Such is the case with words lik e ‘merit’, ‘divinity’ and ‘heaven’, as well as with words lik e ‘cow’ (VP II, 119). In the actual usage of words, when we comprehend the specific configuration (āk āra) of such entities, that configuration is not conveyed by the words themselves, but is understood from a person’s repeated observation of the contextual usage of language (VP II, 120). Some meanings, such as universals (jāti), are directly comprehended from specific words. In those cases, the particular objects (vyak ti) which share in that universal are understood, not from the word itself, but through associative think ing (VP II, 122). Similarly, a word such as ‘pot’ does not convey the specific shape (āk āra) of the object. The specific features are understood through associative think ing. Lik e the Naiyāyik as, Bhartṛhari seems to have made a distinction between shape or configuration (āk āra, āk ṛti) and a universal (jāti). The Mīmāṃsak as on the other hand use the terms ‘āk ṛti’ and ‘jāti’ to refer to a single notion of a universal. Bhartṛhari refers to various different views on word-meaning (s. art. 5). These views differ on the question of how much of the final cognition came directly from the word and how much came from subsequent associative cognitions (anuṣaṅga, nāntarīyak a) etc. The argument tak es into account the fact that when we understand some meaning, other factors which in our daily experience are invariably associated with it are also understood through subsequent think ing (VP II, 121—126). Another factor which creates differences concerning the notion of meaning is whether meaning refers to items of external reality (bāhyavastu) or only to our conceptions (buddhiviṣaya) (VP II, 132 f). Bhartṛhari also points out that the meaning is not understood by different listeners in an identical shape. Each person understands the meaning in terms of the conceptions which he has developed in his mind, and hence the comprehension of meaning differs from person to person (VP II, 134 f). Even the same person may interpret the same word differently on different occasions, and in different contexts and conditions (VP II, 136 f). These are some of the major topics discussed in the second chapter of the Vākyapadīya.
The third chapter of the Vākyapadīya is the most massive of the three, as it contains 1325 verses divided into 14 sections. It deals with the meanings of individual words obtained through analysis. It discusses notions expressed by verbs, nouns, particles and various inflectional morphemes. Bhartṛhari himself says (VP II, 488) that in the third chapter he will discuss in detail topics which have been only briefly mentioned in the earlier two chapters. The titles of the sections are sufficient to indicate the variety and the richness of Bhartṛhari’s coverage of various topics: (1) Jātisamuddeśa [On the notion of universal] (2) Dravyasamuddeśa [On the notion of substance] (3) Sambandhasamuddeśa [On the notion of relation] (4) Bhūyodravyasamuddeśa [Again on the notion of substance] (5) Guṇasamuddeśa [On the notion of quality] (6) Diksamuddeśa [On the notion of direction] (7) Sādhanasamuddeśa [On the notion of a participant producing an action] (8) Kriyāsamuddeśa [On the notion of action] (9) Kālasamuddeśa [On the notion of time (and tense)] (10) Puruṣasamuddeśa [On the notion of grammatical person] (11) Sāṃkhyāsamuddeśa [On the notion of number] (12) Upagrahasamuddeśa [On the distinction between active and middle affixes] (13) Liṅgasamuddeśa [On the notion of gender] (14) Vṛttisamuddeśa [On the complex formations (such as compounds, secondary nouns etc.)] Of these fourteen sections, some are very small in size, but some lik e the section on complex formations and on participants producing an action etc. are very large. While most of these topics have been discussed by Patañjali in his Mahābhāṣya in one context or another, these discussions are scattered throughout his work . To Bhartṛhari goes the credit of organizing these discussions in a systematic fashion and presenting them in the form of a continuous discussion. Bhartṛhari also brings in arguments from other systems such as Mīmāṃsā to sharpen these concepts.
17. Bhartṛhari (ca. 450—510)
3.
Assessment of Bhartṛhari’s contribution to philosophy of language
3.1. We k now from the tradition that a work called Saṅgraha by Vyāḍi was the first k nown massive work devoted to general issues such as the eternal or non-eternal nature of language, and whether a word denoted a universal or a particular. However, this work which existed before Patañjali’s time was soon lost. Among available texts, Bhartṛhari’s Vākyapadīya is the very first devoted to a systematic investigation of issues relating to language. While many such discussions are scattered in the work s of Kātyāyana, Patañjali, Jaimini etc., Bhartṛhari deals with them in a systematic fashion. While he explains hundreds of different theories, there are some theories for which he is particularly well k nown. Among these, we must include his notion of Brahman, the ultimate reality, as a language-principle, the evolution of the material world from the Brahman being lik ened to the manifestation of meanings by words. While this notion existed in a rudimentary form before Bhartṛhari, he presents it in a decisive shape. The second significant contribution of Bhartṛhari is the notion of sphoṭa, ›real word‹, being without parts and sequence, and yet being manifested by sounds which appear in a particular sequence. A related notion is that of a sentence being indivisible and its meaning also being indivisible. If the sentence-meaning is indivisible, then it is certainly not understood as a sequence of the constituent word-meanings. Bhartṛhari’s notion is that the sentence-meaning is understood in a flash of understanding (pratibhā). While granting this unitary character of a sentence, its meaning etc., Bhartṛhari also admits that subsequent analysis allows us to isolate components of sentences and words, as well as those of sentence-meanings and word-meanings. Such an analytical understanding is valued for theoretical purposes, but one is warned that in the actual linguistic communication in the real world, such analysed entities do not occur. 3.2. Bhartṛhari’s doctrines earned him fame in a very short time, as his work is cited by his near-contemporary adversaries lik e the Buddhist Dignāga and the Jaina Mallavādin (around 500 A. D.). The impact of his doctrines is felt throughout the later history of
277
the philosophy of language in India. While the Pāṇinian tradition continued to uphold most of his theories, most of the other schools rejected his ideas as being too radical. Thus the idea of the ultimate reality (Brahman) being a language-principle did not fit well with most of the later philosophical schools. Similarly, the doctrine of sphoṭa was upheld by the later grammarians, but was generally rejected by the Mīmāṃsak as, Vedāntins and the Nyāya-Vaiśeṣik as. The ideas that a sentence is an indivisible entity and that the sentence-meaning is also an indivisible entity were generally rejected by most later schools, because these schools were not truly concerned with the notion of ›communication of meaning‹. They were more concerned with either the interpretation of Vedic texts for which no speak er or author was admitted, or in relating the structure of a sentence to the structure of the world in terms of a realist ontology. The indivisibility of a sentence and its meaning was counter-productive for such purposes. Bhartṛhari’s notion that all cognition is permeated with language and that there can be no cognition without the involvement of language is not accepted by most other schools. In an interesting way, Bhartṛhari’s theories show a greater understanding of the psychology of communication than the theories of other schools such as Mīmāṃsā which indicate a restricted approach to language guided primarily by the necessity of interpreting Vedic texts or by the perceived necessity of matching the structure of language and the structure of the world. Bhartṛhari’s position emphasizes the fact that linguistic communication relates more to the level of conceptual structures than to the structure of the world out there. While he is not eager to question the very existence of external reality, as were many schools of Buddhism, he was also not particularly eager to defend a certain brand of realist ontology. As a true philosopher of language, he frees himself from this dilemma by arguing that language deals only with a world of conceptual structures, quite irres-pective of whether or not there is a world out there. A word can lead to the cognition of meaning even if the object referred to by the word may not exist in the world out there, and hence the meaning of a word is essentially a notional entity (bauddhārtha), with no necessary connection to any external reality (bāhyārtha). For a grammarian-philosopher such as Bhartṛhari, there is no ontological commitment.
278
4.
II. Personen
Selected references
Bhartṛhari 1977, Vākyapadīya. Biardeau 1964, Théorie de la connaissance et philosophie de la parole dans le brahmanisme classique. Coward 1980, The Sphoṭa Theory of Language: A Philosophical Analysis. Iyer 1969, Bhartṛhari, A Study of the Vākyapadīya
in the Light of the Ancient Commentaries. Joshi 1967, Sphoṭanirṇaya of Kauṇḍabhaṭṭa. Rau 1977, Bhartṛhari’s Vākyapadīya. Shastri 1959, The Philosophy of Word and Meaning. Shastri 1980, A Study in the Dialectics of Sphoṭa.
Madhav M. Deshpande, Ann Arbor, Mich. (USA)
18. Jayanta (ca. 840—900) 1. 2. 3.
1.
Historical setting Main theses Selected references
Historical setting
About Jayanta Bhaṭṭa’s personal history we k now very little. His son, Abhinanda, wrote the Kādambarīkathāsāra, in which he mentioned that his ancestors came from Gauḍa (Bengal) to Kaśmīr. They settled in a village which came to be k nown as Gauramūlak a. In Jayanta’s Nyāyamañj arī, a monumental work on the Nyāya system of philosophy a large part of which was devoted to the discussion of philosophy of language, this village was mentioned by name while Jayanta was elaborating one example. Jayanta’s greatgrandfather was a minister of King Lalitāditya (flourished around 750) of Kaśmīr. Jayanta himself work ed apparently under King Śankaravarman (865—902). It used to be believed that the great work Nyāyamañj arī (1934) was written by Jayanta while he was, for some unexplained reason, imprisoned by the King. Such a speculation sprang from an oblique comment made by Jayanta when he began writing the second part of his book . He said in the introductory verse of this part that he had been writing this work in order to avoid the boredom of loneliness, for the k ing had forced him to live in what was called a ‘soundless den’ (gahvara). Cak radhara who wrote a short commentary (perhaps the earliest one) on Nyāyamañjarī explained the verse, however, in a different manner. He said that the King probably sent him to an arid and largely uninhabited country called ‘Khasa’ — it could have been an exile or he could have been sent there as the king’s representative. Jayanta was both a poet and a philosopher. He wrote a play called Āgamaḍambara. Be-
sides Nyāyamañj arī, he wrote another short Nyāya treatise Nyāyakalikā. There has been some controversy and confusion over the relative chronology of three Naiyāyik as, Bhāsarvajña (ca. 860—920), Jayanta, and Vācaspati Miśra (ca. 900—980). Elsewhere I have shown that this confusion can be cleared up and that Jayanta was the oldest of these three philosophers, and hence he was rightly referred to by Gaṅgeśa (flourished around 1300) as ‘jarannaiyāyik a’ (old Naiyāyik a) (Matilal 1977).
2.
Main theses
As far as philosophy of language is concerned, Jayanta’s main contribution lies in two areas. He provided a very systematic and elaborate critique of the sphoṭavāda (s. art. 43) of the Vaiyāk araṇas, i. e. the Grammarians. Besides, he discussed at length the controversy between the sentence-holism on the one hand and the Prābhāk ara theory of ›related designation of words‹ (anvitābhidhāna-vāda) versus the Bhāṭṭa theory of ›designation before (syntactic) relation‹ (abhihitānvaya-vāda) (s. art. 63). Regarding the first, Jayanta ask s an interesting question in the beginning: what harm does it do to the Nyāya system of philosophy, if ›language‹ is accepted as the eternal entity, e. g. as sphoṭa? The reply is that it goes against the Nyāya-sūtra idea of ›language‹ as the utterance (or the ›uttered instruction‹) of the reliable speak er. Jayanta then establishes that our k nowledge or memory-impression of the (uttered) last letter (or sound) along with the memory-imprint of all the previous letters (uttered in sequence) beginning from the first one will constitute a unity and give rise to a unitary meaning either of a word or of a sentence. And hence an additional entity lik e word-sphoṭa or sentence-sphoṭa would not be
19. al-Fārābī (872—950)
necessary. The argument is based upon parsimony. Jayanta has mainly followed the Mīmāṃsak a Kumārila Bhaṭṭa (ca. 620—680) in his refutation of the sphoṭa (he quotes from Kumārila on several occasions), but he has not accepted Kumārila’s view that the letters, i. e. sounds (varṇa), which are the atomic constituents of ›language‹, are also indestructible: utterance only reveals them. For according to Nyāya, letters are sounds and as such they are destructible products being produced by our vocal organs, although each particular letter, e. g. ‘k’ has a universal which is manifested in it, i. e. k-tva. Regarding the second issue, Jayanta clarified and criticized both views of the Mīmāṃsak as, but expounded his Nyāya view which accepts a modified version of word-atomism. But unlik e the Bhāṭṭas, on this view, the role of ākāṃkṣā [syntactic expectancy], which is explained as the presence of the syntacticogrammatical elements in the language, is made more important, for these elements are what supply the connective cement between the atomic and isolated meanings of individual words (cf. Matilal 1985, ch. 5). The process is called ‘appearance of elements by saṃsarga-maryādā’. Hence the Prābhāk ara view which tak es word-meanings to be related entities — substance, quality or action — is also refuted. This can be tak en also to be an alternative to the much discussed ›context principle‹ of today (cf. Matilal/Sen 1989). Apart from the above, Jayanta devoted one chapter to discuss various views about sentence-meaning, i. e., the structural description of the occurrent k nowledge from hearing the utterance of a sentence (for a brief review cf. Matilal 1988). In a separate chapter, he also
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discussed very elaborately the views about the meaning of words. A very substantive account of the Buddhist theory of ›apoha‹is given by him (s. art. 42). However, he then refuted it to establish the Nyāya doctrine of obj ective universal which cannot be replaced simply by the ›exclusion of all the rival alternatives‹ (anyāpoha), as the Buddhist wanted. He supported the predominant Nyāya view that the word designates the particular as distinguished by the properties, which may either be an objective universal (e. g. cowness) or any imposed attribute (e. g. teacher-hood). He also hinted that proper names directly designate an individual (e. g. Ḍittha), which is vaguely reminiscent of John Stuart Mill’s (1806—1873) theory of non-connotative proper names (s. art. 30).
3.
Selected references
Jayanta 1934, Nyāyamañjari. Jayanta Bhaṭṭa’s Nyāyamañj arī. The Compendium of Indian Speculative Logic. Transl. into English with an Introd. by J. V. Bhattacharyya, I ff, 1978 ff. Bijalwan 1977, Indian theory of knowledge based upon Jayanta’s Nyāyamañjarī. Frauwallner 1936, Beiträge zur Geschichte des Nyāya. I. Jayanta und seine Quellen, in Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 43. Gupta 1962, Die Wahrnehmungslehre in der Nyāyamañjarī. Matilal 1985, Logic, Language and Reality. Matilal/Sen 1989, The Context Principle and Controversy about some Indian Theories of Meaning, in Mind 98.
Bimal K. Matilal, Oxford (Great Britain)
19. al-Fārābī (872—950) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Le Philosophe Le contexte Nature du langage. La dénomination Grammaire et Logique Le vocabulaire des sciences Le philosophe du langage Bibliographie sélective
Le Philosophe
1.1. al-Fārābī est l’un des plus grands philo-
sophes arabes, l’un de ceux qui ont le plus marqué la Falsafa, cette philosophie arabomusulmane apparue au 3°/9° siècle en instaurant une réflexion originale à partir d’une inspiration grecque et qui se développera ensuite durant plusieurs siècles et brillera en particulier avec des hommes comme Avicenne et Averroès. La place d’al-Fārābī dans ce courant de pensée est bien marquée par le titre que lui conférèrent les Arabes, celui de ›Second Maître‹, le Premier Maître étant Aristote. Il y a là la reconnaissance du rôle fon-
280
damental tenu par al-Fārābī parmi les ›Falāsifa‹ (pluriel de ‘Faylasūf’ qui désigne les philosophes arabes du courant de la Falsafa). Venant après al-Kindī (env. 800—870), le Philosophe des Arabes (Faylasūf al-cArab), il est en effet le premier à avoir élaboré une réflexion et une œuvre systématiques et organisées, dont l’influence se sentira dans l’histoire ultérieure de la Falsafa (v. art. 3). 1.2. Abū Naṣr Muḥammad b. Muḥammad b. Awzalaġ b. Tarẖān al-Fārābī est né, selon le témoignage d’Ibn Ḥawqal, à Wasīǧ, dans le district de Fārāb, dans le Turk estan. Comme ses biographes musulmans le font vivre quatre-vingts ans (selon le calendrier de l’Hégire, soit soixante dix-huit ans selon le calendrier julien), et mourir en 339/950, on peut considérer qu’il naquit vers l’an 259/872. Son père, selon les biobibliographes, aurait été officier dans l’armée et aurait été d’origine persane. al-Fārābī est qualifié de philosophe achevé, d’homme vertueux, versé dans la sagesse et les sciences, détaché des biens de ce monde, se contentant du nécessaire et vivant comme le faisaient ses prédécesseurs philosophes. Certains récits nous disent qu’il aurait exercé les fonctions de gardien dans un verger de Damas et que cela lui permettait de se consacrer en permanence à la sagesse et à la réflexion et de s’informer des opinions des anciens. Faible de constitution, il aurait passé ses nuits à lire et à composer, en s’éclairant avec une lampe de gardien. Puis, sa renommée s’étant répandue, les gens ayant reconnu son excellence et ses œuvres étant devenues célèbres, il aurait eu de nombreux disciples et devint le maître le plus érudit de son temps (Ibn Abī Uṣaybica 1882, II, 134). Quoi qu’il en soit de l’authenticité de ces précisions relatives à la personnalité d’al-Fārābī, toutes les sources s’accordent pour dire qu’il se forma à Bagdad et qu’il passa les dix dernières années de sa vie en Syrie, en particulier à Damas — il eut la protection de Sayf al-Dawla — et qu’il fut en Egypte l’avant dernière année de sa vie, avant de revenir mourir à Damas. 1.3. En ce qui concerne sa formation, un certain nombre de questions restent sans réponse: il semble bien avoir connu un bon nombre de langues, soixante selon certaines sources, mais connaissait-il le grec et le syriaque dont l’importance est considérable pour la transmission de l’héritage philosophique aux Arabes? Rien, dans l’état actuel de nos connaissances, ne nous permet d’y
II. Personen
répondre avec certitude. Il est un autre point, celui de ses maîtres: il ne fait pas de doute pour les biographes qu’il apprit la philosophie et particulièrement la logique, de Yuḥannā b. Ḥaylān, à Bagdad. Ce Yuhannā, selon les indications d’Ibn Abi Uṣaybica, aurait été luimême formé par un maître de Marw, en même temps qu’un certain Ibrahīm al-Marwazī. Mais, et c’est là la question, quelle fut la nature exacte de ses relations avec Abū Bišr Matta, disciple d’Ibrahīm al-Marwazī dont il vient d’être question? Abū Bišr était plus âgé qu’al-Fārābī, mais, comme l’ajoute aussitôt Ibn Abī Uṣaybica, moins intelligent que lui. Chrétien, comme Yuḥannā b. Ḥaylān, Abū Bišr fut un traducteur et un commentateur important de cette époque et c’est sans doute sur ce terrain de la recherche en Falsafa qu’il faut circonscrire les rapports qu’il eut avec alFārābī. Enfin, il est un dernier point sur lequel on peut se demander quelle est la valeur historique des indications fournies par des biobibliographes comme Ibn Abī Uṣaybica: il s’agit des rapports entre al-Fārābī et Abū Bakr b. al-Sarrāǧ: «Je tiens de la chronique qu’al-Fārābī rencontrait Abū Bak r b. al-Sarrāǧ (le grammairien, J. L.) qui lui apprenait l’art de la grammaire tandis qu’ alFārābī lui enseignait l’art de la logique» (Ibn Abī Uṣaybica 1882, II, 136).
Il est difficile, à partir de cette donnée, de se faire une idée précise de la formation d’alFārābī dans le domaine de la grammaire. Peut-être faut-il y voir l’indication, qui se confirmera par la suite, du fait que, sans ignorer les réalités grammaticales propres à la langue arabe, al-Fārābī adoptera un point de vue différent, propre au philosophe logicien qu’il était. 1.4. Si al-Fārābī eut de nombreux disciples, comme cela a été évoqué plus haut sous 1.2., le plus important de ceux-ci fut Yaḥya b. cAdī qui occupe une place importante dans l’école philosophique chrétienne de Bagdad. Yaḥyā, mort en 972, fut également le disciple de Matta b. Yūnis dont il vient d’être question en 1.3. Il poursuivit le grand mouvement de traduction de l’héritage grec entrepris par les Arabes. Qu’il ait été le disciple d’al-Fārābī nous montre l’importance de notre philosophe dans l’histoire de la logique chez les Arabes et nous permettra de comprendre aussi l’importance de cette science dans son œuvre. Mais le caractère le plus important de l’œuvre d’al-Fārābī reste quand même son ampleur et la diversité des domaines qu’elle a
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embrassés. La liste de Nicholas Rescher dans sa bibliographie d’al-Fārābī donne quarante et un titres (Rescher 1962, 42—47) qu’il classe sous les rubriques suivantes: logique, rhétorique et poétique, théorie de la connaissance, métaphysique et philosophie générale, physique et science de la nature, musique, éthique et philosophie politique. Il faudrait y ajouter ce qui concerne l’introduction à la philosophie, la réflexion sur la langue, les mathématiques, la psychologie, etc. Un classement des œuvres a été établi en 1975, à l’occasion du Congrès de Bagdad, par Ḥusayn cAlī Maḥfūẓ et Ğacfar al-Yāsīn, selon l’ordre alphabétique. Il recense cent quinze titres qui couvrent tous les domaines déjà mentionnés (Mahfūz Āl-Yāsīn 1975, 309—349 et 489— 496). Auparavant, en travaillant sur les listes des biobibliographes et sur les catalogues de manuscrits, Ateş avait proposé une liste de 160 titres, classés eux aussi selon l’ordre alphabétique (Ateş 1951, 175—182. Cf. mise à jour par Cunbur 1973). 1.5. Dans cette œuvre abondante les questions touchant de près ou de loin au langage et à la logique tiennent une place importante. On doit à al-Fārābī de nombreux et importants commentaires sur la logique d’Aristote ainsi que des œuvres de réflexion sur cette même logique. Mais on lui doit aussi des œuvres qui traitent plus directement, et sans se placer nécessairement dans une perspective logique, les problèmes relevant de la philosophie du langage. C’est ainsi qu’on lui doit le Kitāb al-Ḥurūf, édité en 1969 par Muhsin Mahdi et dont la seconde partie contient une réflexion des plus intéressantes sur le langage à laquelle nous nous attacherons dans la suite de ce travail. Il faut y ajouter un Kitāb Ṣinācat al-Kitāba mentionné dans la liste d’Ibn Abi Uṣaybica, ainsi, dans la même liste, qu’un Kitāb fī-l-luġāt. Il est par contre moins sûr qu’il faille lui attribuer, avec al-Qiftī un Kitāb al-Kināya [Livre de la Métonymie] que ne mentionne pas Ibn Abi Uṣaybica, et ceci du fait de l’identité de graphie, points diacritiques mis à part, entre ‘k itāba’ et ‘k ināya’. A côté de ces œuvres, nous trouvons des réflexions sur le langage dans d’autres ouvrages comme le Kitāb al-Alfāẓ al-mustacmala fi-lManṭiq ou l’Iḥṣā’ al-cUlūm. 1.6. Avant d’étudier ce que pense al-Farabi du langage, et avant de situer cette réflexion dans le contexte des études linguistiques chez les Arabes et dans le cadre des réflexions des savants arabes du 4°/10° siècle et plus parti-
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culièrement des grammairiens et des logiciens, sur les questions de la langue, nous voudrions citer ce que nous relate Ibn Abī Uṣaybica dans sa notice sur al-Fārābī et qui peut être considéré comme un témoignage de l’intérêt porté par al-Fārābī aux problèmes de langue. Il prend soin en effet d’expliquer l’étymologie du terme ‘philosophie’ pour en dégager la signification, ainsi que celle du terme ‘philosophe’. Ibn Abī Uṣaybica a écrit: «j’ai transcrit ce que dit al-Fārābī sur la signification du nom de philosophie. Il a déclaré: le nom de philosophie est un nom grec. C’est un terme qui a été introduit dans la langue arabe. Celui (qui la pratique) est, selon la façon de faire propre à leur langue, philosophe (faylasūf). La signification de ce terme (de philosophie) est l’amour de prédilection (iṯar) porté à la sagesse. Ce nom, dans leur langue, est composé de ‘fīlā’ et de ‘sufyā’: ‘fīlā’ c’est l’amour de prédilection et ‘sufyā’ c’est la sagesse. Le terme de philosophe, ‘faylasūf’, est dérivé de philosophie, falsafa, et c’est selon la façon de faire de leur langue le faylasūfūs. Cette modification, en effet, intervient fréquemment chez eux dans les dérivations. Sa signification est: celui qui est épris de la sagesse. Et celui qui est épris de la sagesse est celui qui fait de la sagesse l’aspiration de sa vie et le but de son existence» (Ibn Abī Uṣaybica 1882, II, 134).
Ce souci d’explication par l’étymologie se retrouve ailleurs chez al-Fārābī, comme par exemple dans l’Iḫsā’, lorsqu’il explique les termes de ‘qānūn’ [loi] (46,1 sq) ou de ‘mantiq’ [logique] (62,11 sq), ou dans l’Epitre d’Introduction à la Logique, pour le même terme de ‘mantiq’ (Dunlop 1956 b, 227, 25). Si cette remarque d’Ibn Abī Uṣaybica nous intéresse c’est parce qu’elle permet de voir chez alFārābī, et d’autres exemples le confirment, l’attention portée aux phénomènes de langue et de signification: les termes ont une signification qui n’est pas purement arbitraire, comme nous le verrons plus loin.
2.
Le contexte
2.1. La réflexion d’al-Fārābī sur le langage s’est développée dans un contexte favorable à l’étude des questions de langue. C’est ce contexte que nous voudrions présenter brièvement avant de développer certains aspects de sa pensée. Et pour commencer, le contexte propre à la langue arabe: la langue tient une très grande importance chez les Arabes car ils considèrent leur langue, la langue arabe, comme une langue à part, sacrée et divine, parfaite. L’on sait en effet que c’est la langue
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du Coran et que des motivations d’ordre religieux ont dû favoriser l’intéret précoce porté par les Arabes à leur langue. Par ailleurs cette dimension religieuse est renforcée par le fait que le Coran est le plus ancien texte de langue arabe que nous possédions et que c’est lui qui fonde la littérature arabe proprement dite. Une telle situation ne sera pas sans orienter les études linguistiques. De plus, si ces études ont commencé très tôt, comme cela semble ressortir des récits en bonne partie légendaires qui nous renvoient à Abū-l-Aswad al-Du’alī (mort 669) et par lui au calife cAlī, il faut ajouter qu’elles ont atteint le stade de la maturité avec une vitesse surprenante: lorsque Sībawayhī et al-alīl mourraient durant la dernière décennie du huitième siècle, ils laissaient, le premier une science grammaticale arabe définitivement fondée grâce à son Kitāb, et le second une lexicographie bien élaborée avec son Kitāb al-cAyn. Ces deux œuvres restent toujours des références pour les études grammaticales et lexicographiques et ont marqué d’une manière définitive le développement de ces deux sciences. C’est par rapport à elles que toute la spéculation linguistique ultérieure se situera: elles seront commentées ou reprises, modifiées ou amendées, mais elles gardent ce caractère particulier qui fait qu’il est toujours possible, jusqu’à aujourd’hui, de s’y référer sans verser dans l’archéologie. 2.2. Ce caractère très particulier de la langue arabe qui se maintient ainsi jusqu’à nos jours, existait au temps d’al-Fārābī et de nombreux linguistes de cette époque commenceront leurs œuvres par une célébration de l’excellence de la langue arabe. Mais ce 4°/10° siècle est aussi celui de la rencontre entre les grammairiens et les logiciens. Nous y avons fait référence en 1.3 lorsque nous avons évoqué la formation d’al-Fārābī. Nous voudrions simplement évoquer la discussion fameuse qui eut lieu en 937 et que nous a rapportée alTawḥīdī dans son Kitāb al-Imtāc wa-l-mu’ānasa (al-Tawḥīdī s. d., 107—129): le vizir demande au grammairien al-Sirāfī (mort 979) de défendre la grammaire arabe contre le logicien chrétien Abū Bišr Mattā (mort 939) qui affirme que la logique «est un instrument, parmi les instruments, par lequel on reconnaît dans le discours ce qui est correct de ce qui est incorrect, et dans la signification ce qui est juste de ce qui est corrompu; comme la balance par laquelle je reconnais ce qui pèse plus de ce qui pèse moins, ce qui est plus léger et ce qui est plus lourd».
II. Personen
Et un peu plus loin: «la logique est une recherche des fins intelligibles et des significations exactes, et l’investigation de pensées fortuites. Les intelligibles sont les mêmes pour tous les hommes. Ne vois-tu pas que quatre et quatre font huit pour toutes les nations et qu’il en est ainsi pour tout ce qui est semblable» (alTawḥīdī s. d., 150 et 151).
Point de vue auquel s’opposera fermement alSirāfī en réduisant la logique à une formalisation limitée au champ de la langue grecque, ce dont n’a en aucune façon besoin la langue arabe et la grammaire qui a été élaborée depuis Sībawayhī. Le caractère très polémique de cette controverse qui tourne à l’avantage de la grammaire ne doit pas nous masquer le fait que ces deux sciences ont entretenu au 4°/10° siècle des rapports plus constructifs, comme en témoigne la 22° Muqābasa de Tawḥīdī consacrée à la parenté entre la grammaire et la logique. Et il n’est pas sans intérêt de relever chez un grammairien comme al-Rummānī, dans son Kitāb al-Ḥudūd [Livre des Définitions] une quinzaine des quatre vingt douze termes définis qui ont une définition qui «est plus proche de celle des logiciens que de celle des grammairiens» (Troupeau 1985, 148). Et parmi ces termes, la «définition de la phrase (ǧumla) comme étant composée d’un sujet (mawḍūc) et d’un attribut (maḥmūl) est totalement étrangère à la conception grammaticale arabe» (Troupeau 1985, 148). Nous retrouverons chez al-Fārābī l’écho de ces divergences ou de ces échanges. 2.3. Enfin, il est un élément important de la culture arabe de l’époque qui devait inciter al-Fārābī à réfléchir sur les problèmes de la langue, c’est le phénomène des traductions du grec et du syriaque à l’arabe. La construction de la Bayt al-Ḥik ma en 832 à Bagdad consacrait officiellement un mouvement bien entamé quelques décennies plus tôt et un siècle plus tard des contemporains d’al-Fārābī comme Abū Bišr Matta continuaient avec vigueur ce mouvement. Et de fait, nous le verrons dans la suite de notre exposé, alFārābī aura des analyses très intéressantes sur ce problème de la traduction envisagé du point de vue de la constitution du vocabulaire.
3.
Nature du langage. La dénomination
Mais il nous faut auparavant préciser certains aspects de la pensée d’al-Fārābī sur la langue et le premier point qui nous arrêtera sera la
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façon dont il s’est situé par rapport à un problème dont l’importance était grande chez les Arabes, celui de l’origine de la langue. C’est dans le que nous trouverons les indications les plus intéressantes sur ce problème et sur la façon dont al-Fārābī a réussi à éviter les impasses auxquelles il conduisait. Ses contemporains linguistes étaient en effet très préoccupés par la question de l’origine du langage et beaucoup commençaient à poser le problème sous la forme de l’opposition ‘institution—convention’, ‘φύσει—θέσει’ ou, selon la terminologie arabe, ‘tawqīf—iṣṭilāḥ’, qui retenait de plus en plus leur attention (v. art. 62). Et ce qui est le plus remarquable c’est que tous les linguistes, quelle que soit leur position sur cette question, seront très marqués, dans leur conception de la langue et de son origine, par le fameux verset 31 de la seconde sourate la Vache: ›Il (le Seigneur) apprit tous les noms à Adam‹. Ce verset confortait les partisans du tawqīf, de l’institution: Ibn Fāris est particulièrement clair sur ce point dans le premier chapitre de son Ṣāhibī. Mais même pour les partisans de l’iṣṭilāḥ, de la convention ou de l’instauration humaine du langage, comme Ibn Ǧinnī, l’arabe reste une langue à part, qui a un statut différent de celui des autres langues, dans la mesure où c’est la langue du Coran. Et par ce biais un élément de tawqīf [institution] reste toujours présent chez les partisans de la convention. 3.2. Cette problématique renvoie à la philosophie grecque pour laquelle se posait déjà la question de l’opposition ‘φύσει—θέσει’. On se souvient de la question posée par Platon dans le Cratyle (v. art. 14): y a-t-il une rectitude originelle de dénomination comme le prétend Cratyle ou bien la rectitude de la dénomination résulte-t-elle d’une convention selon l’opinion d’Hermogène? Il y a là une antinomie dangereuse car, d’une certaine manière les deux thèses sont insoutenables si on les pousse à leurs ultimes conséquences: car comment rendre compte, pour les partisans de l’institution, de l’existence d’autres systèmes de dénomination? Ceci est encore plus difficile à expliquer si l’institution de la langue est divine, comme le pensent beaucoup de linguistes arabes. Mais par ailleurs, comment éviter, pour les partisans de la convention, la régression à l’infini dans la quête d’un fondement de la convention originelle? La question de l’origine risque ainsi de ne pas pouvoir trouver de réponse. Et d’ailleurs Platon pour-
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rait laisser croire, par la critique de la thèse des conventionalistes qu’il met dans la bouche de Socrate, qu’il défend la rectitude originelle de dénomination, mais en même temps les législateurs qui sont chargés de cette institution originelle sont décrits comme étant semblables à des législateurs ivres. Platon, ce faisant, refuse de se laisser emprisonner dans l’antinomie. S’il peut s’en sortir ainsi, c’est que le problème d’origine s’est transformé pour lui en un problème de dénomination, en une question sur la nature du langage. 3.3. Chez al-Fārābī la réflexion suivra la même voie que chez Platon en ce sens qu’il évitera de se laisser enfermer, comme beaucoup de linguistes arabes, ses contemporains — et aussi leurs successeurs — dans l’antinomie qu’entraîne inévitablement la question sur l’origine. La réflexion d’al-Fārābī se meut sur le terrain de la connaissance et de la communication. C’est en effet en termes de connaissance qu’al-Fārābī aborde les questions du langage: connaissances sensibles et communes qui sont les connaissances premières et précèdent celles des spécialistes (Ḥurūf 134, § 114). Nous voyons poindre ici une caractéristique de la conception du langage chez al-Fārābī, le fait qu’elle est marquée par un caractère de contingence et d’immanence: alors qu’il est courant chez les Arabes de considérer la langue quotidienne, les dialectes, comme une dégénérescence d’une langue originelle pure et parfaite, al-Fārābī nous propose une conception inversée dans laquelle finalement aucune langue n’est supérieure aux autres et ne peut revendiquer un statut à part, comme c’est le cas dans la perspective de transcendance où se placent beaucoup de linguistes arabes. Cet aspect d’immanence de la conception d’al-Fārābī est renforcé par le fait qu’il explique l’acquisition des connaissances par des prédispositions naturelles et des caractères innés qui font que les hommes sont orientés vers des connaissances et des représentations qui leurs sont plus faciles que les autres (Ḥurūf 134 sq, § 114). Mais pour que ces connaissances initiales débouchent sur le langage il faut en outre qu’il y ait en l’homme le besoin de communication: «lorsque l’homme éprouve le besoin de faire connaître aux autres ce qu’il a dans l’esprit ou ce qu’il se propose avec son esprit, il a recours au signe (išāra), [...] ensuite il utilise les sons vocaux (taṣwīt)» (Ḥurūf 135, § 116).
Ce besoin de communication, en arabe ‘carrafa’ [faire savoir, faire connaître], situe la
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naissance du langage en l’homme lui-même, sans recourir à une réalité extérieure ou supérieure, transcendante. Et de fait les sons nés, au départ, de dispositions physiologiques (Ḥurūf § 114) vont s’organiser progressivement, devenir plus complexes, dépasser le simple stade de l’appel afin de pouvoir désigner directement la chose: al-Fārābī utilisera alors pour le terme de signe l’arabe ‘calāma’, construit sur la racine ‘c. L. M.’ [savoir], et non ‘išāra’ qui signifie la désignation (Ḥurūf 137, § 119). Ce travail de formation des signes se fera selon le principe de facilité déjà rencontré plus haut. Chaque groupe humain obéissant à ce principe, il y a là l’explication, la «cause première de la diversité des langues des nations» (Ḥurūf 137, § 118). 3.4. La langue est ainsi envisagée comme langue naturelle et l’explication de la diversité des langues devient une explication par l’immanence et non plus par la transcendance: mythe de Babel ou intervention divine dans le cas particulier de l’arabe. Ceci posé, alFārābī explique l’organisation initiale de la langue par un double processus faisant intervenir à la fois un consensus entre les hommes et un ›fondateur de la langue‹ (wāḍicu-l-lisān). Il propose l’explication suivante: un premier locuteur utilise un son ou un terme indiquant quelque chose; son auditeur à son tour l’utilisera avec lui, «tous deux se sont entendus et sont tombés d’accord sur ce terme. Et ils parlent aux autres en utilisant ce terme, en sorte qu’il se répand dans un groupe» (Ḥurūf 137 sq, § 120).
La production de sons et de termes se produit sur ce mode jusqu’à ce qu’intervienne «celui qui organise leurs affaires et il établit, en les créant, les sons dont ils ont besoin pour les autres choses pour lesquelles on ne s’est pas mis d’accord chez eux sur un son qui les indique. Il est le fondateur de la langue de cette nation» (Ḥurūf 138, § 120).
Ce faisant, al-Fārābī a refusé de choisir l’un des deux termes de l’alternative, et il a recours à la fois à la convention (accord initial du locuteur et de l’auditeur) et à l’institution (fondateur de la langue). Posant le problème en termes de connaissance et de dénomination, il échappait ainsi au dilemme des linguistes de son temps et pouvait, en conséquence, ne plus avoir à se déterminer sur le statut particulier et privilégié de la langue arabe.
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3.5. La différence entre al-Fārābī et les linguistes de son temps apparaît ainsi plus clairement. Chez les premiers nous avons une conception sacralisante de la langue arabe, langue du Coran, dont beaucoup diront, sans craindre le cercle, que c’est la meilleure des langues parce que c’est celle du Coran et que Dieu l’a choisie pour la révélation coranique parce que c’est la meilleure des langues. Cette sacralisation ferait plutôt place, chez al-Fārābī, à une sorte de laïcisation de la langue arabe dans la mesure où elle n’a plus de statut particulier mais doit être considérée comme une langue parmi les autres. On pourrait voir un signe de ce refus du recours à une perspective religieuse dans la façon dont la postérité a utilisé un passage d’al-Fārābī sur l’histoire de la langue arabe. Le fameux polygraphe Suyūṭī (mort 1505) fait une citation du Kitāb al-Ḥurūf d’al-Fārābī: «la tribu de Qurayš était la meilleure parmi les tribus arabes dans l’usage critique des termes arabes les plus purs, celle dont la langue avait le plus de facilité à les prononcer, celle qui était la plus apte à les entendre, celle qui était la plus claire pour exposer ce qui était dans l’âme» (Suyūṭī s. d. I, 211).
Qurayš était la tribu de Muḥammad: non seulement sa langue s’en trouve valorisée, mais encore elle devient le modèle de la langue arabe. Mais dans l’état actuel du Kitāb alḤurūf tel qu’il a été édité par Muhsin Mahdi, il n’est nulle part question de la tribu de Qurayš lorsqu’il cite les tribus d’Arabie qui pratiquaient l’arabe le plus pur, tribus qui se trouvaient au centre de la région. Une telle présentation n’a sans doute pas paru assez religieuse aux linguistes. Mais elle permettait à al-Fārābī de poursuivre sa réflexion sur la nature du langage en développant l’analyse du processus de la dénomination. 3.6. Ce processus consiste en la mise en rapport d’un terme et d’une signification. Cela ne se fait pas d’une façon arbitraire mais si tout se passe selon un exercice harmonieux des dispositions naturelles des membres de cette nation, l’ensemble des termes (alfāẓ) s’organise en fonction de l’organisation qui régit les significations (intiẓām al-macānī) (Ḥurūf 138 sq, § 122). Le système des signifiants et des signifiés n’est pas anarchique, fortuit ou arbitraire, le langage ne se réduit pas à un ensemble de mots formant un système clos et obéissant à une logique qui lui serait propre. Le rapport du signifiant au signifié n’étant pas arbitraire, il obéira à une
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logique de la signification. Et progressivement le champ de la dénomination s’élargit et les sciences ainsi que leurs vocabulaires techniques se développent.
4.
Grammaire et Logique
4.1. Si al-Fārābī se distinguait ainsi de ses contemporains linguistes par sa façon de réfléchir sur la nature du langage et sa formation, cela avait également des implications sur sa façon de traiter une question à laquelle nous avons déjà fait allusion plus haut (cf. 1.3. et 2.2.), celle des rapports de la grammaire et de la logique. Certes al-Fārābī était versé dans la logique et n’était pas grammairien, mais il n’a pas pour autant ignoré la question des rapports de ces deux sciences. Nous ne parlerons pas de son œuvre logique, fort importante et nous contenterons simplement de dire que le quart des titres, dans la liste de ses œuvres, se rapporte à des questions de logique. Ce qui nous retiendra ici c’est la façon dont al-Fārābī, tant du point de vue théorique que du point de vue pratique a envisagé les rapports entre ces deux sciences. C’est dans sa Classification des Sciences, Iḥṣā’ al-cUlūm que nous trouvons des textes fort explicites à la fois sur la grammaire et sur la logique d’une part, et sur leurs similitudes et leurs différences d’autre part. Après un premier chapitre consacré aux sciences de la langue et qui traite en particulier des questions relevant de la grammaire, il aborde dans le second chapitre la ›science de la logique‹ et la définit ainsi: ›la logique donne les lois qui corrigent la raison et guident l’homme vers la voie de la rectitude et vers le vrai, partout où il peut se tromper dans le domaine des intelligibles, ainsi que les lois qui le gardent et le protègent de la faute, de la divagation et de l’erreur en ce qui concerne les intelligibles‹. La logique est ainsi définie comme science du vrai dans le domaine de la pensée et de l’exercice de la raison. Et un peu plus loin al-Fārābī précisera les rapports entre la logique et la grammaire: «La logique a en commun avec la grammaire le fait de donner les lois des termes (alfāẓ) et elle s’en distingue en ce que la grammaire donne des lois propres à une nation alors que la logique donne des lois communes générales pour les termes de toutes les nations, car dans les termes il y a des modes auxquels participent toutes les nations» (Iḥṣā’ 60, 1.14 sq).
Si la grammaire concerne un domaine pra-
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tique et particulier, celui d’une langue donnée avec ses phénomènes propres, toujours envisagés du point de vue particulier de cette langue, même s’il s’agit de phénomènes communs à plusieurs langues, la logique, elle, concerne le théorique et l’universel. Et de ce point de vue il ne saurait y avoir de privilège propre à une langue qui ne nous fasse aussitôt retourner dans le domaine du particulier. En privilégiant la perspective logique dans l’étude des phénomènes de langue, plutôt que la perspective grammaticale, al-Fārābī prenait le contre-pied de l’attitude des linguistes et des grammairiens, il était fidèle à l’attitude des ›falāsifa‹ dans leur façon d’envisager les rapports de la philosophie et de la religion, de la raison et de la foi. 4.2. Dans la pratique nous voyons al-Fārābī mettre en œuvre cette position théorique du problème des rapports de la grammaire et de la logique, et ceci au début de son Kitāb alAlfāẓ al-mustacmala fī-l-Manṭiq, le Livre des termes utilisés en logique. Il éprouve le besoin de recourir aux différentes particules de la langue pour introduire les catégories comme l’avait fait Aristote (v. art. 15). Mais la grammaire arabe a un vocabulaire limité pour ce qui concerne ce chapitre des particules. Voici ce que dit al-Fārābī: «Parmi les termes signifiants (al-alfāẓ al-dālla) il y a les termes que les grammairiens nomment les particules (ḥurūf) qui ont été institués pour signifier des sens (macānī). Il y a aussi de nombreuses espèces de ces particules. Si ce n’est que les hommes de science en grammaire arabe n’ont pas pris l’habitude, jusqu’à nos jours, d’associer à chacune de ces espèces un nom qui lui soit propre. Il faut donc que nous utilisions pour le dénombrement de leurs espèces des noms qui nous ont été transmis provenant des savants versés dans la grammaire en langue grecque, car eux, en effet, ont spécialement assigné à chacune de ces espèces un nom qui lui est propre» (Alfāẓ 42, § 2).
4.3. al-Fārābī ne refuse pas le recours au vocabulaire de la grammaire arabe, mais il se place à un point de vue plus large que celui de la grammaire arabe, ce qui lui permet, devant les carences de la conceptualisation et du vocabulaire grammatical arabe, d’avoir recours au vocabulaire grammatical grec. Ce faisant, il ne refuse pas une particularité pour se soumettre à une autre. Il utilise, en se plaçant à un point de vue universel commun à toutes les langues, le vocabulaire d’une de ces langues.
II. Personen
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4.4. Nous voudrions nous arrêter ici sur cette différence entre grammairiens et logiciens et montrer comment elle implique une différence dans le mode même de transmission du savoir. Une des caractéristiques de la transmission du savoir chez les linguistes arabes est l’insistance sur l’oralité. L’on sait que l’enseignement se faisait sur le mode de la ›qirā’a‹, terme que l’on peut traduire par lecture, récitation. Suivre les cours d’un maître consiste à lire sous sa direction ou à écouter cette lecture (qara’a calō). Nombreux sont les témoignages qui confirment cette prééminence de l’oral dans l’enseignement, à commencer par les certificats (iǧāza) autorisant un disciple à enseigner à son tour une œuvre. Ce certificat — on peut dire aussi licence — est accordé par un maître à un disciple qu’il a eu dans son cercle ou son auditoire pour l’étude d’une œuvre, étude qui s’est faite par la lecture réalisée par le maître ou un disciple sous le contrôle attentif du maître. Cette insistance vaut en premier lieu pour la transmission du Coran qui passe par l’oralité, comme l’a affirmé Tirmiḏī (mort 899). Pour lui, la mémoire (ḥifẓ) est le signe d’une assistance spéciale de Dieu à l’égard des musulmans à qui il donne de pouvoir retenir par cœur tout le Coran tandis que les adeptes des autres religions ne peuvent réciter leurs livres saints qu’en recourant aux textes écrits (cf. Langhade 1985, 109 sq). A la même époque Ibn Qutayba (mort 889) affirme explicitement que toute science doit être transmise oralement (Ibn Qutayba 1947, 20) et dans son important ouvrage composé à l’intention des secrétaires il distingue soigneusement le style écrit du style oral (Ibn Qutayba 1982, 17, 6—12). Qu’il nous suffise enfin de rappeler l’importance du ›samāc‹, de la transmission du savoir par audition pour les linguistes, qu’ils soient grammairiens comme Ibn Ǧinnī dans ses aṣā’iṣ, ou lexicographes comme al-Azharī qui insiste fortement sur les limites de la transmission écrite dans la très importante Préface de son Tahḏīb al-Luġa. 4.5. C’est dans ce contexte que l’on peut mesurer l’originalité des positions d’al-Fārābī sur ce problème des rapports de la grammaire et de la logique. Le langage des savants dans les deux domaines n’est pas le même et alFārābī souligne que si celui des grammairiens reste proche de celui du grand nombre et du sens commun, celui des logiciens est particulier et renvoie à des acceptions particulières des termes (Kitāb al-Alfāẓ 43, § 3). La langue
commune utilisée par les grammairiens et les linguistes est celle que tous pratiquent oralement alors que celle à laquelle ont recours les logiciens résulte d’une analyse du donné linguistique et renvoie à une tradition écrite remontant jusqu’à Aristote et Platon. Alors que les linguistes avaient à protéger et organiser un donné transmis de transmetteur en transmetteur depuis l’époque du Prophète, les seconds avaient la tâche de créer et d’innover dans un domaine où l’autorité n’était plus une mémoire collective ou individuelle mais se trouvait dans des écrits qui avaient traversé le temps et l’espace. Ceci donnait à al-Fārābī une très grande liberté, à la différence des linguistes, vis-à-vis de la langue arabe et des différentes sciences linguistiques arabes. Nous retrouvons ici la même marque que précédemment lorsque nous constations qu’al-Fārābī échappait à la perspective sacralisante de ses contemporains vis-à-vis de la langue arabe.
5.
Le vocabulaire des sciences
5.1. Il est un autre aspect des vues d’al-Fārābī sur le langage que nous voudrions aborder, celui de la formation de la langue des sciences, des langages spécialisés. Le processus de la dénomination dont il a été question précédemment va, avec le temps, provoquer un développement de l’expression «par la multiplication des mots ou leur permutation ou leur mise en ordre ou leur amélioration. C’est alors que commencent à apparaitre les œuvres rhétoriques, tout d’abord, puis les œuvres poétiques, petit à petit» (Ḥurūf 141, § 127).
C’est le début des sciences, dont va parler alFārābī en les regroupant sous cinq ensembles: les sciences rhétoriques, les sciences poétiques, les sciences historiques, la science de l’écriture et les sciences du langage (Ḥurūf § 129 sq et § 138). Si le langage joue là un rôle fondamental par le moyen du développement de la dénomination, il faut mentionner également un principe qu’explicite al-Fārābī et qui permet la naissance des sciences. Voici comment il l’énonce, à propos de la Poétique: «la science poétique naît de ce qui se trouve dans l’esprit naturel (fiṭra) de l’homme, en fait de recherche de l’ordre (tartīb) et de l’organisation (niẓām) en toute chose; et en effet, la mesure (wazn) des termes a un ordre, un principe de bonne composition, une organisation, sans parler du temps de l’élocution» (Ḥurūf 142, § 129).
Il y a donc en l’homme une disposition naturelle à l’ordre et à l’organisation. Dans le domaine du langage, appliquée aux termes,
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cette disposition permet la constitution des sciences. 5.2. Dans son besoin de communication, l’homme, peu à peu, ne se satisfera plus de convaincre, par le moyen des argumentations rhétoriques, il aura recours alors aux argumentations dialectiques; puis lorsque le vraissemblable ne suffit plus à l’homme il a recours aux démonstrations certaines. C’est avec la philosophie que la spéculation scientifique arrivera à son terme et à sa perfection, comme ce fut le cas avec Aristote (Ḥurūf 151 sq, § 143). Et c’est ainsi que le développement et l’élargissement du langage, lié au besoin qu’a l’homme d’être persuadé ou d’atteindre le vraisemblable ou le certain, explique la naissance des sciences et de leurs langues. 5.3. C’est ici qu’intervient un développement fort intéressant et original d’al-Fārābī sur la formation du vocabulaire philosophique et son passage d’une langue à l’autre. C’est ce cas du transfert de la philosophie de la langue d’une nation à celle d’une autre nation qui donne l’occasion à al-Fārābī de préciser sa conception de la naissance du vocabulaire philosophique. Il le fait dans le paragraphe 155 du Kitāb al-Ḥurūf où il distingue cinq possibilités, cinq cas. Le premier cas est le plus simple: dans la première nation les concepts philosophiques ont reçu leur dénomination à partir de notions communes: il suffit alors, dans la seconde nation de se servir de la même façon des notions communes correspondantes. Le second cas est celui où cette correspondance entre les notions communes des deux nations n’existe pas: il faut alors se servir des notions communes de la seconde nation qui ressemblent le plus aux notions communes qui sont à la base de la dénomination des concepts dans la première nation. Dans le troisième cas il n’y a pas de correspondance entre le concept philosophique et la notion commune de la seconde nation qui traduit la notion commune de la première nation qui est à l’origine de la dénomination: il ne reste plus alors qu’à créer des termes. Le quatrième cas est celui où dans la première nation il y a correspondance entre une notion philosophique et non plus une mais deux notions communes; comme dans le troisième cas il faut rechercher la possibilité d’une ressemblance avec celle des deux notions communes correspondantes de la seconde nation qui est la plus proche de la notion philosophique. Le cinquième et dernier cas est celui où il n’y a
287
pas de corresponcance entre les notions communes des deux nations; il faut alors procéder à un travail de création lexicographique soit en inventant des termes, soit en recourant à d’autres notions communes, soit en empruntant les termes de la première nation après leur avoir fait subir la modification qui permet de les prononcer. 5.4. Tels sont les différents cas envisagés par al-Fārābī pour régler le problème de l’emprunt de la philosophie d’une nation par une seconde nation qui ne dispose pas au point de départ du vocabulaire nécessaire à l’expression des concepts philosophiques. En décrivant ce processus, al-Fārābī traite, au passage, de la façon dont s’est formée la langue philosophique: par le recours aux notions communes chaque fois que cela est possible, ou sinon en forgeant des termes. Cette présentation théorique d’al-Fārābī est confirmée par sa pratique: chaque fois que l’occasion s’en présente, il faut recourir aux possibilités offertes par la langue dans laquelle s’élabore le vocabulaire philosophique. C’est ce qui s’est effectivement passé dans le cas de l’arabe et de la Falsafa: après plus d’un siècle de traduction de l’héritage philosophique grec il ne subsiste plus que fort peu de termes ayant été ›naturalisés‹ et encore certains de ces termes, comme ‘isṭaqis’ ou ‘hayūlā’ sont-ils devenus moins courants que les termes proprement arabes de ‘cunṣur’ ou ‘mādda’ (cf. Ḥurūf § 156). Nous soulignerons ici une fois de plus la liberté dont semble jouir l’homme de science ou le philosophe: ce sont certes des exigences linguistiques qui vont délimiter le terrain sur lequel va s’exercer la création lexicographique, mais le philosophe a le pouvoir de créer des termes, d’innover en fonction d’un impératif qui n’est plus simplement linguistique — la pureté d’une langue à sauvegarder — mais qui est un impératif de fidélité à des exigences rationnelles et spéculatives: ce qui est primordial c’est d’être fidèle à une pensée, aux exigences d’une systématisation philosophique. On voit là toute la différence qu’il peut y avoir avec la démarche des linguistes qui devaient protéger et conserver un donné alors que pour les philosophes il faut former et constituer un système. C’est ce que nous voudrions illustrer par un exemple. 5.5. Il s’agit de la solution élaborée pour pouvoir rendre en arabe le jugement prédicatif et traduire la copule. Comme le souligne alFārābī, il n’y a pas en arabe de terme corres-
288
pondant au ‘ἐστίν’ de la langue grecque dans la proposition du type ‘A est B’. Or une telle proposition est nécessaire dans les sciences théoriques et dans la logique. Lorsque les traducteurs arabes ont traduit les œuvres de philosophie grecque ils ont dû trouver une façon de combler ce manque de la langue arabe. al-Fārābī consacre un long développement du Kitāb al-Ḥurūf (§ 81 à 86, 110 à 115) à cette question: il y a deux façons de rendre ‘ἐστίν’ en arabe, l’une qui consiste à recourir au terme ‘huwa’ et l’autre au terme ‘mawǧūd’; mais il faut aussitôt ajouter que dans l’un et l’autre cas ces termes n’ont plus leur signification habituelle en arabe, c’est-àdire que ‘huwa’ ne doit pas être compris comme un pronom ni ‘mawǧūd’ comme un terme dérivé renvoyant à la notion de ‘wuǧūd’. Ce qui ne va pas sans quelque difficulté. Ainsi, lorsque l’on recourt à ‘huwa’ dans l’énoncé ‘hāḏa huwa Zayd’, cet énoncé est parfaitement compréhensible en arabe, il est signifiant sans que l’on ait à faire intervenir ‘huwa’ dans le rôle de copule, et tous l’interprèteront comme signifiant ‘voici Zayd’ alors qu’il faudrait entendre ‘celui-ci est Zayd’. Et du coup cette solution a l’inconvénient de proposer un énoncé ambigu ou dont la portée risque de ne pas être perçue. Ce n’est par contre pas le cas de la solution qui recourt au terme ‘mawǧūd’ pour lequel l’inconvénient est diamétralement opposé puisque l’on aboutit alors à un énoncé arabe qui n’est plus doté de signification comme dans l’énoncé ‘al-insān mawǧūd ḥayawān’ [l’homme est un animal]. Un tel énoncé est impossible en arabe, il ne peut être compris dans la langue courante et ne court plus le risque de l’ambiguité ou de la mauvaise interprétation. 5.6. On voit bien avec ces deux solutions proposées pour résoudre la difficulté de la traduction de la copule que le courant philosophique arabe auquel se rattache al-Fārābī n’a pas hésité à innover, à inventer des solutions linguistiques originales et à prendre, lorsque cela s’avérait nécessaire, des libertés avec la langue arabe. Nous avions vu comment notre philosophe n’avait pas hésité à recourir à une formalisation grammaticale différente de la formalisation arabe pour forger le vocabulaire dont il avait besoin. Nous voyons là la philosophie ne pas hésiter devant des énoncés qui débordaient le domaine de la langue arabe.
II. Personen
6.
La philosophie du langage
6.1. al-Fārābī traite la langue comme un phénomène naturel dans la vie de l’homme, il essaye d’en retracer une genèse théorique, c’est-à-dire qu’il entend moins répondre à une question sur l’origine que faire une réflexion sur la nature du langage. 6.2. La langue s’explique, au point de départ, par des phénomènes physiologiques et une certaine disposition innée de l’homme qui permettent la formation des premiers sons organisés. Ceux-ci donneront naissance aux lettres de l’alphabet. Nul doute que le concept de phonème aurait ici permis à al-Fārābī de parfaire son analyse. Ces sons s’organisent en un système — et l’on sait l’importance de la notion de système depuis Saussure (v. art. 36) — système qui va former la langue. Dans cette langue les signifiants et les signifiés sont à leur tour organisés en réseaux qui se correspondent et ne relèvent pas de l’arbitraire. La théorie d’al-Fārābī, théorie de la dénomination, se complète ainsi par une théorie de la signification (v. art. 3). 6.3. Chez al-Fārābī ce processus se poursuit et la suite logique du développement de la langue est la naissance des sciences: sciences rhétoriques et poétiques, sciences historiques, sciences de l’écriture et sciences linguistiques; puis les sciences dialectiques et enfin les sciences démonstratives. C’est dans le cadre du développement des sciences et de leur enseignement qu’al-Fārābī situera la religion dont l’apparition est postérieure à celle de la philosophie et dont le rapport à la philosophie revêt une grande importance car une saine religion doit resposer sur une saine philosophie (Ḥurūf §§ 147 à 153). Tout au long de ce processus la réflexion d’al-Fārābī se situe dans une perspective très différente de celle des linguistes arabes qui favorisaient l’oral beaucoup plus que l’écrit. 6.4. Tout ceci ne pouvait concilier à Fārābī les faveurs des hommes de religion et des savants théologiens et autres juristes. Les rapports de la raison et de la foi, de la philosophie et de la religion, étaient envisagés en dehors de toute perspective sacralisante. Cette même attitude non asservie à une perspective religieuse se manifestait également dans sa conception du langage: le centre n’était plus la langue arabe vénérée et magnifiée comme langue du Coran mais la langue, les langues,
19. al-Fārābī (872—950)
considérées comme le lieu de la connaissance, de la réflexion et du développement de l’esprit de l’homme.
7.
Bibliographie selective
Voici une brève bibliographie sur le sujet qui nous occupe. Nous y signalons essentiellement des œuvres d’al-Fārābī accessibles en langue arabe ou en langues européennes ainsi que quelques titres relatifs au sujet traité. Ateš 1951, Farabinin Eserlerinin bibliyografyasi, in Belleten 15. al-Azharī 1964—1968, Tahḏīb al-Luġa. Préface, tome I. Cunbur 1973, Farabi Bibliyografyasi. Dunlop 1956 a, Al-Farabi’s eisagoge, in Islamic Quarterly 3. Dunlop 1956 b, Al-Farabi’s introductory risalah on logic, in Islamic Quarterly 3. Dunlop 1955, Al-Farabi’s introductory sections on logic, in Islamic Quarterly 2 (cf. autre édition in Türker 1958). Dunlop 1958/1959, Al-Farabi’s paraphrase of the Categories of Aristotle, in Islamic Quarterly 4/5. al-Fārābī 1890, Alfarabi’s Philosophische Abhandlungen, (trad. allemande 1892). al-Fārābī 1974, Deux ouvrages inédits sur la Rhétorique. I. Kitāb al-aṭāba. II. Didascalia in Rhetoricam Aristotelis ex glosa Alpharabi. al-Fārābī 1961 b, Falsafat Arisṭūṭālīs. al-Fārābī 1971, Fuṣūl Muntazaca. al-Fārābī 1948, Iḥṣā al-cUlūm, [= Iḥṣā’]. al-Fārābī 1968 a, Kitāb al-Alfāẓ al mustacmala fi-lMantiq, [= Alfāẓ]. al-Fārābī 1973, Kitāb Arā’ Ahl al-Madīna al-Fāḍila, trad. française par Karam, Chlala et Jaussen, in Idées des Habitants de la Cité vertueuse, 1980, bilingue; trad. anglaise: Al-Farabi on the Perfect State avec texte arabe, par Walzer, 1985. al-Fārābī 1960 b, Kitāb al-Ǧamc bayn ra’yay alḤakīmayn, Aflāṭūn al-ilāhī wa-Arisṭūtālīs; trad. française par Mallet (Paris III thèse), 1984. al-Fārābī 1970, Kitāb al-Ḥurūf (Book of Letters), Commentary on Aristotle’s Metaphysica [= Ḥurūf]. al-Fārābī 1976, Kitāb fi-l-Manṭiq al-cIbāra. al-Fārābī 1968 b, Kitāb al-Milla wa Nuṣūs uḫrā. (Alfarabi’s book of religion and related texts). al-Fārābī 1958, Kitāb al-Qiyās al-Ṣaġīr, in Türk er 1958; trad. anglaise: Al-Farabi’s Short Commentary on Aristotle’s Prior Analytics, par Rescher. al-Fārābī 1964, Kitāb al-Siyāsa al-Madaniyya al-
289
mulaqqab bi Mabādi’ al-Mawǧūdāt (The Political Regime ... also k nown as the Treatise on the Principles of Beings). al-Fārābī 1981 b, Kitāb Taḥṣīl al-Sacāda (The Attainment of Happiness). al-Fārābī 1985, Kitāb al-Tanbīh calā Sabīl al-Sacāda. al-Fārābī, Rasā’il al-Fārābī. Onze titres ont été ainsi republiés, sans nom d’éditeur, à Haydarabad. al-Fārābī 1938, Alfārābī Risālat fi-l-cAql. al-Fārābī 1960 a, Šarh al-Fārābī li-kitāb Arisṭūṭālīs fi-l-cIbāra, (cf. l’autre édition: Al-Farabi’s Commentary and Short Treatise on Aristotle’s De Interpretatione, 1981). Georr 1945, Bibliographie critique de Farabi. Grignaschi 1972, Les traductions latines des ouvrages de la Logique arabe et l’Abrégé d’Alfarabi, in Archives d’Histoire Doctrinale et Littéraire du Moyen-Age 39. Ibn Abi Uṣaybica 1882, Kitāb cUyūn al-’Anbā’, fī Ṭabaqāt al-’Aṭibba’. Langhade 1985, Mentalité grammairienne et mentalité logicienne au IV° siècle, in Journal de Linguistique Arabe 15. Maḥfūẓ/Āl-Yāsīn 1975, Mu’allafāt al-Fārābī. Madk our 1935, La place d’al Farabi dans l’Ecole philosophique musulmane. Rescher 1962, Al-Farabi. An Annotated Bibliography. al-Rummānī 1959, Kitāb al-Ḥudūd fi-l-Naḥw, in Rasā’il fi-l-Naḥw wa-l-Luġa. Steinschneider 1869, al-Farabi (Alpharabius). Des Arabischen Philosophen Leben und Schriften. al-Tawḥīdī s. d., Kitāb al Imtā’ wa-l-mu’ānasa, Aḥmad Amīn/Aḥmad al-Zayn (eds.). Troupeau 1985, Le livre des définitions grammaticales dans la lexicographie arabe, in Journal de Linguistique Arabe 15. Türk er 1958, Farabi’nin bazi mantik eserleri, in: Dil ve Tarih-Coǧrafya Fakültesi Dergisi 16. Türk er 1963, Farabi’nin Sera’it ul-Yak in’i, in Arastirma I.
Jacques Langhade, Bordeaux (France) Note sur le système de translittération Nous suivons le système international tel qu’on le
trouve en particulier dans la revue Arabica Consonnes. ’, b, t, ṯ, ǧ, ḥ, ẖ, d, ḏ, r, z, s, š, ṣ, ḍ, ṭ, ẓ, , ġ, f, q, k, l, m, n, h, w, y. tā’ marbūṭa: a ou, pour l’état construit, at. Le hamza initial n’est pas indiqué. Voyelles. brèves: a, i, u, longues: ā, ī, ū Diphtongues. aw, ay
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II. Personen
20. Peter Abaelard (1079—1142) 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Die Sprache als menschliche Ausdrucksweise Nomen, Verbum, Oratio Die prädikativ-kopulative Funktion des Verbum Sememverschmelzung als Schlüsselverfahren in Abaelards Semantik Die Einstellung Abaelards zur Sprache Literatur in Auswahl
Die Sprache als menschliche Ausdrucksweise
Die mittelalterliche Auffassung der Sprache (s. Art. 4) k ennzeichnet sich durch die Ansicht, daß ein jedes Sprachgebilde, sei es ein einzelnes Wort oder ein Gefüge von Worten, etwas als dem Geiste des Hörers gegenwärtig darstellt, d. h. Zeichen von etwas ist oder signifikativ ist. ‘Significatio’ ist somit das Schlüsselwort jeder mittelalterlichen Sprachtheorie. Abaelard geht von einer sehr breiten Bedeutung von ‘significativus’ aus (Gl. Per. 335, 32 ff), indem er jedes Wort (‘vox’ = ‘artik ulierte Lauteinheit’) als eine Verweisung auf die Anwesenheit eines Sprechers (prolator) sieht. Selbstverständlich jedoch k onzentriert sich seine Sprachbetrachtung auf dasjenige, was ein Sprecher zu erk ennen gibt: Worte verweisen in irgendeiner Weise auf das, was der Sprecher bezüglich des Bezirk s alles (in welchem Maße auch immer) ›Seienden‹ mitzuteilen im Sinn hat. Ebenso wie bei Aristoteles (De int. 3, 16 b 20) heißt es bei Abaelard, daß ein Wort die Aufgabe hat, im Geist des Zuhörers eine Notion (Begriffsinhalt; intellectus) hervorzurufen, welche auf irgendein ›etwas‹ verweist (Gl. Pred. 136, 29 ff; Gl. Per. 339, 20—340, 6; Dialectica 112, 30 ff). Ein Wort wird als eine mit natürlichen Eigenschaften ausgestattete Entität angesehen, die dank eines Bedeutungsverleihers (impositor oder inventor nominum) ›significatio‹ (oder vielmehr ›Signifik ativität‹) bek ommen hat. Diese ›significatio‹ hat zwei Aspek te: ein sprachlicher Ausdruck k ann auf gegenwärtige Konk reta verweisen (›Bedeutung‹ im Sinne Freges) oder aber eine Idee (›Sinn‹ im Sinne Freges) (idea, intellectus) oder vielmehr Dinge qua ›gedacht‹ vergegenwärtigen (Gl. Pred. 112, 29—113, 3). — Abaelard ist sich ferner der syn k ategorematischen Fun k tion von Konjunk tionen und Präpositionen (Dialectica 119, 30—120, 20, siehe auch unter 4.) und deren operationellen Chara k ters bewußt
(Dialectica 118, 14—25; Gl. Per. 336, 27 ff). Jedoch sind für ihn (wie für andere mittelalterliche Autoren) Nomen und Verbum die Bedeutungsträger par excellence; sie sind auch wie k eine anderen k ategorematischer Natur, d. h. selbst in vollk ommener Isolation verweisen sie auf eine Notion (idea, intellectus).
2.
Nomen, Verbum, Oratio
Die Gegenüberstellung von ‘nomen’ und ‘verbum’ geschieht bei Abaelard vor dem Hintergrund desjenigen, worin sie übereinstimmen: ebenso wie gewisse Nomina Dinge in ihrer Substantialität, andere Nomina dieselben Dinge nach einer attributiven Eigenschaft andeuten, genauso tun das auch Verba (Gl. Per. 346, 25—28; 357, 1—3; Dialectica 123, 15 —22; 131, 26 ff). Mit anderen Worten, sowohl Nomen als auch Verbum haben die doppelte Funk tion, daß sie sowohl durch Benennung zur Sprache bringen (›nominare‹ oder ›appellare‹) als auch durch Beschreibung näher bestimmen (determinare). Selbstverständlich tritt die zweite Funk tion deutlicher auf bei Adjek tiven, aber auch Termini wie ‘Löwe’, ‘Baum’, ‘Stein’ usw. haben zugleich eine beschreibende Bedeutungsk omponente. Verben jedoch, so Abaelard, dienen vorwiegend zur Beschreibung, d. h. der Prädizierung. — Was den Unterschied zwischen Nomen und Verbum betrifft, darf es nicht wundernehmen, daß dieser ebenso wie bei Aristoteles (De int. 16 a 19) in der temporalen Konnotation (consignificatio temporis) vorgefunden wird: ein Verbum deutet an, daß sich ›etwas‹ an irgendeinem Zeitpunk t ergibt (Gl. Per. 36, 25 ff; 346, 28 f). Um so bemerk enswerter ist es, daß Abaelard in seiner Dialectica nachdrücklich aussagt, daß nicht dieser Unterschied zwischen Nomen und Verbum das Wesen ihres unterschiedlichen Fun k tionierens trifft. Denn, so führt er aus (Dialectica 122, 22— 123, 15), auch Nomina deuten Dinge in ihrer (durch den Kontext näher bestimmten) ›Zeitlichk eit‹ an. Um dem seines Erachtens wesentlichen Unterschied zwischen Nomen und Verbum auf die Spur zu k ommen, soll nach Abaelard ein anderes Element in Aristoteles’ Definition von Verbum hervorgehoben werden (De int. 16 b 6—7): „[ein Zeitwort] ist ein Zeichen für Dinge, die von etwas anderem ausgesagt werden“. In dieser Weise wird die prädi k ativk opulative Fun k tion des Zeit-
20. Peter Abaelard (1079—1142)
worts zu einem der Schlüsselbegriffe der Semantik Abaelards. — Bevor dies näher verdeutlicht werden k ann, soll dem Terminus ‘oratio’ Aufmerk samk eit gewidmet werden. Dem Unterschied zwischen Nomen/Verbum einerseits und ›oratio‹ andererseits sollte bei Abaelard mehr Bedeutung beigemessen werden als dem zwischen Nomen und Verbum, da ersterer die entscheidende Gegenüberstellung von einfachem Terminus und ›speech act‹ miteinbezieht (siehe auch 5.). Eine ›oratio‹ ist ein zusammengesetzter Ausdruck ; entweder ein unvollständiger Ausdruck (oratio imperfecta, z. B. ‘homo albus’ [weißer Mensch]) oder aber ein vollständiger Ausdruck oder Satz (oratio perfecta, z. B. ‘homo est albus’ [der Mensch ist weiβ]). Die Schlüsselposition der prädik ativ-k opulativen Funk tion k ommt jetzt dadurch zum Ausdruck , daß das Verbum im Gegensatz zum Nomen eine Sinnvollständigk eit (perfectio sensus) bewirk t und dadurch ›statement-ma k ing‹ [aussagebildend] ist. Abaelard behandelt die ›orationes perfectae‹ und ›imperfectae‹ in Dialectica (148, 19 ff); erstere sind das, was Priscian (Inst. gramm. II 108, 16 ff) ‘constructiones’ nennt, nämlich sprachliche ›units‹ [Spracheinheiten], die geordnet zusammengesetzt sind und einen ›sensus perfectus‹ beinhalten (z. B. ‘homo currit’ [der Mensch läuft]), während die ›oratio imperfecta‹ ‘homo currens’ [der laufende Mensch] zwar eine ›competens dispositio‹ [angemessene Ordnung] ihrer Bestandteile zeigt, jedoch sozusagen k eine Behauptung vermittelt. Wohlan, so Abaelard, es ist das Zeitwort, das durch seine k opulative Fähigk eit die ›oratio perfecta‹ zustande bringt. Es ist ja das Zeitwort, das nicht nur ein Prädik at an ein Subjek t k oppelt, sondern auch behauptet (›assertiert‹), daß die Kombination von Subjek t und Prädik at tatsächlich der Fall ist (vgl. Dialectica 149, 2—27). Dementsprechend sieht Abaelard die Übereinstimmung zwischen Nomen und Verbum im gemeinschaftlichen signifik ativen Charak ter beider und deren entscheidenden Unterschied in der Tatsache, daß das Verbum im Gegensatz zum Nomen sowohl verknüpft als prädiziert.
3.
Die prädikativ-kopulative Funktion des Verbums
Wenn ein Verbum in einem Satz verwendet wird, hat es eine zweifache Funk tion: erstens prädiziert es, d. h. es stattet das Subjek t mit seinem semantischen Merk mal aus, und zwei-
291
tens verk nüpft es das Prädik atsnomen (P) mit dem Subjek tsnomen (S). Nun, diese Verk nüpfung von S und P ist letztlich für Abaelard das wesentliche Merk mal eines Verbums (man beachte, daß es bei Abaelard immer um Worte in einem Zusammenhang geht, nicht um Wörter als ›lexical items‹, besteht doch nach Abaelard das eigentliche Wesen der Sprachzeichen in der Fähigk eit, Denk inhalte des Benützers zu überbringen; vgl. Dialectica 129, 25 f). Die schon erwähnte temporale Konnotation, die jedem k onjugierten Verbum eigen ist, bleibt auch bei Abaelard ein wichtiger Fak tor, aber sie wird jetzt interpretiert im Lichte der durch die ›copulatio‹ angedeuteten Inhärenz der vom Prädik atsterminus ausgesagten Form im Subjek t (Dialectica 123, 15—25), und zwar in der Gegenwart, Vergangenheit oder Zuk unft. — Abaelards Beitrag zur Entwick lung der Semantik des Aussagesatzes (und darin auch seine Termlogik , d. h. die Logik der in einem Satzgebilde angewandten Termini; siehe besonders unter 3.2) k önnte man sich vielleicht am besten dadurch vor Augen führen, daß man seinem Ringen mit dem Begriffspaar ‘copulatio-praedicatio’ Schritt um Schritt folgt. In das Spannungsverhältnis, das es zwischen ›copulatio‹ und ›praedicatio‹ gibt, ordnet er die Konfrontation der logisch-grammatik alischen Analyse des sprachlichen Ausdruck s mit der vom Sprecher gemeinten ontologischen Situation ein. Abaelard war sich voll bewußt, daß das logisch-grammatische Sprachgebilde eigene Charak terzüge aufzeigt, die sich nicht immer der Absicht des Sprechers fügen (Dialectica 127, 20—128, 21; 136, 22— 36; 140, 23—29). Das logisch-grammatische Sprachgebilde der Prädik ation ist natürlich stark auf das besondere k opulative Verbum ‘esse’ bezogen, ob dieses nun rein k opulativ (wie es heißt als ›tertium adiacens‹, z. B. in ‘Socrates est albus’ [Sok rates ist weiß]) oder aber als selbständiges Prädik at (als ›secundum adiacens‹, z. B. in ‘Socrates est’ [Sok rates ist]) verwendet wird. Alle ›verba personalia‹, so Abaelard (Gl. Per. 359, 23 ff), k önnen ungeachtet ihrer Bedeutung sich selbst mit einem Subjek tterminus verk nüpfen, weil jedes Verbum fähig ist, seine Bedeutung (seinen ›semantischen Inhalt‹ oder die ›res verbi‹) vom Subjek t zu prädizieren, und zwar dadurch, indem es sich selbst als Prädik atterminus mit dem Subjek tterminus verk nüpft. Z. B. wenn man sagt ‘Socrates est’ [Sok rates ist] oder ‘Socrates legit’ [Sok rates liest], dann haben ‘esse’ bzw. ‘legere’ eine Doppelfunk tion, die sie ausüben k önnen, weil sie sowohl eine ›vis
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praedicati‹ [prädik ative Fähigk eit] als auch eine ›vis copulantis‹ [k opulative Fähigk eit] besitzen. Beachten wir hier, daß, wie so oft, ‘copulare’ und ‘praedicare’ in einem Atemzug genannt werden, und daß (und das ist viel wichtiger) deshalb Subjek t und Prädik at sowohl als Subjek tterminus bzw. Prädik atterminus als auch als deren semantische Inhalte zu verstehen sind. 3.1. Der Doppelcharakter des Verbums ‘esse’ nach Abaelard Neben dem sogenannten ›verbum nuncupativum‹ (‘nuncupari’, ‘appellari’, ‘nominari’, ‘vocari’ = ‘genannt werden’ oder ‘heißen’) ist nur das ›verbum substantivum‹ ‘esse’ imstande, etwas anderes als sich selbst zu verk nüpfen und zu prädizieren. Nach Abaelard ist das Verbum ‘esse’ das semantisch wichtigere, k ann es doch nicht nur ›nomina‹, sondern auch ›pronomina‹, ›participia‹ und ›orationes‹ mit einem beliebigen Subjek t verbinden. Es ist besonders dadurch gek ennzeichnet, daß es, so Abaelard, ›essentia-behauptend‹ ist, indem es sich ›ex ipsa essentia rei‹ mit Prädik aten verk nüpfen läßt (Gl. Per. 369, 9—15). Was damit und insbesondere mit dem Terminus ‘essentia’ gemeint ist, legt Abaelard im folgenden dar: sagt einer z. B. ‘Socrates est albus’ [Sok rates ist weiß], so beabsichtigt der Sprecher nur, ‘Weiße’ (albedo) mit dem Subjek t zu verk nüpfen und von ihm zu prädizieren, unter dem Einfluß aber des Verbums ‘est’ wird ‘weißer’ oder ‘weißes’ ›essentialiter‹ (für die genaue Bedeutung dieses ›terminus technicus‹ siehe unten) mit Sok rates verbunden, weil das Verb, ganz nach seiner Art, Sok rates im Sein einordnet (Gl. Per. 360, 18—22). Nach Abaelard hat also derjenige, der aussagt ‘Sok rates ist weiß’, nur die Absicht, Weiße (albedo) mit Sok rates zu verk nüpfen: das Bindeglied jedoch verdirbt ihm das Spiel, indem es sich seiner ›essentia‹ behauptenden Natur folgend (das heißt für die mittelalterlichen Denk er: seiner ›natürlichen‹ Anlage zufolge) geltend macht und also das k onk rete Fundament der ›albedo qua‹ Seiendes (= ›essentialiter‹) miteinbezieht. Könnte man aber über ein anderes Bindemittel als das Verb ‘est’ verfügen, dann würde man, so lehrt uns Abaelard, dieses bestimmt anwenden, um so Subjek t und Prädik at miteinander zu verk nüpfen, ohne sich die Wesensprädizierung verderben zu lassen. Leider aber gibt es ein solches Verb nicht. So sieht sich derjenige, der eine Wesensprädizierung ‘S ist P’ beabsichtigt, seiner Absicht völlig zuwider dazu gezwungen, das Sub-
II. Personen
strat der zu prädizierenden Eigenschaft (z. B. das ‘album’ = ‘affectum albedine’) mitzuk onjugieren (Gl. Per. 360, 23—361, 3). Man k önnte sogar sagen: die Lage ist äußerst peinlich. Die Weiße (albedo), die man ja nur als Prädik at im Auge hat, wird nur ›in adiacentia‹ (d. h. ›als Beiliegendes‹) k onjugiert, während dem untergeschobenen Kinde die Hauptrolle zufällt (coniungitur in essentia). — Es k ommt nun darauf an, genauer zu bestimmen, was Abaelard hier unter ‘essentia’ versteht. Wohlan, ganz der Tradition des 12. Jahrhunderts gemäß, bedeutet ‘essentia’ nicht ‘abstrak tes Wesen’, sondern dieser Terminus verweist auf Subsistenz oder Substanzialität, d. h. auf den eigentlichen ontologischen Kern, der in allem, was ist, anwesend ist. Die Essenz von z. B. ‘Peter’ ist das k onk rete Seinselement, das ihn sein läßt. So ist in jedem Prädik ationsverfahren eine Art Existenz- oder Subsistenzbehauptung mit im Spiel. Aber ein solches Zusammenspiel zwischen der beabsichtigten Wesensprädizierung und der unbeabsichtigten Existenz- oder Subsistenzbehauptung, die sich beide gegenseitig im Verk nüpfen (copulare) (‘S ist P’) treffen, ist nur möglich, weil das in diesem Spiel überlegene Element (d. h. ‘est’) die Behauptung einer k onk reten Existenz mittels des von der Prädik ation ins Auge gefaßten Wesens als eine Partizipation zum Ausdruck bringt: das k onk ret Existierende heißt doch ‘album’ [das Weiße] im Sinne von ›affectum albedine‹ [das durch Weiße Affizierte]. Das Problem, so Abaelard, besteht gerade darin, daß die Zusammenarbeit nur in einer Mesalliance stattfinden k ann, während richtiges Verk nüpfen hingegen Existenz- und Subsistenzbehauptung einschließen muß (Gl. Per. 360, 23—34). Aber auch das Verbum ‘est’ hat seinen Anteil an der Entartung: es hat, wegen seines Monopols, wenn es auf das Verk nüpfen ank ommt, auch die seiner Natur widersprechende Aufgabe, nicht-existierende, nur gedachte Dinge miteinander zu verk nüpfen. Eine Lösung wird also auch die Funk tion des ‘est’ mitbetrachten müssen. Abaelards erster Versuch einer Lösung besteht nur darin, daß er sich bemüht, in seiner Semantik Sein und Wesen am stärk sten zu verk nüpfen und dem gegenseitigen Einfluß von ‘est’ und dem Prädikatsnomen auf die Spur zu kommen. 3.2. Die Aufgliederung des Bedeutungsfeldes des Prädikatsnomens Bezüglich der ganzen Prozedur sollte man im Auge behalten, daß die Disk ussion über das ›verbum substantivum‹ ‘esse’ von Abaelard so
20. Peter Abaelard (1079—1142)
geführt wird, daß er eingehend untersucht, was im Rahmen des Prädik ationsverfahrens mit dem betreffenden Prädik atsnomen geschieht (z. B. mit ‘album’ in ‘Socrates est albus’). Speziell noch gilt es, in diesem Zusammenhang zu ermitteln, welcher Einfluß — ein vom Sprecher nicht gemeinter — es ist, den das Verbum ‘esse’, das mangels eines besseren als Kopulativum gebraucht wird, auf die Bedeutung des Prädik atsnomens ausübt. Um diesen Einfluß zu erfassen, geht Abaelard dazu über, das semantische Feld des Terminus ‘album’ in zwei unterschiedliche Schichten aufzuteilen, nämlich die der durch den Terminus bezeichneten Form oder Eigenschaft (›albedo‹ [Weiße]) und die des Substrats dieser Eigenschaft (das ›fundamentum albedinis‹). Er sieht jetzt die Lage wie folgt: einerseits wird ‘weiß’ als Ak zidens mit dem Subjek t verk nüpft, andererseits wird die vom ‘est’ mitbedeutete Substanzialität von dem durch den Subje k tterminus angedeuteten Fundament dieser Eigenschaft ausgesagt (Gl. Per. 360, 34—361, 3). Daraufhin stellt er das, was mit ‘album’ geschieht, wenn es als Prädik atsnomen gebraucht wird, dem gegenüber, was mit ‘album’ geschieht, wenn es in Subjek tposition steht. Der Unterschied ist k lar und ak zentuiert die Widerwärtigk eiten, die ein Nomen in Prädik atposition unter Einfluß des eigensinnigen Verbums ‘esse’ sich gefallenlassen muß; wenn aber ‘album’ in Subjek tposition steht (z. B. in ‘album currit’ [das Weiße läuft]), hat die Anwendung des ›verbum substantivum‹ ‘esse’ zur Folge, daß ‘album’ nur in seiner Substanzialität verstanden wird (d. h. nicht in seiner Form-Bedeutung, also nicht als ‘albedo’ [die Weiße], sondern als ein weißes Ding) (Gl. Per. 361, 3—11). — Eine ähnliche Annäherung an die Problematik hinsichtlich des ›verbum copulativum‹ findet sich in Abaelards Kommentar zu Boethius (ca. 480—524/ 26) De topicis differentiis (Gl. Top. 271, 12— 275, 7; ad De top. diff. I, 1177; Dialectica 7 ff). Hier k ommt Abaelard ebenfalls zu der Entscheidung, das semantische Feld des Prädik atsnomens (auch hier wieder ‘album’) aufzuteilen in die ›forma (albedinis)‹ und das ›subiectum (albedinis)‹. 3.3. Das Verbum ‘est’ als bloßes Synkategorema Auch die Disk ussion über das Verbum ‘esse’ in der Dialectica geschieht noch vor dem Hintergrund des Bedürfnisses, die üblen Folgen von der teilweisen Ink ongruenz des linguistischen Satzbildungsapparates mit der eigent-
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lichen Aussageabsicht des Sprechers (eine Ink ongruenz, welche besonders in dem Kontrast Kopulation-Prädi k ation zum Ausdruc k k ommt) zu überwinden. Tatsächlich war es Abaelard in den früheren Versuchen lediglich gelungen, zu einer durchaus verteidigbaren Auffassung gegenüber der Frage, wie das ›verbum copulativum‹ seine Doppelfunk tion präzise ausübt, zu gelangen. Offenbar jedoch hat ihn selbst diese Erk lärung nicht ausreichend befriedigt, weil sie eher die Umrisse des Kontrastes verdeutlicht und das Problem damit schärfer profiliert, als daß sie diesen Kontrast überwunden und damit das Problem gelöst hätte. — Wenn Abaelard die Disk ussion in der Dialectica (I, 129 ff) wieder aufnimmt, beginnt er mit einem Schritt, der, zumindest auf den ersten Blick , wohl Verwunderung erweck en dürfte. Um diesen Schritt einordnen zu k önnen, sollte man sich über die Problemsituation voll im Klaren sein. Eigentlich läuft das Kopulationsproblem darauf hinaus — so faßt es Abaelard noch einmal zusammen —, daß das k opulative Verbum seine k opulative Aufgabe lediglich erfüllt (d. h. von seiner Natur aus erfüllen k ann), indem es zugleich seine ›natürliche‹ Bedeutung von Substanzialität (Substanz), die es als ›verbum substantivum‹ hat, miteinbringt; und es ist gerade diese Bedeutung, die von dem Sprecher der Aussage nicht gemeint ist, wünscht er doch bloß eine (dem Subjek t inhärente) ›forma‹ vom Subjek t zu prädizieren. Was Abaelard an der oben genannten Stelle unternimmt, ist — ganz unerwartet — eine schroffe Abweisung einer Prädik ationstheorie, die ihm eigentlich sehr gut gefallen sollte, da sie die Prädik ation zu einer bloßen Verk nüpfung einer ak zidentellen (Abaelard: adjazenten) Eigenschaft an ein Subjek t reduzieren würde (Dialectica I, 1 ff). Die Anhänger dieser Theorie behaupteten nämlich, daß z. B. in ‘Petrus est albus’ [Peter ist weiß] lediglich Weiße dem Subjek t zugesprochen werde, und zwar als eine adjazente (inhärente) Eigenschaft, eben weil nur eine derartige Zusprechung beabsichtigt ist. Abaelard erwidert jedoch, daß es sich gerade umgek ehrt verhält, und er wiederholt die von ihm auch schon in den Gl. Per. und Gl. Top. erörterte Ansicht, daß das Konjugieren der Subsistenz weit über das Prädizieren einer hinzu k ommenden Eigenschaft hinausgeht, was eine Dominanz der Notion der bloßen Subsistenz (das ›Etwas‹-sein eines Gegenstandes) über das Aussagen einer Eigenschaft (des ›Was‹-sein eines Gegenstandes, die ›Washeit‹ oder Quiddität) herbeiführt. Nun k ommt es
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II. Personen
aber darauf an, die üblen Folgen einer solchen Vorherrschaft zu neutralisieren. Abaelard ist daher bestrebt, gerade die dominante Notion der Substanzialität (Subsistenz) jeder k ategorematischen Bedeutung völlig zu entleeren. Einen Denk anstoß benutzend, den er früher schon gab (Gl. Per. 358, 1—19; vgl. 349, 16— 350, 39), geht er jetzt dazu über, dem Verbum ‘est’ jeden dinglichen Inhalt abzusprechen. Tatsächlich wird das Verbum ‘est’ somit zu einer leeren Stelle (›open spot‹), durch die nur angedeutet wird, daß es etwas in irgendeinem Seinsbereich gibt. Wenn man, so führt er aus, z. B. sagt ‘Petrus est homo’ [Peter ist ein Mensch], so k ann dem ‘est’ gar k ein ›Seinsgehalt‹ (i. e. ›Menschsein‹) beigemessen werden, da sonst die Hinzufügung des Prädik atsnomens (‘homo’) überflüssig ist (Dialectica 134, 28—135, 1). (Nebenbei möchte ich darauf hinweisen, daß Abaelard, ohne den Terminus ‘syncategorema’ zu verwenden, hier eigentlich die Auffassung des 13. Jahrhunderts von ‘est’ als ›dictio syncategorematica‹ vorwegnimmt.) Tatsächlich besteht Abaelards Lösung darin, daß er die Notion der Substanzialität zu einem ›Behälter‹ (›container‹) macht; sie selbst ist leer, bietet aber eine Subsistenzstruk tur als Fundament für jegliche (substantielle oder ak zidentelle) Seinsformen an (Dialectica 135, 4—8; vgl. 362, 32—34). Wenn es jedoch um nicht-existierende Entitäten geht (wie z. B. in ‘chimera est opinabilis’ [eine Chimäre ist vorstellbar]), dann fehlt der Kopula ‘est’ selbst jene fundamentale Subsistenzstruk tur, und ihr bleibt als einzige Aufgabe, Subjek t und Prädik at zu verk nüpfen. Weil in dieser Auffassung die Existenzunterstellung (›existential import‹) in allen Prädizierungen nicht von der Kopula, sondern vom Prädik atsnomen herrührt, bilden Aussagen wie ‘chimera est opinabilis’ nicht länger ein Problem.
4.
Sememverschmelzung als Schlüsselverfahren in Abaelards Semantik
Sememverschmelzung nimmt in Abaelards Semantik eine Schlüsselposition ein. Das treffendste Beispiel findet sich zweifellos in seiner Prädik ationstheorie (s. Art. 76). Die synk ategorematische Auffassung der Kopula ist ja nur möglich, wenn man das synk ategorematische ‘est’ mit dem Prädik atsnomen zu einem einzigen Semem verschmilzt. Dies wird von Abaelard denn auch ausdrück lich behauptet
am Ende der Prädik ationsdisk ussion in der Dialectica (138, 5—17; vgl. Tweedale 1976, 282—304 und Jacobi 1980, 167 ff). Ein zweites Beispiel bietet uns Abaelards Auffassung der zeitabhängigen Prädik ation (›logic of tenses‹). Bek anntlich betrachtet Aristoteles (De int. 12, 21 a 9—10) eine Aussage wie ‘Socrates sedet’ [Sok rates sitzt] als völlig gleichbedeutend mit ‘Socrates est sedens’ [Sok rates ist (ein) Sitzend(er)]. Wie die übrigen mittelalterlichen Logik er betrachtet auch Abaelard die beiden Konstruk tionsweisen als prinzipiell austauschbar (Gl. Per. 359, 27—28). Aber er geht ausdrück lich einen eigenen Weg, wenn er ungleich allen übrigen mittelalterlichen Logik ern die dreiteilige Form nicht ohne weiteres als die normale logische Struk tur ansieht. Ganz im Gegenteil nämlich sieht er die Zweiteilung jeder Aussage als die logisch richtigere an. Jede Aussage besteht nach Abaelard aus einem Subjek tausdruck und einem Prädik atausdruck (‘est’ plus Prädik atsteil), wobei letzterer als eine Ganzheit aufgefaßt werden soll. So ist die logisch k larere Form der Aussage zweiteilig, und das Prädik at, so Abaelard, sollte immer als eine Ganzheit angesehen werden (Dialectica 165, 3—8; 167, 7—8; 170, 21—30; vgl. Jacobi 1980, 171). — Die Mitbedeutung der Zeit (consignificatio temporis), die dem Verbum ‘esse’ wie auch allen anderen Zeitwörtern eigen ist, wird von Abaelard auf ähnliche Art und Weise betrachtet. Die Äquivalenz von ‘sitzen’ und ‘sitzend-sein’ wird von Abaelard benutzt, die Idee nahe zu bringen, daß auch Umschreibungen wie ‘Mensch(bzw.weiß-)sein’, ‘Mensch- (bzw. weiß-)gewesen sein’, und ‘zuk ünftig Mensch- (bzw. weiß-)sein’ (esse hominem (album), fuisse, fore) als Verbalphrasen aufzufassen sind, wie Jacobi (1980, 172) richtig bemerk t hat. Im Anschluß hieran zeigt Abaelard, daß solche Bildungen, wenn sie im Präteritum oder im Futur stehen, stets, wie er es ausdrück t, ›in vi unius dictionis‹ [in Kraft eines einzigen Redeteils] zu nehmen sind. Wenn z. B. von einem, der jetzt sitzt, gesagt wird ‘erit ambulans’ [er wird spazieren], so sollte man darauf bedacht sein, daß nicht nur durch die Kopula ‘erit’, sondern auch durch das Partizip die Zuk unft angedeutet wird, denn, sollte letzteres seine Präsensbedeutung aufrechterhalten, so würde ein Widerspruch entstehen: würde doch ‘sedens erit ambulans’ bedeuten: ‘derjenige, der jetzt sitzt, wird einer sein, der j etzt spaziert’. Vielmehr, so Abaelard, verliert das Partizip seine Mitbedeutung der Gegenwart und bek ommt durch seine semantische Ver-
20. Peter Abaelard (1079—1142)
schmelzung mit dem Verbum ‘erit’ eine Mitbedeutung der Zuk unft (Gl. Per. 348, 37— 350, 3; Dialectica 138, 27—139, 3; vgl. Tweedale 1976, 285 ff). Auch in der Disk ussion über die Konversion zeitlich bestimmter Aussagen spielt diese Auffassung eine wichtige Rolle (Dialectica 139, 2—140, 14; vgl. Tweedale 1976, 298 ff und 146; auch Jacobi 1986, 164). — Schließlich k ann noch Abaelards Erörterung in bezug auf Phrasen wie ‘de homine’ (Gl. Per. 337, 11 ff; Dialectica 118— 120) erwähnt werden. An sich, so Abaelard, hat eine Präposition wie ‘de’ nur eine k onfuse Bedeutung, indem sie nur zeigt, daß mit ›irgend etwas‹ etwas los ist, während die Zufügung von ‘homine’ ihr einen „determinierten Sinn/certam significationem“ (Dialectica 118, 24) verleiht.
5.
Die Einstellung Abaelards zur Sprache
Abaelard war sicherlich k ein Linguist oder Grammatik er. Er betrachtete die Sprache und die sprachlichen Äußerungen nur als Vehik el des Denk ens und der Kommunik ation. Dies verlock te ihn aber nicht dazu, die Eigenheit der Sprache und des Sprachlichen zu verk ennen, so wie er auch immer den Unterschied zwischen Grammatik und Logik beachtet hat (z. B. Dialectica 126, 1 ff). Der Logik er hat aber ihm zufolge doch wesentlich mit der Sprache zu tun. Sie ist zwar das spezifische Objek t des ›Grammatik ers‹, aber aufgrund ihrer verweisenden Natur (d. h. also ihres signifik ativen Charak ters) ist sie auch Objek t des Logik ers. Abaelard spricht sogar von den „Grammatik ern, die der Logik dienen/grammatici qui logice deserviunt“ (Dialectica 120, 3—4). — Oftmals zeigt Abaelard Interesse für das, was heutzutage Sprechakt genannt wird und für die Absicht desjenigen, der sich eines sprachlichen Ausdruck s bedient (siehe 3.1. und Mews 1984, 82 f). Sprechak t und Absicht werden besonders gegen den Terminus als lexi k alische Einheit abgegrenzt (Dialectica 114 ff; 166 ff; 224 ff; Mews 1984, 79 ff). In diesem Zusammenhang sollte man Abaelards Aufmerk samk eit für den eigenen Charak ter der ›oratio‹ verstehen (siehe 2.). Auch erk annte Abaelard als erster, daß die syntak tische Stellung, die ein Ausdruck im Satz einnimmt, über seine Bedeutung entscheiden k ann. Eines seiner Beispiele in diesem Zusammenhang lautet ‘utrumque eorum est aliquid’ [beides von diesen zwei Dingen ist etwas] ge-
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genüber ‘aliquid est utrumque eorum’ [etwas ist beides von diesen zwei Dingen] (vgl. De Rijk 1980, 134 ff). Dieser Unterschied spielt in seiner Lösung des wohlbek annten Universalienproblems (s. Art. 61) eine wichtige Rolle (vgl. De Rijk 1981, 1 ff). — Dank seiner logisch-semantischen Untersuchungen war Abaelard sich auch dessen bewußt, was wir heute mit dem Terminus ‘Tiefenstruk tur der sprachlichen Äußerung’ anzudeuten pflegen, z. B. in der Dialectica (135, 23 ff—136, 26; vgl. Kretzmann 1982, 507), wo er den eigentlichen Sinn einer präsentischen Aussage wie ‘Homerus est poeta’ [Homer ist ein Dichter] darzulegen versucht. Eine weitere Stelle in derselben Schrift ist in dieser Hinsicht besonders wichtig. In der Dialectica (140, 23—29) sagt der Autor — am Ende seiner Auseinandersetzungen über Aussagen über die Zuk unft wie ‘Socrates erit legens’ [‘Sok rates wird lesen’; wörtlich: ‘Sok rates wird ein Lesender sein’] — ganz explizit, daß die jungen unerfahrerenen Schüler, die sich nur an die erste Stufe des wissenschaftlichen Betriebes herangemacht haben (illi qui primum discipline gradum tenent), es den weit Fortgeschrittenen (provectis) überlassen sollen, den richtigen Sinn einer Aussage mit Hilfe dialek tischer Subtilitäten zu entdeck en und dabei Verstöße gegen die grammatischen Regeln nicht zu scheuen (vgl. Kretzmann 1982, 510). Gleichfalls soll hier das Verfahren der Sememverschmelzung noch einmal erwähnt werden (siehe 4.). — So darf es nicht wundernehmen, daß Abaelard auch in seinen philosophischen und theologischen Untersuchungen jeder Art eine Vorliebe für Sprachanalyse zeigt. In diesem Zusammenhang ist ein Hinweis auf seine Lösung des Universalienproblems aufschlußreich. Er löst dieses nämlich dadurch, daß er sich den formalen Unterschied zwischen ‘vox’ [Wort] und ‘sermo’ [Wort qua Bedeutungsträger] zunutze macht: das Universale ist tatsächlich mehr als ein ›artik ulierter Atemhauch‹ (flatus vocis), wie es sein Lehrer Roscelin von Compiègne (ca. 1050—1120/25) spöttisch genannt zu haben scheint. Was das Universale aber darüber hinaus noch ausmacht, nämlich ein gewisser Denkinhalt zu sein, verdank t es ausschließlich der Ak tivität des menschlichen Geistes (vgl. Tweedale 1976, 89 ff; De Rijk 1981, 1 ff; Kretzmann 1982, 492 ff). In ähnlicher Weise wird von Abaelard auch das Problem, den ontologischen Status des Bedeutungsinhalts eines Satzes zu bestimmen, gelöst (vgl. Tweedale 1976, 213 ff; Nuchelmans 1973, 150; 209). Es werden von ihm
II. Personen
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auch metaphysische Probleme, z. B. die der transzendenten Naturen (vgl. Tweedale 1976, 184 ff) und die Seinsproblematik im allgemeinen (vgl. De Rijk 1986 a passim; Jacobi 1986, 145 ff) ebenso wie Probleme epistemologischer Art (vgl. Jacobi 1986, 169 ff) im Rahmen seiner Logik und Semantik erörtert. — Auch in Abaelards Ethik (Ethica seu scito teipsum) spielt Sprachanalyse eine bedeutende Rolle (De Rijk 1980, 136 f; 1986 a). Für die Theologie schließlich sollen in diesem Zusammenhang sprach k ritische Erörterungen über die Trinitätsproblematik erwähnt werden (vgl. Tweedale 1976, 188 f; Mews 1980, 183—198 und 1984 und 1988 passim).
6.
Literatur in Auswahl
6.1. Die Schriften Abaelards Petrus Abelardus, Dialectica. First Complete Edition of the Parisian Manuscript, with an Introduction by L. M. de Rijk, 19702 (= Dialectica). Peter Abaelards Philosophische Schriften, I. Die Logica Ingredientibus, II. Die Glossen zu den Kategorien, zum ersten Male herausgegeben von Dr. Bernard Geyer, in Beiträge zur Geschichte des Mittelalters. Texte und Untersuchungen, Band XXI, Heft 2, 1921 (= Gl. Pred.); III. Die Glossen zu Perihermeneias, 1927 (= Gl. Per.). Pietro Abelardo, Scritti di logica, Super Topica Glossae editi per la prima volta da Mario dal Pra, Firenze 19692 (= Gl. Top.).
21.
6.2. Sekundäre Literatur Jacobi 1981 b, Die Semantik sprachlicher Ausdrück e, Ausdruck sfolgen und Aussagen in Abaelards Kommentar zu Perihermeneias, in Medioevo 7. Jacobi 1983, Abelard and Frege: The Semantics of Word and Proposition, in Atti del Convegno internazionale di storia della logica. Jacobi 1986, Peter Abelard’s Investigations into the Meaning and Functions of the Speech sign ‘Est’, in The Logic of Being. Historical Studies. Jolivet 1969, Arts du langage et théologie chez Abélard, in Etudes de Philosophie Médiévale 57. Kretzmann 1982, The Culmination of the Old Logic in Peter Abelard, in Renaissance and Renewal in the Twelfth Century. de Rijk 1980, The Semantical Impact of Abaelard’s Solution of the Problem of Universals, in Petrus Abaelardus (1079—1142). Person, Werk und Wirkung, Thomas et al. (Hg.). de Rijk 1981, Abailard’s Semantic Views in the Light of Later Developments, in English Logic and Semantics, from the end of the twelfth century to the time of Ockham and Burgleigh. Act of the 4th European Symposium on Medieval Logic and Semantics. de Rijk 1986 a, Peter Abelard’s Semantics and his Logic of Being, in VIVARIUM 24. de Rijk 1986 b, Abelard and Moral Philosophy, in Medievo 12. Tweedale 1976, Abailard on Universals.
Lambertus M. de Rijk, Leiden (Niederlande)
William of Ockham (ca. 1285—1347)
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Language and reality The levels of language Parts of speech Signification Supposition Logical and real predication Logic and grammar Religious problems Conclusion Selected references
1.
Language and reality
Though a philosophy of language as such cannot explicitly be found in the Middle Ages (s. art. 4), there was always a discussion of language as distinct from, but with reference to reality (de Rijk 1987, 25). More than other
medieval think ers Ock ham severed the bonds between language and reality. He even might be called a ‘linguistic philosopher’ insofar as he holds that philosophy including all of science is expressed in true propositions. Ock ham was a voluminous writer. His extant work s include the ones on theology (e. g. Quaestiones in libros Sententiarum [Commentary on the Sentences]; Quodlibeta), on logic (e. g. his Summa logicae, his Commentary (expositio) on the old logic, i. e. on Aristotle’s Categories and On interpretation, including the Isagoge of Porphyrius), physics and church politics. — In his days, the study of language was approached at least by grammar and logic. In medieval grammar one can distinguish between the empirical approach, namely along the lines set out by Donatus
21. William of Ockham (ca. 1285—1347)
(4th century A. D.) and Priscian (ca. 500 A. D.); and the speculative approach of the modistic grammarians (s. art. 41). Ock ham, however, is a representative of the logical approach: his interest is in language as the bearer of truth and falsity (Nuchelmans 1973, 195—202). For further explication it is useful to recall that reality comprises, according to a common medieval view, at least the following specifically different beings: God, angels, men and irrational creatures, the latter group consisting of for example horses, plants and so on down to stones. All these realities are individual: all medievals agree on this. For extreme Platonism, according to which general natures exist (at least, so the medievals interpreted Plato’s Ideas), is not accepted. Now Ock ham interprets the individuality of things more radically than other medieval philosophers. He repeatedly rejects the views of those, who, according to Ock ham, accept generality in things — Ock ham has in mind think ers such as Thomas Aquinas and Duns Scotus (1974, 50, line 1—51, line 46). Of these individuals, God is the only one perfectly simple, though this can not be k nown directly (evidenter) by man in his present imperfect state (Leff 1975, 376); other individuals, such as men, possess properties, they are not their properties (Ock ham 1978, 52, lines 31—34). These properties are individual, too, says Ock ham (Ock ham 1978, 52, lines 35—37). In his Commentary on Porphyry’s Book on Predicables we find a definition of ‘individual’ (individuum) look ed at as a thing, not as a name (Ock ham 1978, 51, lines 5—7): “it is that which consists of various properties, or that group of properties which, when tak en as a group cannot occur in another individual / nam individuum est illud quod consistit ex diversis proprietatibus quae omnes simul sumptae non possunt in aliquo alio reperiri”. Now, man is able to refer to those individual things by way of language. The terms used can be principally divided into general terms, such as ‘man’, ‘horse’, which can stand for individuals, and individual terms, such as ‘Socrates’, ‘this man’; in this way in the Middle Ages proper names and uniquely referring names are placed on the same level. Generality is in the intellect, they are mental fabrications, but the intellect does not create new realities outside it (cf. Pinborg 1972, 127); in Ock ham’s words (1974, 52, lines 70—72): “consideratio intellectus non facit quod aliquid sit substantia vel non sit substantia” [the fact that something is considered by the in-
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tellect does not mak e it a substance or not]. — Ock ham draws a sharp distinction between the level of thought (ratio) and the level of things (res), much sharper than others. Thomas Aquinas (1224—1274) and John Duns Scotus (ca. 1266—1308), for example, advocate the view that in individual things there is a nature, which is neither single nor general: it is single in concrete reality, it is many in the intellect. Ock ham think s that these philosophers advocate generality in things. Let us now investigate how, according to Ock ham, language is related to things, and, more specifically, how the various levels of language, distinguished by Ock ham, viz. mental, spok en and written, are related to each other and to things in the world outside the mind. The elementary things investigated by a logician are terms (termini). Ock ham’s Summa logicae starts with a theory of terms. ‘Terminus’ is used ambiguously by Ock ham: it could be a thing in the outer world, it could also mean a part of a proposition (Ock ham 1967, 16, lines 6—12). In his Summa logicae Ock ham (1974, 7, lines 4—5) defines ‘terminus’ as the pars propinqua propositionis (nearby part of a proposition, nearby that is, to the intellect). Any term, both that which is traditionally called ‘categorematic’ (categorematicus), such as ‘horse’, ‘man’ which signifies some thing(s) in its own, and that which is traditionally called ‘syncategorematic’ (syncategorematicus), such as ‘all’, ‘is’ (that only signifies in conjunction with categorematic terms) can be a ‘terminus’. — Ock ham distinguishes between various levels of language: there is, first, the level of what he calls mental speech, the language produced by the intellect: this language is the same for all men and is produced naturally by the objects to which the human mind is directed. Next is the language whose terms are agreed upon by convention, which is spok en or written and which varies among people. Thus although the minds of a Greek and a Roman are directed towards the same individual horse, the first calls it ‘hippos’ and the second ‘equus’.
2.
The levels of language
In his distinction of various levels of language Ock ham follows a long tradition which begins with Aristotle (s. art. 15). Aristotle distinguishes how language signs, whether mental, spok en or written are related to reality. No-
298
tably in his De interpretatione Aristotle puts forward a theory of signs. He says: “Now, spok en sounds are symbols of the affections in the soul, and written mark s are symbols of spok en sounds. And just as written mark s are not the same for all men, neither are spok en sounds. But what these are in the first place signs of — the affections of the soul — are the same for all; and what these affections are lik enesses of — things — are also the same” (16a 4—9).
Now, Aristotle clearly wishes to distinguish between various levels of language and establish their relation to reality. Language — as spok en and written — varies among men; such k inds of language are symbols, or signs, of the ›affections‹ (παθήματα) of the soul which, in their turn, are ›lik enesses‹ (ὁμοιώματα) of ›things‹ (πράγματα). It is amazing to see the ways in which these short remark s by Aristotle were interpreted and elaborated in the Middle Ages. The Latin translations, for example by William of Moerbek e (ca. 1215—1286; cf. Aristoteles 1965), are interpretative in some respects (cf. Bos 1987a, 135, note 30). Furthermore, Aristotle was not the only to develop a theory of signs. We find other theories in Stoic philosophy (s. art. 2), Augustine (354—430) (s. art. 16), Boethius (ca. 480—524), Ammonius (ca. 445—517/ 526). In this respect, as in others, there is a difference between Aristotle and the tradition which came after him. Even professed followers of Aristotle used elements drawn from the non-Aristotelian theories just mentioned. — It can be concluded that Aristotle assumes a strong dualism between the conventional and the natural level. He emphasizes the natural level. However, Aristotle expresses, and indeed had to express, the contents of the mental level using the terms drawn from the conventional level. In this way mental language becomes, despite its ontological primacy, lingualized (cf. Nuchelmans 1976, 155). Augustine elaborates the theme of a ›verbum mentale‹ [mental word] in conformity with the emphasis he gives to the soul as the principle for the attainment by human beings of eternal blessedness. He distinguishes between that k ind of thought which is formed by the inner affections of the mind and which cannot be lingualized in any way, and the form of thought in which psychical representations of the spok en and written language are found. So, one can distinguish between a mental language which is speech-orientated and a language which is directed towards reality. Augustine does not seem to be unequivocal
II. Personen
in this respect, however (cf. Kretzmann 1967, 367). Nevertheless, Ock ham reflects Augustine’s opinions in his theory, although generally speak ing Augustine’s fine linguistic views had little influence in the Middle Ages. Boethius should be mentioned here because he elaborated the notion of the ›triplex oratio‹ [threefold speech], namely spok en, written and mental. Boethius used ‘oratio’ for the Greek ‘λόγος’, but unlik e the Greek word with its wide range, ‘oratio’ was usually tak en to mean written or spok en language. This distinction thus helps to interpret mental thought in terms of spok en language. Boethius also introduced the use of ‘oratio mentalis’, which can be found in William of Moerbek e’s translation, in the work s of Thomas Aquinas, and in Ock ham; by then it had become the proper word to indicate what goes on in the mind. Ock ham distinguishes three senses of ‘oratio’: viz. spok en, written and conceived or mental (prolata, scripta, mentalis) (Ock ham 1974, 7, line 14). A written ›oratio‹ can be visible or invisible, and can thus exist in a closed book , a topic which aroused some interest among later writers (cf. Ashworth 1974, 40). — The mental ›oratio‹ is composed, according to Ock ham, of mental terms which are defined by him as ›passiones animae‹ [affections of the soul], where what is meant is that the mind has been acted on (viz. by an object), or an ›intentio‹, or concept. Everything that signifies (such as the mental term ‘horse’ or ‘man’) or consignifies (such as ‘is’ or ‘all’) in a natural way, can, Ock ham says (1974, 7, lines 19—21) be part of a mental ›oratio‹. Mental language is not link ed to a specific language, e. g. Greek or Latin, though it has been observed, among others by Peter Geach (1957; cf. Trentmann 1970, Spade 1980), that Ock ham describes this mental language in terms of an analysis of spok en or written Latin. Of course, in the Middle Ages, Latin was the language which received most attention from scholars. The first k nown native grammars of Italian and Spanish only appear in the 15th century, the first k nown French grammar at the beginning of the 16th century (Robins 1976, 99). — It should be noted here that Ock ham is not so much interested in the contents of the mind as such, but in as far as these contents refer to extramental things and in as far as spok en and written language is subordinated to mental language. Consequently Ock ham’s semantics can be labelled as ‘extensionalist’: linguistic
21. William of Ockham (ca. 1285—1347)
entities are directed towards individual things in the outside world, without a separate realm to which these signs correspond and which could lead his semantics to be labelled ‘intensionalist’ (see 4.). His theory of reference, that is, in technical terminology of the time, his suppositio-theory is, as Ock ham interprets it, well in line with this extensionalist semantics (see 5.). For Ock ham the mental level constitutes a sort of ›deep-structure‹ behind spok en or written language, which forms the ›surfacestructure‹. As has been said, this mental level consists of the acts of apprehension by the mind and is the same for all men. That this is not a common medieval one is exemplified by the view of William of Crathorn (first half 14th century), a ›reist‹ opponent of Ock ham who holds that the mental level is always of a conventional nature (Nuchelmans 1973, 212). — There is a proportional relation between the three levels: just as spok en language is prior to written language (because a human being learns to speak before he learns to write), so the mental level is prior to the spok en level. A ›vox‹ [word], be it written or spok en, says Ock ham (1974, 7, lines 16—34), is a sign, subordinated to a concept. But not, he adds, because it signifies a concept primarily and properly. According to Ock ham a ›vox‹ primarily signifies an extramental thing. Duns Scotus had already accepted this doctrine, though he seems to have hesitated in his earlier years (Bos 1987a), and held that a ›vox‹ first signifies its concept, just as many thirteenth-century philosophers had said. When the significate of a concept (i. e. the thing signified) changes by it, there is, so Ock ham says, a change in the signification of a ›vox‹ without the establishment of a new convention concerning its use, a new ›institutio‹ (Ock ham 1974, 8, lines 30—34). For example, if there are no longer any tables, the word ‘table’ loses its signification, but by a new ›impositio‹ (or giving of names), it can refer to, say, chairs. In his Quodlibeta (Ockham 1980, 544, line 51) he discusses the way in which something signifies which is present before me. For instance, if Socrates is white first and later black , then the mind no longer holds a concept of the white Socrates, but rather of the black Socrates, and the word ‘white’ can only refer to the black Socrates if ‘white’ means ‘black’ by virtue of a new agreement on its use. — To return to mental language, Ock ham elaborates the concept of ›naturaliter significare‹ [natural signification]. This k ind of signification is brought about by
299
a thing in the outside world, and without a change in the thing the signification can not be changed. This is different with the conventional level: because this signification arises from an ›institutio voluntaria‹ [institution by the (human) will] it can change. The causality of thing towards concept is efficient causality (Ock ham 1974, 9, lines 57—59). It is not formal (a k ind of causality which Ock ham does not ack nowledge; cf. Mc Cord Adams 1982). So there is no formal correspondence between the thing k nown and its mental sign. A sign brings about a certain cognition in the mind, and it can stand for the thing in a proposition. The emphasis is all upon the focussing of the mind upon the extramental thing.
3.
Parts of speech
Traditionally, words which occur in speech and which are combined with each other, are called ‘partes orationes’ [parts of speech]. Perhaps this Latin phrase is better translated by ‘k inds of words’, because the words are tak en as independent units and not as syntactically dependent parts of a sentence. The division of words into parts of speech is an old one; it occurs in an already advanced form in the work s of the grammarians Donatus and Priscian. Priscian’s definition of ‘pars orationis’ runs (Priscian 1855—1859, XI, 7; Kneale 1971, 143—144): “est vox significans mentis affectum vel conceptum, id est: quod mente concipitur“ [it is a word that signifies an state of the mind or a concept, i. e. that which is perceived by the mind]. Donatus and Priscian ack nowledge eight parts of speech. Priscian said that the dialectician (or logician) ack nowledges only two, viz. those which are significative in the full sense, whereas the others were consignificative. — There has been much discussion about the number of parts of speech and about the k inds to be recognized. This discussion has gone on since the time of Chrysippus (ca. 280—207 B. C.) and Diogenes of Babylon (240—152 B. C.) onwards, who recognized only five: ὄνομα (by which an individual quality is meant, e. g. ‘Socrates’), προσηγορία (a general quality, e. g. ‘man’), ῥῆμα (an incomplex predicate, e. g. ‘I speak ’), σύνδεσμος (a connective or disjunctive particle, lik e ‘and’, ‘or’) and the ἄρθρον (the article, lik e ‘the’). The famous grammarian Dionysius Thrax (ca. 170—90 B. C.) who was influenced by the Stoa, recognized eight: the noun, the verb,
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the participle, the article, the pronoun, the preposition, the adverb and the conjunction. A distinction already mentioned by Priscian was also advanced by Boethius who says that grammarians distinguished eight parts of speech, but philosophers only two, viz. the verb and the noun. These two possess full signification. ‘Noun’ includes here, by the way, participle, adverb, pronoun, interjection (cf. Nuchelmans 1973, 123—124). Boethius did not ack nowledge the conjunction and the preposition. Ock ham distinguishes on the level of spok en and written language seven parts of speech (Ock ham 1974, 11, lines 5— 12): noun, verb, pronoun, participle, adverb, conjunction, and preposition. On the mental level there are only six, viz. all those just mentioned, except the participle (which by the way, is added in manuscript C of Ock ham’s text but not adopted by the modern editor). Apparently, in Ock ham’s view, the participle is a k ind of word, which can probably be subsumed under the species verb. Anyway, there does not seem to be any necessary reason to include it on the mental level, as Ock ham puts it in his characteristic way. This is in fact a version of his famous ›razor‹. Interjection is not included (cf. Nuchelmans 1976, 163). About pronouns, there is a doubt, says Ock ham (1974, 11, lines 25—26). I shall return to the nature of pronouns below (see 8.). Participles are not necessarily adopted on the mental level: they should be subsumed under verbs. The logician distinguishes parts of speech with a view to truth or falsity, the grammarian with a view to ›decoration of speech‹ (ornatus sermonis). Ock ham, it seems, applies more than in existing tradition, the grammatical categories to the mental level in his logical analysis. The conventional level is still somewhat more abundant than the mental, because what is at issue is the ›ornatus sermonis‹ and other accidental causes, Ock ham says (Ock ham 1974, 11, line 28). A distinction on the level of speech and writing is only transferred to the mental level, if this is necessary; otherwise, Ock ham’s razor is applied. Grammar is a science of the accidental features of language, but logic is concerned with primary matters (which, by the way, was a view also held in earlier centuries, e. g. in the twelfth; cf. Bos 1987 c, 81). All grammatical accidents that are present on the mental level, are to be found on the conventional level, but the converse is not the
II. Personen
case (Nuchelmans 1973, 200). To which grammatical features does the latter restriction apply? Common accidents are, says Ock ham (1974, 12, lines 32—33): case and number, for, as he says (1974, 12, lines 34—39), ‘homo est animal’ [a man is an animal] and ‘homo non est animalia’ [man is not animals] are differently qualified in order to be true. For in the first proposition, ‘animal’ is singular, and the proposition is true, in the second proposition, ‘animalia’ is plural, and the proposition is only true if ‘non’ is added. This is an example of difference in number which difference is, in Ock ham’s view, relevant for truth and falsity and should therefore be assigned to the mental level. The same applies to case: there is a difference in truth-value between ‘homo est homo’ [man is a man] which is true, and ‘homo est animalis’ [man is of an animal]; the latter is only true if ‘non’ is added. Here, too, the difference in form is relevant. It should be noted here that Ock ham’s view differs from, for instance, the great twelfth century logician Abaelard (1079—1142) (s. Art. 20) who did not think case was relevant to understanding truth, and who held that case should be tak en as an accidental grammatical feature. Abailard argues as follows in this: the Greek s and the Romans understand the same thing even though the former language has five cases, and the latter six (cf. Bos 1987 c, 84). Accidental features, which are not common are ›genus‹ [gender], e. g. the difference between ‘lapis’ (which is masculine) and ‘petra’ (which is feminine). Both words refer to the same entity, viz. a stone, but they differ in gender. They are examples of a synonymy on the level of convention. Nor is ›figura‹ to be assigned to the mental sphere, ›figura‹ being the difference between complex and non-complex words, e. g. ‘magnanimus’ as opposed to ‘superbus’ (the latter example is mine). There are some other doubts concerning this subject, says Ock ham (1974, 12, lines 52—54). Should the comparative form be tak en on the mental level? In his Summa logicae Ockham says that this requires no immediate discussion, but it should be discussed later. In his Quodlibeta (Ock ham 1980, 510, lines 49—54) he think s comparatives should be tak en in. There is a difference in the manner of verification between ‘homo est albus’ [a man is white] and ‘homo est albior’ [a man is more white]. A further problem, says Ock ham, surrounds the ›qualitas nominum‹, the quality of nouns. In his Summa logicae Ock ham refers
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to a discussion elsewhere (Ock ham 1974, 55, lines 55—56). Where this is, is not clear. How does he see this as a problem? It is perhaps the difference between common and singular nouns, e. g. ‘man’ and ‘Socrates’, but this interpretation can not be definitive. — Ock ham also discusses whether the accidental features of verbs are common to the conventional and to the mental level, both in his Summa logicae (1974, 13, line 69—14, line 83), and in his Quodlibeta (Ock ham 1980, V (8)). Ock ham says that there are five accidents in common. The first is mode (indicative, optative, imperative, etc.); the others are: gender (active, passive), number (singular, plural, e. g. ‘lege’, ‘legite’ [‘read’ spok en to one and more persons]), time (e. g. ‘legis’ [you read], ‘legisti’ [you have read]) and person (e. g. ‘lego’, ‘legis’ [I read, you read]). In his Quodlibeta Ockham adds that conjugation (e. g. whether a verb is conjugated with the latin ‘-emus’, or ‘-amus’) only work s on the conventional level. Lik ewise with ›figura‹ of verbs (complex/incomplex verbs); there, sometimes we find synonymy in verbs of different conjugations. Unfortunately, Ock ham does not add examples. Ock ham does not reduce other modes to the indicative mode. There is a different mental ›oratio‹ in the case of ‘Utinam Socrates legeret’ [O, that Socrates would read!] from the one in ‘Socrates legit’ [Socrates reads]. This view differs from that, for example, of Abailard (cf. Bos 1987 c, 78), who reduces all modes to the indicative. Some explanation is needed for what is called the ‘genus’ of a verb. The ›genus verbi‹ is the signification of a verb as such: there are three ›genera‹ on the mental level, viz. active (e. g. ‘doceo’ [I teach]), passive (e. g. ‘amor’ [I am loved]), and neutral (probably, Ock ham means intransitive verbs lik e ‘curro’, ‘sto’, ‘ferveo’ [I run, I stand, I boil]). The deponentia, e. g. ‘loquor’ [I speak ], and communia, e. g. ‘osculor’ [I k iss/I am k issed] (cf. Kneepk ens 1982, 40, lines 10— 11), are not accepted on the mental level. In the forms of the latter there is no new aspect of signification.
4.
Signification
As has been said above, to the medieval mind language was a system of signs (signa): it therefore possesses ›significatio‹ [signification], and in Ock ham’s theory this means: reference to individual things outside the human mind. Signification is the aspect common to all the properties a term can have, and
301
especially to supposition, that is, according to Ock ham, reference to extramental things in the context of a proposition. I shall return to this notion in 5. But ‘signification’ is more than just a general term for medieval semantics. It is an old notion, occurring in medieval semantical theories from the twelfth century onwards. In ancient and medieval philosophy there seems to be a persistent feeling that there are essences which are identical with elements in the individuals which are in their turn manifestations, so to speak , of the essences. There is an essence ›man‹ (be it in a Platonic sense of transcendent form, or in an Aristotelian sense of immanent form) and there are individuals, such as Socrates and Cicero, who belong to the species ›man‹. Now, in linguistic entities — so it was conceived in the Middle Ages — there is also a nucleus, the essential meaning of a term. This semantic view had, of course, its counterpart, in the medieval’s view of reality: the nucleus, or essence, of a thing was often seen as that to which the nucleus, or essential meaning, of a term referred (cf. de Rijk 1982). — Roughly speak ing, there were two conceptions of signification of terms in the Middle Ages: one can be called ‘intensionalist’, the other ‘extensionalist’. According to the first view, the essential meaning or ›significatio‹ of a term referred to something in the thing itself, which was a k ind of constant element of which a term was primarily a sign. So in referring to, for instance, an individual horse, which is running in the meadow, someone who utters the word ‘horse’ refers to the universal ‘horseness’ in the animal. This primary signification was never lost when the speak er used the same word to speak about the horse running in the meadow, for example by saying ‘that horse runs in the meadow’. This is a persistent feature of medieval semantics, and certainly not the most fruitful one, because in this way no speech or thought about individuals as such was possible. One form of this intensionalist position was held by Ock ham’s predecessor John Duns Scot in his earlier teaching (Bos 1987 a, 127). The word primarily signifies the ›species‹ which is the means by which the essence of things in the outside world is secondarily signified. This rough sk etch of intensionalist semantics is intended to serve as a back ground to Ock ham’s views on signification. As will become clear, his position may be labelled ‘extensionalist’. — To refer to individual things, a term should be used in a ›propositio‹, that is, in a language utterance
302
consisting of a subject-term, copula and predicate-term. In the thirteenth century, it was not necessary for a term to be part of a proposition in order to refer to an individual thing; there could be other contexts. This was, for example, the case with Peter of Spain (ca. 1219—1277) (cf. de Rijk 1971, 76). I shall discuss Ock ham’s notion of ‘suppositio’ in more detail in 5. Here, it suffices to say that a term has ‘suppositio’ when it stands in a proposition for something in such a way that the term we use, or the pronoun which refers to the thing, is verified by the thing (Ock ham 1974, p. 193, lines 11—14). Let us now try to analyse Ock ham’s notion of ‘significatio’. This notion should be distinguished from that of ‘suppositio’, but in Ock ham’s theory it is more difficult to distinguish between the two than in those of other logicians. Ock ham is on the verge of abandoning to notion of ‘significatio’ in favour of ‘suppositio’, but he does not do so completely. To elucidate the former notion he uses the latter. In the first part of his Summa logicae he gives in chapters 26—37 a k ind of philosophical dictionary which students should learn in the pursue of truth (Ock ham 1974, 84, lines 3— 8). In chapter 33 Ock ham discusses the term ‘significare’ which, he says, is interpreted by logicians in many ways. — In its first sense, ‘to signify’ is used of ‘the white thing’ when the latter stands for, or can stand for, some thing, of which the term ‘the white thing’ is truly said, or, to use Ock ham’s terms, is verified by way of the verb ‘is’ in the present. Note that Ock ham here has in mind a primary k ind of signification by a mental, written or spok en term, in virtue of which a thing present before the language-user is signified. This corresponds to his view that the primary k ind of cognition by which a k nowing subject k nows external things, is ›cognitio intuitiva‹ [intuitive cognition] of things present; intuitive cognition of non-present things, e. g. of things past, is possible, but imperfect. Intuitive cognition of present things is connected with mutable things such that, when a thing changes or is destroyed, that thing is no longer signified, and, hence, the term may possibly have no referent at all (Boehner 1946, 170). Ock ham seems to be particularly interested in this aspect of signification: in his Quodlibeta he discusses the problem in connection with ‘significare’ (Ock ham 1980, 542). Thus, in the first sense a sign has signification at the same time as the thing presently exists. This is also one of Ock ham favorite tenets, namely that
II. Personen
meaning is attached to a word or proposition at the time of its utterance. The same can be found when he discusses true propositions: they are true when they are formed. — In its second sense, ‘to signify’ is used in a broader way, and this is the sense usually upheld by Ock ham. Reference occurs in propositions containing verbs of all tenses and modes. For example, in ‘album potest currere’ [the white thing can be running], the term ‘album’ [the white (thing)] need not signify a present white thing, but signifies equally well a thing which can be white. The aspect, therefore, under which a thing is referred to, is not important. Signification is, on the other hand, not link ed to the present existence of a thing, and is not influenced by changes or the destruction of a thing. This mode of signification shows a omnitemporal range: it is Ock ham’s usual interpretation of signification, viz. as omnitemporal denotation (cf. Ock ham 1974, 215, lines 39—40). — In its third sense, ‘to signify’ is used for what traditionally has been called the ‘denominatio’ of a term; for example, something white (album) is called ‘white’, because it is derived from ‘albedo’ (›the white thing‹ gets its name from ‘whiteness’). Of course, ‘the white thing’ does not ›stand for‹ (suppositio) whiteness, for there is no whiteness as such in reality. — In its fourth sense, called by Ock ham the broadest one, ‘to signify’ can also cover the way, for instance, negative terms signify, of which Ock ham gives several examples. These negative terms can also stand for positive things in the outside world though only indirectly. Traditionally, it is a secondary form of signification (cf. Thomas Aquinas 1954, ch. 1). Ock ham adds that all universal terms signify more than one thing, yet that universal terms which are genus or species, e. g. ‘animal’ or ‘man’, signify in the first and second sense, while ›concrete‹ terms, such as ‘the white thing’ signify in the other modes as well. We can conclude that the first two modes of ‘to signify’ should in this respect be distinguished from the latter two. In all the modes of signification distinguished above by Ock ham, he uses a connotative term, namely the word ‘album’ [the white (thing)]; ‘connotative term’ (terminus connotativus) means that a term has double signification, viz. to a form — ‘whiteness’ — and to a thing which is the bearer of that form. In the final part of chapter 33, Ock ham says that ›to signify‹ in any of the senses mentioned above is a property of every universal term, which stands for all
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individuals indicated by the term. He rejects the view of a certain doctor, not mentioned by name, who held that a universal term, e. g. ‘man’, does not refer to all men, but only to present men.
5.
Supposition
The k eyword in Ock ham’s semantics is ‘suppositio’. ›Suppositio‹ is a property of a term, by virtue of which the term, be it a subjector a predicate-term, ›stands for something‹ or, in technical language, ›supposits for something‹. Ockham says: “dicitur autem suppositio quasi pro alio positio, ita quod quando terminus supponit in propositione stat pro aliquo, ita quod utimur illo termino pro aliquo de quo, sive de pronomine demonstrante ipsum, ille terminus vel rectus illius termini si sit obliquus verificatur, supponit pro illo” [supposition is said to be a sort of tak ing the place of another, thus, when a term supposits for something in a proposition in such a way, that we use the term for the thing of which, or of the pronoun pointing to the thing, the term or its nominative case, if it is an oblique case, is verified, (the term) supposits for it] (1974, 193, lines 11—14).
A propositional context is required for this two-names theory of reference (subject- and predicate-term). Ock ham distinguishes between three k inds of supposition: personal, simple and material (personalis, simplex, materialis). Personal supposition is the primary k ind: here a term supposits for what is signified by it: for example, in ‘omnis homo est animal’ [every man is an animal], ‘homo’ [man] supposits for things in the outside world, of which it is true to say that they are an animal. In ‘omne nomen vocale est pars orationis’ [every vocal noun is a part of speech], ‘noun’ supposits for words; in ‘every species is a universal’, ‘species’ supposits for a particular species, e. g. ›horse‹; in ‘every written word is a word’, ‘word’ (the subject-term) supposits for written words. Or a term may supposit for some other imaginable thing; Ock ham does not offer examples. Perhaps he just means that the list is not complete (Ock ham 1974, 195, lines 9—21). Simple supposition occurs when a term supposits for an intention in the mind, e. g. in ‘man is a species’; here ‘man’ supposits for the intention of the mind or, with another term, for the logical construct ›man‹. Material supposition is said to occur when a term supposits for a spok en or written word and is not tak en significatively, e. g. in ‘man is a noun’; here ‘man’
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supposits for the material spok en or written entity. It should be noted that supposition is not identical with verification. There are several problems connected with this division. First one should note that, according to Ock ham, personal supposition is primary. It is on account of the ›virtue of speech‹ (de virtute sermonis) that every term in a proposition should be tak en according to this k ind of supposition. When a term is tak en in personal supposition it refers to things which it signifies naturally, e. g. ‘man’ signifies individual man, ‘noun’ signifies words etc. This is expressed as follows: ‘every man is an animal, therefore: this man is an animal, and that man is an animal, etc.’ There is no reference to a distributive entity, which does not exist. The antecedent is extensionally equivalent with the consequent (Pinborg 1972, 130). Ock ham (1974, 195, lines 22—25) explicitly says that in personal supposition a term does not refer to a thing, but to its significate (significatum). Here he criticizes William of Sherwood (1200/1210—1266/1271) (1937, 75), it seems. According to Ock ham, Sherwood did not allow, for instance, for personal supposition to, e. g., words, which are not things. The things for which terms in propositions supposit, are things as far as signified, not just things. Moreover, not all significates are things. The supposition of ‘man’ in ‘every man is an animal’ differs from the supposition of ‘man’ in ‘man is a species’, where ‘man’ stands for the concept of man, and from the supposition of ‘man’ in ‘man is a noun’ where ‘man’ stands for the word itself. In the latter two cases, ‘man’ does not supposit for what it signifies, viz. individual men. Secondly, it is problematic that these three k inds of supposition are on the same level; simple and material supposition seem to stand in opposition to personal supposition. In the first two k inds of supposition a term stands for logical and grammatical entities respectively; in personal supposition, it is things in the outer world, studied by the natural sciences, which are referred to. Some later logicians, e. g. John Buridan (ca. 1300—1358), do not mak e a distinction between simple and material supposition. They are seen as one kind of a non-referring use of terms. In simple supposition, a term does not supposit for its significate, says Ock ham (1974, 196, lines 33—37). He criticizes among others Peter of Spain (1972, 211). According to Ock -
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II. Personen
ham, a term supposits in this k ind of supposition for an act of the mind: a term refers to a term of a higher level. Simple supposition seems to be connected with material supposition rather than with personal supposition. This last form does not seem to belong to the same genus as the others. Nevertheless, an interesting suggestion, made by Niels Egmont Christensen (1961, 61 ff) and quoted by Pinborg (1972, 63 f) is that in material supposition, too, a term refers to something outside itself. In ‘Boston is a word of two syllables’, ‘Boston’ refers to the actual production of an object (viz. the utterance ‘Boston’). Medieval think ers do not seem to accept terms as names, but as variables, which are never empty. A last remark on Ock ham’s supposition theory is his interpretation of ‘homo est dignissima creatura creaturarum’ [man is the most worthy among creatures] (Ock ham 1974, 199, lines 1—9; 26—50). Some philosophers, for instance Walter Burley (1275— 1337), thought that ‘man’ here has simple and absolute supposition (1955, 13, line 36), for it is false that this man is the most worthy among creatures nor that man etc. Ock ham does not accept Burley’s solution, for a general concept to which, according to Ock ham, a term in simple supposition refers, cannot be more noble than an individual man. Nevertheless, the proposition is false when ‘man’ is tak en in personal supposition, for each singular man is not the worthiest of all creatures, not, for instance, in comparison to angels. However, one should pay attention to the author’s intention who clearly wanted to distinguish man from other corporeal creatures. One should thus not tak e every proposition ›de virtute sermonis‹: Ock ham is not a radical empiricist (see 7.).
6.
Logical and real predication
In most of his work s Ock ham uses what can be called ›logical‹ predication. In order to think , speak or write about individual things the human intellect uses terms in a proposition. The bearer of truth and falsity is a mental fabrication, which refers to reality. Though in a proposition a term refers to an individual, generality is always associated with the term; it never loses its signification which is an omnitemporal denotation as we saw in 4. Therefore, our human way of talk ing about individuals always remains on the general level. In ‘Socrates is white’, the signifi-
cation of ‘white’, viz. whiteness, that is, in Ock ham’s view, the totality or whole of white things in the past, present and future, is always present. Only if Socrates alone possessed whiteness, the predicate ‘white’ would supposit precisely (see Ock ham 1974, 194, line 31) for Socrates. This, however, is not the case: Plato, for instance, is white as well. Although in most of his work s Ock ham favours ›logical‹ predication, in his earliest period he seems to have defended a ›realist‹ or ›reist‹ theory of predication, or, at least, to have considered such a possibility. He mentions this k ind of predication in two contexts which seem to be related: (1) In his analysis of what can be predicated of God. This analysis can be found in Ock ham’s Commentary on the Sentences. (2) In his discussion of the so-called ‘sixth’ predicable (praedicabile), viz. individual. This discussion is presented in his Commentary on Porphyry’s Isagoge, where Ock ham comments on the five traditional predicables: genus, species, difference, property and accident (e. g. ‘animal’, ‘man’, ‘rational’, ‘capable of laughter’, ‘white’). In the case where predication is of a thing concerning the divine, Ock ham maintains the thesis that the intellect, because it can apprehend things in reality by a simple cognition, can combine these things with themselves or with another thing. Here a proposition is a combination of things in the mind, and the mental, spok en or written propositions, bring the person who utters the proposition into direct contact with the things k nown. In some strange way thought and things are combined: our k nowledge holds a primary, unadulterated picture of reality. When speak ing of predication of a thing, Ock ham can be labelled a ‘reist’ or ‘realist’. — In the earlier period of his writing (cf. Bos 1987b), Ock ham seems to hold a theory of realist predication which is not compatible with the concept of logical predication which he uses in his later work s, e. g. in the Summa logicae and the Quodlibeta. In one of the questions in his Quodlibeta, Ock ham (1980, 246, line 1—250, line 98) raises the problem of whether a mental proposition is composed of things or concepts. Without showing any hesitation, Ock ham defends the view that a mental proposition is composed of concepts. I cannot discuss his arguments here especially the ones from article II of the Quodlibet I referred to; moreover, Nuchelmans in his Theories of the Proposition (1973, 219—220; see as well: Bos
21. William of Ockham (ca. 1285—1347)
1987 a) has examined the most important ones. A proposition is not, Ock ham says, the man, for instance, to which it refers. Nor, Ock ham says, in ‘the dog eats bread’ (canis comedit panem), does the subject-term eat the predicate-term. In his Commentary on the Sentences, Ock ham uses the theory of realist predication when speak ing about God. In his Commentary on the logica vetus, where he explains Aristotle’s and Porphyry’s work s, Ock ham merely mentions the ›praedicatio rei‹ in the context of individuals in general terms. Yet, it should be mentioned that in his Commentary on the Sentences Ock ham shows some hesitation: between section mark s he adds: ‘if a thing can be predicated’. To my mind these k inds of insertion point to a later revision of the Commentary by Ock ham, not to a complete version as the modern editors would have it (Ockham 1974, 47*—56*).
7.
Logic and grammar
Ock ham did not produce a separate treatise on grammar, as far as we k now. However, he was apparently acquainted with the basic notions used in grammar, and, moreover, in comparison to other logicians of his time he made unusual use of the analyses of grammar (see 3.). Ock ham considers grammar to be a science which is subservient to all other sciences (Ock ham 1967, 759, line 94). As we have noted, logic investigates language with regard to truth and falsity; logic is primarily concerned with mental entities, though also with written and spok en language. Grammar studies, Ock ham says (1978, 137, line 25), the well-formedness and ill-formedness of sentences; it concentrates on the written and spok en level. Of course, logic and grammar are not distinguished, because the first is primarily concerned with the mental level and the second with the written and spok en words. The reason for the distinction between these sciences is that their formal objects (truth and congruity, respectively) are different; in fact, however, grammar primarily studies words, spok en or written, and logic mental speech (s. art. 71). Now, logic analyses language primarily with regard to the proper signification of terms, that is, in so far as they refer to realities. This happens according to what Ock ham calls ‘suppositio propria’ [proper supposition] or ‘de virtute sermonis’. However, if we look at terms and propositions in this way, problems arise. For there are many propositions,
305
notably those handed down by the ›auctores‹ (authors to whose statements one should attach full weight, especially the church-fathers, such as Augustine, and the words of the Bible), that convey truths. They are false ›de virtute sermonis‹, but true when tak en in a non-literal sense, e. g. metaphorically. A very simple example of what Ock ham understands by such propositions is: ‘Apostolus dicit hoc’ [the apostle says this] where ‘apostle’ should not be tak en in a general sense, referring to any apostle whatever, but should be tak en to refer to the apostle Paul only, which was indeed the traditional interpretation. An interpreter, says Ock ham (1967, 237, lines 16— 18), should try to find the author’s intention and look for truth behind the at first sight false statements. From their depth of wisdom and their eloquence the venerable authors expressed themselves in different, and sometimes ambiguous terms in order to beautify their sayings. Grammar teaches the logician the different k inds of metaphorical expression, e. g. synecdoche, metonymy, antonymy etc. — There is, says Ock ham, another way, in which grammar could be subservient to other sciences, e. g. to logic (1974, 10, lines 35—42), namely when one decides which words can be combined with each other. For example, the proposition ‘hominis est asinus’ [to a man an ass belongs] is grammatically correct, but the proposition ‘hominis videt asinum’ [of a man sees an ass (accusative noun)] is grammatically incorrect. Now grammar decides, say, which nouns (here: oblique nouns, that is, nouns in another case than the nominative case and standing in the subjectposition of a proposition) can be the subjectterm of a proposition. — Though Ock ham does nowhere explicitly say this in those work s which are accepted as genuinely his, logic also decides in some cases the order in which terms should be construed in a proposition. Well k nown in medieval logic is the difference between ‘ego promitto tibi equum’ [I promise you a horse] and ‘equus tibi promittitur’ [there is something, called a horse, which is promised to you (by me)]. Ock ham, too, discusses the problems involved with the word-order in those propositions. In the first proposition ‘equum’ stands after the verb and is not, Ock ham says (1974, 221, lines 188— 194), the predicate, but part of the predicate, viz. of ‘promittens tibi equum’ [promising you a horse]. In this case reference to a determinate horse is impossible, only the general concept of horseness under which the promise is
II. Personen
306
made, is signified. In the second example, reference is made, by ‘equus’ standing in front position, to a determinate horse: it is that thing, which happens to be called a horse, that is referred to. In these examples logic determines the order of the words, matching the real situation in each case. In the Elementarium logicae, which is not generally accepted as authentically Ock ham’s (Ock ham 1965, 25, 217; cf. Miethk e 1967, 233), it is said that every science has its own technical terminology which is formed specifically for that science. In the case discussed here, logic has its own rules for the construction of sentences.
8.
Religious problems
It is a characteristic of medieval philosophy that problems raised by Christian faith were used as an opportunity to test scientific theories. Medieval think ers wanted to explain Christian truths in natural terms, or, at least, to show the extent to which mysteries were intelligible. In the present section I shall discuss one problem arising from Christian doctrine. This problem concerns the words spok en by the priest at the eucharist: ‘hoc est corpus meum’ [this is my body]. These words are link ed to the mystery of transsubstantiation. As a theologian Ock ham tries to explain the reference of these words, especially of the pronoun ‘hoc’ [this], because this pronoun refers to two different things, viz. to the bread and to the body of Christ. The question arises: what k ind of mental language lies behind this utterance? On occasion of this problem we can learn something about the relation between mental language and spok en language. — Ock ham is quite unique among medieval theologians in feeling unable to understand the mysteries of Christian faith in the same way as his predecessors. Not for instance the mystery of predestination: Ock ham cannot understand how determinate forek nowledge is compatible with contingency. Both Thomas Aquinas and Duns Scotus, each in their way, thought they could explain in natural terms how on the one hand, God has prior k nowledge of all things, whereas the same things are not determined in their actions (cf. Mc Cord Adams and Kretzmann 1969, esp. 3— 16). Nevertheless Ock ham was able to explain some problems concerning propositions connected with the mystery.
8.1. The language of the eucharist I shall now elaborate this difference in more detail by investigating Ock ham’s theory about the sentences spok en during the eucharist, viz. ‘hoc est corpus meum’ [this is my body] and ‘hic est sanguis meus’ [this is my blood]. Ock ham’s exposition of this religious language is interesting for different reasons: (1) We learn here better than, for instance, in Ock ham’s Summa logicae his view on the demonstrative pronoun ‘this’; (2) We learn in what way the written and spok en word can differ from mental speech, in other words, how deep-structure (i. e. mental language) can differ from surface-structure (i. e. conventional language). In the eucharist the bread once brok en becomes the body of Christ, and the wine once drunk becomes His blood. In this way, the faithful celebrate the passion of Christ. In transsubstantiation the divine and supernatural communicate with the perishable and with what is natural for man; the two levels of reality, viz. the principal and the secondary, are mixed. In the early Middle Ages, Beringarius of Tours (a French theologian, who lived ca. 1000—1088) taught that in transsubstantiation Christ’s body and blood was not really present, but that the bread and wine merely became their ›signa‹ [signs]. For Christ has gone to heaven, and so He cannot be present during the eucharist. This doctrine was rejected by the church, however. Generally, the church taught the real presence of Christ during the eucharist, that is, during the ceremony in which a priest speak s the words ‘this is my body’ and ‘this is my blood’. So, during the eucharist, the bread actually becomes Christ’s body, and the wine His blood. A problem arose: how could this miracle be explained in rational terms? And even if this were not possible, how was one to analyse the propositions used? What was the nature of the sentences on the occasion of whose utterance (though perhaps not: in virtue of which in the strict sense, because Christianity allows no magic, and man can not force God’s Son to be transsubstantiated) this miracle took place. To what do the words used refer, especially considering that on two occasions two substances are successively present, that is, the bread and Christ’s body, and the wine and Christ’s blood? — There were many solutions in the Middle Ages on these problems (cf. e. g. Mangenot 1939, cols. 1302—1326). To begin in the early thirteenth century, some tok e the view (e. g. Petrus Pic-
21. William of Ockham (ca. 1285—1347)
taviensis (died 1205), Innocentius III (Pope in 1198—1216), Praepositinus (died 1210)) that the sentences were used in a ›material‹ sense, by which is meant that these words were a k ind of quotation and did not refer to extramental things. Others, e. g. Alexander of Hales (ca. 1185—1245), held that the pronoun ‘this’ referred merely to something understood, a k ind of sign, which provok ed the objection that, just as in the case of Beringarius, the body and blood of Christ were not present in any real sense during eucharist. In his Summa theologiae Thomas Aquinas (1956, 478) says that the proposition possesses factive power, viz. the power to convert bread into His body and the wine into His blood. So, the apparently descriptive sentence ‘this is my body’ conceals, according to Aquinas, a sentence of the same type as ‘this table should be made’. The full power of the sentence is realised when the last word is spok en. Then, with the sentence as cooperative cause (God is the primary cause, of course) the transsubstantiation tak es place. When at the beginning of the sentence, the word ‘this’ is uttered, the word does not refer to the body of Christ (otherwise, as Thomas sees it, the sentence would be a tautology) nor to the bread, for then the bread would already be a sign of the body of Christ, but the word refers to something intermediate, i. e. to a substance common to Christ’s body and the bread without determinate appearances. So, Thomas’ theory tells us that behind the surface of an apparently descriptive sentence a ›practical‹ sentence is concealed. Further, that the pronoun ‘this’ can point to something intermediate, a k ind of common substance, which is a strange explanation, I feel, but in line, it seems, with Thomas’ general theory, according to which the intellect is acquainted only with extramental individual things by way of a general intermediate species (be it sensible or intelligible). — I shall not discuss here the views held on the problem by John Duns Scotus, against whom Ock ham is in many respects directly reacting. Scotus’ view is too complicated to be explained in a few words. What is Ock ham’s theory (cf. Imbach 1987)? In his Quodlibeta Ock ham (1980, 193—197) says that ‘this’ is significative on account of the intention of the priest who utters the word. Now, somebody intends in different ways to indicate different things, and truth should be judged accordingly. The pronoun does not signify something in its own right or primarily in any strict sense, in the way that a catego-
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rematic term (e. g. ‘man’) signifies something determinate (but cf. below), nor does it consignify, lik e ‘and’, ‘well’, etc. To each vocal proposition there corresponds a mental proposition, Ock ham adds (1980, 194, lines 23— 24). Now, in the present case, the priest should, if he follows the correct ceremonial procedure, intend to demonstrate the body of Christ by way of the pronoun. Ock ham emphasizes the intention of the speak er which is determined in the mind. To the proposition uttered by the priest ‘this is my body’ there corresponds, says Ock ham, not one, but two mental propositions: the first corresponds to the beginning of the utterance of the proposition. When ‘this’ is uttered, the priest k nows what it refers to, and at that moment he forms the mental proposition: ‘this body, that will immediately come into being with the appearances of the bread, will be, if this proposition is duly uttered, my body’. So, Ock ham says, this mental proposition is a future contingent proposition, that is, a proposition about something that will happen in the future though it is possible that it will not happen. It may be that transsubstantiation will not tak e place, if the formula is not properly uttered. But at the end of the formula, there is a second and different mental proposition, viz. namely ‘this body, existing with this appearance (viz. of bread), is my body’. Now this is a true descriptive proposition relative to the present. So, corresponding to one spok en proposition there are two mental propositions, one in the future tense, and another in the present. The propositions are not factive, as Thomas said, at least Ock ham does not label them so. The spok en proposition tak es some time to be uttered. Just as Thomas and Duns Scotus had already appreciated, a spok en or written proposition exists in place and time; mental propositions are not link ed with time (Ock ham 1980, 197, lines 104—110; 251, line 20—252, line 29). That Ock ham draws a sharp dividing line between, on the one hand, mental language, and, on the other hand, spok en and written language, is even clearer now, I think . — The distinction between the two levels of language has been illuminated by the use of the pronoun ‘this’, about which we also learn something here. Ock ham concludes that a pronoun is not a proper name, but anyone can use it to designate anything. It is a categorematic word without determinate referents (but cf. Panacchio 1980, who had to base himself on the incunabulum-version of Ockham’s text).
308
9.
II. Personen
Conclusion
To Ock ham, language is very important: propositions are the bearers of truth and falsity, but not things in any sense. He distinguishes between three levels of language: the written, the spok en and the mental. There are singular and general terms: generality exists only in language, not in reality. Ock ham’s semantics is extensional: the subject- and the predicate-term both can have suppositional reference to the world outside the k nowing subject. Mental language is primary: it is the same for all man, and the contents of that language tells us unambiguously to what the k nowing-subject is directed. Mental language is a sort of deep-structure, whilst conventional language is the surface-structure which is dependent on it. There is no one-to-one relationship between the mental and the conventional language. This is especially clear in Ock ham’s analysis of religious language. Ock ham describes mental language in terms of the distinction between parts of speech, to be found in grammatical treatises. In this respect he accords to grammar a greater role than do other medieval logicians, but its role is still subservient.
10. Selected references Ashworth’s pioneering book (1974) discusses language and logic of the post-medieval period. Boehner’s article (1946) is one of a number of studies of a great Ock ham-scholar. Boehner did much to free Ock ham of the label of ‘scepticism’ and ‘destructivism of the thirteenth century synthesis’. Kneale (1971) is one of the classical handbook s about the history of logic, including the Middle Ages. Kretzmann (1967) is an important article on the history of semantics. Miethk e (1967) is primarily on Ock ham’s social philosophy but presents also aspects of Ock ham’s other theories. Pinborg’s book on logic and semantics (1972) contains many new results: a brilliant book , though sometime somewhat succinct. Nuchelmans’ book (1973) is the first part of a stimulating monograph in three volumes on the proposition as bearer of truth and falsity. Mc Cord Adams (1987) is a monumental work and a new basis for further research. Since 1967 the work s of Ock ham have been critically edited in an admirable way by the St. Bonaventure University (N. Y.): Ockham 1967, 1970, 1974, 1978, 1980.
Egbert Bos, Leiden (Netherlands)
22. John Locke (1632—1704) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Die Lehre von den Zeichen Wörter sind Zeichen für Ideen Ideen sind Zeichen für Dinge Die Funktionen der Sprache Die Unvollkommenheit der Sprache Kritische Würdigung Literatur in Auswahl
Die Lehre von den Zeichen
John Lock e gilt als Ahnherr aller jüngeren Richtungen des Empirismus. Sein philosophisches Hauptwerk , der Essay concerning Human Understanding, wird in der modernen Philosophie vor allem vor dem Hintergrund der Frage nach dem empirischen Ausgangsmaterial unserer Erk enntnis disk utiert. Die sprachphilosophischen Erörterungen im Essay interessieren k aum. Zur Zeit der Aufk lärung war dies anders (s. Art. 8). Lock e galt damals nicht nur als einer der wichtigsten Denk er des 17. Jahrhunderts, sondern auch als deren bedeutendster Sprachphilosoph. Im dritten Buch des Essay, betitelt: Of Words,
war nach Meinung der Aufk lärer die scholastische Verk nüpfung von Semantik mit Logik und Grammatik gelöst (s. Art. 4), und die Frage nach der Funk tion der Sprache im Prozeß des Erk ennens gestellt worden. Lock es epistemologische Ausrichtung fand selbst Eingang in die Logik bücher der Aufk lärung. Als hervorragendes Beispiel sei Isaac Watts Logic aus dem Jahre 1724 genannt. 1.1. Physik, Praktik, Semiotik Lock e teilt alle Wissenschaften in drei Hauptk lassen: (a) In die Physik oder Naturwissenschaft. Es ist dies „die Kenntnis der Dinge, wie sie ihrem eigenen Wesen nach sind; ferner ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Wirk ungsweisen“. Zur Naturwissenschaft zählt Lock e nicht nur die Erforschung k örperlicher, sondern auch geistiger Dinge. Die Natur Gottes ist ebenso ihr Gegenstand wie „Engel, geistige Wesen, Körper oder ihre Eigenschaften wie Zahl, Gestalt usw.“. Theologie, Psychologie und Mathematik sind Lock es Ein-
22. John Locke (1632—1704)
309
teilung zufolge Teilgebiete der Physik . Ihr Ziel ist „reine spekulative Wahrheit“ (IV, 21.2). (b) Die Praktik. Aufgabe der Prak tik ist es, Leitlinien für das menschliche Handeln bereit zu stellen. Der wichtigste Zweig dieses Wissensgebietes ist die Ethik. Sie ermittelt diejenigen „Regeln und Maßstäbe (rules and measures) der menschlichen Handlungen, die zur Glück seligk eit (happiness) führen“, und erfindet Mittel, „um dementsprechend zu handeln“. Ziel der Prak tik ist nicht reine Spek ulation, sondern „das Rechte (right) und ein Betragen (conduct), das dem angemessen ist“ (IV, 21.3). (c) Die Semiotik oder Lehre von den Zeichen. Die Semiotik untersucht die Natur der Zeichen, deren sich der menschliche Geist bedient, um Dinge zu erk ennen und sein Wissen anderen mitzuteilen. Zum einen sind dies Ideen (ideas), die „Zeichen (signs) oder Stellvertreter (representations)“ der Dinge, zum anderen sind es Wörter (words), die Zeichen der Ideen. Als Wissenschaft von den beiden „hauptsächlichsten Hilfsmitteln der Erk enntnis (instruments of k nowledge)“ (IV, 21.4) übernimmt die Semiotik gegenüber der Physik und Prak tik eine übergreifende und integrierende Funk tion (s. Art. 114). Lock es Essay ist ihr zuzuordnen.
2.
1.2. Die Bedeutung der Semiotik
2.1. Funktionen der Zeichensysteme
Wie den wenigen autobiographischen Bemerk ungen des Essay zu entnehmen ist, hatte Lock e die Bedeutung der Semiotik erst im Lauf seiner philosophischen Entwick lung erk annt. Einmal, so erinnert er sich in seinem einleitenden Epistle to the Reader, war er mit Freunden in eine naturwissenschaftliche Debatte verwick elt, die in völliger Konfusion geendet hatte. Da k am ihm der Gedank e, daß sie „einen falschen Weg eingeschlagen hätten“ und daß „vor Beginn solcher Untersuchungen notwendig unsere eigenen geistigen Anlagen“ geprüft werden müßten. Ehe wir Aussagen über die Dinge machen k önnen, müssen wir uns fragen, was wir überhaupt erk ennen k önnen. Fänden wir darauf eine Antwort, so wären wir wie ein Matrose, der die „Länge seiner Lotleine“ k ennt, „auch wenn er damit nicht alle Tiefen des Weltmeeres ergründen k ann. Es ist gut, wenn er weiß, daß sie lang genug ist, um an solchen Stellen den Grund zu erreichen, wo es notwendig ist, um seinen Kurs zu bestimmen und ihn vor Untiefen zu bewahren, die ihm verderblich werden k önnten“ (Epistle to the Reader). Bald aber erk annte Lock e, daß die Frage, was wir erk ennen k önnen, eng mit der Frage nach der Sprache
Lock es Hauptargument, mit dem die Bedeutung der Lehre von den Zeichen begründet werden soll, lautet so: „Der menschliche Geist (mind) bedient sich gewisser Zeichen, weil von den Dingen, die er betrachtet, [...] k eines dem Verstande (understanding) gegenwärtig“ ist. Denk e ich über die Geographie eines Landes nach, so ist mir das Land als solches nicht gegenwärtig. Somit ist es notwendig, daß der menschliche Geist etwas
verknüpft ist: „Als ich [...] daran ging, den Umfang und die Zuverlässigk eit unserer Erk enntnis (extent and certainty of our k nowledge) zu untersuchen, mußte ich feststellen, daß diese unsere Erk enntnis zu den Wörtern in einer so engen Beziehung steht, daß nur wenige k lare und zutreffende Aussagen über die Erk enntnis möglich sind, ohne vorher genau zu erforschen, was die Wörter leisten und in welcher Art sie die Dinge bezeichnen (force and manner of Signification). Denn die Erk enntnis, deren Gegenstand die Wahrheit ist, hat es stets mit Sätzen (propositions) zu tun [...] Ich neige zu der Annahme, daß, wenn man die Unvollk ommenheiten der Sprache als des Instruments der Erk enntnis gründlicher erwägen wollte, ein großer Teil der Streitigk eiten, die in der Welt so viel Lärm verursachen, von selbst aufhören würde. Somit würde dann der Weg zur Erk enntnis, wie vielleicht auch der Weg zum Frieden, viel offener vor uns liegen, als es jetzt der Fall ist“ (III, 9.21).
Ehe wir k lare Aussagen darüber machen, was Menschen erk ennen k önnen, müssen wir uns nach Lock e fragen, was die Bedeutung von Sprachzeichen ist.
Wörter sind Zeichen für Ideen
„als Zeichen oder Stellvertreter des Dinges, das er betrachtet, zur Verfügung hat, und das sind die Ideen“. Nun ist aber „der Schauplatz der Ideen, der die Gedank enwelt eines Menschen bedeutet, dem Blick eines anderen nicht unmittelbar zu enthüllen“ (IV, 21.4).
Menschen sind jedoch soziale Wesen, die die Neigung haben und aufgrund ihrer Bedürfnisse auch gezwungen sind, mit anderen zusammen zu leben. Gesellschaftliches Zusammenleben erfordert Kommunik ation. Wesentlich ist dabei der Austausch von Erfahrungen und Einsichten, also von Ideen im Sinne Lock es. Da die Ideen des einen Menschen anderen nicht direk t zugänglich sind, erfanden sie ein sinnlich wahrnehmbares Zeichensystem, um ihre für andere unsichtbaren Ideen öffentlich zu machen. Am zweck dien-
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lichsten erwiesen sich aufgrund ihrer Reichhaltig k eit und Schnellig k eit arti k ulierte Laute. Der „Zweck der Wörter besteht also darin, sinnlich wahrnehmbare Kennzeichen (sensible mark s) der Ideen zu sein; die Ideen, für die sie stehen, machen ihre eigentliche und unmittelbare Bedeutung (proper and immediate signification) aus“ (III, 2.1.).
Neben dieser Mitteilungsfunk tion haben Wörter noch eine weitere wichtige Funk tion: Mit ihrer Hilfe unterstützen wir unser Gedächtnis. Indem wir nämlich einer Idee oder einem Ideenk omplex einen Namen geben, erinnern wir uns eher an ihn. Lock e faßt diese beiden Funk tionen der Sprache, ihre Mitteilungs- und ihre Merkfunktion, so zusammen: „Der Wert, den diese Kennzeichen für die Menschen besitzen, besteht entweder darin, daß sie sich ihre eigenen Gedank en zur Unterstützung ihres Gedächtnisses einprägen, oder daß sie ihre Ideen gleichsam zutage fördern und den Blick en anderer unterbreiten“ (III, 2.2).
2.2. Hauptthese Im Anschluß an diese Ausführungen über die Funk tionen der Sprachzeichen findet sich die wohl präziseste These der Lock eschen Zeichentheorie, insoweit sie Wörter betrifft. Sie sei im folgenden ‘Hauptthese’ genannt: „Words in their primary and immediate Signification, stand for nothing, but the Ideas in the Mind of him that uses them“ (III, 2.2).
Es stellen sich zumindest vier Fragen: (1) Wörter sind artik ulierte Laute. Kommt allen artik ulierten Lauten die oben beschriebene Zeichenfunk tion zu? Lock e läßt zwei Ausnahmen gelten: (a) Wörter, „durch die man zeigen k ann, welche Verk nüpfung, Einschrän k ung, Unterscheidung, Gegenüberstellung, Hervorhebung usw. man jedem einzelnen Teil seiner Rede geben will (part of his discourse)“ (III, 7.2).
Beispiele wären hier ‘aber’ oder ‘vielleicht’. Diese, heute zumeist ‘synk ategorematisch’ genannten Ausdrück e, sind Lock e zufolge k eine Namen von Ideen im Geiste desjenigen, der sie gebraucht, sondern sie bezeichnen Verbindungen, die der Verstand „zwischen den verschiedenen Ideen oder Sätzen herstellt. Wenn der Geist nämlich seine Gedank en andern mitteilt (communicates), braucht er nicht nur Zeichen für die Ideen, die ihm gerade vorschweben, sondern auch andere, um eine gleichzeitige, ihm eigene Tätigk eit (particular action of its own), die sich auf jene Ideen bezieht, zu zeigen und verständlich zu machen. Das geschieht auf verschiedene Weise. So sind ‘ist’ und ‘ist nicht’ die allge-
II. Personen
meinen Bezeichnungen des Geistes für Bejahung und Verneinung“ (III, 7.1).
(b) Neben den Wörtern, die sich auf Ideen beziehen, gibt es noch Ausdrück e, die verwendet werden, „um das Fehlen oder die Abwesenheit bestimmter einfacher oder k omplexer Ideen (simple or complex ideas) oder aller Ideen überhaupt auszudrück en. Dazu gehören zum Beispiel ‘nihil’ im Lateinischen, ‘Unwissenheit’ und ‘Geistesleere’ im Deutschen. Von all diesen negativen oder privativen Wörtern (negative or privative words) k ann man eigentlich nicht sagen, daß sie k einer Idee zugehörten oder k eine Idee bezeichneten; denn sonst wären sie völlig bedeutungslose Laute. Sie beziehen sich jedoch auf positive Ideen und bezeichnen deren Abwesenheit“ (III, 1.4).
Interessant sind schließlich Verben. Obwohl Lock e sie nirgendwo explizit von seiner Zeichentheorie ausschließt, so schließt er sie meines Wissens auch nur an einer einzigen Stelle explizit ein: „Wer zuerst die Wörter ‘sich schämen’, ‘schmeicheln’, ‘neck en’ in Umlauf setzte, fügte die Ideen, für die er sie verwendete, so zusammen, wie er es für geeignet hielt“ (III, 9.7).
Lock e scheint sich für Zeitwörter nicht sonderlich interessiert zu haben, einen Grund, sie von der Hauptthese auszuschließen, sah er jedoch nicht. Diese läßt sich nun in folgender Weise präzisieren: Wörter, ausgenommen: synkategorematische und privative, stehen in ihrer primären oder unmittelbaren Bedeutung für nichts anderes als für die Ideen im Geiste desjenigen, der sie gebraucht.
(2) Was ist mit ‘primary or immediate signification’ gemeint? Nachdem Lock e seine Hauptthese formuliert hatte, betont er nochmals, daß Wörter Zeichen für Ideen im Geiste desjenigen sind, der sie gebraucht, und daß sie unmittelbar sich auf nichts anderes als auf die Ideen im Geiste desjenigen beziehen, der sie gebraucht. Niemand k ann Wörter „unmittelbar für etwas anderes verwenden als für seine eigenen Ideen“ (III, 2.2). Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß Wörter in einer sek undären oder mittelbaren Bedeutung auch für anderes als für die Ideen im Geiste desjenigen, der sie gebraucht, stehen k önnten. Eben dies ist auch Lock es Meinung. So stehen Substanznamen ›nicht ausschließlich‹ für Ideen, sondern ›eigentlich auch‹ für Dinge (III, 11.23). Die Hauptthese läßt sich nun weiter präzisieren (und sprachlich etwas vereinfachen): Wörter, ausgenommen: synkategorematische und privative, stehen unmittelbar für nichts anderes als
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für Ideen im Geiste desj enigen, der sie gebraucht; mittelbar stehen sie aber für Dinge.
(3) Was heißt ‘stand for’? Lock e präzisiert meines Wissens diesen Ausdruck nirgendwo. Er ist k ein terminus technicus, und Lock e, ohne auf Bedeutungsunterschiede einzugehen, verwendet ‘mark ’, ‘are signs of’, ‘are mark s of’, ‘are names of’, ‘signify’, ‘correspond to’ oder ‘are annexed to’ als Synonyma für ‘stand for’. Zunächst will Lock e damit ausdrück en, daß der Zeichencharak ter der Wörter darin besteht, Ideen zu vertreten. Ein bestimmter Laut wird mit einer bestimmten Idee verk nüpft, der dann die Idee vertritt. Um welchen Laut es sich dabei handelt, ist Lock e zufolge reine Konvention. Der Zeichencharak ter der Ideen ist jedoch ein anderer. Während Wörter Ideen vertreten, bilden Ideen, zumindest eine Gruppe von ihnen, Dinge ab. Das, wofür diese Ideen Zeichen sind, ist gerade keine menschliche Konvention. Dieser Unterschied, den Lock e hervorhebt, für den er aber k eine Terminologie bereitstellt, sei in folgender Präzisierung berücksichtigt: Wörter, ausgenommen: synkategorematische und privative, vertreten unmittelbar nur Ideen im Geistes desj enigen, der sie gebraucht; indirekt beziehen sie sich auf Dinge.
(4) Was heißt ‘Idee’?
3.
Ideen sind Zeichen für Dinge
3.1. Definition von ‘idea’ Die Analyse der Lock eschen Bedeutung von ‘Idee’ ist zentral für ein Verständnis seiner Sprachphilosophie, da ›Ideen‹ die Bedeutungen sprachlicher Ausdrück e sind. Leider ist Lock e in diesem Punk t ziemlich unk lar. Am präzisesten ist folgende Definition: „Idea [...] It being that Term, which, I think , serves best to stand for whatever is the Object of the Understanding when a Man think s, [...] or whatever it is, which the Mind can be employ’d about in thinking“ (I, 1.8).
Alles das, was Gegenstand meines Denk ens ist (oder sein k önnte), sei es eine bestimmte Person, das Gefühl der Eifersucht, der Begriff der Menschheit oder das bildlich gewiß nicht vorstellbare Tausendec k , fällt unter den Lock eschen Begriff ‘Idee’. Da auch die Materie außerhalb des menschlichen Bewußtseins möglicher Gegenstand des Denk ens ist, ist sie ebenfalls eine ›Idee‹. Lock e sagt dies ausdrücklich: „Um die Natur unserer Ideen noch besser zu erk ennen und verständlich von ihnen zu reden, wird es zweck dienlich sein, zwischen ihnen zu unter-
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scheiden, insofern sie Ideen oder Wahrnehmungen in unserem Geist (ideas or perceptions in our minds) und insofern sie Modifikationen der Materie in den Körpern sind (modifications of matter in the bodies), die in uns derartige Wahrnehmungen verursachen“ (II, 8.7).
Nun sind aber auch Urteile, Beweise, Argumente und Wörter, und nicht bloß Vorstellungen und Begriffe, Gegenstände meines Denk ens. Sind sie ebenfalls ›Ideen‹ im Sinne Lock es? Aus den Beispielen, die Lock e für ›Ideen‹ gibt, läßt sich relativ eindeutig ableiten, daß er mit ‘idea’ Vorstellungen und Begriffe (und nur sie) meint. Diese Beobachtung steht auch in Eink lang mit dem, was er unter ‘denk en’ versteht. ›Denk en‹ ist für ihn primär nicht ›urteilen‹, sondern eine gewisse Form des ›Anschauens‹: Wir ›schauen‹ unsere Ideen an und stellen Übereinstimmungen oder Nicht-Übereinstimmungen zwischen ihnen fest. Vor dem Hintergrund eines so verstandenen Denk ens erscheint die These, wonach alles, was Gegenstand des Denk ens ist, ‘Idee’ heißt, als einigermaßen plausibel. Die Hauptthese läßt sich nun so präzisieren: Wörter, ausgenommen: synkategorematische und privative, vertreten unmittelbar nur Ideen, also Vorstellungen und Begriffe, im Geiste desj enigen, der sie gebraucht; indirekt beziehen sie sich auf Dinge.
3.2. Einteilung der Ideen Wörter vertreten Ideen. Was aber ist der Zeichencharak ter der Ideen? Sie beziehen sich auf Dinge. Auf Dinge außer uns? Auf raumzeitlich Existierendes? Auf platonische Wesenheiten? Oder auf subjek tive Wahrnehmungen? Zur Beantwortung dieser Fragen müssen Lock es Einteilungen der Ideen wenigstens teilweise berücksichtigt werden. 3.2.1. Besondere (particular) und allgemeine (general) Ideen. Lock e argumentiert so: Die Sinne lassen zunächst besondere Ideen ins Bewußtsein. Wenn aber der menschliche Geist mit einigen von ihnen vertraut wird, werden sie im Gedächtnis gespeichert und mit Namen verk nüpft. Später, wenn der Geist weiter fortgeschritten ist, abstrahiert er sie und erlernt den Gebrauch allgemeiner Namen. Dieser Abstrak tionsvorgang besteht genauer darin, daß der Verstand die besonderen Ideen „von allen örtlichen und zeitlichen Umständen trennt und alle anderen Ideen von ihnen loslöst, die sie möglicherweise auf diese oder jene Einzelexistenz beschrän k en k önnten“ (III, 3.6). Beobachtet der Geist etwa an der Kreide oder am Schnee dieselbe Farbe, die er gestern
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an der Milch bemerk te, so betrachtet er diese allein und gibt ihr schließlich den Namen ‘weiß’. Bereits Kinder können dies: „Sie schalten aus der k omplexen Idee, die sie von Peter und Jak ob, von Marie und Johanna hatten, nur dasjenige aus, was einer jeden eigentümlich ist, und behalten zurück , was ihnen allen gemeinsam ist“ (III, 3.7).
So gelangen sie zur Idee und damit zur Bedeutung des Begriffes ‘Mensch’. Mit Hilfe eines Abstra k tionsvorganges k ommen wir also zu allgemeinen Ideen, den Bedeutungen von Begriffen wie ‘weiß’ oder ‘Mensch’. Diese allgemeinen Ideen nennt Lock e zumeist ‘abstrak te Ideen’, um auf die Art ihres Entstehens hinzuweisen. Seiner Ansicht nach sind die in der Scholastik so vieldisk utierten ›Wesenheiten‹ nichts anderes als eben diese abstrakten Ideen. 3.2.2. Einfache (simple) und komplexe (complex) Ideen. Lock e behauptet, daß alle k omplexen Ideen letztlich auf einfache zurück zu führen sind. Jede Erk lärung findet mit dem Aufweis einfacher Ideen ihr Ende. Die Behauptung, daß alle einfachen Ideen, also das Material oder die Grundelemente unseres Denk ens, aus der Erfahrung stammen, ist wesentlich für Lock es empiristischen Ansatz (s. Art. 11). Da seiner Ansicht nach alle einfachen Ideen entweder durch äußere (sensation) oder innere (reflection) Wahrnehmungen gewonnen sind, k ann er behaupten, daß letztlich nichts im Verstande ist, was nicht zuvor in den Sinnen war. Die k lassische Belegstelle hierfür: „Unsere Beobachtung, die entweder auf äußere sinnlich wahrnehmbare Objek te gerichtet ist oder auf innere Operationen des Geistes, die wir wahrnehmen und über die wir nachdenk en, liefert unserem Verstand das gesamte Material des Denk ens. Dies sind die beiden Quellen der Erk enntnis, aus denen alle Ideen entspringen, die wir haben oder naturgemäß haben k önnen/Our Observation employ’d either about external sensible Obj ects; or about the internal Operations of our Minds, perceived and reflected on by our selves, is that, which supplies our Understanding with all the materials of thinking. These two are the Fountains of Knowledge, from whence all the Ideas we have, or can naturally have, do spring.“ (II, 1.2). Beispiele für einfache Ideen sind nach Lock e ‘weiß’, ‘rot’, ‘bitter’, aber auch „Freude oder Vergnügen und deren Gegenteil Schmerz oder Unbehagen; Kraft, Dasein, Einheit“ (II,
II. Personen
7.1). Diese letzteren, so meint er, gelangen auf sämtlichen Wegen der sensorischen und reflexiven Wahrnehmung in den Geist. Unter den k omplexen Ideen unterscheidet Lock e drei Arten: Modi, Substanzen und Relationen. Lock es Ausführungen zu den k omplexen Ideen gehören zu den dunk elsten Passagen im Essay. Zunächst zu den Modi. Sie sind Ideen, die irgendwie „von Substanzen abhängend“ (II, 12.4) gedacht werden. Lock e unterscheidet einfache (simple) und gemischte (mixed) Modi. Einfache Modi sind „nur Variationen oder verschiedene Kombinationen einer und derselben einfachen Idee ohne Beimischung irgendeiner anderen [...] zum Beispiel ein Dutzend“ (II, 12.5). Zu den einfachen Modi gehören die ›Ideen der Quantität‹, die den Gegenstandsbereich eines wesentlichen Teils der Mathematik ausmachen und die der Geist „ohne die Hilfe eines Objek ts der Umwelt (extrinsical object) oder einer äußeren Anregung (foreign suggestion) in sich selbst zustande zu bringen vermag“ (II, 13.1). Gemischte Modi sind nicht bloß Modifik ationen einer einfachen Idee, sondern „eine Zusammensetzung von einfachen Ideen verschiedener Art“, beispielsweise Schönheit, die „eine bestimmte, den Beschauer angenehm berührende Zusammensetzung von Farbe und Gestalt“ ist (II, 12.5). Lock e unterscheidet nun mehrere Wege, auf denen wir gemischte Modi erlangen. Zwei seien erwähnt: (a) Durch „Erfahrung (experience) und Beobachtung (observation) der Dinge selbst. So erlangen wir die Idee des Ringens oder Fechtens, wenn wir zwei Menschen ringen oder fechten sehen. (b) Durch Erfindung (invention) oder indem wir willk ürlich verschiedene einfache Ideen in unserm Geist zusammenfügen. Derjenige zum Beispiel, der das Druck en oder Radieren erfand, hatte eine Idee von diesen Künsten in seinem Geist, ehe sie je existierten“ (II, 22.9).
Zu den gemischten Modi zählt Lock e auch ethische Begriffe wie ‘Dank bark eit’ oder ‘Lüge’. Relationen sind Ideen, die „immer nur zwischen zwei Dingen stattfinden“ (II, 25.6) k önnen, insofern diese als zwei Dinge betrachtet und miteinander verglichen werden. Die Relation ist so beschaffen, daß sie den Blick auf eine andere Idee hinlenk t. Unter den ›relativen Ausdrück en‹ der Sprache, durch die wir Relationsideen bezeichnen, führt Lock e ‘Vater’, ‘Sohn’, ‘Ehemann’ und ‘Konk ubine’ an. Seltener nennt er Ideen, von denen wir eher erwarten, daß sie ‘Relationsideen’ genannt zu
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werden verdienen, wie ‘Identität’ und ‘Verschiedenheit’. Substanzen sind schließlich k omplexe Ideen, die für sich selbst existierend gedacht werden, etwa Bäume oder Menschen. Lock e glaubte, bezüglich Substanzen eine Theorie zu vertreten, die der scholastischen diametral entgegengesetzt war. Substanzen sind für ihn nämlich k eine substrata, den wirk lichen Dingen noch zugrundeliegende oder irgendwo als Wesenheiten subsistierende Etwasse, sondern vom Verstand gebündelte Eigenschaften, die benannt werden. Lock e verdeutlicht diesen Unterschied, indem er zwischen nominalen und realen Wesenheiten unterscheidet. Die nominale Wesenheit eines Dinges ist die k omplexe Idee (cf. III, 6.21). Die reale Wesenheit ist eine reale, aber unbek annte Beschaffenheit ihrer sinnlich nicht wahrnehmbaren Teile, die wir als Ursache oder Grundlage unserer k omplexen Idee als vorhanden annehmen (cf. III, 3.17). Mit „dieser realen Wesenheit (real essence) meine ich jene reale Beschaffenheit eines Dinges, die die Grundlage all jener Eigenschaften ist, die zu der nominalen Wesenheit (nominal essence) zusammengeschlossen sind“ (III, 6.6).
3.2.3. Reale (real) und phantastische (phantastical) Ideen. ‘Real’ nennt Lock e jene Ideen, „die in der Natur eine Grundlage (foundation in nature) haben“, worunter er zweierlei versteht: diejenigen, „die mit dem realen Sein (real being) und Dasein der Dinge (existence of things) oder mit ihren Urbildern (archetypes) eine Übereinstimmung (conformity) aufweisen“. ‘Phantastisch’ nennt Lock e jene Ideen, die mit dem realen Sein und Dasein der Dinge nicht übereinstimmen und die „auch k einerlei Übereinstimmung mit jener Realität des Daseins aufweisen, worauf sie als auf ihre Urbilder stillschweigend bezogen werden“ (II, 30.1). Wie dies zu verstehen ist, erläutert Locke anhand dreier Thesen. 3.3. Der Realitätsbezug von Ideen (1) Alle einfachen Ideen sind real. Locke meint, daß alle einfachen Ideen real sind, weil sie entweder „Abbilder (images) oder Darstellungen (representations) dessen sind, was existiert“ (II, 30.2), oder weil sie von Dingen außer uns verursacht werden. Einfache Ideen, die Abbilder dessen sind, was existiert, sind „Festigk eit, Ausdehnung, Gestalt oder Beweglichk eit“ (II, 8.9). Zu den einfachen Ideen, die k eine realen Dinge abbilden, aber doch „beständige Wirk ungen (constant effects)“
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(II, 30.2) realer Dinge sind, zählt Lock e Farben und Schmerzempfindungen. Lock e behauptet also, daß Menschen in k einer privaten Bildergalerie eingeschlossen sind. Zwar k önnen wir seiner Ansicht nach nie beweisen, daß das Leben k ein Traum ist, aber es gibt ausgezeichnete Gründe für die Annahme, daß gewisse Ideen Abbilder außer uns existierender Dinge sind. Im wesentlichen sind es die folgenden vier Argumente: (a) Der menschliche Geist k ann aus sich heraus keine einfachen Ideen erzeugen. „Es liegt auf der Hand, daß sie nicht von den Organen selbst erzeugt werden; denn sonst würden die Augen des Menschen im Dunk eln Farben erzeugen und seine Nase im Winter Rosenduft riechen; dagegen stellen wir vielmehr fest, daß niemand den Wohlgeschmack der Ananas k ennenlernen k ann, wenn er nicht nach Indien geht, wo sie wächst, und sie kostet“ (IV, 11.4).
(b) Der Empfindungscharak ter einer tatsächlichen Empfindung ist verschieden von dem einer erinnerten oder erträumten. „Zuweilen beobachte ich, daß ich ein Entstehen dieser Ideen in meinem Geist nicht vermeiden k ann. Denn obgleich ich mit geschlossenen Augen oder bei verdunk eltem Fenster nach Belieben die Idee des Lichtes oder die der Sonne, die frühere Sensationen (sensations) in meinem Gedächtnis untergebracht haben, in meiner Erinnerung wachrufen k ann, so k ann ich doch j ene Idee auch nach Belieben wieder ausschalten und mir diejenige des Dufts der Rose oder des Geschmack s von Zuck er vergegenwärtigen. Wenn ich aber am Mittag meine Augen der Sonne zuwende, so k ann ich die Ideen, die das Licht oder die Sonne dann in mir erzeugt, nicht fernhalten“ (IV, 11.5).
Offensichtlich besteht also ein Unterschied zwischen den Ideen, die im Gedächtnis gespeichert sind und solchen, die sich uns aufdrängen. (c) Freude und Schmerz, die tatsächliche Empfindungen begleiten, treten nicht wieder auf, wenn dieselben Ideen ohne die äußeren Objekte wiederkehren. „Dazu k ommt, daß viele jener Ideen in uns mit Schmerz erzeugt werden, an den wir uns später ohne das geringste Unbehagen erinnern. So stört uns das Unbehagen von Hitze oder Kälte nicht, wenn die betreffende Idee in unserem Geist wieder erweck t wird, obgleich es in dem Augenblick , wo wir es fühlten, äußerst lästig war; das aber wird es wieder, wenn es sich tatsächlich wiederholt“ (IV, 11.6).
(d) Unsere Sinne bestätigen gegenseitig ihr Zeugnis von der Existenz äußerer Dinge und befähigen uns, vorherzusagen:
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„Wer ein Feuer sieht, k ann es, wenn er daran zweifelt, ob es mehr als eine bloße Einbildung (fancy) ist, auch fühlen und sich davon überzeugen, indem er die Hand hineinsteck t. Eine bloße Idee oder eine reine Einbildung (phantom) würden der Hand sicherlich niemals einen heftigen Schmerz zufügen; es sei denn, daß auch dieser Schmerz nur bloße Einbildung ist. Wenn man sich tüchtig verbrannt hat, k ann man sich jedoch diesen Schmerz nicht dadurch erneut zufügen, daß man die Idee wieder von neuem erweckt“ (IV, 11.7).
Obwohl unser Wissen von der Außenwelt Lock e zufolge nicht demonstrierbar ist, sind seiner Ansicht nach diese vier Argumente so überzeugend, daß er sogar von ‘sensitivem Wissen’ spricht. (2) Gemischte Modi, sofern sie mit dem Urbild übereinstimmen, sind real. Lock e argumentiert so: „Würde wohl jemand, der erk ennen will, ob seine Idee von Ehebruch oder Blutschande zutreffend sei, diese irgendwo unter den existierenden Dingen aufsuchen? Oder ist seine Idee davon richtig, weil jemand Zeuge einer solchen Handlung gewesen ist? Nein; vielmehr genügt es hier, daß die Menschen eine solche Gruppe zu einer k omplexen Idee vereinigt haben, die das Urbild und die spezifische Idee ausmacht, gleichviel, ob eine solche Handlung in rerum natura je begangen worden ist oder nicht“ (III, 5.3).
Lock e meint also, daß gemischte Modi ‘real’ und nicht ‘phantastisch’ genannt werden sollten, wenn sie mit dem Urbild, auf das sie sich beziehen, übereinstimmen. Das Urbild ist dabei von Menschen geschaffen. Bedingung für die Realität eines gemischten Modus ist allein, daß er k eine ink onsistenten Ideen enthält. (3) Substanzen, sofern sie die tatsächliche Ordnung einfacher Ideen abbilden, sind real. Während im Falle des gemischten Modus das Muster die widerspruchsfreie Definition oder Konstruk tion ist, auf die sich der Modus bezieht, ist im Falle der Substanzen das Muster das vorhandene Eigenschaftsbündel, also die in der Realität vorhandene Ideenk ollek tion. Lockes klarste Ausführung zu diesem Punkt: „Unsere k omplexen Ideen von Substanzen sind sämtlich in bezug auf die außer uns existierenden Dinge gebildet und sollen Darstellungen der Substanzen sein, wie sie wirk lich sind; sie sind daher nur insoweit real, als wir in ihnen solche Kombinationen von einfachen Ideen haben, die in den Dingen unserer Umwelt wirk lich vereinigt sind und zusammen bestehen. Im Gegensatz dazu sind diejenigen phantastisch, die aus Zusammenstellungen einfacher Ideen bestehen, die nie in irgendeiner Substanz tatsächlich vereinigt waren oder sich darin zusammen vorfanden“ (II, 30.5).
nach dem Zeichencharak ter der Ideen beantwortet werden: Lock e unterscheidet verschiedene Arten von Ideen, und diese beziehen sich auf verschiedene Dinge. Abstrak te Ideen, wie ‘das Weiße’ oder ‘der Mensch’, beziehen sich auf das vom Verstand abstrahierte Gemeinsame vieler besonderer Dinge. Da ›das Allgemeine und das Universale nicht zur realen Existenz der Dinge‹ gehören, vielmehr ›nur Erfindungen und Schöpfungen des Verstandes‹ sind, die ›Dinge in ihrer Existenz sämtlich einzeln‹ sind, k ann nicht gesagt werden, daß sie direk t Zeichen für real Existierendes sind (cf. III, 3.11). Einfache Ideen, sofern sie durch äußere Wahrnehmung gewonnen sind, beziehen sich auf Gegenstände außer uns; sofern sie durch innere Wahrnehmung gewonnen sind, sind sie k eine Abbilder der Gegenstände außer uns, sie sind jedoch auch k eine Schöpfungen der Einbildungs k raft. Gemischte Modi beziehen sich auf Urbilder, womit in sich widerspruchsfreie Definitionen und von Menschen geschaffene Konstruk tionen gemeint sind. Substanzen schließlich k önnen sich auf Reales beziehen, insofern sie die gegebene Ordnung in den einfachen Ideen abbilden, sie k önnen sich jedoch auch auf NichtReales beziehen, wenn die in der Substanz gebündelten Eigenschaften die in den einfachen Ideen gegebene Ordnung nicht abbilden. Lock es Hauptthese wäre nun etwa so zu präzisieren: Wörter, ausgenommen: synkategorematische und privative, vertreten unmittelbar nur Ideen, also Vorstellungen und Begriffe, im Geiste desj enigen, der sie gebraucht; aufgrund des Zeichencharakters der Ideen beziehen sich Wörter indirekt entweder auf besondere Gegenstände (‘Julius Caesar’), auf das aus besonderen Gegenständen abstrahierte Gemeinsame (‘rot’), auf Gegenstände außer uns (‘dehnbar’), auf von uns selbst geschaffene Urbilder (‘Dreieck’), oder auf Eigenschaftsbündel, wie sie in der Erfahrung auftauchen (‘Baum’), oder auch nicht (‘Pegasus’).
4.
Die Funktionen der Sprache
4.1. Merk- und Mitteilungsfunktion Wie bereits ausgeführt, übernimmt Locke zufolge die Sprache zwei wichtige Funktionen: Zum einen erleichtert sie es, sich Ideen zu merken, zum anderen ermöglicht sie es, Ideen mitzuteilen. Diese Mitteilungsfunktion präzisiert Locke so:
3.4. Präzisierung der Hauptthese
„Die Aufgaben der Sprache in unserm mündlichen Verk ehr mit anderen sind vornehmlich drei: erstens die Gedank en oder Ideen des einen dem andern bek anntzugeben (mak e k nown), zweitens, dies so leicht (ease) und so schnell (quick ness) wie möglich zu tun, drittens, dadurch die Erk enntnis der Dinge zu vermitteln (convey the k nowledge of things)“ (III, 10.23).
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen k ann nun die oben (3.1. ff) gestellte Frage
Lock e illustriert diesen Gedank engang mit dem Bild, daß derjenige, der k omplexe Ideen,
Ein Beispiel für eine phantastische Substanz wäre ein Zentaur.
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aber k eine besonderen Namen dafür besitzt, in der Situation eines Buchhändlers ist, in dessen Läden Bücher ungebunden und ohne Titel umherliegen. Dieser Buchhändler k önnte seine Kunden nur mit seinen Schätzen vertraut machen (wenn überhaupt), indem er ihnen die losen Druck bögen vorzeigt und stüc k weise übergibt. An anderer Stelle schreibt er: „Nehmen wir an, ich wollte zu jemandem von einer Vogelart sprechen, die ich k ürzlich im St. JamesPark gesehen habe. Jener Vogel ist drei bis vier Fuß hoch, trägt am Körper ein Mittelding zwischen Feder- und Haark leid, ist von dunk elbrauner Farbe und hat k eine Flügel; an deren Stelle befinden sich vielmehr zwei oder drei k leine Büschel, die wie Zweige spanischen Ginsters herabhängen; er hat lange k räftige Beine, nur drei Fußzehen und k einen Schwanz. In der eben vorgeführten Weise müßte ich den Vogel etwa beschreiben, um mich andern dadurch vielleicht verständlich zu machen. Wenn ich aber erfahre, daß dieser Vogel ‘Kasuar’ heißt, so k ann ich von nun an in der Unterhaltung dieses Wort statt meiner ganzen, in jener Beschreibung dargelegten komplexen Idee verwenden“ (III, 6.34).
Nun ist aber nicht immer, wie diese Beispiele nahelegen, zuerst eine Idee gegeben, die dann benannt wird. Dies mag, wie Lock e schreibt, bei der ›Entstehung der Sprachen‹ so gewesen sein. Bei „fertigen Sprachen“ ist es „gewöhnlich (the ordinary method)“ so, daß Kinder zumal „die Namen der gemischten Modi erlernen, bevor sie sich die entsprechenden Ideen angeeignet haben. Bildet wohl einer unter tausend je die abstrak ten Ideen Ruhm und Ehrgeiz, ehe er ihre Namen gehört hat? Ich gebe zu, daß es sich bei einfachen Ideen und Substanzen anders verhält. Dies sind nämlich Ideen, die in der Natur eine reale Existenz und Einheit (a real existence and unity in nature) aufweisen; darum werden hier je nachdem bald die Ideen vor den Namen, bald die Namen vor den Ideen erlangt“ (III, 5.15).
Aber warum ist der Wortschatz einer bestimmten Sprache so, wie er ist? Lock es Antwort darauf ist eindeutig: Menschen orientieren sich an der Nützlichk eit. Das, was wichtig ist, wird benannt, anderes bleibt unbenannt. Der Grund ist im „Zweck der Sprache (the end of language) zu finden. Da dieser darin besteht, die Gedank en der
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Menschen einander so rasch wie möglich zu bezeichnen (mark ) oder mitzuteilen (communicate), so pflegen sie solche Ideengruppen zu k omplexen Modi zu machen und mit Namen zu versehen, die sie im prak tischen Leben und im mündlichen Austausch häufig gebrauchen“ (II, 22.5).
Da Nützlich k eitserwägungen den Gebrauch von Sprachzeichen beeinflussen, ist es nach Lock e möglich, aus dem Gebrauch eines Wortes auf die Bedeutung des durch es Bezeichneten, also die Idee, zu schließen. Ein Beispiel wäre das lateinische ‘proscriptio’, ein in andere Sprachen k aum übersetzbares Wort, weil es aufgrund von Brauch, Gewohnheit, Sitte und Notwendigk eit für eine k omplexe Idee stand, „die im Geist der Menschen anderer Völk er nicht vorhanden war. Wo es k eine entsprechende Sitte gab, da fehlte auch der Begriff von derartigen Handlungen; man brauchte k eine solche Ideenk ombinationen und k eine Ausdrück e für ihre Verk nüpfung, und deshalb gab es auch in anderen Ländern keine Namen dafür“ (II, 22.6).
Ändern sich Brauch, Gewohnheit Sitte, so ändert sich auch die Sprache:
und
„Der Wechsel der Gewohnheiten und Meinungen bringt neue Kombinationen von Ideen mit sich, an die man oft denk en und über die man oft sprechen muß; ihnen werden, um lange Beschreibungen zu vermeiden, neue Namen beigelegt; so werden sie zu neuen Arten komplexer Modi“ (II, 22.7).
Der Wortschatz einer Sprache ist durch die Eigenschaften der Dinge bestimmt, die verschiedene Ideen in uns verursachen. Vor allem handelt es sich dabei um einfachere Ideen. Der menschliche Verstand k ann diese in freier Wahl k ombinieren, aus ihnen Gemeinsames abstrahieren. Welche dieser Ideenk ollek tionen dann benannt werden, bestimmen die Notwendigkeiten des Lebens. 4.2. Gestaltfunktion Lock e hatte zunächst zwei Funk tionen der Sprache unterschieden: die Merk - und die Mitteilungsfunk tion. Im Lauf der Analyse entdeck t er eine weitere: Die Gestaltung der Ideen durch Sprache. Da komplexe Ideen „aus mehreren einfachen Ideen bestehen, liegt es in den Kräften der Wörter, [...] dem Geist zusammengesetzte Ideen einzuprägen, die vorher nie in ihm vorhanden waren [...] Von den Arten der gemisch-
II. Personen
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ten Modi werden in der Regel nur diejenigen beachtet, die einen Namen besitzen [...] Vater und Sohn, Ehemann und Ehefrau und ähnliche k orrelative Ausdrück e (correlative terms) gehören offenbar so eng zueinander und pflegen infolge von Gewohnheit so rasch im Gedächtnis miteinander anzuk lingen und sich zu entsprechen, daß, sobald der eine von beiden genannt wird, die Gedank en sofort über das bezeichnete Ding hinausgehen und niemand die Relation, auf die in dieser Weise so deutlich hingewiesen wird, übersieht oder bezweifelt. Wo es aber die Sprache versäumt hat, k orrelative Namen zu geben, wird die Relation nicht immer so leicht bemerk t. Ohne Zweifel ist ‘Konk ubine’ ebensogut ein relativer Name (relative name) wie ‘Ehefrau’; in einer Sprache jedoch, wo diese und ähnliche Wörter k einen k orrelativen Ausdruck besitzen, hält man sie nicht so leicht für bezüglich. Denn es fehlt ihnen das k ennzeichnende Merk mal der Relation (evident mark of relation), das zwischen Ausdrück en, die sich offenbar gegenseitig erläutern und immer nur zusammen bestehen k önnen, vorhanden ist“ (III, 4.12; III, 5.15; II, 25.2).
Nach Lock e vertreten Wörter nicht nur die Ideen, sie beeinflussen sie auch. Es liegt in ihren Kräften, dem Geist zusammengesetzte Ideen einzuprägen. Namen geben den k omplexen Ideen „bleibende Dauer (lasting duration)“ (III, 5.10). Die Benennung der k omplexen Idee fixiert und stabilisiert sie. Erst dadurch werden Ideenk ombinationen als Einheiten gedacht, die über ein bloß momentanes Zusammenfassen hinaus Bestand haben. In diesem Sinne ist „der Name gewissermaßen der Knoten, durch den sie fest zusammengehalten werden“ (III, 5.10). Erst durch Sprache k onstituiert sich die Gegenständlichk eit unserer allgemeinen Erk enntnis. Wörter repräsentieren nicht nur Ideen, sie k onstituieren sie auch. Namen k omplexer Ideen übernehmen damit in gewisser Hinsicht die üblicherweise den Substanzen zugesprochene Trägerfunk tion. Die Ideen haften am Laut wie in der traditionellen. Metaphysik die Eigenschaften an der Substanz. Die Wörter sind Zeichen und setzen Gegenständlichk eit. In diesem Sinn repräsentiert und schafft die Sprache die Wirk lichk eit. Lock es Hauptthese läßt sich nun durch folgenden Zusatz weiter präzisieren: [...] Im Falle einfacher Ideen werden diese durch Wörter repräsentiert. Für einen Großteil komplexer Ideen gilt j edoch, daß sie durch die Benennung nicht nur ›vertreten‹, sondern erst als Einheit gedacht und anderen mitgeteilt werden. Wörter übernehmen hinsichtlich unserer komplexen Ideen eine wichtige Gestaltfunktion.
5.
Die Unvollkommenheit der Sprache
Die Sprache ist k ein unproblematisches Werk zeug. Sie ist in vieler Hinsicht unvollk ommen. Lock e sieht zwei Hauptgründe dafür: Zum einen sind es natürliche Ursachen, zum anderen ist es der Mensch, der mit diesem Werk zeug nicht zu Rande k ommt oder es für zerstörerische Zwecke mißbraucht. 5.1. Natürliche Ursachen Unter den ›natürlichen Ursachen‹ für die Unvollk ommenheit der Sprache versteht Lock e folgendes: „Die Wörter haben von Natur k eine Bedeutung, so daß die Idee, die sie vertreten“, erlernt werden muß. Dies ist aber „am schwierigsten da, wo erstens die Ideen, für die sie stehen, sehr k omplex und aus einer großen Zahl von Ideen gebildete sind, die man vereinigt hat; zweitens die Ideen, für die sie stehen, in der Natur k eine feste Verbindung (certain connection) haben und damit auch k einen irgendwo in der Natur existierenden sicheren Maßstab (settled standard) besitzen, an dem sie gemessen und nach dem sie ausgerichtet werden k önnten; sich drittens die Bedeutung zwar auf einen Maßstab bezieht, dieser aber nicht leicht zu erk ennen ist; viertens die Bedeutung des Wortes und die tatsächliche Wesenheit (essence) des Dinges nicht genau übereinstimmen“ (III, 9.5).
Wenn also die Ideen sehr k omplex sind, k ein Maßstab in der Natur für sie vorhanden ist, dieser Maßstab schwer erk ennbar ist und schließlich die Idee mit dem tatsächlichen Wesen des Dinges nicht übereinstimmt, dann ist die Bedeutung der Wörter zweifelhaft. Die Namen der gemischten Modi sind zumeist aus den beiden erstgenannten Gründen zweifelhaft, die Namen der Substanzen aus den beiden letztgenannten. Zunächst zu den Modi. Moralische Begriffe, die zu den gemischten Modi gehören, sind oft sehr k omplex (erste ›natürliche‹ Schwierigk eit); es gibt für sie in der Natur k einen Maßstab (zweite ›natürliche‹ Schwierigkeit): „Was die Wörter ‘Mord’ oder ‘Kirchenraub’ usw. bedeuten, ist niemals aus den Dingen selbst zu erk ennen; treten doch viele von den Bestandteilen jener k omplexen Ideen bei der Tat selbst gar nicht in Erscheinung (not visible). Die Absicht (intention) des Geistes oder die Beziehung auf heilige Dinge, die einen Teil des Mordes oder des Kirchenraubes bilden, haben k einen notwendigen Zusammenhang (necessary connexion) mit der äußerlich sichtbaren Tat (visible action) dessen, der eines der beiden Verbrechen begeht. In dem Handgriff des Auslösens der Mordwaffe, mit der der Mord ausgeführt wurde, besteht vielleicht die gesamte sichtbare Tä-
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tigk eit. Dieser Handgriff hat aber k einen natürlichen Zusammenhang (natural connexion) mit jenen anderen Ideen, die die k omplexe Idee, die als Mord bezeichnet wird, ausmachen“ (III, 9.7).
Schließlich trägt auch noch die Art, wie moralische Begriffe erlernt werden, zu ihrer Zweifelhaftigk eit bei: Versucht man, Kindern die Namen einfacher Ideen oder Substanzen begreiflich zu machen, so zeigt man ihnen gewöhnlich einen Gegenstand. Dann wird der Name wiederholt, der das Ding bezeichnet, zum Beispiel ‘weiß’, ‘süß’, ‘Milch’, ‘Zuck er’, ‘Katze’, ‘Hund’. „Bei den gemischten Modi aber, vor allem bei den wichtigsten unter ihnen, bei den moralischen Begriffen (moral words), werden gewöhnlich zuerst die Laute erlernt; wenn die Kinder dann erfahren wollen, welche k omplexen Ideen damit bezeichnet werden, so sind sie entweder auf die Erk lärungen (explications) anderer angewiesen oder (was meist der Fall ist) ihrer eigenen Beobachtung (observation) und Lernbegierde (industry) überlassen“ (III, 9.9).
Diese letztgenannte Schwierigk eit ist zu beheben, ebenso die erste, falls Lock e recht hat, daß k omplexe Ideen in einfache zerlegt werden k önnen. Die Schwierigk eit, die sich daraus ergibt, daß es k einen ›natürlichen‹ Maßstab für Modi gibt, ist jedoch nicht zu beheben. Zu den Substanzen. Substanznamen beziehen sich im Gegensatz zu den frei geschaffenen gemischten Modi auf Muster. Dieses Muster ist die Ordnung, in der die einfachen Ideen auftreten. Nun ist die Weise, wie einfache Ideen auftreten, oft recht schwank end. Im Gegensatz zu früheren Ausführungen, in denen Lock e gerade die Kontinuität der einfachen Ideen betont hatte, um nämlich ihren Realitätsbezug zu begründen, fordert er nun seine Leser auf, einmal zu beobachten, „welchen überaus mannigfaltigen Veränderungen irgendeines der unedlen Metalle allein schon unter der verschiedenen Anwendung des Feuers unterworfen ist“. Es kann daher „gar nicht anders sein, als daß die verschiedenen Menschen unwillk ürlich verschiedene Ideen von derselben Substanz haben und die Bedeutung ihres allgemein gebräuchlichen Namens aus diesem Grunde sehr schwank end und unsicher wird“ (III, 9.13).
Eine zweite ›natürliche‹ Schwierigk eit, Substanznamen betreffend, sieht Lock e darin, daß sie sich im Gegensatz zu den Namen für gemischte Modi auf Muster beziehen, die von der Natur gemacht sind. Die Bedeutung der Wörter wird also letztlich durch die Dinge selbst reguliert. Aber die Bedeutung von Wör-
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tern „muß notwendigerweise schwank end und wechselnd sein, wenn sich die entsprechenden Ideen auf Muster beziehen, die außer uns bestehen (standards without us) und entweder überhaupt nicht oder nur unvollk ommen und unsicher zu erk ennen sind“ (III, 9.11).
Zumindest diese letztgenannte Schwierigk eit ist Lock e zufolge nicht zu beheben, da die Natur der Dinge, gemeint: das den Erscheinungen Zugrundeliegende, uns nicht zugänglich ist. 5.2. Der absichtliche Mißbrauch Menschen machen sich verschiedener Mißbräuche der Sprache schuldig. Lock e nennt sechs: (a) Wir verwenden Wörter oft ohne k lare Ideen. Manche Wörter werden in Umlauf gesetzt, ohne daß selbst bei ihrer Neubildung k lare Ideen mit ihnen verbunden wären. Lock e sieht dafür mehrere Motive: das Streben nach Bewunderung, das man sich durch den Gebrauch unverständlicher Ausdrück e erwerben k ann („Diese unverständlichen Ausdrück e eigneten sich um so eher dazu, Staunen zu erregen, als man sie eben nicht verstehen k onnte“ (III, 10.8)); die Stützung ›seltsamer Ansichten‹ oder der Wunsch, ›eine schwache Stelle‹ in der ›Hypothese‹ zu verdeck en (Die „großen Prägemeister dieser Art von Ausdrück en“ sind „Schulgelehrte und Metaphysik er“ (III, 10.2)). Aber es gibt auch noch einen gesellschaftlichen Druck , der den Gebrauch „von leerem, unverständlichem Schall und Phrasen“ (III, 10.4) fördert: „Die Menschen greifen die Wörter auf, die ihre Nachbarn verwenden; damit es nicht so scheint, als wüßten sie nicht, was die Wörter bezeichnen, verwenden sie sie zuversichtlich, ohne sich viel Kopfzerbrechen zu bereiten, welcher festgesetzte, genaue Sinn (meaning) ihnen zuk ommt. Daraus entspringt außer der Bequemlichk eit des Verfahrens noch der Vorteil, daß sie zwar einerseits bei solchen Auseinandersetzungen selten im Recht sind, andererseits aber ebenso selten davon überzeugt werden k önnen, daß sie unrecht haben. Denn wenn man Menschen ohne feste Begriffe (settled notions) von ihren Irrtümern zu befreien versucht, so bedeutet es dasselbe, als ob man einen Landstreicher ohne festen Wohnsitz aus seiner Behausung ausweisen wollte“ (III, 10.4).
(b) Wir verwenden dasselbe Wort mit verschiedenen Bedeutungen. Lock e meint, daß dies eine schlimmere Unehrlichk eit ist „als die falsche Gruppierung von Zahlen beim Zusammenzählen einer Schuld“ (III, 10.5).
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(c) Vor allem Philosophen halten Wörter k ünstlich dunk el. „Ein weiterer Mißbrauch der Sprache ist eine erk ünstelte Dunk elheit (affected obscurity), die dadurch hervorgerufen wird, daß man entweder alte Wörter in einer neuen, ungebräuchlichen Bedeutung verwendet oder neue und mehrdeutige Ausdrück e einführt, ohne sie in einem dieser Fälle entsprechend zu definieren“ (III, 10.6). Die Ursachen dafür sieht Lock e in dem „Mißstand“, daß „Begabung und Gelehrsamk eit eines Menschen nach seinem Geschick im Disputieren eingeschätzt werden“ (III, 10.7). Und das Ergebnis sieht dann so aus: Es gibt „k einen besseren Weg, seltsame und absurde Lehren einzuführen und zu verteidigen als den, sie mit einer Unzahl dunk ler, zweifelhafter und undefinierter Wörter wie mit einem Schutzwall zu umgeben. Freilich gleichen diese Rüc k zugsstätten dann eher Räuberhöhlen oder Fuchsbauten als Festungen ehrlicher Krieger; denn die Schwierigk eit, die Insassen daraus hervorzulock en, ist nicht etwa in ihrer eigenen Festigk eit zu sehen, sondern vielmehr durch das Gestrüpp der Dornen und die Dunk elheit des Dick ichts bedingt, von dem sie umgeben sind. Denn da die Unwahrheit für den menschlichen Geist nicht ak zeptabel ist, so bleibt für das Ungereimte k ein anderer Schutz als die Dunkelheit“ (III, 10.9).
(d) Wir verwechseln Wörter mit den Dingen. Dieser „arge Mißbrauch der Wörter besteht darin, daß man sie für die Dinge ansieht. Dies trifft bis zu einem gewissen Grade für alle Namen überhaupt zu; ganz besonders aber gilt es für die Substanznamen. Diesem Mißbrauch verfallen am leichtesten solche Personen, die ihre Gedank en am entschiedensten auf ein bestimmtes System einschränk en [...] Dadurch gelangen sie zu der Überzeugung, die Terminologie (terms) der betreffenden Schule entspräche so genau der Natur der Dinge, daß sie mit deren realer Existenz vollk ommen übereinstimme“ (III, 10.14).
Aber Wörter bezeichnen „eigentlich und unmittelbar nur die im Geist des Sprechenden vorhandenen Ideen“ (III, 2.4). (e) Wir nehmen an, daß Wörter Dinge bezeichnen, die sie nicht bezeichnen k önnen. Lock e meint hier, daß wir ›häufig stillschweigend‹ voraussetzen, daß Substanznamen sich auf die reale Wesenheit der Dinge beziehen. In Wirk lichk eit aber bezieht sich ein Satz wie ‘Gold ist dehnbar’ nur auf meine abstrak te Idee von Gold, die mit den abstrak ten Ideen von Gold anderer Menschen übereinstimmen, und die auch in der Wirk lichk eit verank ert sein mag. Aber der Satz bezieht sich auf k eine
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reale Wesenheit der Dinge, wie häufig angenommen wird (cf. III, 10.17). (f) Wir setzen voraus, daß die uns gebräuchlichen Wörter eine feste und offenk undige Bedeutung besitzen, die andere unmöglich mißverstehen können. „Dieser Mißbrauch, die Wörter auf Treu und Glauben hinzunehmen, ist nirgends so weit verbreitet und hat nirgends so üble Folgen gehabt wie unter den Gelehrten“ (III, 10.22).
Wörter, so k önnte man die Ausführungen Lock es bezüglich der Unvollk ommenheit der Sprache zusammenfassen, sind nützliche Diener, aber schlechte Herren. Ideen ohne Namen sind wie lose Bögen ohne Titel und Einband; aber Namen ohne Ideen sind wie Buchtitel ohne Kenntnis des Inhalts. 5.3. Mittel gegen den Mißbrauch der Sprache Da die Sprache „das große Band“ ist, „das die Gesellschaft zusammenhält“, verdient „die Frage, welche Mittel sich finden lassen, um den oben erwähnten Übelständen abzuhelfen, unser ernstlichstes Nachdenk en“ (III, 11.1). Da Lock e sich zwar eine Sprache ohne Gesellschaft, aber k eine menschliche Gesellschaft ohne Sprache vorstellen k ann, empfiehlt er die Befolgung folgender fünf Regeln: (a′) „Man achte darauf, daß man k ein Wort ohne Bedeutung (no word without signification), k einen Namen ohne eine Idee gebraucht, für die der Name steht“ (III, 11.8). (b′) Man verk nüpfe deutliche, bestimmte Ideen mit den Wörtern, besonders bei den gemischten Modi. Denn „diese erscheinen leicht unk lar, weil ihnen in der Natur k ein Objek t entspricht (having no settled objects in nature), das als Ursprung ihrer Ideen gelten kann“ (III, 11.9). Bei „Namen von Substanzen ist für ihren richtigen Gebrauch noch etwas mehr erforderlich als nur bestimmte (determined) Ideen. Bei ihnen müssen die Namen auch den Dingen, wie sie existieren, entsprechen (conformable to things)“.
Dies ist zumindest für philosophische Erörterungen wichtig. „Für gewöhnliche Unterhaltungen passen gewöhnliche Begriffe. Mögen beide auch noch so verworren sein, so reichen sie doch immerhin für Mark t und Kirchweih aus“ (III, 11.10).
(c′) Man wende die Wörter auf jene Ideen an, mit denen sie der herrschende Sprachgebrauch verk nüpft hat. Denn Wörter sollen der Kommunikation dienen und sind „namentlich in den voll ausgebildeten Sprachen nicht Privatbesitz (private possession) eines einzel-
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nen, sondern das gemeinsame Maß (common measure) für den gegenseitigen Verk ehr (commerce) und Austausch (communication); daher steht es durchaus nicht jedem frei, die Prägung (stamp), mit der sie von Hand zu Hand gehen, abzuändern; auch k ann nicht jeder die Ideen, mit denen sie verbunden sind, wechseln“ (III, 11.11).
Allerdings reicht der Sprachgebrauch oder die ›Sprachrichtigk eit‹ nicht aus, die Bedeutung eines Wortes k lar festzulegen. Sich an ihm zu orientieren, genügt zwar für das tägliche Leben, nicht aber für die Philosophie: „Gibt es doch k aum einen Namen für eine sehr k omplexe Idee (von den anderen gar nicht zu reden), der nicht im geltenden Sprachgebrauch (common use) ein weites Gebiet umfaßte und innerhalb der Grenzen des Sprachrichtigen (propriety) zum Zeichen (sign) sehr verschiedener Ideen gemacht werden k onnte [...] Obwohl die Namen ‘Ruhm’ und ‘Dank bark eit’ innerhalb eines Landes in aller Munde die gleichen sind, so ist dennoch die k omplexe Sammelidee (collective idea), die jeder einzelne bei diesen Namen im Sinn hat oder ausdrük k en will, selbst bei Leuten, die die gleiche Sprache sprechen, offenbar sehr verschieden“ (III, 9.8).
(d′) Man erk läre die Bedeutung, in der man die Wörter gebraucht. Bei einfachen Ideen entweder durch synonyme Ausdrück e oder durch Aufweis entsprechender Wahrnehmungssituationen, indem man also „auf seine Sinne den Gegenstand einwirk en läßt (present to his senses that subject), der in seinem Geist die Idee erzeugen k ann“ (III, 11.14). Bei gemischten Modi durch Definitionen. Da es sich bei ihnen um menschliche Schöpfungen handelt, „k ann die Bedeutung ihrer Namen, wie das bei einfachen Ideen geschieht, nicht durch Anschauung (by shewing) vermittelt werden. Dafür lassen sie sich jedoch erschöpfend und genau definieren [...] Aus diesem Grunde bin auch ich k ühn genug zu glauben, daß sich die Moral ebenso beweisen lasse (capable of demonstration) wie die Mathematik “ (III, 11.15 f).
Bei Substanznamen schließlich sowohl durch Demonstrieren als auch Definieren (cf. III, 11.19). Lock e plädiert hier für die Schaffung eines Wörterbuches mit Bildern. (e′) Man verwende dieselben Wörter immer in demselben Sinn. Befolgte man diese fünf Regeln, so k önnten „viele Werk e der Philosophen (von anderen gar nicht zu reden) und Dichter in einer Nußschale untergebracht werden“ (III, 11.26).
6.
Kritische Würdigung
Lock es Essay concerning Human Understand-
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ing findet zumal im englischen Sprachraum gebührende Beachtung. Obwohl die verschiedenen Interpreten Lock escher Ideen in Detailanalysen oft zu unterschiedlichen Ergebnissen k ommen, besteht in einem Punk t Einmütigk eit: Die Erk enntnistheorie des englischen Empiristen ist eine bemerk enswerte Mischung aus Tiefsinn und Leichtsinn. Dies gilt auch für seine Sprachphilosophie. Inmitten von recht viel taubem Gestein findet sich eine höchst interessante, subtile Theorie der menschlichen Sprache, für die nicht zuletzt spricht, daß sie zu einer Reihe von Disk ussionspunk ten Anlaß gab (und gibt). Ich erwähne drei: (a) Lock es Ausführungen über den Realitätsbezug der Ideen legen manchmal die Interpretation nahe, daß die These von der Priorität einfacher Sinneseindrück e nicht nur als logische, sondern auch als psychologische Theorie zu verstehen ist, k onk ret: daß nach Lock e Kinder zunächst einmal einfache Ideen erfahren und dann lernen, sie zu k omplexeren zusammenzufassen. Diese psychologische Theorie ist k aum haltbar, aber Lock e hat sie auch gar nicht eindeutig vertreten. So schreibt er etwa, daß wir k omplexe Ideen auch durch die Beobachtung k omplexer Ak tivitäten lernen: Wir erlangen „die Idee des Ringens oder Fechtens, wenn wir zwei Menschen ringen oder fechten sehen“ (II, 22.9). (b) Lock es Abstrak tionstheorie wirft folgende Frage auf: Das Weiß der Milch ist nicht gleich dem Weiß des Schnees oder dem Weiß der Kreide, die Farben sind zueinander ähnlich. Was aber bedeutet: ‘a ist ähnlich b’? Das k ann doch nur bedeuten: ‘a ist ähnlich b in bezug auf das Weiße’. Bedeutet dies aber nicht, daß der Betrachter, wenn er im Ähnlichen das Gleiche erk ennt, bereits einen Begriff von dem Gleichen haben muß? Wenn er also die verschiedenen Schattierungen von Weiß als ›weiß‹ erk ennt, bereits eine Idee von dem ›Weißen‹ haben muß? Ist nun ›Weiß‹ eine allgemeine Idee, so ist sie nicht, wie Lock e angenommen hatte, durch einen Abstrak tionsprozeß gewonnen, sondern eher Voraussetzung, damit das Gemeinsame der verschiedenen Weißschattierungen als solches erk annt werden k ann. Lock e würde auf diesen Einwand wahrscheinlich antworten, daß unser Wahrnehmungsapparat eben so beschaffen ist, daß er fak tisch bloß Ähnliches, sofern es sehr ähnlich ist, als gleich erlebt. Dieses als gleich Erlebte wird als Gemeinsames verschiedener Dinge zusammengefaßt und benannt. (c) Interessanterweise bezieht Lock e seine Ausführungen über die Realität einfacher Ideen nur auf die Existenz einer materiellen
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II. Personen
Außenwelt, nicht aber auf die Existenz anderer Menschen. Seine Analysen sind aber wohl so zu interpretieren, daß die Annahme der Existenz anderer Menschen ebenfalls gewußt wird, da die einfachen Ideen davon berichten, daß es Menschen gibt. In diese hineinschauen k önnen wir allerdings nicht, da einfache Ideen dies nicht zu leisten imstande sind. Sie verbleiben an der ›Oberfläche‹. Die Ideen anderer bleiben den Blick en entzogen. Damit taucht aber folgendes Verstehensproblem auf: Da die Wörter sich nur auf Ideen im Geiste des Sprechenden beziehen, somit an jedem Wort ein möglicherweise sehr großes Stück rein subjek tiver Bedeutung k lebt, und Menschen die Ideen anderer nicht zugänglich sind, bleibt die Frage stets offen, ob wir einander überhaupt verstehen. Auf diese Schwierigk eit würde Lock e wahrscheinlich antworten, daß alle k omplexen Ideen in einfache zerlegt werden k önnen und auf der Ebene einfacher Ideen eine Verständigung mit Gewißheit möglich ist. Ist aber dafür nicht wiederum ein Vorverständnis nötig, das aus der Welt der einfachen Ideen gerade nicht abstrahierbar ist? Etwa das Wissen, daß das Nick en mit dem Kopf ‘ja’ und das Hinweisen auf einen Gegenstand das Hinweisen auf einen Gegenstand und nicht bloß das Ausstreck en des Fingers bedeutet? Das entscheidende Argument gegen Lock es Sprachphilosophie lautete jedoch, daß Wörter sich unmittelbar auf Dinge bezögen. Ob diese Kritik zutreffend ist, k ann an dieser Stelle nicht disk utiert werden. Es sei jedoch darauf verwiesen, daß Lock e in vielem sehr originell
war, nicht aber, als er behauptete, daß Wörter sich unmittelbar nur auf Ideen beziehen. Diese These findet sich bereits bei einem anderen großen Philosophen: bei Aristoteles in dessen De interpretatione (16 a 3) (s. Art. 15).
7.
Literatur in Auswahl
7.1. Zitatausgaben John Lock e 51985, Essay concernung Human Understanding, Nidditch (Hg.). Die deutsche Übersetzung von Carl Winck ler (1911, 1913) ist immer noch brauchbar. Sie liegt in einer neueren Ausgabe (1962) vor.
7.2. Sekundärliteratur Aaron, John Locke, 31965. Arndt 1979, John Lock e: Die Funk tion der Sprache, in Grundprobleme der großen Philosophen. Ashworth 1981, Do words signify ideas or things? The scholastic sources of Lock e’s theory of language, in Journal of the History of Philosophy 19. Kretzmann 1968, The main thesis of Lock e’s semantic theory, in Philosophical Review 77. Landesmann 1976, Lock e’s theory of meaning, in Journal of the History of Philosophy 14. Mack ie 1974, Lock e’s anticipation of Kripk e, in Analysis 34. Odegard 1970, Lock e and the signification of words, in Locke Newsletter 1.
Gerhard Streminger, Graz (Österreich)
23. Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Aspekte der Leibnizschen Beschäftigung mit der Sprache Sprache und Wirklichkeit (Semantik) Sprache und Denken (Pragmatik) Sprache und Logik Literatur in Auswahl
Aspekte der Leibnizschen Beschäftigung mit der Sprache
Leibniz hat k ein umfassendes sprachphilosophisches Werk geschrieben. Dennoch nimmt er in der Geschichte der Sprachphilosophie
eine wichtige Stelle ein. Denn ein großer Teil seiner Schriften und seiner Briefe ist Sprachproblemen gewidmet, und er war sich des engen Zusammenhangs zwischen der Sprachfähigk eit und der intellek tuellen Entwick lung des Menschen deutlicher bewußt als die meisten seiner Zeitgenossen. Es waren sowohl historische als auch philosophische Gesichtspunk te, die sein Interesse für Sprache erweck ten. Er beschäftigte sich ausführlich mit der Erforschung der natürlichen Sprachen und entwick elte neue Sprachen und Zeichensysteme.
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1.1. Die Sprache als Geschichtsquelle
in Sk andinavien sei die Urheimat der Germanen zu suchen, vertrat er mit Entschiedenheit die Auffassung, daß die Germanen aus Asien (Sk ythien) nach Europa eingewandert seien. Sk ythien ist für ihn die „vagina gentium“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 1 VIII, 262 [= Brief an H. Ludolf, 18. (28.) April 1692]). Zusammenfassende Darstellungen über die Einteilung und Verwandtschaftsbeziehungen der Sprachen finden sich in der Brevis designatio meditationum de originibus gentium, ductis potissimum ex indicio linguarum (in: Leibniz 1768, Op. Omn. IV.2, 186—198) sowie in einer Denk schrift für den Zaren vom 23. Nov. 1712 (Richter 1946, 80 f). — Leibniz’ Beobachtungen zur Entwick lung der Sprachen entsprechen nicht völlig den Ansprüchen der heutigen Sprachwissenschaft. Sie sind mehr das Ergebnis divinatorischer Kraft als methodischer wissenschaftlicher Forschung. Vor allem fehlten ihm k onsequent angewandte Kriterien für Sprachverwandtschaft (vgl. Waterman 1963, 29). Es muß jedoch als große Leistung angesehen werden, daß „sein ordnender Geist sich der verwirrenden Vielfalt bemächtigte und zu einer Zusammenfassung gelangte“ (Conze 1951, 68). Von großer Bedeutung für die Methodologie der k omperativen Linguistik war Leibniz’ Anwendung des Kontinuitätsprinzips und des Prinzips vom zureichenden Grund, nach denen bei der Frage nach den Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Sprachen die Übergänge fließend sein müssen (Aarsleff 1982 a, 92 f). In philosophischer Hinsicht interessierte Leibniz die Sprache unter zwei Gesichtspunk ten: zum einen als ein vielschichtiges und leistungsfähiges Zeichensystem, und zum anderen als Spiegel des menschlichen Geistes.
In historischer Hinsicht erwartete er vom Studium der Sprachen Ausk unft über die Herk unft, Wanderungen und Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Völk ern (vgl. dazu Neff 1870—1871, T. 2, 21—38 und Waterman 1963). „Et les langues en général estant les plus anciens monumens des peuples, avant l’écriture et les arts, en marquent le mieux l’origine, cognations et migrations“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 285 [= NE III, 2, § 1]; vgl. ferner Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 1 X, 244 [= Brief an Bignon 26. Jan. (5. Febr.) 1694]). Die Sprachen sind Ersatz für historische Dok umente (Leibniz 1768, Op. Omn. IV. 2, 186). Was ihm als allerdings unerreichbares Ideal vor Augen schwebte, war eine lück enlose Übersicht über die Sprachen der Welt, und zwar sowohl in synchroner als auch in diachroner Hinsicht, welche er ‘harmonia linguarum’ nannte (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 1 XII, 636 [= Brief an H. v. d. Hardt, Mitte Juni 1696]). Deshalb bat er Reisende, Kaufleute, Diplomaten und Missionare, Sprachproben von den Völk ern, denen sie begegneten, zu sammeln, und die Gelehrten forderte er auf, die in der Literatur erwähnten Worte wenig bezeugter Sprachen zusammenzustellen. Der zweite Teil seiner Welfengeschichte (migrationes gentium) sollte sich vor allem auf Ergebnisse des Sprachenvergleichs stützen. Dementsprechend standen die Sprachen und Völk er Europas und Asiens im Mittelpunk t seines Interesses. Er war der Überzeugung, daß „tout le genre humain est d’une même race“ (Leibniz 1885, 29) und daß die Wiege der Menschheit im Zweistromland zu suchen sei (Leibniz 1768, Op. Omn. V, 510). Von dort sind die Menschen nach seiner Meinung in die verschiedenen Gegenden der Welt ausgeströmt. Ein Teil, der sich auf Noahs Sohn Japhet zurück führen läßt, bildete einst auf dem europäischen-asiatischen Kontinent ein großes Reich mit einer gemeinsamen Sprache, wie aus den Völk ern dieser Gebiete gemeinsamen Wörtern wie Mähre (= Pferd) erschlossen werden k ann (vgl. Leibniz 1768, Op. Omn. IV.2, 187). Die japhetische Sprache spaltete sich auf in zwei große Stämme: den sk ythischen mit dem Türk ischen, Slavischen, Finnischen und Griechischen und den k eltischen mit dem Germanischen und dem Keltischen (vgl. die schematische Übersicht bei Richter 1946, Anhang). Gegen die vom schwedischen Gelehrten vorgetragene These,
1.2. Die Sprache als Werkzeug des menschlichen Geistes Als System von Zeichen bildet die Sprache einen Teilbereich der Zeichentheorie, der ›characteristica‹. Zeichen definiert Leibniz als „notam visibilem cogitationes repraesentantem“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition VII, 1482). Die Bedeutung der Zeichen für das menschliche Denk en und Erk ennen ist wohl von wenigen so nachdrück lich betont worden wie von Leibniz. Wie Thomas Hobbes (1588—1679) war er der Überzeugung, daß die Worte nicht nur Zeichen (signa) sind, anderen unsere Gedank en mitzuteilen, sondern auch Merk zeichen (notae), mit deren Hilfe wir uns frühere Gedank en in Erinnerung ru-
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fen (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 I, 278 [= Nova methodus I, § 23]). Die Sprache erfüllt demnach sowohl eine k ommunik ative als auch eine mnemonische Aufgabe (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 335 [= NE III, 9, § 1]); k ennzeichnend für Leibniz ist, daß er die mnemonische für die primäre hält (vgl. a. a. O., 500). Ähnlich wie Bacon unterscheidet Leibniz drei den Menschen k ennzeichnende Habitus: ›memoria‹, ›inventio‹, ›judicium‹ und gliedert dementsprechend die Lerntheorie in Mmemonica, Topica und Analytica. Die Mnemonik ist die Voraussetzung der beiden anderen. Denk en ist nach Leibniz in einem gewissen Umfang auch ohne Zeichen und ohne Sprache möglich (in der intuitiven Erk enntnis); doch macht die Begrenztheit des menschlichen Geistes den Gebrauch von Zeichen zumindest bei längeren Gedank engängen notwendig: „Itaque nemo ratiocinationes longe productas persequi animo posset, nisi reperta essent signa quaedam, id est nomina, quibus magna rerum vis ita compendiose comprehenderetur, ut plurima celeriter percurrere liceret“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 II, 481 [= Demonstrationes propositionum primarum, 1671—1672?]; vgl. Heinekamp 1976, 525).
Leibniz verdeutlicht diesen Sachverhalt gern mit dem Bild der Rechenpfennige: Wir haben „Zeichen nöthig [...] nicht nur unsere Meynung andern anzudeuten, sondern unsern Gedanck en selbst zu helfen. Denn gleichwie man in großen Handels Städten [...] nicht allezeit Geld zahlet, sondern sich an dessen statt der Zeddel oder Marck en biss zur letzten Abrechnung oder Zahlung bedienet; also thut auch der Verstand mit den Bildnissen der Dinge, zumal wenn er viel zu denck en hat, dass er nehmlich Zeichen dafür brauchet, damit er nicht nöthig habe, die Sache iedesmahl so offt sie vork ommt, von neuem zu bedenck en. Daher [...] begnügt er sich hernach offt, nicht nur im äusserlichen Reden, sondern auch in den Gedanc k en und innerlichem Selbst-Gespräch das Wort an die Stelle der Sache zu setzen“ (Leibniz 1916, § 5).
Demnach ist die Sprache nach Leibniz ein Repräsentant der Wirk lichk eit oder der Gedank en. Wir brauchen die Worte „als Zifern oder als Rechen-Pfennige an statt der Bildnisse und Sachen“ (Leibniz 1916, § 7). Die Sprache und die Zeichen sind nach Leibniz nicht nur Stützen des Denk ens, sondern k onstitutive Momente des Denk ens (vgl. Dascal 1987). Sie sind „proximum cogitandi instrumentum“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 II, 420 [= Nizolius-Vorrede]). Den-
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k en wird zum Operieren mit Zeichen: „Omnis Raciocinatio nostra nihil aliud est quam characterum connexio et substitutio“ (GP VII, 31). Ein gut gewähltes Zeichensystem wie Leibniz’ Zeichen der Infinitesimalrechnung bewirk t, daß „multa primo obtutu appareant, et ipso calculi lusu nascantur, quae alias vi ingenii aut labore imaginationis assequi necesse est“ (für Huygens, 1691, in: GM II, 117). Hier werden die Zeichen zu einem Instrument der ›ars inveniendi‹ und der ›ars judicandi‹. Genauer gesagt haben die Zeichen vier Aufgaben: ›pingi‹, ›figi‹, ›contrahi‹, ›ordinari‹ (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 2 I, 412 f [= Brief an Tschirnhaus, Ende Mai 1678]). Leibniz’ Zeichentheorie ist in seiner Metaphysik begründet, nach welcher auch die abstrak testen Gedank en eine Entsprechung im Sinnlichen haben müssen. „Il n’y a jamais pensée abstraite, qui ne soit accompagnée de quelques images ou traces materielles, et j’ay etabli un parallelisme parfait entre ce qui passe dans l’ame et entre ce qui arrive dans la matiere“ (GP VI, 533 [= Considerations sur la doctrine d’un Esprit Universel unique, 1702]).
Die sinnlichen Entsprechungen sind die Zeichen. — Allerdings ist die Sprache nach Leibniz nicht nur eine Vermittlerin von Gedank en und damit ein ›organon mentis‹, sondern sie gibt auch die Möglichk eit, „andere [zu] bewegen“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 4 III, 812 [= Ermahnung]); d. h. sie ist Mittel der Interak tion. Diese Aufgabe ist nach Leibniz die ursprüngliche, denn er war wohl der Überzeugung, daß in Interjek tionen und Ausrufen der Ausgangspunk t der Sprache zu suchen sei. Es ist Aufgabe der Rhetorik , diesen Aspek t der Sprache zu untersuchen (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 II, 420 [= Nizolius-Vorrede]). 1.3. Die Sprache als Spiegel des Geistes Da die Sprache Erzeugnis und Werk zeug des Geistes ist, offenbart sich in ihr der Charak ter des Geistes und seiner Tätigk eiten. Dementsprechend war Leibniz der Überzeugung, „que les langues sont le meilleur miroir de l’esprit humain, et qu’une analyse exacte de la signification des mots feroit mieux connoitre que toute autre chose, les operations de l’etendement“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 333 [= NE III, 7, § 6]).
Er sprach die Hoffnung aus, man werde mit der Zeit alle Sprachen der Welt in Lexik a und Grammatik en erfassen und dann miteinander vergleichen. Das ist nach seiner Mei-
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nung von großem Nutzen sowohl für die Erk enntnis der Dinge, weil die Worte oft Eigenschaften der Dinge angeben, als auch für „la connoissance de notre esprit, et de la merveilleuse variété de ses opérations“ [die Erk enntnis unseres Geistes und der wunderbaren Vielfalt seiner Tätigk eiten] (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 337 [= NE III, 9, § 5]). — Leider hat Leibniz k eine systematische Ausarbeitung zu diesem Thema hinterlassen. Seine Äußerungen zur Bedeutungsentwick lung einzelner Wörter zeugen jedoch von einem tiefen Verständnis des sprachlichen Geschehens. Die enge Verflochtenheit zwischen Sprache und Geist sowie Sprache und Kultur ist wohl k aum jemandem im 17. Jahrhundert so deutlich bewußt gewesen wie Leibniz. Ihm ist die Sprache „eine Dolmetscherin des gemüths und eine behalterin der wißenschafft“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 4 III, 819 [= Ermahnung an die Teutsche, 1679 (?)]). Durch die „Erk lärung der Kunst-Worte“ werden „die Wissenschafften selbst erläutert und befördert“ (Leibniz 1916, § 36; vgl. auch § 39). Eine „wohlausgeübte Muttersprach [befördert] wie ein rein polirtes glas gleichsam die scharffsichtigk eit des gemüths [...], und [giebt] dem verstand eine durchleuchtende clarheit“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 4 III, 809); daher läuft eine Blüte der Sprache mit einer Blüte der Kultur parallel, und Sprachverfall bedeutet Kulturverfall (vgl. S. 812 u. 815). Die Verbesserung einer Sprache hat einen k ulturellen und geistigen Aufstieg der Sprachgemeinschaft zur Folge. Daher ist es verständlich, daß Leibniz mehrere Denk schriften über die Verbesserung der deutschen Sprache hinterlassen hat. 1.4. Die Frage nach dem Ursprung der Sprache Über die Frage nach dem Ursprung der Sprache wurde zur Zeit Leibnizens und auch später bis zum Ende des 18. Jahrhunderts heftig disk utiert (s. Art. 65). In der Regel wurde der biblische Schöpfungsbericht als Geschichtswerk verstanden. Dementsprechend war man überzeugt, daß das gesamte Menschengeschlecht von den beiden Ureltern abstamme und sämtliche Sprachen sich aus nur einer Ursprache, der Adams, entwick elt hätten. Die adamitische Sprache, welche nach der Meinung einiger Sprachforscher von Gott offenbart, nach anderen von Adam erfunden wurde, betrachtete man als vollk ommenen Ausdruck der Wirk lichk eit; in ihren Worten
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„essentias rerum intueri posse“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition VI, 1204 [= Fundamenta calculi ratiocinatoris]; vgl. Courtine 1980, 376 ff). Die Wörter der adamitischen Sprache sind „véritablement porteurs d’intelligibilité et ouvrent à l’esprit l’intelligence des choses“, sie ist „produit de la raison et source de rationalité“ (Courtine 1980, 378). Und deshalb bemühten sich viele darum, diese Sprache wiederherzustellen. Für Leibniz ist die Sprache weder ein Geschenk Gottes noch das Produk t menschlicher Überlegung, sondern die Sprachen sind entstanden „naturali quodam impetu [...] hominum, sonos ad affectus motusque animi attemperantium“ (Leibniz 1768, Op. Omn, IV.2, 187). Eine ähnliche Auffassung findet sich bei Aristoteles (vgl. De interpretatione, 16 a 3—8). Leibniz betrachtete die Versuche, die Ursprache durch einen Vergleich der überlieferten Sprachen oder durch Einsicht (wie bei Johann Baptist van Helmont, 1579—1644) wiederherzustellen, als undurchführbar. Nach seiner Meinung ist die adamitische Sprache „nobis certe ignota“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition VI, 1204). Deshalb k ann man nicht zu einer vollk ommenen Übersicht über die Sprachen gelangen (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 1 XII, 636 [= Brief an H. von der Hardt, Mitte Juni 1696]). Denn Veränderung und Entwick lung sind natürliche Eigenschaften der Sprachen, es gibt eine „naturalis mutabilitas linguarum“ (Epistolaris, § 21). Der Wandel der Sprache k ann zwar als Abfall von einer ursprünglichen Voll k ommenheit verstanden werden („linguae naturaliter corrumpuntur“, Leibniz 1768, Op. Omn. IV.2, 232 [= Brief an Tentzel, Juli 1697]), er ist aber unvermeidlich; denn es ist denk bar, daß die „[...] primitiva lingua esse simplicior, quam ut posteris sufficeret“ [Ursprache zu einfach war, als daß sie den späteren Generationen genügt hätte“] (Epistolaris, § 22). Es ist anzunehmen, daß bereits die ersten Menschen von der ursprünglichen Sprache (lingua protoplastis) abgewichen sind und sich eigene Wörter gebildet haben (Epistolaris, § 15). Daher muß man annehmen, daß die heutigen Sprachen „partim ex primogenia, partim ex novo hominum per orbem dispersorum usu“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition III, 497; vgl. C 151) entstanden sind. — Deshalb ist es verständlich, daß Leibniz der Frage nach der Ursprache wenig Aufmerk samk eit geschenk t hat. Was ihn in der Disk ussion um die Ursprache interessierte, war weniger die Frage nach dem zeitlichen Anfang der Sprache als vielmehr die Frage
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nach den Grundlagen und den letzten Elementen der Sprache. Die Grundlage der Sprache muß nach seiner Meinung etwas Natürliches sein, und das gilt „non tantum in lingua primogenia [...], sed et in linguis posterius partim ex primogenia, partim ex novo hominum per orbem dispersorum usu enatis“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition III, 497; vgl. C. 151). Insofern gibt es k einen wesentlichen Unterschied zwischen der adamitischen Sprache und den überlieferten natürlichen Sprachen. Bis zu einem gewissen Grade finden sich die Besonderheiten der Ursprache in jeder Sprache. Insofern ist der Gedank e einer „langue radicale et primitive“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI [= NE III, ii, § 1]; Courtine 1980, 383) regulatives Prinzip jeder Sprachforschung. Er ist eine suggestive Metapher für die natürlichen Vorgänge bei der Entstehung und Entwick lung der Sprache (Rutherford, im Druck , 20). — Gelegentlich betont Leibniz, alle Sprachen schienen ihm Weiterentwick lungen aus einer Ursprache zu sein. Das würde bedeuten, daß allen Sprachen dieselben ursprünglichen Wörter zugrunde liegen. An anderen Stellen bezieht er die ursprüngliche Schicht in die Sprachentwick lungen ein. Jede Epoche hat die Kraft, neue ursprüngliche Wörter zu bilden. Ursprünglich sind die Wörter, aus denen andere abgeleitet sind, die aber selbst nicht auf andere zurück geführt werden k önnen. Ihre Bedeutung ist nicht aus anderen zu erk lären, sondern an ihnen selbst erk ennbar. Denn in „omni [...] primitivo ordo et causae apparere debent“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 1 XII, 582 [= Brief an H. von der Hardt, 12. Mai 1696]). Maßgeblich für die Frage nach der Ursprünglichk eit von Wörtern ist ihr semantischer Bezug zur Wirk lichk eit. Daß seine Bedeutung an ihm selbst ablesbar ist, ist Zeichen eines ursprünglichen Wortes. Das ist der Fall bei onomatopöetischen Wörtern. Leibniz hat k eine vollständige Theorie der Onomatapöesie entwik k elt, er spricht drei sprachlichen Gebilden onomatopöetische Kraft zu: Buchstaben, Wörtern und Interjek tionen (vgl. dazu Heinekamp 1976, 537—546). Leibniz hat k eine einheitliche Theorie über den Ursprung der Sprache und die Wurzelwörter ausgearbeitet. Einige Äußerungen lassen vermuten, daß er ähnlich wie andere Sprachforscher seiner Zeit (Cassirer 1964, 90 ff) in Interjek tionen die ursprünglichste Schicht der Sprache gesehen hat, „linguas ex interjectionibus natas videri“ (Epistolaris,
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§ 20). Die Interjek tionen sind ein „residuum illius loquendi rationis quam solam habent bestiae“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition II, 360 [= De lingua philosophica]). Denn er hält es für wahrscheinlich, daß die ungebildeten Menschen „initio in voces inarticulatas prorumperent, quibus demum natas interjectiones articulatas apparet, et ex his voces“ (Epistolaris, § 20). Äußerungen wie diese lassen vermuten, daß Leibniz der Überzeugung war, die Sprache habe zunächst als Mittel der zwischenmenschlichen Interak tion gedient, und die k ommunik ative und die mnemonische Funk tion der Sprache seien erst später hinzugek ommen. Dementsprechend dürfte Leibniz den Menschen primär als prak tisch handelndes Wesen gesehen haben und erst in zweiter Hinsicht als Wesen, das über sich und die Welt nachdenk t. Hiermit stimmt überein, daß Leibniz im Imperativ die Urform des Verbs glaubte finden zu können: „Radices verborum in Imperativo magna ratione quaeruntur. Hinc Germanis verbum in Imperativo monosyllabum, in aliis modis dilativum. Nempe primus et maxime naturalis verbi usus imperare, seu dicere, quid velimus agi. Quin et apud latinos et graecos imperativum esse radicalem invenio [...] Germanis merito monosyllabus est imperativus“ (Leibniz 1718, 427).
Die Interjek tionen bringen nach Leibniz „animi motus“ (Epistolaris, § 20) zum Ausdruck . Diese Kraft hat sich auch in den gegenwärtigen natürlichen Sprachen erhalten. Daher haben die natürlichen Sprachen eine unglaubliche Kraft, die Gemüter zu bewegen: „Unde verba in carmina, in cantiones redacta, quia et picturas excitant et sonos exhibent, incredibilem habent vim movendi“ (Leibniz 1718, 170). Gemeinsam ist den onomatopöetischen Sprachgebilden, daß sie sich auf den Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren beziehen. Dementsprechend vertritt Leibniz die Auffassung, die Sprachen seien entstanden „ex sonorum consensu cum affectibus, quos rerum spectacula in mente excitabant“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition III, 497; vgl. C 151). In der Epistolaris [...] dissertatio schreibt er: „Rerum autem naturalium, sensibilium, crebrius occurrentium appellationes priores fuere quam rariorum, artificialium, moralium et metaphysicarum“ (§ 23; vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 104 [= NE I, 3, § 8]). Das hat Leibniz in aller Deutlichk eit im Hinblick auf die Präpositionen nachgewiesen (vgl. Leibniz 1982 ff, Vorausedition II, 361; C 290; 287; Leibniz 1923 ff,
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Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 277 [= NE III, 1, § 5]; vgl. auch Leibniz 1982 ff, Vorausedition III, 514 ff [= Analysis particularum]).
2.
Sprache und Wirklichkeit (Semantik)
Leibniz übernimmt das auf Aristoteles (384— 322 v. Chr. (s. Art. 15) zurück gehende Dreistufenschema der semantischen Beziehung: Sprache — Ideen — Dinge: „Les Substances et les Modes sont egalement representés par les idées; et les choses, aussi bien que les idées, dans l’un et l’autre cas sont marquées par les mots“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 287 [= III, 2, § 4]).
Für ihn sind „die Worte nicht nur der Gedanck en, sondern auch der Dinge Zeichen“ (Leibniz 1916 § 5; vgl. § 40). Die Beziehung zwischen den drei Bereichen ist nach Leibniz nicht leicht zu bestimmen (vgl. Poser 1979; Jolley 1990). 2.1. Idee Die Ideen stehen im Mittelpunk t der Leibnizschen Erk enntnislehre. Leibniz geht aus vom Cartesischen Sprachgebrauch, nach welchem jeder Inhalt des Bewußtseins als Idee bezeichnet werden k ann. Allerdings erweitert er den Umfang dieses Wortes insofern, als er nicht nur die Inhalte unter ihm zusammenfaßt, deren sich der Denk ende bewußt ist, sondern auch die, deren er sich noch nicht oder nicht mehr bewußt ist, deren er sich aber bewußt werden k önnte; sie sind Möglichk eiten des Denk ens und Dispositionen (vgl. NE II, 1, § 1 u. II, 10, § 2). Dementsprechend gibt Leibniz die Cartesische Unterscheidung zwischen angeborenen, von außen empfangenen und selbstgemachten Ideen auf. Sämtliche Ideen sind angeboren; denn die Monade schöpft alles aus dem eigenen Grund. Die Gegenstände der äußeren Wahrnehmung sind nur die Gelegenheiten zum Erweck en der Ideen. Allerdings steht diese ›erk enntnispsychologische‹ Bedeutung des Wortes ‘Idee’ in Spannung zu einer anderen, nach welcher die Ideen (oder Essenzen) die Möglichk eiten sind, „qui sont independantes de nostre pensée“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 293 [= NE III, 3, § 13]). Sie sind als ›regio idearum‹ die Gedank en, nach denen Gott die Welt geschaffen hat, und als solche ein getreues Abbild der Wirk lichk eit. Aber sie sind nicht identisch mit den Denk inhalten des menschlichen Geistes, für welche Leibniz ge-
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legentlich den Ausdruck ‘conceptus’ (Discours, § 27) oder ‘notion’ verwendet, sondern der Gegenstand, das Objek t des Denk ens (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 109 [= NE II, 1, § 1]; vgl. S. 119 [= NE II, 1, § 23]). 2.2. Wahrheit Der Wirk lichk eitsbezug ist den Ideen oder Begriffen nach Leibniz nicht zufällig und äußerlich beigegeben wie bei René Descartes (1596—1650) und den Ok k asionalisten. Leibniz lehnt die Auffassung, die Ideen hätten ebensowenig Beziehung zu den Dingen wie die Worte oder Schriftzeichen zu den Ideen, ab (vgl. GP VI, 403 f). Dieser Wirk lichk eitsbezug ist durch die ›Repräsentation‹ gegeben (GM III, 577); denn die „representation a un rapport naturel à ce qui doit être representé“ [das Repräsentierende hat einen natürlichen Bezug zu dem, was repräsentiert werden soll] (Théodicée, § 356). Der Zusammenhang zwischen der Darstellung und dem Dargestellten beruht also nicht auf einer willk ürlichen Vereinbarung. Daher brauchte Leibniz nicht wie Descartes auf die Wahrhaftigk eit Gottes als Garanten der objek tiven Gültigk eit der Erk enntnis zurück zugreifen; denn die Ideen haben den Wirklichkeitsbezug aus sich selbst. „Ideam itaque rerum in nobis esse, nihil aliud est, quam Deum autorem pariter et rerum et mentis eam menti facultatem cogitandi impressisse, ut ex suis operationibus ea ducere possit quae perfecte respondeant his quae sequuntur ex rebus“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition III, 454 [= Quid sit idea]).
Der Grund dafür, daß der Mensch die Wirk lichk eit erk ennen k ann, ist also darin zu suchen, daß „l’essence de nostre ame est une certaine expression ou imitation ou image de l’essence, pensée ou volonté divine“ [die Wesenheit unserer Seele ein bestimmter Ausdruck , eine Nachahmung oder ein Bild der göttlichen Wesenheit, des göttlichen Denk ens oder Willens ist] (Discours, § 28). — Erk enntnis zielt damit für Leibniz auf eine Angleichung (adaequatio) des Denk ens an die Wirk lichk eit ab. Dabei ist die Wirk lichk eit dem Menschen vorgegeben. Insofern vertritt Leibniz die Position des erk enntnistheoretischen Realismus. Von der intuitiven Erk enntnis abgesehen ist jedes Erk ennen durch Begriffe vermittelt. Daher gibt es k eine von den Begriffen unabhängige Möglichk eit, das Denk en auf seine Übereinstimmung mit dem Sein hin zu überprüfen. Das Kriterium der Wahrheit k ann nur in der Erk enntnis selbst gesucht werden. Allerdings weist Leibniz das Carte-
II. Personen
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sische Wahrheitsk riterium der Klarheit und Deutlichk eit als unzureichend ab, weil es subjek tiv sei. Aus der repräsentativen Kraft der Ideen gewinnt er seine Wahrheitsk riterien. Nun unterscheidet Leibniz zwischen notwendigen und k ontingenten Wahrheiten, zwischen Vernunft- und Tatsachenwahrheiten. Für beide Arten gelten unterschiedliche Wahrheitsk riterien. Ein notwendiger Satz ist wahr, wenn er mit Hilfe der Begriffsanalyse in endlich vielen Schritten auf einen identischen Satz zurück geführt werden k ann. Kontingente Sätze bedürfen einer unendlichen Analyse, welche der Mensch in der Regel nicht durchführen k ann. In der k leinen Abhandlung De modo distinguendi phaenomena realia ab imaginariis (GP VII, 319—322) führt Leibniz die Plastizität und Gesetzmäßigk eit der Erscheinungen als Kriterium ihrer Wirk lichk eit und damit auch als Kriterium für die Wahrheit der betreffenden Sätze an. An Bartholomäus des Bosses (1668—1738) schreibt er am 16. Juni 1712: „Verum est, consentire debere, quae fiunt in anima, cum iis quae extra animam geruntur; sed ad hoc sufficit, ut quae gerantur in una anima respondeant tum inter se, tum iis quae geruntur in quavis alia anima; nec opus est poni aliquid extra omnes Animas vel Monades“ (GP II, 451).
Daher k ann Leibniz auch als Wegbereiter der Kohärenztheorie der Wahrheit betrachtet werden (vgl. Rescher 1974, 130—134). 2.3. Irrtum Zwar zielen das Denk en und die Sprache auf eine möglichst genaue Erfassung der Ideen ab, aber sie erreichen dieses Ziel nicht immer. Ja, es gibt Fälle, in denen einem sprachlichen Gebilde überhaupt k eine Idee entspricht, weil der Ausdruck widerspruchsvoll ist. „Nam saepe fit ut combinemus incompatibilia, velut cum de Motu celerrimo cogitamus quem impossibilem esse constat, adeoque idea carere, et tamen concessum nobis est de eo cum intellectu loqui. Scilicet alibi a me explicatum est, saepe nos confuse tantum cogitare id de quo loquimur neque ideae in mente nostra existentis conscios esse, nisi rem intelligamus et quantum satis est resolvamus“ (GP IV, 360 [= Animadversiones in partem generalem principiorum Cartesianorum, ad. art. 18]; vgl. GP IV, 424 [= Meditationes de cognitione, veritate et ideis]).
Daher irrt der Mensch häufig, weil er glaubt, den Wörtern entsprächen Ideen, die ihnen nicht entsprechen. Die Möglichk eit des Irrtums ist daher in einem Mangel an Auf-
merk samk eit und an Erinnerung zu suchen (GP IV, 356). In diesen Fällen verwechselt man Schein und Sein. Man k ann den Wörtern oft nicht ansehen, ob ihnen eine Idee entspricht, und man k ann in den meisten Fällen nicht an ihnen selbst erk ennen, welche Ideen sie bezeichnen. Die Zuordnung zwischen Lautform und Idee ist zwar nach Gründen erfolgt (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 II, 500), aber diese Gründe sind in den meisten Fällen nicht an der Wortform zu erk ennen. Deshalb müssen die Zuordnungen fast bei jedem Wort gelernt werden. Es gibt k einen ›Schlüssel‹ zum Verständnis der natürlichen Sprache, wie z. B. Andreas Müller (1630—1694) ihn für die chinesische Schrift in Aussicht gestellt hatte. Das ist deshalb so, weil die Sprache zwar Ausdruck und Repräsentant der Ideen bzw. der Wirk lichk eit ist, aber zwischen Ausdruck und Ausgedrück tem k eine Ähnlichk eitsbeziehung bestehen muß. Es reicht nach Leibniz, wenn eine gewisse Analogie zwischen den Beziehungen (habitudinum quaedum analogia) gewahrt bleibt (Leibniz 1982 ff, Vorausedition III, 454 [= Quid sit idea]). In einem Brief an Simon Foucher (1644—1696) aus dem Jahre 1686 verdeutlicht Leibniz diesen Sachverhalt anhand der Beziehung zwischen der Ellipse und dem Kreis. Die Analogie besteht in diesem Fall darin, daß jedem Punk t auf der Ellipse ein Punk t auf dem Kreis entspricht und umgek ehrt (GP I, 383; vgl. C 15). Da diese Beziehung nicht immer leicht zu durchschauen ist, ist der Mensch der Möglichk eit des Irrtums ausgesetzt.
3.
Sprache und Denken (Pragmatik)
Denk en vollzieht sich nach Leibniz im Medium der Sprache. Die natürlichen Sprachen bilden die Dinge nicht unvermittelt ab, sondern nur insofern, als sich die Wirk lichk eit im Bewußtsein des Menschen spiegelt. Die Beziehung zwischen den Gedank en und den Zeichen ist nach Leibniz weder notwendig noch zufällig (s. Art. 71), „die Wort [k ommen] nicht eben so willk ührlich oder von ohngefehr herfür [...], als einige vermeynen; wie dann nichts ohngefehr in der Welt als nach unserer Unwissenheit, wenn uns die Ursachen verborgen“ (Leibniz 1916, § 50).
Denn die „Gedank en und Zeichen bedingen sich wechselseitig, weil zwischen ihnen die gleiche prästabilierte Harmonie besteht wie zwischen Seele und Körper“ (Ricken 1989, 157).
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Nun unterscheiden sich nach Leibniz die Monaden dadurch voneinander, daß sie dasselbe Universum auf je verschiedene Weise spiegeln. Durch die Vielheit der Monaden wird das Universum infolge der unterschiedlichen Spiegelungen gewissermaßen vervielfältigt (GP VI, 616 [= Monadologie, § 57]). Dieser Vielheit der Spiegelungen entspricht die Vielheit der Sprachen. Zwischen den verschiedenen Sprachen bestehen tiefgreifende Unterschiede, denn k eine gibt „ander Sprachen Worte jedesmahl mit gleichem Nachdruck und auch mit einem Worte“ wieder (Leibniz 1916, § 61). Daher ist es verständlich, daß Leibniz der Erforschung der natürlichen Sprachen so große Aufmerk samk eit geschenk t hat. Denn die Sprachen sind ein Spiegel des menschlichen Geistes und eine wichtige Quelle für die Erk enntnis des menschlichen Geistes. Die Sprache ist jedoch nicht nur ein Spiegel des Denk ens, sondern auch eine Hilfe. Wo die Sprache „rechtschaffen blühet, da thun sich auch zugleich treffliche geister in allen wißenschafften herfür“ (Leibniz 1864—1884, Werke VI, 217). Die Sprache k ann die k ulturelle Blüte eines Volk es fördern. So hat die deutsche Sprache nach Leibniz vor der englischen, französischen und italienischen den Vorzug, „daß die gedanck en, die man in guthem reinen Teutsch geben k an, auch gründlich seyn, was aber sich nicht guth Teutsch geben läßt, bestehet gemeiniglich in leeren worthen und gehöhret in die Scholastik “ (Leibniz 1864—1884, Werke VI, 218). So ist die deutsche Sprache nach Leibniz ein „sonderbahrer Probierstein der Gedanck en“ (Leibniz 1916, § 11). — Erscheint die Sprache an diesen Stellen als Stütze und Führerin des Denk ens, so k ann sie auf der anderen Seite den Menschen in die Irre führen. Ein Beispiel dafür sind nach Leibniz‘ Meinung die Spitzfindigk eiten und Trugschlüsse der Scholastik (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 I, 538 [= Von der Allmacht]). Zum Mißbrauch der Sprache und zum Irrtum k ann es k ommen, weil die Wörter oft gebraucht werden, ohne daß man sich ihrer Bedeutung vergewissert hätte. „On raisonne souvent en paroles sans avoir presque l’objet même dans l’esprit“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 6 VI, 186 [= NE II, 21, § 31]). Diese Art des Denk ens nennt Leibniz taubes oder blindes Denk en (pensée sourde, cogitatio caeca). Sie ist allerdings auf der anderen Seite die Voraussetzung der Leistungsfähigk eit des menschlichen Denkens, denn „wenn man im Reden und auch selbst im Ge-
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denck en k ein Wort sprechen wolte, ohne sich ein eigentliches Bildniss von dessen Bedeutung zu machen, würde man überaus langsam sprechen oder vielmehr verstummen müssen“ (Leibniz 1916, § 6).
Niemand stellt sich z. B. die einzelnen Einheiten vor, wenn er das Wort ‘einhunderttausend’ gebraucht; denn aufgrund der Zeichen k ann man darauf verzichten (vgl. Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 2 I, 228 [= Accessio ad arithmeticam infinitorum]). So wird das Denk en für Leibniz zu einem Spielen mit Zeichen: „La plus part de nos raisonnemens, sur tout ceux qui s’entremelent dans les principales veues, se font par un jeu de caracteres, comme on joue du clavessin par costume en partie, sans que l’ame en cela s’en apperçoive assez, et forge les raisons avec reflexion autrement on parleroit trop lentement“ (zitiert nach Heinekamp 1976, 565).
Hierin ist die Leistung der Sprache, aber auch die Irrtumsfähigkeit begründet.
4.
Sprache und Logik
Die natürlichen Sprachen sind Gegenstand einer umfassenderen Wissenschaft, die Leibniz Theorie der Zeichen nennt (vgl. C 98 f [= Méthode de la certitude]). Zu dieser gehören außer der Mathematik auch Leibniz’ Bemühungen um die Entwick lung k ünstlicher Sprachen der Logik . Dabei k ann man drei Bereiche unterscheiden: die ›characteristica universalis‹, die rationale Grammatik (s. Art. 44) und die Kalküle der formalen Logik. 4.1. Die ›characteristica universalis‹ Leibniz’ Pläne k nüpfen an Entwürfe von Universalsprachen, wie sie im 17. und 18. Jahrhundert von verschiedenen Autoren ausgearbeitet wurden, an (vgl. Pombo 1987) (s. Art. 64). Im Gegensatz zu diesen Entwürfen sollte Leibniz’ ›characteristica‹ nicht nur Menschen aus unterschiedlichen Sprachgemeinschaften als Verständigungsmittel dienen, sondern sie sollte als philosophische Sprache auch ›ars inveniendi‹ und ›ars judicandi‹ sein (vgl. GP VII, 7). Er schreibt: „Ars characteristica est ars ita formandi atque ordinandi characteres, ut referant cogitationes, seu ut eam inter se habeant relationem, quam cogitationes inter se habent. Expressio est aggregatum characterum rem quae exprimitur repraesentantium. Lex expressionum haec est: ut ex quarum rerum ideis componitur rei exprimendae idea, ex illarum rerum characteribus componatur rei expressio“ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition VII, 1482).
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Die Zeichen sollen demnach die Struk tur der Begriffe oder Ideen genau abbilden. Da nach Leibniz die meisten Begriffe k omplex und aus einfachen zusammengesetzt sind, besteht die erste Aufgabe darin, die Begriffe in ihre Bestandteile aufzulösen. Das geschieht mit Hilfe der Definition der Begriffe. Die Analyse ist so lange fortzusetzen, bis man zu den Grundbegriffen, den „prima possibilia ac notiones irresolubiles“ (GP IV, 425 [= Meditationes de cognitione veritate et ideis]) gelangt. Sind die Grundbegriffe (das „Alphabetum cogitationum humanarum“, C 435) gegeben, so k önnen aus ihnen sämtliche Begriffe durch Synthese gewonnen werden (GP VII, 185). Den analysierten Begriffen werden Zeichen zugeordnet, und zwar so, daß eine eineindeutige Zuordnung zwischen einem Zeichen und einem Begriff besteht. Mehrdeutige und synonyme Zeichen sind auszuschließen. Die Zeichen sind demnach ›Etik etten‹ von Begriffen und in dieser Hinsicht Eigennamen vergleichbar. Zwischen den Dingen, den Begriffen und den Zeichen besteht in der ›characteristica universalis‹ ein Isomorphismus. Ist die Analyse der Begriffe durchgeführt und die Zuordnung der Zeichen erfolgt, k ann ohne Mühe an den Zeichen erk annt werden, ob eine vorgegebene Verbindung der Leibnizschen Definition des wahren Satzes entspricht, d. h. ob der Prädik atbegriff im Subjek tbegriff enthalten ist (ars judicandi); es k ann ferner gesehen werden, welche neuen Verbindungen gebildet werden k önnen (ars inveniendi); denn „quoniam resolutio conceptus resolutioni Characteris ad amussim respondet, Characteres tantum aspecti nobis, adaequatas notitias, sponte et sine labore ingerent in mentem“ (Leibniz 1923 ff, Sämtl. Schriften u. Briefe R 2 I, 413 [= Brief an Tschirnhaus, Ende Mai 1678]).
Leibniz hat k eine ›characteristica‹, die diesen Ansprüchen genügte, ausgearbeitet. Was er hinterlassen hat, sind programmatische Schriften und Definitionstafeln als Vorarbeiten für die Analyse der Begriffe. Daß er beim Aufbau der characteristica nicht weitergek ommen ist, überrascht nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sämtliche Begriffe in ihre letzten Elemente zerlegt werden müßten, wobei Leibniz allerdings selbst daran gezweifelt hat, daß der Mensch zu den Grundbegriffen gelangen k önnte (vgl. GP, 425 [= Meditationes de cognitione veritate et ideis]). Davon abgesehen entspricht die statische Auffassung des Begriffssystems nicht der dynamischen Entwick lung der Wissenschaften. Trotzdem ist es verständlich, daß das Projek t
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der ›characteristica universalis‹ Leibniz fasziniert hat. Denn in diesem Zeichensystem wäre an den Zeichen selbst zu erk ennen, welche Verbindungen wahr und welche falsch sind, und das Denk en ließe sich auf ein Operieren mit Zeichen reduzieren (vgl. C 155), und alle Fehler wären Rechenfehler (vgl. GP VII, 200). 4.2. Die Kalküle der formalen Logik Leibniz hat eine große Zahl von Schriften zur formalen Logik hinterlassen, so daß er mit Recht als Ahnherr dieser Disziplin betrachtet werden k ann (vgl. Burck hardt 1980). Von den Entwürfen zur ›characteristica universalis‹ unterscheiden sich diese Schriften durch die Verwendung von Variablen. 4.3. Die grammatica rationis Die Schriften zu diesem Themenbereich haben durch Noam Chomsk ys (*1928) transformationelle generative Grammatik eine besondere A k tualität erhalten (vgl. hierzu Burck hardt 1980, Teil 2). Leibniz sucht in ihnen den Formenreichtum der Grammatik en natürlicher Sprachen auf die zugrunde liegenden Grundformen zurück zuführen (vgl. Leibniz 1982 ff, Vorausedition V, 921 [= De lingua rationali, April 1678]); d. h. k omplexe Sätze sollen auf Verbindungen einfacher Sätze reduziert werden, und dadurch sollen die Wahrheitsbedingungen explizit gemacht werden. Entsprechend der Tradition teilt Leibniz die Wörter ein in k ategorematische (d. h. sachhaltige Wörter: Substantive, Adjek tive usw.) und syn k ategorematische (Konjun k tionen, Partik el usw.) (vgl. Leibniz 1982 ff, Vorausedition II, 353 [= De lingua philosophica]). Leibniz verwandte besondere Mühe darauf, die synk ategorematischen Wörter auf Grundformen zurück zuführen. Ein Beispiel dafür ist die ›Analysis particularum‹ (Leibniz 1982 ff, Vorausedition III, N. 134; vgl. dazu Dascal 1989). 4.4. Komplementarität zwischen der natürlichen Sprache und den künstlichen Sprachen Ernst Cassirer (1874—1945) (s. Art. 37) und einige andere Autoren vertreten die Auffassung, Leibniz habe sich vornehmlich für die Sprache als ›Erk enntnismittel‹ und als „Instrument der logischen Analyse“ interessiert (Cassirer 1964, 71) und „die spezifische Eigentümlichk eit der Sprache als Laut- und Wortsprache [...] letzten Endes ausgeschaltet“ (73). Diese Interpretation wird seit Hans
23. Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716)
Aarsleffs (* 1925) Veröffentlichungen unter dem Titel ‘Cassirer-These’ erörtert. Gegen sie spricht zunächst der Umfang und die Intensität der Leibnizschen Beschäftigung mit der Erforschung natürlicher Sprachen. Es liegt auf der Hand, daß die Ersetzbark eit sich nur auf eine Funk tion der Sprache beziehen k ann, nämlich auf die Sprache als Erk enntnismittel. Mir ist k eine Stelle bek annt, an der Leibniz den k ünstlichen Sprachen dieselbe Kraft, die Gemüter zu bewegen, zugesprochen hätte wie den natürlichen. Aber auch in bezug auf die Sprache als Erk enntnismittel hat Leibniz wesentliche Unterschiede zwischen der Struk tur der ›characteristica universalis‹ und den natürlichen Sprachen gesehen. Die ›characteristica universalis‹ (vgl. dazu Burck hardt 1987) ist das Ergebnis einer logischen Analyse der Ideen oder Begriffe. Die Ideen oder Begriffe sind zu zerlegen in die letzten einfachen Elemente. Die Bedeutung zusammengesetzter Zeichen und Begriffe ist eine Funk tion der Bedeutung der einfachen Zeichen und Begriffe. Nun hat Leibniz zwar angenommen, daß in einigen Wortbildungen natürlicher Sprachen die abgeleiteten Wörter eine Funk tion der Wurzeln sind, nämlich in den onomatopöetischen Wörtern, aber dies ist längst nicht bei allen der Fall. Neue Wörter mit neuer Bedeutung entstehen in der Regel durch Übertragungen. Das ist besonders deutlich erk ennbar bei sprichwörtlichen Redewendungen wie ‘multa cadunt inter calicem supremaque labra’. Eine Formulierung wie diese „empfängt ihren Sinn nicht völlig durch die Wörter, aus denen sie gebildet ist/sensum omnino a vocibus capit ex quibus constat“ (vgl. Leibniz 1982 ff, Vorausedition IV, 812 [= Analysis linguarum, 11. Sept. 1678]). Davon abgesehen war Leibniz der Überzeugung, daß die Worte der natürlichen Sprachen sich nicht unmittelbar auf die Ideen beziehen, sondern auf Sinneseindrück e. So betont er, daß die Präpositionen zunächst räumliche Beziehungen bezeichnet hätten und von da auf Unräumliches und Abstrak tes per analogiam übertragen worden seien (vgl. Leibniz 1982 ff, Vorausedition II, 361; [= De lingua philosophia]). Trotz dieser Unterschiede sind sowohl die natürlichen als auch die k ünstlichen Sprachen geeignete Instrumente des Denk ens. Deshalb darf man im Nebeneinander von Leibniz’ Erforschung der natürlichen Sprachen und dem Entwerfen k ünstlicher Sprachen nicht so sehr einen Gegensatz als vielmehr eine gegenseitige Ergänzung sehen (vgl. Mugnai 1976, 102). Wie Stefano Gensini (1988, 298) vorgeschlagen hat, besteht eine Entsprechung zwischen den unterschiedlichen
329
Formen der Sprachen und den unterschiedlichen Tätigk eiten der Monade. Die unterschiedlichen Sprachschichten entsprechen unterschiedlichen Graden der Deutlichk eit der Perzeptionen. Die Vielfalt der Sprachen ist Ausdruck der sinnlich-geistigen Doppelnatur des Menschen, seiner ›Allwissenheit‹ und seiner ›Beschränk theit‹. Insofern besteht zwischen den Sprachen in bezug auf ihre Leistungsfähigk eit „k ein wesentlicher, sondern nur ein gradueller Unterschied“ (Heinek amp 1972, 469). Jede ist nach Leibniz prinzipiell in der Lage, alles auszudrück en (vgl. Leibniz 1982 ff, Vorausedition IV, 812 [= Analysis linguarum, 11. (21.) Sept. 1678]).
5.
Literatur in Auswahl
5.1. Primärliteratur Die folgenden Leibniz-Ausgaben und -Texte werden zitiert und die verwendeten Abkürzungen aufgeschlüsselt: Leibniz 1923 ff ... = Sämtliche Schriften u. Briefe, Preuß. (später: Dt.) Ak ad. d. Wiss. (Hg.), Darmstadt (später: Leipzig, zuletzt: Berlin). C = Opuscules et fragments inédits, Couturat (Hg.), Paris 1903. Leibniz 1768 ... = Opera omnia, Dutens (Hg.), t. 1—6, Genevae. Epistolaris = Epistolaris de historia etymologica dissertatio, Hannover, Nieders. Landesbibliothe k , Ms. IV, 469. — Diese wohl 1712 entstandene bisher nicht veröffentlichte Schrift ist hervorgegangen aus Bemerk ungen zu J. G. Eck hart, Historia studii etymologici linguae Germanicae, Hanoverae 1711. [Die Abhandlung ist in zwei Fassungen erhalten, einem Konzept und einer Reinschrift. Die Zitate sind der Reinschrift entnommen.] Leibniz 1718 ... = Otium Hannoveranum, Feller (Hg.), Lipsiae. GM = Mathematische Schriften, Gerhardt (Hg.), Bd. 1—7. Berlin 1849—1863. GP = Die philosophischen Schriften, Gerhardt (Hg.), Bd. 1—7. Berlin 1875—1890. Leibniz 1864—1884 ... = Die Werke, Klopp (Hg.), R. 1, Bd. 1—11, Hannover. Leibniz 1916 ... = Unvorgreiffliche Gedanck en, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache, Pietsch (Hg.), in Wiss. Beihefte zur Zeitschr. des Allgemeinen Dt. Sprachvereins, R. 4, H. 30, 327—356. Leibniz 1982 ff ... = Vorausedition zur Reihe VI — Philosophische Schriften — in der Ausgabe der Akademie der DDR. Bearb. v. d. Leibniz-Forschungsstelle der Univ. Münster.
330
II. Personen
Leibniz 1885 ... = Entwurf der Welfengeschichte vom 1. Juli 1692, in Zeitschr. des Hist. Vereins 1885, 18—58. NE = Nouveaux Essais sur l’entendement humain, 1704. Discours = Discours de Métaphysique, 1686, in GP IV, 427—463. Théodicée = Essais de Théodicée sur la Bonté de Dieu, la Liberté de l’Homme et l’Origine du Mal, 1710, in GP VI. Monadologie = Les Principes de la Philosophie ou la Monadologie, 1714, in GP VI, 607—623.
5.2. Sekundärliteratur Die Literatur über Leibniz ist verzeichnet in der Leibniz-Bibliographie. Die Literatur über Leibniz bis 1980, begr. v. Kurt Müller, hg. v. Albert Heinekamp, Frankfurt 1984. Die Literatur der folgenden Zeit ist nachgewiesen in der laufenden Bibliographie jeweils am Schluß des Jahrgangs der Zeitschrift Studia Leibnitiana. Vgl. auch Dutz 1983. Aarsleff 1982 a, From Locke to Saussure. Essays on the Study of Language and Intellectual History. Sammlung von 14 Aufsätzen aus der Zeit von 1964—1982, von denen die ersten beiden Leibniz gewidmet sind. Burck hardt 1980, Logik und Semiotik in der Philosophie von Leibniz. Conze 1951, Leibniz als Historiker. Courtine 1980, Leibniz et la langue adamique, in Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques 64. Dascal 1978, La sémasiologie de Leibniz.
Dascal 1987 a, Leibniz Language, Signs and Thoughts. A Collection of Essays. Sammlung von 7 Aufsätzen über Leibniz’ Zeichentheorie, Sprachphilosophie und Diskurstheorie. Dutz 1983, Zeichentheorie und Sprachwissenschaft bei Leibniz. Eine kritisch annotierte Bibliographie der Sekundärliteratur. Verzeichnet 1243 Titel. Heinek amp 1976, Sprache und Wirk lichk eit nach Leibniz, in History of Linguistic Thought and Contemporary Linguistics. Parret (Hg.). Mugnai 1976, Astazione e realità. Saggio su Leibniz. Handelt vornehmlich über die Frage nach der Rolle, die die Theorie des Ausdruck s in Leibniz’ Erk enntnis- und Zeichentheorie spielt. Kap. 3 und 4 sind den k ünstlichen Sprachen gewidmet, Kap. 5 dem Verhältnis zwischen natürlichen und k ünstlichen Sprachen. Neff 1870—1871, Gottfried Wilhelm Leibniz als Sprachforscher und Etymologe. Erste umfassende Darstellung über Leibniz als Sprachforscher. Pombo 1987, Leibniz and the Problem of a Universal Language. Zusammenfassende Darstellung der Leibnizschen Entwürfe zur characteristica universalis. Rutherford im Erscheinen, Language and philosophy in Leibniz, in The Cambridge Companion to Leibniz, Jolley (Hg.). Handbuchmäßige Zusammenfassung des gegenwärtigen Forschungsstandes. Kap. 1: Characteristica, 2. natürliche Sprachen, 3. die Einheit der Leibnizschen Sprachphilosophie. Mates 1986, The Philosophy of Leibniz. Metaphysics and Language.
Albert Heinekamp, Hannover (Deutschland)
24. Giambattista Vico (1668—1744) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1.
Introduction. Vico in his context Vico’s investigative program Language in history Linguistic formal analysis Language and providence Vico in the history of language theory Conclusion. The New Science and the ›New Science‹ Selected references
Introduction. Vico in his context
An account of the philosophy of language of Giambattista Vico must be at the same time
an account of Vico’s entire investigative program, which had its last expression in the 1744 edition of the Scienza nuova. His new science, however, represents not so much the continuation of a classical tradition or the anticipation of modernity as the convergence of several radically different investigative modes of the 17th century. Vico appropriated, first, the Renaissance recovery of classical texts and disciplines, and the Renaissance reorganisation of the trivium which privileged rhetorical and grammatical sk ills over logical ones, (Grassi 1980, 35 f); second, he adopted the holistic paradigm of rational philosophy and natural science, the goal of a unified
24. Giambattista Vico (1668—1744)
science with values of clarity and distinctness (N.S., 502; 706 f); third, he respected recent historical-philological and historical-legal erudition, much of it formed by service to church-state apologetics, and thus much of it heavily committed to the definition of civil propriety. Vico was not an ›isolate‹, but extraordinarily sensitive to Renaissance and early modern currents (Garin 1970; 115). But, Vico appropriated only basic theoretical motives, rather than the ideologies and achievements. His use is not so much the articulation of the hidden agendas of each, as mak ing each mode responsive to the other’s agenda. Consider his invocation of the ›Four Authors‹, Plato (427—347 B.C.) (s. art. 14), Tacitus (ca. 55—120), Francis Bacon (1561— 1626), Hugo Grotius (1583—1655), (Vita, 25 f; 38 f); Plato’s metaphysical depth and Tacitean detailed realism are mutually subversive as well as interdependent, and both classical modes are embedded in, responsive to the functional inclusiveness of Bacon’s empiricism; but Bacon’s paradigm is in turn embedded in and responsive to Grotius’ stipulation of the over-arching importance of the public and historical, the civil and institutional as topic. And, in turn, the legal definition of civility is responsive to the ›trivial‹ disciplines, especially to the rhetorical canons which control and analyse all discourse.
2.
Vico’s investigative program
2.1. Vico’s identification with the erudite historical modes dominates his early jurisprudential work ; here, when he asserts the founding thesis of the New Science, the absolute value of ›mak er’s k nowledge‹, expressed in the postulate “verum et factum convertuntur” (De ant. sap., 136), he justifies his focus on the civil and historical. Thus Jaak k o Hintik k a (* 1929), who defines the central construct of the tradition of maker’s knowledge as the idea “that we can obtain and possess certain especially valuable k inds of theoretical k nowledge only out of what we ourselves have brought about, are bringing about or can bring about”
goes on to point out that Vico concluded from this principle that “since the world of history and society, ›il mondo delle nazioni‹, is manmade, our k nowledge of it is superior to our k nowledge of ›il mondo della natura‹” (Hintikka 1974 a, 80; 82 f).
Indeed Vico claimed that he has simply tak en the best mode of philosophising, Ba-
331
con’s, and applied it to civil institutions, rather than nature (N.S., 163). — From these early work s through the last revisions of the New Science, he develops a chain of link ed postulates which adumbrate not only a novel social science, but a theory of language. First, his definition of mak er’s k nowledge is both particularising and inclusive at once. Vico’s ›mak ing‹ is in effect specified as ›poiesis‹, linguistic mak ing, poetry. But the specificity of ›poiesis‹ enables a holistic inquiry; linguistic mak ing is comprehensive. A natural language contains the traces of each and every instance of human productivity. Vico’s theory entails not so much the invention of a linguistic science as the constitution of language as archive for the science. Indeed, Vico may be said to develop two k inds of holism at once. First, the language archive, where each least trace of linguistic maneuver instantiates each least sign-mak ing tactic, exhausts the concept of evidence; the source of his science is only linguistic. Second, the k nowledge derived from the language archive is holistic; the archive illumines social wholes — civilisations, peoples, societies, ages —, rather than ›individuals‹ (N.S., 5). Vico offers different characterisations of his program: a “rational civil theology of providence / una teologia civile ragionata della provvedenza divina”, a “history of human ideas / una storia dell’umane idee”, an “ideal eternal history / una storia ideal eterna”, a “philosophy of authority / una filosofia dell’autorità” (N.S., 342 f). Yet, his stated aim of constructing a ›universal dictionary‹ or ›vocabulary‹ points to the peculiarly pure nature of his archival interest (N.S., 35; 145—162; 527). The compilation of mythologies, phrases, metaphors accrues instances of “modifications of the mind / le modificazioni della nostra medesima mente umana”, factitious events in the development of social structure and process (N.S., 331). The connection of the ›true‹ and the ›made‹ is reproposed as the fruitful relation between the ›true‹ and the ›certain‹, an equation which authenticates the archive, for certainty lies in particularity (N.S., 321; 219), that is to say, in collection, compilation, accrual. — Next, in the archive, poetry has both logical and chronological priority; that the “first gentile peoples, by a demonstrated necessity of nature, were poets / [...] i primi populi della gentilità, per una dimostrata necessità di natura, furon poeti [...]”, was the “master k ey of this Science / la chiave maestra di questa Scienza” (N.S., 34; cf. Pagliaro 1961, 309).
332
The valuation of ›mak ing‹ is a valuation of archaic innovation; and again, the poetic k nowledge, in its particularity as a collection of specific maneuvers, delivers certain predications about aboriginal feelings as source of tactics (N.S., 219). But importantly, here the emphasis is not simply on the primacy of poetry, but on the vital connection between poetry and poverty, between ignorance and metaphor, as well. When Vico changes the maxim “homo intelligendo fit omnia” to “homo non intelligendo fit omnia”, he emphasises an important dimension of factum as verum: man “in his ignorance mak es himself the rule of the universe / [...] col non intendere egli di sé fa esse cose [...]” (N.S., 405; cf. 310). The language archive reveals a tissue of metaphor in the roots of words; but these metaphoric strategies, which create names, reveal, in their attribution of human characteristics to external things, the self-enclosure of primitive consciousness; the material for ›mak ing‹ is the self. 2.2. Where language in the classical model furnishes the bridge between mind and an external reality, Vico’s model places an entirely different construction on language as bridge (N.S. 410). In Vico’s theory “man is properly only mind, body, and speech, and speech stands as it were midway between mind and body / [...] non essendo altro l’uomo, propriamente, che mente, corpo e favella, e la favella essendo come posta in mezzo alla mente ed al corpo [...]” (N.S. 1045; cf. Cantelli 1986, 179 f).
For Vico, language is the product of the whole being (Pagliaro 1961, 441). Here Vico announces that he is not interested in the most optimistic accounts of human mentation; he does not intend a simplistic history of the rise and progress of a pure rational capacity, abstracted from corporeal vicissitude. Vico’s language is ›incarnate‹, encapsulated in mortal situations. But this in turn entails revision of both classical alternative theories of the origin of language (s. art. 1, 65): language is natural vs. language is conventional, the ϕύσις-νόμος antinomy attributed to Platonic and Aristotelian positions (s. art. 62). Vico rejects the intellectualist assumptions of both points of view (N.S. 401; 429; 444). He points to the failure of imagination in abstract minds; detached from the senses, the philosophers are block ed from the appreciation of, as well as practice of poetic invention (N.S., 378). At the same time, the persistence of corporeality is the source of our misguided
II. Personen
penchant for physical science (N.S., 331). He mock s the traditional Aristotelian claims that an abstract, rational system founds all historical speech, a claim that seems to insist that primitive people went to Aristotle to school (N.S. 455); school does not precede exercise, theory does not anticipate practice. Most un-Aristotelian is his reading of legal fictions as poetic facts, his characterisation of early Roman law as a “serious poem / un serioso poema” (N.S., 1036 f). To claim nomological activity as basically poetic reverses the theoretical moment which would claim all language as the product of conventional agreements, arbitrary, yet functional, therefore explicable. But if Aristotle’s νόμος is too intellectual, so is Plato’s ϕύσις. Vico argues that Plato’s account of language as ›natural‹, his etymological initiative in the Cratylus which documents the motivated ›naturalness‹ of words, fails precisely because of this intellectualist proclivity, precisely where it diverges from the Vichian thesis of poverty and difficulty as source (N.S., 227; 401; 431; cf. S.N.P., 304). In his archive, there is no extrahistorical order of abstract rational coherence; rather, language, as both historical evidence and mode of historical transmission discloses an originary and compelling matrix of vivid affects, ignorance, bad faith, false starts, ironies, and unwitting dependencies. This archival generosity has its programmatic effects Vico asserts that the tropes, “hitherto considered ingenious inventions of the writers, were necessary modes of expression / [...] finora creduti ingegnosi ritruovati degli scrittori, sono stati necessari modi di spiegarsi [...]” (N.S., 409).
Hintik k a claims that Vico liberates us from intentionality: ”for Vico, the scope of epistemologically relevant mak er’s k nowledge is not restricted to human thoughts, plans, decisions, intentions, hopes and wishes, but comprises also their concrete manifestations and results in the realm of culture and society” (Hintikka 1974 a, 84).
The focus is on the thick ly textured web of institutions, processes, co-occurrences, rather than on a grid of rational cause or moral motive behind it.
3.
Language in history
Vico’s basic strategy is to conceive of language historically; it is a genetic approach. The explanation of ›nature‹ is the disciplinary
24. Giambattista Vico (1668—1744)
333
mark of science, and ›nature‹ is ›origin‹ (N.S., 147; 338; 346). The ›nature of institutions‹, for example, “is nothing but their coming into being at certain times and certain guises / Natura di cose altro non è che nascimento di esse in certi tempi e con certe guise [...]” (N.S., 147). The ›conceit‹ (la boria) of the scholars and philosophers (N.S., 127; 330), who anachronistically attribute their own late capacities and achievements to early times, have obscured these definitive beginnings. To counteract this scholarly orthodoxy, to discover the way in which the first human think ing arose took the labor of twenty years: “we had to descend from these human natures of ours to those quite wild natures / [...]e [dovemmo] discendere nostre umane ingentilite nature a quelle ed immani [...]”
and refined and savage da queste affatto fiere
comprehensible only with great effort (N.S., 338). In his account, Vico stipulates the analogy of onto- and phylogenesis; he asserts that the linguistic development from child to adult diagnoses the linguistic development of a nation (N.S., 186 f; 206 f). And, just as in human life, it is the integrity and entireness of the trajectory of the historical language which illumines. In a natural language, continuity is strength; a language which has maintained itself, dominating foreign imports, is a great witness (N.S., 22, 151). He claims that languages are more beautiful as they are richer in poetic residue, metaphor; and that “they are more beautiful because more expressive; and that because they are more expressive they are truer and more faithful / [...] che quanto le lingua sono più ricche di tali parlari eroici accorciati tanto sono più belle, e per ciò più belle perché son piu evidenti, e perché più evidenti sono più veraci e più fide [...]” (N.S., 445).
The competence of the aesthethic canons of beauty and expressivity is of course rooted in the original imaginative capacity. But the aesthetic produces the ›true‹, and the ›true‹ funds perspicacious inquiry; it also funds civil strength. Some of the most intriguing passages in the New Science are those which authenticate what he calls ‘ricorsi’, recapitulations of originary developments from the barbaric. Here Vico proposes connections between archaic Latin and archaic Italian usages. Vico can not only point to the civil strength of Romanitas, but he can suggest the creative reshaping of Roman institutions in feudal Italian usages. The dual Latin/Italian
development is his most fertile field of speculation, most obviously in Book 5, The Recourse of Human Institutions. Thus the originary is also durable; language is an archive we inhabit, the natural languages reveal national life-cycles which encapsulate rather than cancel the past. The ›corsi‹ and ›ricorsi‹ which nations run are present to us in an inescapable web of discursive constraints. Each of the three ages, of gods and mute signs, of heroes and heroic poetry, of men and vulgar prose, is a holistic unit of actual signs and possibilities of modifications of signs (N.S., 31 f). But each unit subsists in the original holism-human nature; as competences they originate and endure in synchrony (N.S., 446). The three ages are three interlock ing, only seemingly autonomous complexes of sign, value and act; the ›ricorsi‹ set in motion these units and predicate the recurring nature of possibilities of civility, of social process. We live in language; it lives in us. Section 446 must confuse and exasperate even the sympathetic reader. Up to this point in Vico’s chapter on ‘Poetic Logic’, and, indeed, throughout much of Vico’s text, the investigation seems to define distinctive ages, even distinct ›Zeitgeiste‹. But Vico does not wish to deny the possibility of a common mentalistic or psychologistic account of language. The developmental scenario and the description of intrinsic capacity must be combined in a single account (N.S., 454). The two sections together, then, 445 and 446 indicate the complexity of his entire program; here the connections between aesthetics and history, philology and jurisprudence are clear; and here his focus on permanence in change, his stipulation of a “common sense” invested in national developments (N.S., 142; 145) is link ed with his taste for language which is intense, rich, and variable in nature (Fubini, 1965, 88 f). — Thus Vico’s is a truly radical historicisation of the issues treated in the three major philosophical disciplines: metaphysics, morals, logic. The New Science focuses not simply on structures but on structures in motion; the archive reveals a continuous lamination of successive matrices, of acts of vital modifications of the mind (N.S., 161; 374). The k nowledge is both completely factitious, specific, and intrinsic: the principles are to be found within us, within these modifications of our own mind (N.S., 331), modifications, of course, accessible only through the language archive.
334
4.
II. Personen
Linguistic formal analysis
4.1. When Vico serially describes his method as a philosophy in its study of human ideas and a philology in its study of human words, he wishes to assert the systemic, principled nature of his historical, archival research (N.S., 390; 429). The temporal layering of the archive requires an archeology, a linguistic formalism to disclose the hidden matrices. The section on ‘Poetic Logic’ summarises his research program; here it is obvious that Vichian formalism entails the radical transformation of the ancient and Renaissance analytic lexicon and syntax. His account of poiesis requires ›fantastic universals‹ instead of categories, allegories in place of propositions. Civil discourse is mapped by a taxonomy of tropes-metaphor, metonymy, synecdoche, irony; basic modes of deliberation are regulated by a ›sensory topics‹ which owes only its list-lik e, incomplete nature to Aristotle (N.S., 209; 378; 410; 495 f). In other words, Vico’s poetic logic entails nothing less than the substitution of rhetorical terms and arguments for logical terms and issues (Mooney 1985, 206 f). These new terms and taxonomies are needed, of course, to accommodate the shift in object of investigation, to describe the corporeal, fantastic naming and tactics of connection of the primitive, originary, and therefore important civil productivity. Then, the primary analytic tool for exploring the archive is etymology (N.S., 22; 403). While it has been a ›topos‹ in the reception of Vico to dismiss his etymologies as eccentric, even hilarious, recent scholarship has focussed on the intricate, nervous framework of his etymology, on the intriguing premises, procedures, and goals of his method. Andrea Battistini observed the strong contrast of Vichian strategies with those of a principal Vichian source, Gerardus Joannes Vossius’ (1577—1649) Etymologicon linguae latinae (1695). Vossius’ work is more rational, more circumspect, more grammatically acceptable. Vossius has the motives of a ›pure lexicologist‹ where Vico has those of a ›philosophical anthropologist‹ (Battistini 1975, 124 f). Battistini argues that Vico’s central preoccupation in his ›mythopoetic etymology‹ is with the corporeal, sensous fantasy of originary strategies of connection (Battistini 1975, 101 f). The basic premise is that “words are carried over from bodies and the properties of bodies to signify the institutions of the mind and spirit” (N.S., 237).
Then, etymons are relics, fossil predications of functional ›mistak es‹, which point to our sense of reference as ask ew, and undermine the circularities, tautologies of classical logic and ontology. — The postulate that language is the bridge between mind and body qualifies his notion of legal language; and Vico’s insistence on historical continuity and recapitulation insures the durability of his primitive connections of body and mind, matter and spirit. Indeed, etymology reveals language as a tissue of begged questions; each use of a term to connect and equate must use the term as itself the site of a previous equation and connection. Vico addresses not simply the weight of the signifier on the signified, but the fact that the signifier/signified unit still weighs, still molds behavior. On the one hand, language is a domain of constraints as well as choice; on the other hand, the durability of the constraints traced in the etymons within the active national language is a source of civil strength (N.S., 1003). Vichian etymology completely resituates the issues of reference; important references are not to a ›true‹ physical world, but to an ignorant social one. As a mode of inquiry it focusses on the linguistic grid, on the spontaneous, fluent, layered way language work s, refers, rather than on a stable rational order as referent behind the linguistic grid. When Gérard Genette describes Vico’s etymology as a ‘Cratylisme Babeliene’ he points to his interest in variable performance (Genette 1976, 145). Thus in etymology a universal mental dictionary of subtle civil strategems, an adequate inventory of the cunning of ignorance, becomes the scientific goal (N.S., 161 f). 4.2. To place this method in its contemporaneous context, Ian Hack ing’s thesis is useful. Hack ing has described in his Emergence of Probability (1975 b) the gradual rejection of Renaissance ›interpretive‹ modes which simply read the ›book ‹ of nature, searching for authority. Just so, Vico’s treatment of language as evidence, is not a hermeneutic, an interpretive effort, a matter of reading texts as testimony dispensing authority to received truths (s. art. 45). Rather, what is intriguing is the absence of ›texts‹ as such in Vico. He respecifies the unit-objects of formal analysis as well as the analytic method. He work s either on the level of sub-text — the motivated etymons — or on a supratextual plane — describing Homer as archaic communal project, for example, in Book III, The Discovery
24. Giambattista Vico (1668—1744)
of the True Homer. He deals either with the body of elementary individual linguistic artifacts, or with the social and institutional pressures which surround and invest the texts which contain the artifacts. This tactic points to a sharp difference between Vichian social science and classical historiography (given an important revival in the Renaissance). Where classical historiography pursued an identity of ›philosophy teaching by example‹, it relied heavily on exemplary narratives, and on their necessary formal textual elements of character and plot. It privileged heroic character and its interventions, and look ed for strong denouements in plots. But Vico’s method eschews these narrative forms and devalues their eventful referents; this refusal of classical formal textual strategies avoids certain classical ideologies of heroism. Thus the absence of interest in textual units as interesting objects to read bespeak s the absence of heroic literary-political choice. His revision of the ›Heroic‹ as dour, sour, punctilious verbal scrupulosity, radically alters our notion of the reach of heroic will (N.S., 38; 950). — Hack ing, after documenting the rejection of merely hermeneutic strategies, goes on to describe the new 17th century appropriation of signs as ›internal evidence‹ of intrinsic structures. Just so, Vico’s definition of evidence restricts his definition of scientific result; the new scientist attempts to deduce ›modifications of the mind‹ from the data of elementary language strategies (N.S., 331; 349; 374). Vico’s etymons are evidence for an internal development of human civil competence. Thus it can be argued that Vico’s new science is not ›Humanistic‹, caught up in a web of interpretation, authority, and textuality — but a ›scientific‹ project in Hack ing’s sense. He produces an anthropology which complements the new science of nature without reducing human nature to physics (Garin 1970, 115).
5.
Language and providence
The etymologies reveal, above all, providence. And for Vico, to speak of providence and that which is providential is, very simply, to speak of that which is hidden, and which must be uncovered, be ›divined‹ (divinari) in linguistic analysis (N.S., 342). Thus, poetic poverty and providential force are coordinate postulates. The archive affirms the first civility as unwitting product of ignorance; the account cannot affirm a providence which is merely the manifestation of a Christian-
335
Aristotelian rational cosmological order. Rather, Vico’s description of metaphysical force is as a linguistic mode; providence functions tropologically, ironically. It is the irony of history that public virtues can arise from private vices, that out of human deficiencies can develop civil capacity (N.S., 38 f; 133 f; 341). Irony describes the historical activity of the flawed human mechanism. Indeed, without providence there would be no human nature, only bestiality (S.N.P., 266; cf. Garin 1970, 116). Providence founds scientific holism. The corpus of evidence must be unintentional as well as intentional dispositions, events, institutions (Hintik k a 1974, 84): what we ›make‹ is often ›made‹ despite us. The program is thus most perspicaciously described as a ›civil history of providence‹. Providence work s not lik e a tyrant but “lik e the queen it is of human affairs work ing through customs / [...]non da tiranna con leggi, ma da regina, qual e, delle cose umane con costumanze pose allo stato delle famiglie” (N.S., 525). Here what is of central importance is the emphasis on ‘civil’. When Vico defines providence’s civil effects he subverts the philosophical speculation which centers on private phenomena. His preface explains the symbolism of his frontispiece as illustrating that metaphysics should k now God’s providence in public moral institutions and civil customs, rather than seek private illumination (N.S., 5). He questions the work of ›monastic, solitary‹ philosophers such as the Stoics and Epicureans (N.S., 130). The error of Thomas Hobbes (1588—1679) is that while he properly focussed on ›the study of man in the whole society of the human race‹, his initial definitions of man were solipsist, Epicurean. But it is only by providence that man can be held within the insititutions of justice (N.S., 341); those who deny providence — Epicurus (341—270 B.C.), Hobbes, Niccolo Machiavelli (1469—1527), Zeno (ca. 495— 430 B.C.), Baruch Spinoza (1632—1677) — are incapable of explaining civility (N.S., 1109). Then, against Grotius, John Selden (1584—1654), Samuel Pufendorf (1632— 1694), Vico asserts that his linguistic evidence justifies privation, not negation. The metaphoric strategies do not adumbrate fundamental evil, but basic poverty. Etymons disclose not malice, but self-limitation, and thus accommodate a Christian sense of grace (N.S., 310; 493). Vico’s providence is not simply a religious remnant, a cynical exploitation of Christian themes in order to contravene
II. Personen
336
Inquisitorial repression, but a difficult as well as basic premise. His linguistic archive, which is both the mode of transmission of civility and the objectification of providence, does not display providence as salvation; the temporal moment is not overridden by a translucent, a-historical being, but, in every event, points back to itself. Language and providence, then, are reciprocally defined; the construct of providence asserts language as public communication, rather than as the revealer of private states of mind. Linguistic irony affirms historical movement as flawed, hesitant, intermittent. Providence work s against the grain; Vico’s account of providence subverts celebratory scenarios of human progress.
6.
Vico in the history of language theory
6.1. In the study of Vico, there is a peculiar fascination with the issue of Vico’s isolation from or connections with intellectual traditions. The thesis of his isolation has become increasingly problematic; scholarship has demonstrated his use of various 17th century investigational initiatives. Thus, while he criticises Hobbes, Selden, Grotius and Pufendorf, he self-consciously continues their project (S.N.P., 15 f; N.S., 493). Yet, Vico resists attempts either to define him as a receptor of a classical tradition, or as a ›forerunner‹ of modernity. And, the more detailed the accounts of his Neapolitan intellectual context become, the more they contribute to an awareness of a possible link age between Vico’s quite specific anti-Aristotelian position in his language theory (s. art. 15) and the more generalised, more diffuse attempts at disinvestment of Aristotelianism in the school and university institutions; or, to possible connections between Vico’s ›corporeal‹ linguistic revisionism and the anti-Aristotelian speculation about the body in the Neapolitan medical treatises, such as Lionardo di Capoa’s (1617—1695) Il Parere (Fisch 1968; Garin 1970; Rak 1969). — Further, it is in the linguistic and literary domain that Vico’s anti-classicism becomes most pronounced. Bernard Weinberg called the revival of Aristotle’s Poetica the ‘signal event’ of 16th century poetic theory (1968, I, 349); but Aristotle’s Poetica is the great non-event of the New Science. And Vico eschews not only Aristotle and Plato, but Renaissance revivals of Aris-
totelian and Platonic poetics as well; he criticises Julius Caesar Scaliger (1484—1558), Francesco Patrizzi (1529—1597), and Ludovico Castelvetro (1505—1571) as epigoni, obsessed with retroactive attribution of ›philosophic‹ custom to poetic events (N.S., 384; 812; S.N.P., 253). His anti-classicism is particularly obvious in his use of the trivial disciplines, grammar, rhetoric, and logic. For instance, of the two aspects of ›ratio‹ as grammatical canon which Marcus Fabius Quintilianus (ca. 35—100) stipulated (Institutio oratoria I,6,4), Vico selects only ›etymologia‹; he has little interest in ›analogia‹, case structural order. He draws very little on classical grammatical scholarship. There have been attempts to characterise Vico’s program as ›rhetorical‹, and his career as that of a continuator of a classical rhetorical program, intended as a strong replacement for a classical (and Scholastic) logical one (Grassi 1982; Mooney 1985). Drawing heavily on his autobiographical fragments and his pedagogical treatises, his rhetorical sympathies can be documented. One of the inaugural orations, the De nostri temporis studiorum ratione, offers a highly rhetorical defense of rhetoric: first, arguing the necessary chronological priority of rhetoric in the education of youth, and next, claiming the enduring usefulness of the developed imagination which results. Still, there are sharp divergences between Vico’s career as rhetorical pedagogue, and his role as New Scientific investigator; (it should be noted that while Vico served as Professor of Rhetoric at the University of Naples, his consuming ambition was to become Professor of Law). The Ciceronian program of creating the role of the eloquent orator, of training the ideal political-literary competence, informs his teaching (Mooney 1985, 126 f). But in the New Science Marcus Tullius Cicero (106—43 B.C.) appears only as an authority on legal semantics. Classical sensibility is the rind of historical sensibility in Renaissance historiography, but not in Vico’s science. Vico retains the classical focus on the public, the historical, the moral-political. He retains the connected Aristotelian or Ciceronian postulates: man is the political animal, man is the language possessing animal. But his pessimism relocates, internalises barbarism within the very structure of our language; it teaches the unavoidability of poverty, ignorance as well as the pervasive ironies of action and event. — It is the case that Vico’s archive is to a great extent classical Latin language; to
24. Giambattista Vico (1668—1744)
a lesser extent, Greek and archaic Italian. But Antonio Pagliaro has claimed that Vico’s interests ›brack et‹ the classical; his is a ›novel‹ inquiry into the ›archaic‹ (Pagliaro 1961, 401). But his ›novelty‹ is not easily classifiable as the source of a specific ›modern‹ program. Attempts to place Vico in the mainstream of 18th century Enlightenment speculation on language (s. art. 8) seem unconvincing (Rosiello 1967, 60 f). Vico is not even included in an anthology of 18th century Italian treatises on language (Puppo 1968). Vico as ›source‹ for modern historical programs is equally problematic. While Jules Michelet’s (1798— 1874) admiration for Vico is well-documented, attempts to draw parallels between Vico and German PreRomantic and Romantic historians produce simply that: analogies (Berlin 1976). 6.2. The list of efforts to appropriate Vico as forerunner of some particular modern discipline or investigative fashion would constitute an anthology of 20th century modes of inquiry. Indeed, modern collections of essays on Vico are anthologies of appropriation tactics (Tagliacozzo et al. 1969; 1976; 1979; 1981). Yet, Vico has two major anti-modernist characteristics. First, Vichian science is mark ed by what Benedetto Croce (1866— 1952) referred to as ›contamination‹ of interests and procedures (Pagliaro 1961, 389 f). Where a prominent motive of modern discipline is progressive exclusivism, the rigid demarcation of a special corpus of evidence, special procedures, and reductively defined issues, in the New Science moral, metaphysical, and linguistic issues are addressed simultaneously. It is not simply that developmental scenarios and descriptions of persistent capacities must be combined in a single account. The final section of the New Science, The Course the Nations Run, presents webs of intricately entangled structures and processes. Here Vico presents the ›Three Ages‹ as tissues of interdependent behavior and action; accounts of language, of society, of intrusions of providential significance must proceed interdependently; gains in k nowledge come ›all at once‹, are coordinate gains in parallel inquiries. — Thus it is difficult to find a close fit between Vico’s science and modern disciplines which are products of exclusionist motives. It is true that modern anthropology will use linguistic evidence to project social structures; but anthropologists will use the same
337
evidence to deny the possibility of drawing metaphysical or even psychologistic conclusions from their investigation. The Vichian intrusion of providential structures as the redress of the success of the wick ed and the oppression of the just (N.S., 27; 964), would be pure contamination to the modernist (Pagliaro 1961, 389 f). Vichian inquiry is nonexclusionist. There is one new science: capacious, requiring stratified, interlock ing techniques. But the science is also reflexively comprehensive; the use of the discipline depends on the user’s appreciation of the discipline as itself in motion, as radically historical in nature. The two dicta: “history cannot be more certain than when he who creates the things also narrates them / [...] ove avvenga che chi fa le cose esso stesso le narri, ivi non può essere più certa l’istoria” (N.S., 349),
and the source of metaphysic is “within the modifications of the mind of him who meditates it / [...] da dentro le modificazioni della propia mente di chi la medita [...]” (N.S., 374)
together fix the student as the object of his own study. And thus Pagliaro describes a major shift in Vichian inquiry as the change from ›chronological‹ to ›phenomenological‹ accounts (Pagliaro 1961, 421). Descriptive acts are, in short, reflexive acts, perceptive accounts of perceptual capacity. Further, the mind that is modified is primitive; the inquirer producing the phenomenological description researches his own barbarism. The implication for the definition of point of view is strict: the investigator does not start from a plateau of rational modifications, where the primitive is effaced, erased. Indeed, Vico’s description of genetic inquiry suggests that investigator’s academic ›ricorsi‹, in discovering the hidden segments of historical ›corsi‹ in the language archive, recapitulate their own ontogenetic phases in the phylogenetic. It is an inquiry which doubles that which is inquired into; science is both a clarifying repetition and a reflective intervention. In describing the changes, modifications in a basic competence he shares, the new scientist, who hypothesizes permanence in change, accepts the pressures of the past in his own career. And, archetypically Vichian is his attribution of a ›divine pleasure‹ to the investigator mak ing his discovery (N.S., 345). The New Scientist pursues neither the moralistic edification of a classical inquiry which presumes an easy transition from rational theory to moral practice, nor the ›value-free‹ abstemiousness of modernism. Investigational motives sponsor reflexive acts;
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II. Personen
the practice of Vichian science constrains in some fundamental way. — Thus while the New Science gives an account of the irony of history, the new scientist must oppose irony as intellectual choice, as product of elitist motive (N.S., 409). Vico juxtaposes the movement of history and historical inquiry to the stasis, the sardonic interventions of a cold intellectualism. The New Science diagnoses and disowns the barbarism of reflection (N.S., 159; 1106), worse than the first, naive barbarism. Vico’s theory of language modifies the practice of investigating in some fundamental way. ›Poiesis‹ is the central concern, but the major perversion of human poetic competence is the false and frigid poetry of a decadent intellectualism (N.S., 704). Out of the internalised confrontation with barbarism comes a critique of refinement. What is of particular interest, of course, is that the tactics of naming, of connection and disjunction of the language archive we all share is the single source for the formulations of ›primitive‹ and ›refined‹.
7.
Conclusion. The New Science and the ›New Science‹
While it is the case that Vico’s oeuvre includes some interesting ancillary material — the early jurisprudential work , the pedagogical treatises, the autobiography —, yet it is only the last version of the New Science in its peculiar fragmentary yet compendious, argumentative yet archival textuality, which purveys the ›New Science‹. Pagliaro comments on the archaic rough poetry of its discourse (1961, 310). It is rough, of course, in two senses: it is unpolished and it is incomplete. A text of over eleven hundred fragments, ranging in length from mere phrases to intensely compressed but wide-ranging etymological essays, the New Science successfully conveys the essential open-endedness of Vico’s program. It functions both as a prolegomena and a practice. It is a sk etch of a mode of inquiry which describes the science
as a hypothetical project, and, at the same time, it does science, functions within its program. But the form does justice to the function: the fate of the ‘verum-factum’ equation epitomises this functionalism. The radical historicity of the archival practice conditions the definition of ‘factum’ as specific event. The thematic of providence alters, enriches the definition of ‘mak ing’ as cause. The reflexivity, the assumption academic ›ricorsi‹ must and will recapitulate historical discovery vivifies the argument in refocusing discovery itself as ›making‹.
8.
Selected references
8.1. Sources Vico, Opere, 1911—1941; vol I: Le orazioni inaugurali: De antiquissima Italorum sapientia [= De ant. sap.], vol III: Scienza nuova prima [= S.N.P.], vol IV: Scienza nuova seconda, vol V, 2—54; 89—91: Vita di Giambattista Vico scritto da se medesimo [= Vita]. English translation, New Science, 1968 [1744] Vico 1989, Institutiones oratoriae, Critò (ed.) Quintilian 1958—61, Institutio oratoria, Butler (ed.).
8.2. Secondary literature Battistini 1975, La Degnità della retorica; Studi su G. B. Vico. Cantelli 1986, Mente, corpo, linguaggio. Garin 1970, Da Campanella a Vico, in Dal Rinascimento all’Illuminismo. Grassi 1980, Rhetoric as Philosophy. Hacking 1975 b, The Emergence of Probability. Hintik k a 1974 a, Practical Reason vs. Theoretical Reason, in Knowledge and the Known. Mooney 1985, Vico in the Tradition of Rhetoric. Pagliaro 1961, Lingua e poesia secondo G. B. Vico, in Altri saggi de Critica Semantica.
Nancy Struever, Baltimore, Md. (USA)
25. Johann Georg Hamann (1730—1788)
339
25. Johann Georg Hamann (1730—1788) 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Hamann und die Aufklärung Vernunft und Offenbarung Ursprung der Sprache Sprache und Vernunft Literatur in Auswahl
Hamann und die Aufklärung
Johann Georg Hamann wurde am 27. 8. 1730 in Königsberg (Ostpreußen) geboren. Nach Studien in den verschiedensten Fächern (darunter Jurisprudenz, Theologie, Volk swirtschaft, alte und neue Sprachen) verließ er die Königsberger Universität ohne Abschluß, wurde Publizist, Hauslehrer und schließlich Mitarbeiter eines Rigaer Handelshauses, das ihn nach London entsandte. Dort erfuhr er 1758 eine religiöse Bek ehrung, die ihn von allen ak ademischen oder k aufmännischen Berufswegen abhielt. Trotz persönlicher Bek anntschaft mit Immanuel Kant (1724— 1804), Johann Gottfried Herder (1744—1803) (s. Art. 26), Theodor Gottlieb von Hippel (1741—1796), Johann Caspar Lavater (1741—1801), Moses Mendelssohn (1729— 1786), Friedrich Heinrich Jacobi (1743— 1819) und anderen prominenten Köpfen blieb er ein Sonderling, der zeitlebens nur einen untergeordneten Beamtenposten beim Königsberger Hafenzollamt innehatte. Gleichwohl verfolgte er die geistigen Bewegungen seiner Epoche mit schärfster Aufmerk samk eit; in ganz Deutschland bek annt wurde er durch zahlreiche k leine Schriften, mit denen er sich immer wieder in den ak tuellen Kontroversen Gehör zu verschaffen wußte. Texte wie die Sokratischen Denkwürdigkeiten (1759) oder die Aesthetica in nuce (1762) hatten deutliche Wirk ung auf Philosophie und Literatur vom ›Sturm und Drang‹ bis in die Romantik . Johann Wolfgang Goethe (1749—1832) und Jean Paul (Johann Paul Friedrich Richter, 1763—1825) bek ennen sich zu Hamanns Einfluß auf ihr Werk , Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770—1831), Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775—1854) und Wilhelm Dilthey (1833—1911) erweisen ihm rück blik k end ihre Reverenz, Søren Kier k egaard (1813—1855) schließlich gibt sich als Nachfolger Hamanns zu erk ennen. Am 21. 6. 1788 starb Hamann als Gast der Fürstin Gallitzin zu Münster in Westfalen. Hamann gilt als besonders radik aler Kritik er seiner eigenen Zeit, der Epoche der Auf-
k lärung. Da die Aufk lärung selber das Zeitalter der Kritik ist, versteht Hamann sich als ›Metak ritik er‹ der herrschenden geistigen Orientierungen. Er wendet sich gegen die rationalistische Religionsk ritik , die Verabsolutierung der Vernunft, den Fortschrittsoptimismus und gegen die politische Realität des aufgek lärten Absolutismus. In der Selbstbehauptung der Vernunft gegenüber allen tradierten Geltungen bemerk t er früh auch schon die ›Dialek tik der Aufk lärung‹: An die Stelle des alten Glaubens tritt eine nicht minder rigorose Vernunftgläubigk eit, die den Menschen unter neue Abhängigk eitsverhältnisse zwingt. Am Beispiel der veränderten Herrschaftsformen im friderizianischen Preußen weist Hamann in oftmals gewagter Polemik auf, inwiefern Metaphysikkritik in Ideologiekritik und Regimekritik übergehen muß. Das wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Leitbild autonomer Vernunft läßt in seiner Durchsetzung den autoritären Chara k ter einer einseitig verabsolutierten Ratio bald erk ennen. Hamann warnt vor einer Selbstentfremdung des Menschen in der Unterwerfung unter die Vernunftideologie und ihr illusionäres Menschenbild; demgegenüber betont er die Kreatürlichk eit des Menschen, seine Leiblichk eit, Sinnlichk eit und Leidenschaftlichk eit. Nicht ein fik tives Vernunft-Ich ist Subjek t des Erk ennens und Handelns, sondern der ganze Mensch unter den Bedingungen seiner k onk reten Existenz. Ihn will Hamann zum Hauptgegenstand philosophischer Erk enntnis machen, und nicht die Dingwelt hergebrachter Ontologie. Doch Einsicht in das menschliche Leben läßt sich k aum über positive Wesensaussagen zur Natur des Menschen gewinnen, wie noch Herder sie aufstellt, vielmehr bedarf es dazu einer Art von negativer Anthropologie, die das Verbot, sich vom Schöpfer ein Bild zu machen, auch auf dessen Geschöpf überträgt. Ein endliches Lebewesen wie der Mensch verfügt über k ein endgültiges Wissen, nicht einmal über sich selber. Aus einem eher sk eptischen Blick wink el k lärt Hamann die Aufk lärung über ihre eigenen Vorurteile, auch das der Vorurteilslosigk eit, auf. Seine Sk epsis jedoch ist weder Pessimismus noch Agnostizismus, sondern Ausdruck seines Glaubens. Erst das Wort Gottes befreit den Menschen zu seiner wahren Natur und zu einem angemessenen Wissen über sich und die Welt. Die Rück besinnung auf die christ-
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II. Personen
liche Verk ündigung durchk reuzt das Selbstverständnis des Aufk lärungszeitalters; Hamann hingegen führt sie zum Thema Sprache und damit über seine Zeit hinaus.
2.
Vernunft und Offenbarung
Hamanns zentrales Problem ist die Vereinbark eit von Vernunft und Offenbarung. Die Vernunft als autonome Größe gibt es für ihn nicht; alle Vernünftigk eit entspringt dem k onk reten Dasein des Menschen und bleibt dessen Bedingungen verhaftet. Hamann negiert die Vernunft nicht, er ist k ein Irrationalist oder Obsk urantist; aber er reduziert ihre Geltungs- und Machtansprüche auf ein menschliches Maß. Dem einzelnen Menschen in seiner besonderen Umwelt k ann nicht eine überindividuelle und ahistorische Vernunft innewohnen, die ihn nach Maßgabe seiner Folgsamk eit zur Erk enntnis des Wahren, Guten und Schönen führt. Vielmehr reicht eine in der Kommunik ativität menschlicher Gemeinschaft nach und nach ausgebildete Vernünftigk eit meistenteils nur zur Überwindung des Unwahren, epistemisch oder ethisch Unhaltbaren. Disk ursive Vernunft ist für Hamann vor allem ein Medium der begründeten k ritischen Negation, nicht aber der Einsicht in positive Wahrheit. Bei allem Interesse für einzelwissenschaftliche Forschung, denn seine Erk enntnissk epsis ist k eine Wissenschaftsfeindlichk eit, hält Hamann fest an der docta ignorantia, die bei ihm vorzugsweise im dialek tischen Gewand des sok ratischen Nichtwissens auftritt. Damit destruiert er in erster Linie die ausgreifenden Wissensprätentionen eines rationalistischen Systemdenk ens. Existenztragende, letzte Wahrheit nämlich bleibt aller eigenmächtigen Vernunft entzogen: ihr k ann der Mensch allein durch Offenbarung teilhaftig werden. Sich der Verk ündigung zu öffnen bedeutet für Hamann die Umk ehr zur Demut ›vernehmender Vernunft‹. — Hamann k ennt eine dreifache Offenbarung Gottes, die eine dreifache ›Herunterlassung‹ der göttlichen Allmacht zur beschränk ten Natur und Auffassungsgabe des Menschen ist: Erstens die Selbstentäußerung Gottes in der Schöpfung, zweitens die Anrede des Menschen in dessen eigener Sprechweise und drittens die ›Knechtsgestalt‹ und Opferung seines Sohnes auf Erden. Das Buch der Natur, das Buch der Bücher und das Buch der Geschichte offenbaren dem Menschen seine Stellung im göttlichen Heilsplan. Alle drei Bücher sind ›Wort Gottes‹; ‘Wort’ und ‘Sprache’ sind bei Ha-
mann in diesem weiteren Sinn zu verstehen, entsprechend dem ›Logos‹ des JohannesEvangeliums. Hamann bezeichnet sich selber gern als ›Philologen‹ und meint damit jemanden, der sich dem Wort Gottes verschreibt; seinen Ehrentitel ›Magus in Norden‹ verdank t er dem Darmstädter Gelehrten und Minister Friedrich Karl von Moser (1723—1798), welcher damit auf die drei ›Magi‹ aus dem Morgenlande anspielt, die sich am Stern von Bethlehem orientieren. Hamanns ›Sprachdenk en‹, wie es heute allgemein bezeichnet wird, ist von seinen religiösen Überzeugungen ebensowenig zu trennen wie von seinem — gleichfalls religiös geprägten — ›Geschichtsdenk en‹, denn Sprache und Geschichte k onstituieren die Welt der Offenbarung. Durch Gottes Einrichtung ist der menschliche Weltvollzug wesentlich sprachlich und wesentlich geschichtlich. In der Geschichte der Menschheit, deren Mitte Jesus Christus einnimmt, verwirk licht sich das Heilsgeschehen. Hamann interpretiert Geschichte in der Form typologischer Exegese. Von daher ist alles Geschichtliche relevant und Überlieferung stets auch Vermittlung von Sinn. Geformt durch die Geschichte ist in der Sprache einer Gemeinschaft ihre Welt präsent. Der aufk lärerische Eifer für eine Verabschiedung von Tradition und die ›Reinigung‹ der Sprache ist für Hamann deshalb ein Stück Atheismus. Ihm liegt jedoch nicht allein am Gottesglauben, sondern gleichermaßen am Menschenbild. Nur der Mensch, der sich selbst angemessen erk ennt, erk ennt auch Gott, und umgek ehrt. Der erste Schritt der Selbsterk enntnis ist die Beschränk ung der Ansprüche an die eigene Natur und die Erk enntnisk raft der Ratio. Der Mensch muß sich nicht nur zur Geschichtlichk eit und Sprachlichk eit seiner Vernunft bek ennen, sondern auch zu ihrer Sinnlichk eit. Alle Erk enntnis ist unhintergehbar auf sinnliche Wahrnehmung angewiesen, auch da, wo es gar nicht um Materielles geht: Selbst die abstrak testen Gegenstände der Metaphysik gelangen nicht anders zur Kenntnis als durch das Hören von Lauten oder das Sehen von Zeichen. In der Erfahrung ist der Mensch an die Endlichk eit der Empirie verwiesen und hat k eine Wahl, als seinen Sinnen zu trauen. Hamanns Sk epsis, von David Hume (1711—1776) inspiriert, propagiert einen sensualistischen Realismus. Alles über die unmittelbare Erfahrbark eit hinausgehende ›sichere‹ Wissen, wie es die Erk enntnistheorie seit je zu legitimieren trachtet, ist in Hamanns Augen spek ulative Metaphy-
25. Johann Georg Hamann (1730—1788)
sik , die er den ›Verführungen der Sprache‹ anlastet. In ihrer historischen Entwick lung hat die Sprache nicht nur an Welterschließungspotenz dazugewonnen, sondern auch an Ambiguität: darin liegt ihre splendida miseria. Sprache ist das Element aller Vernunft, doch in den Hypostasierungen der Sprache gibt es vermehrt Anlaß zu Mißverständnissen der Vernunft mit sich selber. Metaphysikkritik ist daher als Sprachkritik zu betreiben; am Beispiel ‘sein’ erläutert Hamann, wie der Schein von Substanzialität aus der bloßen Substantivierung eines Relationsworts hervorgehen k ann, an der ›Vernunft‹ k ritisiert er deren Personifizierung im philosophischen Sprachgebrauch. Wo die neologische Theologie und das deistische Spek ulieren über eine ›natürliche Religion‹ vorgeben, rationale Sicherheit des Erk ennens an die Stelle der einfachen Gewißheit des Glaubens setzen zu k önnen, macht Hamann auch nicht vor diesen Rück zugspositionen des Religiösen halt. Der Menschen ist Kreatur, leiblich, sinnlich, endlich. Denk endes Wesen ist er nur in den Grenzen seiner k onk reten Existenz. Deswegen mahnt Hamann seinen zum Idealismus neigenden Briefpartner Jacobi: „Nur nicht über das Cogito das edle Sum vergeßen“ (B VI, 230). Hamann drängt darauf, jenseits des Streits um Erk enntnismethoden und -prinzipien zuerst einmal die Fundierung aller Erfahrung in der menschlichen Grundsituation zu begreifen. Die Offenbarung richtet sich an den ›ganzen‹ Menschen, auch an seine Sinnlichk eit, nicht nur an das vernünftige Denk en. Für Hamann, in einer eigenwilligen Ausweitung Humescher Lehren, beruht alle wirk liche Gewißheit des Wissens auf der Realitätsgarantie des Glaubens.
3.
Ursprung der Sprache
Zur Autonomie der Vernunft, wie sie die Aufk lärungsphilosophie behauptete, gehört auch, daß der Mensch als vernünftiges Lebewesen von allein zur Sprache k ommen k ann, ohne göttliche Hilfestellung. Der insbesondere von der Berliner Ak ademie angefachte Sprachursprungsstreit (s. Art. 65) wurde zwischen drei Standpunk ten ausgetragen; das Interesse der Ak ademie lag in der Überwindung der supranaturalistischen Hypothese, nach der Gott dem Menschen die Sprache gab (Johann Peter Süßmilch, 1707—1767). Dagegen traten eine naturalistische Hypothese an, der zufolge menschliche Sprache eine instink tive Fortentwick lung tierischer Laute ist (Etienne Bonnot
341
de Condillac, 1714—1780), und eine konventionalistische Hypothese, nach der die Sprache als verständigungsnotwendige Zuordnung von Wörtern und Gegenständen auf menschlicher Erfindung und Übereink unft beruht (Pierre Louis Moreau de Maupertuis, 1698— 1759). Nachdem der Sprachursprungsstreit besonders in den 1760er Jahren immer neue Abhandlungen hervorgetrieben hatte, schien schließlich Herders Beantwortung der Preisfrage von 1769 als allgemein k onsensfähig die Debatte beenden zu k önnen. Hamann allerdings warf seinem Mitstreiter Herder vor, sich mit seiner Abhandlung über den Ursprung der Sprache dem Ungeist der Berliner Aufk lärung angepaßt zu haben. Da Sprache für die vernunftgeleitete Erk enntnis unableitbares ›Urfak tum‹ ist, weist Hamann schon die Fragestellung des Sprachursprungsstreits als ebenso unsinnig zurück wie sämtliche Lösungsversuche, auch Herders. Dem fatalen Konflik t von ›Platonismus‹ und ›Naturalismus‹ in Herders These von der ›Besonnenheit‹ des Menschen stellt Hamann seine Ansicht vom ›Sak rament der Sprache‹ gegenüber: Gott schuf den Menschen als sprechfähiges Wesen und gab ihm, im Paradies, den ersten Sprachunterricht. Lernen beinhaltet sowohl Rezeptivität als auch Spontaneität. Die in dieser Weise erworbene menschliche Sprache gehört als Widerschein des göttlichen Logos mit zur herrscherlichen Würde, welche Gott dem Menschen auf Erden verliehen hat. Mit der Sprache eröffnet sich der Mensch seine Welt und verfügt über das in ihr begegnende Seiende. Ebenso aber ist die Sprache Medium der Begegnung mit Gott, der sich in der Bibel selbst zur gemeinen Volk ssprache ›herabgelassen‹ und damit gezeigt hat, daß nicht allein der Intellek t angesprochen werden soll. Die zunehmende Intelle k tualisierung und Abstrak theit der Sprache, bis hin zu den metaphysischen Selbstmißverständnissen seiner Zeit, begreift Hamann als Konsequenz der menschlichen Freiheit im Umgang mit seiner Sprache. Zwischen der babylonischen Sprachverwirrung und der pfingstlichen Totalität der Kommunik ation am Ende der Geschichte ist die Entwick lung der Sprache(n) allein Sache des Menschen. Hamann bedauert den Verlust der ›poetischen Ursprache‹ am Anfang der Welt und vertritt als Ästhetik er eine Repoetisierung zumindest der Literatursprache, d. h. einen erneuerten Mut zu unmittelbarem, auch leidenschaftlichem Ausdruck , besonders aber zu Bildern, Gleichnissen, Analogien und Metaphern, in deren ‘Verk leidung’ am ehesten
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II. Personen
Wahrheit sich zeigt (s. Art. 24). Hamanns eigener Stil war bek anntermaßen schon für seine Zeitgenossen einigermaßen ›dunk el‹. Mit seinen Postulaten und dem stilistischen Beispiel seiner Texte wirk te Hamann stark auf die Bewegung des ›Sturm und Drang‹ und noch auf die romantische Programmatik.
4.
Sprache und Vernunft
Kants Vernunftk ritik , deren Verlegung bei Hartk noch in Riga Hamann vermittelte, mark iert das Ende jenes dogmatischen Rationalismus, dem Hamanns Metak ritik gegolten hat. Doch diese ›Metak ritik ‹ strebt auch noch über Kants transzendentalen Kritizismus hinaus; Hamanns Metakritik über den Purismum der Vernunft (1784) bleibt, mit Rück sicht auf Kant, unveröffentlichtes Manus k ript. Die Hauptgedank en dieser Schrift jedoch werden Herder und Jacobi im Briefverk ehr mitgeteilt, so daß sie bereits eine beschränk te Verbreitung erfahren, bevor der unvollendet gebliebene Text 1804 posthum publiziert wird. Noch immer geht es Hamann darum, daß Vernunft nicht als untangiert von den fak tischen Gegebenheiten der menschlichen Existenz vorgestellt, ja ›vergöttert‹ werden darf — sie ist nicht absolut und nicht ›rein‹. Im Prozeß ihrer Emanzipation gegenüber den Autoritäten von Glauben und Gewohnheit hat sie ihren Bezug zur wirk lichen Welt des Menschen in dem gleichen Maß verloren, in dem sie an Autonomie zu gewinnen meinte. In einer ersten Stufe der Selbstreinigung von allen ungeprüften Setzungen wie auch von ihren eigenen Voraussetzungen hat sie die Geschichtlichk eit des Wissens abzustreifen gesucht, in einem zweiten Schritt der Reinigung ist sie dabei, die Ungewißheiten des sinnlichen Erfahrens hinter sich zu lassen, und das letzte Ziel müßte k onsequenterweise noch die Befreiung von der Sprache sein, denn in der Sprache sind Geschichtlichk eit und Sinnlichk eit unhintergehbar präsent. Vor diesem letzten Schritt sieht Hamann den Kantschen Kritizismus stehen und legt dar, weshalb dieser Schritt menschenunmöglich ist: Die Transzendentalphilosophie bedarf der Sprache nicht nur zur späteren Mitteilung ihrer Ergebnisse, sondern von vornherein zu ihrem intellek tuellen Handwerk szeug und zu ihrem Gegenstand. Für Hamann ist jenes absolut vorgegebene Etwas, auf das sich Kants Erk enntnis(theorie) richtet, eigentlich die Sprache. Material der Vernunftk ritik sind sprachliche Unterscheidungen, die Kant schon vorfindet.
Auch die Sprache ist k ein ›Ding an sich‹, sondern nur in den Erscheinungen k onk reten Sprachhandelns gegeben. Es gibt k eine feste eindeutige Bedeutung von Wörtern, sondern nur deren jeweiligen Gebrauch in einem bestimmten Zusammenhang; Kontextualität und Traditionalität sind Konstituentien der Wortbedeutung, die dabei stets mehrdeutig bleibt und offen für abweichende Verwendungen. Ebenso wie von der Rezeptivität der Sprache und der Spontaneität der Begriffe läßt sich von der Rezeptivität der Begriffe und der Spontaneität der Sprache reden: Auch Kant operiert mit Unterscheidungen nicht aus reiner Vernunft, sondern aus dem Begriffsrepertoire der Philosophiegeschichte. Jede Terminologie, bis hinauf in die höchsten Stufen der Abstrak tion, bleibt dem geschichtlich gewordenen Bedeutungspotential ihrer Wortzeichen ebenso verpflichtet wie der Sinnlichk eit ihrer phonetischen oder optischen Erscheinung. Jede Terminologie bedarf zu ihrer Einführung und Erläuterung der Umgangssprache als letzter Metasprache, und beide Sprachebenen sind Reflexe einer bestimmten historischen Situation. Damit ist für Hamann das Reinheitsideal der Vernunft eine Fik tion. Mit verantwortlich für diese Selbsttäuschung der Vernunftk ritik ist in den Augen ihres Metak ritik ers die von Anfang an verfehlte Trennung von Sinnlichk eit und Verstand. In der Praxis der Erfahrung sind beide immer schon vermittelt durch die Sprache, welche die Sinnlichk eit ›verständig‹ und den Verstand ›sinnlich‹ macht, da sie ästhetisches und logisches Vermögen in sich vereint. Verzichtet man von vornherein auf die k ategorische Entzweiung beider ›Erk enntnisstämme‹, so ist ihre Vermittlung weniger k omplex: Hamann setzt im Grunde die Sprache an die Stelle von Kants ›Schematismus der Einbildungs k raft‹. Da Sprache ihrerseits bei Hamann k ein abstrak tes Vermögen ist, sondern k onk ret gesprochene Sprache, hätte sich alle Erk enntnisk ritik zunächst mit diesem ›empirischen Apriori‹ aller Erfahrung und Vernunft zu befassen. Entsprechend will Hamann alle Philosophie in eine ›Grammatik der Vernunft‹ transformieren (vgl. B V, 272 und B VII, 169). Daß darunter k eine moderne sprachphilosophische Theorie zu verstehen sein k ann, erhellt allein schon daraus, daß jeglicher Versuch, das ›Sak rament der Sprache‹ in einem System des Wissens zu objek tivieren, für Hamann ein Sak rileg bedeuten würde. Scheinbare ›Wesensaussagen‹ Hamanns über die Sprache dürfen nicht als Axiome für derartige Unter-
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nehmen mißdeutet werden, ihr propositionaler Gehalt ist zudem uneinheitlich. Die Sprache ist „das einzige erste und letzte Organon und Kriterion der Vernunft, ohne ein ander Creditiv als Überlieferung und Usum“ (B V, 212), sie ist „die Mutter der Vernunft und Offenbarung, ihr A und Ω“ (B VI, 108), „Gebärmutter“ (W III, 239) unserer Vernunft, unserer Begriffe (vgl. B V, 328). „Ohne Sprache hätten wir k eine Vernunft“ (W III, 231), denn das „ganze Vermögen zu denk en beruht auf Sprache“ (W III, 286). „Ohne Wort, k eine Vernunft — k eine Welt“ (B V, 95). „Vernunft ist Sprache, Λόγος“ (B V, 177). In der Sprache „liegt reine Vernunft und zugleich ihre Kritik“ (B V, 360).
Ist die Sprache ›Organ‹ der Vernunft, ist sie genetische oder gleichfalls logische Voraussetzung der Vernunft, Bedingung der Möglichk eit von Vernunft oder gar die Vernunft selber? Auf jeden Fall behauptet Hamann nicht in bloß umgek ehrter Einseitigk eit einen Primat der Sprache gegenüber dem aufk lärerischen Primat der Vernunft, sondern er stellt fest, daß man von dem einen nicht ohne das andere reden k ann. Daher fordert er dazu auf, die real existierende Vernünftigk eit „im sensu communi des Sprachgebrauchs“ (B V, 95) zu erk ennen. Hamanns Verbalismus, wie er sein eigenes Sprachdenk en nennt, darf nicht vorschnell als eine Vorform phänomenologischer Sprachanalyse verbucht werden, trotz einiger Berührungspunk te; es handelt sich um eine Sprachtheologie oder eben ›Philologie‹ im religiösen Sinn, eine Hermeneutik des göttlichen Logos. „Vernunft und Schrift sind im Grunde Einerley = Sprache Gottes“ (B VI, 296). Doch auf der Grundlage seines paulinisch-lutherischen Christentums war es
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Hamann, der zuerst den Übergang von der Vernunftkritik zur Sprachkritik propagierte: „Bey mir ist nicht so wol die Frage: was ist Vernunft? sondern vielmehr: was ist Sprache?“ (B V, 264).
5.
Literatur in Auswahl
Alexander 1966 a, Johann Georg Hamann: Philosophy and Faith. Bayer 1988, Zeitgenosse im Widerspruch. Johann Georg Hamann als radikaler Aufklärer. Gajek 1967, Sprache beim jungen Hamann. Hamann 1949—1957, Sämtliche Werke, I—VI [= W]. Hamann 1955—1979, Briefwechsel, I—VII [= B]. Henk el 1988, Einleitung zu: Johann Georg Hamann, Briefe. Herde 1971, Johann Georg Hamann zur Theologie der Sprache. Jørgensen 1976, Johann Georg Hamann. Metzk e 1934, J. G. Hamanns Stellung in der Philosophie des 18. Jahrhunderts. O’Flaherty 1979, Johann Georg Hamann. Pisk e 1989, Offenbarung—Sprache—Vernunft. Zur Auseinandersetzung Hamanns mit Kant. Simon 1967, Einleitung, in Schriften zur Sprache. Unger 1905, Hamanns Sprachtheorie im Zusammenhange seines Denkens. Grundlegung zu einer Würdigung der geistesgeschichtlichen Stellung des Magus in Norden. Weiss 1990, Johann Georg Hamanns Ansichten zur Sprache. Versuch einer Rekonstruktion aus dem Frühwerk.
Rüdiger Welter, Tübingen (Deutschland)
26. Johann Gottfried Herder (1744—1803) 1.
Herders Stellung in der Geschichte der Sprachphilosophie 2. Hauptrichtungen von Herders Sprachtheorie 3. Arbeiten bis zu den Fragmenten 4. Fragmente (1766/67) und weitere Arbeiten bis zur Ursprungsschrift 5. Über den Ursprung der Sprache (1770, ersch. 1772) 6. Sprachtheoretische Äußerungen bis zu den Ideen 7. Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1784/85)
8. 9.
1.
Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft (1799) Literatur in Auswahl
Herders Stellung in der Geschichte der Sprachphilosophie
1.1. In der Neuzeit gehörte bis zum 18. Jahrhundert das Nachdenk en über Sprache weithin zur Grammatik , Rhetorik oder Poetik ; sie wachten über die Sprache als Instrument der Mitteilung, sorgten für seine Vollständigk eit,
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Reinheit und Zweck dienlichk eit. In der Tradition des johanneischen Logos bedachten Mystik und Hermetik die Sprache magisch als Träger göttlicher und k osmischer Energien. Logik und Erk enntnistheorie wiesen auf die Funk tion von Sprache als Merk zeichen und Mitteilungszeichen hin und leiteten daraus Forderungen an semantische Eindeutigk eit und logische Syntax her. In all diesen Hinsichten (vgl. Apel 1963, 19 f) hatte Sprache eine mehr oder weniger abhängige Funk tion in übergreifendem Zusammenhang. Als jedoch die Aufk lärung im 18. Jahrhundert die Frage nach dem Menschen, nach seiner Stellung in der Natur und nach dem Sinn seiner Geschichte aufnahm, rück te das Nachdenk en über Sprache schlagartig in zentrale Position. Denn Sprache, dessen war man sich gewiß, definierte den Menschen gegenüber dem Tier als Vehik el und Entwick lungsbedingung seiner Rationalität. Gelang es, Sprache in aufsteigender Linie aus dem Tierlaut zu entwik k eln, dann war die große teleologische Geschichtsk onzeption der Aufk lärung durch die ›Naturgeschichte‹ glänzend bestätigt — wenn die Menschengeschichte ein Prozeß der Aufk lärung mit dem Ziel unbedingter und uneingeschränk ter Rationalität ist, dann ist eine Naturgeschichte, die ohne Sprung vom Stein bis zu der in freier Rationalität eingesetzten Sprache führt, nichts anderes als ein ›Aufk lärungsprozeß‹ der Materie und des tierischen Lebens. Etienne Bonnot de Condillac (1714— 1780) (1746, 66), einer der bedeutenden Vertreter dieser Richtung, stieß bei seinen Überlegungen jedoch auf den Selbstbegründungszirk el der Vernunft: freie Einsetzung von Zeichen für die Ideen der Vernunft bedarf der entwick elten Vernunftreflexion; Entwick lung der Vernunft ist nur durch den Gebrauch frei eingesetzter Zeichen möglich. Sein historischer Lösungsversuch für diesen Zirk el esk amotiert die systematische Bewältigung des Problems. Der Zirk el war es, der Johann Peter Süßmilch (1707—1767) „zu Gott, als dem Schöpfer, seine Zuflucht nehmen“ ließ (1766, IV). Damit war das Kontinuitätsprinzip der Aufk lärung unterbrochen; die Rationalität des Menschen, getragen und entwick elt durch seine Sprache, forderte ein eigenes Eingreifen Gottes, wie es schon die Genesis mit dem Einblasen der Seele verbildlicht hatte. Damit war zugleich ein entgegengesetztes Geschichtsmodell angesprochen, obwohl Süßmilch darauf einzugehen vermied: Der Mensch, mit ihm Vernunft und Sprache, sind in ihrer ursprünglichen Verfassung gut und
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des göttlichen Logos voll; die Geschichte ist ein Prozeß der Entfernung von diesem Idealzustand. „Tout est bien sortant des mains de l’Auteur des choses, tout dégénère entre les mains de l’homme/alles ist gut, wie es aus der Hand des Schöpfers k ommt; alles degeneriert in den Händen der Menschen“, formulierte Jean-Jacques Rousseau (1712—1778) (1762, 5); auch er neigte zur Annahme göttlicher Instruk tion, obwohl ihm das Problem des Sprachursprungs unentscheidbar erschien (1754, 51—56) (s. Art. 65). Eine stark rezipierte Sprach-Dek adenz-Theorie hatte William Warburton (1698—1779) aus der Entwick lung der Schrift von ik onischen über symbolisch-allegorische Hieroglyphen bis hin zur alphabetischen Schrift entnommen; die erste Schrift und Sprache erschien ihm als ›eigentlich‹ (k yriologisch). Johann Georg Hamann (1730—1788) (s. Art. 25) setzte ‘k yriologisch’ gleich ‘poetisch’ (1762, 87 f). Für ihn gilt deshalb: „Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts“ (1762, 81). Die Abstrak tionen der philosophischen Aufk lärungssprache schinden ihm die Natur (1762, 113). Durch seine Lehrer Immanuel Kant (1724—1804) und Hamann mit beiden Denk modellen k onfrontiert, steuert Herder von seinen ersten überlieferten Schriften (1764/65) ab ein synthetisches Modell an. Er fragt nicht mehr nur nach dem Menschen, sondern nach der Möglichk eit seines Fragens nach sich selbst. Mit Herder tritt die Anthropologie durch eine ›k opernik anische‹ Wendung (Herder 1985, Werke I, 134) in die Phase der Selbstreflexion. Selbstreflexion ist zugleich erinnernd und progressiv und ergreift sich in einem Moment der Gegenwart, die einerseits das Vergangene an die Zuk unft vermittelt, andererseits, dem Vergangenen verpflichtet, das Zuk ünftige zu bilden und zu erziehen sucht. Orientierungszeiten der Geschichte sind weder Goldene Zeit der Zuk unft noch der Vergangenheit, weder die Poesie des Anfangs noch die vollk ommen rationale Prosa des Ziels, sondern die ›schöne Prose‹ (Herder 1985, Werke I, 184, 29) als ›humane‹ Form der Gegenwart, die sie durch gezielte Erweiterung in und gegen die Richtung des Geschichtsverlaufs annehmen soll. Herders Konzept der Humanität betrifft die jeweilige Leistung, eine Gegenwart mit ihren historischen Mängeln durch zielbewußte Ergänzung zum jeweils möglichen Ebenbild vollk ommener Menschheit bzw. Gottheit zu erheben. — Dieses Konzept ist wesentlich sprachlich. Der
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Gegenwartsmoment ist Zeichen der Vergangenheit und der Zuk unft sowie der Verwirk lichungsleistung im Hinblick auf die Idee der integralen Menschheit. Im synthetischen Ausgleich der Verweisungsrichtungen bedeutet dieses Zeichen nicht etwas außerhalb seiner, sondern nur sich selbst: es ist Sinn, der in seinen Teilrichtungen der Interpretation bedarf, als synthetisches Integral jedoch nur noch der ästhetischen Kontemplation zugänglich ist. Wie Johann Wolfgang Goethe (1749— 1832) (vgl. Gaier 1984, 114—123) nach ihm, findet Herder die gesuchte Synthese in der Philosophie der ›Herrlichk eit‹, der sichtbaren Erscheinung des Göttlichen in dem, was da ist, dem offenbaren Geheimnis, das sich dem staunenden und freudigen Anschauen zeigt, aber jeder Erk lärung und moralischen Beurteilung verschließt. Denis Diderots (1713— 1784) Interprétation de la Nature (1753, 240 f), eine der großen methodischen Grundschriften der modernen Naturwissenschaft, führt angesichts der prinzipiellen Beschränk ung unserer erk lärenden Erk enntnisfähigk eit zur Desk ription der ›Herrlichk eit‹ oder der ›Ehre Gottes‹, die die Himmel erzählen; es ist derselbe Psalm 19, den Herder in der Ursprungsschrift an entscheidender Stelle zitiert (Herder 1985, Werke I, 773, 7—9). Für Hamann ist die Schöpfung Rede Gottes, Friedrich Christoph Oetingers (1702—1782) Zentralbegriff ‘Leben’ hat ›Herrlichk eit‹ als sichtbares Zeichen, Friedrich Hölderlins (1770—1843) ‘Diotima’ heißt ‘Ehre Gottes’. Das ehrwürdigste, von Gott eingesetzte progressive Sprachzeichen zur Erk enntnis der Herrlichk eit ist die von Herder in der Ältesten Urkunde (1774) beschriebene ›Schöpfungshieroglyphe‹, die im Siebentagewerk mythisch aufgezeichnet ist: die materiebezogen progredierende Dialek tik der drei ersten Tage wird abgelöst von der reflexiven rück bezüglichen Dialek tik (Sonne bezieht sich z. B. auf das Licht des ersten Tags zurück ) der drei folgenden Tage; der 7. Tag ist die Synthese des Materialen und des Reflexiven in der Kontemplation des Geschaffenen. Dieses hieroglyphische Sprachzeichen Gottes ist, wie Kant feststellte, eine Methode zur Entwick lung des Denk ens und des einzelnen gedanklichen Problems. 1.2. Mit der hier umrissenen Philosophie der ›Herrlichk eit‹ ist eine die progressive Aufk lärungsphilosophie und die Dek adenzphilosophie der Gegenaufk lärung zur Synthese bringende Alternative gefunden. Herder ist einer
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ihrer wirk ungsmächtigsten Vertreter: seine Sprach- und Geschichtsphilosophie, Anthropologie, Pädagogik und Theologie sind Ausdruck sformen dieser Alternative; sie hebt Aufk lärung und Gegenaufk lärung, in transzendentaler Reflexion auf das reflek tierende Selbst in seiner Gegenwart, auf und ist wesentlich zeichenhaft-sprachlich. Denn das jeweilige Denk en ist, wie die Ursprungsschrift nachweist, selbst Sprache und Zeichen, die Wahrheit ist wie das Gute und das Schöne eine jeweilige historische Größe (Herder 1985, Werke I, 149, 15—19; 160, 1—19). Herders Texte argumentieren angesichts dieser Erk enntnis von den Fragmenten (1767) an nach dreifacher ›Logik ‹: Der jeweilige Gegenstand wird einerseits nach sinnlich-empiristischer Logik dargestellt, andererseits rationalistisch oder idealistisch, drittens und verbindend mit Bildern und Analogien nach der Logik der Einbildungsk raft (Gaier 1987). Aus dieser z. B. in der Ursprungsschrift durchgängig befolgten Methode resultieren die ›Unk larheiten‹, die man dem ›verworrenen Denk er‹ Herder immer nachsagte. Hinzu k ommt die Struk turierung vieler Texte nach dem gedank enentwick elnden Verfahren der Schöpfungshieroglyphe. Daraus erk lärt sich ein Satz wie „Schon als Tier, hat der Mensch Sprache“ (Herder, 1985, Werke I, 697, 9), der mit dem späteren Satz „Aber der sinnlichste Zustand des Menschen war noch menschlich“ (721, 22 f) k ollidiert und nachträglich zur reflexiven Wiederaufnahme des ersten Satzes führt, etwa in dem Sinne: Der Mensch, hypothetisch nur als Tier genommen, hat Sprache (der Tiere). Das entwick elnde Verfahren bringt es auch mit sich, daß nicht ein Ursprung der Sprache, sondern sechs im Sinne der oben sk izzierten Dialek tik aufeinander bezogene Ursprungsbegriffe eingeführt werden. In der Tat löst Herder die oben beschriebenen Probleme ›Tiersprache oder göttlicher Unterricht‹ sowie ›Selbstbegründungszirk el‹ dadurch, daß er der wesentlich menschlichen, durch die ›Besonnenheit‹ ermöglichten Sprache (›Wort der Seele‹) drei natursprachliche, ›tierische‹ Sprachursprünge voraussetzt, derer sich in suk zessiver Vereinnahmung das Wort der Seele bedienen muß, um überhaupt äußere Sprache zu werden. Wie diese aus wesentlich menschlicher und weniger oder mehr angeeigneter Natursprache gemischt ist, so ist auch ›Vernunft‹ oder ›Freiheit‹ das, was sich (als unerk lärliches Transzendentale) im Denk zeichen und Sprachzeichen setzt und anerk ennt und sich insofern in seinem semiotischen An-
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derssein selbst begreift. Sprache verbindet also den Menschen mit dem Tier und trennt ihn von ihm. Wenn auf der andern Seite Besonnenheit das dem Menschen gattungsbestimmend und unhinterfragbar von der GottNatur verliehene Wesensmerk mal ist und wenn dieses sich in Sprache (Wort der Seele, dann äußere Sprache und Kultur) bezeichnet, dann ist Sprachlichk eit wesentlich menschliche Daseinsform — gottebenbildlich der ebenfalls den Logos bezeichnenden Herrlichk eit entsprechend. Für Herders sprachliche Er k enntnis k riti k ausschlaggebend ist, daß vom Wort der Seele an jede Sprache jeweilig und historisch eingeschränk t ist; wenn also Erk enntnis als gefaßter Gedank e Wort der Seele ist, ist sie bereits historisch eingeschränk t, noch mehr aber, soweit sie sich an Begriffe der äußeren Sprache bindet. Erk enntnis ist dann jeweilige anthropologische Kulturleistung, die durch den historischen Sprachhorizont mitbedingt ist. Sprache hat als Nationalsprache Geschichte, und zwar eine äußere durch Überfremdungen (das Deutsche wurde z. B. durch Latein und Französisch ›überschwemmt‹), und eine naturgesetzlich innere durch die ›Metempsychosis‹ (Seelenwanderung) der Sprache von einer Phase dominanter Affek tbestimmtheit über eine Phase dominanter Bestimmtheit durch die Einbildungsk raft zu einer Phase dominanter Bestimmtheit durch den Verstand. Diese ›Lebensalter der Sprache‹ legen nicht nur den Anteil an Poetischem oder Prosaischem der Ausdruck sweise von Alltagssprache und Dichtung fest, sondern auch die Denk art der Nation, denn Sprache und Denk en bestimmen einander wechselseitig. Herder ist der erste, der seiner Gegenwart eindeutig die Prosa, das verstandesmäßige Nützlich k eitsden k en des Bürgers zumißt (Herder 1985, Werke I, 187, 1—5), und der diese Gegenwart weder wie Hamann verteufelt noch wie die Aufk lärer als Vorstufe eines erst noch zu erreichenden Ziels funk tionalisiert. Jede Sprach-, Denk - und Kultur-Gegenwart ist für Herder, diesen ersten Modernen, mit Mängeln behaftet, und jede k ann durch gezielte Ergänzung um das jeweils Mangelnde zu der zeitspezifisch möglichen Verwirk lichung integralen Menschseins (Humanität) und integraler Sprache gebracht werden. Diesem Ziel dient seine Sprach- und Literaturverbesserungsarbeit in den Fragmenten, seine unablässige Bemühung als Historik er der Humanität. Damit löst Herder sich auch von der Last der Antik e: die Griechen waren ein durch
das Zusammenwirk en verschiedenster Fak toren ermöglichtes historisches ›Maximum‹, das mit einer verhältnismäßig schwach entwick elten Stufe der prosaischen Rationalität eine schon domestizierte Sinnlichk eit und blühende Einbildungsk raft verband; für die weit höher entwick elte Rationalität des modernen Bürgertums sind sie deshalb nicht nachzuahmen, wohl aber ist ihr Maximum als solches stru k turell ›nachzubilden‹ (Herder 1985, Werke I, 311, 16—19), d. h. durch Weiterentwick lung der Rationalität und durch Wiedereinholung der verlorenen sinnlichen und phantasiemäßigen Anteile der Denk art und Sprache zur integralen Menschheit zu ergänzen (daher Herders Verfahren der Argumentation nach drei Logiken).
2.
Hauptrichtungen von Herders Sprachtheorie
2.1. Sprachphilosophie, als Disziplin damals noch nicht etabliert, enthält für Herder also neben den eigentlich philosophischen Fragen eine Reihe von Aufgaben der Praxis, oder umgek ehrt: getreu seinem Prinzip der „Einziehung der Philosophie auf Anthropologie“(Herder 1985, Werke I, 132, 14) stellt er das Philosophieren über Sprache in den Dienst der Bildung seiner Zeit zur Humanität. Die Hauptrichtungen seines sprachtheoretischen Nachdenk ens sind folgende: Eigentlich philosophisch zu nennen sind die Überlegungen zum Ursprung der Sprache (wichtigster Text: Abhandlung Über den Ursprung der Sprache), wo Sprache auf die dialek tische Beziehung zwischen natursprachlichen und dem wesentlich menschlichen Sprachursprung zurück geführt wird. — Seit frühester Zeit waren Johann David Michaelis’ (1717—1791) (1760) Argumente für die Wechselwirk ung und Wechselabhängigk eit zwischen Sprache und Denk en ungemein anregend für Herder; er geht immer wieder darauf ein. Die Ursprungsschrift begründet das Wechselverhältnis theoretisch, indem sie das Denk en als essentiell sprachliche energeia mit der Sprache als ergon, als Magazin von bereitliegendem Gedachten k onfrontiert. — Mit diesem Wechselverhältnis ist der Ansatz für die sprachlich begründete Erk enntnisk ritik gegeben (Haupttexte: Fragmente2I, Metakritik). Die zweite Ausgabe der Fragmente hebt darauf ab, daß die Welt für jeden Menschen immer schon muttersprachlich erschlossen, mit bestimmten Vorurteilen und Perspek tiven, semantischen
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Zusammengriffen und syntak tischen Struk turen geformt ist; die Bedeutung der Begriffe sei nur durch den Gebrauch bestimmt; die vorhandene Sprache gibt dem Erk ennen „Schran k en und Umriß“ (Herder 1985, Werke I, 557, 15). Die Metakritik weist die Sprachbedingtheit des Verstandes, die Sprachlichk eit der Vernunft und die Sprache als erfahrungsabhängig, interessebezogen, geschichtlich bedingt und veränderlich nach. — Ein vierter Bereich sprachphilosophischer Überlegungen im engeren Sinne ist die Zuordnung bestimmter semiotischer, insbesondere semantischer und syntak tischer Qualitäten zu den ›Logik en‹ der Sinnlichk eit, der Einbildungsk raft und des Verstandes und die Zusammenfassung dieses Komplexes von Logik en, Denk arten und Spracheigenschaften in einem naturgesetzartigen Geschichtsverlauf von dominanter Sinnlichk eit über dominante Einbildungsk raft zu dominantem Verstand (Haupttext: Fragmente). 2.2. Dies leitet über zum zweiten Bereich sprachlicher Überlegungen Herders, der Historik . Sie muß von Nation zu Nation feststellen, ob der ›philosophische Roman‹ von den ›Lebensaltern einer Sprache‹ zutrifft und an welchem Punk t sich die Nation befindet. Sie muß diagnostizieren, ob, wie z. B. beim Deutschen, äußere Spracheinwirk ungen den gesetzmäßigen Gang beeinflußt oder moduliert haben; sie muß zuallererst den modifizierenden Einfluß der Nationaldenk art auf die Ausprägung der einzelnen Stufen des Geschichtsgangs erfassen. Die Nüchternheit der nordwesteuropäischen Nationen und insbesondere der ›gesunde Verstand‹ als Nationaleigenschaft der Deutschen lassen offensichtlich nur eine wenig spek tak uläre Ausprägung der sinnlichen und imaginativen Sprachentwick lungsstufe zu, vor allem gemessen an den Orientalen (Herder 1985, Werke I, 186 f). Der Historik er bestimmt die Situation der Gegenwart als prosaisch, d. h. in die dritte Phase der Sprach-Den k -Entwic k lung eingerüc k t. Ein dominant verstandesmäßiger Nationalcharak ter muß also in dieser Gegenwart gewissermaßen in sein Wesen k ommen und die Möglichk eit k lassischer Vollendung vor sich haben. 2.3. Dem dient die an die historische Diagnose anschließende k ritische Reinigungs- und Verbesserungsarbeit, vor allem das unablässige Bemühen, durch Bewußtmachen dessen, was ihr Nationalcharak ter ist und werden k ann,
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die Deutschen zum ›Urbilde ihrer selbst‹ zurück zuführen und zu dessen höchstmöglicher ›Herrlichk eit‹ zu steigern. Sprachk ritik und Literaturk ritik in den Fragmenten, Sammlung von Volk sliedern, Geschichtsschreibung dienen diesem Ziel. 2.4. Endlich geht es, nach der Erk enntnis und Rechtfertigung des prosaischen Charak ters der Gegenwart, um eine Ästhetik , Poetik und Stilistik der Prosa — immer als Sprachtyp und Den k art verstanden. Denn Herders Überlegungen gelten für „Prose des guten gesunden Verstandes, und philosophische Poesie“ (Herder 1985, Werke I, 240, 4 f). Diese Überlegungen dienen dazu, durch gezielte Ergänzung des Prosaischen um die ihm mangelnden Elemente der Sinnlichk eit und Einbildungsk raft integrales Sprechen, Denk en und damit durch die in Gang gesetzte Weiterung in die Praxis auch integrales Menschsein zu ermöglichen. Getreu der Überzeugung, daß das Wahre sich nicht rund aussprechen, daß ausgesprochene immer zugleich historisch relative Wahrheit ist, orientiert Herder sein Verfahren an der antik en Lehre vom ›periodus‹, dem seinen Gegenstand k unstvoll umwandelnden Satz (Herder 1985, Werke I, 219). Er k ompliziert das System des Periodus, indem er dem Verstand drei ›Logik en‹ mit ihren Argumentationen, der Einbildungsk raft meist gleichzeitig mehrere Bildreihen, dem ›Ohr‹ ständig wechselnde k ommunik ative Töne (Ausruf, lebendige Darstellung, ruhige Argumentation etc.) anbietet. Auch die Schöpfungshieroglyphe, die Herders Texte häufig struk turiert, ist ein gedank licher ›periodus‹. Als progressives operationales Zeichen ist sie eine Methode, um die verlorengegangene Totalität der k yriologischen Zeichen des Anfangs der Menschheitsgeschichte in einer systematischen Suk zession, nun aber nicht mehr in verworrener Dichte sondern in entfalteter Deutlichk eit ›nachzubilden‹, d. h. mir den Mitteln und Möglichk eiten der Gegenwart herzustellen. 2.5. Obwohl vielleicht nur der erste der aufgezählten Bereiche sprachbezogener Überlegungen Herders in diesem Handbuch erwartet wird, schien es mir wichtig, die funk tionale Einbindung sprachphilosophischer Überlegung in ein Gesamtsystem auf k onk rete Veränderung der Zeitgenossen gerichteter sprachbezogener Gedank engänge und Ak tivitäten sichtbar werden zu lassen. Sprachphilosophie hatte zu Herders Zeit noch nicht
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ihren Zweck in sich selbst; für ihn war sie Begründung eingreifender Praxis. Herders Verfahren ist deshalb auch nicht auf ein System gerichtet. Vielmehr läßt er sich vom jeweiligen Anlaß bestimmen, den einen oder anderen Aspek t genauer auszuarbeiten. Bei genauerem Überblick über seine vielen zerstreuten Äußerungen zu sprachphilosophischen Fragen zeigt sich aber weitgehende Konsistenz in Herders sprachphilosophischen Grundpositionen, so daß eigentlich mit jeder neuen Äußerung nur eine Region eines gedachten systematischen Netzes beleuchtet wird. Temporäre Gewichtsverschiebungen, wie z. B. nach Hamanns Invek tive die stärk ere Betonung der Auffassung, Gott wirk e durch den Menschen die Sprache, sind zu beobachten, bedeuten aber k eine grundlegende Änderung. 2.6. Bei diesem ersten Überblick mag deutlich geworden sein: Herder hat prak tisch alle sprachphilosophischen Traditionen seit der Antik e rezipiert und im Sinne seiner sprachlich zentrierten reflexiven Anthropologie verarbeitet. Zugleich hat seine in nahezu 40 Jahren in k aum überschaubar vielen verschiedenen und verschiedene Publik a erreichenden Texten verstreute sprachphilosophische Überlegung eine große Zahl von Zeitgenossen erreicht; seine Wirk ungsgeschichte ist unscheinbar, aber k aum zu überschätzen. Unscheinbar deshalb, weil er trotz gelegentlicher Polemik vermied, sich durch Einseitigk eit Blößen für die Polemik anderer zu geben. Vielmehr tendierte er dazu, den überlieferten, disk utierten oder möglichen Ansichten zu einem Problem im ›periodus‹ seiner Texte einen Stellenwert zu geben, an dem sie in eingeschränk ter Position aufgehoben waren. Herder k ann deshalb vermeintlich von jedermann zitiert werden, da man diese sorgfältige Positionierung meist nicht beachtet; und da man sich, wiederum vermeintlich, auf ihn als einen Gewährsmann für eine ganz bestimmte Meinung nicht berufen k ann, behandelt man ihn als Fundgrube und ›großen Anreger‹ und läßt — fatal für den Wirk ungsforscher — seinen Namen beiseite. So erscheinen viele seiner Gedank en bei Wilhelm von Humboldt (1767— 1835) (s. Art. 27), bei Jacob Grimm (1785— 1863) und Wilhelm Grimm (1786—1859) und in der Sprachphilosophie des 20. Jahrhunderts bis zur Schule Leo Weisgerbers (1899— 1985), bei Benjamin Lee Whorf (1897—1941) und Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39). Den unglaublichen Reichtum an Ge-
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sichtspunk ten des Nachdenk ens über Sprache hat k ein Späterer mehr erreicht, noch weniger den Übergang von der Theorie in die Praxis der Veränderung seiner Zeitgenossen zur Modernität und, soweit möglich, Humanität. — In dem nun folgenden chronologischen Überblick (ausführlicher: Gaier 1988) über die sprachtheoretisch relevanten Texte Herders bleibt die Gesamtheit der ihn interessierenden Probleme im Blick ; die eigentlich sprachphilosophischen Fragen erhalten in der Darstellung jedoch größeres Gewicht.
3.
Arbeiten bis zu den Fragmenten
Nach dem Versuch über das Sein (1764), in dem er sich in der Nachfolge Kants über die ›Unzergliederlich k eit‹ von Grundbegriffen wie Sein, Raum, Zeit, Kraft Gedank en macht und über Kant hinaus das ›Mehr oder Weniger‹ der Unzergliederlichk eit der Perspek tivität der Einzelsubjek te zuschreibt (Herder 1985, Werke I, 20), schneidet die Schulrede Über den Fleiß in mehreren gelehrten Sprachen (1764) schon eine Reihe der sprachtheoretischen Themen Herders an: die enge Beziehung zwischen ›Sprache und Denk ungsart‹, die muttersprachliche Welterschließung durch die ›Wärterinnen‹ als ›erste Lehrer der Logik ‹ (27), die Muttersprache auch als transzendentale Bedingung der Möglichk eit, ohne Verlust der Einheit der eigenen Denk ungsart fremde Sprachen und Denk ungsarten zu erlernen und so „meinem Geist die Ausdehnung jedes Klima’s“ zu geben (Herder 1985, Werke I, 26f). Die Dithyrambische Rhapsodie (1765) ist Auseinandersetzung mit Hamanns Aesthetica in nuce und dessen Aufstellung der ursprünglichen Poesie als Kriterium für die Abwertung von Abstrak tion, Philosophie, Nützlichk eitsdenk en der Zeitgenossen. Demgegenüber ist Bürgerlichk eit nach Herders Argumentation die Signatur der Zeit; Prosa und Verstandesmäßigk eit, Entfernung von der integralen Menschheit sind die Folgen. Dichterei des Anfangs muß Dichtk unst werden, Gegenstand ist nicht mehr Gott in der Schöpfung, sondern der Mensch in seinen verschiedenen Weisen des Weltzugangs. Die Griechen hatten „eine totale andere Ausmessung der Denk art“ und sind „unnachahmbar“ (Herder 1985, Werke I, 37), der moderne Mensch soll „sich an sich selbst zum Gotte schaffen“ (34). Damit ist das Programm einer dezidierten Modernität auch für theoretisch angeleitete Spracharbeit zur Veränderung der Denk art entworfen. Entsprechend stellt die Abhand-
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lung Haben wir noch j etzt das Publikum und Vaterland der Alten (1765) den Verlust der sprachpragmatischen und k ommuni k ativen Rede und Adressatengemeinschaft im Sinne der Antik e fest, k ommt aber noch nicht zu Folgerungen, wie der moderne Bürger mit seiner ›gemäßigten Freiheit‹ in neuer Weise Publik um der Literatur sein k ann (s. dagegen gleichnamige Abhandlung 1795!). — In den Entwürfen und Fragmenten einer Abhandlung über die Ode erarbeitet Herder das geschichtsphilosophische Modell der ›Lebensalter‹ als Zunahme der ›menschlichen Geistesk räfte‹ und Absterben der ›Fähigk eiten der sinnlichen Tierseele‹ (Herder 1985, Werke I, 85); seine weitreichende Leistung ist, hier einsetzend, die Formulierung dieses Modells als Folge von ›Logik en‹ des Affek ts oder der Sinnlichk eit, der Einbildungsk raft und des Verstandes sowie die Untersuchung des Verhältnisses dieser Logik en zur Sprache: dominant parasprachliche und mehrk analige Semiose für die Logik des Affek ts; bildhaft und dramatisierend vorstellende Sprache für die Logik der Einbildungsk raft; aufzählende, begründende, relationale Sprache für die Logik des Verstandes. Entsprechend Zunahme der syntak tischen Regulation und Komplexität, sowie Zunahme der linearen Auflösung und Verdeutlichung der allbedeutenden Totalzeichen des Anfangs (vgl. Gaier 1987). Die Dichtk unst der Moderne, „k ünstlicher Ausdruck einer k ünstlichen Empfindung durch die Sprache“ (Herder 1985, Werke I, 69), muß versuchen, durch Aufnahme bildlicher und parasprachlich-mehr k analiger Elemente die sinnliche Fülle und affek tive Wirk samk eit anfänglicher Sprachen synthetisch hinzuzufügen, um den Adressaten als integralen Menschen anzusprechen. — Das Aufsatzfragment Wie die Philosophie zum Besten des Volks allgemeiner und nützlicher werden kann (1766) verbindet mit scharfer Kritik am ›Wörterk ram‹ der Philosophie die Aufforderung zur ›Kopernik anischen‹ Wendung (Herder 1985, Werke I, 134) des Philosophen zum Volk und zur „Einziehung der Philosophie auf Anthropologie“ (Herder 1985, Werke I, 132). Die Philosophie, die dem Volk nützt, muß eine Art Methode der Entwick lung des ›gesunden Verstandes‹ finden, die die bloße Gefühlsgewißheit der Empfindung, das Analogiedenk en der Einbildungsk raft und das systematischdeduk tive Denk en des Verstandes als Einzelmethoden verwirft, aber zugleich synthetisch zusammengreift und so den Menschen zum Totalbezug seiner Logik en und zur Selbst-
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steigerung befähigt. Die Sprache muß entsprechend analytisch ›zergliedern‹, in historischen Bildern eine ›Geschichte‹ entwick eln und appellativ den Menschen zu sich selbst ›aufweck en‹. Die menschliche Seele soll sich selbst als „Ursprung aller Wahrheit und Wissenschaft“ erfahrbar werden — Ursprung als Ursache, Anfang und ständig weiterwirk ender Entstehungsgrund gesehen (Herder 1985, Werke I, 111 f). Hat die Philosophie dies geleistet, soll sie ›verschwinden‹ (425, 10—15).
4.
Fragmente (1766/67) und weitere Arbeiten bis zur Ursprungsschrift
4.1. Die erste Sammlung der Fragmente Über die neuere deutsche Literatur (1766) ist ein groß angelegtes, sprach- und geschichtsphilosophisch begründetes Unternehmen der Sprachk ritik des zeitgenössischen Deutsch mit dem Ziel, Kriterien und Richtungen der Verbesserung für die deutsche Literatursprache zu bestimmen. Das bek annte Fragment 2 Von den Lebensaltern einer Sprache beschreibt die ›Seelenwanderung‹ der Sprache durch die naturgesetzlich sich verändernde Denk art der Nationen von dominanter Sinnlichk eit über dominante Einbildungsk raft zu dominantem Verstand, mit jeweils wichtigen Überlappungsphasen, in denen von Natur aus zwei der ›Logik en‹ wirk sam sind und dadurch, wie bei den Griechen, natürliche Blütezeiten bewirk en. Der Stand der deutschen Nation und Sprache wird (entgegen dem schon eher vergreisten Französischen) gerade noch in der Überlappungsphase zwischen Einbildungsk raft und Verstandesdominanz festgelegt, so daß eine Wiederbelebung verlorener bildlicher und affek tiver Elemente bei gleichzeitiger Förderung der dominanten verstandesmäßigen Prosa möglich und sinnvoll ist. Neben der Weiterentwick lung der Sprache durch die begriffsbestimmende Arbeit der Philosophen wird gezielte Übersetzungsarbeit und Bewußtmachung nationalspezifischer Spracheigentümlichkeiten (Idiotismen) empfohlen. 4.2. Hinsichtlich des Sprachursprungs wehrt er Süßmilchs These von der göttlichen Instruk tion ab und stellt dagegen die nicht mehr zugänglichen ›unförmlichen‹ Anfänge und das Luk rezische Prinzip der ›Zusammenhäufung ungefährer Würfe‹ (Herder 1985, Werke I, 218). Zur ursprunghaften Motivation der Sprachentwick lung gibt er den Logik en entsprechend drei Theorien an: Die Lebensalter-
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theorie betont die Affek tgetriebenheit der ersten Menschen; ihre ›Sprache der Empfindungen‹ besteht aus Tönen, Gebärden, bevorzugt lautimitierende Namen für Gegenstände der Sinne (Herder 1985, Werke I, 181 f). Während hier das Gehör dominiert, ist es bei der Einbildungsk raft das Auge, das ins Zentrum — und syntak tisch in Kopfstellung — setzt, worauf das ›Hauptaugenmerk ‹ fällt. Diese malende, aufmerk samk eitsbetonte Sprache ist für die ›Inversionen‹ der Satzfunk tionen gegenüber der logischen Syntax verantwortlich (Herder 1985, Werke I, 217 f). Die dritte sprachentwick elnde Motivation ist zweck haftes Denk en, das in Situationen des Bedürfnisses durch eingegangene Konvention eine ›Sprache der Notwendigk eit‹ zur Verständigung einsetzt (251). Synthese dieser drei ursprunghaften Motivationen ist die Sprachschöpfung des Genies (193; 256—58). — Entsprechend den Logik en gibt es auch drei Theorien über die Sprachentwick lung — die biologische des Lebensalter-Fragments; die imaginative der Ideenfolge und -anordnung vom Ungefähr über faßliche zur logischen Ordnung (Herder 1985, Werke I, 218 f); die zweck hafte von reiner Mündlichk eit, Situationsbeziehung, Armut und Stärk e über Liedersprache, politische Sprache, Büchersprache zur philosophischen Sprache in reiner Schriftlichk eit und Bildarmut (251). Wesentlich ist an diesen Theorien, daß k eine Zeit und Nation andere k opieren k ann und soll, Vorzüge der anderen sollen jedoch erk annt und unter eigenen Voraussetzungen nachgebildet werden. Jede Zeit hat ihr Ziel in sich, jede k ann und soll integrale Menschheit auf ihre Weise zu erreichen suchen. 4.3. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Sprache und Denk en nimmt Herder die Überlegungen der Schulrede Über den Fleiß [...] auf. Das Denk en ist durch die nationale und k ulturspezifische Regionalität der Muttersprache und ihrer Geschichte begrenzt. Diese historisch begrenzte und individuelle Sprache und Denk art ist die Bedingung der Möglichk eit eines reflexiven Zuerwerbs und Erlernens des menschheitlich Allgemeinen und Unbegrenzten (Herder 1985, Werke I, 386 f; 408 f). Der Philosoph ist nicht in der Lage, die ›Sprache des Umgangs‹ terminologisch durchzusystematisieren (198), seine Grundbegriffe sind ihm durch diese Sprache gegeben (424 f). Neben diesen Argumenten der ›ordinary language philosophy‹ (s. Art. 60) findet sich auch
II. Personen
das auf Wittgenstein vorausweisende Argument, daß die Bedeutung eines Wortes durch den Gebrauch bestimmt wird (Herder 1985, Werke I, 423). Eine wichtige Überlegung zum unterschiedlichen ›Kleben‹ des Gedank ens am Ausdruck bringt das 1. Kapitel der 3. Fragmentsammlung (1767). Beim Erlernen einer fertigen Muttersprache werden Gedank e und Ausdruc k zusammen erlernt, Gedan k en durch neue Ausdrück e überhaupt erst erweck t. Bei diesen ›Grundsteinen aller unsrer Erk änntnis‹ sind für die meisten Gedank e und Ausdruck ›unzertrennlich verk nüpft‹ (Herder 1985, Werke I, 395). Die Arbeit des Philosophen lock ert das Band zwischen Begriff und Wort und hebt die Passivität gegenüber der Muttersprache teilweise auf. Der Dichter dagegen hat umgek ehrt die Aufgabe, schöpferisch eine einmalige unverwechselbare Verbindung von Gedank e und Ausdruck herzustellen (404). 4.4. Die zweite, unveröffentlichte Ausgabe der 1. Fragmentsammlung (1768) ordnet die sprachtheoretischen Gesichtspun k te augenfälliger; präzisiert ist die sprachliche Erk enntnisk ritik und die Lehre von der an Rousseaus negativer Erziehung orientierten ›negativen Philosophie‹: Die muttersprachliche Erschließung der Welt bedingt durch ihre jeweilige nationalsprachliche und historische Regionalität die Relativität der Wahrheit, des Guten und des Schönen (Herder 1985, Werke I, 558 f; vgl. 149—160). Die umgangssprachliche Begrenzung der philosophischen Begrifflichk eit und die historische Jeweiligk eit der Umgangssprache bedingen die historische Jeweiligk eit des Erk ennbaren (557). Eine synthetische Erk enntnis a priori ist dabei nicht denk bar und würde auch wegen der prinzipiellen Konk urrenz der drei Logik en zu nichts führen. Diese sprachliche Erk enntnisk ritik , hier noch ohne Bezug auf Kant formuliert, wird später ausgebaut. — Auch die Ursprungsproblematik wird hier angegangen, und zwar zugunsten des Zufallsmodells, bei dem sich nach unzähligen ›schlechten Losen‹ ein besseres einstellt, das sich festsetzt und z. B. als Sprach-Erfindung dienlich ist. Hier ist dann jeder hypothetische Erk lärungsversuch illusorisch, das Pathos des Fak tums, der ›festen Data‹ und ihrer Desk ription setzt sich durch (Herder 1985, Werke I, 605). Den Zirk el der Reflexivität im Sprachursprung k ann Herder hier deshalb noch nicht lösen; erst das ›innere Wort‹ der Logosmystik wird ihm dazu verhelfen, das in der Ursprungsschrift bei der
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Bildung der äußeren Sprache mit dem Zufallsmodell in Wechselbeziehung tritt. 4.5. Hatte Herder in den Fragmenten die Sprache schwerpunk tmäßig philologisch betrachtet und als Gegebenheit, Schatzhaus, Sprachumfang, Sprachmaterie, Werk zeug, Form und Grenze des Denk ens, k urz als ›ergon‹ gesehen, so wird im 1. Kritischen Wäldchen (1769) in der Auseinandersetzung mit Gotthold Ephraim Lessing (1729—1781) der ›energeia‹Aspek t, Sprache als Hervorbringung aus und Wirk ung durch Kraft, der bisherigen Auffassung k omplementär hinzugefügt. In Laokoon hatte Lessing noch Jean-Baptiste du Bos (1670—1742) die Zeichen der Malerei als simultan, die der Poesie als suk zessiv bezeichnet und daraus Folgerungen für die bevorzugten Gegenstände von Malerei und Poesie abgeleitet. Herder argumentiert dagegen (§ 16 ff), die Suk zession gelte für Zeichen der Musik und sei der Sprache nur sekundär: „die Künste, die Werke liefern, wirk en im Raume; die Künste, die durch Energie wirk en, in der Zeitfolge; die schönen Wissenschaften, oder vielmehr die einzige schöne Wissenschaft, die Poesie, wirk t durch die Kraft“ (Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke III, 137).
Dabei ist Kraft als Synthese des Werk Bildenden und des Energetisch-Musi k alischen zu denk en, denn Poesie wirk t auf die bildliche Phantasie wie „eine Art von Malerei“, eine „Musik der Seele“ (138). Handlung endlich (Lessings bevorzugter Gegenstand) ist nicht bloß Suk zession, sondern ›Successives durch Kraft‹, die das Aufeinanderfolgende für den Verstand in ursächliche und sinnstiftende Zusammenhänge bringt. — Das 4. Kritische Wäldchen (1769, unveröffentlicht) bringt eine erste große Erforschung des Gehörs und des Tones der Sprache als unmittelbarste Wirk ung auf die Seele (Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke IV, 122; 160 f). Die Unterscheidung des Menschen vom Tier wird zwar besprochen, Sprache als Vehik el der Tradierung menschlicher Errungenschaften betont; für das eigentliche Problem des Zirk els der Reflexion auf als solche anerk annte Zeichen, des Übergangs vom Symptom des Tierlauts zu dem als solches gemeinten Symbol hat Herder hier nur eine instink t-artige Lösung, das „Bedürfniß zu bezeichnen“ (115 f). Der Lösung der Ursprungsschrift näher brachte ihn sein schon seit der Kritik der Aesthetica Alexander Gottlieb Baumgartens (1714— 1762) (Herder 1985, Werke I, 669, 23—33) erwogenes Modell der Poesie als einer noch-
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maligen Verarbeitung des in den anderen Künsten schon Verarbeiteten (163). Freie Reflexion des (veranlaßt) Reflek tierten ist die ›Erfindung‹ der Sprache, wie die Ursprungsschrift sie bestimmt. Diese in die Transzendentalphilosophie führende Struk tur hat Herder wohl erstmals in ästhetischem Zusammenhang erprobt.
5.
Über den Ursprung der Sprache (1770, ersch. 1772)
5.1. Die 1770 geschriebene, preisgek rönte und 1772 von der Berliner Ak ademie der Wissenschaften veröffentlichte Abhandlung ist Herders bedeutendste sprachphilosophische Schrift, die auch sogleich Aufsehen erregte und als der Beginn der Sprachphilosophie als Disziplin betrachtet werden k ann. Herder antwortete auf folgende Frage der Ak ademie [meine Übers.]: „Angenommen, die Menschen seien ihren natürlichen Fähigk eiten überlassen: sind sie imstande, Sprache zu erfinden? Und mit welchen Mitteln werden sie von selbst zu dieser Erfindung gelangen? Eine Hypothese ist verlangt, die die Sache k lar entwick elt und die allen Schwierigk eiten Genüge tut“.
In zwei Punk ten wich er von der Tendenz der Frage ab: Erstens lieferte er k eine ›Hypothese‹ — etwa einen ›philosophischen Roman‹ wie das Lebensalter-Fragment —, sondern stützte jeden seiner argumentativen Hauptschritte auf „feste Data aus der menschlichen Seele“ (Herder 1985, Werke I, 810, 22 f). Es ist die empirische Logik der sinnlichen (hier psychischen) Erfahrung, die neben der oft mit leibnizischen Argumenten operierenden Logik des Verstandes und der bildhaft analogisch argumentierenden Logik der Einbildungs k raft in zunächst k on k urrierenden, dann k omplementären Argumenten die gedank liche Struk tur der Abhandlung ausmacht. Zweitens folgte er mit seiner Frage nach dem ›Ursprung‹ der Sprache nicht der Frage der Ak ademie nach der ›Erfindung‹ und Entstehung der Sprache aufgrund der (als bek annt angenommenen) natürlichen Fähigk eiten des Menschen: die Ursprungsk ategorie spielt nicht nur direk t auf die in der Ak ademiefrage zur Disk ussion stehenden Arbeiten Condillacs und Süßmilchs an, in deren Titel sie jeweils erscheint (s. Art. 65), sondern sie erhebt den eigentlich philosophischen Anspruch, mit der Lösung des Condillac-Süßmilchschen Zirk els die Selbstbegründungs-
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problematik der Vernunft zu beheben und implizit auf die Frage nach dem Wesen des Menschen eine Antwort zu geben. Mit der Rek onstruk tion des Menschen als Sprachwesen überhaupt, ›durch das Gott Sprache wirk t‹ und damit zugleich Kultur, Tradition, Geschichte, geht diese Abhandlung in genauer Einschätzung der Dignität der Sprachproblematik weit über die Fachfrage hinaus zum Entwurf der anfangs besprochenen Philosophie der Herrlichk eit, die Sprache, Kultur und Geschichte der Menschheit als reflek tierte Form der sich in die Zeit entfaltenden göttlichen Schöpfung versteht und ihr damit auf der Schwelle zur Moderne noch einmal einen Sinn gibt. 5.2. Von verschiedenen Forschern ist k ritisch vermerk t worden, daß der Begriff des ›Ursprungs‹ weder immer dasselbe bedeutet noch bezeichnet. Schon früher hatte Herder den Ursprungsbegriff den drei ›Logik en‹ gemäß historisch, philosophisch und dichterisch gefaßt (Herder 1985, Werke I, 601 f) und sprach in der Ursprungsschrift unterscheidend z. B. von ›diesem Ursprunge‹ im Unterschied zu einem andern (737, vgl. 725). Analog wendet er den Sprachbegriff auf eine Vielzahl unterschiedlicher Phänomene an und ist auch bereit, für einige von ihnen den Begriff zurück zunehmen (708, 7—19). Herder muß also mit vollem Bewußtsein seinen Begriff polysem aufgebaut haben. Eine unabsichtliche „Vermischung der Problemebenen“, die zu einer „uneinheitlichen und schwank enden Lehrmeinung Herders gerade im Grundsätzlichen“ geführt hätte, eine mangelnde „Trennung von wissenschaftlicher Gegenstands- und philosophischer Sinnproblemati k “ darf Herder deshalb nicht nachgesagt werden (Heintel 1964, XVIII f), ehe seine Methode (a) der dreifachen Logik und (b) des dialek tisch gestuften Aufbaus nach der Schöpfungshieroglyphe nicht erk annt ist, die ihrer Struk tur nach, mit einfachen, widersprechenden, synthetisch verbundenen, dann reflexiv aufgestuften Begriffen arbeitet und deshalb polyseme Begriffe schaffen muß. Neben den Begriffen ‘Ursprung’ und ‘Sprache’ ist es insbesondere der Begriff ‘Mensch’, der polysem gebraucht wird und bei dem die bisher nicht beachtete Unterscheidung zwischen real existierendem und wesentlichem Menschen einen Schlüssel für das Verständnis der Abhandlung bietet, weil sich damit auch wesentlich menschliche von realer, aus wesentlicher und
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natürlicher wechselwirk end gemischter Sprache trennen läßt. 5.3. Der erste Teil der Abhandlung stellt, der von Herder seit 1770 auch k ulturhistorisch abgesicherten Schöpfungshieroglyphe gemäß, sechs Ursprünge der Sprache in dialek tischer und reflexiv dialek tischer Stufung auf — drei Ursprünge für den Menschen als Naturwesen, drei Ursprünge, in denen der wesentliche Mensch sich dieser natursprachlichen Elemente bemächtigt und so seiner real gemischten Natur eine real gemischte äußere Sprache gibt. Der zweite Teil der Abhandlung bringt k einen Ursprung, sondern betrifft die Ausbreitung und Festigung der Sprache(n) nach vier ›Naturgesetzen‹, deren letzteres drei ›Dimensionen‹ aufweist und bis zur Ausbreitung sprachgetragener Kultur über die gesamte Erde und Geschichte führt. Im zweiten Teil ›ruht‹ Gott vom Ursprungswerk des ersten, während sich das in Gang gesetzte Sprachwesen wiederum in ›siebentägiger‹ Selbstschöpfung ausbreitet und ausbildet. Ich fasse die Sprachursprünge des 1. Teils k urz zusammen, muß jedoch vom IV. Ursprung an mehr ins Detail gehen, weil hier einige Mißverständnisse der bisherigen Forschung auszuräumen sind: (I) Natürlicher Ursprung: Sprache der Empfindungen (Herder 1985, Werke I, 697— 698, 31) Naturgesetzlich bestimmte Lautäußerung tierischer und menschlicher Organismen; mechanisches ›Mitschwingen‹ anderer beim Ertönen solcher Naturschreie. (II) Genetischer Ursprung: Völkersprache für jede Gattung (Herder 1985, Werke I, 698, 32—702, 2) Gattungsspezifische ›Natursprachen‹ (auch des Menschen als ›Tiergattung‹) aufgrund unterschiedlichen ›Nervenbaus‹ zur Bewältigung gattungsspezifischer Lebenssituationen. Reste als Ak zent, Tonart, Schwung, Interjek tion in ursprungsnahen Sprachen. Der Totalität von (I) als Unterschiedenheit entgegengesetzt. (III) Lebendiger Ursprung: rührende Sprache (Herder 1985, Werke I, 702, 3—708, 3) Der Ursprungsbegriff ist hier charak terisiert als lebendiger ›Othem‹ Gottes, der aus dem ›stöhnenden Vieh‹ wie aus den Hauchlauten ursprungsnaher Sprachen tönt. Diese AchLaute etc. sollen rühren, sind jedoch nur verbindend, nicht nötigend wie die erzwungenen
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Laute in (I). Das ›Band‹ des lebendigen Geistes verbindet intentional (III) das Unterschiedene (II) zur (empfindsamen) Einheit (I), von der der Verhärtete und der Barbar wie das Tote ausgeschlossen bleiben. — Wo sie überhaupt beachtet werden, gibt es zu diesen drei ersten Ursprüngen zwei Ansichten: Rudolf Haym (1880, II, 404) vernachlässigt sie, da diese Tierlaute „noch gar nicht menschliche Sprache“ sind; Hans Dietrich Irmscher (1966, 141 f) macht darauf aufmerk sam, „daß mit diesem Begriff einer Natursprache [...] eine wesentliche Seite der menschlichen Sprache getroffen ist“, die in Interjek tionen und rührender Kraft der Poesie wirk sam bleibe. Haym hat Recht: Herder sieht die natursprachlichen Elemente nicht als Teil der „menschlichen Sprache“ (Herder 1985, Werke I, 708, 7—19). Irmscher hat Recht: Herder betont, daß diese Elemente Teil der Sprache der Menschen bleiben. Der scheinbare Widerspruch löst sich, wenn man erk ennt: Die reale Sprache der Menschen ist neben ›menschlicher Sprache‹ aus ›Natursprache‹ k onstituiert. Schon das Erheben der Stimme überhaupt und das Aufmerk en des andern beim Ertönen der Stimme (I), die gattungsspezifischen Lautäußerungen, die beim Menschen als Interjek tionen, als danach ›gemodelte‹ Wortwurzeln, als Ton und Ak zent der Rede erscheinen (II), dann die unartik ulierten Elemente der Aussprache (Vok alismus, bes. Hauchlaute), die nur halbwegs domestizierten „wilden Töne freier Organe“ (Herder 1985, Werke I, 705, 9 f) und die durch Assoziation als Nebenbegriffe an Wörter, Wendungen, Sprechtöne und -situationen gek nüpften Gefühlswerte (III): das sind die realen Anteile und Konstituenten aus der Natursprache in den Sprachen der Menschen, die je nach ›Ursprünglichk eit‹ mehr oder weniger solcher Anteile enthalten. 5.4. Bevor nun der wesentlich menschliche Ursprung eingeführt wird, ist das Verhältnis zwischen Tier und Mensch so zu k lären, daß sowohl Kontinuität gewahrt wie Differenz gesetzt ist. Den Hinweis auf dieses Problem leistet die Auseinandersetzung mit Condillac (Herder 1985, Werke I, 708, 5—711, 28), in der Herder dessen Philosophie mit einigen polemischen Verzerrungen wiedergibt, den nicht aufgelösten Zirk el jedoch richtig benennt. Mittels des Sphärenbegriffs, der implizit schon die gattungsspezifische Lebenssituation des Ursprungs (II) bestimmt, stellt Herder eine umgek ehrte Proportion zwischen In-
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stink tfestlegung und natürlicher Tiersprache auf: je geringer die Triebfestlegung, desto differenzierter die Sprache. Empiristisch-biologisch gesehen, läßt sich ein Wesen denk en, dessen Triebfestlegung Null, dessen Sphäre Unendlich und dessen Sprache der Proportion entsprechend unendlich differenziert, reichhaltig und deshalb ohne jegliche Festlegung durch die ›Natur‹ sein muß: „Wie spricht der Mensch von Natur? Gar nicht!“ (Herder 1985, Werke I, 714, 37). — Es ist notwendig, hier die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen dem wesentlichen und dem realen Menschen zu machen. So wie in den realen Sprachen natursprachliche Elemente erhalten bleiben, ist der reale Mensch aus ›empfindsamer Maschine‹ und wesentlichem Menschen zusammengesetzt. Die folgenden Abschnitte zeigen, wie der wesentliche Mensch die Instink tleistungen der empfindsamen Maschine und Sprache sich zueignet; geschähe dies nicht, gäbe es k eine hörbare menschliche Sprache, k eine Tradition, k eine Geschichte. Sie sind Funk tionen der Ausbreitung des ›Ich‹ ins ›Nicht-Ich‹, wie Johann Gottlieb Fichte (1762—1814) es formulieren wird, Funk tionen der ›Verherrlichung‹, der Sichtbarmachung und Offenbarung des Göttlichen. Kontinuität und Differenz zwischen Mensch und Tier sind also denkbar. (IV) Wesentlicher geistiger Ursprung: Wort der Seele (Herder 1985, Werke I, 715, 19—733, 27). Idealistisch betrachtet erscheint der zunehmende Mangel an Triebbestimmung in der Sphäre als Zunahme an Freiheit. Der Mensch (als wesentlicher Mensch) ist dadurch definiert, daß er nirgends instink tgeleitet ist, „auf k einen Punk t blind fällt und blind liegen bleibt“ (Herder 1985, Werke I, 717, 4). Herder tut also „k einen Sprung“ (715, 9), auch als wesentlicher ist der Mensch Teil der Natur, braucht k eine durch einen speziellen Schöpfungsak t verliehenen Fähigk eiten (716, 1—3). Die ›wunderbare‹, beobachtbare, aber nicht erk lärbare Proportion (712, 15 f) in jeder Sphäre, also auch in der des Menschen, ist durch die „Haushaltung der Natur“ geordnet, die „gegen jedes Insek t die liebreichste Mutter war“ (Herder 1985, Werke I, 715, 15 f; 25 f). Diese imaginative Argumentation ruft biblische Vorstellungen von Haus und Haushaltung Gottes auf; schon das Naturgesetz in der „Mechanik fühlender Körper“ ist segensreich (Herder 1985, Werke I, 697, 25 f; 698, 10—14). Die Natur ordnet auch das Vernunftlose ver-
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nünftig, und zwar proportional durch Bestimmung und Festlegung. Wird nun in dieser Haushaltung ein absolut unbestimmtes Wesen gedacht, so bestimmt die Natur diese Unbestimmtheit. Der Mensch (als wesentlicher) ist geradezu durch diesen fundamentalen Widerspruch definiert: als Freier ist er bestimmt (zur Freiheit), als Bestimmter (der sein Wesen nicht wählen k ann) ist er frei. Während bei den Tieren das Verhältnis zwischen Bestimmtheit und Unbestimmtheit nur proportional verschieden ist, schlägt beim (wesentlichen) Menschen die quantitative Zunahme der Unbestimmtheit in die Qualität der Freiheit um. 5.5. Mit jeder Äußerung und Anwendung seiner Freiheit bestimmt sich der Mensch selbst, legt sich selbst fest, k ommt sich also in seinen Festlegungen und Selbstbestimmungen entgegen: er ›bespiegelt‹ sich (Herder 1985, Werke I, 717, 3—8). Dies ist die reflexive Grundstruk tur der wesentlich menschlichen Tätigk eit, die sich selbst zum „Zweck und Ziel der Bearbeitung“ nimmt (717, 3—8). Auch die Sinneseindrück e und Vorstellungen (der empfindenden Maschine) werden nicht nur erk annt, sondern zugleich an-erk annt; d. h. mit der Bestimmung des Objek ts reflek tiert sich zugleich das Bestimmende als bestimmend (716, 34—36). Die Sinnes- und Vorstellungstätigk eit der „Organisation des Körpers“ (717, 17) wird durch die Wirk ung der Freiheit zur Be-sinnung (717, 10), die auf eine mit sich selbst k onsistente Synthesis und Bedingung der Möglichk eit aller jeweiligen Besinnungen, die ›Besonnenheit‹ (719, 10 f) bezogen sein muß, wenn der Mensch sich als „Zweck und Ziel der Bearbeitung“ nicht verlieren will. Herder hat hier nach meiner Überzeugung unter dem Namen ‘Besonnenheit’ die transzendentale Synthesis der Apperzeption k onstruiert, die in der Kantschen Erk enntnistheorie von 1781 die zentrale Rolle spielt, wie er mit der ›Freiheit‹ die Idee der prak tischen Vernunft k onstruiert hat. Die „festen Data aus der menschlichen Seele, der menschlichen Organisation“ (Herder 1985, Werke I, 810, 22 f), auf die Herder sich zum Beweis seines Konstruk ts beruft, sind, was beim Menschen ›Vernunft‹ heißt und was bei ihm ›Freiheit‹ heißt (Herder 1985, Werke I, 717, 18 f) — mit dem ‘heißen’ wird auf die subjek tiv erfahrenen Tatsachen des ›cogito‹ und der NichtDeterminiertheit des Handelns hingewiesen, also die Realgründe für die Annahme von Vernunft und Freiheit. Herders Konstruk te sind aus dieser Sicht Erk lärungen von Be-
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wußtseinstatsachen, die die Bedingungen ihrer Möglichk eit angeben. ›Besonnenheit‹ ist nicht, wie Erich Heintel (1964, XLVI) meint, eine ›Unbek annte‹, aus der dann eine andere Unbek annte (Sprache) erk lärt wird, sondern ein Begriff für die Bedingung der Möglichk eit des Erk ennens, der aus der radik alen Bestimmung zur Freiheit abgeleitet wird — daher neben der erk enntnistheoretischen die ethische Komponente in dem Begriff (Herder 1985, Werke I, 720, 14 f). In der ›Disposition‹ oder ›Richtung‹ seiner Kräfte reflek tiert sich die disponierende Haushaltung der Natur im Menschen. Der Begriff der Besonnenheit hat also als transzendentale Ermöglichung der Reflexion der Sinnlichk eit eine empirische, als durch Mäßigung anleitende Freiheit eine idealistische, als haushaltende Geschöpflichk eit in der Haushaltung der Natur eine imaginative Perspek tivierung. Hier k ommt das Problem der dreifachen Argumentation in den Blick , das Kant in der Nebeneinanderstellung seiner drei Kritik en dok umentierte: Im dreifach gewendeten Begriff der Besonnenheit denk t Herder die transzendentale Synthesis des ganzen wesentlichen Menschen, nicht nur die seines Erk ennens oder prak tischen Handelns oder zweck mäßigen Daseins. Sich ›bespiegelnd‹ k ann jedoch der Mensch nur dreifach perspek tivisch von sich reden, z. B. über die Struk tur der Besonnenheit als eine Kraft, eine Mannigfaltigk eit von Kräften und eine Disposition/Richtung dieser Kräfte (vgl. Herder 1985, Werke I, 717, 15—22). Die verschiedenen Richtungen der Philosophie, die sich einer dieser Interpretationen verschreiben, erscheinen als perspek tivisch eingeschränkte Diskursformen (717, 22—27). 5.6. Sprache aus diesem wesentlich menschlichen Ursprung hat nichts mit äußerer hörbarer Sprache zu tun, ist aber deren wesentliche Voraussetzung. Herder nennt sie in Ank nüpfung an die Tradition des ›inneren Wortes‹ (bei Platon, s. Art. 14, Aurelius Augustinus, s. Art. 16, Meister Eck hart, ca. 1260— 1327, Martin Luther, 1483—1546, Shaftesbury) ‘Wort der Seele’. In Ferdinand de Saussures (1857—1913) (s. Art. 36) Terminologie ließe sich von einem ›signifié‹ reden, der noch k einen ›signifiant‹ besitzt und in seiner wesentlichen Form auch nicht darauf angewiesen ist. Der wesentliche Mensch als solcher k ommuniziert nicht — er hat k eine ›andern‹ — und geht k eine Konvention ein, außer mit sich selbst. Die Theorie der Sprachentstehung aus der wesentlichen Besonnenheit (Herder
26. Johann Gottfried Herder (1744—1803)
1985, Werke I, 722, 7—723, 5) wird erst verständlich, wenn man beachtet, daß die Besonnenheit im realen Menschen nicht etwa von Anfang an und ihn vollständig beherrschend wirk t, sondern gradmäßig gestuft erscheint (721, 22—25). Aus dieser Dialek tik des besonnen-wesentlichen mit dem sinnlichen Menschen erst läßt sich der Satz „Der Mensch in den Zustand von Besonnenheit gesetzt [...]“ (722, 7—9) nicht als Tautologie verstehen, wie Wolfgang Proß (1978, 177) ihn deutet. Der Satz bedeutet, daß der wesentliche in den sinnlichen Menschen, wenn auch nur in geringem Grad, eingelassen wird und nun ein ›Zustand‹ des realen Menschen in der ihn bestimmenden Dialek tik beginnt — als Setzender k ann nur Gott oder die Natur angenommen werden, eine Erk lärung k ann es dafür nicht geben. Besonnenheit als Freiheit und Form gerät mit Zustand und Gesetztsein in Widerspruch (Krüger 1967, 4 f): das veranlaßt die Ak tivierung der Besonnenheit zur ›Reflexion‹. Wo dann diese Reflexion nicht nur durch den Widerstand des Zustands veranlaßt, sondern ›zum ersten Mal frei würk end‹ sich erfährt, verbindet sich (veranlaßte) Reflexion auf den Widerstand mit (freier) Reflexion auf sich selbst. Der Reflek tierende reflek tiert sein Reflek tieren auf die Sache; dies ist die Struk tur der An-erk ennung, die über die Apperzeption der Sache hinaus zugleich die Apperzeption des Erk ennenden, das Bestimmen des Gegenstandes und das Bestimmen seiner selbst in Relation zum Gegenstand impliziert. Es ist die Struk tur des Zeichens, dreistellig in der Beziehung zwischen k onstituierender Reflexion, anerk anntem Zeichen und dem durch es Repräsentierten. Man k ann also nicht behaupten, „daß Herders Versuch, die Sprache aus dem allgemeinen, als Fähigk eit zu begrifflicher Erfahrung bestimmten, Wesen des Menschen abzuleiten, gescheitert ist“ (Seebaß 1981, 41). Herders Punk t ist gerade, daß Sprache nicht mit dem Wesen des Menschen gegeben ist (das wäre tautologisch), daß Sprache nicht durch Nachahmung gefunden, sondern erfunden wird — wer erfindet, anerk ennt seinen Fund und verleiht ihm damit wieder Zeichenstruk tur. Damit ist auch der Condillac-Süßmilchsche Zirk el behoben: in der Dialek tik zwischen wesentlichem und sinnlichem Menschen k onstituieren (veranlaßte) Reflexion, (frei wirk ende) Reflexion auf die Reflexion, und Besonnenheit als transzendentale Synthesis beider ein Zeichen, das mit allen andern ebenso erfundenen Zeichen k onsistent ist und damit Sprachcharak ter hat. Es
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ist zugleich nichts anderes als Gedank e, ›Wort der Seele‹, ›Name‹ ohne Wortlaut — diese Sprache ist Vernunft; Vernunft hat Sprachcharak ter. Zugleich muß k lar sein: der wesentliche Mensch ohne die Dialek tik mit dem sinnlichen, ohne den Zustand des Gesetztseins, hätte weder Sprache noch Vernunft (in dieser Definition), noch k önnte er sie entwik keln. Als ›Wort der Seele‹ bilden sich die drei Logik en. Eine Welle im ›Ozean der Empfindungen‹ wird angehalten, die Seele merk t auf und hat zugleich das Bewußtsein, „daß sie aufmerk e“ (Herder 1985, Werke I, 722, 22). Sinnenbezogene Besonnenheit k onstituiert sich als reflek tierende, d. h. zugleich auf sich aufmerk ende Aufmerk samk eit. — Analog tritt der Mensch erst in sein Wesen, wenn seine Besonnenheit als ›Moment des Wachens‹ aus dem schwebenden Traum der Bilder seiner Einbildungsk raft eine sinnlich k lare Gesamtvorstellung herausgreift, die den Gegenstand repräsentiert und als solche ak zeptiert wird, verbunden mit der Selbst-Vorstellung des Wachens und Gesammeltseins (722, 22—27). — Die Logik des Verstandes bildet sich da, wo die Besonnenheit auf die schon von ihr anerk annten Produk te der Sinnlichk eit und der Einbildungsk raft noch einmal wirk t: dann werden Merk empfindungen oder Merk male zu ›Eigenschaften‹ erk lärt, d. h. zu solchen, die den Gegenstand als unterscheidende im System der angrenzenden Gegenstände verorten sollen; der Mensch anerk ennt sie ›bei sich‹, ist sich also dieses Konstitutionsak tes bewußt. Damit ist der sie als solche anerk ennende, erk ennend als eigene erk ennende Mensch hinsichtlich ihrer auch ›bei sich‹, d. h. bei sich als der Identität des Anerk ennenden in den Ak ten des Anerk ennens. Hier zeigt sich wieder der Charak ter der Besonnenheit als transzendentale Synthesis, nun der Sinnlichk eit, der Einbildungsk raft und der Apperzeption. Es zeigt sich auch deutlich, daß eine ›bemerk te‹ Empfindung, eine wachbewußte Gesamtvorstellung, eine unterscheidende Eigenschaft mit Sprache als wörtlich verfaßten Zeichen nichts zu tun hat. Herder nennt diese Denk -Elemente wegen ihres richtig analysierten Zeichencharak ters gleichwohl ‘Sprache’ (was ihm viele Mißverständnisse eingetragen hat). — Nur hinweisen k ann ich hier auf das k omplexe Wechselspiel zwischen der ak tiven Konstitution von Merk malen und der passiven Veranlassung dazu (vgl. Herder 1985, Werke I, 723, 1—3). Herders Begriffszeichen ist in der Dialek tik von Freiheit und
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Bestimmung, Ak tivität und Passivität erfunden. Gerade daran zeigt sich wieder, daß nicht einmal der Begriff, das ›Wort der Seele‹ dem Menschen gegeben, sondern immer erst im Wechselspiel zwischen wesentlichem und sinnlichem Menschen, zwischen Freiheit und Bestimmtheit erfunden ist. Daraus folgt auch, daß diese Sprache ein „Einverständnis seiner Seele mit sich“ ist (Herder 1985, Werke I, 725, 15). Herder hat die Konventionalität und Kommunik ativität bereits des begrifflichen Denk ens erk annt (733, 21—25). Wie die Besonnenheit als Punk t in einem sinnenhaft organisierten Körper und Ozean von Empfindungen beginnt, so fängt Sprache in (jedem) Individuum an, ist aber tendenziell auf Mitteilung an die Menschheit gerichtet. 5.7. Nun k ommt Herder zur äußeren Sprache: (V) Sinnlicher, hörender Ursprung: lallendes Wörterbuch, Sprachgesang (Herder 1985, Werke I, 733, 29—742, 31) Die erste hörbare Sprache, die der Mensch als wesentlicher gestaltet, unterscheidet sich vom Wort der Seele erstens durch sinnliche Wahrnehmbark eit, zweitens durch (sek undäre) Abbildfunk tion zum Wort der Seele (736, 9—11). Wenn, wie Herder gezeigt hat, die Merk -Eigenschaft des Objek ts bereits Zeichen ist (für das Objek t, für den bezeichnenden Verstand), so ist das Laut-Zeichen, das hier Naturlaute und -geräusche nachahmt, Zeichen des Zeichens (so auch Schmidt 1968, 47; Krüger 1967, 5; dagegen Weber 1939, 16; 39; Proß 1978, 157; Seebaß 1981, 30). Daß das Zeichen des Zeichens ein ak ustisches Vorbild in der Natur hat (während das ›Wort der Seele‹ nicht ak ustisch, sondern eine inwendige Vorstellung z. B. des ›Blök ens‹ ist; Herder 1985, Werke I, 724, 9—15), erleichtert die Konstitution ka ustischer, selbst hervorgebrachter Zeichen. Es handelt sich jedoch bei diesen Lauten k eineswegs um platte Nachahmung, sondern um Nachbildung „innerhalb der natürlichen Tonleiter der menschlichen Stimme“ (Herder 1985, Werke I, 742, 1—5) so, daß die hervorgebrachten Laute den gattungsspezifisch menschlichen „Naturtrieben [...] angemessen“ sind (741, 21—23); sie dienen dem Zweck , wie der ursprüngliche Laut „tief in die Seele hinein“ zu wirk en und zu rühren (734, 29—31) — die drei ersten Sprachursprünge wirk en hier mit dem vierten, für den eine angemessene Laut-Repräsentation k onstituiert werden soll, zusammen, um eine k omplexe Interpretationsleistung zu er-
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zeugen, ein spezifisch menschliches Zeichen, „vom Verstande in Laute gedichtet“ (Herder 1985, Werke I, 740, 17—19). — Diese Lallund Interjek tionssprache des Kleink indes — darum handelt es sich! — ist also schon ein wesentliches Instrument in der Besitzergreifung der Besonnenheit über die Sinnlichk eit. Da die tönende Natur umgek ehrt als anredend gedeutet wird, entsteht mit der ersten hörbaren Sprache die Mythologie (Herder 1985, Werke I, 738, 10—35). Die stark variierte Intonation und Ak zentuierung läßt diese älteste Sprache wie Gesang erscheinen; sie bleibt als Ak zent und Intonation in jüngeren Sprachen erhalten (741 f), geht aber bei deren Formung insgesamt verloren (739, 34—36); sie ist k onstitutiv nur für die angenommene poetische Muttersprache des Menschen. (VI) Gesamtmenschlicher Ursprung: Sprache und Sprachschaffung (Herder 1985, Werke I, 742, 33—767, 28) Im Sprachursprung (IV) geht es um Merk zeichen des Denk ens, die die Besinnung mit Hilfe der Sinnlichk eit bei sich erfindet, in (V) um Laute, die die sinnliche Organisation, angeleitet von der Besonnenheit, als Zeichen für die Merk zeichen erfindet. Jetzt werden diese gegenläufigen Ursprünge synthetisch so verbunden, daß im Medium der vom Menschen als ›ergon‹ geschaffenen Sprache und als ›energeia‹ stets wirk enden Sprachschöpfung die Vernunft sinnlich und die Sinnlichk eit vernünftig werden, daß sich also der Mensch durch die Sprache geschichtlich zu sich selbst bringt, zu seiner Menschheit k ommt. Besonnene Sinnlichk eit macht aus dem Menschen ein „denk endes sensorium commune“ (Herder 1985, Werke I, 743, 35—744, 1). In sinnenhaft sich bezeichnender Besonnenheit erscheint der Mensch als „Einheit und Zusammenhang! Proportion und Ordnung! Ein Ganzes! Ein System! ein Geschöpf von Besonnenheit und Sprache, von Besinnung und Sprachschaffung!“ (Herder 1985, Werke I, 750, 20—24).
Küntzel (1936, 55) sieht in dieser Formel die Zusammenfassung des philosophischen Teils der Sprachschrift und ihren Höhepunk t. In der Tat treten hier Besonnenheit als Zustand und als Handlung, ihr sprachliches Zeichen als Zustand (›Sprache‹, ›ergon‹) und als Handlung (›Sprachschaffung‹, ›energeia‹) hervor. Die Besonnenheit wirk t als Disposition, die Besinnung als Richtung der Kräfte über einem von der Natur vordisponierten Sinnenorganismus, der die Besonnenheit wenn nicht
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enthält, so doch herbeiruft und ermöglicht. Hier zeigt sich noch einmal ganz deutlich, daß Herder die sinnliche Natur des Menschen von vornherein als äußeres Zeichen, als ›Herrlichk eit‹ einer in ihr sich entwick elnden Vernunft sah, daß dies die Humanität war, die er z. B. gegen Kants Ansicht von der radik alen Bosheit des Menschen zu verteidigen suchte. — Nun ist aber die zur ›Vernünftigk eit des Sinnlichen‹ führende Differenzierung der anfänglichen gefühlsmäßigen Sinnes-Einheit in Einzelsinne und deren vereintes Wirk en im sensorium commune dem Menschen weder phylogenetisch noch ontogenetisch von Anfang an gegeben (Herder 1985, Werke I, 745), umgek ehrt ist das Lernen, Ausbreiten und Systematisieren der Vernunft mittels der differenzierten Sinnlichk eit ein langsamer Prozeß: in den k omplementären Bereichen ist geschichtliche Entwick lung nötig, die in fünf Gesetzmäßigk eiten der Sprachentwick lung imaginativ differenzierend und vergleichend dargestellt wird (751—67). 5.8. (VII) Realisierung in der Geschichte (2. Teil). Der zweite Teil stellt k einen weiteren Ursprung heraus, sondern macht die Entwick lung der Sprache aus dem Zusammenwirk en der sechs analysierten Sprachursprünge unter verschiedenartigen Bedingungen zum Gegenstand. Wenn bisher an einen Sprachursprung, der k ausal von der realen Gesellschaft der Menschen abhinge, nicht gedacht war, obwohl jeder der Sprachursprünge auf Beziehung zu anderen angelegt ist, so muß jetzt überlegt werden, wie Individuen einander gegenseitig verstehen und eine gemeinsame Sprache haben k önnen. Herder hat einen Ausgleich zwischen Sprachtradition und Sprachschöpfung, Vorverständnis und Innovation gesucht, der die Dialek tik zwischen Besonnenheit und Besinnung, Sprache (ergon) und Sprachschaffung (energeia) in die reale Geschichte expliziert. Das 1. Naturgesetz betrifft die Denk - und Sprachentwick lung beim Individuum, abgesehen von seinem Leben in der Gesellschaft. Auf der Stufe (VII) rek onstruieren die verschiedenen Kräfte sich nicht nur, sondern sind im Medium der Sprache miteinander vertauscht: „der Mensch empfindet mit dem Verstande und spricht, indem er denk et“ (Herder 1985, Werke I, 775, 1—3), ebenso Denk en und Handeln (769, 22; 770, 16), natürliche und wesentliche Menschheit (770, 10 f, 27 f).
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Indem die transzendentale Synthesis der Besonnenheit die Seele zur „Kraft unverruck t zu sammlen“ macht (Herder 1985, Werke I, 773, 14 f), wird die Geschichte des individuellen Bewußtseins, Gedächtnisses und seiner Sprache, mit dem Zitat aus Ps. 19,2, zur Entfaltung der Herrlichk eit Gottes in die Zeit: „ein Tag nicht bloß lehrt den andern: sondern jede Minute des Tages die andre: jeder Gedank e den andern“ (773, 7—9). — Das 2. Naturgesetz zeigt, daß die monadische Betrachtungsart des ersten durch den Gegensatz zu ergänzen ist: „Kein einzelner Mensch ist für sich da; er ist in das Ganze des Geschlechts eingeschoben“ (Herder 1985, Werke I, 785, 36—786, 2). Aufgrund der „Haushaltung der Natur zur Gesellung der Menschheit“ (784, 4) durch seine ›imbecillitas‹ in die Familie einbezogen, lernbegierig, Lehrbegierigen zugesellt, nimmt er Familiendenk art, -sprache und -tradition auf. Dies ersetzt jede Konventionalitätsthese (786, 33—787, 2), garantiert Weitergabe und Fortbildung des Tradierten ohne Arbitrarität und deren Zwang auf andere. — Das 3. Naturgesetz, das zur Nationalsprache führt, verbindet die Singulartendenz des 1. mit der Pluralitätstendenz des 2. Naturgesetzes. — Das 4. Naturgesetz ist synthetisch, sofern es projek tiv die zum Einzelnen, zur Familie, zur Nation gemachten Aussagen auf das Menschengeschlecht ausweitet, den ersten mit dem letzten Menschengedank en verbindet (Herder 1985, Werke I, 800, 30—32), den „sonderbaren, charak teristischen Plan“ für den Menschen (799 f) zur Fortbildung von Sprache, Kultur, Erziehung, Gattung sichtbar macht und auf dem synthetischen Prinzip der Einheit im Einzelnen, Mannigfaltigen und Vereinigten beruht. Aufgrund von (empirischen) Beobachtungen „nach aller Wahrscheinlich k eit“ (Herder 1985, Werke I, 799, 30) idealisch erschließbar, k ann er nur mit der religiös-poetischen Vorstellung von der ›Haushaltung der Natur‹ erk lärt werden. — Diese ›Haushaltung‹ eröffnet drei weitere Dimensionen (und vervollständigt damit wieder die Schöpfungshieroglyphe): Während der alleingelassene Einzelne verwildert (Herder lehnt ausschließlich monadische Sprachentwick lung ab!), wird der Fortschritt sprachlicher und k ultureller Fortbildung in „vielfach- und innigvermehrten Verhältnissen“ beschleunigt (Herder 1985, Werke I, 805, 6 f). — Äußere Bedrängnis einer Sprachgruppe intensiviert umgek ehrt Sprachk onservatismus und -patriotismus. — Die eingeschrän k t chara k teristischen Nationen
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lernen voneinander. Von Asien nach Westen wandernd, wird die Fortbildung der Kulturen „vielleicht einmal über die Erde reichen“ (806, 29—807, 1) und damit der charak teristische Plan für die Menschheit durch die Geschichte eingelöst. Die Ursprungsschrift endet mit einer großen Prophetie von Sinn und Ziel der durch Sprache ermöglichten Geschichte der Humanität. 5.9. Die philosophische und die historische Dimension der Herderschen Argumentation sind damit im Zusammenhang sk izziert. Ein Blick ist noch auf die religiöse Dimension zu werfen, die als dritte Disk urslogik ebenfalls die ganze Abhandlung durchzieht (wenn der Text auch für eine der Hochburgen der Aufk lärung geschrieben war). Der wesentliche Mensch ist „in den Zustand von Besonnenheit gesetzt“ (Herder 1985, Werke I, 722, 7) — wer der Setzende ist, wird später gesagt: „Über die ersten Momente der Sammlung, muß freilich die schaffende Vorsicht, gewaltet haben — doch das ist nicht Werk der Philosophie das Wunderbare in diesen Momenten zu erk lären; so wenig sie seine [des Menschen] Schöpfung erk lären k ann. Sie [...] erk lärt also diese Momente nur menschlich“ (771, 15—22).
Herder wehrt sich nicht einmal gegen ›übernatürliche Erleichterung‹ beim Erfinden der Sprache, wohl aber gegen Gott als Lehrmeister von Lexik on und Grammatik (Herder 1985, Werke I, 727, 23—728, 12). Den Text bestimmt durchgängig das Bild von der Haushaltung der Natur, das in den naturwissenschaftlichen k Ö onomievorstellungen, den moralischen Argumentationen der Hausväterliteratur eine wichtige Rolle spielt und von Herder deshalb als überbrück ender Mythos für den Gegensatz seiner empiristischen und rationalistisch-idealistischen Argumentation verwendet wird. Das Bild hat eindeutig religiösen Charak ter: in der Haushaltung der Natur ist der Mensch „zum Sprachgeschöpfe gebildet“ (Herder 1985, Werke I, 748, 27 f), wie überhaupt die Geschöpflichk eit häufig betont wird. Die Haushaltung Gottes durch die Natur, die dem Menschen „göttliche Sprachnatur“ (783, 1 f) verleiht, „zeigt Gott im größesten Lichte“ (809, 28—30). Wenn die Geschichte der Menschheit von der Individualbis zur Gattungsgeschichte Erzählung der Ehre und Herrlichk eit Gottes ist (Zitat aus Ps. 19; Herder 1985. Werke I, 773, 7—9), dann wird der Mensch gegenüber den geschichtslosen Tieren (772, 29—31) erst seiner Würde als „verhüllter sichtbarer Gott“ (735,
29 f) gerecht, dem sich die Geschöpfe unterwerfen. Mit dieser Formulierung zitiert Herder eine Stelle aus Hamanns Aesthetica in nuce (1762, 83), wonach der in der Sichtbark eit des Leibes verborgene Gott-Mensch k abbalistisch der Adam Kadmon, der von Gott zum Ebenbild geschaffene Urmensch ist, den Herders Schöpfungshieroglyphe schematisch darstellt: die sechs Sprachursprünge sind k abbalistisch die Rek onstruk tion der Menschenschöpfung; die ›Naturgesetze‹ und ›Dimensionen‹ des zweiten Teils die Auslegungen derselben Hieroglyphe in die Geschichte. — Insgesamt ist die religiöse Dimension sicher deutlich. Hamann trat sie nicht ausschließlich und stark genug zum Vorschein, weshalb er sich in einigen scharfen Schriftchen gegen Herders Abhandlung wandte (s. Art. 25). Erst nach dessen Erk lärung, ›daß Gott durch Menschen die Sprache würk e‹, nimmt er ihn wieder in Gnade auf. Die zentrale Differenz zwischen Hamanns und Herders Sprachauffassung, nämlich die k onstitutive Funk tion der freien reflexiven Subjek tivität bei Herder, bleibt in dieser Versöhnung unberührt.
6.
Sprachtheoretische Äußerungen bis zu den Ideen
6.1. In den vollendeten Büchern der Ältesten Urkunde des Menschengeschlechts (1774) greift Herder nochmals die als III., IV. und V. Sprachursprung disk utierten Probleme auf, läßt ihre damalige ›Leibniz-ästhetische Hülle‹ weg, die die Differenz mit Hamann erzeugt hatte, und k ehrt ihre wesentliche Unerk lärbark eit durch die Dominanz mythisch-religiöser Vorstellungen stärk er als dort heraus. Die ›Besonnenheit‹ spielt hier terminologisch keine Rolle; sie wird in der Sache ersetzt durch die ›Älteste Urk unde‹ selbst, jenes Denk bild der Schöpfungshieroglyphe, mit dem Gott nach k abbalistischer Vorstellung seine Kräfte (Sephiroth) disponiert und ›gemäßigt‹ hat, das der Schöpfung als Plan und Maßstab zugrunde liegt, im menschlichen Leib und in der Geschichte der Menschheit schematisiert ist und im Bewußtsein als sprachliche ›energeia‹ und sprachliches ›ergon› sich reflek tiert. „Das Denk bild ist gleichsam die ganze Chak ra teristische, Historische, Philosophische und Poetische Sprache der Schöpfung“ (Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke VI, 302) und stiftet damit wie bei Hamanns Sprachauffassung der Schöpfung durchgängige Zeichenrepräsentation. Der Mensch hat Sprachfähig-
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k eit — jetzt wird der in der Ursprungsschrift bek ämpfte (Herder 1985, Werke I, 720 f) Terminus ak zeptiert —, sie bleibt aber tot, wenn sie nicht ›erweck t‹ wird. Was den Menschen hier mythisch in den unerk lärlichen „Zustand von Besonnenheit gesetzt“ hat, ist die wek k ende Stimme Gottes (Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke VII, 30 f). Indem Gott nicht, wie in Swedenborgscher Geistersprache, Gedank en in Adam entstehen läßt, sondern Stimme zum Aussprechen von Geboten und Verboten benutzt (1. Mose 1, 28—30; 2, 16 f), wird der Mensch als antwortender und in Reflexion auf seine Freiheit Ver-antwortlicher geweck t. Der gebietende Vater weck t nicht nur den Gebrauch der Sprachfähigk eit und der Sprechwerk zeuge, sondern auch den Antwortenden als Persönlichk eit, indem er seine Besonnenheit in den Zustand von Selbst-Besinnung setzt. Die dann gebildete Sprache bleibt, nach dem Anstoß durch das Vaterprinzip, Leistung des Kindes: die Grundgedank en der Ursprungsschrift bleiben also erhalten. 6.2. In der Abhandlung Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele (1778) wendet Herder die organhafte Zuordnung von Außenwelt, Organismus und Innenwelt auch auf Sprache an (Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke VIII, 197). Wenn die Seele demnach Sprache nicht „aus sich selbst“ schöpft, sondern „in einer Schule der Gottheit“ ist (194), so wird dennoch nicht bloße Rezeptivität behauptet (195): Besonnenheit und Besinnung sind weiterhin k onstitutiv für das Wesen des Menschen. Herder bezeichnet nur hier nicht das Produk t dieser Spontaneität (das Merk zeichen) schon als ›Sprache‹. Sprache heißt hier, dem Obje k t-Medium-Organ-Zusammenhang dieser Schrift gemäß, erst das dialek tische Verhältnis zwischen ›Vernunft‹ und ›Wort‹, zwischen Sprache als ›Bezeichnungsgabe‹ und äußerer Sprache als ›Wort, Sprache‹, also die Beziehung zwischen ›energeia‹ und ›ergon‹ (Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke VIII, 197). Im Grunde werden also hier nur Sprache als „Entwick lung der Vernunft“ und als „Produk tion menschlicher Seelenk räfte“ (Herder 1985, Werke I, 608, 3 f) oder die Sprachursprünge des 1. Teils und die Sprachentwick lung des 2. Teils der Ursprungsschrift in einer dialek tischen Engführung aufeinander bezogen und erst zusammen als ‘Sprache’ bezeichnet.
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7.
Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1784/85)
7.1. In seinem zentralen geschichtsphilosophischen Werk geht Herder ausführlicher im 4. und im 9. Buch auf Sprache ein, also vor und nach der Besprechung des 1. Teils durch Kant in der Jenaischen allgemeinen Litteraturzeitung 1785, vor und nach dem Erscheinen von Kants Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784), nach dem Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft in 1. Auflage 1781. Während das 4. Buch die Linie einer Weiterentwick lung der seit der Ursprungsschrift gefaßten Gedank en zur Sprache verfolgt, bringt das 9. Buch deutlich eine erste Metakritik. 7.2. Mit Kants Besprechung und Geschichtsphilosophie wurde der zentrale Dissenspunk t deutlich, der nicht so sehr in der von Kant einseitig auf Analogiedenk en hin stilisierten und k ritisierten Methodik Herders lag, sondern in Kants Funk tionalisierung des individuellen Lebens für die Vernunft der Gattung, während Herder umgek ehrt die Vernunft als Funk tion der Vollk ommenheit des individuellen Lebens sah. Gegen die Autonomie der Vernunft und die absolute Geltung ihrer synthetischen Urteile stellt Herder den semiotischen und historischen Charak ter der Erk enntnis, die wesentliche Sprachlichk eit des Denk ens im doppelten Sinn der Zeichennatur des Begriffs und der Angewiesenheit des Denk ens auf sek undäre Bezeichnung durch Wörter. Damit wird das inzwischen in den Hintergrund getretene Argument von der Zeichennatur schon des Gedank ens wieder aufgenommen: „Sprache ist der Charak ter unsrer Vernunft“ (Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke XIII, 358), d. h. die formale Vernunftfähigk eit gewinnt je historische Gestalt durch die Sprache, die sie vernimmt und bildet. — Einen zweiten wichtigen Gesichtspunk t fügt Herder jetzt hinzu: die historisch-situative Interessegebundenheit jedes Gedank ens (367 f). Der Begriff von der Sache einerseits und das Selbstverständnis des Menschen andererseits sind mit- und aneinander durch die Interessenlagen in der historisch wandelbaren Lebenssituation definiert. Damit ist eine situationsunabhängige Wahrheit, z. B. ein synthetisches Urteil a priori, schlechthin nicht formulierbar. Die Behauptung einer ›reinen‹ Vernunft, wie eingeschränk t auch immer ihr Geltungsbereich sei, erschien Herder als Form einer modernen ›Magie‹, die die Setzung als
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notwendig zu denk ender Begriffe schon als Bedingung ihrer Realität ansah und die Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772— 1801) mit dem ›magischen Idealismus‹ zum System erhob. — Herders drittes Argument gegen die von Kant über die empirischen Synthesen der Apprehension, der Reproduk tion und der Rek ognition (KrV, A97) — sie entsprechen übrigens den Anerk ennungsak ten der Merk male der Sinnlichk eit, der Einbildungsk raft und des Verstandes in der Ursprungsschrift (Herder 1985, Werke I, 722, 17—32) — hinaus als Bedingungen von deren Möglichk eit angenommenen reinen Synthesen ist, daß sie durch die Sprache geleistet werden (Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke XIII, 368). Die sprachliche Aussage als geordnete Suk zession anerk annter, für Wahrnehmungen, Vorstellungen, Begriffe stehender Zeichen leistet die empirischen Aneignungen, stellt also die Bedingung ihrer Möglichk eit dar und macht die Annahme reiner Synthesen (die doch nur wieder sprachlich-zeichenhaft gedacht und ausgedrück t werden k önnten) überflüssig. Die Ideen stellen also eine wichtige erste Auseinandersetzung mit Kant dar.
8.
Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft (1799)
Dieses in zwei Teilen, Verstand und Erfahrung und Vernunft und Sprache, vorgelegte Werk setzt sich zwar im einzelnen mit der Kantschen Erk enntnisk ritik auseinander, antwortet aber in seinen polemischen Aspek ten eher auf die magisch idealistischen Lesungen der subjek tiv idealistischen, besonders der Fichteschen Philosophie, die sich in den neunziger Jahren vor allem in der jungen Generation ausbreiteten. Dem Verständnis und dem Ansehen des Werk es hat diese Divergenz zwischen dem Objek t der Kritik und der Stoßrichtung der Polemik zweifellos geschadet; vor allem bleibt aus diesen Gründen die selbständige erk enntnistheoretische und sprachphilosophische Alternative verdeck t, die Herder seinem früheren Lehrer entgegensetzt. Es k ann nicht Aufgabe dieser Übersicht sein, den Gedank engängen Herders zu folgen, Polemik , Metak ritik und eigene Philosophie zu trennen. Ich beschränk e mich im wesentlichen auf die Frage, ob und in welcher Hinsicht es sich hier um eine Metak ritik zu Kants Kritik der reinen Vernunft handelt.
8.1. Während man gemeinhin nur Herder genetisches Denk en zuschreibt, das Kants transzendentalphilosophische Argumentation gar nicht treffen, geschweige denn k ritisieren k önne, weist Herder mit der von ihm bek lagten „Spaltung der menschlichen Erk enntnißk räfte“ bei Kant (Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke XXI, 314 f) auf die genetische Grundannahme hin, „daß es zwei Stämme der menschlichen Erk enntnis gebe, die vielleicht aus einer gemeinschaftlichen, aber uns unbek annten Wurzel entspringen, nämlich Sinnlichkeit und Verstand“ (KrV, B29).
Diesem dualistischen Genese-Modell Kants stellt Herder, sicherlich gleichberechtigt, ein organisches Genese-Modell aus einer einzigen, reflexiv sich aufstufenden ›Naturk raft‹ entgegen, deren Funk tion auf jeder Stufe das Innewerden/Anerk ennen des Eins im Vielen ist. Kants ›rezeptive‹ Sinnlichk eit wird dadurch schon in ihrer Ak tstruk tur rek onstruiert, umgek ehrt erscheint die ›spontane‹ Denk tätigk eit nie ohne Veranlassung aus der Sinnlichk eit. So müssen nach Herder weder vorgegebene und ›bereitliegende‹ Formen der Anschauung vorausgesetzt werden — Raum- und Zeitvorstellungen werden existenziell (im Vorgriff auf Martin Heidegger, 1889—1976) und bildtheoretisch rek onstruiert —, noch k önnen transzendentallogische Kategorien und damit die Bedingung für synthetische Urteile a priori erschlossen werden. Die genetische Setzung der zwei getrennten ›Stämme‹ der Erk enntnis bedingt nach Herder die Notwendigk eit bei Kant, den transzendentalen Apparat von Anschauungs- und Den k formen überhaupt anzunehmen. Die Aufdeck ung dieser Setzung und die Angabe einer Alternative, aus der sich die Erk enntnisleistungen ebenfalls rek onstruieren lassen, ist meines Erachtens ein echtes metak ritisches Argument. 8.2. Wenn Kant z. B. die Anschauungsformen als ›bereitliegend‹ annimmt (KrV, B34), so ist das für Herder die Hypostase eines reinen Begriffs, der positive Gebrauch als quasi psychische Disposition für etwas, das ansonsten reine Form sein soll. Umgek ehrt ist für Herder die Annahme des Dings an sich als Noumenon die Folge einer für ihn unzulässigen und bek lagenswerten Trennung der Erk enntnis von der Praxis, die Kant um der Möglichk eit reiner Erk enntnis willen zwar machen muß, die er aber z. B. in der Anerk ennung der Differenz von 100 gedachten und 100 wirklichen Talern wieder durchstößt
26. Johann Gottfried Herder (1744—1803)
(KrV, B627). Der positive Gebrauch transzendentallogischer Begriffe entweder durch Unterlegung einer Existenzerfahrung wie bei 100 wirk lichen Talern oder im Sinne einer „transzendentalen Affe k tionsursache“ (Heintel 1964, XXXVIII f) wird von Herder als ›magisches‹ Verfahren k ritisiert, mit dem zunächst rein gedachten Begriffen unversehens Wirk lichk eit erteilt wird. Schon im Versuch über das Sein hatte Herder Kant dieses Verfahren vorgeworfen und dort schon seine Alternative der Annahme einer subjek tiven und objek tiven, je durch Kraft sich manifestierenden Existenz formuliert. Erk enntnis, wie gesagt, ist in diesem Sinne Äußerung einer innewerdenden/aner k ennenden Natur k raft und damit eine Form von Praxis. Sie orientiert sich deshalb nie an dem Problem der ›objek tiven‹ Erk enntnis eines Dings an sich (um diese dann k ritisch auszuschließen), sondern von vornherein nur an der Frage, „was es ihm sei? was für Eigenschaft es für ihn habe?“ (Herder 1877—1913, Sämmtl. Werke XXI, 101). Da die Aneignung des Dings ›für mich‹ eine durchaus historische, auf die jeweilige Bedarfs- und Interessensituation des Individuums/einer Sprachgemeinschaft bezogene Anerk ennung ist, „ohne daß der Anerk ennende des Anerk annten innere Natur k annte oder k ennen wollte“ (102), ist für Herder einerseits das Ding an sich nur ein selbstgemachtes Problem Kants, andererseits ist die Erk enntnis stets interessegeleitet, historisch relativ, praxisbezogen. Das zweite metak ritische Argument liegt weniger in dem Aufweis eines vielleicht nicht ganz k onsistenten Begriffsgebrauchs bei Kant als vielmehr in der Kritik an der nicht vollständig durchzuhaltenden Setzung, mit der Kant Erk enntnis und Praxis trennt. Dagegen setzt Herder eine alternative Re k onstru k tion praxisbezogener Er k enntnis mit allen von Kant disk utierten Leistungen, jedoch ohne den transzendentalen und ›reinen‹ Überbau. 8.3. Ein drittes metak ritisches Argument ist die prinzipielle Sprachlichk eit und damit Erfahrungs-, Interesse- und Geschichtsgebundenheit der Vernunft, die eine ›reine Vernunft‹ von vornherein ausschließt. Dem geht voraus die schon in der Ursprungsschrift dargelegte Zeichenartig k eit aller Sinnesempfindungen, Bilder der Einbildungsk raft und Begriffe des Verstandes, die durch die reflexive Tätigk eit der Aneignung, des Innewerdens, des Anerk ennens bedingt ist. Einerseits werden in dem mit der jeweiligen Sprache gelernten Sinn die
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in der Vergangenheit vollzogenen erfahrungs-, interesse- und geschichtsspezifischen Anerk ennungsak te mitgelernt — Sprache ist das ›Lagerbuch‹ des Verstandes (Herder 1877— 1913, Sämmtl. Werke XXI, 103) — andererseits regeneriert der Verstand „Begriffe bildend [...] sich selbst unaufhörlich“ (293). Sprache in der Spannung von ›ergon‹ und ›energeia‹ (ohne daß Herder die Humboldtschen Begriffe schon benützt) ist das Leben des Verstandes wie auch der Vernunft, die die vom Verstand je frisch generierte Sprache/ Erk enntnis auf dem Hintergrund der gesamten ihr bewußten Sprach- und Zeichensphäre im Hinblick auf die jeweils gegebene Anwendungssituation beurteilt: „sie selbst ist und heißt Sprache“ (293). Mit der Sprachbedingtheit des Verstandes, der Sprachlichk eit der Vernunft und der Bestimmung der Sprache als erfahrungsabhängig, interessebezogen, geschichtlich bedingt und veränderlich ist erstens wieder ein metak ritisches Argument gefunden, denn unter dieser Voraussetzung läßt sich eine Erk enntnis a priori nicht denk en (was dafür ausgegeben wird, ist historisch bedingt und interessegeleitet), geschweige denn formulieren. Zweitens hat Herder mit der Sprachlichk eit der ›höheren‹ Erk enntnisvermögen wieder einen bedeutenden Systementwurf neben Kants Erk enntnistheorie gestellt, der bis zu den sprachphilosophischen und sprachhermeneutischen Entwic k lungen des 20. Jahrhunderts (s. Art. 45) ak tuell und wirk sam bleibt. — Herders Sprachphilosophie, mit geringfügigen Betonungsunterschieden seit 1764 k ontinuierlich entwick elt und ausgearbeitet, findet ihren sicherlich formal problematischen, gedank lich jedoch differenziertesten und am weitesten vorausweisenden Ausdruck in seiner Metakritik. Kants idealistischer Sonderung von Erk enntnis und Praxis, die für die Entwick lung der wissenschaftlich-technischen Welt des 19. Jahrhunderts so vorausweisend und grundlegend war, stellt Herder ein Modell ihres organischen Zusammenwirk ens entgegen, für das erst im 20. Jahrhundert wieder Bedürfnis und Sinn erwächst.
9.
Literatur in Auswahl
9.1. Zitierte Texte Condillac 1746, Essai sur l’origine des connoissances humaines, in: Condillac 1827. Diderot 1753, De l’interprétation de la nature, in: Diderot 1964.
II. Personen
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Hamann 1762, Aesthetica in nuce, in: Hamann 1968. Herder 1985, Werke. Herder 1877—1913, Sämmtliche Werke. Michaelis 1760, De l’influence des opinions [...], in: Michaelis 1974. Rousseau 1754, Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes, in: Rousseau 1954. Rousseau 1762, Émile, in: Rousseau 1957. Süßmilch 1764, Versuch eines Beweises [...], in: Süßmilch 1964.
9.2. Zitierte Kommentare und Forschungsliteratur Apel 1963, Die Idee der Sprache in der Tradition des Humanismus von Dante bis Vico. Gaier 1987, Poesie als Metatheorie.
27. 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Gaier 1988, Herders Sprachphilosophie und Erkenntniskritik. Haym 1880, Herder, Bd. I. Heintel 1964, Einleitung, in J. G. Herder. Sprachphilosophische Schriften, Heintel (Hg.). Irmscher 1966, Nachwort, in J. G. Herder. Abhandlung über den Ursprung der Sprache, Irmscher (Hg.). Krüger 1967, Der menschlich-göttliche Ursprung der Sprache. Küntzel 1936, Herder zwischen Riga und Bückeburg. Proß 1978, Herder ‘Über den Ursprung der Sprache’. Schmidt 1968, Sprache und Denken. Seebaß 1981, Das Problem von Sprache und Denken. Weber 1939, Herders Sprachphilosophie.
Ulrich Gaier, Konstanz (Deutschland)
Wilhelm von Humboldt (1767—1835) Einleitende Bemerkungen: ›Das Studium der Sprache‹ Humboldts Schriften zur Sprache Grundlagen der humboldtschen Sprachphilosophie Grundzüge der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts Literatur in Auswahl
Einleitende Bemerkungen: ›Das Studium der Sprache‹
1.1. Ziel und Methode des Sprachstudiums Wilhelm von Humboldts Sprachstudien sind gek ennzeichnet durch die enge Verk nüpfung von empirischer Sprachforschung und philosophischer Reflexion. Das macht zum einen ihren besonderen Charak ter und Rang im Rahmen der Sprachwissenschaft wie der Sprachphilosophie des 19. Jahrhunderts aus; zum anderen ist dies nach wie vor eine der Schwierigk eiten, die sich einer problemlosen Rezeption und Interpretation seines sprachphilosophisch-sprachwissenschaftlichen Werk es entgegenstellen. Kein anderer Sprachforscher des 19. Jahrhunderts hat die von verschiedener Seite, darunter z. B. von Friedrich Schlegel (1772—1829), erhobene Forderung nach Verk nüpfung dieser beiden Teile der Sprachforschung so ernst genommen und mit der gleichen Konsequenz umzusetzen ver-
sucht wie Humboldt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts geriet sie weitgehend in Vergessenheit und wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeck t oder erneut erhoben, wenn auch mit anderen Zielsetzungen, als Humboldt sie verfolgte. — Die Verk nüpfung der (synchronischen) Untersuchung lebender und toter, nur noch mittels schriftlicher Zeugnisse überlieferter Sprachen einerseits und der Erforschung von Sprache und Sprechen als das Wesen des Menschen bestimmendes und prägendes Phänomen andererseits, die auch ein eigenes methodisches Vorgehen verlangt, ist eine Konsequenz aus der im Mittelpunk t des humboldtschen Interesses stehenden, in theoretischer wie in prak tischer Absicht gestellten Frage nach dem Menschen. Für Humboldt k ann aufgrund der leitenden Fun k tion der anthropologischen Frage das Ziel des (vergleichenden) Sprachstudiums weder — wie etwa bei Jacob Grimm (1785—1863) oder Franz Bopp (1791—1867) — nur in der Gewinnung sprachwissenschaftlicher Erk enntnisse liegen, noch — wie etwa bei Johann Gottfried Herder (1744—1803) (s. Art. 26) (trotz der Gemeinsamk eiten z. B. hinsichtlich des anthropologischen Rahmens, innerhalb dessen das Problem Sprache erörtert wird) — in der allein durch philosophische Reflexion zu leistenden systematischen Beschreibung und Einordnung des Phänomens Sprache. Humboldts Zielsetzung ist weiter gefaßt: Es geht ihm darum, „zu sichren und
27. Wilhelm von Humboldt (1767—1835)
bedeutenden Aufschlüssen über Sprache, Völk erentwic k lung und Menschenbildung“ (Humboldt 1960 ff, Werke III, 1) zu gelangen. Will man Erk enntnisse über den Menschen und seine (geistige) Entwick lung gewinnen, so muß man sich vor allem mit seinen schöpferischen Leistungen befassen, die ihn als Natur- und Kulturwesen, als Individuum wie als Gemeinschaftswesen auszeichnen, also insbesondere mit der wohl wichtigsten und für vieles andere grundlegenden schöpferischen Leistung des Menschen: der Sprache. Denn, so einer der Kernsätze der humboldtschen Anthropologie: „Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache“ (Humboldt 1960 ff, Werke III, 11). Sie gilt es daher in all ihren Aspek ten zu studieren, wobei Empirie und Philosophie einander ergänzen und stützen müssen. Sprachstudium in dieser zweifachen Ausrichtung k ann deshalb nur vergleichende Sprachforschung sein, vergleichend in einem doppelten Sinne: Zum einen gilt es, in die Mannigfaltigk eit der vorgefundenen Sprachen, die Humboldt als eine Folge der (individuellen) Ausschöpfung der Möglichk eiten des Sprechens ansieht, Ordnung zu bringen, durch Vergleich Charak teristik a und Eigenheiten zu k er ennen, Zusammengehörig k eit, Standort und Individualität zu bestimmen — eine zum Teil empirisch zu lösende Aufgabe. Zum anderen geht es Humboldt darum, dem Phänomen Sprache auf die Spur zu k ommen, d. h. die Einheit in der Mannigfaltigk eit der Sprachen herauszuarbeiten, sie (die Sprachen) als zwar nicht gleichrangige, anthropologisch jedoch gleichwertige Konk retisierungen der Sprache auszuweisen, die Vielzahl der Sprachen also in ihren Bezügen zur ›Idee‹ der Sprache zu erhellen, die vorgefundene Vielfalt mit Sprache in ihrer ›Totalität‹ und ›Vollendung‹ zu vergleichen — eine überwiegend philosophische Aufgabe. 1.2. Humboldt und die Sprachforschung seiner Zeit In einem Brief vom 20. Dez. 1799 aus Madrid an Friedrich August Wolf (1759—1824), in dem Humboldt von seiner Absicht spricht, sich „k ünftig noch ausschließender dem Sprachstudium [zu] widmen“, gibt er einen der ersten Hinweise auf die beiden Komponenten eines solchen Unterfangens, das er als „eine gründlich und philosophisch angestellte Vergleichung mehrerer Sprachen“ (Freese 1986, 308) bezeichnet. Nach seiner Auffassung läuft die vergleichende Sprachforschung
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allerdings Gefahr, vielleicht gerade weil sie Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts einen ungeheuren Aufschwung erlebte, ihren Untersuchungsgegenstand nur unzureichend zu erfassen und ihre Zielsetzungen unbegründet einzuschränk en. Bei aller Hochschätzung der sprachwissenschaftlichen Leistungen seiner Zeitgenossen, insbesondere Fr. Schlegels, Bopps und J. Grimms, k ritisiert er an diesen, daß sie den philosophischen Teil des Sprachstudiums vernachlässigen, d. h. zum einen die Reflexion auf Methoden und Zielsetzungen der Sprachwissenschaft zu sehr ausk lammern, zum anderen die Sprachen etwa in ihrer „intellectuell-teleologischen Erscheinung“ (Humboldt 1960 ff, Werke III, 6) unbeachtet lassen, so daß wichtige Fragen wie die nach der Natur der Sprache oder dem Sinn der Verschiedenheit der Sprachen k aum noch in den Blick k ommen. Die Forderung, Sprachen unter philosophischem Aspek t zu vergleichen, hatte Herder in seinen Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit erhoben. Humboldt übernimmt diese Forderung, verk nüpft sie aber auf engste mit der nach detaillierter Untersuchung von Grammatik und Wortschatz, womit er sich ebenso entschieden wie gegen eine ausschließlich empirische auch gegen eine rein spek ulative, ›bloß aus Ideen‹ und damit einen Teil ihres Fundaments entbehrende Sprachbetrachtung wendet. Das Sprachstudium erfordert, so Humboldt (1960 ff, Werke III, 114), „die durch richtige Methodik geleitete, vereinte Anwendung des reinen Denk ens und der streng geschichtlichen Untersuchung“. ‘Geschichtliche Untersuchung’ heißt bei Humboldt die vor allem synchronische Betrachtung des vorliegenden Sprachmaterials. Humboldts Ziel ist es dabei u. a. auch, der Sprachwissenschaft eine der Bedeutung ihres Gegenstandes angemessene Gestalt zu geben, die wesentlich durch Forschungsmethode und Forschungsziel bestimmt wird. Jede Vernachlässigung eines der beiden Teile des Sprachstudiums führt zu einem verk ürzten Begriff von Sprache mit entsprechend negativen Folgen für das Verständnis vom Menschen, insbesondere seines sprachlichen und damit welterschließenden Handelns. Zum Sprachstudium gehört für Humboldt — im Unterschied zu seinen Zeitgenossen — daher auch, die Methoden der empirischen Sprachforschung mitzubedenk en, sprachwissenschaftliche und philosophische (anthropologische) Fragestellungen k lar zu trennen sowie das Verhältnis beider zueinander methodisch zu k lären. In seinen Unter-
II. Personen
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suchungen zur Sprache finden sich deshalb vielfach auch methodologische und grundlagentheoretische Überlegungen.
2.
Humboldts Schriften zur Sprache
Im Jahre 1799 reist Humboldt zum ersten Mal nach Spanien, zu Beginn des Jahres 1801 ein zweites Mal, um insbesondere seine Kenntnisse des Bask ischen zu vertiefen und möglichst viel Material über diese Sprache zu sammeln. Eine geplante Monographie über die Basken, in der Sprache und Bevölk erung beschrieben, charak terisiert und in ihrer Eigenart dargestellt werden sollten, ist ebenso Fragment geblieben wie später der Großteil seiner Schriften zur Sprache. Humboldt hat zu seinen Lebzeiten nur wenige Abhandlungen — gemessen am Gesamtumfang seiner Schriften — für eine Veröffentlichung vorbereitet und druc k fertig gemacht. Chara k teristisch für einen Teil seiner Schriften zur Sprache ist deren vorläufiger Charak ter: nicht die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen war Humboldt vorrangig, sondern ihre versuchsweise Darstellung unter steter Berück sichtigung der übergeordneten Fragestellungen. Denn erst die Darstellung erlaubte eine Überprüfung der Ergebnisse sowie ihre Disk ussion, die — in eher vertrautem Kreis — zu Anregungen, Erweiterungen und Korrek turen führen sollte. An Karl Theodor Welck er (1790—1869) schreibt Humboldt am 6. Nov. 1821, daß er nach umfangreichen Vorarbeiten nun eine Abhandlung über die amerik anischen Sprachen schreiben wolle, „welche das Charak teristische des grammatischen Baues dieser Sprachen darstellend prüfen soll“ (Freese 1986, 701; Hervorh. von Vf.). Seine umfangreiche, erst teilweise ausgewertete Korrespondenz, in der sich aufschlußreiche Hinweise auch zur Sprache finden, belegt ebenfalls dieses Verfahren der tentativ-prüfenden Darstellung: Sie erlaubte es ihm, wie er im Brief an August Wilhelm Schlegel (1767— 1845) vom 18. Ok t. 1822 bemerk te, versuchsweise „entschiedene Behauptungen, scharf hingestellte Sätze“ (Freese 1986, 705) zu formulieren und dann im Dialog Methode und Behauptungen auf Stimmigk eit und Stichhaltigk eit zu überprüfen. Für die Zurück haltung Humboldts gegenüber der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen lassen sich noch zwei weitere Gründe angeben. Zum einen scheute er die Publik ation von — in seinem Verständnis — vorläufigen Ergebnissen: Solange er nämlich „noch zu sehr im Studium
des Fak tischen begriffen“ war, vermied er ›Urteile‹ zu einzelnen Problemen (wie Sprachbau oder Sprachentstehung), da diese Urteile bei der weiteren Erforschung des Gegenstandes und den aufgrund vertiefter Kenntnis des empirischen Materials notwendig vorzunehmenden Änderungen „immer im Wege“ seien (Freese 1986, 705). Zum anderen war er bestrebt, den größeren thematischen Zusammenhang, in dem für ihn alle Untersuchungen, etwa auch grammatische Detailfragen, standen, deutlich zu machen. Er war aber der Auffassung, daß dies nur selten gelingen k önne (vgl. Freese 1986, 704). Seine Zugehörigk eit zur Preußischen Ak ademie der Wissenschaften, der er seit 1810 angehörte, verpflichtete ihn allerdings, jedes Jahr einen Vortrag zu halten und zu publizieren. Diese Vorträge spiegeln die ganze Breite seiner wissenschaftlichen Tätigk eit, insbesondere jedoch die Komplexität seiner Untersuchungen zur Sprache. Charak teristisch für diese Texte ist, daß Humboldt häufig die Beschreibung eines sprachlichen Phänomens, einer Eigenheit einer oder mehrerer Sprachen im Vergleich zu anderen als Ausgangspunk t und Materialbasis nimmt für systematische Unterscheidungen und zum Teil weitreichende sprachphilosophische Reflexionen. Die Palette der Themen umfaßt grammatische Probleme wie das verschiedenartige Vork ommen und die Funk tion der Pronomina oder den Gebrauch des Verbs, die Darstellung von Besonderheiten einzelner Sprachen, etwa des Chinesischen, des Sansk rit oder der malaiischen Sprachen, sowie grundsätzliche Fragen, z. B. die nach dem Begriff der grammatischen Form, dem Verhältnis von Denk en und Sprechen (s. Art. 71) oder den Zielsetzungen und Methoden des vergleichenden Sprachstudiums. Ausdrück lich genannt seien hier der Vortrag Über die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau von 1824, in dem Humboldt das Verhältnis von gesprochener Sprache und den verschiedenen Schriftarten wie Bilder- oder Buchstabenschrift untersucht und u. a. das sprachliche Verfahren der Artik ulation, d. h. der Bildung distink ter Lautund Sinneinheiten als Teile eines Ganzen, erörtert, sowie der wohl bek annteste dieser Vorträge Über den Dualis von 1827, in dem er, ausgehend von einer Beschreibung und Analyse dieser Pluralform, wie sie in verschiedenen Sprachen zu finden ist, das zu seiner Zeit viel und k ontrovers disk utierte Problem des Sprachursprungs (s. Art. 65) aufgreift und die Frage nach der Entstehung der Sprache im
27. Wilhelm von Humboldt (1767—1835)
Sinne einer logischen Genese zu beantworten versucht. Von den erst aus dem Nachlaß veröffentlichten Schriften zur Sprache sollen hier nur folgende erwähnt werden: Der zwischen 1795 und 1798 entstandene, Fragment gebliebene Text Über Denken und Sprechen, der, ganz unter dem Eindruck der Philosophie Johann Gottlieb Fichtes (1762—1814) geschrieben, bereits zentrale sprachphilosophische Fragestellungen ank lingen läßt; der als Beitrag zu Alexander von Humboldts Voyage aux régions équinoxales du nouveau continent geplante und von der Forschung bisher zu Unrecht etwas vernachlässigte Essai sur les langues du nouveau continent (1811—1812), in dem Humboldt den Themenk omplex Sprache erstmals systematisch umfassend darzustellen versucht. Besonders hervorzuheben ist die in den Jahren 1824—1826 geschriebene, als Einleitung zu ausführlichen Untersuchungen über die Amerikanischen Sprachen (so der Untertitel der Schrift) geplante, aber nicht abgeschlossene Abhandlung Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus, weil diese als die systematischste Darstellung der zentralen sprachphilosophisch-sprachwissenschaftlichen Überlegungen Humboldts Zur Natur der Sprache überhaupt und zum Verfahren der Sprache bei Bildung der Rede (dies die Kapitelüberschriften) gelten darf. Auch der 1827— 1829 entstandene Text Über die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaus ist hier noch zu nennen: zum einen läßt er die — die humboldtschen Sprachforschungen entscheidend mitbestimmende — anthropologische Fragestellung besonders deutlich erk ennen; zum anderen befaßt sich Humboldt in diesem Text neben den aus der zuvor genannten Schrift wieder aufgegriffenen Themen eingehend mit der Rolle der Pronomina. In den Jahren 1830—1835 schließlich entstand die sogenannte Einleitung zum Kawi-Werk, in der sich wichtige Passagen aus früheren Abhandlungen, so z. B. aus den Grundzügen, wiederfinden. Diese Schrift, deren vollständiger Titel Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts lautet, wurde erst 1836—1839, also nach Humboldts Tod, in drei Bänden veröffentlicht. Sie k ann als der Versuch Humboldts angesehen werden, die Ergebnisse seiner Forschungen zum vielschichtigen Problem der Sprache in den ihm wichtigsten Aspek ten im Zusammenhang darzustellen.
365
3.
Grundlagen der Humboldtschen Sprachphilosophie
3.1. Sprachkenntnisse Humboldt hat sich ca. 40 Jahre lang mit Sprachforschung befaßt. Seine Sprachk enntnisse k ann man ohne Übertreibung als enzyk lopädisch bezeichnen. Griechisch, Latein und Französisch lernte er als Jugendlicher; später k amen Englisch, Italienisch und Spanisch dazu. Nicht nur auf Reisen nutzte er jede Gelegenheit, sich auch mit weniger geläufigen europäischen Sprachen vertraut zu machen, so u. a. mit dem Tschechischen, Ungarischen, Litauischen, Provenzalischen und Bask ischen. Der Sprachforschungs- und -entdeck ungseifer seiner Zeit half Humboldt auch beim Erwerb fundierter Kenntnisse außereuropäischer Sprachen: So beschäftigte er sich u. a. mit dem Koptischen und Ägyptischen, dem Japanischen und Chinesischen, dem Sansk rit sowie amerik anischen und malaiischen Sprachen, insbesondere mit der Dichter- und Gelehrtensprache Javas, dem Kawi. 3.2. Sprachwissenschaft und Methodologie Die Kenntnis möglichst vieler und möglichst verschiedenartiger Sprachen, d. h. ihres Wortschatzes und ihrer Grammatik , um sie verstehen und — wenigstens einige von ihnen — sprechen zu k önnen, ist nur ein Teil der Materialbasis, die Humboldt für notwendig hält, um das Phänomen Sprache mit philosophischen Mitteln zu erforschen und Einblick in die geistige Entwick lung der Menschheit zu gewinnen. Der zweite Schritt, die sprachwissenschaftliche Bearbeitung des Materials, macht natürlich von den Sprachk enntnissen Gebrauch. Das sprachwissenschaftliche Ziel, den grammatischen (morphologischen und synta k tischen) und semantischen Aufbau einer Sprache zu erk ennen, ihre Entwick lung (Einflüsse durch andere Sprachen, Ausdifferenzierung oder Verschwinden grammatischer Formen usw.) so weit wie möglich aufzudek k en, ist eingebettet in die philosophische Zielsetzung, Erk enntnisse über die ›wahre Natur der Sprache‹ und den Menschen als Sprachwesen zu gewinnen. Diese Zielsetzung bestimmt das humboldtsche Vorgehen, das durch mehrere, auch von ihm selbst immer wieder explizit genannte Aufgaben gek ennzeichnet ist: (a) Das Sammeln von Sprachmaterial (Wörterbücher, Grammatik en, Aufzeichnungen, die z. B. sein Bruder Alexander, Missio-
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nare u. a. mitbrachten), seine gründliche Kenntnis und gegebenenfalls seine Bearbeitung, z. B. das Anlegen von Wörterbüchern und Grammatiken. (b) Eine solche Bearbeitung des vorliegenden Sprachmaterials muß jedoch bereits als Teil der zweiten Aufgabe angesehen werden, nämlich der Beschreibung der einzelnen Sprachen sowie ihres Vergleichs mit anderen. Mit eingeschlossen ist dabei für Humboldt immer auch die k ritische Reflexion auf die Beschreibungsmittel. So zeigt z. B. die Auseinandersetzung mit Jean Pierre Abel-Rémusat (1788—1832) die von Humboldt befolgte methodische Maxime, daß man den Besonderheiten einer Sprache schon in der Beschreibung ihrer Grammatik gerecht werden müsse. In einem Brief an Christian Karl Josias Bunsen (1791—1860) vom 8. Juni 1827 fordert Humboldt, daß man „die Grammatik , die in einer Sprache liegt, von der unterscheiden muß, welche beliebig hineingetragen wird“ (Freese 1986, 721; vgl. auch: Essai sur les langues du nouveau continent, in: Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften III, 303 f). Das bedeutet aber, daß die vorhandenen (grammatischen) Beschreibungsmittel jeweils überprüft und von Fall zu Fall ergänzt und erweitert, daß in bestimmten Fällen sogar neue bereitgestellt werden müssen. So finden sich in Humboldts Nachlaß u. a. 30 Grammatik en und Wörterbücher, die er im Rahmen seiner Untersuchungen der amerik anischen Sprachen anhand des ihm verfügbaren Materials selbst verfaßt hat. Die eigene empirische Arbeit ist auch Teil seiner k ritischen Auseinandersetzung mit der sich etablierenden historischen Sprachwissenschaft seiner Zeit, wobei er deren Fortschritte nicht nur zur Kenntnis nahm, sondern, wie im Falle seiner Arbeiten zur chinesischen Sprache und zum Sansk rit, zur Revision seiner eigenen Untersuchungsergebnisse nutzte. (c) Als dritte Aufgabe ist schließlich die (sprach-)philosophische Reflexion zu nennen, die auch auf die sprachwissenschaftlichen Erk enntnisse zurück greift, zumal die Berück sichtigung des empirischen Materials in Humboldts Augen ein notwendiges Korrek tiv der philosophischen Reflexion darstellt. Ein Musterbeispiel seines diese drei Aufgaben systematisch verbindenden Vorgehens gibt Humboldt in seinem Vortrag Über den Dualis, in dessen Einleitung er zudem Zielsetzung und Methode der Untersuchung k urz umreißt. — Die bloße Unterscheidung der genannten drei Aufgaben sagt jedoch noch nichts darüber
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aus, in welchem Umfang (sprach)philosophische Überlegungen den sprachwissenschaftlichen Untersuchungen vorgeordnet, in welchem Umfang sie für diese sogar leitend sind. Humboldt weist wiederholt darauf hin, daß ›Studium‹ und ›Darstellung‹ auseinanderzuhalten sind, denn das „Studium verlangt einen anderen Weg, als die Darstellung des durch Studium k Er annten“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 371). — Die humboldtsche Konzeption des ›Sprachstudiums‹, charak terisiert u. a. durch die gegenseitige Ergänzungsbedürftig k eit der verschiedenen Aufgabenfelder, hat weder im 19. noch im 20. Jahrhundert Schule gemacht, auch wenn die sprachwissenschaftliche wie die sprachphilosophische Bedeutung seines Werk es immer wieder hervorgehoben wurde. Unzweifelhaft ist jedoch, daß Humboldt eine andere als die zu seiner Zeit übliche Sprachwissenschaft im Blick hatte. Seine sprachwissenschaftlichen Untersuchungen lassen sich am ehesten als synchronisch-stru k tural k ennzeichnen und k önnen in einem gewissen Sinne als der Beginn einer Tradition angesehen werden, die in Ferdinand de Saussure (1857— 1913) (s. Art. 36) einen ihrer wichtigsten Vertreter fand. 3.3. Philosophie als ›Studium des Menschen‹ Ernst Cassirer (1874—1945) (s. Art. 37) sieht in Humboldt den Begründer einer neuen Epoche der Sprachphilosophie. Das Neue, das dieses Urteil rechtfertigt, bestand weniger darin, Sprache zum Gegenstand des Philosophierens zu machen — hierin hatte Humboldt durchaus bedeutende Vorläufer. Das Neue bestand vielmehr darin, (a) die philosophische Reflexion auf die Sprache ins Zentrum der Anthropologie zu rück en — Anthropologie ist für Humboldt nicht ein Bereich unter anderen; sie macht vielmehr den Teil der Philosophie aus, in den letztlich alle philosophischen Disziplinen münden, so daß sie z. B. auch ästhetische und erk enntnistheoretische Fragestellungen einschließt; (b) die gesamte Sprachforschung als eine Einheit mit einem empirischen und einem philosophischen Anteil, wissenschaftstheoretische Fragen eingeschlossen, zu verstehen; und schließlich (c) in dem Versuch, Sprache k onsequent vom Sprechen her zu erfassen, den Tätigk eitscharak ter des Sprechens in seinen k reativen Aspek ten sowie die Entwick lung der Sprache(n) als die herausragende geistige Leistung des Menschen zu begreifen und darzustellen. — In der k leinen Schrift von 1797 Über den
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Geist der Menschheit nennt Humboldt den allen Menschen gemeinsamen „Mittelpunk t, aus welchem die ganze Menschheit zugleich er k annt, beurtheilt und gebildet werden k ann“ (1960 ff, Werke I d, 514) ‘den Geist der Menschheit’. Seine Untersuchung muß die Fragen beantworten, „worin dieser Geist besteht? wie er erk annt? und wie er gebildet wird?“ (Humboldt 1960 ff, Werke I d, 515). Von hier aus ist es nur noch ein k leiner — und einleuchtender — Schritt, die Antworten in der Sprache und im Sprechen zu suchen und diese zum zentralen Gegenstand des Philosophierens zu machen. Dabei ist sich Humboldt bereits zu diesem Zeitpunk t k lar über den „doppelten Weg“, den es dabei einzuschlagen gilt: „einen Erfahrungs- und einen Vernunftweg“ (Humboldt 1960 ff, Werke I d, 509), da es sich bei der Erforschung des Geistes — wie der Sprache — um einen Gegenstand handelt, der in seinen Manifestationen in der Sinnenwelt empirischen Verfahren zugänglich ist, dessen begriffliche Bestimmung und Beurteilung jedoch eine philosophische Aufgabe darstellt. 3.4. Zur Diskussion um die Originalität des humboldtschen Denkens Die Beurteilung der sprachphilosophischen Leistung Humboldts ist nicht einheitlich. Die einen heben die Bedeutung und Originalität seines Denk ens hervor, indem sie Unterschiede zu den Werk en seiner Zeitgenossen herausarbeiten oder Fragestellungen hervorheben, die, von Humboldt bereits disk utiert, bei anderen später — mit oder ohne Kenntnis der humboldtschen Schriften — eine wichtige Rolle spielen (Beispiel: die Frage nach der jeder Sprache innewohnende Weltansicht). Andere dagegen verweisen darauf, daß viele seiner Überlegungen schon bei anderen Denk ern vorgeprägt, manche sogar Allgemeingut seiner Zeit gewesen seien. — Korrespondenz und Tagebücher sowie die Anmerk ungen Humboldts in seinen Schriften (insbesondere in den nach 1820) geben Aufschluß über seine k ritische Auseinandersetzung mit Positionen und Argumenten nicht nur seiner Zeitgenossen. Es k ann k aum verwundern, bei Humboldt für seine Thematik wichtige, zu seiner Zeit disk utierte oder bereits früher aufgeworfene Fragestellungen, z. B. die nach dem Ursprung der Sprache (s. Art. 65), der Möglichk eit einer Universalsprache (s. Art. 64), der Konventionalität sprachlicher Zeichen (s. Art. 62), der Rolle des Lautes bei der Versinnlichung des Gedank ens u. a., wiederzufin-
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den. Denn er war nicht nur außergewöhnlich belesen, sondern stand auch mit vielen seiner das geistige Leben im damaligen Europa entscheidend mitbestimmenden Zeitgenossen in persönlichem Kontak t, so u. a. mit Friedrich Schiller (1759—1805) und Johann Wolfgang Goethe (1749—1832). Sein allen Anregungen gegenüber aufgeschlossenes Denk en war jedoch weniger etwa durch die englische oder französische (zur Disk ussion um den Einfluß der französischen ›Ideologen‹ vgl. u. a. Trabant 1990, 226 ff), eher noch durch die antik e Philosophie beeinflußt, in ausgezeichneter Weise jedoch geprägt durch Immanuel Kant (1724—1804). Nicht unerwähnt bleiben dürfen allerdings Namen wie Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23), Herder und Fichte, wenn es um die philosophischen Grundlagen der humboldtschen Sprachphilosophie geht. — Sieht man von der sicher nicht in jedem Fall entscheidbaren und wohl auch nicht immer relevanten Frage nach der Originalität bei der Lösung von Detailproblemen ab, so k ommt man einer angemessenen Beurteilung der humboldtschen Leistung am ehesten näher, wenn man u. a. das Problem in den Mittelpunk t rück t, wie er auf der Grundlage der für sein Denk en maßgebenden k antischen Transzendentalphilosophie die Frage nach dem Menschen als sprechendes Wesen und damit nach der Sprache neu zu stellen und zu beantworten sucht. 3.5. Philosophische Grundprobleme und das experimentell-transponierende Verfahren In Humboldts sprachphilosophischen Untersuchungen finden sich eine Reihe systematischer Fragen, die traditionell insbesondere in Logik und Erk enntnistheorie erörtert werden, die er jedoch nur in der Anwendung auf die Sprachproblematik behandelt. Sie bilden eine Art philosophisches Grundgerüst. In dieses Gerüst gehören so grundlegende Fragen wie die nach dem Verhältnis von Einzelnem, Besonderem und Allgemeinem, Teil und Ganzem, Individualität und Universalität, Subjek t und Objek t, Stoff und Form, Sinnlichk eit und Verstand. Ergänzt wird dieses Problemgerüst, das zugleich ein Begriffsgerüst darstellt, durch eine Anzahl weiterer zentraler Begriffe wie ‘Synthesis’, ‘Organismus’, ‘Einbildungsk raft’, u. a. Systematischer Ausgangspunk t des humboldtschen Denk ens sind jedoch insbesondere transzendentalphilosophische Problemstellungen und Frageweisen wie die nach dem Verhältnis von Mensch und Welt (Subjek t und
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Objek t) oder die nach der Leistung der verschiedenen Erk enntnisk räfte bei der Erschließung von Welt (Sinnlichkeit — Verstand — Einbildungsk raft). Mit der Feststellung dieses für das humboldtsche Philosophieren k onstitutiven Ausgangspunk tes ist allerdings k aum mehr gesagt, als daß sich der „Grundgedank e der transzendentalen Methode jetzt in einem ganz neuen Gebiet bewährt“ (Cassirer 1923 a, 107; vgl. auch 1923 b, 108). Wohl noch k aum gesehen hat Cassirer dagegen, welche besondere Rolle die k antische Ästhetik in der Entwick lung der humboldtschen Sprachphilosophie spielt — dies gehört zu den neueren Erk enntnissen der Humboldtforschung (vgl. Borsche 1981, 179—200; 1990, 122). — Humboldts Umgang mit vorliegenden philosophischen Einsichten und Verfahren scheint zunächst dadurch charak terisiert zu sein, daß er diese auf ein neues Problemfeld zu übertragen versucht. In dem frühen Fragment von 1795/ 96 Über Denken und Sprechen gelangt er z. B. mithilfe der Verwendung und Kombination fichtescher und k antischer Argumente und Verfahren zu einer transzendentalphilosophischen Definition von Sprache (These 6 des Fragments) (vgl. Stetter 1989, 26). Diese frühe Schrift läßt damit nicht nur bereits eine Reihe von in den späteren Jahren präzisierter und ausführlich behandelter Problemstellungen erk ennen, sondern auch erste Ansätze eines für Humboldts sprachphilosophische Untersuchungen besonders charak teristischen methodischen Vorgehens, das wie ein Experimentieren auf dem Felde der Philosophie erscheint und sich näherungsweise als ein experimentell-transponierendes Verfahren bezeichnen ließe. Es geht über die bloße Übertragung von er k enntnistheoretischen oder ästhetischen Einsichten auf das Gebiet der Sprachphilosophie (und Anthropologie) weit hinaus und führt Humboldt gerade in entscheidenden Pun k ten zu überraschenden, neuartigen Einsichten. Betrachtet man das humboldtsche Vorgehen genauer, so liegt die Vermutung nahe, daß er Georg Christoph Lichtenbergs (1742—1799) Paradigmenmethode k annte und gezielt verwendete. Er hatte nämlich während seiner Göttinger Studienzeit 1788 auch Lichtenberg gehört. — Lichtenberg befaßte sich u. a. mit der Suche nach neuen Methoden der Erk enntnisgewinnung und der Entwick lung von Entdeck ungsstrategien, wobei ihm experimentelle Methoden am aussichtsreichsten erschienen. Seine Ideen-Experimente zielten zum einen darauf ab, innerhalb des naturwissenschaftlichen Forschungs-
II. Personen
bereichs ›Modellk onstanten‹ (Schöne 1982, 77) auf verschiedene Gegenstandsbereiche zu übertragen: „Ich glaube unter allen heuristischen Hebezeugen ist k eins fruchtbarer, als das, was ich Paradigmata genannt habe. Ich sehe nämlich nicht ein, warum man nicht bei der Lehre vom Verk alchen der Metalle sich Newtons Optik zum Muster nehmen könne“ (Lichtenberg 1968 ff, Schriften II, K 312).
Zum anderen ist er davon überzeugt, daß sich die von ihm u. a. „Erfindungsregel durch Paradigmata“ (K 314) genannte Methode auch bei der Übertragung auf nicht naturwissenschaftliche Gegenstandsbereiche — Geschichte, Anthropologie, Religion, Ästhetik usw. — bewähren müßte. 1774 etwa notiert er folgendes Beispiel: „Nach dem Mayerschen Farben-Triangel ließe sich ein Religionen-Triangel verfertigen“ (Lichtenberg 1968 ff, Schriften I, D 330), d. h.: man k önnte einmal versuchen, ein Modell aus der Optik auf die vergleichende Religionsgeschichte zu übertragen. An anderer Stelle heißt es (Lichtenberg 1968 ff, Schriften II, K 313): „Ich glaube, daß man durch ein aus der Physik gewähltes Paradigma, auf Kantische Philosophie hätte k ommen k önnen“. — Tut man diese Überlegungen Lichtenbergs nicht als bloße Gedank enspielereien ab, so ist der Versuch Humboldts, Einsichten und Verfahren der Transzendentalphilosophie, insbesondere der Erk enntnistheorie und der Ästhetik , für die philosophische Bearbeitung des Gegenstandsbereichs Sprache auch experimentell (im erläuterten Sinne) einzusetzen, durchaus einleuchtend. Dieser Versuch führt Humboldt u. a. von der transzendentalphilosophischen Definition von Sprache, wie sie in Über Denken und Sprechen vorliegt, über die Erörterung der Zeichenfunk tion des Wortes zur Entwick lung des ›Urtypus‹ aller Sprachen, der seinen charak teristischen Ausdruck in den Pronominalverhältnissen (Ich — Nicht-Ich, letzteres differenziert in Du und Er) findet (vgl. Stetter 1989, 26 f). Wenn Lichtenberg formuliert (Lichtenberg 1968 ff, Schriften II, J 1361): „Es läßt sich gewiß nach jedem was gut gesagt ist etwas Ähnliches formen, wenn es auch öfters bloß Transzendentmachung wäre. Es k ann ein Paradigma abgeben“, so findet sich bei Humboldt mehr als nur ein Beleg für die Fruchtbark eit des lichtenbergschen Vorschlags, Ideenexperimente anzustellen, so etwa, geradezu exemplarisch, die Aufnahme und Umwandlung eines Satzes von Francis Bacon (1561—1626): „Wie Baco die Kunst durch den Menschen erk lärt, der sich
27. Wilhelm von Humboldt (1767—1835)
der Natur hinzufügt, so ist die Sprache der dem objectiven Gedan k en hinzutretende Mensch“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 9; vgl. auch Borsche 1990, 146). Der detaillierte Nachweis für die dargelegte Hypothese, daß Humboldt das Verfahren des, für sein Philosophieren charak teristischen, experimentellen Transponierens vielfach und an entscheidender Stelle einsetzte, k ann hier nicht erbracht werden. Daß er jedoch dieses Verfahren bewußt einsetzte, zeigen u. a. seine einleitenden Bemerk ungen in die Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus (1824—1826), wo er die Naturk unde als Muster für die Sprachkunde heranzieht: „Die Sprachen eines Erdstrichs lassen sich hauptsächlich auf zwei, in dem Zweck und der Behandlung verschiedene Weisen darstellen, einmal an sich, als unter der allgemeinen Menschensprache, wie Arten unter einer Gattung, begriffene Idiome, dann in Beziehung auf den Ort und das Volk , welchen sie angehören, in ihrem geographischen und geschichtlichen Zusammenhange. Es ist dies nicht anders, als wie man es mit den Erzeugnissen der Natur, mit Pflanzen und Steinarten macht. Man chara k terisirt, bestimmt, benennt die einzelnen, und weist ihnen, unbek ümmert um den Platz, den sie einnehmen, ihre Stelle in dem System an; man beschreibt aber auch die ganze Pflanzendeck e, das ganze Steinlager eines Erdstrichs. In beiden Fällen stellt man auf die eine Weise wirk lich die Sprachen, und die Naturgegenstände, auf die andre nicht so wohl sie, als den Erdstrich nach ihnen dar. Die ganze allgemeine Sprachk unde muss nach dieser doppelten Richtung bearbeitet werden; bisher hat jedoch mehr die zuletzt genannte, geographischhistorische vorgewaltet“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 367).
3.6. Zur Terminologie der sprachphilosophischen Schriften Ebenso widersprüchlich wie die Beurteilungen seiner sprachphilosophischen Leistung sind auch die Auffassungen über Stil und Darstellungsweise von Humboldts Schriften zur Sprache. Von den ersten Rezensenten und Interpreten bis heute k lagen die einen über die Dunk elheit der Rede, die Umständlichk eit des Stils, den Mangel an Terminologie und Systematik (vgl. z. B. Droescher 1980, 60 f; Ivo 1988, 67 ff), während andere die Auffassung vertreten, daß bei Humboldt „jedes Wort abgewogen; jedes Urteil mit den Tatsachen umsichtig verglichen und abgegrenzt, wenn nicht geradezu aus denselben besonnen entwick elt“ sei (Steinthal 1884, Vorwort; vgl. auch Humboldt 1960 ff, Werke V, 706 f, i. e. Nachwort der Hrsg.), und seine terminologische Genau-
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igk eit hervorheben (vgl. z. B. Stetter 1989, 41). Sieht man einmal von terminologischen Varianten und Entwick lungen ab, die sich im Laufe einer mehr als vierzig Jahre dauernden Beschäftigung mit einem Gegenstand ganz selbstverständlich ergeben, dann sind zur Klärung des Terminologieproblems in Humboldts sprachphilosophischen Schriften insbesondere zwei Fragen zu erörtern, die in der bisher geführten Disk ussion wenn überhaupt, dann nur am Rande beachtet wurden: (a) die Frage nach dem Verständnis Humboldts von Sprache als Mittel der Darstellung von Erk enntnis, d. h. vom wissenschaftlichen Gebrauch der Sprache; (b) die Frage nach den Möglichk eiten und Schwierigk eiten, Sprache als Gegenstand der Forschung zu beschreiben und darzustellen. Bei der Erörterung dieser Fragen darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, daß sich für Humboldt das Terminologieproblem im Rahmen seiner sprachphilosophischen Reflexionen nur dort stellt, wo ein Rück griff auf terminologische Mittel der Transzendentalphilosophie nicht möglich ist, denn diese setzt er durchgängig voraus. Zu (a): Der Vorwurf, wie er etwa von Fritz Mauthner (1849—1923) (s. Art. 35) (1982, 56 f) erhoben wird, Humboldt lasse der Einführung der Begriffe k eine explizite Definition folgen, ist so nicht haltbar und verfehlt zudem ebenso wie ähnlich gelagerte Kritik den Kern und die Begründung des methodischen Vorgehens bei Humboldt. Richtig ist, daß sich bei ihm selten k urz gefaßte Begriffsbestimmungen finden. Charak teristisch ist vielmehr die Einbettung von Worterläuterungen und Begriffsexplik ationen in den thematischen Gesamtzusammenhang. Darstellung dieses Zusammenhangs, explizite Definition, abgrenzende Erörterungen und Verk nüpfung des fraglichen Begriffs mit weiteren Begriffen führen zur Darstellung eines begrifflichen Netzes, in dem jeder Terminus hinreichend bestimmt, in seinem Bezug zu anderen Termini vorgestellt und in den ihn stützenden Kontext gestellt wird. Ein Beispiel für dieses Vorgehen ist etwa die Bestimmung des Begriffs ‘Form der Sprache’ im sogenannten Kawi-Werk, dem Humboldt wegen seiner zentralen Bedeutung sogar ein ganzes Kapitel widmet und dessen explizite Einführung und Erläuterung sich auf mehr als vier Seiten erstreck t (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 416—425). Dieses aufwendige Verfahren ist zum einen notwendig, um überlieferte (philosophische) Begriffe, die traditionell in anderen Zusammenhängen gebraucht werden — hier darüber hinaus auch außerhalb der Phi-
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losophie in der Sprachforschung —, zur Unterscheidung eines durch die Explik ation erst ausdrüc k lich bereitgestellten Gegenstandes verwenden zu k önnen — Humboldt hebt in Ueber den Einfluß des verschiedenen Charakters der Sprachen auf Literatur und Geistesbildung (1960 ff, Werke III b, 26) hervor, daß „eine große Anzahl von Gegenständen erst durch die sie bezeichnenden Wörter geschaffen werden, und nur in ihnen ihr Daseyn haben“ —, zum anderen jedoch, um trotz der erforderlichen Festlegung der Begriffe die erk enntnisfördernden Eigenschaften der Sprache zu bewahren. Ermöglicht wird dies durch die Einbettung des Begriffs in den dazugehörigen Kontext und den Aufweis der Gegenstandsebene als Basis der terminologischen Bestimmung. Denn damit bewahrt der Terminus beide für die Wortsprache charak teristischen Eigenschaften, den Abbild- und den Zeichencharak ter, d. h. den mimetischen und den k onventionellen Anteil (vgl. Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 427 ff; 1960 ff, Werke III a, 21). Je nach Verwendungsabsicht k ann der Redende stärk er vom Zeichenanteil (= wissenschaftlicher Gebrauch) oder stärk er vom Abbildanteil (= rednerischer Gebrauch) der sprachlichen Mittel Gebrauch machen. Der rednerische Gebrauch der Sprache überwiegt für Humboldt „bei jeder Erk enntnis, welche die ungetheilten Kräfte des Menschen fordert“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, 22), was bedeutet, daß der expliziten Bereitstellung des die Termini stützenden Kontextes besonderes Gewicht zuk ommt. Ist Sprache selbst der Untersuchungsgegenstand, so müssen die terminologischen Mittel diesen Doppelcharak ter bewahren, zum einen, um die erforderliche sprachliche Genauigk eit zu gewährleisten, zum anderen, weil bei der Suche nach Erk enntnis die Verwendung sprachlicher Mittel immer auch Teil eines Erfindungs- und Entdeck ungsprozesses ist. Die gegenseitige Abhängigk eit von Wort und Gedank e ist der Grund dafür, „daß die Sprachen nicht eigentlich Mittel sind, die schon erk annte Wahrheit darzustellen, sondern weit mehr, die vorher unerk annte zu entdeck en“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, 19 f). Dieser Entdek k ungs- und damit der Forschungsprozeß sind nach Humboldts Verständnis mit der Darstellung von Erk enntnissen und der dabei notwendigen Festlegung von Begriffen nur vorläufig beendet. Terminologische Bestimmungen sind, wie Humboldt an zentralen Stellen immer wieder vorführt, Teil des tentativ-prüfenden, weitere Forschungen offenhaltenden
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Darstellungsverfahrens. — Zu (b): Humboldt faßt Sprache k onsequent als Organismus, als ein dynamisches Ganzes auf, in dem sich nicht nur analysierbare Teile unterscheiden lassen, sondern auch „Gesetze des Verfahrens“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 476), vergleichbar den physiologischen Gesetzen eines lebenden Körpers. Damit ist der theoretische Ansatz der humboldtschen Sprachphilosophie bestimmt. Einen Organismus k ann man nicht definieren; man k ann ihn analysieren, seine Teile beschreiben, deren Funk tionsweise, ihr Zusammenspiel usw. Humboldt ist sich jedoch der Notwendigk eit bewußt, bei der Untersuchung und Darstellung von Details, von Teilen, die Sicht auf das Ganze zeitweise aufzugeben. Aber jede Detailuntersuchung, die die Wahl eines bestimmten Standpunk tes, eines bestimmten Verfahrens und geeigneter sprachlicher Mittel einschließt, dient ihm letztlich dazu, den intuitiv, mittels Anschauung gewonnenen „Totaleindruck des Chara k ters einer Sprache“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 371) durch Erk enntnisse zu untermauern, ihn — soweit möglich — verständlich zu machen und zu sichern. Humboldts Darstellung zielt deshalb immer darauf ab, die Erörterung einzelner Phänomene und Aspek te einzubinden in den Versuch, Sprache als ein Ganzes sichtbar werden zu lassen: das Verhältnis der Teile zueinander wie zum Ganzen einschließlich des dynamischen Charak ters von Sprache. Um sowohl der empirischen Vielfalt von Sprache als auch ihrer Einheit gerecht werden sowie ihre Bedeutung für den Menschen und seine geistige Entwick lung herausarbeiten zu k önnen, betrachtet Humboldt seinen Forschungsgegenstand unter den verschiedensten Aspek ten. Diese werden häufig durch Begriffspaare wie ‘Mannigfaltig k eit—Einheit‘, ‘Individualität— Universalität’, ‘Subjek tivität — Objek tivität’, ‘Stoff—Form’, ‘sinnlich—geistig’ usw. angegeben. Dabei sind die darin ausgedrück ten Gegensätze eher als zwei Pole anzusehen, auf die eine adäquate Beschreibung, Einordnung und Beurteilung der Phänomene nicht verzichten k ann. Auch wenn mal der eine, mal der andere Pol im Vordergrund steht, so bleiben doch beide immer aufeinander bezogen. Jede einzelne Sprache ist z. B. eine Individualisierung des „allgemeinen Sprachtypus“, der sich aus dem „reinen Begriff der Sprache“ entwick eln läßt und der den „nothwendigen Vergleichspunk t“ bildet für die Einordnung und Beurteilung der Einzelsprachen (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 373). Je nach
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Untersuchungsschwerpun k t und -absicht k ann es, bedingt durch die Komplexität des Gegenstandes, sogar notwendig sein, einen für sich genommen irrigen Standpunk t einzunehmen, etwa den, Sprache als ›einen festen und vollendeten Körper‹ anzusehen. Zu Analysezweck en ist dies für Humboldt durchaus zulässig, allerdings immer unter Berück sichtigung der übergeordneten Zielsetzungen und des durch den Organismusbegriff gesetzten theoretischen Rahmens (vgl. 1903 ff, Ges. Schriften V, 370). Denn Sprache ist eben k ein „Naturk örper, [k ein] daliegender Stoff, sondern eine Verrichtung, ein geistiger Process“ (369), stets im Werden begriffen, dynamisch, nicht statisch. Einige der von manchen Interpreten bemängelten widersprüchlichen Aussagen und terminologischen Ink onsistenzen ergeben sich daher nur, wenn die von Humboldt meist explizit angegebene Einordnung der betreffenden Fragestellung in den Gesamtzusammenhang nicht hinreichend beachtet wird. — Aufgrund der für seine Zeit neuartigen Konzeption der Sprachforschung sieht sich Humboldt nicht nur dem Problem gegenüber, auf k eine bereits bewährte Methode der Sprachvergleichung, wie er sie verstand, zurück greifen zu k önnen — dies belegen u. a. seine zahlreichen Bemerk ungen zum methodischen Vorgehen; er ist sich auch bewußt, daß es an adäquaten Beschreibungsund Darstellungsmitteln mangelt: „Es giebt bis jetzt k ein bewährtes Verfahren, den Zweck , den ich mir hier vorsetze, zu erreichen, k einen irgend gelungenen Versuch, die Eigenthümlichk eit einer Sprache dergestalt zu schildern, dass daraus ihr Verhältnis zu andren, und ihre Stelle im Gebiete der Sprachen überhaupt [...] hervorgienge“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 368).
4.
Grundzüge der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts
4.1. Zum Begriff der Sprache Drei Aspek te von Sprache bzw. Sprechen müssen nach Humboldt unterschieden werden: das individuelle Sprechen, die einzelne, von einer Gemeinschaft hervorgebrachte und verwendete Sprache und die Sprache als ›Totalität‹ allen Sprechens bzw. Sprache als ›Idee‹. Diesen drei Aspekten, die sich wie ‘Einzelnes — Besonderes — Allgemeines’ zueinander verhalten, k orrespondiert in Humboldts Anthropologie das (sprechende) Individuum, die (Sprach-)Gemeinschaft (die Nation) und die Menschheit bzw. der Mensch als sprach-
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fähiges und sprechendes Wesen. Dabei ist auf der Ebene des Allgemeinen jeweils zwischen zwei auf verschiedene Weise gewonnenen Begriffen von Sprache bzw. Mensch zu unterscheiden (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III g, 181). Den Begriff ‘Sprache’ als Totalität allen Sprechens sowie den Begriff ‘Mensch’ als Totalität aller Individuen, als Menschheit, erhält man mithilfe eines Abstrak tionsverfahrens, während die Bestimmung von ‘Sprache’ bzw. ‘Mensch’ als ›Idee‹ (oder ›Ideal‹) auf dem Wege der Begriffsanalyse erfolgt (vgl. z. B. Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 373). Beide Begriffe dienen wechselweise als Prüfstein für die Adäquatheit der Begriffsbestimmung, da es sich um Gegenstände handelt, deren angemessene Erforschung letztlich nur empirisch und philosophisch erfolgen k ann. Aufeinander bezogen sind beide darüberhinaus insofern, als sich ›das Ideal der Menschheit‹ — das gleiche gilt für das Ideal der Sprache — nur in ›der Totalität der Individuen‹ — in der Totalität der als Individuen genommenen Einzelsprachen — verwirk licht (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke I c, 339 f; 350). Empirischer Untersuchung zugänglich ist Sprache nur im Aspek t des Besonderen, d. h. als die von einem ›Volk ‹, einer ›Nation‹ gesprochene Sprache. Die Begriffe ‘Sprache’ und ‘Nation’ gehören bei Humboldt eng zusammen: Sprache und Nation bedingen und bestimmen sich gegenseitig (vgl. z. B. 1960 ff, Werke III d, 69; III g, 160 f; III h, 386). Individuelles Sprechen, das immer auf ein Gegenüber angewiesen ist, um Sprache zu werden, tritt nur als flüchtiger Ak t auf; es zeigt sich. In der philosophischen Betrachtung der Sprache bezieht Humboldt diesen Aspek t, das individuelle (Miteinander-)Sprechen, deshalb mit ein, weil Sprache nur im Sprechen, Hören und Erwidern erfahrbar ist und sich im Ak t des Sprechens als wiederholbare Handlung k onstituiert (s. Art. 67). Jedes Sprechen ist die Ak tualisierung eines Teils der für eine bestimmte Sprache charak teristischen Möglichk eiten und Mittel, einen Gedank en zu versinnlichen. Das individuelle (Miteinander-) Sprechen in seinem schematischen Aspek t bildet daher die Basis, von der aus sich die einzelnen Sprachen in ihrer Individualität als Erk enntnisgegenstand gewinnen lassen. Dabei transportiert jedoch alles Sprechen eine doppelte Individualität: die des jeweiligen Sprechers, d. h. das, was dieser in die Ak tualisierung der Sprechhandlung einbringt, und die Individualität der von ihm verwendeten Sprache als das, was die jeweilige Sprachge-
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meinschaft bisher in die Sprache eingebracht hat. Der Erforschung und Darstellung dieser Individualität der Sprachen gelten Humboldts Bemühungen auf dem Gebiet der empirischen Sprachwissenschaft mit dem über die Einzelsprachen hinausgehenden Ziel, einen Begriff der ›Totalität des Sprechens‹ zu gewinnen. Da jedoch alles Sprechen die Verwirk lichung von Sprache als Idee ist, folgt daraus, daß die philosophische Reflexion auf Sprache alle drei Aspek te berück sichtigen und in ihrem Bezug zueinander betrachten muß. (Miteinander-)Sprechen als ›verbundene Rede‹ bildet den Ausgangspunk t der sprachphilosophischen Überlegungen Humboldts: „Nur sie muss man sich überhaupt in allen Untersuchungen [...] immer als das Wahre und Erste denk en“ (1960 ff, Werke III h, 418 f). Seine Bedeutung liegt im Prozeß der Spracherzeugung sowie in der Weiterentwick lung der Sprachen, die im Bereich der Semantik vielleicht am auffälligsten sichtbar wird: „Erst im Individuum erhält die Sprache ihre letzte Bestimmtheit. Keiner denk t bei dem Wort genau das, was der andre, und die noch so k leine Verschiedenheit zittert, wie ein Kreis im Wasser, durch die ganze Sprache fort“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 439).
Besonders greifbar wird dieser k reative Aspek t allen Sprechens — ein Charak teristik um der humboldtschen Sprachauffassung — in dichterischer Rede (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 582). Damit schließt sich der Kreis, besser: die von unten nach oben und wieder nach unten führende Spiralbewegung, in der die philosophische Reflexion immer wieder auf die Tätigk eit des Subjek ts, das sprachliche Handeln der einer Sprachgemeinschaft angehörenden Individuen, das k onk rete Tun des Einzelnen als den primären Gegenstandsbereich zurückverwiesen wird. 4.2. Mensch, Welt und Sprache 4.2.1. In der Einsicht, daß der Mensch nur durch Sprache Mensch sei, verk nüpft Humboldt die erk enntnistheoretische Frage nach dem Denk en mit der anthropologischen Frage nach der Sprachfähigk eit und Kreativität des Menschen. Neu gestellt wird damit auch die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu der ihn umgebenden Welt einschließlich ihrer Erk ennbark eit, hier den Intentionen Kants folgend und zugleich über ihn hinausgehend. Die Kreativität der Erk enntnisvermögen, Sinnlichk eit eingeschlossen, und — als Resultat ihrer Tätigk eit — die Selbstwer-
II. Personen
dung und -verwirk lichung des Menschen (als Individuum wie als Gesamtheit der Individuen, d. h. der Menschheit) manifestiert sich für Humboldt insbesondere in der Sprache. Ohne sie ist k ulturelle Entwick lung nicht denk bar (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 386), k ünstlerisches Schaffen etwa genausowenig wie das Verstehen von Kunstwerk en (vgl. Werke III d, 77). Sprache ist das Medium, in dem „der Mensch denk t, fühlt und lebt“ (77). Sie ist ein „Product der [...] Natur der menschlichen Vernunft“ (Werke III a, 11), d. h. der Erk enntnisk räfte des Menschen, allerdings nicht dieser allein. Denn auch seine k örperliche, organische Ausstattung: Stimmwerk zeuge und Gehör sowie die übrigen Sinne (insofern sie den Zugang zu der von ihm zunächst ungeschiedenen Welt ermöglichen) sind Voraussetzung dafür, daß der Mensch Sprachen ausbildet. Die Mannigfaltigk eit der Einzelsprachen verdank t sich der Vielfalt menschlicher Gemeinschaften sowie der die Bewältigung und Gestaltung des Lebens beeinflussenden Lebensumstände; in dieser Mannigfaltigk eit offenbart sich jedoch letztlich nur die eine menschliche Sprache (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III f, 144), die nicht als ein „Erzeugnis der Thätigk eit, sondern [als] eine unwillk ürliche Emanation des Geistes“ (Werke III h, 386) angesehen werden muß. Nur die einzelnen Sprachen dürfen als Erzeugnis menschlicher Tätig k eit gelten. Sprache in diesem Sinne (und damit auch Sprachfähigk eit) ist eine den Menschen „durch ihr inneres Geschick zufallende Gabe“ (386). Die Frage, warum der Mensch Sprache hat, läßt sich mithin letztlich nicht beantworten: „Die unzertrennliche Verbindung des Gedank en, der Stimmwerk zeuge und des Gehörs zur Sprache liegt unabänderlich in der ursprünglichen, nicht weiter zu erk lärenden Einrichtung der menschlichen Natur“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 426).
Folgerichtig bestimmt Humboldt Sprachfähigk eit anthropologisch als eine „Übereinstimmung“ der Tätigk eit der Erk enntnisk räfte mit den Sprachwerk zeugen, verbunden mit dem „Drang, beide zusammenwirk en zu lassen“ (1960 ff, Werke III h, 441). Sprache ist damit dem Menschen in der gleichen Weise natürlich, wie Tiere von Natur aus über Instink te verfügen (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III a, 11). 4.2.2. Humboldt wendet sich entschieden gegen die Auffassung, die Sprachen seien „vorzugsweise [aus] dem Bedürffnis gegenseitiger Hülfsleistung“ (1960 ff, Werke III g, 197) ent-
27. Wilhelm von Humboldt (1767—1835)
standen, d. h. lediglich aus der Bedürftigk eit, der Not gemeinsamer Lebensbewältigung heraus. Lebensgestaltung spielt nach Humboldt eine mindestens ebensogroße Rolle, denn erst in diesem Bereich erhält Sprache ihre eigentlich menschliche Dimension — hier k nüpft Humboldt nicht nur an Kants ästhetische Reflexionen an, sondern u. a. auch an Schillers Ästhetik : Das „Gefallen am Sprechen“ beruht zum einen auf der Freude am Klang (im Lied wird dies besonders deutlich), in der „ein viel wesentlicherer sinnlicher Entstehungsgrund der Sprache“ zu suchen ist als im Bedürfnis nach gegenseitiger Hilfe, zum anderen auf dem „Gefallen an Rede, und [ist] mithin auf Gedank en bezogen“ (Humboldt 1960 ff, Werke III g, 197), d. h. die ›Intellectualität‹ in ihren k reativen Aspek ten spielt bei der Entstehung der Sprachen eine k aum hoch genug einzuschätzende Rolle. Nur zum geringsten Teil verdank t sich Sprache auch der Bedürftigk eit des Menschen; sie „dehnt sich [vielmehr] absichtslos auf alle Gegenstände der sinnlichen Wahrnehmung und der inneren Bearbeitung aus“ (Humboldt 1960 ff, Werke III g, 197), d. h. sie erwächst aus einem unhintergehbaren Drang des Menschen nach Welterk undung sowie Erprobung und Ausbildung seiner sinnlichen und geistigen Kräfte. Natürlich dient Sprache auch der Verständigung zweck s Hilfeleistung. Aber dies ist nicht ihr vornehmster Zweck . Weitaus wichtiger ist, daß sie zum einen im Wort der ›Empfindung‹ zu einer sinnlich wahrnehmbaren Gestalt verhilft — der Empfindung ›Ausdruck verleiht‹ (vgl. Werke III d, 76), das seinerseits wieder Empfindung hervorzurufen in der Lage ist; zum anderen muß Sprache (= Sprechen) als Wirk ursache neuer Gedank en und Gedan k enverbindungen angesehen werden (u. a. auf dem Wege der Analogiebildung) (vgl. Werke III d, 76; Werke III h, 458). Alle drei Zweck e sind aufeinander bezogen und von den Menschen letztlich nur gemeinsam zu verwirk lichen. Sprache erhält damit bei Humboldt entscheidende Mittlerfun k tionen: Sie k onstituiert Gemeinschaft, weil sie nur im Miteinander der Individuen entstehen k ann und als sinnlich wahrnehmbares Ergebnis gemeinsamen Tuns auch gemeinsamer Besitz bleibt. Dabei verbindet sie auch die aufeinanderfolgenden Generationen sowie — trotz der scheinbar trennenden Mannigfaltigk eit ihrer Realisierungen — die verschiedenen Sprachgemeinschaften, die ›Nationen‹ (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III g, 150). Sie ist dasjenige Konstituens, aufgrund dessen sich
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von der Gesamtheit der Individuen als von einem Ganzen, der ›Menschheit‹, sprechen läßt. Denn in den Sprachen verbinden sich, zusätzlich über die verschiedenen Lebensräume hinweg, Vergangenheit, Gegenwart und Zuk unft auch insofern, als sie vergangenes Sprechen bewahren, das in jedem ak tuellen Sprechen (teilweise) wieder lebendig wird, und bereits alle Möglichk eiten zuk ünftigen Sprechens bereithalten: „Jede Sprache, welche sie seyn möge, trägt in jedem Zeitpunk t ihres Daseyns den Ausdruck aller Begriffe, die sich jemals in der Nation entwick eln k önnen, in ihrem Schooss. Jede ist ferner in dem jedesmaligen Zeitpunk te ihres Lebens genau dem jedesmaligen Gedank enumfang der Nation gleich. Jede endlich in jedem ihrer Zustände bildet das Ganze einer Weltansicht, indem sie Ausdruck für alle Vorstellungen enthält, welche die Nation sich von der Welt macht, und für alle Empfindungen, welche die Welt in ihr hervorbringt“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 433).
4.2.3. Sprache leistet also noch mehr. Sie verk nüpft, indem sie dem Menschen sowohl die Welt eröffnet als auch seine Weltorientierung leitet und prägt (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III g, 159), Sinnlichk eit und ›Intellectualität‹ — beides sind k onstitutive Merk male von Mensch und Sprache —, Empfindungen und Gedank en miteinander, denn „die ununterbrochene Gedank enreihe im Menschen ist von einer ebenso ununterbrochenen Empfindungsfolge begleitet“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, 17). Weltorientierung und -aneignung erfolgt über die Sprache, indem diese, zwischen den Menschen und die Gegenstände tretend — d. h. zwischen ihn und „die innerlich und äußerlich auf ihn einwirk ende Natur“ (Werke III h, 434, vgl. auch Werke III h, 567) —, Distanz ermöglicht und die Mittel an die Hand gibt, um Einheit in die Mannigfaltigk eit, Ordnung und Struk tur in die Vielfalt zu bringen (vgl. z. B. Werke III e, 115). Die k antische Einsicht, daß der Mensch der Natur die Gesetze vorschreibt, allgemeiner gesagt: daß das in Begriffen Unterschiedene und in Urteilen Erk annte den Stempel unserer Erk enntnisvermögen trägt (vgl. u. a. Humboldt 1960 ff, Werke I e, 596 f), führt Humboldt dahingehend weiter, daß dieser Stempel entsprechend den individuellen Eigenheiten einer Sprache und der sie verwendenden Sprachgemeinschaft verschieden gefärbt und geprägt ist. „Der Mensch lebt mit den Gegenständen hauptsächlich, ja, da Empfinden und Handlen in ihm von seinen Vorstellungen abhängen, sogar aus-
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schließlich so, wie die Sprache sie ihm zuführt“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 434).
Welt ist nur in und als sprachlich bearbeitete, als „in Sprache verwandelte[n] Welt“ (Humboldt 1960 ff, Werke III g, 151) verfügbar. Die Gestaltung dieser Welt ist jedoch nicht rein willk ürlich. Subjek tive und objek tive Anteile werden, indem subjek tive Tätigk eit den von den Gegenständen sinnlich gewonnenen Eindruck in einem synthetischen Verfahren zu einem neuen Objek t, zu Bedeutung tragenden, distin k ten Lautgestalten formt, zu einer Einheit, einem Ganzen verbunden (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III a, 21). Damit wird Sprache zur Mittlerin zwischen Mensch und Welt, gelingt ihr die Vermittlung zwischen Subjek tivität und Objek tivität (vgl. z. B. Werke III g, 153). Der Mannigfaltigk eit der Sprachen entspricht eine Mannigfaltigk eit der Aneignungsweisen von Welt, die zwar nicht grundsätzlich verschieden, aber im Rahmen der anthropologischen Möglichk eiten der Ausdifferenzierung von Sprache im grammatischen (morphologischen und syntak tischen) wie im semantischen Bereich doch wiederum so gestaltet sind, daß sie zu signifik anten Unterschieden führen. Welt ist das Ergebnis eines Gestaltungs- und Erk enntnisprozesses, der „nur mit und durch Sprache möglich“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, 20) ist. Das „Objective“ nämlich ist stets „das eigentlich zu Erringende, und wenn der Mensch sich demselben auf der subjectiven Bahn einer eigenthümlichen Sprache naht, so ist sein zweites Bemühen, wieder [...] das Subjective abzusondern, und das Object möglich rein davon auszuscheiden“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, 20 f).
Sprachfähigk eit ist für Humboldt bereits 1800 in einem Brief an Schiller (Schiller 1975, 336) „die Fähigk eit, innere Gedank en und Empfindungen und äußere Gegenstände vermöge eines sinnlichen Mediums, das zugleich Werk des Menschen und Ausdruck der Welt ist, gegenseitig auseinander zu erzeugen“,
wobei der Einbildungsk raft in diesem Prozeß eine entscheidende Rolle zuk ommt. Das Denk en sucht notwendig Einheit in die Mannigfaltigk eit zu bringen. Da Denk en und Sprechen jedoch letztlich nicht zu trennen sind — „Was der Mensch denk en k ann, das k ann er auch sagen“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 433) —, sind die ›welterzeugenden‹ Erk enntnisprozesse immer sprachlich geprägt. Unterstrichen wird die Bedeutung der Sprache in diesem Zusammenhang noch durch das Fak tum, daß der Mensch als Mensch immer in Sprache eingebunden ist, seine Sprache nur
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verlassen k ann, um in eine andere hinüberzuwechseln. Das Kennenlernen anderer Sprachen bietet ihm daher die Möglichk eit, die mit der eigenen Sprache gewonnene Welt um die Aspek te — Teile von Weltansichten — zu erweitern, die von diesen Sprachen erzeugt und festgehalten werden (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III g, 224 f; Werke III a, 20). Es gibt für den Menschen k eine sprachunabhängige, keine ›sprachlose‹ Welt. 4.3. Sprache und Sprechen 4.3.1. Um ein angemessenes Verständnis von Sprache zu gewinnen, setzt Humboldt bei der ›verbundenen Rede‹ an. Nicht das Wort, nicht der Satz, sondern der Vollzug einer Sprechhandlung als die Hervorbringung eines sinnlich wahrnehmbaren, Sinn tragenden, gegliederten und distink ten Ganzen ist der Ausgangspunk t für die Beantwortung der Frage nach dem Wesen der Sprache. Sie ist jedoch selbst nur wieder Teil eines Ganzen, wenn man eine Sprache als die Gesamtheit der in dieser Sprache möglichen Sprechhandlungen bestimmt. Schriftlich erstarrte Sprechhandlungen haben folgerichtig den Charak ter von Mumien (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 418), die in der Sprachuntersuchung erst wieder mit Leben erfüllt werden müssen. Grammatik und Wörterbuch sind, verglichen mit ak tuell vollzogenen Redehandlungen, wie ein „todtes Gerippe“ (Werke III g, 186), ein k ünstliches Gebilde, das allerdings z. B. für sprachwissenschaftliche Zweck e eigens bereitgestellt werden muß: die Sprechhandlung muß festgehalten, fixiert werden. Aber Sprechen muß nicht nur, wie jedes Handlungsschema, immer wieder realisiert werden, weil es, ak tuell vollzogen, flüchtig, vorübergehend ist (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 418). Das Spezifische der Ak tualisierung von Sprechhandlungen liegt vielmehr in den zwei, bei jedem ak tuell vollzogenen Sprechen notwendig vorhandenen Anteilen, nämlich der Verwendung und der Erzeugung von Sprache, also der im Vollzug des Sprechens immer auch ak tualisierten k reativen Tätigk eit der Erk enntnisvermögen, insbesondere der Einbildungsk raft. Spezifisch für jedes ak tuelle Sprechen ist der es k onstituierende k reative Anteil. Eine anthropologisch adäquate Definition von Sprache muß deshalb die Bestimmungsstück e angeben, die den Prozeß des Hervorbringens von Sprechhandlungen auszeichnen. Die Betonung des durch die menschliche Kreativität bedingten dynamischen Charak -
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ters von Sprache als ständig im Werden, in Veränderung begriffen erlaubt es Humboldt dann zu sagen, daß letztlich erst „die Totalität dieses Sprechens als die Sprache“ angesehen werden darf (1960 ff, Werke III h, 418), weil nämlich erst damit alle zu irgendeinem (auch zuk ünftigen Zeitpunk t) verwirk lichten Möglichkeiten des Sprechens berücksichtigt sind. 4.3.2. Die humboldtsche Darstellung des Sprechens als Energeia läßt sich, zeichentheoretisch gewendet, als der breit angelegte, in der Anthropologie verank erte Versuch verstehen, eine auf sprachliche Fak ten gestützte normative Genese des Zeichenerzeugungsprozesses zu entwick eln. In deren Mittelpunk t stehen zwei Fragen: die nach der Bildung der Elemente verbundener Rede, insbesondere der Wörter als Einheit von Bedeutung und Lautgestalt, sowie die nach dem Zustandek ommen der (Gedan k en-)Ver k nüpfungen, wobei dem Problem der Mittel, die eine Sprache hervorbringt und einsetzt, um die ›grammatischen Verhältnisse‹ auszudrück en, besondere Bedeutung zuk ommt. Denn in diesem Bereich, weit mehr noch als in dem der Wortbildung, zeigt sich, in welcher Weise sich die Nationen ihrer Sprachen als „eines Werk zeugs des Denk ens und der Mittheilung“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften VI, 340) bedienen und wie groß die „Anregung“ ist, „welche die Nationen von den Sprachen empfangen“ (338 f). Sprechen und Spracherzeugung ist nie nur Tätigk eit eines Einzelnen und erfolgt immer in einer sprachlich bereits erschlossenen Welt: „Die Sprachen werden nur von Nationen erzeugt, festgehalten und verändert“ (Humboldt 1960 ff, Werke III g, 161). Sprechen macht damit von dem einer (Sprach-)Gemeinschaft immer schon verfügbaren Sprachmaterial, der Sprache als „Vorrath von Wörtern und System von Regeln“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 388), Gebrauch, um mit den in diesem verwirk lichten wie auch nur angelegten Ausdruck smöglichk eiten entsprechend den „Forderungen“ des Denk ens an die Sprache (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 425), d. h. den Gesetzen der Logik folgend, Gedank en zu bilden. Die Spracherzeugung bedient sich dabei der „Lautform“, die „das eigentlich constitutive und leitende Princip der Verschiedenheit der Sprachen“ (425) ist, um den Gedank en als ein gegliedertes Ganzes zu versinnlichen. In der Art des Gebrauchs der Lautform manifestiert sich der ›intellectuelle Theil‹ der Sprache, d. h. der Teil, an dem vornehmlich die
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›Geisteseigenthümlichk eit‹ einer Nation faßbar wird. „Denn die Intellectualität und die Sprache gestatten und befördern nur einander gegenseitig zusagende Formen. Die Sprache ist gleichsam die äusserliche Erscheinung des Geistes der Völk er; ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 414 f).
Spracherzeugung ist in jeder Phase ein synthetischer Prozeß (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 473), so auch bei der Bildung der einzelnen Elemente, etwa der Wörter. Dieser Prozeß verk lammert den sinnlichen Umgang mit Gegenständen — wobei Empfindungen und Art der Auffassung der Gegenstände insofern eine wichtige Rolle spielen (vgl. Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 418), als hierin die jeder Sprache eigene spezifische Weltansicht verank ert ist — mit der Tätigk eit vor allem der Einbildungsk raft (vgl. 416) mit dem Ziel, Vorstellungen zu erzeugen und dann diesen „Stoff“ (1960 ff, Werke III h, 422) mit dem des Lautes, d. h. einem „entsprechenden Tonsystem“ (Werke III g, 191) zu verbinden. In dieser, einen bestimmten Stoff formenden Tätigk eit wird der Ton zum ›artik ulierten Laut‹, der wiederum erst der Vorstellung zu Deutlichk eit verhilft, d. h. diese seinerseits formt, und der damit als das „eigentliche Wesen der Sprache“ angesehen werden muß (Humboldt 1960 ff, Werke III g, 192). Denn im artik ulierten Laut bringt das Sprechen geistige Tätigk eit und sinnliches Tun zur Einheit. Diese k reative Tätigk eit der geistigen Kräfte des Menschen manifestiert sich als je ak tuelles Sprechen im sinnlich wahrnehmbaren Bereich (vgl. Werke III h, 418), wodurch der Dualismus von Sinnlichk eit und Verstand insofern aufgehoben wird, als beiden im Sinne k omplementärer Kräfte bei der Hervorbringung von Sprache eine konstitutive Rolle zufällt. 4.3.3. In jedem Sprechen vollzieht sich zugleich die Selbstverwirk lichung des Menschen wie der Sprache. Denn, obwohl als eigener Gegenstand dem Menschen zum Objek t geworden, gehört sie doch weiterhin in der Weise zu ihm, daß weder Mensch noch Sprache unabhängig voneinander ›lebensfähig‹ wären. Deshalb zielt Sprechen in seinen k reativen Aspek ten auch nicht auf die Erreichung eines dem Menschen äußerlichen Zieles, sondern vielmehr auf die Verwirk lichung seiner Bestimmung: „Zweck “ des Menschen — im Sinne der Verwirk lichung des guten Lebens — ist „die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen“
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(Humboldt 1960 ff, Werke I a, 64), bezogen auf das Individuum wie auf die Menschheit als ganze. Menschsein und Sprache bedingen sich gegenseitig, da an der Spracherzeugung alle geistigen Kräfte des Menschen beteiligt sind. — Die k reative Tätigk eit der Gemütsund Erk enntnisk räfte in der Spracherzeugung ist nicht teilbar. Sie k ann nur ganz — oder gar nicht — ausgeführt werden. Folglich k ann der Mensch Sprache im Sprechen nur ganz und ungeteilt hervorbringen. Denn: „Es giebt nichts Einzelnes in der Sprache, jedes ihrer Elemente k ündigt sich nur als Teil eines Ganzen an“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, 10). Sie muß also „in jedem Augenblick ihres Daseyns dasjenige besitzen, was sie zu einem Ganzen macht“ (2).
So wenig der Mensch nur ›ein bißchen‹ Mensch sein k ann, ebensowenig k ann Sprache nur ›ein bißchen‹ Sprache sein. Die ›Erfindung‹ von Sprache als k reativer Ak t im Vollzug von Sprechhandlungen läßt sich damit widerspruchsfrei nicht als allmählicher Entstehungsprozeß denk en, wohl aber — anthropologisch begründet in der Kreativität dieses Ak tes — die historische Entwick lung der empirisch vorliegenden Einzelsprachen. Denn diese sind die individuelle Ausgestaltung des in der menschlichen Natur liegenden „allgemeinen [Sprach-]Typus“ (vgl. Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 373) durch die einzelnen (Sprach-)Gemeinschaften, die Nationen. Da die rein spek ulative, weil empirisch nicht überprüfbare Annahme einer menschlichen Urgemeinschaft — in der die Ursprache entstanden sein müßte — nicht haltbar ist, bringt es auch k einen Erk enntnisgewinn, eine Ursprache anzunehmen. Die Frage nach dem (historischen) Ursprung der Sprache läßt sich nicht beantworten. Humboldt gibt ihr deshalb, aufbauend auf zentralen Argumenten aus Herders Sprachursprungsschrift, eine transzendentalphilosophische Fassung. Die Sprache hat ihren Ursprung in der Natur des Menschen und weist deshalb selbst Charak teristik a eines Organismus auf (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III a, 10f). Sie darf nicht „als eine todte Masse“ gedacht werden, die „im Dunk el der Seele liegt“, sondern so, daß „ihr Organismus“ „als Gesetz die Functionen der Denk k raft bedingt, und mithin das erste Wort schon die ganze Sprache antönt und voraussetzt“ (Humboldt 1960 ff, Werke III a, 11). Die Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Sprache k ann dann nur darin bestehen zu zeigen, wie der Mensch Sprache erzeugt, und mit Hilfe einer logischen Genese
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des Sprechens verständlich zu machen, wie sich der ›Sprachorganismus‹ entwickelt. 4.3.4. Zentraler Begriff in der humboldtschen Argumentation um Spracherzeugung und Sprechen ist der Begriff der Artik ulation (vgl. z. B. Humboldt 1960 ff, Werke III a, 9; III h, 440 ff; 1903 ff, Ges. Schriften V, 375 ff) (s. Art. 77). Die Leistung der Artik ulation besteht nicht nur darin, die vom Menschen hervorgebrachten Töne zu distink ten Lautgestalten zu formen und im Prozeß der Verk nüpfung von Vorstellung und Lautgestalt der Vorstellung Deutlichk eit, der Lautgestalt Sinn zu geben — hier liegt auch der Schlüssel für die humboldtsche Auffassung, daß wortsprachliche Zeichen weder nur k onventionell (willk ürlich) noch im üblichen Sinne mimetisch (Abbilder) sind (s. Art. 62). Charak teristisch für sie ist vielmehr die durch die Komplementarität von Sinnlichk eit und Verstand ermöglichte Bildung eines aus spezifisch erzeugten k onventionellen und mimetischen Anteilen bestehenden Ganzen (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke II, 60 ff; III g, 153; 163; 1903 ff, Ges. Schriften V, 427 f). Eine weitere Leistung der Artik ulation besteht darin, die Elemente von Rede, z. B. Wörter, zu individuieren und ihnen ihren Platz im Ganzen der Sprache zuzuweisen, da die Artik ulation „das Wort unmittelbar durch seine Form als einen Theil eines unendlichen Ganzen, der Sprache, darstellt“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 384). Darüber hinaus schafft und sichert erst die Artik ulation die für die Hervorbringung von Gedank en und Sprache notwendige ›Wechselwirk ung‹ (376) zwischen den Individuen. Denn zum einen bringt sie den Gedank en nur insoweit in eine „feste Form“, als notwendig ist, um die Kreativität des Denk ens (und Sprechens) zu sichern, d. h. seine (des Gedan k ens) „natürliche Schran k enlosig k eit, seine Freiheit, in andre und andre überzugehen“ (Humboldt 1960 ff, Werke III g, 185). Weil sich Sprache im artik ulierten Laut verwirk licht und sinnlich wahrnehmbare Gestalt annimmt, k ann sie als „Vermittlerin [...] zwischen Denk k raft und Denk k raft“ fungieren (Humboldt 1960 ff, Werke III f, 139). Zum anderen ist die Artik ulation Bedingung der Möglichk eit, daß der Sprechende „die Verstehbark eit seiner Worte an Andren versuchend“ prüfen k ann (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 377; vgl. auch 1960 ff, Werke III h, 428), was er tun muß, damit Sprache wirk lich zum Objek t wird. Dieser Objek tivierungsprozeß ist erst abgeschlossen, wenn die
27. Wilhelm von Humboldt (1767—1835)
Sprechhandlung zum gemeinsamen Besitz der Sprechenden geworden ist. Erst damit ist dann auch die Bildung des Gedank ens im Sprechen vollendet. Denn im Sprechenden wie im Hörenden/Verstehenden vollzieht sich derselbe Spracherzeugungsprozeß (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 430) — oder, was dasselbe ist, derselbe Gedank enerzeugungsprozeß. Sprechen und Verstehen sind k omplementär; sie bedingen sich gegenseitig und machen erst gemeinsam die Sprachhandlung aus. Das Zusammenspiel von Sinnlichk eit und Verstand bzw. Intellek tualität vollendet sich damit im gemeinsamen Spracherzeugungsprozeß, im dialogischen Zusammenwirk en der Individuen (s. Art. 96). Folgerichtig betrachtet Humboldt das Mit-sich-selbstSprechen nur als einen Sonderfall des Sprechens „mit einem Andren, oder mit sich, wie mit einem Andren“ (1960 ff, Werke III f, 137). Diese für den Prozeß der Spracherzeugung notwendige Komplementarität der Individuen und der von ihnen vollzogenen (Teil-) Handlungen hält Sprache nach Humboldt in der Pronominalstruk tur fest, insbesondere in den sich gegenseitig bedingenden Pronomina ‘Ich’ und ‘Du’: „Es liegt aber in dem ursprünglichen Wesen der Sprache ein unabänderlicher Dualismus, und die Möglichk eit des Sprechens selbst wird durch Anrede und Erwiederung bedingt“ (Humboldt 1960 ff, Werke III f, 138). Denn: „Das Wort muss [...] Wesenheit, die Sprache Erweiterung in einem Hörenden und Erwiedernden gewinnen. Diesen Urtypus aller Sprachen druck t das Pronomen durch die Unterscheidung der zweiten Person von der dritten aus. Ich und Er sind wirk lich verschiedene Gegenstände, [...]. Du aber ist ein dem Ich gegenübergestelltes Er. [...] in dem Du [liegt] Spontaneität der Wahl“ (139). Es ist zwar ein „Nicht-ich“, aber eines in der Sphäre „eines durch Einwirk ung gemeinsamen Handelns“ (139).
4.4. Sprache als Organismus 4.4.1. Die Untersuchung einer Sprache k ann nach Humboldt nur mit der „Prüfung“ ihres „Totaleindruck s“ (Humboldt 1960 ff, Werke III g, 185) beginnen, der hervorgerufen wird durch ihr Erscheinungsbild. Dieses Erscheinungsbild ist jedoch nicht statisch, sondern immer wieder Veränderungen unterworfen und als Ganzes doch gleichbleibend. Den dynamischk reativen Chara k ter von Sprache hält Humboldt in der Grundbestimmung von Sprache als Sprechen, d. h. als jeweils im Miteinander ka tuell hervorgebrachte, verbundene Rede fest. Da es ihm bei der Erforschung
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einer Sprache aber weniger um die Beschreibung ihres Erscheinungsbildes geht, sondern in erster Linie um die Erk enntnis, wie dieses Erscheinungsbild geworden ist, d. h. um die Aufdeck ung der ›inneren‹ Natur von Sprache, liegt es für Humboldt nahe, auch hier wieder auf die k antische Begrifflichk eit zurück zugreifen und Sprache teleologisch, d. h. als Organismus zu denk en. Das erlaubt nicht nur, die auf eine Sprache einwirk enden äußeren Einflüsse zu beachten, sondern vor allem die ihr inhärenten Prinzipien und Regeln aufzudeck en, denen sie als ein sich ständig (weiter-)entwick elndes Ganzes folgt. Diesem ›organischen‹ Charak ter von Sprache muß bei ihrer Erforschung durch entsprechende Methoden, aber auch bei der Darstellung Rechnung getragen werden. Ein Ganzes ist immer mehr als die Summe seiner Teile und läßt sich daher nicht auf dem Wege der Zusammensetzung von Teilen gewinnen. Die Sprachforschung muß zwar auch nach den einzelnen Bestandteilen einer Sprache fragen; dem übergeordnet ist jedoch die Frage, wie diese Teile zusammenwirk en und sich gegenseitig beeinflussen, d. h. die Frage nach der Struk tur, dem ›Bau der Sprachen‹. Die Antwort ist auf zwei nacheinander einzuschlagenden Wegen zu suchen: „Auf dem einen untersucht man die Beschaffenheit der grammatischen und lexicalischen Mittel, deren sich die Sprache bedient, der Declination, Conjugation, Zusammensetzung, Ableitung u. s. f. Auf dem andren forscht man nach der Art der Anwendung und des Gebrauchs dieser Mittel, nach der Gesammtbehandlung, die sie erfahren, und ergründet in möglicher Vollständigk eit von allen Seiten aus das Verfahren der Sprache im Ganzen, von dessen Darstellung erst die wahre Durchschauung ihres Wesens abhängt“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 370).
4.4.2. Im Mittelpunk t der Sprachuntersuchung steht also die Klärung eines Prozesses, der in jeder Sprache zu ›Eigenthümlichk eiten‹ führt, die zusammengenommen ihre Individualität ausmachen. Eine bloße Auflistung grammatischer und lexik alischer Einzelheiten k ann k einen Aufschluß über den Zusammenhang und den Einfluß der Teile aufeinander geben (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III g, 184), auch wenn sich die Eigenheiten, die sich aufgrund ihres „Verfahrens“ (Werke III h, 476) in einer Sprache ausgebildet haben, an einzelnen Elementen in der Weise zeigen, daß sie letztere zugleich näher bestimmen. Als Beispiel k ann hier u. a. auf Humboldts Untersuchung des Dualis als eines grammatischen Phänomens der Pluralbildung und seine Er-
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örterung des Begriffs der Zweiheit verwiesen werden. Im ersten Schritt der Untersuchung muß Sprache — entgegen ihrer Definition — wie etwas Statisches, wie ein bloß „daliegender Stoff“ (Werke III g, 184) behandelt werden; dies ist jedoch unumgänglich, um die für den zweiten Forschungsschritt benötigten „Sprachproben“ (186) zu gewinnen. Dieser zweite Schritt, die Untersuchung des Verfahrens einer Sprache, muß mit dem Versuch beginnen, sie, vergleichbar k ünstlerischen und historischen Gegenständen (spätestens hier geht Humboldt über das Modell des ›natürlichen Organismus‹ hinaus und verk nüpft dieses mit einem weiteren aus dem Bereich des menschlichen Handelns und Hervorbringens), von „innen heraus aufzufassen“, um sie dann auch wieder „in ihrem Ganzen dar[zu]stellen“ (vgl. Brief an Welck er vom 12. März 1822, in: Freese 1986, 702), d. h. auch bei der Darstellung den Schwerpunk t auf das Ganze legen zu k önnen und eben nicht von den Teilen her zu einem Ganzen gelangen zu wollen. Etwas von innen heraus aufzufassen heißt für Humboldt u. a.: „das Erk ennen der wahren Gestalt, das Herausfinden des Nothwendigen, die Absonderung des Zufälligen“ (Humboldt 1960 ff, Werke I e, 591). Die Darstellung von Sprache ist in diesem Punk t vergleichbar der Darstellung von Gegenständen in Geschichte und (bildender) Kunst, also insbesondere der Darstellung des menschlichen Handelns (Geschichte) und der menschlichen Gestalt (Kunst). (In bestimmten Hinsichten läßt sich Sprache sogar selbst als Kunstwerk verstehen; vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III h, 477.) Dieser Vergleich ist insofern aufschlußreich, als er den Kern der sprachphilosophischen Argumentation Humboldts um Sprache als ein System im Sinne eines dynamischen Ganzen betrifft. Im Zentrum dieser Argumentation stehen die Begriffe ‘Form’, ‘Stoff’, ‘Organismus’. Für ein Kunstwerk (z. B. eine Zeichnung) gilt es zu zeigen, wie die „äußeren Umrisse aus dem Begriff und der Form des Ganzen entstehen“ (Humboldt 1960 ff, Werke I e, 591). Übertragen auf Sprache heißt das: Die Darstellung einer Sprache muß deutlich machen, wie deren Elemente und deren Zusammenwirk en ›aus dem Begriff und der Form des Ganzen entstehen‹. Eine k onsistente Darstellung der empirischen Befunde darf also dem Begriff der Sprache nicht widersprechen und muß die Individualität dieser Verwirk lichung von Sprache als Idee aufzeigen. Damit ist jedoch erst ein Teil der Aufgabe benannt. Für die Geschichte fordert Humboldt:
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„Der Geschichtsschreiber, der dieses Namens würdig ist, muss jede Begebenheit als Theil eines Ganzen, oder, was dasselbe ist, an jeder die Form der Geschichte überhaupt darstellen“ (Humboldt 1960 ff, Werke I, 590).
Auf Sprache übertragen: Die Darstellung sprachlicher Einzelheiten muß letztlich an jedem ausgewählten Detail die Form dieser Sprache und damit die sich in dieser ausprägenden Individualität ein Stück weit deutlich machen. Möglich ist dies, weil ja die Artik ulation auch dafür verantwortlich ist, daß beim Aussprechen eines Wortes in einem Hörenden/Verstehenden nicht nur die Bedeutung dieses Wortes ›hervorgerufen‹ wird; sie fügt diesem Fak tum vielmehr ein weiteres hinzu: sie stellt „das Wort unmittelbar durch seine Form als einen Theil eines unendlichen Ganzen, einer Sprache“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 384) dar. Jeder Teil des Ganzen trägt also Spuren der Form des Ganzen, was ihn als Teil dieses — individuierten — Ganzen ausweist. 4.4.3. Die Form einer Sprache, die sich in ihren Eigenheiten ausprägt, und damit diese Eigenheiten, geben Aufschluß darüber, „auf welche Art jede [Sprache] die hauptsächlichen Fragen löst, welche aller Spracherzeugung als Aufgaben vorliegen“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 417). Diese Aufgaben sind neben der Verständigung: der Empfindung Ausdruck zu verleihen und zu neuen Gedank en und Gedank enverbindungen anzuregen (also wieder eine k reative Aufgabe) (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III d, 76). Allgemeiner gesagt: Ziel der Spracherzeugung ist es, durch die Schaffung einer zwischen den Menschen und die Welt tretenden, jedoch von ihm selbst hervorgebrachten Sprach-Welt dem Menschen, verstanden als Individuum wie als Menschheit, zur Entfaltung seiner Fähigk eiten und so zur Verwirk lichung seines Menschseins, also seines ›Zweck s‹ zu verhelfen. Sprache trägt zur Erreichung dieses Zieles bei, indem sie sich — hier wird von der subjek tiven Tätigk eit bei der Spracherzeugung abgesehen — zu größtmöglicher Vollk ommenheit ausbildet. Größtmögliche Voll k ommenheit heißt in diesem Zusammenhang, daß eine Sprache zur Lösung der ihr gestellten Aufgaben optimale Mittel bereitstellt, z. B. Elemente, die bestimmte Verk nüpfungen eindeutig angeben (so daß Mißverständnisse vermieden werden), daß sie k eine überflüssigen Elemente ausbildet (d. h. daß sie ök onomisch arbeitet) u. a. m. Anders gesagt: Sie muß mög-
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lichst geschick t „von endlichen Mitteln einen unendlichen Gebrauch“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 477) machen. Will man diesem dynamischen Charak ter von Sprache gerecht werden, muß man sie teleologisch als ein sich selbst organisierendes System (das eben nicht von außen gesteuert wird) denk en, müssen ›Ursprung‹ und ›Vollendung‹ in der Betrachtungsweise miteinander verk nüpft werden. Sprache als Erk enntnisgegenstand läßt sich mithin sinnvoll als ein seinen Zweck in sich selbst tragender Gegenstand, nämlich als Organismus auffassen, in dem alle Teile in ihrem Zusammenwirk en sowohl als Zweck wie als Mittel auftreten k önnen und der sich aufgrund der ihm innewohnenden formenden Kraft (forma formans) nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten entwickelt. Diese „Gesetze sind [...] nichts anders, als die Bahnen, in welchen sich die geistige Thätigk eit in der Spracherzeugung bewegt, oder in einem andren Gleichniss als die Formen, in welchen diese die Laute ausprägt“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 464).
4.4.4. Während die Lautformen, die als sinnlich Wahrnehmbares stärk er den verschiedensten Einflüssen ausgesetzt sind, in größter Mannigfaltigk eit auftreten, findet sich im „intellectuelle[n] Theil der Sprache [...] eine größere Gleichförmigk eit“ (464). Denn die „allgemeinen Gesetze des Denk ens“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften VI, 345) sind allen Nationen gemeinsam. Alle durch die Gesetze des Denk ens begründeten grammatischen Verhältnisse sind ihrerseits wieder prinzipiell in jeder Sprache nachweisbar, da der „Typus [...] als Form des Denk ens und des Ausdruck s, dem Menschen als Menschen, mithin allen Nationen ohne Ausnahme bei[wohnt]“ (342). Aus diesen allgemeinen Gesetzen sind „auf dem Wege reiner Begriffsableitung“ die „Grundbestimmungen der Grammatik “ (345) zu gewinnen. Wenn Humboldt sagt, daß hier „die allgemeine Grammatik mit der Logik gewissermassen zusammen[fällt]“, so k önnte man als eines seiner Ziele die Aufstellung einer Art logischer Grammatik des Sprechens ansehen: der Kern, „das Verbum, der Mittelpunk t und der Keim der ganzen Grammatik “ (346), wird ergänzt durch das Pronomen. „Verbum und Pronomen sind [...] die Angeln, um die sich die ganze Sprache bewegt“ (346). Beide Teile der Spracherzeugung, die Bildung distink ter Laute und der von ihnen gemachte Gebrauch zur Gestaltung der sprachlichen Elemente sowie die Hervorbringung von Begriffen und ihren Verk nüpfungen zu ›Gedan-
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k enverbindungen‹ jeder Art, etwa zu Urteilen, stehen in engster Beziehung zueinander, so daß an der Sprache als dem der empirischen Untersuchung zugänglichen Gegenstand diese „sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 418) erk ennbar wird. Als „Form der Sprache“ bezeichnet Humboldt nun das „in dieser Arbeit des Geistes, den articulierten Laut zum Gedank enausdruck zu erheben, liegende Beständige und Gleichförmige, so vollständig, als möglich, in seinem Zusammenhange aufgefasst und systematisch dargestellt“ (1960 ff, Werke III h, 419 f).
Den Begriff der Form der Sprachen k önnen nur solche Einzelheiten erfüllen, an denen sich „eine Methode der Sprachbildung“ (423) entdeck en läßt. Dieser Formbegriff darf mit anderen, insbesondere dem der Grammatik , nicht ineins gesetzt werden: „unter Form der Sprachen [wird] hier durchaus nicht bloss die sogenannte grammatische Form verstanden [...] Der Begriff der Form der Sprachen dehnt sich weit über die Regeln der Redefügung und selbst über die der Wortbildung hin aus, insofern man unter der letzteren die Anwendung gewisser allgemeiner logischer Kategorien des Wirk ens, des Gewirk ten, der Substanz, der Eigenschaft u. s. w. auf die Wurzeln und Grundwörter versteht. Er ist ganz eigentlich auf die Bildung der Grundwörter selbst anwendbar und muss in der That möglichst auf sie angewandt werden, wenn das Wesen der Sprache wahrhaft erk ennbar seyn soll“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 421 ff; seine Orientierung an der k antischen Kategorienlehre wird noch deutlicher z. B. in 1903 ff, Ges. Schriften VI, 347).
Der Formbegriff als Bezeichnung des organisierenden, Gestalt schaffenden (und zugleich damit individuierenden) Prinzips bedarf der Ergänzung durch den Stoffbegriff. Form und Stoff bedingen sich gegenseitig; die Form bedarf eines Stoffes, „in dem sie, sich darin ausprägend, fortdauern“ (Humboldt 1960 ff, Werke I b, 235) kann. „Der wirk liche Stoff der Sprache ist auf der einen Seite der Laut überhaupt, auf der andren die Gesammtheit der sinnlichen Eindrück e und selbstthätigen Geistesbewegungen, welche der Bildung des Begriffs mit Hülfe der Sprache vorausgehen“ (Werke III h, 422).
Allerdings gilt das Zusammenwirk en von Stoff und Form in dieser Weise nur, wenn von Sprache im allgemeinen, d. h. wenn vom Begriff der Sprache die Rede ist (vgl. 422). Bei der Betrachtung der Einzelsprachen dient das Begriffspaar ‘Stoff—Form’ nie der endgültigen Klassifizierung einzelner Elemente,
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sondern immer der Beschreibung des Zusammenwirk ens zweier Elemente, und zwar deshalb, weil Einzelsprachen, werden sie als Organismen beschrieben, charak terisiert sind durch das spezifische Wechselspiel von Mittel und Zweck , das in gleicher Weise für das Zusammenspiel von Stoff und Form gilt: Innerhalb einer Sprache „läßt sich etwas nur beziehungsweise gegen etwas andres als Stoff betrachten, z. B. die Grundwörter in Beziehung auf die Declination. In andren Beziehungen aber wird, was hier Stoff ist, wieder als Form erk annt“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 422).
4.4.5. ‘Form’, ‘Stoff’, ‘Verfahren’, ‘Organismus’ u. a. sind die philosophische Sprachbetrachtung leitenden Begriffe, mit deren Hilfe Humboldt die verschiedenen Aspek te des Phänomens Sprache in der Darstellung zu verk nüpfen versucht. Er beschreibt den Entstehungsprozeß von Sprache als normative Genese eines sich ständig weiterentwick elnden Systems, wobei in diesem Theoriestück vom Zeichencharak ter der Sprache weitgehend abgesehen wird. Vorausgesetzt wird der Begriff — die Idee — der Sprache, insofern die Idee die Einheit der Erk enntnis garantiert (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III g, 181). Diesen philosophischen Teil der Darstellung versteht Humboldt als „vorbereitende Betrachtungen“, die „der individuell historischen Sprachvergleichung“ als Orientierung dienen sollen, wobei er sich bemüht, Ausdrück e zu wählen, „welche der historischen Forschung auch nicht einmal scheinbar vorgreifen“ (Werke III g, 476). Der ›allgemeine Typus‹ dieses Entstehungs- und Entwick lungsprozesses muß sich in jeder empirisch gegebenen Sprache aufweisen lassen, soll sie als Sprache gelten: „In jeder Sprache wiederholt sich unläugbar derselbe geistige Process; Kräfte, Mittel und Erfolge sind einander so gleich und ungleich, als die menschlichen k örperlichen und geistigen Sprachanlagen Verschiedenartigk eit innerhalb der von der Natur gesteck ten Gränzen erlauben. Wo man nur einzelne Sprachen zu schildern versucht, muss man von dem allgemeinen Typus dieses Processes ausgehen und dahin zurück k ehren, weil es sonst durchaus an dem nothwendigen Vergleichspunk t fehlen würde. Die Allgemeinheit dieses Typus besteht darin, dass Alles, was von ihm auszusagen ist, nur durch den reinen Begriff der Sprache bedingt und von allen andren Umständen abgesehen wird, die, aus den übrigen menschlichen Anlagen und den auf sie einwirk enden Verhältnissen entspringend, in der Wirk lichk eit den allgemeinen Typus individualisiren“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 373).
Die allmähliche Ausbildung der Einzel-
II. Personen
sprachen ist mithin zahlreichen Einflüssen ausgesetzt. Allen Sprachen gemeinsam ist jedoch nicht nur die, bezogen auf den Sprachbau, fundierende Rolle der ›allgemeinen Gesetze des Denk ens‹, sondern auch die analogisch verfahrende Artik ulation. Die Analogiebildung (s. Art. 85) als eine Art Erfindungsverfahren k ann als die grundlegende Methode bezeichnet werden, deren sich die Arti k ulation bedient, um die einzelnen Sprachelemente als Teile eines Ganzen auszuweisen und gewissermaßen wie zu einem „Gewebe“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 446) zu verk nüpfen. Insofern sich das analogische Verfahren der Spracherzeugung in allen Sprachen findet, ist es universell, auch wenn der von ihm gemachte Gebrauch in den einzelnen Sprachen sehr verschieden sein k ann. Jedes Wort als „sinnliche Form“ (Humboldt 1960 ff, Werke II, 63) und jede grammatische Form sind nach Humboldt, da die Artik ulation sie immer als Teile eines Ganzen auftreten läßt (vgl. Humboldt 1960 ff, Werke III g, 220) und sie innerhalb dieses Ganzen sowohl Zweck als auch Mittel sein k önnen, in der Lage, „andre neben, über und unter ihnen stehende hervorzurufen“ (Humboldt 1903 ff, Ges. Schriften V, 370). Jedes Sprechen als verwirk lichter Teil der mit einer Sprache gegebenen Sprechmöglichk eiten stellt nicht nur das Ganze der bisher ausgebildeten Sprache jedesmal in gewisser Weise erneut zur Verfügung, sondern eröffnet auch, insofern sich in jedem ak tuellen Sprechen die k reative Tätigk eit der Spracherzeugung wiederholt, die Möglichk eit, von den bereits vorhandenen Mitteln weiteren Gebrauch zu machen, wobei die Erzeugung neuer Elemente nach dem Muster des bereits Hervorgebrachten erfolgt: „das neu Hinzutretende bildet sich analogisch nach dem schon Vorhandenen“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 458). Artik ulation und Analogie gehören zum Begriff der Sprache. Denn Sprache als die Totalität allen Sprechens, in dem ja auch zuk ünftiges Sprechen eingeschlossen ist, läßt sich nur denk en, wenn die Möglichk eit dieses Sprechens durch die Sprache selbst gewährleistet ist. „Die Sprache besteht daher, neben den schon geformten Elementen, ganz vorzüglich auch aus Methoden, die Arbeit des Geistes, welcher sie die Bahn und die Form vorzeichnet, weiter fortzusetzen“ (Humboldt 1960 ff, Werke III h, 436).
4.5. Sprachphilosophie als Kern der Anthropologie Mit der Sprache bringt der Mensch einen Gegenstand (im logischen Sinne) hervor, der ihm, obwohl er sein „Eigenthum“ (437) bleibt,
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im Sprechen und Hören zum Objek t wird und daher wieder auf den Menschen zurück wirk en k ann: Sprache wird als Objek t „zu einer selbständigen Macht“ (437). Sie gewinnt „ein eigenthümliches Daseyn“ (437), denn sie ist zugleich abhängig und unabhängig, subjek tiv und objek tiv; der Mensch wirk t auf sie ein, und sie wirk t auf den Menschen zurück . Mit jedem Sprechen hat der Mensch die Möglichk eit, das überlieferte Sprechen zu modifizieren, weiterzuentwick eln, neue Elemente zu erfinden und anderes mehr. Zugleich jedoch bestimmt die bereits vorhandene Sprache sein Sprechen und damit nicht nur sein Denk en, sondern in gewisser Weise auch sein Fühlen und Handeln. In dieser Wechselwirk ung zwischen Mensch und Sprache vollzieht sich der Prozeß der Selbstverwirk lichung des Menschen wie der Sprache, des einen wie der anderen, jeweils mit Hilfe des anderen. Der Gegensatz von Subjek t und Objek t, von Abhängigk eit und Unabhängigk eit wird dabei, so Humboldt, aufgehoben, denn die „wahre Lösung jenes Gegensatzes liegt in der Einheit der menschlichen Natur“ (Werke III h, 438). Die Antwort auf die Frage nach dem Wesen der Sprache mündet damit wieder in der Frage nach dem Menschen, in der Anthropologie.
5.
Literatur in Auswahl
Humboldt 1903 ff, Gesammelte Schriften. Bd. III: Essai sur les langues du nouveau continent, 300—341 Bd. V: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus, 364—475 Bd. VI: Von dem grammatischen Baue der Sprachen, 337—486 Humboldt 1960 ff, Werke.
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Bd. I: I a Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirk sam k eit des Staats zu bestimmen, 56—233 I b Theorie der Bildung des Menschen, 234—240 I c Plan einer vergleichenden Anthropologie, 337— 375 I d Ueber den Geist der Menschheit, 506—518 I e Ueber die Aufgabe des Geschichtsschreibers, 585—606 Bd. II: Latium und Hellas oder Betrachtungen über das classische Alterthum, 25—64 Bd. III: III a Ueber das vergleichende Sprachstudium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung, 1—25 III b Ueber den Einfluss des verschiedenen Charak ters der Sprachen auf Literatur und Geistesbildung, 26—30 III c Ueber das Entstehen der grammatischen Formen, und ihren Einfluss auf die Ideenentwick lung, 31—63 III d Ueber den Nationalcharak ter der Sprachen, 64—81 III e Ueber die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau, 82—112 III f Ueber den Dualis, 113—143 III g Ueber die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaues, 144—367 III h Ueber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts, 368—756 Freese (Hg.) 1986, Wilhelm von Humboldt. Sein Leben und Wirk en, dargestellt in Briefen, Tagebüchern und Dokumenten seiner Zeit. Borsche 1990, Wilhelm von Humboldt. Trabant 1990, Traditionen Humboldts. Scharf (Hg.) 1989, Wilhelm von Humboldts Sprachdenken.
Silke M. Kledzik, Koblenz (Deutschland)
28. Bernard Bolzano (1781—1848) 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 3.
Wahrheit Sätze an sich Vorstellungen an sich Sprachliche Sätze Begriffssätze Logische Wahrheit Variationslogik Analytische Sätze Logische Konsequenz Bewertungssemantik Literatur in Auswahl
1.
Wahrheit
1.1. Sätze an sich
Bereits Anfang 1812 hatte Bernard Bolzano den Plan zu einer Logik entworfen, der schließlich 1837 in seinem monumentalen Werk Wissenschaftslehre (fortan mit ‘WL’ bezeichnet) vollständig verwirk licht wurde. Die WL enthält eine Darstellung der Logik im
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weitesten Sinne einschließlich der Semantik , Wissenschafts- und Erk enntnistheorie. Von Anfang an war es Bolzano k lar, daß er bei der Durchführung seines Planes zwischen den tatsächlichen Gedank en und Urteilen eines Menschen, deren sprachlicher Formulierung und dem entsprechenden Sinngehalt, der unabhängig von jenen Gedank en, Urteilen und Formulierungen existiert, unterscheiden mußte. In diesem Sinne nahm er eine Distink tion zwischen abstrak ten Sätzen an sich und den entsprechenden gedachten, gesprochenen oder schriftlich formulierten Sätzen vor. — Zweck s leichteren Verständnisses der folgenden Darstellung seien hier in aller Kürze einige Begriffe der modernen Sprachtheorie eingeführt. Ein k onk retes ›Satzvork ommnis‹ ist eine nach den syntak tischen Regeln einer Grammatik aufgebaute Folge von Materieteilchen, die gegen die Umgebung k ontrastieren. Eine atomare ›Satzgestalt‹ hingegen ist eine Klasse gleichgestalteter k onk reter Vork ommnisse einfacher Sätze. Eine nichtatomare Satzgestalt ist mit Hilfe syntak tischer Operationen aus atomaren Satzgestalten rek ursiv (d. h. schrittweise) aufgebaut. Nicht alle nichtatomaren Satzgestalten entsprechen k onk reten Satzvork ommnissen. Zwei Satzgestalten k önnen als gleich angesehen werden, wenn sie aus denselben atomaren Satzgestalten in derselben Weise erzeugt werden. Ferner sind zwei atomare Satzgestalten, die jeweils Mengen von gleichgestalteten Satzvork ommnissen sind, gleich, wenn sie dieselben Satzvork ommnisse enthalten. Betrachten wir nun die nichtatomare Satzgestalt, die folgendem k onk reten Satzvork ommnis entspricht: ‘Bolzano lebt oder Bolzano lebt nicht’. Diese Satzgestalt enthält zwei Satzvork ommen, und zwar zwei abstrak te (d. h. nicht raum-zeitliche) Vork ommen der atomaren Satzgestalt, die dem k onk reten Teilsatz ‘Bolzano lebt’ entspricht. Gewissen Satzgestalten und Satzvork ommnissen k ann unter gewissen Umständen ein ›Sinn‹ zugesprochen werden. Der Sinn eines sprachlichen Behauptungssatzes z. B. ist die durch ihn ausgedrück te Behauptung oder Aussage, die als ein nichtsprachlicher Gegenstand aufzufassen ist. Wenn der Sinn eines Satzes den tatsächlich vorliegenden Gegebenheiten eines Gegenstandsbereiches entspricht, dann ist der Satz ›wahr‹, andernfalls ›falsch‹. In der k lassischen Logik werden nur die beiden Wahrheitswerte ‘wahr’ und ‘falsch’ anerk annt. Wahrheitswerte k önnen auch dem Sinn eines Satzes direk t zugeschrieben wer-
II. Personen
den. Bolzanos Konzeption der Sätze an sich läßt sich durch die folgenden Annahmen (1)—(15) charak terisieren. (Bezüglich (13)—(15) vgl. 1.3.) Diese Annahmen geben Aufschluß über die Beziehungen zwischen Sätzen an sich und anderen Bedeutungen des Wortes ‘Satz’ bei Bolzano. Die erste dieser Annahmen lautet (WL §§ 30—32): (1) Es gibt Gegenstände, genannt ‘Sätze an sich’, welche die Bedingungen (2)—(15) erfüllen. Damit besitzen Sätze an sich jene Art logischer Existenz, auf die in der modernen Quantorenlogik Bezug genommen wird. — Darüber hinaus gilt (WL § 19): (2) Ein Satz an sich existiert nicht konkret (in Raum und Zeit). Nach Bolzano sind sprachliche Ausdrück e und psychische Gegenstände wie Gedank en und Urteile k onk rete Entitäten. Deshalb k önnen Sätze an sich nicht mit k onk reten sprachlichen oder psychischen Gegenständen identifiziert werden. — Ferner gilt (WL § 19): (3) Sätze an sich existieren unabhängig von psychischen Gegenständen aller Art. Somit k ann die manchmal im mittelalterlichen Nominalismus vorgenommene Identifizierung von Aussagen mit psychischen Dispositionen nicht auf Sätze an sich im Sinne Bolzanos übertragen werden. — Die folgenden zwei Bedingungen sind für Bolzanos Semantik besonders charakteristisch: (4) Nicht alle Sätze an sich sind atomar. Ein nichtatomarer Satz an sich ist mit Hilfe logischer Operationen aus einfachen Teilen aufgebaut (WL § 558). (5) Zwei Sätze an sich sind genau dann identisch, wenn sie aus denselben einfachen Teilen in derselben Weise erzeugt werden. (Vgl. auch (5′) unter 1.2.) Über die Art, wie ein nichtatomarer Satz an sich aus einfachen Teilen aufgebaut ist, geben Definitionsketten in einer Sprache Aufschluß (WL §§ 32,4; 92,1; 116,3; 557—558). Wir nehmen an, daß wir eine Sprache von mehr oder weniger spezifischer Struk tur vor uns haben und daß wir wissen, was eine abstrak te Satzgestalt in dieser Sprache ist. Bolzano identifiziert offenbar alles Sprachliche mit k onk reten sprachlichen Vork ommnissen (WL §§ 49,2; 334—336; Bolzano 1969 ff, Gesamtausgabe R.2A VII, 47; 77); jedenfalls sagt er nichts Ausdrück liches über den abstrak ten
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Begriff der Satzgestalt. Es ist jedoch möglich, aus seinen Ausführungen einen Begriff herauszulesen, der genau auf die moderne Konzeption der Satzgestalt abzielt und dem nur Begriffe der Bolzanoschen Semantik zugrunde liegen (vgl. 1.2.). — Aus den Postulaten (4) und (5) folgt nun, daß sich Sätze an sich im Sinne Bolzanos einerseits ähnlich verhalten wie die geschlossenen Formeln (d. h. Formeln ohne freie Variable) eines logischen Kalk üls. Andererseits stimmt die folgende Annahme mit Bolzanos Absichten überein: (6) Kein sprachlicher Gegenstand ist notwendigerweise eine Komponente eines Satzes an sich. Daher ist es nicht möglich, Sätze an sich mit abstrak ten Satzgestalten oder überhaupt mit Gegenständen zu identifizieren, in denen Satzgestalten oder Satzvork ommnisse wesentlich involviert sind, wie z. B. mit geordneten Paaren von Satzgestalten und den Interpretationen einer Sprache. — Wäre Bolzano mit dem Begriff der abstrak ten sprachlichen Gestalt k onfrontiert worden, so hätte er vermutlich die folgende Annahme über Sätze (ob Gestalten oder k onk rete Vork ommnisse) akzeptiert (vgl. WL § 410): (7) Es gibt mehr Sätze an sich als konkrete sprachliche Sätze. Für eine moderne Darstellung eines Systems nichtsprachlicher Bolzanoscher Sätze an sich ist deren Überabzählbark eit auf jeden Fall vorauszusetzen. Der Unterschied zwischen abzählbar und überabzählbar unendlich war Bolzano allerdings noch nicht ganz deutlich bewußt, obwohl er einen Kontinuumsbegriff besaß, der auf die Menge der reellen (also überabzählbar vielen) Zahlen, nicht aber auf die Menge der rationalen (abzählbar vielen) Zahlen in einem Intervall reeller Zahlen zutrifft (WL § 315,7,c). — Wir nennen einen Wahrheitsbegriff für sprachliche oder nichtsprachliche semantische Gegenstände Y (wie Satzvork ommnisse, Satzgestalten oder Aussagen) ‘inhaltlich adäquat’, wenn seine Definition die klassische Aristotelische Bedingung X ist wahr genau dann, wenn Y impliziert, wobei ‘X’ für einen Namen oder eine Beschreibung des jeweiligen Substituenden von ‘Y’ steht. Bolzano fordert nun sinngemäß (WL § 19): (8) Für Sätze an sich ist ein inhaltlich adäquater Wahrheitsbegriff definierbar.
383
Bezüglich der Beziehungen zwischen Sätzen an sich und sprachlichen Sätzen gelten folgende vier Postulate: (9) Was ein sprachlicher Behauptungssatz (Gestalt oder Vorkommnis) ausdrückt, ist ein Satz an sich (WL §§ 19; 28). (10) Zwei sprachliche Sätze können denselben Satz an sich ausdrücken und dennoch von verschiedener Struktur sein (WL §§ 127; 371,1,c). (11) Wenn zwei sprachliche Sätze denselben Satz an sich ausdrücken, dann sind sie logisch äquivalent. Die letztere Annahme liegt Bolzanos Theorie der Reduk tion sprachlicher Sätze auf eine bestimmte k anonische Form zugrunde (vgl. 1.3.). Jedoch gilt die Umk ehrung dessen in Bolzanos Semantik nicht, d. h. (WL §§ 32, Anm.; 366): (12) Zwei Sätze an sich, die durch zwei logisch äquivalente sprachliche Sätze ausgedrückt werden, brauchen nicht identisch zu sein. Infolgedessen k önnen Sätze an sich beispielsweise nicht mit Klassen von logisch äquivalenten sprachlichen Sätzen identifiziert werden (vgl. Quine 1960, 201). 1.2. Vorstellungen an sich Ein Satz an sich im Sinne Bolzanos ist eine Folge von Vorstellungen an sich. Daher ist eine Vorstellung an sich ein Teil eines Satzes an sich, der selbst k ein Satz an sich ist (WL § 48,2). Bolzano hat selber zugegeben, daß er nicht imstande sei, den Begriff eines Satzes an sich explizit zu definieren (WL § 23). Daher müßte man Vorstellungen an sich unabhängig von Sätzen an sich charak terisieren, eine Annahme, die Bolzano in der Tat implizit macht. Er arbeitet weitgehend mit der Beziehung (im folgenden mit ‘Σ’ bezeichnet), Gegenstand einer Vorstellung an sich zu sein (WL § 49,1). Der Gegenstand einer Vorstellung an sich k ann sowohl ein k onk retes, raum-zeitliches als auch ein abstrak tes Objek t sein. Dieser Beziehung entspricht in der modernen Logik die Relation, Element der Extension eines Begriffes zu sein. Hinsichtlich dieser von Bolzano als grundlegend betrachteten Relation Σ k önnen der WL gewisse Annahmen entnommen werden, welche die Vorstellungen an sich unabhängig von den Sätzen an sich charakterisieren.
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Bezeichnen wir mit dem Ausdruck ‘XΣV’ die Aussage, daß X unter der Vorstellung an sich V fällt, so k önnen wir die Extension von V mit der Menge aller X identifizieren, für die XΣV gilt. Wenn die Extension von V nichtleer ist, nennt sie Bolzano den ‘Umfang’ von V (WL § 66,2). — Im allgemeinen repräsentiert ein Prädik at der Umgangssprache eine Vorstellung an sich (WL §§ 48,3; 69, Anm. 1). Der Sinn eines Prädik ats ist eine Eigenschaft. Daher wird eine Vorstellung an sich durch eine Eigenschaft ›intensional‹ bestimmt. Die Extension einer Vorstellung an sich k ann abgegrenzt werden durch Absuchen des Gebietes der Gegenstände nach Elementen, welche die fragliche Eigenschaft besitzen. Sein heißt ein Gegenstand sein, und ein Gegenstand sein heißt für Bolzano Gegenstand irgendeiner Vorstellung an sich sein. Also: X ist ein Gegenstand genau dann, wenn es ein V gibt derart, daß XΣV. Eine Wesenheit Χ ist Gegenstand einer Vorstellung an sich, die durch die Eigenschaft Ψ charak terisiert ist, genau dann, wenn Χ ein Gegenstand ist, dem Ψ zuk ommt. Wir k önnen also das folgende Postulatenschema für die Existenz von Vorstellungen an sich formulieren: (I) Es gibt mindestens eine Vorstellung an sich V, so daß für alle X gilt: XΣV genau dann, wenn X ein Gegenstand ist, dem Ψ zukommt, wobei Ψ eine Eigenschaft ist, die in dem jeweils vorausgesetzen Sprachsystem ausdrück bar ist. — Angenommen, es existiere eine Vorstellung an sich V* aller Vorstellungen, die nicht Gegenstand von sich selbst sind: V* = [V: VV], wobei ‘VV’ bedeutet, daß VΣV nicht der Fall ist. Unter dieser Voraussetzung ist V* ein Gegenstand der allgemeinen Vorstellung von einer Vorstellung an sich und unterliegt somit dem folgenden Abstrak tionsprinzip: XΣ [Y: Ψ(Y)] genau dann, wenn es ein V gibt derart, daß XΣV, und Ψ dem X zukommt. Wir erhalten dann: XΣV* genau dann, wenn es ein V gibt derart, daß XΣV und XX. Da V* nach Voraussetzung ein Gegenstand ist, kann ‘V*’ hier für ‘X’ eingesetzt werden: V*ΣV* genau dann, wenn es ein V gibt derart, daß V*ΣV und V*V*. Dies ist äquivalent mit der folgenden Aussage: Es gibt kein V derart, daß V*ΣV.
II. Personen
Die Annahme, daß V* zum Vorbereich der Σ-Relation gehört, impliziert somit die Negation dieser Annahme. Also ist die Annahme falsch, und V* ist k ein Gegenstand. Bei einer vernünftigen Auslegung der Bolzanoschen Theorie der Vorstellungen an sich k ann daher eine Antinomie wie die Bertrand Russells (1872—1970) in Bolzanos Logik nicht gefolgert werden. — Zwei andere Annahmen Bolzanos lauten: (II) Für fast alle Vorstellungen an sich V und für alle X gilt: Wenn XΣV, dann X ≠ V (WL § 49,1). (III) Die Identität der Vorstellungen an sich V1 und V2 folgt nicht daraus, daß für alle X gilt: XΣV1, genau dann, wenn XΣV2 (WL §§ 25,c; 64,2,b; 96,2). Aus dem Postulat (II) folgt mit Hilfe von Kontraposition und Substitution von ‘V’ für ‘X’, daß VV für die meisten Vorstellungen an sich gilt. Die einzigen Ausnahmen von diesem Gesetz sind selbstbezogene Vorstellungen an sich, die Gegenstand von sich selbst sind. Ein Beispiel ist die Vorstellung Gegenstand (WL § 99,2), denn sie ist selbst ein Gegenstand und daher ein Gegenstand von sich selbst. Jede k onk rete, subjek tive Vorstellung im Bewußtsein eines Menschen hat eine objek tive Vorstellung an sich als ›Stoff‹ (WL § 48,3) im selben Sinn, wie ein Urteil einen Satz an sich als ›Stoff‹ enthält (WL §§ 34; 291,1). Bolzano vergleicht die Beziehung zwischen einer subjek tiven Vorstellung und der ihr entsprechenden Vorstellung an sich mit dem Verhältnis zwischen einem sprachlichen Ausdruck svork ommnis und der bezeichneten Vorstellung an sich. Die Vorstellungen an sich besitzen dieselbe logische Existenz wie die Sätze an sich. — Mit Hilfe der Relation Σ k önnen die Vorstellungen an sich als (a) ›gegenstandslos‹ und (b) ›gegenständlich‹ k lassifiziert werden (WL §§ 50,1; 66,2; 67). Die Menge (a) wird in (a1) ›imaginäre‹, d. h. logisch leere Vorstellungen, die einander widersprechende Bestandteile enthalten, und (a2) ›reale‹, empirisch leere Vorstellungen unterteilt (WL § 70). Ferner sind alle Vorstellungen der Menge (b) real. Diese Menge wird weiter in (b1) ›Einzelvorstellungen‹ und (b2) ›Gemeinvorstellungen‹ gegliedert (WL § 68,1). — Es existieren gewisse absolut ›einfache‹ Vorstellungen an sich, die verschieden vom menschlichen Geist und von sprachlichen Ausdrück en sind. Als Beispiele führt Bolzano die logischen Konstanten
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an, die durch die Wörter ‘nicht’, ‘und’, ‘etwas’, ‘haben’ repräsentiert werden (WL § 78,1; Bolzano 1969 ff, Gesamtausgabe R.2A VII, 49). Er gesteht jedoch, außerstande zu sein, eine umfassendere Liste einfacher Vorstellungen an sich anzugeben. Offenbar meint er, daß jede zusammengesetzte Vorstellung an sich V in eine Folge Φ(V) von einfachen Vorstellungen zerlegt werden k ann, die gewisse logische Konstante als Glieder enthält (WL §§ 61; 116,3). Diese Folge Φ(V) sei im folgenden die ‘Grundform von V’ genannt. Die Grundform einer Vorstellung an sich ist k eine einfache Menge, sondern eine echte Folge (WL § 65,5). Die Art, in welcher eine zusammengesetzte Vorstellung an sich aus einfachen aufgebaut ist, k ann in einer Sprache durch eine Definitionsk ette ausgedrück t werden. Manche zusammengesetzte Vorstellungen an sich verhalten sich daher ähnlich wie die offenen Formeln (d. h. Formeln mit freien Variablen) eines logischen Kalk üls. Nun nimmt Bolzano sinngemäß das folgende Identitätsprinzip für Vorstellungen an sich an (WL §§ 92,1; 119,3,d; 557): (IV) Zwei Vorstellungen an sich sind genau dann identisch, wenn sie dieselbe Grundform besitzen. Analog dazu entspricht jedem Satz an sich A ein Satz an sich Φ(A), der nur einfache Vorstellungen an sich enthält. Solch ein Φ(A) wird im folgenden die ‘Grundform von A’ genannt. Sie k ann durch Reduk tion aller zusammengesetzten Vorstellungen in A auf einfache Vorstellungen gefunden werden. Damit k ann Bolzanos verallgemeinertes Identitätsprinzip für Sätze an sich so ausgedrück t werden (WL §§ 32,4; 558): (5′) Zwei Sätze an sich sind genau dann identisch, wenn sie dieselbe Grundform besitzen. Wenn XΣV gilt, dann k ann X ein physik alischer Gegenstand sein. Ist X eine Vorstellung an sich oder ein sprachlicher Ausdruck , so wird V eine ‘symbolische Vorstellung’ genannt (WL § 90). Wenn XΣV gilt und X ein sprachlicher Ausdruck im Sinne Bolzanos ist, dann k ann V in Bolzanos Sprachtheorie als Gegenstück zu unserem Begriff der abstrak ten sprachlichen Gestalt aufgefaßt werden. Insbesondere k ann, wenn X ein Satzvork ommnis ist und XΣV gilt, V auch eine abstrak te Satzgestalt sein. Während eine Gestalt in der modernen logischen Syntax gewöhnlich als eine Menge angesehen wird, k ann Bolzanos Be-
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griff als eine entsprechende intensionale Eigenschaft gedeutet werden. 1.3. Sprachliche Sätze Bolzano entwick elte eine spezielle Theorie für eine große Anzahl von Fällen, in denen eine Vorstellung an sich unter eine andere Vorstellung zweiter Ordnung fällt. Beispielsweise wäre nach Bolzano ein sprachlicher Satz, den man durch Einsetzung der Bezeichnung einer speziellen Vorstellung an sich V für ‘X’ in ‘X ist allwissend’ erhält, eine elliptische Formulierung eines Satzes der folgenden Form: ‘X ist etwas, das Allwissenheit hat’. Hier ist die durch die Worte ‘etwas, das Allwissenheit hat’ ausgedrück te Vorstellung an sich eine „k onk rete Vorstellung“ (WL § 60). Aus dieser k ann man die entsprechende ›abstrak te Vorstellung‹ gewinnen und erhält dabei die Satzform ‘X hat Allwissenheit’ sowie den entsprechenden Satz an sich: V hat Allwissenheit. — Die durch das Wort ‘Allwissenheit’ ausgedrück te Vorstellung an sich ist eine Vorstellung von der Beschaffenheit (WL § 80), allwissend zu sein, die in der Relation Σ zur Beschaffenheitsvorstellung Allwissenheit steht. Eine Beschaffenheit ist ihrerseits manchmal in verschiedene andere Beschaffenheiten zerlegbar. Wenn wir den Begriff der Extension einer Beschaffenheit b als die Menge aller X derart, daß X b hat, einführen, dann k önnen wir sagen, daß es zu jeder abstrak ten Vorstellung b* von einer Beschaffenheit b eine mit b koextensive k onk rete Vorstellung B (= der Vorstellung Etwas, das b hat) gibt. Als Sonderfall führt Bolzano die ›symbolischen‹ Vorstellungen an sich ein, wobei die Extension von B aus Vorstellungen an sich oder aus Zeichen besteht (WL § 90). In der WL verwendet Bolzano eine zum Teil formalisierte Sprache, die eine durch Konstante, Variable und gewisse technische Ausdrüc k e ergänzte Umgangssprache darstellt. Er untersucht auch die Beziehungen dieser halbformalisierten philosophischen Sprache zur deutschen Umgangssprache (WL §§ 127—146, 164—184), wobei er davon ausgeht, daß sich die meisten Sätze der Umgangssprache auf gewisse k anonische Sätze reduzieren lassen, die in der philosophischen Sprache formulierbar sind. — Wenn Bolzano über Reduzierbark eit spricht, gebraucht er Redewendungen wie „heißt wesentlich nichts anderes als“ (WL § 171). Das Kriterium der Angemessenheit solcher Reduk tionen scheint folglich darin zu bestehen, daß die fraglichen
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Sätze denselben Satz an sich ausdrück en (WL § 127). In Bolzanos sprachphilosophischer Reduk tionstheorie sind die meisten Sätze der Umgangssprache auf Sätze reduzierbar, die man dadurch erhält, daß man in einer der beiden folgenden Formulierungen (i) ‘V hat b’ (ii) ‘V hat Mangel an b’ für ‘b’ die Bezeichnung einer speziellen Beschaffenheit einsetzt (WL §§ 127; 136). Hier ist der Substituend für ‘b’ auch einer k oextensiven k onk reten Vorstellung zugeordnet. — In einer vollständigen Formalisierung von Bolzanos philosophischer Sprache würde das Vok abular an Prädik aten sowohl Substituenden für ‘b’ als auch entsprechende Substituenden für ‘Mangel an b’ in (i) und (ii) umfassen. Daher ist die Negation eines Satzes der Form (i) ein anderer Satz der Form (i), nämlich: (iii) ‘S(i) hat Falschheit’, wobei S(i) der Satz an sich ist, der durch die spezielle Einsetzungsinstanz von (i) ausgedrück t wird (WL §§ 189,1,e; 5,a). — Als Beispiel dafür, wie Bolzano seine Reduk tionstheorie auf die Umgangssprache anwendet, k önnten diejenigen Sätze angeführt werden, die man durch Einsetzung eines einzelnen Vorstellungsnamen für ‘V’ in ‘Es gibt ein V’ und ‘Nichts ist ein V’ erhält. Diese Sätze sind reduzierbar auf die k anonischen Sätze ‘Die Vorstellung V hat Gegenständlichk eit’ bzw. ‘Die Vorstellung V hat Mangel an Gegenständlichk eit’ (WL §§ 137; 170). Ein Satz der Form ‘Alle V1 sind V2’ ist reduzierbar auf einen k anonischen Satz der Form (i), wobei der Substituend für ‘b’ Gegenstand einer abstrak ten Vorstellung ist, die dem Substituenden für ‘V2’ zugeordnet ist (WL § 225, Anm.). — Hätte Bolzano seine Reduk tionstheorie vollständig entwick elt, so wäre dies der Konstruk tion einer Idealsprache für die philosophische Analyse gleichgek ommen. In dieser Idealsprache würden Sätze der k anonischen Form (i) bzw. (ii) allerdings nicht dieselbe Rolle spielen wie die atomaren Formeln der modernen Logik , aus denen k omplexere Formeln aufgebaut werden. Vielmehr scheint Bolzano im Gegenteil angenommen zu haben, daß auch die k ompliziertesten Sätze k anonische Form haben oder auf eine solche Form gebracht werden k önnen. Bolzanos Reduk tionstheorie ist aber insofern vage, als er an k einer Stelle seines philosophischen Werk es irgendwelche systematische Regeln zur Kon-
II. Personen
struk tion der sehr k omplizierten Termini, die als Substituenden für die Variablen ‘V’ und ‘b’ auftreten müssen, angibt. Von besonderem Interesse im Hinblick auf die Sätze an sich ist Bolzanos implizite Behauptung: (13) Sprachliche Sätze der kanonischen Form (i) und (ii) spiegeln die ihnen entsprechenden Sätze an sich in schärfstmöglicher Weise wider. Hieraus ergibt sich die Aufgabe: (14) Für alle V und b innerhalb derjeweiligen Bereiche muß die Beziehung von V und b zu den (i) und (ii) entsprechenden Sätzen an sich expliziert werden. Mit anderen Worten: Man muß erk lären, wie zwei Begriffe zusammengefügt werden k önnen, damit eine Aussage zustande k ommt. Einer Beschaffenheitsvorstellung k önnen mehrere Beschaffenheiten unterstehen (WL §§ 60, Anm. 2; 176,2). Der Wahrheitsbegriff wird nun für diejenigen Sätze an sich, die den Sätzen der k anonischen Form (i) und (ii) entsprechen, im wesentlichen auf folgende Weise definiert (WL §§ 24,1; 131): (i) S(i) ist wahr genau dann, wenn jedem Gegenstand der Vorstellung V eine der der Beschaffenheitsvorstellung b unterstehenden Beschaffenheiten zukommt; (ii S(ii) ist wahr genau dann, wenn keinem ) Gegenstand von V eine der der Beschaffenheitsvorstellung b unterstehenden Beschaffenheiten zukommt. Dabei werden V und b durch die Substituenden für ‘V’ und ‘b’ bezeichnet. — Einen wahren Satz an sich nennt Bolzano eine „Wahrheit an sich“ (WL § 25). Er nahm offensichtlich an, daß die Menge der Sätze der Umgangssprache und seiner eigenen philosophischen Sprache in die Menge der Sätze an sich abgebildet werden k önne, so daß eine indirek te Definition der Wahrheit für diese sprachlichen Sätze möglich wäre. Bolzano entwick elte seine Reduk tionstheorie weiter, indem er eine notwendige Bedingung für die Wahrheit aller Sätze der Form (i) und (ii) angibt. Wenn V gegenständlich ist, d. h., wenn es mindestens einen Gegenstand von V gibt, dann sind nach Bolzano auch die entsprechenden Sätze an sich S(i) und S(ii) gegenständlich. Und ist V gegenstandslos, gibt es also k einen Gegenstand von V, dann sind nach Bolzano auch S(i) und S(ii) gegenstandslos (WL § 146). Nun ist aber, wenn S(i)
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oder S(ii) wahr ist, auch V gegenständlich (WL §§ 127,7; 130; 138; 196,2; 225,4). Daher gilt (WL § 234,3): (15) Wenn V gegenstandslos ist, dann sind sowohl S(i) als auch S(ii) falsch. Da der Gegenstand, der durch den Substituenden für ‘V’ in (i) und (ii) bezeichnet wird, die Vorstellung einer Klasse sein k ann, beinhaltet Bolzanos Bedingung eine Existenzinterpretation der k lassischen Syllogistik (WL §§ 155,3; 156,1; 159,4; 176,1). Außerdem zeigt diese Bedingung, daß Bolzano im Grunde genommen eine philosophische Sprache ohne Existenzvoraussetzungen im Auge hatte, bei der auch leere Gegenstandsbereiche zugelassen werden. Diese Konzeption liegt seinem Aufbau der Variationslogik zugrunde (vgl. 2.1.). — Jeder Satz an sich ist demnach entweder wahr oder falsch. Ferner ist die folgende Form des Gesetzes vom ausgeschlossenen Dritten: S(i) und S(ii) sind nicht beide falsch, auch für gegenstandslose Sätze an sich gültig. 1.4. Begriffssätze In der traditionellen Logik gibt es einen Lehrsatz über die Reziprozität zwischen Umfang und Inhalt einer Vorstellung: je größer der Umfang, desto k leiner der Inhalt; und je k leiner der Umfang, desto größer der Inhalt. Dieser Satz ist gültig, wenn der Inhalt einer Vorstellung als eine Konjunk tion von Eigenschaften aufgefaßt wird, d. h., wenn folgende Definition des Inhaltsbegriffs beabsichtigt ist: Der ›Inhalt‹ von V ist die Menge aller V′ derart, daß XΣV genau dann, wenn XΣV und XΣV′, für alle X. Es ist dann logisch beweisbar, daß sowohl (i) Wenn für alle X gilt: wenn XΣV1, dann XΣV2; dann ist der Inhalt von V2 in den Inhalt von V1 inkludiert, als auch die Umk ehrung von (i) gilt. — Bolzano definiert den „Inhalt“ einer Vorstellung an sich als die „Summe“ der „Teile“ in V (WL § 56). Aus § 116,3 geht hervor, daß er hierbei unter ‘Teile’ die in V enthaltenen einfachen Vorstellungen an sich versteht. Aus seinen Definitionen der Begriffe Summe und Menge (WL § 84) folgt nun, daß der Inhalt einer Vorstellung an sich V die Menge der Vorstellungen an sich in der Grundform von V ist. Zwei Vorstellungen haben genau dann denselben Inhalt, wenn ihre „letzten Bestandteile“ identisch sind (WL § 96,2). In Bolzanos Semantik folgt daher, daß (i) falsch ist (WL
387
§§ 65,10; 120). Bolzano gibt folgendes Gegenbeispiel für (i): Es sei V1 die Vorstellung eines Menschen, der alle europäischen Sprachen versteht, und V2 die Vorstellung eines Menschen, der alle lebenden europäischen Sprachen versteht. Ein Gegenbeispiel für die Umk ehrung von (i) ergibt sich, wenn man ‘V1’ und ‘V2’ miteinander vertauscht. Ein weiteres Gegenbeispiel wäre die Beziehung zwischen V1 und V1 ⋃ V2 für alle gegenständlichen V1 und V2, wenn Bolzanos Definition des Inhalts einer Vorstellung an sich vorausgesetzt wird. Da der Satz (i) in Bolzanos Semantik nicht gilt, k ann man Vorstellungen finden, die sowohl Einzelvorstellungen sind als auch einen absolut einfachen Inhalt besitzen, obwohl ihre sprachlichen Ausdrück e k omplex sind, wie z. B.: ‘Dies (was ich eben erfahre)’. Solche Vorstellungen nennt Bolzano „Anschauungen“ (WL § 72). Daher ist V eine Anschauung genau dann, wenn V eine einfache Vorstellung an sich ist, deren Extension einen einzigen Gegenstand umfaßt. Der Begriff eines Begriffs wird nun wie folgt definiert (WL § 73,1): V ist ein Begriff genau dann, wenn V eine Vorstellung an sich ist, die k eine Anschauung ist, und wenn k ein Element des Inhalts von V eine Anschauung ist. Daher k önnen Begriffe einfache (leere oder generelle) oder k omplexe (leere, singuläre oder generelle) Vorstellungen an sich sein, deren Inhalt k eine einfache Einzelvorstellung umfaßt (WL §§ 76,2; 78,2). Wenn der Inhalt einer k omplexen Vorstellung an sich V eine Anschauung umfaßt, wird V eine „gemischte Vorstellung“ genannt (WL § 73,2). — Es ist wichtig zu bemerk en, daß Bolzanos Begriff des Inhalts einer Vorstellung an sich k eine geordnete Menge beinhaltet. Daher drück en beispielsweise ‘35’ und ‘53’ verschiedene Vorstellungen mit gleichem Inhalt aus (WL § 56). Eine einfache Vorstellung an sich k ann mit ihrem Inhalt identifiziert werden (WL § 92,1). Bolzano postuliert explizit, daß es Vorstellungen an sich mit unendlichem Inhalt gibt (WL §§ 65,3; 78, Anm. 2). Möglicherweise hat er vorausgesetzt, daß solche Vorstellungen auf unendlichen Definitionsk etten basieren. Folglich gibt es einerseits unendlich viele einfache Vorstellungen an sich. Andererseits ist die Anzahl der „einfachen Begriffe“ endlich (WL §§ 78, Anm.; 221,3). Daher gibt es k eine Begriffe unendlichen Inhalts. Begriffe mit einer unendlichen Anzahl von Gliedern in ihrer Grundform sind jedoch möglich. Bolzanos Anschauungen unterscheiden sich von ähnlichen Konstruk tionen früherer Phi-
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losophen durch ihre Abstrak theit und absolute Einfachheit (WL § 76,2). Eine Einzelvorstellung eines physik alischen Gegenstands k ann nicht lediglich aus Begriffen k onstruiert werden. Die zusammengesetzte Vorstellung an sich, die den Gegenstand repräsentiert, muß ihren Grund in irgendeinem physik alischen Gegenstand haben (WL §§ 74,2; 76,1). Bolzanos Begriffe entsprechen demnach den sogenannten universellen Eigenschaften, auf die sich die moderne Disk ussion um das Problem der irrealen Konditionalsätze bezieht (s. Art. 89). Bolzanos gemischte Vorstellungen entsprechen nichtuniversellen Eigenschaften, die nur unter Bezugnahme auf irgendeine Raum-Zeit-Stelle definierbar sind (WL §§ 75,4; 79,5). Den Inhalt eines Satzes an sich definiert Bolzano analog zum Inhalt einer Vorstellung an sich (WL § 123). Die Sätze an sich werden in Begriffssätze und Anschauungssätze eingeteilt (WL § 133). Ein Satz an sich A ist ein Begriffssatz genau dann, wenn der Inhalt von A nur Begriffe umfaßt. A ist ein Anschauungssatz genau dann, wenn A k ein Begriffssatz ist. Beispielsweise sind die Lehrsätze der mathematischen Analysis und Isaac Newtons (1643—1727) Gravitationsgesetz wahre Begriffssätze, obwohl unsere Erk enntnis des letzteren Satzes zufälligerweise von der Erfahrung abhängt (Bolzano 1969 ff, Gesamtausgabe R.2A VII, 61). Das Definiens der Definition eines Bolzanoschen Begriffssatzes muß so verstanden werden, daß die Grundform von A k ein wesentliches Vork ommen einer Anschauung aufweist. Denn sonst k önnte eine Einsetzungsinstanz eines logischen Gesetzes ein Anschauungssatz sein. Ein Beispiel hierfür wäre der logisch wahre Satz an sich Bolzano ist allwissend oder Bolzano ist nicht allwissend, in dem die Vorstellung Bolzano nicht wesentlich vork ommt. Es gibt zwei schwerwiegende Gründe für diese Auslegung der Bedeutung des Ausdruck es ‘Begriffssatz’. Erstens führt Bolzano in seiner Reduk tionstheorie die Modalität der Notwendigk eit auf wahre Begriffssätze zurück . Ein Satz an sich (von k anonischer Form) ist nach Bolzano notwendig genau dann, wenn er die Beschaffenheit hat, eine Begriffswahrheit zu sein (WL § 182,1). — Zweitens führt Bolzano die Einteilung in Begriffs- und Anschauungssätze als eine partielle Rek onstruk tion von Immanuel Kants (1724—1804) Unterscheidung zwischen Erk enntnis a priori und Erk enntnis a posteriori ein (WL §§ 133, Anm.; 287,9). Eine Wahrheit a priori ist ein Satz an sich, dessen Wahrheit unabhängig von der Erfahrung ein-
II. Personen
gesehen werden k ann. Eine Wahrheit a posteriori ist ein Satz an sich, dessen Wahrheit nicht unabhängig von der Erfahrung eingesehen werden k ann. Die Begriffe a priori und a posteriori k önnen nach Bolzano in einem objek tiven Sinn im Zusammenhang mit Sätzen an sich und in einem subjek tiven Sinn im Zusammenhang mit Urteilen aufgefaßt werden. Im objek tiven Sinn sind Begriffssätze a priori und Anschauungssätze a posteriori. Daher gibt es im objek tiven Sinn sowohl unbek annte Wahrheiten a priori als auch unbek annte Wahrheiten a posteriori. Dieser objek tive Sinn schwebt Kant möglicherweise dort vor, wo er alle mathematischen Sätze als Urteile a priori erk lärt (WL § 133, Anm.). Wahre Urteile, die apriorische Sätze an sich enthalten, k önnen aber — subjek tiv gesehen — a posteriori sein. Dieser subjek tive Sinn wird von Bolzano mit Hilfe der Vermittlungsrelation definiert (WL § 306,12): Ein Urteil W ist ein Urteil a priori im System S genau dann, wenn für alle Folgen 〈Ui〉, die in einer Vermittlungsk ette zu W in S stehen, gilt, daß die Glieder Ui nur Begriffssätze enthalten. Und W ist ein Urteil a posteriori im System S genau dann, wenn W nicht ein Urteil a priori in S ist.
2.
Logische Wahrheit
2.1. Variationslogik Bolzano erk annte, daß sich wert eines Satzes an sich bei ser Komponenten ändern k weise k ann der wahre (i) Bolzano ist sterblich
der WahrheitsVariation gewisann. BeispielsSatz an sich
durch Änderung der Prädik atvorstellung in den falschen Satz an sich (ii) Bolzano ist allwissend übergeführt werden. Hingegen k ann der Satz an sich (i) nicht in einen falschen Satz an sich übergeführt werden, wenn die Subjek tvorstellung Bolzano durch eine andere Vorstellung innerhalb ihres (gewöhnlich explizit vorausgesetzten) Variationsbereiches ersetzt wird. Wenn aber der Variationsbereich der Vorstellung Bolzano erweitert wird, indem er auch nichtmenschliche Wesen einschließt, k önnte sich im Sinne Bolzanos aus (ii) die folgende Wahrheit ergeben: (iii) Gott ist allwissend. Wir sehen also, daß Bolzano eine Ersetzungsoperation benützt, die einen Satz an sich A auf den Satz an sich A(V/V′) ab-
28. Bernard Bolzano (1781—1848)
bildet, wobei A(V/V′) sich von A nur dadurch unterscheidet, daß die Vorstellung V′ an genau denjenigen Stellen auftritt, an denen A die Vorstellung V enthält. Diese Operation k ann erweitert werden zu einer simultanen Ersetzung der Vorstellungen V1,...,Vn durch V′1,...,V′n, bei der A auf A(V1,...,Vn/V′1,..., V′n) abgebildet wird. (Die ersetzenden Vorstellungen müssen zweck s Vermeidung von Konfusionen selbstverständlich paarweise verschieden sein, während die ersetzten Vorstellungen nicht verschieden zu sein brauchen.) Die Folge V1,...,Vn wird von nun an mit ‘F’ bezeichnet. Bolzano verwendet auch eine Ersetzungsoperation auf Mengen von Sätzen an sich, wobei die Menge {A1, A2,...} auf die Menge {A1,A2,...} (F/F′), d. h. {A1(F/ F′), A2(F/F′),...}, abgebildet wird. Jede in einem Satz an sich enthaltene Vorstellung an sich hat ihren entsprechenden Variationsbereich. Beispielsweise gehören in den obigen Sätzen an sich (i) und (ii) Vorstellungen menschlicher Wesen zum Variationsbereich der Vorstellung Bolzano, während Vorstellungen abstrak ter Begriffe nicht dazu gehören. Die Variation der in Sätzen an sich enthaltenen Vorstellungen ist eine ebenso originelle wie fruchtbare Idee. Bolzano baut seine Neuerung mit außerordentlicher Gründlichk eit und Genauigk eit zu einer logisch-semantischen Theorie aus, die an entscheidenden Punk ten Begriffe vorwegnimmt, die in der modernen Sprachtheorie vorkommen. Zunächst führt Bolzano einen Begriff der Allgemeingültigk eit von Sätzen an sich ein, wobei er im wesentlichen folgendermaßen vorgeht (WL § 147): (D1) Ein Satz an sich A ist allgemeingültig bzgl. der Vorstellungen an sich F genau dann, wenn A(F/F′) wahr ist für alle zulässigen Folgen F′. Hier muß allerdings vorausgesetzt werden, daß A k eine ›definierten‹ Vorstellungen an sich enthält. (Wenn es Sätze an sich gäbe, die ›definierte‹ Vorstellungen an sich enthielten, k önnte ein nicht ›abgek ürzter‹ Satz an sich allgemeingültig sein, während ein entsprechender Satz an sich, den man durch ›definitorische Abk ürzung‹ erhält, nicht allgemeingültig sein müßte.) Daß ein Satz an sich k eine ›definierten‹ Vorstellungen an sich enthält, folgt aber aus Bolzanos Theorie der Sätze an sich und aus seiner Reduk tionstheorie. Er hat sich offenbar vorgestellt, daß jeder Satz an sich in einer k anonischen Form vorliegt, die durch die k anonische Form eines
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entsprechenden sprachlichen Satzes widergespiegelt wird. Die Subjek t- und Prädik atvorstellungen jedes Satzes an sich sind aus einfachen Vorstellungen an sich und logischen Konstanten aufgebaut (WL § 116,3). Außer den einfachen Vorstellungen an sich k önnen auch Kombinationen von Vorstellungen an sich variiert werden, wobei allerdings alle in einem Satz an sich enthaltenen Vork ommen einer zusammengesetzten Vorstellung an sich in derselben Weise variiert werden müssen. Beispielsweise dürfen in einem Satz an sich der Form A und nicht A die beiden Vorstellungsk omplexe A und nicht A nicht unabhängig voneinander variiert werden. — Analog zum Begriff des allgemeingültigen Satzes an sich läßt sich der Begriff des allgemein ungültigen Satzes an sich definieren (WL § 147): (D2) A ist allgemein ungültig bzgl. F genau dann, wenn A(F/F′) falsch ist für alle zulässigen Folgen F′. Im Hinblick auf gewisse Eigenschaften von Sätzen an sich und Beziehungen zwischen diesen betrachtet Bolzano den speziellen Fall, daß die ersetzten Vorstellungen genau die ›nichtlogischen‹ Vorstellungen des betreffenden Satzes an sich sind (WL § 29,4,b). Diese Unterscheidung wird z. B. für den Begriff des analytischen Satzes an sich (WL § 148,3) und der Ableitbark eit (WL § 223) durchgeführt. Es ist daher naheliegend, diese Unterscheidung auf Bolzanos fundamentalen Begriff der Variation auszudehnen: (D3) A ist logisch allgemeingültig genau dann, wenn A allgemeingültig ist bzgl. aller nichtlogischen Vorstellungen in A. Der Unterschied zwischen logischen und nichtlogischen Begriffen spielt daher eine wichtige Rolle in Bolzanos Sprachtheorie, und er ist sich dessen Bedeutung voll bewußt, obwohl er zugeben muß, daß sich über die genaue Grenzziehung streiten ließe (WL § 148,3). 2.2. Analytische Sätze Mit Hilfe des Begriffes der Allgemeingültigk eit vollzieht Bolzano nun eine logische Analyse der auf Sätze an sich angewandten Kantschen Dichotomie ‘analytisch-synthetisch’. Zunächst schlägt er folgende Explik ation vor (WL § 148,1): (D4) A ist analytisch genau dann, wenn A eine Vorstellung V enthält, so daß A bzgl. V allgemeingültig oder allgemein ungültig ist.
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II. Personen
(D5) A ist synthetisch genau dann, wenn A nicht analytisch ist. Im Sinne von (D4) k ann ein beliebiger empirischer Satz an sich, aΣV, leicht in einen logisch äquivalenten Satz an sich transformiert werden, indem er mit dem Satz an sich aΣV′ oder nicht aΣV′ konjugiert wird, der allgemeingültig bezüglich der unwesentlich vork ommenden Eigenschaft V′ ist. Bolzano befaßt sich auch mit einer Teilk lasse der Menge der analytischen Sätze an sich, die vom modernen Standpunk t aus interessanter ist, nämlich mit der Klasse der sogenannten logisch analytischen Sätze an sich (WL § 148,3): (D6) A ist logisch analytisch genau dann, wenn A logisch allgemeingültig oder logisch allgemein ungültig ist.
enthalten. Der Sinn des unter (IIIb) angeführten Satzes läßt sich durch den sprachlichen Satz ‘Was ich geschrieben habe, will ich nicht abändern’ wiedergeben, der nicht einmal analytisch im weiteren Sinne von (D4) ist. — In der modernen Semantik wird die Analytizität häufig als eine Relation zwischen einem Satz S, einer Menge Δ von Definitionen und einer Sprache L von bestimmter Struk tur aufgefaßt (s. Art. 86). Beispielsweise k ann man sagen, daß S in L bezüglich Δ analytisch ist, wenn S eine logische Folgerung aus Δ in L ist (vgl. 2.3.) und L den Satz S und die Elemente von Δ enthält. Analytische Sätze in diesem Sinn haben eine genaue Parallele in Bolzanos wahren, logisch analytischen Sätzen an sich.
Analog dazu k önnen wir auch den folgenden Begriff einführen, der allerdings von Bolzano nie eigens definiert wurde: (D7) A ist logisch synthetisch genau dann, wenn A nicht logisch analytisch ist.
Daß eine Menge Γ von Sätzen an sich wahr ist, bedeutet selbstverständlich, daß jedes Element von Γ wahr ist. Wir k önnen somit Bolzanos Definition der Allgemeingültigk eit wie folgt erweitern: (D1′) Die Menge Γ von Sätzen an sich ist allgemeingültig bzgl. F genau dann, wenn Γ(F/F′) wahr ist für alle zulässigen Folgen F′.
Wir unterscheiden nun die folgenden Klassen von Sätzen an sich: (I) logisch analytische, (II) analytische und zugleich logisch synthetische, (III) synthetische. Diese Klassifik ation ist auch auf die entsprechenden sprachlichen Sätze anwendbar, und jede dieser Klassen k ann weiter unterteilt werden in (a) explizite und (b) implizite Sätze. Einige von Bolzano selbst stammende Beispiele für sprachliche Sätze dieser Art sind: (Ia) ‘A ist A’, ‘Jeder Gegenstand ist entweder B oder nicht B’, (Ib) ‘Jede Wirk ung hat ihre Ursache’, (IIa) ‘Auch ein gelehrter Mensch ist fehlbar’, (IIb) ‘Auch ein gelehrter Mensch ist ein Mensch’, (IIIa) ‘Der Vater Alexanders, des Königs von Mak edonien, war König von Mak edonien’, (IIIb) ‘Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben’. — Kants Definition der analytischen Urteile als derjenigen, in denen das Prädik at im Subjek t enthalten ist, würde nach Bolzano der Intuition zuwiderlaufen, wenn sie auf Sätze an sich angewendet würde (WL § 148, Anm. 4). Denn sie wäre einerseits zu eng, da sie den durch das zweite Beispiel unter (Ia) ausgedrück ten Satz an sich ausschließt; andererseits wäre sie zu weit, da sie den durch das Beispiel (IIIa) ausgedrück ten Satz an sich einschließt. Das Beispiel (Ib) ist eine Folgerung aus der Definition des Prädik ats ‘Wirk ung’. In dem Satz an sich, der unter (IIa) angegeben wurde, ist die dem Prädik at ‘gelehrter’ entsprechende Vorstellung an sich leer
2.3. Logische Konsequenz
Bolzanos Begriff der Verträglichk eit ist eine Erweiterung dieses Allgemeingültig k eitsbegriffs (WL § 154,2): (D8) Γ ist verträglich bzgl. F genau dann, wenn Γ(F/F′) wahr ist für wenigstens eine zulässige Folge F′. Eine entsprechende Relation zwischen Mengen von Sätzen an sich k ann folgendermaßen eingeführt werden: (D8′) Γ ist mit Δ verträglich bzgl. F genau dann, wenn Γ⋃Δ verträglich ist bzgl. F. Als Spezialfall der Verträglichk eit im letzteren Sinne führt Bolzano die Relation der Ableitbark eit zwischen Mengen von Sätzen an sich ein (WL §§ 154, Anm.; 155,2; 164,2): (D9) Δ ist ableitbar aus Γ bzgl. F genau dann, wenn Γ mit Δ verträglich bzgl. F ist und wenn außerdem Δ(F/F′) wahr ist für jede zulässige Folge F′, bei der Γ(F/F′) wahr ist. Bolzano verwendet auch einen speziellen logischen Fall von Ableitbark eit, der im wesentlichen wie folgt definiert wird (WL §§ 29,4,b; 223; 260,1; Bolzano 1969 ff, Gesamtausgabe, R.2A VII, 64):
28. Bernard Bolzano (1781—1848)
(D10) Δ ist logisch ableitbar aus Γ genau dann, wenn Δ ableitbar ist aus Γ bzgl. einer Folge aller nichtlogischen Vorstellungen der Elemente von Γ⋃Δ. Bolzanos Relation der logischen Ableitbark eit ist ein interessantes Gegenstück zu dem modernen, von Alfred Tarsk i (1902—1983) eingeführten Begriff der logischen Folgerung (Tarsk i 1953, 3—35). Dieser moderne Begriff ist für Sätze einer formalen Sprache definiert, während sich Bolzanos Ableitbark eitsrelation auf abstrak te, nichtsprachliche Sätze an sich bezieht, die in einer natürlichen (durch Variable und gewisse Konstante ergänzten) Sprache formuliert sind. Dieser Unterschied ist selbstverständlich für die Beziehungen zwischen dem Begriff der logischen Folgerung und anderen logischen Begriffen wie etwa dem der syntak tischen Beweisbark eit von wesentlicher Bedeutung. Wie wir bereits gesehen haben, betrachtet Bolzano jedoch nichtatomare Sätze an sich als aus einfachen Bestandteilen schrittweise aufgebaut — analog zu den Formeln einer formalen Sprache. — Ein charak teristischer Unterschied zwischen Bolzanos Begriff der logischen Ableitbark eit und dem modernen Folgerungsbegriff ist Bolzanos Bedingung, daß die Mengen Γ und Δ verträglich bezüglich aller nichtlogischen Vorstellungen an sich in jedem Element von Γ bzw. Δ sein müssen. Eine Konsequenz dieser Verträglich k eits k lausel ist, daß Bolzanos Theorie k omplizierter und weniger allgemein als die moderne Theorie der logischen Folgerung ist. Beispielsweise müssen Folgerungsbeziehungen mit Kontradik tionen vom Typ A und nicht A als Prämisse in Bolzanos Logik durch die Behauptung repräsentiert werden, daß der disjunk tive Satz an sich A oder B aus A logisch ableitbar ist, wobei B die ursprüngliche Konk lusion ist. Ferner k önnen Folgerungsbeziehungen mit Sätzen des Typs x ≠ x als Prämisse überhaupt nicht in Bolzanos System repräsentiert werden. — Es gibt jedoch einen weiteren fundamentalen Unterschied zwischen Tarsk is und Bolzanos Semantik . Wir stoßen hier auf Begriffsbildungen, die für die Formulierung der Basis einer im Sinne der Bolzanoschen Variationslogi k aufgebauten wissenschaftlichen Theorie von großer Bedeutung sind (vgl. 3.1.). Tarsk i hat versucht, die wichtige, von Bolzano explizit eingeführte Distink tion zwischen logischen und nichtlogischen Begriffen zu k lären (Tarsk i 1986). Beispielsweise ist ein Begriff der Euk lidischen Geometrie invariant bezüglich jeder Ähnlich-
391
k eitstransformation, und ein topologischer Begriff ist invariant bezüglich jeder stetigen Transformation. Analog dazu k ann ein ›logischer Begriff‹ als ein Begriff aufgefaßt werden, der invariant ist bezüglich jeder umk ehrbar eindeutigen Abbildung des Gegenstandsbereiches auf sich selbst. In diesem Sinne k önnte auch das k lassische sprachtheoretische Reduk tionsproblem der Mechanisten des 17. und 18. Jahrhunderts gelöst werden: Ein physik alischer Begriff läßt sich somit als ein Begriff auffassen, der invariant bezüglich einer Galilei- oder Lorentztransformation ist. — Man k ann sich vorstellen, daß über die nichtlogischen Vorstellungen an sich hinaus auch noch logische Vorstellungen der Sätze an sich variiert werden. Die Bolzanoschen Sätze an sich sind den Aussagen der modernen Logik ähnlich. Die zweiwertige Aussagenlogik (d. h. die elementare Theorie der aussagenlogischen Konstanten) k ann als eine Boolesche 2-Elementenalgebra dargestellt werden, wobei die logischen Konstanten Boolesche Operationen bezeichnen. Für jedes n ≧ 1 gibt es eine Boolesche 2n-Elementenalgebra, und jede solche Algebra beinhaltet eine eigene Interpretation der aussagenlogischen Konstanten. Das Repräsentationstheorem, wonach jede Boolesche Algebra einer Mengenalgebra isomorph ist, gibt die Grenzen dieser Interpretationsmöglichk eiten an. Allerdings scheint Bolzano eine Variation ausschließlich über die nichtlogischen Vorstellungen an sich im Auge gehabt zu haben. Daß er k eine Variation der Copula (durch ‘sein’ bzw. ‘haben’ ausgedrück t) zugelassen hat, geht aus seiner Einführung der Variationslogik in seiner Einleitung zur Größenlehre (Bolzano 1969 ff, Gesamtausgabe R.2A VII, 62) deutlich hervor. Hier setzt er voraus, daß nur die Subjek t- und Prädik atvorstellungen eines Satzes an sich bzw. ihre Bestandteile variiert werden. Ferner zeigt der Beweis eines variationslogischen Theorems (WL § 154,19), daß er k eine Variation der logischen Konstanten der Negation und des Begriffs der Wahrheit zuläßt. — Man k ann sich außerdem vorstellen, daß über eine Folge F aller nichtlogischen Vorstellungen an sich hinaus auch noch alle Teilfolgen von F variiert werden. Man erhält dann in Bolzanos Variationslogik einen Ableitbark eitsbegriff, der stärk er als die logische Ableitbarkeit ist: Δ ist streng ableitbar aus Γ genau dann, wenn Δ ableitbar aus Γ ist bzgl. jeder (auch unechten) Teilfolge einer Folge, die alle
392
nichtlogischen Vorstellungen an sich der Elemente von Γ und Δ umfaßt. In Bolzanos System impliziert logische Ableitbark eit nicht strenge Ableitbark eit. Sei beispielsweise XΣV1 ein empirisch falscher Satz an sich und YΣV2 ein beliebiger Satz an sich. Dann ist der Satz an sich (*) YΣV2 oder YV2 nicht streng ableitbar aus XΣV1, denn für F* = 〈Y, V2〉 verstößt die Behauptung: (*) ist ableitbar aus XΣV1 bzgl. F*, gegen die Verträglichk eitsbedingung der Definition (D9). Ein Analogon zur strengen Ableitbark eit wird in der modernen Situationssemantik eingeführt. 2.4. Bewertungssemantik Im Anschluß an Tarsk i sagen wir, daß eine Formel A genau dann eine logische Folgerung aus der Formelmenge Γ ist, wenn A bei jeder Interpretation über jedem nichtleeren Gegenstandsbereich wahr ist, bei der alle Elemente von Γ wahr sind. Hier wird sowohl über Interpretationen als auch Gegenstandsbereiche universell generalisiert. Eine Interpretation über einem Bereich D ist eine Funk tion, die Gegenstandssymbole in die Menge D und Prädik atssymbole auf Mengen von n-Tupeln von Elementen aus D abbildet. Eine Semantik , die auf solche Funk tionen basiert, nennen wir ‘Interpretationssemantik ’. Es ist jedoch möglich, eine logische Semantik ausschließlich mit Hilfe sogenannter Bewertungsfunk tionen aufzubauen. Man erhält dann eine ›Bewertungssemantik ‹. Eine Bewertungsfunk tion bildet die Menge der Formeln einer formalen Sprache auf eine Menge von Wahrheitswerten ab. Es gibt nun verschiedene Möglichk eiten, den Begriff der bewertungssemantischen Folgerung einzuführen. Der entscheidende Punk t betrifft Folgerungsbeziehungen mit einer unendlichen Anzahl von Prämissen. Die folgende Version wird hier gewählt: A sei genau dann eine bewertungssemantische Folgerung aus einer (möglicherweise unendlichen) Formelmenge Γ, wenn es eine endliche Teilmenge Δ von Γ gibt derart, daß A wahr ist bei jeder Bewertung, bei der alle Elemente von Δ wahr sind (vgl. Kleink necht/Wüst 1976, 476 f). Der Hauptunterschied zwischen Interpretationssemantik und Bewertungssemantik besteht in der verschiedenen Behandlung der Atomformeln. Dies führt zu einem Unterschied in der Behandlung der Quantoren. Beispielsweise ist eine Formel ΛαA genau dann interpretations-
II. Personen
semantisch wahr bei einer Interpretation über D, wenn A wahr ist bei allen Interpretationen über D, die sich höchstens bezüglich a von unterscheiden. Hinsichtlich einer Bewertungssemantik jedoch ist ΛαA wahr bei der Bewertung ℬ genau dann, wenn A(α/c) wahr ist bei ℬ für alle Substituenden c der Variablen α. Bolzano dachte niemals an eine k ombinierte Quantifik ation über Bereiche und Vorstellungen an sich. Nichtsdestoweniger besteht zwischen seiner Quantifik ation über Folgen von Vorstellungen, angewandt auf eine formale Sprache, und der bewertungssemantischen Auffassung der Quantifik ation eine sehr große Ähnlichk eit. Bolzano k ann daher als der erste Philosoph angesehen werden, der einen bewertungssemantischen Folgerungsbegriff mit endlich vielen Prämissen charak terisierte. — Bolzano quantifizierte nicht nur über Individualbegriffe, sondern auch über Allgemeinbegriffe, die durch Prädik ate ausgedrück t werden. Dies entspricht der Einführung einer nichtelementaren Logik der untersten Stufe, die eine Theorie der quantifizierten Prädi k atenvariablen enthält, aber k eine spezifisch mengentheoretischen Axiome (wie etwa Aussonderungs- und Auswahlaxiom). Die in Bolzanos Variationslogik enthaltene Theorie der logischen Allgemeingültigk eit k ann in einem Teilsystem dieser engeren nichtelementaren Logik repräsentiert werden, das auf einer Bewertungssemantik basiert. Bolzanos implizite Forderung an die semantische Basis einer wissenschaftlichen Theorie zusammen mit seiner Konzeption der logischen Allgemeingültigk eit führen in der Tat zu einer paradoxienfreien semantisch adäquaten Erweiterung der gewöhnlichen prädik atenlogischen Version des modallogischen Systems S5 von Clarence Irving Lewis (1883—1964) (Lewis/Langford 1932, 501). Bolzano hat somit im wesentlichen den Bereich der k lassischen logischen Wahrheit im Rahmen seiner Variationslogik erfaßt.
3.
Literatur in Auswahl
3.1. Schriften Bolzanos Die Bernard Bolzano-Gesamtausgabe, herausgegeben von Eduard Winter †, Jan Berg, Friedrich Kambartel, Jaromír Loužil und Bob van Rootselaar, erscheint seit 1969 im Verlag FrommannHolzboog, Stuttgart — Bad Cannstatt. Sie umfaßt zwei Einleitungsbände und vier Reihen: I. Schrif-
29. Alexander Bryan Johnson (1786—1867)
ten, die zu Lebzeiten Bolzanos erschienen sind; II. Nachlaß; III. Briefwechsel; IV. Dokumente. Die bisher umfangreichste Bibliographie der veröffentlichten Schriften Bolzanos und der Literatur über ihn liegt im zweiten Einleitungsband der Gesamtausgabe und in zwei Supplementen (herausgegeben von Jan Berg und Edgar Morscher 1982 und 1987) vor. In der vorliegenden Darstellung wurde folgende Hauptschrift Bolzanos eigens hervorgehoben: Bolzano 1837, Dr. B. Bolzanos Wissenschaftslehre. Versuch einer ausführlichen und größtentheils neuen Darstellung der Logik mit steter Rücksicht auf deren bisherige Bearbeiter. Herausgegeben von mehren seiner Freunde 1—4 [= WL].
393
3.2. Sekundärliteratur Buhl 1961, Ableitbarkeit und Abfolge in der Wissenschaftstheorie Bolzanos. Kambartel 1963, Einleitung zu Bernard Bolzano’s Grundlegung der Logik. Morscher 1974, „Philosophische Logik “ bei Bolzano, in Sitzungsberichte d. Österr. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 293, Abh. 5. Morscher 1981, Bolzanos Wissenschaftslehre, in Sitzungsberichte d. österr. Akad. d. Wiss., phil.hist. Kl. 391.
Jan Berg, München (Deutschland)
29. Alexander Bryan Johnson (1786—1867) 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Biography Johnson as a philosopher of language Theories of abstract concepts, ›intellections‹ and emotions Nature of the philosophical problem Theory of science Selected references
Biography
Alexander Bryan Johnson was born in Gosport, on the English Channel-Coast, in 1786. The family was of Dutch-Jewish ancestry: his father was a merchant, Bryan Johnson who decided to emigrate to the United States. In 1801 Alexander Bryan Johnson and his mother followed him to New York , where the family settled upstate in Utica, the former Fort Schuyler. Here Alexander Bryan Johnson spent most of his life, (with the short exception of some years in New York in his youth) and achieved wealth and prominence as a bank er. In 1814 he married President Quincy Adams’ daughter Abigail, the first of his three wives. Johnson studied law but never practiced the profession. Instead, in the early twenties he went into bank ing, achieving a position as director of The Ontario Bank ’s branch office in Utica. As a bank er he took active part in the battle of the period for free enterprise against the Bank of the United States. A prolific pamphletteer throughout his
entire life, he also published his opinions on private and public loans and on the nature of capital in 1813, and anticipated later trends in American monetary policy by advocating a soft money policy against the gold standard already at this very early time. He took an active part in the initiative to construct the Erie Canal. In the early twenties, already a public figure in Utica and for some time a pillar of the Presbyterian Church, Johnson took part in the founding of a local branch of the Lyceum Movement in Utica, whose first president he became. This forum provided him with a patiently listening, but hardly professional philosophical audience throughout many years. Johnson’s later years were overshadowed by the unexpected bank ruptcy of The Ontario Bank in 1857. Johnson died ten years later in 1867. The last years he spent, among other things, writing a 2000 page Autobiography which is now k ept in the Archive of Hamilton College. Johnson’s philosophical work s did not provok e much echo in his lifetime. When e. g. Auguste Comte (1798—1857) received a copy of Johnson’s The Meaning of Words from the author, he coldly answered that he could not promise to read it. With Stillman Drak e’s and David Rynin’s rediscoveries of Johnson’s book s on language a new interest in his work was however initiated, and the linguistically oriented philosophical 1960’s could recognize some of its own ideas in an early form in his works.
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2.
II. Personen
Johnson as a philosopher of language
A central idea in Johnson’s philosophy is that philosophical problems emanate from our confusing properties of reference with properties of words, phrases and sentences, which belong to them only in their role as a part of language proper. “Words can supply the place of no sense. They can simply refer us to what our senses have disclosed” (Johnson 1836, 40).
Philosophy, in Johnson’s view, thus becomes a sort of ›therapy‹ in a way which is weak ly similar to the way the Oxford philosophers of language of the 1950’s and 1960’s, Gilbert Ryle (1900—1976) and Peter Frederick Strawson (* 1919), tended to see the philosophical problem: as the result of transferring a question from a field of concepts where it belongs, to another one, where it does not belong. And in a way, which reminds one of Ludwig Wittgenstein’s (1889—1951) (s. art. 39) later philosophy, Johnsons philosophy ›leaves everything as it is‹. The philosophical puzzle seems to occur, either when we expect more from linguistic communication than it can possibly provide, or when we confuse a question about the meaning of an expression with a question about the reference of the expression. Instrumental to this idea in Johnson’s philosophy is the distinction between two types of significance of words, ›Verbal significance‹ and ›Sensible significance‹, which are logically independent of each other. One of the best descriptions of Johnson’s philosophical style was implicitly made by one of his first critics, Timothy Flint (1780—1840), a philosophically interested minister, who wrote in his review (Flint 1829, III, 575—587; IV, 623—629) of Johnson’s Treatise on Language of 1828 (Johnson 1836): “What an audience must that of the Utica Lyceum have been, to have patiently followed this gentleman through his acute, and fine spun, and sometimes darkly woven disquisitions”.
Johnson’s terminology is often very idiolectic and the argumentative line of his discourse does not always seem to be the shortest possible. He does demand a certain patience from his reader. However, the acuteness of observation is often surprising, and his profound originality, uninhibited by scholastic exercise, can give strik ing results, especially when it comes to such questions as the nature of the philosophical problem (cf. 4.) and theory of science, where he sometimes is able to
mak e a quite modern impression in his insistence on ›operationist‹ approaches to the meaning of scientific theories and concepts (cf. 5.). 2.1. The simplicity and unicity of perceptions Johnson developed his philosophy under the influence of the British empiricists, John Lock e (1632—1704) (s. art. 22), George Berk eley (1685—1753) and David Hume (1711—1776) (s. art. 11). From these he got his phenomenalism, while his atomism, in the sense of regarding every particular perception as unique and not possible to be substituted by anything else, can be traced to the influence of the Scottish common-sense philosophers, especially Thomas Reid’s (1710—1796) Essays on the Intellectual Power of Man and Étienne Bonnot de Condillac’s (1714—1780) Traité des Sensations. The influence of the latter, with its persistence on the idea that think ing is nothing but juxtaposition of sensations, seems to have exerted an unhappy influence on Johnson in preventing him from seeing that some of his most interesting points can be made, without the accompanying underestimation of conceptual k nowledge which is characteristic of many of his work s. — In his correspondence with Lock e, William Molyneux (1656—1698) (Lock e 1694, Letter of March 2, 1693) stated his famous problem: If a person blind from birth is accustomed to differentiate by means of the sense of feel between a cube and a sphere, would he be able on suddenly gaining sight to mak e the same distinction by sight alone? This question, which Berk eley answers so convincingly in the negative in his A New Theory of Vision (Berk eley 1709) is answered in the negative by Johnson as well in the opening paragraphs of the second lecture of his Treatise on Language (Johnson 1836, 47— 55). From a perception from within one sensual modality, no conclusions can follow as to the possible or actual properties of a perception from within another sensual modality. Thus, if we see from the shadow of the earth on the moon’s surface that the earth looks curved, we have no legitimate reason to draw the conclusion that the earth’s surface, to a hand big enough to feel it, would feel curved. Furthermore, as Hume had shown in the psychological reduction of the concept of causal nexus which he performed in A Treatise on Human Nature (Hume 1739) there is
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no logical nexus between two particular perceptions even within the same sensual modality. Hume hesitatingly assumes that, given that a man is aquainted with every colour except a particular shade of blue, he might still be able by his imagination, if all the shades of blue, except the one he has never seen, be placed before him in descending order from the deepest to the brightest, to aquire a k nowledge of the absent shade. To Johnson, however, the particular perceptions are unique in so far that the information carried by one perception can never ›supplant‹ another. According to Johnson, the task imposed by Hume is as possible as it is for a blind man to k now any colour (Johnson 1836, 146). On the very next page of his Treatise on Language he mak es the rather surprising assertion that “Pictures can reveal no sight but themselves” (Johnson 1836, 147). This is obviously false if tak en to mean anything more qualified that that every picture is identical to itself. And it is mistak en in a way which throws some light over the question where Johnson is mistak en. He obviously believes that, in order to carry information beyond itself a perception has to be able to ›supplant‹ another (‘supplant’ is a central and frequently recurring word in his semantic treatises). But clearly pictures, e. g. a topological map of a subway system, can be highly useful and revealing of something different from themselves. They are representations, and a representation is informative, not by supplanting something else but by having something generic in common with the thing represented. Representing is not supplanting and still is able to use something we actually perceive as a vehicle for k nowledge about something which we have not perceived. In his insistence on the unicity of the particular perception, inspired by Condillac, Johnson seems to completely forget that an actual perception, although it has no logical ties to other perceptions, can be represented together with only possible perceptions in a common representation. Thus in the subway, having access to the map, and (actually) having seen two of the stations certainly helps me to find out whether I am on the right way or not, even if these sights cannot supplant the (possible) sights of the rest of the stations. Johnsons view, which leads him to underestimate what abstract k nowledge can achieve to an extent adventurous to his entire philosophical project, seems to be rooted in the conviction that the object itself can be its only true or com-
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plete representation. There are of course good reasons to maintain, not only that so is not the case but even that it is doubtful whether an object can represent itself at all. — Words and the chains which they are put together to form, obviously also are sensibilia. By consequence they can not, a limited repertoire as they are, when they occur within the context of language, ›supplant‹ the unlimited variation and uniqueness of phenomena in general. Language, in Johnson’s view, must therefore be systematically inferior to immediate experience in conveying k nowledge. This view of his is due to his lack of understanding of the special features of representations. This failure in Johnson’s philosophy mak es his treatment of abstract k nowledge and abstract entities unsatisfactorily poor (cf. 3.). But at the same time, in its very extremism, his atomistic view of k nowledge helps to bring out some very interesting general features of meaning and k nowledge often overlook ed by less extreme thinkers. 2.2. ›Verbal significance‹ and ›sensible significance‹ Fundamental to Johnson’s philosophy is a distinction between ›Verbal Significance‹ and ›Sensible Significance‹. No actual definition of these two concepts is ever given in any of Johnson’s book s. The elements of this idea, however, might be illustrated by the following remarks from A Treatise on Language: “Words can supply the place of no sense. They can simply refer us to what our senses have disclosed” (Johnson 1836, 145). “Nearly every word possesses a verbal meaning as well as a sensible meaning” (Johnson 1836, 149). “Words can yield us nothing but the verbal signification of words” (Johnson 1836, 167). “The sensible signification of a sentence is the sensible existence to which the sentence refers” (Johnson 1836, 168).
As we shall expound at greater detail in 2.3., this distinction is not between two types of meaning, in the way e. g. Gottlob Frege (1848—1925) (s. art. 34) differentiates between sense and reference (s. art. 81). The distinction actually comes quite close to the one Bertrand Russell (1872—1970) mak es between ›Knowledge by Aquaintance‹ and ›Knowledge by Description‹, with the difference that Johnson applies these concepts directly to the process where language is used to convey information. He tends to see the later as a continuous struggle between our tendency to demand k nowledge by aquaint-
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ance in situations where it cannot be provided and the need to restrict our expectations to what k nowledge by description can really provide. The result is often a confusion of the two demands and an inability to see that ask ing a verbal signification to provide a sensible one as well mak es the words, phrases and sentences ambiguous. For example, the sensible significance of saying that the earth has a spheric form is not at all the same as to say that an orange has a spheric form. In the latter case the sensible possibilities to which the expression ‘spheric form’ refers include a visual and a tactile one, while in the former case there only is a visual possibility. Or, when somebody says that a sculpture of Apollo is the same quiescent mass of marble as it was before the sculptor had reduced it by a part of its volume, this ›sameness‹ might have a verbal significance, while the question of its sensible significance offers a completely different perspective. The problematic part of Johnson’s semantics is not really in his doctrine of the sensible signification but in his understanding of the verbal one. — There is the obvious weak ness of explaining the sense of an expression as consisting of other words. Johnson’s approach to the question of sense seems to mak e the think ing mind come close to the properties of the reading head of a Turing Machine. But this highly formal approach to sense seems to exclude some of the activities of the speculative mind. Clearly for example an historian’s k nowledge of a chain of events, say the French Revolution, with which he has no perceptual aquaintance, cannot consist exclusively in an ability to produce definitions of the sort found in dictionaries. He can also produce guesses let us say about the character of Robespierre and draw conclusions from k nown to unk nown parts of his material, e. g. from Danton’s hesitance during the Terror to the reasons he might have had for this hesitance. In neither of these cases the activity of the historian is based on any sensible experience of persons or events involved. Still what he produces can not entirely be described as chains of words. Such an assumption would mak e think ing empty in the sense in which Immanuel Kant (1724— 1804) says that a purely conceptual k nowledge without imagination becomes empty. — A further problem is what happens to the verbal reference of an expression. For example, Johnson indicates that the mathematician’s point, lack ing spatial extensions, has nothing in common with a sensible point, say
of a needle. Lik ewise the expression ‘mathematical point’ certainly has to mak e sense and to refer to something. The exclusively verbal signification of words — which can only be explained in other words which thus are its sense — is sometimes described by Johnson as referring to an internal feeling, while the sensible signification is referring to an external one. But in other contexts and especially in Johnson 1854, he seems to favor ›intellections‹ as the reference of expressions which only have verbal signification (e. g. Johnson 1836). As Max Black (1909—1988) has somewhat acidly remark ed (cf. Todd/Black wood 1969, 54) that in Johnson’s philosophy “The intellect begins to look lik e a vast Lost Property Office” (cf. 3.). An important consequence of Johnson’s ideas is that such theoretical expressions as ‘gravitation’ or ‘atom’ must be understood to express ideas which cannot be reduced to anything sensible. The only sensibles behind the concept of gravitation are thus a set of highly disparate perceptions and none of these can give rise to the idea of gravitation as a general law. In order to explain the unity of all these phenomena in the concept of gravitation, Johnson tak es resort to the explanation that the human mind has such an organism (Johnson 1854, 202) that the “intellect organizes” them so (Johnson 1854, 91). Although Kant is never mentioned in Johnson’s book s this might remind us of Kant’s transcendental deductions. For the concept expressed by the word ‘atom’ there is a similar problem as with the mathematical point. Objects lik e gravitation or atoms thus, in Johnson’s philosophy, have no immediate existence but only exist within the conceptual framework of a formalized system (lik e physics), and are for their existence completely logically dependent on the respective system (cf. 5.). Here, Johnson’s solution might remind us of Ernst Mach’s (1838—1916) philosophy. 2.3. The relation between verbal and sensible signification and sense and reference From a number of isolated utterances in Johnson’s work which seem to support such a view, e. g. “Words signify the objects to which they are applied” (Johnson 1836, 114), some of his readers, e. g. Black (cf. Todd/ Black wood 1969, 54—58) have been led to the conclusion that he is actually identifying ›sensible signification‹ with that which words, phrases and sentences need to have in order
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to have meaning. If that is the case, Johnson is falling into the banal semantical trap of identifying sense and reference in Frege’s sense of the words, thereby running into classical difficulties of explaining how negative sentences can have any meaning at all or why false affirmative sentences are false and not meaningless. This might seem close at hand, especially if the Johnsonian doctrine of verbal and sensible significance is understood as a theory about two k inds of meaning. Johnson’s vocabulary can in this respect be highly misleading, especially because he seems to see it as evident that to ›Sensible significance‹ corresponds a ›Sensible signification‹ and to ›Verbal significance‹ a ›Verbal signification‹. Especially from his discussion of mathematical objects (cf. 1836, 170) it becomes clear however, that such a consequence was at least not intended. The point of the mathematicians, e. g., lacks sensible significance, as it has no extension in space; it is a purely verbal point, in Johnson’s terminology, but it still exists for the mathematicians. It seems therefore more reasonable to assume that what Johnson calls ‘sensible significance’ is not a k ind of meaning at all, but rather something which can never be conveyed by words. “Words may refer us to sensible existences, but words cannot become something that is not verbal” (Johnson 1836, 170).
Far from saying that meaning is reference, Johnson wants to say that the meaning conveyed by words can never aquire any of the properties of reference. Even the specific relation of reference between a linguistic expression and the extralinguistic reality it refers to is of an accidental and arbitrary nature. In this context Johnson compares the word to a mirror, which faithfully represents anything which happens to pass it. Indeed, the role of the sensible in Johnson’s philosophy rather reminds us of the role of intuition in Kant’s philosophy, as compared to the role of concept. Lik e Kant’s intuition (Anschauung), the sensible significance alone, awak ened by the suggestive power of words, can provide what concepts cannot, an image of an experience in its sensuous particularity. This experience accompanies the meaningful use of language, but it is exactly the gist of Johnson’s argument to say that it is not a part of the process of understanding spok en or written words itself. — There is however an area where Johnson’s philosophy becomes incompatible with, e. g., the truth-functional explanation of truth
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which has been in vogue since the days of Frege, and that is the case of universal negative sentences, to which we shall return under 4.
3.
Theories of abstract concepts, ›intellections‹ and emotions
Johnson tries to analyse the difference between a physical aggregate such as a heap of sand, and an abstract unit such as gravitation. He says that the word ‘heap’ signifies a sight and a feel, while “the unit gravity possesses in nature no existence independently of its constituent parts. Gravity, as a unit is a verbal aggregation; while the heap, as a unit, is a sensible aggregation” (1836, 78).
His way of dealing with such units as gravitation, as something ›verbal‹ where others would speak about an ›abstract‹ or ›generic‹ unit, is very revealing of Johnson’s problems, when it comes to the abstract entities. As he cannot avoid them entirely, he seems to oscillate between three different alternatives in his treatment of them. (1) The unity is purely conventional and based on verbal definition. (2) We invent theories to supply the unit which we suppose must exist, but which we fail from finding in nature. (3) The human intellect is organized in such a way that it does generate such units. The first two theories are predominating in 1836, while Johnson tends, probably under the influence of contemporary critics, to tak e resort to type (3) in 1854. On (1) we can comment rather briefly. If such units as gravitation are only the products of verbal definitions they seem to become stipulative concepts in the same way as the meter is a stipulated unit. Obviously it is very difficult to regard all abstract units in this way, even if some of them can be said to have that character. A typical one which cannot be handled in this way is number. (2) The idea that abstract units are derived in an intermediate way, not directly from experience, but by the mediation of theories, and thus only can be said to have existence within the conceptual network of the actual theory, proves to be fruitful when he comes to the problems of science (cf. 5.). (3) This solution is closely connected with his use of the concept of ›intellections‹, which seems to have been introduced in his philosophy rather ad hoc to the purpose of giving a reference to words which obviously do not refer to anything exterior. This concept aquires an ex-
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planatory role first in his second major work on language The Meaning of Words (Johnson 1854) where also ›emotions‹ are given as the reference of such words which lack reference in the exterior world. In Johnson’s philosophy they seem to come rather close to each other. 3.1. Emotions and intellections Johnson’s analysis of the theme of emotions is poor. One reason for this might be that he is entering an adventurous terrain here; religious language proper, if supposed to have any reference at all must be given it by way of its reference to internal feelings. Obviously Johnson easily might run the danger of being regarded an atheist, his strong empiricism tak en into consideration. The main principle is quite simple: Words which refer to the internal life of mind are subject to the same rules of interpretation as those which refer to externally located sensibilia. Emotions in Johnson’s analysis seem to be nothing but another class of perceptions, i. e. such we do not logically connect with an external space. He does not however mak e any attempt to define the difference. This is of course a problem already with internally located perceptions under the perspective of such an atomist analysis of perceptions as Johnson applies (cf. 2.1.). If, to tak e Reid’s example (cf. Reid 1941), I press my hand moderately hard against a wall, the perception received is that of hardness, and if I press still harder, the perception received is that of pain. Here there is obviously a problem to explain why the first perception is logically connected with external space and the second one not. But with still further justification it must be possible to demand from such a phenomenalist theory as Johnson’s an account of the fact that we locate anger, love and joy in the internal life of the mind and not in the persons who are intentionally connected with these feelings. The only attempt which Johnson mak es in this direction is to observe that the internal perceptions, the emotions included, are less specific than those which we connect with the external world (Johnson 1836, 162). — The doctrine of intellections which Johnson fully developes first in (1854) has mainly the following task : If a word lik e ‘orange’ only refers to the actual experience of that colour, ‘orange’ will aquire the same semantical properties as a proper name. In other words, it will only refer to a closed set of experiences (which could have one or more members; as more than one person could have the same
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proper name) but there will be no possibility to explain why we actually refer some particular new experiences to the same referential category as some particular experiences of our past. The reference domaine of predicate words, in other words form open sets. What in Johnson’s theory brings different particulars under the same generic word is a ›nominal identity‹ (cf. Johnson 1854, 109) which is an intellection. In the same passage of 1854 the intellection is explicitly treated as a simple, while in an earlier part of the book (Johnson 1854, 60) the intellection is described as a sort of organic propensity which has a subjective meaning in our organism. Johnson gives some other examples, which seem to show that the connection between a cause and its effect and between a human act and its intentional object consist in the intellection (Johnson 1854, 60). It is questionable whether Johnson himself has realized to what extent this late invention of his, the intellection, tak es the wind out of his own sails. — The main reason that Johnson gets involved here in what look s lik e an ontological, if not even semantical, mess, seems to be the following: In the ontological construction of the world which Johnson suggests in 1836 and 1854, the tactile perception of, say, a pencil immersed in a glas, half filled with water and the visual perception (which, because of the optical index between the two media, is different) are not contradictory and cannot offer any problem of interpretation, because the tactile perception of the pen and the visual one form two entirely different sensibilia. They cannot supplant each other in the assey of the particulars which constitute the situation. What, under these assumptions, becomes difficult for Johnson to explain, is of course the fact that we do interpret sensibilia with the help of other sensibilia. If, for example, the clock on my wall look s as if it had stopped I might quite probably lean my ear into it to hear if it sounds stopped too. And I shall be confirmed or not in my guess by what I hear. In my perceptual space sensibilia form a coherent system, which cannot be explained or understood by look ing at my perceptions one at a time. This is exactly the fact which Kant tries to explain by ›the transcendental unity of apperception‹. This coherence, which can of course be explained in different ways, has the consequence that perceptions can under certain conditions represent. As Johnson does not recognize this possibility of representation (cf. 2.1.) and quite correctly sees that perceptions cannot sup-
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plant each other, he has to explain such a unit as the clock ’s work ing as something which has subjective meaning in our interior life. But a subjective feeling of unity can of course not explain why k nowledge by comparison and deliberation of different particular perceptions actually is possible. 3.2. Contradictory and negative uses of language Of special interest are Johnson’s doctrines about contradictory descriptive phrases and universal negations. These are not intellections but purely verbal devices, void of any sensible meaning. Johnson maintains the unusual theoretical position that it is an empirical fact that e. g. no k nife can be visible and invisible at the same time. And that this is the case does not depend on linguistic convention, in other words, on a tautology which provides an ›analytical apriori‹. The source of the fact that the empirical world is unable to come up with such a combination of properties is treated as an ›empirical primitive‹. Thus the truth that there is no k nife which is at the same time visible and invisible in Johnson’s philosophy tak es on the unusual character of a ›synthetic aposteriori‹. “The congruity and incongruity of any two assertions are not the results of the conventional meaning of words” (cf. Johnson 1836, 195).
That no k nife is ever visible and invisible at the same time has nothing to do with language, it is a not further analysable fact about the world of experience. The descriptive phrase ‘visible and at the same time invisible’ has a purely verbal meaning, not connected with any possible or actual sensible experience. The only signification which Johnson seems willing to assign to such phrases is the purely verbal one, i. e. the words of the phrase can be translated into other words, without ever aquiring any sensible meaning. In the same way as contradictory descriptive phrases are void of sensible meaning because they fail to refer, universal negative propositions fail to aquire sensible meaning. One of Johnson’s examples (cf. Johnson 1854, 191) departs from a theologian who has maintained that the dead human body, although it does not seem so, might, for all that we k now, have some sort of perceptions. To this assumption Johnson answers that it lack s meaning, because whether it were the case or not, there would be nothing sensible to which it might refer. In this use of the concept of sensible
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significance, Johnson comes close, as has been observed by Rynin, to the connection between meaning and verifiability established in contemporary philosophy by Alfred Jules Ayer (1910—1989). — Strik ing is also the similarity with the ›behaviouristic‹ argument introduced by Wittgenstein in Philosophische Untersuchungen when he discusses the possibility of private language. It is pointless to assume a pain which would lack any exterior observability, because it would mak e no observable difference whether the subject has it or not. It is hard to deny that Johnson has a very interesting observation here, ahead of his time and of great importance to what might be his strongest side, his theory of science (cf. 5.).
4.
Nature of the philosophical problem
The point of departure is summed up very well in one of the opening paragraphs of the Treatise on Language: “Language may be formed into propositions whose results, though incontrovertible by logick , are irreconcileable with our senses” (Johnson 1836, 32).
In stressing that all meaning ultimately depends on sensible experience, Johnson’s philosophy corresponds with the empirical reductionist programs in early twentieth-century philosophy. Thus Johnson would certainly agree with a principle which Russell formulated in The Problems of Philosophy: “Every proposition which we can understand must be composed wholly of constituents with which we are acquainted” (Russell 1912, 58).
What, then, is the difference between Johnson’s approach and later empirical reductionism? It is reasonable to understand Russell in the quoted doctrine as implicitly tak ing it for granted, however, that if we understand a proposition lik e ‘A is red’ we would also be able to understand ‘A is coloured’. Or, in other words, that the meaning of one word could be contained as a constituent within the meaning of another word. But this is exactly what Johnson denies as far as sensible significance is concerned. For Johnson all proper k nowledge is simple, whatever complexity its linguistic expression may have. The distinction between simple and complex meanings of words does not correspond to a similar difference between simple and complex constituents of our k nowledge. All empirical k nowledge for Johnson is a k nowledge of something unique and indivisible: a sensible particular, a sight, a feel, a sound, a smell, or
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a taste. The philosophical problem results when the simplicity of k nowledge is confused with the complexity of verbal expressions. Properties of language are, in other words, confused with properties of the empirical reality, and the philosophical problem results from the confusion. A typical example is the Cartesian idea that our senses are able to deceive us. If a pen is immersed in water it will give a brok en impression to the sight and a straight one to the touch. But, Johnson stresses, this implies only that our senses ›deceive‹ us if the visual and tactual sensations are referred to the same object. But in empirical reality there are two objects present here, a visual and a tactual one. And they should not be confused. If the distinction is properly observed, there is of course no need to assume a ›real‹ object ›behind‹ the sensible one, and thus no further need to understand the nature of that object such as it might be independent of our senses. There is a certain affinity to Edmund Husserl’s (1859—1938) ἐποχή in Johnson’s way of speak ing of experienced reality, although his way of analyzing its content is as far from phenomenology as one might get: “The particulars which we can discover in nature, are all which truly pertain to nature” (cf. Johnson 1836, 75). — To such a confusion between sensibilia, is added the confusion between sensible significations on one side, and between verbal significations and intellections on the other. Verbally describable and intellectually conceivable units have the ability to project into our image of nature many a oneness which really exists only in our language (or in our intellectual organisation). The philosophical problem, then, arises when we expect from nature a unity or a homogenity which was only created by our own expectations, based on the ability of language to enter into combinations which do not correspond to anything in reality. The search for that spurious unity or homogeneity leads philosophy into a vain search. One of Johnson’s favorite examples is the concept of a disease. Here what we can find in nature are only particular symptoms, and ‘disease’ is their summarizing and generalised description; we run into philosophical trouble when we start to look for that verbal/intellectual unit in nature itself. Johnson’s view of the nature of the philosophical problem thus somewhat reminds of that of Ryle and John Langshaw Austin (1911—1960) in the 1960’s. The philosophical problem is the result of misuse of language, specifically the use of
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words which belong to one semantic context in another one where they do not properly belong.
5.
Theory of science
Johnson’s view of the nature of scientific concepts has much in common with his analysis of the nature of philosophical problems. He is firmly convinced that theory can not add anything to our k nowledge of the experienced world itself. Scientific theories and concepts should not be confused with sensible experience itself. This, however, often happens and leads to the mistak en idea that the entities created by the theoretical framework of concepts have an independent existence. The transition from sensible to purely verbal existences can tak e many forms. Two examples which Johnson favours are what he calls ‘dimunition’ and ‘subtilization’. The concept of ‘atom’ is used to exemplify the former, ‘gravitation’ to exemplify the latter. The ›atoms‹ are assumed to be parts of nature, but so small that they do not offer any qualities to the senses. But thus they do not any longer have an independent existence in the realm of possible experiences. They exist only against the back ground of a framework of verbal and intellectual significations. Similarly, in the case of ›gravitation‹, something which was originally accessible to the senses in the form of sensations of weight, has by subtilization tak en the step into the realm of scientific concepts, and thus out of the empirical world, so discreetly, that we never observed when it happened. — However there is never anything in a scientific theory beyond its content of empirical observations, and when we start to look for unities or objects which are logically dependent, not of our empirical observation, but of the theories involved, we are confusing language and empirical reality. Gravitation, Power, Mass and Atom, thus, are examples of ›things‹ which cannot exist outside theories. Certainly Johnson, in recognizing that there are entities, the existence of which can only be imagined within the conceptual network of a theory, and that there are entities which are not theory-dependent, mak es an important observation, not only about scientific theories but about the concept of existence or ›realization‹ itself. Theories and observations are not, to quote Stephen Toulmin (* 1922), deductively connected. — Johnson’s discussion of the universal negative propositions (cf. 3.2.) leads to something
30. John Stuart Mill (1806—1873)
which seems to be very similar to A. J. Ayer’s ›principle of verifiability‹. Let us assume, says Johnson, that somebody maintains that it is not the case that the movements of the sun and the moon influence the tide of the oceans. Such a negation has no meaning beyond those perceptions to which it might possibly refer. — When it is not possible, says Johnson, to find a sensible cause for a certain chain of events, this is not in conflict with the earlier observed facts, but it is a further empirical fact. The necessity to find a causal explanation of the fact is a property of a theory, while the difficulty in finding it is a property of the empirical world. — The value of Johnson’s observations and their early and partial anticipation of such theories of science as are found in Mach is obvious. His ability to look critically at the hypostatic mode, in which the science of his time tended to deal with such concepts as ›natural force‹, deserves all respect. The philosophical weak ness of Johnson’s theory of science, however, which mak es it unnecessarily narrow, is connected with the need he seems to have to connect it with the theory of meaning. Thus he overlook s the role of internal logical relations within the scientific theory which are not semantical but deductive. Optics, for example, does not consist of our collected experiences with light, but of a finite set of optical concepts, such as ›refraction index‹. The word for this certainly does not refer to sensible experiences but to a specific set of mathematical functions. But these functions do exactly the job they are supposed to do, i. e. to mak e possible interpretations of empirical experience in the light of other possible or actual experience.
6.
Selected references
401
language, containing his lectures in the Utica Lyceum from 1825 was published in 1828 in New York under the title The Philosophy of Human Knowledge, or A Treatise on Language. A Treatise on Language, or The Relation Which Words Bear to Things, New York 1836, is in many respects only an extended and amended version of the former book. When David Rynin edited the first modern edition of 1836 in 1947 (now in Dover Editions 1968) he brought into the text of 1836 all the variants and alternate readings of 1828, placed within brack ets. For the sak e of simplicity this edition is always referred to in the previous text as (Johnson 1836). For further information on the text situation, see David Rynin’s Introduction to his 1947 edition. Berk eley 1709, Essay towards a New Theory of Vision. Flint 1829, Review of Johnson’s The Philosophy of Human Knowledge, in Western Monthly Review 2. Hume 1739, A Treatise on Human Nature. Lock e 1694, Essay Concerning Human Understanding. Reid 1785, Essays on the Intellectual Powers of Man. Russell 1912, The Problems of Philosophy.
6.2. Selective readings Blackwood/Todd (eds.) 1969, Language and Value. Gustafsson 1982, Sprache und Lüge. Drei sprachphilosophische Extremisten: Friedrich Nietzsche, Alexander Bryan Johnson, Fritz Mauthner. Johnson 1836, A Treatise on Language. Johnson 1854, The Meaning of Words. Analysed into Words and Unverbal Things Classified into Intellections, Sensations and Emotions. Todd/Sonk in 1977, Alexander Bryan Johnson. Philosophical Banker.
6.1. Johnson’s first book on the philosophy of
Lars Gustafsson, Austin, Texas (USA)
30. John Stuart Mill (1806—1873) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Introduction Names Denotation and connotation Connotative names in historical perspective Propositions Meaning and language A current debate Assessment Selected references
1.
Introduction
John Stuart Mill, whose main book , A System of Logic (1843), had an enormous influence in the second half of the nineteenth century, is, in our century, less positively regarded. From a contemporary perspective, his general philosophical position is rather quick ly dis-
402
missed as a psychologistic variant of English empiricism; in the theory of science, Mill is regarded as holding a highly simple form of inductivism, while also his liberalism and his utilitarian views on social and economic matters are often tak en to be outdated. Amidst all this more or less justified criticism, which presents Mill as a dated think er, it is rarely noticed that his view on language is of remark able interest for the philosophy of language of the twentieth century. Gilbert Ryle (1900—1976) is indeed to some extent right when he affirms that “Mill’s theory of meaning set the questions, and in large measure, determined their answers for think ers as different as Brentano, in Austria; Meinong and Husserl, who were pupils of Brentano; Bradley, Jevons, Venn, Frege, James, Peirce, Moore and Russell” (Ryle 1966, 241; cf. Kretzmann 1967, 393).
Moreover, it will be clear below (7.) that some of Mill’s views are still relevant today. Mill’s contribution to the philosophy of language belongs primarily to the area of semantics, here understood — to use Willard Van Orman Quine’s (*1908) terminology — as including not only the ›theory of reference‹ but also the ›theory of meaning‹. Accordingly, this discipline investigates the relations between linguistic expressions and their corresponding objects, facts or events, as well as notions lik e meaning, analyticity and synonymy (s. art. 86). The core of Mill’s semantics is to be found in the first book of A System: Of Names and Propositions. This book serves as a k ind of propaedeutic to the treatment of logic in the narrow sense; in Book 2 deductive reasoning is discussed, while Book 3 is devoted to induction. Seldom is such a generous attention given to deduction in the tradition of English empiricism (s. art. 11). In this respect, Mill is doubtless influenced by Richard Whately (1787—1863), who later became archbishop of Dublin, and whose Elements of Logic (1825) initiated a remark able revival of interest in formal deductive logic in England. In 1828 the young Mill published a positive review of this book in the Westminster Review. Mill praises Whately’s view that (deductive) logic is related to the use of language. Nevertheless, he criticizes Whately’s treatment of terms (names) and propositions: “On these important subjects it appears to us that Dr. Whately not only has not improved upon the expositions given in former treatises on logic, but has not even availed himself of all the useful matter which those works afford” (CW XI, 18).
Mill has here in mind the work of ›Aris-
II. Personen
totelian logicians‹ of the beginning of the seventeenth century (cf. de Jong 1982, 18—24). In the course of speak ing about the insights of these think ers, Mill here employs for the first time the terms ‘denote’ and ‘connote’, i. e. the technical terms which were to play a central role in his own semantics. Mill himself described the first book of A System as an attempt to reinterpret the scholastic-aristotelian distinctions regarding terms and propositions in the light of the discoveries of John Lock e (1632—1704) (s. art. 22) and Thomas Brown (1778—1820), i. e. of the philosophy of English empiricism (CW VII, cxii; Mill 1971, 74). Mill envisages language primarily from the perspective of logic. It is important to note, also in the light of the influence of his views, that Mill’s work with respect to (deductive) logic falls near the beginning of a period of transition, namely the passage from syllogistic logic — the formal core of traditional logic — to modern logic. George Boole’s (1815— 1864) The Mathematical Analysis of Logic and Augustus de Morgan’s (1806—1871) Formal Logic appeared less than five years after Mill’s main work . However much Mill’s semantic theories may have influenced think ers lik e Russell and Frege, leaders of the initial period of modern logic, John Stuart himself is unmistak enly a representative of traditional logic. His semantics clearly attests to this.
2.
Names
2.1. In an effort to distance himself from a dominant tendency in English empiricism, Mill begins his discussion of names in A System by affirming that names are names of things and not ›names of our ideas of things‹. These words are specifically directed against Thomas Hobbes (1588—1679). However, in this matter Mill is misled by some unfortunate formulations, especially in the English version of Hobbes’s Computatio sive Logica (cf. Hungerland/Vick 1973, 461). Moreover, with this unusually sharp initial critique, Mill’s aim is to attack a weak er position, viz. the view that linguistic expressions are intrinsically connected with mental representations, and must be treated primarily at the level of such representations (cf. CW VII, 89). Indeed, this approach is widely spread within the English empiricism of Lock e and his followers (ironically, in view of his nominalism, Hobbes is to some extent exempt from such a critique);
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it is link ed up with the scholastic doctrine of the oratio mentalis as the mental correlate of the oratio vocalis (s. art. 4). Following the gradual subjectivization of epistemology in post-Renaissance philosophy, this conception of language became more and more subjectivistic. Mill wants to bring this process to a halt. Partially for that reason, he places the common sense view that names are names of things in the center of his philosophy of language. In so doing, he follows, among others, Thomas Reid (1710—1796), more emphatically than usual in the empiricist tradition. “When I use a name for the purpose of expressing a belief, it is a belief concerning the thing itself, not concerning my idea of it” (CW VII, 24 f).
The claim that names are names of things immediately leads to the question: of what things? Mill’s reply consists of a discussion of the different k inds of names. Before pursuing this, let us first consider how names can be distinguished from expressions which are not names. Usually Mill approaches this problem in a negative way. Thus, concerning words which are not names, he remarks: “Among such are reck oned particles, as of, to, truly, often; the inflected cases of nouns substantive, as me, him, John’s; and even adjectives, as large, heavy. These words do not express things of which anything can be affirmed or denied” (CW VII, 25).
Words lik e ‘of’ and ‘often’ do not refer — except when used in suppostitio materialis (i. e. as names of themselves) — to things of which something can be affirmed or denied: “we cannot introduce one of these words into the subject of a proposition, unless in combination with other words” (CW VII, 25). In this connection, two observations. Firstly, expressions of more than one word can also be names; e. g. “the place which the wisdom or policy of antiquity had destined for the residence of the Abyssinian princes” (CW VII, 26) is also a name. Secondly, and in relation to the first, the category of names is described not so much linguistically or grammatically but primarily logically. In agreement with the point of view of traditional logic, Mill tak es every proposition to consist of a subject, a predicate and a copula. The general structure of propositions is, therefore: ‘S is (not) P’, where S stands for the subject and P for the predicate. The role of the copula is to link predicate and subject to each other; it is a ›sign of predication‹, and comprises two types: ‘is’ as a ›sign of affirmation‹ and ‘is not’ as a ›sign of negation‹. Mill believes that such a structure is characteristic of every (sim-
403
ple) proposition; nevertheless he realizes that the grammatical form of a proposition does not always correspond to that structure. Thus, the copula is often expressed by means of an inflection of the verb that determines the predicate, e. g. in ‘Fire burns’. However, Mill warns us not to be misled by such purely grammatical phenomena (CW VII, 78 ff). 2.2. On the basis of the preceding considerations, the category of names can be characterized as follows: a linguistic expression (a word or a sequence of words) is a name if, and only if, apart from its use in suppositio materialis, it can appear as the subject of a proposition. But names can also function as predicates. Although Mill at first denies to words lik e ‘heavy’ and ‘large’ the status of names, on second thought he also views adjectives as names. His argument here is remark able. Ack nowledging that an adjective as such can occur as predicate but not as subject of a proposition, Mill then says: “The adjective is often said to be so used by a grammatical ellipsis: Snow is white, instead of Snow is a white object. [...] The Greek s and Romans were allowed by the rules of their language, to employ this ellipsis universally in the subject as well as in the predicate of a proposition. [...] This distinction, however, is rather grammatical than logical. Since there is no difference of meaning between round, and a round obj ect, it is only custom which prescribes that on any given occasion one shall be used, and not the other” (CW VII, 25 f).
Ultimately, it turns out that every expression that can occur either as predicate or as subject of a proposition is a name. Such a position is in accordance with the thesis of the interchangeability of subject and predicate, which is basic for the theory of the syllogism (cf. Geach 1972, 43). This thesis maintains that every subject can also function as a predicate and vice versa. Mill’s distinction between names and expressions which are not names corresponds to the scholastic distinction between categorematic and syncategorematic expressions; an expression which is not a name “cannot under any circumstances (except when their mere letters and syllables are spok en of) figure as one of the terms of a proposition” (CW VII, 26).
The interchangeability thesis raises the question of whether it is necessary to distinguish between the use of a name as subject and the use of a name as predicate. Mill’s
404
II. Personen
argument to the effect that the predicatively used ‘round’ has the same meaning as ‘a round object’ (an expression which is primarily used as subject), suggests however that such a distinction would have only grammatical and no logical value (cf. 5.).
3.
Denotation and connotation
In this section we discuss the three most important distinctions of names, as well as the relations between the various k inds of names generated through these distinctions. We begin with the opposition between connotative and non-connotative names; this distinction is “one of those which go deepest into the nature of language”: “A non-connotative term is one which signifies a subject only, or an attribute only. A connotative name is one which denotes a subject, and implies an attribute. By a subject is here meant anything which possesses attributes. Thus John, or London, or England, are names which signify a subject only. Whiteness, length, virtue, signify an attribute only. None of these names, therefore, are connotative. But white, long, virtuous, are connotative. The word white denotes all white things [...] and implies, or in the language of the schoolmen, connotes, the attribute whiteness. The word white is not predicated of the attribute, but of the subjects, snow & c; but when we predicate it of them, we convey the meaning that the attribute whiteness belongs to them” (CW VII, 31).
The second distinction is introduced as follows: “A concrete name is a name which stands for a thing; an abstract name is a name which stands for an attribute of a thing” (CW VII, 29). ‘White’, ‘John’ and ‘man’ are concrete names; ‘whiteness’ is an abstract name. Before going into the third main distinction of names, it is worthwhile to map out more precisely the various semantic relations as well as their relata. A name is a name of, it denotes or stands for one or more things. ‘To stand for’ and ‘to denote’ are synonyms of ‘to name’. An abstract name is a name of one or more attributes; a concrete name is a name of one or more objects. By object is here understood a thing to which attributes (properties, characteristics) belong, but which is not itself an attribute; Mill rather misleadingly speak s of objects sometimes as ›subject‹ and often as ›thing‹ (cf. CW VII, 48). In general, the opposition between objects and attributes is constitutive for the ontological schema underlying Mill’s semantics: there are objects and attributes; objects have attributes.
A non-connotative name functions only denotatively, but the semantic role of connotative names is more complex. Such a name ›implies‹ or connotes one or more attributes; the set of such attributes forms the connotation of that name and determines its denotation, i. e. the set of things that the name denotes. The word ‘white’ stands for snow because the attribute whiteness belongs to snow. “The word man denotes John, Thomas and all other men; it connotes rationality, the human form and whatever other may be the qualities which the name imports, and in the absence of which it would be withheld” (CW XI, 24).
Mill explains the semantic structure of connotative names by means of the predicative use of these names. On reflection, this is rather plausible. But what is more problematic is the fact that he conceives the denotation of any name as determined by predication: “A name can only be said to stand for, or to be a name of, the things of which it can be predicated” (CW VII, 30). As will be shown below (cf. 5.) such an approach vis-avis non-connotative names leads to difficulties. For Mill, the predicative use of a name constitutes nevertheless ›its principal use‹. This also becomes clear in the characterization of the third and last important distinction of names: the distinction between universal and individual names: “A general name is familiarly defined, a name which is capable of being truly affirmed, in the same sense, of each of an indefinite number of things. An individual or singular name is a name which is only capable of being truly affirmed, in the same sense, of one thing” (CW VII, 28).
A name is a name of those things of which it can be (truly) affirmatively predicated. An individual name is a name of one thing, while a general or universal name is a name (at least in principle) of many things. The various k inds of names are connected with each other in different ways. The conviction that universal names are ipso facto connotative is crucial for Mill’s semantics as a whole. A name can only be a name of many things because the attributes contained in its connotation belong to many things. “All concrete general names are connotative” (CW VII, 31). Even abstract names can be universal and connotative, “for attributes themselves may have attributes ascribed to them; and a word which denotes attributes may connote an attribute of those attributes” (CW VII, 32).
30. John Stuart Mill (1806—1873)
However, Mill doesn’t k now what to do with such second order attributes; he offers no further discussion of connotative abstract names. At the same time the question whether or not abstract names are universal is usually left open. We add, however, that, abstract names on the whole play only a marginal role in Mill’s semantics. The way in which the connotative vs. nonconnotative distinction is applied to individual (concrete) names has rightly attracted much attention. If every universal name is connotative, then a non-connotative concrete name must be individual. Such names are called by Mill ‘proper names’. Examples of proper names are ‘John’, ‘Socrates’ and ‘Dartmouth’. However, not all individual concrete names are proper names. He maintains that there are also individual connotative names. These are not names which de facto can be predicated of one individual only; rather, these names can be predicated truly only of one object, for reasons connected with their meaning, i. e. their connotation. Mill offers as examples of connotative individual names, among others, ‘the only son of John Stiles’, ‘the first emperor of Rome’ and ‘the present prime minister of England’. It is worthwhile to consider Mill’s explanation of the last example: “Prime Minister of England is a general name; the attributes which it connotes may be possessed by an indefinite number of persons ... This being the case, and the application of the name being afterwards limited by the article and the word present, [...] it becomes applicable only to one individual. And as this appears from the meaning of the name, without extrinsic proof, it is strictly an individual name” (CW VII, 34).
This informal analysis strongly reminds one of Russell’s formal account of definite descriptions (cf. Russell 1971 b, 241 ff) (s. art. 78). In 7. we shall return to Mill’s individual names.
4.
Connotative names in historical perspective
4.1. Mill borrowed the technical term ‘connotation’ from the Manuductio ad Logicam of the jesuit Philippus du Trieu (died 1645): Mill describes this logic textbook of 1614 as “the very best account which we have ever seen, in a small compass, of the Aristotelian logic” (CW XI, 20; cf. IX, 413). Together with some colleagues, Mill arranges in 1826 for a
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re-issue of this treatise (Mill 1971, 73). Du Trieu bases his connotation theory on the writings of scholastic authors such as William of Ock ham (ca. 1285—1347) (s. art. 21) and Jean Buridan (1300—1358). These think ers trace a path of development wherein ultimately connotative terms are no longer distinguished from denominative terms. This identification is explicitly expressed by du Trieu, and is noted by Mill (CW VII, 32). A connotative or denominative term is, unlik e an absolute (or non-connotative) term, characterized by possessing two k inds of signification. Du Trieu speak s of a significatum formale (under specific circumstances also called connotatum) and a significatum materiale (Du Trieu 1826, 13; cf. CW XI, 24; VII, 41 n). The account in A System of the distinction between connotative and non-connotative names conforms fully to du Trieu’s distinction. Nevertheless, Mill classifies as connotative considerably more terms than du Trieu. According to both of them, adjectives lik e ‘white’ and ‘round’ are connotative. But concerning nouns lik e ‘man’ and ‘mammal’, a difference emerges. Unlik e Mill, du Trieu believes that such terms are absolute. “Terminus connotativus est, qui significat formam adjacentem” [the term that signifies the adjacent form is connotative]; “sola adjectiva sunt connotativa” [only adjectives are connotative] (Du Trieu 1826, 12 f). In the Logique de Port Royal, adjectives and connotative terms are also identified (Arnauld/Nicole 1970 b, 74), while John Stuart’s father, James Mill (1773— 1836), in his Analysis of the Phenomena of the human Mind (1829) similarly ack nowledges a connotation only for adjectival terms. In ancient philosophy, the primarily grammatical distinction between adjectives and nouns is in general logically and ultimately even ontologically grounded: adjectives point to accidents, while nouns designate substances. John Stuart Mill and du Trieu diverge in the application of the connotative vs. absolute (non-connotative) distinction because of a difference in their operational ontological schemata. Mill’s distinction between objects and attributes does not correspond to the traditional philosophical opposition between substances and accidents. The substance-accident ontology goes back to the so-called ontological square of Aristotle (384—322 B. C.) (s. art. 15) (Categoriae 1 a 20—1 b 8), as preserved in Western thought in particular by Boethius (ca. 480—524/26). This square is obtained through the combination of two distinctions, namely the oppositions universal-individual
II. Personen
406
and accident-substance. Particularly important is the fact that, in the ontological square, the category of substance is subdivided into individual and universal substances (essences), i. e. Aristotle’s primary and secondary substances. The term ‘white’ is accidentally predicable of some men; this adjective signifies not only the accident white(ness) but also all those substances which have this accident; such a term has two k inds of signification and is, therefore, connotative. The noun ‘man’, on the other hand, is essentially predicable of all individual men. This term signifies only substances, though it has to be recalled that ancient philosophers normally assumed that an individual thing is, in one way or another, identical with its essence. Terms that are essentially predicable signify only in one way; they are absolute or nonconnotative terms (cf. de Jong 1982, 28—44). 4.2. As we have seen, Mill holds the treatment of terms in Aristotelian-Scholastic philosophy in high esteem. He only objects to the latter’s realism and essentialism; in particular he rejects the doctrine of secondary substances (CW XI, 23; VII, 110—111; IX, 301—302). As opposed to this, he claims already in his review of Whately’s book that ›classification is arbitrary‹, and that it is intrinsically link ed to language. “What should or should not be essential properties of man, depended upon the will of those who framed the class, and imposed the name” (CW XI, 25). Consequently, it can no longer be assumed that an individual thing has, as such, an essence. Only the attributes that comprise the connotation of the universal name through which a certain thing is normally named can possibly be conceived as essential properties of that thing. Basically, essences are dependent upon language. According to Mill, this is one of the most important discoveries of English empiricism: “[...] it was reserved for Lock e at the end of the seventeenth century, to convince philosophers that the supposed essences of classes were merely the signification of their names” (CW VII, 112).
This shift towards language is accompanied by the replacement of the substanceaccident ontology by the object-attributes ontology. Indeed, both changes gradually became manifest in post-Renaissance philosophy. Mill revises the traditional doctrine of terms in the light of this development: universal substances and accidents are more or less treated alik e. Each universal term is connotative, i. e. has two kinds of signification.
“All nomenclature is connected with some classification: and in all classification there are two ideas involved, that of the properties or attributes which form the basis of the classification, and that of the things which compose the classes themselves” (CW XI, 23).
Since William Hamilton (1788—1856) brought to the fore the pair of terms ‘extension’-‘intension’, this distinction has usually been identified with Mill’s denotation-connotation. Later on, Mill himself ack nowledged this close relationship (CW IX, 317— 318; VII, 98 n). This does not mean that these pairs of concepts, so far as their origin is concerned, should not be distinguished. The notion of intension or comprehension was initially (e. g. in Gottfried Wilhelm Leibniz, s. art. 23, and in the Logique de Port Royal) applied exclusively to essential predication; here, the intension of a term was conceived as the set of essential properties of a substance. In contradistinction, the notion of connotation was intrinsically link ed to accidental predication. Only the shift to an objectattributes ontology made it possible to identify these distinctions.
5.
Propositions
5.1. Having look ed at the semantics of terms, let us now turn to the semantics of propositions. We shall deal only with concrete propositions, i. e. propositions composed of concrete names. We saw that Mill conceives of the (affirmative) copula as “the connecting mark between subject and predicate, to show that one of them is affirmed of the other” (CW VII, 21). But what does such a predicative connection mean, from a semantic point of view? In general, it can be shown that traditional philosophy provides three different interpretations of the copula. We can represent these theories schematically with the help of Mill’s analysis of the semantic structure of universal names:
Fig. 30.1: Theories of the copula
30. John Stuart Mill (1806—1873)
(1) — the extensional theory: a S—P proposition says that there is a relation between objects signified by S and objects signified by P. (2) — the attribution (or inherence) theory: a S—P proposition says that there is a relation between objects signified by S and attributes signified by P. (3) — the intensional theory: a S—P proposition says that there is a relation between attributes signified by S and attributes signified by P. In scholastic logic the attribution and the extensional theories expressly compete with each other. Whereas nominalistically inclined think ers, such as Ock ham, as a rule opt for an extensional interpretation of the copula, realists lik e Thomas Aquinas (1225—1274) prefer the attribution theory (cf. de Jong 1982, 107—123). Mill is in principle right in viewing Hobbes as holding an extensional interpretation of the copula. Mill himself believes, on the contrary, that a pure extensional analysis is only adequate for propositions such as ‘Hyde was Claude’ and ‘Tully is Cicero’, i. e. propositions with a non-connotative predicate and subject. Whenever someone asserts the proposition ‘Socrates is wise’, he does not intend to affirm that ‘Socrates’ and ‘wise’ stand for the same object, namely Socrates. This proposition rather expresses the fact that the attribute white(ness) belongs to the object Socrates: that is to say, the actual content of this proposition satisfies the attribution theory. “When [...] we are analysing the meaning of any proposition in which the predicate and the subject, or either of them, are connotative names, it is to the connotation of those terms that we must exclusively, look , and not to what they denote, or in the language of Hobbes are names of” (CW VII, 91).
Yet, it turns out that propositions with a connotative subject and predicate are analyzed by Mill not according to the intensional theory of the copula but according to the attribution theory: “[...] what the proposition [all men are mortal] asserts is, of course, that the objects denoted by the subject (man) possess the attributes connoted by the predicate (mortal). But the characteristic of this case is, that the objects are no longer individually designated. They are pointed out only by some of their attributes: they are the objects called men, that is, possessing the attributes connoted by the name man” (CW VII, 97).
A subject contributes to the content of a proposition primarily through its denotation,
407
even if the denotation, in the case of a connotative name is connotatively fixed. However, a predicate functions only connotatively, except in such cases as when the predicate is itself a non-connotative name. We can express this state of affairs somewhat differently: a connotative name is used, qua subject, referentially, and qua predicate, attributively (notice that this distinction is not identical to Keith Donnellan’s similarly named distinction for definite descriptions). In the Early Draft — a draft of A System only recently published — Mill sums up his interpretation of the four types of categorical propositions in syllogistic theory as follows: “Every general proposition of which the subject and predicate are connotative names, either affirms or denies, that either all or some of the objects possessing the attributes connoted by the subject, possess also the attributes connoted by the predicate” (CW VIII, 1016).
Arthur Prior (1914—1969) (1973, 164) rightly points out that this analysis strongly suggests the usual account of such propositions in modern logic. But there is also a difference. Where, in predicate logic, a universal affirmative proposition (all S are P) is interpreted as ⋀ x (Sx → Px), not only is the subject conceived extensionally, but also the predicate is so conceived. Mill, however, interprets a connotative predicate intensionally; accordingly, the scope of the quantifiers ‘all’ and ‘some’ remains restricted to the denotation of the subject. The name that functions as subject is responsible for the domain of objects the proposition is about. This conception is in agreement with the grammatical function of quantifier expressions, but it clearly does not accord with the role of quantifiers in predicate logic. In fact, Mill himself seems to assume that a quantifier also contributes to the denotation of the subject. However, most traditional logicians have little understanding of the precise role of syncategorematic expressions. 5.2. Mill’s treatment of propositions has been criticized in many ways. It is customary to blame him for supporting the two-name theory of propositions (Geach 1972, 51). But what are the objections against this theory? Usually they amount to no more than the critique of identifying is-a-name-of with ispredicable-of. As such, this criticism is all too evidently biased by the point of view of modern Fregean logic, which, as is well-k nown, assumes a categorial distinction between
408
names and predicative expressions. Peter Thomas Geach’s (*1916) critique, however, goes deeper. According to him, the two-name theory contains a violation of the so-called law of Buridan: “the reference of an expression can never depend on whether the proposition it occurs in is true or false” (Geach 1970, 52). Mill believes that a name is only a name of those things of which it is predicable; by ‘predicable’ in this connection he means: truly affirmatively predicable (cf. 2). In other words, the reference or denotation of a name is determined by the truth of one or more propositions in which that name occurs as predicate. In this way, it seems that we are moving in a circle. Indeed, how can it be established that such a proposition is true if the reference of the predicate depends upon the truth value of the same proposition? This question also limits the extent of this critique. For Buridan’s law is only violated in such cases when a name in predicate position functions as a name. In short, the two-name theory presupposes an extensional interpretation of the copula. But Mill analyzes propositions primarily according to the attribution theory, and in this way k eeps clear of a good deal of Geach’s critique. Nevertheless, it is not surprising that Mill is often criticized as an outspok en supporter of the two-name theory. For, first of all, he always says that both the predicate and the subject of a proposition are names, and he closely relates to each other naming and predicating. Secondly, Mill often does not k now how to distinguish sharply between the referential and the attributive use of a connotative name. This becomes especially apparent when Mill rejects Hobbes’s extensional analysis of propositions, but admits that a purely extensional analysis does at least provide a partial rendering of the content of a proposition: “it is the only analysis that is rigorously true of all propositions without exception” (CW VII, 90). Finally, for the category of non-connotative names, particularly of proper names, the above critique is perfectly justified. For the denotation of a proper name depends indeed upon the predicative use of that name; in the absence of a connotation, however, a proper name in a predicative position cannot be used other than referentially (denotatively). A violation of Buridan’s law is inevitable, in such cases. In view of such difficulties, Lock wood (1975, 46) proposes a reinterpretation of the role of proper names, not according to the letter but according to the spirit of Mill, so as to afford
II. Personen
a correct predicative functioning for proper names.
6.
Meaning and language
6.1. Mill’s conception of meaning is embedded in his theory of connotation and denotation: “In the case of connotative names, the meaning is the connotation” (CW VII, 133). Non-connotative concrete names, on the other hand, do not, strictly speak ing, have meaning: “proper names have strictly no meaning” (CW VII, 91). “When we predicate of anything its proper name, when we say, pointing to a man, this is Brown or Smith, or pointing to a city, that it is York , we do not, merely by so doing, convey to the hearer any information about them, except that those are their names” (CW VII, 35 f).
When we predicate of an object a connotative name, we thereby assert a fact, namely that certain attributes belong to the object: “whenever the names given to objects convey any information, that is, whenever they have properly any meaning, the meaning resides not in what they denote, but in what they connote” (CW VII, 34).
In the quoted passages meaning is identified with the information which a name provides about the thing named; in so doing, only the connotation, when present, of a name can count as meaning, if only because “if by the meaning of a general name are to be understood the things which it is the name of, no general name, except by accident, has a fixed meaning at all, or ever long retains the same meaning” (CW VII, 94 f). Notice, however, that the question of whether a name functions informatively is answered in the light of the predicative use of that name. This brings us to another point of view from which Mill also approaches the problem of meaning. A proposition, so he holds, expresses a relation between the meanings of two names; or, more precisely: the meaning of a proposition is a function of the meanings of its subject and predicate (cf. Frege’s principle of composition). Not names, but propositions are the primary objects of this more functionalistic approach (in the footsteps of Jeremy Bentham and Dugald Stewart; cf. Land 1974, 169). From this point of view, the meaning is identified with the contribution of a name to the content or meaning of a proposition; in that case it is impossible to leave denotations completely
30. John Stuart Mill (1806—1873)
out. This is true in particular of proper names. A proposition such as ‘Tully is Cicero’ is by no means meaningless, but has a substantive meaning, although in this case “all the signification conveyed is, that both the names are mark s for the same object”. A strictly extensional analysis of the proposition provides “part of the meaning of all propositions, and the whole meaning of some”. Evidently, the denotation of a connotative name also contributes to the meaning of a proposition. “A bird, or a stone, a man, or a wise man, means simply, an object having such and such attributes” (cf. CW VII, 90 ff). Broadly speak ing, Mill is inclined to identify the meaning of a name with its connotation, but he cannot maintain this consistently in the context of his analysis of the meaning of propositions. Ultimately, we do not find in Mill’s writings a precise concept of meaning. This becomes even clearer when we consider also abstract names. Abstract names are for the most part non-connotative; they are usually derived from concrete names (as ‘whiteness’ from ‘white’). Corresponding abstract and concrete names, however, are tak en to have the same meaning; “what the concrete name connotes, forms the entire meaning of the abstract name” (CW VII, 105; cf. VIII, 668 f). In short, the meaning of an abstract name is its denotation. Contrary to the case of proper names, Mill does ascribe a meaning to non-connotative abstract names. The traditional distinction between essential and accidental propositions reappears in A System as that between ›verbal and real propositions‹. Real propositions are those concerning ›matters of fact‹. Verbal propositions, on the other hand, are related to meanings and are not, strictly speak ing, true or untrue but only appropriate or inappropriate (CW VII, 109); such propositions may or may not be in accordance with conventions of language use. A proposition is an appropriate verbal proposition if, and only if, “the predicate connotes the whole or part of what the subject connotes but nothing besides” (CW VII, 113; cf. IX, 334). Verbal propositions should actually be analyzed according to the intensional theory of the copula. Accordingly, a verbal proposition, in contrast to a real proposition, does not imply “the real existence of the subject” (CW VII, 113) (the referential use of a name depends upon a presupposition of existence). A definition is a verbal proposition which expresses the meaning of an expression. Proper names do not
409
have meanings; hence they are not definable; on the other hand, the definition of an abstract name is tak en to be equivalent to that of the corresponding concrete name. Besides complete definitions, Mill also ack nowledges incomplete definitions, i. e. propositions whereby “a connotative name is defined by a part only of its connotation” (CW VII, 137). However, a proposition can only be an incomplete definition if the denotation of the definiens (predicate) corresponds de facto to that of the definiendum (subject). Thus, for instance, the verbal proposition ‘man is a rational animal’ is not a complete definition because otherwise the houyhnms should be considered to be men. Nevertheless, this proposition provides an incomplete definition, since those remark able beings of Jonathan Swift’s Gulliver’s Travels do not really exist. Incomplete definitions are useful for the appropriate (denotative) use of names. 6.2. Ryle praises Mill for his theory of meaning. But he immediately qualifies his praise by noting that Mill was able to have so much influence chiefly because he “was original in producing a doctrine of meaning at all” (1966, 241). This judgment is remark able, since, among others, Lock e too paid a lot of attention to language and meaning: “The meaning of words, being only the ideas that they are made to stand for by him that uses them” (Lock e 1975, 422). The decisive difference lies in the fact that Mill, just as Frege later on, distinguishes between meaning (›Sinn‹) and subjective representation (idea; ›Vorstellung‹). Meanings are link ed to linguistic expressions, based on conventions, and are, as such, intersubjective; an idea is always a concrete representation in the mind of an individual subject. Mill combats fiercely the doctrine that a proposition expresses a relation between two ideas. Instead, he stresses that a proposition expresses a relation between two meanings (CW VII, 87—90). Indeed, Mill is led to this position by his nominalistic critique of Lock e’s theory of abstract (universal) ideas (s. art. 22). The introduction of a contrast between ideas and meanings brings about a certain objectivization of the notion of meaning. Think ers such as Ryle and Ian Hack ing (1975 a, 43—53) are willing to talk about a theory of meaning only when meaning is separated from individual and concrete representations. This does not preclude that Mill at the same time strongly relies on Lock e. He
410
II. Personen
even think s that the third book Essay, On Words,
of Lock e’s
“requires hardly any other alternation to bring it up to the scientific level of the present time, than to be corrected by blotting out everywhere the words abstract idea, and replacing them by the connotation of the class-name” (CW IX, 324; cf. VII, 115).
If we further recall that Mill handles attributes in a typically empiricist way, namely as grounded in sensations, we should conclude that Mill’s semantic theory of meaning and Lock e’s so-called ›ideational theory of meaning‹ have much in common. “The general term man [...] connotes the general type of the sensations derived always from all men, and the power of producing sensations of that type” (CW VII, 180 n).
Referring to Samuel Taylor Coleridge (1772—1834) (among others), Mill views ordinary language as “the depository of the accumulated body of experience to which all former ages have contributed their part, and which is the inheritance of all yet to come” (CW VII, 685).
Hence, we must tak e careful charge of this inheritance. Nevertheless, Mill, lik e many of his contemporaries, pleads for a ›philosophical language‹. But for him such a philosophical language functions basically as an ideal for mak ing ordinary language more precise; in particular, everyday language must be critically look ed at for changes of meaning and vagueness. “The meaning of a term actually in use is not an arbitrary quantity to be fixed, but an unk nown quantity to be sought” (CW VIII, 671). Mill’s philosophical language is not an alternative for ordinary language, but only seek s to be a restricted reconstruction thereof, so that each (universal) name will be used according to a well-determined meaning. Moreover, a perfect language ought to be complete: “Whatever we have occasion to think of often, and for scientific purposes, ought to have a name appropriated to it” (CW VII, 698). For that matter, Mill ack nowledges explicitly that the results of science may require the revision of the meaning of a name; but in so doing the original denotation should be, as far as possible, maintained.
7.
A current debate
Frege argues, in his Über Sinn und Bedeutung, that a proper name has not only a reference (denotation) but also a meaning; the meaning
consists in the ›manner of presentation‹ of the referent. Although Russell at first adopted the conception of Mill, his godfather, he later accepted Frege’s point of view: proper names are ultimately ›truncated descriptions‹; as such, a proper name has a meaning and refers in the same way as an individual connotative name. Until recently it was customary to accept a referential theory à la Frege (s. art. 78). Lately, however, a strong rival to the Frege— Russell approach has come to the fore. This is not the appropriate place to delve deeply into this controversy. But it is worthwhile to recall that the debate often refers back to Mill: “The modern logical tradition, as represented by Frege and Russell, disputed Mill on the issue of singular names, but endorsed him on that of general names. [...] The present view, directly reversing Frege and Russell, endorses Mill’s view of singular terms [i. e. proper names], but disputes his view of general terms” (Kripke 1972, 327).
Saul Kripk e (*1940), Donnellan and many others deny that a proper name has a meaning in the sense that such a meaning determines the reference of that name; instead, they claim that the use of a proper name rests upon a sort of baptism, whereby the given expression is once and for all established as a name of an object. A reference fixed in this way has nothing to do with attributes that may or may not belong to the referent (Kripk e’s ›causal view of reference‹). The arguments in favor of this view are closely similar to Mill’s considerations leading to a denial of meanings to proper names. According to Mill, a proper name functions only as a k ind of mark that in principle has nothing to do with the object named. Even a name’s possibly having a motivation does not detract from this. Dartmouth lies at the mouth of the Dart; thank s to this fact the town has its name, but “if sand should chok e up the mouth of the river, or an earthquak e change its course, [...], the name of the town would not necessarily be changed. [...] Proper names are attached to the objects themselves, and are not dependent on the continuance of any attribute of the object” (CW VII, 33).
Whereas Kripk e shares Mill’s analysis of the semantic role of proper names, he rejects the latter’s view that universal terms are ipso facto connotative. Instead, he argues — with Hilary Putnam (*1926), among others — that many universal terms, namely k ind and mass names, function lik e proper names; in other words, they act as ›rigid designators‹ (Kripk e 1972, 322; Putnam 1979, 234). It is notewor-
30. John Stuart Mill (1806—1873)
thy — and, as far so I k now, this has not been pointed out by others — that Mill’s socalled theory of ›real k inds‹ provides important support for this conception. According to Mill, k inds are “realities in nature, and not mere distinctions for convenience” (Mill 1971, 132); this conviction, which also shows a remnant of essentialism in Mill, implies that “general language [...] sometimes owes its existence to classes” (CW VII, 118). As opposed to a ›normal‹ connotative name, the denotation of a k ind name does not depend upon a conventionally determined connotation; on the contrary: a connotation is conditioned by a previously given denotation. If we want to establish a connotation for a k ind name, we will in general not be able to get more than incomplete definitions. “Since we k now nothing of k inds but their properties, the k ind to us, is the set of properties by which it is identified [...]” (CW VII, 579).
Mill, however, has not recognized sufficiently that a connotation ascribed to a k ind name in this way can fail as a determination of reference. Kripk e and Putnam stress this fact; sets of properties are often incorrectly conceived as being able to identify k inds. In the case of a k ind name the primacy belongs to the denotation and not to the connotation or to the attributive use of the given term. Indeed, from this point of view k ind names appear to be closer to proper names than to ›pure‹ connotative names.
8.
Assessment
The distinction between connotative and nonconnotative names is characteristic of Mill’s semantics. This distinction reflects the conviction that the denotation or reference of terms has an heterogeneous base (cf. Katz 1977, 3). A connotative name functions denotatively in a radically different way than a non-connotative name; this opposition is, lik ewise, decisive for Mill’s theory of meaning. Nevertheless, it must be ack nowledged that Mill himself does not succeed in work ing out this contrast in a fully consistent way. An important source of confusion lies in the fact that, under the influence of the framework of traditional logic, he determines the denotation of both connotative and non-connotative
411
terms in relation to the predicative use of these expressions. This leads, as far as proper names are concerned, to a violation of Buridan’s law. Moreover, Mill is not always able to distinguish satisfactorily between the attributive and the referential use of connotative terms. Hence, it is not surprising that he is often criticized as being a supporter of the two-name theory of propositions; nevertheless, such an allegation is in general unjustified. Mill is customarily — and rightly so — depicted as an outspok en representative of nineteenth century English empiricism. But his semantic insights can be viewed, surprisingly enough, to a large extent independently from this basic philosophical attitude. This is mainly due to the fact that the foundation for Mill’s semantics lies in the objects-attributes ontology. To be sure, he himself ultimately bases this ontology on typically empiricistic foundations, but such a reduction hardly penetrates to the semantic level. This state of affairs explains the actuality of his thought in the field of semantics; many developments in semantics after Frege can be formulated in terms of Mill’s semantics. The objects-attributes ontology corresponds to the intuitive foundation, to the common sense starting point of a great deal of modern logical semantics. This is true, particularly, of the so-called possible-worlds semantics.
9.
Selected references
de Jong 1982, The Semantics of John Stuart Mill. So far the only monograph on this topic. Kretzmann 1967, Semantics, History of, in The Encyclopedia of Philosophy, Edwards (ed.), vol. 7. Stresses the place of Mill’s semantics in the tradition of English empiricism. Mill 1963 ff, Collected Works of John Stuart Mill, Robson (ed.). [= CW]. Mill’s views on the philosophy of language are to be found mainly in A System of Logic (vol. VII and VIII), especially in book I (VII, 3—157) and in chapters III—VI of book IV (VIII, 663—712).
Willem R. de Jong, Amsterdam (Netherlands) (Translated from the Dutch by M. Dascal)
412
31. 1. 2. 3.
II. Personen
Wilhelm Wundt (1832—1920)
4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Vorbemerkung Stand der Forschung Wundts Sprachauffassung: Prinzipien und Obersätze Wundt und die Junggrammatiker Wundt und Anton Marty Wundt und George Herbert Mead Wundt und Karl Bühler Wundt und Ernst Cassirer Schluß Literatur in Auswahl
1.
Vorbemerkung
In der Wirk ungsgeschichte des Wundtschen Gesamtwerk s spielt die Sprachtheorie eine vergleichsweise geringfügige Rolle. Schule gemacht in jedem Sinne des Wortes hat nur der Individualpsychologe Wundt. Experimentelle Methode und naturwissenschaftliche Axiomatik , zuerst schlüssig dargelegt in den Grundzügen der physiologischen Psychologie (Wundt 1873/74), prägen die ak ademische Psychologie bis heute so stark , daß k aum einer zögert, Wundt auf den Sock el des Gründervaters der Disziplin zu heben. Ganz anders verlief die Wirk ungsgeschichte der Völk erpsychologie, von Wundt k onzipiert als notwendige Ergänzung der Individualpsychologie zur „Untersuchung derjenigen psychischen Vorgänge, die der allgemeinen Entwick lung menschlicher Gemeinschaften und der Entstehung gemeinsamer geistiger Erzeugnisse von allgemeingültigem Wert zugrundeliegen“ (Wundt 1921 I, 1). Gedacht war die Völk erpsychologie von ihren Urhebern (Moritz Lazarus und Heymann Steinthal; vgl. Belk e 1971 ff) anfänglich als eine populäre ›Physiologie der Kulturen‹, angesiedelt zwischen den Naturwissenschaften und der Geschichte. Ihre Wirk ungsgeschichte entspricht jedoch k eineswegs diesen Intentionen. Sie hat weder Institute geprägt noch Lehrbuch- oder Methodentraditionen begründet (vgl. Graumann 1984). Sie hat auch die gebildeten Bürger k aum erreicht, obwohl Hermann Lotzes (1817—1881) Mikrokosmus (1856—1864) und Lazarus’ (1824—1903) Monographienserie Das Leben der Seele — zwei wichtige Vorläufer — recht populär waren. Das heißt aber nicht, daß die Völkerpsychologie ganz ohne Wirk ung gewesen wäre. Gerade für Wundts Sprachpsychologie (sie bildet mit zwei Bänden den Auftak t der zehnbändigen
Völkerpsychologie, vor Mythos und Religion, Kunst, Gesellschaft, Recht, Kultur und Geschichte) gilt, daß an der k ritischen Auseinandersetzung mit dieser ›summa‹ des 19. Jahrhunderts wesentliche Bestandteile der Sprachauffassung des 20. Jahrhunderts gebildet worden sind. Wundts Sprachtheorie hat vielfach als Katalysator gedient, ist aber selbst weder tradiert noch insgesamt weiterentwick elt worden. Wo Bruchstück e von ihr fortleben, sind sie an neue Theorien und Denk stile assimiliert. Dieser k› atalytische‹ Charak ter der Wundtschen Sprachtheorie rechtfertigt die im folgenden gewählte Darstellungsform: Ich rek onstruiere die sprachtheoretischen Auseinandersetzungen, in denen Wundts Werk eine wesentliche Rolle gespielt hat.
2.
Stand der Forschung
2.1. Angeregt durch den 100. Jahrestag der Gründung des Leipziger Instituts für experimentelle Psychologie häuft sich die neuere Forschungsliteratur über Wundt in den Jahren um 1979. Aufschluß über die Interpretationen von Werk und Leistung Wundts in der neueren Psychologie geben die Sammelbände von Meischner/Metge (1980), Bringmann/ Tweney (1980) und Eck ardt/Sprung (1983). Wundts philosophische Ansichten, ohne die weder der Psychologe noch der Sprachtheoretik er letztlich zu verstehen ist, sind in ihrer Entwick lung von den physiologisch-naturwissenschaftlichen Anfängen bis zum idealistischen System der Spätzeit bei Arnold (1980) ausführlich dargestellt. Dort ist auch das Schriftenverzeichnis Wundts wiederabgedruck t, das die Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig bereits 1979 veröffentlicht hatte (dieses ist mit seinen 525 Titeln gewiß von Vollständigk eit noch weit entfernt und bringt gegenüber dem von Eleonore Wundt (1927) k ompilierten Verzeichnis wenig, um nicht zu sagen: nichts Neues). Wundts sprachtheoretisches Werk wird weder in der Psychologie noch in der Philosophie behandelt. Die ergiebigste (wenn auch naturgemäß problematische) Quelle zu Wundts Biographie ist nach wie vor seine eigene Lebensbeschreibung Erlebtes und Erkanntes (Wundt 1920). Neuere Arbeiten zur Biographie des großen Psychologen entstammen zuerst der Leipziger Forschungsgruppe
31. Wilhelm Wundt (1832—1920)
‘Geschichte der Psychologie’ (vgl. Meischner 1977). Für Wundts k onzeptuelle Grundlegung der Psychologie und für sein Verhältnis zu den anderen Psychologen der Zeit vergleiche man besonders Mischel (1970). Die zahlreichen älteren Monographien über den Psychologen und Philosophen Wundt k önnen hier nicht vollständig dok umentiert werden, man findet sie verzeichnet bei E. Wundt (1928). Man vergleiche exemplarisch Pass k önig (1912) und Petersen (1925). 2.2. Zwischen der ersten und der letzten wissenschaftlichen Publik ation Wundts (1853 bzw. 1920) liegen beinahe 70 Jahre. Die Beschäftigung mit Sprache beginnt in den 70er Jahren mit Vorträgen und Rezensionen, nachdem Wundt bereits im — später nicht mehr aufgelegten — 2. Band der Vorlesungen über die Menschen- und Thierseele von 1863 über Sprache gehandelt hatte. In der 1. Auflage der Grundzüge der physiologischen Psychologie von 1873/74 ist das Programm der Einordnung von Sprache unter die Ausdruck sbewegungen bereits sk izziert, dessen Durchführung die beiden ersten Bände der Völkerpsychologie im Jahre 1900 bringen (Wundt 1921/22 I/II). Öffentlich beachtet wird auch bereits der programmatische Aufsatz Die Sprache und das Denken, zuerst publiziert in den Essays von 1885, aber zurück gehend auf einen Vortrag von 1875/76 (vgl. Steinthal 1888, 319—350). Ausweislich seiner Lebenserinnerungen (Wundt 1920, 260) hat Wundt zuerst 1875 in Zürich über Logik und Völk erpsychologie gelesen und in seinem ersten Leipziger Semester 1875/76 über Psychologie der Sprache. Eine breite Disk ussion der sprachtheoretischen Ansichten Wundts beginnt indes erst nach 1900, dem Jahr der Publik ation von Die Sprache. Es ist deutlich zu trennen zwischen der sprachtheoretischen Debatte, die Wundts Werk selbst ausgelöst und genährt hat (ihren Abschluß findet sie in Bühler 1927; 1933 a; 1934) und den späteren Rek onstruk tionsversuchen. Ich verwende die Kontroversen, in denen Wundts Werk primär und k atalytisch fungiert, als Ordnungsprinzip der folgenden Darstellung und gebe in diesem Abschnitt nur eine Sk izze der späteren Rek onstru k tionsversuche. — Wiederentdec k t wurde der Sprachtheoretik er Wundt, nachdem er gründlich in Vergessenheit geraten war, im Linien- und Ahnenstreit der US-amerik anischen Psycholinguistik . Erwin Allen Esper (1895—1972), mit der behavioristischexperimentellen Sprachpsychologie zeit seines
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Lebens eng verbunden, sieht in Wundt die Symbolfigur jener mentalistischen Psychologie, die er durch den Behaviorismus Leonard Bloomfields (1887—1949) überwunden glaubte und deren k räftiges Wiederaufleben (in Form der generativen Psycholinguistik ) er in den letzten Jahren seines Forscherlebens beobachten zu k önnen meinte (vgl. Esper 1968). Arthur L. Blumenthal (1970; 1974; 1975; 1987) übernimmt diese Figur mit umgek ehrten Vorzeichen. Für ihn, Haushistoriograph der Anhänger Noam Choms k ys (*1928), ist Wundt nicht der abschreck ende, sondern eben der große Ahne der eigenen Richtung. Beide Einordnungsversuche verraten geringe Sachk enntnis, fehlendes Quellenstudium und völlige Unfähigk eit, den Sprachtheoretik er Wundt im Kontext seiner eigenen Theorieprobleme zu situieren (detaillierte Kritik bei Pléh 1984; Knobloch 1984 b; 1988 und Ungeheuer 1984). Auch Blumenthals letzte einschlägige Publik ation (1987) strotzt noch von Sachfehlern: Wundts sprachtheoretisches Hauptwerk sei ›by 1913‹ auf zwei Bände angewachsen (es hatte immer 2 Bände, und die 3. Aufl., die letzte von Wundt veränderte, erschien 1911/12); Jean Piaget (1896—1980) wird als Herbartianer geführt; unter den Junggrammatik ern taucht neben einem Herrn ›Osk off‹ (gemeint ist offenbar Hermann Osthoff) auch ein gewisser ›Oertal‹ auf (gemeint sein k önnte Hanns Oertel, der aber gewiß k ein Junggrammati k er war); Ottmar Dittrich (1865—1951), Wundts einziger (und später abtrünniger) Schüler in der Sprachpsychologie, wird als ‘D. Dittrich’ aufgeführt: Wundts programmatischer Aufsatz Über psychologische Methoden, der die von ihm herausgegebenen Philosophischen Studien eröffnete, wird auf 1885 datiert (das erste Heft erschien 1882, der erste Band 1883) — übrigens k ein Wort darüber, daß Wundt die dort geschilderten experimentellen Methoden k einesfalls auf Sprache angewandt wissen wollte, usw.. Von dem penetrant wiederholten Versuch, aus Wundt einen frühen Generativisten zu machen, will ich gar nicht reden (vgl. Pléh 1984). Offenbar hat Blumenthal die Arbeiten Wundts, über die er seit beiläufig 20 Jahren publiziert, nie vor Augen gehabt. — Eine Reihe von Arbeiten zur Sprachtheorie Wundts hat Peter Porsch vorgelegt (1975; 1976; 1977; 1978; 1979). Sie handeln u. a. vom Parallelismus in der Sprachtheorie, von der Kontroverse zwischen Wundt und Hermann Paul (1846—1921) um den Satzbegriff, vom Völk erpsychologie-Problem und vom
414
Zusammenhang zwischen Wundts politischen Ansichten und seinen theoretischen Prämissen. Auch Porsch hat eine deutliche Tendenz, Wundts Sprachtheorie in die Nähe der generativen Linguistik zu rück en. Im allgemeinen bleiben seine Thesen recht pauschal. — Im Anschluß an Gerold Ungeheuers (1984) tiefe und gründliche Studie über Bühler und Wundt befaßt sich Johann Juchem (1986) unter k omk muni ationswissenschaftlichen Gesichtspunk ten mit dem sprachtheoretischen Werk des großen Psychologen. Mit Philipp Wegener (1902) rügt er am Völk erpsychologie-Gedank en, daß dieser die wirk liche sprachliche Verständigung außer Sicht rück t. Juchem ergreift rasch und grundsätzlich Partei gegen den Systemanspruch Wundts und schlägt sich auf die Seite der Sk eptik er und Individualisten in der Theorie der sprachlichen Verständigung (Paul, Fritz Mauthner), ohne sich auf die Wurzeln und Motive Wundtschen Sprachdenk ens im Detail einzulassen. — Carl Friedrich Graumann (1983/84) bespricht Wundt im Zusammenhang mit George Herbert Mead (1863—1931) (s. Art. 52) und Karl Bühler (1879—1963) (s. Art. 38) und im Zusammenhang mit Bemühungen um eine sprach- und k ommuni k ationswissenschaftliche Grundlegung der Sozialpsychologie. Insgesamt hat Graumann die Tendenz, Wundt gegen die Kritik Bühlers (vgl. 6.; 7.) in Schutz zu nehmen. Mir scheint, Graumann achtet zu wenig auf den Umstand, daß das soziale Leben bei Wundt nur ganz abstrak t als Voraussetzung (und Folge) der höheren Formen individuellen Erlebens vork ommt, nicht aber als wirk licher Prozeß mit eigenständiger Dynamik (wie gerade bei Bühler und Mead). Recht hat er gewiß mit dem Hinweis, daß Wundts völk erpsychologischer Anspruch aufrechtzuerhalten ist: die höheren Bewußtseinsprozesse auf ihre gesellschaftlichen Voraussetzungen und auf die ›geistigen Gebilde‹ zu beziehen (Graumann 1984, 227), aber die Gefahr einer allzu direk ten und umweglosen Gleichsetzung von gesellschaftlichem Gebilde und individuell-psychischem Prozeß sieht er nicht. — Auf Ungeheuers (1984) sorgfältige Rek onstruk tion der sprachtheoretischen Kontroversen zwischen Bühler und Wundt gehe ich hier nicht ein, weil sie in die einschlägigen Abschnitte dieses Artik els eingeflossen ist (vgl. 3.; 7.). Wolf Thümmel (1985) rek onstruiert die Satz-Kontroverse zwischen Wundt und Paul im Hinblick auf das, was die neuere Satzlehre aus ihr lernen k önnte. Er ergreift die Partei Wundts und wendet sich gegen die
II. Personen
von Knobloch (1984 b) vorgetragene These, Wundts psychogenetische Satztheorie sei eine theoretisch sterile Verdopplung traditioneller Satzgliedlehre in die psychische Prozeßebene (vgl. 4.1.). Er weist darauf hin, daß Wundt und Paul beide darin ›mentalistisch‹ sind, daß ihnen das Sprechen für Ausdruck innerer, ›mentaler‹ Vorstellungen gilt. Wie alle Autoren, die Wundt voreilig ak tualisieren wollen (die Satzlehre ist bevorzugtes Objek t solcher Bemühungen), übersieht Thümmel jedoch die vielen grundsätzlichen Einwände gegen die psychogenetischen Satzlehren Wundts und Pauls: daß sie Struk tur und Verlauf des sprachlichen Denk ens und des Formulierungsprozesses in eins setzen, daß sie unterstellen, mit der Struk tur eines sprachlichen Gebildes sei gleichzeitig auch dessen Psychogenese gegeben, usw.. Schließlich ist die Satzdisk ussion nicht um 1900 stehengeblieben. Sie hat eigentlich danach erst richtig begonnen mit den Arbeiten von Bühler (1918), John Ries (1931) und Eugen Seidel (1935). Für die Motive, die der voreiligen Ak tualisierung Wundtscher Sprachtheorie zugrundeliegen, vergleiche man Csaba Pléh (1984) und Knobloch (1984a, 152 ff). Eine Darstellung der Wundtschen Sprachauffassung im problemgeschichtlichen Gesamtzusammenhang der deutschen Sprachpsychologie von 1850 bis 1920 versucht Knobloch (1988) (s. Art. 57). Auf weitere Arbeiten über Wundt werde ich im thematischen Kontext der folgenden Abschnitte zu sprechen kommen.
3.
Wundts Sprachauffassung: Prinzipien und Obersätze
3.1. Zentral ist in Wundts Weltanschauung die Frage nach dem Verhältnis zwischen unserem seelischen Erleben und den (inneren wie äußeren) physischen Vorgängen, auf die das Erleben bezogen ist. Es genügt dabei nicht, Wundt einfach als ›Parallelisten‹ abzuheften, wie es meistens geschieht. Unter der Flagge des Parallelismus segelten auch Forscher, mit deren Ansichten Wundt nicht das mindeste zu tun hat. Überhaupt sind die Etik etten, unter denen die einschlägigen Positionen der Psychologie des 19. Jahrhunderts abgelegt werden (Monismus, Dualismus, Parallelismus, Wechselwir k ung, Epiphänomenalismus), k eineswegs eindeutige Erk enntnisbegriffe. Sie gleichen eher unaufgeräumten Schubladen. Wundts Seelenbegriff ist ›ak tuell‹ und antisubstantialistisch. Unter ‘Seele’ ver-
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steht er den jeweils ak tuellen Zusammenhang unserer Erlebnisse. Die Fak toren, welche auf diesen Zusammenhang organisierend einwirk en, hat die Psychologie zu untersuchen. Das Bewußtsein wird bestimmt „als ein durchgängiger Zusammenhang innerer Zustände“, so schon in der 1. Auflage der Grundzüge der physiologischen Psychologie (Wundt 1873/74, 825). ‘Seele’ ist ein Hilfsbegriff der Psychologie, wie ‘Materie’ ein Hilfsbegriff der Naturwissenschaften ist. Denn unsere Erfahrung ist prinzipiell eine einzige, die wir als objek tive und mittelbare Erfahrung auffassen, wenn sie sich auf einen wirk lichen Zusammenhang außer uns bezieht, als subjek tive und unmittelbare, wenn sie im Bereich der inneren Erfahrung bleibt. Die Psychologie nimmt grundsätzlich (auch gegenüber den äußeren Erfahrungen) den Standpunk t der inneren Erfahrung ein. Das ist ihre eigentliche Aufgabe. Somit stellt sich ihr das Leib-Seele-Problem nicht als Frage nach dem Verhältnis zweier einander ganz wesensfremder Substanzen (oder einer Substanz mit k omplementären Attributen, wie im ›Monismus‹). Wundt behauptet ausdrück lich nicht, jedem Physischen entspreche ein Psychisches oder umgek ehrt. Das Leib-Seele-Problem wird bezogen auf die Einheit der Erfahrung als letzte Wirk lichk eit und betrifft daher bloß zwei k omplementäre Betrachtungsweisen ein und derselben (inneren und äußeren) Erfahrung — man vergleiche zu diesem Komplex Wundts populären Grundriss der Psychologie, das Hauptmittel zur Verbreitung der Ansichten des Autors und zu seinen Lebzeiten in 14 Auflagen erschienen (ich zitiere nach Wundt 1922, 386—398). Das Parallelismus-Prinzip in Wundts Formulierung lautet, „daß alle diejenigen Erfahrungsinhalte, die gleichzeitig der mittelbaren, naturwissenschaftlichen und der unmittelbaren, psychologischen Betrachtungsweise angehören, zueinander in Beziehung stehen, indem innerhalb jenes Gebiets jedem elementaren Vorgang auf psychischer Seite ein solcher auf physischer entspricht“ (Wundt 1922, 394).
Alle Objek te also, die man sowohl mittelbar nach ihrem objek tiven Zusammenhang als auch unmittelbar nach ihrer subjek tiven Gegebenheit in unserer inneren Erfahrung betrachten k ann, unterliegen dem Parallelismus. Das ist ganz unerläßlich für jedes Verständnis der Wundtschen Sprachauffassung (k ritisch über die diversen Spielarten des Parallelismus: Mauthner 1923 I, 278—303; vgl. auch Ungeheuer 1984, 14—21; Mischel 1970). — Es versteht sich auch aus dem Vorherigen, daß
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sich in der Wundtschen Wissenschaftslehre (die den zweiten Hauptteil der Logik ausmacht) die Disziplinen weniger nach ihren Objek ten unterscheiden (die ja allesamt Erfahrungsgegenstände sind) als vielmehr nach der Art und Weise, wie diese Objek te zueinander in Beziehung gesetzt werden. Wundt hat aus dem Material der historisch-vergleichenden Sprachforschung seine Sprachpsychologie geschöpft. Dreifach ist nun in diesem Rahmen die Parallelismus-Annahme zu präzisieren: (a) Es gibt einen vorwiegend passiven Parallelismus zwischen den subjek tiv-inneren und den objek tiv-äußeren Gegebenheiten im Rahmen der elementaren seelischen Prozesse, und diesen Zusammenhang k ann das Experiment durch objek tive Variation der Außenreize und deren Korrelation mit der inneren Erfahrung untersuchen (die Schwellenmessungen der Psychophysik geben hier das Vorbild und Muster). (b) Bei den höheren und verwick elten seelischen Prozessen (die von der Gemeinschaft abhängen, gesellschaftliche Objek tivationen voraussetzen, eine stärk ere ak tiv-apperzeptive Komponente haben) besteht der Parallelismus zwischen der Struk tur der Objek tivation und dem, seiner Verwick lungen halber, der inneren Erfahrung gar nicht mehr genau faßbaren Erleben, dergestalt, daß man die psychologischen Gesetze des Erlebnisverlaufs den Objek tivationen ablesen k ann. Anders als in der Herbartschen Tradition meint ‘Apperzeption’ bei Wundt einen ak tiv-volitiven Prozeß und nicht die bloß k ognitive Einordnung eines neuen Erfahrungselements in einen vorgängigen Zusammenhang. Je ak tiver die Beteiligung des Individuums, desto eher k ann man die Objek tivation als Spiegel der inneren Erfahrung nehmen. (c) Die dritte Konk retisierung des Parallelismus-Prinzips, die Wundt stillschweigend vollzieht, ist die sprachtheoretisch folgenreichste: Sie betrifft die spiegelbildliche Gleichsetzung von Eindruck s- und Ausdruck sgeschehen (vgl. Bühler 1933 a, 10; Ungeheuer 1984). Einerseits verweist diese Gleichsetzung auf den Ursprung Wundtschen Denk ens in der Psychophysik und in der physiologischen Psychologie (wo es um Eindruck geht), andererseits hindert sie den Sprachtheoretik er Wundt an systematischen Überlegungen zum Problem des Sprachverstehens, das gar nicht erst aufk ommt, wenn man im Feld des Sprechens Ausdruck und Eindruck , Sprechen und Verstehen als spiegelbildlich ansieht. Es ist dies der ›systematische Ort‹, an welchem Meads Weiterentwic k lung der
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Wundtschen Theorie einsetzt (vgl. 6.). — Jede der beiden parallelen Reihen hat ihre eigene k ausale Form des inneren Zusammenhangs. Für die psychische Seite gilt unumschränk t das genetische Prinzip der Entwick lung des Höheren aus dem Niederen durch ›schöpferische Synthese‹. Dieses evolutionistische Prinzip zwingt Wundt dazu, die Menschensprache an das Ende einer in sich geschlossenen Entwick lungsreihe zu stellen, die mit elementaren Außenwirk ungen von Affek ten beginnt (Herzk lopfen, Erröten) und über den mimisch-physiognomischen Gesichtsausdruck zur Pantomimik der Extremitäten und schließlich zur Gebärdensprache führt. Von dort geht es dann weiter zur Lautsprache, die durch ein Prinzip der (ursprünglich) nachahmenden ›Gestik ulation der Sprechwerk zeuge‹ sehr eng an die Gebärdensprache angeschlossen wird. Danach ahmt (ursprünglich) nicht der Laut das Dargestellte direk t nach, sondern die vorstellungsbegleitenden Lautgesten verdank en sich der engen und nachahmenden Beziehung zwischen Artik ulationsbewegung und Vorstellung. Diese Ansicht k ehrt in der Sprachursprungsspek ulation periodisch wieder (s. Art. 65). Man findet sie u. a. in der französischen Aufk lärung bei Charles de Brosses (1709—1777) und in Deutschland wenig später bei Karl Philipp Moritz (1756—1793). 3.2. In der Evolution des Ausdruck sgeschehens nimmt der Affek tgehalt ab und der Vorstellungsgehalt zu. ‘Vorstellungen’ heißen bei Wundt diejenigen psychischen Gebilde, die sich durch eine regelmäßige Abhängigk eit von äußeren Objek ten auszeichnen (das k önnen wohlgemerk t dingliche Objek te sein, aber auch Worte). Sprache wird zwar von Wundt zu den ›völk erpsychologischen‹ Größen gerechnet (d. h. die ihr entsprechenden Formen des Erlebens setzen aktuell die Einrichtungen eines Gemeinschaftslebens voraus, die sie genetisch hervorgebracht haben), sie erhält aber ihren Ort doch im individualpsychologischen Bezugssystem der Innen-Außen-Beziehungen, die prinzipiell ganz ohne Gesellschaftlichk eit beschrieben und gedacht werden k önnen. An dieser Disk repanz setzt die Kritik ein, die Bühler 1927 in seiner Krise der Psychologie formuliert und die Graumann (1983/84) eingeschränk t wissen möchte. Die systematische Stellung der Sprache in Wundts Psychologie läßt sich erschließen aus ihrem Ort in der Topologie seiner Schriften: sie ist Schluß- und Höhepunk t der physiologischen Psychologie
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und Anfang der Völk erpsychologie. Die physiologische Psychologie hat lediglich die Aufgabe, die äußeren und inneren Bedingungen nachzuweisen, unter denen Sprache als höchste Form der menschlichen Lebensäußerungen hervortritt. Die Details ihrer Entwick lung und Rück wirk ung auf das Denk en sind dann Gegenstand der Völk erpsychologie und der vergleichenden Sprachwissenschaft. So heißt es bereits in der 1. Auflage der Grundzüge der physiologischen Psychologie (Wundt 1873/74, 855). Die Systemarchitek tonik ist hier noch deutlich an Steinthal (1823—1899) (1871) orientiert, der ebenfalls eine elementarpsychologische Stufen- und Entwick lungslehre bis zum ›Sprachreflex‹ präsentiert und die geschichtliche Entwick lung der Sprachen (als ›Entfaltung der Sprachidee‹ hegelianisierend gedacht) der Völk erpsychologie überstellt. Bei Wundt sind die Ausdruck sbewegungen natürliche Erzeugnisse der geistigen und k örperlichen Organisation der Individuen. Als unmittelbar verständlicher Ausdruck des gemeinsamen Erlebens werden sie zu Sprache. Sprache ist also nichts anderes als die Ausdruck sbewegung, die der Entwick lungshöhe des menschlichen Seelenlebens angemessen ist und sich Schritt für Schritt mit diesem zusammen herausgebildet hat: „Wo irgendein Zusammenhang psychischer Vorgänge, also ein Bewußtsein vorhanden ist, da finden sich auch Bewegungen, die diese Vorgänge nach außen k undgeben. Diese äußeren Merk male des psychischen Lebens begleiten dieses von Stufe zu Stufe, und sie vervollk ommnen sich natürlich mit dem Inhalt, dem sie zugeordnet sind“ (Wundt 1922 II, 653).
Von hoher Selbstverständlichk eit ist das Prinzip, nach welchem es die Psychologie allein mit den Einheiten des Bewußtseins, des Erlebens zu tun hat. Wie verbindlich diese Ansicht war, erk ennt man daran, daß sie auch noch die (in lautstark er Kontroverse mit Wundt befindlichen!) Bewußtseinspsychologen der Würzburger Külpe-Schule (nicht zuletzt auch den jungen Bühler) vexiert. Die machen sich mit großem Ernst auf die Suche nach Erlebnisk orrelaten des mentalen Problemlösens und des Sprachverstehens — und sie finden k eine. — Wundts Psychologie will den Bogen spannen „von den vergänglichen Gebilden des Einzelbewußtseins bis zu den großen und dauernden Umgestaltungen des geschichtlichen Lebens“ (Wundt 1917, 4). Sie erhebt den Anspruch, Grundwissenschaft für alle geistes- und gesellschaftswissenschaftli-
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chen Disziplinen (und empirische Vorbereitung der Philosophie) zu sein. Vom Boden der exak ten Wissenschaften her will Wundt nach dem Untergang der idealistischen Systeme einen neuen Zugang zur Philosophie finden. Für ihn liegt der Einheitspunk t aller unserer Erk enntnisse in Wahrnehmung und Erfahrung, aber die Erk enntnislage des Psychologen ist der des Physik ers z. B. darin entgegengesetzt, daß der letztere die Wahrnehmungen des Experimentators als ›Hinweisungen‹ auf objek tive Realität versteht, während der erstere umgek ehrt objek tive Ordnungen und ihre Veränderungen nutzt, um aus ihnen und ihren Wirk ungen auf unser Bewußtsein dessen Eigenschaften und Gesetze festzustellen (Wundt 1883, 4). In diesem Programm setzt das Ausfolgern von Sprachgeschichte (als Laut-, Formen- und Bedeutungsgeschichte) und Sprachverschiedenheit auf die Bewußtseinsgesetze hin die Eindruck sforschung der physiologischen Psychologie lediglich mit anderen Mitteln fort, obwohl mittlerweile die Eindruck soptik gegen eine (viel unsicherere) Ausdruck soptik vertauscht ist und eigentlich nur das Gesprochene Aufschluß geben k ann über das Bewußtsein der Sprecher, nicht die Sprache selbst als System von Lauten, Formen und Bedeutungen. — Wundts psychologische Methodenlehre ist in strenger Entsprechung zur naturwissenschaftlichen k onzipiert (was natürlich nicht heißt, daß die Methodenpraxis ähnlich streng gewesen wäre): Ganz wie die Naturwissenschaften verfügt auch die Psychologie über Experiment und Beobachtung (Wundt 1922, 24—31). In beiden Sparten sind die Prozesse eher Domäne des Experiments, die Obj ekte eher Gegenstand der Beobachtung. Die einfachen psychischen Prozesse sind hochvariabel und von den Subjek ten nicht ablösbar, sie k önnen nur experimentell erforscht werden. Den naturwissenschaftlichen Objek ten (und damit dem Verfahren der Beobachtung) entsprechen in der Psychologie die historisch-gesellschaftlichen (völk erpsychologischen) Erzeugnisse: sie sind subjek tunabhängig, der experimentellen Einwirk ung entzogen und objek tiv ablösbar von den an sie gebundenen psychischen Prozessen: „Ihr Ursprung und ihre Entwick lung beruhen überall auf allgemeinen psychischen Bedingungen, auf die sich aus ihren obje k tiven Eigenschaften zurüc k schließen läßt“ (Wundt 1922, 29). Das ist der oberste Grundsatz der sprachpsychologischen Methode Wundts.
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Wundt und die Junggrammatiker
4.1. Wundt und Paul Über den erbitterten Streit und die gegenseitige Ablehnung von Wundt und Paul ist viel geschrieben worden (Delbrück 1901; Wegener 1902; Broens 1913; Porsch 1979; Knobloch 1984 b; Thümmel 1985). Wie ernst Paul die Befürchtung war, Wundt k önnte sich mit seinen sprachpsychologischen Ansichten gegen die Prinzipien der Sprachgeschichte durchsetzen, zeigt der Umstand, daß der Kampf gegen Wundt in einer k urzen vita, die Paul fast schon auf dem Totenbett verfaßte, beträchtlichen Raum einnimmt. Man übersieht dabei leicht, daß beide sprachpsychologischen Ansichten auf dem nämlichen Korpus empirischer Daten aus der historisch-vergleichenden Sprachforschung beruhen. Für die wissenschaftssoziologische Rück schau legt das den Verdacht nahe, daß es auch um die Legitimation der Fächer ging. 4.1.1. Drei Oppositionen sind es, in denen der Streit zwischen Wundt und Paul ausgetragen wurde: Völk erpsychologie vs. Wechselwirk ung der Individuen; Analyse und Resynthese einer ›Gesamtvorstellung‹ vs. Verbindung von Einzelvorstellungen als Modell für die Satzbildung; Wundtsche vs. Herbartsche Psychologie als Basis für die Sprachforschung. In der Völ k erpsychologie-Kontroverse stehen Wundt und Paul auf zwei Seiten derselben Aporie. Für Wundt begründet Sprache (qua Ausdruc k sbewegung) einen Zusammenhang von Bewußtseinstatsachen, der das Zusammenleben der Individuen voraussetzt. Für Paul k ann es nur Individualpsychologie geben, k eine Völk erpsychologie, weil ihm alle Wechselwirk ung zwischen Individuen physisch vermittelt ist und nicht Sache der Psychologie (Paul 1910, 364). Beide müssen daher, um die erstaunliche Übereinstimmung der Sprecher im Sprachbesitz und um die Möglichk eit der Kommunik ation darzutun, zu stark en Vorannahmen greifen. Für Paul ist wirk liche Kommunik ation von ›Vorstellungen‹ unmöglich, weil jedes Sprechen vom Psychischen ins Physische überschlägt und wir an fremde Vorstellungen nicht herank ommen. Wir k onstruieren Analogien auf der Basis unserer eigenen Vorstellungen und müssen annehmen, daß die seelische Organisation unserer Kommunik ationspartner der unseren entspricht (Paul 1910, 364). Die physische Angleichung der Individualsprachen geschieht für Paul im Wechselverk ehr der In-
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dividuen. Wundt stützt die ursprüngliche Übereinstimmung der Sprecher auf gemeinsames Fühlen und Vorstellen, hypostasiert aber ansonsten die Sprache als einen Gemeinschaftsbesitz, ohne sich um Kommunik ation und Verständigung zu k ümmern (vgl. Ungeheuer 1984 und schon Wegener 1902). Beiden ist Sprache und Sprechen ein und dasselbe, und beiden fehlt eine semiologische Fundierung der Sprachtheorie. Pauls epistemologisches Credo ist naiv und dualistisch (psychisch vs. physisch), Wundts ist philosophisch ungleich subtiler. Aber beide bleiben im Umk reis der Dichotomie ‘innen — außen’. Wichtiger sind freilich die forschungsprak tischen Konsequenzen dieser Meinungsverschiedenheit: allein von der Paulschen Position ist man gedrängt, Verständigung und gemeinsamen Sprachbesitz als Probleme wissenschaftlich zu untersuchen (vgl. Wegener 1885; 1902). — Schon Paul (1910, 365) k ritisiert an der Wundtschen Theorie, daß es unmöglich sei, Individual- und Völk erpsychologisches zu trennen, da ja der Mensch von jeher in Gemeinschaft mit seinesgleichen gelebt habe und man also durchaus k einen Punk t finden k önne, wo rein Individuelles in ›sozial Bedingtes‹ umschlägt. Wundts Position, so neuerdings Arnold, beinhaltet die Unterstellung, „daß nur bestimmte psychologische Erscheinungen der sozialen Wechselbeziehungen bedürften“ (Arnold 1980, 240). Der Einwand ist grundsätzlich berechtigt, aber er verfehlt doch die Logik der Wundtschen Systemk onstruk tion. Im parallelistischen Denk en Wundts ist es der Status der ›physischen‹ Korrelate des jeweiligen Erlebens, der es erlaubt, eine Grenze zu ziehen. Wo diese Korrelate historisch-gesellschaftliche Obje k tivationen sind (und nicht physik alisch oder physiologisch beschreibbare Sachverhalte), da beginnt die ›Völk erpsychologie‹. Deren Sphären wachsen jeweils aus individualpsychologischen Grundlagen heraus: die Sprache aus dem Vorstellungs- und Gegenstandsbezug des Ausdruck sgeschehens, der Mythos aus der Trieb- und Gefühlsaufladung der primitiven Vorstellungen, die Sitte aus den allgemeinen ›Willensrichtungen‹ der Vorstellungen und Triebe (vgl. Wundt 1911, 31). So k nüpfen die höheren und gesellschaftlichen Synthesen allenthalben schöpferisch an naturnahe und physisbedingte Wurzeln im Individuum an. Dieser Grundgedank e scheint mir weniger abwegig als seine Durchführung im einzelnen. Es fragt sich z. B., ob man die Sprache genetisch in der Tat so mit dem physiognomischen, mi-
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mischen und gestischen Ausdruck verk nüpfen k ann, wie Wundt das vorschlägt, und ob man sie nicht viel eher mit den Steuerungen zwischen den Menschen und mit ihrer wechselseitigen Verhaltensabstimmung verbinden muß, wie bei Bühler (1927). — Aus Wundts Perspek tive gerät nicht in den Blick , daß Sprechen und Verstehen Tätigk eiten sind, die jeweils den sozialen Bedürfnissen des Augenblick s folgen und daß ›die Sprache‹ bloß eine Abstrak tion aus dem Gesamt dieser Tätigk eiten ist. Wundt k onfrontiert ›die Sprache‹ (als völk erpsychologische Erscheinung!) direk t mit dem sprechenden Individuum. Pauls Kritik an Wundt lautet demgemäß: Er betrachtet die Sprache lediglich „vom Standpunk te des Sprechenden, nicht auch von dem des Hörenden“ (Paul 1910, 370). Bei Wundt geht das Sprechen in der Sprache auf, bei Paul die Sprache im Sprechen des Individuums. Es gibt indessen auch einen beträchtlichen Fundus von Annahmen, die Wundt und Paul gemeinsam sind, die aber aus heutiger Sicht nicht so leicht in den Blick geraten, so z. B. das Prinzip der strengen k ausalen Determinierung jeder sprachlichen Einzelheit. Für beide hat der Zufall in der Sprachgeschichte so wenig Raum wie in der Sprachpsychologie. 4.1.2. Das Satzproblem ist wohl heutzutage das bek annteste Versatzstück aus der Kontroverse zwischen Wundt und Paul. Seine späte Popularität verdank t es einem Mißverständnis. Schon Bühler (1918) und Ries (1931) betrachteten die Auseinandersetzung aus guten Gründen als erledigt und stellten die von Wundt und Paul geteilten falschen Prämissen in den Vordergrund: die Prämisse namentlich, daß eine Satzdefinition überhaupt als ›Psychogenese des Satzes‹ gegeben werden k önne. Erst als man jüngst begann, algorithmisierte Beschreibungen grammatischer Satzstru k turen für psychologisch relevant, für Beschreibungen psychologischer Erzeugungsprozesse zu halten, k onnte man wieder auf den gleichen Gedank en verfallen. — Wundt und Paul definieren das grammatische Gebilde ›Satz‹ als unmittelbares Ergebnis psychischer Erzeugungsprozesse, Paul als (ein- oder mehrgliedriges) Produk t einer Verbindung von Vorstellungen, Wundt als (grundsätzlich mehrgliedriges) Produk t der binären Analyse und logischen Resynthese einer anfänglichen ›Gesamtvorstellung‹ (Wundt 1922 II, 222 ff). Beiden ist die Vorstellung ein psychisches, der Satz ein psychisch-sprachliches Gebilde. Paul
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denk t mehr von der k ommunik ativen Äußerung her, welche, auch als äußerlich eingliedrige, ›etwas über etwas‹ sagt. Der Ausruf: ‘herrlich!’ bezieht sich auf eine gemeinsame Wahrnehmung, welche dann ›psychologisches Subjek t‹ ist, etc.. Wundt psychologisiert die Satzgliedlehre Karl Ferdinand Bec k ers (1775—1849): Prädik atives und objek tives Satzverhältnis bilden den ›logischen‹, apperzeptiven und geschlossenen Kern der ursprünglichen Gesamtvorstellung, attributives und adverbiales Verhältnis den für assoziative Weiterungen offenen Rand (Wundt 1922 II, 321 ff). Wundts Ausführungen sind hier durchaus unk lar. Das attributive Verhältnis gehört für ihn manchmal zum Kern des Satzes, manchmal nicht. Verschiedene Gesichtspunk te gehen durcheinander. Manchmal ist die Struk turnotwendigk eit der Satzteile relevant, manchmal das, was man heute ihren ‘Rang’ nennen würde. Wundt versucht den grammatisch chara k terisierten Gebilden einen eindeutigen psychologischen Prozeßstatus zu verleihen. Wie alle ›psychogenetischen‹ Satzdefinitionen (Ries 1931, 33 ff) lebt auch die Wundtsche vom Kurzschluß zwischen Struk tur und Prozeß: Vermeintlich ›erk lärt‹ man die grammatische Struk tur als Ergebnis eines psychischen Prozesses, de facto hat man aber nur die Struk tur und k onstruiert den dazu passenden Prozeß hinzu. Das ist bequem, aber intuitiv damals wie heute unplausibel, verk ennt es doch den Charak ter der grammatischen Kategorien und Relationen, die als gang und gäbe sprachliche Schemata gegen die von ihnen aufgenommenen k ognitiven Inhalte hochgradig indifferent sein müssen, ebenso auch gegen die Mechanismen ihrer Erzeugung. Nur als allgemeine Formen der Darstellung sind sie auch allgemeine Formen des dargestellten Inhalts und müssen von diesem also doppelt distanziert werden. Es scheint mir wenig sinnvoll, Wundt in dieser Kontroverse im nachhinein zum Sieger auszurufen, wie es Thümmel (1985) — k ritisch gegen Knobloch (1984 b) — unternimmt. Daß Sätze als Sprachwerke das Ergebnis von Äußerungsak ten sind, ist trivial. Daraus folgt jedenfalls nicht, daß die Definition des Sprachgebildes Satz aus dem Äußerungsak t geschöpft werden k ann oder gar muß (für die Opposition ‘Sprachwerk — Sprachgebilde’ vgl. Bühler 1934, 48—68). Namentlich bei Wegener (für dessen Stellung in der Kontroverse zwischen Wundt und Paul vgl. Knobloch 1989), im Ansatz aber auch bei Paul, erscheint die dynamische Organisation von
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Verständigung als ein Struk turmotiv für das Sprachgebilde Satz. — Wundt hat indessen unbestreitbar das Verdienst, mit seinen Überlegungen eine umfassende Disk ussion des grammatischen Satzbegriffes ausgelöst zu haben. Für die Details sei pauschal verwiesen auf Bühler (1918), Ries (1931) und Seidel (1935). Nur zwei Weiterungen des Wundtschen Satzbegriffes will ich erwähnen, weil sie deutlich machen, daß dessen Fortentwick lung mit den allgemeinen psychologischen Prinzipien Wundts in Konflik t gerät. Dittrich (1913) greift Pauls Kritik auf, der Hörer (und damit die sprachliche Kommunik ation überhaupt!) spiele als Strukturmotiv des Satzes k eine Rolle bei Wundt. In seiner Definition taucht dann auf, daß der Hörer durch Sätze veranlaßt sein muß, seinerseits eine vom Sprecher ›anerk ennbare‹ Subjek t-Prädik at-Gliederung eines Bedeutungstatbestandes zu versuchen. Das nun ist durchaus nicht mehr vereinbar mit den bewußtseinspsychologischen Prinzipien Wundts, und es ist auch wenig plausibel, daß die ›Satzqualität‹ eines Sprachgebildes vom Verstehensversuch des Hörers abhängig sein soll. Genauso unplausibel ist es freilich auch (und das macht Dittrich unfreiwillig bewußt), daß die Satzqualität eines Gebildes von bestimmten Bewußtseins- und Erlebensprozessen des Sprechers abhängig sein soll. Man vergegenwärtige sich noch einmal das Programm der Wundtschen Völk erpsychologie: die Korrelation der gesellschaftlichen Objek tivgebilde mit den Bewußtseinsprozessen des Individuums soll gezeigt werden. Die Analyse und binäre Gliederung der ›Gesamtvorstellung‹ erhebt den Anspruch, gleichzeitig die Genese des Sprachgebildes und die apperzeptive Bewußtseinsak tivität des Sprechers zu beschreiben. Das sollte voreilige Ak tualisierer der Wundtschen Satzlehre warnen. Der Wundtsche Mentalismus ist der der Bewußtseinspsychologie und hat mit der heutigen Erscheinung gleichen Namens wenig gemein. — In ihrer philosophischen Substanz weiterentwick elt hat die psychogenetische Satzlehre Wundts mit Heinrich Gomperz (1873—1942) (1908) ein Autor, der seinen Scharfsinn an der Psychologismus-Kriti k der Brentano-Schule trainiert hat (die sich ja nicht zuletzt gegen Wundt richtete und die allenthalben den Gedank en als Objek tivation vom subjek tiven Denk en des Gedank ens scharf unterscheidet). Seine Semasiologie dürfte in ihrem ersten, k ritischen Teil zum Differenziertesten gehören, was über das Bedeutungsproblem um diese Zeit gesagt worden ist. Daß Vorstellungen im
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landläufigen Sinne nicht als Basis einer Satzoder Aussagebedeutung dienen k önnen, erhellt für ihn daraus, daß ein Satz wie ‘Der Vogel fliegt’ als ›Aussagegrundlage‹ (d. i. als reale Erfahrungssituation, auf welche er sich bezieht) ebensogut einen flatternden Sperling wie einen k reisenden Adler haben k ann. Auch k ann man sich auf ein und dieselbe ›Aussagegrundlage‹ mit ganz verschiedenen Sätzen/ Aussagen beziehen. Das relativ k onstante Moment an Satz bzw. Aussage k ann, so Gomperz, k eine ›Vorstellung‹ sein. Es ist hier k ein Raum, das semasiologische Denk en Gomperz’ zu entfalten (vgl. Knobloch 1988, 308— 312 für einen k nappen Extrak t). Auch müßte beachtet werden, daß die Brentano-Schule einen ganz anderen Vorstellungsbegriff hat als Wundt und wieder einen anderen als Paul. Doch k ommt es hier nur darauf an, daß Gomperz, nachdem er fast alle Voraussetzungen der Wundtschen Satzlehre destruiert hat, an einer doch festhält: daß nämlich die Aussage eine stabile Entsprechung im Erleben der Individuen haben müsse. Da die Vorstellungen nichts hergeben, sucht er Zuflucht bei Impressionen und ihren gefühlsmäßigen Bestandteilen: es sind gemeinsame Gefühle, die es erlauben, so verschiedene Dinge wie den Turm von Pisa und Beethovens Neunte ein ‘Kunstwerk ’ zu nennen. An diesem verzweifelt überspitzten Rettungsversuch erscheint das zutiefst Problematische des ganzen Prinzips: sprachliche Objek tivgebilde durch Bewußtseins- und Erlebnisk onstanten ›erk lären‹ zu wollen. — Die Frage, ob die Wundtsche oder die Herbartsche Psychologie als Grundlagenwissenschaft für die Sprachforschung besser geeignet sei, führt schon herüber in die Kontroverse zwischen Wundt und Berthold Delbrüc k (1842—1922) (Delbrüc k 1901; Wundt 1901). Was dort über das Verhältnis der Wundtschen Psychologie zur Sprachwissenschaft und über das Verhältnis der Junggrammatik er zur Psychologie zu sagen ist, das gilt im großen und ganzen auch für Paul. 4.2. Wundt und Delbrück Delbrück s prompte Reak tion auf die Veröffentlichung von Wundts Die Sprache beginnt mit einer vergleichenden Darstellung der Wundtschen und der Herbartschen Psychologie. Deren Fazit wird oft zitiert und selten verstanden. Es lautet: Für den Prak tik er, d. i. den prak tischen Sprachforscher, läßt sich mit beiden Theorien leben, sie leisten ungefähr dasselbe (Delbrück 1901, 43 f). Es zeigt sich im ganzen Duk tus der Argumentation, wozu
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Delbrück und mit ihm die anderen psychologistischen Sprachforscher der Zeit die Psychologie brauchen: Sie hat Hypothesen zu liefern, mit deren Hilfe man die Daten des sprachgeschichtlichen Stoffes untereinander verk nüpfen k ann. Was sie darüber hinaus sonst noch ist, interessiert den ›Prak tik er‹ durchaus nicht. Dieser Umstand macht die Struk tur der Auseinandersetzung zwischen Wundt und Delbrück hoffnungslos. Denn Wundt braucht die Daten der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft ja umgek ehrt zur Konstruk tion seiner Psychologie! Also k önnen sich Wundt und Delbrück gegenseitig versichern, im Verhältnis der Disziplinen sei jeweils der andere Teil der gebende und man selbst nur der nehmende. Das ist bei weitem k eine bloße Höflichk eit, sondern eine euphemistische Formulierung der wirk lichen Lage (Wundt 1901, 8 ff). Jeder versucht jeweils eigene Fachprobleme durch Importe aus dem andern Fach zu lösen. Das Rück grat des einen ist jeweils die Krück e des anderen. Wissenschaftssoziologisch ist diese Lage leicht zu verstehen: Durch die stark e ak ademische Stellung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft mußten alle Versuche scheitern, eine eigenständige Sprachpsychologie neben der universitären Sprachforschung zu etablieren (vgl. Knobloch 1988). Für die Sprachforschung verk örperte Wundt umgek ehrt den herausragenden und angesehenen Vertreter der ak ademischen Psychologie, während die Herbartianer, deren Affinität zu Experiment und Naturwissenschaft traditionell gering war, ins Hintertreffen gerieten. Pauls Sorge, sein eigenes Lebenswerk k önnte hinter der Wundtschen Sprachpsychologie alsbald verblassen, war aus dieser Sicht nur zu berechtigt. Daß mit der historisch-vergleichenden Formenlehre dann auch deren psychologische Weiterungen bald verschwinden würden, k onnten beide nicht ahnen. — Wundts stereotyper Vorwurf gegen Paul und die Herbartianer lautet, man habe dort eine ganz ›unsprachliche‹ und metaphysische Psychologie auf die Ergebnisse der Sprachforschung bloß äußerlich angewandt (vgl. Wundt 1901, 5—22). Es gehe aber darum, aus den Daten der Sprachforschung eine solche historische Psychologie der höheren seelischen Prozesse erst zu entwick eln. Für Paul (wie für Steinthal, der in diesen Dingen als Pauls Lehrer gelten k ann) sind die im Sprechen jeweils wirk samen psychischen Gesetzmäßigk eiten zu allen Zeiten dieselben. Die Psychologie bildet den festen Punk t in der historischen Bewe-
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gung der Daten. Nur unter dieser Voraussetzung k ann die moderne Psychologie dazu dienen, Sprachdaten längst vergangener Zeiten gesetzmäßig zu verbinden: die in Sprachursprung, historischer Entwick lung der Sprachen und im ak tuellen Sprechen wirk samen Kräfte sind im wesentlichen dieselben (vgl. Paul 1920, 34 f). Wundt historisiert demgegenüber die Psychologie selbst mithilfe der sprachgeschichtlichen Daten. Und er verwahrt sich beinahe heftig gegen den Pragmatismus Delbrück s in Sachen Psychologie (Wundt 1901, 17 f). — In der Satzfrage schließt sich Delbrück weitgehend an Wundt an, rügt aber dessen schematischen Binarismus und die Nachwirk ung der von Beck er und Karl Wilhelm Ludwig Heyse (1797— 1855) übernommenen Ansicht, die Verk nüpfung von Subjek t und Prädik at im Urteil sei Vor- und Urbild aller sprachlichen Fügungen (Delbrück 1901, 152—154). Instruk tiv und von grundsätzlichem Interesse ist dagegen die Kontroverse um den Status der Gebärdensprache, auf die im Zusammenhang mit Bühler und Mead noch zurück zuk ommen sein wird. In Wundts Evolution der Ausdruck sbewegungen vermittelt sie zwischen den elementaren affek t- und leibgebundenen Ausdruck ssymptomen auf der einen, der Lautsprache auf der anderen Seite. Sie ist der Dreh- und Angelpunk t in der Systemarchitek tur Wundts, das ihr gewidmete Kapitel gilt mit Recht auch heute noch als lesenswert und ak tuell. Wundts theoretisches Interesse gehört primär den Gebärdensprachen, die nicht als sek undäre Artefak te von der Lautsprache her k onzipiert sind, zuerst also der spontanen Gebärdensprache der Taubstummen. Sobald die Kenntnis natürlicher Sprachen oder der Verk ehr mit Sprechern natürlicher Sprachen die Gebärdensprache überformt, wird ihr Wert für die Wundtschen Theorien geringer (vgl. Wundt 1921 I, 152 f), ebenso wenn ihre Zeichen k onventionell und traditionell werden und der Benutzer k eine Rechenschaft mehr über den Zusammenhang des Zeichens mit dem Bezeichneten geben k ann. Wundt k lassifiziert die Gebärden in hinweisende, darstellende und symbolische. Die letzteren sind Übertragungen mimetischer Gebärden in eine andere als die ihnen angestammte Sphäre oder in die unsinnliche Abstrak tion (Wundt 1921 I, 162 ff). Sie funk tionieren durch mittelbare, nicht durch unmittelbare Verweisung auf die bezeichnete Vorstellung. Das Hinweisen auf anwesende Gegenstände ist für Wundt ein ursprünglich verständlicher Ak t zur Len-
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k ung der Aufmerk samk eit des anderen. Genetisch führt es Wundt zurück auf die „bis zur Andeutung abgeschwächte Greifbewegung“ (Wundt 1921 I, 137). Daß grundsätzlich deik tisch geregelt werden k ann, was beim Sprechen immer anwesend ist (sprechende Personen, räumliche Orientierung), deutet Wundt (1921 I, 167) an. Daß die Gebärdensprache Syntax und Satz entbehre, hält Wundt für ein Vorurteil. Mit Steinthal erinnert er daran, daß auch manche Lautsprachen das Verhältnis zwischen den Wörtern nicht näher bezeichnen (also modern gesprochen: k eine Morphosyntax haben), und er argumentiert (nun gegen Steinthal) für eine spontane, namentlich in der Reihenfolge der Gebärden gegebene Syntax, deren höchstes Prinzip die Weglassung des Selbstverständlichen ist und die nicht zur Klarheit und Eindeutigk eit der lautsprachlichen Syntax gelangt. Die verbale Relation z. B., lautsprachlich für die Satzqualität unentbehrlich, wird in der Gebärdensprache nicht spezifiziert, wenn sie sich von selbst versteht. — Delbrück realisiert offenbar nicht die zentrale Bedeutung dieses Kapitels für Wundts evolutionistisches System. Er wendet ein, die Syntax aller Gebärdensprachen sei lautsprachlich induziert und damit von geringem Erk enntniswert, während Wundts Beobachtungen belegen, daß auch die Sprecher syntak tisch ganz verschieden struk turierter Lautsprachen in der Gebärdensprache dazu neigen, die gleichen Reihenfolgebeziehungen anzuwenden, die sich in spontan entstandenen Gebärdensprachen zeigen. Gerade darin sieht Wundt einen Indik ator für den archaischen und relativ eigenständigen Charak ter der Gebärdensprache gegenüber der Lautsprache. Delbrück beruft sich auf die (gut beschriebene) Gebärdensprache der Neapolitaner in seinen syntak tischen Argumenten. Die aber ist, wie Wundt (1901, 49) anmerk t, eine sek undäre Geheimsprache, deren Abbreviaturen (anders als die Zeichen der Taubstummensprache) gerade nicht spontan verstanden werden sollen. Die Syntax (bzw. Topologie) der spontanen Gebärdensprache betrachtet Wundt als eine Erscheinung, die „auf die psychologischen Motive, denen die syntak tische Fügung der Worte folgt, einiges Licht wirft“ (1901, 51). Sprachtheoretisch ist Wundt da am fruchtbarsten, wo er gegen sein System nicht die Ausdruck s-, sondern die Mitteilungsdimension in den Vordergrund rück t: Jenseits eines geteilten k ulturellen Erfahrungsraumes sind auch die nachbildenden Gebärden nicht mehr verständlich.
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II. Personen
4.3. Wundt und Sütterlin Ludwig Sütterlin (1865—1917) ist sicherlich k ein Junggrammatik er im engen Sinne des Wortes, sondern ein theoretisch durchaus selbständiger Kopf. Seine Wundt-Kriti k schließt sich aber eng an die Pauls und Delbrück s an, so daß sie hier behandelt werden mag. In der Syntax der Gebärdensprache verstärk t Sütterlin (1902, 17) Wundts Argumentation, indem er eine psychologische Deutung für die gefundenen Gesetzmäßigk eiten anbietet: die Zeichen folgen einander nach dem Maß ihres Anschauungswertes (Letztstellung des Verbäquivalents!). Wo ein anschaulich stärk erer Ausdruck nach einem schwächeren steht, liegt ein satzäquivalenter Sinnabschnitt vor. Gleichzeitig k ritisiert er an Wundt die unbesorgte Übertragung der satzanalytischen Kategorien auf die Zeichenfolgen der Gebärdensprache. Was Wundt als ›innere Sprachform‹ beschreibt, hat die leidige Tendenz, nicht mehr zu sein als eine hypothetische Verdopplung des morphosyntak tischen Sprachbaus ins ›Gedan k liche‹ (vgl. Knobloch 1984 b). Analytischen Wortbildungen unterlegt er ein analytisches Denk en und aus der Typologie morphosynta k tischer Techni k en macht er (wie Steinthal vor ihm) umstandslos eine völk erpsychologische Typologie. Dagegen protestiert Sütterlin (u. a. 1902, 171 ff) vehement. Er k onzediert zwar, daß man die ›innere Sprachform‹ nur aus der äußeren ermitteln k ann, will aber Wundts parallelistischen Ordnungszwang durchaus nicht ak zeptieren. Wundt unterliegt hier einer doppelten Verwechslung: einerseits identifiziert er die morphologische Technik mit dem von ihr gestalteten funk tionalen Inhalt der Einzelsprache (entgegengesetzte Technik en, eine Ak k usativendung und eine Stellungsregel zum Beispiel, k önnen aber durchaus äquivalente Fun k tionen eingrenzen), andererseits verwechselt er den einzelsprachlichen Inhalt mit dem Umk reis dessen, was er außersprachlich bezeichnet.
5.
Wundt und Anton Marty
5.1. Gegen die ak ademische Sprachwissenschaft seiner Zeit hat Wundt sich im wesentlichen nur rezeptiv verhalten. Ihre Grundlagen wollte er durchaus nicht antasten. Sie galt ihm als die Sprachwissenschaft schlechthin. So bleiben auch die Kontroversen mit den Junggrammatik ern meistens im Detail. Man
wirft Wundt vor, daß er in Einzelheiten nicht auf dem neuesten Stand ist oder historisch ungenügend erforschte Sprachen herbeizieht, aber k einer versucht das Terrain der anderen Zunft zu besetzen. Das ist bei Anton Marty (1847—1914) (s. Art. 33) anders. Der war k ein historisch-vergleichender Sprachforscher, sondern systematischer Philosoph und der Schule Franz Brentanos (1838—1917) fest verbunden (vgl. über ihn Raynaud 1982). Ihm ging es ums Prinzip und nicht ums Brauchbare. Sein sprachphilosophisches Lebenswerk verzettelt sich in polemischer und detailseliger Wundtk ritik , andere Polemik en, u. a. mit Steinthal, Christoph Sigwart (1830—1904), Edmund Husserl (1859—1938) treten dagegen zurück . Es ist umständlich geschrieben und wenig rezipiert. Wundt hat den lästigen und ausfallenden Kritik er Marty k einer ausführlichen Antwort gewürdigt. Er hätte dann auch nicht bloß Einzelheiten, sondern seine tragenden Prinzipien verteidigen müssen, die in der Auseinandersetzung mit den Junggrammatik ern ganz unberührt geblieben waren. Marty schlachtet so manche heilige Kuh: er hält, wie die Brentano-Schule generell, Wundts Parallelisierung von Ausdruck sprozeß und ausgedrück tem Inhalt für eine Entgleisung; er vertritt die damals noch k etzerische Ansicht, daß die Desk ription der sprachlichen Formen und Funk tionen deren Geschichte nur insoweit einbeziehen solle, als sie das Funk tionieren der Sprachmittel tangiere, und er k ann damit zu den Wegbereitern einer synchronisch-beschreibenden Sprachwissenschaft gerechnet werden; er propagiert einen Bedeutungsbegriff, der zwischen dem vom Sprecher ausgedrück ten psychischen Inhalt und der Wirk ung des Gesprochenen auf den Hörer schwank t; er rehabilitiert die Verständigungsabsicht als ein Motiv der Sprachentwick lung. — Gerade das letzte Motiv ist geeignet, Wundts Einseitigk eit besonders k raß hervortreten zu lassen. Marty argumentiert, Ausdruck und Kundgabe des eigenen Seelenlebens dienten dem Sprecher primär dazu, das Seelenleben des Hörers ak tiv und prak tisch zu beeinflussen (Marty 1908, 284). Der Ausdruck sei durchaus k ein Selbstzweck . Damit orientiert sich dann aber auch für Marty die Struk tur und Leistung der Sprachmittel nicht mehr primär an der Struk tur des Ausgedrück ten, sondern an dem, was zur beabsichtigten Hörerwirk ung erforderlich ist (auf der gleichen Linie argumentiert Wegener gegen Wundt; vgl. Wegener 1885; 1902). Die stillschweigende Norm, nach welcher bei Wundt das Seelenleben des Sprechers sich möglichst
31. Wilhelm Wundt (1832—1920)
genau in der morpho-syntak tischen Ordnung des Gesprochenen spiegelt, wird restfrei aufgelöst. Sie wirk t aus Martys Sicht geradezu monströs. Ausgelesen werden im sprachlichen Verk ehr diejenigen Struk turmuster, die der Verständigungsabsicht ök onomisch und geordnet dienen. Den romantisch beeinflußten Sprachforschern, zu denen Wundt trotz seines physiologischen Hintergrunds in dieser Hinsicht zu rechnen ist, waren Verk ehr und Verständigungsabsicht bestenfalls Degenerationsmotive, die den ›eigentlichen‹ Sprachgeist abschleifen und verstümmeln. — Während also jeder Grund für eine stark e Isomorphie zwischen sprachlicher Repräsentation und repräsentiertem Inhalt für Marty entfällt, gerät dieser unversehens in die umgek ehrte Kalamität: die Struk tur des ausgedrüc k ten Inhalts ganz unabhängig vom sprachlichen Ausdruck beschreiben zu müssen. Denn dieser Ausdruck ist rein darstellungstechnisch und ohne Einfluß auf das dargestellte Denk en. Marty gehört in dieser Frage zu den wenigen, die im 19. Jahrhundert offen gegen Wilhelm von Humboldt (1767— 1835) (s. Art. 27) — bzw. gegen die k anonische Humboldtrezeption — auftreten, obwohl seine Ansicht von der ›inneren Sprachform‹ wiederum der Humboldtschen sicher näher steht als die Wundts. Als getreuer Schüler Brentanos, der nur unter Gewissensqualen von dessen Lehren geringfügig abweichen k onnte (vgl. die Einleitung, die Osk ar Kraus den Gesammelten Schriften Martys vorangestellt hat; Marty 1916—20), beschreibt Marty das sprachunabhängige Seelenleben ganz so wie sein Meister. Das heißt auch: Marty hat für das, was Wundt in der Evidenz des morphosyntak tischen Sprachbaus verank ert, gar k eine Evidenz. Seine Seelenlehre ist höchst spe k ulativ und entspricht methodologisch k eineswegs den Anforderungen der Zeit. Warum gerade aus dieser für rück ständig, neoscholastisch und reflexions-psychologisch geltenden Schule die Avantgarde der modernen Psychologie hervorgegangen ist, müssen die Psychologiehistorik er k lären. Die Sprachstruk turen sind für Marty planlose und unsystematische, vor allem aber: unvollständige Repräsentationen des ausgedrück ten Seelenlebens. Sie müssen in der Lage sein, so Marty, die Hauptk lassen und Hauptk ategorien des seelischen Geschehens für den Hörer zu differenzieren, lassen aber darüber hinaus viel Raum für Zufälliges und für Details, denen in der Struk tur des Innenlebens nichts entspricht (vgl. Funk e 1924; Knobloch 1984 b).
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— An Martys Ausführungen zum Begriff der inneren Sprachform läßt sich der theoretische Gewinn ablesen, den die deutliche Differenzierung von Bedeutung und Sprachform möglich macht: Was Marty zur ›inneren Sprachform‹ rechnet, ist die Gesamtheit derjenigen Eigenschaften der Lexeme und Baumuster einer Sprache, die diese plastisch, übertragbar und offen für neue Verwendungen halten. ‘Innere Sprachform’ meint die von der Sprachstruk tur selbst bereitgestellten Hilfen und Hinweise zur fallweisen Konstruk tion neuer Bedeutungen. Die ›innere Form‹ bildet gleichsam die Brück e zwischen der Lautgestalt und dem jeweils Gemeinten, sie ist ein rein sprachliches Phänomen, während das Gemeinte bzw. die Bedeutung für Marty eben universell und nicht sprachlich struk turiert ist. Der Begriff resümiert diejenigen Eigenschaften einer Sprache, die es ihr gestatten, mit einem begrenzten Symbol- und Verk nüpfungsvorrat eine unbegrenzte Menge von verständlichen Darstellungen zu erzeugen. Es sind aber für Marty, anders als in der modernen Linguistik , die bildlichen und die figürlich-k onstruk tiven Eigenschaften der sprachlichen Ausdrück e, die diese grenzenlose Plastizität der Sprachmittel erzeugen (vgl. wiederum Funk e 1924). Während Wundt nur in der historischen Dimension eine relative Ink ongruenz von äußerer und innerer Sprachform zuläßt (vgl. Wundt 1921 I, 447) — eine Ink ongruenz übrigens, die an der perfek ten Korrelation von außen und innen nichts ändert —, ist ein direk ter Schluß von den äußeren auf die inneren Formen für Marty nicht möglich. 5.2. Da Wundt auf Martys sprachtheoretische Kritik nicht geantwortet hat, ist man auf die Äußerungen angewiesen, mit welchen er die Grundsätze der Brentano-Schule pauschal abzufertigen pflegte. Wundt k ommt von der physiologischen Psychologie und hält sich an das Nachweisbare. Brentanos Art, Psychologie zu betreiben, mußte ihm als der Inbegriff des Überständigen erscheinen: ‘neoscholastische Reflexionspsychologie’ ist das Etik ett, das Wundt für diese Schule bereithält, eine der zahlreichen Spielarten von ›Vulgärpsychologie‹ (vgl. Wundt 1921 I, 28 f). Das Hauptk ennzeichen der Reflexionspsychologie ist für Wundt: die alltägliche Gewohnheit, Ergebnisse des subjek tiven Nachdenk ens über die seelischen Dinge in diese selbst hineinzutragen, zu unterstellen, das Ergebnis der nachträglichen Reflexion sei die Ursache der psychischen Erscheinung. Das trifft durchaus
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einen wunden Punk t der Brentano-Schule und der (im weiten Sinne) phänomenologischen Beschreibung des Bewußtseins, die man dort pflegte. Hier ist jedoch allein von Interesse, daß Wundt mit dem Reflexionspsychologie-Vorwurf in der Sprachtheorie j ede funktionale Sprachbeschreibung block iert und zu einer teleologischen erk lärt hat. Dafür ein Beispiel: Wundt (1921 I, 299) k ritisiert an den Kindersprachforschern seiner Zeit (namentlich an Wilhelm Thierry Preyer, Wilhelm Ament und Hippolyte Taine), daß sie die Ordnungen, welche sie nachträglich in den verschiedenen Verwendungen eines Kinderwortes herstellen, als quasi-logische und begriffliche Operationen in das Kind selbst verlegen: „Wenn wir nachträglich die verschiedenen Bedeutungen, die das Kind einem und demselben Wort im Verlauf der Zeit gibt, auf ihr logisches Verhältnis prüfen, so ergeben sich natürlich Verallgemeinerungen, Verengerungen [sic] und sonstige Umwandlungen der Begriffe. Diese Begriffsoperationen verlegt man nun in das Kind selber. Man nimmt an, dieses ändere den Sinn eines Wortes nach seinen Bedürfnissen und womöglich infolge einer Überlegung. Aber nicht nur erk lären sich alle jene Erfolge vollk ommen zureichend aus naheliegenden Assoziationswirk ungen, sondern sie sind auch gelegentlich von Erscheinungen begleitet, die direk t auf bestimmte Wahrnehmungsassoziationen hinweisen, während sie jeder Art logischer Reflexion widersprechen“ (Wundt 1921 I, 299).
Die Kritik an der ›Logisierung‹ und Intellek tualisierung des frühk indlichen Bedeutungserwerbs ist sicher gerechtfertigt. Aber allenthalben unterstellt Wundt denjenigen, die erlebnisunabhängige Funktionen psychischer Prozesse beschreiben, den gleichen reflexionspsychologischen Fehlschluß. Denn was nicht auf validierbare innere oder äußere Erfahrungsentsprechungen gebracht werden k ann, das ist für die Wundtsche Psychologie nicht in der Welt. Funk tionen haben k einen Platz in der psychischen Kausalität, wenn ihnen k ein Erfahrungs- oder Erlebnistatbestand entspricht. Darum mußten Wundt nicht nur die seelischen Elementarphänomene der Brentano-Schule völlig fremd bleiben, die sich nach Martys Verständnis fragmentarisch und unsystematisch im Sprachbau spiegeln, auch zum funk tionalistischen Sprachdenk en Martys und Wegeners findet er k einen Zugang. Wenn Marty den Sprachen einen ›Hang zur Ausdruck sök onomie‹ attestiert, dann ist das für Wundt die k lassische reflexionspsychologische Entgleisung, gibt es doch einen solchen Hang nirgends originär in den Sprechern, sondern nur in der Reflexion post festum. Marty unterscheidet aber zwischen dem je-
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weils nächsten Ziel des Sprechens: der Verständigung, und den plan- und absichtslosen Folgen, die sich für den Sprachbau daraus ergeben, daß alle immer ihr Verständigungsziel im Auge haben. Der morphosyntak tische Außenbau der Sprachen erscheint dann nicht mehr als möglichst lück enloser Abdruck eines k orrelativen Innen, vielmehr gilt er als Resultante ganz unterschiedlicher Kräfte, die erst einmal entmischt und sortiert werden müssen: Zufall, Tradition, Ausdruck sök onomie, Abdruck der seelischen Grundphänomene. Auch erlaubt der äußere Sprachbau k einerlei Rück schlüsse mehr auf die geistige Organisation der Völk er oder Individuen. Wenn am Denk en nicht alles ausgedrück t werden muß, dann findet man in den Sprachen auch k eine sicheren Hinweise auf die Eigentümlichk eiten des Denk ens, das in ihnen zum Ausdruck k ommt und das für den psychologischen Universalgrammati k er Marty ohnehin einheitlich und nichtsprachlich ist. Während Wundt (1922 II, 440 ff) schon die Wertungsfreude stark drosselt, die sich noch bei Steinthal mit der ›inneren Sprachform‹ verbindet (mit Geringschätzung für die vermeintlich ›formlosen‹ Sprachen und Lobeshymnen für Griechisch und Sansk rit ob deren perfek ter Form; vgl. Steinthal 1860), wischt Marty den ganzen Vorsatz beiseite, man k önne die Eigentümlichk eiten des Denk ens einer Nation aus der Sprachform ableiten. Man vergleiche hierzu Otto Broens (1913, 49 ff), der Wundt gegen Marty in Schutz nimmt, indem er, Wundts proteusartig wendige Formulierungs k unst nutzend, immer auch eine Stelle findet, die der von Marty gegebenen Deutung widerspricht. Auch die k rude Abfertigung, die Broens (1913, 61) für Martys Bestehen auf einer Funk tionsbeschreibung der Sprachmittel und auf der Trennung von ‘desk riptiv’ und ‘genetisch’ bereithält, gibt einen Eindruck davon, wie wenig Marty verstanden wurde: „Wundt stellt eine psychologische Frage, bei der eine solche Trennung von descriptiv und genetisch nicht anhängig ist: Welches ist der Grund, dass der naiv Sprechende ein Sprachmittel gerade ‘so’ gebraucht? Dass das Sprachmittel überhaupt eine Funk tion habe, ist dabei dem naiv Sprechenden garnicht bewusst. Das ist schon eine nachträgliche Reflexion [...]“ (Broens 1913, 61).
6.
Wundt und George Herbert Mead
Über das Werk und die theoretischen Wurzeln Meads haben wir die gründliche Darstellung von Hans Joas (1980), der auch Meads Aus-
31. Wilhelm Wundt (1832—1920)
einandersetzung mit Wundt berück sichtigt (s. Art. 52). Es ist Wundts Lehre vom Affek tausdruck und von den Gebärden, von der Mead ausgeht, zunächst unk ritisch und referierend, später aber dann unter Umwälzung der ganzen Wundtschen Prinzipienlehre (Joas 1980, 95 ff). Zunächst ist der Laut eine ak ustisch-artik ulatorische Ausdruck sgebärde unter anderen Ausdruck sphänomenen und wie diese auch geeignet, den ihr zugrundeliegenden Affek t gleichfalls im wahrnehmenden Artgenossen anzuschlagen. Wundt stattet die ausdruck srelevanten Affek te von Anbeginn auch mit Vorstellungsgehalt aus, legt also den Keim zur Sprachentwick lung schon in die elementaren Ausdruck sbewegungen. Bei Mead entwick elt sich aber Wundts Übereinstimmung der Affek te zur Komplementarität der sozialen Verhaltensweisen. Auch nutzt Mead extensiv einen Nebengedank en von Charles Darwin (1809—1882), der bei Wundt gleichfalls nur am Rande ank lingt: Bestimmte Ausdruck sgebärden seien darum bedeutsam, weil sie als gehemmte oder anderweitig stehengebliebene Anfangsphasen sozialer Handlungen eben diese symbolisierten; Darwin freilich sah nicht den semiotischen Wert der rück gebildeten Zweck handlungen und blieb ganz im Umk reis der Ausdruck slehre. Die erhobene Faust steht für Kampf und Schlag, die hinweisende Gebärde ist ein reduzierter Rest der Greifbewegung, die sich des Gegenstandes bemächtigen möchte, k urz: die Ausdruck serscheinungen gelten als Rudimente von Zweck tätigk eiten und k ommen dazu, diese Tätigk eiten zu bedeuten (vgl. zu diesem Komplex Bühler 1933 a). Mead k ommt allmählich dazu, nicht mehr den Ausdruck swert der Gesten und Gebärden (bzw. ihren Affek tgehalt) als entscheidend zu betrachten, sondern ihren Signalwert für die gegenseitige Verhaltensabstimmung von Artgenossen (vgl. Graumann 1983/84). Aus der Ausdruck slehre wird wieder eine (sozialpsychologische) Eindruck slehre, aber eine, die entschieden Abstand nimmt von der stillschweigenden Voraussetzung Wundts, Eindruck und Ausdruck seien streng k orrelativ und spiegelsymmetrisch. Freilich findet man auch bei Wundt (vgl. z. B. 1921 I, 259 ff) die Tatsache anerk annt, daß der Auslösewert des Affek tausdruck s relativ eigenständig werden k ann, aber er beeilt sich doch hinzuzufügen, daß auch in diesem Falle der Gefühlsausdruck entscheidend bleibt. Anders ist die Lage bei Mead: hier führt der k onsequente Rück gang auf die soziale Handlung bzw. auf die wechselseitige Verhaltensab-
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stimmung auch zu einer theoretischen Neubewertung der Affek te selbst. Sie erscheinen nicht mehr als irreduzible Elementarphänomene, sondern als Ergebnisse der ›synk opierten‹, aufgestauten, abgebrochenen Handlung (Joas 1980, 101 f). Indem Gesten und Gebärden für Mead nicht mehr primär ›Inneres‹ bedeuten (sei es Affek te oder Vorstellungen), sondern ihre Funk tion bestimmt wird durch die Beziehung auf ›Äußeres‹, i. e. die soziale Handlung, werden auch Wundts ›mentalistische‹ Voraussetzungen aufgelöst (vgl. Peters 1983, 113 ff). — Für eine Einschätzung der Verdienste Wundts ist es wichtig, daß Mead, an ihn ank nüpfend, zu einer sozial-k ommunik ativen Theorie des Bewußtseins k ommt, anstatt wie Wundt die Gesellschaftslehre zu einem Anwendungsfall der Psychologie zu machen. Das logische Verhältnis beider Disziplinen verk ehrt sich: Mead erk ennt, daß die spezifisch menschlichen Bewußtseinsformen von der spezifischen k ommunik ativ-symbolischen Vergesellschaftung der Individuen herrühren und nicht einfach von der Sprache als einer hypostasierten völ k erpsychologischen Form. Von daher ist die Völk erpsychologieKontroverse zwischen Wundt und Paul bei ihm (im Hegelschen Sinne) ›aufgehoben‹. Joas (1980, 98) schreibt, daß es Mead darauf ank omme, „die Sozialwissenschaft [...] als Voraussetzung und nicht als Anwendungsgebiet einer Psychologie aufzuweisen“. — Graumann (1983/84) hat darauf aufmerk sam gemacht, daß Mead den Wundtschen Handlungsbegriff k onsequent sozialpsychologisch fortentwick elt. Für die Ausdruck sbewegungen k ennt Wundt drei verschiedene psychophysische Stufen: „die des automatischen, ohne jede Beteiligung des Bewußtseins auftretenden Reflexes, die der einfachen Triebbewegung, endlich die der willk ürlichen Handlung — Formen, die sich dann noch mannigfach miteinander verbinden, weil Willenshandlungen stets zugleich von eingeübten automatischen Mitbewegungen begleitet werden“ (Wundt 1921 I, 76 f).
Es ist ganz deutlich, daß für Wundt entscheidend bleibt, was eine Bewegung gewissermaßen ›von innen‹ her gesehen ist, während Mead später, wenn er über Wundt hinausgeht, den Status der Bewegung durch ihre Stellung in der sozialen Handlung bzw. in der Verhaltensabstimmung definiert. Auch die Handlung selbst wird dabei vom Wundtschen Willens k onzept abge k oppelt und ›sozialisiert‹. Ganz wie Bühler (vgl. 7.) bleibt auch Mead der evolutionär-genetischen Denk weise
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Wundts verpflichtet, wie von Graumann (1983/84) herausgestellt. Auch Mead versucht eine lück enlose Herleitung der höheren, symbolisch-sprachlichen Kommuni k ation aus den einfachen wechselseitigen Verhaltenssteuerungen in der Interak tion geselliger Tiere. Jede Gebärde gehört in drei verschiedene Bezugssysteme: die Beziehung auf den Produzenten, die Beziehung auf den Rezipienten und die Beziehung auf die resultierende Verhaltens k oordination (vgl. Graumann 1984, 230 ff). Der Übergang zum ›signifik anten Symbol‹, zur spezifisch menschlichen Form der symbolischen Kommuni k ation, liegt für Mead da, wo erst die Reak tion des Rezipienten den Produzenten auf die ›Bedeutung‹ seines Verhaltens verweist (und damit das Symbol zum gesellschaftlichen Träger dieser immer k ollek tiven ›Bedeutung‹ macht). Diese Eigenschaft haftet nicht ausschließlich, aber bevorzugt an der ›Lautgebärde‹, die auch äußerlich dem Produzenten und dem Rezipienten prinzipiell in der gleichen Weise (ak ustisch nämlich) gegeben ist. Die Lautgebärde hat es daher leicht, auf den Produzenten genauso zu wirk en wie auf den Rezipienten, während man z. B. davon ausgehen k ann, daß das Zähnefletschen — oder auch das Bellen — eines Hundes im rezipierenden Artgenossen nicht die gleiche Reak tion auslöst wie im produzierenden. Solche Ausdruck serscheinungen haben daher auch zur resultierenden sozialen Handlung bzw. Verhaltensk oordination ein anderes Verhältnis: sie k önnen sie zwar steuern, aber nicht ›bedeuten‹ (s. Art. 116). — Es ist aufschlußreich, daß Mead mit seiner sozialpsychologischen Sprachtheorie am anderen Ende des Wundtschen Systems ansetzt als Paul, Delbrück oder Marty es tun: am elementaren Ausdruc k sgeschehen und nicht bei der Satzbildung und den im engeren Sinne sprachwissenschaftlichen Fragen. Für eine k onsequent handlungsorientierte Sprachauffassung gibt Wundt nichts mehr her, sobald die psychologisierende Gebildelehre die Darstellung bestimmt. Diese letztere bleibt nämlich streng bezogen auf die Bewußtseinspsychologie mit ihren monologischen Voraussetzungen. Mead läßt k einen Zweifel daran, daß er diese Voraussetzungen nicht mehr teilt: „Die Untersuchung des Sprachprozesses — seiner Ursprünge und Entwick lung — ist ein Gebiet der Sozialpsychologie, weil er nur im Hinblick auf die gesellschaftlichen Verhaltensprozesse innerhalb einer Gruppe sich gegenseitig beeinflussender Organismen verstanden werden k ann; weil er eine der Ak tivitäten einer solchen Gruppe ist. Der Philologe bedient sich jedoch oft der Perspek tive des Gefangenen in einer Zelle. Der Gefangene weiß, daß sich
andere in der gleichen Situation befinden, und möchte mit ihnen Kontak t aufnehmen. Somit erfindet er eine Kommunik ationsmethode, irgendeine willk ürliche Angelegenheit, vielleicht das Klopfen an der Mauer. Nach dieser Ansicht ist jeder von uns in seiner eigenen Bewußtseinszelle eingeschlossen. Und da man weiß, daß es auch andere auf diese Weise eingek apselte Menschen gibt, entwik k elt man Möglichk eiten zur Verständigung mit ihnen./The study of the process of language or speech — its origins and development — is a branch of social psychology, because it can be understood only in terms of the social processes of behavior within a group of interacting organisms; because it is one of the activities of such a group. The philologist, however, has often tak en the view of the prisoner in a cell. The prisoner k nows that others are in a lik e position and he wants to get in communication with them. So he sets about some method of communication, some arbitrary affair, perhaps, such as tapping on the wall. Now, each of us, on this view, is shut up in his own cell of consciousness, and k nowing that there are other people so shut up, develops ways to set up communication with them“ (Mead 1968, 44 f).
Aus Meads Perspek tive ist es der Hauptfehler Wundts, daß er von Anfang an die bewußtseinspsychologischen Voraussetzungen bei den Individuen macht, anstatt zu untersuchen, wie der gesellschaftliche Verk ehr mit seinen besonderen Formen der symbolischen Kommunik ation das Bewußtsein erst hervorbringt.
7.
Wundt und Karl Bühler
Als Bühlers psychologische Laufbahn k urz nach der Jahrhundertwende begann, war Wundt die beherrschende Figur der ak ademischen Psychologie. Von den denk psychologischen Versuchen des jungen Schülers von Oswald Külpe (1862—1915) bis zur Ausdruckstheorie von 1933 hat Bühler immer wieder an der Auseinandersetzung mit Wundt die eigenen Gedank en erprobt (vgl. Ungeheuer 1984; Graumann 1983/84; Knobloch 1984a) (s. Art. 38). Namentlich in der Axiomatisierung der Sprachtheorie dürften Programm und Fazit dieser Auseinandersetzung in folgendem Satz zum Ausdruck k ommen: „An gescheiterten großen Systemversuchen nachzuweisen, woran sie letzten Endes gescheitert sind, ist aufschlußreich; und gerade an Wundts Versuch ist sehr viel zu lernen“ (Bühler 1933 a, 11). Was die gesellschaftliche und semiotische Fundierung der Sprachtheorie angeht, ist Bühlers Transformation des Wundtschen Systems (obwohl sie ganz anders
31. Wilhelm Wundt (1832—1920)
ansetzt) mit der Meadschen durchaus vergleichbar. Sie geht jedoch darin entschieden weiter, daß sie die Gebildeprobleme des Sprachbaus im Rahmen der Überlegungen zur Darstellungsfun k tion neu behandelt (Bühler 1934), Probleme, die Mead einfach liegenläßt. Auch Bühler sucht den Quellpunk t der sprachlichen Semantik nicht in der monologischen Beziehung des Ausgedrück ten zum Ausdruck , sondern in der Organisation des Gemeinschaftslebens (Bühler 1927, 38 ff). Wie weit sich der Bühler der 20er und 30er Jahre von den bewußtseinspsychologischen Voraussetzungen Wundts entfernt hat, wird deutlich an den Einwänden, die er gegen die Wundtsche Fassung des Ausdruck sprinzips formuliert: Welchen Sinn hätte die Annahme, das introspek tiv faßbare Erleben des einen werde dem anderen faßbar im Spiegel seiner k örperlichen Begleiterscheinungen, eben des Ausdruck s (Bühler 1933 a, 134)? Nach der Funktion dieses durchgehenden Zusammenhangs habe Wundt nicht gefragt (Bühler 1927, 33; 41 ff). Nur das aber sei am Ausdruck eigenständig entwick lungsfähig, was gleichzeitig geeignet und berufen sei, als Zeichen für das Verhalten anderer Gesellschaftsglieder zu fungieren, deren Verhalten zu steuern. Diese letztere Funk tion sei aber an sich logisch unabhängig davon, ob in der Gebärde ein Zumutesein des Individuums zum Ausdruck k omme oder nicht. Anders gesagt: das soziale Steuerzeichen für das Verhalten anderer genießt logisch und genetisch Priorität gegenüber dem Erlebnisausdruck . Erst wo der Erlebnisausdruck selbst zu einer sozial relevanten Größe wird, da ist „die Stelle der Theorie, wo der Wundtsche Grundgedank e in modifizierter Form einzufügen ist“ (Bühler 1927, 41). Bühler hat sich auch darüber geäußert, wie diese Modifik ation aussehen k önnte. In der eigenständig publizierten Axiomatik der Sprachwissenschaften (Bühler 1933 b, 82 ff) berichtet er von der ausdruck spsychologischen Forschung am Wiener Institut und von den Schlußfolgerungen, die er für die Sprachtheorie daraus gezogen sehen wollte: Die Ausdruck sphänomene sind semiologisch unabhängig von der Darstellungsfunk tion, und sie k önnen sich all dessen im Sprechen bedienen, was darstellungstechnisch nicht genutzt wird (Prinzip der abstrak tiven Relevanz). „Die Darstellung operiert mit Ordnungszeichen, während der Ausdruck zu den Anzeichen gehört“ (Bühler 1933 b, 83); und schließlich plädiert Bühler für ›Innerlichk eit‹ als zweites Relationsfundament der Aus-
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druck srelation. Das richtet sich gegen Heinz Werners (1890—1964) Sprachphysiognomik , welche die Ausdruck squalitäten der Worte an ihrer Nennfunk tion festmacht (also an ihrer Darstellungsleistung) und gegen die ubiquitäre Deutung aller Lebensäußerungen als ›Ausdruck ‹ bei Wundt. Im Ausdruck smonismus liegt nämlich der tiefere Grund dafür, daß Wundts Beitrag zur Semantik der natürlichen Sprachen so eigentümlich arm bleibt. Peters (1983, 62) spricht gar von einer „quasisemantische(n) Relation von Inhalt des Bewußtseins und Darstellung dieses Bewußtseins in äußeren Zeichen“ und meint die gleiche Sache. Die ausschließliche Beziehung der Sprachzeichen auf Inhalte des Bewußtseins als ihre (vermeintlich homologen und homomorphen) Korrelate schneidet die Frage nach der Vielfalt semantischer Leistungen, nach den Relationsfundamenten dieser Leistungen, nach der Verank erung von ›Bedeutung‹ im gesellschaftlichen Prozeß von vornherein ab. — Von dieser Warte analysiert Bühler die Grundlagen des Wundtschen Systems und k ommt zu dem Ergebnis, daß es nicht auf einer einheitlichen Axiomatik beruht. Das erste Kapitel in Wundts Werk (Die Ausdrucksbewegungen), so Bühler (1933 a), sei ganz und gar naturwissenschaftlich, solipsistisch und individualistisch aufgebaut, das zweite hingegen (Die Gebärdensprache) sei sachgemäß fundiert auf den Prinzipien der Sprachwissenschaft; hier allein gehe es um den sozialen Verk ehr, um die Verständigung mithilfe von Sprachzeichen (Bühler 1933 a, 130 f). Und, so lautet Bühlers äußerst k ritische Konsequenz, das sachgemäß angelegte zweite Kapitel sei in Wundts Prinzipienlehre nirgends zu fundieren, in ihm scheine etwas durch, was Wundt gar nicht beabsichtigt habe: eine ›Ak tionstheorie des Ausdruck s‹ (Bühler 1933 a, 131). In der Tat hatte Mead just dies schon Anfang des Jahrhunderts aus den Wundtschen Andeutungen gemacht, was Bühler indessen offenbar nicht bek annt war. Sinn hat Bühler auch für die wissenschaftssoziologische Dimension des Wundtschen Systementwurfs: das quasi-naturwissenschaftliche, zur physiologischen Psychologie gehörige Kapitel über die Ausdruck sbewegungen erlaubt es Wundt, die experimentellen Arbeiten seines Leipziger Instituts auch als Fundament der Sprachtheorie zu nehmen (Bühler 1933 a, 10). Wundts System erzeugt eine Kontinuität zwischen den elementaren Begleiterscheinungen physiologischer Prozesse und der Menschensprache, eine Kontinuität, die wissenschafts-
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politisch wirk sam, aber in der Sache nicht zu halten ist. Auch Bühler verzichtet freilich nicht auf ein ›Tieferlegen‹ der sprachtheoretischen Fundamente. Er baut jedoch nicht mehr auf erlebnis- und bewußtseinspsychologischem Grund, sondern auf ein semiotisches Zweiersystem von Zeichengeber und Zeichenempfänger und auf die Steuerung gemeinschaftlicher Angelegenheiten durch ›semantische Einrichtungen‹ schon im Tierreich. Nicht näher einzugehen brauche ich hier auf die denk psychologische Kontroverse zwischen Wundt und dem jungen Bühler. Sie ist zwar sprachtheoretisch bedeutsam, aber bereits hinreichend oft dargestellt (vgl. Knobloch 1984a, 247—271; 1988, 493—513; Ungeheuer 1984); man vergleiche auch die Literatur zur Geschichte der Denk psychologie, z. B. bei Klaus Holzk amp (*1927) (1980), der jedoch Wundts Völk erpsychologie mißverständlich darstellt und sie mit Möglichk eiten k reditiert, die sie so nicht hat. Die Geschichtlichk eit und Gesellschaftlichk eit individuellen Denk ens — darum geht es Holzk amp — wird aus Wundts Perspek tive gerade nicht faßbar. Bleibt nachzutragen, daß eine wesentliche Leistung der Würzburger Denk psychologen über Wundt hinaus darin bestand, den sprachlichen Denkvorgang und den sprachlichen Formulierungsvorgang stärk er auseinanderzuziehen. Denn beide bilden ja eine vollständige Einheit in der Wundtschen Analyse und Resynthese einer ›Gesamtvorstellung‹, und beide folgen, hat man einmal den kommunikativen Sinn der sprachlichen Darstellungsmittel anerk annt, durchaus eigenständigen Logik en. Zu nennen sind hier (außer Bühler 1907/8) vor allem die Arbeiten von Otto Selz (1881— 1943) (1913; 1922), dessen subtile Analyse verschiedener Formulierungstechni k en auch der von Wundt für die einzig seligmachende gehaltenen einen Platz anweist (vgl. über Selz die Dissertation von Seebohm 1970). Beide, Bühler und Selz, setzen damit eine Linie der Wundt-Kritik fort, die schon bei Marty beginnt: die Linie der zunehmenden Distanzierung von sprachlichem Ausdruck (als Prozeß) und ausgedrück tem Inhalt. — Ausführlich setzt sich Bühler noch einmal in der Sprachtheorie (Bühler 1934, 236 ff) mit Wundts Kasuslehre auseinander (vgl. Ungeheuer 1984, 38—45; Knobloch 1988, 370—379). Wundt macht den interessanten Versuch einer allgemeinen Kasuslehre von seiner im ersten Band der Logik entwick elten Theorie der Begriffsbeziehungen her. Er unterscheidet zwischen Begriffsbeziehungen, die sich aus der Natur
II. Personen
der verk nüpften Begriffe heraus von selbst verstehen (›Kasus der inneren Determination‹), und solchen, bei denen das nicht der Fall ist, also ein synsemantischer ›Beziehungsbegriff‹ präzisierend eintreten muß (Wundt 1922 II, 60—135). Die letzteren werden vermittelt durch ›Kasus der äußeren Determination‹. Implizit ist hier der Parallelismus verlassen und die darstellungstechnische Natur der grammatischen Stru k turen aner k annt. Bühler hat für seine Symbolfeld-Theorie viel von diesem Kapitel der Wundtschen Sprachpsychologie profitiert. Die morphologisch basierten Kasustheorien seiner junggrammatischen Zeitgenossen übertrifft Wundt bei weitem: seine Überlegungen zielen auf einen allgemeinen k asustheoretischen Rahmen, der es erlaubt, die einzelsprachlichen Spielräume für die morphosyntak tische Ausgestaltung der k asuellen Sphäre vorherzusagen. Wundts Kasuslehre ist, ähnlich wie sein Beitrag über die Gebärdensprache, auch heute noch mit viel Gewinn zu lesen. Das hängt ohne Zweifel damit zusammen, daß es in beiden Fällen Verständlichk eitsprobleme sind, die ihn bewegen und ihn aus seiner monologischen Ausdrucksoptik herausführen.
8.
Wundt und Ernst Cassirer
Die Beziehung zwischen Ernst Cassirers (1874—1945) (s. Art. 37) Philosophie der symbolischen Formen (1923—1929) und Wundts Völkerpsychologie ist gleichzeitig eng und weit. Auf der einen Seite spiegelt bereits der Aufbau des großen Cassirerschen Werk s die Orientierung am Programm von Wundts Völk erpsychologie, auf der anderen Seite wird der sprachtheoretische Psychologismus schon im Vorwort grundsätzlich abgelehnt. Auf der einen Seite spiegeln die vier großen Kapitel des ersten, der Sprache gewidmeten Bandes deutlich die Ausdruc k saxiomati k Wundts (Die Sprache in der Phase des sinnlichen Ausdrucks, Die Sprache in der Phase des anschaulichen Ausdrucks, Die Sprache als Ausdruck des begrifflichen Denkens. Die Sprache als Ausdruck der logischen Beziehungsformen), auf der anderen Seite verweist schon der Titel der Philosophie der symbolischen Formen auf den bei Wundt gerade fehlenden systematischen sematologischen Fundierungsversuch (zur Einführung in Cassirers Sprachauffassung vergleiche man Arens 1969, 524—531; Langer 1965; Göller 1986). Nur wo die Sprache ihn gebieterisch drängt, unternimmt Wundt sematologische Anstrengungen, neben
31. Wilhelm Wundt (1832—1920)
den genannten Beispielen (Gebärdensprache, Kasuslehre) interessanterweise besonders in der Logik. Cassirer ak zeptiert aber offenbar eine Psychologie des Wundtschen Typs als empirische Basis seiner eigenen Symbolphilosophie. Während die historisch-vergleichenden Sprachwissenschaftler die allgemeine Evolution der Wort- und Lautformen untersuchen, ruht Cassirers Interesse auf der allgemeinen Evolution der symbolischen Formen der Sprache(n). Von der ausdruck sseitigen Materialisierung verlagert sich die Aufmerk samk eit auf die innere Formung unserer Auffassung durch die sprachlichen Technik en. Das verbindet den Völk erpsychologen und den neuk antianischen Philosophen. Das Nebeneinander von sinnlichen, anschaulich raum-zeitlichen (deik tischen) und abstrak t begrifflichen Orientierungen in den symbolischen Technik en der natürlichen Sprachen verwandelt er in ein logisches Nacheinander, in eine Entwick lungsreihe hin zum höheren, wie es Heyse und Steinthal hegelianisch und wie es Wundt ausdruck spsychologisch und evolutionistisch vorgemacht hatten. Was überhaupt ›vorgestellt‹ werden k ann, bedarf für den Kantianer einer symbolischen Form, unter der es vorgestellt wird, und die natürlichen Sprachen sind die symbolischen Formen des Vorstellens par excellence. In diesem Sinne zieht auch Cassirer eine Art sematologisches Zwischendeck in den Wundtschen Parallelismus ein, einen Gedank en, den Peters (1983) ausführlich von den unterschiedlichen Begriffslehren Wundts und Cassirers her erläutert. — Trotz Wundts vehementer Kritik am ›Psychologismus‹ — dafür gelten ihm vor allem die Lehren von Ernst Mach (1838 —1916) und Hermann Helmholtz (1821—1894), die das Denk en auf letzte einfache Empfindungselemente zurück führen — gerät er selbst gegenüber Cassirer in die Rolle des ›Psychologisten‹, weil ihm die ausgedrück te Innenwelt primär, der sprachliche Ausdruck sek undär ist. Für den Kantianer hingegen k onstituiert erst die Sprache eine innere Erfahrung als geordnete, verfügbare und in sich zusammenhängende. Wundts Psychologismus besteht daher (so Peters 1983, 43) in der Umdeutung sprachlich-logischer Regeln in substantiell psychologische Prozesse. Das muß man freilich einschränk en, denn Wundt hat jede Substantialisierung des Psychischen immer abgelehnt. Kein einzelner Erfahrungs-, Vorstellungs-, Begriffsak t schöpft nach seiner Ansicht ein Wort aus, das Wort organisiert vielmehr immer eine ak tuelle und einmalige Synthese als Teilvor-
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stellung aus einem jeweils bestimmten Gedank en. Es k ann bei jeder Verwendung eine andere Vorstellungsreihe auslösen (vgl. Wundt 1893 I, 43). Wundts Psychologismus scheint mir vielmehr im Kern darin zu bestehen, daß ihm die ›innere‹ Erfahrung evident, unmittelbar und gewiß, die ›äußere‹ hingegen indirek t, vermittelt und ungewiß vor k ommt. Bei Wundt überwiegt (mit einigen Einschränk ungen) die Richtung ‘von innen nach außen’: Wenn sich das Denk en nach außen zur Mitteilung wendet, dann nimmt es mit der sprachlichen Form auch ein allgemeines Geltungspostulat an (vgl. Wundt 1893 I, 98). Das Denk en wird objek tiv in der sprachlichen Mitteilung, es erhält in der Mitteilung eine Form, die Geltung beansprucht. Bei Cassirer hat das Vorstellen und Denk en von vornherein eine sprachliche Form und daher auch von vornherein eine gesellschaftlich gültige Organisation. Die Differenz ist freilich relativ, und ein ‘entweder — oder’ gibt es hier nicht. Was Cassirer über die Aphasien als allgemeine Störungen des Vorstellungsvermögens schreibt (vgl. Peters 1983), läßt sich vom heutigen Wissensstand k eineswegs halten. Nicht alle Erfahrungsorganisation zerfällt umstandslos mit dem Verlust des Sprachvermögens. — Vorgedacht findet Cassirer die betont ak tive und organisierende Rolle der Sprache für das gesamte Vorstellungsvermögen natürlich bei Humboldt, und in psychologisierter Form bei Steinthal. Auch der erk lärt den psychologischen Begriff ‘Vorstellung’ als eine ak tive Zusammenfassung von Merk malen der sinnlichen Erfahrung durch das einzelsprachliche Wort (vgl. Steinthal 1871). Sprachphilosophisch bedeutsamer scheint mir jedoch, wie Cassirer Wundts problematischen Parallelismus von Innen und Außen, von Ausdruck und Ausgedrück tem in der Sprache weiterdenk t. In den sprachlichen Ausdruck sbewegungen, so Cassirer (1953 I, 125), sind Außen und Innen, physische Bewegung und seelisches Erleben, so sehr eins und indifferent, daß man k eine Seite ohne die andere betrachten k ann. Jede Seite wird, was sie ist, erst durch die andere. Im weiteren Fortgang, der streck enweise erstaunlich eng an Wundts Sprache entlang führt, hebt Cassirer die symbolisch-darstellenden Gebärden gegenüber den nachahmenden Wundts stärk er hervor. Als strik ter Gegner jeder Abbildungstheorie betont er die ›Vorgestaltung‹ unserer Erfahrungswirk lichk eit durch die Sprachsymbole und nicht so sehr die ›Nachgestaltung‹. Über
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II. Personen
Cassirer reicht Wundts Einfluß indirek t bis zur Sprachinhaltsforschung Leo Weisgerbers (1899—1985) (s. Art. 58).
9.
Schluß
Der Sprachphilosoph Wundt ist nicht weniger schwer zu fassen als der allgemeine Philosoph und Psychologe. William James (1842 —1910), der freilich mehr bei Wundt geborgt hat als er zugibt, schreibt 1887 über ihn in einem Brief an Carl Stumpf (1848—1936): „He aims at being a sort of Napoleon of the intellectual world. Unfortunately he will never have a Waterloo. [...] Cut him up lik e a worm, and each fragment crawls; there is no noed vital in his mental medulla oblongata, so that you can’t k ill him all at once“ (Richards 1980, 42).
Die fast unglaubliche Vielfalt der von Wundt besetzten Themen und Positionen vexiert damals wie heute. Wundt ist physiologischer Psychologe und Geisteswissenschaftler, er ist naturwissenschaftlicher Materialist und idealistischer Systemdenk er und gleichzeitig scharfer Kritik er des philosophischen Idealismus. Seine Publik ationsthemen reichen vom Kochsalzgehalt des Harns über Nervenphysiologie, Sinneswahrnehmung, Methodenlehre, Logik , Ethik bis zu Kunst, Recht, Sprache und Gesellschaft. Selbstverständlich findet man in einem Werk dieses Umfangs Schwank ungen und Uneinheitlichk eiten, aber die Axiomatik des Systems ist erstaunlich stabil über die Zeit. Insgesamt imponiert Wundts Sprachauffassung als Synthese der Hauptströmungen des 19. Jahrhunderts. Mit der Ansicht, am Anfang der Sprachen stehe der Ausdruck der Gemütsbewegungen und nicht etwa die Koordination des Verhaltens oder andere Zweck verhältnisse, wurzelt Wundts System noch tief in der Romantik (s. Art. 13). Von Steinthal, dem k ritischen Verehrer und Fortführer Humboldts, übernimmt Wundt den ›systematischen Ort‹ der Sprache im Aufbau der Bewußtseinserscheinungen: als Höhepunk t und Abschluß der Individualpsychologie und als Auftak t zur Völk erpsychologie. Steinthals Psychologie, meist, und auch von ihm selbst, als ‘herbartianisch’ apostrophiert, ist ein Gemisch aus sensualistischen, hegelianischen und herbartianischen Elementen. Wundt ersetzt sie durch sein eigenes System. Der spek ulative Entwick lungsgedank e Steinthals — die empirischen Sprachen erscheinen, wie auch bei Heyse, als Entwick lungsstufen der allgemeinen ›Sprachidee‹ — wird durch den modernen Darwinschen Evolutionsge-
dank en zeitgemäßer ersetzt: Sprache im allgemeinen ist die spezifisch menschliche Evolutionsstufe der Ausdruck sbewegungen und die Einzelsprachen sind nach äußerer Form und Organisation ein getreuer Spiegel des Denk - und Vorstellungsverlaufs, der im Sprechen zum Ausdruck k ommt. An dieser Stelle integriert Wundt das reiche Material, das die historisch-vergleichende Sprachforschung zusammengetragen hatte und auch die immer zahlreicher werdenden Studien über außereuropäische Sprachen. Von Beck er und seiner näheren Umgebung borgt Wundt die Satzlehre samt ihrer engen Beziehung zur psychologistischen Logik . So scheinen fast alle Fäden des Jahrhunderts bei ihm zusammenzulaufen. Aber auch in ihren Versäumnissen ist Wundts Sprachtheorie ganz ein Kind des 19. Jahrhunderts. Sie ist antisemiotisch und achtet die pragmatischen Zweck e sprachlicher Kommuni k ation gering (vgl. Ungeheuer 1984), sie verabscheut den Funk tionalismus und betrachtet das Bewußtsein als einen in sich geschlossenen Zusammenhang von Erlebnissen, der sprachlich ›zum Ausdruck k ommt‹. Die durchgehende Bindung dieses Erlebniszusammenhangs an sichtbare und ›symptomatische‹ Körperbewegungen ist ein unbewiesener und unbeweisbarer Obersatz, der gleichwohl in der Psychologie dem ungemein fruchtbaren sensomotorischen Prinzip Bahn gebrochen hat. — Einen großen Reiz hat auf die Zeitgenossen, denen ja die Anerk ennung der Sprachforschung als ›harte‹ empirische Wissenschaft am Herzen lag, der Umstand ausgeübt, daß mit dem Wundtschen System die eigene Arbeit fundiert schien in der physiologischen und höheren Psychologie der Zeit. Wundt hat die zeittypische Synthese aus Natur- und Geisteswissenschaft verk örpert wie kein zweiter.
10. Literatur in Auswahl 10.1. Primärliteratur Wundt 1863, Vorlesungen über die Menschen- und Thierseele. Wundt 1883, Über psychologische Methoden, in Philosophische Studien 1. Wundt 1885, Essays. Wundt 21893, Logik, Bd. 1 (Erkenntnislehre). Wundt 1901, Sprachgeschichte und Sprachpsychologie, mit Rücksicht auf B. Delbrücks Grundfragen der Sprachforschung. Wundt 1911, Probleme der Völkerpsychologie.
32. Charles Sanders Peirce (1839—1914)
Wundt 1920, Erlebtes und Erkanntes. Wundt 1921/22, Völkerpsychologie, Bd. 1 (I, II: Die Sprache). [1900] Wundt 1873/74, Grundzüge der physiologischen Psychologie. Wundt 151922, Grundriß der Psychologie. [1896] Wundt, E. 1927, Wilhelm Wundts Werk. Ein Verzeichnis seiner sämtlichen Schriften. Delbrück 1901, Grundfragen der Sprachforschung, mit Rücksicht auf W. Wundts Sprachpsychologie erörtert. Wegener 1991, Untersuchungen über die Grundfragen des Sprachlebens. [1885]
10.2. Sekundärliteratur Arnold 1980, Wilhelm Wundt — Sein philosophisches System. Bringmann/Tweney (Hg.) 1980, Wundt-Studies. A centennial collection. Graumann 1983/84, Wundt — Mead — Bühler. Zur
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Sozialität und Sprachlichk eit menschlichen Handelns, in Karl Bühlers Axiomatik, Graumann/Herrmann (Hg.). Knobloch 1984a, Sprachpsychologie. Ein Beitrag zur Problemgeschichte und Theoriebildung. Knobloch 1988, Geschichte der psychologischen Sprachauffassung in Deutschland von 1850 bis 1920. Meischner/Metge (Hg.) 1980, Wilhelm Wundt — Progressives Erbe. Wissenschaftsentwicklung und Gegenwart. Mischel 1970, Wundt and the conceptual foundations of psychology, in Philosophy and Phenomenological Research 31. Peters 1983, Cassirer, Kant und Sprache. Ernst Cassirers ‘Philosophie der symbolischen Formen’. Ungeheuer 1984, Bühler und Wundt, in BühlerStudien, Bd. 2, Eschbach (Hg.). Woodward 1982, From the Science of Language to ›Völkerpsychologie‹: Lotze, Steinthal, Lazarus, and Wundt.
Clemens Knobloch, Siegen (Deutschland)
32. Charles Sanders Peirce (1839—1914) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Die Zeichentheorie von Peirce und die Sprachphilosophie Kategorienlehre und Zeichentheorie Semantik Ausdruckslehre Pragmatik Pragmatizismus versus Syntaktiszismus und Semantizismus Literatur in Auswahl
Die Zeichentheorie von Peirce und die Sprachphilosophie
Sprachphilosophische Analysen im engeren Sinne (d. h. Analysen von Wortsprache und formalen Sprachen) erscheinen bei dem amerik anischen Pragmatisten Charles Sanders Peirce immer eingebettet in den größeren Rahmen semiotischer Überlegungen. Analysen, wie diejenige von Yehoshua Bar-Hillel (1954, 359 ff) bezüglich indexik alischer Ausdrück e, die allmählich den engeren Sprachbegriff der analytischen Philosophie um semiotische Fragestellungen (vgl. u. a. auch die Aufsätze von Hector-Neri Castañeda, z. B.
1967, 85 ff, zu den Indik atoren) erweiterten, standen schon einige Jahrzehnte zuvor im Zentrum Peirceschen Interesses. Eine Einschränk ung auf rein wortsprachliche oder formalsprachliche Untersuchungen k am für Peirce deshalb nie in Frage. So hatte Peirce z. B. im Falle der indexik alischen Zeichen (für eine genaue Analyse vgl. 3.2.) genau erk annt, daß einige nichtsprachliche Zeichen (etwa Wetterhähne) genauso verwendet werden k önnen wie wortsprachliche Zeichen. Die Breite der Analyse verband sich hier mit seinem pragmatischen Ansatz, der die Verwendungsweise von Zeichen, nicht ihre vorgängige ontologische Klassifizierung in Wortgruppen, zum Hauptgegenstand der Untersuchung erk lärte. Diese pragmatische Betrachtungsweise mußte erst recht den Rahmen sprachphilosophischer Untersuchungen zur Semiotik hin öffnen, die dann als eine die traditionelle Sprachphilosophie umgreifende Wissenschaft noch angeben k ann, welche Verwendungsweise von Zeichen Gegenstand der Sprachphilosophie im engeren Sinne ist (s. Art. 114). Orientiert sich Peirce am Anfang seines Schaffens noch sehr stark an Fragestellungen
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II. Personen
und Lösungsversuchen der Tradition, so löst er sich zumindest im Bereich der Zeichentheorie in den achtziger Jahren immer stärk er von diesem Ausgangspunk t, um, veranlaßt von auftretenden sachlichen Problemen, sein System zeichentheoretischer Unterscheidungen immer weiter zu differenzieren. Da allein schon aufgrund der philologischen Aufbereitung des Materials (von der historischen k ritischen Gesamtausgabe Peirce 1982 ff sind bisher erst vier Bände erschienen) die historische Entwick lung der semiotischen Überlegungen von Peirce hier nicht nachgezeichnet werden k ann, soll im folgenden eine systematische Behandlung der zentralen semiotischen Unterscheidungen versucht werden, wie Peirce sie in den differenzierten Analysen des Spätwerk s (also nach 1900) ausgearbeitet hat. Als eine ›systematische‹ Auseinandersetzung mit der Peirceschen Semiotik bemüht sich diese Darstellung sowohl um die Explik ation des terminologischen Zusammenhangs der betreffenden Unterscheidungen wie um sachgemäße Lösungsvorschläge für Problemstellungen, die sich aus dem Peirceschen Ansatz ergeben, um so diesen Ansatz als begründet zu erweisen. Die für beide Aufgaben notwendige Beschreibungssprache wird dabei schrittweise im Text eingeführt (s. Art. 120). — Die Zeichentheorie wurde von Peirce, der immer bemüht war, Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Sachgebieten durch Klassifik ationen sichtbar zu machen, in seinem späten Werk mit der Logik identifiziert (CP 1.186 ff) und damit den normativen Wissenschaften zugeordnet, zu denen er noch die Ethik und Ästhetik rechnete. Den normativen Wissenschaften ist die Phänomenologie vorgeordnet. Ihre zentrale Aufgabe besteht darin, die Kategorien bereitzustellen, die den Zeichenbildungsprozeß steuern sollen. Aufgrund dieses engen Zusammenhangs zwischen Zeichentheorie und Kategorien wird zunächst die Kategorienlehre von Peirce skizziert.
2.
Kategorienlehre und Zeichentheorie
Die Kategorien sind Metaprädik ate und gehören der Reflexionsstufe an, auf der wir unser Handeln, ink lusive Sprachhandeln, verstehen wollen, indem wir den Zusammenhang zwischen unseren Repräsentationsweisen und den repräsentierten Gegenständen, unseren Zeichen und der Welt, zu k lären versuchen. Als Metaprädik ate repräsentieren sie gemäß der ›Pragmatischen Maxime‹ (vgl. 3.3.) Metahandlungen, nämlich solche Handlungs-
schemata, die bei der Entwick lung von Zeichensystemen und der dabei erfolgenden Konstitution von Gegenständen auf die jeweils zu unterscheidenden Ebenen aufmerk sam machen (Peirce, Ms 13,7; vgl. Ms 439,9 f; vgl. Greenlee’s ›Factorial categories‹, 1973, 40 f). — So repräsentiert die Kategorie der Zweitheit den Vollzugsaspek t von Handlungen. Sie macht auf unser fak tisches In-Beziehung-Setzen zu unserer Umwelt aufmerk sam (CP 5.45). Da dieses In-Beziehung-Setzen als eine Relation zwischen zwei Objek ten beschrieben werden k ann, ordnet Peirce der Kategorie der Zweitheit als Repräsentationsform die dyadische Relation zu. Das Ziel des Menschen ist es aber nach Peirce, sich seines fak tischen Tuns bewußt zu werden und es durch Feststellung von Gesetzmäßigk eiten rational zu k ontrollieren. Damit dies gelingt, ist eine eindeutige Gliederung der Handlungsebene durch symbolische Repräsentation der Handlungsschemata notwendig (CP 5.121). Auf diesen begrifflichen Aspek t von Handlungen verweist die Kategorie der Drittheit. Als Repräsentationsform entspricht ihr die triadische Relation, weil bei der Beschreibung begrifflicher Beziehungen nicht nur die Relation zwischen der begrifflich verwendeten Zeichenhandlung und dem Objek t thematisiert werden muß, sondern auch noch die Relation der betreffenden Zeichenhandlung zu anderen Zeichen des Zeichensystems. Dem Zusammenhang zwischen den Umgangsformen mit den Gegenständen und den Gegenständen, wie er auf der zweiten Stufe vollzogen und der dritten Stufe artik uliert wird, geht eine Ebene ungegliederter Handlungsphänomene voraus, Handlungsphänomene, die, weil sie für Gliederungen offen sind, die Basis für den anschließenden Prozeß der Zeichen- und Gegenstandsk onstitution sind (CP 6.185). Auf diesen Phänomenbereich macht die Kategorie der Erstheit aufmerk sam. Da auf dieser Stufe k eine Trennung in Sprache und Welt beziehungsweise in einzelne Objek te vorliegt, also k eine Relationen bestehen, sondern nur mögliche Gliederungsgesichtspunk te bereitgestellt werden, werden diese mit einstelligen Prädikaten beschrieben.
3.
Semantik
Im Zentrum von Peirces Pragmatismusprogramm steht die Pragmatische Maxime, die auch für die folgenden Überlegungen als Leitlinie dienen soll. Sie lautet in der frühen Fassung von 1878:
32. Charles Sanders Peirce (1839—1914)
„Consider what effects, that might conceivably have practical bearings, we conceive the object of our conception to have. Then, our conception of these effects is the whole of our conception of the object“ (CP 5.402).
Die Pragmatische Maxime bestimmt also den Bedeutungsgehalt von Begriffen durch die möglichen Handlungszusammenhänge, die der Begriff involviert (vgl. dazu genauer 3.3.). Um die Relevanz und die Tragweite dieser Maxime einschätzen zu k önnen, müssen folgende Punk te berück sichtigt werden. Erstens wird durch die Pragmatische Maxime nur der ›rationale‹ Gehalt, „rational purport“ (CP 5.412), von Zeichen, und zwar nur einer bestimmten Art von Zeichen, nämlich den symbolisch verwendeten Zeichen, festgelegt. Und Begriffe sind nach Peirce symbolisch verwendete Zeichen (CP 2.302). Weder wird etwas über andere Bedeutungsaspek te noch die Bedeutung anderer Verwendungsarten von Zeichen ausgesagt. Zweitens soll die Bedeutung von Symbolen durch Handlungsschemata expliziert werden, wobei offen bleibt, wie die Gliederung in Handlungsschemata erfolgt. Auf der Ebene symbolisch verwendeter Zeichen, für die die Pragmatische Maxime entwick elt wurde, steht also auf der einen Seite ein gegliederter Zeichenbereich und auf der anderen Seite ein Bereich gegliederter Handlungen zur Verfügung. — Die zentrale These, die die folgende Darstellung belegen soll, lautet nun, daß Peirce durch die Ausdifferenzierung seiner zeichentheoretischen Unterscheidungen in ik onische und indexik alische Verwendungsweisen von Zeichen neben der symbolischen in seinem Alterswerk die semiotischen Mittel zur Verfügung gestellt hat, die den Zusammenhang zwischen einer ungegliederten Basis von Handlungsphänomenen und der von der Pragmatischen Maxime vorausgesetzten Gliederung in symbolische Zeichen und gegliederte Handlungsschemata zu explizieren erlauben. 3.1. Die ikonische Zeichenverwendung: die sinnliche Gliederung der Welt Das ik onische Zeichen bezeichnet seinen Gegenstand aufgrund einer Qualität, die ihm selbst als Gegenstand (d. h. nicht als Zeichen) zuk ommt (CP 2.276; 2.92). An einigen Stellen versucht Peirce diese Beziehung zwischen Zeichen und Gegenstand noch genauer als ›Ähnlichk eitsrelation‹ zu bestimmen (CP 2.247; 2.255; 2.276). Danach repräsentiert das Zeichen seinen Gegenstand, weil es ihm ähnlich ist, das heißt, weil es mit ihm in einer oder
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mehreren Eigenschaften übereinstimmt. Diese scheinbare Präzisierung des Ik onbegriffs hat aber erhebliche systematische Probleme zur Folge. Entweder repräsentiert dann nämlich jeder Gegenstand jeden anderen ik onisch, da sich immer eine Eigenschaft finden läßt, in der zwei Gegenstände übereinstimmen, und sei es eine so allgemeine Eigenschaft wie ›Gegenstand-Dieser-Welt‹ (vgl. auch Greenlee 1973, 73 ff). Oder man versucht, die Ähnlichk eitsrelation zu k onventionalisieren, wie dies etwa Nelson Goodman (Goodman 1976, 10 ff) vorschlägt. Die ik onische Relation z. B. zwischen einem Bild und dem abgebildeten Gegenstand liegt dann nicht aufgrund der Übereinstimmung von Eigenschaften schlicht vor, vielmehr wurde sie von dem Zeichenbenutzer aufgrund von Konventionen, die in einer Kultur bestehen, gelernt. Scheitert der erste Vorschlag an systematischen Bedenk en, so erweist sich der zweite als ungeeignet zur Klärung der Peirceschen Intentionen, da nach Peirce die k onventionelle Zeichenverwendung gerade ein auszeichnendes Kriterium für die Symbolstufe ist. Diese systematischen Schwierigk eiten führen auch in der Sek undärliteratur zu divergierenden Stellungnahmen, die von der Ausk lammerung der Probleme durch Annahme einer schlicht bestehenden Ähnlichk eitsrelation (Goudge 1969, 142) bis zur Angleichung ik onischer Zeichen an symbolische Zeichen reichen (Greenlee 1973, 77 ff); eine Zwischenposition zwischen diesen beiden Extremen nimmt John Joseph Fitzgerald ein (1966, 45 ff). — In den späteren Schriften finden sich bei Peirce folgerichtig Stellen, wo er auf die Konventionalität der Ähnlichk eitsbeziehung aufmerk sam macht und diese Aspek te als nichtik onisch mark iert (CP 2.92). Und es gibt in einem Manusk ript, das etwa aus dem Jahre 1904 stammt, den Versuch, völlig ohne die Ähnlichk eitsrelation bei der Bestimmung des Ik ons auszuk ommen. Die entscheidenden Sätze lauten: „It [the pure icon, B. M. S.] serves as a sign solely and simply by exhibiting the quality it serves to signify“ und „it possesses the quality signified“ (Peirce 1976, IV, 242 f).
Es fällt sofort auf, daß es sich bei dem ik onisch repräsentierten Gegenstand um eine Qualität, also einen allgemeinen Gegenstand, handelt. Danach k ann ein Bild zum Beispiel nicht eine abgebildete Person, also einen individuellen Gegenstand, ik onisch repräsentieren. Das ik onische Zeichen dagegen ist ein singulärer Gegenstand, wie Peirce am Beispiel des Diagramms in einem anderen Manusk ript
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feststellt (Peirce Ms 293,58). An die Stelle der Ähnlichk eitsrelation tritt hier die Veranschaulichung (›exhibits‹) einer Qualität durch das ik onische Zeichen, und zwar einer Qualität, die es selbst als ein sinnlicher Gegenstand (vgl. CP 4.447) besitzt. 3.1.1. In welcher Beziehung stehen nun diese systematischen Analysen und unsere eingangs gestellte Frage nach den pragmatischen Grundlagen der Semantik ? Zur Beantwortung dieser Frage müssen weitere Kontexte der Peirceschen Philosophie berück sichtigt werden. — Zu den Eck pfeilern der Spätphilosophie von Peirce gehört sein vor allem gegen René Descartes (1596—1650) gerichtetes Plädoyer für eine Common-Sense-Philosophy. Diese Auffassung von Philosophie verdank t sich der Einsicht, daß wir unser Philosophieren nicht von einem voraussetzungslosen Anfang beginnen k önnen, wie Descartes es versuchte, sondern immer vor dem Hintergrund einer Lebenswelt, in der wir schon über Handlungsweisen und Kenntnisse (es handelt sich noch nicht um Wissen, da dieses immer auf Wahrheit und Falschheit geprüft werden k ann) verfügen, die selbst nie auf ihre Richtigk eit hin befragt werden, sondern nach denen schlicht gehandelt wird (CP 5.498; 5.516). Philosophieren setzt dann als eine Reflexion auf diese Praxis ein, wenn Teile der Praxis, aus welchen Gründen auch immer, gestört sind, die unbefragten Handlungskenntnisse nicht mehr ausreichen oder nicht mehr ak zeptiert werden und damit, wie Peirce es formuliert, Zweifel entsteht (CP 5.512). Wird dieser Common-Sense-Ansatz mit dem Pragmatismusprogramm verbunden, so ergibt sich als das Ziel dieses Reflexionsprozesses die Rek onstruk tion von ›habits‹, im folgenden ‘Handlungsschemata’ genannt. Es wird eine Re k onstru k tion angestrebt, die rationales Handeln ermöglicht, indem sie unsere Handlungsvollzüge, im folgenden als ‘Aktualisierungen’ bezeichnet, gliedert und damit zu k ontrollieren erlaubt (CP 5.517; 5.487; zur Terminologie von Handlungsschema und Ak tualisierung vgl. Lorenz 1971, 171, im Anschluß an die Überlegungen von Wilhelm Kamlah) (s. Art. 77). Die Schemata sind allgemeine Gegenstände (CP 5.486), die nur in Form ihrer Ak tualisierungen, das sind singuläre Gegenstände, vorliegen, während umgek ehrt die Ak tualisierung nur als einem bestimmten Schema zugehörig identifiziert werden kann. In einem Manusk ript, in dem er seinen Pragmatismus darzustellen versucht, analy-
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siert Peirce, wie auf der Reflexionsebene die Konstitution eines Handlungsschemas gelingt (CP 5.478 f). Zunächst weist er darauf hin, daß die Konstitution neuer Handlungsschemata durch unerwartete äußere Erfahrungen, die mit den zur Verfügung stehenden Schemata nicht eingeordnet werden k önnen, in Gang gesetzt wird. Es besteht dann die Möglichk eit, durch wiederholte Ak tualisierungen ein neues Handlungsschema zu erlernen. Dabei handelt es sich um einen schlichten empirischen Erwerb des Schemas auf der Handlungs-, nicht der Reflexionsebene. Peirce spricht von einem ›inattentive habit‹. Soll der fak tische Handlungserwerb reflexiv gesichert werden, und darin besteht philosophische Tätigk eit, dann genügt nicht der bloße Vollzug eines Schemas, sondern das Schema muß in irgendeiner Form selbst zur Verfügung gestellt werden. Dies geht natürlich nur vermittels seiner Repräsentation, da auf der Handlungsebene immer nur seine Ak tualisierungen auftreten. Die entscheidende Stelle bei Peirce lautet: „by practising the different parts of the movement, while attentively observing the k ind of effort requisite in each part, he will, in a few minutes, catch the idea, and will then be able to perform the movements with perfect facility“ (CP 5.479).
Hier wird eine bestimmte Handlung, eine Bewegung, nicht nur ausgeführt, sondern mit der Ak tualisierung soll die Idee der Handlung, d. h. ihr Schemaaspek t, erfaßt werden. Möglich wird dies, indem die Handlung zum Gegenstand einer anderen Handlung wird, in unserem Falle einer Beobachtungshandlung. Diese letzte Art von Handlungen sollen ‘Anführhandlungen’ heißen. Systematisch gesehen handelt es sich bei den Anführhandlungen um die Transformation des passiven Aspek ts einer Handlungsausführung, des Erleidens einer Handlung, die sich auf der Ebene der Zweitheit ereignet, in eine selbständige ak tive Handlung. — Spätestens jetzt wird auch der Zusammenhang der semiotischen Analyse des ik onischen Zeichens mit diesen pragmatischen Überlegungen verständlich. Es handelt sich nämlich um eine ik onische Zeichenbeziehung zwischen der Ak tualisierung der Handlung und ihrem Schema. Aus dem geschilderten Beispiel wird zudem die Funk tionsweise des ik onischen Zeichens noch deutlicher. Die ausgeführte Bewegung dient nämlich unter der Anführperspek tive als Muster, das als ein Klassifi k ationsmittel die Gleichbehandlung von Handlungsak tualisierungen als demselben Schema zugehörig sichern soll. Das
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Muster zu verstehen, heißt das Schema fortsetzen bzw. weitere Ak tualisierungen als Ak tualisierungen desselben Schemas erk ennen zu k önnen. Wie gelingt aber die ›imagination‹ (CP 5.479) zuk ünftiger Ak tualisierungen mittels des Musters? Auch für diese Frage ist das Beispiel aufschlußreich: die k omplexe Handlungsak tualisierung des Musters wird mit sinnlichen Mitteln in Teile zerlegt, die aufgrund vergangener Erfahrungen erworben wurden. Dieser Bezug auf vergangene Handlungserfahrung k ommt wiederholt auch in Peirces Beispielen für ik onische Repräsentation vor. So wird z. B. die Feststellung ‘Es regnet’ getroffen mit Hilfe des Ik ons, das als ein Muster, „mental composite photograph“, aus allen bisherigen Regenerfahrungen des Sprechenden gebildet wurde (CP 2.438). Ik onische Zeichen sind also Klassifik ationsmittel der Reflexionsebene, die unter Bezug auf vergangene Handlungsvollzüge gebildet werden, um Handlungsa k tualisierungen als einem Schema zugehörig bestimmen und damit die Handlungsebene gliedern zu k önnen. — Was hier mit ›Muster‹ gemeint ist, entspricht Ludwig Wittgensteins (1889—1951) (s. Art. 39) Bestimmung der Sprachspiele als Vergleichsobjek te bzw. Maßstäbe (Wittgenstein 1953, § 131). Auch die Sprachspiele Wittgensteins dienen als Gliederungsmittel für unsere Praxis. Die Überlegungen von Wittgenstein wurden von Kuno Lorenz (1980, 7 ff) im Dialogischen Konstruk tivismus durch die Konstruk tion von dialogischen Lehrlernsituationen systematisch erweitert und differenziert. Diesem Ansatz verdank t die hier vorgeschlagene Peirce-Rek onstruk tion wesentliche systematische Mittel (vgl. dazu auch Scherer 1984, 57 ff). Der wesentliche Unterschied zwischen Peirce und der Wittgenstein/LorenzKonzeption ist das Fehlen einer ausgearbeiteten dialogischen Komponente bei Peirce, obwohl er allgemein den dialogischen Charak ter von Zeichenprozessen betont (Peirce Ms 499,44; Ms 498,25; Ms 498,27). 3.1.2. Bisher wurden schlichte Handlungen ik onisch rek onstruiert, aber auch die Rek onstruk tion von Zeichenhandlungen ist durch ik onische Repräsentation möglich. Dazu untersuchen wir die Anführhandlungen näher. Eine Anführhandlung bestand darin, eine Ak tualisierung als ik onisches Zeichen für das Schema zu nehmen. Zum Beispiel wird bei Schwimmen-Beobachten die Handlung des Schwimmens durch die Handlung des Beobachtens angeführt. Die Handlung des Be-
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obachtens wird dabei ausgeführt, nicht angeführt; in einem nächsten Schritt, einer Anführung zweiter Ordnung, k önnen jetzt auch diese Anführhandlungen angeführt und dadurch rek onstruiert werden. Zu den Anführhandlungen zählen neben Schwimmen-Beobachten solche Handlungen wie ‘Schwimmen’Sagen, Schwimmen-Zeigen, etc. — Peirces Beispiel für diese Anführung zweiter Ordnung ist der Fremdsprachenunterricht (CP 8.183). Wenn ein deutscher Schüler im Französischunterricht fragt ‘comment appelle-t-on ça?’ und dabei auf die Sonne zeigt, so verfügt er ja bereits über Anführhandlungen mit Sonne, wie Sonne-Beobachten, Auf-Sonne-Zeigen, etc., und wenn der Lehrer ihm daraufhin das Wort ‘soleil’ gleichsam ›ak ustisch vorzeichnet‹, dann repräsentiert dieses Wort ik onisch eine Anführhandlung, die die Identifik ation aller anderen Anführhandlungen mit Sonne erlaubt. Unabhängig vom Fremdsprachenunterricht k ann diese Anführung zweiter Ordnung zur Einführung von Zeichen dienen, die die Gleichbehandlung der Anführperspek tiven erster Ordnung garantieren. Bei diesen Zeichen handelt es sich in der Regel um Laute, die zunächst auch auf der ersten Stufe der Anführung auftreten, dann aber diesen gesonderten Status erhalten, weil sie zugleich mit allen anderen Anführperspek tiven auftreten und so deren Gleichbehandlung sinnlich repräsentieren k önnen. — Durch die Identifik ation der Anführhandlungen erster Ordnung eines Handlungsschemas ist dieses als eigener Gegenstand k onstituiert, der durch die Anführhandlung zweiter Ordnung, also in der Regel einer Sprechhandlung, repräsentiert wird. Auf der Grundlage der bisherigen Analyse ik onischer Zeichen k ann nun das Ähnlichkeitsproblem, wie es etwa bei Bildern auftaucht, neu thematisiert werden. Ein Bild repräsentiert zunächst nur solche Eigenschaften ik onisch, die es auch besitzt, also etwa bestimmte Farb-Form-Zusammenhänge. Welche seiner Eigenschaften es ik onisch repräsentiert, ist dabei von der Anführperspek tive abhängig, auf die das Bild aber selbst verweisen muß. Die Menge der durch ein Bild ik onisch repräsentierbaren Eigenschaften k ann vergrößert werden, wenn bestimmte Darstellungsk onventionen etwa bezüglich Personendarstellung berück sichtigt werden. Dann k ann ein Bild etwa die Eigenschaft ›Blonde-FrauMit-Krone‹ ki onisch repräsentieren. Das Ähnlichk eitsproblem tritt auch in diesem Falle noch nicht auf, da nur eine Eigenschaft,
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nicht ein individueller Gegenstand repräsentiert wird: „But a pure picture without a legend only says ‘something is lik e this’ “ (CP 8.183). Soll das Bild dagegen als Bild eines individuellen Gegenstandes behandelt werden, also etwa als Bild der Königin Elizabeth, dann muß es wie ein Satz gelesen werden (CP 8.183; vgl. 2.92). Der Titel des Bildes, der die Rolle des Satzsubjek tes übernimmt, referiert als Index auf einen Gegenstand, dem die durch das Bild ik onisch repräsentierten Eigenschaften mittels des Satzes zugesprochen werden. Der Satz hat als ein Symbol die Funktion, den Zusammenhang zwischen indexik alisch referiertem Gegenstand und ik onisch repräsentierten Eigenschaften zu artik ulieren. Von dem Bestehen einer Ähnlichk eitsrelation zwischen Bild und repräsentiertem Gegenstand k ann also erst auf der Symbolebene gesprochen werden, die ik onisch repräsentierten Eigenschaften geben dabei nur die Basis für die Ähnlichkeit ab. 3.2. Die indexikalische Zeichenverwendung: die Stufen der Referenz und die Konstitution individueller Gegenstände Mit den bisher bereitgestellten systematischen Mitteln k önnen wir Handlungen und auch Zeichenhandlungen einführen, nicht aber individuelle Gegenstände, wie ein bestimmtes Haus, eine bestimmte Person etc. Dazu bedarf es indexik alisch verwendeter Zeichen (vgl. dagegen Helmut Papes Überlegungen, 1980, 148 f, wo die individuellen Gegenstände unabhängig von der Indexfunk tion vorausgesetzt werden). Bezüglich des Eigennamens unterscheidet Peirce drei Stufen indexik alischer Referenz (CP 2.329), denen sich seine übrigen Beispiele indexik alischer Zeichen zuordnen lassen. Diese drei Stufen erlauben die Konstitution der individuellen Gegenstände. 3.2.1. Erste Indexstufe: Die grundlegenden Merk male der ersten Indexstufe, der Stufe des genuinen Indexes, lassen sich am besten anhand von Beispielen k lären, in denen Handlungssituationen geschildert werden, da der genuine Index nur in solchen Situationen auftritt. Auch Peirce greift zu diesem Mittel (CP 2.287): Eine Kutsche nähert sich einem Fußgänger mit schnellem Tempo. Der Kutscher lenk t mit dem Ausruf ‘Hi!’ die Aufmerk samk eit des Fußgängers auf die herannahende Gefahr. Der Ausruf ist aufgrund folgender Merk male ein genuiner Index: erstens wird der ak ustische Laut, von dessen k onventionellen Aspek ten abgeblendet werden muß (je-
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der andere laute Schrei k önnte dafür eingesetzt werden), durch die Ak tualisierung auf der Handlungsebene zum Zeichen, indem die bestehende Situationsgliederung des Hörers unterbrochen und der Hörer zu einer neuen Situationsgliederung veranlaßt wird. Die ak ustische Eigenschaft des Lautes, die es ermöglicht, eine Disk ontinuität im Wahrnehmungsfeld des Hörers herzustellen, wird hier verwendet, um auf den betreffenden Gegenstand, die Gefahrensituation, aufmerk sam zu machen. Sowohl der genuine Index wie der indizierte Gegenstand, die Gefahrensituation, gehören der Handlungsebene an und sind Singularia (›existent individuals‹, CP 2.283), sie werden im Vollzug hergestellt, nicht von der Zeichenebene her beschrieben. Deshalb werde ich im folgenden, im Vorgriff auf eine später einzuführende Terminologie, von Zeichenund Situationstok en sprechen. Zweitens besteht zwischen dem genuinen Index und dem indizierten Gegenstand eine ›existentielle‹ Relation (CP 2.283). Die Gefahrensituation wird nämlich für den Interpreten des Zeichens erst durch den genuinen Index erzeugt. Unabhängig von diesem bestünde die betreffende Situation überhaupt nicht. Drittens ist der genuine Index als Gegenstand Teil des von ihm indizierten Ganzen, so daß seine Existenz die Existenz des Ganzen verbürgt (Peirce Ms 599,10). — Nach dieser Zusammenstellung der Bestimmungsstück e des genuinen Indexes soll nun seine Funk tion für die Referenz und die Gegenstandsk onstitution weiter gek lärt werden. Zu der Ebene des genuinen Indexes zählt nämlich auch eine bestimmte Verwendungsweise der Indikatoren, wie am Beispiel von ‘Hier’ deutlich wird. Wird ein Mann A in einem dunk len Raum gefragt: ‘Wo bist Du?’ und er antwortet mit ‘Hier!’, dann indiziert A den Ort, an dem er steht, mit den Ortseigenschaften, die der Index ‘Hier’ als ak ustischer Gegenstand hat. Die Aufmerk samk eit des Hörers wird in die betreffende Richtung gelenk t. Die semantischen Aspek te von ‘Hier’ sind in diesem Fall nicht relevant, jeder andere Laut k önnte denselben Zweck erfüllen. Allein der Vollzug der Sprechhandlung, ihre Ak tualisierung, stellt den Bezug zu dem Gegenstand, dem Ort des Sprechers, her. Die Semantik des k onventionalisierten Zeichens ‘Hier’ wird, ausgehend von dieser pragmatischen Basis, auf der nächsten Stufe entwick elt. — Wie schon aus den bisherigen Beispielen deutlich wurde, wird mit der Bezeichnungsweise ‘genuiner Index’ nicht eine bestimmte Zeichengruppe benannt, sondern
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eine bestimmte Verwendungsweise von Zeichen. Es k önnen nun alle Unterscheidungen, die auf der Ik onstufe eingeführt wurden, auf der Stufe des genuinen Indexes auftreten, wie man sich an folgenden Beispielen k larmachen k ann. Ein Vater spaziert mit seiner Tochter durch den Wald und erk lärt ihr die verschiedenen Baumarten. Plötzlich ruft die Tochter: ‘Siehe da, ein Reh!’. Hier spielt der ganze Ausruf die Rolle eines genuinen Indexes. Mit dem Ausruf wird k ein Gegenstand beschrieben, mit ihm wird nicht ein Wahrheitsanspruch erhoben — dann wären nämlich Zeichen- und Gegenstandsebene getrennt —, vielmehr gehört der Ausruf selbst der Handlungsebene an. Durch ihn wird eine Situation, nämlich eine Reh-Situation, hergestellt, der der Ausruf als Teil zugehört (Teil-GanzesBeziehung) und die unabhängig von ihm nicht bestehen würde (›existentielle‹ Relation). Statt der Wahrheitsfrage stellt sich nur die Frage des Gelingens der Sprachhandlung. — Waren es bei dem Ausruf ‘Hi!’ die ak ustischen Eigenschaften, bei dem Indik ator ‘Hier’ die Ortseigenschaften, die verwendet wurden, um die jeweiligen Gegenstände zu indizieren, so werden in unserem letzten Fall die semantischen Eigenschaften des Zeichens ‘Reh’, die das Zeichen auf der Ik onstufe erhalten hat, verwendet, um die Reh-Situation zu erzeugen. Es wird also nicht mit ‘Reh’ auf das Reh-Schema verwiesen, sondern der Zusammenhang zwischen dem Zeichen und dem Schema, der auf der Ik onstufe hergestellt wurde, wird als Eigenschaft des Zeichens verwendet, um eine Instanz des Schemas herzustellen. Auf der Ebene des genuinen Indexes sind die Instanzen des Reh-Schemas noch k eine Individuen. Die Individuation (s. Art. 83) gelingt erst mit Hilfe der nächsten Konstruktionsschritte. 3.2.2. Zweite Indexstufe: Angenommen, Instanzen des Mann-Schemas, wie großer Mann, blauäugiger Mann, schwarzhaariger Mann etc. wurden auf der ersten Ebene mit ‘William McKinley’ indiziert, d. h. meine Aufmer k sam k eit wurde in verschiedenen Handlungssituationen mit dem genuinen Index ‘William McKinley’ auf eine GroßerMann-Instanz etc. gelenk t. Ich sitze jetzt in einem Theater, zeige auf einen Mann und frage meinen Freund ‘Wer ist das?’. Der Freund antwortet ‘William McKinley’ (vgl. Peirce Ms 425b, 73 ff). Meine Zeichenhandlung ist in diesem Beispiel nach Peirce ein genuiner Index. Dagegen spielt der Eigenname eine Doppelrolle. Einerseits wird mit
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ihm eine William-McKinley-Situation hergestellt, insofern wird er als genuiner Index verwendet. Der Freund gebraucht aber auch den Namen, weil er weiß, daß ich diesen Namen bereits k enne. Er benutzt den Namen, um die Gleichbehandlung der durch den Namen indizierten Situation mit den mir bek annten Situationen sinnlich anzuführen. Noch etwas genauer: der Zusammenhang zwischen der Ak tualisierung des Wortes ‘William McKinley’, das in der k onk reten Situation als genuiner Index verwendet wird, und dem Wortschema repräsentiert ik onisch die Identifizierung zwischen der vorliegenden Situation und den vorhergehenden, in denen das Wortschema ak tualisiert wurde. Der Eigenname wird hier, wie Peirce an anderer Stelle sagt, als Ikon eines Indexes verwendet (CP 2.329). Die ik onische Verwendung der Indices erlaubt, abhängig von der jeweiligen Benutzung in Situationen, die Einführung von Untergliederungen der zunächst ik onisch eingeführten Schemata. Lorenz nennt diese Untergliederungen ‘Zwischenschemata‘ (Lorenz 1981, 51 f). In unserem Beispiel wird mit Hilfe des Namens ‘William McKinley’ die Gleichbehandlung einer Mann-Situation mit bestimmten anderen Mann-Situationen ki onisch repräsentiert und damit eine Untergliederung des Mann-Schemas bezogen auf Situationen erreicht. Wurde die Repräsentationsweise des genuinen Indexes mit ‘Indizieren’ bezeichnet, so schlage ich vor, im Falle des Ik ons eines Indexes davon zu sprechen, daß er die Zugehörigk eit der von ihm indizierten Instanz zum betreffenden Schema anzeigt, die ik onische Verwendung eines Indexes soll deshalb auch Anzeigezeichen heißen. Auch die Indikatoren (zu Indik ator vgl. N. Goodmann 1977, 263 ff; Castañeda 1967, 85 ff; Lorenz 1971, 213; Art. 79) k önnen als Ik one von Indices verwendet werden, wie wiederum das Beispiel von ‘Hier’ verdeutlicht. Wenn eine Person am Telefon zu einer anderen sagt ‘Hier ist schönes Wetter’, so k ann ‘Hier’ offensichtlich nicht unmittelbar aufgrund seiner ak ustischen Eigenschaften den betreffenden Ort indizieren. Der Indik ator repräsentiert aber in diesem Falle ik onisch die Gleichbehandlung dieser Situation mit den Situationen erster Stufe, in denen er aufgrund seiner ak ustischen Eigenschaft benutzt worden war, um einen Ort zu indizieren. Aufgrund dieser ik onischen Repräsentation des Indexes weiß der Hörer, daß ‘Hier’ den Ort anzeigt, an dem der Satz geäußert wird; um die Wahrheit des Satzes zu überprüfen, müßte
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sich der Hörer an diesen Ort begeben. — Auch nichtsprachliche Zeichen, wie etwa Wetterhähne, k önnen auf den zwei Indexebenen auftreten (CP 2.286). Als genuiner Index zieht der Wetterhahn aufgrund seiner Eigenschaft, in eine bestimmte Richtung zu ›blick en‹, die Aufmerk samk eit des Betrachters in diese Windrichtung. Hat der Betrachter mehrmals gesehen, wie sich der Wetterhahn in eine bestimmte Windrichtung dreht, dann weiß er in einer neuen Situation aufgrund der sinnlichen Identifik ation dieser Situation mit den vorhergehenden durch die Stellung des Wetterhahns die betreffende Windrichtung. Der Wetterhahn wird dann als Ik on eines Indexes behandelt. Peirce unterscheidet hier im Gegensatz zur Meinung von Arthur Walter Burk s (1948/49, 679) und Karl-Otto Apel (1975, 226) k lar zwischen der Ursache-Wirk ungsrelation bzw. einer dynamisch-physischen Relation einerseits und der Zeichenrelation andererseits. Deshalb würde er auch Umberto Ecos Analyse (1972, 47 ff) der elementaren Kommunik ation als eine Kommunik ation zweier mechanischer Apparate zurückweisen. 3.2.3. Dritte Indexstufe: Das Gleichsein bestimmter Instanzen des Mann-Schemas bezüglich des Anzeigezeichens ‘‘William McKinley’-heißen’ ist eine Äquivalenzrelation, die auf der zweiten Indexstufe ik onisch repräsentiert wird. Bezüglich dieser Äquivalenzrelation erfolgt auf der dritten Indexstufe eine Abstrak tion von den einzelnen Instanzen. Das dadurch entstehende Objek tschema wird dann durch den Namen ‘William McKinley’ benannt. Dieser Name ist nach Peirce ein Symbol „whose Interpretant represents it as an Icon of an Index of the Individual named“ (CP 2.329). Der Name k ann nun situationsunabhängig verwendet werden, er ist nicht mehr auf die Präsenz des jeweiligen Gegenstandes angewiesen. Gegenstandsebene und Zeichenebene sind völlig getrennt. Als Symbol ist der Name eingebettet in den Interpretationsprozeß der Symbolstufe (vgl. 3.3.). Der Interpretant des Namens besteht u. a. aus Zeichen, die Schemata repräsentieren, deren Instanzen durch den Namen in seiner Rolle als Ik on eines Indexes als gleich behandelt wurden. Der Interpretant repräsentiert somit die Genese des Namens. Zum Beispiel k ommt in der Definition: ‘William McKinley ⇋ großer, blauäugiger, schwarzhaariger Mann’ dem Definiens die Rolle des Interpretanten zu.
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3.3. Die symbolische Zeichenverwendung: der rationale Bedeutungsgehalt von Zeichen Die bisherigen Schritte erlauben uns, durch das sinnliche Verfahren der ik onischen Repräsentation Handlungen wie Zeichenhandlungen bereitzustellen, und durch die Indexfunk tion, ausgehend von der Handlungsebene, individuelle Gegenstände zu k onstituieren. Da aber gemäß der Kategorie der Drittheit im Zeichenprozeß das fak tische Gelingen von Handlungen wie Zeichenhandlungen rational rek onstruiert werden soll, sind die bisherigen Schritte noch unzureichend. Es fehlen Kriterien, nach denen die Zeichenbildung erfolgen soll. Ziel des Peirceschen Pragmatismus ist es, das anfängliche sinnliche Verfahren der Ik onebene durch ein rationales, durch Kriterien vermitteltes Verfahren zu ersetzen (CP 5.428). Dies gelingt auf der Symbolebene (CP 4.448), wo ein Zeichen in einen Interpretantenprozeß eingebettet wird, der durch Konventionen gesteuert wird. Erst dadurch wird die vom repräsentierten Gegenstand unabhängige Verwendung des Zeichens ermöglicht (CP 2.292; 2.297; 5.73; Peirce 1977, 33). Durch diese Einbettung in den Interpretantenprozeß tritt an die Stelle der sinnlichen Bedeutung der ik onischen Zeichen die begriffliche Bedeutung der symbolischen Zeichen. Zur Bestimmung dieser begrifflichen Bedeutung muß der Begriff des Interpretanten näher untersucht werden. Peirce unterscheidet nämlich drei Interpretantenarten: der ›unmittelbare Interpretant‹ (manchmal auch ‘emotional interpretant’ genannt, CP 5.475; vgl. dagegen die Interpretantenanalyse bei Fitzgerald 1966, 78 ff, und Robert Almeder 1980, 28 f) garantiert die Wiedererk ennbark eit des Zeichens. Die Zugehörigk eit einer bestimmten Zeichenak tualisierung zum betreffenden Zeichenschema wird durch eine Anführhandlung, z. B. ein bestimmtes Gefühl, sinnlich gesichert (CP 5.475; Peirce 1977, 110; Peirce Ms 318, 35 f). Der ›dynamische Interpretant‹ besteht in der auf der Handlungsebene stattfindenden Reak tion, die auf ein Zeichen in seiner Eigenschaft als Zeichen erfolgt, z. B. das Niederlegen von Waffen auf den entsprechenden Befehl (Peirce 1977, 110 f; CP 5.475). Kann der unmittelbare Interpretant die Rationalität der Zeichenbildung aufgrund seines sinnlichen Charak ters nicht garantieren, so ist der dynamische Interpretant ungeeignet, weil er ein fak tisches und k ein mittels Kriterien k ontrolliertes Ergebnis der Zeichenbildung
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darstellt. Es verbleibt der ›logische Interpretant‹. Er ist ein Zeichen, das aus dem Zeichen, dessen Interpretant er ist, vermittels einer Regel hervorgeht (CP 2.292; 5.476). Die Regel, die diesen Zeichenbildungsprozeß steuert und damit die Rationalität der Begriffsbildung garantiert, ist die Pragmatische Maxime. Wie bereits oben (vgl. 3.) ausgeführt wurde, soll bei der Bedeutungsexplik ation ein Begriff gemäß der Pragmatischen Maxime so in andere Begriffe umgewandelt werden, daß seine Handlungsrelevanz sichtbar wird. Damit ist nicht die Rück führung auf ak tuell vorliegende Handlungsak tualisierungen, wie etwa bei den Sinnesdaten des Wiener Kreises gemeint (vgl. dazu Goudge 1969, 155, und Sk agestads Vergleich der Pragmatischen Maxime mit dem Verifik ationsk riterium des Wiener Kreises, 1981, 102 ff), sondern auf begriffliche Handlungszusammenhänge (CP 5.402, A.3). Wie sieht nun das Umformungsverfahren genau aus? Nehmen wir Peirces Standardbeispiel, den Begriff ‘harter Gegenstand’, und formen ihn gemäß der Präzisierung der Pragmatischen Maxime aus dem Jahre 1905 um (in dieser Formulierung werden die Handlungsaspek te deutlicher sichtbar, vgl. CP 5.411), dann lautet ein Interpretant: ›Ein harter Gegenstand ist ein Gegenstand, für den gilt: Wenn wir seine Oberfläche mit einem Gegenstand berühren, nehmen wir wahr, daß er nicht geritzt wird‹. Hier wird also ein assertorischer Satz in einen k onditionalen Satz transformiert, dessen Vorderglied ein Handlungsschema und dessen Hinterglied ein Wahrnehmungshandlungsschema beschreibt. Über die ›Bedeutung des Begriffes‹ zu verfügen, heißt also, über das Wissen zu verfügen, das vorauszusagen erlaubt, mit welchen möglichen Wahrnehmungshandlungen zu rechnen ist, wenn bestimmte Handlungen ausgeführt werden. Hier wird auf der Symbolstufe mittels des logischen Interpretanten der Zusammenhang zwischen Ausführung einer Handlung und ihrer Anführung, der auf der Ik onstufe vollzogen wurde, beschrieben. Die Symbolstufe expliziert also einerseits die Genese des Zeichens. Andererseits wird diese Genese aber durch Kriterien, die den Interpretantenprozeß steuern, reguliert. Neben der bereits in den Frühschriften betonten ›Intersubjek tivität der Begriffsbildung‹ (CP 5.356; 5.402, A.2) lassen sich mehrere Kriterien eruieren, die unter dem Leitk riterium der ›Rationalität der Begriffsbildung‹ zusammengefaßt werden k önnen. Kriterium der Vollständigk eit: Alle denk baren Handlungsalternativen mit einem Gegen-
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stand müssen bei der Begriffsbildung berück sichtigt werden. Kriterium der Konsistenz: Alle Begriffe müssen in einen k onsistenten Zusammenhang gebracht werden (CP 5.457). Kriterium der Eindeutigk eit: Es dürfen k eine Zeichen benutzt werden, deren Bedeutung nicht eindeutig bestimmt ist (CP 5.6). Kriterium der historischen Verank erung: Die Terminologie sollte auf einen festen historischen Bezugspunk t zurück geführt und jede Neueinführung eines Terminus eigens begründet werden (CP 5.413). — Diese Kriterien sind als Normen zu lesen, die als Teil einer die Logik begründenden Ethik (CP 5.130) die rationale Kontrolle des Zeichenprozesses ermöglichen sollen. — Neben den logischen Interpretanten, die selbst Begriffe sind und die nach den genannten Kriterien erzeugt werden, spricht Peirce noch von einem letzten logischen Interpretanten (vgl. die divergierenden Interpretationen des letzten logischen Interpretanten bei Justus Buchler 1939, 111 ff, und George Vincent Gentry 1952, 75 ff). Dieser k ann nicht ein Begriff sein, sondern besteht in einem ›habit change‹, den Peirce wie folgt erläutert: „a modification of a person’s tendencies toward action, resulting from previous experiences or from previous exertions of his will or from a complexus of both kinds of cause“ (CP 5.476).
Nimmt man jetzt beide Bestimmungsstück e des letzten logischen Interpretanten zusammen, nämlich daß er in der Einstellung zum Handeln besteht und zu einer Klärung der Begriffe bezüglich ihrer Handlungsrelevanz führt, dann k ann er mit dem ganzen Interpretantenprozeß selbst identifiziert werden (vgl. dagegen Greenlee 1973, 121, und Fitzgerald 1966, 154). — Diese Konzeption des letzten logischen Interpretanten verhilft auch zu einem geeigneten Verständnis des summum bonum, das als ein ästhetisches Ziel des Zeichenprozesses angestrebt werden soll. Dieses Ziel besteht nicht etwa in dem Endpunk t des Prozesses, sondern in dem ganzen Prozeß der Zeichenbildung selbst, der mit sinnlichen Repräsentationsformen beginnt (vgl. die Ik onstufe), um dann in rational gesteuerte Zeichenprozesse, die ethischen Normen unterliegen, überzugehen (CP 5.433; vgl. Peirce M s 283,100).
4.
Ausdruckslehre
Zeichen k önnen in ihrer Funk tion als Zeichen nicht unabhängig von ihrem Repräsentationscharak ter, also ihrer Semantik , eingeführt
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werden, da sie sonst nicht von anderen Gegenständen zu unterscheiden wären. Nach erfolgreicher Re k onstru k tion der Semanti k k ann aber sehr wohl zweck s Untersuchung des Zeichenträgers von der Repräsentationsfunk tion der Zeichen abstrahiert werden. Man erhält dann nach Peirce drei verschiedene Rollen, in denen der Zeichenträger auftritt, nämlich als Ton, Token oder Typ. Peirce spricht auch von ›quali-sign‹, ›sin-sign‹ und ›legi-sign‹ (CP 2.243 ff; 4.537; Peirce 1977, 32). — Geht man von der bereits rek onstruierten Symbolebene aus und abstrahiert von der Bedeutung der Symbole, die ihnen gemäß der Pragmatischen Maxime zuk ommt, dann erhält man den Zeichentyp (CP 4.477; 2.293). Der Typ k ann als eine Regel für die Identifizierung der Tok ens, die zu ihm gehören, verstanden werden, während umgek ehrt die Tok ens als Materialisierungen des Typs auftreten (CP 2.293; 4.537). D. h. der Typ k ommt auf der Handlungsebene nur in Form seiner Tok ens vor, nur die Tok ens existieren. Dagegen ist ein Tok en nur bestimmbar als Tok en eines bestimmten Typs, nur der Typ hat Realität (CP 2.292). Diese Peircesche Unterscheidung zwischen Existenz und Realität ist von der Kategorienlehre her motiviert: Existenz k ommt dem zu, was sich auf der Handlungsebene in je einmaligen Situationen ereignet (vgl. Kategorie der Zweitheit), während Realität nur die Gegenstände haben, die durch den Zeichenprozeß als schematische Gegenstände k onstituiert werden (CP 5.107; 5.594 f). Beispiel: Kommt das Wort ‘Mann’ in einem Theaterstück in verschiedenen Szenen vor, so handelt es sich bei jedem Vork ommnis um ein Tok en desselben Worttyps. Nur die Tok ens k ommen in den Situationen vor, der Typ besteht in der Gleichbehandlung der Tok en, die, als eigene Gegenstände betrachtet, sehr wohl voneinander unterschieden sind. Das Beispiel verdeutlicht zudem, daß die Tok ens ihrerseits durch Abstrak tion von ihrem semantischen Pendant gewonnen werden k önnen, nämlich durch Abstrak tion von der Repräsentationsfunk tion indexik alischer Zeichen. Bei der Indizierung durch einen genuinen Index wird dieser ja als eine einmalige Instanz, ein Singulare, in dem betreffenden Handlungs k ontext behandelt. Wird nun von der Indizierungsfunk tion abstrahiert, dann erhält man ein Token. Peirces Chrak terisierung des Typs als eines Gegenstandes, der im Gegensatz zum Ton eine fest bestimmte Identität besitzt (Peirce 1977, 32) und der die Tok ens genau bestimmt
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(CP 4.537), k ann mit dem Instrumentarium, das Goodmans Analyse von Notationen zur Verfügung stellt, weiter präzisiert werden. Goodman legt in Languages of Art (1976, 130 ff) Kriterien fest, die Zeichen erfüllen, wenn sie einem Notationsschema angehören. Diese Kriterien betreffen die Tok en-›Beziehung‹ (im folgenden benutze ich Peirces Terminologie): (a) Zeichenindifferenz: Zwei Tok ens sind zeichenindifferent, wenn sie Tok ens desselben Zeichentyps sind und wenn k eines der beiden Tok ens zu einem Zeichentyp gehört, zu dem das andere nicht gehört. Auf der Grundlage dieser Äquivalenzrelation, wird dann der Zeichentyp als Abstrak tionsk lasse bezüglich seiner Tok ens bestimmt. (b) Endliche Differenziertheit: Hierbei handelt es sich um ein epistemologisches Kriterium, das die theoretische Unterscheidbark eit zweier Tok ens, die zu verschiedenen Zeichentypen gehören, sichern soll. — Da Zeichenindifferenz und endliche Differenziertheit die Identität des Zeichentyps und die eindeutige Beziehung des Zeichentyps zu den Tok ens garantieren, k önnen sie als Präzisierung der Peirceschen Charak terisierung der ›Tok en-Beziehung‹ verstanden werden. Ein Zeichentyp im Sinne von Peirce wäre dann auf der Grundlage von Goodmans Kriterien ein Zeichen in einem Notationsschema, während der ›Zeichenton‹, der nach Peirce wie der Zeichentyp ein Generale ist, gerade ein Zeichen ist, das k einem Notationsschema zugehört, weil k eine Identitätsk riterien vorhanden sind, so daß man von zwei Instanzen nie genau sagen k ann, sie gehörten zum selben Zeichenton (Peirce 1977, 32 f; CP 4.537). Der Zeichenton k ann durch Abstrak tion vom ik onischen Zeichen gewonnen werden. Auf der Ik onebene war ja der Zusammenhang zwischen ki onischem Zeichen und Objek t nicht k onventionell geregelt, das jeweilige Handlungsschema wurde mittels einer Instanz sinnlich angeführt. Deshalb war die Identität zwischen verschiedenen Instanzen und damit auch die Identität der jeweiligen Zeichenträger, also der Zeichentone, die durch Abstrak tion von der Repräsentationsfunk tion gewonnen werden, nie gesichert. — Der Vergleich mit Goodman, der zu einer Präzisierung der Peirceschen Bestimmungen diente, k ann aber auch helfen, das bisherige methodische Vorgehen besser zu verstehen. Goodman geht in seiner analytischen Betrachtungsweise von dem Vorliegen von Zeicheninstanzen und verschiedenen Zeichensorten aus und versucht dann Kriterien anzugeben, wie man diese Zeichensorten voneinan-
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der unterscheiden k ann, also, ob es sich etwa um Zeichen in einem Notationsschema handelt oder nicht. Die Frage, wie man diese syntak tischen Gebilde gewinnt, interessiert ihn nicht. Nach der Kategorisierung gemäß syntak tischer Kriterien erfolgt bei Goodman die Erweiterung um semantische Kriterien. Der vorhandene Zeichenbereich wird mit einem ebenfalls bereits k onstituierten Gegenstandsbereich k orreliert. Dagegen wird in der vorliegenden Peirce-Rek onstruk tion eine Genese vorgeschlagen, wie man, ausgehend von einem ungegliederten Handlungsbereich, Zeichen und Gegenstände als unterschieden rek onstruieren k ann. Da die Zeichen als Zeichen nie unabhängig von ihrer Repräsentationsfunk tion, dem semantischen Aspekt, gebildet werden k önnen, wurde der Zeichenträger, also der syntaktische Aspekt, erst anschließend durch Abstraktion gewonnen.
5.
Pragmatik
Ziel des Semantik k apitels war es, zwei voneinander getrennte Gegenstandsbereiche herzustellen, einen Zeichen- und einen Objek tbereich. Als semiotische Mittel wurden dazu Zeichen ik onisch, indexik alisch und symbolisch verwendet. Auf der Symbolstufe war die Trennung vollzogen. Der Zusammenhang des Zeichens mit seinem Gegenstand, der auf der Ik on- und Indexstufe wesentlich auf speziellen Zeichen-Gegenstands-Beziehungen beruhte, nämlich der Einzelnes-Allgemeines- und der Teil-Ganzes-Beziehung, k onnte auf den Symbolstufe nach vollzogener Trennung des Zeichens von seinem Gegenstand nur noch durch die Beziehung eines Zeichens zu anderen Zeichen, seinen Interpretanten, gesichert werden. Diese Interpretanten k önnen nun die verschiedenen Repräsentationsweisen, die von ik onischen, indexik alischen und symbolischen Zeichen vollzogen wurden, ihrerseits artikulieren, um so auf der Zeichenebene die verschiedene Genese der jeweiligen Zeichen zu repräsentieren. Daraus ergibt sich Peirces Unterscheidung von ›Rhema‹, ›Dicizeichen‹ und ›Argument‹ (CP 2.250 ff). — In der Zeichenverwendung bildet normalerweise der Hörer den Interpretanten zu den von dem Sprecher geäußerten Zeichen, denn Verstehen (s. Art. 94) besteht für Peirce gerade darin, daß sich durch Bildung eines Interpretanten, also eines neuen Zeichens, auf das Objek t des ursprünglichen Zeichens bezogen wird. Die Einteilung in Rhema, Dicizeichen und Argument k ann deshalb im Gegensatz zur Unterscheidung
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von Ik on, Index und Symbol, die gemäß dem Gegenstandsbezug des Zeichens erfolgte, als eine Einteilung des Personenbezugs von Zeichen gelten. 5.1. Rhema: Statt von Rhema spricht Peirce manchmal auch von Sumizeichen. Der Interpret eines Rhemas versteht dieses als Zeichen eines möglichen Objek tes, eines Schemas (CP 2.250). Etwas genauer: Das Rhema wird von seinem Interpretant als ik onisches Zeichen seines Gegenstandes, nämlich eines Schemas, repräsentiert (CP 2.317; 2.322). Damit wird der Gegenstandsbezug des Zeichens mit Mitteln des Personenbezugs artik uliert. Rhemata k ommen isoliert nicht vor. Sie treten immer als Teil von Propositionen auf, aus denen man sie durch Löschung der logischen Subjek te, das sind alle benennenden Ausdrück e, erhält (CP 3.420). Propositionen (s. Art. 87): Propositionen sind nach Peirce symbolische Dicizeichen (CP 2.320). Da die Propositionen offensichtlich auch für Peirce die wichtigste Sorte von Dicizeichen sind, werden nur sie im folgenden untersucht. Die Proposition wird von ihrem Interpretanten als genuiner Index eines von ihr unabhängigen Objek tes repräsentiert (CP 2.315). Bevor dies näher erk lärt werden k ann, muß die Binnenstruk tur der Proposition genauer erläutert werden. Dazu ist es hilfreich, einen Beispielsatz wie ‘Peter läuft’ zu disk utieren. Um diesen Satz als Proposition zu verstehen, muß von seinem Behauptungscharak ter, also dem Sprechak taspek t, abgeblendet werden (CP 2.315). Die Proposition hat dann einen Subjek t- und einen Prädik atteil. Diese syntak tische Gliederung der Proposition spielt, wie wir gleich sehen werden, eine wichtige Rolle. An Subjek tstelle steht nach Peirce ein Index oder, wie in unserem Falle, das Symbol eines Index, nämlich der Eigenname ‘Peter’. Der Eigenname benennt ein von der Proposition unabhängiges Objek t, von Peirce das ‘Primäre Objek t’ genannt (CP 2.311). An diesem Punk t wird der Unterschied der Proposition zur Indexstufe des vorhergehenden Kapitels und die Rolle der syntak tischen Gliederung der Proposition deutlich. Auf den drei Indexstufen wurde die Trennung des Zeichens von seinem Gegenstand und damit die Konstitution des Objek ts vollzogen. Davon wird jetzt Gebrauch gemacht. Das Primäre Objek t steht unabhängig von der Proposition zur Verfügung und nur ein Teil der Proposition nimmt auf es Bezug. Ermöglicht wird dies durch die Syntax der Pro-
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position, die als ein Index deren Gliederung in zwei Teile indiziert (CP 2.319) und damit z. B. verhindert, daß die ganze Proposition nur als genuiner Index verstanden wird. In diesem Falle würde nämlich der genuine Index einfach nur eine Peter-laufen-Situation indizieren und ‘Peter’ k önnte k ein eigenes Objek tschema benennen. — Die Prädik atstelle nimmt ein Rhema ein (CP 2.317). Das Rhema wird, wie erläutert, vom Interpretanten als ik onisches Zeichen seines Objek tes repräsentiert, d. h. das Rhema ist nicht der schlichte Vollzug einer ik onischen Zeichenbildung, vielmehr wird das Prädik at ‘laufen’ ›verstanden‹, wenn der Hörer weiß, wie ein geeignetes Muster des Handlungsschemas Laufen zur Verfügung gestellt werden k ann. Damit ist die Analyse der Proposition aber noch nicht abgeschlossen. Wie schon k urz angesprochen, wird nämlich die Proposition als Ganzes von ihrem Interpretanten als genuiner Index des Primären Objek tes repräsentiert und das heißt: Die Proposition wird verstanden, wenn der Interpret weiß, wie eine Situation beschaffen sein muß, so daß die Proposition in ihr als genuiner Index auftreten k ann. Diese Relation zwischen Proposition und Objek t nennt Peirce das ‘Sek undäre Objek t’ (CP 2.310 f). Der Zusammenhang zwischen der Binnengliederung der Proposition und ihrer semiotischen Rolle als Ganzes k ann jetzt wie folgt bestimmt werden: Die Proposition wird verstanden, indem, bezogen auf das durch das Subjek t benannte Gegenstandsschema (die Person Peter), vom Interpretanten eine Situation (Peter-Laufen) repräsentiert wird, die durch die Proposition als Ganzes indiziert wird und die als ein Muster des durch das Prädik at repräsentierten Schemas (Laufen) auftreten k ann (vgl. die Beispiele in CP 2.315). — Die Rolle der Proposition wird k larer, wenn man sie mit einem genuinen Index vergleicht. Mit dem genuinen Index wurde der Gegenstandsbezug schlicht vollzogen, in der Proposition wird der Gegenstandsbezug repräsentiert. D. h. der Gegenstandsbezug erscheint unter dem Personenaspek t des Zeichens. — Trat im schlichten Vollzug der Indizierung k eine Wahrheitsfrage auf, so wird sie im Fall der Proposition ak ut. Denn hier tritt an die Stelle des Vollzugs von Indizierungshandlungen deren Repräsentation, die den Zusammenhang zu anderen Repräsentationen, anderen Propositionen und Wahrnehmungsurteilen, herzustellen erlaubt. Eine Proposition ist falsch, wenn sie oder Propositionen, die k orrek t aus ihr abgeleitet
II. Personen
werden, im Widerspruch zu Wahrnehmungsurteilen stehen. In allen anderen Fällen ist sie wahr (CP 2.327). Argumente: Ein Argument besteht aus Propositionen, seinen Prämissen, und der Konk lusion, seinem Interpretanten. Der Übergang von den Prämissen zur Konk lusion wird vom Interpretanten als ein gesetzmäßiger Übergang repräsentiert, indem das Argument als Instanz einer Klasse von Argumenten bestimmt wird. Das Argument wird also von seinem Interpretanten als ein Symbol repräsentiert, wobei der gesetzmäßige Zusammenhang zwischen Prämisse und Konk lusion die symbolische Beziehung ist (CP 2.252 f). Der Interpretant als eine bewußte Zeichenhandlung, die in der Herstellung des Arguments als eines gesetzmäßigen Zusammenhangs zwischen den Prämissen und der Konk lusion besteht, bedarf rationaler Selbstk ontrolle, die ethischen Normen unterliegt (CP 5.130). Das Ziel dieser Kontrolle besteht in der Erzeugung wahrer Sätze durch den Schlußprozeß, der damit eine Repräsentation der Realität ermöglichen soll. Das einzelne Argument gehört einer von drei Klassen von Argumenten an, deren gemeinsame Anwendung den Schlußprozeß zu wahren Sätzen führen soll (CP 2.266). Bei den Klassen handelt es sich um die ›Abduk tion‹, ›Induk tion‹ und die ›Deduk tion‹, deren Zusammenspiel bezüglich der Erzeugung wahrer Sätze im folgenden untersucht wird. 5.2. Abduktion: Die Propositionen waren aufgrund ihrer indexik alischen Anteile immer auf Einzelgegenstände bezogen. Die Bestimmung der Realität gemäß dem Peirceschen Realitätsbegriff erfordert aber, wie bereits erläutert, die Repräsentation gesetzmäßiger Zusammenhänge, die dann erst rationales Handeln ermöglichen. Es ist die Aufgabe der Abduk tion, ausgehend von den auf Einzelgegenstände bezogenen Propositionen, gesetzmäßige Zusammenhänge zu entwerfen. Bezüglich dieser gesetzmäßigen Zusammenhänge hat die Abduk tion also eine gegenstandsk onstituierende Rolle. Sie besitzt folgende Form (CP 5.189): „The surprising fact, C, is observed; but if A were true, C would be a matter of course, Hence, there is reason to suspect that A is true“.
Beispiel: ‘Als ich diesen Stein losließ, fiel er auf die Erde. — Wenn die Erde Körper anzieht, wäre dieses Ereignis eine Selbstverständlichk eit. — Also besteht Grund zu der Annahme, daß die Erde Körper anzieht’. Wie
32. Charles Sanders Peirce (1839—1914)
dieses Beispiel deutlich macht, wird im abduk tiven Schluß eine ik onische Beziehung zwischen dem durch die Prämisse repräsentierten Ereignis und dem durch die Konk lusion repräsentierten Gesetz hergestellt, indem das Ereignis durch den Schluß als eine Instanz des gesetzmäßigen Schemas bestimmt wird, und zwar als eine solche Instanz, die es dem Interpretanten der Abduk tion erlaubt, mit ihr das gesetzmäßige Schema sinnlich anzuführen (vgl. Peirce 1983, 95). — Als gegenstandsk ontituierendes Schlußverfahren k ann die Abduk tion die Wahrheit ihrer Konk lusionen natürlich nicht verbürgen. Sie erhebt auch nicht den Wahrheitsanspruch für ihre Konk lusion. Die Wahrheitsfrage k ann nur in Bezug auf alle drei Schlußverfahren gestellt werden. Die Berechtigung der Abduk tion besteht darin, daß ohne sie überhaupt k eine gesetzmäßigen Zusammenhänge erstellt werden k önnten und damit rationales Handeln im Sinne des Pragmatismus nicht möglich wäre (CP 2.270; 5.145). — Deduktion: Der Deduk tion k ommt die Aufgabe zu, den Zusammenhang zwischen Propositionen unabhängig von deren Wahrheitswert herzustellen. In ihr wird nur gezeigt, wie man von Hypothesen, die gesetzmäßige Zusammenhänge repräsentieren, zu weiteren Propositionen gelangen k ann. Nicht die Wahrheit der Propositionen und deren Hypothesen steht im Zentrum des Interesses, sondern die Demonstration des Übergangs für einen Interpreten, dessen Zustimmung zu dieser Demonstration erreicht werden soll (Peirce 1983, 95). Die Wahrheit bleibt dabei immer auf den Forschungsprozeß bezogen. Danach gehört die Deduk tion zu den Argumenten, die in der Mehrzahl der Fälle ›in the long run‹ von wahren Prämissen zu wahren Konk lusionen führen (CP 2.267). — Bezüglich der Deduk tionen ist es gleich, wie die Prämissen aussehen, wenn sie nur generellen Charak ter besitzen. Bezogen auf den ganzen Forschungsprozeß wird man aber natürlich solche Prämissen wählen, die zuvor durch abduk tive Schlüsse hergestellt wurden, um deren deduk tiven Zusammenhang zu den anderen Propositionen der jeweiligen Theorie zu sehen. — Induktion: Mit den induk tiven Verfahren werden die durch Abduk tion und Deduk tion gelieferten Sätze einer Theorie experimentell an der Erfahrung überprüft (CP 5.145). Peirce unterscheidet dabei drei Verfahren (CP 2.269). Pooh-pooh-Argument: Auf der Grundlage, daß es ein bestimmtes Ereignes
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allgemeiner Art in der Vergangenheit noch nicht gab, wird vorausgesagt, daß es sich in der Zuk unft nicht ereignen wird. Bei diesem Argument geht man davon aus, daß bei wiederholter Überprüfung an Einzelaussagen, die aus der Voraussage folgen, die Voraussage für den Fall, daß sie falsch ist, letztlich falsifiziert würde, so daß man schließlich zu wahren Konk lusionen gelangt. Experimentelle Verifik ation einer allgemeinen Voraussage: In dieser Methode wird aus der Häufigk eit der bereits vorliegenden Verifik ationen einer Voraussage auf die Häufigk eit ihrer zuk ünftigen Verifik ationen geschlossen. Die Rechtfertigung des Verfahrens beruht darauf, daß ›in the long run‹ die Experimente zeigen, ob sich die Voraussage ›in the long run‹ an eine bestimmte Häufigk eit von Verifik ationen annähert. Argument auf der Grundlage einer Zufallsverteilung: Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, in dem in einer endlichen Klasse die Häufigk eit des Zuk ommens einer bestimmten Qualität auf die Elemente der Klasse angegeben wird. Dazu wird eine Selek tionsmethode gewählt, gemäß der ›in the long run‹ jedes Element der Klasse so oft wie jedes andere ausgewählt wird, und dann geschlossen, daß die Verteilung, die in einer bestimmten Stichprobe gefunden wurde, für die ganze Klasse gilt. — Der Zusammenhang zwischen den drei Schlußverfahren, die ›in the long run‹ die Wahrheit von Aussagen garantieren und damit eine Beschreibung der Realität ermöglichen sollen, k ann jetzt wie folgt bestimmt werden: Durch die Abduk tion werden ausgehend von Wahrnehmungsurteilen allgemeine Sätze erschlossen, aus denen dann weitere allgemeine Sätze deduziert werden, die ihrerseits schließlich induk tiv überprüft werden.
6.
Pragmatizismus versus Syntaktizismus und Semantizismus
Rek apitulieren wir noch einmal die hier vorgeführten Unterscheidungen des Zeichenprozesses, dann läßt sich der Zusammenhang zwischen den drei Gruppen von Unterscheidungen wie folgt charak terisieren: Zunächst wurde der Zeichen-Gegenstands-Bezug und damit die Semantik der Zeichen bestimmt. Dies ergab den ik onischen, indexik alischen und symbolischen Gebrauch von Zeichen. Von dem so k onzipierten Zeichenrepertoire wurde dann der Zeichenträger und damit der syntak tische Aspek t von Zeichen in einem
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eigenen Schritt durch Abstrak tion von dem Bedeutungsgehalt der Zeichen gewonnen. Und schließlich k onnte der pragmatische Aspek t von Zeichen durch die Artik ulation der Anführhandlungen, die den Personenaspek t an den ursprünglichen Zeichenhandlungen bildeten, rek onstruiert werden. Dieses methodische Vorgehen unterscheidet den hier rek onstruierten Pragmatizismus von Peirce grundlegend von dem Syntaktizismus einerseits und dem Semantizismus andererseits. In einer syntak tizistischen Zeichentheorie, wie z. B. derjenigen von Goodman, geht man, wie oben beschrieben, von dem Vorliegen zweier zunächst unabhängiger Bereiche aus, eines gegliederten Zeichen- und eines gegliederten Gegenstandsbereichs, und k orreliert dann die Gegenstände beider Bereiche miteinander. Bei dieser Vorgehendsweise entstehen folgende Probleme: Die Frage der Gegenstandsk onstitution und der Zeichenbildung, also die Frage nach der Gliederung der beiden Bereiche, k ann nicht mehr thematisiert werden. — Die jeweiligen Bereiche werden durch Beschreibung in einer Metasprache zur Verfügung gestellt, wobei die Metasprache einer eigenen Bedeutungsexplik ation in einer Metametasprache bedarf etc. — Auch bei der Korrelation beider Bereiche wird auf eine Metasprache zurück gegriffen, auch hier entsteht das Problem des infiniten Regresses von Metasprachen. So wie der Syntak tizismus systematisch mit der Untersuchung der Zeichenebene beginnt, um sie anschließend mit der Gegenstandsebene zu k orrelieren, gibt es umgek ehrt Ansätze, die mit einer Rek onstruk tion des Personenaspek ts von Zeichen beginnen. Diese Überlegungen führen aber zu einer Semantisierung der Handlungsebene, so daß ich sie als Semantizismus von dem hier vertretenen Pragmatizismus abgrenzen möchte. Ein prominentes Beispiel für diesen Semantizismus liefert John Searles (* 1932) Buch Speech Acts. Für Searle sind die Sprechak te die grundlegenden Einheiten linguistischer und sprachphilosophischer Untersuchungen, und er macht sie k onsequenterweise vom Anfang seiner Untersuchungen an zum Gegenstand seiner Analyse. Der Vollzugscharak ter dieser Sprechak te und damit der Vollzugscharak ter des Personenaspek ts von Sprache tritt nicht auf. Der Personenaspek t erscheint nur als ein besonderer Aspek t. Dagegen tritt in dem hier vorgeschlagenen pragmatizistischen Ansatz zunächst nur das Handlungsschema als Gegenstand auf, und zwar als Gegenstand einer Anführperspek tive, d. h. dem Personenaspek t, die ihrerseits aber Vollzugscharak ter hat. Erst in einem weiteren Schritt wird dann dieser Personenaspek t selbst wieder artik u-
II. Personen
liert. Der hier vertretene Pragmatizismus versteht sich also als eine mögliche Alternative, will man sowohl dem Metaprachen-Regreß des Syntak tizismus wie der Objek tivierung des Personenaspek ts beim Semantizismus entgehen.
7.
Literatur in Auswahl
7.1. Quellen Die folgenden Texte liegen der Darstellung zugrunde: Peirce 1931—1935, Collected Papers of Charles Sanders Peirce I—VI (Hartshorne/Weiß, Hg.) [= CP]. Peirce 1958, Collected Papers of Charles Sanders Peirce VII—VIII (Burks, Hg.) [= CP]. Peirce 1976 a, The New Elements of Mathematics by Charles S. Peirce IV (Eisele, Hg.). Peirce 1977, Semiotics and Significs. The Correspondance between Charles S. Peirce and Victoria Lady Welby (Hardwick, Hg.). Peirce 1982 ff, Writings of Charles S. Peirce. A Chronological Edition (Fisch/Moore/Kloesel et al., Hg.). Peirce 1983, Phänomen und Logik der Zeichen (Pape, Hg.). Weiterhin Kopien der Manuskripte im Peirce Edition Project, Indianapolis [= Ms].
7.2. Gesamtdarstellungen Die folgenden Arbeiten zeichnen sich jeweils durch einen eigenen systematischen Ansatz aus, der aber die Peircesche Philosophie in der Regel auf einen Aspekt verkürzt: Apel 1975, Der Denkweg von Charles Sanders Peirce. Eine Einführung in den amerikanischen Pragmatismus. Versuch einer transzendentalpragmatischen Lesart der Peirceschen Philosophie, der vor allem die Rolle der Phänomenologie verkennt. Buchler 1939, Charles Sanders Peirce’s Empiricism. Empiristische Reduk tion des Peirceschen Ansatzes, bei der die Kategorie der Drittheit nur unzureichend berücksichtigt wird. Goudge 1969, The Thought of C. S. Peirce. Beschreibung der Peirceschen Philosophie als eines Konflik ts zwischen Transzendentalismus und Naturalismus, wobei eine unzulässige Trennung von Einzelnem und Allgemeinem vorgenommen wird. 31975, Habermas Erkenntnis und Interesse. Anwendung der Positivismusk ritik auf die Peirceschen Überlegungen.
33. Anton Marty (1847—1914)
Murphey 1961, The Development of Peirce’s Philosophy. Beurteilung des Peirceschen Ansatzes vor dem Hintergrund der architek tonischen Ordnung Kants, deren Grundlage die Logik ist, wobei die Rolle der Phänomenologie falsch eingeschätzt wird.
7.3. Darstellungen zur Zeichentheorie Burk s 1948/49, Icon, index, and symbol, in Philosophy and Phenomenological Research 9. Gründliche Analyse der drei wichtigsten Zeichenfunktionen. Eco 1972, Einführung in die Semiotik. Interessante Erk lärung der Ik onfunk tion unter Berücksichtigung der Ähnlichkeitsproblematik. Fisch 1986, Peirce, Semeiotic, and Pragmatism. Essays by Max H. Fisch. Wichtige historische Informationen zur Entwick lung der Peirceschen Zeichentheorie. Fitzgerald 1966, Peirce’s Theory of Signs as Foundation for his Pragmatism.
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Guter Überblic k , aber unzureichender Analyseapparat. Goodman 21976, Languages of Art. An Approach to a Theory of Symbols. Grundlegende Überlegungen zu dem hier disk utierten Begriff der Anführung und zum Problem von Notationssystemen. Greenlee 1973, Peirce’s Concept of Sign. Interessanter Vorschlag, der vor allem die Funk tion des ›Interpretanten‹ herausarbeitet. Lorenz 1980, Sprachphilosophie, in Lexikon der Germanistischen Linguistik. Grundlage für die hier entwickelten systematischen Überlegungen. Scherer 1984, Prolegomena zu einer einheitlichen Zeichentheorie, Ch. S. Peirces Einbettung der Semiotik in die Pragmatik. Systematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen Semiotik und Pragmatik bei Peirce.
Bernd Michael Scherer, Karachi (Pakistan)
33. Anton Marty (1847—1914) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
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Das Leben, die Prager Umgebung, die Werke Woher und wozu die Sprache? Philosophie, Psychologie, Logik und Sprachphilosophie Sprachphilosophie und allgemeine Grammatik Form und Stoff. Die sprachlichen Formen und die Bedeutung Allgemeine Semasiologie Epistemologische und ontologische Voraussetzungen und Konsequenzen der Sprachforschung Das Erbe Martys Literatur in Auswahl
Das Leben, die Prager Umgebung, die Werke
Liest man die Werk e Martys, läßt sich seine persönliche Geschichte und ihr Kontext, in den sie eingebettet ist, k aum erahnen. Erst ihre Darstellung aber ermöglicht ein besseres Verständnis seiner theoretischen Leistungen. In dem schweizerischen Städtchen Schwyz inmitten einer k inderreichen, k atholischen Familie geboren, besuchte Marty die dortige Primarschule bis zum Gymnasium; danach setzte er sein Studium in der Stiftsschule von Einsiedeln fort. 1867 trat er in das Seminar in
Mainz ein; zwei Jahre später empfing er die niederen Weihen, und im Herbst 1870 zelebrierte er zum ersten Mal die Messe. Inzwischen hatte er Franz Brentano (1838—1917) k ennengelernt, eine Begegnung, die ihn nachhaltig beeindruck te. In der Preisarbeit Die Lehre des hl. Thomas über die Abstraktion der übersinnlichen Ideen aus den sinnlichen Bildern nebst Darstellung und Kritik der übrigen Erkenntnistheorien, die Marty 1867 in Mainz verfaßt hatte, werden zwei Gelehrte erwähnt, die mit dem aristotelischen Denk en vertraut waren: Friedrich Adolf Trendelenburg (1802—1872) und Franz Brentano, der eine Lehrer, der andere Schüler. Schon 1862 hatte Brentano Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles veröffentlicht. Das Studium der Werk e Brentanos, der sich besonders mit ontologischen Fragen und mit sprachlicher Mehrdeutigk eit befaßt hatte, veranlaßte Marty, in Würzburg bei ihm zu hören. Schon zu Beginn der Martyschen Forschungen machen sich also zwei wichtige Elemente bemerk bar, die man nicht außer acht lassen darf: ein erk enntnistheoretisches Interesse und eine k lassische Schulung. Auf den Rat seiner Lehrer und mit Zustimmung seines Bischofs fuhr Marty 1869 nach Würzburg, wo Brentano Geschichte der Philosophie las. ‘Eine neue Welt geht mir auf’, schrieb Marty
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in sein Tagebuch; aber nicht nur inhaltlich, sondern auch methodologisch, wie wir sehen werden. Der Einfluß Brentanos prägte entscheidend den philosophischen Weg Martys, sogar sein geistliches Leben. Wie Brentano gab auch Marty sein Priesteramt auf. Das weitere Leben Martys ist, soweit bek annt, nur noch von der Fortführung seiner Studien und seiner ak ademischen Laufbahn bestimmt. 1875 promovierte er in Göttingen bei Hermann Lotze (1817—1881) mit einer historisch-theoretischen Dissertation; Kritik der Theorien über den Sprachursprung. Im selben Jahr veröffentlichte Marty sein erstes Buch: Über den Ursprung der Sprache. Inzwischen gelang es Brentano, der nach Wien berufen worden war, Marty an die neugegründete Universität Czernowitz zu empfehlen. So begann seine Wanderung nach Osten, die an der deutschen Universität in Prag die nächste und auch letzte Etappe hatte. Er wirk te dort von 1880 bis 1913. Am 1. Ok tober 1914 starb er „im Frieden mit Gott und mit sich selbst“ (Kraus 1916, 14). Man wird sehr überrascht, wenn man Martys fast ausschließlich sprachphilosophische Veröffentlichungen mit dem Repertoire seiner Lehrtätigk eit vergleicht; als regelmäßige Kollegs finden wir nämlich prak tische Philosophie (Ethik ), deduk tive und induk tive Logik , und besonders desk riptive und genetische Psychologie (Marek /Smith 1987, 34 f). Natürlich war es ihm möglich, in diesen Kollegs auch sprachwissenschaftliche Überlegungen zu entwick eln. Aber man darf den philosophischen Rahmen nicht vernachlässigen, wenn man das Verhältnis zwischen sprachlichen, psychologischen und logischen Interessen Martys, sowie den Einfluß seiner fast nur geschriebenen sprachwissenschaftlichen Lehre richtig einschätzen will. Umsomehr, als bek annt ist, wie sehr er seine Lehrtätigk eit pflegte. Die Dissertationen, die von 1882 bis 1913 bei ihm entstanden sind, bestätigen den Umfang seiner philosophischen Tätig k eit (Raynaud 1992). Zu seinen Schülern gehören Osk ar Kraus (1872—1942), Josef Eisenmeier (1871—1926), Alfred Kastil (1874—1950), Hugo Bergmann (1883—1975), Emil Utitz (1883—1956), aber auch Franz Kafk a (1883—1924), Max Brod (1884—1968) und Osk ar Pollak . Viele hervorragende Persönlichk eiten der Prager literarischen Welt besuchten in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts Martys Vorlesungen und die Seminare, die er zu Hause hielt, auch die Versammlungen der Brentanisten im Café
II. Personen
Louvre (Wagenbach 1958, 107—118; 214 ff; 243; 338). Eine wachsende Hypochondrie führte schließlich zu einer Isolierung, die auch wissenschaftlich nicht ohne Folgen blieb. Allerdings ist diese Isolierung nur eine Seite. Wenn man die sprachlichen Disziplinen berück sichtigt, die damals an den beiden Prager Universitäten, der deutschen und der tschechischen, gepflegt wurden — vergleichende Sprachwissenschaft, Indogermanistik , k lassische, germanische, romanische, slawische Philologien —, erscheint die Besonderheit der Martyschen Forschungen in ihrem strengen, auf allseitigen Zusammenhang achtenden Profil. Er wollte nämlich eine Verbindung mit der philosophischen Tradition wiederherstellen, die von den besonders deutschen Sprachwissenschaftlern des 19. Jahrhunderts übersehen oder gering geschätzt wurde. Unter den Linguisten, denen er ein deutliches philosophisches Interesse zuschrieb, finden wir Wilhelm Scherer (1841—1886), Karl Brugmann (1849—1919), Julius Jolly (1849—1932). Forscher wie Ludwig Tobler (1827—1895) und Hermann Paul (1846—1921) als ›weitere Bundesgenossen‹ zu gewinnen, schien Marty ein lohnenswertes Ziel. Die heftige Polemik , die sein ganzes Werk durchzieht, richtet sich besonders gegen Wilhelm Wundt (1832—1920) (s. Art. 31), Heymann Steinthal (1823—1899) und Moritz Lazarus (1824—1903). Um die philsophische Position Martys besser zu verstehen, muß man, zusammen mit seiner ihre Selbständigk eit nicht verleugnenden theoretischen Treue zu Brentano, ihre gemeinsame Distanz sowohl zum Idealismus als auch zum Positivismus beachten. Auch Martys Urteil über den k antischen Kritizismus war sehr negativ. Hingegen war beider Verhältnis zur Philosophie im 17. und 18. Jahrhundert wesentlich positiver. Tatsächlich stimmte Marty in jeweils verschiedenen Hinsichten mit René Descartes (1596—1650) und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23), mit John Lock e (1632—1704) (s. Art. 22) und mit David Hume (1711— 1776), mit Etienne Bonnot de Condillac (1714—1780) und teilweise auch mit Dietrich Tiedemann (1748—1803) überein. Der Anschluß an Aristoteles (384—322 v. Chr.) (s. Art. 15) war besonders fundamental. Zwei Monate vor Martys Tod brach der erste Weltk rieg aus. Vier Jahre später war Prag die Hauptstadt der neuen tschechoslowak ischen Republik . Nach der Teilung der alten Universität in eine deutsche und ein tschechische (1882) war dieses zweite Ereignis
33. Anton Marty (1847—1914)
für die Prager Universitäten und die Wirkungsgeschichte Martys einschneidend. Martys Schriften lassen sich in einige thematische Gruppen bündeln; solche über den Ursprung der Sprache (Marty 1875 b; 1916— 20, Ges. Schriften I. 2, 1—304), solche über Probleme der Benennung (Marty 1879), weiter solche über philosophische Betrachtungen zu den morphologischen oder syntak tischen Kategorien (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.1, 1—11; 115—307; 1910 c), über epistemologische Fragen, insbesondere über das Verhältnis von Grammatik , Logik und Psychologie, und das Verhältnis zwischen Philosophie und Sprachphilosophie (Ges. Schriften I.1, 69—93; II.1, 309—364; II.2, 1—56; 57— 99; 107—111; 129—172; 1916 a), sowie über die Grundlegung und Ausarbeitung „der allgemeinen Grammati k und Sprachphilosophie“ (1976; 1925—1950, Nachgel. Schriften I—III).
2.
Woher und wozu die Sprache?
Die erste Frage, die Marty beantworten will, betrifft den Ursprung der Sprache (s. Art. 65). Zeitlebens steht sie im Mittelpunk t seines Interesses (Marty 1916—20. Ges. Schriften, I.2, V). Dabei ist die für ihn typische Methode, Fragestellungen einzuführen, bereits in seinem ersten Buch (1875 b, 4—59) entwick elt. Die Frage ‘Woher k ommt die Sprache?’ zieht die Frage ‘Was ist Sprache?’ nach sich. Und beide lassen sich nicht ohne eine Antwort auf die entscheidende dritte Frage ‘Wozu dient die Sprache?’ beantworten. Aus der genetischen Perspek tive entwick elt sich die desk riptive, die sowohl das Wesen als auch die Funk tion der Sprache erk lären muß. Und so sieht Martys Zusammenfassung der wissenschaftlichen Hypothesen aus, die in der Philosophie seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgestellt worden sind: (1) die These vom göttlichen Ursprung (Marty 1875 b, 6 ff); z. B. bei Johann Peter Süßmilch (1707—1767), Jean-Jacques Rousseau (1712—1778), Lord Monboddo (= James Burnett, 1714—1799), (2) die Erfindungstheorie, die „eine Wahl und Gestaltung der Sprachzeichen irgendwie planmäßiger Berechnung und Reflexion zuschreibt“ (1916—20, Ges. Schriften I.2, 307); z. B. bei Pierre Louis Moreau de Maupertuis (1698—1759), Charles de Brosses (1709— 1777). Johann Gottfried Herder (1744—1803) (s. Art. 26), Tiedemann, (3) die Zufallstheorie (1875 b, 51—58); z. B. bei Lazarus Geiger (1829—1870), (4) der Nativismus, d. h. „die Annahme,
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daß beim Urmenschen durch die Anschauungen, die er empfing, völlig unwillk ürlich und vermöge eines fertig angeborenen psychophysischen Mechanismus eine Anzahl onomatopoetischer (durch sich selbst verständlicher) Laute und Gebärden ausgelöst wurden (›Sprachreflexe‹)“ (1916—20, Ges. Schriften I.2, 307); z. B. bei Steinthal, Lazarus, Wundt, aber auch Wilhelm v. Humboldt (1767—1835) (s. Art. 27) und Paul, (5) der Empirismus, der „schon für die frühesten Stadien der Sprachentstehung dem Verlangen nach Verständigung und der dadurch motivierten absichtlichen Bildung von Bezeichnungsmitteln eine entscheidende Rolle zuschreibt“ (1916—20, Ges. Schriften I.2, 307); z. B. bei Johann Friedrich Herbart (1776—1841), Jacob Grimm (1785—1863), Lotze, Charles Darwin (1809—1882), William Dwight Whitney (1827—1894), Otto Jespersen (1860—1943), Michel Bréal (1832—1915), Georg von der Gabelentz (1840—1893), Brugmann. Während (1) und (3) k aum noch vertreten werden, und sich die in der Vergangenheit wichtigste Hypothese (2) erfolgreich modifizieren läßt, wendet Marty sich hauptsächlich gegen (4) und arbeitet (5) weiter aus. Die Methode, die es ihm erlaubt, die sogenannte ›empiristisch-teleologische‹ Theorie zu verfechten, ist folgendermaßen beschrieben: „Schon indem ich wiederholt und ausdrück lich leugne, daß historische Untersuchungen uns auf die wahrhaften Ursprünge der Sprache führen k önnten, ist offen genug gesagt, daß ich unter dem Gebiet des Nachweisbaren in unserer Frage nicht den Bereich des historisch Erweislichen meine. Ich bezeichne aber auch noch positiv jene Verifizierung durch die Erfahrung, welche ich für die Annahmen über den Sprachanfang verlange, als identisch mit der Forderung, das solche und nur solche Kräfte und Fak toren als wirk sam statuiert werden, wie sie die heutige Beobachtung an der Hand einer psychologisch wohlbegründeten Analogie für die Urzeit erschließen läßt“ (1916—20, Ges. Schriften I.1, 237 Fn).
Unter Empirismus versteht dann Marty eine Theorie „ohne unerwiesene Annahme“ (1916—20, Ges. Schriften I.1, 307), d. h. sowohl ohne Beziehung auf ›Reflexe‹, die nur „ein Versuch [sind], Tatsachen aus Fik tionen zu erk lären“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften I.2, 238), als auch ohne unmittelbaren Rek urs auf übermenschliche Hilfe dort, wo die menschlichen Kräfte ersichtlich ausreichend sind. Eine strenge Wissenschaft ist nämlich durch Ök onomie ihrer Hypothesen ausgezeichnet. Aber Marty will seine Antwort auf
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die Ursprungsfrage nicht nur als empiristisch, sondern auch als teleologisch verstanden wissen, insofern er die Rolle der Absicht bei jeder Mitteilung hervorhebt. Sprache ist dabei als πάρεργον (Hilfsmittel) begriffen, während Handeln als planlos, wenn auch nicht als wahllos, zu gelten hat (cf. Marty 1875 b, 70; 74; 1916—20 Ges. Schriften I.2, 157 f). Was für ein Telos aber hat, allgemein gesprochen, ein Mensch, wenn er spricht? Es sind nach Marty: Mitteilung und Kundgabe. Die Benennung schreitet durch Nachahmung (so erk lärt sich die Onomatopöie), Assoziation (so ergeben sich metaphorische und metonymische Übertragungen), Gewohnheit (noch ohne Überlegung und Schlußfolgerung) und Analogie fort, so daß „aus einer geringen Zahl von elementaren Lauten mit k onventionell gewordener Bedeutung durch mannigfaltige Zusammensetzung der große Reichtum syntak tisch unterschiedener und gegliederter Zeichen erwuchs, den wir eine fertige Sprache nennen“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften I.2, 161). Die menschliche Sprache ist dabei aus den folgenden Gründen vornehmlich eine Lautsprache: (1) die Lautäußerungen sind geeigneter, „als Zeichen verwendet, große Mannigfaltigk eit und leichte Unterscheidbark eit bei geringem Aufwand von Zeit und Mühe zu bieten“; (2) sie „leisteten weiter auch der größeren Leichtigk eit der Auffassung von Seiten des Hörers schätzbaren Vorschub“; (3) „ein anderer Vorzug der Laute ist, daß sie unter viel mannigfaltigeren Umständen verwendbar sind, als die Geberden“; (4) „das Auge, (5) die Hände sind schon Werk zeuge zur Erreichung anderer wichtiger Zwecke. (6) Die Lautäußerungen boten den Vortheil, daß sich rasch eine feste Gewohnheit bildete, in ihnen Kundgebungen, Mittheilungen eines fremden Bewußtseins zu sehen“ (1875 b, 128 ff). Wenn die Entstehung der Sprache erforscht ist, sollte auch ein besseres Verständnis ihrer Natur gewonnen sein. Marty erklärt: „Mannigfaltige Mittel dienen dem Menschen zum Zweck der Kundgabe seines inneren Lebens. Wenn wir von Sprache im weiteren Sinne reden, befassen wir darunter jede solche absichtliche Mittheilung, durch welche Zeichen sie auch geschehen mag. Die Sprache im engeren Sinne oder die vorzugsweise sogenannte menschliche Sprache ist eine besondere Form jener Kundgabe, die sich der Artik ulation der Stimme bedient und thatsächlich alle anderen Formen durch ihre hervorragende Vollk ommenheit und umfassende Verwendung übertrifft“ (1875 b, 61 f). „So ist ja die Sprache [...] nicht, wie Steinthal
II. Personen
will, primär ein Selbstbewußtsein [...], sondern wie Tiedemann und vor ihm Lock e und Aristoteles gelehrt haben, vor allem und in erster Linie ein Mittel zur Kundgabe des eigenen inneren Lebens zum Behufe der Beeinflussung des fremden und erst sek undär [...] auch ein Unterstützungsmittel für das einsame Denk en. Wenn aber dies, dann ist auch das nicht eine rohe und oberflächliche, sondern die einzig berechtigte Anschauung, daß sie ein System von Zeichen und nichts anderes sei“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften I.2, 266). „Indem wir von Sprachphilosophie, wie indem wir von Sprachwissenschaft reden, gebrauchen wir das Wort ‘Sprache’ vornehmlich im Sinne der absichtlichen Kundgabe des inneren Lebens durch irgendwelche Zeichen, insbesondere durch Laute und zwar durch solche, die — wie die allermeisten Worte unserer Lautsprachen — nicht durch sich verständlich sind, sondern ihre signifik ative Kraft der Gewohnheit und der Tradition verdank en“ (Marty 1976, 3). „Wie denn, wenn die Sprache nicht eine innerlich notwendige, sondern ein absichtlich zum Zweck e der Verständigung, aber planlos und unsystematisch (und auf Grund einer mangelhaften Gabe, das eigene psychische Leben und seine Inhalte aufzufassen) herbeigeführte Darstellung der Gedankenwelt wäre?“ (Marty 1976, 89).
Für das Verhältnis von Sprechen und Denk en (s. Art 70) ergibt sich: „die Sprache soll dem Denk en entsprungen sein, aber dies setzt Sprache voraus, und so ergibt sich ein Cirk el“ (1875 b, 74). Marty k onstatiert die weitverbreitete Überzeugung, daß die Sprache ein notwendiger Ausfluß des Denk ens sei, und begründet, warum es sich dabei um bloße Vorurteile handele: „Wenn derartige Behauptungen wahr wären, dann k önnte es nur eine Sprache geben, für jeden Gedank en nur ein richtiges und naturgemäßes Zeichen. In Wahrheit aber gibt es zahlreiche Sprachen und es sind alle gleich richtig“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften III, 36 f).
Ebenso falsch wäre es jedoch, deshalb die Möglichk eit von treuen Übersetzungen zu leugnen, zumal wenn es sich um eine Übersetzung bloßer Mitteilungen von ›Wahrheiten und Tatsachen‹ handelt. Wenn allerdings die Sprache die Aufgabe hat, ästhetische Wirk ungen zu erzielen, dann wird eine sehr freie Übersetzung möglicherweise die treueste sein, k ann es doch um die Wiedergabe rhythmischen Wohlk langs oder um die Evozierung von Nebenvorstellungen gehen, die nicht zur Bedeutung gehören. Keinesfalls aber ist die These, Sprache sei absolut alogisch, haltbar. Einen strengen Parallelismus zwischen unserem Denk en und den sprachlichen Formen, die wir gebrauchen, gibt es nicht. Wohl aber
33. Anton Marty (1847—1914)
sind die sprachlichen Zeichen Hilfsmittel des Denk ens, die seiner Unterstützung dienen. Zur Widerlegung der Parallelismusthese bedarf es sowohl epistemologisch als auch grammatikalisch verfeinerter Instrumente.
3.
Philosophie, Psychologie, Logik und Sprachphilosophie
3.1. „Es ist zuzugeben, daß wenn man die Struk tur der Worte als genaues Abbild jener der Gedank en betrachten k önnte, dies für die beschreibende Psychologie zweifellos ein großer Gewinn wäre. Denn [...] es gibt nicht leicht etwas Schwierigeres als das Studium der Gedank en, dieser flüchtigen Gebilde; wie vorteilhaft wäre es also, wenn man statt dieser flüchtigen Gedank en, die so schwer zu beobachten sind, die k onk reteren, leicht vernehmbaren Worte oder überhaupt Zeichen und ihre Struk tur studieren k önnte. Allein so wünschenswert das wäre, so ist es doch völlig illusorisch. Eine solche Substitution des Studiums der Sprache für das Studium der Gedank en würde voraussetzen, daß ein wirk licher, strenger, absolut zuverlässiger Parallelismus zwischen Wort und Gedank e bestünde“ (Marty 1925—50. Nachgel. Schriften III, 40). Die Leugnung eines solchen Parallelismus verlangt, sich unmittelbar dem psychischen Leben, insbesondere dem Gedank en zuzuwenden. „Zum Seelischen rechnet man jetzt nur das, was in die innere Erfahrung fällt und nur das ist heute Gegenstand der Psychologie [...] wir k önnten auch so sagen, die Psychologie handle von dem, was unmittelbar Gegenstand der Erfahrung ist. Denn es läßt sich zeigen, daß nur das Seelische mit unmittelbarer Evidenz erfaßt wird, während wir von der Existenz der Materie nur durch Schlüsse etwas wissen, [...] die Psychologie ist die Lehre von der Seele und den seelischen Beziehungen, wobei Seele das ist, was in unserem psychischen Leben das Mein und Dein in letzter Instanz unterscheidet. Jeder von uns, so wie er sich innerlich gegenwärtig ist, erscheint sich selbst in persönlicher Einheit und Besonderheit, und das, was diese Einheit und Besonderheit ausmacht, ist die Seele. [...] man nennt das, was der Seele gegenwärtig ist, das Objek t oder auch den intentionalen Gegenstand, und dieses Gegenwärtighaben von etwas nennt man das Bewußtsein oder die mentale oder intentionale Beziehung [...]. Diese seelischen Beziehungen sind der Hauptgegenstand der Psychologie. Denn die Seele selbst ist uns nur in diesen Betätigungen, in diesen Bewußtseinsbeziehungen zu Obje k ten erfahrbar
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und gegenwärtig“ (Marty 1987, 50 f).
„Die Philosophie“, behauptete Marty in seiner Rede beim Antritt des Rek torats, „geht darauf aus, Er k enntnisse zu gewinnen“ (1916 a, 74). Dieses Ziel und die zu seiner Erlangung notwendigen Mittel führen von der Philosophie zur Psychologie (s. Art. 110). „Nicht nur die richtigen Begriffe des Guten, Wahren und Schönen, die Grundlagen der Untersuchungen der Ethik , Logik und Ästhetik , sondern auch die Begriffe der Metaphysik finden in der Psychologie ihre Erk lärung. Auch der Begriff der Gottheit ist nach Analogie zum Seelenbegriff gebildet. Und die gesamte Lehre von der Existenz der Außenwelt ist zunächst eine Hypothese, welche gebildet ist zur Erk lärung der unmittelbar gegebenen Tatsachen der Innenwelt, so daß auch die Naturwissenschaften in letzter Instanz auf der inneren Erfahrung ruhen“ (Marty 1987, 55; cf. 1976, 17 f).
Es soll und k ann hier nicht erörtert werden, ob Marty damit einem verwirrenden Psychologismus erliegt. Seine Auffassung von der Psychologie ist weitgehend von der empirischen Psychologie des 18. Jahrhunderts und von Brentanos Psychologie vom empirischen Standpunkt abhängig. Danach erforscht die Psychologie die seelischen Beziehungen, also die Bewußtseinsbeziehungen. Ihre Methode ist die Selbstbeobachtung und ihre Aufgabe zugleich auch Erkenntniskritik. Zunächst ist es notwendig, „eine mik rosk opische Analyse des Bewußtseins [...], eine lük k enlose Angabe seiner einfachsten Elemente und ihrer elementaren Verbindungsweisen“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften I.1, 123) zu geben. Das ist die Aufgabe der desk riptiven Psychologie. Nur diese k ann als Grundlage für die weitere Erforschung der psychischen Phänomene dienen, nämlich der Erk lärung ihres Aufeinanderfolgens und der Bedingungen ihres Ursprungs. Dann handelt es sich um genetische Psychologie. Um die Frage zu beantworten, ob nach Marty die Psychologie ihrem Objek tbereich oder ihrer Methode nach eine Naturwissenschaft ist, gilt es zu differenzieren. ‘Vera philosophiae methodus nulla alia nisi scientiae naturalis est’, hatte Brentano schon 1865 in seinen Habilitationsthesen behauptet. Mit der gleichen Forderung nach Strenge und grundlegender Gewißheit lehnt Marty die phantastischen Ergebnisse der sogenannten ›spek ulativen Methode‹ ab. Der Gegenstand der Psychologie aber, das psychische Leben, gehöre nicht der Natur an. „Alles, was nicht Gegenstand der inneren Erfahrung ist, rechnet man zu den Objek ten der Naturwissenschaft“, lehrte Marty (1987, 50). Nur das See-
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lische wird in der inneren Erfahrung und mit unmittelbarer Evidenz erfaßt. Allerdings handelt es sich dabei nicht um „unmittelbar evidente apriorische Sätze, sondern um unmittelbar evidente Tatsachen, Sätze, die nicht einen apodik tischen Charak ter haben wie die Mathematik , sondern einen assertorischen. Wohl k ommt es in der desk riptiven Psychologie weiterhin auch zu analytischen, apriorischen Erk enntnissen, zunächst aber muß der desk riptive Psychologe von der Erfahrung von Tatsachen ausgehen“ (Marty 1987, 56). „Und da Klarheit nur durch Analyse zu geben ist, so ist eine Hauptaufgabe der Beschreibung [d. h. der desk riptiven Psychologie, S. R.] die Analyse des Seelischen in seine letzten Elemente, wobei dann die wichtigsten Verbindungsweisen dieser Elemente namhaft zu machen sind und auch zu sagen ist, welche Verbindungen k onstant ausgeschlossen sind“ (Marty 1987, 51). Aber „die Gesetze der desk riptiven Psychologie haben einen annähernd rein psychologischen Charak ter, während die Untersuchungen der genetischen psychophysische oder vielmehr physiologische sind. [...] die Sätze der genetischen Psychologie sind fast durchwegs unexak t, [...] darüber sind wir aber noch sehr wenig unterrichtet. Darum müssen wir uns vielfach mit Approximativem begnügen und auf das Exak te verzichten [...] Die Gesetze der desk riptiven Psychologie k önnen vollk ommen exak te Fassung erfahren, sie gelten ausnahmslos“ (Marty 1987, 52 f). 3.2. Die Möglichk eit einer solchen Ausnahmslosigk eit bedeutet aber nicht, daß die psychologische Analyse ohne Schwierigk eiten bliebe. „Wohl ist die Wahrnehmung unserer psychischen Zustände unmittelbar evident und untrüglich. Aber zum Beschreiben dieser psychischen Zustände genügt nicht bloß das Wahrnehmen derselben, das Perzipieren, sondern [...] das Bemerken oder Apperzipieren und das Bestimmen oder Deuten“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften III, 92). Am Ende seines Buches über den Farbensinn hatte Marty erk lärt: „Es gibt, sahen wir, beim Geschlechte sowohl als beim einzelnen Individuum allerdings eine Entwick lung des ›Farbensinnes‹, sofern man darunter das Vermögen zur Beurtheilung, zur vergleichenden Schätzung und Classification der Farben, versteht, und es findet sich etwas Analoges auf allen Sinnesgebieten. Überall werden Erscheinungen, die man erst verwechselt hatte, später unterschieden, nicht indem die Unterschiede in
II. Personen
der Empfindung größer geworden wären, sondern indem man sie jetzt in Folge anderweitiger Änderungen besser bemerkt“ (1879, 109). Aber es gibt noch eine weitere Schwierigk eit bei der Beschreibung unseres psychischen Lebens, „daß j edem von uns nur ein einziges, nämlich sein eigenes Seelenleben zum direkten Studium gegeben ist. Nur das nehme ich direk t wahr, nur davon habe ich eine direk te Erinnerung, während jedes fremde Seelenleben für mich ein verschlossenes Buch ist (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften III, 106). Vernachlässigt man auch hier wieder Bemerk ungen zum Verhältnis zwischen innerer Erfahrung und Außenwelt, zur Verschiedenheit zwischen Vorstellungen und Begriffen, und zum Wert empirischer Verallgemeinerungen (Raynaud 1982 a, 63—96), so läßt sich das Ergebnis seiner Analyse des psychischen Lebens wie folgt zusammenfassen. Marty nimmt in der Nachfolge Brentanos drei Klassen psychischer Phänomene an: Vorstellungen, Urteile und Phänomene des Interesses (d. s. die Gemütsbewegungen, Liebe und Haß). Diese Elemente einer desk riptiven Psychologie k ehren in der Sprachforschung wieder. Die Beziehung der Psychologie zur Logik stellt sich Marty so dar, daß die Logik als Kunst des richtigen Denk ens den prak tischen Disziplinen zugehört, mit der Psychologie als ihrer Grundlage. „Nur sollte man nicht vergessen, daß man auch wieder — und viel öfter und natürlicher — unter ‘logischem Denk en’ ein den logischen Normen entsprechendes, unter ‘psychologischem’ alles Denk en versteht, wie es sich eben — bald in Übereinstimmung, bald in Widerstreit mit jenen Normen des richtigen — nach psychologischen Gesetzen abspielt. Und man sollte das sogenannte ‘psychologische Denk en’ in j enem Sinne nicht mit diesem total verschiedenen k onfundieren“ (Marty 1976, 163). ‘Logisch’ wird bei Marty auch im Gegensatz zu ‘sinnlich’ gebraucht, und dann in engem Verhältnis zum richtigen Urteil gesehen. Keinesfalls ist ›Logisches‹ von ›Psychologischem‹ getrennt aufzufassen, ebensowenig wie ein Gedachtes nie vom Denk en getrennt ist. Marty vertritt einen strengen Antiplatonismus (Raynaud 1982 a, 96—102). Die Erläuterungen Edmund Husserls (1859— 1938) und Brentanos über die Beziehungen zwischen Logik und Psychologie, ihre Verteidigung der Selbständigk eit und Apriorizität der Logik treffen auch Martys Auffassung. Bei dem Verhältnis zwischen Sprechen und Denk en (s. Art. 71) handelt es sich nicht um eine bloße Widerspiegelung: „Doch man
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würde irren, wenn man glaubte, daß alle anfängliche Unzulänglichk eit und allmälige Vervollk ommnung in der Bezeichnung der Farben durchaus einer analogen Ausbildung des Urtheils parallel gehe. Die Sprache ist nicht nothwendiger Ausfluß des Denk ens, sondern zum Zweck e der Mittheilung entstanden und darum nur soweit genau, als es dieses Interesse erheischt, welches selbst einer fortschrittlichen Entwick elung aus bescheidenen Anfängen unterliegt. Zu allen Zeiten, in früheren am meisten, k onnte es geschehen, daß man Mehreres in Gedank en als sprachlich schied, weil für die genaue Bezeichnung der Antrieb fehlte“ (Marty 1879, 110). Gleichwohl k ann das Verhältnis zwischen Wörtern und Gedank en vorteilhaft bei der ›Erwec k ung‹ von Bewußtseinsphänomenen sein. „Ein sehr deutliches Beispiel, wie die Assoziation das Bemerk en begünstigt, ist das Nennen, das Namhaftmachen. Wenn eine Menge von Gegenständen vor uns liegt oder eine Menge von Eindrück en gleichzeitig auf uns einwirk t und einer dieser Gegenstände oder einer dieser Eindrück e benannt wird, so richtet sich sofort das Bemerk en darauf. Je genauer die Benennung ist, desto sicherer und exakter ist in der Regel der Erfolg“ (Marty 1925— 50, Nachgel. Schriften III, 100).
4.
Sprachphilosophie und allgemeine Grammatik
4.1. Zur Sprachphilosophie gehören nach Marty „alle auf das Allgemeine und Gesetzmäßige an den sprachlichen Erscheinungen gerichteten Probleme, welche durch eine heuristische Zusammengehörigk eit sofern geeint erscheinen, als sie entweder psychologischer Natur sind oder wenigstens nicht ohne vornehmliche Hilfe der Psychologie gelöst werden können“ (1976, 19). „Ja die sprachlichen Erscheinungen [...] [sind] ihrem vornehmsten Teile nach psychischer Natur“ (1976, 44). Die Sprachphilosophie in diesem Sinne zerfällt in einen theoretischen und einen prak tischen Teil, wobei der theoretische Teil seinerseits noch in einen desk riptiven und einen genetischen Teil zerfällt. Die theoretische Sprachphilosophie erforscht die „Funk tion oder Bedeutung der Sprachmittel sowie des Psychischen, das, ohne selbst zur Bedeutung zu gehören, bei der Erweck ung derselben und beim Zustandek ommen der Verständigung beteiligt ist — soweit sich in bezug auf dieses alles nicht bloß k onk rete und individuelle Tatsachen, sondern allgemeine Züge und Gesetze k onstatieren
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lassen“ (Marty 1976, 21).
Von der prak tischen Sprachphilosophie, die von ihm auch ‘Glossonomie’, ‘Glossotechnik ’, ‘Sprachk ritik ’ oder ‘Sprachtechnik ’ genannt wird, k ann man wenig sagen. Wichtig ist nur die These, die ihr zugrundeliegt: „Die Sprache ist ein Organ, das gewissen Zweck en dient“ (1976, 21). Damit eröffnet Marty die Möglichk eit, eine Sprachästhetik und eine Sprachlogik aufzubauen und darüber hinaus auch eine prak tisch-philosophische Sprachbetrachtung vom Standpunk t des Ethik ers und philosophischen Politik ers. Als Krönung all dieser prak tischen Bestrebungen verweist Marty auf das Programm der Bildung einer wissenschaftlichen idealen Sprache, einer characteristica universalis. Sie ist weder leicht noch rasch realisierbar, sollte aber ein „auf die exak te Analyse unserer psychischen Erlebnisse und ihrer Inhalte gebautes und deren Zusammensetzung aus den relativ einfachsten Elementen soweit wie möglich nachbildendes Zeichensystem“ (1976, 27) sein. Der wichtigste Teil der theoretischen Sprachphilosophie wird ‘allgemeine Semasiologie’ genannt, denn „semasiologisch sind im Grunde alle Betrachtungen über die Beschaffenheit und Genesis der Sprachmittel als solcher“ (Marty 1976, 51). Marty erwähnt aber auch die physiologischen, phonetischen und historischen Forschungen zur Sprache und fügt hinzu: „Der Laut, die Artik ulationsbewegung und auch die bloße Lautvorstellung, abgesehen von ihrer Funk tion, sind ja nicht eine Sprachform. Sie werden dazu nur durch die Bedeutung und sind somit nur dann als Sprachformen Gegenstand der Betrachtung“ (1976, 51). Es bleibt dabei, daß die Resultate der einfacheren desk riptiven Untersuchungen die notwendige Basis für eine Behandlung der k omplizierteren Probleme von der Genesis unserer Sprachmittel sind (vgl. Marty 1925— 50, Nachgel. Schriften III, 20 f). Martys Unterscheidung zwischen desk riptivem und genetischem Gesichtspunk t in der Sprachwissenschaft wurde auch noch später hoch geschätzt (Raynaud 1982 a, 40; 114 f). Die Aufgaben der desk riptiven Semasiologie hängen davon ab, wie die Funk tionen der Sprache bestimmt sind. Die Semasiologie betrachtet die Sprache „als Mittel zum Ausdruck für die psychischen Vorgänge im Redenden und die entsprechende Beherrschung des fremden Seelenlebens“ (Marty 1976, 53). Zuerst muß gefragt werden: „Welcher und von wie vielerlei Art [...] die Funk tionen [sind], welche für die Sprache unentbehrlich sind, falls sie ein lük k enloses Ganzes von Ausdruck smitteln für
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die fundamentalen Kategorien des Auszudrück enden (oder die logischen Kategorien in diesem weiteren Sinn) sein soll“ (Marty 1976, 53 f). Aber k eine der historisch gegebenen Sprachen weist sich als „ein lück enloses System von Zeichen aus“ (1976, 54). Daraufhin k ann sich die desk riptive Semasiologie der zweiten Aufgabe zuwenden, nach Übereinstimmungen und Unterschieden in den verwendeten Ausdruck smitteln zu fragen. Auch dabei handelt es sich um die „Erk enntnis eines Notwendigen resp. Unmöglichen, welche die allgemeine Semasiologie auch in ihrem desk riptiven Teil zu gewinnen und zu vermitteln habe“ (Marty 1976, 56). Marty nimmt den Plan einer allgemeinen Grammatik wieder auf (s. Art. 44). Er bezieht sich insbesondere auf die reine Grammatik , die Husserl in seinen Logischen Untersuchungen vorgeschlagen hat, aber auch auf Überlegungen bei Aristoteles, bei den Stoik ern und bei den Scholastik ern, auf die Grammaire générale et raisonnée von Antoine Arnauld (1612—1694) und Claude Lancelot (1615— 1695) sowie auf Lock es An essay concerning human understanding und die Nouveaux essais sur l’entendement humaine von Leibniz. In der Methode aber unterscheidet sich die allgemeine Grammatik Martys von der reinen und apriorischen Grammatik Husserls. Marty gibt ihr nämlich eine empirische Grundlage, k eine apriorische. „Ohne weiteres sei denn zugegeben, daß in Hinsicht auf die semantische Seite unserer Sprachmittel es auch solches gibt, was in dem Sinne notwendig ist, daß sich sein Gegenteil als apriori unmöglich zu erk ennen gibt. So leuchtet es z. B. m. E. analytisch ein, daß es k ein Sprachmittel geben k ann, welches ein Urteilen k undgäbe ohne implizite ein Beurteiltes, das zugleich vorgestellt ist, auszudrück en, und k ein Ausdruck smittel für ein Interessephänomen, das nicht implizite etwas ausdrück te, was Gegenstand des Interesses und zugleich, sei es beurteilt, sei es wenigstens vorgestellt ist [...] ja auch daß jeder Ausdruck eines einfachen Urteils entweder ein Zeichen der Bejahung oder Verneinung involviere usw. All’ dies ist a priori k lar, weil eben auf der Analyse der bezüglichen Vorstellungen (diese selbst freilich aus Erfahrung und nur aus Erfahrung gewonnen) einleuchtet, daß es k ein Urteilen geben k ann ohne ein Beurteiltes, welches zugleich vorgestellt ist [...] ferner, daß sich an unserem Urteilen nicht bloß die obengenannten qualitativen Differenzen (Anerk ennen und Verwerfen), sondern auch der Unterschied der Evidenz und Blindheit, sowie derjenige des apodi k tischen und assertorischen Charak ters finden und welche von diesen Seiten des urteilenden Verhaltens durch Sprache mitteilbar sind und welche nicht, sowie analoge Fragen [...],
II. Personen
sind nicht a priori zu beantworten. Darüber und über vieles andere, was die allgemeine Grammatik auch interessiert, k ann nur die Erfahrung Aufschluß geben“ (1976, 57 f).
4.2. Den genannten zwei Aufgaben der allgemeinen Semasiologie entsprechen wiederum zwei Aspek te der allgemeinen Grammatik : als ein wissenschaftliches Verfahren und als ihr wissenschaftliches Ergebnis. Der Ansatz Martys erk lärt sich aus dem engen Zusammenhang von Psychologie und Sprachphilosophie und der Ablehnung eines Parallelismus von Denken und Sprechen: „Wohl zerlegt sich hier für den Blick des psychologischen Analytikers das k omplexe Ganze unserer Bewußtseinszustände und ihrer Inhalte in eine Anzahl nicht weiter auflösbarer Elemente, welche teils wirk lich trennbar sind, und getrennt vork ommen, teils auch bloß distink tionell eine Anzahl nicht weiter analysierbarer Seiten unterscheiden lassen. Und eine planmäßig und aufgrund einer solchen, nach Brentanos Ausdruc k ‘mi k ros k opischen Anatomie des Bewußtseins und seiner Inhalte’ gebildete, wissenschaftliche Sprache wird jene Elemente und Seiten des Auszudrück enden durch elementare Zeichen wiedergeben und den Ausdruck für ihr k onstantes. Zusammenvor k ommen oder ihre wechselnde Verk nüpfung durch, nach festen Regeln gebildete, Verbindungen jener elementaren Zeichen gewinnen. Und sie würde so, soweit dies überhaupt möglich ist, das innere Fadenwerk des verschlungenen Gewebes unseres psychischen Lebens in der Syntaxe der Ausdruck smittel nachzeichnen. Allein es wäre schwerer Irrtum, zu glauben, daß schlechtweg jede Sprache notwendig jene Struk tur der ausgedrück ten Inhalte durch eine analoge Syntaxis der Ausdruc k smittel wiedergeben müsse. Es bedarf k aum der Bemerk ung, daß k eine der wirk lichen Sprachen auch nur entfernt jenem Ideale entspricht, obwohl jede — wie auch immer planlos und unvollk ommen — jene art de decomposer la pensée (um mit Condillac zu sprechen) in gewissem Maße übt“ (Marty 1976, 58 f).
Diese syntak tische Bildung einer natürlichen Sprache ist eine besondere Folge des Strebens nach Zeichenersparnis oder Schonung des Gedächtnisses. Für den philosophischen Grammatik er ist es von größter Wichtigk eit, das ganze architek tonische Gefüge jenes Idealbaues menschlicher Sprache zu k ennen und vor Augen zu haben, um den Bau der wirk lichen Sprachen an ihm zu messen. So erst läßt sich beurteilen, wo beide übereinstimmen und wo sie voneinander abweichen. Jenes architek tonische Gefüge allein k ann den wirk lichen Sprachen und ihren Grammatik en gegenüber nicht als ein ›Gerüst‹ im Husserlschen Sinne gelten, sondern als eine „Vorlage, die sie nachzuzeichnen suchen soweit ihre un-
33. Anton Marty (1847—1914)
vollkommene psychologische Erkenntnis es erlaubt und die Not dazu drängt, oder die Bequemlichkeit nicht zum Gegenteil führt“ (Marty 1976, 59 f). Die Logik muß sich daher von der Grammatik emanzipieren und umgek ehrt. „Nicht bloß die Urteile und die ihnen zugrunde liegenden Begriffe, um die der Logik er sich k ümmert, sondern auch unsere Gemütsbewegungen und Willensentschlüsse und das freie, dichterische, nicht auf Erk enntnis abzielende, sondern bloß den Gesetzen der Ideenassoziation und der Lust am Schönen folgende Spiel der Vorstellungen k ommt in [der Sprache] zum Audruck “ (Marty 1916— 20, Ges. Schriften II.2, 60). Marty lehnt es als töricht ab, „die lebenden Volk ssprachen zu behandeln, als wären sie von Logik ern und Grammatik ern gebildet, und als ließen sich demgemäß ihre Formen als lück enlos und harmonisch gegliedertes System aus einem Prinzip deduzieren“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.2, 64). „Der menschliche Geist nützt — hingegen — ganz verschiedene Methoden aus, um denselben semantischen Aufgaben zu genügen“ (Marty 1976, 87).
5.
Form und Stoff. Die sprachlichen Formen und die Bedeutung
5.1. „Es ist nämlich sehr wesentlich, sich darüber k lar zu sein, von welchem Bilde her die Anwendung der Ausdrüc k e ‘Stoff’ und ‘Form’ auf das sprachliche Gebiet übertragen ist. Ein solcher Stoff- und Formbegriff stammt aus der Antik e, von Aristoteles. Das aristotelische εἶδος (lat. forma) gegenüber ὕλη (lat. materia) stammt in Umwandlung der platonischen Idee metaphorisch offenbar aus dem Bereich der Plastik : die ›Form‹ der Statue als das Bestimmende, Wesentliche, Leben Gebende gegenüber dem bei der Umwandlung bleibenden ›Stoff‹; in diesem antik en aristotelischen Formbegriff liegt zugleich auch ein dynamisches Moment: ›Form‹ als innere gestaltende Kraft am rohen Stoff [...] Diese Terminologie ist nicht diej enige Martys. Martys Form und Stoff nehmen bedeutungsmäßig vielmehr ihren Ausgangspunk t von dem Bilde eines Gefäßes oder einer Gewandung, die als Form den Inhalt, den Körper, das Stoffliche umschließen; es ist dieselbe Metapher, wie sie bei einem dichterischen Kunstwerk vorliegt, wenn wir von ›Form‹ und ›Gehalt‹ (Stoff) zu sprechen gewohnt sind. Demnach ist für die Sprache zunächst ›Stoff‹ das Geistige, der Bereich der Bedeutungen, der von der ›Form‹ umschlossen wird oder in sie eingekleidet erscheint“ (Funke 1940, 13 f).
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„Man k ann [...] alle Ausdruck smittel der Sprache als Formen, d. h. als ein Formendes bezeichnen, in dem oder in denen als Stoff oder Inhalt das Mitzuteilende, die Bedeutung, zur Darstellung k omme, und man hat dies auch getan. Doch wird dabei zweck mäßig eine äußere und innere Sprachform, in der der Inhalt erschiene, auseinander gehalten. Äußere Sprachform nennt man passend diejenigen Züge des Ausdruck smittels für ein gewisses Mitzuteilendes, welche beim Blick auf die gegenwärtige Beschaffenheit desselben äußerlich oder sinnlich ›wahrnehmbar‹ sind; innere Sprachform dagegen solche Besonderheiten der Ausdruck smethode, die nur innerlich erfahren werden k önnen. Genetische Eigenheiten endlich sind solche Unterschiede in der einen oder anderen Richtung, über deren Eigenart uns nicht die bloße Erfahrung der gegenwärtigen Beschaffenheit und Funk tionsweise eines Sprachmittels, sondern nur die Mitberück sichtigung ihrer Entstehung belehrt“ (Marty 1976, 121 f).
In Bezug auf die äußere Sprachform deutet Marty eine ganze Reihe möglicher Untereinteilungen an. „So zerfällt ja, wenn man hier zunächst Geberden und Lautzeichen unterscheidet, z. B. die letztere Klasse widerum in Gebilde, welche einfache Worte, Wortfügungen und Wortk omposita sind usw.“ (Marty 1976, 195). „Allein wie k am man zur Ausgestaltung und Wahl relativ einfacher Laute und Lautverbindungen von der Art, wie sie in unseren Sprachen gefunden werden? [...] Der Mensch [hat sich] auch zum Behufe der Verständigung durch Laute das Dienliche und Dienlichste aus der Unzahl der Möglichk eiten ausgewählt, und da k am es natürlich darauf an, in bequemster Weise, d. h. mit möglichst geringem Aufwand von Zeit und Mühe, über eine beträchtliche Zahl wohlunterschiedener Zeichen zu verfügen. Gerade die Möglichk eit, welche das Gebiet der Lautäußerungen vor dem der Gebärden bot, anfänglich gewiß unbequeme Gebilde zu einfacheren und bequemeren abzuschleifen, so, daß sie gleichwohl unterscheidbar blieben und sich ohne Mühe und in wohlüberschaubarer Weise k ombinieren ließen, trug viel dazu bei, der Verständigung durch Laute schließlich den Sieg über die Gebärdensprache zu sichern. [...] Auch heute sehen wir ja in der Sprache und Schrift jene Tendenz nach Ersparnis von Zeit und Mühe noch fortwährend tätig. Ihr, in Verbindung mit dem Bedürfnis nach einer größeren Menge unschwer unterscheidbarer Zeichen, ist es denn zu verdank en, daß etwas wie unsere artik ulierten Sprachen entstanden ist und daß [...] im Durchschnitt in allen Sprachen die leichtesten Lautverbindungen die häufigsten sind, während die schwereren bloß sporadisch auftreten“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften I.2, 223 ff).
Anders als die Junggrammatik er achtet Marty mehr auf die Rolle der psychischen als
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die der bloß physischen Kräfte und mechanischen Gesetze im Bereich der Lautung. Wenn man z. B. an Wörtern wie ‘candidati’, ‘Feder’, ‘Guillotine’, ‘gothischer Stil’, ‘Arabesk e’ usw. denk t, bemerk t man eine Übertragung dieser Bezeichnungen und ein Außergebrauchgeraten ihrer ursprünglichen Bedeutungen. „Das sie bestimmende und erk lärende Moment, was man die innere Sprachform genannt hat, [k ann] aus dem Bewußtsein entschwinden. Die sprachlichen Bezeichnungen erfahren bei längerem Gebrauch mannigfache Wandlungen in dem Bestand der mit ihnen associierten Vorstellungselemente; neue Merk male werden in demselben aufgenommen, andere fallen aus — sei es, indem die bezeichneten Dinge selbst sich ändern, sei es, indem bloß unsere Auffassung von ihnen wechselt — und der Ausfall k ann auch den Merk malen widerfahren, welche den Grund der Namengebung bildeten. Die Römer nannten diejenigen, die sich um ein öffentliches Amt bewarben, candidati, weil sie in weißer Kleidung in der Volk sversammlung zu erscheinen hatten. Der Name Candidat für einen Mann, der sich um ein Amt bewirbt, ist geblieben; aber das weiße Kleid ist den darnach Genannten nicht mehr charakteristisch“ (Marty 1875 b, 97 f).
Veranschaulichen wir uns die Erscheinung zunächst durch Beispiele: „‘etwas link s liegen lassen’. Was ist die Bedeutung? ‘Sich um etwas nicht k ümmern, es nicht beachten’. Außer dieser Bedeutung verbinden wir mit den Worten aber auch ein Bild, und zwar ‘etwas zur link en Hand lassen, d. h. nicht darnach greifen’. Dieses Bild, diese Neben- oder Hilfsvorstellung ist die figürliche innere Sprachform. Andere Ausdrück e: ‘Blutorange’; an Blut im eigentlichen Sinne, etwa wie bei ‘blutdürstigen Raubtieren’, denk en wir dabei nicht; auch da handelt es sich um ein bloßes Bild (= die figürliche innere Sprachform). Die auffälligsten Beispiele ergeben sich, wenn man auf die Bezeichnungen für Psychisches achtet. Fast bei jedem dieser Ausdrück e ist neben der Bedeutung noch ein vom Sinnlichen hergenommenes Bild im Spiele: ‘erschüttert’, ‘erbaut’, ‘niedergeschmettert’, ‘in gehobener Stimmung’, ‘schwank end im Urteil’, ‘fester Wille’, ‘ich begreife’, concedo, συμβάλλω; ‘ich bin auf dem Holzweg’, ‘weder Kopf noch Fuß haben’; ‘er läßt sich erweichen’, ‘er k ocht vor Zorn’ u. ä. m. (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 92). Nicht nur bei den Namen, sondern auch bei den sogenannten Partik eln (Konjunk tionen, Präpositionen usw.) k ommt die figürliche innere Sprachform vor. „Einige Beispiele: die sogenannten Hilfszeitwörter wie ‘ich habe, wäre, sollte, dürfte u. a.’ haben weit-
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gehend Übertragungen in ihrer Bedeutung erfahren und, sofern ihr ursprünglicher Sinn noch im Bewußtsein ist, wirk t er nur als figürlich innere Sprachform weiter. ‘Ich habe gesehen’ bedeutet die Vergangenheit; das ›Besitzen‹ (als ursprüngliche Bedeutung von ›haben‹) ist höchstens nur noch innere Sprachform. ‘Wenn A wäre, so wäre B’; ‘wäre’, ursprünglich der Vergangenheit angehörig, hat aber in diesem Satz nichts mehr mit Vergangenheit zu tun. [...] Und [...] so auch mit Präpositionen und Konjunk tionen: ‘weil’ (ursprünglich: ‘all die Weile’) hat, wenn k ausal verwendet, nichts mehr mit Zeitlichem zu tun. Also: auch bei Sprachmitteln, die nicht ›Namen‹ (Begriffswörter) sind, k ann es vork ommen, daß bei einer ganz anders gearteten Verwendung der ursprüngliche Sinn noch durchschimmert; dann k önnen wir auch da von figürlich innerer Sprachform reden. Ist dagegen die Nebenvorstellung nicht mehr im Bewußtsein [...] dann sprechen wir von genetischer innerer Sprachform“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 93 f). 5.2. Sowohl die Benennung als auch die syntak tische Bildung k ann und muß sich oft auch mit Hilfe der inneren Sprachform realisieren. „Und ich verstehe unter Syntaxe jeden Fall, wo eine Vereinigung von Zeichen [...] eine Bedeutung besitzt, welche nicht die einfache Summe der Bedeutungen der Elemente bildet, und wo eine Weise des Bedeutens auftritt, die k eine selbständige, sondern ein bloßes Mitbedeuten ist“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.2, 92). „Man hat, wo verschiedene syntak tische Ausdruck sweisen denselben Inhalt deck ten, die Identität des letzteren verk annt und umgek ehrt die Vieldeutig k eit gewisser grammatischer Kategorien übersehen, weil dasselbe Bild, dieselbe innere Form die verschiedenen Bedeutungen begleitet. [...] Ich wage die Behauptung, daß das alte und verbreitete Dogma von der Zweigliederigk eit des Urteils, die Meinung, daß jede Aussage Subjek t und Prädik at habe, auf einer Verwechslung von innerer Form und Bedeutung beruht und ebenso die oft gehörte Lehre, Subjek t und Prädik at drück ten das Verhältnis von Inhärenz und Subsistenz aus“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.2, 94 f). „Die Genesis der Erscheinung ist einfach die: daß eine Ausdruck sweise, die der Äußerung einer gewissen Klasse von Urteilen (den Doppelurteilen, d. h. dem Zu- und Aberk ennen) angepaßt war, auf eine ganz andere Klasse (die einfache Anerk ennung und Verwerfung) übertragen wurde, daß sie einen Funk tionswechsel erfuhr, und zwar so, daß mit dem der früheren Funk tion dienenden Organ auch noch eine Erinnerung an jene als Begleitvorstellung der
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jetzigen Bedeutung bestehen blieb. So ist es bei den sogenannten Impersonalien und dem Existentialsatz. Sie haben in Wahrheit weder Subjek t noch Prädik at (das ‘es’ in: ‘es regnet’ ist nicht wahrhaft Subjek t, das ‘ist’ in: ‘Gott ist’ nicht wahrhaft Prädik at, sondern bloß Rudiment eines solchen), aber sie erweck en diesen Schein und haben durch ihn viele Logik er und Grammatik er getäuscht“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.2, 96).
Das Bild der figürlichen inneren Sprachform hat teils den Zweck , ästhetisches Vergnügen zu erweck en, teils „den Zweck das Verständnis zu vermitteln, also ein Band der Assoziation zu dienen zwischen dem Laut und der durch ihn wirk lich gemeinten Bedeutung“ (Marty 1976, 135). Mit dem Was ist auch das Woher und Wozu der inneren Sprachform beantwortet, wie es die empiristisch-teleologische Theorie verlangt (Marty 1976, 139). „Diese ›innere Form‹ besteht in gewissen Vorstellungen, die durch unsere sprachlichen Ausdrück e erweck t werden, aber nicht selbst deren Bedeutung bilden, sondern nur dazu dienen, sie nach den Gesetzen der Ideenassoziation zu erweck en. Das erstbeste Beispiel einer Metapher oder Metonymie, und jede Sprache ist voll von solchen, macht k lar, was gemeint ist“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.2, 68). „Mit alledem stimmt denn auch die Tatsache, daß wirk lich die Wurzellaute unserer Sprachen Begriffe ausdrück en, die aus Anschauungen physischer Phänomene, und insbesondere solche, welche aus Gesichtswahrnehmungen abstrahiert sind. Es k onnte nicht ausbleiben, daß diese prima appellata als innere Form für zahllose neue Bezeichnungsmittel benutzt, daß — wie es die Etymologie zeigt — jene frühesten Bezeichnungen für Sinnliches und speziell Sichtbares in der mannigfachsten metaphorischen und metonymischen Art auf andere Inhalte übertragen wurden, die anderen Sinnesgebieten angehörig oder gar nicht mit den Sinnen wahrnehmbar, sondern nur der inneren Erfahrung zugänglich sind“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.2, 74).
Die innere Sprachform besteht „durchaus nicht immer in einem Moment des bedeuteten Inhalts, sondern oft in etwas [...], das zu ihm bloß im Verhältnis der Assoziation nach Ähnlich k eit oder Kontiguität steht“ (Marty 1910 c, 102). „Wir sagten, unter den Begriff der inneren Sprachform falle alles das, was von der ak tuellen Beschaffenheit und methodischen Eigentümlichk eit eines Sprachmittels nur durch innere Erfahrung erfaßbar ist“ (Marty 1976, 134). Aber nicht nur die Erscheinungen der figürlichen inneren Sprachform, sondern auch andere Phänomene des sprachlichen Ausdruck s und des Verständnisses werden von
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Marty in den Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik und Sprachphilosophie zuerst als ›nur durch innere Erfahrung erfaßbar‹ dargestellt. „Meistens wenn wir zueinander reden, tun wir es durch eine Mehrheit von Wörtern, die nur durch ihr syntak tisches Zusammenwirk en den Sinn wiedergeben. Vielen unter ihnen k ommt überhaupt eine Funk tion zu, vermöge deren sie für sich allein nicht einen vollständigen Sinn zu erweck en vermögen [...] und nicht wenige von diesen sind für sich allein genommen überdies vieldeutig, so daß sie aus doppeltem Grunde der Mitwirk ung anderer Zeichen und des Zusammenhangs bedürfen, um das gewünschte Verständnis zu erweck en. Kurz, gewöhnlich bildet die Bedeutung einer k leineren oder größeren Anzahl von Worten ein Ganzes, dessen Teile nicht für sich sondern nur zusammen im Bewußtsein gegeben sein sollen, ja unter Umständen bloß so gegeben sein k önnen, obwohl jene Worte natürlich nicht simultan, sondern nur nacheinander geäußert und dem Hörer vermittelt werden. Aber wenn auch das einzelne Wort nicht alles zu sagen vermag, was durch die ganze Wortfolge gemeint ist, so erweck en doch auch schon diese aufeinander folgende Teile des Satzes gewisse Vorstellungen und Erwartungen in bezug auf das, was durch das Ganze gemeint ist, und auch durch diese vorläufigen Vorstellungen wird [...] das Verständnis irgendwie vorbereitet und vermittelt“ (Marty 1976, 144 f).
Nur ist diese Vermittlung manchmal glück licher, manchmal weniger glücklich. „Keine Sprache drück t alles explizite aus, was wir mitteilen wollen; jede gleicht mehr oder weniger einem Stenogramm und einer Sk izze. Es ist immer ein gewisser, oft sogar ein großer, Unterschied einerseits zwischen dem, was der Sprechende denk t und fühlt und der verstehende Hörer ebenso zu denk en und zu fühlen hat, und andererseits zwischen dem, was davon explizite zum Ausdruck k ommt. Die Disk repanz ist in verschiedenen Sprachen und Sprechweisen (dem Telegrammstil gegenüber dem Briefstil, dem poetischen gegenüber dem didak tischen) vor allem eine graduell verschiedene“ (1976, 145).
All dies wird von Marty ‘k onstruk tive innere Sprachform’ genannt. Auch hier handelt es sich um „eine Vorstufe und gleichsam Vorhalle des Verständnisses und nicht [um] dieses selbst“ (Marty 1976, 149; cf. Raynaud 1988, 367—384). 5.3. Stellung und Betonung k önnen in ein und derselben Sprache eine Mannigfaltigk eit von Funk tionen haben und tatsächlich haben sie sie auch in Sprachen wie dem Deutschen, Lateinischen oder Griechischen. „Ähnlich wie die Betonung k ann auch die Voranstellung nicht bloß Neuheit bedeuten, sie k ann auch
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einen Gegensatz, eine polemische Spitze zum Ausdruck bringen, und wer will behaupten, daß dergleichen immer mit dem Subjek t zusammenfalle?“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.1, 354). Entgegengesetzte Gewohnheiten konnten sich nämlich leicht entwickeln. „Die Unterschiede der Stellung und Betonung mußten gegenüber dem fortschreitenden Bedürfnis nach feinerem und unzweideutigerem Ausdruck der mannigfachen syntak tischen Verhältnisse mehr und mehr dürftig und unzulänglich erscheinen. Darum wurden sogenannte grammatische Formen zur Bezeichnung jener Verhältnisse und des Unterschiedes der Redeteile ausgestaltet, und mit der Bildung solcher festen Assoziationen wurde die Wortfolge und Betonung, die durch jene der fundamentalen Konstruk tion des Satzbaues dienenden Gewohnheiten gebunden war, wieder frei. [...] Aber tatsächlich haben sich in Sprachen wie das Deutsche, Lateinische usw. feste grammatische Formen zur Bezeichnung der Redeteile gebildet. Dadurch ist die Wortstellung in gewissem Maße frei geworden, und nun k ann ihr Wechsel einer Vielheit verschiedenartiger Zweck e dienen. Was mit dieser Freiheit gemeint wird, ist bek annt: neben einer traditionell üblichen Wortfolge, die man gewohnheitsmäßig festhält, so oft k ein Motiv zur Abweichung vorhanden ist, treten Inversionen auf. Die Beweggründe dazu sind bald ästhetischer, bald, wie man sich ausdrück t, ›logischer‹ Natur, und man pflegt im letzteren Falle auch die Ordnung der Worte ‘logisch’ zu nennen im Gegensatz zu gemeinüblichen, die die ‘grammatische’ heißt. Unter ‘logisch’ ist dann alles zu verstehen, was der größeren Leichtig k eit und Eindringlich k eit des Gedan k enausdruck s oder des Verständnisses dient“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.1, 357 ff).
„Die alte Stilregel, der natürlichen Ideenverbindung (liaison des idées) gemäß zu schreiben, ist eben leichter gesagt als befolgt. Nicht immer bietet sich von Anfang die Wendung, die dem natürlichen Gang der Gedank en entspricht, sei es daß die Unk larheit seines Denk ens selbst nicht ein logisch zweck mäßiges Fortschreiten desselben zur Entfaltung k ommen läßt, sei es daß die mangelnde Sprachgewandtheit für den vorschwebenden Gedank en nicht sofort das passende Gewand findet. Dann k ommt es zu unglück lichen oder geradezu verworrenen Konstruk tionen in der Mitteilung (Marty 1916, Ges. Schriften II.1, 364). Der japanische Sprachwissenschaftler SigeYuk i Kuroda (1972, 20 f) bezeichnet Martys Sprachtheorie, die die innere Sprachform als wesentlichen Bestandteil unserer Ausdruck smethode begreift, als einen Prototyp der generativen Grammatik . Er vergleicht Martys semantischen Stoff mit der semantischen Vor-
stellung beziehungsweise der Tiefenstruk tur der Bedeutung, und die innere Sprachform, besonders die syntak tische figürliche innere Sprachform, mit den Vorgängen der Oberflächenstruk tur, die zur phonetischen Vorstellung, d. h. zur äußeren Sprachform, beitragen.
6.
Allgemeine Semasiologie
6.1. Sprechen ist nach Marty auch eine Handlung (cf. Marty 1916—20, Ges. Schriften II.1, 158). „Absichtliches Sprechen ist eine besondere Art des Handelns, dessen eigentliches Ziel ist, in anderen Wesen gewisse psychische Phänomene hervorzurufen. Dieser Intention gegenüber erscheint die Kundgebung oder Anzeige der Vorgänge im eigenen Inneren nur als ein Mittel oder πάρεργον (1976, 284). Vor uns haben wir „eine doppelte Weise des Bezeichnens, ein primär oder sek undär Intendiertes und dem entsprechend ein mittelbares und unmittelbares. Und wie für das letztere den Terminus Ausdrück en oder Äußern, so wollen wir im Sinne und Dienste der mittelbar und primär intendierten Zeichengebung (in der Regel) den Terminus Bedeuten und Bedeutung verwenden. Ein Sprachmittel habe die Bedeutung oder Bedeutungsfunk tion z. B. einer Aussage heißt uns also: sie sei in der Regel bestimmt (und in gewissen Grenzen auch fähig), dem Hörer ein Urteilen von bestimmter Art zu suggerieren oder zu insinuieren“ (1976, 286). In welchen Grenzen auch fähig? Zunächst im Kreis derer, welche die betreffende Sprache ›verstehen‹, weiter dann, wenn der Sprecher „als Autorität und Garantie für die Wahrheit des Geurteilten“ (Marty 1976, 287) gilt. „Welcher und von wie vielerlei Art — diese Frage ist an die Spitze zu stellen — sind die Funktionen welche für die Sprache unentbehrlich sind, falls sie ein lückenloses Ganzes von Ausdruck smitteln fundamentaler Kategorien des Auszudrück enden (oder der logischen Kategorien in diesem weiteren Sinn) sein soll“ (Marty 1976, 53 f)? „Das psychische Phänomen, welches zu erweck en die primäre Intention und Bedeutung des Sprachmittels ist, hat einen Inhalt, welcher ebenfalls das Bedeutete heißen mag, und dieses ›einen Inhalt haben‹ ist [...] dann nicht etwas, was den Charak ter einer Korrelation, sondern nur den einer relativen Bestimmung besitzt“ (Marty 1976, 496). Von den relativen Bestimmungen hatte Marty gesagt: „sie k ommen den Dingen in Wahrheit zu; aber offenbar nicht als etwas Reales“ (1976, 333). Der Unter-
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scheidung von Form und Stoff im Blick auf die Bedeutung der Ausdruck smittel einer Sprache „k ann als unbestreitbarer sachlicher Kern nur der Umstand zugrunde liegen, daß es in jeder Sprache teils solche Bezeichnungsmittel gibt, welche schon allein genommen der Ausdruck eines für sich mittelbaren psychischen Phänomens sind, teils solche, von denen dies nicht gilt“ (Marty 1976, 205). Unter Bezug auf die aristotelische Unterscheidung der Zeichen in k ategorematische und synk ategorematische behauptet Marty: „Nicht bloß und nicht immer handelt es sich darum, ob ein Zeichen für sich prädik abel oder ob es nur k omprädik abel sei, sondern es ist die Frage, ob es überhaupt selbstbedeutend oder bloß mitbedeutend fungiere. Diese letzteren Namen oder die äquivalenten griechischen Termini: autosemantisch und synsemantisch scheinen mir darum die angemessenen Bezeichnungen“ (1976, 205 f). „Man wird weiter fragen, was dabei — in der üblichen grammatischen Terminologie ausgedrück t — unter ‘Zeichen’ gemeint sei? Ob nur Worte und Wortgefüge oder auch Bestandteile von Worten. [...] Ich erwidere: Nicht bloß Worte und Wortfügungen, auch Bestandteile von Worten k önnen unter Umständen teils als autosemantisch, teils als synsemantisch gelten, oder anders ausgedrück t: auch Teile dessen, was man da oder dort ein Wort nennt, k önnen unter Umständen als besondere Träger einer Funk tion im Satze, als besondere Redeglieder, bezeichnet werden“ (Marty 1976, 208). „Unter ‘Wort’ [...] verstehe ich jedes Sprachmittel, das als besonderes Glied des Organismus der Rede empfunden und als besondere semantische Einheit behandelt wird. Ich sage nicht: eine besondere semantische Einheit ist. Denn wie schon früher bemerk t wurde, k ann man dies selbst von den logisch begründeten Synsemantik a nur in einem weiteren Sinne, im strengen Verstande aber bloß von den Autosemantik a sagen. Allein die Rück sicht auf Zeichenersparnis und bequemere Ausdruc k sweise haben nicht bloß in Anlehnung an jene Linien und Einschnitte, welche in der Bedeutung selbst als Anhaltspunk te für eine natürliche und logisch begründete Gliederung der Bezeichnungsmittel vorgegeben sind, sondern vielfach auch weit darüber hinaus zur Schöpfung und Verselbständigung von besonderen Gliedern oder Teilen der Rede geführt“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften II, 46).
„Nach meiner Meinung“, so erwidert Marty Husserl, „ist der Gedank e, der ein synsemantisches Zeichen erweck en k ann, nur ein vorläufiger, ein Stück k onstruk tiver innerer Sprachform, das mit dem fertigen Verständnis, welches erst dem Ganzen des autoseman-
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tischen Sprachmittels ›zufliegt‹, mehr oder weniger verwandt sein wird, aber immer nur eine Vorbereitung dafür ist“ (1976, 211). „Zum Begriffe eines autosemantischen Sprachmittels gehört, [...] daß es für sich allein genommen der vollständige Ausdruck eines mittelbaren psychischen Erlebnisses ist. Es werden also soviele Grundk lassen solcher Sprachmittel zu unterscheiden sein, als es fundamentale Klassen solcher psychischen Vorgänge gibt“ (Marty 1976, 226). „Es zeigt sich, daß wir die Struk tur der Gedank en in sich selbst, auf dem Wege der inneren Wahrnehmung und Beobachtung erk annt haben müssen, um beurteilen zu k önnen, was an der sprachlichen Struk tur logisch, d. h. bedeutungsmäßig, und was in ganz anderen Fak toren begründet ist“ (Marty 1910 c, VIII). „Es sind nämlich zwei wesentlich verschiedene Klassen zu unterscheiden: diejenigen, wo der Zusammensetzung der Zeichen eine analoge Zusammensetzung in Gedanken oder überhaupt in der Bedeutung entspricht, wo also in dieser ein Anlaß zur Bildung von Synsemantik a gegeben ist, und solche wo dies nicht der Fall ist. Die Rück sicht auf Zeichenersparnis und Schonung des Gedächtnisses ist zwar auch bei der Bildung der ersteren wirk sam, aber sie ist doch nicht der ausschließliche Grund dafür. Bei der zweitgenannten Klasse dagegen ist dies der Fall. Ich nenne mit Rück sicht darauf, daß man die Bedeutung der Sprachmittel oft k urzweg das ›Logische‹ im Gegensatz zum Sprachlichen oder Grammatischen an ihnen nennt, die einen ‘logisch begründete’, die anderen ‘logisch nicht begründete’ Synsemantik a“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 126).
6.2. Kehren wir jetzt zu der Bestimmung der verschiedenen Bedeutungen zurück . „Alles, was die Sprache ausdrückt, sind [...] die psychischen Beziehungen und ihre Obj ekte. Wer einen richtigen Überblick über sie besitzt, überschaut damit auch alle semantische Möglichkeiten, die irgendeinmal in irgendeiner Sprache verwirklicht sein können“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften III, 41). Marty übernimmt in toto die Klassifik ation der psychischen Phänomene, die Brentano in seiner Psychologie vom empirischen Standpunkt vorgenommen hatte, und er bleibt ihr treu. Die von Brentano selbst an seinen eigenen Gedank en später vorgenommenen Änderungen, insbesondere in Von der Klassifikation der psychischen Phänomene, lehnt Marty ab. Die autosemantischen Sprachmittel unterscheidet Marty in Vorstellungssuggestive, Aussagen und Emotive, die jeweils den Vorstellungen, Urteilen
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und Interessephänomenen entsprechen, sowohl denjenigen, die in dem Angeredeten erweck t werden, als auch denjenigen, die vom Sprecher k undgegeben sind. In gleicher Weise unterteilt er die logisch begründeten Synsemantik a in solche, die den Ausdruck von Vorstellungen, von Urteilen und von Interessephänomenen unterstützen. Das Aussprechen des Namens ruft in der Regel eine Vorstellung im Redenden hervor; sein direk ter Zweck ist es aber, im Hörer eine gewisse Vorstellung wachzurufen, und es ist diese primäre Intention, die Bedeutung des Namens genannt wird. Nun spricht man aber im allgemeinen nicht bloß davon, was der Name bedeutet, sondern auch von dem, das er nennt. „Man k önnte versuchen, die Unterscheidung zwischen dem wirklichen und immanenten Gegenstand hier heranzuziehen und zu sagen, die Namen nennten das erstere, das zweite dagegen sei ihre Bedeutung“ (Marty 1976, 385). „Sollten wir also diesem Gebrauche des Terminus Vorstellungsinhalt [...] folgen und ihn (d. h. den immanenten Gegenstand des Vorstellens) die Bedeutung, den Gegenstand schlechtweg (oder den eventuellen wirk lichen) aber das Genannte nennen? Das hielte ich k einesfalls für richtig“ (Marty 1976, 391). „Wie der immanente Gegenstand der Vorstellung, so ist auch sein Analogon, der immanente Inhalt des Urteils und des Interesses eine Fik tion“ (399). Wir schreiben das Nennen den Namen zu „mit Rück sicht auf die Gegenstände, welche den dadurch erweck ten Vorstellungen eventuell in Wirk lichk eit entsprechen oder wenigstens (ohne Widerspruch) entsprechen k önnten. Diese sind das Genannte“ (Marty 1976, 436). Die primäre Intention der Vorstellungssuggestive ist es, im Hörer die gleichen Vorstellungen zu erweck en wie die beim Sprechenden, soweit dies überhaupt sprachlich möglich ist. Jedenfalls sind Anschauungen von Psychischem, die unbegrenzt variieren, nicht im strengen Sinne durch Sprache mitteilbar. „Und von den Anschauungen von Psychischem gilt dies (auch, soweit sie nicht solche von Physischem voraussetzen), falls sie streng individuell sind“ (Marty 1976, 433). Namen und Vorstellungssuggestive k önnen also nur intendieren, Vorstellungen zu erweck en, die nicht Anschauungen sind, vielmehr Begriffe, die aus Abstrak tion, Reflexion oder Komperzeption hervorgehen. „Und ebenso durch Worte mitteilbar sind endlich auch die aus irgendwelchen dieser elementaren, mitteilbaren Begriffe gebildeten
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Synthesen, mögen sie individuell oder universell sein“ (Marty 1976, 435). „Die Bezeichnung ist jedesmal eine Abbreviatur, weil die zugehörige Bedeutung oder der Begriff jedesmal ein unvollständiger oder abbreviativer ist und entweder überhaupt nicht alles oder wenigstens nicht explizite alles enthält, was man schlechthin am Gegenstand bemerk en und auffassen k önnte“ (Marty 1976, 163). Aber der Unterschied, der zum Beispiel zwischen ‘Tier’ und ‘Säugetier’ besteht, ist ein anderer als der zwischen ‘Ziegenbock ’, ‘Meck -Meck ’ oder ‘der Bärtige’. „Diese Abbreviatur, die möglicherweise bei der figürlichen inneren Sprachform vorliegt und die darin besteht, daß die Bezeichnung für den Begriff von derjenigen für ein einzelnes Merk mal hergenommen ist, ist nicht notwendig eine Folge davon, daß nicht der ganze Begriff gedacht würde — während jene andere Abbreviatur, welche in jedem Namen und Begriffe im Verhältnis zum Gegenstände liegt, tatsächlich darin wurzelt, daß, wenigstens wenn es sich um ›Substanzen‹ handelt, k einer unserer Begriffe den Gegenstand mit expliziter Vollständigk eit zu erfassen vermag“ (Marty 1976, 164). Aber nicht alle Vorstellungssuggestive sind Namen. Der Terminus Name „ist für diejenigen Vorstellungssuggestive im Gebrauche, welche als Subjek t oder Prädik at verwendet werden k önnen“ (Marty 1976, 278). Marty deutet auch eine Synthese im Vorstellungsgebiete an, insofern die attributive Verbindung nur als durch Reflexion auf eine Prädikation entstanden begreifbar ist (s. Art. 77). Er behauptet die Unabhängigk eit der attributiv zusammengesetzten Begriffe von der Einfachheit oder Gliederung des betreffenden Namens, z. B. Haus, großes Haus, usw. „Wo aber eine solche Vorstellungssynthese durch einen gegliederten Namen ausgedrück t wird, da sind die Glieder, sofern sie zu einem solchen attributiven Ganzen gehören und solange sie in dieser Verbindung fungieren, nicht wahrhafte Namen an sich (nicht Autosemanti k a), sondern mitbedeutende Teile eines solchen (logisch nicht begründete Synsemantik a) [...] Es bedarf k aum der Bemerk ung, daß nicht bloß durch die Verbindung von Adjektiv und Substantiv prädi k ative Vorstellungssynthesen zum Ausdruck k ommen, sondern auch durch Komposition und auch Apposition von Substantiven (z. B. ‘der Mond, der trübselige Freund’), durch Verbindung eines Substantivs mit einem Relativsatz, mit einem Partizip, mit einem Possessivpronomen (‘mein Buch’), mit gewissen Casus obliqui (‘das Buch meines Freundes’), mit einer Ordnungszahl (‘der zehnte Mann in der Reihe’), ebenso mit einer
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Kardinalzahl (‘drei Burschen’) u. a. m. Auch hier gilt natürlich, daß nicht jedes der synsemantischen Glieder, aus der Verbindung gelöst, sofort für sich als Name fungieren k ann. Wenn seine Form dort speziell zum Ausdruck der Verbindung geprägt ist, muß ihm dieser Charak ter abgestreift werden“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 187 f).
6.3. Eine zweite Art von ›Begriffsk omplik ationen‹, die ebenfalls Anlaß für Synsemantie wird, bilden die Relationsbegriffe. Wir haben „an den Casus obliqui (zusammen mit den sie regierenden Worten) das am meisten charak teristische Ausdruck smittel und Suggestiv [...] für die Korrelativa und relativen Bestimmungen“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 190 f) vor uns. „Die Namen der überk ommenen Kasusterminologie (Genetiv, Dativ, Ak k usativ, Ablativ u. a. m.) sind — wie bek annt — nach einzelnen Gebrauchsweisen formaler Kasusflexionen in Gebrauch gek ommen, weil unter der wechselnden Zahl von Funk tionen sich eine größere oder k leinere Gruppe k onstant zeigte, und somit k ann eine derartige Klassifi k ation und Benennung höchstens a potiori gerechtfertigt erscheinen. Denn, in der Tat, ist es ein Irrtum, zu glauben, daß unter dieser traditionellen Nomenk latur der Kasus einheitliche und k onstante Bedeutungsk lassen zu verstehen seien“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 193). „In den überlieferten Sprachen ist die Art der Korrelation, welche zwischen den Gegenständen besteht, die durch das regierende und regierte Wort bezeichnet sind, durch die Kasusform freilich sehr wenig sicher und k onsequent k enntlich gemacht. Dieselbe Form dient in derselben Sprache dem Ausdruck wesentlich verschiedener Korrelationen (z. B. ‘Roman proficisci’, ‘patriam diligere’; ‘der Kopf des Tieres’, ‘das Werk des Meisters’ [...]), während umgek ehrt für dieselbe Bedeutung wiederum eine Vielheit von Ausdrucksmethoden vorhanden sind (z. B. ‘sich über etwas freuen’, ‘sich an etwas freuen’, ‘sich einer Sache freuen’) mit verschiedenen inneren Sprachformen [...]. Das eine aber wollen wir festhalten: wo immer eine Korrelation oder relative Bestimmung und ihre Glieder sprachlich durch eine adäquate Gliederung von Redeteilen zum Ausdruck k ommen, da haben wir in diesen Redegliedern logisch begründete Synsemantika zu erblicken“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 194 f).
Dieselben Begriffsk omplik ationen k önnen sprachlich auch auf andere Weise bezeichnet werden als durch ›Kasus‹ (seien sie flexivisch oder präpositional): „z. B. durch Adjektiva (‘k öniglicher Befehl’, ‘italienische Reise’, ‘gesunde Luft’), durch Adverbia (‘er wohnt hier, dort’; ‘er reist westwärts’), durch Possessiva
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(‘mein Buch’; Determination + Korrelation), durch mancherlei Nebensätze [...]; denn gerade in den Konj unktionen steck en abgek ürzte Ausdrück e für Korrelationen oder Determinationen in Bindung mit k orrelativen Gedank en“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 196). Weitere Probleme der Kasus treten in den Fällen auf, wo die inneren Sprachformen ins Spiel k ommen (cf. Marty 1910 c, 83—116). Es gibt verschiedene Möglichkeiten: (1) „Die Bedeutung der Kasussyntaxe ist eine Korrelation psychischer Art, der sprachliche Ausdruck bedient sich eines Bildes, das der sinnlichen Anschauung näher liegt: z. B. ‘ich neige mich zu einer Ansicht hin’; [...] ‘ich bin im Irrtum’ und dergleichen mehr. (2) Davon unterscheiden sich nun folgende Fälle dadurch, daß bei ihnen die Vorstellung einer Korrelation überhaupt nicht mehr Sache der Bedeutung ist, sondern ein bloßes Bild der inneren Sprachform und in diesem Sinne eine sprachliche Fiktion. Hierher zählen: (a) Die modifizierende Kasussyntaxe, welche darin besteht, daß die begriffliche Bedeutung des regierenden Wortes durch das folgende zweite Glied verbildlicht wird und somit die Bedeutung der ganzen Fügung nur in übertragenem Sinn zu verstehen ist; z. B. ‘Antigone bei Sophok les’, ‘der Schwan der Leda’ [...]. (b) Das Problem der grammatischen Abstrakta und ihre Verwendung in der Kasussyntaxe. Die grammatischen Abstrak ta: wie ‘Röte’, ‘Größe’, [...], ‘Wahrheit’, ‘Gleichheit’, [...], ‘Hören’, ‘Sehen’, ‘Urteil’, ‘Vorstellung’ usw. sind nur scheinbar ihrer Form nach autosemantisch; in Wahrheit sind solche Ausdrück e onomatoide Synsemantika [...]. Autosemantisch — auf obige Beispiele bezogen — sind ‘Rotes’, ‘Großes’, ‘Gleiches’, ‘Hörender’, ‘Vorstellender’ usw. In der Kasussyntaxe solcher grammatischer Abstrak ta, wie z. B. ‘die Röte der Wolk e’, [...], ‘das Urteil des Herrn X’, [...] liegt die bildliche (oder irrtümliche) Auffassung eines Teilverhältnisses vor nach Analogie zu wirk lichen Teilverhältnissen physischer Art wie ‘Dach des Hauses’, ‘Ast des Baumes’, ‘Kopf des Tieres’ und dergleichen. Mit der Auffassung des ›Abstrak tums‹ als eines Teiles k ommt es zur Hypostasierung oder grammatischen Substantivierung solcher Eigenschaften, Ak zidentien, psychischen Modifik ationen und Wertungen. Wir gebrauchen solche Abstrak ta sehr häufig in subjek tischer und prädik ativer Verwendung und vor allem in solchen adnominalen Fügungen, um unsere Mitteilung über das Universale bequemer und gefügiger zu gestalten. Aber diese ›Universa-
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lien‹, die meines Erachtens jener Auffassung von fik tiven Teilverhältnissen ihren Ursprung verdank en, sind besonders dem philosophischen Denk en gefährlich, wenn sie in ihrer Natur als onomatoide Synsemantik a verk annt werden“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 197 f). Aber wir erwähnten schon, daß nicht alle Vorstellungssuggestive Namen sind. Nicht alle Namen sind nämlich tatsächlich Namen. Marty verweist auf scheinbare Namen, „von denen nur das sicher ist, daß ihnen als innere Sprachform die Vorstellung eines nennbaren Gegenstandes entspricht [...] Wer sich in der Ausdruck sweise bald dieser bald jener von den vielen Fik tionen bedient, welche die Juristen in Theorie und Praxis ersonnen haben, ohne doch an sie zu glauben (ohne also z. B. den Staat und die Kirche ernstlich für einheitliche Dinge und ›Personen‹ zu halten), der gebraucht eine Menge scheinbarer Namen“ (1976, 136). In diesen wie in zahllosen anderen Fällen gebe wohl jedermann zu, so Marty, daß die Vorstellung eines Dinges bei der Verwendung eines Substantivs eher ein Bild als eine ernstlich gemeinte Bedeutung sei; es ist eine Folge der Erscheinungen der inneren Sprachform. „Ebenso ist es [...] häufig mit der Vorstellung des Tuns und Leidens beim Verb“ (1910 c, 87). Man muß daher immer wieder auf die Unterscheidung zwischen Form und Funk tion in den Ausdrück en von Urteilen achten. „Wenn man vom Ausdruck des urteilenden Verhaltens (oder aber der Gemüts- und Willenstätigk eit), der sich im Verbum finitum gewöhnlich mit dem Ausdruck eines Begriffes verbindet, absieht und nur den Begriffsgehalt des Wortes ins Auge faßt, so zeigt sich, daß die verschiedensten [...] Differenzen als Gehalt eines Verbs auftreten k önnen, die in anderen Fällen auch wieder den eines sogenannten Substantivs bilden. Und wie es so k eine sachliche oder logische Grenze gibt zwischen sogenannten Substantiv- und Verbalbegriffen, so auch nicht zwischen den letzteren und den sogenannten Adjek tivbegriffen“ (Marty 1910 c, 88). Marty erk lärt, eine Aussage bedeute, „daß der Hörer infolge der Äußerung eines gewissen Urteils von Seite des Sprechenden ebenfalls ein Urteil fällen solle“ (1976, 289). Dabei soll das hervorgerufene Urteil in der Regel demjenigen gleich sein, welches durch die Aussage ausgedrück t wird, „soweit eine solche Gleichheit direk t durch Sprache suggerierbar ist“ (289). Im Sprechenden wird nämlich das Urteilen entweder evident oder blind, es wird entweder
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assertorisch oder apodik tisch sein. Aber diese Charak tere k önnen im Hörenden nicht durch das Vertrauen erzeugt werden, das der Hörende der Urteilsfähigk eit des Sprechenden entgegenbringt. Was mitgeteilt werden k ann, „erstreck t sich nur auf die Vergegenwärtigung des beurteilten Gegenstandes (= die ›Materie‹ des Urteils) und auf den anerk ennenden oder verwerfenden (resp. zuerk ennenden) Charak ter des urteilenden Verhaltens (= die ›Form‹ oder ›Qualität‹)“ (289). Was aber gehört nun zum Verständnis einer Aussage? Es sei zwar die „primäre Intention von Seite des Sprechenden [...], ein (wenigstens nach Qualität und Materie) analoges Urteil im Hörer zu erzeugen, wie das, wofür in der Regel die Aussage den Ausdruck bildet. Aber natürlich gehört nicht dieser Erfolg zum Verständnis der Aussage. Vielmehr genügt es, daß der Hörende die Vorstellung des Urteilsinhalts gewinne, dessen k orrespondierendes wirk liches Urteilen die Aussage (üblicherweise) zu erweck en bestimmt ist“ (1976, 362). Auch in diesem Fall ist es unerläßlich, die Formen der Aussagen von ihren Bedeutungen zu unterscheiden. Es gibt nämlich viele Ausdruck smethoden, durch die ein Urteil suggeriert werden k ann, es gibt aber nur zwei ›Modi‹ des Urteils: das einfache oder thetische einerseits, das k ategorische, synthetische oder doppelte andererseits. „Während das einfache, thetische Urteil zwei entgegengesetzte Modi der Qualität aufweist (Bejahen und Verneinen), das synthetische oder ›k ategorische‹ stets ein Zuerk ennen ist und hier nicht zwei Spezies einander gegenüber stehen. Was man für ein Aberk ennen hält, ist nicht — wie man gewöhnlich glaubt — ein primäres, sondern ein reflexes Urteil (z. B. es ist falsch, daß A B ist)“ (Marty 1976, 293). Nach vielen Untersuchungen über subjek tlose Sätze und den gegliederten Begriff des Subjek ts sollte Marty zu dem Schluß k ommen, daß die Aussage den Inhalt des k undgegebenen Urteils bedeute, soweit dieser Inhalt durch Sprache direk t mitteilbar ist, mithin die Intention der sprachlichen Mitteilung direk t auf ihn gerichtet sein k ann. „Was ich durch die Sprache einem anderen unmittelbar insinuieren k ann, ist nur, daß er etwas für seiend oder nicht seiend, gewesen oder k ünftig, für A oder B seiend nimmt, nicht aber daß er es apodik tisch (oder mit apriorischer Evidenz) beurteilt. Diesen beschränk teren Inhalt nennt man also vielleicht zweck mäßig denjenigen Inhalt des Urteils, der zugleich Inhalt der Aussage ist, jenen reicheren
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dagegen den Inhalt, der dem Urteil an und für sich und ohne Rück sicht auf sprachliche Mitteilung zuk ommt“ (Marty 1976, 360 f). ‘Durch Sprache direk t mitteilbar’ heißt aber natürlich nicht, daß die sprachliche Form einen vollk ommenen Parallelismus zum psychischen Vorgang ausdrück t. Im Urteilsausdruck läßt sich am leichtesten anschaulich machen, „wie es zu logisch begründeten Synsemantik a k ommen k ann und bei syntak tischer Bildung der Sprachmittel k ommen muß. Doch soll damit durchaus nicht gesagt sein, daß etwa hier die Sprache überall die Struk tur des Gedank ens treu nachgebildet hätte. Nein! nicht bloß beim Ausdruck der zusammengesetzten Urteile, selbst bei demjenigen der einfachen Bejahung und Verneinung sehen wir in der Gliederung der Zeichen vielfach nur eine Annäherung an die des Ausgedrück ten gegeben“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 127). Das Wesen des Urteils ist das anerk ennende oder ablehnende Verhalten gegenüber dem, was ich vorstelle. „Das beim einfachen Urteil der Gliederung des Gedank ens in Materie und Qualität entsprechende Schema des sprachlichen Ausdruck s wäre also, allgemein ausgedrück t, A + oder A —, wobei A den Begriffsausdruck , (+) und (—) die Zeichen der Affirmation und Negation repräsentieren. Doch k ann die Sprache natürlich das gedank liche Vorbild auch verlassen, und sie tut es tatsächlich in mannigfacher Weise. Die vorerwähnte typische Formel der thetischen Aussage tritt in der lebendigen Sprache selten adäquat verwirk licht auf“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 129). Marty hat die „den uns naheliegenden Sprachen üblichen thetischen Formeln in die pseudokategorischen und k onditionalen geschieden“ (130), welch letztere er ›k onjunk tional‹ (disjunk tiv oder hypothetisch) genannt hat. Unter den pseudok ategorischen (oder ›k ategoroiden‹), hat er die existentialen (z. B. ‘es gibt ein Haus’) und impersonalen (z. B. ‘es regnet’), manchmal als subjek tlose Sätze bezeichnet (z. B. ‘tonat’), ausgesondert. Es handelt sich hier um fik tive Prädik ationen, die nur durch den sprachlichen Ausdruck den Schein von Prädik ationen erweck en. Der Typus allen Urteilens ist eine synthetische Weise des Urteilens: „es handelt sich um ein eigentümliches Zusammen, welches mehr ist als eine bloße Summe, ein Zusammen, das vielmehr ein eigentümliches Ganzes bildet, dessen Elemente nur einseitig voneinander löslich sind. Was in einem solchen wahrhaft k ategorischen Urteil wie: ‘dieses A ist B’ oder ‘ein gewisses A ist B’ das Subjek t genannt wird, ist — nicht, wie man geglaubt hat, ein bloßer Begriff, sondern —
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selbst schon ein Urteil, und diese ›Anerk ennung‹ geht als Element in eine eigentümliche Verbindung ein, indem auf ihr wie auf einer Basis ein weiteres Urteilen aufgebaut erscheint. Indem ich sage: ‘dieses A’, ist A bereits anerk annt. Dieses Verhalten wird nun zur Grundlage einer anderen Urteilsbeziehung gemacht, die man ein dem Subjek t Zusprechen, Zuerkennen, Prädizieren nennt“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 132) (s. Art. 77).
6.4. Daß die k ategorische Formel auf den Ausdruck einfacher Urteile durchschlägt, hält Marty aufgrund der Natur ihrer Materie für begreiflich. Wer nämlich meint, „in solchen Sätzen wie: alle Wink el im Halbk reis sind Rechte; k ein Ton ist eine Farbe u. dgl. werde ernstlich von den Wink eln oder Tönen oder gar von einen Subjek tbegriff ‘alle Wink el’, ‘k ein Ton’ etwas ausgesagt“ (1916—20, Ges. Schriften II.1, 267), der verwechselt die innere Form mit der Bedeutung. Vielmehr läßt sich in diesen Fällen besonders leicht begreifen, wie man zur Übertragung der k ategorischen Formel kommen konnte. „Vor allem ist sicher, daß Doppelurteile zeitlich allen diesen einfachen Urteilen vorausgingen. Was zunächst empirische Affirmationen wie: einige Menschen sind k upferrot, d. h. es gibt k upferrote Menschen betrifft, so k onnte man gar nicht zu diesem Satze gelangen, ehe man sich von der Existenz von Menschen überzeugt und unter ihnen solche gefunden hatte, denen die Bestimmung k upferrot zuzuerk ennen war. Diese Induk tion aber führte, wie sie in Doppelurteilen vor sich ging, so auch naturgemäß zunächst auf das Doppelurteil: einige der Menschen sind k upferrot. [...] Analoges gilt von Urteilen wie: alle Körper sind schwer; k eine Blume ist schwarz. Sie ruhen auf Induk tion, und Doppelurteile von verwandtem Sinne sind ihnen ursprünglich direk t vorausgegangen. Von den analytischen Urteilen wie: Kein Dreieck ist vierseitig; alle Körper sind ausgedehnt; k eine Farbe ist ein Ton; Weiß ist nicht Schwarz usw. gilt allerdings nicht, daß sie durch Induk tion gewonnen seien. Aber daß auch ihnen wenigstens irgendwelche Doppelurteile vorausgegangen sein müssen, geht schon daraus hervor, daß ein prädik ativ zusammengesetzter Begriff wie vierseitiges Dreieck , farbseiender Ton und dergleichen ihre Materie bildet, Begriffsgebilde, welche [...] nur entweder in direk ter Reflexion auf ein Doppelurteil oder nach Analogie zu irgendeiner anderen durch solche Reflexion gewonnenen Vorstellungsver k nüpfung entstehen konnten“ (268).
Den Wert des Subjek ts schildert Marty von zwei verschiedenen Gesichtspunk ten aus. Einerseits wird meistens „derjenige Begriff ins Subje k t aufgenommen, der ein Ganzes
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schlechtweg oder seinem vornehmsten Teile nach auffaßt, weil eben die entsprechende Bestimmung in der Regel das bereits Bek annte oder dasjenige ist, worauf man zweck mäßigerweise zuerst zu achten hat, um sich über den Sachverhalt rasch und leicht ein Urteil zu verschaffen. [...] Nun überwog aber unter diesen Teilverhältnissen dasjenige von Ding und Eigenschaft [...] allen anderen in der Häufigk eit [...]. So k am denn auch das ›Ding‹ oder die Substanz am häufigsten dazu als Subjek t, das Ak zidens als Prädik at zu fungieren, m. a. W. die k ategorischen Aussage gab — zwar nicht vermöge ihrer Syntaxe, aber vermöge der besonderen Bedeutung der Subjek tund Prädik atsnamen — das Verhältnis der ›Inhärenz einer Eigenschaft im Dinge‹ häufiger als irgendein anderes k und. Die Folge davon war, daß dem sprachbildenden Bewußtsein die Vorstellung der Substanz zum Typus des Subjek ts und daß der Subjek tsname zu etwas wie unser ›Substantiv‹ werden k onnte, einer Form, die, auch wo sie nicht wirk lich ein Ding bezeichnet, doch das Bezeichnete unter das sprachliche Bild einer Substanz rüc k t“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.1, 254 f). Andererseits „ist das Subjek t, d. h. dasjenige, was im Doppelurteil zunächst anerk annt und zur Basis der ferneren Zu- oder Aberk ennung gemacht wird, in der Regel etwas, was dem Sprechenden und dem Hörer schon bek annt ist; Gegenstand der Zuerk ennung, Inhalt des Prädik ats dagegen ist eine neue unbek annte Bestimmung. Oder falls zunächst weder das eine noch das andere bek annt ist, wird dasjenige zum Subjek t gemacht, von dessen Existenz der Hörer sich zweck mäßigerweise zuerst überzeugt oder worauf er naturgemäß zuerst die Aufmerk samk eit richtet, um sich des im ganzen Urteil behaupteten Tatbestandes zu vergewissern“ (254). Die Unterscheidung von Subjek t und Prädik at, genauer von grammatischem, logischem und psychologischem Subjek t beziehungsweise Prädik at, wird von Marty sorgfältig behandelt in Auseinandersetzung mit den Theorien von Paul, Benno Erdmann (1851—1921), Steinthal, Theodor Lipps (1851—1914), Philipp Wegener (1848—1916) und Gabelentz. Marty unterscheidet die grammatische von der logischen Perspek tive so, daß die grammatische Form nicht dasselbe ist wie der ausgedrück te Gedank e; des weiteren k ann die Absicht oder Zweck mäßigk eit einer Mitteilung des Sprechers dem Angeredeten gegenüber die Richtung des Ausdruck s,
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d. h. die Wortstellung, die Betonung oder die syntak tische Fügung, bedingen, und damit ein verschiedenes psychologisches Subjek t oder Prädik at erzeugen. Wichtig bleibt der logische Wert von Subjekt und Prädikat: „Subjek t im eigentlichen Sinne ist also ein Urteil, welches in eigentümlicher und nur durch Beispiele anschaulich zu machender Weise Element einer innigen und nur einseitig trennbaren Synthese von Urteilen ist, und nicht von Subjek tvorstellungen hat, wer sich exak t ausdrück en will, zu reden, sondern von subjek tischen Urteilen. Ebenso ist das Prädikat eigentlich nicht ein Begriff oder eine Vorstellung, sondern ein, wiederum nur durch Anschauung zu verdeutlichender, besonderer Modus des Anerk ennens und Verwerfens, dessen Eigentümlichk eit darin liegt, daß er auf einer einfachen Anerk ennung als seinem Suppositum aufgebaut und nicht von diesem ablösbar ist“ (Marty 1916— 20, Ges. Schriften II.1, 317).
Darüber hinaus k ann man von einem grammatischen Subjek t beziehungsweise Prädik at sprechen und ihm gegenüber den entsprechenden Gedank en logisches Subjek t beziehungsweise Prädik at nennen „in k einem anderen Sinne, als um damit das, was Sache der Bedeutung ist [...] zu bezeichnen im Unterschied von dem, was nur sprachliches Kleid und Zeichen ist“ (319). Nur die Grammatik k ennt außer dem prädik ativen noch ein attributives und ein objek tives Verhältnis. Die Logik sieht überall bloß Prädik ate. Marty antwortet auf diese, zum Beispiel von Steinthal vertretene Position: „Die Sprache ist vollk ommen im Rechte, wenn sie scheidet: einmal zwischen einer attributiven Ver k nüpfung zweier Namen, der als Bedeutung bloß eine prädik ative Vorstellungsverk nüpfung wie B seiendes A entspricht, und einer wirk lichen Prädik ation wie A ist B. Nur letztere ist ein Urteil, erstere nicht. Diese k ann Materie eines Urteils sein, aber sie ist nicht selbst ein solches. Sodann aber sind prädik ative Verbindungen von Begriffen auch durchaus nicht die einzigen Vorstellungszusammensetzungen, die in der Materie unserer Urteile gegeben sein k önnen; [...] die Sprache besitzt mit gutem Grunde sogenannte oblique Fügungen, wie die obliquen Kasus mit oder ohne Präpositionen, die adverbialen Bestimmungen und dergleichen, und niemals läßt sich ihr Sinn als eine prädik ative Vorstellungsverbindung deuten oder in lauter solche auflösen“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.1, 348). Endlich unterstreicht Marty in Abhebung von denjenigen Forschern, die Subjek t und Prädik at lediglich durch starre sachliche Verhältnisse bestimmt sehen, die Rolle des Zu-
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sammenhangs und die der Absichten der Sprechenden: „für die Weise der Gliederung dieser Urteilsbestandteile [ist] auch, und zwar in hervorragendem Maße, der wechselnde Zusammenhang der Gedank en und der Mitteilung bestimmend“ (1916—20, Ges. Schriften II.1, 340). Natürlich k ann eine bestimmte Gliederung besser als eine andere auch ästhetischen oder rhetorischen Zweck en dienen. Im übrigen k ann es k eine Äquivalenz zwischen Subjek t, d. h. Gegebenem, Interesselosem, bereits Bek anntem, dem Worüber einereits, und Prädik at, d. h. Gefordertem, Neuem, Interessierendem, dem Was andererseits geben. „Stellung und Betonung k önnen in einer und derselben Sprache eine Mannigfaltigk eit von Funk tionen haben und haben sie auch in Sprachen wie dem Deutschen, Lateinischen oder Griechischen (cf. Marty 1916—20, Ges. Schriften II.1, 351). Es gibt dafür mehrere Gründe. Während die primäre Regel natürlicher Prädik ation aus dem Wesen des Subjek ts und Prädik ats fließt und besagt, daß beim einsamen Denk en die Stelle des ersten durch die schon bek annte Bestimmung, die des zweiten durch die neue Bestimmung eingenommen werde, und wenn es sich um Mitteilung handelt, diejenige Bestimmung zum Subjek t gemacht wird, auf welche der Hörende die Aufmerk samk eit zuerst richten soll, um die Mitteilung rasch und leicht zu verstehen und sich über den Sachverhalt ein Urteil zu bilden, wechselt „die naturgemäße Prädik ation [...] je nach Umständen, m. a. W. sie richtet sich nach einer Mehrheit von Regeln und Gewohnheiten, die sich gegenseitig ergänzen und beschränk en“ (Marty 1916—20, Ges. Schriften II.1, 338). Ob dann tatsächlich da oder dort durch „Stellvertretungen und einseitiges Überwiegen der Wortfolge und Betonung die assoziative Macht der grammatischen Formen eine Disk repanz zwischen sogenanntem grammatischen und psychologischen (d. h. Urteils-)Subjek t resp. Prädik at eintrete, [...] darüber k ann nur die Erfahrung entscheiden“ (361). 6.5. Wenden wir uns jetzt dem semantischen Gesichtspunk t zu. In den thetischen Urteilen faßt Marty als logisch begründete Synsemantik a ihre beiden Bestandteile auf, falls sie zur psychischen Urteilsstruk tur passen. Es sind dies das Sprachzeichen für die Urteilsmaterie (das Vorgestellte und Beurteilte) und der sprachliche Ausdruck für die Urteilsqualität (das Bejahen oder Verneinen). Sowohl das Subjek t als auch das Prädik at sind in der
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k ategorischen Formel gleichfalls logisch begründete Synsemantik a. Die logisch nicht begründeten Synsemantik a sind dagegen eher als eine Folge des Strebens nach Verk ürzen des Ausdruck s durch Kombination von Zeichen anzusehen. „Da geschieht es häufig, daß die abbreviierende Zusammensetzung der Zeichen zugleich eine Scheidung und gleichsam Artik ulation derselben involviert, die der natürlichen Artik ulation des ausgedrück ten gedank lichen Inhalts nicht entspricht“ (1925— 50, Nachgel. Schriften I, 225). Viele Konjunk tionen gehören hierher wie ‘aber’, ‘obschon’, ‘gleichwohl’, ‘weil’, ‘damit’, ‘allein’, ‘denn’ und andere. „So haben wir in aber gewöhnlich das Äquivalent einer Aussage vor uns. Statt: ‘der April ist da, aber das Frühlingswetter ist ausgeblieben’ sage ich gleichbedeutend ‘der April ist da; das Frühlingswetter ist ausgeblieben. Die eine Tatsache ist das Gegenteil dessen, was die andere erwarten ließe’ “ (226). Es gehören den logisch nicht begründeten Synsemantik a auch viele Adverbien an. „Sage ich: ‘dies ist notwendig so’; ‘dies ist evidentermaßen so’, so habe ich auch in diesen Adverbien wieder Äquivalente für die Aussage eines reflexen Urteils. Der explizite Ausdruck würde lauten: ‘dies ist so; daß es so ist, ist notwendig resp. evident’“ (230). Von Marty werden logisch nicht begründete Synsemantik a, die der Abk ürzung dienen, unterschieden in diejenigen, „die eine (attributive Determination durch Korrelation ausdrück en sowie diejenigen, so sich mit der Korrelation eine (attributive) Determination verbindet“ (231). Zum Beispiel ‘Ursache einer Krank heit’ statt ‘Ursache von etwas, was eine Krank heit ist’ oder ‘der Hund des Herrn X’ statt ‘der Hund, der einem Herrn zugehörig ist, welche X ist’. Angesichts der herausragenden Stellung der Aussagen im sprachlichen Handeln darf man die Besonderheiten einer anderen Klasse von Suggestiven, also der interesseheischenden Äußerungen, nicht außer acht lassen. Es wäre ein Irrtum zu glauben — und hier stimmt Marty mit Husserl nicht überein (cf. 1976, 368) —, der Inhalt aller unserer sprachlichen Mitteilungen seien Vorstellungen oder prädik ative Verbindungen von solchen. „Weder ist das Urteil eine bloße Verbindung von Vorstellungen, das Doppelurteil so wenig als das einfache, noch liegt darin das Wesen derjenigen psychischen Phänomene beschlossen, die durch Frage, Bitte und durch Wunsch- und Befehlsätze ausgedrück t werden. Der Fragende, Befehlende, Bittende drück en in Wahrheit Phänomene des Interesses, ein Verlangen,
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Wollen oder Wünschen aus“ (Marty 1916— 20, Ges. Schriften II.1, 323). Die interesseheischenden Äußerungen oder Emotive dienen unmittelbar dazu, „ein Fühlen oder Wollen und dergleichen beim Sprechenden zu äußern oder auszudrück en [...] mittelbar [...] ein Phänomen des Interesses im Hörer zu erweck en“ (1976, 363). Mit bezug auf letzteres spricht Marty auch hier von der Bedeutung; als Ausnahmen der Ausdruck sfunk tion erwähnt er jedoch die Fälle der Heuchelei und die des gefühllosen Gebrauchs von Gefühlsausdrük k en. „Das nächste Ziel der primären Intention dieser Äußerungen ist nicht die Belehrung (wie in gewissen Worten des Trostes, des Tadels, der Aufmunterung, die als Aussagen anzusehen sind), sondern die Beeinflussung des fremden Gemütslebens durch Suggestion von Zuständen, die dem k undgegebenen eigenen Fühlen und Wollen im weitesten Sinne entsprechen“ (Marty 1976, 364). Martys Theorie hier wird von Karl Bühler (1879—1963) (s. Art. 38) sehr geschätzt, wie sich der folgenden Erk lärung ablesen läßt: „Dem Objek te des Interesses gegenüber befinden sich [hingegen] verschiedene Menschen oft in verschiedenen Lagen. Was Schmerz oder Freude erweck t, tut dies nicht notwendig und in derselben Weise bei allen; was sich uns als lieb empfiehlt oder uns als unlieb abstößt, hat nicht für jeden diesen eigentümlichen Charak ter [...] Darum ist es nicht selbstverständlich, daß, wenn ich mein Fühlen und Wollen k undgebe, um dadurch dasjenige eines anderen zu beeinflussen, damit immer intendiert sei, in ihm ein (auch nur nach Materie und Qualität) gleiches Interessephänomen zu erweck en, wie dasjenige, welches in mir selbst vorgeht. Wer k örperlichen Schmerz leidet, k ann nicht die Intention haben, durch seine Rede völlig dasselbe psychische Phänomen in anderen zu erweck en, wohl aber Mitleid und den Willen zum Helfen“ (1976, 368). Ganz ähnlich äußert der Fragende den Wunsch, vom Hörer etwas zu erfahren. Aber was die Frage in diesem erweck en soll, ist der Wille, das Gewünschte mitzuteilen. Wie von den Aussagen, so gilt auch von den Emotiven, daß der Charak ter des Richtig-chara k terisiert-Seins, entsprechend dem der Evidenz, nicht direk t durch die Sprache mitteilbar ist. Was das besondere Ausdruck smittel der Emotiven betrifft, so behauptet Marty: „Die Sprache läßt sich vornehmlich angelegen sein, die Vorstellungen und Urteile, welche dem Wunsch, Befehl usw. zur Basis dienen und ihn eigentümlich charak terisieren, durch besondere Worte zu be-
zeichnen. Den auf jene Vorstellungs- und Urteilsgegenstände bezüglichen Ak t des Interesses dagegen bringt sie häufig nur durch eine besondere Syntaxe jener die Materie des Wunsches oder Willens bezeichnenden Worte oder durch eine besondere Art der Betonung derselben zum Ausdruck . Und wo Lautzeichen dafür dienen, sind es Flexionen des Verbs oder der Hülfszeitwörter, ähnlich denjenigen, welche den Ausdruck der Vorstellungen zur Aussage ergänzen. ‘Sei stille!’ ‘Sie mögen achtgeben!’ sehen darum einer Aussage wie ‘Es ist Stille’; ‘Sie mögen (d. h. sie wollen) nicht achtgeben’ äußerlich ganz ähnlich“ (1916—20, Ges. Schriften II.1, 323). Zu den Bezeichnungsmitteln, die dem Ausdruck und der Erweck ung von Gemütsbewegungen und Willensak ten dienen, rechnet Marty den Vok ativ und auch den sogenannten ›Dativum ethicum‹ (1910 c, 61 f). Zudem machen unter Umständen Gesichtsausdruck und Tonfall dieselbe Aussage-, Bitt- oder Wunschformel zu einer höflichen oder unhöflichen, freundlichen oder abstoßenden. „Sage ich einem Gegner: ‘Sie dürften sich irren’, so k ann es sein, daß dies sachlich nichts anderes heißt, als: ‘Sie irren sich’. ‘Dürfte’ hat die Rolle übernommen, nicht eine Unsicherheit meines Urteils, sondern die Freundlichk eit meiner Gesinnung auszudrück en und für meine Mitteilung eine freundliche Stimmung im Hörer zu weck en“ (Marty 1925—50, Nachgel. Schriften I, 204). Es ist nicht schwierig einzusehen, daß sich auch in diesem Fall Erscheinungen der inneren Sprachform und einer Mitwirk ung von autosemantischen und synsemantischen Zeichen erkennen lassen.
7.
Epistemologische und ontologische Voraussetzungen und Konsequenzen der Sprachforschung
Die Unterscheidung von Form und Stoff durchzieht die ganze Semasiologie Martys. Mit ihr k ann er den Werk zeugcharak ter der Sprache auf fruchtbare Weise deutlich machen. Es muß dabei k lar sein, daß es sich um einen Entwurf handelt, der selbst nicht sprachphilosophisch fundiert ist, sondern in Erk enntnistheorie und Ontologie seine Wurzeln hat. Diese Wurzeln sollen jetzt noch k urz betrachtet werden. Erk enntnistheoretisch ist es von Bedeutung, die Resultate der Selbstbeobachtung von den Kriterien der Klassifik ation zu unterscheiden. Gleichgültig, ob es bei drei Klas-
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sen von psychischen Phänomenen bleibt oder die innere Erfahrung wirk lich die einzig sichere Erk enntnis ist, ja sogar unabhängig davon, wie sich die Psychologie als Wissenschaft weiterentwick elt, die Einbindung der Sprache als ein menschlicher Handlungszusammenhang in das psychische Leben ist ein Schritt in der Theorie Martys, der sich nicht mehr umk ehren läßt (cf. Raynaud 1982 b, 371— 379). Um sich k ritisch gegenüber Einflüssen des Sprechens auf das Denk en äußern zu k önnen, muß Marty über ein Wahrheitsk riterium verfügen, das zudem auch das wirk lich mit einer Bedeutung Ausgestattete vom bloß scheinbar so Auftretenden zu unterscheiden erlaubt. „Wer ja davon spricht, daß die Sonne aufgehe, während er doch k opernik anisch denk t und dies auch vom Hörer voraussetzt, der gebraucht die Vorstellung des Urteilsinhalts, welcher zunächst durch seine Äußerung erweck t wird, nur als vermittelndes Glied für die Erweck ung eines anderen Urteils. [...] So aber k ann es auch in mannigfachen anderen Fällen sein: dasjenige, wovon man scheinbar sagt, es sei, ist bloß eine Fik tion der inneren Sprachform; sei es, daß jeder sie als solche erk ennt, sei es wenigstens derjenige, welcher auf dem betreffenden Gebiete tiefere Einsichten hat. Und nur wenn man bezüglich des Nichtrealen, indem man ihm nicht eine wahrhafte Existenz zuschreibt, etwa meinte, daß nicht es, sondern stattdessen etwas Anderes, Reales existiere, k önnte der ganzen Lehre von einer hier gegebenen anderen Seinsweise ein dis k utabler Sinn abgewonnen werden“ (Marty 1976, 330).
Kraus behauptet: „In [dem] Nachweis vor dem fik tiven Charak ter des sogenannten immanenten Objek tes findet Martys Lehre von der inneren Sprachform wohl ihre bedeutsamste Bewährung. Spricht man von dem Abbilde der Wirk lichk eit in unserer Seele, so ist das selbst nur ein Bild der inneren Sprachform“ (1916, 36 f). Wer die Ontologie Brentanos k ennt, mag sich fragen, ob Marty den Realismus mit ihm teilt oder nicht. Statt einer ausführlichen Antwort, für die hier nicht der Ort ist (cf. Raynaud 1982 a, 231 f; 276—281) möchte ich nur darauf hinweisen, daß Marty mehrere Klassen des Nichtrealen unterscheidet. „Das Nichtreale ist teils solches, das als Folge von Realem gegeben ist, mit ihm entsteht und vergeht; teils solches, das k ein Entstehen und k ein Vergehen hat. Von der ersten Art sind z. B. zweifellos die nicht realen Relationen und relativen Bestimmungen, die wir dem Realen zuschreiben. Wenn man sie freilich ihm ›inhärierend‹ nennt, so ist dies nicht glück lich, da dieser Terminus sonst von der Weise gebraucht wird, wie ein reales Accidens mit der
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Substanz Eines ist. Es würde besser sein für die wesentlich andere Art, wie die nichtrealen Bestimmungen ihrem Subjek te innewohnen, eine andere Bezeichnung zu bilden (etwa Emphyse oder dergleichen), damit die ›innere Sprachform‹, die durch das Wort ‘inhärieren’ erweck t wird, nicht beirre und zu dem (wie schon bemerk t) so häufigen Fehler verführe, daß man das Nichtreale dem Realen in Gedanken zu nahe bringt“ (Marty 1976, 357).
Die Art des Sprechens k ann also einerseits unser Denk en irreführen, andererseits aber durchaus auch korrigieren.
8.
Das Erbe Martys
Unabhängig von der k ritischen Würdigung der einzelnen theoretischen Beiträge Martys durch die Nachwelt gibt es eine Tradition seiner Sprachphilosophie, die von seinen Schülern weitergetragen wurde. Zu ihnen gehören die Herausgeber seiner Gesammelten Schriften, Eisenmeier, Kastil und Kraus, aber auch der ihm eng verbundene Anglist und Sprachwissenschaftler Otto Funk e (1885— 1973), der Martys Nachgelassene Schriften edierte. Gleichwohl hat Marty nie eine eigene sprachphilosophische Schule begründet. Er hat im Laufe seines Lebens zwar sprachliche Fragen behandelt, aber die Sprache seiner Prager Zeitgenossen, das Tschechische, blieb ihm immer fremd. Natürlich darf man nicht die schwierige persönliche Lage Martys vergessen, derentwegen ihm sein Aufenthalt in Prag in mehrfacher Hinsicht als ein Exil erschien. Diese persönlichen Probleme, die mit seiner Isolierung in der ihrerseits einer fortschreitenden Isolierung unterworfenen deutschen Universität in Prag zusammenhängen, hielten Marty davon ab, sich an den k ulturellen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen seiner Zeit zu beteiligen. Seine Gewohnheit, eine sehr detaillierte Exposition seiner Fragestellung den Lösungsvorschlägen voranzustellen, führte zu einem Übergewicht der pars destruens über die pars construens mit allen Folgen für Art und Umfang der Rezeption seiner Forschungen. Es ist deshalb auch nicht leicht, den Kern seines Denk ens herauszupräparieren. Der geistige Abstand etwa zum linguistischen Prager Zirk el wird allein schon dadurch dok umentiert, daß dort Thesen aufgestellt und prak tische Forschungsinitiativen ergriffen werden, während Marty umfangreiche, der Polemik breiten Raum gebende Abhandlungen schreibt — allein siebenhundert Seiten beim ersten Band seiner Untersuchungen — neben einer Vielzahl von Artik eln über ganz spezielle
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Probleme wie zum Beispiel die subjek tlosen Sätze. — Um so bemerk enswerter sind die sachlichen Berührungspunk te, ja sogar Konvergenzen, die zwischen Martys Sprachphilosophie und der Sprachwissenschaft des Prager Zirk els bestehen (cf. Raynaud 1982 a, 39—53; 1990, 54—95; 207—219; 330 ff; 358 f; 366—370; 377 f). Sie spiegeln sich in dem Widerhall, den Martys Denk en nicht nur im Prager Zirk el, allen voran bei Roman Jak obson (1896—1982), gefunden hat, sondern auch, insbesondere durch Vermittlung von Jak obson, im Mosk auer Zirk el, und weit darüber hinaus bei so verschiedenen Denk ern wie Husserl, Gustav Gustavovič Špet (1879— 1940), Ludwig Landgrebe (1902—1991). Martin Heidegger (1889—1976), Bühler und Roman Ingarden (1883—1970). Marty wird sogar in die geistige Nähe zu Ferdinand de Saussure (1857—1913) (s. Art. 36) gerück t, während der japanische Linguist Kuroda, der im Rahmen eines Chomsk y-Seminars auf Martys Überlegungen gestoßen war, die Verwandtschaften mit der generativen Grammatik herausgearbeitet hat. Die Ak tualität Martys zeigt sich in seiner synchronischen, auf struk turale und funk tionale Aspek te k onzentrierten Auffassung der Sprache ebenso wie in seiner pragmatischen Perspek tive. So hat er die Unterscheidung zwischen grammatischer Tiefenstruk tur und Oberflächenstruk tur antizipiert und gleichzeitig auf die Abhängigk eit der Bedeutung sprachlicher Ausdrück e von ihrem Kontext (s. Art. 92), auf das ›Verwobensein‹ „des Sprachlichen und Grammatischen“ (1916— 20, Ges. Schriften II.1, 302 f) aufmerk sam gemacht, einen Zusammenhang, der von der Textlinguistik erst sehr viel später in seiner Bedeutsamkeit herausgestellt worden ist. Die Quelle der so vielfältigen wie reichhaltigen Ergebnisse von Martys sprachphilosophischen Forschungen darf in seiner zur Meisterschaft ausgebildeten Fähigk eit gesehen werden, mögliche Antworten auf gestellte Fragen stets mit ihrem Gegensatz zu k onfrontieren, um daraus die Kriterien für unabhängige Verbesserungen zu gewinnen. Eine wissenschaftliche Umsicht, die noch jetzt zum Nachdenken herausfordert.
9.
Literatur in Auswahl
Broens 1913, Darstellung und Würdigung des sprachphilosophischen Gegensatzes zwischen Paul, Wundt und Marty. Die erste Monographie, die die Einwände Martys gegen Paul über genetische und methodologische Fragen teilt, während sie von Mißverständnissen
Wundtscher Lehren durch Marty spricht. Formigari 1992, Anton Marty. Eine Sprachphilosophie in der Nachfolge Brentanos. Funk e 1924, Innere Sprachform. Eine Einführung in A. Martys Sprachphilosophie. Ein wertvoller Beitrag, der durch das spezifische Thema der inneren Sprachform wirk lich und in das ganze Werk Martys einführt. Kraus 1916, Martys Leben und Werke. Die fast einzige Quelle biographischer Notizen und eine gute, geschichtlich-theoretische Übersicht der veröffentlichten und zur Zeit nachgelassenen Werk e Martys. Landgrebe 1935, Nennfunktion und Wortbedeutung. Eine Studie über Martys Sprachphilosophie. Ein k ritischer Beitrag zu Benennungsgrund und Bedeutungsfun k tion der Namen; Prädi k abilität und Bestimmung des Genannten durch den Zusammenhang; Autosemantika und Synsemantika. Marty 1875 b, Über den Ursprung der Sprache. Marty 1879, Die Frage nach der geschichtlichen Entwickelung des Farbensinnes. Marty 1976, Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik und Sprachphilosophie. Marty 1910 c, Zur Sprachphilosophie. Die „logische“, „lokalistische“ und andere Kasustheorien. Marty 1916—1920, Gesammelte Schriften I—II. Marty 1925—1950, Nachgelassene Schriften I—III. Modenato 1971, Anton Marty: alcuni temi di psicologia e di semasiologia. Der Aufsatz beschäftigt sich besonders mit Martys psychologischer Lehre und bezieht sich auf die entsprechenden Brentanoschen Themen. Kuroda 1972, Anton Marty and the transformational theory of grammar. Der Artik el handelt von Martys innerer Sprachform im Verhältnis zu der generativen Grammatik , besonders zu nonstandard Transformationstheorien. Die Lehre Martys ist hoch geschätzt. Mulligan (Hg.) 1990, Mind, Meaning and Metaphysics: the Philosophy and Theory of Language of Anton Marty. Bericht des Marty Kolloquiums, Fribourg 1984; mit einer vollständigen Bibliographie. Parret 1976, Le débat de la psychologie et de la logique concernant le langage: Marty et Husserl. Ein Aufsatz, der die Voraussetzungen der beiden Auffassungen zusammenfaßt, Martys Kritik der Parallelismusthese zwischen Sprechen und Denk en und seine Lehre der inneren Sprachform besonders im Rahmen der Syntax und der logisch begründeten Synsemantik a vorstellt, dabei die Ähnlichk eit zwischen den Martyschen und Husserlschen Theorien einerseits und den generativen, sowohl transformationellen als auch semantischen andererseits hervorhebt. Raynaud 1982 a, Anton Marty filosofo del linguaggio. Uno strutturalismo presaussuriano.
34. Gottlob Frege (1848—1925)
Eine Monographie über Martys Leben und Denk en, mit einer bis 1982 geführten Vollständigk eit anstrebenden Bibliographie, wo man auch Besprechungen von Bühler, Heidegger, Husserl, Jaberg, Paul, Porzig, Vossler zu Martys Werken finden kann. Spinicci 1991, Il significato e la forma linguistica. Pensiero, esperienza e linguaggio nella filosofia di
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Anton Marty. Die jüngste Monographie, die sowohl die genetische Frage als auch die semasiologisch-desk riptive behandelt, unter besonderer Berück sichtigung von Martys Epistemologie.
Savina Raynaud, Milano (Italia)
34. Gottlob Frege (1848—1925) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
1.
Vorbemerkungen Satzbedeutung und Wahrheitswert Urteil und Behauptung Eigennamen Begriff und Gegenstand Oblique Kontexte: ungerade Bedeutung und ungerader Sinn Das Prinzip der Ersetzbarkeit Die Zerlegung von Gedanken in Gedankenteile Literatur in Auswahl
Vorbemerkungen
Es gilt heute unter analytischen Philosophen allgemein als anerk annt, daß Gottlob Frege bahnbrechende Beiträge zur Entwick lung der Sprachphilosophie in diesem Jahrhundert geleistet hat. Insbesondere gingen von seiner Theorie von Sinn und Bedeutung und der mit ihr verk nüpften Urteils- und Behauptungslehre fruchtbare Anstöße auf die Entfaltung der modernen extensionalen und intensionalen Semantik aus. Ohne Vollständigk eit zu beanspruchen, wären als wesentliche Beiträge zu nennen: seine logischen Unterscheidungen im Bereich der Prädik ation, seine syntak tische Analyse des Aufbaus von Sätzen aus ihren Bestandteilen und die mit ihr Hand in Hand gehende Theorie des Aufbaus von Gedank en aus Gedank enbausteinen, die Betonung des Primats der Satzbedeutung über die Wortbedeutung sowie des Satzsinns über den Wortsinn, seine syntak tisch begründete Unterscheidung zwischen Begriff und Gegenstand, seine semantische Theorie der Identitätsaussagen, sein wahrheitstheoretischer Ansatz und nicht zuletzt seine detaillierte Untersuchung nichtextensionaler Sätze im Rahmen der Unterscheidung zwischen gewöhnlicher und ungerader Bedeutung sowie zwischen gewöhnlichem und ungeradem Sinn. — Ungeachtet seiner wegbereitenden Studien im Bereich der Semantik , die in der gegenwärtigen
sprachphilosophischen Forschung einen ungebrochen stark en Einfluß ausüben, war Frege seinem Selbstverständnis nach Logik er und Mathematik er, wenngleich ein Logik er mit einem ausgeprägten Interesse an der Erörterung sprachphilosophischer Fragen. Sein wissenschaftliches Hauptziel bestand unstreitig in einer logischen Grundlegung der Arithmetik der natürlichen Zahlen und der Analysis. Gemessen an der Ausarbeitung des logizistischen Programms, der Frege einschließlich der in der Begriffsschrift (1879) und in den Grundlagen der Arithmetik (1884) geleisteten Vorarbeiten mehr als zwei Jahrzehnte widmete, spielen seine sprachphilosophischen Untersuchungen im engeren Sinn eine stark untergeordnete Rolle. — Allerdings beginge man einen Fehler, wollte man in Freges Theorie von Sinn und Bedeutung lediglich einen Anhang zu seiner Philosophie der Mathematik sehen. Sie nimmt, zumal in der Verbindung mit seiner Urteilslehre und seiner Theorie der Funk tionen, Begriffe und Beziehungen, eine Schlüsselrolle im semantischen Aufbau des Logik systems der Grundgesetze der Arithmetik (Bd. I 1893, Bd. II 1903) ein. Frege trifft seine Unterscheidung zwischen gewöhnlicher und ungerader Bedeutung natürlich nur für Ausdrück e der ›Wortsprachen‹. — Für Frege ging die Idee der Begriffsschrift als einer auf die logische Syntax zugeschnittenen Präzisionssprache aus dem Bedürfnis hervor, die Lück enlosigk eit von Schlußk etten in der Mathematik streng überprüfen zu k önnen und damit eine sichere Grundlage für die Beurteilung der erk enntnistheoretischen Natur der bewiesenen Sätze zu gewinnen. ›Die Sprache des Lebens‹ hielt er für ungeeignet, diesem wissenschaftlichen Exa k theitsanspruch gerecht zu werden, da sie „nicht in der Weise durch logische Gesetze beherrscht [ist], daß die Befolgung der Grammatik schon die formale Richtigk eit der Gedank enbewegung verbürgte“ (Frege 1964, 50).
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In der Grammatik der Gebrauchssprache finden sich Logisches und Psychologisches miteinander vermischt (Frege 1969, 6; 154). Logische Verhältnisse werden durch die Wortsprachen zumeist nur angedeutet, nicht aber genau ausgedrück t (Frege 1964, 51). — Frege macht wiederholt darauf aufmerk sam, daß die Gebrauchssprache nicht einmal der ersten Anforderung genügt, die man an ein für den wissenschaftlichen Gebrauch bestimmtes Zeichensystem stellen muß, nämlich der Anforderung der Eindeutigk eit (Frege 1964, 50; Frege 1969, 230). Unmittelbar im Zusammenhang mit seinen Hinweisen auf das Phänomen der Mehrdeutigk eit in einer natürlichen Sprache steht seine Forderung, grammatische Kategorien wie ‘Subjek t’ und ‘Prädik at’, die zum festen Bestand der herk ömmlichen Urteilslehre gehören, aus der Logik zu verbannen, „da sie immer wieder dazu verführen, die beiden grundverschiedenen Beziehungen des Fallens eines Gegenstandes unter einen Begriff und [der] Unterordnung eines Begriffes unter einen Begriff zu vermengen“ (Frege 1969, 130).
Auf eine scharfe Unterscheidung der Verwendung des mehrdeutigen Wortes ‘ist’ in der Gebrauchssprache und eine Analyse dabei auftretender Fehler hat Frege besonderes Gewicht gelegt. Ein weiteres, von ihm häufig angeführtes Indiz für die logische Unvollk ommenheit der Wortsprache und darauf beruhender Irreführungen und Fehler ist ihre verhängnisvolle Neigung, bedeutungslose Eigennamen zu bilden (vgl. z. B. Frege 1969, 192; 257; 269; 288 f). — Die natürliche Sprache ist sowohl für die Propädeutik als auch für den Aufbau eines wissenschaftlichen Systems ein ›unentbehrliches Werk zeug‹. In der k ritischen Diagnose der Mehrdeutigk eiten, Verwechslungen und Täuschungen der Wortsprache liegt nun nach Frege die grundsätzliche sprachphilosophische Aufgabe des Logik ers (vgl. Frege 1969, 7; 155; 160 f; 272; 282 f). Diese Aufgabe schließt ein, daß der Logik er die durch ›Grammatik ‹ und ›psychologische Elemente‹ verdeck ten logischen Struk turen der natürlichen Sprache freilegt (Frege 1969, 154). Nur dann, wenn er dieser Aufgabe angemessen nachk ommt, k ann er seine eigentlich aufbauende Arbeit mit dem Maß an Genauigk eit und Zuverlässigk eit durchführen, das wissenschaftlich unentbehrlich ist.
2.
Satzbedeutung und Wahrheitswert
Die Einführung der beiden Wahrheitswerte ›das Wahre‹ und ›das Falsche‹ als der beiden
einzig möglichen Satzbedeutungen spielt eine zentrale Rolle in Freges Semantik . Im § 2 der Grundgesetze der Arithmetik begnügt er sich mit einigen wenigen Bemerk ungen zu den beiden Wahrheitswerten, da er allem Anschein nach glaubt, sich auf eine hinreichende Bek anntschaft mit diesen berufen zu k önnen. Zugleich verweist er auf seine ausführlichere Erörterung des Themas ‘Satzbedeutung und Wahrheitswert’ in seiner semantischen Studie Über Sinn und Bedeutung (1892) (s. Art. 81). Dieser wenden wir uns nun zu. 2.1. Nachdem in einem ersten Schritt gek lärt ist, daß der Gedank e, den ein Behauptungssatz ausdrück t, als dessen Sinn aufzufassen ist, stellt sich die Frage nach dessen Bedeutung. Die Annahme, ein Behauptungssatz habe neben einem Sinn auch eine Bedeutung, erscheint Frege k eineswegs selbstverständlich. Er versucht daher, überzeugende Gründe anzuführen, weshalb die Frage nach der Bedeutung eines Behauptungssatzes berechtigt ist. Zunächst betrachtet er die Möglichk eit, daß eine natürliche Sprache Sätze enthält, die zwar einen vollständigen Gedank en ausdrük k en, aber k eine Bedeutung haben — wobei noch offengelassen ist, ob es überhaupt Sätze mit einer Bedeutung gibt und worin diese besteht. „Der Satz ‘Odysseus wurde tief schlafend in Ithak a ans Land gesetzt’ hat offenbar einen Sinn. Da es aber zweifelhaft ist, ob der darin vork ommende Name ‘Odysseus’ eine Bedeutung habe, so ist damit auch zweifelhaft, ob der ganze Satz eine habe. Aber sicher ist doch, daß jemand, der im Ernste den Satz für wahr oder für falsch hält, auch dem Namen ‘Odysseus’ eine Bedeutung zuerk ennt, nicht nur einen Sinn; denn der Bedeutung dieses Namens wird ja das Prädik at zu- oder abgesprochen“ (Frege 1967, 148).
Frege lenk t in dieser Passage die Aufmerk samk eit auf die Wahrheit bzw. Falschheit von Sätzen (Gedank en). Er tut dies so, daß er eine unmittelbare Verbindung herstellt zwischen dem Fürwahr- oder Fürfalschhalten eines Satzes und der Anerk ennung, daß ein in ihm vork ommender Eigenname eine Bedeutung, nicht nur einen Sinn hat. Obwohl er an dieser Stelle noch nicht ausdrück lich vom Urteilen, Behaupten und von behauptender Kraft spricht, bringt er doch den Gesichtspunk t des Urteils und der assertorischen Verwendung eines Satzes für die Frage nach der Satzbedeutung maßgeblich ins Spiel. Ausgangspunk t ist eine den Zusammenhang zwischen Wort- und Satzbedeutung betreffende Feststellung: Hat ein Eigenname ‘a’ k eine Bedeu-
34. Gottlob Frege (1848—1925)
tung, so gilt dies auch für jeden Behauptungssatz, der ihn als Teilausdruck enthält. Von dieser Feststellung ist es nur ein k leiner Schritt zu Freges semantischem Prinzip, daß ein k omplexer Ausdruck , also insbesondere auch ein Satz, nur dann eine Bedeutung hat, wenn alle seine Teilausdrück e bedeutungsvoll sind. — Äußert ein Sprecher S einen Satz z. B. der Form ‘F(a)’oder ‘G(a, b)’ mit behauptender Kraft, so muß er dem Teilausdruck ‘a’ bzw. den Teilausdrück en ‘a’ und ‘b’ eine Bedeutung zuerk ennen. Frege schreibt etwa in der Mitte von Über Sinn und Bedeutung: „Wenn man etwas behauptet, so ist immer die Voraussetzung selbstverständlich, daß die einfachen oder zusammengesetzten Eigennamen eine Bedeutung haben“ (Frege 1967 a, 154). Eine Erweiterung dieses Voraussetzungsprinzips für die assertorische Rede auf Begriffs- und Beziehungsausdrück e böte sich für ihn auf natürliche Weise an. — Die Anerk ennung des Bedeutungsvollseins der Teilausdrück e eines Satzes erwiese sich als wertlos, ginge sie nicht mit der Anerk ennung einer Bedeutung für den Satz einher; denn für den Sinn des Satzes, den durch ihn ausgedrück ten Gedank en, ist es gleichgültig, ob die Satzteile bedeutungsvoll sind oder nicht. Als Bedeutung eines Satzes wird also aus Freges Sicht das zu bestimmen sein, wofür es wesentlich ist, daß die Satzteile Bedeutungen haben. Das einzige aber, wofür das Bedeutungsvollsein der Satzteile wesentlich ist, ist der Wahrheitswert des Gedank ens; man k önnte auch sagen: ist die Möglichk eit der Urteilsfällung und der Behauptung. — Die behauptende Verwendung eines Satzes setzt voraus, daß dieser einen vollständigen Gedank en ausdrück t. Dazu ist es erforderlich, daß alle seine semantisch relevanten Teilausdrück e einen Sinn haben. Wäre einer von ihnen sinnlos, so träfe dies auch auf den ganzen Satz zu (Frege 1969, 250). Im Vollzug des Urteils- und Behauptungsak tes bleiben wir jedoch nicht bei dem Gedank en stehen, sondern erk ennen seine Wahrheit an und geben dies k und. Der Gedank e, den ein Satz ausdrück t, ist für uns insbesondere unter wissenschaftlichem Gesichtspunk t nur dann von Wert, wenn er dazu dient, eine Erk enntnis zu gewinnen. Der bloße Gedank e ergibt aber noch k eine Erk enntnis, sondern erst der Gedank e zusammen mit seinem Wahrheitswert, mit der Bedeutung des Satzes. Nun hat ein Gedank e nur dann einen Wahrheitswert, wenn jeder Satzteil eine Bedeutung hat. Nur dann, wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, k önnen wir ein Urteil fällen, durch dieses eine
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Erk enntnis gewinnen und die Erk enntnis durch die Behauptung aussprechen. — Frege versteht unter dem Wahrheitswert eines Satzes den Umstand, daß er wahr oder falsch ist. Er betont, daß nach dieser Auffassung einerseits alle wahren Sätze dieselbe Bedeutung haben, nämlich das Wahre, andererseits alle falschen, nämlich das Falsche. Diese Erk lärungen sind strenggenommen unzulässig. Denn der Umstand, daß z. B. der Satz ‘7 + 5 = 12’ wahr ist, ist verschieden von dem Umstand, daß der Satz ‘Bologna hat die älteste Universität Europas‘ wahr ist. Entsprechend ist der Umstand, daß der Satz ‘7 + 5 = 11’ falsch ist, verschieden von dem Umstand, daß der Satz ‘Siena ist größer als Florenz’ falsch ist. Fiele der Wahrheitswert eines Satzes mit dem Umstand, daß er wahr oder falsch ist, zusammen, so gäbe es nicht genau zwei Wahrheitswerte. Da es aber nach Frege genau zwei Wahrheitswerte gibt, k ann der Umstand, daß ein Satz wahr oder falsch ist, nicht mit seinem Wahrheitswert identisch sein. Hinzu k ommt, daß Umstände genau genommen k eine Gegenstände sind. Frege faßt jedoch die beiden Wahrheitswerte unter Berufung auf ein syntak tisches Kennzeichen — ein Behauptungssatz enthält k eine leere Stelle — als Gegenstände auf. — 2.2. Frege stellt in Über Sinn und Bedeutung noch eine weitere wichtige Überlegung an, um die vorgeschlagene Gleichsetzung der Bedeutung eines Behauptungssatzes mit seinem Wahrheitswert und die Auffassung der beiden Wahrheitswerte als Gegenstände als berechtigt erscheinen zu lassen. Sie besteht in einer Betrachtung der alternativen Möglich k eit, das Verhältnis des Gedank ens zum Wahren nicht als das des Sinnes zur Bedeutung, sondern als das des Subjek ts zum Prädik at aufzufassen. Frege verwirft eine solche prädik ative Deutung des fraglichen Verhältnisses, weil sie seiner Auffassung des Urteils, der Rolle des Wortes ‘wahr’ sowie der Natur des Erk ennens nicht Rechnung zu tragen vermag. Er argumentiert wie folgt: Angesichts der sprachlich richtigen Verwendung des Prädik ats ‘wahr’ in einem Satz wie (i) ‘Der Gedank e, daß 5 eine Primzahl ist, ist wahr’ k önnte man geneigt sein, das Verhältnis des Gedank ens zum Wahren bzw. zur Wahrheit als das des Subjek ts zum Prädik at zu betrachten. Bei genauer Prüfung stelle man jedoch fest, daß mit (i) nicht mehr gesagt ist als in dem einfachen Satz (ii) ‘5 ist eine Primzahl’.
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„Die Behauptung der Wahrheit liegt in beiden Fällen in der Form des Behauptungssatzes, und da, wo diese nicht ihre gewöhnliche Kraft hat, z. B. im Munde eines Schauspielers auf der Bühne, enthält der Satz ‘der Gedank e, daß 5 eine Primzahl ist, ist wahr’ eben auch nur einen Gedank en, und zwar denselben Gedank en wie das einfache ‘5 ist eine Primzahl’. Daraus ist zu entnehmen, daß das Verhältnis des Gedank ens zum Wahren doch mit dem des Subjek ts zum Prädik ate nicht verglichen werden darf“ (Frege 1967 a, 150).
Aus diesem ersten Teil der Argumentation geht nicht ausdrück lich hervor, welche Auffassung von Subjek t und Prädik at bei der möglichen alternativen Deutung des fraglichen Verhältnisses leitend ist. Es scheint indes, daß Frege die Interpretation des Verhältnisses anhand der Kategorien von Subjek t und Prädik at zunächst unter grammatischem Gesichtspunk t als Alternative zu der von ihm vertretenen Ansicht erwägt. Denn man wird wohl k aum unterstellen dürfen, daß wir bei flüchtiger Betrachtung von (i) der Versuchung erliegen k önnten, das Verhältnis des Gedank ens, daß 5 eine Primzahl ist, zum Wahren als ein Subje k t-Prädi k at-Verhältnis im logischen Sinn, d. h. nach Frege: als ein Verhältnis zwischen Gedank enteilen anzusehen. Seine Überlegung k ann man wie folgt verstehen: Die grammatische Form von Satz (i) leistet der Vermutung Vorschub, daß wir mit seiner behauptenden Äußerung die Wahrheit als Eigenschaft dem Gedank en, daß 5 eine Primzahl ist, zuschreiben. Danach würde der durch das grammatische Subjek t ‘der Gedank e, daß 5 eine Primzahl ist’ bezeichnete Gedank e als Gegenstand dem durch das grammatische Prädik at ‘ist wahr’ bezeichneten Begriff des Wahren subsumiert. Das Verhältnis des Gedank ens zum Wahren (zur Wahrheit) bestünde in der ungleichstufigen Beziehung des Fallens eines Gegenstandes unter einen Begriff erster Stufe. Diese Vermutung trügt jedoch nach Frege (vgl. Frege 1969, 211). — Träfe die Vermutung zu, so hätte dies nach meiner Einschätzung für Frege folgende Konsequenzen: (a) (i) und (ii) drück ten verschiedene Gedank en aus. Während Satz (ii) als Gedanken das Fallen der Zahl 5 unter den Begriff Primzahl ausdrück t, enthielte Satz (i) als Gedank en die Subsumtion des Gedank ens, daß 5 eine Primzahl ist, unter den Begriff wahr.(b) Die behauptende Kraft läge im Fall von (i) nicht in der Form des Behauptungssatzes. Vielmehr ließe das Wort ‘wahr’ das, was der behauptenden Kraft entspricht, als Beitrag zum Gedank en erscheinen. (c) Die Möglichk eit, mit der Verwendung von
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(i) den Gedanken, daß 5 eine Primzahl ist, auszudrück en, ohne ihn zugleich in Form einer Zuschreibung der Eigenschaft der Wahrheit als wahr anzuerk ennen, entfiele. Das, was der behauptenden Kraft entspricht, wäre Bestandteil des ganzen durch (i) ausgedrück ten Gedank ens. Die Anerk ennung bzw. Behauptung der Wahrheit des Gedank ens, daß 5 eine Primzahl ist, würde durch einen Gedank en ausgedrück t, und zwar in Form einer Subsumtion. — Alle drei eng miteinander verbundenen Konsequenzen sind aus Freges Sicht unhaltbar. Dies bestätigt für ihn, daß das Verhältnis des Gedank ens zum Wahren nicht als ein solches des Gegenstandes zur Eigenschaft aufgefaßt werden darf. (i) und (ii) drück en denselben Gedank en aus; denn — so lautet Freges Begründung — in beiden Fällen liegt die Behauptung der Wahrheit in der Form des Behauptungssatzes (vgl. Frege 1969, 140). Aus der Tatsache, daß im Fall von Satz (i) die behauptende Kraft nicht in dem Wort ‘wahr’, sondern wie bei (ii) in der Form des Behauptungssatzes liegt, folgt für Frege offenbar zweierlei: erstens übt dieses Wort k eine pragmatische Funk tion aus, d. h. es dient nicht zum Vollzug des Behauptungsak tes; zweitens hat es k eine wesentliche semantische Funk tion, d. h. es leistet durch seinen Sinn k einen wesentlichen Beitrag zum Gedank en. Denn das Wort ‘wahr’ k ann nicht „das Unmögliche möglich [...] machen, nämlich das, was der behauptenden Kraft entspricht, als Beitrag zum Gedank en erscheinen zu lassen“ (Frege 1969, 272). Man k önnte auch so argumentieren: Da (i) und (ii) denselben Gedank en ausdrück en, k ann (i) nicht die Subsumtion des Gedank ens, daß 5 eine Primzahl ist, unter den Begriff der Wahrheit ausdrück en; denn eine solche Deutung scheidet im Fall von (ii) von vornherein aus. — Angesichts der Feststellung, daß sich das Wort ‘wahr’ von allen anderen Prädik aten dadurch unterscheidet, daß es in jeder assertorischen Verwendung eines Behauptungssatzes mit ausgesagt wird und durch seinen Sinn zur Bestimmung des Sinnes eines Satzes nicht beiträgt, k önnte man zu der Ansicht neigen, dieses einzigartige Prädik at drück e überhaupt k einen Sinn aus. Aber dann hätte auch ein Satz, in dem es als Prädik at vork äme, k einen Sinn (Frege 1969, 272). Es ließe sich hinzufügen, daß das Wort ‘wahr’ auch eine Bedeutung haben muß; denn sonst hätte ein Satz, der es als Prädik at enthält, k eine Bedeutung. Frege läßt den Gesichtspunk t der Bedeutung in seiner Betrachtung des Wortes ‘wahr’ gänzlich außer Betracht. Es bleibt insbesondere unk lar,
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ob er unter der Bedeutung des Begriffsausdruck s ‘wahr’ entsprechend zu gewöhnlichen Prädikaten einen Begriff, also den Begriff wahr versteht. Das Wort ‘wahr’ bezeichnet offensichtlich nicht den Wahrheitswert ›das Wahre‹; denn dieser ist ja seiner Auffassung zufolge ein Gegenstand und k ann als solcher nur durch einen gesättigten Ausdruck , durch einen Behauptungssatz oder auch durch den Ausdruck ‘das Wahre’ bezeichnet werden. Man k ann indes aus gutem Grund unterstellen, daß für Frege die Bedeutung eines Satzes ‘Daß p, ist wahr’ oder ‘Der Gedank e, daß p, ist wahr’ nicht von der Bedeutung des Wortes ‘wahr’ abhängt. Denn die Bedeutung eines solchen Satzes, in dem das Wort ‘wahr’ einem nominalen Ausdruck prädik ativ hinzugefügt wird, fällt immer mit der Bedeutung des einfachen Satzes ‘p’ zusammen. Das Wort ‘wahr’ hätte demnach zwar eine Bedeutung, aber diese trüge zur Bedeutung des Satzes, in dem es als Prädik at vork ommt, nichts bei. Frege lehnt die Auffassung der Wahrheit als Eigenschaft eines Gedank ens aus für ihn triftigen Gründen ab. Diese Gründe ergeben sich für ihn aus seiner Urteils- und Behauptungslehre. Aber der Versuch, die genannte Auffassung zurück zuweisen, entbindet nicht von der Verpflichtung, die logische Natur des Wortes ‘wahr’ sowie die Frage nach dessen Bedeutung in der eigenen Theorie befriedigend zu k lären. — Das zweite Argument, das Frege gegen eine prädik ative Auffassung des Verhältnisses des Gedank ens zum Wahren ins Feld führt, beginnt mit der Feststellung, daß Subjek t und Prädik at, im logischen Sinn verstanden, Gedankenteile sind. So gesehen kommt ein Vergleich des fraglichen Verhältnisses mit dem des Subjek ts zum Prädik at erst gar nicht ernsthaft in Betracht. Die Gründe, die Frege dafür anführt, sind im wesentlichen k er enntnistheoretischer Natur. Subjekt und Prädikat als Gedankenteile „stehen auf derselben Stufe für das Erk ennen. Man gelangt durch die Zusammenfügung von Subjek t und Prädik at immer nur zu einem Gedank en, nie von einem Sinne zu dessen Bedeutung, nie von einem Gedank en zu dessen Wahrheitswerte“ (Frege 1967 a, 150).
Mit Hilfe der Kategorien Subjek t und Prädik at im logischen Sinn k ann die für das Erk ennen k onstitutive Verschiedenheit der Stufen, auf denen der Gedank e und das Wahre angesiedelt sind, nicht erfaßt werden. Eine Erk enntnis k ann nur dadurch zustande k ommen, daß man von der Stufe des Sinnes (des Gedank ens) zur Stufe der Bedeutung (des Wahrheitswertes des Gedank ens) fortschrei-
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tet. Dieses Fortschreiten geschieht dadurch, daß man ein Urteil fällt bzw. dieses in der Form des Behauptungssatzes äußert.
3.
Urteil und Behauptung
In der logischen Untersuchung Der Gedanke (1918) betont Frege, daß eine Satzfrage und der entsprechende Behauptungssatz denselben Gedank en enthalten. Beide Sätze enthalten indes mehr: der Behauptungssatz enthält zusätzlich die Behauptung und der Fragesatz eine Aufforderung, nämlich die Aufforderung, den durch ihn ausgedrück ten Gedank en entweder als wahr anzuerk ennen oder als falsch zu verwerfen (Frege 1967 a, 346; 362). Frege unterscheidet nun drei Handlungen: (1) das Fassen des Gedank ens — das Denk en; (2) die Anerk ennung der Wahrheit eines Gedank ens — das Urteilen; (3) die Kundgebung dieses Urteils — das Behaupten. Das Denk en und das Urteilen k ennzeichnet er als innere, psychische Ak te, während die mündliche oder schriftliche Kundgabe des Urteils ein äußerer (öffentlicher) Ak t ist. Sucht man nach einem äußeren Ak t, durch den das denk -, sprachund urteilsfähige Subjek t das Fassen eines Gedank ens bek undet, so bietet sich das Ausdrück en eines Gedank ens an. Dieses ist freilich nicht im Sinne einer selbständigen sprachlichen Handlung wie etwa das Behaupten, Fragen, Befehlen oder Bitten aufzufassen. Es wird niemals abgetrennt für sich vollzogen, sondern stets nur als Teil eines sprachlichen Ak tes, dessen Inhalt der fragliche Gedank e selbst oder ein k omplexerer Gedank e sein k ann, von dem jener Gedank e einen Teilgedank en bildet. Erst das Ausdrück en eines Gedank ens, gepaart mit der Behauptung (der behauptenden Kraft) oder der Aufforderung (der auffordernden Kraft), stellt im Fall eines Behauptungssatzes bzw. Fragesatzes eine vollständige sprachliche Handlung dar. — Freges Auffassung (vgl. Frege 1976 b, 126 f), daß jemand, der einen Gedank en als wahr behauptet, nicht die Absicht hat, über den seelischen Vorgang seiner Urteilsfällung zu berichten, ist uneingeschränk t zu befürworten. Die Kundgabe des Urteils setzt zwar den mentalen Ak t des Urteilens voraus, beschreibt ihn aber nicht. Wenn man einen Behauptungssatz mit behauptender Kraft äußert, so stellt man den durch ihn ausgedrück ten objek tiven Gedank en als wahr hin; dessen Wahrsein besteht nach Frege unabhängig vom Urteil und der Behauptung. Als fragwürdig erweist sich allerdings seine Ansicht,
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daß ein im Modus der Behauptung geäußerter Satz unverständlich sei, falls er einen falschen Gedank en ausdrück t. Wir unterliegen in der behauptenden Rede bisweilen durchaus verständlichen Irrtümern, auch dann, wenn wir Wissenschaft betreiben. Indes halten wir einen als falsch erk annten Satz, den wir vormals mit behauptender Kraft ausgesprochen haben, im allgemeinen nicht für unverständlich, wenn auch für ›logisch unbrauchbar‹. Freilich ist es eine Regel des ernsthaften oder aufrichtigen Sprachgebrauchs, daß ein als falsch erk annter Satz nicht mit behauptender Kraft geäußert werden darf (Frege 1967 a, 367), daß der Sprecher von der Wahrheit dessen, was er behauptet, überzeugt sein muß — wobei natürlich eine Überzeugung grundsätzlich fehlbar sein k ann. Behauptet ein Sprecher einen Gedank en, von dem er weiß, daß er falsch ist, so lügt er (Frege 1969, 252). — Man k ann einen Gedank en nicht als wahr anerk ennen, bevor man ihn gefaßt hat, aber man k ann ihn fassen und ausdrück en, ohne ihn als wahr anzuerk ennen (Frege 1967, 346; 364; 371; Frege 1969, 150; 201; 213 f; 271; Frege 1976 b, 33; 119). Das ist ein wesentliches Merk mal der von Frege in seiner reifen und insbesondere späten Periode vertretenen Urteilslehre. In der logischen Untersuchung Die Verneinung (1918) weist er auf den Umstand hin, daß die Taten des Fassens eines Gedank ens und des Urteilens in vielen Fällen so unmittelbar aufeinander folgen, daß sie als eine einzige Tat erscheinen mögen (Frege 1967 a, 371). Die erforderliche Trennung des Fassens und Ausdrück ens eines Gedank ens vom Urteilen bzw. Behaupten k ann man leicht am Beispiel der Fragesätze verdeutlichen. Wäre der Sinn eines Fragesatzes ein Gedank e, dessen Sein in seiner Wahrheit bestünde, so wäre das Fassen des Sinnes zugleich ein Urteilen und die Äußerung des Fragesatzes zugleich eine Behauptung, mithin die Beantwortung der Frage. Da jedoch ein Fragesatz neben dem Gedank en eine Aufforderung, k eine Behauptung enthält, k ann sein Sinn nicht etwas sein, dessen Sein in seinem Wahrsein besteht. — Es muß also möglich sein, einen Gedank en auszudrück en, ohne ihn als wahr zu dek larieren: erstens als Sinn eines Fragesatzes und zweitens — wie zu ergänzen ist — als Teilgedank e eines wahrheitsfunk tionalen k omplexeren Gedank ens. Ein von Frege häufig angeführtes Beispiel sind die nichtgeneralisierten ›hypothetischen Satzgefüge‹ (s. Art. 89). In einem solchen Konditionalsatz werden weder der Vordersatz noch der
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Hintersatz mit behauptender Kraft ausgesprochen, sondern das Urteil und die Behauptung erstreck en sich auf den durch das ganze Satzgefüge ausgedrück ten Gedank en (Frege 1969, 201 f; 214 f; 274; Frege 1967 a, 365; 380 f; 389; Frege 1976 b, 119; 127). Anders verhält es sich mit generalisierten Konditionalsätzen wie z. B. ‘Was größer als 1 ist, ist eine positive Zahl’. Hier drück t weder das Antecedens noch das Consequens (Frege nennt beide ›uneigentliche Sätze‹) einen Gedank en aus, sondern nur das ganze Satzgefüge. — Man k önnte zu der Annahme neigen, daß das als wahr Anerk ennen und das als falsch Verwerfen zwei verschiedene Weisen des Urteilens sind. Frege tritt dieser Annahme entgegen, indem er geltend macht, daß jedem Gedank en ein entgegengesetzter gegenübersteht. Wenn man urteilt, so trifft man eine Wahl zwischen entgegengesetzten Gedank en. Die Anerk ennung des einen fällt mit der Verwerfung des anderen zusammen (Frege 1969, 161; 201; 214). Man k ann einen Gedank en als falsch erk ennen, nicht aber im strengen Sinn als falsch anerk ennen. Frege benötigt daher in seiner Begriffsschrift für die Verwerfung eines Gedank ens k ein besonderes Zeichen, sondern nur für die Verneinung ohne behauptende Kraft. — Ergänzend läßt sich nun sagen: eine Satzfrage enthält die Aufforderung, ein Urteil zu fällen, d. h. entweder den durch sie ausgedrück ten Gedank en oder dessen Negation als wahr anzuerk ennen; sie fordert auf, eine Wahl zwischen entgegengesetzten Gedank en zu treffen. Das Urteilen ist auch im Fall einer verneinenden Antwort auf eine Satzfrage stets die Anerk ennung der Wahrheit eines Gedank ens. Daß wir einen Gedank en für falsch halten, k önnen wir nach Frege nur dadurch bek unden, daß wir sein k ontradik torisches Gegenteil als wahr hinstellen. Der einem Gedank en entgegengesetzte Gedank e erscheint zusammengesetzt aus jenem und der Verneinung; die Verneinung wird durch einen Gedank en ergänzt. Die Verneinung eines Gedank ens ist selber ein Gedank e, der zur Ergänzung einer Verneinung dienen k ann. Die Verneinung gehört folglich nicht zur Tat des Urteilens, sondern sie ist Bestandteil des Gedank ens (Frege 1967 a, 371 ff; Frege 1969, 274). — In Über Sinn und Bedeutung hatte Frege vorgeschlagen, den Urteilsak t als Fortschreiten von einem Gedank en zu seinem Wahrheitswert zu fassen. Da das Urteilen „etwas ganz Eigenartiges und Unvergleichliches“ (Frege 1967 a, 150) sei, soll dies freilich keine Definition sein.
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Freges Erläuterung verdeutlicht zugleich den grundlegenden Unterschied zwischen dem Urteilen und dem Verneinen im Sinne des Übergehens von einem Gedank en zum entgegengesetzten. Durch das Verneinen stellt der Denk ende eine Beziehung zwischen zwei Gedank en her (die allerdings unabhängig davon besteht), während er durch den Ak t des Urteilens von einem Gedank en zu dessen Wahrheitswert, nicht zum entgegengesetzten Gedank en fortschreitet. Frege meint in Über Sinn und Bedeutung, man k önnte auch sagen, daß Urteilen Unterscheiden von Teilen innerhalb eines Wahrheitswertes sei (Frege 1967 a, 150). Die Übertragung des Verhältnisses des Ganzen zu seinen Teilen vom Satz auf dessen Bedeutung erscheint ihm freilich schon an dieser Stelle problematisch. Dennoch hat er die Rede von der Zerlegung eines Ganzen in Teile im Bereich der Bedeutung erst 27 Jahre später in seinen Aufzeichnungen für Ludwig Darmstaedter (1919) ausdrück lich als verfehlt zurückgewiesen (Frege 1969, 275).
4.
Eigennamen
4.1. In seiner Abhandlung Über Sinn und Bedeutung führt Frege die Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung bei singulären Ausdrück en vornehmlich mit dem Ziel ein, den in der Regel bestehenden Unterschied im k Er enntniswert einer Identitätsaussage ‘a = a’ und einer wahren Gleichheitsaussage ‘a = b’ semantisch befriedigend zu erk lären. Die Bedeutung eines Eigennamens in Fregescher Terminologie ist das, was wir seinen Bezug nennen, also der durch ihn bezeichnete Gegenstand. Der Sinn ist das, worin die Weise, wie der Gegenstand durch den Namen gegeben wird, enthalten ist. Letztere Erk lärung ist auf bezugslose (bedeutungslose) Namen, denen Frege im allgemeinen gleichwohl einen Sinn zuspricht, offensichtlich nicht anwendbar. Denn man k ann aus seiner Sicht strenggenommen nicht sagen, daß z. B. die beiden (Schein-)Eigennamen ‘Artemis’ und ‘die Tochter des Zeus und der Leto’ dieselbe Person auf verschiedene Weise bestimmen oder von verschiedenen Seiten auf sie hinführen, da beide Namen k einen Bezug haben. Das semantische Prinzip Freges, daß der Sinn eines Ausdruck s dessen Bedeutung bestimmt, erleidet im Fall von Scheineigennamen (allgemeiner: im Fall von Ausdrück en, die einen Sinn, aber k eine Bedeutung haben) eine Ausnahme. — Die beiden Sätze ‘Der Abendstern
473
ist der Morgenstern’ und ‘Der Abendstern ist der Abendstern’ haben offenbar einen verschiedenen Erk enntniswert. Der erste enthält eine wertvolle astronomische Er k enntnis, während der zweite eine Tautologie und damit epistemisch trivial ist. Da nun nach Frege der Sinn eines Satzes eine Funk tion der Sinne seiner Teilausdrück e und der Weise ihrer Zusammensetzung ist, k ann die Sinnverschiedenheit beider Sätze nur darauf beruhen, daß die Namen ‘der Morgenstern’ und ‘der Abendstern’ verschiedene Sinne ausdrück en. Im übrigen ergibt sich bei Frege die Forderung, daß Eigennamen im allgemeinen einen Sinn haben müssen, aus dem soeben erwähnten semantischen Grundsatz. Ein Satz drück t nur dann einen Sinn aus, wenn alle seine semantisch relevanten Teile einen Sinn haben. — In Über Sinn und Bedeutung behauptet Frege, daß der Sinn eines Eigennamens von jedem erfaßt wird, der seine Muttersprache hinreichend k ennt. Er schränk t dann diese Behauptung dahingehend ein, daß bei einem eigentlichen Eigennamen wie ‘Aristoteles’ die Meinungen über den Sinn auseinandergehen können. Er schreibt: „Man k önnte z. B. als solchen annehmen: der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen. Wer dies tut, wird mit dem Satze ‘Aristoteles war aus Stagira gebürtig’ einen anderen Sinn verbinden als einer, der als Sinn dieses Namens annähme: der aus Stagira gebürtige Lehrer Alexanders des Großen. Solange nur die Bedeutung dieselbe bleibt, lassen sich diese Schwank ungen des Sinnes ertragen, wiewohl auch sie in dem Lehrgebäude einer beweisenden Wissenschaft zu vermeiden sind und in einer vollk ommenen Sprache nicht vork ommen dürften“ (Frege 1967a, 144).
Die hier zutage tretende Ungenauigk eit der Formulierung darf als untypisch für Frege gelten. Er möchte wohl sagen: man k önnte als Sinn des Namens ‘Aristoteles’ z. B. den Sinn des Ausdruck s ‘der Schüler Platons und Lehrer Alexanders des Großen’ annehmen. Neben dieser Ungenauigk eit entdeck t man eine prima facie bestehende Unverträglichk eit zwischen der Behauptung, daß jeder, der seine Muttersprache hinreichend beherrscht, den Sinn eines in ihr vork ommenden Eigennamens erfaßt — man beachte den Gebrauch des bestimmten Artik els —, und der Erk lärung, daß verschiedene Benutzer derselben Sprache mit einem eigentlichen Eigennamen verschiedene Sinne, nämlich Sinne verschiedener Kennzeichnungen desselben Gegenstandes, verbinden k önnen. Hierzu ist anzumerk en, daß Frege terminologisch noch nicht zwischen Eigennamen und definiten Beschrei-
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bungen bzw. Kennzeichnungen unterscheidet, sondern Ausdrück e wie ‘Napoleon’ und ‘der Sieger der Schlacht bei Austerlitz’ gleichermaßen als Eigennamen bezeichnet. Die erwähnte scheinbare Unverträglichk eit löst sich teilweise auf, wenn in der Behauptung, daß jeder den Sinn eines Namens seiner Sprache erfaßt, primär der Sinn einer Kennzeichnung und nicht der eines eigentlichen bzw. einfachen Eigennamens wie etwa ‘Napoleon’ gemeint ist. Der Sinn einer Kennzeichnung ist aber aus Freges Sicht in den meisten Fällen eindeutig bestimmt, da diese die Gegebenheitsweise des Bezugsgegenstandes explizit angibt. Freilich müßte er im Licht seiner einschränk enden Erk lärung, daß verschiedene Sprecher mit einem eigentlichen Eigennamen verschiedene Sinne verk nüpfen k önnen, einräumen, daß bei einer Kennzeichnung, die einen oder mehrere eigentliche Eigennamen enthält, die Ansichten über deren Sinn ebenfalls auseinandergehen können. 4.2. Die Schwank ungen des Sinnes, von denen Frege spricht, ließen sich entgegen seiner Einschätzung selbst dann nicht ertragen, wenn gewährleistet wäre, daß alle Glieder einer Sprachgemeinschaft, die den Namen ‘Aristoteles’ verwenden, mit diesem denselben Mann bezeichnen. Angenommen, der Sprecher A verbindet mit dem Namen ‘Aristoteles’ den Sinn der Kennzeichnung ‘der berühmteste Schüler Platons’, der Sprecher B dagegen den Sinn der Kennzeichnung ‘der Gründer der Peripatetischen Schule’. Dann verstehen beide z. B. den Satz ‘Aristoteles ist der Gründer der Peripatetischen Schule’ (p) nicht in derselben Weise, ja sie verk nüpfen nicht einmal mit dem tautologischen Satz ‘Aristoteles ist Aristoteles’ (q) denselben Gedank en. Für A ist p unter der gemachten Annahme eine aposteriorische Aussage, für B hingegen eine apriorische Wahrheit, deren Erk enntniswert mit dem von q zusammenfällt. Kann man aber die Entscheidung über den erk enntnistheoretischen Status von p davon abhängig machen, welche identifizierende Beschreibung von Aristoteles verschiedene Sprecher mit dem Namen ‘Aristoteles’ verbinden? Meiner Ansicht nach nicht. Daß p und q nicht dasselbe besagen, zeigt sich bei Berück sichtigung einer k onk reten Verständigungssituation. So läßt sich die Frage ‘Wer ist Aristoteles?’ zwar sinnvoll mit p aber nicht mit q beantworten. Überdies drück t p unstreitig eine historische Tatsache aus, während dies auf q nicht zutrifft. Wenn Eigennamen neben einer Bedeutung auch
II. Personen
einen Sinn haben — und dafür lassen sich gewichtige Gründe anführen —, dann ist es für das Gelingen einer intersubjek tiven Verständigung sowie für das Anhäufen eines gemeinsamen Schatzes von Gedank en und Erk enntnissen wesentlich, daß für Angehörige derselben Sprachgemeinschaft ein Name nicht nur dieselbe Bedeutung hat, sondern in der Regel auch denselben Sinn ausdrück t. Wäre letzteres nicht der Fall, so k önnte man im Horizont der Fregeschen Theorie nicht einmal ausschließen, daß der Gedank e, den ein Sprecher A mit dem nichtextensionalen Satz ‘Hans glaubt, daß Rimbaud ein Dichter ist’ verbindet, einen anderen Wahrheitswert hat als der Gedank e, den ein Sprecher B mit diesem Satz verk nüpft. — Falls Frege der Auffassung wäre, daß ungeachtet der möglichen Schwank ungen des Sinnes eines Namens bei verschiedenen Sprachbenutzern jeder einzelne Sprecher mit jedem Namen einen einzigen Sinn, nämlich den Sinn einer einzigen mit ihm bedeutungsgleichen Kennzeichnung, in allen Umständen seiner Verwendung verbindet, so wäre dies anfechtbar. Zwar gibt es Fälle, in denen wir von dem Träger eines Eigennamens, den wir verwenden, in der Tat nur eine einzige identifizierende Eigenschaft k ennen, z. B. von der heiligen Anna. Von ihr ist im wesentlichen nur bek annt, daß sie die Mutter der heiligen Jungfrau Maria ist. In den meisten Fällen des Gebrauchs von Eigennamen k ennen wir jedoch mehrere individuierende Tatsachen von dem Namensträger. Forderte mich jemand auf, den Sinn z. B. des Namens meiner Mutter durch eine definite Beschreibung von ihr anzugeben, so wäre ich dazu außerstande. Keine der mir bek annten großen Zahl definiter Beschreibungen von ihr k ann eine Sonderstellung unter den übrigen in der Weise beanspruchen, daß sie den Sinn des Namens meiner Mutter ausdrück t. — Freges Behauptung, daß der Sinn eines eigentlichen Eigennamens Schwank ungen in der genannten Weise unterworfen sein k ann, steht indes nicht im Widerspruch zu der von ihm stets betonten Objek tivität des Sinnes von Eigennamen und von sprachlichen Ausdrück en im allgemeinen. Der Sinn eines Namens ist nicht wie die subjek tiven Vorstellungen das Ergebnis eines inneren Vorgangs oder das Erzeugnis einer geistigen Tätigk eit des Menschen, sondern steht allen, die ihn erfassen, in derselben Weise und als derselbe gegenüber. Angenommen, die beiden Sprachbenutzer A und B verbinden mit dem Namen ‘Aristoteles’ verschiedene Sinne in der soeben beschriebenen
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Weise. Dann gilt gleichwohl, daß der von beiden mit diesem Namen jeweils verk nüpfte Sinn gemeinsames Eigentum von vielen sein k ann, mithin intersubjek tiv zugänglich ist, während die verschiedenen Vorstellungen, die A und B mit dem Namen ‘Aristoteles’ verbinden mögen, nach Frege ›privater‹ bzw. intrasubjek tiver Natur sind. — In seinem Buch Die Grundlagen der Arithmetik (§ 26) versteht Frege unter Obj ektivität eine Unabhängigk eit von unserem Empfinden, Anschauen und Vorstellen, aber k eine Unabhängigk eit von unserer Vernunft. Auch im Licht dieser Erläuterung seines Obje k tivitätsverständnisses führt die oben gemachte Annahme nicht zur Aufhebung der Objek tivität des von A und B mit dem Namen ‘Aristoteles’ jeweils verbundenen Sinnes. Denn erstens ist der Sinn jeder der beiden fraglichen Kennzeichnungen von Aristoteles zumindest aus Freges Sicht von dem Empfinden, Anschauen und Vorstellen der Sprachbenutzer unabhängig. Und zweitens k önnen sich A und B über den Sinn, den jeder von ihnen — der Annahme zufolge — mit dem Namen ‘Aristoteles’ mittels einer Kennzeichnung von Aristoteles verbindet, durchaus verständigen. Dagegen läßt sich nach Frege das rein Empfindungs-, Anschauungs- und Vorstellungsmäßige nicht mitteilen. Vielleicht k ann man sagen, daß die von ihm geforderte Objek tivität des Sinnes eines Eigennamens erst dann in einem vollen Umfang gewährleistet wäre, wenn der Sinn k einen Schwank ungen der erwähnten Art unterläge. Der Sinn eines Ausdruck s muß ein von den Sprachbenutzern gleichsam geteilter Sinn sein. 4.3. In seinem späten Aufsatz Der Gedanke stellt Frege selbst die nahezu unüberwindlichen Schwierigk eiten heraus, welche die von ihm für möglich gehaltene Sinnverschiebung bei natürlichsprachlichen Eigennamen heraufbeschwört. Wenn — um ein eigenes einfaches Beispiel anzuführen — die Person A von dem Bak teriologen Robert Koch lediglich weiß, daß er das Tuberk ulosebak terium entdeck t hat, und die Person B den Namen ‘Robert Koch’ nur durch die Kennzeichnung ‘der Entdeck er des Choleraerregers’ zu erk lären vermag, so verbinden beide nach Frege mit jedem Satz, in dem dieser Name vork ommt, nicht nur jeweils verschiedene Gedank en, sondern sie sprechen in bezug auf diesen Namen nicht einmal dieselbe Sprache; denn daß sie mit diesem Namen tatsächlich denselben Mann bezeichnen, wissen sie nach Vorausset-
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zung nicht. Angesichts einer solchen Sachlage glaubt er fordern zu müssen, daß mit jedem Namen eine einzige Weise, wie das durch ihn Bezeichnete gegeben ist, verk nüpft sei. Frege bek undet mit dieser Forderung eine mangelnde Einsicht in die Natur des Gebrauchs von Eigennamen im Rahmen intersubjek tiver Verständigungsprozesse. Zwar k önnen Namen einer k ünstlichen Idealsprache der Forderung genügen, aber für Namen einer natürlichen Sprache ist sie offensichtlich unerfüllbar. Ließe sie sich erfüllen, wäre also jedem natürlichsprachlichen Eigennamen genau eine Gegebenheitsweise seines Trägers in Form einer Kennzeichnung zugeordnet, so übten Eigennamen ihre Bezeichnungsfunk tion in derselben Weise aus wie Kennzeichnungen, ja sie wären verk appte Kennzeichnungen. Der wesentliche Fun k tionsunterschied zwischen Eigennamen und Kennzeichnungen liegt aber gerade darin, daß wir mit der Verwendung eines Eigennamens den Ak t der identifizierenden Bezugnahme auf ein Einzelding vollziehen k önnen, ohne es eindeutig zu beschreiben. — Eine der notwendigen Bedingungen dafür, daß Sprecher und Hörer einen Satz, in dem ein Name ‘N’ vork ommt, in derselben Weise verstehen, besteht entgegen Frege nicht darin, daß sie mit dem Namen ‘N’ den Sinn derselben Kennzeichnung von N verbinden. Notwendig ist in der Regel nur, daß jeder den Gebrauch von ‘N’ durch die Angabe mindestens einer Kennzeichnung des Bezugsgegenstandes — nicht unbedingt dieselbe — rechtfertigen k ann oder auch durch einen Hinweis auf den Träger von ‘N’, falls es sich um einen raumzeitlichen und nicht um einen abstrak ten Gegenstand handelt. Die Erfüllung dieser Identifikationsbedingung schließt indes nicht ein, daß man bei der Verwendung des Namen ‘N’ diesen durch eine bedeutungsgleiche Kennzeichnung stillschweigend ersetzt. Wenn ich z. B. den Namen ‘Beethoven’ anwende, so schwebt mir im allgemeinen k eine Kennzeichnung seines Trägers vor, die für mich den Sinn dieses Namens angäbe. Und ich vermute, daß der geneigte Leser meine Ansicht teilen wird, daß ein solcher geistiger Mechanismus gewöhnlich nicht besteht. Fragte mich jemand: ‘Hast Du, als Du den Satz ‘Beethoven gehört zu meinen Lieblings k omponisten’ aussprachst, den Mann gemeint, der die 3 Rasumowsk yStreichquartette und die Waldstein-Sonate k omponiert hat?’, so würde ich unumwunden mit ‘ja’ antworten. Ich habe den Mann, der das und das getan hat, in der Tat gemeint,
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aber etwa nur in dem Sinn, in dem ich auch wußte, daß 7x7 49 ist, nämlich nicht in Form eines Zustandes, sondern in Gestalt einer Disposition. Mit meiner bejahenden Antwort gebe ich — wie Wittgenstein richtig erk annte — k eine Beschreibung dessen, was in mir vor oder während der Äußerung des fraglichen Satzes vorging. 4.4. Die Auffassung, daß Eigennamen abgek ürzte Kennzeichnungen sind, wird von Frege nicht ausdrück lich vertreten. Saul Kripk e (*1940) und andere behaupten irrtümlicherweise das Gegenteil. Gleichwohl zeigte sich, daß aus Freges Sicht ein Sprecher als Sinn eines Namens den Sinn einer bedeutungsgleichen Kennzeichnung annehmen k ann, ja sogar, daß ein und derselbe Name in seiner Verwendung durch verschiedene Sprecher als eine Abk ürzung für verschiedene Kennzeichnungen desselben Gegenstandes fungieren k ann. Damit unverträglich ist seine wiederholt gemachte und vollk ommen einleuchtende Behauptung, daß eine Aussage wie z. B. ‘Kopernik us ist der Begründer der heliozentrischen Theorie des Planetensystems’ im Gegensatz zu ‘Kopernik us ist Kopernik us’ unsere Erk enntnis erweitert und folglich auch nicht denselben Gedank en ausdrück t wie letztere. Jeder, der die erste Aussage als wahr anerk ennt, muß auch die zweite als wahr anerk ennen, während die Umk ehrung nicht gilt. Überdies k önnte man in Übereinstimmung mit bestimmten Äußerungen Freges ein zweites Argument gegen die Ansicht ins Feld führen, daß der Sinn eines Eigennamens mit dem Sinn einer bedeutungsgleichen Kennzeichnung zusammenfällt. Beide Ausdrück e sind in modalen oder epistemischen Kontexten nicht immer salva veritate durch einander ersetzbar. So ist der Satz ‘Es ist notwendig, daß Andrea Palladio Andrea Palladio ist’ wahr, der Satz ‘Es ist notwendig, daß Andrea Palladio der Erbauer der Kirche Il Redentore ist’ hingegen falsch. Wenn nun der Sinn des Namens ‘Andrea Palladio’ aus den genannten Gründen mit dem Sinn der Kennzeichnung ‘der Erbauer der Kirche Il Redentore’ nicht identisch ist, so k ann er auch nicht mit dem Sinn einer beliebigen anderen Kennzeichnung ‘X’ von Palladio zusammenfallen. Andernfalls enthielte ein Satz ‘Andrea Palladio ist X’ — etwa ‘Andrea Palladio ist der bek annteste Baumeister des venezianischen Klassizismus’ — entgegen unserer intuitiven Überzeugung denselben Gedank en wie ‘Andrea Palladio ist Andrea Palladio’. Sieht man von der definitori-
schen Einführung eines Namens ‘N’ als Abk ürzung z. B. für die Kennzeichnung ‘der Schnittpunk t der Geraden a und b’ ab, so k ann man sagen: Höchstens in Ausnahmefällen, in denen ein Name so aufgefaßt werden k ann, daß sein Bezug durch eine einzige Kennzeichnung festgelegt worden ist, besteht prima facie ein Grund zur Annahme der Sinngleichheit des Namens und der betreffenden Kennzeichnung. Z. B. läßt sich der Name ‘Phosphorus’ so auffassen, daß sein Bezug durch die Beschreibung ‘der Stern, der morgens in der Nähe der aufgehenden Sonne zu sehen ist’ festgelegt worden ist. — Viele Fragen bleiben also hinsichtlich der Fregeschen Namentheorie bestehen (s. Art. 78). Kann man den Sinn eines Namens auf eine andere Weise angeben als mittels einer Kennzeichnung? Bei Frege findet sich, entgegen Michael Dummetts (*1925) Vermutung, k ein Anhaltspunk t für eine alternative Möglichk eit. Die beiden Ausdrück e ‘Rom’ und ‘die Hauptstadt Italiens’ haben verschiedenen Sinn; sie leisten verschiedene Beiträge zur Bestimmung des Sinnes der Sätze, in denen sie vork ommen. Worin besteht aber die mit dem Namen ‘Rom’ verbundene Identifik ationsweise des Bezugsgegenstandes? Auf welche Weise ist dieser durch den Namen ‘Rom’ gegeben? Nehmen wir die beiden bezugsgleichen Namen ‘Cicero’ und ‘Tullius’, die Frege ebenfalls als sinnverschieden ansähe. Inwiefern entspricht auch in diesem Fall der Unterschied der Zeichen einem Unterschied in der Art des Gegebenseins des Bezeichneten? Man wird jedenfalls mit Fug und Recht bestreiten k önnen, daß der Bezug dieser beiden Namen ähnlich dem Bezug von ‘Hesperus’ und ‘Phosphorus’ in k onventionell verschiedenen Weisen festgelegt worden ist. Ebenso wird man bezweifeln k önnen, daß es einen von unserer Sprachgemeinschaft geteilten, durch eine Kennzeichnung ausgedrück ten Sinn gibt, den der eine Name hat, der andere dagegen nicht.
5.
Begriff und Gegenstand
5.1. Die Unterscheidung zwischen Begriff und Gegenstand bildet einen der Eck pfeiler der Fregeschen Philosophie der Logik und Sprache. Charak teristisch für diese Unterscheidung ist die Betonung des Primats der syntak tischen Kategorien Begriffswort (allgemeiner: Funktionsname) und Eigenname (singulärer Ausdruck) gegenüber den ontologischen Kategorien Begriff (Funktion) und Gegenstand. Letztere werden aus ersteren lediglich
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abgeleitet. Für die Zugehörigk eit eines Ausdruck s zur Kategorie der Eigennamen sind nach Frege folgende Kriterien maßgeblich: (1) Die Verwendung des bestimmten Artik els im Singular (in Verbindung mit einem Begriffswort), wobei jedoch nach Maßgabe des Satzzusammenhangs und der Äußerungssituation Ausnahmen zu berück sichtigen sind. So werden z. B. die Worte ‘der Wal’ in dem Satz ‘Der Wal ist ein Säugetier’ in der logischen Funk tion eines Prädik ats verwendet, da hier k eine Eigenschaft von einem einzelnen Wal ausgesagt, sondern der Begriff Wal dem Begriff Säugetier untergeordnet wird. Der Ausdruck beginnt nie mit dem unbestimmten Artik el (vgl. Frege 1964, 108; Frege 1986, §§ 57; 66n; 68n; 74n; Frege 1967 a, 169 f). (2) Der Ausdruck k ann in einem Satz nie die logische Stelle eines Prädik atausdruck s einnehmen, wiewohl er Teil eines solchen sein k ann (vgl. Frege 1986, §§ 57; 68n; Frege 1967 a, 174). (3) Der Ausdruck k ann auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens vor k ommen (vgl. z. B. Frege 1986, §§ 57; 65). (4) Der Ausdruck ist ›gesättigt‹, ergänzungsunbedürftig, abgeschlossen, d. h. er enthält k eine Argumentstelle zur Aufnahme eines ergänzenden Argumentausdruck s. — Aus der syntak tisch begründeten Gesättigtheit eines Ausdruck s schließt Frege darauf, daß seine Bedeutung, falls er eine hat, ebenfalls gesättigt, mithin ein Gegenstand ist. Meines Wissens sagt er an k einer Stelle seiner Schriften explizit, daß der Sinn eines leerstellenfreien Ausdruck s ein Gegenstand ist. Man k ann jedoch mit hinreichender Plausibilität unterstellen, daß er sowohl die Gedank en als auch die Sinne von Eigennamen, die k eine Sätze sind, als (abstrak te) Gegenstände betrachtet. Unbestreitbar ist jedenfalls, daß der Sinn eines Eigennamens aufgrund seiner Abgeschlossenheit k eine Funk tion in der Fregeschen Verwendung dieses Ausdruck s sein k ann. Gegenstand ist nach Frege alles, was nicht Funk tion ist, oder seinen Ausführungen in Über Begriff und Gegenstand (1892) zufolge: Gegenstand ist, was nie die ganze Bedeutung eines Prädik ats, wohl aber Bedeutung eines Subjek ts sein k ann (Frege 1967 a, 172). Freilich ist diese Erk lärung nicht als eine Definition aufzufassen. — Ein natürlichsprachlicher Begriffsausdruck führt sozusagen stillschweigend eine Leerstelle mit sich, während ein begriffsschriftliches Begriffszeichen eine typographisch k enntlich gemachte Argumentstelle enthält. Aus der so verstan-
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denen Ergänzungsbedürftigk eit bzw. Unvollständig k eit eines Begriffsausdruc k s leitet Frege die ungesättigte bzw. prädik ative Natur seiner Bedeutung ab (falls er eine hat). Da die prädik ative Natur dem Begriff, nicht aber dem nur durch einen Gegenstandsnamen bezeichneten Begriffsumfang eignet, k ann nur ersterer die Bedeutung eines Begriffswortes sein. (Zur Begründung der Annahme, daß für Frege der Sinn eines Begriffsausdruck s eine Funk tion sein muß, siehe 6.) Festzuhalten ist, daß die syntak tische, auf der Ebene der Zeichen getroffene Unterscheidung gesättigt/-ungesättigt von Frege auf die Sinn- und Bedeutungsebene lediglich übertragen wird. — In Über Begriff und Gegenstand versucht Frege, Ausdrück e der Form ‘der Begriff F’ unter Berufung auf syntak tische Kriterien als Eigennamen zu rechtfertigen, die ›Gegenstände ganz besonderer Art‹ bezeichnen. Er schreibt: „Man hat bei logischen Untersuchungen nicht selten das Bedürfnis, etwas von einem Begriffe auszusagen und dies auch in die gewöhnliche Form für solche Aussagen zu k leiden, daß nämlich die Aussage Inhalt des grammatischen Prädik ats wird. Danach würde man als Bedeutung des grammatischen Subjek ts den Begriff erwarten; aber dieser k ann wegen seiner prädik ativen Natur nicht ohne weiteres so erscheinen, sondern muß erst in einen Gegenstand verwandelt werden, oder, genauer gesprochen, er muß durch einen Gegenstand vertreten werden, den wir mittels der vorgesetzten Worte ‘der Begriff’ bezeichnen, z. B. ‘der Begriff Mensch ist nicht leer’. Hier sind die ersten drei Worte als Eigenname aufzufassen, der ebensowenig prädik ativ gebraucht werden k ann wie etwa ‘Berlin’ oder ‘Vesuv’“ (Frege 1967 a, 171).
Da der Ausdruck ‘der Begriff Pferd’ einen Gegenstand bezeichne, sei man zu der — prima facie paradox anmutenden — Behauptung berechtigt, daß der Begriff Pferd kein Begriff ist. Frege spricht in diesem Zusammenhang von einer unvermeidbaren sprachlichen Härte, die durch die Zwangslage, in der sich die Sprache befindet, gerechtfertigt sei. Darüber hinaus macht er geltend, daß die beiden Sätze (i) ‘Es gibt mindestens eine Quadratwurzel aus 4’ und (ii) ‘Der Begriff Quadratwurzel aus 4 ist erfüllt’ denselben Gedank en ausdrück en. In (i) werde etwas von einem Begriff (erster Stufe), in (ii) hingegen etwas von einem Gegenstand ausgesagt. Frege erk lärt dies unter Hinweis auf die Tatsache, daß derselbe Gedank e (oft) mannigfach zerlegbar ist und verschiedene Sätze denselben Gedank en ausdrück en k önnen. Das Erfülltsein, wie das Wort in (ii) verstanden wird, k önne „in Wahrheit nur von Gegenständen ganz beson-
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derer Art ausgesagt werden, solchen nämlich, welche durch Eigennamen von der Form ‘der Begriff F’ bezeichnet werden k önnen“ (Frege 1967 a, 174). 5.2. Diese Ausführungen rufen insbesondere angesichts der von Frege als grundlegend herausgestellten Unterscheidung zwischen Gegenstand und Begriff einige Bedenk en hervor. Wenn man von Begriffen zu sprechen beabsichtigt, so k ann man in der Tat k aum umhin, Ausdrück e zu verwenden, die entgegen ihrer grammatischen Form gerade nicht zur Bezeichnung eines Gegenstandes dienen sollen. Ausdrück e der Gestalt ‘der Begriff F’sind also unter synta k tischem Gesichtspun k t strenggenommen unzulässig, da durch die Verwendung des bestimmten Artik els der prädik ative Charak ter des Begriffs verdeck t wird. Frege ist sich in Über Begriff und Gegenstand dieser Schwierigk eit durchaus bewußt, die in ganz ähnlicher Form auftritt, wenn man von Funk tionen und Beziehungen zu sprechen beabsichtigt. Es muß daher erstaunen, daß er glaubt, angesichts dieser Eigentümlichk eit des Sprachgebrauchs Ausdrück e der Form ‘der Begriff F’als vollwertige Eigennamen anerk ennen und die Sätze (i) und (ii) als sinngleich auffassen zu müssen. Denn in (ii) wird der eigentlich intendierte Gedank e verfehlt oder verfälscht. Wenn der Ausdruck ‘der Begriff Quadratwurzel aus 4’ tatsächlich einen Gegenstand ganz besonderer Art bezeichnete, so müßte (ii) als unsachgemäß verworfen werden. Denn das Erfüllt- bzw. Nichterfülltsein k ann zwar in Form einer bejahenden bzw. verneinenden Existenzaussage von einem Begriff unter Wahrung seiner prädik ativen Natur (mittelbar) ausgesagt werden, aber niemals von dem vermeintlichen Gegenstand ganz besonderer Art, der den Begriff vertreten soll. Daß ein Begriff erster Stufe erfüllt ist, heißt, daß mindestens ein Gegenstand unter ihn fällt bzw. daß er unter den Begriff zweiter Stufe der Existenz fällt. Man k ann aber weder sinnvoll meinen noch sinnvoll sagen, daß der Begriff Quadratwurzel aus 4 qua Gegenstand ganz besonderer Art (der das vertreten soll, was der Begriffsausdruck ‘Quadratwurzel aus 4’ bedeutet) erfüllt ist bzw. daß mindestens ein Gegenstand unter ihn fällt bzw. daß er unter den Begriff der Existenz fällt. Nicht nur berechtigt, sondern auch völlig unverfänglich sind dagegen aus Freges Sicht die Sätze (iii) ‘Der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus 4 (die Klasse der Quadratwurzeln aus 4) ist nicht leer’ und (iv) ‘Dem Umfang des Begriffs
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Quadratwurzel aus 4 (der Klasse der Quadratwurzeln aus 4) gehört mindestens ein Gegenstand an’, deren logische Gleichwertigk eit mit (i) von ihm überzeugend begründet werden k önnte. Denn er verwendet den Ausdruck ‘der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus 4’ nicht nur unter informellem, sondern auch unter formellem Gesichtspunk t als Name des Umfangs eines Begriffs. Gestünde er zu, daß dieser Ausdruck seinen syntak tischen Kriterien zufolge den Umfang eines Gegenstandes (ganz besonderer Art) bezeichnet, so müßte er freilich auch (iii) und (iv) als unsachgemäß verwerfen. Die Schwierigk eit entfiele, wenn man den Ausdruck ‘der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus 4’ durch den Term ‘die Klasse der Quadratwurzeln aus 4’ ersetzte. — Man k ann begründet annehmen, daß Frege nicht nur die Sätze (i) und (iii) für sinngleich (äquipollent/k ognitiv synonym) hielte, sondern auch die Sätze (ii) und (v) ‘Der Begriff Quadratwurzel aus 4 ist nicht leer’. Da er explizit sagt, daß (i) und (ii) denselben Gedank en ausdrück en und da ferner die Synonymität eine Äquivalenzrelation ist, ließe sich auf diesem Wege die Synonymität von (iii) und (v) ableiten. Indes müßte Frege in diesem Fall für die Auffassung eintreten, daß die beiden Ausdrück e ‘der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus 4’ und ‘der Begriff Quadratwurzel aus 4’ nicht nur dieselbe Bedeutung, sondern auch denselben Sinn haben. Denn der Sinn eines Satzes ist ja für ihn eine Funk tion der Sinne seiner semantisch relevanten Teile und der Weise ihrer Zusammensetzung. Nun sprechen aber alle Anzeichen dafür, daß aus Freges Sicht beide Ausdrück e nicht bedeutungsgleich, geschweige denn sinngleich sind. (1) Wäre Frege der Meinung, daß der Ausdruck ‘der Begriff F’den Umfang von F bezeichnet, so bliebe rätselhaft, weshalb er diese Meinung nicht deutlich k undgibt, anstatt von Gegenständen ganz besonderer Art zu sprechen. Überdies müßte er sich zu der Ansicht bek ennen, daß das Erfülltsein, wie es etwa in dem Satz ‘Der Begriff Pferd ist erfüllt’ verstanden wird, in Wahrheit nur von Begriffsumfängen als Gegenständen ganz besonderer Art ausgesagt werden k ann. Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, daß Frege eine solche merkwürdige Ansicht vertritt. (2) Frege sieht die Postulierung von Gegenständen ganz besonderer Art, die Begriffe vertreten, lediglich durch eine sprachliche Zwangslage gerechtfertigt. Anders verhält es sich mit der Einführung von Begriffsumfän-
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gen auf rein logischem Wege, nämlich der wechselseitigen Umsetzung der Beziehung der gegenseitigen Unterordnung von Begriffen erster Stufe in eine Begriffsumfangsgleichheit. Sie soll gewährleisten, daß der logizistische Aufbau der reinen Zahlentheorie und der Analysis auf einer sicheren Grundlage erfolgt. Denn nach Frege sind alle Zahlen als Umfänge von Begriffen zu definieren. (3) Wenn der Ausdruck ‘der Begriff F’ den Umfang von F bezeichnete, dann müßte in dem Ausdruck ‘der Umfang des Begriffs F’ auch der Teil ‘des Begriffs F’ für den Umfang von F stehen, so daß sich der Gesamtausdruck auf den Umfang eines Begriffsumfangs bezöge. Dieses Ergebnis wäre für Frege unannehmbar. Denn der Ausdruck ‘der Umfang (des) (von) ...’ ist nach seiner Auffassung ein solcher zweiter oder dritter Stufe, je nachdem ob ‘...’ eine Argumentstelle zur Aufnahme von einstelligen Funk tionsnamen erster oder zweiter Stufe k enntlich machen soll. Zudem gilt: Wenn ‘der Begriff F’ und ‘der Umfang des Begriffs F’ tatsächlich dieselbe Bedeutung hätten, so k önnte man in dem Ausdruck ‘der Umfang des Begriffs F’den Teil ‘des Begriffs F’ durch ‘des Umfangs des Begriffs F’ ohne Änderung der Bedeutung ersetzen. Und in dem resultierenden Ausdruck ‘der Umfang des Umfangs des Begriffs F’ ließe sich der Teil ‘des Begriffs F’ wiederum durch ‘des Umfangs des Begriffs F’ ersetzen usw. ad infinitum. Indes wird niemand ernsthaft unterstellen wollen, daß nach Frege ‘der Umfang des Umfangs des Umfangs des Begriffs F’ denselben Gegenstand bezeichnet wie ‘der Begriff F’. Vermutlich hätte Frege ersteren Ausdruck im Kontext von Über Begriff und Gegenstand sowohl aus formellem als auch aus informellem Blick wink el als bedeutungslos zurück gewiesen. (4) Gegen die Annahme einer Sinngleichheit der Ausdrück e ‘der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus 4’ und ‘der Begriff Quadratwurzel aus 4’ spricht insbesondere der folgende Umstand. Nach Frege hat der Funk tionsname ‘der Umfang (des)’, der einen Teil des erstgenannten Ausdruck s bildet, k larerweise einen Sinn und trägt zur Bestimmung des Sinns des k omplexeren Ausdruck s bei. Beide singulären Termini k önnten nur dann denselben Sinn ausdrück en, wenn ‘der Umfang (des)’ semantisch leer wäre. Der Unterschied zwischen den Sätzen (v) und (iii) besteht im Horizont von Über Begriff und Gegenstand darin, daß wir mit (v) beabsichtigen, etwas von einem Begriff auszusa-
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gen, tatsächlich aber etwas von einem Gegenstand ganz besonderer Art aussagen, während wir mit (iii) etwas von einem Begriffsumfang aussagen wollen und dies auch tatsächlich tun. Obgleich also für Frege die beiden Ausdrück e ‘der Begriff Quadratwurzel aus 4’ und ‘der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus 4’ als singuläre Termini zählen, so weist doch unsere Einstellung zu ihnen als Sprachbenutzer einen wesentlichen Unterschied auf: die Verwendung des zweiten Terminus erzeugt im Gegensatz zur Verwendung des ersten k einen unlösbaren Antagonismus zwischen dem, was wir mit unseren Worten meinen und dem, was wir mit ihnen tatsächlich sagen. Auch letzteres gilt wohlgemerk t aus Freges Perspek tive. Der Antagonismus zwischen der informellen und der formellen Redeweise überträgt sich in einem gewissen Sinn auf die Verwendung von Ausdrück en, die ‘der Begriff F’ als einen Teilausdruck enthalten. Musterbeispiele sind ‘der Umfang des Begriffs F’ und ‘die Anzahl, die dem Begriff F zuk ommt’. Frege müßte strenggenommen einräumen: wenn wir den ersten (oder den zweiten) Ausdruck verwenden, beabsichtigen wir, den Umfang (die Anzahl) eines Begriffs zu bezeichnen, nehmen aber tatsächlich auf den Umfang (die Anzahl) eines Gegenstandes (ganz besonderer Art) Bezug. Zu beachten ist, daß wir uns hier nicht in genau dieselbe Art von Konflik t verstrick en, wie im Fall des Gebrauchs von ‘der Begriff F’. Denn es ist nicht so, daß wir einen Begriff, mithin etwas Ungesättigtes bezeichnen wollen, während wir uns tatsächlich auf einen Gegenstand beziehen. In Ausdrück en der Form ‘der Umfang (die Anzahl) des Begriffs F’ist es nicht das erste, sondern das zweite Vork ommen des bestimmten Artik els (im Genitiv), das Frege im Kontext von Über Begriff und Gegenstand zu denk en geben müßte. Die Sprache scheint uns hier einen Streich zu spielen. Frege hat diese Schwierigk eit nirgendwo erwähnt; wahrscheinlich ist sie ihm völlig entgangen. 5.3. An dieser Stelle sind einige k lärende Bemerk ungen angebracht. Unter dem Gesichtspunk t der informellen Redeweise, der sich Frege in Über Begriff und Gegenstand oder in anderen logischen Schriften (z. B. in Grundgesetze der Arithmetik) in der Absicht, von Funk tionen, Begriffen oder Beziehungen zu sprechen, häufig bedient, ist ein Satz wie ‘Der Begriff Primzahl ist erfüllt’ nach meiner Einschätzung als sinnvoll und wahr anzuerk ennen, ein Satz wie ‘Der Begriff sich selbst un-
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gleich ist erfüllt’ als falsch zu verwerfen. Wäre dies nicht der Fall, so würde ein beträchtlicher Teil des wortsprachlich durchgeführten Aufbaus der Syntax und Semantik des Logik systems der Grundgesetze der Arithmetik seinen Zweck verfehlen. Niemand, der Teil I Darlegung der Begriffsschrift der Grundgesetze der Arithmetik mit echtem Verständnis liest, wird Ausdrück e wie ‘der Begriff (die Funk tion) Φ(ξ)’ oder die Beziehung ‘Ψ(ξ, ζ)’ — die uns die Sprache mit ›k aum entrinnbarer Gewalt‹ aufzwingt — so auffassen, daß sie Gegenstände ganz besonderer Art bezeichnen. Versuchte man es unter dem Eindruck der Lek türe von Über Begriff und Gegenstand und gelänge es einem, so sähe man sich genötigt, den betreffenden Sätzen einen ausweisbaren Sinn abzusprechen. Zur Verdeutlichung gebe ich zwei Beispiele. (a): „Die Function ξ2 = 4 k ann also nur zwei Werthe haben [...]“ (Frege 1962 I, 7); Gegenstände haben k eine Funk tionswerte. (b): „der Begriff Quadratwurzel aus 4 hat denselben Umfang wie der Begriff etwas, dessen dreifaches Quadrat 12 ist“ (Frege 1962 I, 7 f); der Begriff Quadratwurzel aus 4 qua Gegenstand hat k einen Umfang. Der Status eines Ausdruck s, der aus den Worten ‘der Begriff’ oder ‘die Funk tion’ und einem Begriffszeichen oder Funk tionszeichen zweiter Stufe zusammengesetzt ist, wird von Frege weder in Über Begriff und Gegenstand noch an irgendeiner anderen Stelle bestimmt. So viel ist indes k lar: es ist k ein stichhaltiges Argument für die etwaige Behauptung in Sicht, daß zwar der Ausdruck ‘der Begriff Mensch’ einen Gegenstand bezeichnet, die Ausdrück e ‘der Begriff φ()’ und ‘die Funk tion φ(2)’ hingegen nicht. — Unter formellem Gesichtspunk t, d. h. nach den von Frege in Über Begriff und Gegenstand aufgestellten und angewandten formalgrammatischen Kriterien, soll der Satz ‘Der Begriff Primzahl ist erfüllt’ als Aussage von einem Gegenstand ganz besonderer Art (ebenfalls) sinnvoll und wahr sein. Genau dies ist zu bestreiten. Man k önnte von dem Begriff Primzahl qua Gegenstand nur dann sinnvoll und wahrheitsgemäß aussagen, daß er erfüllt ist, wenn man Begriff und zugehörigen Umfang gleichsetzte, mithin eine extensionale Auffassung von Begriffen (erster Stufe) in der k lassenlogisch üblichen Form verträte. Frege macht sich jedoch für eine von der gewöhnlichen abweichende extensionale Deutung von Begriffen erster Stufe stark . Zwei umfangsgleiche Begriffe F und G fallen nie zusammen
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(im Sinn der Gleichheit), sondern sie stehen in einer der Gleichheitsbeziehung analogen Beziehung zweiter Stufe zueinander, nämlich in der Beziehung der gegenseitigen Unterordnung: ⋀ x(F(x) ↔ G(x)). Angesichts der Grundverschiedenheit von Begriff und Gegenstand hält Frege eine Gleichsetzung von Begriff und Begriffsumfang für unzulässig. Sie wäre nur dann erlaubt, wenn z. B. die beiden Ausdrück e ‘ξ ist eine Primzahl’ und ‘der Umfang des Begriffs Primzahl’ denselben Beitrag zur Bestimmung der Bedeutung (des Wahrheitswertes) jedes extensionalen Behauptungssatzes, in dem sie vork ommen, leisten, oder anders gewendet: wenn das Prädik at ‘eine Primzahl’ in dem Satz ‘2 ist eine Primzahl’ — und in beliebigen anderen extensionalen Sätzen, die es enthalten — durch den singulären Ausdruck ‘der Umfang des Begriffs Primzahl’ salva veritate ersetzt werden k ann, was ersichtlich nicht der Fall ist. Bei einem Satz wie (i) führt eine Ersetzung des Prädik ats ‘eine Quadratwurzel aus 4’ durch ‘den Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus 4’ sogar zur Bildung eines sinnlosen Satzes. Denn das Prädik at zweiter Stufe der Existenz k ann niemals von einem Gegenstand, sondern nur von Begriffen erster Stufe ausgesagt werden. — Es läßt sich wohl k aum ein stichhaltiges Argument gegen die Ansicht ins Feld führen, daß in Satz (ii) die Worte ‘ist nicht leer’ durch ‘ist erfüllt’ nicht nur salva veritate, sondern auch salva intensione ersetzt werden k önnen. Man k önnte sogar — ohne der Sprache Gewalt anzutun — festsetzen, daß die Ausdrück e ‘ist nicht leer’ und ‘ist erfüllt’ in Sätzen wie (iii) und (vi) ‘Der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus 4 ist erfüllt’ synonym sind. Es ist lediglich unüblich, von erfüllten anstatt von nichtleeren Klassen zu sprechen. — Auch Frege k önnte die Ersetzung von ‘ist nicht leer’ durch ‘ist erfüllt’ in Satz (iii) als rechtmäßig anerk ennen, hätte er sich mit seinen Ausführungen zum Status von Ausdrück en der Form ‘der Begriff F’‚ insbesondere mit seiner Bemerk ung „denn das Erfülltsein, wie das Wort hier verstanden wird [d. h. in Satz (ii)], k ann in Wahrheit nur von Gegenständen ganz besonderer Art ausgesagt werden [...]“ (Frege 1967, 174) nicht in eine Sack gasse manövriert. Wenn ‘... ist erfüllt’, als ein Prädik at erster Stufe aufgefaßt, nur auf solche Gegenstände zutrifft, die durch Ausdrück e der Form ‘der Begriff F’ bezeichnet werden k önnen, und wenn für alle scharf begrenzten Begriffe erster Stufe F und G die Ungleichung ‘Der Begriff F ≠ der Umfang
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des Begriffs G [λxG(x)]’ gilt, dann ist jede Aussage der Gestalt ‘Der Umfang des Begriffs F [λxF(x)] ist erfüllt’ falsch. Es widerstreitet jedoch unseren ›logischen Intuitionen‹‚ den beiden als sinnvoll anzuerk ennenden Sätzen ‘Der Umfang des Begriffs Primzahl ist erfüllt’ und ‘Der Umfang des Begriffs sich selbst ungleich ist erfüllt’ denselben Wahrheitswert zuzuordnen. Wenn wir mit der Äußerung von (ii) den von uns eigentlich beabsichtigten Gedank en (aus formellem Blick wink el) verfehlen oder verfälschen, warum macht Frege dann nicht — unter Berufung auf seine im § 34 der Grundgesetze der Arithmetik eingeführte Methode der Vertretung von Funk tionen (Begriffen) zweiter Stufe durch solche erster Stufe — geltend, daß der in (i) enthaltene Gedank e auch durch (vi) bzw. (iii) ausgedrück t werden k ann, anstatt seine Zuflucht bei der Postulierung von Gegenständen ganz besonderer Art zu nehmen? Frege führt im § 34 der GGA die Elementschaftsbeziehung ξ ⋂ ζ so ein, daß mit ihrer Hilfe anstelle der Funk tionen zweiter Stufe Funk tionen erster Stufe in seinem logischen System verwendet werden k önnen. Diese Sparsamk eit wird durch den Kunstgriff ermöglicht, daß man die Funk tionen erster Stufe, die als Argumente von Funk tionen zweiter Stufe auftreten, durch ihre Wertverläufe in einer bestimmten Weise vertreten läßt. Bei der Umsetzung von Satz (I) in Satz (III) bzw. (VI) hat man z. B. folgenden Fall: in (III) bzw. (VI) wird der Begriff Quadratwurzel aus 4 qua Begriff, der in (I) als Argument des Begriffs zweiter Stufe es gibt mindestens eine auftritt, durch seinen Umfang und so der Begriff der Existenz durch den Begriff erster Stufe ‘ist nicht leer’ bzw. ‘ist erfüllt’ vertreten. 5.4. Nach Frege ist die Einführung neuer abstrak ter Gegenstände an eine unerläßliche Bedingung gek nüpft: sie muß ein allgemeines Mittel bereitstellen, die fraglichen Gegenstände zu fassen, als dieselben wiederzuerk ennen und von anderen Gegenständen zu unterscheiden. Die ›begriffsvertretenden‹ Gegenstände ganz besonderer Art, falls es sie gibt, sind zweifellos abstrak ter (logischer) Natur. Ihre Einführung muß daher der genannten Bedingung genügen. Es wäre also aufschlußreich zu wissen, was Frege im Kontext von Über Begriff und Gegenstand auf die folgende Frage geantwortet hätte bzw. hätte antworten k önnen: läßt sich für die Gegenstände ganz besonderer Art ein Identitätsk riterium angeben, und wenn ja, welches? — Die Begriffsausdrück e ‘Quadratwurzel aus 1’ und ‘was
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um 1 k leiner ist als eine Zahl, deren Quadrat ihrem Doppelten gleich ist’ sind bedeutungsgleich. Da nach Frege die Bedeutung eines k omplexen Ausdruck s durch die Bedeutungen seiner semantisch relevanten Teilausdrück e und die Weise ihrer Zusammensetzung bestimmt ist, müßte er einräumen, daß die syntak tisch gleichgestalteten Namen ‘der Begriff Quadratwurzel aus 1’ und ‘der Begriff was um 1 kleiner ist als eine Zahl, deren Quadrat ihrem Doppelten gleich ist’ dieselbe Bedeutung haben, und das heißt: denselben Gegenstand bezeichnen. So gesehen k önnte er die zweite Frage, wenn überhaupt, nur so beantworten: der Begriff F(x) (qua Gegenstand) ist identisch mit dem Begriff G(x) (qua Gegenstand) genau dann, wenn F(x) und G(x) für jedes zulässige Argument denselben (Wahrheits-) Wert annehmen, wenn also F(x) und G(x) in der Beziehung der gegenseitigen Unterordnung zueinander stehen. Dann aber würde für die fraglichen Gegenstände der Begriff F(x) und der Begriff G(x) dasselbe Kennzeichen der Gleichheit gelten wie für die Umfänge beider Begriffe, nämlich die generelle bzw. extensionale Äquivalenz von F(x) und G(x). Und aus dieser Überlegung folgte für Frege, daß sich z. B. die Ausdrück e ‘der Begriff Quadratwurzel aus 1’ und ‘der Umfang des Begriffs Quadratwurzel aus 1’ auf denselben Gegenstand beziehen. Gegen eine Gleichsetzung der Bedeutung beider Ausdrück e sprechen jedoch die an früherer Stelle genannten Gründe. — Ersetzt man den Ausdruck ‘der Begriff F’ in Sätzen ‘... der Begriff F ...’ durch den Ausdruck ‘der Umfang des Begriffs F’, so erhält man Sätze, die — von wenigen Ausnahmen abgesehen — nicht als sinnvoll anzuerk ennen sind. Man k önnte diesen Umstand als zusätzliches Argument gegen die Annahme von Tyler Burge (1984, 16; 28 n) und Terence Parsons (1984, 249) anführen, daß nach Frege beide Ausdrück e denselben Gegenstand bezeichnen. Unter dem Gesichtspunk t der von Frege häufig benutzten informellen Redeweise ist der Satz (S) ‘Der Begriff ξ = ξ fällt unter den Begriff φ()’ sinnvoll und wahr. Ersetzt man in (S) den Ausdruck ‘der Begriff ξ = ξ’ durch ‘der Umfang des Begriffs ξ = ξ’, so erhält man mit (S*) — ‘Der Umfang des Begriffs ξ = ξ fällt unter den Begriff φ()’ — einen Satz, der nach informeller Deutung nicht falsch, sondern sinnlos ist. Denn man k ann weder sinnvoll meinen noch sinnvoll sagen, daß ein Begriffsumfang — also ein Gegenstand —
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unter einen Begriff zweiter Stufe fallt. Mit der Bildung von (S*) begeht man einen ›Typenfehler‹ ähnlich wie im Fall des Fregeschen Beispiels ‘Es gibt Julius Cäsar’. Ein Gegenstand k ann niemals die logische Stelle eines Begriffs (erster Stufe) einnehmen. — Dem von Frege in Über Begriff und Gegenstand angelegten formalgrammatischen Maßstab zufolge ist weder (S) noch (S*) sinnvoll. Der Ausdruck ‘der Begriff φ()’ müßte dann nämlich ebenso wie ‘der Begriff ξ = ξ’ einen Gegenstand bezeichnen, so daß (S) das Fallen eines Gegenstandes ganz besonderer Art unter einen Gegenstand, (S*) die Subsumtion eines Begriffsumfangs unter einen Gegenstand ausdrück te. Eine weitere Schwierigk eit ergibt sich daraus, daß Frege in Über Begriff und Gegenstand vermutlich zu der Ansicht neigte, ein Begriff zweiter Stufe k önne im Unterschied zu einem Begriff erster Stufe niemals durch einen Gegenstand vertreten werden. Auf die Frage nach dem Status eines Ausdruck s wie ‘der Begriff φ()’ hätte er im Rahmen von Über Begriff und Gegenstand wohl nur antworten k önnen: dieser Ausdruck bezeichnet zwar einen Gegenstand, aber dieser Gegenstand erfüllt nicht die Funk tion, einen Begriff zu vertreten. Frege hätte sich also k aum dem Zwang entziehen k önnen, neben den ›begriffsvertretenden‹ Gegenständen ganz besonderer Art eine weitere Klasse von (fragwürdigen) Gegenständen anzuerk ennen, die k eine begriffsvertretende und wohl auch k eine andere als sinnvoll ausweisbare logische Form ausüben. 5.5. Wie steht es mit dem in der Sek undärliteratur so genannten Paradox ‘Der Begriff Pferd ist k ein Begriff’? Zunächst ist zu k lären, wie Frege seine Behauptung, daß der Begriff Pferd k ein Begriff sei, verstanden wissen wollte. Zweifellos meinte er, daß der Ausdruck ‘der Begriff Pferd’ seinen formalen Kriterien zufolge einen (begriffsvertretenden) Gegenstand bezeichnet. Was das Prädik at ‘... ist ein Begriff’ betrifft, so war er in Über Begriff und Gegenstand oder doch zumindest bei der Aufstellung seiner Behauptung der Ansicht, daß es von Begriffen erster Stufe wahrheitsgemäß ausgesagt wird und in Anwendung auf Gegenstände bzw. auf bedeutungsvolle Gegenstandsnamen stets zur Bildung eines falschen Satzes führt — wie im Fall des Satzes (P) ‘Der Begriff Pferd ist ein Begriff’. Trifft diese Annahme zu, so unterlief Frege in diesem besonderen Fall ein logischer Fehler, der
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wohl einer Vermischung der beiden Ebenen der formellen und informellen Redeweise entsprang. Faßt man nämlich ‘... ist ein Begriff (erster Stufe)’ als ein Prädik at zweiter Stufe auf, so k ann man es Gegenständen weder sinnvoll zu- noch sinnvoll absprechen. Satz (P) wäre nicht als falsch, sondern ebenso wie ‘Es gibt Julius Cäsar’ als sinnlos zu verwerfen. So gesehen müßte Frege auch den von ihm als wahr anerk annten Satz ‘Der Begriff Pferd ist k ein Begriff, sondern ein Gegenstand’ als sinnlos abstempeln, obgleich der zweite Teilsatz unter der Voraussetzung, daß der Ausdruck ‘der Begriff Pferd’ einen Gegenstand bezeichnet, wahr ist. — ‘... ist ein Gegenstand’ ist ein Prädik at erster Stufe, das stets zu einem wahren Satz ergänzt wird, wenn man in seine Argumentstelle einen bedeutungsvollen Gegenstandsnamen einsetzt. Ein diesem im Bereich zweiter Stufe entsprechendes Prädik at wäre ein solches, das immer zu einem wahren Satz ergänzt wird, wenn man seine Leerstelle mit einem bedeutungsvollen Begriffsausdruc k (oder allgemeiner: mit einem bedeutungsvollen einstelligen Funk tionsnamen) erster Stufe ausfüllt. Das Wort ‘Begriff’ bzw. ‘Funk tion’ ist zur Bildung eines solchen Prädik ats zweiter Stufe offenbar ungeeignet. Denn es tritt in der Sprache gleichsam unter dem Deck mantel ihrer Grammatik immer so auf, als ob es ein echtes Prädik at erster Stufe wäre, während es doch logisch gesehen — und freilich auch nach der Absicht der Sprecher, die es mit der stillschweigenden oder ausdrück lichen Ergänzung ‘erste Stufe’ verwenden — ein Prädik at zweiter Stufe sein muß. Frege weist auf diese ›Zwangslage der Sprache‹ in mehreren nach 1900 verfaßten Schriften hin, indem er den Gebrauch der Wörter ‘Funk tion’, ‘Begriff’ und ‘Beziehung’ als ungenau oder fehlerhaft brandmark t. In Über Schoenflies: Die logischen Paradoxien der Mengenlehre bemerkt er: „So ist das Wort ‘Begriff’ selbst, genau genommen, schon fehlerhaft, indem die Worte ‘ist ein Begriff’ einen Eigennamen als grammatisches Subjek t fordern; denn damit fordern sie eigentlich einen Widerspruch, da k ein Eigenname einen Begriff bezeichnen k ann, oder vielleicht besser noch einen Unsinn“ (Frege 1969, 192).
Ähnlich äußert er sich in seinem Brief an Bertrand Russell (1872—1970) vom 29. 6. 1902. Der Satz ‘A ist eine Funk tion’ ist immer ungenau, heißt es dort: „denn ‘A’ vertritt einen Eigennamen. Der Begriff der Function [erster Stufe, Ergänzung M. S.] muß ja ein Begriff zweiter Stufe sein, während er in der
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Sprache immer als ein Begriff erster Stufe erscheint“ (Frege 1976 b, 218; vgl. Frege 1969, 210; 275).
Zugleich macht Frege einen Vorschlag, wie man in der Begriffsschrift einen genauen Ausdruck für das festsetzen kann, „was man meint, wenn man etwas eine Function (erster Stufe mit einem Argumente) nennt; etwa ‘ἑ φ (ε)’. Danach würde ‘ἑ(ε · 3 + 4)’ das genau ausdrück en, was man mit dem Satze ‘ξ · 3 + 4 ist eine Function’ ungenau ausdrückt” (Frege 1976 b, 218).
Einen Ausdruck zur Bezeichnung des Begriffs zweiter Stufe, in den nur Begriffe erster Stufe fallen, k önnte man durch folgende Festsetzung in die Begriffsschrift einführen: ‘ φ (α)’ ist ein Begriffszeichen zweiter Stufe, das genau dann zu einem wahren Satz (zu einem Namen des Wahren) ergänzt wird, wenn man in seine Argumentstelle einen bedeutungsvollen Begriffsausdruck erster Stufe einsetzt. Diese Festsetzung wäre auch unter formellem Gesichtspunk t einwandfrei. Das so eingeführte Prädik at ‘ φ (α)’ ist k eineswegs ein symbolsprachliches Äquivalent für ‘... ist ein Begriff’, noch für irgendein anderes natürlichsprachliches Prädik at. Man k ann mit Frege nur sagen: der Satz ‘ (α2 = 4)’ drück t das genau aus, was man mit dem Satz ‘(Der Begriff) ξ2 = 4 ist ein Begriff’ zwar meint, aber ungenau ausdrück t. — Abschließend sei noch ein Punk t gek lärt. Im Gegensatz zu ‘ α2 = 4’ läßt sich ‘ (α2 = 4)’ nicht in einen logisch äquivalenten Satz ›erster Stufe‹ umwandeln. Warum nicht? Die richtige Antwort scheint mir zu sein: weil ‘ φ (α)’ ebenso wie ‘ἑ φ (ε)’ und ‘ξ ist ein Gegenstand’ ein kategoriales Prädik at ist. Jedes der beiden letztgenannten Prädik ate legt explizit fest, zu welcher Kategorie oder Klasse von Entitäten die Bedeutungen im Fregeschen Sinn dieses Ausdruck s aller derjenigen Ausdrück e gehören, die man zulässigerweise in die jeweilige Argumentstelle einsetzen k ann. Beide Prädik ate haben die Besonderheit, daß man bei jeder zulässigen Einsetzung einen wahren Satz erhält. Im Fall des Prädik ats ‘ φ (α)’ bietet sich folgende Erk lärung an: es legt explizit fest, zu welcher Kategorie von Entitäten die Bedeutungen derjenigen Ausdrück e gehören, die für seine Argumentstelle passend sind und deren Einsetzung in diese stets zur Bildung eines wahren Satzes führt. Man k ann den durch ‘ (α2 = 4)’ ausgedrück ten Gedank en nicht durch einen Satz ›erster Stufe‹ ausdrük k en. Zwar k ann man den Begriff erster Stufe ξ2 = 4 durch seinen Umfang vertreten lassen
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wie z. B. in Satz (iii), aber der Begriff zweiter Stufe φ (α) k ann nicht durch einen Begriff erster Stufe vertreten werden.
6.
Oblique Kontexte: ungerade Bedeutung und ungerader Sinn
Frege hat in seinem für die Entwick lung der modernen intensionalen Semantik bahnbrechenden Aufsatz Über Sinn und Bedeutung die erste detaillierte und systematisch fruchtbare Analyse sogenannter obliquer Kontexte vorgelegt. Erst über ein halbes Jahrhundert später sind weitere, teils miteinander k onk urrierende semantische Theorien der nichtextensionalen Sätze entwick elt worden, u. a. von Rudolf Carnap (1891—1970), Willard Van Orman Quine (*1908), Donald Davidson (*1917) und Jaak k o Hintik k a (*1929). Freges Theorie der Bedeutung, gepaart mit einer Einstufentheorie des Sinns (sie schließt die Unterscheidung zwischen gewöhnlicher und ungerader Bedeutung ein), liefert ein grundsätzlich tragfähiges Modell zur Analyse der semantischen Form nichtextensionaler Sätze. Sie erweist sich in einigen wichtigen Hinsichten sowohl der paratak tischen Theorie Davidsons als auch der modelltheoretischen Analyse Hintikkas als überlegen. 6.1. Man k ann mit Bezug auf Freges Unterscheidung zwischen der gewöhnlichen und der ungeraden Bedeutung eines Ausdruck s sowie zwischen dem gewöhnlichen und dem ungeraden Sinn zwei Arten von Theorien unterscheiden (vgl. Parsons 1980, 38). Die erste heiße ‘hierarchische Theorie’ die zweite ‘Einstufentheorie des Sinns’. Erstere ist dadurch gek ennzeichnet, daß in ihr aus der soeben erwähnten doppelten Unterscheidung Freges eine unendliche Hierarchie ungerader Bedeutungen und ungerader Sinne abgeleitet wird. Kommt ein Ausdruck ‘A’ (z. B. ein Eigenname) in einem obliquen (nichtextensionalen) Kontext erster Stufe KO1 (... A...) vor (z. B. ‘a weiß, daß ... A ...’), so bezeichnet ‘A’ in diesem Kontext seine erste ungerade Bedeutung Bu1 (A) und drück t seinen ersten ungeraden Sinn Su1 (A) aus. Im obliquen Kontext zweiter Stufe KO2 (KO1 (... A...)) (z. B. ‘b sagte, daß a weiß, daß ... A...’) bedeutet ‘A’ seine ungerade Bedeutung zweiten Grades Bu2 (A) und drück t seinen ungeraden Sinn zweiten Grades Su2 (A) aus, usw. für eine n-fache (n ≧ 1) oblique Einbettung von ‘A’. Durch eine iterierte Anwendung des Fregeschen Prinzips
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Bu1 (A) = Sg (A) gelangt die hierarchische Theorie zu der Folge Bu2 (A) = Su1 (A) Bun (A) = Su n—1 (A), für jede Zahl n (n ≧ 1) Ferner gilt: Bun (A) ≠ Bum (A), wenn n ≠ m und Sun (A) ≠ Sum (A), wenn n ≠ m. Die hierarchische Theorie nimmt also an, daß jeder bedeutungsvolle Ausdruck in verschiedenen Kontexten, d. h. in extensionalen Kontexten und nichtextensionalen Kontexten beliebiger Stufe, unendlich viele verschiedene Bedeutungen bezeichnen und unendlich viele verschiedene Sinne ausdrück en k ann. Die Grundlage dafür, daß man diese Theorie im Anschluß an die von Carnap (1947, § 30) aufgestellte Hypothese Frege zuschreiben k ann, bildet Freges Brief an Russell vom 28. 12. 1902 (Frege 1976 b, 234—237) zusammen mit den Ausführungen in Über Sinn und Bedeutung. — Ein Ausdruck ‘A’, der z. B. sowohl in einem extensionalen Satz (d. h. in gerader Rede) als auch in einem nichtextensionalen Satz erster Stufe (d. h. in ungerader Rede) vork ommt, ist nach Frege zweideutig. Um diese für eine natürliche Sprache charak teristische Zweideutigk eit zu vermeiden, fordert er in seinem oben erwähnten Brief, daß man in „ungerader Rede besondere Zeichen [hat], deren Zusammenhang aber mit den entsprechenden in gerader Rede leicht erk ennbar wäre“ (Frege 1976 b, 236). Die hier (idealtypisch) vorgeschlagene Methode verfolgt im Prinzip Alonzo Church (*1903) in seiner Abhandlung A Formulation of the Logic of Sense and Denotation (1951) und auch in der weiterführenden Arbeit Outline of a Revised Formulation of the Logic of Sense and Denotation (1973/74). Seiner Theorie zufolge, bei deren Formulierung er sich ausdrück lich auf Frege beruft (ohne freilich den zitierten Brief an Russell zu k ennen), bezeichnen die auf modale Operatoren im weiten Sinn wie ‘es ist möglich, daß’, ‘a behauptet, daß’ usw. folgenden Ausdrück e intensionale Entitäten. Diese Ausdrück e werden entsprechend der semantischen Stufe des eingebetteten daß-Satzes mit Indices versehen, z. B.: Max glaubt, daß Juliane1 hübsch1 ist; Frank behauptet, daß Max1 glaubt1, daß Juliane2 hübsch2 ist. ‘Juliane1’ bezeichnet die Intension von ‘Juliane’, ‘Juliane2’ die Intension von ‘Juliane1’. Diese Indices tragenden Ausdrück e k önnen allerdings nicht als semantisch k omplex angesehen werden. Die von Church k onstruierte Sprache umfaßt unendlich viele semantische
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Grundausdrück e. Denn ein alter Ausdruck mit einem neuen Index ist semantisch gesehen ein neuer Ausdruck . — Eine hierarchische Theorie k ann nach Maßgabe der Deutung der Beziehung zwischen dem gewöhnlichen und dem ersten ungeraden Sinn eines Ausdruck s in zwei Varianten auftreten. Die erste Variante setzt voraus, daß der gewöhnliche Sinn eines Ausdruck s seinen ungeraden Sinn ersten Grades eindeutig bestimmt, d. h. sie setzt voraus, daß zwei Ausdrück e mit demselben gewöhnlichen Sinn auch denselben ungeraden Sinn ersten Grades ausdrück en. Aus dieser Voraussetzung k ann man folgern, daß zwei Ausdrück e ‘A’ und ‘B’, die denselben gewöhnlichen Sinn haben, auch denselben ungeraden Sinn n-ten Grades (für jedes n ≧ 1) ausdrük k en. Die Annahme, daß sich die Sinngleichheit von ‘A’ und ‘B’ bei einem Übergang von extensionalen zu nichtextensionalen Kontexten vererbt, erscheint intuitiv einleuchtend. Sie schließt ein, daß ‘A’ und ‘B’ in allen Behauptungssätzen bei Wahrung der Sinngleichheit und damit auch der Bedeutungsgleichheit durch einander ersetzt werden k önnen. — Nach der zweiten Variante der hierarchischen Theorie bestimmt der gewöhnliche Sinn eines Ausdruck s seinen (ersten) ungeraden Sinn nicht eindeutig. Zwei Ausdrück e mit demselben gewöhnlichen Sinn k önnen dann verschiedene Sinne n-ten Grades (für jedes n ≧ 1) ausdrück en. Selbst dann, wenn Sg (A) = Sg (B) gilt, sind ‘A’ und ‘B’ nicht in allen Behauptungssätzen ohne Änderung des Sinns und daher auch nicht salva veritate durch einander ersetzbar. 6.2. Der hierarchischen Theorie in ihren beiden Erscheinungsformen läßt sich die bereits genannte Einstufentheorie des Sinns, gepaart mit der Zweistufentheorie der Bedeutung, gegenüberstellen. Sie ist durch folgende Prinzipien gek ennzeichnet: (1) Ein Ausdruck (Eigenname, Prädik at, Satz) drück t in allen (extensionalen und nichtextensionalen) Kontexten seinen gewöhnlichen Sinn aus. (2) Ein Ausdruck , der in einem nichtextensionalen Kontext (beliebiger Stufe) vork ommt, bezeichnet seine ungerade Bedeutung, also seinen gewöhnlichen Sinn. Freges Unterscheidung zwischen dem gewöhnlichen und dem ungeraden Sinn eines Ausdruck s scheint auf den ersten Blick mit dieser Theorie unvereinbar zu sein. Es läßt sich indes zeigen, daß die erste Variante der hierarchischen Theorie durch eine methodische Vereinfachung in eine äquivalente Einstufentheorie des Sinns überführt werden kann (Parsons 1980, 43; 54 ff).
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Semantische Struktur eines Glaubenssatzes
— Die semantische Struk tur z. B. des Satzes ‘Max glaubt, daß Rimbaud ein Dichter ist’ k ann man im Rahmen der Fregeschen Theorie obliquer Kontexte durch das folgende Diagramm 34.1 darstellen. Der Einfachheit halber sei als Abk ürzung für diesen Glaubenssatz ‘Gap’verwendet, wobei ‘Ga’ für ‘Max glaubt, daß - - -’ steht und ‘p’ für den Satz ‘Rimbaud ist ein Dichter’. Die nach oben gerichteten Pfeile repräsentieren die Beziehung des Ausdrückens (= Sinnebene), während die nach unten gerichteten Pfeile die Beziehung des Bezeichnens oder Bedeutens (= Bedeutungsebene) darstellen. Die vorstehende Analyse der semantischen Form von ‘Gap’ stimmt zunächst mit beiden Varianten der hierarchischen Theorie überein. Während jedoch die zweite Variante, nämlich die von Carnap eingeführte und mit Freges Äußerungen übereinstimmende orthodoxe Deutung der Unterscheidung zwischen der gewöhnlichen und der ungeraden Bedeutung sowie zwischen dem gewöhnlichen und dem ungeraden Sinn annimmt, daß Su1 (p) ≠ Sg (p), tritt die erste Variante für Su1 (p) = Sg (p) ein. — Der Sinn von ‘Gap’, der durch diesen Satz ausgedrück te Gedank e, ergibt sich durch eine Anwendung des gewöhnlichen Sinns von ‘Ga’ auf den ungeraden Sinn ersten Grades von ‘p’. Die Bedeutung von ‘Gap’, der durch diesen Satz bezeichnete Wahrheitswert, ergibt sich durch eine Anwendung der gewöhnlichen Bedeutung von ‘Ga’ auf die ungerade Bedeutung ersten Grades von ‘p’, d. h. auf den durch ‘p’ bezeichneten Gedanken. Diese Anwendung einer Funk tion auf ein Argument wird im Diagramm durch runde Klammern angezeigt. Der Wert der erstgenannten Funk tion (das ist nach der von mir vertretenen und in der Fregeforschung umstrittenen Deutung der gewöhnliche Sinn des Begriffsausdruck s ‘Ga’) für das betreffende Argument (das ist der ungerade Sinn ersten Grades des leerstellenfreien Ausdruck s ‘p’) ist der durch ‘Gap’ ausgedrück te Gedank e. Da-
gegen ist der Wert der zweitgenannten Funk tion (das ist die gewöhnliche Bedeutung von ‘Ga’, mithin ein Begriff) für das betreffende Argument (das ist die erste ungerade Bedeutung bzw. der gewöhnliche Sinn von ‘p’) ein Wahrheitswert. Den durch ‘Gap’ ausgedrück ten Gedank en qua Funk tionswert habe ich durch eine geschweifte Klammer der Gestalt ‘ ’ k enntlich gemacht und den durch ‘Gap’ bezeichneten Wahrheitswert qua Funk tionswert durch eine geschweifte Klammer der Form ‘ ’. Diese Darstellung der semantischen Struk tur von ‘Gap’ steht im Eink lang mit den beiden semantischen (›k ompositionellen‹) Prinzipien Freges ›Der Sinn eines Satzes ist durch die Sinne seiner Teilausdrück e und die Weise ihrer Zusammensetzung bestimmt, ist eine Funk tion dieser Sinne‹ und ›Die Bedeutung eines Behauptungssatzes ist durch die Bedeutungen seiner Teilausdrück e und die Weise ihrer Zusammensetzung bestimmt, ist eine Funk tion dieser Bedeutungen‹. 6.3. Die hierarchische Theorie und die Einstufentheorie des Sinns, gepaart mit einer Zweistufentheorie der Bedeutung, stimmen hinsichtlich der semantischen Repräsentation von ‘Gap’ auf der Bedeutungsebene überein. Während sich jedoch nach der hierarchischen Theorie der Sinn von ‘Gap’ durch eine Anwendung des gewöhnlichen Sinns von ‘Ga’ auf den ersten ungeraden Sinn von ‘p’ ergibt, erhält man nach der Einstufentheorie den Sinn von ‘Gap’ durch eine Anwendung des gewöhnlichen Sinns von ‘Ga’ auf den gewöhnlichen Sinn von ‘p’. — Der Satz ‘Max glaubt, daß Rimbaud ein Dichter ist’ ist im Sinne Freges syntak tisch so zu deuten, daß er aus dem Beziehungsausdruck ‘... glaubt, daß - - -’ durch Einsetzung eines Eigennamens in die gewöhnliche bzw. ›extensionale‹ Leerstelle ‘...’ und eines Behauptungssatzes bzw. eines Wahrheitswertnamens in die ›oblique‹ Argumentstelle ‘- - -’ gebildet wird. ‘... glaubt, daß
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- - -’ ist ein gleichstufiger Beziehungsausdruck erster Stufe; denn ‘p’ bezeichnet ja als Teilsatz von ‘Gap’ einen (abstrak ten) Gegenstand, nämlich den Gedank en, daß Rimbaud ein Dichter ist. Freges Theorie obliquer Kontexte legt also unmittelbar die natürliche Auffassung nahe, daß Glauben, Wissen, usw. jeweils eine Relation zwischen einer Person und einem Gedank en ist. Ferner ist zu betonen, daß nach seiner Auffassung ‘p’ im Zusammenhang von ‘Gap’ k einen Gedank en ausdrück t, sondern der ungerade Sinn ersten Grades von ‘p’ ist der (gewöhnliche) Sinn, den die nominale Wendung ‘der Gedank e, daß p’ für sich genommen ausdrück t, also: Su1 (p) = Sg (der Gedank e, daß p). Offensichtlich k ann der Gedank e, den der Satz ‘Gap’ nach der hierarchischen Theorie in ihrer orthodoxen Form ausdrück t, nicht mit dem Gedank en zusammenfallen, den derselbe Satz der Einstufentheorie zufolge ausdrück t. Die hierarchische Theorie in ihrer orthodoxen Spielart, nach der Sg (A) ≠ Sun (A) (n ≧ 1) gilt, scheidet allerdings aus mehreren Gründen für eine befriedigende Analyse der semantischen Struk tur von obliquen Sätzen aus. Hingegen lassen sich für die Einstufentheorie erhebliche Vorteile geltend machen. — Das folgende Diagramm 34.2 (vgl. Parsons 1980, 42) stellt die semantische Struk tur des obliquen Kontextes zweiter Stufe ‘Peter sagte, daß Max glaubt, daß Rimbaud ein Dichter ist’ im Rahmen der orthodoxen Deutung dar. ‘Peter sagte, daß - - -’ sei durch ‘Sb’ abgekürzt.
Abb. 34.2: Semantische Struktur a
Im Rahmen der Einstufentheorie des Sinns sieht die semantische Struk tur von ‘SbGap’ wie folgt aus:
Abb. 34.3: Semantische Struktur b
‘SbGap’ läßt sich syntak tisch so auffassen, daß er durch Einsetzung eines singulären Ausdruck s in die ›extensionale‹ Argumentstelle ‘...’ von ‘... sagte, daß — — —’ und eines nichtextensionalen Satzes erster Stufe in die ›oblique‹ Argumentstelle ‘— — —’ entsteht. Die Einstufentheorie des Sinns, verbunden mit einer Zweistufentheorie der Bedeutung, weist gegenüber der hierarchischen Theorie in ihrer orthodoxen Ausprägung zwei offenk undige Vorteile auf. Erstens ist sie nicht der Zwangslage ausgesetzt, eine je besondere Erk lärung dessen geben zu müssen, worin der Sinn (Su1,..., Sun) eines Ausdruck s mit Bezug auf nichtextensionale Kontexte der Stufen 1, ..., n besteht. Zweitens schließt sie ein, daß der Gedank e, den ein assertorischer Satz ausdrück t, handle es sich um einen extensionalen Satz oder um einen nichtextensionalen Satz beliebiger Stufe, stets als eine Verbindung von gleichstufigen Sinnen der Teilausdrück e analysierbar ist. Die Darstellung der semantischen Struk tur von ‘SbGap’ nach der orthodoxen Interpretation zeigt, daß sich hier der durch ‘SbGap’ ausgedrück te Gedank e aus ungleichstufigen Gedankenteilen zusammensetzt. 6.4. Die vorangehende Analyse der semantischen Form von Sätzen über propositionale Einstellungen (s. Art. 80) auf der Grundlage der Fregeschen Unterscheidung zwischen gewöhnlicher und ungerader Bedeutung beruht wesentlich auf der Annahme, daß für Frege der Sinn eines vollständigen (d. h. leerstellenfreien) Ausdruck s ein Gegenstand ist, der Sinn eines unvollständigen Ausdruck s (d. h. Funk tionszeichens) hingegen eine Funk tion. Sähe Frege einen gesättigten Sinn nicht als einen Gegenstand an, so müßte er einräumen, daß
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es neben der Klasse der Gegenstände eine zweite Klasse gesättigter Entitäten gibt. Dies k önnte er indessen nur dann tun, wenner nicht beanspruchte, mit seiner Unterscheidung zwischen Funk tionen und Gegenständen eine erschöpfende ontologische Einteilung von Existierendem zu geben. — Nach meiner Einschätzung sprechen zwei Gründe dagegen, daß Frege die Sinne von Funk tions-, Begriffs- und Beziehungsausdrück en als Gegenstände auffaßt. Erstens: sie haben ebenso wie die Zeichen, durch die sie ausgedrück t werden, den Charak ter des Ungesättigten, Ergänzungsbedürftigen, während die Gesättigtheit ein wesentliches Merk mal von Gegenständen ist. Zweitens: Wäre der Sinn eines Begriffs- oder Beziehungsausdruck s ein Gegenstand — was z. B. Dummett (1981, 341) behauptet —, so müßte Frege seine These preisgeben, daß von den Teilen eines Gedank ens nicht alle abgeschlossen sein dürfen, sondern mindestens einer ungesättigt bzw. prädik ativ sein muß. Die Sinne würden — wie Frege sagt — sonst nicht aneinander haften. Man k ann den Sinn eines einstelligen Prädik ats erster Stufe wie folgt k ennzeichnen: er ist eine Funk tion, die für den Sinn eines Eigennamens ‘a’ als Argument einen Gedank en als Wert liefert, nämlich den Gedank en, den der durch Einsetzung von ‘a’ in die Argumentstelle von ‘F (x)’ gebildete Satz ‘F (a)’ ausdrück t. Entsprechend k ann man den Sinn eines zweistelligen Prädik ats erster Stufe ‘G (x, y)’ bestimmen: er ist eine Funk tion, die für die Sinne zweier Eigennamen ‘a’ und ‘b’ als Argumente den Gedank en als Wert hat, den der durch zweifache Ergänzung von ‘G (x, y)’ mit ‘a’ und ‘b’ entstehende Satz ‘G (a, b)’ ausdrück t. Nach diesen Erk lärungen, deren Schema auch auf Prädik ate zweiter Stufe angewendet werden k önnte, ist der Sinn eines monadischen Prädik ats wohlgemerk t nicht als ein Begriff, der Sinn eines dyadischen Prädik ats nicht als eine Beziehung aufzufassen. Denn der Funk tionswert ist stets ein Gedank e, k ein Wahrheitswert. Der Sinn eines Begriffsausdruck s und eines gewöhnlichen Funk tionsnamens mit einer Argumentstelle ist also eine Funk tion mit einem Argument; der Sinn eines Beziehungsausdruck s und eines gewöhnlichen Fun k tionsnamens mit zwei Argumentstellen ist eine Funk tion mit zwei Argumenten. Falls Frege seine Einteilung von Entitäten in Funk tionen und Gegenstände als vollständig ansieht, so k ann also für ihn der Sinn eines Prädik ats nur eine Funk tion sein. Ist er dagegen der Ansicht, daß der Sinn eines unvollständigen Ausdruck s k eine Funk tion ist, so müßte er seinen ontologischen Rah-
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men um eine zweite Klasse ungesättigter Entitäten neben den Funk tionen erweitern. Was ich soeben zum Status des Sinns von gesättigten und ergänzungsbedürftigen Ausdrück en ausgeführt habe, gilt auch für den von Frege eingeführten ungeraden Sinn. — Wie steht es mit der Plausibilität der Unterscheidung zwischen dem gewöhnlichen und dem ungeraden Sinn eines Ausdruck s ‘A’, sofern Sg (A) ≠ SunA (n ≧ 1)? Während Frege den gewöhnlichen Sinn eines Eigennamens (wenn auch unzureichend) als das erk lärt, worin die Art des Gegebenseins des bezeichneten Gegenstandes enthalten ist — eine analoge Erläuterung des Sinns von Begriffs- und Beziehungswörtern böte sich grundsätzlich an —, bleibt unk lar, was unter dem ungeraden Sinn ersten oder gar höheren Grades eines singulären Ausdruck s, Prädik ats oder Aussagesatzes zu verstehen ist. Weiß man dies jedoch nicht, so verfügt man auch über k ein Kriterium, um eine begründete Entscheidung z. B. darüber zu fällen, ob zwei singuläre Termini mit demselben gewöhnlichen Sinn verschiedene ungerade Sinne ersten Grades oder denselben ungeraden Sinn ersten Grades ausdrück en. Vor dieses Problem sähe man sich insbesondere dann gestellt, wenn man Freges Prinzip der Ersetzbark eit, von dem gleich noch zu handeln sein wird, auf oblique Sätze zweiter oder höherer Stufe anwenden wollte. 6.5. Es unterliegt k einem Zweifel: die orthodoxe Variante der hierarchischen Theorie, die von Church in gewandelter Form systematisch ausgearbeitet worden ist, k ann nicht beanspruchen, die semantische Struk tur von nichtextensionalen Sätzen einer natürlichen Sprache angemessen zu beschreiben. Eine tragfähige Sinntheorie muß erk lären k önnen, worin der Sinn von Ausdrück en einer natürlichen Sprache S jeder semantisch signifik anten Kategorie besteht. Eine Erk lärung des Sinns z. B. eines einstelligen Prädik ats erster Stufe ‘F (x)’ von S muß zugleich eine Erk lärung dessen sein, was es für einen k ompetenten Sprecher von S heißt, ‘F (x)’ zu verstehen. Eine solche Erk lärung hat die Aufgabe, die prak tische Fähigk eit des Sprachbenutzers, ‘F (x)’ im Zusammenhang verschiedener Sätze verstehend zu verwenden, theoretisch darzustellen. In einer Darstellung dieses sprachlichen Teilvermögens geht es also nicht darum, normative Regeln der Verwendung von Prädik aten aufzustellen, sondern allein darum, eine bestehende sprachliche Praxis zu beschreiben. Die von Church aufgebaute Sprache (mit unendlich vielen semantischen Grundausdrück en) ist
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zwar von nicht gering zu schätzendem formalen Interesse; sie stellt aber doch nur ein idealisiertes Modell eines Bereichs natürlicher Sprachen dar. Die Annahme, ein Grundausdruck einer Sprache S k önne in verschiedenen Kontexten unendlich viele verschiedene Sinne haben, schließt ein, daß S unendlich viele semantisch einfache Ausdrück e enthält. Z. B. wäre ein einfaches Prädik at ‘F (x)’, das in einem obliquen Kontext n-ter Stufe n-fach eingebettet ist, semantisch gesehen ein neuer Grundausdruck in bezug auf ‘F (x)’, wenn ‘F (x)’ in einem nichtextensionalen Kontext der Stufe n—1 vork ommt, genauer: in dem n—1-fach eingebetteten Nebensatz dieses Kontextes. Eine Sprache, die unendlich viele Grundausdrück e umfaßt, k ann jedoch von Wesen mit endlichen Fähigk eiten nicht vollständig erlernt werden. — Die Verk nüpfung einer unendlichen Folge verschiedener Sinne mit ein und demselben natürlichsprachlichen Ausdruck erscheint also als eine rein formale Erweiterung der Fregeschen Unterscheidung zwischen dem gewöhnlichen und dem ungeraden Sinn, die k eine Entsprechung in unserer sprachlichen Praxis findet. (An nichtextensionale Sätze dritter und höherer Stufe hat Frege vermutlich gar nicht gedacht.) Nichts spricht für, aber alles gegen die Annahme, das jedes Glied der Folge Sg (A), Su1 (A), ..., Sun (A) nach Maßgabe des Satzk ontextes, in dem A vork ommt, für die Sprachbenutzer mit einem jeweils besonderem Sinnverstehen verbunden werden k ann. Angenommen, die Erk lärung: ‘Man versteht den Sinn eines Begriffsausdruck s ‘F (x)’,wenn man für jeden gegebenen Gegenstand festzustellen vermag, ob er unter den Begriff F (x) fällt oder nicht’ eigne sich als eine allgemeine Erk lärung des Sinns von einstelligen Prädik aten erster Stufe im Rahmen der Fregeschen Semantik . Während diese Erk lärung als Bestandteil einer Einstufentheorie des Sinns in bezug auf jeden Satz, in dem ‘F (x)’ als Teilausdruck vork ommt, Gültigk eit beanspruchen k önnte, sähe sich die orthodoxe Variante der hierarchischen Theorie vor eine unlösbare Aufgabe gestellt: sie müßte erläutern, was es für einen Sprecher einer Sprache S heißt, den gewöhnlichen Sinn, den ersten ungeraden Sinn, den n-ten ungeraden Sinn von ‘F (x)’ zu erfassen.
7.
Das Prinzip der Ersetzbarkeit
7.1. Nach Carnap, Quine und anderen Logik ern läßt sich das k lassische, auf Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23) zurück gehende Prinzip der Ersetzbark eit auf
zweifache Weise formulieren: (1) Wenn zwei Ausdrück e denselben Gegenstand bezeichnen, so k ann der eine für den anderen in einen Satz eingesetzt werden, ohne daß sich dadurch der Wahrheitswert des Satzes ändert. (2) Wenn eine Identitätsaussage der Form ‘a = b’ wahr ist, so k ann man ‘a’ und ‘b’ in beliebigen Sätzen (sofern sie einen Wahrheitswert haben) salva veritate durch einander ersetzen. Frege führt in Über Sinn und Bedeutung ein Prinzip der Ersetzbark eit folgendermaßen ein: „Nehmen wir einmal an, der Satz [d. h. irgendein Behauptungssatz] habe eine Bedeutung! Ersetzen wir nun in ihm ein Wort durch ein anderes von derselben Bedeutung, aber anderem Sinne, so k ann dies auf die Bedeutung des Satzes k einen Einfluß haben“ (Frege 1967 a, 148).
Dieses Prinzip dient Frege in Über Sinn und Bedeutung weder als Mittel zur Entdeck ung dessen, worin die Bedeutung eines Behauptungssatzes besteht, noch als Definition zur Einführung des Ausdruck s ‘Bedeutung eines Satzes’. Frege benutzt es zunächst, um eine begründete Entscheidung darüber zu treffen, ob der durch einen Satz ausgedrück te Gedank e als dessen Sinn oder als dessen Bedeutung aufzufassen ist. Später greift er auf sein Prinzip zur Stützung bzw. Bestätigung der Vermutung zurück , daß die Bedeutung eines Satzes sein Wahrheitswert ist und damit auch zur Prüfung der Angemessenheit der Überlegungen, die ihn zu dieser Vermutung führen. Das in Über Sinn und Bedeutung aufgestellte Prinzip der Ersetzbark eit spielt so gesehen die Rolle eines Adäquatheitsk riteriums für die Einführung des Begriffs der Satzbedeutung. — Freges Prinzip der Ersetzbark eit gilt, sofern man ‘Wort’ durch ‘Ausdruck ’ ersetzt, für singuläre Termini, Sätze und seinen Ausführungen über Sinn und Bedeutung (1892—95) zufolge (Frege 1969, 128) auch für Begriffswörter (und freilich auch für Beziehungsausdrück e, wenngleich diese Klasse von Ausdrück en nicht eigens genannt wird). Beschränk t man die Ersetzung auf singuläre Ausdrück e, so k ann man das folgende Fregesche Prinzip formulieren: (3) Ersetzt man in dem Satz ‘... a ...’ den Eigennamen ‘a’ durch einen bedeutungsgleichen Eigennamen ‘b’, so hat der erhaltene Satz ‘... b ...’ dieselbe Bedeutung bzw. denselben Wahrheitswert wie der Ausgangssatz. Ich bin dabei im Sinne Freges von irgendeinem bedeutungsvollen Behauptungssatz ausgegangen. Von den Prinzipien (1)—(3) gelten die beiden ersten (die offenk undig äquivalent sind) nicht allgemein, sondern nur für extensionale Kontexte. Dagegen erstreck t sich
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die Geltung von Prinzip (3) sowohl auf extensionale Sätze als auch auf nichtextensionale Sätze beliebiger Stufen. Angenommen, der (falsche) Satz ‘Montevideo ist die Hauptstadt von Venezuela’ (p) k ommt als Nebensatz in einem obliquen Kontext vor, z. B.: ‘Hans glaubt, daß Montevideo die Hauptstadt von Venezuela ist’ (q). Daß die Bedeutung von p in diesem Fall nicht sein Wahrheitswert, sondern der Gedank e ist, den er für sich genommen oder als Teilsatz eines extensionalen Satzes ausdrück t, ist intuitiv k lar. Denn der Sprecher, der q mit behauptender Kraft äußert, nimmt ja auf den gewöhnlichen Sinn von p Bezug, d. h. er bezeichnet den Inhalt eines Hans zugeschriebenen Glaubens. Die behauptende Kraft erstreck t sich auf den ganzen Satz q. — Eine weitere Überlegung zeigt, daß die Bedeutung von p als Teilsatz von q k ein Wahrheitswert, sondern nur ein Gedank e sein k ann. Da nach Frege die Bedeutung eines Behauptungssatzes eine Funk tion der Bedeutungen seiner Teilausdrück e ist, muß auch die Bedeutung von q eine Funk tion der Bedeutung von p sein. Wäre nun die Bedeutung von p im Kontext q einer der beiden Wahrheitswerte, so hinge der Wahrheitswert von q von jenem von p ab. Dies ist jedoch offensichtlich nicht der Fall: denn für die Bestimmung des Wahrheitswertes von q ist es unerheblich, ob p wahr oder falsch ist. Ein Glaubenssatz unterscheidet sich in dieser Hinsicht von einem Modalsatz wie etwa ‘Es ist notwendig, daß 9 größer als 7 ist‘. Hier hängt der Wahrheitswert des ganzen Satzes von jenem des Nebensatzes ab, wenn auch nicht ausschließlich, wie das bei wahrheitsfunk tionalen Sätzen der Fall ist. Ähnlich wie dieser Modalsatz k ann ein Satz der Form ‘a weiß, daß p’ nur dann wahr sein, wenn es der Fall ist, daß p. Man k ann zwar glauben oder vermuten, daß ein Gedank e wahr ist, auch wenn sich dieser als falsch herausstellen sollte; aber man k ann natürlich nicht wissen, daß p, wenn der Sachverhalt, daß p, nicht besteht. 7.2. Die von Carnap so genannte Antinomie der Namensrelation besteht darin, daß die Anwendung des Prinzips der Ersetzbark eit in der Form (1) oder (2) zu einem Widerspruch führen k ann (Carnap 1947, § 31). Carnap hat diese Bezeichnung deshalb gewählt, weil nach seiner Auffassung die Ursache dieser Antinomie nicht primär in der Verwendung nichtextensionaler Sätze liegt, sondern vielmehr in der ›Methode der Namensrelation‹, die auf drei — gewöhnlich stillschweigend vorausgesetzten — Prinzipien beruht: (i) dem Prinzip der Eindeutigk eit, demzufolge jeder Ausdruck , der als
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Name in einem bestimmten Kontext verwendet wird, Name genau einer Entität ist; (ii) dem Gegenstandsprinzip, demzufolge jeder Satz, in dem Namen vork ommen, von den nominata (designata) dieser Namen handelt; (iii) dem Prinzip der Austauschbark eit (Ersetzbark eit). Die Antinomie der Namensrelation ist zweifellos nicht das Hauptmotiv für Freges Unterscheidung zwischen der gewöhnlichen und der ungeraden Bedeutung eines Ausdruck s. Indessen k ann man Carnap darin zustimmen, daß Frege mit dieser Unterscheidung — und freilich auch mit der von ihm gewählten Formulierung des Prinzips der Ersetzbark eit — stillschweigend eine Lösung der Antinomie anbietet (Carnap 1947, 136). Die Antinomie läßt sich auch für ‘Hans glaubt, daß Montevideo die Hauptstadt von Venezuela ist’ (q) k onstruieren. Vorausgesetzt sei die Wahrheit von q. Ersetzt man nun in q den Namen ‘Montevideo’ durch die bezugsgleiche Kennzeichnung ‘die Hauptstadt von Uruguay’, so entsteht im Widerspruch zu Prinzip (1) oder (2) ein falscher Satz — vorausgesetzt, daß Hans nicht die Disposition hat zu glauben, daß die Hauptstadt von Venezuela und die Hauptstadt von Uruguay dieselbe Stadt sind. — Um bei der Anwendung des Ersetzbark eitsprinzips auf q einen möglichen Widerspruch auszuschließen, muß man (3) nicht ein entsprechendes Prinzip für oblique Sätze erster Stufe zur Seite stellen. Freges Prinzip der Ersetzbark eit setzt einen bedeutungsvollen Satz voraus. Damit ist aber zugleich bestimmt, in welchem Zusammenhang ein Teilausdruck (singulärer Terminus oder Prädik at) einen Sinn und eine Bedeutung hat. Der Sinn bzw. die Bedeutung eines Wortes besteht ja nach Frege ausschließlich in seinem Beitrag zur Bestimmung des Sinnes bzw. der Bedeutung von Sätzen, in denen es vork ommt. So hat der Name ‘Montevideo’ in q seine erste ungerade Bedeutung und er drück t — Freges Ausführungen in Über Sinn und Bedeutung zufolge — seinen (ersten) ungeraden Sinn aus. Seine Begriffe Sinn und Bedeutung sind wohlgemerk t nur in bezug auf Ausdrück e einer natürlichen Sprache k ontextvariant. In einer als logisch vollk ommen k onzipierten Wissenschaftssprache, in der ›Mängel‹ der natürlichen Sprachen wie Vagheit oder Mehrdeutigk eit von Ausdrück en sowie die Konstruierbar k eit nichtextensionaler Sätze von vorneherein ausgeschlossen werden, hat jeder Ausdruck genau eine Bedeutung und genau einen Sinn (s. Art. 59). — Ersetzt man nun in q den Namen ‘Montevideo’ durch einen singulären Ausdruck mit derselben Bedeutung, so hat Freges Prinzip der Ersetzbark eit zufolge
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der resultierende Satz dieselbe Bedeutung wie der ursprüngliche Satz. Dies läßt sich deshalb uneingeschränk t behaupten, weil die Ersetzung von ‘Montevideo’ durch einen bedeutungsgleichen Ausdruck aufgrund der Zugehörigk eit von q zur Gruppe der obliquen Sätze erster Stufe und der damit verbundenen Bestimmung der semantischen Rolle des Nebensatzes p und seiner Teile nur eine Ersetzung durch einen singulären Terminus mit derselben (ersten) ungeraden Bedeutung sein k ann. Da nach Freges Einschätzung — wie angesichts der von ihm mehrfach betonten Verschiedenheit des Sinns eines (eigentlichen) Eigennamens und einer bedeutungsgleichen Kennzeichnung mit guten Grund unterstellt werden kann — (vgl. z. B. Frege 1969, 208; 243) — die singulären Termini ‘Montevideo’ und ‘die Hauptstadt Uruguays’ nicht denselben gewöhnlichen Sinn ausdrück en, mithin nicht dieselbe ungerade Bedeutung (ersten Grades) haben, k ann man Prinzip (3) logisch nicht zum Garanten dafür machen, daß in q ersterer durch letzteren salva veritate ersetzbar ist. Die Schwierigk eiten, auf die man bei einer Anwendung von Prinzip (3) auf einen nichtextensionalen Kontext zweiter oder höherer Stufe unweigerlich stößt, entfallen, wenn man anstelle einer Hierarchie ungerader Sinne für eine Einstufentheorie des Sinns eintritt.
8.
Die Zerlegung von Gedanken in Gedankenteile
8.1. Die These, daß Begriffe durch eine Zerlegung von beurteilbaren Inhalten gewonnen werden, ist ein k onstantes Leitprinzip der Fregeschen Logik und Sprachphilosophie. In seiner Abhandlung Booles rechnende Logik und die Begriffsschrift (1880—81) formuliert Frege seine These der Priorität von Urteilen bzw. beurteilbaren Inhalten gegenüber Begriffen wie folgt: „Im Gegensatz zu Boole gehe ich von den Urteilen und deren Inhalten statt von den Begriffen aus [...] Das Bilden der Begriffe lasse ich erst aus den Urteilen hervorgehen“ (Frege 1969, 17; vgl. Frege 1964, 101).
Er beschreibt dann die Bildung eines Begriffs durch Zerfällung eines beurteilbaren Inhalts sowie die Gewinnung einer Beziehung aus dem so gebildeten Begriff: „Wenn man nämlich in dem beurteilbaren Inhalte 24 = 16 die 2 durch Anderes ersetzbar denk t, etwa durch (— 2) oder auch durch 3, was dadurch angedeutet werden mag, daß an die Stelle der 2 x gesetzt
wird: x4 = 16, so zerfällt der beurteilbare Inhalt in einen bleibenden und einen veränderlichen Teil. Ersterer für sich betrachtet, aber mit Offenhaltung der Stelle für den Letzteren gibt den Begriff‘4te Wurzel aus 16’ [...] Wir k önnen in x4 = 16 nun auch noch 16 ersetzbar denk en, was wir etwa durch x4 = y darstellen. Wir erhalten so den Begriff einer Relation, nämlich der Beziehung einer Zahl zu ihrer 4ten Potenz“ (Frege 1969, 17 f).
An dieser Stelle bedarf es zunächst einiger terminologischer Erläuterungen. Frege spricht in Booles rechnende Logik und die Begriffsschrift (Frege 1969, 17 ff; vgl. Frege 1976, 164) vorzugsweise von der Gewinnung eines Begriffs durch Zerfällung eines ›beurteilbaren Inhalts‹. Letzterer ist von dem ›Urteil‹ zu unterscheiden. In seiner Begriffsschrift (1879) hebt er den Inhalt eines Urteils von der Anerk ennung der Wahrheit des Inhalts ab (vgl. Frege 1964, 1 f). Ein Urteil wird stets mit Hilfe des sogenannten Inhaltsstriches ‘—’ ausgedrück t; dieser steht link s von dem Ausdruck ‘A’, der den Inhalt des Urteils angibt. Frege umschreibt die Zeichenverbindung ‘— A’ als ‘der Umstand, daß A’. Diejenigen Inhalte, die ein Urteil werden, indem man ihrem Ausdruck das aus dem Inhaltsstrich und dem Urteilsstrich ‘|’ zusammengesetzte Zeichen ‘⊢’ voranstellt, nennt er ‘beurteilbare Inhalte’, z. B. den Umstand, daß 24 = 16. In seiner Theorie von Sinn und Bedeutung nach 1891 spaltet Frege den beurteilbaren Inhalt, der etwas Objek tives ist, in den ›Gedank en‹ und den ›Wahrheitswert‹ auf (Frege 1967 a, 172; Frege 1962, 1, X; Frege 1976 b, 96), ist jedoch rück blickend geneigt, diesen primär im Sinne des Gedank ens aufzufassen (Frege 1976 b, 120). Begriffe und Beziehungen gehören in der Begriffsschrift und in Booles rechnende Logik und die Begriffsschrift ebenfalls einer noch undifferenzierten objek tiven Inhaltssphäre an und werden erst im Rahmen der Theorie von Sinn und Bedeutung und der mit ihr verk nüpften Theorie der Funk tionen terminologisch als das bestimmt, was Begriffs- bzw. Beziehungsausdrück e bedeuten oder bezeichnen (vgl. Frege 1976 b, 96; Frege 1969, 128 ff). Einige Anzeichen sprechen dafür, daß Frege in der Begriffsschrift und in Booles rechnende Logik und die Begriffsschrift unter einem einstelligen Begriff primär einen einfach ungesättigten Gedank enteil und unter einer Beziehung primär einen doppelt ergänzungsbedürftigen Gedank enteil versteht, also das, was er später den Sinn eines Begriffs- bzw. Beziehungsausdruck s nennt (vgl. Frege 1969, 273; siehe aber auch Frege 1986, 63). Schließlich sei betont, daß der
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Terminus ‘Urteil’ in seinen Schriften nach 1891 stets nur den geistigen Ak t der Anerk ennung der Wahrheit eines Gedank ens bezeichnet. 8.2. Die Methode der Bildung von Begriffen und Beziehungen durch Zerfällung eines beurteilbaren Inhalts bzw. Gedank ens in einen bleibenden und einen veränderlichen Bestandteil (d. h. in Funk tion und Argument) findet auf der Zeichenebene ihre Entsprechung in der Erzeugung von Begriffs- und Beziehungsausdrück en (allgemeiner: von Funk tionsnamen), wie sie im Logik k alk ül der Grundgesetze der Arithmetik bestimmten Formregeln gemäß erfolgt. Im folgenden verwende ich den Ausdruck ‘Funk tionswertname’ in einem engen syntak tischen Sinn: danach entsteht ein Funk tionswertname immer durch die Sättigung eines Funk tionsausdruck s, enthält also mindestens einen Funk tionsnamen als Teilausdruck . Im weiten Sinn ist z. B. auch das einfache Zeichen ‘4’ ebenso wie das k omplexe Zeichen ‘22’ ein Name des Wertes der Funk tion ξ2 für das Argument 2). Die im § 26 der Grundgesetze der Arithmetik aufgestellten drei Regeln der rechtmäßigen Bildung von Funk tionsausdrück en geben Konstruk tionsverfahren an, mittels derer man (1) aus einem zusammengesetzten Eigennamen (d. h. Funk tionswertnamen) einen einstelligen Funk tionsnamen erster Stufe erhält, (2) aus einem k omplexen einstelligen Funk tionsnamen erster Stufe einen zweistelligen Funk tionsnamen erster Stufe und (3) aus einem zusammengesetzten Gegenstandsnamen einen Funk tionsnamen zweiter Stufe mit einer Argumentstelle zweiter Art (sie ist zur Aufnahme von monadischen Funk tionszeichen erster Stufe geeignet) oder einer Argumentstelle dritter Art (sie eignet sich zur Aufnahme von dyadischen Funk tionszeichen erster Stufe). Neben diesen Lückenbildungsregeln wird im System der Grundgesetze der Arithmetik die Einsetzungsregel angewandt. Sie erlaubt die Einsetzung passender Argumentausdrück e in die Argumentstellen von Funk tionsausdrück en und dient der Konstruk tion sowohl von Funk tionswertnamen als auch von k omplexen einstelligen Funk tionsnamen erster Stufe. — Die Erzeugung einstelliger Fun k tionsausdrüc k e erster Stufe nach der ersten Lück enbildungsregel geschieht so, daß man von einem Funk tionswertnamen einen Eigennamen, der einen Teil von jenem bildet (oder mit ihm zusammenfällt), an einigen oder allen Stellen, wo er vork ommt, ausschließt und die so gebildete(n) Lück e(n) als Argumentstelle(n) erster Art
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k enntlich macht. Diese syntak tische Operation geht nach Frege Hand in Hand mit der Zerlegung eines k omplexen gesättigten Sinns in ungleichartige Sinnteile: in einen (einfach) ungesättigten Sinnteil und einen gesättigten Sinnteil. Erfolgt der Schritt der Lück enbildung im Ausgang von einem Wahrheitswertnamen (Satz), so handelt es sich auf der Sinnebene um eine Zerfällung des durch ihn ausgedrück ten Gedank ens in einen gesättigten und einen (einfach) ungesättigten Gedankenteil. Zur Erläuterung: ‘Gleichartig’ nenne ich zwei Sinne dann, wenn beide entweder gesättigt oder ungesättigt sind. Von zwei ›ungleichartigen‹ Sinnen ist der eine gesättigt, der andere ungesättigt. Einen einfach ergänzungsbedürftigen Sinn und einen zweifach ergänzungsbedürftigen Sinn bezeichne ich also auch als ‘gleichartig’. Zwei gleichartige Sinne dieser Art unterscheiden sich im Grad ihrer Ungesättigtk eit, während der Gegensatz ‘gesättigt — ungesättigt’ sowohl zwischen den Sinnen von Gegenstandsnamen und jenen von monadischen Funk tionsnamen als auch zwischen den Sinnen von Eigennamen und jenen von dyadischen Funk tionsnamen besteht. — Nach der dritten Lück enbildungsregel schließt man von einem Gegenstandsnamen einen ein- oder zweistelligen Funk tionsausdruck erster Stufe, der einen Teil von jenem bildet, an einigen oder allen Stellen, wo er vork ommt, aus und macht die gebildete(n) Lück e(n) als Argumentstelle(n) zweiter bzw. dritter Art k enntlich. Entstehen durch das Verfahren der Ausschließung zwei oder mehr Lück en in dem betreffenden Ausgangsnamen, so müssen diese unter Verwendung desselben Buchstabens als eine Argumentstelle bzw. als verwandte Argumentstellen gek ennzeichnet werden. Die Bildung eines Funk tionsnamens zweiter Stufe mit einer Argumentstelle zweiter oder dritter Art ist auf der Sinnebene mit der Teilung eines gesättigten Sinns in ›gleichartige‹ Sinnteile verk nüpft: in zwei einfach ungesättigte Sinnteile oder in einen einfach ergänzungsbedürftigen Sinnteil. Ist der Ausgangsname ein Satz, so findet eine Teilung eines Gedank ens z. B. in zwei einfach ungesättigte Gedan k enteile statt. Frege hat das Verfahren der Gewinnung von ungesättigten Gedank enteilen in mehreren nachgelassenen Schriften ausführlich erläutert (Frege 1969, 203 ff; 216 ff; 273 ff). Er unterstreicht in diesem Zusammenhang mehrfach seine schon 1882 formulierte Einsicht (Frege 1976 b, 164), daß ein und derselbe Gedank e (beurteilbare Inhalt) oft in verschiedener Weise zerlegbar sei (Frege 1969, 203; 218; vgl. Frege 1967 a. 173). Diese Möglichk eit erhellt
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insbesondere daraus, daß verschiedene Sätze denselben Gedan k en ausdrüc k en k önnen (Frege 1967 a, 173; 381 ff; Frege 1969, 153; 213; Frege 1976 b, 102 ff). Den Zerlegungen solcher ›äquipollenter‹ Sätze werden dann im allgemeinen verschiedene Zerlegungen desselben Gedank ens entsprechen. Die Zahl der möglichen Zerlegungen eines Satzes k ann daher auch k leiner sein als die Zahl der möglichen Teilungen des durch ihn ausgedrück ten Gedankens. „Der Satz k ann als Abbildung des Gedank ens betrachtet werden in der Weise, daß dem Verhältnisse vom Teil zum Ganzen bei den Gedank en und Gedank enteilen im großen und ganzen dasselbe Verhältnis bei den Sätzen und Satzteilen entspricht“ (Frege 1969, 275).
8.3. Nehmen wir zur Verdeutlichung die Anzahlgleichung ‘Die Anzahl, die dem Begriff Planet zuk ommt = 9’ (im folgenden symbolisch durch ‘AxF (x) = 9’ abgek ürzt) und sehen wir zu, wie es sich mit den möglichen Zerlegungen des Satzes und des durch ihn ausgedrück ten Gedank ens verhält. Wir k önnen ‘AxF (x) = 9’ zunächst auf vierfache Weise logisch zerlegen: erstens in den Begriffsausdruck erster Stufe ‘ξ = 9’ und den Eigennamen ‘AxF (x)’; zweitens in ‘AxF (x) = ζ’ und ‘9’; drittens in den Beziehungsausdruck ‘ξ = ζ’ und die beiden Gegenstandsnamen ‘AxF (x)’ und ‘9’; viertens in den Begriffsausdruck zweiter Stufe ‘Axφ(x) = 9’ und den Begriffsausdruck erster Stufe ‘F’. Durch diese Zerlegungen wird zugleich der durch ‘AxF (x) = 9’ ausgedrück te Gedank e auf jeweils andere Weise zerlegt. Je nach der Weise der Zerlegung des Satzes k ann man den durch ihn ausgedrück ten Gedank en als eine Subsumtion (so im ersten und zweiten Fall), oder als eine Gleichung (so im dritten Fall), oder als das Fallen eines Begriffs erster Stufe in einen Begriff zweiter Stufe (so im vierten Fall) auffassen. Schließlich läßt sich der fragliche Satz noch auf eine fünfte Weise zerlegen, nämlich in ‘ξ = ζ’ und den Funk tionsausdruck zweiter Stufe ‘ψ (AxF (x), 9)’. Der Buchstabe ‘ψ’ macht hier eine Argumentstelle dritter Art k enntlich. — Die Prädik ate ‘ξ = 9’ und ‘AxF (x)’ = ζ’ erzeugt man durch eine Anwendung des ersten Lück enbildungsprinzips auf den Satz bzw. Eigennamen ‘AxF(x) = 9’. Den Beziehungsausdruck ‘ξ = ζ’ erhält man durch eine Anwendung der zweiten Lück enbildungsregel auf eines dieser beiden Prädik ate. ‘Axφ (x) = 9’ und ‘ψ (AxF (x), 9)’ gehen aus ‘AxF (x) = 9’ durch eine Anwendung der dritten Lück enbildungsregel hervor. Die Teilung des durch ‘AxF (x) = 9’ aus-
II. Personen
gedrück ten Gedank ens in drei Gedank enteile, nämlich in die gesättigten Sinne von ‘AxF (x)’ und ‘9’ sowie den doppelt ungesättigten Sinn von ‘ξ = ζ’ geschieht in zwei Schritten; sie erfordert eine Anwendung der ersten und der zweiten Lück enbildungsregel. Allgemein gilt: Eine Anwendung der ersten oder dritten Lük k enbildungsregel auf einen Satz bewirk t stets eine Zerlegung sowohl des Satzes als auch des zugehörigen Gedank ens. Der Satz wird dabei in den bzw. die ›ausgeschlossenen‹ Namen (falls der Name an mindestens zwei Stellen in dem Satz vork ommt) und den ›erhaltenen‹ Funk tionsnamen zerlegt. Von dem Sonderfall, daß von einem Wahrheitswertnamen ein Eigenname ausgeschlossen wird, der mit diesem zusammenfällt, k önnen wir hier absehen. Die Methode der Lück enbildung dient naturgemäß ausschließlich der Konstruk tion von Funk tionsnamen (auf der Sinnebene: der Gewinnung von ungesättigten Sinnen). Eigennamen werden durch diese Methode von k omplexeren Eigennamen oder einstelligen Funk tionsnamen erster Stufe, von denen sie einen Teil bilden, lediglich ausgeschlossen, aber niemals erzeugt. Nicht auf die ausgeschlossenen, sondern auf die erhaltenen Namen k ommt es bei dem Verfahren der Lück enbildung an. — Gedank en existieren nach Frege unabhängig davon, ob sie jemals von einem Menschen gefaßt und sprachlich ausgedrück t werden (vgl. z. B. Frege 1967 a, 123; Frege 1969, 87; 140; 144; 149; 160; 214). Die Teilung eines Gedank ens in Gedank enteile vollzieht sich indessen nie sprachunabhängig; sie hängt immer von der Zerlegung eines ihn ausdrück enden Satzes in Satzteile ab. Gedank en k önnen sich nicht in eigener Regie zerlegen. Entsprechendes gilt für ihre metaphorische Kennzeichnung als abgeschlossen oder gesättigt. Erst dann, wenn der an sich unsinnliche Gedank e in das sinnliche Gewand eines Satzes gek leidet wird, läßt er sich als gesättigt charak terisieren. Folglich k ann man von gesättigten und ungesättigten Gedank enteilen nur mit Bezug auf ihnen entsprechende gesättigte (leerstellenfreie) und ergänzungsbedürftige (mindestens eine Leerstelle enthaltende) Ausdrüc k e sprechen. Schließlich k ommt auch z. B. die Singularität einem bestimmten Gedank en nicht an sich zu, sondern nur hinsichtlich einer möglichen, auf der Zerlegung eines Satzes beruhenden Gedank enteilung. „Es ist möglich, daß derselbe Gedank e hinsichtlich einer anderen Zerlegung als partik ulär erscheinen k ann“ (Frege 1969, 203; vgl. 218; Frege 1967 a, 173). 8.4. In seinen Aufzeichnungen für Ludwig Darmstaedter formuliert Frege seine Prioritätsthese so:
34. Gottlob Frege (1848—1925)
„Ich gehe also nicht von den Begriffen aus und setze aus ihnen den Gedank en oder das Urteil zusammen, sondern ich gewinne die Gedank enteile durch Zerfällung des Gedankens“ (Frege 1969, 273).
Unter epistemischem Gesichtspunk t besagt dies folgendes: Unser Erfassen der Sinne von Begriffs- und Beziehungsausdrüc k en geht unserem Erfassen der Sinne von Sätzen nicht voraus, sondern es gilt umgek ehrt, daß wir primär die durch Sätze ausgedrück ten Gedank en erfassen und zu einem Verstehen von Prädik atausdrück en durch eine Zerlegung von Gedank en in Gedank enteile gelangen. Hielte Frege nun seine Prioritätsthese (A) für uneingeschränk t gültig, d. h. bestünde er darauf, daß sie die Priorität von Gedank en gegenüber den ungesättigten Sinnen aller Prädik ate einer gegebenen Sprache in dem Sinn ausdrück t, daß diese Sinne nur durch die Zerfällung eines zuvor verstandenen Gedank ens erfaßt werden, so hätte er seine liebe Not, A mit einer anderen logisch-sprachphilosophischen These zu versöhnen. Ich meine die ebenfalls grundlegende These (B), daß wir den Sinn eines Satzes k raft unserer vorgängigen Kenntnis der Sinne seiner semantisch relevanten Teile und der Weise ihrer Zusammensetzung zu einem Ganzen fassen. Andernfalls ließe sich der unbestreitbaren Tatsache, daß ein k ompetenter Sprecher einer Sprache aufgrund seiner Kenntnis der Sinne endlich vieler Grundausdrück e (Wörter) und seiner impliziten Beherrschung endlich vieler Bildungsregeln potentiell unendlich viele Sätze bilden und verstehen k ann, nicht angemessen Rechnung tragen. Frege schreibt: „Die Leistungen der Sprache sind wunderbar. Mittels weniger Laute und Lautverbindungen ist sie imstande, ungeheuer viele Gedank en auszudrück en, und zwar auch solche, die noch nie vorher von einem Menschen gefaßt und ausgedrück t worden sind. Wodurch werden diese Leistungen möglich? Dadurch, daß die Gedank en aus Gedank enbausteinen aufgebaut werden. Und diese Bausteine entsprechen Lautgruppen, aus denen der Satz aufgebaut wird, der den Gedank en ausdrück t, so daß dem Aufbau des Satzes aus Satzteilen der Aufbau des Gedank ens aus Gedank enteilen entspricht“ (Frege 1969, 243; vgl. 262; Frege 1976 b, 127; Frege 1967 a, 378).
Die Frage nach dem Geltungsbereich von These A im Rahmen einer gegebenen natürlichen Sprache dürfte schwer, wenn überhaupt eindeutig zu beantworten sein. Anders verhält es sich mit Freges ›Formelsprache des reinen Denk ens‹. Richtet man sein Augenmerk auf den syntak tischen und semantischen Aufbau des logischen Systems der Grundgesetze der Arithmetik, so stellt man fest, daß die ur-
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sprünglichen Funk tionsnamen nicht mittels Lück enbildungsregeln erzeugt, ihre einfachen Sinne nicht durch eine Zerlegung k omplexer Sinne gewonnen werden. Vielmehr werden die logisch einfachen Urnamen durch die von Frege so genannten ›Erläuterungen‹ als bereits wohlgeformte Ausdrück e eingeführt. Die ersten Wahrheitswertnamen des Systems bzw. die ihnen entsprechenden Gedank en werden durch Einsetzung eines ursprünglichen einstelligen Funk tionsnamens erster bzw. zweiter Stufe in die Argumentstelle des Namens einer Urfunk tion zweiter bzw. dritter Stufe aufgebaut. Erst mit Hilfe eines aus zwei Urnamen zusammengesetzten Eigennamens k ann man den ersten k omplexen einstelligen Funk tionsnamen erster Stufe bilden, indem man ersteren in die ξ- oder ζ-Argumentstelle eines der beiden ursprünglichen Beziehungsausdrück e (erster Stufe) einsetzt. Der Umstand, daß die ersten zusammengesetzten Begriffsausdrüc k e erster Stufe bzw. ihrer k omplexen Sinne nicht durch den Prozeß der Lück enbildung aus Wahrheitswertnamen herausgelöst bzw. nicht durch die Zerlegung eines Gedank ens in Gedank enteile gewonnen werden, zeigt an, daß Freges Prioritätsthese im Logik k alk ül der Grundgesetze der Arithmetik für k omplexe Begriffsausdrück e nicht uneingeschränk t gilt. Sie hat in diesem System Gültigk eit für alle Begriffs- und Beziehungsnamen, deren jeweilige Konstruk tionsk ette als letztes Glied eine Bildung nach einem der drei Lück enbildungsprinzipien aufweist. Insbesondere gilt die Prioritätsthese dort für alle einfachen, aus Urnamen gebildeten Zeichen komplexer Begriffe. 8.5. Fazit. Da These A in Freges Logik system nur eingeschränk t gültig ist, k ann sie mit These B in Eink lang gebracht werden. Ein Satz bzw. Gedank e wird immer aus seinen Bestandteilen aufgebaut. Indessen sind die ungesättigten Satz- bzw. Gedank enteile im allgemeinen nicht ursprünglich gegeben, sondern sie müssen aus Sätzen bzw. Gedank en durch das Verfahren der Lück enbildung bzw. durch die Methode der Zerlegung eines Gedank ens gewonnen werden. Letztere sieht — wie schon erwähnt — die Möglichk eit vor, aus demselben Gedank en verschiedene ungesättigte Gedank enteile zu erhalten, insbesondere solche, die den Bestandteilen, aus denen der zugehörige Satz ursprünglich aufgebaut wurde, nicht entsprechen. So entspricht k eines der Zeichen, aus denen der Satz ‘ἐ (— ε) = ἐ (— ε)’ mittels mehrfacher Anwendung der Einsetzungsregel ursprünglich zusammengefügt wird, dem Sinn
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des Prädik ats ‘ξ = ξ’, das aus ihm erst durch Ausschließung des Begriffsumfangsnamens ‘ἐ (— ε)’ auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens hervorgeht. Erst nachdem man aus diesem (oder aus einem syntak tisch gleichgestalteten) Satz dieses Prädik at herausgelöst hat, k ann man ihn auch als zusammengesetzt aus den Ausdrücken ‘ξ = ξ’ und ’ἐ (— ε)’ bzw. den durch ihn ausgedrück ten Gedank en als zusammengefügt aus den Sinnen von ‘ξ = ξ’ und ‘ἐ (— ε)’ auffassen. „Es ist aber zu bemerk en, daß ein und derselbe Gedank e oft in verschiedener Weise zerlegbar ist und demnach auch in verschiedener Weise aus Teilen zusammengesetzt erscheint“ (Frege 1969, 218).
Abschließend sei in k lärender Absicht auf eine Fehldeutung aufmerk sam gemacht, zu der einige namhafte Fregeforscher neigen. Es handelt sich um die unzulässige Gleichsetzung der von Frege in den Grundlagen der Arithmetik aufgestellten Zusammenhangsthese „Nur im Zusammenhang eines Satzes bedeuten die Wörter etwas“ (73) mit seiner Prioritätsthese (siehe Sluga 1980, 94 f und Currie 1982, 19 f). — Zur Zeit der Abfassung der Grundlagen der Arithmetik hatte Frege noch nicht streng terminologisch zwischen der Bedeutung und den Sinn von Ausdrück en unterschieden. Es läßt sich jedoch leicht zeigen, daß die Zusammenhangsthese bzw. das Kontextprinzip in seiner logisch-mathematischen Untersuchung über den Zahlbegriff Grundlagen der Arithmetik vorrangig als eine These bezüglich der Bedeutung von Wörtern in dem nach 1891 präzisierten technischen Sinn dieses Wortes ins Spiel gebracht wird. Zusätzlich läßt sie sich auch als eine These über den Sinn von Wörtern auffassen. Als eine These hinsichtlich der Wortbedeutung gibt das Kontextprinzip die allgemeine Bedingung an, der ein Wort genügen muß, um überhaupt etwas zu bedeuten. Seine k ritische Funk tion besteht in den Grundlagen der Arithmetik darin, eine psychologische Konzeption der Wortbedeutung im allgemeinen als unhaltbar zurück zuweisen sowie eine physik alische oder psychologische Auffassung der Zahlen im besonderen zu vermeiden. Im k onstruk tiven Sinn dient es Frege vornehmlich zur Rechtfertigung einer versuchsweisen Kontextdefinition des Ausdruck s ‘die Anzahl, die dem Begriff F zuk ommt’ und damit allgemein der Verwendung von Zahlausdrück en als Eigennamen logischer und zugleich objek tiver, selbständiger Gegenstände. — Freges Prioritätsthese sagt nichts über die Bedeutung von Wörtern im allgemeinen aus, sondern sie ist eine These über die Bildung von Begriffs- und Beziehungsausdrück en bzw. über die Gewinnung von ungesättigten Ge-
II. Personen
dan k enteilen. Seine Zusammenhangsthese hingegen sagt nichts über die Erzeugung ungesättigter Ausdrück e oder die Gewinnung ergänzungsbedürftiger Gedank enteile aus, sondern etwas über die Bedeutung und den Sinn von einfachen und zusammengesetzten Wörtern aller Arten. Letztere schließt in der Tat einen Primat der Satzbedeutung vor der Wortbedeutung sowie des Satzsinnes vor dem Wortsinn ein: die Bedeutung bzw. der Sinn eines Wortes jedweder Art besteht ausschließlich in seinem Beitrag zur Bestimmung der Bedeutung bzw. des Sinnes von Sätzen, in denen es vork ommt. Die Prioritätsthese zielt dagegen auf eine Priorität des Sinnes von Sätzen gegenüber dem Sinn von Begriffs- und Beziehungsausdrück en ab, die aus ihnen mit Hilfe der Lück enbildungsmethode erzeugt werden. Wir gewinnen die Sinne dieser Wörter nur aufgrund unseres vorgängigen Verstehens der Sätze, aus denen sie durch den Prozeß der Lükkenbildung hervorgehen.
9.
Literatur in Auswahl
9.1. Primärliteratur Frege 1964, Begriffsschrift und andere Aufsätze, Angelelli (Hg.). Frege 1986, Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl, Thiel (Hg.). [1884] Frege 1962, Grundgesetze der Arithmetik. Begriffsschriftlich abgeleitet, Bd. 1 und2. [1893 und 1903] Frege 1967 a, Kleine Schriften, Angelelli (Hg.). Frege 1969, Nachgelassene Schriften, Hermes/Kambartel/Kaulbach (Hg.). Frege 1976 b, Wissenschaftlicher Briefwechsel, Gabriel/Hermes/Kambartel/Thiel/Veraart (Hg.).
9.2. Sekundärliteratur Thiel 1965, Sinn und Bedeutung in der Logik Gottlob Freges. Dummett 1973, Frege. Philosophy of Language. Zweite, veränderte Auflage 1981. Schirn (Hg.) 1976, Studien zu Frege — Studies on Frege. (II, Logik und Sprachphilosophie — Logic and Philosophy of Language; III, Logik und Semantik — Logic and Semantics). Bell 1979, Frege’s Theory of Judgement. Dummett 1981, The Interpretation of Frege’s Philosophy. Haaparanta/Hintik k a (Hg.) 1986, Frege Synthesized.
Matthias Schirn, München (Deutschland)
35. Fritz Mauthner (1849—1923)
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35. Fritz Mauthner (1849—1923) 1. 2. 3.
4. 5. 6. 7.
1.
Einleitende Bemerkungen Voraussetzungen der Sprachkritik Allgemeine Bemerkungen zum Problem der Sprache: Sprachursprung und Sprachentwicklung Sprachkritik als Erkenntnistheorie Der Platz der mauthnerschen Sprachkritik in der Geschichte der Philosophie Ausblick Literatur in Auswahl
Einleitende Bemerkungen
Fritz Mauthner ist der eigentliche Begründer der philosophischen Sprachk ritik ; auf seine sprachk ritischen Vorgänger (vgl. 5.) weist er selbst häufig hin. Für lange Zeit trat sein philosophisches Werk k aum in Erscheinung. Zu seinen Lebzeiten war es zwar noch recht gut bek annt, fand aber viele Kritik er. Als Journalist und Schriftsteller hingegen war Mauthner sehr angesehen. Hundert Jahre nach seiner Geburt war er so gut wie vergessen, was auch politische Gründe — Mauthner war Jude — hatte. Noch 1971 schrieb Gershon Weiler — damals völlig zu Recht — daß Ernst Machs (Walfried Joseph Wenzel, 1838—1916) Voraussage von 1902, Mauthners Philosophie werde eine zwar langsame, aber unaufhaltsame Wirk ung haben, sich nicht erfüllt habe (Weiler 1971, 319). Eines der größten, wenn nicht das größte, Hindernis für seine philosophische Anerk ennung war — zu seiner Zeit und zum Teil auch noch heute —, daß er als philosophischer Autodidak t betrachtet wurde, unbeschadet dessen, daß viele bedeutende Philosophen auch k ein ordnungsgemäßes Studium der Philosophie absolviert haben. Mauthner hat diesen Eindruck vermutlich zum Teil selbst verursacht: erstens hat er immer darauf hingewiesen (1982, 1, ix ff; 1982, 3, xi; siehe auch den Artik el Autodidakt in 1980, 1, 63 ff); und zweitens formulierte er seine Werk e nicht in der traditionellen Sprache der Philosophen. Denn er lehnte es ab, eine verengende philosophische Fachterminologie zu verwenden, wenn es nicht unbedingt notwendig war — wie im Fall seines Gebrauchs von ‘Kategorie’ (1925, 2 ff; siehe auch 1920/23, 4, 288 f). Auf ihn paßt, was er von Henry Saint-John Lord Bolingbrok e (1678—1751) gesagt hatte: „Bolingbrok e hatte sehr viel gelernt, nahm aber niemals die Mask e eines Gelehrten vor“ (1920/ 23, 2, 511).
Mauthners Philosophie und seine offene und nüchterne Art zu philosophieren wären im englischen Sprachraum wahrscheinlich besser aufgenommen worden. Seine philosophische Wiederentdeck ung verdank t er denn auch der Analytischen Philosophie. Ein anderer oder zusätzlicher Grund zu einer neuerlichen Beschäftigung mit Mauthners Werk ist der k ryptische Satz des wittgensteinschen Tractatus (4.0031), daß alle Philosophie Sprachk ritik sei, wenn auch nicht im Sinne Mauthners. Heute wird bereits manchmal die Analytische Philosophie als ganzes mit Sprachk ritik identifiziert, ohne daß jedoch immer Mauthners Name genannt wird. Da Mauthner seine sprachphilosophischen Ansichten in ihren Grundzügen nie geändert, sondern nur ausgebaut hat, k önnen sie hier systematisch als Ganzes dargestellt werden.
2.
Voraussetzungen der Sprachkritik
2.1. Vorbemerkung In Mauthners Philosophie gibt es acht wichtige, miteinander verflochtene sprachphilosophisch-er k enntnistheoretische Voraussetzungen der Sprachk ritik : (1) der Psychologismus; (2) die Zufallssinne und die humesche statistische Auffassung alles Naturgeschehens und der Kausalität; (3) der metaphorische Charak ter der Sprache; (4) die sprachliche Relativität; (5) die Sprache ist stets Individualsprache/Dualsprache, bzw. Sprachgebrauch; (6) die Identifik ation von Sprache und Denk en; (7) die Rolle der Bedeutung in der Sprache; (8) die drei Bilder der Welt. 2.2. Der Psychologismus Psychologismus ist in der Philosophie die Auffassung, daß alle unsere Erk enntnis, bzw. die Formen der Erk enntnis, von unseren psychologischen Gegebenheiten abhängen, seien diese nun angeboren oder nicht. Es wird dann die Logik meist zur Lehre von den Gesetzen des Denk ens, die traditionellen philosophischen Kategorien werden zu Produk ten des Verstandes, die Bedeutung wird zur Vorstellung oder mentalen Proposition. Der Wiener Kreis, die Analytische Philosophie und verwandte Richtungen lehnten zunächst einmal den extremen Psychologismus vor allem auch wegen der empirisch nicht einlösbaren Gleichung ‘Logik = Gesetze des Denk ens’ ab;
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denn in ›den Geist‹ k önne man empirisch nicht hineinsehen. An seine Stelle setzte man behavioristische Konzepte, oder man berief sich auf die wittgensteinsche Reduk tion des Denk ens auf die Sprache. Verbunden mit der rationalistischen Annahme, daß sich alles k lar sagen läßt, was zu sagen ist, ist diese Art der ›reduzierenden‹ Identifik ation von Sprache und Denk en eigentlich nur empiristisch-heuristische Prophylaxe — das psychologische Problem wird einfach ausgek lammert (s. Art. 70). Nach Mauthner k ommt man aber nicht darum herum, daß Sprechen (Sprache) — worunter er natürlich nicht nur die Betätigung der Artik ulationsorgane, die er für ak zidentell ansieht (1982, 2, 350), versteht — und Denk en empirisch verk nüpft sein müssen, auch wenn wir über diese Verk nüpfung wenig wissen. Mauthner hat die Notwendigk eit eines solchen empirischen Psychologismus, den er ‘Hominismus’ genannt hat (1922, 15 f), k lar erk annt. — Einerseits lehnt Mauthner aus empirischen bzw. empiristischen Gründen die traditionelle Form der Psychologie ab: die Introspek tion sei unwissenschaftlich (1982, 1, 242) und unsere sensualistische (vgl. 2.4.), nach außen gerichtete Sprache k önne auf unser Innenleben nur völlig uneigentlich, d. h. poetisch angewandt werden (1982, 1, 235 ff; 1920/23, 1, 41 f; 1980, 1, 20); weiters k önne nicht Sprache durch Sprache erk annt werden. In der Psychologie ist demnach, wie in der Philosophie, für Mauthner die Sprache zugleich Objek t und Mittel der Analyse (1982, 1, 320). Andererseits aber k onnte Mauthner aus empirischen und erk enntnistheoretischen Gründen den Psychologismus nicht ablehnen. Mauthner war davon überzeugt, daß unsere psychologischen Funk tionen unsere Auffassung der Welt bestimmen, und daß die Sprache mit diesen psychologischen Funk tionen, dem Denk en (als Vernunft) mehr oder minder identisch sei (vgl. 2.7.). Ein wichtiges Element des mauthnerschen Psychologismus ist: die Logik ist ein Teil der Psychologie (1982, 1, 326). Dies ist jedoch nicht so zu verstehen, daß die Logik die Gesetze des Denk ens aufzeigt, sondern nur so, daß sie von psychologischen Bedingungen abhängt. Auch die Bedeutung wird psychologistisch erklärt (vgl. 2.8.). 2.3. Zufallssinne und humesche induktive Auffassung des Naturgeschehens Mauthner relativiert unsere Sinne: sie sind Zufallssinne, d. h. wir k önnten auch andere Sinne haben, oder unsere jetzigen Sinne k önn-
ten andere Grenzen haben (1982, 1, 80 f; 327 ff; 353 ff; 379; 1980, 1, 505 f; 1925, 57 f). Er bemerk t, daß wir zum Beispiel k eine Sinne für Elek trizität und Radioak tivität haben (1982, 1, 252; 378 f); er spek uliert, daß Tiere ganz andere oder anders begrenzte Sinne als wir haben k önnten (1982, 1, 330), eine Spek ulation, die heute experimentell bestätigt ist. Obendrein führen diese Zufallssinne in jedem Menschen zu verschiedenen Erinnerungen. Dadurch entsteht aber ein erk enntnistheoretisches Problem, nämlich, wie intersubjek tive Erk enntnis überhaupt möglich ist: wenn unsere Sinne Zufallssinne sind, dann muß unser Bild — oder müssen unsere Bilder — der Welt induk tiv, statistisch (‘zufällig’ sagt Mauthner) sein (1982, 2, 396 f). Mauthner propagiert daher anstelle des zu seiner Zeit gängigeren ‘Zurück zu Kant’ ein ‘Zurück zu Hume’ und zur humeschen subjek tiven Auffassung der Kausalität (1980, 2, 506 ff; 560 ff; 1925, 131 ff). 2.4. Die Sprache ist stets metaphorisch Für die Sprache ergibt sich hier folgendes: die Sprache ist durch unsere sinnliche Erfahrung immer — wenn auch manchmal nur mittelbar, indirek t — mit der Wirk lichk eit verk nüpft (1922, 15 f); sie ist daher stets unmittelbar oder mittelbar sensualistisch (1920/23, 1, 41). Die Sprache spiegelt aber nicht objek tiv das wider, was sich in der Außenwelt befindet, sondern bildet, gemäß dem mauthnerschen Psychologismus, nur das ab, was (1) unsere Zufallssinne auslesen und als Empfindungen zur Verfügung stellen, und was (2) durch die ›drei Kategorien‹ und die Sprache gefiltert worden ist (vgl. 2.9.). (1) ist natürlich k onform mit Machs Ansatz (vgl. 5.). Dazu k ommt noch, daß nur ein Teil der Sprache den Empfindungen, bzw. den Sinnesdaten direk t, d. h. unmittelbar, entspricht. Dieser Teil besteht aus den unmittelbar sensualistischen Adjek tiven, die allein ›echter‹, wenn auch unzulänglicher, Ausdruck des sinnlich Gegebenen sind (vgl. 2.9.1.; 2.9.2.). Bei dieser ›Übersetzung‹ oder Umsetzung der Außenwelt in die Empfindungen zeigt sich, daß alle Sprache metaphorisch im eigentlichen Sinn des Wortes, d. h. übertragend oder uneigentlich ist (1982, 1, 302; siehe auch 1982, 2, 449 ff). Letztlich stehen sich Sprache und Welt wie zwei Rastersysteme (Struk turen) gegenüber, die nicht zur Deck ung gebracht werden k önnen. Und gäbe es eine Sprache der Natur, so wäre sie unverständlich (1980, 1, 340).
35. Fritz Mauthner (1849—1923)
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2.5. Sprachliche Relativität
instabil, d. h. zeitabhängig (1982, 1, 5 f; 196). In Wirk lichk eit existieren nicht einmal die Individualsprachen, sondern nur das jeweilige Sprechen (1982, 1, 151; 196; 226). Andererseits redet man nicht mit sich selbst — es gibt k eine „Sprache in der Einsamk eit“ (1982, 3, 636; hier wird die wittgensteinsche Privatsprache abgelehnt) — sondern mit einem Partner. Die Individualsprachen müssen in situationsbedingte, also soziale, resp. pragmatische, k ategorisierbare Kontexte, die den ›common ground‹ (1982, 3, 234 ff) der den zwei Dialogpartnern gemeinsamen ›Dualsprache‹ (1982, 1, 29 f) abgeben, eingeordnet werden: ‘Burgunder’ bei Tisch bedeutet etwas anderes als dort, wo es sich um einen Burgunder Ritter handelt, ohne daß wir bei Tisch ‘Wein’ hinzusetzen müßten (1982, 3, 209). Neben diesen sozialen Kontexten betont Mauthner auch die Rolle der sprachlichen Kontexte (Kotexte) beim Sprachverständnis (1982, 2, 327; 1982, 3, 209) (s. Art. 92).
Der einzige Zweck unserer Sprache ist zwar die Orientierung in der empirischen Welt — aber diese Orientierung ist ungenau (1980, 1, 339). Da wir auf k eine Weise objek tiv k ontrollieren k önnen, wieweit sich Sprache und Welt deck en, k önnen wir gar nicht umhin, die Sprachstruk turen in die Welt zurück zuprojizieren. Noch vor Benjamin Lee Whorf (1897—1941) und Edward Sapir (1884— 1939) vertritt Mauthner also die Ansicht, daß die jeweilige Sprache (als Resultierende von Individual- bzw. Dualsprachen nach Mauthner, vgl. 2.6.) das Weltbild der Sprachgemeinschaften beeinflußt, und lange vor Willard Van Orman Quine (* 1908) und mit ähnlichen Argumenten wie dieser zieht er aus der Verschiedenheit der Weltbilder den Schluß, daß Sprachen, und zwar nicht nur die Nationalsprachen, sondern sogar die individuellen Sprachen (Individualsprachen, i. e. Idiolek te) nicht völlig ineinander übersetzt werden k önnen (1982, 1, 21 ff; 1982, 2, 23; 1906, 54 f; 1980, 1, 123 ff; für ein Beispiel von vielen siehe die Analyse von ‘Tao’ in 1920/23, 4, 414) (s. Art. 73). 2.6. ›Die‹ Sprache gibt es nicht 2.6.1. Mauthners Auffassung von den Zufallssinnen und dem metaphorischen Charak ter der Sprache bringt folgende Beschreibung der Sprache mit sich: Sprache existiert prinzipiell nur individuell, als ›Individualsprache‹ (Idiolek t). Unter diesem Aspek t reduziert sich nach ihm die Sprache auf den Sprachgebrauch und aufs Sprechen als das funk tionelle Zusammenwirk en von Artik ulation, Vorstellungen etc. Im Unterschied zum Beispiel zur Analytischen Philosophie betont er so die gesprochene Sprache (1982, 2, 12 ff; vgl. 534 ff), in Übereinstimmung mit der Linguistik , nach welcher die geschriebene Sprache eine Reduk tion der gesprochenen ist. — Mauthner lehnt folgerichtig ›die‹ Sprache (als Ganzes oder als System) ab: die Sprache ist weder ein formal perfek tes System, d. h. eine Maschine (ein Kalk ül), noch ein ästhetisch perfek tes System (ein Kunstwerk ; 1982, 1, 26 f), noch ein perfek tes lebendiges System, d. h. ein Organismus (1920, 19; vgl. auch 1982, 1, 28). Eine allen Völk ern gemeinsam sein sollende philosophische Grammatik k ann es daher erst recht nicht geben (vgl. 4.6.1.) (s. Art. 44, 64). Sprache ist jeweiliger Sprachgebrauch (1982, 1, 24); die Individualsprachen sind zeitlich
2.6.2. Für die verschiedenen Kategorien von sozialen Kontexten existieren verschiedene Spielregeln; Spielregeln regulieren auch die (statistischen) Referenzbeziehungen zwischen Sprache und Wirk lichk eit (1982, 1, 35 f). Mauthner gebraucht ausdrück lich den Terminus ‘Spielregel’, z. B. „Die Sprache ist nur ein Scheinwert wie eine Spielregel [...]“, die Sprache ein ›Gesellschaftsspiel‹ (1982, 1, 25). Regeln werden dynamisch aufgefaßt: eine Regel wird umso zwingender, je mehr sich ihr unterwerfen (1982, 1, 25) (s. Art. 96). 2.6.3. Will man aber doch auf die ganze Sprache reflek tieren, dann ergibt sich, daß sie bloß die Gesamtheit (›Resultierende‹; 1906, 85 f) von Individualsprachen bzw. deren ›Horizont‹ ist. ‘Horizont’ drück t Relativität aus, denn der Horizont ist für jeden Menschen je nach Standort anders (1982, 1, 19). Weil die Sprache aber dialogisch, sozial (1982, 2, 423 ff) und ein Handeln (1982, 1, 11; 516 ff) ist, k ann man sie auch in die Beziehungen zwischen den Teilnehmern am Disk urs verlegen; Sprache existiert dann „zwischen den Menschen“ (1982, 1, 28 f), oder als eine Abfolge von individuellem Sprechen in Disk ursen. — So ist z. B. nach Mauthner sogar die Negation stets ein dialogisches oder Disk urs-Phänomen. Die Negation ist immer eine Antwort, z. B. auf die Frage, ob etwas schädlich sei (1982, 2, 148 f; vgl. Givon 1978). Wie es aber überhaupt möglich ist, daß die Sprache eben doch vielen gemeinsam ist, k ann prinzipiell auf zwei, einander nicht unbedingt ausschließen-
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II. Personen
den, Grundpfeilern ruhen, (1) dem behavioristisch aufgefaßten Lernen, (2) angeborenen Eigenschaften des Menschen. Mauthner hat hier einen Mittelweg eingeschlagen: einerseits betont er die Rolle des Lernens beim Spracherwerb, den er wesentlich als ein Bedeutungserfüllen von zunächst nachgeahmten phonetischen Formen sieht (1982, 1, 73 ff; 1982, 2, 268 ff; 1980, 2, 13 ff), andererseits sind gewisse Voraussetzungen der Sprache angeboren und für alle Menschen gleich, nämlich die Zufallssinne (1906, 87) und die drei k ognitiven Kategorien des Adjek tivischen, Verbalen und Substantivischen (vgl. 2.9.).
(1982, 1, 644 ff; 1982, 2, 575). Hier erscheinen die Grenzen der Sprache zunächst als die Grenzen der Welt (vgl. 5.) oder, bescheidener ausgedrück t, des Individuums, bzw. als die Grenzen seines Wissens. Diese Grenzen sind aber nur relativ, sind k eine Grenzen der Erk enntnis: über das Denk en als Vernunft, und damit über die Sprache hinaus, gehen das handelnde Eingreifen und der prak tische Verstand als sprachloses Denk en, als das nichtsprachliche Verstehen der Außenwelt durch die Sinne (1982, 1, 324 f; 644 ff; vgl. auch 178 ff; 1982, 2, 479; 676 ff; vgl. 4.4. für Erkenntnis- und Sprachfortschritte).
2.7. Sprache und Denken
2.8. Sprache und Bedeutung
Nach Mauthner gibt es zwei Formen des Denk ens: die sprachliche Vernunft und den prak tischen, primär nicht-sprachlichen Verstand (1982, 1, 179 f). Die Sprache nun ist ihrer Natur nach k ein Werk zeug des Denk ens (1982, 1, 24 f; manchmal gebraucht Mauthner dennoch ‘Werk zeug’), und sie ist nicht das Kleid der Gedank en (1982, 1, 191 f); die Sprache unterscheidet sich vom Denk en so wenig wie ein Tuch, aus dem ein Rock gemacht ist, sich vom Rock unterscheidet (1982, 1, 193). Ja, einmal sagt Mauthner sogar, daß es gar k ein Denk en gäbe, nur Sprechen; das Denk en sei das Sprechen auf seinen Ladenwert hin beurteilt (1982, 1, 176). Die Einheit von Sprache und Denk en ist das Gedächtnis (1982, 1, 202), eine Auffassung, die stark Wilhelm von Ock hams (ca. 1285—1347) (s. Art. 21) Konzept der gedachten Terme ähnelt. Wie Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39) beschleicht jedoch auch Mauthner ein Zweifel an dieser radik alen Identifik ation und er k ommt zu der Annahme, daß Sprechen und Denk en Erscheinungen derselben Sache, gesehen von zwei verschiedenen Standpunk ten, sind (1982, 1, 213; 226 f; 1982, 2, 661; 1906, 114) (s. Art. 71). Daher fällt hier auch das Wort vom „Parallelismus von Sprechen und Denk en“ (1922, 15). Am vollk ommensten ist die Identität von Sprechen und Denk en beim — k onstruk tiv aufgefaßten — Zählen (1982, 1, 202 f; vgl. jedoch seine Bemerk ung, daß die Mathematik als Struk turrepräsentation k eine (sensualistische) Sprache sei; 4.7.). Worte sind Erinnerungen oder Erinnerungszeichen für sinnliche Eindrück e (1982, 1, 405 f; 1982, 3, 638; 641); die Sprache ist das Gedächtnis eines Individuums, einer Sprachgemeinschaft oder, allgemeiner, des Menschengeschlechts (1982, 1, 33; 271; 455 f; 1982, 2, 575; 1980, 1, 363 f u. ö.). Die Sprache k ann somit Wissen vermitteln und bewahren, aber nicht erzeugen
Daß Sprache nach Mauthner Sprachgebrauch ist, legt uns nahe, ihm eine Bedeutungstheorie zuzuschreiben, die der des späten Wittgenstein entspricht, nach welcher die Bedeutung eines Wortes sein Gebrauch in der Sprache ist. Die Referenztheorie der Bedeutung hat Mauthner jedenfalls abgelehnt: wir geben Worte aus wie Bank noten, und fragen nicht, ob dem Wert der Note im Schatz etwas, ein empirisches Referenzobjek t, entspricht (1982, 1, 496). Es sei eine geistige Schwäche zu glauben, daß jedes Wort etwas Empirisches bedeute (1982, 1, 159). Dafür betont er die sprachliche und soziale Kontextualität als Bedingung des Verstehens (vgl. 2.6.). Wenn aber Sprache und Denk en prinzipiell im Gedächtnis eins sind (vgl. Schank 1982; Tulving 1983; 2.7.), so muß es zumindest eine psychologistische Version der Bedeutung geben, daher: „Die Bedeutung ist ein rein psychologischer Begriff“ (1980, 1, 90). Das Wort ist dann dazu da, uns an einen bestimmten Gedächtnisinhalt, eine bestimmte Vorstellung zu erinnern (1982, 2, 263; vgl. 2.7.). In der lebendigen Sprache k önnen Wort und Bedeutung nicht getrennt werden; Wörter ohne Bedeutung sind k ein Element der Sprache (1980, 1, 89). ›Die‹ Bedeutung eines Terms gibt es nicht, denn nicht alle Sprachbenützer erinnern sich an dasselbe, wenn sie ein bestimmtes Wort hören oder aussprechen (1982, 3, 637; 641; 1980, 1, 89 f). Es ist k lar, daß im Rahmen derartiger Auffassungen k ein Platz für Synonyme ist (1982, 1, 62 f). 2.9. Die drei Bilder der Welt 2.9.1. Wenn die Sprache Denk en ist, dann müssen auf irgendeine Weise die Grundfunk tionen aller Sprachen mit erk enntnistheoretisch relevanten k ognitiven Funk tionen ver-
35. Fritz Mauthner (1849—1923)
k nüpft sein. Mauthner hat drei solcher Grundfunk tionen oder Kategorien, wie er sie nennt, unterschieden, die adjek tivische, die verbale und die substantivische. Von der adjek tivischen und der substantivischen hat er explizit behauptet, daß sie angeboren und vererbt seien (vgl. z. B. 1980, 2, 466). Den drei k ognitiven Kategorien entsprechen drei Bilder, die wir uns von der Welt machen, aber nur eine Welt: die adjek tivische. (Daneben gibt es noch ein viertes, weder sensualistisches, noch metaphorisches Bild der Welt, das mathematische, d. h. die mathematische Repräsentation von empirischen Stru k turen; 1925, 136 ff; vgl. 5.) Diese drei k ognitiven Kategorien ähneln den grammatischen Kategorien gewisser Sprachen; man muß sich aber hüten, sie direk t mit den grammatischen Kategorien des Adjek tivs, des Verbs und des Substantivs zu identifizieren (1982, 3, 9 ff; 94 ff; 1980, 1, 242 f; 307; 1980, 2, 220; 528 ff; 1925, 10; 46 ff; 156 ff). Dies ist schon dadurch gegeben, daß sich nach Mauthner die grammatischen Kategorien in den verschiedenen Sprachen absolut nicht deck en müssen — gerade dies ist ja auch Gegenstand der These von der sprachlichen Relativität (vgl. 2.5.) —, wohingegen die drei k ognitiven Kategorien für alle Menschen gleich sind. Mauthner gibt selbst viele Beispiele, wo grammatische und k ognitive Kategorie schon im Rahmen einer Sprache nicht übereinstimmen, etwa: die Substantiva ‘Blitzen’ und ‘Blitz’ gehören ebenso der k ognitiven Kategorie des Verbalen an wie das Verb ‘blitzen’ (1982, 2, 22 f). Auch haben nach ihm die Tiere völlig teil zumindestens an der adjek tivischen Welt, ohne über die menschliche Sprache und damit eventuell die grammatische Kategorie des Adjek tivs zu verfügen (1980, 1, 12 f). Oder, wie Mauthner es ausdrück t: die adjek tivisch zu bezeichnenden Empfindungen entsprechen unserer Sinneserfahrung und sind natürlich; Substantiva und Verben entsprechen der Vernunft und sind menschlich (1982, 1, 300). Mauthner bemerk t aber auch, daß schon das Tier instink tiv nach personifizierten Ursachen sucht und damit ebenfalls am substantivischen Bild der Welt teilnimmt (1980, 2, 466). — Mit den drei Kategorien oder Bildern will Mauthner also nicht sagen, daß es eine universale Grammatik gibt, sondern bloß, daß in jeder Sprache (1) Sinneswahrnehmungen und Empfindungen, (2) das Werden, die Veränderung und zweck gerichtetes Handeln und (3) UrsachenWirk ungen und ›Dinge‹, ›Substanzen‹, als subjek tive Grunderfahrungen des Menschen
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metaphorisch abgebildet werden k önnen, und daß diese Abbildung die k ategorialen grammatischen Formen von Adjek tiven, Verben und Substantiven annehmen k ann, aber nicht muß. Die drei k ognitiven Kategorien des Adjek tivischen, des Verbalen und des Substantivischen sind daher nicht apriorische Kategorien der Sprache, sondern k ognitive Voraussetzungen jeder Sprache, auch wenn sie sich in verschiedenen Sprachen verschieden manifestieren. 2.9.2. Das adjek tivische Bild der Welt ist nach Mauthner das einzige, das ein direk tes Korrelat in der empirischen Sinnenwelt hat, die adjek tivische Welt: Empfindungen sind adjek tivisch, und so ist die adjek tivische Welt gleichzeitig die psychologische und physiologische (1925, 27). Die adjek tivische Welt ist punk tuell (1980, 1, 13) und ohne Ordnung, sei diese Ordnung nun räumlich, zeitlich oder k ausal (1980, 2, 221; 509; 1925, 10 f; 58 ff). Ihren intensivsten Ausdruck findet die im ersten Grad anthropomorphe, adje k tivische oder unmittelbar sensualistische Sprache in der Kunst (1980, 2, 530); aber sie ist ebenso ein Bestandteil der Wissenschaften, ja, Mauthner sagt manchmal, daß auch die Wissenschaften bloß (unmittelbar) sensualistischadjek tivisch seien, d. h. Eigenschaften beschreiben, obwohl er anderswo auch erk lärt, daß sie verbale und substantivische Elemente enthalten (vgl. 2.9.3.; 4.5.). Nach Mauthner ist daher das adjek tivische Bild der Welt — nicht das Adjek tiv als grammatische Form — das älteste, das primitivste (1982, 2, 268; 1982, 3, 94; 1980, 1, 12 f; 242 f). Er nimmt an, daß ursprünglich zwischen Satz und Wort k ein Unterschied gemacht wurde, d. h. daß bei der Sprachentwick lung der Satz vorangeht (1982, 2, 142 f; 1982, 3, 47 f) (s. Art. 63). Unter diesem Gesichtspunk t ist die Unterscheidung von Wortarten überflüssig und es bleiben, anthropologisch gesehen, nur die k ognitive Kategorie des Adjek tivischen und die ihr k orrespondierenden ›Ur-Sätze‹ übrig. 2.9.3. In der verbalen Welt — die gleichzeitig natürlich das verbale Bild der allein wirk lichen adjek tivischen Welt ist — der Welt des Werdens, der Veränderung und der Beziehungen, wird die adjek tivische geordnet, und zwar dadurch, daß die Apperzeption im Gedächtnis die isolierten Empfindungen verk nüpft (1982, 3, 10; 1980, 1, 12 f). Die verbale Welt ist k ausal und zeitlich geordnet (1925, 60); es liegt ihr David Humes (1711—1776)
II. Personen
500
Kausalitätsbegriff, d. h. der Begriff einer induk tiven, statistischen Kausalität ohne personifizierte Ursachen, zugrunde. Dies ist auch die Welt, in der wir zweck - und absichtsvoll handeln (1980, 2, 510; 528 f; 1925, 26). Mauthner sagt daher, daß dem Verb die causa finalis entspreche (1982, 1, 300). Die Wissenschaft, insofern sie von funk tionalen Abhängigk eiten handelt, muß eine verbale Komponente haben, welche sich über das adjek tivische und das substantivische Bild der Welt erhebt (1980, 2, 531). Denn die Wissenschaft gibt sich letztlich doch nicht mit dem ungeordneten adjek tivischen, unmittelbar sensualistischen Bereich zufrieden. Oder, wie er es ausdrück t: die Naturwissenschaft schwank t stets zwischen dem adjek tivischen und dem verbalen Bild der Welt (1925, 55; 74). Mauthner erwähnt Julius Robert von Mayer (1814— 1878), Hermann Helmholtz (1821—1894) und Mach, weil sie alle die adjek tivische Welt in die verbale (transitive Verben) aufgelöst haben (1982, 3, 5; 80 f). 2.9.4. Die verbale Welt k ann beschrieben werden. Aber das „freche Menschenwort“ möchte auch noch erk lären und erschafft sich, „das Wort dem Worte“, eine im zweiten Grade anthropomorphe Sprache (1980, 1, 13 f; 20) und damit die substantivische Welt. Denn für ein bestimmtes Bündel von Adjek tiven, das einem Bündel von empirischen Eigenschaften k orrespondiert, substituiert man ein Substantiv, das in die Wirk lichk eit zurück projiziert wird, und dort ›Dinge‹, ›Substanzen‹ vortäuscht. Das substantivische Bild der Welt — oder, was dasselbe ist, die substantivische Welt — verdoppelt die wirk liche, die adjek tivische Welt im zweiten Grade; denn es verdoppelt das adjek tivische Bild, das wiederum die wirk liche, adjek tivische Welt verdoppelt, weil alle Sprache verdoppelt (1925, 27 ff) — nur weiß man nach Mauthner bis heute nicht genau, was da in der Wirk lichk eit verdoppelt wird (1925, 27). Die substantivische Welt ist die unwirk liche Welt des Raumes und des Seins (1925, 58 ff; 1980, 2, 466); sie ist die Welt der Dinge und der im Alltagsleben, aber oft auch in der Wissenschaft personifizierten Ursachen und Kräfte (1925, 54). So betrachtet, ist es k lar, daß Mauthner annehmen muß, daß die Tendenz zu substantivieren ein vom Tier ererbter Instink t ist (1980, 2, 466); auch das Tier sucht nach personifizierten Ursachen (1982, 2, 352 f). Die substantivische Welt ist weiters die mythologische Welt (1980, 2, 464), die Welt der Metaphysik
(1980, 2, 221), der Götter und der Geister, und letztlich auch die „ehrliche [...] Scheinwelt“ der Mystik (1980, 1, 14; 1925, 165; 16; 78). Die substantivische Scheinwelt, „von der das Gedächtnis der Menschheit nichts wußte, bevor es sich das Wort angeschafft hatte“ (1980, 1, 14; vgl. auch 1920/23, 4, 437 ff), ist also die Welt nicht nur der metaphysischen Dinge, der Götterdinge und der Teufeldinge, der personifizierenden -heiten, -keiten und -schaften (1925, 54, 77) und der personifizierten Kausalursachen (1980, 2, 509 f), sondern auch derjenigen Dinge, die wir gewöhnlich — und nach Mauthner (und Mach; 1980, 1, 192 f) fälschlicherweise — ‘empirische Dinge’ nennen. Auch die empirischen Einzeldinge, die wir aus unserer unmittelbaren adjek tivischen Erfahrung gewissermaßen zusammensetzen, sind, ebenso wie die Substantive, die sie bezeichnen, nur Symbole; sie sind Täuschungen (1982, 3, 9; 84; 98; 1980, 2, 464; vgl. auch 1925, 35 f; 77 f). Der Verlust der Substanz in der modernen Physik ist hier deutlich vorgezeichnet. Der trügerische Charak ter der abstrak ten, religiösen und metaphysischen Substantive ist nur leichter aufzuzeigen. Jedes dieser Symbol-Dinge der substantivischen Welt — d. h. jedes beliebige Ding, z. B. ein Atom — ist demnach ein fik tives Ding an sich hinter der adjek tivischen Welt, die allein wirk lich ist. Im Falle des Atoms sind es das Wellenfeld und seine invarianten Eigenschaften (1980, 2, 466; vgl. jedoch 1925, 27 ff für die Relativität des Dings an sich hinsichtlich der drei Bilder der Welt). — Mauthner sagt geradezu, daß sowohl in der Umgangssprache als auch in der Sprache der Wissenschaft die Grammatik die Verhältnisse auf den Kopf gestellt hat: die „hypothetischen“ Dinge werden zu „Hauptsachen“, zu Substantiven, und das, was wirk lich existiert, die Eigenschaften, beziehungsweise die Empfindungen, werden zur adjek tivischen Nebensache, zur Beigabe (1980, 2, 284). Wenn es überhaupt eine substantivische Wissenschaft gibt, dann ist es die Ontologie, die auch die traditionellen Geisteswissenschaften einschließt (1925, 77 ff).
3.
Allgemeine Bemerkungen zum Problem der Sprache: Sprachursprung und Sprachentwicklung
Die folgenden Bemerk ungen zu Auffassung der Sprache haben es mittelbar mit Sprachk ritik zu tun, sprachphilosophisch relevant. Der
Mauthners nicht unsind aber Ursprung
35. Fritz Mauthner (1849—1923)
der gesprochenen Sprache wird in die nachahmenden „natürlichen Metaphern“ der Artik ulationsorgane verlegt (1982, 2, 452). Mauthner meint damit einen artik ulatorischen Ik onismus, wie er auch in einer modernen empirischen Theorie des Sprachursprungs, der Theorie der Mundgesten (Rumbaugh 1977), vertreten wird (s. Art. 65). Wie steht es nun mit der Sprache der Tiere als Vorform der menschlichen Sprache? Wenn die Einheit von Sprache und Denk en durch das Gedächtnis gegeben ist, und wenn Bedeutungen Vorstellungen oder Gedächtnisinhalte sind (vgl. 2.8.), dann k ann Sprache nicht primär durch den äußerlichen Ausdruck dieser Gedächtnisinhalte, Vorstellungen, z. B. das phonetische Geschehen, definiert sein. Tiersprachen k önnen daher, was ihre Äußerung betrifft, grundsätzlich anders als die menschliche Sprache sein; sie müssen zum Beispiel nicht unbedingt hörbar und k önnen Gebärdensprachen sein (1982, 2, 350 ff, 362 ff) (s. Art. 116). — Mauthner lehnt die linguistische Stammbaumtheorie ab, ebenso die Zurück führung aller Sprachen auf eine einzige Ursprache. Seine methodologische Begründung für ersteres ist, daß es ink onsequent sei, wenn man für die urgeschichtlichen Zeiten gewisse Phänomen durch die Stammbaumtheorie erk lärt, und dieselben Phänomene für die geschichtlichen Zeiten durch die Wellentheorie von Johannes Schmidt (1843—1901) (1982, 2, 602 f), oder, nach Mauthner, durch massive Sprachmischungen, bzw. Entlehnungen (1982, 2, 605 ff; 1980, 1, xv ff; 72 ff).
4.
Sprachkritik als Erkenntnistheorie
4.1. Philosophisches System und Wahrheit Bevor wir auf die spezifischen Probleme der Sprachk ritik eingehen, müssen die Rolle der Philosophie und das Problem der Wahrheit und anschließend daran die systematische Stellung der Sprachk ritik angeschnitten werden (vgl. 4.2.). Ein prinzipielles Problem der Philosophie ist in mauthnerscher Sicht durch folgende k ritische Analyse gegeben: wenn Philosophie Selbsterk enntnis des menschlichen Geistes, Denk en des Denk ens, und das heißt nach Mauthner auch ›Spracherk enntnis durch Sprache‹, sein soll, dann ist sie ein aussichtsloses Unterfangen. Philosophie ist aber möglich als Überblick , als vergleichendes Zusammenfassen leitender Gedan k en der Einzelwissenschaften (1982, 1, 704), eine Vorstellung, die wir in der gegenwärtigen Wissen-
501
schaftstheorie wiederfinden. — Mauthner lehnte es ab, ein philosophisches System zusammenzustellen, weil er von Systemen nicht viel hielt (1982, 1, xiii f). Er begründet dies so: (1) in der Natur gibt es k eine systematische Ordnung und k eine festen Grenzen zwischen den Erscheinungen (1982, 2, 4; 1906, 14; 1980, 1, 251); (2) ein für alle Zeiten gültiges philosophisches System müßte die absolute Wahrheit verk örpern — und dies sei unmöglich (1982, 1, xiv). Die absolute Wahrheit ist unerreichbar, da zwischen Welt und absoluter Erk enntnis die Sprache als verzerrendes ›Filter‹ dazwischen steht; die Existenz von ›drei Bildern der Welt‹ (vgl. 2.9.) verhindert a priori ein einheitliches Bild (1925, 30). Die Wahrheit ist immer relativ (1980, 2, 557 ff; 1920/23, 4, 417 f), und auch wenn man sich — irrtümlicherweise — eine zuk ünftige absolute Erk enntnis der Wahrheit vorstellen k önnte, so verändern sich doch die Wissenschaften, unser Denk en und die Sprache, und mit ihnen muß sich nach Mauthner die Philosophie ändern (1982, 1, 701; 1980, 1, 263; 304 f). Mauthner führt damit das analytische Konzept der Wahrheit in einer Sprache L ein. 4.2. Das Verhältnis von Sprachkritik, Philosophie und Sprachwissenschaft Wohin gehört nun die Sprachk ritik ? Mauthner hat einerseits die Sprachk ritik als eigene Disziplin gesehen (siehe z. B. 1980, 2, 443). Ihre Position im System der Wissenschaften stellt er sich einmal folgendermaßen vor: während die Naturwissenschaften hauptsächlich Sachwissen vermitteln, vermitteln die Geisteswissenschaften hauptsächlich Wortwissen. Aber die Sprachk ritik k önne als einzige Geisteswissenschaft ebenbürtig den Naturwissenschaften gegenübertreten. — Mauthner spricht auch davon, daß die Sprachk ritik die wichtigste Aufgabe der Erk enntnistheorie, also einer Disziplin der Philosophie, sei (1980, 2, 442). Sprachk ritik wird manchmal geradezu mit Erk enntnistheorie identifiziert. Explizit und noch umfassender heißt es in der Selbstdarstellung: „Alle k ritische Philosophie ist Kritik der Sprache“ (1922, 15), und in den Beiträgen: „Philosophie ist die Grenze der Sprache selbst, der Grenzbegriff, der limes: ist Kritik der Sprache [...]“ (1982, 3, x). Freilich dürfe eine solche erk enntnistheoretische Sprachk ritik oder sprachk ritische Erk enntnistheorie nicht Geschichte, Logik und Psychologie außer acht lassen (1982, 1, 686 f), ein Rat, den Mauthner selbst in großem Umfang beherzigt hat (man beachte seine Stellungnah-
II. Personen
502
men zu fast allen Wissensgebieten an Hand des Fachwissens seiner Zeit). Am wichtigsten ist hier, daß die Sprachk ritik der erk enntnistheoretische Versuch ist, darzustellen, daß und wie die Sprache unser Bild der Welt verzerrt. Eine Korrek tur dieses Bildes hat der Sk eptik er Mauthner eigentlich für unmöglich gehalten: die Sprachk ritik k ann das Rätsel der Sphinx nur lösen, indem die Sphinx zum Schweigen gebracht wird (1982, 3, 634). Die Sprachk ritik k onzentriert sich also auf die Nahtstelle zwischen Wortsprache und Wirk lichk eit. Die Sprachk ritik , sagt Mauthner, ist eigentlich nichts anderes als vorurteilslose und dadurch k lärende Sprachgeschichte (1920/23, 4, 216; 1982, 1, 301), oder, mit stärk erer Betonung der philosophischen Komponente, ein erk enntnistheoretischer Nominalismus (1982, 3, 611). Man k önnte hier einwerfen, daß eine so verstandene Sprachk ritik eigentlich mit der Sprachwissenschaft völlig oder nahezu identisch sein müsse. Tatsächlich enthält zum Beispiel nahezu jeder Artik el in den zwei dick en Bänden seines Wörterbuch der Philosophie ausführliche sprachgeschichtliche Erläuterungen, getreu Mauthners Auffassung, daß Sprachgeschichte Geschichte der Welterk enntnis oder des Denk ens ist (1982, 2, 204 f). — Hier scheint nun in Mauthners Philosophie ein Dilemma aufzutreten: einerseits existiert nach Mauthner höchstens die Individual- bzw. Dualsprache, andererseits wird Sprache als etwas Soziales aufgefaßt (1982, 1, 24 f; 1906, 85 ff), und es wird die Sprachgeschichte zum Beispiel in Form der Etymologie (im modernen Sinn; siehe jedoch 1982, 2, 183 ff für eine Kritik der Etymologie als Lehre von den ›wahren‹ Bedeutungen) oder der Geschichte der Übersetzung eines Terms herangezogen, um Sprachk ritik zu betreiben. Faßt man jedoch die Sprache als zeitliche Aneinanderreihung von miteinander verflochtenen Individualbzw. Dualsprachen auf, dann verschwindet das Dilemma und es k ann dann eine Sprachgeschichte unabhängig von der Existenz ›der‹ Sprache geben, in dem Sinn, in dem man die Geschichte als eine Aneinanderreihung von miteinander verflochtenen Biographien betrachten k ann. Wie Mauthners Beispiele zeigen, ist die Methode der Sprachk ritik daher zum Teil tatsächlich mit den Methoden der Sprachwissenschaft identisch — Sprachk ritik erscheint als vorurteilslose, k lärende Sprachgeschichte. Nur tritt zu den sprachwissenschaftlichen Methoden seine erk enntnistheoretische Zielsetzung hinzu. Wie Sprachk ritik methodisch funk tioniert, zeigt man am besten
durch drei (4.3.1—4.3.3).
Gruppen
von
Fallstudien
4.3. Sprachkritische Methoden an Hand von Fallstudien 4.3.1. Die zwei Bände des Wörterbuch der Philosophie sind eine reiche Quelle für Sprachk ritik , die sich an der Wortgeschichte orientiert. Zwei Beispiele mögen genügen: Mauthner weist darauf hin, daß der Leibnizsche Ausdruck ‘Apperzeption’ im Deutschen als ‘Wahrnehmung’ wiedergegeben wird; durch die Schreibung ‘Wahr-’ anstelle des sprachgeschichtlich k orrek teren ‘War-’ sei bei vielen Autoren (Joachim Heinrich Campe, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wilhelm Traugott Krug, Wilhelm Wundt) bei der Definition von ‘Wahrnehmung’ und ähnlichen Ausdrück en fälschlich mit der Bedeutung von ‘wahr’ operiert worden, so, als sei das Wahrgenommene das als wahr Angenommene (1980, 1, 28 f). Besonders schlecht sei es auch dem Worte ‘Tao’ ergangen. Der Term sei schon im Chinesischen nie k lar definiert worden, und bei der Übersetzung habe dann jeder Autor denjenigen Begriff (Term), den er selbst als den höchsten angesehen habe, für ‘Tao’ verwendet: ‘Logos’, ‘Vernunft’, ‘Natur’, ‘Gott’, ja sogar ‘Energie’ (1920/23, 4, 414; 1980, 2, 468 f). — Mauthner hat übrigens alle vier Bände der Geschichte des Atheismus als eine spezielle Wortgeschichte gesehen, die von ‘Gott’ (vgl. 4.3.3.). 4.3.2. Mauthner hat die drei k ognitiven Kategorien des Adjek tivischen, Verbalen und Substantivischen zur Grundlage sprachk ritisch k lärender Analysen gemacht, indem er zu zeigen versuchte, daß gewisse Terme den falschen k ognitiven Kategorien oder auch Sub-Kategorien zugeordnet sind. Faßbar wird die Zugehörigk eit eines Terms zu einer unpassenden k ognitiven Kategorie durch seine Zugehörigk eit zu einer entsprechenden grammatischen Kategorie. Ein Teil dieser fehlerhaften Zuordnungen ist im Prinzip reparabel: wenn ‘Geist’ und ‘Seele’ schon verwendet werden müssen, dann sollen sie k ognitiv der verbalen Kategorie zugeordnet werden, d. h. als Tätigk eiten, Funk tionen, zweistellige Beziehungen etc. angesehen werden, nicht als Dinge — statt ‘Seele’ k önnte man dann vielleicht verbal ‘Geseel’ sagen und damit den Tätigk eitscharak ter der Seele andeuten, so wie ‘Gehör’ die Tätigk eit des Hörens durchk lingen läßt (1920/23, 1, 42). Dann k önnen aber
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den Seelen und den Geistern k eine absoluten Eigenschaften, ausgedrück t in unären Termen, zugeschrieben werden. Daß die Seele unsterblich ist, k önnen wir dann ebensowenig sagen, wie wir sagen k önnen, daß der Teufel viereck ig ist (1920/23, 1, 41). Der Satz ‘Die Seele ist unsterblich’ ist nicht falsch — Mauthner betont dies ausdrück lich — sondern unverständlich, d. h. unsinnig, ebenso unverständlich und unsinnig wie ‘Das Davonlaufen des Hasen ist rosenrot’ (1920/23, 1, 48). Die Antizipation von Gilbert Ryles (1900—1976) Konzept des Kategorienfehlers ist hier unverk ennbar. Mauthner hielt aber ›Reparaturen‹ der Sprache im allgemeinen für unrealistisch (vgl. 4.4.). — Auch innerhalb der k ognitiven, bzw. der entsprechenden grammatischen Kategorien selbst, k önnen Terme unpassenden Sub-Kategorien angehören. Zum Beispiel k önnen innerhalb der verbalen grammatischen Kategorie die erk enntnistheoretisch interpretierten grammatischen SubKategorien Transitivität und Intransivität verwechselt werden: wir sagen noch heute mit einem intransitiven Verb ‘aufgehen’ ‘die Sonne geht auf’, und nicht, wie es wegen der Bewegung der Erde k orrek t wäre, mit einem transitiven Verb, z. B. ‘erreichen’, daß die Erde die Sonne erreicht (1982, 3, 80). Transitive Verben täuschen oft Ursachen vor, wo k eine sind; und oft gibt es k eine transitiven Verben, wo sie, wissenschaftlich gesehen, benötigt würden. Zum Beispiel müßte man sinnesphysiologisch sagen ‘Der Baum grünt mich’ und nicht ‘Der Baum ist grün’ (1982, 3, 81). 4.3.3. Hier geht es darum, daß grammatische Kategorien fik tive ontologische Kategorien erzeugen. So erzeugt z. B. die grammatische Kategorie Substantiv die fik tive ontologische Kategorie des Dinges, so daß dann jedem Substantiv ein ›Ding‹ entsprechen muß. Die hier einsetzende Sprachk ritik findet ihren schärfsten Ausdruck in Mauthners monumentalem Werk , der ›negativen Wortgeschichte‹ (von ‘Gott’; 1920/23, 2, 376), Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande. Die Zurechnung Gottes zur substantivischen Welt ist nach ihm der unwiderlegbarste, weil sprachk ritische, Beweis für das empirische Nicht-Dasein Gottes (1920/23, 4, 440, Fn.; vgl. 1920/23, 4, 91; 155 f). Nach Mauthner ist Gott ein „Gott unseres Wörtervorrats“ (1980, 1, 448), das „jenseitige Substantivum“ (1925, 62). Drück te man ‘Gott’ adjek tivisch als ‘das Ewige’ oder verbal als
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‘das Werden’ aus, dann k önnte man das Existenzurteil ‘Gott ist (›die‹ Substanz)’ wohl k aum aussprechen (1980, 2, 399). So ist Gott dem k ritischen Denk er ein Nichts; ein Etwas k ann er nur dem Dichter sein, getreu Mauthners Auffassung, daß die Sprache wegen ihres metaphorischen Charak ters ein brauchbares Vehik el der Dichtung ist (1920/23, 4, 85 f). Mauthner hat viele Substantiva aus anderen Wissensgebieten auf ähnliche Weise analysiert, z. B. ‘Seele’ und ‘Ich’ (vgl. z. B. 1982, 1, 256 f; 650 ff; 1920/23, 1, 132 f; 1920/23, 4, 156), jedesmal mit dem Ergebnis, daß wir von Worten in eine Scheinwelt geführt worden sind. Eine interessante Form der mauthnerschen Sprachk ritik stützt sich auf die Relativität der Projek tion, wenn sie mindestens zwei Sprachen betrifft: eine Nationalsprache k ann syntak tische und morphologische Formen aufweisen, die in einer anderen fehlen. ›Beweise‹, Argumente, die sich auf solche Formen stützen, k önnen auf k einen Fall allgemeingültig sein, anders ausgedrück t: sie sind eo ipso ungültig. — Ein erstes Beispiel ist hier Mauthners Disk ussion des ›grammatischen‹ Gottesbeweises Wilhelm Jerusalems (1854— 1923). Nach Jerusalem ist das Weltgeschehen, das Universum, ein Verb, ein unpersönliches Verb, zu dem wir ein Subjek t suchen müssen — und dieses Subjek t sei Gott. Abgesehen davon, daß Mauthner von vornherein die Analogie ‘Prädi k at:Subje k t = Universum: Gott’ sprachk ritisch ablehnt, geht er bei der genaueren Analyse des grammatischen Gottesbeweises so vor wie etwa beim ontologischen. Er relativiert den grammatischen Gottesbeweis auf jeweilige Sprachen. Nicht in jeder Sprache verlangt ein unpersönliches Verbum nach einem Subjek t gemäß dem Muster ‘Es donnert’, ‘Es blitzt’ oder dem lichtenbergschen ‘Es denk t’ (1920/23, 4, 440 f). Ein Gottesbeweis, der nur in bestimmten Sprachen formuliert werden k ann, ist nicht allgemein gültig oder ungültig. Das wäre so, als k önnte man die Fallgesetze etwa nur im Deutschen beweisen. — Den ontologischen Gottesbeweis des Anselm von Canterbury (ca. 1033—1109) als das zweite Beispiel der Projek tion einer grammatischen Kategorie in die Wirk lichk eit k ritisiert Mauthner noch schärfer. Nach dem ontologischen Gottesbeweis ist Gott dasjenige, was vollk ommener oder größer nicht gedacht werden k ann. Dieses vollk ommenste Wesen muß existieren, weil es ohne seine Existenz nicht das vollk ommenste Wesen wäre. Mauthner legt sprachk ritisch dar, daß der ontologische Beweis wortabergläubisch ist:
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weil es in der griechischen und lateinischen Sprache die Sprachk ategorie des Superlativs (allgemein: der Steigerung des Adjek tivs) gibt, darum glaubt man, es müsse auch in der Wirk lichk eit jedesmal etwas geben, was dem Superlativ entspricht (1920/23, 1, 239). Im Wörterbuch der Philosophie (1980, 2, 188 ff) zeigt Mauthner, daß der ontologische Beweis für die Existenz eines allmächtigen und allweisen (aber auch: „allboshaften“; 1920/23, 1, 76) Gottes, oder auch der Beweis für die beste aller möglichen Welten, derart an den Superlativ, oder allgemein: an die Steigerung des Adjek tivs, gek nüpft ist, daß er ohne diese grammatischen Formen gar nicht geführt werden k ann (für Näheres vgl. Leinfellner 1986, 176 f). Es ist k lar, daß die Existenz von Sprachen ohne Steigerungsformen Mauthners Argument gegen den anselmschen Gottesbeweis unterstützt. Mauthner geht hier folgerichtig auf die suppletiven Steigerungsformen ein, d. h. Adjek tiva, deren Steigerung von verschiedenen Stämmen gebildet wird, wie z. B. im Lateinischen: ‘bonus’, ‘melior’, ‘optimus’. Schon Wundt vertrat die These, daß die suppletiven Steigerungsformen — die den ältesten Sprachschichten angehören — nicht Gradunterschiede, sondern Qualitätsunterschiede mark ieren, eine Auffassung, die auch heute noch die Standardauffassung ist. Mauthner k ommentiert dazu, daß in der Natur und einer der Natur angepaßten Sprache — wenn es eine solche gäbe — sowieso k eine Steigerung existiere. 4.4. Sprachreform Es ist naheliegend, sich zu fragen, ob denn unsere Sprache, wenn sie schon so unzulänglich ist, nicht reformiert werden sollte. Daß sie sich gewissermaßen selbst verbessert, ist nach Mauthner schon deshalb möglich, weil es — stets sprachlose — Erk enntnisfortschritte gibt (vgl. 2.7.), welche Sprachfortschritte werden (1982, 1, 537): die Sprache hink t der Erk enntnis zwar nach (1982, 1, 72; 79; 1982, 2, 450 f), aber sie bleibt immerhin nicht stehen. Ob man eine Sprachreform vorschlägt, hängt aber davon ab, ob die Sprachk riti k entweder zwar Unzulänglich k eiten, Fehler, Unk larheiten k lärend aufzeigt, aber — mit Wittgenstein zu reden — dann alles so läßt, wie es ist, oder ob sie, z. B. im Sinne der Philosophie des Wiener Kreises, metaphysische Terme eliminiert, falsch angewandte einstellige Ausdrück e, wie in ‘Der Baum ist grün’ durch mehrstellige, wie in ‘Der Baum grünt mich’ (vgl. 4.3.2.), ersetzt, usw. Mauthner hat, wie wir gesehen haben, hie und da reformato-
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rische Vorschläge gemacht, aber im Grunde hat er jede Art von gängiger Sprachreform abgelehnt. Die einzige Sprachreform, die man im Rahmen seiner Philosophie ak zeptieren k ann, ist, paradox ausgedrück t, das Schweigen (1982, 3, 631). — Die Kunstsprachen (Esperanto, Volapük , Ido) sah er überhaupt nicht als Sprachen an (1914, 119 ff; 1906, 40). Eine Idealsprache à la John Wilk ins (1614— 1672), Gottfried Wilhelm Leibniz (1646— 1716) (s. Art. 23) und Raimundus Lullus (ca. 1235—1315), die sämtliche erk enntnistheoretischen Probleme vermeiden würde, sei unmöglich, denn die Naturwissenschaften k önnten nicht den Weltk atalog herstellen, der die Grundlage einer solchen Idealsprache bilden würde (1982, 1, 72; 79; vgl. 1982, 3, 509 ff). 4.5. Zusammenwirken der drei Sprachen (Bilder) Einmal hat Mauthner darüber spek uliert, ob es möglich wäre, entweder (1) eine Sprache zu bilden, die nicht in die drei Teilsprachen, die adjek tivische, die verbale und die substantivische, zerfällt (1980, 2, 526), oder (2) die drei Teilsprachen als selbständige, aber doch aufeinander bezogene Sprachen aufzubauen (1925, 65 ff). Im ersten Fall k am er zu der Auffassung, daß es eine solche Sprache nicht geben k önne, und im zweiten, daß dies zwar möglich, aber unfruchtbar sei. Prinzipiell trägt jede dieser Sprachen zur relativen Wahrheit bei, und sie sollen daher zusammenwirk en, z. B. als Kunst (adjek tivisch), Wissenschaft (verbal) und Mystik (substantivisch) (1980, 2, 530 f). Wir k önnen dieses Zusammenwirk en am besten am Beispiel der wissenschaftlichen Sprache exemplifizieren, und zwar, indem wir das Zwei-Komponenten-Modell wissenschaftlicher Sprachen, wie es im Wiener Kreis entwick elt worden ist, mit Mauthners Ansichten vereinen. Der von Mauthner betonten unmittelbar sensualistischen, adjek tivischen Sprache der sinnlichen Erfahrung k orrespondiert die empirische Beobachtungssprache, der verbalen Sprache k orrespondiert die theoretische Sprache, d. h. die Sprache der funk tionalen Abhängigk eiten, und der substantivischen Sprache k orrespondieren die rein theoretischen Terme, denen ja oft auch in Wirk lichk eit nichts oder nur partiell etwas entspricht (s. Art. 59). 4.6. Sprachkritik der Philosophie und Logik 4.6.1. Wenn man Logik mit Mauthner als die Struk tur einer Sprache betrachtet, dann k ann auch sie, wie die Grammatik , sprachk ritisch,
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und das heißt auch: erk enntnistheoretisch, analysiert werden. Logik und Grammatik sind nur zwei Funk tionen oder Seiten eines Phänomens, der jeweiligen Sprache (1982, 3, 3); eine Logik ist die Logik einer bestimmten Sprache — genau so, wie eine Grammatik die Grammatik einer bestimmten Sprache ist (1982, 2, 41 f). Die Logik ist, wie die Grammatik , etwas historisch Gewordenes, das auch anders sein k önnte (1982, 2, 325 f). Daher gibt es nur Grammatik en, aber k eine allen Sprachen gemeinsame philosophische Grammatik , k eine Logik , sondern nur Logik en: eine chinesische Logik z. B. würde anders aussehen als unsere (1982, 2, 21 f; 41 f, 324 ff; 1982, 3, 3 f; 257 f; 445). Nach dem Muster der vergleichenden Grammatik k önnte es auch eine vergleichende Logik geben (1982, 2, 41 f). Für Mauthner ist die Logik empirisch, d. h. zur Erk enntnis, unbrauchbar, ein Schick sal, das sie mit der Grammatik teilt (s. Art. 75). — Die Logik (der indoeuropäischen Sprachen), die Mauthner so unzulänglich findet, ist die aristotelische, bzw. allgemein die traditionelle Logik , aber auch die George Booles (1815— 1864) und Ernst Schröders (1841—1902) (1982, 3, 177 f; 1980, 1, 17 ff; über John Stuart Mills und anderer Autoren induk tive Logik , die er manchmal etwas positiver sieht, vgl. 1982, 3, 448 ff; 1980, 1, 17 f; 478). Mauthner k ritisiert an diesen Systemen, daß sie uns von der Semantik der natürlichen Sprachen und damit von der empirischen Welt entfernen, d. h., daß sie rein formal seien, oder, wie er es ausdrück t: es gibt k eine formale Logik ohne Inhalt (1982, 2, 4). Mauthners k ognitive (semantische) Kritik der Logik drück t sich besonders in seiner Analyse der Schlüsse aus. Schlüsse sind nach ihm, wie bei Mill (1806—1873) (s. Art. 30), bloß tautologisch; wir gewinnen durch sie k eine neue Erk enntnis. Der Schluß ‘Wenn alle Planeten an den Polen abgeplattet sind, und Mars ein Planet ist, dann ist auch Mars an den Polen abgeplattet’ ist nur möglich, wenn wir schon im voraus wissen, daß Mars — und jeder Planet — an den Polen abgeplattet ist; die erste Prämisse, die den Quantor ‘alle’ enthält, wäre sonst eine bloße Vermutung (1982, 3, 385). Ein anderes semantisches Problem zeigt sich nach Mauthner bei den folgenden zwei Schlüssen, (1) und (2): (1) ‘Wenn Aristoteles der weiseste Mann aller Zeiten war, und der weiseste Mann aller Zeiten der Lehrer Alexanders, dann war Aristoteles der Lehrer Alexanders’, (2) ‘Wenn Aristoteles der eitelste Pedant des Altertums war, und der eitelste
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Pedant des Altertums der Lehrer Alexanders, dann war Aristoteles der Lehrer Alexanders’ (1982, 3, 435). Die Konk lusionen in (1) und (2) haben wegen der verschiedenen Prämissen von (1) und (2) verschiedene Bedeutungen, obwohl sie äußerlich gleich aussehen und daher logisch als gleich angesehen werden. Das heißt, Konk lusionen müssen auf jeweilige Texte relativiert werden, in heutiger Terminologie: man muß sich mit ihren Präsuppositionen auseinandersetzen (s. Art. 97). — Der mauthnersche Psychologismus (Hominismus) zeigt sich, wenn Mauthner vieles, was in der Logik auf Schlüsse zurück geführt wird, auf das Gedächtnis, die Assoziationen, bzw. die Sprache oder den Sprachgebrauch zurück führt; zu der Erk enntnis, daß es regnet, wenn es naß ist, brauchen wir daher k eine Schlußverfahren (1982, 3, 399; siehe auch 411; 424 f). Denn jedes Wort enthält in seinen „Merk malen“ (Mauthners Term) schon die Schlüsse, die aus ihm gezogen werden k önnen (1982, 3, 486; 1980, 1, 524). Mauthner stößt sich — vom semantischen, pragmatischen und psychologischen Standpunk t aus zu Recht — an folgendem: einerseits ist das mathematisch aufgefaßte, selbstidentische A = A semantisch völlig nichtssagend, andererseits erscheint in der — außersprachlichen oder sprachlichen — empirischen Wirk lichk eit A = A oft als A = A — b (1982, 3, 277 f; 361; 1980, 1, 1 f; 479). Denn in Wirk lichk eit gibt es k eine absolute Gleichheit als absolute empirische oder als absolute semantische Gleichheit (absolute Synonymität), nur Ähnlichk eit; erst wenn empirisch festgestellt worden ist, daß b vernachlässigt werden k ann oder soll, k ann A = A als Gleichheit gesetzt werden. Gertrude Steins (1874—1946) ‘A rose is a rose is a rose’ ist demnach k eine Identitätsaussage. Die Gesetzessprache liefert hier moderne Beispiele, etwa: die Tomate wird umgangssprachlich im Deutschen und im Englischen und gesetzlich in den USA (Entscheidung des Supreme Court von 1893) als Gemüse angesehen, ist aber botanisch eine Frucht. Wir erhalten: Obst = Obst — Tomate. Hierzu gehört, daß Mauthner — wie die heutigen Quantenlogik er — auch die Kommutativität des zweistellig relationalen ‘ist’ (1982, 1, 573) ablehnt. Die Sätze vom Widerspruch und vom ausgeschlossenen Dritten (1982, 3, 361 ff) werden auf ähnliche Weise angegriffen. Die Erörterung und Ablehnung besonders des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten ist interessant, weil sie an Hand eines biologischen Beispiels
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von einer mengentheoretischen Erörterung ausgeht, nämlich, daß es Elemente gibt, die einer Menge nicht exak t, sondern nur graduell zugeordnet werden k önnen. Es handelt sich hier um den Ansatzpunk t, der auch der Theorie der in der biologischen Taxonomie verwendeten polythetischen Klassen und der Theorie der ›fuzzy sets‹ zugrundeliegt, und der dort ebenfalls zur Aufgabe des Prinzips vom ausgeschlossenen Dritten führt (s. Art. 98). Die Sprachk ritik des Quantors ‘alle’ führt zu einer finitistischen Auffassung: ‘alle’ meint nach Mauthner (1) ‘jeder einzelne in einer bestimmten vorgegebenen, wenn auch vielleicht nicht genau in Zahlen ausdrück baren und endlichen Gesamtheit, Menge’. Daß (2) ‘alle’ hypothetisch alle unendlich vielen möglichen Fälle umfassen soll, d. h. als Quantor mit ak tual unendlichem Bereich aufgefaßt wird, und daß k ein Unterschied zwischen (1) und (2) gemacht wird, hält er für eine unzulässige logische Verallgemeinerung (1982, 3, 175 f). Solche fik tive hypothetische Allsätze werden nach Mauthner (wie nach Karl Raimund Popper) durch eine einzige Gegeninstanz widerlegt (1982, 3, 454 ff); sie sollten aber von Anfang an nicht aufgestellt werden. — Der Quantor ‘viele’ wird ähnlich analysiert (1982, 3, 173 f). Jedenfalls haben wir hier die Grundgedank en einer finitistischen Behandlung der Quantoren vorliegen. Aus dem restlichen Vorrat der mauthnerschen Kritik der traditionellen Logik erwähnen wir noch, daß es nach Mauthner k eine Abstrak tion in dem Sinne gibt, daß sie zu den ›wesentlichen‹ Eigenschaften der Phänomene führt. Weiters sind Begriffe Terme/Termini, und daher sind sie einerseits hypothetisch, vorläufig, und, wie bei Mach, dynamisch, in steter Evolution begriffen, und andererseits, im Rahmen der Identifik ation von Sprache und Denk en, verschwommene Vorstellungen (1982, 3, 277; 459 f; 488 f; 1980, 1, 97 ff). Hier besteht unverk ennbar Ähnlichk eit zu Ock ham, nach welchem ein gedachtes Universale für vieles stehen k ann, ohne daß deswegen Abstrak tion mit Hilfe der k lassenbildenden Eigenschaft stattgefunden hat. 4.6.2. Mauthners Behandlung des Apriori zeigt deutlich, welche systematischen Folgen ein k er enntnistheoretischer Nominalismus verk nüpft mit seiner Art von Psychologismus hat: Mauthner lehnt den k antschen Begriff des synthetischen Apriori und überhaupt den des traditionellen Apriori ab; ein Apriori ist für ihn ein bloß empirisches Prius. Er läßt
hauptsächlich zwei solcher Apriori/Prius gelten: (1) die Sprache als das Gedächtnis eines Individuums, einer Sprachgemeinschaft, bzw. auch der Menschheit, im Eink lang mit der These von der sprachlichen Relativität (1982, 1, 337, 342; vgl. 2.5.). Nominaldefinitionen sind in diesem Sinne a priori (1982, 3, 304). (2) Nach Mauthner sind auch gewisse angeborene Eigenschaften (1982, 2, 701 ff; 1980, 1, 40 f; 292 ff), z. B. biologische, psychologische, ein Apriori als empirisches Prius. — Ähnlich wie bei Quine ist nach Mauthner die Grenze zwischen Analytisch und Synthetisch fließend: ist eine synthetische Aussage einmal etabliert (z. B. im Gedächtnis), dann wird sie im weiteren Sprachgebrauch analytisch (1982, 3, 321) (s. Art. 86). 4.6.3. Es ist k eine Frage, daß eine Sprachk ritik im Sinne Mauthners ein brauchbares Unternehmen sowohl für die Philosophie als auch für andere Wissenschaften ist (vgl. 4.6.2.). Während eine auf die Philosophie gerichtete k lärende Sprachk ritik zum Beispiel zeigt, daß Aristoteles (384—322 v. Chr.) (s. Art. 15) seine Kategorien der griechischen Umgangssprache entnommen und dann in die Wirk lichk eit projiziert hat, so, als seien sie ontologische Kategorien (1982, 3, 7; 1980, 1, 490 ff; 1925, 22), so antizipiert seine Sprachk ritik umgek ehrt auch, daß die Wissenschaften (z. B. heute Relativitäts- und Quantentheorie) oft Kategorien benötigen, die in der Umgangssprache nicht vorhanden sind, oder dort nicht sinnvoll angewandt werden k önnen. Jeder Empirismus, der die platonische Existenz von Ideen ablehnt, jede k onstruk tive Form der Mathematik , die nicht mit einem an sich seienden Unendlichen arbeiten will, hat — zumindest implizit — eine sprachk ritische Seite. Wenn es heute eine Psychologie ohne substantivierte Seele (vgl. z. B. 1982, 1, 256 f; 303 f; 1906, 7 f; 10), eine Rechtswissenschaft ohne an sich seiendes Recht (1980, 2, 297 ff), eine Politische Wissenschaft ohne die Fik tion eines an sich existierenden Staates oder die Idee des Staates (1925, 160), eine Naturwissenschaft ohne personifizierte Ursachen und Kräfte (1982, 1, 160 f; 313) gibt, dann setzt dies voraus, daß ein mauthnersches sprach k ritisches Programm angewandt wurde. 4.7. Sprachskepsis Im Prinzip war Mauthner der Meinung, daß das Aufzeigen der Geschichte einer sprachlichen Form, sei es eines Lexems, einer mor-
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phologischen Kategorie usw., in Verbindung mit der Erk enntnis, daß die Sprache falsche Bilder der Welt erzeugt und dann dort etwas vermuten läßt, wo nichts oder etwas anderes ist, zeigt, daß alle in Wortsprache ausgedrück te Erk enntnis statistisch, induk tiv ist. Ein Ergebnis von Mauthners erk enntnistheoretischer Analyse der Sprache war eine absolute Sk epsis: die Sprache ist für die Erk enntnis denk bar ungeeignet — aber aufs beste geeignet für die Poesie (1982, 1, 91 ff; 136; 1906, 19 u. ö.). Dieser mauthnersche erk enntnistheoretische Sprachsk eptizismus (s. Art. 10) k ann in Anlehnung an die drei Sätze des Gorgias (ca. 480—380 v. Chr.) (Nichts ist; Wenn etwas wäre, dann k önnte es nicht erk annt werden; Wenn etwas erk annt werden k önnte, dann k önnte es nicht mitgeteilt werden.) so formuliert werden: Es gibt etwas; Dieses Etwas ist nur mit Unsicherheit oder vielleicht gar nicht erk ennbar; Die Erk enntnis dieses Etwas k ann in der Wortsprache nur metaphorisch, uneigentlich und individuell ausgedrück t werden, und dem gegenseitigen Verstehen sind dadurch unüberschreitbare Schrank en gesetzt. — Es wird oft gerügt, daß alle Sprachsk eptik er doch diese Sk epsis sprachlich ausgedrück t haben, d. h. daß wir so tun, als k önnten wir mit Wittgenstein der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas, der Sprache den Ausweg aus der Sprache als Gefängnis, zeigen, und mit Otto Neurath (1882—1945) das Boot auf offener See reparieren, d. h. die Sprache zurechtrück en, während wir sie sprechen. Mauthner ist sich dieses Problems bewußt: Der metaphorische Spiegel, die Sprache, soll nicht versuchen, sich selbst als Sprache zu spiegeln (1982, 1, 321; vgl. 1982, 1, 120; 178); zum Unterschied von anderen Sprachsk eptik ern lädt er seine Leser dazu ein, die Waffe des Sprachsk eptizismus auch gegen ihn selbst zu richten (1982, 1, 2 f). Heute beantwortet man dieses sprachk ritische Problem mit dem Konzept der Metasprache, ohne den gewünschten Erfolg, wie Kurt Gödels (1906—1978) Resultate zeigen (Mauthner führt bereits das Konzept einer Metasprache ein, wenn er sagt, daß ein Logik k alk ül ohne Rück beziehung auf die Umgangssprache als Medium seiner Erk lärung undenk bar ist, 1982, 3, 445). Eine andere Lösung ist es, zu k apitulieren und sich auf die ›Unhintergehbark eit‹ der Sprache zu berufen. Mauthner hingegen überläßt sich, weil er das Problem für unlösbar hält, in intellek tueller Redlichk eit der „ruhigen Verzweiflung“ des Sk eptik ers (1982, 3, 641). Nur die sprachlose
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und damit gottlose — „Götter sind Worte“ (1980, 1, 458) — Mystik führt für k urze Augenblick e aus dieser Sk epsis heraus (1920/23, 4, 425 ff; 1925, 90; 1980, 2, 115 ff). — Wem Mauthners extremer Sprachsk eptizismus ungewöhnlich erscheint, der möge daran denk en, daß die heutigen Wissenschaften, insbesondere die Naturwissenschaften, aber zu einem hohen Grade auch bereits die Sozialund Geisteswissenschaften, ebenfalls der Umgangssprache zumindest mit Mißtrauen, wenn nicht mit Sk epsis, begegnen, und sich daher von ihr losgelöst haben. Die meisten Wissenschaften trachten danach, ihre Ergebnisse mit Hilfe mathematischer Struk turen auszudrück en, nicht mit Hilfe der Umgangssprache. Dazu k ommt, daß Mauthner einerseits von der wissenschaftlichen Sprache behauptet hatte, daß sie, wie die Umgangssprache, prinzipiell sensualistisch sei (1925, 57). Damit erbt die Wissenschaft alle Nachteile der Umgangssprache. Andererseits hat Mauthner den Ausweg aus dem Dilemma — und damit auch der Sprachsk epsis — wohl gesehen, aber nicht mehr betreten: die Mathematik ist nach ihm nämlich k eine Sprache und daher auch k eine sensualistische Sprache (1982, 1, 646 f; 1982, 3, 153 ff; 1980, 1, 240 ff; 1980, 2, 497, Fn.; 1925, 136 ff). Die mathematischen Terme sind k eine sensualistischen Begriffe (1982, 3, 173), d. h. Terme; sie schließen sich direk t, „beinahe deik tisch“ an die Wirk lichk eit an (1980, 1, 242). Die Mathematik stellt struk turelle Proportionen auf, denen in der Wirk lichk eit etwas entspricht, wenn auch die Proportionen selbst erst der vergleichenden Tätigk eit des Verstandes entspringen (1982, 3, 170). Die Mathematik ist Struk tur oder schematisches Modell (1980, 2, 81 f; vgl. auch 1982, 3, 145 ff; 170). Mauthner hat aber diesen wichtigen Gedank en nicht weiter verfolgt und blieb daher bei einer Sprachsk epsis auch gegenüber der Wissenschaft stehen.
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Der Platz der mauthnerschen Sprachkritik in der Geschichte der Philosophie
Mauthner hat sich zu recht als den eigentlichen Begründer der Sprachk ritik betrachtet (1982, 1, xi f); auf seine Vorgänger weist er selbst hin. Die Scholastik in ihrer freieren Form ist nach ihm ein Versuch, den platonischen (Wort-)Realismus zu überwinden (1982, 2, 475). John Lock e (1632—1704) (s. Art. 22)
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ist ihm der erste Philosoph, der, trotz einer gewissen Wortabergläubig k eit, psychologische Sprachk ritik betrieb (1982, 1, 614; vgl. 1982, 2, 475 f; 1982, 3, 283 f; 525; 1920/23, 2, 389; 538 ff), Georg Christoph Lichtenberg (1742—1799) der „bis zu Sprachk ritik witzige Physik er“ (1906, 72), Johann Georg Hamann (1730—1788) (s. Art. 25) der „genialische Sprachk ritik er“ (1982, 1, xv; 177 f; 699; 1982, 2, 718). Mauthner nennt auch Friedrich Heinrich Jacobi (1743—1819) (1982, 1, 335 f; 698 f) und Friedrich Nietzsche (1844—1900) unter den Vorläufern seiner Sprachk ritik . Von Nietzsche sagt er, er wäre ein besserer Sprachk ritik er geworden, wenn er sich nicht nur einseitig mit moralischen und abstrak ten Begriffen beschäftigt hätte, wenn er nicht wortabergläubisch gewesen wäre, und wenn er nicht so darauf bedacht gewesen wäre, ein Dichter zu sein (1982, 1, 366 ff; 1920/23, 4, 350 f). Mach sei einer „der stärk sten Sprachk ritik er auf seinem Gebiete“ (1980, 2, 81). Mauthner hat Mach sehr geschätzt und oft zitiert. Umgek ehrt hat auch Mach Mauthner beifällig erwähnt (Mach 1906, 82). — Es wäre im Prinzip möglich, Mauthners Sprachphilosophie (1) nur im Rahmen der ›etablierten‹ (‘etabliert’ meint hier ‘bis in die 70er Jahre’) Analytischen Philosophie zu betrachten, oder, (2), noch spezieller, als Vorläufer von Wittgensteins Philosophie, insbesondere der des späten Wittgenstein. Für (2) sprechen: Philosophie oder zumindest Erk enntnistheorie ist Sprachk ritik , die, als vorurteilslose Sprachgeschichte, alles läßt, wie es ist; Die Grenzen der Sprache sind Grenzen der Welt; Die Philosophie k ann (soll) k eine Systeme aufstellen; Sprache und Denk en k önnen weitgehend identifiziert werden; Die Sprache lebt im Sprachgebrauch; Die Logik soll sich mit unserer Sprache beschäftigen; Die Sprache ist eine Ansammlung von Dualsprachen als Kategorien von (Sprach)Spielen, z. B. wie ein Schachspiel, mit Regeln; Will man die Sprache verstehen, dann müssen die sprachlichen Kontexte, sowie die außersprachlichen Kontexte (Lebensformen) berück sichtigt werden. Auch k leinere Einzelheiten sind beiden Philosophen gemeinsam, so die Leitermetapher (im Tractatus, aber schon bei dem Sk eptik er Sextus Empiricus; 1982, 1, 1 f; 1982, 3, 632), das Motiv des Schweigens, bei Wittgenstein im Tractatus, weil alles, was k lar gesagt werden k ann, gesagt worden ist, bei Mauthner aus der ›ruhigen Verzweiflung‹ heraus, daß letztlich nichts gesagt werden k ann. — Obwohl Mauthner der wichtigste Vorläufer ins-
besondere des späten Wittgenstein ist, so spricht gegen (2) — und damit implizit auch gegen (1) — doch ein generelles Argument. Mauthners Blick war nicht, wie der des späten Wittgenstein und der Analytischen Philosophie, hauptsächlich auf die Sprache als Sprache gerichtet, sondern auf die (Wort)Sprache als — nach ihm unbrauchbares — Mittel der Erk enntnis. Daher reicht er historisch hinter die Analytische Philosophie zurück , und über ihre k lassische Ausprägung hinaus. Blick t man zurück und sieht man von seinem Sprachsk eptizismus ab, dann ähnelt Mauthners erk enntnistheoretische Position am meisten der Machs, den er viele Male zustimmend behandelt (z. B. 1980, 1, 190 ff; 281, 355 ff; 1980, 2, 81; 448). Mit Mach verbindet Mauthner z. B. die Betonung der Sinnesempfindungen, Mauthners sprachk ritische Ablehnung des Ichs, welche bei Mach physiologisch fundiert ist (1982, 1, 661 ff), usw. — Durch diese k er enntnistheoretische Fragestellung weist Mauthners Philosophie aber auch über die etablierte Analytische Philosophie (und eine nur an der ›langue‹ oder der Sprachk ompetenz orientierte Linguistik ) hinaus (s. Art. 113); er erörtert Probleme, die erst in letzter Zeit wieder in den Blick punk t getreten sind: Soll die Logik semantischen oder erk enntnistheoretischen Bedürfnissen angepaßt werden, etwa spezifischen empirischen Theorien (Quantentheorie, Entscheidungstheorie, Textlinguistik )? Was ist die gehirnphysiologische und psychologische Grundlage der Semantik (Kognitive Psychologie) (s. Art. 110)? Soll in semantischen Netzwerk en durch Deduk tion erk lärt werden, was durch Assoziation erk lärt werden k ann (Künstliche-Intelligenz-Forschung) (s. Art. 117)?
6.
Ausblick
Mauthners Philosophie enthält nichts von dem, was auf viele seiner philosophischen Zeitgenossen und deren Nachfahren in der Philosophie so anziehend wirk te: eine interessante, weil schwer verständliche, philosophische Terminologie, vage Formulierungen, die den Anschein der Tiefe erweck en, religiösmetaphysische Versprechungen eines Jenseits und eines ewigen Lebens, das Aufgehen in einer Sprachmystik , Definitionen absoluter Kategorien des Seienden, das Setzen des Ichs als den Mittelpunk t des Universums, aber auch den Glauben an die Wissenschaft als die Erlöserin von allem Übel. Mauthner hat das alles vom sk eptischen Standpunk t aus gese-
35. Fritz Mauthner (1849—1923)
hen, aber er hat doch eine Rangordnung aufgestellt: die Adjek tive sind weniger trügerisch als die Verben, und die Verben weniger als die Substantive (1980, 1, xcv). Und wenn auch die nicht-mathematisierte Sprache der Wissenschaft trügerisch ist, so ist sie doch weniger trügerisch als die in Sprache umgesetzte Alltagserfahrung, und die in Sprache umgesetzte Alltagserfahrung ist weniger trügerisch als die Sprache der Kunst und der Religionen. Es ging Mauthner nicht darum, seine Philosophie als die endgültige Lösung aller Probleme hinzustellen, sondern um eine philosophische Haltung. Denn der Inbegriff seiner Philosophie besteht darin, den Philosophierenden dazu zu bringen, zu fragen und sich nicht mit den traditionellen Antworten zufrieden zu geben. Auf sich selbst bezogen sagte er: „Ich möchte fragen lehren und lernen“ (1982, 1, 620).
7.
Literatur in Auswahl
7.1. Mauthners sprachphilosophische Werke Sie werden nur unter Angabe des Jahres und gegebenenfalls der Bandnummer zitiert: 1982, Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Bd. 1— 3 [19233]. 1906, Die Sprache. 1980, Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1—2 [1910]. 1914, Gespräche im Himmel und andere Ketzereien. 1920, Muttersprache und Vaterland. 1920/23, Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande, Bd. 1—4 [Nachdruck 1963]. 1922, Selbstdarstellung, in Die Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Schmidt (Hg.), Bd. 3. 1925, Die drei Bilder der Welt. 1986, Sprache und Leben. Ausgewählte Texte aus dem philosophischen Werk, Weiler (Hg.).
7.2. Einführende Sekundärliteratur Arens 1984, Functionalism and Fin de siècle. Fritz Mauthner’s Critique of Language. Besonders für die Beziehungen zu Mach; zu 5.
509
Bredeck 1992, The Play of Language. Knowledge and its Metaphors in Fritz Mauthner’s Language Critique. Cloeren (Hg.) 1971, Philosophie als Sprachkritik im 19. Jahrhundert, Bd. 1. Sprachkritische Texte für Parallelen zu Mauthner. Dascal 1983, Pragmatics and the Philosophy of Mind. Zu 2.7. vom mehr philosophischen Standpunkt. Gipper 1971, Denken ohne Sprache? Zu 2.7. vom mehr linguistischen Standpunkt. Kühn 1975, Gescheiterte Sprachkritik. Fritz Mauthners Leben und Werk. Leinfellner 1986, Sprachk ritik und Atheismus bei Fritz Mauthner, in Von Bolzano zu Wittgenstein, Zur Tradition der österreichischen Philosophie, Nyíri (Hg.). Zu 4.3.1.—4.3.3. Leinfellner/Schleichert (Hg.) 1993, Fritz Mauthner und die Kritik der Sprache. Beiträge zu einer Kritik der Sprachkritik. Lorenz 1980, Sprachphilosophie, in Lexikon der Germanistischen Linguistik. Übersicht über die Sprachphilosophie unter Berück sichtigung des für Mauthner wichtigen linguistischen Standpunktes. Rumbaugh (Hg.) 1977, Language Learning by a Chimpanzee. The Lana j Pro ect. Übersicht über Sprachentstehungstheorien, in k lusive einer, die Mauthners ähnelt; zu 3. Saße 1977, Sprache und Kritik. Untersuchungen zur Sprachkritik der Moderne. Sprachk ritik im Rahmen der Analytischen Philosophie. Schmidt (Hg.) 1971, Philosophie als Sprachkritik im 19. Jahrhundert, Bd. 2. Wie unter Cloeren 1971. Seebaß 1981, Das Problem von Sprache und Denken. Philosophisch orientiert; zu 2.7. Weiler 1971, Mauthner’s Critique of Language. Umfassende Darstellung der Philosophie Mauthners vom Standpunk t der Analytischen Philosophie.
Elisabeth Leinfellner-Rupertsberger, Wien (Österreich)
II. Personen
510
36. Ferdinand de Saussure (1857—1913) 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Deutungsprobleme Saussure und die historisch vergleichende Grammatik — Der Mémoire Grundlagenprobleme: Die ›notes‹ der neunziger Jahre Resultate: Die späten Vorlesungen Literatur in Auswahl
Deutungsprobleme
Die wirk ungsgeschichtliche Bedeutung Ferdinand de Saussures für die Entwick lung der Geistes- und Sozialwissenschaften im 20. Jahrhundert dürfte spätestens mit dem Auftreten poststru k turalistischer Den k richtungen den Rang des Definitiven erreicht haben. Ihr Erscheinen drück t einem Abschnitt moderner Wissenschaftsgeschichte den Stempel der Epoche auf, als deren Gründervater der Genfer Linguist seit Ende der 20er Jahre gilt: der des Struk turalismus. Auf seine im Cours de linguistique générale tradierte Lehre berufen sich seit dem Prager Linguistenk ongreß von 1929 die verschiedenen struk turalistischen Schulen; und es k ann k ein Zweifel über den erstaunlichen Fortschritt bestehen, den das Denk en in Struk turen für Disziplinen wie Linguistik , Ethnologie oder Soziologie mit sich brachte (s. Art. 51). — Im Cours k ündigt sich ein Paradigmenwechsel an, dessen Signum man schon bald darin gesehen hat, daß der ›Atomismus‹ der älteren Sprachwissenschaft, insbesondere natürlich der der herrschenden, der junggrammatischen Schule, durch den ›systematischen Universalismus‹ der struk turalen Phonologie überwunden worden sei (Trubetzk oy 1933, 244 ff). In der Tat stellt der Text griffige Oppositionen bereit, die Umorientierung der Zunft zu mark ieren: Die diachronische Sprachbeschreibung wird durch die synchronische abgelöst; das Sprachsystem, die ›langue‹, „envisagée en elle-même et pour elle-même“ (Saussure 1972, 317), wird zum ausschließlichen, veritablen Gegenstand der Linguistik — die verbundene Rede (parole), in der sich für Wilhelm von Humboldt (1767—1835) (s. Art. 27) allererst der Begriff der Sprache vollendete, verliert jede wissenschaftliche Dignität. Doch am eben zitierten, oft zitierten letzten Satz des Cours läßt sich das ganze Problem einer zu-
treffenden Würdigung Ferdinand de Saussures entfalten. Vorgeblich die Essenz des Cours zusammenfassend ist er doch ein durch die Quellen nicht belegter Zusatz der Herausgeber, Charles Bally (1865—1947) und Albert Sechehaye (1870—1946), die diesen Text 1916 publizierten. Grundlage ihrer Redak tionsarbeit waren Mitschriften der drei Vorlesungen, die Saussure zwischen 1906 und 1911 über allgemeine Sprachwissenschaft gehalten hat. In welchem Maß sie die originale Disposition des verehrten maître zerstörten und an deren Stelle ihr eigenes Gliederungsprinzip setzten, haben Robert Godels Sources manuscrites und insbesondere die von Rudolf Engler besorgte ›édition critique‹ des Cours, eine bewunderungswürdige philologische Leistung, verdeutlicht. Nicht die Summe des linguistischen Denk ens Saussures gibt der zitierte Satz wieder, sondern dessen Interpretation durch die Herausgeber. Der Cours ist, so Ludwig Jäger, das erste Stadium der Deformation dieses Denk ens (vgl. Jäger 1976, 214 ff). — Die Spannweite der Saussure-Deutungen (vgl. Scheerer 1980, 30 ff) ist groß: Neben der traditionellen, struk turalistischen Lek türe des Cours reicht sie von Auffassungen, die Saussures Konzeption von Sprachwissenschaft bereits bei den Junggrammatik ern vorgeprägt sehen (vgl. Lieb 1967 und Koerner 1975) bis hin zu Jägers These, Saussures Sprach-Idee greife die Tradition hermeneutisch-idealistischer Sprachphilosophie wieder auf (vgl. Jäger 1985). Von ungefähr k ommt dieses diffuse Bild nicht: Zu groß sind die logischen Brüche des Textes, die wohl vor allem auf das Konto der Redak tionsarbeit Sechehayes gehen. Wie wenig der Mythos vom Einfluß des Cours auf die struk turalistische Linguistik zu belegen ist, beweist schon der Blick auf den Begriff des Phonems, mit dem sich die Prager Schule dezidiert von Saussures Konzeption distanziert (vgl. Trubetzk oy 1933, 59). Erst recht gilt dies — so wird sich zeigen — für Saussures Auffassung der Sprache als eines Systems von Zeichen, damit für seine Sprachphilosophie. So k ontrovers auch die gegenwärtige Saussure-Disk ussion sein mag, so ist doch eines gewiß: Mit der ›édition critique‹ hat der Cours die Aura der Legitimationsquelle struk turalistischer Sprachwissenschaft
36. Ferdinand de Saussure (1857—1913)
definitiv verloren. Seine Wirk ungsgeschichte ist eben — Geschichte. Der Weg zu einer angemessenen Würdigung Saussures führt allein über eine erneute Lektüre der Quellen.
2.
Saussure und die historisch vergleichende Grammatik — Der Mémoire
Man hat also nach den Gründen zu fragen, die Saussure den Mythos des Paradigmengründers eingetragen haben. Daß er als Begründer der allgemeinen struk turalen Sprachwissenschaft gilt, ist um so erstaunlicher, als das Schwergewicht seiner Arbeiten und Lehre auf dem Gebiet der historisch vergleichenden Indogermanistik lag (vgl. Godel 1969, 23 ff). Thematisch bewegt er sich durchaus auf der Höhe und im Rahmen des herrschenden Paradigmas der zeitgenössischen Sprachwissenschaft. Dennoch ist seine wirk ungsgeschichtliche Bedeutung k ein Versehen; der die Saussure-Lek türe verhindernde Saussure-Mythos des 20. Jahrhunderts (vgl. Jäger 1976, 210 ff) hat seinen rationalen Kern. Die Bedeutung der Figur Saussure gründet sich auf die exzeptionelle Stellung Saussures in der vergleichenden Indogermanisti k , deren Wissenschaftsverständnis sich in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in den programmatischen Äußerungen der ›Junggrammatik er‹ artik uliert. Es gründet sich auf das Postulat der ausnahmslosen Geltung von Lautgesetzen, deren Existenz der Däne Karl Verner (1846— 1896) in einem 1877 publizierten Aufsatz (vgl. Verner 1877 und Putschk e 1969) bewiesen zu haben schien. — In den illustren Kreis der fast alle in Leipzig versammelten Gelehrten tritt 1876 der Außenseiter aus Genf ein, um zwei Jahre später, gerade einundzwanzigjährig, den Mémoire sur le système primitif des vovelles dans les langues indo-européennes zu publizieren. Mit dieser Schrift etabliert sich der junge Saussure als Autorität in der Zunft — und isoliert sich zugleich durch sie. Die Junggrammatik er ignorieren sie beharrlich (vgl. schon Brugmann 1889, 77 ff, dazu Jäger 1975, 197 f). Der Mémoire teilt — wenn auch aus anderen äußeren Gründen — durchaus das Schick sal der im Cours ›rekonstruierten‹ Lehre: er wurde nicht oder nur verstümmelt rezipiert. 2.1. Die Rehabilitation der Morphologie Welche Irritationen dieses Werk bis heute provoziert, zeigt sich darin, daß sich in der ver-
511
gleichenden Sprachwissenschaft noch immer k ein einheitlicher Standard ausgebildet hat, nach dem es beurteilt würde (vgl. Scheerer 1980, 14 ff). In der Tat scheint es unvereinbare Annahmen zu verbinden: Einerseits beweist es die Altertümlichk eit des europäischen Vok alismus (a, e, i, o, u) gegenüber dem des Sansk rit (a, i, u), andererseits entwick elt es eine Theorie, nach der alle Vok ale der indoeuropäischen ›Ursprache‹, auch die Langvok ale ā, ē und ō, auf Kombinationen eines einzigen Vok als mit bestimmten lautlichen Koeffizienten zurück zuführen seien. Die sogenannte Laryngaltheorie — ursprünglich k aum beachtet, mit der Entdeck ung des Hethitischen 1927 anscheinend bestätigt, heute wieder umstritten (vgl. Szemerenyi 1980, 116 ff) — hat Saussure im Zusammenhang dieser Hypothese entwick elt. Die Reak tion der Junggrammatik er auf den Mémoire ist umso unverständlicher, als seine Thesen durchaus ins Zentrum der theoretischen Disk ussion der vergleichenden Indogermanistik treffen. Er schließt an den von Karl Brugmann (1849—1919) u. a. erbrachten Nachweis der Existenz vok alischer Liquida (1, m, n, r) in der indoeuropäischen Ursprache an. Hierdurch war bereits Franz Bopps (1791— 1867) auf das Sansk rit gestützte These, indogermanisch a sei in den europäischen Sprachen zu a, e oder o geworden, die Grundlage entzogen worden, denn daraus folgte, daß nur e mit o, nicht aber a mit e oder o alternierte, und da europ. e oder o im Sansk rit vor Silbenende stets a, am Silbenende dagegen â entspricht, mußte bereits die Ursprache die Alternation von e und o gek annt haben. Daher mußte der Vok alismus der europäischen Sprachen einen älteren Entwick lungsstand repräsentieren als das Sansk rit, und sansk ritisch a k onnte nicht indoeuropäischen Ursprungs sein. Wie aber ließ sich dann ein indoeuropäisches a belegen? Es war, so Saussures Hypothese, noch im Griechischen bzw. Lateinischen, etwa in ‘πατήρ’, ‘pater’, k onserviert worden, während es im Sansk rit unak zentuiert in der Regel zu i, ak zentuiert mit einem weiteren Vok al verbunden wurde. Also mußte das indoeuropäische a ein Wert mit verschiedenen Varianten gewesen sein, deren unterschiedliche Wahl mit der Distribution des Akzents zusammenhing. 2.1.1. Hierin liegt der entscheidende Gedank e, die Alternation als ein grammatisches Verfahren zu begreifen, welches die Variation von Phonemwerten zum Zweck der Sinndifferenzierung benutzt. Es ist k ein Zufall, daß
512
Saussure schon in diesem Text den Begriff des Wertes (valeur) eines Phonems benutzt (vgl. Saussure 1968, 62; 121) und deshalb zu deren Bezeichnung eine eigene Notation verwendet: a1 (= e), a2 (= o), A (= a) usw., und zurecht hat man hierin die spätere Konzeption bereits in nuce angelegt gesehen (vgl. Vallini 1969). Auch die aller Empirie scheinbar widersprechende Hypothese, nach der sich der gesamte indoeuropäische Vok alismus aus Kombinationen aus einem einzigen Vok al, a1, und bestimmten Koeffizienten entwick elt habe, ist nichts als eine Folgerung aus dieser Idee: Saussure erk annte im indoeuropäischen e dasjenige variable Element, das in der Schwundstufe der Wurzel wegfiel, im Koeffizienten das die Variation ermöglichende identische Element von Vollstufe und Schwundstufe. Selbst die Entdeck ung zweisilbiger indoeuropäischer Wurzeln — vielleicht die in ihren Folgen weittragendste des Mémoire (vgl. Havet 1978, 118 ff), weil sie Theorien, die in den indoeuropäischen Einsilbern sprachliche Urelemente erblick en wollten, die Grundlage entzog — ist noch aus der Deutung der Alternation als eines systematischgrammatik alischen, nicht eines ›Lautphänomens‹, abgeleitet. Damit aber entfernte sich Saussure von den methodologischen, auf Lautbeschreibung k onzentrierten Grundlagen der Junggrammatik er. Deren positivistisches Fundament artik uliert sich etwa in Hermann Pauls (1846—1921) Principien der Sprachgeschichte (vgl. Paul 1960, 23 ff). Die „des k riptive Grammati k “ beschreibt nach Paul die in einer Sprachgemeinschaft verwendeten „grammatischen Formen und Verhältnisse“. Diese Beschreibungen repräsentieren jedoch nicht „Thatsachen, sondern nur eine Abstrak tion aus den beobachteten Thatsachen“. Wissenschaftliche Dignität k ann nach Paul solche Beschreibung niemals gewinnen, denn „zwischen Abstrak tionen gibt es überhaupt k einen Kausalnexus, sondern nur zwischen realen Objek ten und Tatsachen“. Zum „wahren Objek t“ der Linguistik wird aufgrund dieser methodologischen Prämissen die Gesamtheit der individuellen „Äußerungen der Sprechthätigk eit“, nicht jedoch unter dem Aspek t ihrer Bedeutung, sondern als beobachtbare Phänomene gefaßt. Die sprachliche Form wird so als „Klangreihe“ begriffen, mit der die Vorstellung „nacheinander ausgeführter Bewegungen der Sprechorgane“ verbunden wird. Das dergestalt als „physiologisch-physi k alisches Produ k t“ betrachtete Wort gewinnt erst dadurch Bedeutung, daß
II. Personen
sie mit einem „Gedank eninhalt“ assoziiert wird. Die Beschreibung von ›Vorstellungsinhalten‹, ›Gedank eninhalten‹ etc. ist aber nach Paul Geschäft der Individualpsychologie, die Sprachwissenschaft dagegen habe es mit „physischen Produk ten“ zu tun (Paul 1960, 14 ff). — Eine sprachliche Form x1 ist gemäß dieser Wissenschaftsk onzeption erst dann erk lärt, wenn durch den Vergleich mit Formen x2, x3 usw. belegbar ist, daß sie lautgeschichtlich auf eine Form x0 zurück geführt werden k ann. Da x1, x2 etc. belegte Formen verschiedener indoeuropäischer Sprachen sind, muß x0 einer gemeinsamen Ursprache, dem Indoeuropäischen, zugeschrieben werden, deren Rek onstruk tion somit zu demjenigen Zentralpunk t linguistischer Beschreibung wird, der ihr — mit heutigen Begriffen zu reden — allererst explanative Adäquatheit und damit wissenschaftlichen Status verleiht. Die Reduzierung der Beobachtungsperspek tive auf die Lautform zerstört jedoch nicht nur den syntak tischen Zusammenhang der verschiedenen Wörter im Satz, sondern auch den morphologischen innerhalb des einzelnen Wortes, der doch je schon verstanden sein muß, wenn überhaupt irgendwelche Formen miteinander verglichen werden sollen. Jäger hat durch eine Notiz des jungen Saussure in dessen Exemplar der Grundzüge der griechischen Etymologie Georg Curtius’ (1820—1885), die 1876/7 formuliert sein dürfte, belegt, daß es dieser hermeneutische Vorbehalt ist, den er gegenüber der k omparatistischen Methode der Indogermanistik zur Geltung bringt: „[...] peut-on considérer une forme telle qu’un imparfait comme un véritable mot tout fait. Ne faut-il pas plutôt dans un nom comme n’existant qu’en principe dans la langue [...]“ (vgl. Jäger 1975, 192 f). Als Genitiv ist z. B. ‘melioris’ nur identifizierbar unter Rek urs auf die Regularitäten der Adjek tivflexion und Komparativbildung im Lateinischen. Werden — so läßt sich Saussures Argument verallgemeinern — sprachliche Formen isoliert, so impliziert dies immer ein Verständnis der Funk tion der betreffenden Form im Rahmen des jeweiligen Sprachsystems. 2.1.2. Dies ist der für das Verständnis des Mémoire entscheidende Gesichtspunk t. Die Lösung der von ihm aufgeworfenen Problemk onstellation bereitet, unter diesem Aspek t betrachtet, k einerlei logische Schwierigk eiten: Bezüglich ihrer grammatischen Funk tion verhalten sich die Wurzeln mit langem a, e, o ebenso wie Wurzeln, deren Vok alismus aus a,
36. Ferdinand de Saussure (1857—1913)
oder Kombinationen aus a1 und Lautk oeffizienten gebildet sind; sie alternieren regelmäßig mit Formen der Schwundstufe, die anstelle der Langvok ale entsprechende Kurzvok ale aufweisen. Der Mechanismus der Alternation beruht auf dem Wegfall eines in der Vollstufe enthaltenen Elements. Da der Typus der Alternation stets derselbe ist — so das argumentum e silentio — wird diese grammatik alische Erscheinung am einfachsten erk lärt, wenn sich zeigen läßt, daß stets dasselbe Element der Vollstufe wegfällt. Dieses Element k ann nur a1 bzw. a2 sein, denn diese Theorie erk lärt nicht nur den Zusammenhang von ‘εἶμι’ (= a1 + i + m + i) [ich gehe], und ‘ἴμεν’ (= i + m + ...) [wir gehen], ‘ϕεὺγω’ und ‘ἔϕυγον’ usw., d. h. alle Fälle, in denen die Vollstufe nur a1 (a2) + Lautk oeffizient, die Schwundstufe nur den Lautk oeffizient aufweist, sondern auch alle die Fälle, in denen die Vollstufe nur a1 (a2) aufweist. Wie bei ‘πατέρ-α’: ‘πα-τρ-ός’ entsteht die Schwundstufe durch Wegfall dieses Elements. Als Konsequenz dieses Zusammenhangs müssen auch die Langvok ale als Kombinationen aus a1 (a2) + Lautk oeffizient begriffen, z. B. ‘ϕῆμί’ [ich rede] also als ‘ϕεαμι’ gedeutet werden, mit dem ganz regelmäßig ‘ϕάμεν’ [wir reden] alterniert. Die Laryngaltheorie des Mémoire ist, so betrachtet, nichts anderes als eine Prämisse, die eine einheitliche Erk lärung des grammatischen Phänomens der Alternation gestattet. Daß damit das Zentrum der Argumentation Saussures getroffen ist, beweist seine Definition von a2: „La véritable définition de a2 est, ce me semble: la voyelle qui, dans les langues européennes, alterne régulièrement avec a1 au sein d’une même syllabe radicale ou suffixale“ (Saussure 1968, 70, vgl. auch 139).
Also muß zwischen a1 und a2 derselbe Zusammenhang bestehen wie zwischen Voll- und Schwundstufe. Deshalb ist es möglich, a2 neben a1 in der Vollstufe zuzulassen. Notwendig ist dies andererseits, weil sich dieser Zusammenhang aus den Quellen nicht mehr belegen läßt. 2.2. Konsequenzen: Vom Lautgesetz zur Semiologie Die hier nur sk izzenhaft dargestellte, höchst k omplexe Logik der Argumentation des Mémoire ist von den meisten Zeitgenossen, insbesondere von den Junggrammatik ern, nicht verstanden worden. Die Polemik en gegen den ›algebraischen‹ Chara k ter der Problemlö-
513
sung, die sich sozusagen um des Systems willen von der empirischen Wirk lichk eit entferne, signalisieren die Kluft, die sich mit diesem Werk zwischen seinem Verfasser und der herrschenden Lehre aufgetan hatte. Einerseits bestätigt es den singulären Rang Saussures innerhalb der historisch-vergleichenden Indogermanisti k , andererseits sprengen die Konsequenzen der in ihm enthaltenen Theorie das traditionelle Paradigma, obwohl oder gerade weil sie streng aus Folgerungen des ak tuellen Forschungsstandes der ›Schule‹ abgeleitet waren. Der Denk ansatz stand quer zum herrschenden positivistisch-empiristischen Trend der Junggrammatik er. Einzig der Altphilologe Louis Havet (1849—1925) erk annte die epochale Bedeutung des Mémoire und würdigte sie in einer heute noch lesenswerten Rezension (Havet 1978). Er sah, daß Saussures Ansatz beim Phänomen der Alternation es mit einem Schlage gestattete, die durch die vergleichende Indogermanistik zusammengetragenen Fak ten durch ein und dieselbe Hypothese zu deuten, ja darüber hinaus die indoeuropäische Ursprache „dans son organisation entière“ zu verstehen (Havet 1978, 116 f). 2.2.1. Der Preis, den Saussure für die Erk lärungsadäquatheit seiner Theorie zu entrichten hat, besteht zunächst darin, daß auf eine phonetische Interpretation der mit ‘a1’, ‘a2’ usw. benannten Phoneme verzichtet werden muß. Während die Junggrammatik er, etwa Eduard Sievers (1850—1932) oder Paul, an einer Begründung der Darstellung lautgeschichtlicher Entwick lungen durch eine lautphysiologischpsychologische Phonetik arbeiten (vgl. Paul 1960, 49 und Putschk e 1969, 22 ff), um die Sprachbeschreibung empirisch abzusichern, geht Saussure den entgegengesetzten Weg. Es k ann, so präzisiert eine spätere Notiz über Phonologie, nicht Gegenstand der Sprachwissenschaft sein, die Mechanik von Artik ulationsbewegungen zu beschreiben, denn für den Physiologen muß in der Tat irrelevant sein, ob bestimmte Positionen und Bewegungen einem /p/ oder /b/ entsprechen, und in der ersten Vorlesung über allgemeine Sprachwissenschaft von 1906/7, die die Konzeption dieser Disziplin aus der Betrachtung der zentralen Theoreme der vergleichenden Indogermanistik entwick elt, benennt er auch den Grund für die strik te Trennung von ›physiologie phonologique‹ und Linguistik: „La langue est un système de signaux: ce qui fait la langue, c’est le rapport qu’établit l’esprit entre ces signaux. La matière, en elle-même, de ces
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signaux peut-être considérée comme (Edition critique al. 3348, I R 1.44).
indifférente“
Nicht zufällig k ritisiert Saussure daher in derselben Vorlesung die Auffassung der Alternation als eines phonetischen (zur Lautlehre zu zählenden) Sachverhalts. „A l’instant où nous avons quitté le changement phonétique pour considérer l’effet qui est de créer l’alternance, nous avons quitté le terrain phonétique“ (Edition critique al. 2417, I R 1.98).
Denn die Alternation ist ein durch und durch grammatik alisches Phänomen, ein in der Struk tur der indoeuropäischen Sprachen angelegtes Mittel, um Sinndifferenzen zu bezeichnen. Und wenn — um zum Mémoire zurück zuk ommen — es Aufgabe der Sprachwissenschaft ist zu rek onstruieren, daß es im Indoeuropäischen ein bestimmtes System von Vok alen gegeben habe, die untereinander in bestimmten Oppositionen standen und aus morphologisch-syntak tischen Gründen sämtlich als auf ein x1, zurück führbar betrachtet werden müssen, so verbietet sich jede im heutigen Sinn phonetische Interpretation dieser Chiffren eben deswegen, weil der einzige Zweck der Rek onstruk tion doch nur darin bestehen k ann, durch Quellen belegte Sachverhalte im Sansk rit, Griechischen, Gotischen etc. dadurch systematisch deuten zu k önnen (vgl. Godel 1969, 64 f). — Daher schließt die Vorlesung von 1907 mit einer Betrachtung des Wertes der „rek onstruk tiven Methode“ (Edition critique al. 3140, I R 46 ff), und ohne Zweifel hat Saussure hier den Mémoire vor Augen, wenn er darlegt, daß es k eine Lautwandelprozesse betreffenden Vergleiche geben k önne, die sich nicht beständig morphologischer Betrachtungen bedienen müßten. Daß dies nicht erst eine Einsicht der späteren Jahre ist, belegt die um 1894/5 entstandene Notiz zur Morphologie: „La morphologie est la science qui traite des unités de son correspondant à une partie de l’idée et du groupement de ces unités. — La phonétique est la science qui traite des unités de son à établir d’après des caractères physiologiques et acoustiques. — Le vrai nom de morphologie serait: la théorie des signes — et non des formes“ (Edition critique (fasc. 4) al. 3293 (N 7)).
2.2.2. Saussures Semiologie resultiert aus der hermeneutischen Orientierung der Erk enntnistheorie, der er schon im Mémoire folgt. Damit gewinnt er diejenige Position zurück , die Humboldt — vergeblich — gegen die einzelne Lautbestände isolierende Methode des
Sprachenvergleichs, wie sie von Bopp oder Jacob Grimm (1785—1863) pra k tiziert wurde, formuliert hatte (vgl. Stetter 1986): Der Vergleich von Sprachen setzt immer das Studium ihrer systematischen Organisation unter dem Gesichtspunk t voraus, in welcher Weise die Sprachstruk tur die Artik ulation von Gedank en in der Rede ermögliche (vgl. Humboldt 1960 ff, III, 6 ff und 19 f). Offenk undig war damit die Bedeutung der Lautgesetze entscheidend in Frage gestellt, und wiederum im Cours von 1907 wird Saussure dies in aller Klarheit aussprechen: Lautwandelprozesse sind durchaus regelmäßiger Natur. Dies hatten Rasmus Kristian Rask (1787—1832), Grimm, Verner etc. hinreichend gezeigt. Deshalb betrachtete man sie als Auswirk ungen von Gesetzmäßigk eiten. Aber — so der Einwand Saussures — „[...] un élément nétique dans tous pas être régi par de parler de loi al. 2244, I R 1.51).
est atteint par le phénomène pholes mots, etc.: un élément ne peut une loi! C’est donc un contresens phonétique [...]“ (Edition critique
Saussures im Cours durchaus zutreffend referierte Kritik am Begriff des Lautgesetzes ist einhellig als ›unoriginell‹ bewertet worden (vgl. Scheerer 1980, 35). In der Tat findet sich auch bei Paul oder Berthold Delbrück (1842—1922) der Hinweis darauf, daß Lautgesetze k eine Naturgesetze seien; sie k onstatierten lediglich „die Gleichmäßigk eit innerhalb einer Gruppe bestimmter historischer Erscheinungen“ (Paul 1960, 68). Doch zielt die Kritik Saussures auf einen prinzipielleren Punk t: Die Elemente, die Lautgesetzen unterliegen sollen, sind k eine zeitlich definierbaren Ereignisse, mit Paul zu sprechen, individuelle ›Äußerungen der Sprechthätigk eit‹, sondern Elemente des Sprachsystems, also Schemata, d. h. psychische Gebilde. Zwar ist die Regelmäßigk eit ihrer Veränderung durchaus beschreibbar, ja es charak terisiert geradezu die Besonderheit der Sprachen als historischer Phänomene, daß sich derartige überindividuelle, sich jenseits des Bewußtseins der einzelnen Sprecher vollziehende Erscheinungen an ihnen studieren lassen (vgl. Edition critique (fasc. 4) al. 3282 (N 1.1)), aber als psychische Formationen sind die Elemente der ›langue‹ per definitionem jeder Form von Kausalität, wie sie von nomothetischen Wissenschaften beschrieben wird, entzogen. Erst gegen Ende der letzten Vorlesung von 1910/1 allerdings wird Saussure das semiologische Prinzip hinreichend expliziert haben, aus dem die k ate-
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goriale Besonderheit des linguistischen Objek ts logisch ableitbar ist: das des ›arbitraire du signe linguistique‹ (vgl. dazu 4.).
3.
Grundlagenprobleme: Die ›notes‹ der neunziger Jahre
3.1. Sprachphilosophische Grundlegung: Die Inauguralvorlesungen von 1891 1891 übernimmt Saussure eine für ihn eingerichtete Professur für Geschichte und Vergleich der indoeuropäischen Sprachen an der Universität seiner Heimatstadt Genf. In den ersten dort gehaltenen Vorlesungen vom November 1891 (Edition critique (fasc. 4) N 1.1— 1.3) begründet er den Ort der Linguistik im Rahmen der ›faculté des lettres‹: Sie ist nicht als Hilfswissenschaft der Ethnologie oder Philologie zu legitimieren, sondern nur durch den Rang ihres Objek ts selbst. Die Argumentation erinnert an die Anthropologie Johann Gottfried Herders (1744—1803) (s. Art. 26) oder Humboldts. Sprache ist die einzig allgemein anerk annte differentia specifica der Gattung Mensch: „[...] le langage a été le plus formidable engin d’action collective d’une part, et d’éducation individuelle de l’autre, l’instrument sans lequel en fait l’individu ou l’espèce n’auraient jamais pu même aspirer à développer dans aucun sens ses facultés natives“ (Edition critique (fasc. 4) al. 3283 (N 1.1)).
Das Studium der Sprache als ›fait humain‹, anthropologisches Fak tum, sei empirisch auf das der Einzelsprachen verwiesen, dieses bleibe jedoch seinerseits stets bezogen auf das „problème générale de langage“, andernfalls würde es steril (vgl. Edition critique al. 3281 (N 1.1)). Es mag hier unausgemacht bleiben, ob Saussure zu diesem Zeitpunk t schon Humboldt gelesen hatte; die in dieser Vorlesung vertretene Position entspricht exak t dessen Postulat der Verbindung von philosophischer und historischer, d. h. empirischer Sprachk unde (vgl. Borsche 1981, 201 ff), und von diesem Ansatz her wird verständlich, wieso Saussure vehement den Versuch August Schleichers (1821—1868), Max Müllers (1823—1900) u. a. k ritisiert — ohne Zweifel ist hier auch an die Junggrammatik er zu denk en —, die Linguistik als Naturwissenschaft zu etablieren. — In diesen Inauguralvorlesungen artik uliert sich eine philosophische Auffassung der Sprache, die mit der Wissenschaftsk onzeption der zeitgenössischen Linguistik wenig mehr gemein hat. Die Linguistik ist eine durch und durch historische Disziplin:
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„[...] plus on étudie la langue, plus on arrive à se pénétrer de ce fait que tout dans la langue est histoire, c’est-à-dire qu’elle est un objet d’analyse historique, et non d’analyse abstraite, qu’elle se compose de faits, et non de lois [...]“ (Edition critique (fasc. 4) al. 3283 (N 1.1)).
Um dies zu begründen, formuliert Saussure zwei k orrelative Prinzipien, das der Kontinuität der Sprache in Raum und Zeit und das ihrer k ontinuierlichen Transformation bzw. Diversifik ation. Am Beispiel eines russischen Originals namens Boguslawsk i, der sich zwanzig Jahre lang am 1. und 15. eines jeden Monats photographieren ließ, um schließlich die so entstandenen 480 Photographien zusammen auszustellen, demonstriert er deren Zusammenwirk en und das Kardinalproblem sprachlicher Identität, das sie implizieren. Zu k einem Zeitpunk t hat z. B. das Latein aufgehört zu existieren, zwei beliebige benachbarte Photographien zeigen immer denselben Boguslawsk i, und doch spricht man heute Französisch, Italienisch oder Spanisch, nicht mehr Latein. Es ist eben die vergleichende Indogermanistik , deren Ergebnisse zu dieser Überlegung zwingen, denn dasselbe Verhältnis gilt für den Zusammenhang aller indoeuropäischen Sprachen, wenn er zugänglich wäre, darüber hinaus für den aller Sprachen überhaupt. Desgleichen hatte sich gezeigt, daß die Sprachveränderungen in allen Sprachen gleichförmiger Natur sind, so daß man — eine überraschende Pointe — den Sprachursprung als Form der Sprachveränderung auffassen muß (Edition critique (fasc. 4) al (N 1.2)). Schließlich k onnte als gesichert gelten, daß es zwei grundsätzlich unterschiedliche Formen der Transformation von Sprachen gibt, den analogischen und den Lautwandel. — In der Bewertung dieser beiden Phänomene zeigt sich der ganze Abstand, der Saussure vom junggrammatischen Paradigma trennt. Der Lautwandel wird ganz en passant behandelt; er betrifft blind alle Formen des Sprachsystems, wo immer sich die betreffende Form (son) findet. Er wirk t also mit ›mathematischer Regelmäßigk eit‹; dies scheint ihn für eine nomologische Betrachtungsweise zu prädestinieren. Tatsächlich k önnte man, ein indoeuropäisches oder lateinisches Wort gegeben, prognostizieren, welches griechische bzw. französische Wort sich daraus ergeben würde — wenn man eben ausschließen k önnte, daß eine Analogiebildung den Entwick lungsprozeß unterbricht (Edition critique (fasc. 4) al. 3284 (N 1.2)). Dies aber ist niemals möglich, denn da der Lautwandel eine
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Form ohne Rück sicht auf ihre Funk tion im jeweiligen System betrifft, zerstört er dessen Ök onomie. Dadurch erzwingt er Analogiebildungen, die die Symmetrie der ›langue‹ wiederherstellen, um seine Funk tionsfähigk eit zu erhalten. Im Cours von 1906/7 wird das Verhältnis der beiden Arten des Sprachwandels zum zentralen Thema werden (vgl. Godel 1969, 55 ff). Entsprechend der schon in der ersten Inauguralvorlesung entfalteten philosophischen Bedeutung der Sprache als des genuinen Kommunik ations- und Bildungsmediums der Gattung Mensch mußte der Lautwandel für Saussure irrelevant werden, die Analogiebildung dagegen ins Zentrum des Interesses rück en. Sie wird als psychischer Ak t bzw. intelligente Operation beschrieben, die sprachliche Formen unter dem Aspek t ihrer Bedeutung miteinander verk nüpft. Sie allererst etabliert Ordnung und Zusammenhang im Sprachsystem, denn sie ist das Vehik el des Spracherwerbs. Wiederum wird der Cours von 1906/7 die entscheidende sprachphilosophische Formel für den schon hier umrissenen Sachverhalt liefern: Die Analogie ist das „principe générale des créations de langue“ (Edition critique al. 2510, I R 2.19). Man sieht, wie falsch Noam Chomsk ys Ansicht war, Saussure habe die ›langue‹ nicht unter dem Aspek t der Kreativität, sondern lediglich als Inventar von Einheiten betrachtet (vgl. Chomsk y 1969 a, 14 f). Das Gegenteil trifft — wie schon der Text von 1891 belegt — zu: „[...] une langue quelconque n’est pas autre chose qu’un vaste enchevêtrement de formations analogiques [...] ce ne sont pas des curiosités ou des anomalies, mais c’est la substance la plus claire du langage partout et à toute époque [...]“ (Edition critique (fasc. 4) al. 3284 (N 1.1)).
Die Analogie aber ist ein Schluß von einzelnem auf einzelnes aufgrund einer k ontingenten Ähnlichk eit. Ein durch Analogie gebildeter Term k ann somit niemals auf eine Regel zurück geführt, d. h. erk lärt werden. Sofern Saussure also das philosophische Phänomen der Sprache von der Analogie her deutet, begreift er sie per se als ein jeder explanativen Theorie sich entziehendes Objek t. Die Beschreibung der Analogie als intelligenter Schluß begründet somit die These, daß die Linguistik nur als historische Disziplin begriffen werden k önne: denn jedes Sprachsystem muß danach als durch individuelle Ak te vermitteltes Allgemeines betrachtet werden (s. Art. 85).
3.2. Erkenntnistheoretische Probleme 3.2.1. ›Äußerlich‹ betreibt Saussure in den folgenden Jahren weiter historisch-vergleichende Indogermanistik . Er liest regelmäßig über das Sansk rit, über griechische und lateinische Etymologie, über griechische und persische Inschriften usw. Indessen treten die Implik ationen des 1891 formulierten philosophischen Standortes seiner Wissenschaftsk onzeption in zunehmender Deutlichk eit zutage; die prinzipielle Auseinandersetzung mit der überk ommenen Form der Linguistik war unvermeidlich geworden. Die drei großen Textfragmente der neunziger Jahre — die Note über Morphologie (N 7), diejenige über William Dwight Whitney (1827—1894) (N 10) und schließlich die sogenannten Notes item (N 15) — spiegeln den um eine Grundlegung der Disziplin ringenden Reflexionsgang Saussures wieder, der zu immer abstrak teren Problemstellungen vordringt, sich mehr und mehr von der Begriffswelt der vergleichenden Indogermanistik entfernt und sich doch außerstande sieht, den Resultaten seines Nachdenk ens eine definitive Form zu geben. Die Semiologie Saussures — ein Torso — ist Produk t dieser Krise. — Die Note über Morphologie greift das seit dem Mémoire latente Problem der Begründung des linguistischen Kategorienapparates auf. Bopp und seine Nachfolger hatten naiv Wörter in Wurzeln, Prä-, In-, Suffixe, Endungen etc. unterteilt, so z. B. lat. ‘pater’ in die Wurzel ‘pa-’ und das Suffix ‘-ter’ (pa-tr-is, pa-tr-i, ...), ohne sich im geringsten zu fragen, ob diesen Einteilungen irgendwelche Einheiten eines ›native speak er‹ (sujet parlant) des Latein etwa zur Zeit Cäsars entsprachen. Kriterium der Zerlegung beispielsweise von griechisch ‘ἵππος’ in einen sogenannten o-Stamm ‘ἱππο-’ und eine Endung ‘-ς’, war vielmehr der morphologische Zustand einer rek onstruierten indogermanischen Form, hier also *ek wo-s, *ek wo-m usw. Diese Analyse besaß aber schon für den Griechen des 8. oder 7. Jahrhunderts v. Chr. k eine Gültigk eit mehr; er faßte ‘-ος’, ‘-ου’ usw. als ein Morphem auf. Zu Recht — so Saussure — protestierten die Junggrammatik er gegen derartige Anachronismen und erk lärten alle diese Wurzeln, Stämme usw. zu puren Abstrak tionen, denen nichts Beobachtbares entspreche, bedienten sich dessen ungeachtet dieser Einheiten in ihren Materialanalysen weiter — ›pour la commodité de l’exposition‹. Aber — so wendet Saussure ein — ›s’il n’y a pas de justification à l’établissement de ces catégo-
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ries, alors pourquoi les établir‹. Neologismen und Analogiebildungen bewiesen jedoch, daß jedes Sprecherbewußtsein (conscience du sujet parlant) Wörter in Untereinheiten zerlegt, um aus den Einheiten dieser subjek tiven Analyse neue Wörter zu bilden, und Saussure zieht daraus den entsprechenden erk enntnistheoretischen Schluß: „[...] avant de venir parler d’abstractions, il faut avoir un critère fixe touchant ce qu’on peut appeler réel en morphologie. Criterium: ce qui est réel, c’est ce dont les sujets parlants ont conscience à un degré quelconque, et rien que ce dont ils peuvent avoir conscience“ (Edition critique al. 2775 ff (N 7)).
Im Cours von 1906/7 wird Saussure wiederum einen Schritt über den hier schon erreichten Reflexionsstand hinausgehen, indem er dort explizit zwischen der subjek tiven Analyse (der ›sujets parlants‹) und der objek tiven Analyse (des Linguisten) unterscheidet (Edition critique al. 2588 ff, I R 2.64 ff). Natürlich k ann sich die Blick richtung der objek tiven Analyse, etwa in sprachhistorischen Untersuchungen, von der der subjek tiven entfernen. Sie vermag zu verdeutlichen, was dem sich in seiner jeweils synchronischen Perspek tive befangenen Sprecher nicht mehr bewußt ist, daß sich z. B. in dem Namen ‘Nachtigall’ bis ins Neuhochdeutsche eine althochdeutsche Form ‘nahti’ (der Nacht, nächtens) erhalten hat, die dem heutigen Sprecher als solche nicht mehr verständlich ist. In jedem Fall muß aber gelten, daß die objek tive Analyse in letzter Instanz immer auf einer subjek tiven beruht; dies allein k ann sie rechtfertigen. Schon in der Note 7 zieht Saussure aus diesem Sachverhalt eine zweifache Konsequenz: Wenn eine Einheit der ›langue‹ im Sinne des oben genannten Kriteriums ‘real’ genannt wird, existierend nämlich für ein bestimmtes Sprecherbewußtsein, so heißt dies nichts anderes, als daß sie in bestimmter Weise interpretierbar, für dieses Bewußtsein also ein Zeichen ist: „la langue n’a conscience du son que comme signe“ (Edition critique, fasc. 4, 17). Eine Morphologie des Neuhochdeutschen würde ‘Nachtigall’ dementsprechend als ein nicht weiter analysierbares Morphem aufführen. Die morphologische Analyse bezieht sich also in erster Instanz immer auf den Gebrauch von Zeichen im Rahmen einer einzigen Epoche: „Une morphologie vraiment scientifique aurait pour premier devoir de séparer les différentes époques et de se pénétrer exclusivement de l’ésprit de chacune d’elles“ (Edition critique al. 2770 (N 7)). Die Genese des Begriffs der Synchronie aus hermeneutisch-er k enntnistheoreti-
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schen Überlegungen deutet sich hier bereits an. Auch Phonologie (Lautlehre) im tradierten Sinne zu betreiben k ann danach nur bedeuten, interpretierbare Terme miteinander zu vergleichen, z. B. althochdeutsch ‘zugi’ mit mittelhochdeutsch ‘züge’, denn nur in diesen begegnen die Laute. Der Vergleich bezieht sich hier aber auf verschiedene Epochen, und der Term wird nicht bezüglich seiner systematischen Funk tion, sondern bezüglich seiner Veränderung in der Zeit betrachtet. Die Opposition von Synchronie und Diachronie ist in dieser Konzeption schon impliziert, wenn auch die Termini noch nicht geprägt sind. Man sieht, wie Saussures Sprachphilosophie sich in diesen Jahren in zunehmender Deutlichk eit aus logischen Problemstellungen entwick elt, die die Begrifflichk eit der vergleichenden Indogermanistik implizierte und die er offenk undig als einziger der Zunft als solche erkannte. 3.2.2. Ein Brief an Antoine Meillet (1866— 1936) von 1894 belegt, daß Saussures Denk en spätestens zu diesem Zeitpunk t die Ebene der Grundlagen des Fachs erreicht hatte. Dort bek lagt er die Schwierigk eit, über die ›faits de langage‹ überhaupt noch Allgemeingültiges aussagen zu können: „Préoccupé surtout depuis longtemps de la classification logique de ces faits, de la classification des points de vue sous lesquels nous les traitons, je vois de plus en plus à la fois l’immensité du travail qu’il faudrait pour montrer au linguiste ce qu’il fait, en reduisant chaque opération à sa catégorie prévue“ (Godel 1969, 31).
In um dieselbe Zeit entstandenen Sk izzen für ein Buch über allgemeine Sprachwissenschaft (Edition critique (fasc. 4) N 9.1—9.3; N 11; N 12) wird die logische Klassifik ation der den Gesamtbegriff der Sprache k onstituierenden Theoreme in zunehmender Präzision erfaßt. In der Note 9 vertieft er die methodologische Argumentation der Note über Morphologie: Der ›fait linguistique‹ ist nicht als Naturobjek t gegeben, denn seine Identität beruht auf Identitätsurteilen der ›sujets parlants‹ — „jugement d’identité prononcé par l’oreille“. Der Laut existiert als sprachliches Element nur, sofern er als Einheit identifiziert wird, „hors d’une relation quelconque d’identité, un fait linguistique n’existe pas“ (Edition critique al. 129 (N 9.1)). Diese Überlegung ist die erk enntnistheoretische Keimzelle der ganzen späteren Systematik . Zu Recht hat Godel die Bedeutung dieser Notes hervorgehoben (vgl. Godel 1969, 136). Die sprachliche Ein-
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heit muß als solche von einem Sprecherbewußtsein k onstituiert werden, und aus logischen Gründen muß es immer einen bestimmten Gesichtspunk t geben, der dieses beim Geschäft der Identifizierung von Einheiten leitet. Es ist eben der, aus dem z. B. folgt, daß ein Sprecher des Neuhochdeutschen ‘Nachtigall’ nicht mehr wie ein Zeitgenosse Notk ers von St. Gallen als zusammengesetzten Term, sondern als nicht weiter zerlegbare Einheit auffaßt: die Zeichennatur der Sprache. Die Sprachwissenschaft muß dieser Natur ihres Objek ts Rechnung tragen, die eben von der besonderen Art ist, daß man sich ihm nicht unabhängig von einer bestimmten Perspek tive nähern k ann. Folglich hat die Konstitution des wissenschaftlichen Gegenstands Sprache dieselbe Form wie die Konstitution sprachlicher Elemente durch die ›conscience des sujets parlants‹: „Ailleurs il y a des choses, des objets données, que l’on est libre de considérer ensuite à différentes points de vue. Ici il y a d’abord des points de vue à l’aide desquels on crée secondairement les choses“ (Edition critique al. 131 (N 9.2)).
Saussure plädiert hier nicht für eine k onventionalistische Theoriebildung im Sinne der nachmaligen Forschungslogik Karl Raimund Poppers (* 1902) (vgl. Jäger 1975, 77 ff). Denn die Wahl des die Theorie k onstituierenden Gesichtspunk ts ist für ihn k eineswegs beliebig: „Ces créations se trouvent correspondre à des réalités quand le point de départ est juste, ou ne pas correspondre dans le cas contraire [...]“ (Edition critique al. 131 (N 9.2)).
Es k ommt mit anderen Worten darauf an, in der Wahl der theoretischen Kategorien diejenigen Gesichtspunk te zu treffen, die die Artik ulation der jeweiligen Sprache durch die betreffenden ›sujets parlants‹ leiten. Man k önnte dies eine verstehende Begründung der Linguistik im Sinne von Wrights nennen (vgl. von Wright 1974, 122 ff), denn für eine Explanation der Sprache insgesamt oder auch einzelner sprachlicher Phänomene fehlt die vor jeder Sprache gegebene Regel, unter die das Explanandum zu subsumieren wäre. Und wenn Saussure die vergleichende Kritik verschiedener ›points de vue‹ als ›einzig zulässigen‹ Ausgangspunk t linguistischer Theoriebildung bezeichnet (Edition critique al. 129 (N 9.1)), so entspricht dies zweifellos dem hermeneutischen Prinzip reflexiver Aufk lärung der wirk ungsgeschichtlichen Prämissen des je einzelnen Denk ens. Allerdings spricht das ebenso zu k onstatierende axiomatische
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Interesse des saussureschen Denk ens (vgl. Godel 1969, 30) dagegen, es nun umstandslos der hermeneutischen Tradition zuzurechnen. Jedenfalls handelt es sich um den Versuch, in einem ‘adäquaten’ Netz linguistischer Kategorien einen philosophisch zutreffenden Begriff von Sprache zu explizieren. 3.2.3. Die Sprachphilosophie des 20. Jahrhunderts hat gezeigt, daß dieses Unternehmen der Quadratur des Kreises gleichk ommt. Als Wissenschaft muß die Linguistik auf die Formulierung allgemeiner Aussagen über Sprache ausgehen; dies k ann nur von einem bestimmten Gesichtspunk t aus geschehen, zu dessen Begründung ein unbestimmter Begriff von Sprache je schon vorausgesetzt ist. Sprachwissenschaft k ann das anthropologische Phänomen der Sprache immer nur partiell rek onstruieren (vgl. Simon 1981, 197 ff). Immerhin k ann sie die unvermeidlichen Verk ürzungen ihres Ansatzes noch philosophisch reflek tieren und als solche k enntlich machen, und hierin liegt die genuin sprachphilosophische Qualität des saussureschen Denk ens, die sich in der Note über den Orientalisten Whitney vielleicht deutlicher als in irgendeinem anderen Text des Genfers zeigt. Nicht zufällig ist die geplante Würdigung Whitneys unvollendet geblieben, denn in ihrem Zusammenhang mußte Saussure auf das bezeichnete Begründungsproblem eingehen, dessen Unlösbark eit ihm zu seiner Zeit noch nicht durchsichtig sein k onnte. Schärfer als jeder andere Linguist sieht er die logischen Widersprüche in jedem von ihm erwogenen System linguistischer Kategorien, die vom vorausgesetzten Begriff der Sprache her k ategorial aufzulösen waren. Gerade seine Überlegungen aber führen zum gegenteiligen Resultat, und Saussure ist sich dessen bewußt: „Nous nourrissons depuis bien des années cette conviction que la linguistique est une science double, et si (profondément, irrémédiablement) double, qu’on peut (à vrai dire) se demander s’il y a une raison suffisante pour maintenir sous ce nom de linguistique une unité (factice), génératrice (précisément) de toutes les erreurs, de tous les inextricables pièges contre lesquels nous nous débattons chaque jour [...]“ (Edition critique, fasc. 4, 23 (N 10)).
Er war davon ausgegangen, die Linguistik als historische Disziplin zu begründen; dies hatte zur Rehabilitierung der Morphologie als eines genuinen Zweiges der Sprachwissenschaft geführt, der jedoch den Begriff der Synchronie impliziert. Saussure als derjenige,
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der der Disziplin griffige Dichotomien — langue-parole, Synchronie-Diachronie, signifiant-signifie etc. — bereitstellte, ist in seinem Anliegen verk annt. Es geht ihm gerade darum, das dichotomische Auseinanderfallen der Linguistik zu überwinden. Eine Bemerkung aus der Note 9 weist bereits den Weg: „Parmi les choses qui peuvent être opposées au son matériel, nous nions [...] qu’il soit possible d’opposer l’idée. Ce qui est opposable au son matériel, c’est le groupe son-idée, mais absolument pas l’idée“ (Edition critique al. 131 (N 9.2)).
Dies wäre eine Lösung, denn der Begriff ‘die Gruppe ›son-idée‹’ impliziert den des ‘son’. Es handelte sich hier also nicht um eine Dichotomie — wenn eine nicht-dichotomische Interpretation des Begriffs ‘die Gruppe ›son-idee‹’ gefunden werden k önnte. Im Denk en Saussures präzisiert sich derart allmählich die Idee, daß es einen systematischen Grund in der sprachwissenschaftlichen Begrifflichk eit geben müsse, der die bek lagten Widersprüche insgesamt erzeugt, und daß dieser in einer falschen Auffassung vom ›signe linguistique‹ liegen müsse, denn philosophisch und linguistisch bedeutsam ist die Sprache nicht unter dem Aspek t des Lautwandels, sondern allein als System von Zeichen. 3.3. Semiologische Skizzen: Die Notes item Ins Zentrum der Überlegungen Saussures rück t damit der traditionelle Begriff des sprachlichen Zeichens, die in Platons (427— 347 v. Chr.) (s. Art. 14) Cratylus erstmals umschriebene Vorstellung, seine Grundfunk tion bestehe darin, nichtsprachliche Objek te zu bezeichnen. Die vielzitierte Note onymique (Edition critique (fasc. 4) al. 3312.1 (N 15)) aus den Notes item beschreibt den Grund für die geradezu ›natürliche‹ Illusion, die mit der Auffassung der Sprache als simpler Nomenk latur verbunden ist. Es gibt tatsächlich „dans l’ensemble de la sémiologie“ den besonderen Fall eines Objek te bezeichnenden Sprachgebrauchs, „où il y a un troisième élément incontestable dans l’association psychologique du sème, la conscience qu’il s’applique à un être extérieur [...]“. Den ›Konstruk tionsfehler‹ der Linguistik sieht Saussure darin, diesen Sonderfall verallgemeinert zu haben. So sk izziert er einen ›Katalog fundamentaler Irrtümer‹: „1° Erreurs des signes pris chacun pour soi — Ou erreur de croire qu’une langue composée de 500 mots représente 500 signes + 500 significations. — Ou erreur de croire qu’on représente en rien le phénomène de la langue quand on se croit
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autorisé à dire ‘le mot et sa signification’, oubliant que le mot est entouré de (autres mots)“ (Edition critique (fasc. 4) al. 3313.1 (N 15)).
In einer an Ludwig Wittgenstein (1889— 1951) (s. Art. 39) erinnernden, sinnk ritisch zu nennenden Überlegung legt Saussure den Grundirrtum des auf der Konventionsanalogie aufgebauten Begriffs vom sprachlichen Zeichen frei: Weil nach dem Nomenk laturmodell die — in moderner Terminologie zu sprechen — Extension eines Eigennamens als gegeben vorausgesetzt werden k ann, scheint dies zu berechtigen, das Zeichen von seiner Bedeutung zu unterscheiden. Doch ist diese nur dann verständlich, wenn der betreffende Ausdruck in einen bestimmten Kontext anderer Ausdrück e eingebettet ist. Saussure umspielt hier den Sachverhalt, der für die durch Wittgenstein beeinflußte Sprachphilosophie des 20. Jahrhunderts zu einer fundamentalen Einsicht geworden ist: die Extension eines Begriffs ist nur feststellbar, wenn zuvor seine Intension verstanden wurde (vgl. Simon 1981, 72 ff und 134 ff). Die Begründung dieser These erfolgt in zweierlei Hinsicht: Einerseits ist die Betrachtung einer sprachlichen Form wie z. B. ‘νοήσομεν’ unter dem Aspek t des Lautwandels oder im Zusammenhang eines Flexionsparadigmas immer nur eine Abstrak tion von der ›normalen‹ Verwendungsweise der Form in der ›parole‹, in der sie immer eine bestimmte Sinnfunk tion erfüllt. Die formale Betrachtungsweise setzt ein Verständnis der Form ›dans le discursif‹ voraus. Andererseits ist die Bedeutung (sens, signification) eines Terms immer nur durch Rek urs auf andere Terme zu beschreiben. Keine Beschreibung k önnte jedoch jemals vollständige Synonymie zwischen beschriebenem und beschreibendem Ausdruck erzielen. In immer neuen Reflexionen legt Saussure in den Notes item den Sprache charak terisierenden entscheidenden Sachverhalt frei: Der Begriff einer sprachlichen Form impliziert stets den der Bedeutung, umgek ehrt der der Bedeutung stets den der Form; folglich sind beide Begriffe bezüglich der Kennzeichnung einer sprachlichen Einheit äquivalent. Dies macht die Unvergleichlichk eit des semiologischen Systems Sprache aus. Der traditionelle Begriff des ›signe‹, der stets als Zeichen für etwas verstanden wurde, ist daher gänzlich ungeeignet, ihren besonderen Charak ter zu k ennzeichnen, er ist geradezu systematisch irreführend. Saussure entwirft folglich in diesen Sk izzen eine Terminologie, die die mit der traditionellen semiotischen Begrifflichk eit verbun-
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denen Trugschlüsse vermeiden soll, indem sie in ihrem Grundbegriff die oben bezeichnete Äquivalenz zum Ausdruck bringt; an die Stelle des Terms ‘signe’ tritt der Term ‘sème’: „[...] le mot de sème écarte, ou voudrait écarter toute prépondérance et toute séparation initiale entre le coté vocal et le coté idéologique du signe. Il représente le tout du signe, c’est-à-dire signe et signification unis en une sorte de personnalité“ (Edition critique (fasc. 4) al. 3310.12 (N 15)).
Keine sprachliche Einheit existiert anders denn als ›sème‹, d. h. als eine Form, der wir insofern Bedeutung zusprechen k önnen, als wir sie zusammen mit anderen derartigen Formen zu sinnvollen, d. h. verstehbaren sprachlichen Ausdrück en im linearen Verband der ›parole‹ zusammensetzen. Eine Phonemfolge wie — /bd/ — dagegen ist weder im Französischen noch im Deutschen als ›sème‹ identifizierbar, weil es in beiden Sprachen k eine Einheiten x und y gibt, so daß x + /bd/ (bzw. /bd/ + x) und x + y (y + x) interpretierbare Formen wären. Jedes ›sème‹ ist jedoch ›signe conventionnel‹ (Edition critique (fasc. 4) al. 3310.11 (N 15)) — das Arbitraritätsprinzip bleibt bis zur letzten Vorlesung von 1910/11 das Grundprinzip der saussureschen Semiologie. Es hat jedoch einen rein negativen Sinn: Angesichts der oben bezeichneten Äquivalenz k ann es in bezug auf ein beliebiges ›sème‹ nur besagen, daß in der Form ‘a’ k ein Grund dafür liegen k ann, daß sie als ‘a’ interpretiert wird. Saussure k ommt so zu der scheinbar paradoxen Einsicht, daß ein ›sème‹ für sich allein k einerlei Bedeutung hat. Auf diesem für uns intuitiv uneinholbaren, nur logisch erschließbaren Sachverhalt beruht die eigentümliche Qualität der Sprache: „Il y a défaut d’analogie entre la langue et toute autre chose humaine pour deux raisons: 1° La nullité interne des signes. — 2° La faculté de notre esprit de s’attacher à un terme en soi nul“ (Edition critique (fasc. 4) al. 3316.1 (N 15)).
Erst diese Einsicht lenk t den Blick auf den entscheidenden zweiten, das ›sème‹ k onstituierenden Sachverhalt: es ist stets „signe faisant partie d’un système“ (Edition critique (fasc. 4) al 3310.11 (N 15)). Bedeutung gewinnt die sprachliche ›Form‹ erst dadurch, daß sie in systematischen Korrelationen zu anderen steht. Jedes ›sème‹ ist bezüglich aller Einheiten desselben Sprachsystems ›parasème‹. Die Verk nüpfung von sprachlichen Termen zu Parasemien ist der entscheidende sinnk onstituierende Tatbestand, und diese Verk nüpfung wiederum unterliegt einem zweiten semiologischen Grundprinzip, dem der ›unispatialité‹
(Edition critique (fasc. 4) al. 3316.2 ff (N 15)) oder — wie es im Cours genannt wird — dem der Linearität des Signifik anten (vgl. Godel 1969, 83; 85). Die moderne Sprachphilosophie wird die diesem Prinzip entsprechende Einsicht in den Satz prägen, daß der Name nur im Satzzusammenhang Bedeutung habe. Wird ein ›sème‹ aus dem Kontext einer Parasemie isoliert, z. B. in morphologischer Analyse, so verliert es damit per se seine Zeichenqualität, wird zum Abstrak tum, zum ›aposème‹ (Edition critique (fasc. 4) al. 3310.14 f; al. 3314.4 ff (N 15)). Damit ist die logische Struk tur des von Saussure sk izzierten Zeichenbegriffs hinreichend offengelegt: der Begriff des ›parasème‹ impliziert den des ›aposème‹. Der Grund wäre so gelegt für einen Übergang zur Morphologie und Syntax, deren Formen als notwendige Bedingungen zur Bildung interpretierbarer Parasemien zu entwickeln wären.
4.
Resultate: Die späten Vorlesungen
4.1. Die Notes der 90er Jahre sind Fragmente geblieben, Zeugnisse eines Denk ens, das sich k ein geringeres Ziel gesetzt hatte als die der Sprachwissenschaft seit Humboldt verlorengegangene Einheit von philosophischer und empirischer Sprachbetrachtung wiederzugewinnen. Ihr fragmentarischer Charak ter ist daher k ein Zufall; hier ging es um eine radik ale Neuorganisation der gesamten Disziplin. Saussures nie geschriebenes Buch über die allgemeine Sprachwissenschaft indiziert den sich ank ündigenden Paradigmenwechsel. Es bedurfte eines äußeren Anlasses, seine Konzeption der ›linguistique générale‹ zu formulieren: die ihm 1906 aufgetragene Verpflichtung, die von Joseph Wertheimer (1833—1908) bis dahin gehaltene Vorlesung über allgemeine Sprachwissenschaft fortzuführen. Auf dieser, sozusagen nebenbei erledigten Lehrverpflichtung beruht die wirk ungsgeschichtliche Bedeutung Saussures. Vorlesungsmitschriften der Schüler dok umentieren die Suche nach einer definitiven Form seiner Lehre. Während der erste Cours noch weitgehend Problemstellungen der vergleichenden Indogermanistik disk utiert, vollzieht sich der entscheidende Perspek tivwechsel mit der Konzeption des zweiten. Sie erinnert im Aufbau an die großen Schriften Humboldts: Die Einleitung entwick elt die sprachphilosophischen und theoretischen Grundlagen, im Anschluß daran folgt ein ›Aperçu de la linguistique indoeuropéenne comme introduc-
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tion à la linguistique générale‹ (vgl. Godel 1969, 66 ff). Der dritte Cours wechselt noch einmal die Reihenfolge dieser beiden Elemente, um ausgehend von einer Darstellung einzelner Sprachen zu einer die im zweiten Cours formulierten Prinzipien vertiefenden Disk ussion der theoretischen Grundlagen der Linguistik zu k ommen. — In diesen beiden Vorlesungen, insbesondere in der hochbedeutsamen Introduction des zweiten Cours, deren Nachschrift von Godel zu Recht separat publiziert worden ist (Godel 1957), wird man die Summe der Sprachphilosophie Saussures erblick en k önnen. Unter dem Konzeptionszwang der Vorlesung organisieren sich die in den Notes sk izzierten Einsichten zu einer logischen Grundlegung der Linguistik , die als solche bis heute k aum zur Kenntnis genommen worden ist — die Sprachwissenschaft nach Saussure bis hin zu Chomsk y ist dezidiert andere Wege gegangen. Mit äußerster Ök onomie werden die entscheidenden Gesichtspunk te entwick elt: Das Objek t der Linguistik ist dadurch definiert, daß es sich stets unter einem doppelten Aspek t präsentiert, „dont une partie ne vaut que par l’autre“ (Godel 1957, 7). Dies gilt für alle linguistischen Ebenen. Das Phonem existiert nur als ›unité complexe acoustico-vocale‹, d. h. als Verbindung von Lauteindruck und Artik ulationsbewegung. Ist nun mit dem ›son vocal‹ die Grundeinheit der Sprache gewonnen? Diese ist — so das Resultat der Notes, an dem Saussure festhält — nur als Zeichen denk bar; der Laut existiert nur als ›instrument de la pensée‹. Wie Humboldt, den Saussure gelesen hatte, dessen unmittelbarer Einfluß auf sein Denk en jedoch schwer zu belegen ist, begreift er die Sprache als ›bildendes Organ des Gedank en‹. Wie dieser, Herder oder später Wittgenstein sieht er jedoch das philosophische Problem der Wer k zeugmetapher: „[...] on risque de donner une indépendance au son en l’appelant ainsi“ (Godel 1957, 8), aber der Laut existiert nicht unabhängig vom Gedank en. Der entscheidende Tatbestand ist die Artik ulation. „La pensée, de sa nature chaotique, est forcée de se préciser [...] en des unités“ (Godel 1957, 37). Hier begegnet das berühmte, auch in der Textfassung des Cours überlieferte Bild der beiden für sich amorphen Massen von Laut und Denk en, die — wie in der Vereinigung von Wind und Wasser in der Welle — erst in ihrer Kombination eine deutliche Form ergeben. Materialisation des Denk ens und Formalisierung des Lautes sind, anders gesprochen, äquivalente Begriffe. Das
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›signe linguistique‹ ist also eine „k omplexe mentale und physiologische Einheit“, die ihrerseits von einer dritten impliziert wird, die im Dialog k onstituiert wird (Godel 1957, 8 f). Für diese — Saussure charak terisiert sie dadurch, daß sie eine individuelle und eine soziale Seite habe — hat John Langshaw Austin (1911—1960) den Begriff des rhetischen Ak ts geprägt. „La langue est faite pour communiquer avec ses semblables. Enfin, ce n’est que par la vie sociale que la langue reçoit sa consécration“ (Godel 1957, 8). Die ›langue‹ ist ein ›fait social‹, weil sie ein System von Zeichen ist, die in intersubjek tiver Kommunik ation artik uliert und verallgemeinert werden. Hieraus ergeben sich die zentralen Definitionen von ‘langue’ und ‘parole’, die Saussure selbst für die ›première vérité‹ seines Systems (vgl. Godel 1969, 30) gehalten hat: (1) „[...] la langue est un ensemble de conventions nécessaires adoptées par le corps social pour permettre l’usage de la faculté du langage chez les individus“. (2) „Par la parole on désigne l’acte de l’individu réalisant sa faculté au moyen de la convention sociale qui est la langue“ (Godel 1957, 10).
Wie schon in der Note über Whitney greift Saussure dessen Idee der Sprache als menschlicher Institution auf, um sie jedoch sogleich gegen gängige k onventionalistische Mißverständnisse zu sichern. Als sozialer Tatbestand ist die ›langue‹ vor allem ein System von Konventionen, die den Spielraum individuellen, k reativen Sprachgebrauchs absteck en. „Dans la parole, il y a une idée de réalisation de ce qui est permis par la convention sociale“ (Godel 1957, 10). Doch impliziert dieser Begriff eben nicht, wie etwa die These des platonischen Hermogenes, die Idee einer beliebigen Wahl des Zeichens. Denn weil dieses nur als artik ulierter Laut existiert, muß das Sprecherbewußtsein die geringste Modifik ation der Artik ulation als Zeichen einer Bedeutungsdifferenzierung interpretieren. 4.2. So existiert als Einheit der ›langue‹ nichts, sofern es nicht für das Bewußtsein der ›sujets parlants‹ eine Zeichenfunk tion hat, und mangels einer externen Zeichenbasis läßt sich jede Interpretation einer sprachlichen Einheit auf den Grundtatbestand ihrer Unterscheidung von anderen Einheiten desselben Systems zurück führen. Als Identität ist die ›unité complexe‹, von der Saussure eingangs gesprochen hatte, stets ›parasème‹, in der Terminologie der späten Vorlesungen ›Term, dem ein bestimmter Wert (valeur) zuk ommt‹. „[...] dans tout système comme la langue, il n’y a
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rien d’autre que des valeurs“ (Godel 1957, 48). Die bek annte Konzeption der ›langue‹ als eines Systems sich differentiell, d. h. aufgrund von Oppositionen bestimmender Terme ist so in die sprachphilosophische Idee dialogischer Sprachk onstitution eingebettet, die in ihren Grundzügen unverk ennbar auf die humboldtsche Dialek tik von Sprachorganismus und verbundener Rede zurück verweist, und wenn Saussure in dieser Vorlesung das Wertesystem explizit — unter Zurück weisung biologistischer Deutungen — als Organismus bezeichnet (Godel 1957, 42; 47), so wird man dies wohl als Anspielung auf Humboldt verstehen dürfen. Keinesfalls ist also die saussuresche Sprachphilosophie durch die Idee einer Autonomie der ›langue‹ geprägt, vielmehr durch die der Komplementarität von ›langue‹ und ›parole‹. Nur entzieht sich die letztere, da individuell, dem generalisierenden Zugriff der Sprachwissenschaft, während erstere als definierbares Objek t existiert: die ›consécration sociale‹ macht aus sprachlichen Zeichen überindividuell existierende, damit intersubjek tiv zugängliche Sachverhalte. Methodisch muß die synchronische strik t von der diachronischen Sprachbetrachtung unterschieden werden, weil erst durch die methodische Abstrak tion der sprachliche Sachverhalt in seiner vollen Komplexität darstellbar wird. Doch gilt ausnahmslos, daß ein Wert nur als Schnittpunk t zweier Ordnungen, der synchronischen, „équilibre déterminé des valeurs tel qu’il s’établit de moment en moment“, und der diachronischen, „déplacement des valeurs d’où qu’il (l’ordre, Ch. St.) provienne“ (Godel 1957, 56), denk bar ist. Zwar ist es möglich, einen bestimmten Zustand einer ›langue‹ zu beschreiben, doch ist jeder beliebige Zustand durch einen von diesem unterschiedenen vorhergehenden k onditioniert, wenn auch nicht geschaffen (Godel 1957, 60). Dies ist vielmehr die k ontinuierliche Arbeit der ›faculté du langage‹ in der Verfertigung der ›parole‹. Und diese ist, da die Analogie das grundlegende Verfahren ist, niemals durch Regeln vollständig determiniert. Die Idee einer generativen Syntax ist mit dieser Konzeption in der Tat schwer zu vereinbaren; soweit ist Chomsk y zuzustimmen. Die ›parole‹, nicht die ›langue‹, ist der Ort sprachlicher Kreativität. Zurecht unterscheidet daher Saussure den Satz als nicht vollständig determinierte syntagmatische Einheit, semiotisch zu sprechen als ›tok en‹, das k ategorial der ›parole‹ zuzuordnen ist, von der ›solidarité syntagmatique‹, dem ›type‹, etwa einer feststehenden Wendung, die
II. Personen
als Einheit natürlich der ›langue‹ angehört. „La valeur, ce n’est pas la signification“ (Godel 1957, 49). Dieser mit der traditionellen Saussure-Deutung schwer vereinbare Satz schließt systematisch ein ›struk turalistisches‹ Verständnis der in diesen Vorlesungen entwik k elten Konzeption aus. Saussure ist in seinem genuinen Anliegen, der Formulierung eines sprachphilosophischen Begründungsprogramms der Linguistik , verk annt, wenn man seine Lehre auf die Dok trin des Spiels der Differenzen verk ürzt. „C’est la différence qui rend significatif, et c’est la signification qui crée les différences aussi“ (Godel 1957, 76). Bedeutung (signification) gewinnt ein Term wie ‘honoris’ erst aufgrund seiner Funk tion im syntagmatischen Zusammenhang, in der ›parole‹, auf der Basis seiner Oppositionen zu ‘honor’, ‘honori’ usw. Was die Morphologie an verschiedenen ›Formen‹ eines Flexionsparadigmas beschreibt, sind tatsächlich nichts anderes als die Differenzen von Funk tionen. Es ist unschwer zu sehen, daß diese Konzeption den wittgensteinschen Grundsatz, daß die Bedeutung eines Wortes eine Funk tion seines Gebrauchs in der Sprache sei (vgl. Tugendhat 1976, 197 ff), im Zusammenhang des ks izzierten Begründungsprogramms bereits antizipiert, und tatsächlich ist eine vergleichbare Konzeption der sprachphilosophischen Fundierung linguistischer Kategorien erst wieder bei Austin (1975, 92 ff) entwick elt worden. Der Bedeutung erzeugende ›Sprachmechanismus‹ (Godel 1957, 78) beruht auf der Kombination zweier verschiedener Arten der Gruppierung von Termen, ihrer assoziativen Verk nüpfung aufgrund einer Ähnlichk eit im Gedächtnis und ihrer linearen Verk nüpfung in einem Syntagma. Das ganze Verfahren der Gedank en erzeugenden Rede beruht darauf, aus den assoziativ bereitgestellten Oppositionen diejenige auszuwählen und in einen disk ursiven Zusammenhang einzuordnen, die den Gedank en am präzisesten ›zum Ausdruck bringt‹. 4.3. Eine ›rationale‹ Theorie der Grammatik , insbesondere der Syntax, wäre so auf einer ›théorie de la syntagmatique‹ aufzubauen, die sich strik t an dem Gesichtspunk t orientierte, nichts als linguistische Einheit bzw. Form anzuerk ennen, dem nicht aufgrund seines systematischen Wertes eine signifik ative Funk tion zuk ommt. Nur dann k ann nämlich eine solche Form, mit Austin zu sprechen, notwendige Bedingung für das Gelingen eines
36. Ferdinand de Saussure (1857—1913)
Sprechak ts, ›acte de la parole‹, sein. Zu mehr als Sk izzen einer solchen Grundlegung der Disziplin ist Saussure in den späten Vorlesungen nicht mehr gelangt (vgl. dazu Stetter 1985). Wichtiger war ihm die Klärung der theoretischen Fundamente. So führt er im letzten Cours von 1910/11 die gesamte Systematik des Zusammenspiels von ›langue‹ und ›parole‹ auf die beiden k orrelativen Prinzipien der Arbitrarität des ›signe linguistique‹ und der Linearität des ›signifiant‹ zurück (vgl. Godel 1969, 82 ff). Die durch Emile Benveniste (1902—1976) initiierte Disk ussion des Arbitraritätsprinzips (vgl. Engler 1962) hat dieses in der Regel im Sinne des traditionellen Konventionalitätsprinzips mißverstanden und dadurch den ihm von Saussure zugemessenen systematischen Sinn verfehlt. Daß das sprachliche Zeichen ‘arbiträr’ genannt wird, besagt k eineswegs, daß es bezüglich einer bestimmten signifik ativen Funk tion beliebig wählbar wäre. Diesen k ruden Mißverstand hatte Saussure schon zu Beginn des zweiten Cours abzuwehren versucht (vgl. Godel 1957, 6). Es besagt eben nichts anderes, als daß der artik ulierte Laut seinen Wert im System nicht aufgrund einer internen phonemischen Qualität erhält, sondern ausschließlich aufgrund seiner Oppositionen zu anderen Termen. Diese aber werden im Sprachgebrauch etabliert. Die prinzipielle, radik ale Arbitrarität des sprachlichen Zeichens begründet somit logisch die Einsicht, daß der einzige Grund, einen bestimmten Term in bestimmter Weise zu verwenden, ihm also eine Bedeutung zu geben, in dem traditionell vorgegeben Sprachgebrauch liegt. Es verk nüpft also die Ebene der Synchronie mit der der Diachronie. In diachronischer Hinsicht ist der Wert eines Terms, damit er selbst, stets ›relativ motiviert‹. Andererseits ist maßgeblich für die Interpretation eines Terms allein sein synchronischer Gebrauch, dieser aber unterliegt — das hat der Struk turalismus in seiner systematischen Bedeutung völlig verk annt — dem Prinzip der Linearität des ›signifiant‹, ‘honoris’ ist ›in sich‹ nichts, völlig bedeutungslos; es charak terisiert lediglich einen bestimmten Wert im Flexionssystem des Lateinischen (vgl. Godel 1957, 77). ›Signifik ativ‹ wird es erst innerhalb eines bestimmten syntagmatischen Zusammenhangs. „Der Ausdruck hat nur im Satz Bedeutung“, wird Wittgenstein im Tractatus formulieren (3.314). Erst der Blick auf die k orrelative Funk tion beider semiologischer Prinzipien läßt das pragmatische Fundament der saussureschen Konzeption er k ennen:
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Sprachgebrauch impliziert eine fortwährende Interpretationsarbeit der sprechenden Subjek te, in der alle Elemente des jeweiligen Systems, mithin auch morphologische, syntak tische und semantische Struk turen, ausgeprägt, tradiert und k ontinuierlich verändert werden. Diese Quintessenz der Sprachphilosophie Saussures ist bis heute allenfalls ansatzweise in ihren systematischen Konsequenzen rezipiert, geschweige denn verstanden worden. Dabei wird erst durch die Beleuchtung der Vermittlungsarbeit der ›masse parlante‹ der Status des ›fait social‹ verständlich, den Saussure der ›langue‹ zuweist. — Mit dieser Charak terisierung der Sprache ist eine linguistische Konzeption angedeutet, in der der Struk turalismus seinem vermeintlichen Gründervater nicht gefolgt ist, nämlich die Konzeption einer historisch-sozialen, im sprachphilosophischen Sinne pragmatischen Begründung sprachlicher Kategorien auf der Basis der bezeichneten semiologischen Prinzipien. Theorien sprachlicher Universalien k önnen sich nicht auf Saussure berufen. Dort, wo sich — etwa im Syntax-Konzept Chomsk ys — innerhalb solcher Theorien sprachphilosophische und logische Aporien zeigen (vgl. Simon 1981, 109 ff) k önnte das Wiederank nüpfen an Saussures Überlegungen der nachstru k turalen Linguisti k philosophisch gangbare Wege weisen.
5.
Literatur in Auswahl
Engler 1962, Théorie et critique d’un principe Saussurien: l’arbitraire du signe, in Cahiers Ferdinand de Saussure 19. Godel 1957, F. de Saussure, Cours de linguistique générale (1908—1909). Introduction (d’après des notes d’étudiants), in Cahiers Ferdinand de Saussure 15. Godel 19692, Les sources manuscrites du Cours de linguistique générale de F. de Saussure. Jäger 1975, Zu einer historischen Rekonstruktion der authentischen Sprach-Idee F. de Saussures. Saussure 1968, Mémoire sur le système primitif des voyelles dans les langues indo-européennes [1879]. Saussure 1967 ff, Cours de linguistique générale. Edition critique par R. Engler [= Edition critique]. Saussure 1972, Cours de linguistique générale. Edition critique préparée par T. de Mauro. Scheerer 1980, Ferdinand de Saussure. Rezeption und Kritik.
Christian Stetter, Aachen (Deutschland)
II. Personen
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37. 1. 2. 3.
1.
Ernst Cassirer (1874—1945) Von der kritischen Philosophie zur Sprachphilosophie Sprache als symbolische Form Literatur in Auswahl
Von der kritischen Philosophie zur Sprachphilosophie
1.1. Einleitung Ernst Cassirers Werk e sind Ergebnis der Arbeit eines der wenigen Wissenschaftler, denen es gelungen ist, auf dem Gebiet sowohl der systematischen Philosophie als auch der Wissenschaftsgeschichte mit herausragenden Beiträgen hervorzutreten. Wenn letztere heute noch beifällig zur Kenntnis genommen werden, so existiert jedoch k aum eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Cassirers systematischem Ansatz, da dieser als ›neuk antianisch‹ und damit grundsätzlich als veraltet gilt. Je nach Blick wink el muß man dies als unbillige Reduzierung seiner theoretischen Leistung auf eine zeitweilige Schulzugehörigk eit bewerten (Krois 1987, 6; Bast 1991, XII) — in seinem Fall zum Marburger Neuk antianismus (Holzhey 1986; Bourel 1990; Ollig 1979) — oder aber als Verk ennung von Ak tualität und Mannigfaltigk eit (Köhnk e 1986) der neuk antianisch geprägten Richtungen ansehen, zu denen man beispielsweise mit nur wenig Mühe auch die Ansätze Gottlob Freges (1848—1925 (s. Art. 34) (Gabriel 1986) und Edmund Husserls (1859—1938) (s. Art. 46) (Kaufmann 1966) rechnen kann. Cassirer selbst versteht seine Etik ettierung als ‘Neuk antianer’ als Bek enntnis zu einer methodischen Verpflichtung Immanuel Kant (1724—1804) gegenüber: „Ich selbst bin oft als ‘Neu-Kantianer’ bezeichnet worden, und ich nehme diese Bezeichnung in dem Sinne an, daß meine gesamte Arbeit im Gebiete der theoretischen Philosophie die methodische Grundlegung voraussetzt, die Kant in der Kritik der reinen Vernunft gegeben hat“ (Cassirer 1939 b, 114).
Neben der Ank nüpfung an Kant prägt Cassirers Gesamtwerk außerdem vor allem der wiederholte Bezug auf Gottfried Wilhelm
Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23) (vgl. Ferrari 1988; Ranea 1986) und Johann Wolfgang von Goethe (1749—1832) (vgl. Bast 1991). Jeder Versuch einer zusammenfassenden Darstellung eines wesentlichen Aspek ts von Cassirers Werk — hier seiner Sprachphilosophie — ist vor verschiedene Darstellungsprobleme gestellt. Bei Cassirer sind die Arbeit als Wissenschaftshistorik er und die Arbeit an einem eigenständigen systematischen Programm aufs engste miteinander verbunden (Ferrari 1990, 114). „Die Geschichte wird zur Ergänzung und zum Prüfstein der Ergebnisse, die die inhaltliche Analyse und Reduk tion der Wissenschaften uns darbietet“, schreibt er schon früh (Cassirer 1974 a, 6) und k ommentiert dementsprechend auch seine Arbeit zu Anfang des dritten Bandes der Philosophie der Symbolischen Formen: „Wie in meinen früheren Arbeiten, so habe ich auch in dieser die systematische Betrachtung nicht von der historischen abzulösen versucht, sondern nach einem engen Zusammenschluß beider gestrebt. Nur in einer solchen ständigen Rück beziehung aufeinander k önnen beide sich wechselseitig erhellen und wechselseitig fördern“ (Cassirer 1982, VIII).
Demzufolge steht jeder Versuch, terminologische Zusammenhänge in Cassirers Texten darzustellen, vor dem Problem wechselnder Bezugnahme begrifflicher Zusammenhänge auf unterschiedliche Kotexte (vgl. Solmitz 1966). Beispielsweise verweist das Wort ‘Mythos’ bei Cassirer auf den Gegenbegriff zu ‘Logos’ in der antik en Philosophie (Cassirer 1983 b, 156), aber es k ann auch als Name einer symbolischen Form und damit — deren dreifacher Aspek tierung gemäß — als Bezeichnung einer Den k form, einer Anschauungsform oder einer Lebensform auftreten. Insbesondere zeigt sich, daß Cassirer zum Zweck der Erarbeitung einer eigenständigen systematischen Perspek tive stets auf seinerzeit ak tuelle Fragestellungen und Theoriebildungen in den Einzelwissenschaften zurückgreift. Diese Einbindung seines Werk s in den gesamtwissenschaftlichen Kontext k ann man als bewußte Fortsetzung eines der platonischen
37. Ernst Cassirer (1874—1945)
dialogischen Tradition verpflichteten philosophischen Programms verstehen, schreibt Cassirer doch: „Die wissenschaftliche Philosophie ist ihrer Natur nach dialogisch, und sie ist es schon seit ihren ersten Anfängen gewesen. Platon erk lärt, daß es k einen anderen Zugang zur Welt der ›Ideen‹gibt, als dadurch, daß wir ›einander Rede stehen in Frage und Antwort‹ [...]“ (Cassirer 1939 a, 4). Darüber hinaus stellen sich bei der Darstellung von Cassirers Sprachphilosophie natürlich auch die bek annten Probleme eines Nachvollzugs ihrer wachsenden Ausdifferenzierung und ihrer sich zuweilen verändernden systematischen Akzentuierung. Im folgenden wird versucht, bereits vorliegende Teillösungen dieser Darstellungsprobleme (Krois 1987; Neumann 1973) in der Hauptsache anhand einer k ommentierten Zusammenstellung zentraler Textpassagen aus Cassirers Werk en weiterzuführen, und zwar mit der Absicht, auf diesem Wege insbesondere die Einheit der sprachphilosophischen Bemühungen ihres Autors sichtbar zu machen. Begonnen wird dabei mit dem Versuch Cassirers, der Entstehung der humboldtschen Sprachphilosophie durch Herleitung aus typischen Fragestellungen der nachk antischen philosophischen Theoriebildung eine systematische Motivation zu verleihen und von daher ihre für ihn eine Vorbildfunk tion erfüllenden Grundgedanken vorzustellen. Eine Darstellung der Grundlagen und Ziele der ›Philosophie der Symbolischen Formen‹ sowie ein Überblick über Cassirers Wiedergabe der Behandlung der Sprache in der Wissenschaftsgeschichte schließen sich an. Danach wird eine Zusammenfassung der Cassirerschen ›Phänomenologie der sprachlichen Form‹, eines mit Kriterien für Grade unterschiedlicher Leistungsfähig k eit arbeitenden globalen Vergleichs sprachlicher Mittel, gegeben und seine Erörterung des Verhältnisses der symbolischen Formen Sprache und Mythos umrissen. Der Artik el schließt mit der Zusammenfassung von Cassirers Bemühen, gegenstandsk onstitutive Aspek te der Sprachverwendung bei seiner Auseinandersetzung u. a. mit Aphasieforschung, Entwic k lungspsychologie und Dichtung sowie unter Zuhilfenahme dem eigenen Spätwerk entnommener anthropologischer Thesen hervorzuheben. Aufgabe der Philosophie ist es für Cassirer, die im ›Streit der Wissenschaften‹ verborgenen jeweiligen Voraussetzungen in einer der
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›Einheit des Wissens‹ verpflichteten Darstellung sichtbar zu machen (vgl. Cassirer 1929, 31 ff): „What we demand and expect from philosophy is a synthesis of the various scientific efforts“ (Cassirer 1942, 309). Das immer wieder geäußerte Ziel einer Übersicht über das Ganze der Erk enntnis (Cassirer 1982, 55) soll jedoch ohne die Voraussetzung, „die man als die Voraussetzung der Homogeneität des Denk raums bezeichnen k önnte“ erreicht werden, Cassirer möchte „den Denk raum nicht mehr als homogen, sondern als prinzipiell heterogen ansehen“ (Cassirer 1929, 32). Die Einlösung dieser Absicht unternimmt er mit einem theoretischen Programm, das man aufgrund gewisser Analogien mit der Programmatik der zeitgleich zu Cassirers Hauptwer k en entstehenden Wissenssoziologie (vgl. Berger/Luck mann 1989, 1—20) als ‘Wissenssemiotik ’ (s. Art. 56) bezeichnen k önnte. Die folgende Feststellung Cassirers wäre dann als Grundthese dieser ›Wissenssemiotik ‹ zu verstehen: „der Gehalt, den eine einzelne Erk enntnis besitzt, läßt sich nicht losgelöst von ihrer besonderen Stelle im Ganzen, von den spezifischen geistigen Funk tionen, die sie aufbauen, bestimmen und aussprechen. Alles Fak tische erhält seinen k lar bestimmten Sinn erst durch die Bedeutungszusammenhänge, in denen es steht und durch die Bedeutungs-Kategorien, die es formen“ (Cassirer 1929, 32 f). 1.2. Kants Vernunftkritik und das Problem ihrer systematischen Darstellung Cassirers maßgebliches Vorbild für dieses wissenssemiotische Programm der Darstellung des Zusammenhangs zwischen ›Gehalt‹ einer Erk enntnis und ›spezifischen geistigen Funk tionen‹ ist die Vernunftk ritik Kants, die es unternommen habe, den ›Begriff des Gegenstandes‹ durch das ›Problem der Erk enntnisart‹ zu ersetzen, in der allein Objek tivität erreicht und begründet werden könne: „Lediglich in bestimmten Er k enntnisbedingungen und vermöge ihrer — vermöge der Formen des Raumes und der Zeit, der Größe und der Zahl, der Beharrlichk eit und der k ausalen Folge — läßt sich dasjenige definieren, was wir den Gegenstand nennen. Die Objek tivität bedeutet, als empirische Objek tivität der ‘Erscheinung’, die Darstellbark eit innerhalb dieser Grundordnungen, die, wie die Kritik weiterhin zu zeigen hat, nicht als unverbundene Einzelheiten nebeneinanderstehen, sondern als einheitliches System zu begreifen sind“ (Cassirer 1974 c, 4).
II. Personen
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Das auf diesem Wege entstehende ›System des Kritizismus‹ ist allerdings laut Cassirer „seiner Grundabsicht und Aufgabe nach ein anderes, als die vorangehenden metaphysischen Systeme. Das Resultat der Vernunftk ritik k ann nicht als ein fertiges Produk t in einer Mehrheit fester Lehrsätze von Anfang an hingestellt werden: denn es ist, was es ist, nur vermittelst des Weges, auf dem es erreicht, und vermittelst der Methode, k raft deren es begründet wird. Dieses Verfahren der Begründung geht im Ergebnis nicht unter: sondern es bildet im bestimmten Sinne die Totalität dieses Ergebnisses selbst“ (Cassirer 1974 c, 2).
Darüber hinaus sei bei Kant „dieser Gesamtaufbau des Wissens in seiner Ganzheit und in seiner Besonderheit [...] freilich nur ein Ideal, das die k ritische Philosophie aufstellt. Die Ausführung und Durchführung, die k onk rete Erfüllung dieses Ideals k ann sich nur im stetigen Fortgang der Wissenschaft selbst ergeben, nicht aber ein für alle Mal in einem abstrak ten Entwurf vorweggenommen und für immer festgestellt werden. Wo dennoch eine solche Feststellung versucht wird, da trägt sie notwendig, neben ihren allgemeingültigen Bestimmungen, gewisse provisorische und hypothetische Züge. Es drück t sich in ihr auf der einen Seite die besondere geschichtliche Problemlage der einzelnen Wissenschaften, auf der anderen Seite die besondere wissenschaftliche Interessenrichtung des philosophischen Kritik ers aus“ (Cassirer 1923 a, 105 f).
Der Argumentation Cassirers zufolge mußten Verfahrensbezogenheit und hypothetische Idealität des systematischen Kerns der k antischen Philosophie fast zwangsläufig mißverstanden werden. Jede Darstellung der transzendentalen Grundgedank en nämlich sehe sich in einen inneren Konflik t und Widerstreit gesetzt, denn sie müsse „ihre Ausdruck smittel aus dem Umk reis der Sprache und aus der Begriffswelt entnehmen, die ihr entspricht. Das charak teristische Moment dieser Begriffswelt aber liegt darin, daß sie in erster Linie für die Bezeichnung von Dingen und Dingverhältnissen geschaffen ist“ (Cassirer 1974 c, 4). Cassirer erläutert die nachteiligen Folgen dieses ›Kampfes zwischen Denk - und Darstellungsmotiven‹ innerhalb des ›k antischen Stils‹ am Grundbegriff der Synthesis, die „ihrer Grundbedeutung nach die Einheit eines Verschiedenen sein [soll]. Sie vollzieht eine notwendige Verk nüpfung von Momenten, die begrifflich nicht identisch und die somit nicht wechselseitig aufeinander reduzierbar sind. [...] Diese notwendige und unaufhebliche Sonderung aber verliert auf der anderen Seite sofort ihren eigentümlichen Wert, wenn sie dazu führt, die getrennten Bedeutungsmomente als isolierbare Teile zu behandeln, aus denen sich das Erfahrungsganze ›zusammensetzt‹. Denn auch damit wäre die ›Synthesis‹ um ihre eigentliche Lei-
stung gebracht. Sie würde ein bloßes Beisammen von Elementen bedeuten, das durchaus den Charak ter der empiristischen ›Assoziation‹ trüge, nicht dagegen eine wahrhafte Einheit des Begriffes und des ›Grundes‹ darstellte. Die Einzelglieder würden getrennten Sphären des Seins angehören und k önnten im ›Denk en‹ — das hierbei lediglich nach seinem psychologischen Begriff verstanden wäre — nur eine zufällige Verbindung eingehen. Für die k ritische Betrachtung der Grundgegensätze entsteht somit stets die Doppelaufgabe: eine unlösliche Korrelation zwischen Bestimmungen zu schaffen, ohne sie ihrem Begriffe nach ineinander aufgehen zu lassen. Je nachdem die eine oder die andere Seite dieser Aufgabe betont wird, muß offenbar eine verschiedene Nuancierung des Gedank ens selbst entstehen: und in dieser in der Sache selbst gegründeten Komplik ation liegt, wie sich im einzelnen zeigen wird, eine wesentliche geschichtliche Ursache der problematischen Lage, in der sich die Nachfolger Kants gegenüber seiner Kritik befinden. Die Gegensätze von Form und Materie, von Erfahrung und Wahrnehmung, von a priori und a posteriori lassen sich schließlich in einem gemeinsamen Ausdruck zusammenfassen, denn sie alle zielen auf eine neue Bestimmung des Verhältnisses des ›Allgemeinen‹ und ›Besonderen‹ ab“ (Cassirer 1974 c, 11).
Von der verdinglichenden Sprache somit irregeführt begibt sich die ›nachk antische Spek ulation‹ in Cassirers Darstellung (Cassirer 1914) auf die Suche nach einer Neubestimmung des Verhältnisses von Allgemeinem und Besonderem, auf die Suche nach dem ›Konk ret-Allgemeinen‹ und findet dieses, eher beiläufig bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770—1831) (Cassirer 1974 c, 314 f), aber schließlich zentral bei Wilhelm von Humboldt (1767—1835) (s. Art. 27) in der Sprache: „In ihr wird die wahrhafte Synthesis und die echte Versöhnung der großen metaphysischen Grundgegensätze erreicht. In ihr stellt sich der Geist in seiner reinsten Besonderung und in seiner vollk ommensten Allgemeinheit, als ein zugleich Begrenztes und Unbegrenztes, als ein zugleich Freies und Notwendiges dar. Hier zeigt sich daher nach Humboldt jenes Ideal eines Konk ret-Allgemeinen, mit welchem die gesamte nachk antische Spek ulation ringt, wahrhaft erreicht: hier ist ein Allgemeines, das nicht willk ürlich in der begrifflichen Reflexion ersonnen wird, sondern das sich in der individuellen geistigen Entwick lung selbst als ihr immanentes Ziel und zugleich als ihre treibende geistige Kraft darstellt“ (Cassirer 1923 a, 116).
1.3. Grundgedanken der Sprachphilosophie Humboldts 1.3.1. Es sind laut Cassirer „drei große prinzipielle Gegensätze“, die das Denk en Humboldts bestimmen und für die er in der Be-
37. Ernst Cassirer (1874—1945)
trachtung der Sprache einen k ritischen Ausgleich und eine spek ulative Versöhnung zu finden hofft“ (Cassirer 1985 a, 100): der Gegensatz zwischen individuellem und objek tivem Geist, der zwischen Sprache als Werk (Ergon) und Sprache als Tätigk eit (Energeia) und der Gegensatz zwischen Stoff und Form. Was Humboldts Auffassung bezüglich des ersten Gegensatzes betrifft, so durchdringen sich dort für Cassirer k antische und schellingsche Elemente (Cassirer 1985 a, 101). Die Sprache tritt überall als ›Vermittlerin‹ auf: „erst zwischen der unendlichen und endlichen Natur, dann zwischen einem und dem anderen Individuum — zugleich und durch denselben Ak t macht sie die Vereinigung möglich und entsteht aus derselben“, doch der Weg, den Humboldt „in der Aufweisung dieser letzten Einheit nimmt, ist nicht der Weg der intellek tuellen Anschauung“, denn Humboldt ziehe die sprachphilosophische Konsequenz aus Kants k ritischer Lehre, so daß die ›Subjek tivität der Sprache‹ nicht mehr als ›Schrank e‹ erscheine, „die uns von der Erfassung des gegenständlichen Seins trennt, sondern als ein Mittel der Formung, der ›Objek tivierung‹ der sinnlichen Eindrück e“ (Cassirer 1985 a, 102). Bei der Erk lärung, wie die Sprache Individualität und Objek tivität versöhnt, indem sie so dem Erk ennbaren als subjek tiv entgegensteht, aber auf der anderen Seite dem Menschen als objek tiv gegenübertritt, greife Humboldt auf Prinzipien der Philosophie von Leibniz zurück: „Wie für Leibniz das Universum nur in der Spiegelung durch die Monaden gegeben ist, wie jede derselben die Gesamtheit der Phänomene unter einem individuellen ›Gesichtspunk t‹ darstellt — und wie doch andererseits eben die Gesamtheit dieser perspek tivischen Ansichten und die Harmonie unter ihnen dasjenige ausmacht, was wir die Objek tivität der Erscheinungen, die Wirk lichk eit der phänomenalen Welt nennen; — so wird auch hier jede einzelne Sprache zu einer solchen individuellen Weltansicht, und erst die Totalität dieser Weltansichten macht den für uns erreichbaren Begriff der Objektivität aus“ (Cassirer 1985 a, 104).
Mit „der bek annten Humboldtschen Formulierung, daß die Sprache k ein Werk (Ergon), sondern eine Tätigk eit (Energeia) sei und daß daher ihre wahre Definition immer nur eine genetische sein k önne“ (Cassirer 1985 a, 105), liegt für Cassirer der zweite Grundgegensatz zugleich mit seiner Auflösung vor. Die aristotelische Unterscheidung ἔργον/ ἐνέργεια soll von John Harris (1666—1719)
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über Johann Gottfried Herder (1744—1803) (s. Art. 26) zu Humboldt gelangt sein (Cassirer 1985 a, 88). Auf das Auftreten von ›genetischen‹ oder ›k ausalen‹ Definitionen als Vorläufer eines bei Kant im Schematismusk apitel der Kritik der reinen Vernunft vorgeführten k onstruk tiven Verfahrens in der Mathematik (Cassirer 1974 b, 714 ff) verweist Cassirer in seinen historischen Darstellungen der philosophischen Positionen von Thomas Hobbes (1588—1679), von Baruch de Spinoza (1632—1677) (Cassirer 1974 b, 48 ff; 89 ff) und insbesondere von Leibniz (Cassirer 1974 b, 127 ff; 1962, 260): „Das Entscheidende des Gegensatzes von Synthesis und Analysis liegt in der Hervorhebung einer Funk tion der freien, k onstruk tiven Gestaltung des Inhalts im Unterschied zur bloßen nachträglichen Zergliederung eines Gegebenen. Diesen Begriff des ›Synthetischen‹ aber hat Leibniz in seiner Lehre von der ›k ausalen‹ Definition als Bedingung der Möglichk eit des Gegenstandes für die Mathematik entdeckt und gestaltet“ (Cassirer 1962, 534).
Genetische Definitionen (vgl. Krämer 1991) treten für Cassirer zum ersten Mal bei Aristoteles (384—322 v. Chr.) (s. Art. 15) (Cassirer 1982, 417) auf und sind das Paradigma, anhand dessen er auf die Verfahrensbezogenheit oder den Prozeßcharak ter der Synthesis, als dem ›Denk en und Tun‹ zugrundeliegenden ›bildenden Gestalten‹ (Cassirer 1985 d, 52), ja der ›Tätigk eit‹ des ›Geistigen‹ schlechthin aufmerk sam machen k ann. Wie für seinen Lehrer Paul Natorp (1854—1924) ist auch für ihn „alles Geistige [...] nur in seinem Werden [...], nur ›genetisch‹ zu erfassen und zu begreifen — aber mitten in diesem Werden enthüllt sich uns ein ›Urbildliches und Typisches‹, ein rein ideelles Sein“ (Cassirer 1925 b, 276). Cassirer zeigt in verschiedenen Texten (Cassirer 1932 a; 1932 d; 1973, 145 ff; 1975 a, 71 ff; 1989 a; 1991 a) daß für ihn Goethe das große Vorbild ist, sich mit einer derartigen Auffassung dem ›Geistigen‹ zu nähern: „Das Werden, das für Platon die Schrank e der Erk enntnis bedeutete, wandelt sich bei Goethe in eine Voraussetzung und in eine Form der Erk enntnis. Die Genesis hört auf, ein bloß negatives Moment, eine bloße Grenze des Seins und des Wissens zu bezeichnen: sie entfaltet ihre positive Kraft und Fruchtbark eit, indem sie sich als genetische Methode versteht und bewährt“ (Cassirer 1932 b, 114 f).
Das sich beim Nachvollzug einer Genese enthüllende ›Urbildliche und Typische‹ bezeichnet Goethe mit dem Begriff des ›Urphä-
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nomens‹, der sich für Cassirers Arbeiten — hier liegt eine ihrer auffallenden ›Familienähnlichk eiten‹ mit dem Werk Ludwig Wittgensteins (1889—1951) (s. Art. 39) (vgl. Schulte 1990 b) — als zentral erweisen wird: „Für Goethe [...] bedeutet der Begriff des Urphänomens eine letzte Synthese, weil in ihm zugleich ein Inhalt des Schauens und eine Grenze des Schauens bezeichnet ist“ (Cassirer 1932 b, 131).
Vor diesem Hintergrund muß Cassirers Wiedergabe von Humboldts Forderung gelesen werden, daß jede Betrachtung der Sprache als ein Prozeß der geistigen Formung, mit dem Objek tivität errungen (Energeia) und nicht abgebildet (Ergon) werde, ›genetisch‹ verfahren müsse, und zwar „nicht in dem Sinne, daß sie in ihrer zeitlichen Entstehung verfolgt und daß sie ihr Werden aus bestimmten empirisch-psychologischen ›Ursachen‹ zu erk lären versucht, sondern in dem Sinne, daß sie das fertige Gefüge der Sprachbildung als ein Abgeleitetes und Vermitteltes erk ennt, das erst verstanden wird, wenn es uns gelingt, es aus seinen Fak toren aufzubauen und die Art und Richtung dieser Fak toren zu bestimmen. Das Zerschlagen der Sprache in Wörter und in Regeln bleibt immer nur ein totes Machwerk wissenschaftlicher Zergliederung — denn das Wesen der Sprache beruht niemals auf diesen Elementen, die die Abstrak tion und Analyse an ihr herausstellen, sondern ausschließlich auf der sich ewig wiederholenden Arbeit des Geistes, den artik ulierten Laut zum Ausdruck des Gedank ens fähig zu machen“ (Cassirer 1985 a, 104).
1.3.2. Die k leinste Einheit der Sprache, an der diese ›Arbeit des Geistes‹ sichtbar zu machen ist, ist daher für Humboldt und Cassirer nicht das Wort, sondern der Satz, „denn in ihm erst enthüllt sich die ursprüngliche Kraft der Synthesis, auf der alles Sprechen wie alles Verstehen zuletzt beruht“ (Cassirer 1985 a, 105) (s. Art. 63). In seiner Erläuterung der Funk tion des dritten Gegensatzpaares bei Humboldt, der Unterscheidung zwischen Stoff und Form, zeigt Cassirer, daß dieser Primat des Satzes als ursprüngliche Spracheinheit schon bei Kant vorgeprägt sei: „So k önnen wir uns nichts als im Objek t verbunden vorstellen, ohne es vorher selbst verbunden zu haben, und unter allen Vorstellungen ist sie, die Verbindung, die einzige, die nicht durch Objek te gegeben, sondern nur vom Subjek te selbst verrichtet werden k ann. Um diese im transzendentalen Subjek t und seiner Spontaneität gegründete und doch streng ›objek tive‹, weil notwendige und allgemeingültige, Form der Verbindung zu k ennzeich-
II. Personen
nen, hatte sich Kant selbst auf die Einheit des Urteils und damit mittelbar auf die Einheit des Satzes gestützt“ (Cassirer 1985 a, 106).
Wie für Kant, so gehe auch für Humboldt der Stoff auf die Rezeptivität der Sinne, die Form auf die reine Spontaneität des Denk ens zurück, denn er verstehe die Form als „dasjenige, was nicht im Objek t (als dem ›Ding an sich‹) vorgefunden wird, sondern vom ›Subjek t selbst verrichtet‹ werden muß — aber diese Verrichtung erfolgt selbst nach einer allgemein gültigen Regel und besitzt demgemäß in ihrer Idealität zugleich realisierende Bedeutung. Indem der Einzelinhalt, k raft der sprachlichen Formgebung, nicht als solcher bezeichnet, sondern auf das Ganze der möglichen Inhalte bezogen und gemäß seiner Stellung in diesem Ganzen charak terisiert wird, wird er in dieser Beziehung auf die Einheit des denk enden Selbstbewußtseins auch erst nach seinem gegenständlichen Gehalt vollständig bestimmt“ (Cassirer 1923 a, 123 f).
Wie diese ›Verrichtung‹ in einer bestimmten Sprache erfolgt, bezeichne Humboldt als ›innere Form‹ dieser Sprache (vgl. Cassirer 1985 a, 256). Cassirer warnt vor dem Gebrauch dieses Begriffs der ›inneren Form‹ in der Sprachphilosophie, denn er scheine „statt eine bestimmte Lösung darzubieten, vielmehr zu ihren schwierigsten und meistumstrittenen Problemen zu gehören“ (Cassirer 1985 a, 256). Benutze man diesen Begriff beispielsweise als Grundlage zur Aufweisung der ›geistigen Weltansicht‹ einer Sprache, bewege man sich in einem Zirkel: „Denn auf der einen Seite erscheint hier die Sprache als das Vehik el für die Gewinnung jeglicher geistigen Weltansicht, als das Medium, durch welches der Gedank e hindurchgehen muß, ehe er sich selbst finden, ehe er sich eine bestimmte theoretische Form geben k ann — auf der anderen Seite aber muß eben diese Form, muß eine bestimmte theoretische Weltansicht schon vorausgesetzt werden, um die Besonderheit einer bestimmten Sprache, um die Art ihres Bemerk ens und Benennens verständlich zu machen“ (Cassirer 1983 a, 101 f).
Humboldts Unterfangen, eine Hierarchie der Sprachen mit den indoeuropäischen Sprachen an ihrer Spitze zu erstellen, wird folgerichtig auch von Cassirer abgelehnt (Cassirer 1942, 312 f), denn die Aufgabenstellung einer Philosophie der Sprache bestehe in der Erhellung eines spezifischen Mediums der Erk enntnis und nicht in dem Vergleichen zwischen einer Vielfalt innerer Formen jeweiliger Einzelsprachen: „Aber wenn die philosophische Analyse niemals den Anspruch erheben darf, die besondere Subjek tivität, die sich in den Sprachen ausdrück t, zu er-
37. Ernst Cassirer (1874—1945)
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fassen, so bleibt doch gleichsam die allgemeine Subjek tivität der Sprache für sie ein Problem. Denn wie die Sprachen sich untereinander durch je einen besonderen ›Standpunk t der Weltansicht‹ unterscheiden, so gibt es andererseits eine Weltansicht der Sprache selbst, k raft deren sie sich aus dem Ganzen der geistigen Formen heraushebt und in der sie sich mit der Weltansicht der wissenschaftlichen Erk enntnis, der Kunst, des Mythos teils berührt, teils sich gegen sie abgrenzt“ (Cassirer 1985 a, 257).
bundenen mittelbaren Verhältnisses zur ›Welt der Dinge‹ anstelle einer Philosophie des Seins liest Cassirer natürlich auch Kants k ritische Philosophie, deren auf den Gegenstand reiner Er k enntnisfun k tionen bezogene ›transzendentale‹ Mittelbark eit er allerdings, wie er in seinem programmatischen Aufsatz Goethe und die mathematische Physik (Cassirer 1989 a) erläutert, um bestimmte Formen der ›schöpferischen Tätigk eit des Geistes‹ erweitern will:
Für Medien der Erk enntnis nun wie dem der Sprache hat Cassirer sich einer mittlerweile untrennbar mit seinem Namen verk nüpften terminologischen Wendung bedient. Er nennt sie ‘symbolische Formen’.
„Denn die ›Copernik anische Drehung‹, von der Kant ausgeht, erstreck t sich ihrer wesentlichen Grundabsicht nach nicht lediglich auf die Gesamtheit der reinen Erk enntnisfunk tionen, überall wo eine schöpferische Tätigk eit des Geistes vorliegt, aus der eine bestimmte Seinsgestaltung hervorgeht, läßt sich fragen, ob in der Untersuchung und Analyse dieses Sachverhalts mit diesem ›Sein‹ begonnen oder ob auf das Tun selbst, als das eigentlich Ursprüngliche, zurück gegangen werden soll. Für Kant sind es wesentlich drei große Grund- und Hauptformen, in denen er diese Spontaneität des Geistigen im allgemeinen beschlossen und erschöpft sieht: der Autonomie des Logischen, die sich zum Begriff der Natur und der Naturerk enntnis entfaltet, steht die Autonomie des Sittlichen, die sich im Gedank en der Freiheit gründet, gegenüber, und beide vermitteln und versöhnen sich miteinander im Bereich der Kunst und der k ünstlerischen Selbsttätigk eit. Auch diese Dreiteilung erschöpft indessen nicht den gesamten Inbegriff der geistigen Energien und enthält nicht alle seine charak teristischen Gliederungen und Besonderungen. Wir brauchen, um dies zu zeigen, nur auf die Welt der Sprache, als bezeichnendes und prägnantes Beispiel zu verweisen“ (Cassirer 1989 b, 68).
2.
Sprache als symbolische Form
2.1. Grundlagen und Ziele einer ›Philosophie der Symbolischen Formen‹ 2.1.1. Cassirer hat seine eigene Philosophie als ‘k ritischen Idealismus’ (Cassirer 1979 b, 64 ff) bezeichnet. Damit stellt er sich in eine Tradition philosophischen Denk ens, deren Grundzug er wie folgt umschreibt: „Wo die realistische Weltansicht sich bei irgendeiner letztgegebenen Beschaffenheit der Dinge, als der Grundlage für alles Erk ennen beruhigt — da formt der Idealismus eben diese Beschaffenheit selbst zu einer Frage des Denkens um“ (Cassirer 1985 a, 4).
Idealistisches Gedank engut in systematischem Zusammenhang tritt für Cassirer zum ersten Mal in der Philosophie Platons auf, da bei Platon (ca. 427—347 v. Chr.) (s. Art. 14) das Sein, das bei den Vorsok ratik ern „in der Form eines einzelnen Seienden als fester Ausgangspunk t genommen wurde, zum erstenmal als Problem erk annt worden sei“ (Cassirer 1985 a, 4). Diese neue philosophische Fragestellung führe Platon zur zentralen Beschäftigung mit dem Bedeutungsproblem: „Man k ann sagen, daß der eigentliche Anfang der originalen Platonischen Lehre darin besteht, daß sich ihm das Verhältnis des Seinsproblems und des Bedeutungsproblems verschiebt: daß ihm das Bedeutungsproblem zur eigentlichen ἀρχή, zum Anfangspunk t des Philosophierens wird, während der Begriff des Seins nur als ein abgeleitetes Resultat, als Folgerung aus diesem Anfang erscheint. Damit tritt Platon von Beginn seiner Philosophie an zu der Welt der Dinge, zu dem Kosmos, auf den sich die gesamte bisherige Spek ulation bezog und auf den sie sich immer wieder zurück zog, in ein eigentümlich mittelbares Verhältnis“ (Cassirer 1925 c, 86).
Als Weiterführung der Aufdeck ung des mit dem Bedeutungsproblem so zwingend ver-
Im selben Aufsatz erfaßt Cassirer diese über Kant hinausweisenden ›geistigen Energien‹ auch zum ersten Mal mit der für sein gesamtes folgendes Werk maßgeblichen terminologischen Prägung symbolische Formen (zu früherem unterminologischen Auftreten der Wendung vgl. Orth 1988, 45) und weist dort bereits darauf hin, wie er sich deren systematische Erkundung vorstellt: „Da das ›Wirk liche‹ für uns, gemäß der idealistischen Einsicht, nicht anders als in diesen Funk tionen zu erfassen ist, da Sprache und Mythos, Kunst und Religion, da mathematisch-exak te und empirisch-beschreibende Erk enntnis für uns nur gleichsam verschiedene symbolische Formen sind, in denen wir die entscheidende Synthese von Geist und Welt vollziehen: so gibt es für uns ›Wahrheit‹ nur insofern, als wir jede dieser Formen in ihrer charak teristischen Eigenart begreifen und uns zugleich die Wechselbezüglichk eit vergegenwärtigen, in welcher sie mit allen anderen zusammenhängt. Will man die Darstellung dieser Zusammenhänge noch unter dem Begriff der ›Erk enntnistheorie‹ befassen,
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so nimmt doch jetzt dieser Begriff einen weiteren und umfassenderen Sinn an. Denn jetzt handelt es sich nicht nur um die Theorie und Methodik des wissenschaftlichen Denk ens, sondern um den Versuch eines Überblick s über alle Mittel und Wege, vermöge deren sich uns die Wirk lichk eit überhaupt zu einem bedeutungs- und sinnvollen Ganzen, zu einem geistigen Kosmos gestaltet“ (Cassirer 1989 b, 69 f).
Was die Arbeit an einem solchen Überblick , einer Art ›Grammatik der symbolischen Funk tion als solcher‹ (Cassirer 1985 a, 19), für die Aufgabenstellung der k ritischen Philosophie bedeutet, k onstatiert Cassirer zu Beginn des ersten Bandes der Philosophie der Symbolischen Formen: „Die Kritik der Vernunft wird damit zur Kritik der Kultur“ (Cassirer 1985 a, 11). 2.1.2. Die systematische Fassung dieser ›Kritik der Kultur‹, ein Problem, dessen Vorbild sich ebenfalls schon bei Platon im Sophistes unter dem Titel der κοινωνία τῶν γενῶν, „der systematischen ›Gemeinschaft‹ der reinen Ideen und Formbegriffe“ (Cassirer 1985 a, 28) findet, soll schließlich zu einem ›k omplexen System‹ führen: „Die verschiedenen Weisen der geistigen Formung werden als solche anerk annt, ohne daß der Versuch gemacht wird, sie einer einzigen, einfach-fortschreitenden Reihe einzuordnen. Und doch wird, gerade in einer solchen Ansicht, auf einen Zusammenhang der Einzelformen unter sich k eineswegs verzichtet, sondern es wird vielmehr umgek ehrt der Gedank e des Systems dadurch noch verschärft, daß an Stelle des Begriffs eines einfachen Systems der Begriff eines k omplexen Systems tritt. Jede Form wird sozusagen einer besonderen Ebene zugeteilt, innerhalb welcher sie sich auswirk t und in der sie ihre spezifische Eigenart völlig unabhängig entfaltet — aber gerade in der Gesamtheit dieser ideellen Wirk ungsweisen treten nun zugleich bestimmte Analogien, bestimmte typische Verhaltensweisen hervor, die sich als solche herausheben und beschreiben lassen“ (Cassirer 1985 a, 29).
Den so durch eine auf dem Verfahren der Analogiebildungen beruhende ›épistémologie comparée‹ (Nadeau 1990) angestrebten ›Begriff eines k omplexen Systems‹ erörtert Cassirer nicht explizit, aber er stellt die Frage, inwieweit sich ›der Inbegriff dieser Gestaltungen‹ als ein ›geschlossener Kosmos‹ denk en lasse: „Wenn sich ein Medium finden ließe, durch welches alle Gestaltung, wie sie sich in den einzelnen geistigen Grundrichtungen vollzieht, hindurchgeht und in welchem sie nichtsdestoweniger ihre besondere Natur, ihren spezifischen Charak ter bewahrt,
II. Personen
— so wäre damit das notwendige Mittelglied für eine Betrachtung gegeben, die dasjenige, was die transzendentale Kritik für die reine Erk enntnis leistet, auf die Allheit der geistigen Formen überträgt“ (Cassirer 1985 a, 16 f).
Ein zentrales Vorbild Cassirers für eine derartige ›transzendentale Kritik ‹ der ›Allheit der geistigen Formen‹ ist die Philosophie von Leibniz (Ferrari 1988, Ranea 1986), deren diesbezüglichen Plan einer universellen ›Charak teristik ‹, also einer Zeichenlehre, Cassirer so erläutert: „Denn das Zeichen ist k eine bloß zufällige Hülle des Gedank ens, sondern sein notwendiges und wesentliches Organ. Es dient nicht nur dem Zweck der Mitteilung eines fertiggegebenen Gedank eninhalts, sondern ist ein Instrument, k raft dessen dieser Inhalt selbst sich herausbildet und k raft dessen er erst seine volle Bestimmtheit gewinnt. Der Ak t der begrifflichen Bestimmung eines Inhalts geht mit dem Ak t seiner Fixierung in irgendeinem charak teristischen Zeichen Hand in Hand. So findet alles wahrhaft strenge und exak te Denk en seinen Halt erst in der Symbolik und Semiotik , auf die es sich stützt“ (Cassirer 1985 a, 18).
Cassirer verweist daneben vor allem auf Friedrich Theodor Vischer (1807—1887) (Vischer 1887) und Heinrich Hertz (1857—1894) (Hertz 1894), um seine die Philosophie der symbolischen Formen leitende zeichenphilosophische These zu stützen, daß eben mit dem „allgemeinen Charak ter symbolischer Gestaltung“ (Cassirer 1983 c, 174) ein „allumfassendes Medium gegeben“ sei, „in welchem alle noch so verschiedenen geistigen Bildungen sich begegnen“ (Cassirer 1985 a, 18 f), und gelangt so zu seiner Definition einer symbolischen Form: „Unter einer ›symbolischen Form‹ soll jede Energie des Geistes verstanden werden, durch welche ein geistiger Bedeutungsgehalt an ein k onk retes sinnliches Zeichen gek nüpft und diesem Zeichen innerlich zugeeignet wird. In diesem Sinne tritt uns die Sprache, tritt uns die mythisch-religiöse Welt und die Kunst als je eine besondere symbolische Form entgegen. Denn in ihnen allen prägt sich das Grundphänomen aus, daß unser Bewußtsein sich nicht damit begnügt, den Eindruck des Äußeren zu empfangen, sondern daß es jeden Eindruck mit einer freien Tätigk eit des Ausdruck s verk nüpft und durchdringt“ (Cassirer 1983 c, 175).
Die erste ausführliche Bearbeitung einer symbolischen Form erfolgt 1923 in dem Band Die Sprache. Es folgen 1925 Das mythische Denken und 1929 Die Phänomenologie der Erkenntnis. Wie Cassirer verschiedentlich erwähnt und 1944 in An Essay on Man ausführt, hält er überdies Kunst und Geschichte für symbolische Formen.
37. Ernst Cassirer (1874—1945)
Seiner Auffassung von der Heterogeneität des Denk raumes gemäß stellen sich für Cassirer die symbolischen Formen als „Urphänomene des Geistes dar, die sich zwar als solche aufweisen lassen, an denen sich aber nichts mehr ›erk lären‹, d. h. auf ein anderes zurück führen läßt“ (Cassirer 1983 b, 82). Eine ›passive Schau‹ dieser ›geistigen Wirk lichk eiten‹ lehnt Cassirer jedoch ab, er fordert stattdessen „sich mitten in ihre Ak tivität selbst“ zu versetzen (Cassirer 1985 a, 51). Gelingt es „der Philosophie der Kultur, solche Grundzüge zu erfassen und sichtbar zu machen, so hat sie damit ihre Aufgabe, gegenüber der Vielheit der Äußerungen des Geistes die Einheit seines Wesens zu erweisen, in einem neuen Sinne erfüllt — denn diese letztere erweist sich eben darin am deutlichsten, daß die Mannigfaltigk eit seiner Produk te der Einheit seines Produzierens k einen Eintrag tut, sondern sie vielmehr erst bewährt und bestätigt“ (Cassirer 1985 a, 51 f).
Das schon erwähnte Ziel eines ›k omplexen Systems‹ hat damit, wie die Forderung nach der ›Einheit des Wissens‹, für Cassirer den Status eines der Philosophie und insbesondere der der Kultur notwendig zugrundeliegenden ›Postulats‹ (Cassirer 1985 a, 7). Zwischen diesem Postulat und dem Anspruch, sich unter Zuhilfenahme bestimmter ›Analogien‹ (Cassirer 1985 a, 29) (s. Art. 85) in die einander heterogenen Formen des Geistes versetzen zu k önnen, zwischen der philosophischen Annahme einer Einheit des Geistes und dem Bemühen um die Mannigfaltigk eit seiner Ausprägungen vollzieht sich die Cassirersche ›Bewegung der Erk enntnis‹ (Cassirer 1974 a, 28), deren Verlauf zu einer Erweiterung des Begriffs der Erk enntnis selbst führt. 2.2. Von genetischer Erkenntnistheorie zur Phänomenologie der Erkenntnis 2.2.1. Im 1910 erschienenen Buch Substanzbegriff und Funktionsbegriff (Cassirer 1980 a) hatte Cassirer versucht, „die Grundverfassung der Erk enntnis und ihr k onstitutives Gesetz“ (Cassirer 1982 V), vor allem im Gebiet der Mathematik und der mathematischen Naturwissenschaft, aufzuweisen und mit einer neuen, nicht auf der Abstrak tion und damit letztlich auf dem Begriff der Substanz, sondern auf Verfahren der Reihenbildung und damit auf dem Begriff der Funk tion beruhenden Begriffslehre zu begründen (Neumann 1973, 131 ff; Ryck man 1991, 66 ff). Dort erläutert er auch, ausgehend von der Behauptung, „was eine bestimmte Wahrheit ›ist‹,
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k önnen wir uns [...] nicht anders verdeutlichen, als dadurch, daß wir sie gedank lich nacherzeugen, indem wir sie aus ihren einzelnen Bedingungen vor uns entstehen lassen“ (Cassirer 1980, 418), seine genetische (vgl. 1.3.1.) Ansicht der Erkenntnis: „Aber diese ›genetische‹ Ansicht der Erk enntnis bildet jetzt k einen Gegensatz mehr zu der Forderung eines dauernden Bestandes. Denn die Tätigk eit des Denk ens, auf die hier zurück gegangen wird, ist selbst nicht willk ürliche, sondern streng geregelte und gebundene Tätigk eit. Die funk tionale Betätigung des Denk ens verlangt und findet ihren Halt in einer idealen Struk tur des Gedachten, die ihm unabhängig von jedem besonderen zeitlich begrenzten Denk ak t ein für alle Mal zuk ommt. Beide Momente bestimmen erst in ihrer Durchdringung den vollständigen Begriff der Erk enntnis. Das Ganze unserer intellek tuellen Operationen ist gerichtet und gespannt auf die Idee eines ›stehenden und bleibenden‹ Geltungsbereichs objek tiv notwendiger Beziehungen. So zeigt sich, daß jedes Wissen gleichsam ein statisches und ein dynamisches Motiv in sich birgt und erst in dieser Vereinigung seinen Begriff vollendet. Es verwirk licht sich nur in einer Aufeinanderfolge logischer Ak te, in einer Reihe, die successiv durchlaufen werden muß, damit wir uns der Regel ihres Fortschrittes bewußt werden“ (Cassirer 1980 a, 418 f).
Es hieße nun den Anspruch von Cassirers philosophischer Arbeit mißverstehen, reduzierte man die theoretische Bedeutung seines Werk es nach Substanzbegriff und Funktionsbegriff nur auf den Versuch, nach der Auseinandersetzung mit den exak ten Wissenschaften auch Herr der Fülle des ihm vor allem durch seine Kontak te zur Bibliothek Warburg zur Verfügung stehenden vorwiegend k ulturgeschichtlichen Materials zu werden (Jesinghausen-Lauster 1985). Denn es ist deutlich, daß es Cassirer auch bei der Bearbeitung der symbolischen Formen um Erk enntnisleistungen geht, jetzt allerdings nicht mehr als nur Produk t erfolgreicher Wissenschaften, sondern als von geistigen Tätigk eiten hervorgerufenen ›Phänomenen‹: „Die Philosophie der symbolischen Formen will k eine Metaphysik der Erk enntnis, sondern eine Phaenomenologie der Erk enntnis sein. Sie nimmt dabei das Wort: ‘Erk enntnis’ im weitesten und umfassendsten Sinne. Sie versteht darunter nicht nur den Ak t des wissenschaftlichen Begreifens und des theoretischen Erk lärens, sondern jede geistige Tätigk eit, in der wir uns eine ›Welt‹ in ihrer charak teristischen Gestaltung, in ihrer Ordnung und in ihrem ›So-Sein‹, aufbauen“ (Cassirer 1983 b, 208).
Bei dem Versuch, diese Welten gestaltenden geistigen Tätigk eiten zu bestimmten Typen zusammenzufassen, treten nicht weiter aufein-
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ander reduzierbare ›Urphänomene‹ hervor. Eben dies sind die symbolischen Formen. Die im Zuge ihres Gebrauchs hervorgebrachten ›Welten‹, deren Gesamtheit Cassirer ‘Kultur’ nennt (vgl. Orth 1989; 1990), existieren nur im gemeinsamen menschlichen Vollzug der geistigen Tätigk eiten — verk ürzt gesprochen als Produk te des ›Geistes‹. Denn die Kultur ist für Cassirer eine intersubjek tive Welt, eine Welt, „die nicht in ›mir‹ besteht, sondern die allen Subjek ten zugänglich sein und an der sie alle teilhaben sollen. Aber die Form dieser Teilhabe ist eine völlig andere als in der physischen Welt. Statt sich auf denselben raum-zeitlichen Kosmos von Dingen zu beziehen, finden und vereinigen sich die Subjek te in einem gemeinsamen Tun. Indem sie dieses Tun miteinander vollziehen, erk ennen sie einander und wissen sie voneinander im Medium der verschiedenen Formwelten, aus denen sich die Kultur aufbaut“ (Cassirer 1980 b, 75).
Die hier oder bei Cassirers Erläuterung seiner ›genetischen Erk enntnistheorie‹ auffallende Betonung des ›Tuns‹ oder der ›Tätigk eit‹, deren Parallelen in Cassirers historischen Arbeiten sich schon bei seiner Erörterung von ›genetischen Definitionen‹ oder Humboldts Begriff der ›Energie‹ fand, ist ein Grundcharak terzug seiner Philosophie. Für Cassirer bildet „nicht das bloße Betrachten, sondern das Tun [...] den Mittelpunk t, von dem für den Menschen die geistige Organisation der Wir k lich k eit ihren Ausgang nimmt“ (Cassirer 1977, 187; vgl. Cassirer 1947). Diese ›Tätigk eits‹- oder Verfahrensbezogenheit seiner Philosophie, die sich von der k antischen ›Synthesis‹ (c. f. 1.2.) herleitet, aber vorwiegend mit dem Auftreten des Begriffs ‘Funk tion’ und weniger des Begriffs ‘Handlung’ verbunden ist, hat es sogar angemessen erscheinen lassen, sie den ›pragmatischen Tendenzen‹ in der deutschen Philosophie der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zuzurechnen (vgl. Gethmann 1987; Fellmann 1991, 16 ff). Außerdem bildet sie die Grundlage von Versuchen, Ähnlichk eiten seiner Symboltheorie mit der Semiotik von Charles Sanders Peirce (1839— 1914) (s. Art. 32) (vgl. Krois 1981; Paetzold 1981, 312 f) und seiner Wissenschaftstheorie mit derjenigen von John Dewey (1859—1952) (Kaufmann 1966, 140 ff) herauszuarbeiten. 2.2.2. Auch innerhalb der Phänomenologie der Erkenntnis wird die Verfahrensbezogenheit des Cassirerschen Denk ens aufrechterhalten,
II. Personen
insofern dort versucht wird, „diese Erk enntnis nicht sowohl in ihrem Ergebnis, in ihrem bloßen Produk t, sondern in ihrem reinen ProzeßCharak ter, in der Art und Form des ›Procedere‹ selbst zu verstehen“ (Cassirer 1982, VII). Darüber hinaus k ommt die Verfahrensbezogenheit in Cassirers Arbeitsweise auch da deutlich zum Vorschein, wo er seine Vorstellungen von dem der Philosophie angemessenen Medium beschreibt. Der Philosophie ist „das Paradies der reinen Unmittelbark eit“ verschlossen, und sie vollendet sich „erst in der Schärfe des Begriffes und in der Helle und Klarheit des ›disk ursiven Denk ens‹“ (Cassirer 1985 a, 51). Dabei ist, was auch Cassirers eigener Schreib- bzw. Denk stil verdeutlicht — er verfährt fast vollk ommen ohne Definitionen — die Disk ursivität der Schärfe des Begriffs insoweit vorgeordnet, als jede philosophische Bildung eines Begriffs im Vollzug der jeweiligen ihr entsprechenden ›Reihe‹ oder ›Richtung‹ notwendig diskursiv verfährt, „d. h. sie geht vom besonderen Fall aus, aber nicht um sich in ihn als solchen zu versenk en und in seiner Anschauung stehen zu bleiben, sondern um von ihm aus das Ganze des Seins in bestimmten Richtungen, die eben der empirische Begriff bezeichnet und festlegt, zu durchlaufen. In diesem Prozeß des Durchlaufens, des disk ursiven Denk ens empfängt nun auch erst das Einzelne seinen theoretisch fixierten ›Sinn‹ und seine Bestimmtheit“ (Cassirer 1983 b, 95).
Wenn Cassirer die Philosophie der symbolischen Formen als ‘Phänomenologie der Erk enntnis’ bezeichnet, so bezieht er sich damit ausdrück lich auf Hegels Projek t einer ›Phänomenologie des Geistes‹, denn dort sei am schärfsten ausgesprochen, „daß das Ende, das ›Telos‹ des Geistes nicht erfaßt und nicht ausgesprochen werden k ann, wenn man dasselbe als ein für sich bestehendes, wenn man es losgelöst und abgesondert von Anfang und Mitte nimmt“ (Cassirer 1982, VII). Das für Cassirer offene ›Ende‹ des Geistes ist die Wissenschaft seiner Zeitgenossen; den ›Anfang‹ exemplifiziert für ihn die Welt des Mythos. Die philosophische Grundlage dieses rudimentären Entwick lungsmodells ist allerdings k eine Geschichtsphilosophie wie die beispielsweise Hegels, die Cassirer unmißverständlich k ritisiert (Cassirer 1974 b, 368 f; Cassirer 1985 g, 330 ff). Cassirer erachtet mythisches Denk en nicht als vom wissenschaftlichen Fortschritt überholt, er betrachtet es vielmehr als einen ständigen und in gewissem Sinne unwiderlegbaren Gegenpol philosophischen Denkens (Cassirer 1985 g, 390).
37. Ernst Cassirer (1874—1945)
Den rudimentären Entwic k lungsbegriff, der es Cassirer dennoch ermöglicht, mythisches Denk en als ›Anfang‹ für immer wieder neu ansetzende Versuche wissenschaftlichen Denk ens zu behandeln, erarbeitet er in einer Art Entwick lungspsychologie bzw. -semiologie, die Ähnlichk eiten mit den Arbeiten Jean Piagets (1896—1980) aufweist (Fetz 1981; 1988). Die Erweiterung des Erk enntnisbegriffs nach Substanzbegriff und Funktionsbegriff ist nämlich auch mit einer verstärk ten Hinwendung Cassirers zur zeitgenössischen Psychologie verbunden, denn, so Cassirer: „Die Systematik des ›objek tiven Geistes‹, deren Entwick lung zu den Grund- und Hauptaufgaben der Philosophie gehört, verlangt fort und fort den Hinblick auf jene Probleme des ›subjek tiven Geistes‹, von denen die Psychologie handelt“ (Cassirer 1985 f, 162 f). So setzt sich Cassirer außer mit Wundt (vgl. Peters 1983; s. Art. 31.8) vor allem mit den gegen den psychologischen Atomismus gerichteten Forschungen der zeitgenössischen Gestaltpsychologie und den entwick lungspsychologischen Arbeiten seiner Hamburger Kollegen William Stern (1871—1938), Clara Stern (1877—1945) sowie Heinz Werner (1890— 1964) auseinander. Daneben unterhält er einen regen geistigen Austausch mit seinem Cousin, dem Psychiater Kurt Goldstein (1878—1965) und erweitert ab den späten zwanziger Jahren seine Beschäftigung mit dem Sprachpsychologen Karl Bühler (1879— 1963) (s. Art. 38) (Toni Cassirer 1981, 254). Das Ergebnis dieser Kontak te ist unter anderem Cassirers Hervorhebung einer Trichotomie von Fähigk eiten, denen eine Trichotomie von Symbolfunk tionen zugrunde liegt: der Wahrnehmung die Ausdruck sfunk tion, der Anschauung die Darstellungsfun k tion und dem begrifflichen Erk ennen die Bedeutungsfunk tion. Damit glaubt Cassirer einen allgemeinen Plan der ›ideellen Orientierung‹ zu besitzen, „innerhalb dessen wir nun gewissermaßen die Stelle jeder symbolischen Form bezeichnen k önnen. Freilich nicht in dem Sinne, daß diese Stelle ein für alle Mal fixiert, daß sie innerhalb dieses Grundplans durch einen festen Punkt zu bezeichnen wäre. Vielmehr ist es für jede Form bezeichnend, daß sie in verschiedenen Phasen ihrer Entwick lung, in den verschiedenen Stadien ihres geistigen Aufbaues, sich zu den drei Grundpolen, die wir hier auszuzeichnen versuchten, verschieden verhält. Sie rück t in dieser Entwick lung von Ort zu Ort — und sie erfüllt erst in dieser Bewegung und k raft ihrer den Kreis des Seins und den Kreis des Sinnes, der ihr
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zugemessen ist. In ihr gelangt sie zu ihrer immanenten Vollendung, wie auch zu ihrer immanenten Begrenzung“ (Cassirer 1985 c, 11).
2.2.3. Die idealtypische mythische Welt als Lebensform k ann, bezogen auf dieses Orientierungssystem, systematisch ›früher‹ als die wissenschaftliche Welt genannt werden, weil der zu ihrem Aufbau bevorzugt verwendeten Symbolfun k tion, nämlich der Ausdruc k sfunk tion, entwick lungspsychologisch — also nach den Kriterien einer Wissenschaft wiederum — die früheste Fähigk eit, und zwar die der vom Gegenstandsbegriff noch ungezähmten Wahrnehmung, entspricht. Es ist vor allem diese der Beschäftigung Cassirers mit mythischem Denk en zugrundeliegende methodische Voraussetzung, die ein halbes Jahrhundert später zu der mit seinem methodischen Vorgehen stark e Parallelen aufweisenden und in diesem Zusammenhang nicht zufällig auf Piaget beruhenden (Fetz 1981; 1988) Studie Foundations of primitive thought des Ethnologen Christopher Hallpik e geführt hat (Hallpike 1979). Aber auch wenn Cassirer so den Mythos nicht nur historisch, sondern auch systematisch als ›gemeinsamen Mutterboden‹ (Cassirer 1983 b, 112) aller symbolischen Formen bezeichnen k ann, ist für ihn ein die Gesamtheit dieser Formen umfassender Entwick lungszusammenhang nicht re k onstruierbar: „Die Gesamtheit der möglichen Objek tivationsstufen des Geistes läßt sich nicht auf eine einzige Gerade projizieren, ohne daß in dieser schematischen Abbildung wesentliche Züge verdunkelt werden“ (Cassirer 1982, 64). Sogar innerhalb einer einzigen symbolischen Form ist laut Cassirer jeder derartige Versuch, wie er am Beispiel der Sprache k lar herausstellt, unstatthaft: „Aber so wenig sich in der tatsächlichen Wirk lichk eit der Sprache der sinnliche Ausdruck scharak ter und das logische Bedeutungsmoment voneinander abtrennen lassen, so ist doch der rein funk tionelle Unterschied, der zwischen beiden besteht, unverk ennbar. Jeder Versuch, das zweite Moment in das erste aufzulösen oder es genetisch aus ihm ableiten zu wollen, bleibt vergeblich. Auch rein entwick lungspsychologisch betrachtet wächst die Funk tion der ›Darstellung‹ nicht stetig aus Bildungen, die der bloßen Ausdruck ssphäre angehören, hervor, sondern stellt ihnen gegenüber immer ein spezifisch Neues, einen entscheidenden Wendepun k t dar“ (Cassirer 1982, 130).
Für Cassirer liegt eine der entscheidenden Leistungen der Philosophie der symbolischen Formen eben darin, solche Wendepunk te und
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damit die schon angesprochene ›Heterogenität‹ des Denkraums sichtbar zu machen: „Denn eben dies ist es, was die ‹Philosophie der symbolischen Formen‹ gezeigt und was sie von den verschiedensten Seiten her immer aufs neue bestätigt hat, daß sich alles geistige Leben und alle geistige Entwick lung nicht anders als in solchen Umbildungen, in derartigen intellek tuellen Metamorphosen vollziehen kann“ (Cassirer 1985 a, 482).
Den Begriff der Metamorphose bezieht Cassirer von Goethe (Cassirer 1973, 145 ff; 1991 b, 63 ff; 1991 c, 101 ff), zur Bezeichnung des gleichen Sachverhalts benutzt er überdies häufig die Wendung ‘μετάβασις εἰς ἄλλο γένος’ (Orth 1985, 193 f), so zum Beispiel, wenn er betont, „[d]aß jede echte Entwick lung im Grunde immer eine μετάβασις εἰς ἄλλο γένος ist, die wir zwar aufweisen, aber nicht mehr k ausal erk lären k önnen“ (Cassirer 1980 b, 102). Cassirers Standardbeispiel für die der individuellen Sprachfähigk eit zugrundeliegende Metamorphose ist der Bericht, den die Lehrerin der taubblinden Hellen Keller über den ersten Durchbruch des ›Sprachverständnisses‹ ihres Zöglings gegeben hat (vgl. Cassirer 1982, 131 f; 1990, 60 ff). Von ihren primitivsten Gestaltungen bis hinauf zu ihren höchsten Stufen ist die Sprache nach Cassirer „im rein Ausdruck smäßigen gegründet“ (Cassirer 1985 c, 11 f). Doch als Ganzes k onstituiert und vollendet sie sich erst, „indem sie über dieses Motiv hinausschreitet“ (Cassirer 1985 c, 12). „So geht die Sprache vom Ausdruck ssinn zum reinen Darstellungssinn fort — und sie strebt von diesem beständig dem ›dritten Reich‹, dem Reich der reinen Bedeutung zu“ (Cassirer 1985 c, 13). Dieser Entwick lung der Sprache in ihrer Cassirerschen Beschreibung wird im folgenden nachgegangen, wobei wie bei Cassirer der eigentlichen Phänomenologie der Sprache die Geschichte ihrer wissenschaftlichen Erforschung vorangestellt wird. 2.3. Die Sprache in der Geschichte ihrer wissenschaftlichen Behandlung 2.3.1. Dem Einfluß der Sprache auf die Geschichte der Wissenschaft hat Cassirer einen eigenen Aufsatz gewidmet (Cassirer 1942), die Geschichte der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Sprache schildert er am umfassendsten in dem der Sprache gewidmeten ersten Band der Philosophie der symbolischen Formen. Der ›Begriff der Sprache als Einheit‹ werde
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zuerst in mythischer Form k onzipiert: „Für die vedische Religion bildet die geistige Kraft des Wortes eines der Grundmotive, aus dem sie erwächst; das heilige Wort ist es, das in dem Gebrauch, den der Wissende, der Priester, von ihm macht, zum Herrn über alles Sein, über Götter und Menschen wird“ (Cassirer 1985 a, 57). Auch der dann in der griechischen Spek ulation auftauchende Begriff des ›Logos‹ scheine noch mythischen Ursprungs zu sein, erweise sich dann aber bei Herak lit (ca. 500 v. Chr.) als philosophischspek ulative Grundlage der „einheitlichen und unverbrüchlichen Gesetzlich k eit des All“ (Cassirer 1985 a, 58). Bei den Nachfolgern Herak lits falle diese metaphysische Intuition „in der disk ursiven Betrachtung und Behandlung des Sprachproblems in heterogene Bestandteile, in einander widerstreitende logische Einzelthesen auseinander“ (Cassirer 1985 a, 60). Insbesondere stelle sich die vor allem in der Sophistik ausgefochtene Frage, ob „zwischen der Sprachform und der Seinsform, zwischen dem Wesen der Worte und dem der Dinge, ein natürlicher oder nur ein vermittelter und k onventioneller Zusammenhang“ (Cassirer 1985 a, 61) bestehe (s. Art. 62). Sok rates (ca. 470—399 v. Chr.) schließlich erfasse am Wort „die Bestimmtheit und Eindeutigk eit, die freilich nicht als Tatsache in ihm gegeben ist, wohl aber als latente Forderung in ihm liegt. Die vermeinte Einheit der Wortbedeutung wird ihm zum Ausgangspunk t, an dem seine charak teristische Frage, die Frage nach dem τί ἔστι, nach dem identischen und in sich beharrenden Sein des Begriffs einsetzt“ (Cassirer 1985 a, 61 f). Im Kratylos Platons und insbesondere in seinem Siebten Brief werde dann zum erstenmal in der Geschichte des Denk ens der Versuch gemacht, den „Erk enntniswert der Sprache in rein methodischem Sinne zu bestimmen und zu umgrenzen“ (Cassirer 1985 a, 64). Dabei werde die Sprache zwar nur als ein „erster Anfangspun k t der Er k enntnis“ aner k annt, aber eines ihrer Grundmomente „zum ersten Mal in seiner prinzipiellen Bestimmtheit“ erk annt: „Alle Sprache ist als solche ›Repräsentation‹; ist Darstellung einer bestimmten Bedeutung durch ein sinnliches ›Zeichen‹“ (Cassirer 1985 a, 64). In der Logik des Aristoteles berühren sich „die Analyse der logischen und die der sprachlichen Formen“ eng (Cassirer 1985 a, 66). „Die logische und die grammatische Spek ulation schienen daher hier einander durchgängig zu entsprechen und sich wechselseitig
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zu bedingen — wie denn das Mittelalter im Anschluß an Aristoteles an dieser Entsprechung festgehalten hat“ (Cassirer 1985 a, 66 f) (s. Art. 4). Die Sprachreflexion in der Renaissance behandelt Cassirer in dem Essay Die Bedeutung des Sprachproblems für die Entstehung der neueren Philosophie (1927), wo er drei dort anzutreffende Hauptrichtungen, sich in die Welt der Sprache zu vertiefen, anführt: den Humanismus, die Sicherung des Rechts der Volk ssprache und die Sprachtheorie des Nicolaus Cusanus (1401—1464). Die ›universale Bedeutung‹ des Humanismus sucht Cassirer an der Tatsache, „daß ihm die Beschäftigung mit der Sprache und mit den literarischen Denk mälern der Vorzeit nicht Selbstzweck bleibt, sondern daß aus seinem Schulbegriff heraus ein neuer Weltbegriff und ein neuer Begriff vom Menschen“ erwachse (Cassirer 1927, 508), herauszustellen. An die von Francesco Petrarca (1304—1374) und Lorenzo Valla (1407—1457) verfochtene Vorbildhaftig k eit des k lassischen Latein werde allerdings bald unter anderem von seiten der empirisch-wissenschaftlichen Naturerk enntnis der Renaissance die Frage gestellt, ob sich „die lebendige Entwick lung des Denk ens in die Formen einer fertigen Sprache einschnüren“ lasse. So drängten „die Empirie, die Mathematik und die Technik [...] zur Befreiung von jener Weltherrschaft des Latein [...]. Sie schaffen sich jetzt geradezu für ihre eigenen ideellen Aufgaben und Bedürfnisse das neue Werk zeug der nationalen Sprachen“ (Cassirer 1927, 510). Bei Cusanus werde durch die Sprachtheorie der spek ulative und der mathematischk osmologische Teil seines Werk s zusammengehalten: „Wo immer Cusanus die Beziehung zwischen der Sinnenwelt und der intelligiblen Welt zu verdeutlichen sucht, greift er auf das Urphänomen des Sprechens und Verstehens zurück , an dem sich nach ihm diese Beziehung unmittelbar erhellt“ (Cassirer 1927, 513). 2.3.2. Nach Cassirer wird schon in der Renaissance innerhalb der reinen Sprachphilosophie die Orientierung an der Grammatik von einer auf die Systematik der Mathematik bezogenen Auffassung der Sprache bedrängt. In der Lehre von René Descartes (1596— 1650) trete dann der Forderung einer ›mathesis universalis‹ die Forderung einer ›lingua universalis‹ an die Seite. „Von der Ausführung dieses Planes nimmt freilich Descartes Abstand: denn da die Schöpfung der
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Universalsprache die Analyse aller Bewußtseinsinhalte in ihre letzten Elemente, in die einfachen k onstitutiven ›Ideen‹ voraussetzen würde, so k ann sie mit Erfolg erst dann unternommen werden, wenn diese Analyse selbst an ihr Ende gelangt und damit das Ziel der ›wahren Philosophie‹ erreicht ist“ (Cassirer 1985 a, 68).
Trotzdem versuchten sich George Dalgarno (1627—1687), John Wilk ins (1614— 1672) und schließlich auch Leibniz an der Schöpfung einer Universalsprache (s. Art. 64). Leibniz’ Plan einer allgemeinen Charak teristik erk läre jedoch die spezifische Eigentümlichk eit der Sprache als Laut- und Wortsprache nicht, da er diese letzten Endes vielmehr ausschalte: „Wäre das Ziel der allgemeinen Charak teristik erreicht, wäre jede einfache Idee durch ein einfaches sinnliches Zeichen und jede k omplexe Vorstellung durch eine entsprechende Kombination solcher Zeichen ausgedrück t, so wäre alle Besonderheit und Zufälligk eit der Einzelsprachen wieder in eine einzige allgemeine Grundsprache aufgelöst“ (Cassirer 1985 a, 73).
Diese Grundsprache fasse Leibniz als „reinen Idealbegriff, dem sich unsere Erk enntnis fortschreitend annähern muß, um das Ziel der Objek tivität und Allgemeingültigk eit zu erreichen“ (Cassirer 1985 a, 73). Während für Leibniz und für den gesamten Rationalismus das ideelle Sein der Begriffe und das reale der Dinge durch eine unlösliche Korrelation verk nüpft ist, sei diese ›prästabilierte Harmonie‹ für den Empirismus aufgehoben: „Je schärfer er die Sprache nicht als Ausdruck der Dinge, sondern als Ausdruck der Begriffe nimmt, um so bestimmter und gebieterischer muß sich daher für ihn die Frage erheben, ob nicht das neue geistige Medium, das hier anerk annt ist, die letzten ›wirk lichen‹ Elemente des Seins, statt sie zu bezeichnen, vielmehr verfälscht“ (Cassirer 1985 a, 77).
Schließlich vollziehe sich daher innerhalb des Empirismus eine ›dialek tische Entwick lung‹ und eine ›dialek tische Umk ehr‹, die an den beiden Extremen der empiristischen Sprachphilosophie (s. Art. 11) am deutlichsten heraustrete: „Wenn Berk eley den Wahrheits- und Erk enntnisgehalt der Sprache aufzuheben strebt, wenn er in ihr den Grund alles Irrtums und aller Selbsttäuschung des menschlichen Geistes sieht, so war bei Hobbes der Sprache nicht nur Wahrheit, sondern — alle Wahrheit zugesprochen worden“ (Cassirer 1985 a, 79).
Erst in der letzten Phase seines Systems gewinne auch bei George Berk eley (1685— 1753) mit dessen Abk ehr vom sensualistischen
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Schema die Sprache wieder eine beherrschende Stellung, denn dort habe sich dann „die sinnliche Weltansicht selbst mehr und mehr in eine rein symbolische umgestaltet“ (Cassirer 1985 a, 80). Trotz des späten Wandels seiner Philosophie steht Berk eley für Cassirer außerhalb der allgemeinen Entwick lung der Auseinandersetzung mit Sprache, bei der „neben die Betrachtung dessen, was die Sprache als geistige Gesamtform ist, immer entschiedener das Interesse an der Individualität, an der geistigen Eigentümlichk eit der einzelnen Sprachen“ (Cassirer 1985 a, 81) trete. Denn der empirisch-psychologischen Beschreibung und Erk lärung geistiger Vorgänge im Empirismus stehe „eine andere Anschauung gegenüber, die auf die ›Form‹ dieser Vorgänge gerichtet ist und die diese Form in ihrer ursprünglichen und unzerlegbaren Ganzheit zu erfassen strebt“ (Cassirer 1985 a, 84). Diese neue Anschauung, die ihren systematisch-philosophischen Mittelpunk t im englischen Platonismus findet — Cassirer widmet ihm später ein eigenes Buch (Cassirer 1932 e) — liege dem Aufk ommen des Geniebegriffs zugrunde und erreiche ihre vollendete literarische Darstellung bei Anthony Ashley Cooper Shaftesbury (1671—1713) (Cassirer 1985 a, 84 f). Hier wird für Cassirer die ›innere Form‹, der Zentralbegriff Humboldts, entdeckt: „In seinem Ich vermag jeder von uns unmittelbar ein individuelles Formprinzip, vermag er seinen eigentümlichen ›Genius‹ zu erfassen, den er sodann, im besonderen wie im ganzen, als die stets verschiedene und doch mit sich identische formgebende Macht, als den ›Genius des Universum‹ wiederfindet. Beide Gedank en entsprechen und bedingen einander — die empirische Subjek tivität drängt, wahrhaft verstanden und gedeutet, notwendig über sich selbst hinaus und mündet in den Begriff des ›allgemeinen Geistes‹ ein“ (Cassirer 1985 a, 85).
2.3.3. Dem so bestimmten Begriff der ›Subjek tivität‹ erwächst nach Cassirer „eine neue wahrhaft universelle Auffassung der Spontaneität des Geistes“ (Cassirer 1985 a, 90). Der auf dieser Auffassung beruhenden Sprachtheorie trete im 18. Jahrhundert aber auch noch die auf Epik ur (ca. 341—270 v. Chr.) und Luk rez (ca. 99—55 v. Chr.) zurück gehende „Ableitung der Sprache aus dem Affek t“ (Cassirer 1985 a, 91) zur Seite. Diese Ableitung liege der Theorie der Urworte bei Giambattista Vico (1668—1744) (s. Art. 24) zugrunde, die von Jean-Jacques Rousseau (1712—1778) und Johann Georg Hamann
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(1730—1788) (s. Art. 25) weitergeführt werde. Es ist schließlich Herder, dem es gelingt, diese Auffassung der Sprache, „nach der ihr Ursprung aller Reflexion des Verstandes entrück t und in das Dunk el des Gefühles und seiner unbewußten poetischen Schöpferk raft zurück verlegt wurde“ (Cassirer 1985 a, 95), mit der leibnizschen, „die in der Sprache die höchste Leistung analytischer Denk k raft [...] sah“ (Cassirer 1985 a, 95), zu vereinen, und zwar dadurch, daß unter dem Einfluß des englischen Platonismus „der allgemeine Formbegriff, unter dem die Sprache gefaßt wird [...] eine entscheidende Wendung dadurch erfahre“ (Cassirer 1985 a, 97), daß er in den „romantischen Begriff der ›organischen Form‹“ (Cassirer 1985 a, 97) übergeht. Somit werde für Herder „die Sprache ganz als ein Erzeugnis der unmittelbaren Empfindung und zugleich ganz als ein Werk der Reflexion, der Besinnung gefaßt“ (Cassirer 1985 a, 96). Den Kontext von Herders Begriff der ›Reflexion‹ erläutert Cassirer wie folgt: „Die Einheit des Bewußtseins ist nach Leibniz nur durch die des geistigen Tuns, nur durch die Einheit der Verk nüpfung möglich, in der der Geist sich selbst als beharrliche und identische Monas erfaßt und in der er ferner ein und denselben Inhalt, wenn er ihm zu verschiedenen Zeiten entgegentritt, als ein und dasselbe Wesen wiedererk ennt. Diese Form des ›Wiedererk ennens‹ ist es, die bei Leibniz als ‘Apperzeption’, bei Herder als ‘Reflexion’, bei Kant als ‘Synthesis der Rek ognition’ gefaßt wird“ (Cassirer 1985 a, 96).
Cassirers eigene systematische Arbeit hat von diesen Zusammenhängen, wie er sie zwischen Leibniz, Kant und Herder gesehen hat, entscheidende Anregungen erfahren. So ist sein Begriff des ›Bewußtseins‹ wesentlich von Leibniz beeinflußt (Cassirer 1962, 355 ff; Kajon 1988, 255), und Herders Begriff der ›Reflexion‹ wird im dritten Band der Philosophie der symbolischen Formen in direk ten Zusammenhang mit dem für Cassirer zeichen- und wahrnehmungstheoretisch zentralen Begriff der symbolischen Prägnanz (Cassirer 1982, 222 ff) gebracht (vgl. Krois 1987, 52 ff). Durch Herder wird schließlich der „Begriff der individuellen Form [...] über die ganze Weite des geistigen Daseins ausgebreitet“, indem jetzt überall ein ›Allgemeines‹ und zwar als eine ›Einheit‹ gesucht wird, „die sich nur in der Allheit der Besonderungen darstellt“ (Cassirer 1985 a, 99). „Für die Sprachphilosophie bedeutet dies, daß sie auf das Bestreben, hinter der individuellen Mannigfaltigk eit und der historischen Zufälligk eit der Einzelsprachen die allgemeine Stru k tur einer
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Grund- und Ursprache zu entdeck en ein für allemal verzichten lernt, daß auch sie die wahre Allgemeinheit des ›Wesens‹ der Sprache nicht in der Abstrak tion von den Besonderungen, sondern in der Totalität dieser Besonderungen sucht. In dieser Verbindung der Idee der organischen Form und der Idee der Totalität ist der Weg bezeichnet, auf welchem Wilhelm von Humboldt seine philosophische Weltansicht gewinnt, die zugleich eine neue Grundlegung der Sprachphilosophie in sich schließt” (Cassirer 1985 a, 99).
Den Verlauf der Sprachwissenschaft im 19. Jahrhundert nach Humboldt betrachtet Cassirer unter dem Blick wink el der Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit sich der auf dem „Gebiet der spek ulativen Sprachbetrachtung“ erfolgreich angewandte Begriff des Organismus auch innerhalb der empirischen Forschung als brauchbar erweise (Cassirer 1985 a, 108). Wenn dem Entwick lungsbegriff der romantischen Philosophie der biologische Entwick lungsbegriff der modernen Naturwissenschaft gegenübertrete und auch in der Betrachtung der Lebensphänomene der spek ulative Begriff der organischen Form mehr und mehr durch ihren reinen naturwissenschaftlichen Begriff zurüc k gedrängt werde, dann wirk e dies unmittelbar auf die Betrachtung der sprachlichen Phänomene zurück (vgl. Cassirer 1985 a, 109). 2.3.4. Diesen geistigen Wandlungsprozeß sk izziert Cassirer anhand der wissenschaftlichen Entwick lung August Schleichers (1821— 1868), deren Ende der Versuch bildet, die Darwinsche Theorie der Evolution für die ›Organismen der Sprache‹ geltend zu machen. Doch habe Schleicher „in seiner Wandlung von Hegel zu Humboldt nur eine Form der Metaphysik gegen eine andere vertauscht“ (Cassirer 1985 a, 113), und erst den Junggrammatik ern, die die Einheit der Mannigfaltigk eit sprachlicher Tatsachen im Begriff des sprachlichen Gesetzes gesucht hätten, sei es gelungen, „das gelobte Land des Positivismus auch wirk lich zu betreten“ (Cassirer 1985 a, 113 f). Cassirer hebt hervor, inwieweit vom Standpunk t der allgemeinen Wissenschaftsgeschichte den „verschiedenen Phasen, die der Begriff des Naturgesetzes durchläuft, [...] mit fast lück enloser Vollständigk eit, ebensoviel verschiedene Auffassungen der sprachlichen Gesetze entsprechen“ (Cassirer 1985 a, 114). So sollte im Sinne der Positivisten die Sprachwissenschaft „auf die Naturwissenschaft bezogen, sollte an ihrem Aufbau orientiert werden, um in sich die gleiche Sicher-
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heit wie diese zu finden, um den gleichen Gehalt exak ter, unverbrüchlicher Gesetze zu erwerben“ (Cassirer 1985 a, 120), ein Programm, das allein dadurch beständig in Gefahr schwebte, daß der Begriff der Natur sich mehr und mehr als eine bloß scheinbare Einheit erwies. Der Begriff des Lautgesetzes wandelt sich dementsprechend von der Bezeichnung strenger und ausnahmloser Notwendigkeit zu einem ›bloßen Gesetz der Mode‹. Die völlige Sprengung des positivistischen Schemas der Betrachtung tritt laut Cassirer in den Schriften Karl Vosslers (1872—1949) zutage. Er stellte dem Begriff der ›Entwick lung‹ der Sprache den Begriff der Sprache als Schöpfung gegenüber: „Was sich an ihr, als gegebene Gesetzlichk eit eines bestimmten Zustandes in der Form von Regeln festhalten läßt, ist ein bloßes Petrefak t; aber hinter diesem bloß Gewordenen stehen nun erst die eigentlichen k onstitutiven Ak te des Werdens, die ständig sich erneuernden geistigen Zeugungsak te. Und in ihnen, auf denen das Ganze der Sprache wesentlich beruht, soll nun auch die wahrhafte Erk lärung des Einzelnen der Spracherscheinungen gefunden werden“ (Cassirer 1985 a, 121).
Für die Sprachbetrachtung bestehe mit dem Ansatz Vosslers, der sich dabei an Benedetto Croce (1866—1952) anschließe, die Gefahr, „in der Ästhetik , als allgemeine Wissenschaft des Ausdruck s, aufzugehen“ (Cassirer 1985 a, 122). Cassirer selbst glaubt, daß Sprachphilosophie nur dann als ›Sonderfeld der Ästhetik ‹ bezeichnet werden k önne, „wenn man [...] die Aufgabe der Ästhetik derart allgemein faßt, daß sie sich zu dem erweitert, was wir hier als die Aufgabe einer universellen ›Philosophie der symbolischen Formen‹ zu bestimmen versucht haben“ (Cassirer 1985 a, 122 f). 2.4. Zur Phänomenologie der sprachlichen Form Nach Cassirer liegt die Aufgabe, „die verschiedenen Formen der Begriffs- und Klassenbildung, die in den Einzelsprachen wirk sam sind, zu beschreiben und sie in ihren letzten geistigen Motiven zu verstehen, [...] jenseits des Gebiets und der methodischen Möglichk eiten der Sprachphilosophie“ (Cassirer 1985 a, 269 f). Doch es hebten sich „auch hier in der Vergleichung der besonderen Phänomene gewisse allgemeine Gesichtspunk te heraus, nach denen die Sprache in ihren Klassifi k ationen und Zuordnungen verfährt“ (Cassirer 1985 a, 270). Cassirers Sprachphilosophie zielt darauf ab
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„diese Gesichtspunk te derart zu ordnen, daß man dabei jenen ständigen Fortgang vom ›Konk reten‹ zum ›Abstrak ten‹, der die Richtung der Sprachentwick lung überhaupt bestimmt, als leitendes Prinzip benutzt; wobei man sich freilich gegenwärtig halten muß, daß es sich hier nicht um eine zeitliche, sondern um eine methodische Schichtung handelt und daß demnach in einer gegebenen historischen Gestalt der Sprache die Schichten, die wir hier gedank lich zu sondern versuchen, neben — und miteinander bestehen und sich in der mannigfachsten Weise übereinander lagern k önnen“ (Cassirer 1985 a, 270).
Drei Stufen dieser Schichtung werden unterschieden, die des mimischen, des analogischen und des symbolischen Ausdruck s (vgl. Cassirer 1985 a, 139). Die Parallelität dieser Trichotomie zu derjenigen von Ausdruck , Darstellung und Bedeutung ist offenk undig, handelt es sich doch um die Spezialisierung von Gebrauchsweisen nur eines Mediums. 2.4.1. Die Stufen des mimischen und des analogischen Ausdrucks Beispiele für die Stufe des mimischen Gebrauchs findet Cassirer vor allem in den Sprachen der Naturvölker. Dort lasse sich „noch heute deutlich erk ennen, wie in ihnen die Gebärdensprache nicht nur neben der Lautsprache stehen bleibt, sondern wie sie diese selbst, ihrer Formung nach, noch entscheidend bestimmt. Überall findet sich hier jene charak teristische Durchdringung, der gemäß die ›Wortbegriffe‹ dieser Sprachen nur dann ganz erfaßt und verstanden werden k önnen, wenn man sie zugleich als mimische und als ›Handbegriffe‹ (manual concepts) versteht. Die Gebärde ist mit dem Wort, die Hände sind mit dem Intellek t derart verk nüpft, daß sie wahrhaft einen Teil von ihm zu bilden scheinen. Auch in der Entwick lung der Kindersprache trennt sich der Laut nur ganz allmählich von der Gesamtheit der mimischen Bewegungen ab: selbst relativ hohe Stufen derselben zeigen ihn diesem mimischen Ganzen noch völlig eingebettet“ (Cassirer 1985 a, 132).
Ein Beispiel für diese mimische Stufe der Sprache glaubt Cassirer in der von Diedrich Westermann (1875—1956) beschriebenen Grammatik der Ewe-Sprache zu finden: „Die Sprache lehnt sich hier noch so eng an den k onk reten Einzelvorgang und sein sinnliches Bild an, daß sie ihn mit dem Laut gleichsam auszuschöpfen versucht, daß sie sich nicht an einer allgemeinen Bezeichnung genügen läßt, sondern jede besondere Nuance des Vorgangs auch mit einer besonderen, eigens für diesen Fall bestimmten Lautnuance begleitet. So gibt es z. B. im Ewe und in einigen verwandten Sprachen Adverbien, die nur eine Tätigk eit, einen Zustand oder eine Eigenschaft
beschreiben und die demgemäß nur mit einem Verbum verbunden werden k önnen. Viele Verba besitzen eine Fülle derartiger, ihnen allein zugehöriger qualifizierender Adverbia, von denen die meisten Lautbilder, lautliche Nachbildungen sinnlicher Eindrücke sind“ (Cassirer 1985 a, 139 f).
Außerdem betrachtet Cassirer die überall verbreiteten onomatopöetischen Ausdrüc k e als Repräsentanten der mimischen Stufe. Er k ritisiert die historischen Versuche, aus ihnen eine neue Ursprache zu rek onstruieren, hält aber die Ansicht, mit dem Prinzip der Onomatopöie über einen Weg zu einer mittelbaren Vorstellung von den relativ ältesten Schichten der Sprachbildung zu gelangen, offensichtlich für plausibel. In fast allen Sprachgebieten werden laut Cassirer „gewisse Konsonanten und Konsonantengruppen als ›natürliche Lautmetaphern‹ verwendet, denen [...] eine gleichartige oder ähnliche Bedeutungsfunk tion zuk ommt — wie z. B. die labialen Resonanzlaute mit auffallender Regelmäßig k eit die Richtung zum Sprechenden hin, die explosiven Zungenlaute die Richtung vom Sprechenden fort bezeichnen, so daß die ersteren als ›natürlicher‹ Ausdruck des ›Ich‹, die letzteren als ›natürlicher‹ Ausdruck des ›Du‹ erscheinen“ (Cassirer 1985 a, 142 f).
Mit letzterem Phänomen ist nach Cassirer eigentlich schon die zweite Stufe des analogischen Ausdrucks erreicht. „Denn jetzt handelt es sich nicht mehr darum, einen einzelnen sinnlichen Gegenstand oder einen einzelnen sinnlichen Eindruck in einem nachahmenden Laute festzuhalten, sondern die qualitative Abstufung in einer Gesamtreihe von Lauten dient dem Ausdruck einer reinen Beziehung. Zwischen der Form und Eigenart dieser Beziehung und den Lauten, in denen sie sich darstellt, besteht k ein Verhältnis der direk ten materialen Ähnlichk eit mehr — wie denn überhaupt die bloße Materie des Lautes als solche nicht fähig ist, reine Verhältnisbestimmungen wiederzugeben“ (Cassirer 1985 a, 143).
Daneben zeige sich „diese ›analogische Entsprechung‹ zwischen Laut und Bedeutung in der Funk tion gewisser weitverbreiteter und typischer Grundmittel der Sprachbildung, wie z. B. in dem Gebrauch, der von dem lautlichen Mittel der Reduplik ation für die Wortund Formenbildung, sowie für die Syntax gemacht wird“ (Cassirer 1985 a, 145). 2.4.2. Die Stufe des symbolischen Ausdrucks Die symbolische Stufe erreichten Sprachen da, wo sie sich in allmählicher Ablösung von der ›Sinnlichk eit‹ als Ausdruck smittel von Anschauungsformen erwiesen: „Der Schritt von der Welt der Empfindung zu der der ›reinen Anschauung‹, den die Erk enntnisk ritik
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als ein notwendiges Moment im Aufbau der Erk enntnis, als eine Bedingung des reinen Ichbegriffs, wie des reinen Gegenstandsbegriffs aufweist, hat daher in der Sprache sein genaues Gegenbild. Es sind auch hier die ›Formen der Anschauung‹, in deren Aufbau sich die Art und Richtung der in der Sprache waltenden geistigen Synthesis zunächst bek undet, und nur durch das Medium dieser Formen hindurch, nur durch die Vermittlung der Anschauungen von Raum, Zeit und Zahl vermag die Sprache ihre wesentlich logische Leistung: die Gestaltung der Eindrück e zu Vorstellungen zu vollziehen. Vor allem ist es die räumliche Anschauung, an der sich dieses Ineinander des sinnlichen und des geistigen Ausdruck s in der Sprache durchgehend beweist“ (Cassirer 1985 a, 149 f).
Die besondere Bedeutung des Ausdruck s räumlicher Beziehungen sieht Cassirer darin, daß die Sprache mit ihnen ein ›Schema‹ besitze, auf das sie alle intellek tuellen Vorstellungen beziehen müsse: „Es ist, als würden alle gedank lichen und ideellen Beziehungen dem Sprachbewußtsein erst dadurch faßbar, daß sie sie auf den Raum projiziert und in ihm analogisch ›abbildet‹“ (Cassirer 1985 a, 152). Cassirer beschreibt, wie mit der Gestaltung der Demonstrativpronomina und der daraus entstehenden Unterscheidung der räumlichen Stellen und der räumlichen Entfernungen die ersten Ansatzpunk te für den Aufbau der objek tiven Wirk lichk eit, zur Bestimmung der Gegenstände gegeben seien (vgl. Cassirer 1985 a, 154 f). Dabei scheine die Richtung des Prozesses, den die Sprache nehme, um zu allgemeinen Raumbestimmungen und Raumbezeichnungen zu gelangen, ›von innen nach außen‹ zu gehen: „Nachdem sich für den Menschen das Bild des eigenen Körpers einmal scharf ausgeprägt hat, nachdem er ihn als einen in sich geschlossenen und in sich gegliederten Organismus erfaßt hat, dient er ihm gleichsam zum Modell, nach welchem er sich das Ganze der Welt aufbaut. Hier besitzt er eine ursprüngliche Koordinationsebene, auf die er sich im weiteren Fortgang immer wieder zurück zieht und zurück bezieht — und der er demgemäß auch die Benennungen entnimmt, die dazu dienen, diesen Fortgang sprachlich zu bezeichnen“ (Cassirer 1985 a, 159).
Mit der wachsenden Bestimmtheit, die so die äußere Anschauung gewinne, gelange auch die innere erst zur wahrhaften Entfaltung: „gerade die Gestaltung der Raumworte wird für die Sprache zum Medium für die Bezeichnung des Ich und für seine Abgrenzung gegen andere Subjek te“ (Cassirer 1985 a,
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167). Cassirer zeigt, daß es in fast allen Sprachen die ›Raumdemonstrativa‹ gewesen seien, die den Ausgangspunk t für die Bezeichnung der Personalpronomina gebildet hätten. Auch von den Relationen der Zeit gelte, daß ihr reiner Beziehungscharak ter „immer nur in der Verschmelzung und Verhüllung [...] insbesondere mit Dingcharak teren und Eigenschaftscharak teren“ hervortrete (Cassirer 1985 a, 174). Infolge des auch hier beobachtbaren Abstrak tionsprozesses jedoch erreichten vollentwick elte Sprachen die Möglichk eit, sich zur Kennzeichnung eines Vorgangs oder eines Tuns anstelle aller Einzelheiten des Verlaufs nur des Anfangs- und Endpunk tes, des Subjek ts des Tuns und seines objek tiven Ziels bedienen zu müssen (vgl. Cassirer 1985 a, 179). Was die sprachliche Entwick lung des Zahlbegriffs betrifft, spricht nach Cassirer einiges dafür, „daß es nicht sowohl das dingliche Neben- und Auseinander der Gegenstände oder Vorgänge als vielmehr die Trennung des ›Ich‹ und ›Du‹ gewesen ist, an der sich das Bewußtsein der Zahl zuerst entfaltet hat“ (Cassirer 1985 a, 203). Das ›k onk rete Denk en der Zahl‹ beruhe sowohl auf den Leistungen des Raum- als auch des Zeitbewußtseins. „Von der Unterscheidung der räumlichen Objek te her gelangt die Sprache zu ihrem Begriff und ihrem Ausdruck der k ollek tiven Vielheit — von der Unterscheidung der zeitlichen Ak te gelangt sie zu ihrem Ausdruck der Besonderung und Vereinzelung“ (Cassirer 1985 a, 199).
Cassirer erläutert, inwieweit sich aufgrund unterschiedlicher Ak zentuierungen der Herleitung des Zahlbegriffs aus Raum- oder Zeitvorstellungen beispielsweise unterschiedliche grammatische Möglichk eiten zur Pluralbildung ergäben (vgl. Cassirer 1985 a, 199 f). Des weiteren erwägt er die Auswirk ungen von rhythmischen Grunderlebnissen, die beim Tun des Menschen anfielen auf das sprachliche „Bewußtsein der reinen Zeitform und der reinen Zahlform“ (Cassirer 1985 a, 202), und er referiert Humboldts Theorie des Dual und die selten anzutreffenden Bedingungen der Steigerung von Adjek tiven (vgl. Cassirer 1985 a, 207 f). 2.4.3. Die Erschließung der inneren Anschauung Zum Bereich der mit sprachlichen Mitteln erfaßten Anschauung zählt Cassirer auch das Gebiet der ›inneren Anschauung‹. Dessen Erschließung erläutert er anhand der ›Phasen des Ichbegriffs‹. Die Entwick lung des Ichbe-
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griffs sei nicht nur an das Pronomen gebunden, sondern erfolge ebensosehr durch andere sprachliche ›Sphären‹, wie zum Beispiel „durch das Medium des Nomen und durch das Medium des Verbum hindurch“ (Cassirer 1985 a, 214) (s. Art. 79). Es zeige sich, „daß die Anschauung des Selbst, der Seele, der Person dort, wo sie in der Sprache aufzuleuchten beginnt, zunächst noch verhaftet an den Körpern k lebt — wie ja auch in der mythischen Anschauung die Seele und das Selbst des Menschen anfangs als bloße Wiederholung, als ›Doppelgänger‹ des Leibes gedacht wird“ (Cassirer 1985 a, 216).
Cassirer erörtert verschiedene Mittel der Herausbildung der Ichvorstellung: den Gegensatz einer Personen- und einer Sachenk lasse in den Sprachen, die ihre Nomina untergliedern, oder in anderen Sprachen die Benennung persönlicher Wesen im Gegensatz von Sachbezeichnungen mit Hilfe eines besonderen ›persönlichen Artik els‹ oder verschiedener Formen des Nominativs oder durch besondere Präfixe. Bei den Verben führt er am Beispiel einiger Einzelsprachen die Auswirk ungen der verschiedenen Behandlungen des Unterschieds zwischen Ak tiv und Passiv auf den Ichbegriff vor. Er zeigt, inwiefern dessen Entwick lung auch durch eine Vielfalt unterschiedlicher Verbalformen zur Differenzierung eines Handlungsverlaufs, zum Beispiel ›Stativ‹, ›Inchoativ‹, ›Cessativ‹ etc., begünstigt wird. „Neben diesen Unterschieden, die im wesentlichen die Handlung nach ihrem objek tiven Charak ter betreffen, k ann sodann in der Verbalform vor allem die eigene innere Stellungnahme, die das Ich ihr gegenüber nimmt, zum Ausdruck gelangen“ (Cassirer 1985 a, 221). Beispiele dafür bilden der Konjunk tiv, ein ›Prek ativ‹ oder ein ›Imperativ‹ etc. Cassirer erwähnt Sprachen, in denen ›Kooperationsformen‹ des Verbums oder besondere ›Kollek tiv-Infixe‹ verwendet würden, „um damit anzudeuten, daß irgendeine Handlung nicht von einem einzelnen, sondern in Gemeinschaft vorgenommen wird“ (Cassirer 1985 a, 223). Die Entwick lung der eigentlichen Pronomina zur Bezeichnung des Personalen erfolge von der in den Possessivpronomina festgehaltenen ›Idee des Besitzes‹ her: „Was besessen wird, ist ein Ding oder Gegenstand: ein Etwas, das sich schon durch die Tatsache, daß es zum Besitzinhalt wird, als bloße Sache zu erk ennen gibt. Aber indem nun diese Sache als Eigentum erk lärt wird, erhält sie damit selbst eine neue Eigenheit, rück t sie aus der Sphäre des bloß natürlichen in die des persönlich-geistigen Daseins. [...]
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Diese Vermittlung des rein ›personalen‹ durch den ›possessiven‹ Ausdruck zeigt sich nach der psychologischen Seite hin in der Entwick lung der Kindersprache, in welcher die Bezeichnung des eigenen Ich weit früher durch possessive als durch personale Pronomina zu erfolgen scheint“ (Cassirer 1985 a, 226).
Cassirer disk utiert des weiteren den Streit innerhalb der Sprachwissenschaft, „ob die Urworte, von denen die Sprache ihren Ausgang nahm, verbale oder nominale Natur besaßen, ob sie Dingbezeichnungen oder Tätigk eitsbezeichnungen gewesen seien“ (Cassirer 1985 a, 233). Seiner Meinung nach zeigt die Erk enntnisk ritik , „daß sowohl der Begriff des Dings, wie der der Eigenschaft oder des Zustands gleich berechtigte und gleich notwendige Bedingungen im Aufbau der Erfahrungswelt sind“ (Cassirer 1985 a, 235), und er betont ihre Korrelativität: „Nicht darum handelt es sich daher, ob der Ak t der Benennung zuerst Dinge oder Tätigk eiten als an sich seiende Bestimmtheiten der Wirk lichk eit ergreift, sondern darum, ob er im Zeichen der einen oder der anderen sprachlich-gedank lichen Kategorie steht, — ob er gleichsam sub specie nominis oder sub specie verbi erfolgt“ (Cassirer 1985 a, 237).
Die Sprachvergleichung zeige, worauf schon Humboldt hingewiesen habe, oft „statt der scharfen Trennung des Verbums vom Nomen eine mittlere, eine gleichsam amorphe Form“ (Cassirer 1985 a, 239). Es sei vergeblich, ein allgemeines Schema der Herausbildung der Kategoriensysteme von Sprachen aufstellen zu wollen, es sei nur möglich, diese k onk reten Fälle der Ausdruck sformen auf bestimmte ›Grundtypen‹ zu beziehen (vgl. Cassirer 1985 a, 241). Als Beispiele für die von der gegenständlichen Anschauung beherrschten Typen nennt Cassirer die Sprachen des altaischen Kreises und vor allem das Japanische (Cassirer 1985 a, 240 f); den von der Bestimmung des reinen, unpersönlichen Vorgangs ausgehenden Typ, bei dem das Verbum der eigentliche Mittelpunk t der Sprache sei, findet er prinzipiell in den amerik anischen Sprachen verwirk licht, und Beispiele für Sprachen, „die zu einer rein personalen Gestaltung der verbalen Handlung übergegangen sind“, liefern seiner Meinung nach einige semitische Sprachen (Cassirer 1985 a, 247 f). 2.4.4. Sprache als Ausdruck begrifflichen Denkens An Cassirers Überblick über die sprachlichen Ausdruck smöglichk eiten zur Erfassung von Zusammenhängen im Bereich der Anschau-
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ung schließt sich die Behandlung der Sprache als Ausdruck des begrifflichen Denk ens an. Das Problem der Begriffsbildung bezeichnet für Cassirer den Punk t, „an dem Logik und Sprachphilosophie sich aufs nächste berühren [...]“ (Cassirer 1985 a, 249). Dabei zeichnet sich die frühe sprachliche Begriffsbildung durch ihre Nähe zum ›Tun‹ der Menschen aus. „Von der im engeren Sinne logischen Form der Begriffsbildung unterscheidet sich die sprachliche Begriffsbildung vor allem dadurch, daß in ihr niemals ausschließlich die ruhende Betrachtung und Vergleichung der Inhalte entscheidend ist, sondern daß die bloße Form der ›Reflexion‹ hier überall mit bestimmten dynamischen Motiven durchsetzt ist, — daß sie ihre wesentlichen Antriebe niemals allein aus der Welt des Seins, sondern immer zugleich aus der des Tuns empfängt. Die Sprachbegriffe stehen noch überall auf der Grenze zwischen Ak tion und Reflexion, zwischen Tun und Betrachten“ (Cassirer 1985 a, 257).
Die Wörter der Sprache „sind nicht sowohl die Wiedergabe feststehender Bestimmtheiten der Natur und der Vorstellungswelt, als sie vielmehr Richtungen und Richtlinien des Bestimmens selbst bezeichnen [...]. Wenn man daher von den Begriffen überhaupt gesagt hat, daß das Prinzip ihrer Bildung statt als ein Prinzip der ›Abstrak tion‹ vielmehr als ein Prinzip der Selek tion zu bezeichnen sei, — so gilt dies vor allem für die Form der sprachlichen Begriffsbildung“ (Cassirer 1985 a, 260 f).
Cassirers Ansichten über die sprachliche Begriffsbildung stehen somit in engem Zusammenhang mit seinen Ausführungen über die logischen Grundlagen der wissenschaftlichen Begriffsbildung in Substanzbegriff und Funktionsbegriff. Denn auch im ersten Band der Philosophie der symbolischen Formen weist Cassirer die assoziative psychologische Erk lärung der Begriffsbildung, wie sie z. B. von Wilhelm Wundt (1832—1920) (s. Art. 31) vorgetragen wurde, zurück (Cassirer 1985 a, 267 f); seine eigene Erk lärung der sprachlichen Begriffsbildung dagegen beruht auf der Beschreibung des Fortschreitens der Sprache „von einer rein ›qualifizierenden‹ Auffassung zur ›generalisierenden‹ (Cassirer 1985 a, 262) oder auch k lassifizierenden Begriffsbildung. Qualifizierende Begriffsbildung liege vor allem in den Sprachen der Naturvölk er vor. Sie besäßen so „eine Ausdruck sfülle, die von unseren Kultursprachen niemals auch nur annähernd erreicht wird“ (Cassirer 1985 a, 262). Der Fortgang von der rein qualifizierenden zur k lassifizierenden sprachlichen Begriffsbildung sei
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durch das Bestreben gek ennzeichnet, „Laut und Bedeutung dadurch in ein strenges Verhältnis zueinander zu setzen, daß bestimmten begrifflichen Bedeutungszeichen bestimmte Lautreihen als ihre Entsprechung zugeordnet werden“ (Cassirer 1985 a, 266 f). So würden zum Beispiel indogermanische Verwandtschaftsnamen durch eine gemeinsame Endung zu einer in sich geschlossenen Reihe verbunden und damit zu Ausprägungen ein und desselben ›Begriffs‹ gestempelt, der jedoch nicht als eine selbsttätige und ablösbare Einheit außerhalb der Reihe selbst besteht, sondern dessen Bedeutung eben in dieser Funk tion der Zusammenfassung der Einzelglieder der Reihe aufgeht. Insofern die Sprache auf diese Weise den Umstand, daß bestimmte Inhalte generisch zusammengehören, zur Darstellung bringt, „so dient sie schon damit als ein Vehik el des intellek tuellen Fortschritts, gleichviel ob es ihr zu erfassen und zu bezeichnen gelingt, worin dieser Zusamenhang besteht. Auch hierin bewährt sie sich als Vorwegnahme einer Aufgabe, die ihre eigentliche Lösung freilich erst in der wissenschaftlichen Erk enntnis finden k ann: sie wird gleichsam zur Präsumtion des logischen Begriffs“ (Cassirer 1985 a, 268 f).
Die meisten Beispiele für Verfahren der Zusammenhangsbildung in den Sprachen der Naturvölk er zeigten sich zwar als „ganz von sinnlichen Motiven beherrscht“ (Cassirer 1985 a, 270), doch bewahre die Sprache immer auch „die Kraft, das Ganze des Seins, sofern es als räumliches Ganzes genommen wird, als einen Komplex von Beziehungen zu erfassen und es aus ihnen gewissermaßen herauswachsen zu lassen“ (Cassirer 1985 a, 272). Laut Cassirer scheinen die Motive, „durch welche die Sprache in ihren Klassenbildungen geleitet wird, [...] durchweg [...] den primitiven Begriffsformen und Klasseneinteilungen noch nahe verwandt zu sein. Auch hier bewährt sich, daß die Sprache als geistige Gesamtform auf der Grenze zwischen Mythos und Logos steht, und daß sie andererseits die Mitte und Vermittlung zwischen der theoretischen und der ästhetischen Weltbetrachtung darstellt“ (Cassirer 1985 a, 273).
Allerdings hebt Cassirer hervor, daß sich die theoretischen Züge der Sprache mit der Zeit immer stärker bemerkbar machten: „Aber die innere Logik der Sprache bek undet sich nichtsdestoweniger darin, daß die Unterscheidungen, die sie schafft, nicht alsbald wieder vergehen und sich verflüchtigen, sondern daß sie eine Art von Beharrungstendenz, eine eigentümliche logische Konsequenz und Notwendigk eit besitzen, vermöge deren sie sich nicht nur selbst behaupten,
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sondern sich auch mehr und mehr von einzelnen Teilen der Sprachbildung über das Ganze derselben ausdehnen“ (Cassirer 1985 a, 278).
2.4.5. Sprache als Ausdruck der logischen Beziehungsformen Diese Tendenz der Sprache zum Logisch-Allgemeinen „bei all ihrer Gebundenheit und Verflochtenheit in die Welt des Sinnlichen und des Imaginativen“ (Cassirer 1985 a, 279) bestätigt auch Cassirers, den ersten Band der Philosophie der symbolischen Formen abschließende Betrachtung der Beziehung der Sprache zur Urteilssphäre und den Relationsbegriffen. Außerdem erläutert Cassirer dort den Status, den seine Unterscheidung zwischen sinnlicher Empfindung, Anschauung und begrifflichem Denk en im Rahmen seiner Erkenntniskritik besitzt: „Von der Sphäre der sinnlichen Empfindung zu der der Anschauung, von der Anschauung zum begrifflichen Denk en und von dieser wieder zum logischen Urteil führt für die erk enntnisk ritische Betrachtung ein stetiger Weg. Die Erk enntnisk ritik ist sich, indem sie diesen Weg durchmißt, bewußt, daß die einzelnen Phasen desselben, so scharf sie in der Reflexion voneinander geschieden werden müssen, doch niemals als voneinander unabhängige, losgelöst existierende Gegebenheiten des Bewußtseins anzusehen sind. Vielmehr schließt hier nicht nur jedes k omplexere Moment das einfachere, nicht nur jedes ›spätere Moment‹ das ›frühere‹ ein — sondern umgek ehrt, ist auch jenes in diesem vorbereitet und angelegt. Alle Bestandteile, die den Begriff der Erk enntnis k onstituieren, sind wechselseitig aufeinander und auf das gemeinsame Ziel der Erk enntnis, auf den ›Gegenstand‹ bezogen: die genauere Analyse vermag daher in jedem einzelnen von ihnen schon den Hinweis auf alle übrigen zu entdeck en“ (Cassirer 1985 a, 280).
Auch in der Sprache bewährt sich nach Cassirer „dieselbe unlösliche Korrelation der geistigen Mittel“, und zwar darin, „daß nicht das einfache Wort, sondern erst der Satz das eigentliche und ursprüngliche Element aller Sprachbildung ist“ (Cassirer 1985 a, 280) (s. Art. 63). Cassirer erachtet den ›Primat des Satzes vor dem Wort‹ als eines der wichtigsten und sichersten Ergebnisse auch der empirischpsychologischen Analyse der Sprache (vgl. Cassirer 1985 a, 281). Cassirer erläutert, warum auch die Struk tur der sogenannten ›isolierenden Sprachen‹ wie des Chinesischen nicht als Widerlegung des Primats des Satzes gelten k ann, und schildert mögliche Formen der inneren Gliederung eines Satzes zwischen den beiden Grundk räften Analysis und Synthesis. So scheine in den ›polysynthetischen‹
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Sprachen der Trieb zur Verk nüpfung bei weitem vorzuherrschen: „Das Ganze des Seins wird in ein einziges SatzWort zusammengedrängt, in dem es nun gleichsam eingek apselt und wie von einer festen Schale umschlossen erscheint. Aber eben diese Einheit des Sprachausdruck s ist insofern noch nicht echte gedank liche Einheit, als sie nur auf Kosten der logischen Allgemeinheit eben dieses Ausdruck s gewonnen werden k ann“ (Cassirer 1985 a, 287) (s. Art. 76).
Demgegenüber stelle sich in den flek tierenden Sprachen ein ganz anderes Verhältnis der beiden Grundk räfte der Analysis und der Synthesis, der Sonderung und Vereinigung, dar (vgl. Cassirer 1985 a, 287). Dort nämlich trete der Beziehungsindex, „k raft dessen das einzelne Wort mit der Gesamtheit des Satzes verk nüpft wird, nicht mehr äußerlich an das Wort heran, sondern er verschmilzt mit ihm und wird zu einem seiner k onstitutiven Elemente“ (Cassirer 1985 a, 287), womit Differentiation zum Wort und Integration zum Satz k orrelative Methoden bildeten. Cassirer möchte sich zurück haltender und sk eptischer als Humboldt und die ältere Sprachphilosophie verhalten, die die Flexionssprachen für den Gipfel der Sprachbildung überhaupt erachtet hätten, hält es aber für „unverk ennbar, daß für die Ausbildung des rein beziehentlichen Denk ens in den Flexionssprachen in der Tat ein außerordentlich wichtiges und wirk sames Organ geschaffen ist“ (Cassirer 1985 a, 288). Weitere Möglichk eiten sprachlicher Ausformungen ›beziehentlichen Denk ens‹ sieht Cassirer mit der Verk nüpfung von Einzelsätzen gegeben. Sogar in den höchsten Kultursprachen bilde sich die Fähigk eit zur Hypotaxe nur ganz langsam heraus. Ebenso scheine das „Pronomen relativum [...] in der Entwick lung der Sprache überall eine späte, und wenn man die Gesamtheit der Sprachen überblick t, eine verhältnismäßig seltene Bildung darzustellen“ (Cassirer 1985 a, 291). „In alledem bewährt sich, daß dasjenige, was Humboldt den Ak t des selbsttätigen, des synthetischen Setzens in den Sprachen genannt hat, und was er, außer im Verbum, besonders im Gebrauch der Konjunk tionen und des Relativpronomens ausgeprägt sah, eines der letzten ideellen Ziele der Sprachbildung ist, zu dem sie nur durch mannigfaltige Vermittlungen gelangt. In besonderer Schärfe und Deutlichk eit stellt sich dies schließlich in der Ausgestaltung derjenigen Sprachform dar, die sich ihrer Grundbedeutung nach von allem dinglich-substantiellen Ausdruck prinzipiell scheidet, um lediglich dem Ausdruck der Synthesis als
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solcher, dem Ausdruck der reinen Verk nüpfung zu dienen. Im Gebrauch der Kopula erst gewinnt die logische Synthesis, die sich im Urteil vollzieht, ihre adäquate sprachliche Bezeichnung und Bestimmung. Schon die Kritik der reinen Vernunft hat sich in ihrer Analyse der reinen Urteilsfunk tion auf diesen Zusammenhang hingewiesen gesehen. Das Urteil bedeutet für sie die ›Einheit der Handlung‹, durch welche das Prädik at auf das Subjek t bezogen und mit ihm zu einem Sinnganzen, zur Einheit eines objek tiv bestehenden und objek tiv gegründeten Zusammenhangs verk nüpft wird. Und diese intellek tuelle Einheit der Handlung ist es nun, die in der sprachlichen Verwendung der Kopula ihre Darstellung und ihr Gegenbild findet“ (Cassirer 1985 a, 293).
Cassirer weist darauf hin, daß in einer großen Zahl von Sprachen die Kopula in unserem logisch-grammatischen Sinne unbek annt sei, und wenn sie auftrete, hafte ihr oft „eine örtliche oder zeitliche Nebenbedeutung an“ (Cassirer 1985 a, 294). Schließlich umreißt er die Auswirk ungen der Tatsache, daß „die Sprache ein und dasselbe Wort benutzt, um den Begriff der Existenz und um den der prädi k ativen Verbindung zu bezeichnen“ (Cassirer 1985 a, 297), innerhalb der Geschichte der Philosophie. So lasse sich von „den Eleaten an das große Ringen verfolgen, das der philosophische Idealismus mit der Sprache und mit der Vieldeutigk eit ihres Seinsbegriffs zu führen“ (Cassirer 1985 a, 296) habe. Cassirer nennt Parmenides (ca. 510— 450 v. Chr.), Platons Sophistes und Johann Gottlieb Fichte (1762—1814) als Repräsentanten der Disk ussion um den Status der Kopula. Am Ende jedoch bewähre sich auch „an dem allgemeinen Beziehungsausdruck , der sich in der Kopula darstellt, die gleiche Grundrichtung der Sprache, die wir in aller sprachlichen Gestaltung der besonderen Beziehungsbegriffe verfolgen k onnten. Es ist dieselbe Wechselbeziehung des Sinnlichen durch das Geistige, des Geistigen durch das Sinnliche, die wir auch hier wiederfinden — wie wir sie zuvor in der sprachlichen Darstellung der Raum- und Zeitbeziehung, der Zahlbeziehung und der Ich-Beziehung gefunden haben“ (Cassirer 1985 a, 299).
2.5. Sprache und Mythos Cassirers Analyse der vielfältigen Wirk samk eit sprachlicher Phänomene versucht sich natürlich auch an dem ›ersten‹ Auftreten von Sprache innerhalb der idealtypischen, unter anderem mit den Mitteln der Entwick lungspsychologie und der Völk erk unde rek onstruierten mythischen Welt, d. h. innerhalb der Lebensform Mythos, deren Gestalt im we-
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sentlichen von der symbolischen Form Mythos geprägt ist. Auch für die ›Ursprünge‹ der Sprache nämlich gilt wie für alle symbolischen Formen: „Sie alle treten nicht sogleich als gesonderte, für sich seiende und für sich erk ennbare Gestaltungen hervor, sondern sie lösen sich erst ganz allmählich von dem gemeinsamen Mutterboden des Mythos los“ (Cassirer 1983 b, 112).
Cassirers Interesse an den ›Ursprüngen‹ der Sprache besteht also nicht in der Rek onstruk tion einer innerhalb der rek onstruierten Lebensform Mythos entspringenden ›Ursprache‹, derartige Versuche k ritisiert er deutlich (Cassirer 1983 b, 100 ff) (s. Art. 65), sondern er bezieht sich auf die Art und Weise der Verflochtenheit zweier symbolischer Formen in ihren frühen Ausprägungen. „Ursprünglich“, stünden „Sprache und Mythos in einer unlöslichen Korrelation, aus der sie sich erst allmählich als selbständige Glieder herauslösen. Sie sind verschiedene Sprossen ein und desselben Triebs der symbolischen Formung, die aus demselben Grundak t der geistigen Bearbeitung, der Konzentration und Steigerung der einfachen Sinnesanschauung hervorgehen“ (Cassirer 1983 b, 149).
Cassirer gewinnt seine Ansichten über die Verfaßtheit dieser ursprünglichen Korrelation in der Auseinandersetzung mit Hermann Useners (1834—1905) Anspruch, allein auf dem Wege der Wortanalyse die Bildung der Götterbegriffe rek onstruieren zu k önnen (Usener 1896). Useners Betrachtung, so Cassirer, „sucht bis zu einem Punk te vorzudringen, an dem beides, der Gott wie sein Name, im Bewußtsein zuerst entspringt“ (Cassirer 1983 b, 90 f). Cassirer zeigt, daß Useners Arbeit sich statt auf dem Boden der Sprachgeschichte vielmehr auf dem seiner eigenen ›Phänomenologie des Geistes‹ befinde, denn „es wird aus der Grundstruk tur des sprachlichen und mythischen Bewußtseins schlechthin, aus einem allgemeinen Gesetz der sprachlichen und religiösen Begriffsbildung zu verstehen versucht“ (Cassirer 1983 b, 91). Daß Useners Ergebnisse nach einem Einwand Wundts selber nur logische Postulate seien, glaubt Cassirer mit dem Hinweis auf zeitgenössische ethnologische Forschungen widerlegen zu k önnen, die auch Cassirers eigene ›Phänomenologie‹ des mythischen Sprechens stützen sollen. Cassirer beschreibt das mythisch-religiöse ›Urphänomen‹ folgendermaßen: „Es ist, als ob dort, wo der Mensch im Banne dieser mythisch-religiösen Anschauung steht, die ganze Welt für ihn versunk en wäre. Der augenblick liche jeweilige Inhalt, auf den sich das religiöse
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Interesse spannt, füllt das Bewußtsein vollständig aus, so daß nichts mehr neben ihm oder außer ihm besteht“ (Cassirer 1983 b, 103).
Den diesem Moment entsprechenden primären mythischen Begriff nenne Usener ‘Augenblick sgott’. Cassirer stellt fest, daß auch der ›Genesis der Benennungen‹ ein solcher Moment der ›Intensivierung der Sinnesanschauung‹ zugrunde liege (vgl. Cassirer 1983 b, 149). Der Grund für diese Übereinstimmung bestehe darin, daß in Mythos und Sprache ein und dieselbe Form der geistigen Auffassung, nämlich „die Form des metaphorischen Denk ens“ (Cassirer 1983 b, 145) wirk sam sei, was zum Auftreten der ›radik alen Metapher‹ als einer Bedingung der Sprachbildung sowie der mythischen Begriffsbildung führe. Im Falle dieser ›radik alen Metapher‹, einer Formulierung, die sich schon bei Max Müller (1823—1900) (Müller 1870, 386 f) findet, liege „nicht nur eine Übertragung, sondern eine echte μετάβασις εἰς ἄλλο γένος vor; ja es wird hierbei nicht nur in eine andere, bereits bestehende Gattung übergegangen, sondern die Gattung, in die der Übergang erfolgt, wird selbst erst erschaffen“ (Cassirer 1983 b, 148) (s. Art. 1, 91). Denn, so erläutert Cassirer diesen Vorgang, schon die primitivste sprachliche Äußerung erfordert „die Umsetzung eines bestimmten Anschauungsoder Gefühlsgehaltes in den Laut, also in ein diesem Inhalt selbst fremdes, ja disparates Medium: wie auch die einfachste mythische Gestalt erst k raft einer Umformung entsteht, durch die ein bestimmter Eindruck der Sphäre des Gewöhnlichen, des Alltäglichen und Profanen enthoben und in den Kreis des ›Heiligen‹ des mythisch-religiös ›Bedeutsamen‹ gerückt wird“ (Cassirer 1983 b, 148).
Die Frage, welche dieser beiden metaphorischen Umsetzungen die frühere sei, hält Cassirer für nicht mehr entscheidbar, stattdessen betont er das ideelle Verhältnis, in dem die Sprachform zur mythischen Form steht: „[...] wie die eine in die andere eingreift und sie in ihrem Gehalt bedingt“ (Cassirer 1983 b, 148). Im Gegensatz zum logischen Denk en walte im sprachlichen und im mythischen Denken „das Gesetz der Nivellierung und Auslöschung der spezifischen Differenzen [...]. Jeder Teil eines Ganzen erscheint dem Ganzen selbst, jedes Exemplar einer Art oder einer Gattung erscheint der Gattung als solcher äquivalent. Der Teil repräsentiert nicht etwa nur das Ganze, das Individuum oder die Art vertritt nicht nur die Gattung, sondern sie sind beides; sie stellen beides nicht nur für die mittelbare Reflexion dar, sondern sie fassen unmittelbar die
Kraft des Ganzen, seine Bedeutung und Wirk samkeit in sich“ (Cassirer 1983 b, 151).
Es ist diese den ›Grundsatz des pars pro toto‹ exemplifizierende Auffassung, die nach Cassirer als das eigentliche Grundprinzip von sprachlicher und mythischer Metaphorik bezeichnet werden k ann und dem gesamten magischen Denk en zugrundeliegt. Daß die Metapher als eine der k onstitutiven Bedingungen der Sprache angesehen werden k ann, erläutert Cassirer damit, daß sich der mit Hilfe von Useners ›Augenblick sgöttern‹ bereits vorgeführte „Ak t der Konzentration [...], der schon für die Bildung jedes einzelnen Sprachbegriffes die unerläßliche Voraussetzung“ (Cassirer 1983 b, 154) bilde, sich auch von verschiedenen Inhalten aus und in verschiedenen Richtungen vollziehen k önne, womit „an zwei k omplexen Anschauungen das gleiche Moment als das ›wesentliche‹ und bedeutsame, als das bedeutunggebende erfaßt“ werde, die „Gleichheit des im Wort festgehaltenen Moments [...] alle sonstige Heterogeneität der Anschauungsinhalte mehr und mehr zurück treten“ lasse und sich somit „der Teil an die Stelle des Ganzen“ setze (Cassirer 1983 b, 154). Im Verlauf dieser Erläuterungen, die alle dem Aufsatz Sprache und Mythos entstammen, gibt Cassirer auch aus ›phänomenologischer‹ Perspek tive Ausk unft über den Hintergrund der frühesten sprachlichen Begriffsbildung im interessegeleiteten Tun, womit er diesbezügliche Ausführungen aus Zur Phänomenologie der sprachlichen Form (Cassirer 1985 a, 257) noch einmal unterstreicht. Cassirers Bezeichnung für diese Abhängigk eit der ersten sprachlichen Begriffe von im Handeln sichtbaren ›Bedeutsamk eiten‹ ist ihr ›teleologischer Charak ter‹ (Cassirer 1983 b, 108; 1985 a, 260 ff), ein weiterer Ausdruck für den Cassirers phänomenologische Rek onstruktionen leitenden Grundsatz: „Die Zuordnungen im Sein vollziehen sich nach Maßgabe des Tuns, also nicht nach der ›objek tiven‹ Ähnlichk eit der Dinge, sondern nach der Art, wie die Inhalte durch das Medium des Tuns erfaßt und miteinander in einen bestimmten Zweck zusammenhang eingeordnet werden“ (Cassirer 1983 b, 107 f).
2.6. Funktionen der Sprachverwendung 2.6.1. Sprache als Mittel der Gegenstandsbildung Cassirer versteht seine an die Psychologie und die Theoriestandards der zeitgenössischen exak ten Wissenschaften ank nüpfenden Bemerk ungen zum Medium Sprache jenseits der bis-
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her referierten, die an Ergebnisse k ulturwissenschaftlicher Forschung anschließen, als Einlösung Humboldtscher Ansprüche an die Sprachphilosophie (Pariente 1969; Nadeau 1979; Mayer 1986): „Nichts ist vielleicht so bezeichnend für die Erweiterung und Vertiefung, die die Sprachphilosophie durch Wilhelm von Humboldt erfahren hat, als der Umstand, daß Humboldt seine Frage von Anfang an nicht lediglich an die Welt der Begriffe, sondern auch an die Wahrnehmungs- und Anschauungswelt richtet. Auch hier findet er die Vorstellungsart, als sei die Sprache nur dazu bestimmt, die schon an sich wahrgenommenen Gegenstände im Laute zu bezeichnen, nirgends bestätigt. Durch eine solche Auffassung läßt sich nach Humboldt der volle und tiefe Gehalt der Sprache niemals erschöpfen. Der Mensch denk t und begreift die Welt nicht nur durch das Medium der Sprache; sondern schon die Art, wie er sie anschaulich sieht und wie er in dieser Anschauung lebt, ist durch eben dies Medium bedingt. Seine Erfassung einer ›gegenständlichen‹ Wirk lichk eit — die Art, wie er diese als Ganzes vor sich hinstellt und wie er sie im einzelnen formt, wie er sie abteilt und gliedert; dies alles ist schon ein Werk , das sich ohne die Mitwirk ung, ohne die lebendige ›Energie‹ der Sprache nicht vollziehen und nicht vollenden läßt. In diesen Grund- und Leitsätzen der Humboldtschen Sprachphilosophie war auch der Psychologie eine bedeutsame Aufgabe gestellt“ (Cassirer 1982, 240).
Der Erfüllung dieses Programms der Rek onstruk tion von Gegenstandsk onstitutionen dienen hauptsächlich Cassirers Vortrag Die Sprache und der Aufbau der Gegenstandswelt (1985 e) sowie Auseinandersetzungen mit der Aphasieforschung. Im genannten Vortrag wiederholt Cassirer zunächst seinen üblichen Einwand gegenüber der abbildtheoretischen Auffassung geistiger Funk tionen. Diese sei spätestens seit Kants ›k opernik anischer Drehung‹ durch die auf der Synthesis, also Selbsttätigk eit beruhende urbildliche Auffassung ersetzt worden. Die hier wie häufig in Cassirers Werk auftretende Unterscheidung zwischen abbildenden und urbildlichen Funk tionen ist selber k antisch und geht zurück auf die Unterscheidung zwischen intellectus ectypus und intellectus archetypus in der Kritik der Urteilskraft, § 77 (Cassirer 1975 b, 375). Die urbildlichen Funktionen, diese „geistigen Spiegelungen des Universums, die wir in der Erk enntnis, in der Kunst und in der Sprache besitzen [...], sind Taten des Geistes — und jede dieser ursprünglichen Taten baut einen eigenen und neuen Umriß, einen bestimmten Horizont der Gegenständlichk eit für uns auf. Sie k ommen nicht einfach vom fertigen Gegenstand her, sondern sie
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führen zu ihm hin; sie sind k onstitutive Bedingungen seiner Möglichkeit“ (Cassirer 1985 e, 122).
Cassirer versucht nun, die urbildliche, k onstitutive Funk tion der Sprache festzuhalten und ihre Leistungsfähigk eit nicht nur von ihren ›Gebilden‹ her — unter Gefahr der Überbetonung abbildender Beziehungen mithin — sondern vom Sprachprozeß aus zu begreifen: „Humboldt hat gesagt, daß die wahre Definition der Sprache nur eine genetische sein k önne. Wir müssen, um die Sprache zu verstehen, nicht bei ihren Gebilden stehen bleiben, sondern dem inneren Gesetz des Bildens nachspüren — wir dürfen sie nicht als ein Fertiges und Erzeugtes, sondern wir müssen sie als eine Erzeugung, als eine sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes betrachten“ (Cassirer 1985 e, 125).
Cassirers These ist es, mit der psychischen Funk tion des ›gegenständlichen Vorstellens‹ über eine ›Provinz des Seelischen‹ zu verfügen, an deren Struk tur sich „vielleicht indirek t ein Zeugnis über das Werden und Wachsen der Sprache gewinnen“ ließe, an deren „Entwick lung vielleicht das Bildungs- und Gestaltungsgesetz, dem sie untersteht“ ablesbar sei (Cassirer 1985 e, 125 f): „›Gegenständliches‹ Vorstellen, so will ich darzulegen suchen — ist nicht der Anfang, von dem der Prozeß der Sprachbildung ausgeht, sondern das Ziel, zu dem dieser Prozeß hinführt; ist nicht sein terminus a quo, sondern sein terminus ad quem. Die Sprache tritt nicht in eine Welt der fertigen gegenständlichen Anschauung ein, um hier zu den gegebenen und k lar gegeneinander abgegrenzten Einzeldingen nur noch ihre ›Namen‹ als rein äußerliche und willk ürliche Zeichen hinzuzufügen — sondern sie ist selbst ein Mittel der Gegenstandsbildung, ja sie ist im gewissen Sinne das Mittel, das wichtigste und vorzüglichste Instrument für die Gewinnung und den Aufbau einer reinen ›Gegenstandswelt‹ (Cassirer 1985 e, 126).
Diese Gegenstandswelt unterteilt sich für Cassirer dreifach: in die ›Welt der äußeren Gegenstände‹, die ›Welt des eigenen Ich‹ und die ›soziale Welt‹ (vgl. Cassirer 1985 e, 140). Als Ziel, „dem alle gegenständliche Vorstellung zustrebt und auf das sie gerichtet ist“, bezeichnet er die ›geistige Einheitsbildung‹ (Cassirer 1985 e, 130). Diese Einheitsbildung vollzieht sich entwick lungspsychologisch in einer bestimmten Reihenfolge: „Der erste Schritt, den das Ich auf seinem Wege zur Objek tivität vollzieht, führt es ja nicht in eine Welt der Gegenstände, der bloßen ›Dinge‹ hinaus; sondern früher als diese Dingwelt, als die Welt des ›Es‹, tritt die Welt als ›Du‹ in seinen Blick punk t ein“ (Cassirer 1985 e, 140).
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Diese Ansicht vertritt Cassirer schon im dritten Band der Philosophie der symbolischen Formen bei der Erörterung der Leistungen der Ausdruck sfunk tion. Die vom Kind als erstes vollzogene, bei Tieren vorherrschende (vgl. Cassirer 1985 a, 89) und das mythische Denk en prägende Ausdruck sfunk ion wird dort als Voraussetzung des Wissen vom ›Fremdseelischen‹ (Cassirer 1982, 92) und damit als ein Garant der andauernden Wirk samk eit mythischen Denk ens auch innerhalb einer von Wissenschaft und Technik geprägten Welt bezeichnet. Cassirer hat die Ich-Du Beziehung außerdem in Zur Logik der Kulturwissenschaften k urz thematisiert (Cassirer 1980 b, 50 f; 110; Kajon 1988, 261 ff), wie er überhaupt in seinem Spätwerk der gesellschaftlichen Verank erung des Menschen größere Aufmerk samkeit schenkt (Cassirer 1990, 338). In seinen Schriften nach der Philosophie der symbolischen Formen wendet sich Cassirer immer stärk er einer anthropologischen Fundierung seiner Philosophie zu. Sie erlaubt es ihm, den Unterschied zwischen Mensch und Tier präzise — nämlich auf der Unterscheidungsfähigk eit zwischen ‘wirk lich’ und ‘möglich’ beruhend — zu k ennzeichnen (Cassirer 1930, 248): „Einen Unterschied zwischen ‘wirk lich’ und ‘möglich’ gibt es weder für die Wesen, die unter dem Menschen stehen, noch für die, die über ihm stehen. Die Wesen unterhalb des Menschen sind auf die Welt ihrer Sinneswahrnehmungen beschränk t. Sie sind empfänglich für tatsächliche physische Reize und reagieren auf diese Reize, aber sie k önnen sich k eine Idee von ›möglichen‹ Dingen bilden. Andererseits k ennt der übermenschliche Verstand, der göttliche Geist, k einen Unterschied zwischen Wirk lichk eit und Möglichk eit / A difference between ‘real’ and ‘possible’ exists neither for the being below man nor for those above him. The beings below man are confined within the world of their sense perceptions. They are susceptible to actual physical stimuli and react to these stimuli. But they can form no idea of ›possible‹ things. On the other hand the superhuman intellect, the divine mind, k nows no distinction between reality and possibility“ (Cassirer 1990, 92 / 1944, 56).
Die wichtigste Voraussetzung für diese ›Zwischenstellung des Menschen‹ (Lorenz 1990, 21 ff) zwischen Tier und Gott ist die Fähigk eit, sich verschiedener symbolischer Formen zu bedienen. Cassirer definiert den Menschen dementsprechend als animal symbolicum (Cassirer 1990, 51). Das Tier, so schreibt Cassirer im Anschluß an Forschungen Jak ob von Uexk ülls (1864—1944), sei im Gegensatz zum Menschen dabei weder in der
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Lage, sich seinem Lebensraum „objek tiv gegenüberzustellen, geschweige sich ihn als ein einheitliches Ganzes von bestimmter Struk tur zu vergegenwärtigen“ (Cassirer 1985 e, 127). Den typisierten Moment, in dem der Mensch diese Fähigk eit erreicht, beschreibt Cassirer folgendermaßen: „Jetzt verändert sich, mit einem Schlag, der gesamte Lebenshorizont. Der bloße Handlungsraum wird zum Blick raum; der Ak tionsk reis wird zum Gesichtsk reis. Und eben dieser Übergang, diese μετάβασις εἰς ἄλλο γένος ist es, an dem die Sprache wesentlich beteiligt ist. Es scheint eine Entwick lungsphase der Sprache zu geben, in der dieser Durchbruch sich noch unmittelbar erfassen — in der er sich sozusagen mit Händen greifen läßt. Alle Beobachter und Darsteller der Kindersprache haben bei diesem Punk t verweilt, haben die entscheidende ›Revolution der Denk art‹ hervorgehoben, die für das Kind in dem Augenblick einsetzt, in dem zuerst das sprachliche Symbolbewußtsein in ihm erwacht“ (Cassirer 1985 e, 128).
2.6.2. Sprache und das Reich des Möglichen Cassirer erläutert den hier geschilderten ›Durchbruch‹ als Übergang des ›Lebens‹ in die ›Form der Darstellung‹. Den dabei verwendeten Darstellungsbegriff übernimmt er von Bühler (Cassirer 1982, 128): „Das ›Ist‹ der Kopula ist die reinste und prägnanteste Ausprägung für diese neue Dimension der Sprache, die man — mit einem Terminus, den Bühler im Anschluß an Husserl eingeführt hat — als ihre Darstellungsfunk tion beschreiben k ann“ (Cassirer 1985 c, 10).
Cassirer verweist auf den ›Namenshunger‹ eines sich am Anfang seines Verfügens über die Darstellungsfunk tion befindenden Kindes, der sich in ständigem Fragen manifestiere. Es sei unzureichend, ihn bloß als Ausdruck intellek tueller Neugier zu beschreiben, entscheidend sei vielmehr die neue Möglichk eit der Gewinnung und Fixierung bestimmter gegenständlicher Vorstellungen (vgl. Cassirer 1985 e, 128 f). Cassirer hat sich zur Unterscheidung verschiedener Entwick lungsstufen auf dem Weg zum sprachlichen Symbolbewußtsein nicht nur der Beobachtung ihres Aufbaus in der Entwick lungspsychologie, sondern auch der Beobachtung der Folgen ihres Abbaus in der Sprachpathologie bedient: „Die Einheit des Namens dient zum Kristallisationspunk t für die Mannigfaltigk eit der Vorstellungen: die an sich heterogenen Phänomene werden dadurch homogen und gleichartig, daß sie sich auf einen gemeinsamen Mittelpun k t beziehen. Und k raft dieser Beziehung erst werden sie nun auch als
37. Ernst Cassirer (1874—1945)
Erscheinungen ein und desselben ›Gegenstandes‹ und als seine ›Abschattungen‹ gedeutet. Wo die Kraft der ›Nennfunk tion‹ auf Grund pathologischer Störungen erlahmt — da scheint alsbald auch das Band der gegenständlichen Einheit sich wieder zu lock ern. An Stelle dieser Einheit tritt die Vereinzelung; an Stelle der k ategorialen Ordnung und Geschlossenheit tritt die bunte, aber beziehungslose Fülle“ (Cassirer 1985 e, 130 f).
Zugang zur Sprachpathologie und zur Apraxieforschung bek am Cassirer vor allem durch Goldstein. Ähnlich wie Roman Jak obson (1896—1982) (vgl. Jak obson 1969), den er 1941 k ennenlernte (T. Cassirer 1981, 282), und wie der ihm darin folgende Maurice Merleau-Ponty (1908—1961) (vgl. Merleau-Ponty 1974) erhoffte Cassirer von den wissenschaftlichen Beobachtungen aphasischer und aprak tischer Krank er gleichsam ex negativo Aufschluß über Aufbaugesetze des Geistes zu erlangen. Im Bereich der damit befaßten Untersuchungen finden sich auch zum ersten Mal Bemerk ungen über den Zusammenhang von Handeln und Sprechen im ›mittelbaren‹ Verhalten (Cassirer 1982, 324). Dort und zwar vor allem beim Sprach- und Werk zeuggebrauch zeigt sich für Cassirer das den Menschen als animal symbolicum auszeichnende Verfügen über die Unterscheidung ‘wirk lich/ möglich’ am deutlichsten und machen sich folgerichtig beeinträchtigte Symbolfun k tionen auch am ehesten bemerkbar: „Die Form des sprachlichen Denk ens und die Form des Werk zeug-Denk ens scheinen hier nahe miteinander verk nüpft und aufeinander angewiesen zu sein. In der Sprache wie im Werk zeug erobert sich der Mensch die neue Grundrichtung des ›mittelbaren‹ Verhaltens, die ihm spezifisch-eigentümlich ist. Er wird jetzt in seiner Vorstellung der Welt wie in seinem Wirk en auf sie von dem Zwang des sinnlichen Triebes und des nächsten Bedürfnisses frei. An Stelle des direk ten Zugreifens bilden sich jetzt neue und andere Arten der Aneignung, der theoretischen und prak tischen Beherrschung aus: der Weg vom ›Greifen‹ zum ›Begreifen‹ ist beschritten. Es scheint, als wäre der aphasische und aprak tische Krank e auf diesem Wege, den die Menschheit sich langsam und stetig bahnen mußte, um eine Stufe zurück geworfen. Alles bloß Mittelbare ist ihm irgendwie unverständlich geworden; alles nicht Handgreifliche, nicht dire k t-Daseiende entzieht sich seinem Denk en wie seinem Wollen. Wenn er das ›Wirk liche‹, das k onk ret-Vorliegende und das augenblick lich ›Nötige‹ noch zu erfassen und im allgemeinen richtig zu behandeln vermag, so fehlt ihm doch der geistige Fernblick , die Sicht auf das nicht vor Augen liegende, auf das bloß ›Mögliche‹“
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(Cassirer 1982, 324).
Der Eroberung des mit dem Werk zeuggebrauch eröffneten ›Reichs des Möglichen‹ (Cassirer 1985 d, 81) durch die Technik hat Cassirer einen eigenen Aufsatz Form und Technik (1930) gewidmet. Die Bedeutung des ›Reichs des Möglichen‹ beziehungsweise des Verfügens über ›produk tive Einbildungsk raft‹ (Cassirer 1982, 317) im Sprachgebrauch zeigt sich für ihn am auffälligen Unvermögen aphasisch Krank er, sich sprachlicher Analogien und Metaphern zu bedienen, was an deren Unfähigk eit liege, einen spontanen Wechsel des ›Gesichtspunk ts‹ vorzunehmen, beziehungsweise außer Tatsächlichem, nur Vorhandenem, auch bloß-Vorgestelltes oder Mögliches ›aussagen‹ zu k önnen. Die Krank en seien zu einer Einordnung ein und desselben Erfahrungselements in verschiedene, gleich mögliche, Relationszusammenhänge unfähig (vgl. Cassirer 1982, 299 f). Schon bei der Ausführung seiner ›genetischen‹ Ansicht der Erk enntnis in Substanzbegriff und Funktionsbegriff betont Cassirer die Bezogenheit des „Ganze[n] unserer intellek tuellen Operationen [...] auf die Idee eines ›stehenden und bleibenden‹ Geltungsbereichs objek tiv notwendiger Beziehungen“ (Cassirer 1980 a, 418 f). Hier, bei seiner Auseinandersetzung mit den Aphasik ern liegt ihm daran zu verdeutlichen, inwiefern die Behinderung des Umgangs mit dieser Idee nicht nur zum Ausfall wissenschaftlicher Erk enntnisverfahren, sondern zur Unfähigk eit des zusammenhängenden Gebrauchs ›beziehentlichen Denk ens‹ (vgl. Cassirer 1982, 300) überhaupt und damit zur Unsichtbark eit von den Menschen normalerweise auszeichnenden Möglichk eiten führt. Der gewöhnliche Sprachgebrauch verweist nach Cassirer vorwiegend auf die Mittel der Anschauung. Das gilt zum Beispiel für die Raum, Zeit und Zahl repräsentierenden Relationszusammenhänge, denen im Bereich des ›natürlichen Weltbildes‹ (Cassirer 1982, V) allerdings noch die ›Farbe des Sinnlichen‹ (Cassirer 1985 c, 13) anhaftet. Doch bleibt die Sprache laut Cassirer „nicht im Kreise des Anschaulich-Faßbaren stehen, sondern sie wagt es, nach dem Letzten und Höchsten im Reich des Gedank ens zu greifen“ (Cassirer 1985 c, 13). Sie strebt nämlich, nachdem sie bereits in Cassirers Ausdruck sweise vom ›Ausdruck ssinn‹ zum ›Darstellungssinn‹ fortgeschritten ist, „dem Reich der reinen Bedeutung zu“ (Cassirer 1985 c, 13), worunter Cassirer die vorwiegend zur Erzeugung des wissenschaftlichen Weltbildes verwendeten spe-
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ziellen Zeichenbildungen der modernen Mathematik und der symbolischen Logik versteht, mit deren Verwendung nicht mehr nur die Sichtbark eit, sondern jetzt sogar die theoretische Konstruierbark eit des ›Möglichen‹ gewährleistet ist: „Aber in dem Maße als die wissenschaftliche Erk enntnis fortschreitet und als sie sich ihre eigenen methodischen Werk zeuge schafft, lock ert sich mehr und mehr das Band, das den Begriff unmittelbar mit der Anschauung verbindet. Er bleibt nicht mehr an die ›Wirk lichk eit‹ der Dinge gebunden, sondern erhebt sich zur freien Konstruk tion des ›Möglichen‹. Was sich nie und nirgend hat begeben — gerade dies zieht er in den Kreis der Betrachtung und stellt es als Norm und gedank lichen Maßstab auf. Eben dieser Zug ist es, der die Theorie, im strengen Sinne des Wortes, von der bloßen Anschauung trennt. Sie vollendet sich als reine Theorie erst, indem sie die Schrank en der Anschauung durchbricht. Keine Theorie, insbesondere k eine exak te, k eine mathematische Theorie des Naturgeschehens ist möglich, ohne daß sich das reine Denk en vom Mutterboden der Anschauung loslöst, ohne daß es zu Gebilden fortgeht, die prinzipiell unanschaulicher Natur sind“ (Cassirer 1982, 372).
Cassirer benutzt diese mathematische Zusammenhangsbildung in den exak ten Wissenschaften als exemplarischen Ausgangspunk t (Ritter 1930, 599), um auf entsprechende Verfahren beziehentlichen Denk ens im Sprachgebrauch, etwa beim Auftreten von Metaphern, aufmerk sam zu machen. Er bedient sich mit anderen Worten selbst eines Verfahrens der Analogiebildung, dessen wiederholte Anwendung es ihm ermöglicht, gleichzeitig die prinzipielle Heterogenität des von unterschiedlichen symbolischen Formen durchmessenen Denk raumes und die Wirk samk eit des philosophischen Ideals der Einheit des Geistes und seiner Erk enntnismöglichk eiten, des ›globus intellectualis‹ (Cassirer 1946, 112; 1929, 345), sichtbar zu machen. Auf diese Weise k ann er die ›Metamorphosen‹ oder die Transformationen (vgl. Cassirer 1971) des menschlichen Zeichenhandelns (vgl. Langer 1984, 34 ff) vorführen. Der in Cassirers Spätwerk aufglimmende Struk turalismus (vgl. Cassirer 1946) zeigt sich darin, daß er nun häufiger formale relationale Zusammenhänge als Ausgangspun k t der Analogiebildung zwischen unterschiedlichen Ausprägungen symbolischer Formen nimmt und sich bei der Erfassung der Entwick lung des individuellen Bewußtseins mit Vorliebe der Methoden der Gestaltpsychologie, also einer nach eigener Aussage dem Struk turalis-
mus zuzurechnenden Disziplin, bedient (vgl. Cassirer 1946, 101; 1990, 190). Um Möglichk eiten für eine systematische Behandlung struk turaler Zusammenhänge zu gewinnen, beschäftigt sich Cassirer, ähnlich wie Paul Valéry (1871—1945) (Robinson 1978) und Piaget (Piaget 1973), mit der mathematischen Gruppentheorie (vgl. Cassirer 1971). Wie Cassirer in seinem letzten öffentlichen Vortrag 1945 in New York unter dem Titel Structuralism in Modern Linguistics (Cassirer 1946 a) darstellt, ist die struk turalistische Bewegung im 20. Jahrhundert ein zwischen den traditionellen Natur- und Geisteswissenschaften angesiedelter Erbe der von Kant im Schematismusk apitel der Kritik der reinen Vernunft und der von Goethe unter Verwendung des Terminus ‘Gestalt’ in seinen morphologischen Schriften behandelten Problemstellungen. 2.6.3. Sprache und Dichtkunst Nach Cassirer belegt gerade das Verhalten der Aphasik er deutlich, „daß eine Wandlung der sprachlichen Fähigk eit immer zugleich eine bestimmte Änderung des ›Weltbildes‹ als Ganzes in sich schließt“ (Cassirer 1985 e, 133). Diese Abhängigk eit beim Aufbau schon des ›rein-theoretischen‹ Weltbildes bestehe darüber hinaus zwischen Sprache und der Gestaltung der ›Willenswelt‹ beziehungsweise der ›Welt des eigenen Ich‹, denn „die Sprache dient nicht nur sek undär dem Ausdruck und der Mitteilung von Gefühlen und Willensregungen, sondern sie ist eine der wesentlichen Funk tionen, k raft deren das Gefühls- und Willensleben sich gestaltet und k raft derer es sich erst zu seiner spezifisch-menschlichen Form erhebt“ (Cassirer 1985 e, 134).
Cassirers Beispiel für diese k onstitutive Leistung der Sprache ist die Sok ratische ›Maieutik‹. Sie sei „nichts anderes als die Methode, k raft deren das Bewußtsein gleichsam ›zum Sprechen gebracht‹ und eben hierin der in ihm selbst liegenden Macht, der eigenen und der unverbrüchlichen Spontaneität, versichert werden soll. So erringt der Mensch mit der Sprache nicht nur eine neue Macht über die Dinge, über die objek tive Wirk lichk eit, sondern auch eine neue Macht über sich selbst“ (Cassirer 1985 e, 138).
Die Bedeutung der Sprache für die soziale Welt erfaßt Cassirer vor allem anhand des Fragenkönnens: „Denn die Frage, die eine Antwort braucht und die eine Antwort verlangt und erwartet ist vielleicht die feinste Form des ›sozialen‹ Zusammenhangs,
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als eines nicht bloß prak tischen, sondern als eines geistig-seelischen Zusammenhangs“ (Cassirer 1985 e, 142).
Die so herausgearbeitete, alles überragende Rolle der Sprache für die Herausbildung jeden Aspek ts der Gegenstandswelt wurde nach Cassirers Darstellung immer wieder von der Sprachsk epsis k ritisiert, die behauptet habe, wenn es nicht gelinge, die ›Verstrick ung in die Sprache‹ zu lösen, sei es nicht möglich, „zur Wahrheit des Seins, des ›äußeren‹ und des ›inneren‹ vorzudringen“ (Cassirer 1985 e, 148). Die Widerlegung dieser Sk epsis findet Cassirer in der Dichtung: „Denn in der Sprache des echten Dichters ist die höchste Synthese erreicht, ist die reinste Vermittlung und Versöhnung der Gegensätze gegeben. Hier geht das Besondere im Allgemeinen, das Allgemeinen im Besonderen auf. Jede wahrhaft dichterische, insbesondere jede rein lyrische Sprachformung erscheint wie eine Lösung des Mysteriums alles geistigen Daseins — des Geheimnisses, daß eben das Individuellste zum Ausdruc k eines schlechthinUniversellen werden, daß es seinen Gehalt adäquat ausdrück en und völlig erschließen k ann“ (Cassirer 1985 e, 149).
Der Dichtung spricht er auch eine zentrale Rolle bei der Entwick lung und Umbildung der Sprache zu: „Was im Kreise des täglichen Ausdruck s bloße Abweichung war, das wird hier zur Neugestaltung, die so weit gehen k ann, daß sie schließlich fast den gesamten Sprachk örper, daß sie Wortschatz, Grammatik , Stilistik umzuschaffen scheint. Die großen Epochen der Dichtung haben in dieser Weise auf die Bildung der Sprache gewirk t“ (Cassirer 1980 b, 115).
In Cassirers ursprünglichem Plan für die Philosophie der symbolischen Formen war noch ein Band vorgesehen, der vollk ommen der Kunst gewidmet sein sollte (Verene 1979, 25 f), aber wohl aufgrund der Kriegswirren nicht entstanden ist. So hat sich Cassirers theoretisches Interesse für die Kunst als symbolischer Form nur in einem Kapitel des An Essay on Man (dt. Cassirer 1990, 212 ff) und in drei amerik anischen Vorträgen unter dem Titel Language and Art I/II (Cassirer 1979 c; 1979 d) und The Educational Value of Art (Cassirer 1979 e) niedergeschlagen. Im zweiten dieser Aufsätze schlägt Cassirer eine Untergliederung der in Mythos, Sprache und Kunst vorliegenden Arten des Aufbaus von Gegenstandswelten, in amerik anischer Terminologie von ›objectifications‹, vor: „Look ing back at our general analysis of myth, language and art, we may perhaps be tempted to condense the results of this analysis in a short
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formula. We may say that what we find in myth is imaginative objectification, that art is a process of intuitive or contemplative objectification, that language and science are conceptual objectifications“ (Cassirer 1979 a, 187).
Die Leistungsfähigk eit der symbolischen Funk tionen von Kunst bestimmt Cassirer vor allem in Abhebung von derjenigen der Sprachen moderner Wissenschaften. Den Übergang vom Gebrauch der alltäglichen, symbolischen Ebene der Normalsprache zu den dort hauptsächlich üblichen arithmetischen, geometrischen und algebraischen Symbolen bezahle der Mensch mit einem Verlust der Verfügbark eit über unmittelbare, k onk rete Lebenserfahrung (experience of life). Die Aufrechterhaltung des Umgangs mit dieser Erfahrung entsprechenden symbolischen Mitteln vollführt die Kunst (vgl. Cassirer 1979 c, 154). Folgerichtig ist es ein Beispiel aus der Dichtk unst, das Cassirer dazu dient, die k onk rete menschliche Erfahrung der sprachlichen Bildung eines Gedankens zu schildern: „In einem k nappen, nur wenige Seiten umfassenden Aufsatz Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden hat Heinrich von Kleist das Problem, das hier vorliegt, in musterhafter Prägnanz bezeichnet. Er geht davon aus, daß die Leistung der Rede sich k eineswegs darauf beschränk t, zuvor bestehende Gedank en mitzuteilen, sondern daß sie ein unentbehrliches Mittel für die Bildung des Gedank ens, für sein inneres Werden ist. Die Sprache ist k eine bloße Umsetzung des Gedank ens in die Form des Wortes; sie ist vielmehr wesentlich an seiner ursprünglichen Setzung beteiligt. Sie spiegelt nicht nur die innere Bewegung des Denk ens nach außen wieder; sondern sie ist ein Grundmotiv, sie ist einer der wichtigsten Impulse und Beweggründe für sie. Die Idee ist nicht vor der Sprache; sie wird in der Sprache und durch die Sprache“ (Cassirer 1985 e, 149 f).
2.6.4. Epilog Infolge einer Mißdeutung der k antischen Quellen von Cassirers Philosophie hat es Versuche gegeben, in ihr eine „transzendentale Auszeichnung der Sprache“ (Göller 1988, 138) nachzuweisen, was im Widerspruch zu Cassirers Bemühen steht, nicht sprachliches Handeln, sondern Zeichenhandeln (Krois 1984) als Grundlage der „k onstitutionellen Medialität des Geistes“ (Orth 1991, 271) zu verstehen: „Linguistics is a part of semiotics“ (Cassirer 1946 b, 115) hält Cassirer noch in seinem letzten Vortrag fest. Diese Versuche widersprechen auch k lar der besten Eigencharak terisierung seines philosophischen Vorgehens, die sich wiederum
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im Anschluß an ein Kleistzitat findet. Cassirer schreibt: „Das Paradies der Unmittelbark eit ist diesem Denk en verschlossen: es muß — um es mit den Worten Kleists aus dem Aufsatz Über das Marionettentheater zu bezeichnen — ‘die Reise um die Welt machen, und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist. Nur dies k ann gefordert werden, daß diese ›Reise um die Welt‹ das wirk liche Ganze des ›globus intellectualis‹ umfaßt: daß die Bestimmung dessen, was die ›theoretische Form‹ als solche ist, nicht von einer ihrer Einzelleistungen hergenommen wird, sondern die Gesamtheit ihrer Möglichk eiten ständig im Auge behält. So sehr jeder Versuch scheitert, das Gebiet der Form schlechthin zu transzendieren, so soll dies Gebiet doch nicht nur hier oder dort berührt, sondern vollständig durchmessen werden. Wenn der Gedank e das Unendliche nicht direk t ergreifen k ann, so soll er doch im Endlichen nach allen Seiten schreiten“ (Cassirer 1982, 48).
3.
Literatur in Auswahl
Braun/Holzhey/Orth (Hg.) 1988, Über Cassirers Philosophie der symbolischen Formen. Cassirer 1923 a, Die k antischen Elemente in Wilhelm von Humboldts Sprachphilosophie, in Festschrift Paul Hensel. Cassirer 1927, Die Bedeutung des Sprachproblems für die Entstehung der neueren Philosophie, in Festschrift für Carl Meinhof. Cassirer 1942, The influence of language upon the development of scientific thought, in The Journal of Philosophy 39. Cassirer 1946 b, Structuralism in modern lingui-
stics, in Word 1. Cassirer 1979 a, Symbol, Myth and Culture. Cassirer 1979 c, Language and Art I, in: Cassirer 1979 a. Cassirer 1979 d, Language and Art II, in: Cassirer 1979 a. Cassirer 1982, Philosophie der symbolischen Formen. Dritter Teil. Phänomenologie der Erkenntnis [1929]. Cassirer 1983 a, Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs. Cassirer 1983 b, Sprache und Mythos. Ein Beitrag zum Problem der Götternamen, in: Cassirer 1983 a. Cassirer 1983 c, Der Begriff der symbolischen Form im Aufbau der Geisteswissenschaften, in: Cassirer 1983 a. Cassirer 1985 a, Philosophie der symbolischen Formen. Erster Teil. Die Sprache. [1923] Cassirer 1985 b, Symbol, Technik, Sprache. Cassirer 1990, Versuch über den Menschen [An Essay on Man, 1944]. Eggers/Mayer 1988, Cassirer. An Annotated Bibliography. Krois 1984, Ernst Cassirers Semiotik der symbolischen Formen, in Zeitschrift für Semiotik 6. Krois 1987, Cassirer: Symbolic Forms and History. Orth 1991, Philosophische Anthropologie als Erste Philosophie. Ein Vergleich zwischen Ernst Cassirer und Helmuth Plessner, in Dilthey-Jahrbuch 7. Schilpp (Hg.) 1966, Ernst Cassirer. Seidengart (Hg.) 1990, Ernst Cassirer. De Marbourg à New York.
Henning Kniesche, Saarbrücken (Deutschland)
38. Karl Bühler (1879—1963) 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Introduction Semiotic axiomatization of language theory The two-field theory of language Between perception and metaphor Language and other representational systems Selected references
Introduction
Karl Bühler’s language theory achieved its definitive expression in his 1934 masterwork , Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, published when he was at the height of his powers and Professor of Psychology at
the University of Vienna. Described by Roman Jak obson in 1970 as ›still for linguists probably the most inspiring among all the contributions to the psychology of language‹ (s. art. 57), it has nevertheless, by reason of its historically informed systematic fusion of categories, concepts, and distinctions of divers provenance, a remark able present relevance and heuristic fertility for the philosophy of language. — When this book appeared it explicitly situated itself over against and within a long tradition of philosophical reflection on language beginning with Plato (427—347 B.C.) (s. art. 14) and Aristotle (384—322 B.C.) (s. art. 15) and proceeding
38. Karl Bühler (1879—1963)
through the Scholastics (s. art. 4) to Thomas Hobbes (1588—1679), Immanuel Kant (1724—1804), Wilhelm von Humboldt (1767—1835) (s. art. 27), John Stuart Mill (1806—1873) (s. art. 30), Edmund Husserl (1859—1938), and Ernst Cassirer (1874— 1945) (s. art. 37) especially and it took full cognizance of the revolutionary work of Ferdinand de Saussure (1857—1913) (s. art. 36) and Nik olaj Sergeevič Trubeck oj (1890— 1938) in founding structural linguistics and systematic phonology. Not only does it exploit and apply k ey ideas from Husserl’s Logische Untersuchungen but it offers a differently focussed parallel to Cassirer’s first volume of the Philosophie der symbolischen Formen and anticipates, not perhaps accidentally, k ey themes in Ludwig Wittgenstein’s (1889— 1951) (s. art. 39) Philosophische Untersuchungen. Bühler’s work had a profound influence on the Prague School’s discussion of the poetic function’s relation to the other linguistic functions, on the work of Karl Raimund Popper (* 1902), who studied with Bühler in Vienna, and on Jak obson, whose classic essay (1960 a) explicitly builds upon and expands one of Bühler’s k ey insights, and on the phenomenologically inspired work of Roman Ingarden (1893—1970). — The trajectories of Bühler’s work led him from philosophically sophisticated empirical investigations into socalled imageless thought processes in the manner of the Würzburg school (1907, 1908 a, 1908 b), through a systematization of materials in the Gestalt theory of perception and studies in the theory of colors and pictorial optics (1913, 1922), to a deep and prolonged inquiry into the nature and scope of a comprehensive language theory, which occupied him continually from 1919 on. The focal point of our discussion will be on the mature presentation of Bühler’s language theory and its pivotal categories and distinctions as found principally in his (1933 b) and (1934). The language theoretical studies leading up to these are essentially forestudies and those that followed explications, but in no way essential modifications, of the main lines laid down in Sprachtheorie.
2.
Semiotic axiomatization of language theory
The theoretical heart of Bühler’s language theory is found in Die Axiomatik der Sprachwissenschaften and in the first part of Sprachtheorie, which are different versions of
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the same material. In these pages Bühler attempted, by reflective derivation, not postulation, to uncover the pivotal theoretical concepts and distinctions that would inform his language theory as a whole. The axiom system emerged from a search for the presuppositions both of language and of language theory and is of methodological as well as substantive significance. 2.1. The sign-character of language and the principle of abstractive relevance The first axiom, developed in light of Saussure’s structural linguistics and of Trubeck oj’s revolutionary discoveries in phonology, dealt with the k ey principle of the sign-character of language and with the implications for language theory and epistemology of the differential, formal, abstract nature of the linguistic sign. Writing against the back ground of Saussure’s theoretical achievement Bühler accepted, indeed foregrounded, the essentially social nature of language and of the linguistic sign and Saussure’s central contention that “les signes entièrement arbitraires réalisent mieux que les autres l’idéal du procédé sémiologique” [language, better than anything else, offers a basis for understanding the semiological problem] (Saussure 1916, 101). Saussure’s pivotal thesis here, which focuses on the word rather than the utterance, is that the sound-image, which constitutes the linguistic signifier, is nothing more than “la somme d’un nombre limité d’éléments ou phonèmes” [the sum of a limited number of elements or phonemes] (Saussure 1916, 32). — Bühler, while remaining on psychological ground, saw in the notion of a limited number of signifying elements within the linguistic sign the k ey to linguistic representation, the central category of his language theory. The essential nature of a sign in its representational function is its capacity to stand for something else — objects and states of affairs. It is constituted as the locus of a systematic set of formal oppositions, which set it off from material objects on the one hand and from other signs on the other hand. The foundation of this system of oppositions is the set of phonemes the particular language uses to articulate and constitute its discrete signs. The phoneme, on this view, has no substantial existence. It is fundamentally an identifiable place within a system of phonic differences, a cut within the phonic substance of the language which has a purely formal relation to
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the other cuts. The function of a phoneme is to signal a difference: a difference in meaning and its own difference from any other phonic element. 2.1.1. The linguistic sign, fundamentally thematized as the word by Saussure, is a unit or systematic unity founded on a selection from the strictly delimited phonic repertoire of the language in question. Bühler saw that these diacritical moments in the linguistic sign are the “abstrak te Momente, k raft derer und mit denen das Konk retum ›als‹ Zeichen fungiert” [abstract moments by reason of which and with which the concrete thing functions ›as‹ a sign] (Bühler 1934, 40). They bear the representational, as opposed to the expressive or conative (or appellative), sense functions of the linguistic sign (see 2.4.). Being conventional they point to the irretrievably social context of the constitution of linguistic signs and sense. “Der ›Sinn an sich‹, abgesehen von einer Sprachgemeinschaft, für die er gültig ist, das wäre ein nicht minder unvollziehbarer Begriff wie etwa das ›Geld an sich‹, abgesehen von einem Wirtschaftsbereich, in dem es Kurs hat” [›Sense in itself‹, abstracting from a language community for which it is valid, would be a no less realizable concept than, say, ›money in itself‹, in abstraction from an economic context in which it functions in exchange] (Bühler 1927, 126).
Indeed, “Dieser Sinn ist k eine Seinseigenschaft der sinntragenden Gebilde, sondern ein Leistungs- oder Geltungsmoment ähnlich dem Wert des Papiergeldes” [this sense is no essential characteristic of the sensebearing structures, but a moment resulting from an operation of giving validity which is similar to the giving of value to paper currency] (Bühler 1927, 131).
This essential subject-relatedness of the concept of sense functions on two levels: 1) on the social level of language as a system of objective differences used by members of a speech community to communicate with one another about objects and states of affairs, to express desires and wishes, and to steer and coordinate behavior and 2) on the individual level of the language user faced with the task of discerning linguistic units in the phonic flow. “Die Dinge liegen [...] so, wie wir [...] erläutert haben, daß ohne Telos, ohne Subjek tbezogenheit der Sinnbegriff nicht k onstituiert werden k ann. Die Dinge und Ereignisse der Welt sind für den Erlebenden mit so viel Sinn geladen, als er mit Recht oder Unrecht ihnen abzulauschen oder ihnen an-
zudichten, immer aber zu setzen vermag” [It is impossible to constitute the concept of sense without appeal to goals and to subject-relatedness. The things and events in the world carry only so much sense for the experiencing subject as he is able, either rightly or wrongly, to extract from them or to pour into them, but in either case we are dealing with an operation of positing] (Bühler 1927, 132).
Consequently, language in its representational function calls out for and manifests fundamental mental powers of abstraction and of diacritical apprehension. Now, “in Sachen der Diak rise sind Phoneme die Bäume und die Klanggestalt des Wortes ist der Wald” [in matters of diacrisis phonemes are the trees and the tonal form of the word is the forest] (Bühler 1934, 278). Indeed, “Phoneme gehören zu der Klasse der Mark en, Male, Kriterien, Notae; sie sind Lautmale am Klangbild des Wortes und bilden das Pendant zu den Dingmalen, die man in der Logik von jeher gek annt und als Merk male, lateinisch ‘notae’, charak terisiert hat” [phonemes belong to the class of mark s, properties, criteria, notes: they are sound properties on the tonal picture of the word and constitute the correlate to the properties of things which we have k nown from time immemorial in logic and have characterized as mark s or, in Latin, as ‘notae’] (Bühler 1934, 278).
Bühler thematized the act of diacritical apprehension along primarily Husserlian lines: the linguistic sign is a founded unity. The word is an ideal structure grasped by an act of abstraction which attends to the relevant signifying features of a sign while abstracting from its merely material characteristics that have no representational value. This act is the intentional root of the representational function of language. Abstraction and diacrisis go together. 2.1.2. Nevertheless, “Die Phonologie von heute löst die Aufgabe einer systematisch aufgebauten Diak risenlehre nur im ersten Schritt und wird beim zweiten zur Gestaltpsychologie in die Lehre gehen müssen” [phonology today accomplishes only the first step of its task of a systematically constructed theory of diacrisis and has to be instructed by Gestalt theory in order to tak e a second] (Bühler 1934, 283).
This is because the linguistic sign is also Gestalt-lik e, having a tonal face or aspect “das sich verändert wie ein menschliches Gesicht im Wechsel des Ausdruck s und der Appellfunk tion” [that also changes lik e a human face in the changing course of the expressive or appellative function] (Bühler 1934, 259).
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The key theoretical point is the “merkwürdige Konstanz des phonematischen Signalelements der Wortbilder im Wechsel ihres Klanggesichts” [remark able constancy of the phonematic signaling of word images in the course of their changing sound face] (Bühler 1934, 259). While the grasp of this phonematic structure is dependent upon powers of abstraction and diacrisis, the changing sound face, Bühler thought, is grasped by Gestalt powers of apprehension. The multiplex semantic function of the linguistic unit, therefore, relies both upon the ›Klanggesicht‹ and upon the ›phonematisches Signalement‹. They are two different structures and systems of relationship and rely upon different, though interrelated, units and elements. — Phonological analysis became for Bühler a paradigm of perceptual and intellectual abstraction and led to a new concept of signifying elements (Bühler 1934, 275; cf. also Bühler 1931, 22— 53). These elements are social and ideal, but unlik e Platonic forms they are neither eternal nor immutable. The language structures built upon the phonematic base “sind platonisch gesprochen ideenartige Gegenstände, sie sind logistisch gesprochen Klassen von Klassen wie die Zahlen oder Gegenstände einer höheren Formalisierungsstufe des wissenschaftlichen Denk ens” [are, platonically, ideal objects; they are, logically, classes of classes, lik e numbers or objects of a higher level of formalization as in scientific thinking] (Bühler 1934, 60),
though appropriate modifications have to be made in both cases. By turning the attention of the theorist away from the things named to the naming activity of words themselves, to the inner constitution of the tonal structure, we find that the intersubjective role of the language structure can only be accomplished or fulfilled if the various speech partners are able “jedes richtig derzuerk ennen [to recognize what it is and 1934, 288).
als dies und dies Lautgebilde wieund von anderen zu unterscheiden” correctly each sound structure for to distinguish it from others] (Bühler
This is done principally by means of the phonemic structure of the words but also through the previously mentioned Gestalt structures and the surrounding situations within which the various language structures are embedded and used. — The epistemological upshot of Bühler’s foregrounding will become clearer when we examine his schema of the organon-model of language (cf. 2.4.). The representational function of language
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arises from and manifests specific apperceptive powers of a qualitatively different order than those found in the rest of the animal k ingdom. It involves our ability to focus only on those parts of the sense bearing structure that have representational value. This is the principle of abstractive relevance as exemplified in the linguistic domain, though its implications extend far beyond it. 2.2. Speech action and language structure Bühler’s second axiom states that to use language signs is, on the one hand, to perform actions and, on the other hand, to produce ideal structures. Bühler traces this pivotal distinction principally back to von Humboldt (1836, 49), for whom a speech event is an action, a display of energy, energeia, that gives rise to a work , an ergon. Although Bühler’s approach is rather sober, he did, as his analysis of metaphor made abundantly clear (cf. 4.), recognize the essential productivity of language, its origin in a radical drive toward sense-giving that characterizes the human being. The constitution of sense which begins in the perceptual apprehension of the world is potentiated and continued in the linguistic constitution of experience wherein a continuous stream of utterances differentiate and segment the world, including the social world of the language users. This emphasis on energy, on the dynamic factor in the genesis of language signs, continues the Aristotelian trajectory in Bühler’s thought in which the category of action or ›Handlung‹ is given a central place. — Hence, on the subject-side, a speech-event can be analyzed into its illocutionary aspects (as specific types of actions pursuing a goal) or into its ultimate meaningconferring aspects (as constitutive acts of consciousness à la Husserl in the Logische Untersuchungen). The first aspect brings Bühler into close proximity to Anglo-Saxon speech act theory represented by John Langshaw Austin (1911—1960), John Roger Searle (* 1932), Herbert Paul Grice (1913—1988), and others (s. art. 54). Language arises within a matrix or field of shared action for Bühler, functioning as an intersubjectively utilizable tool for guiding cooperation in common task s. The type of linguistic action is principally definable by the situation and not by the intentional consciousness of the language user. The language action is a social action, subject to all the constraints o f other forms of social action, of which it i s both a continuation and a transformation. On the object
II. Personen
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side, as a relatively permanent distillate of a speech action, language can be analyzed as a work , as a made thing existing in the cultural world of objective meaning, or as structure, depending on the level of abstraction of one’s treatment. In the process of linguistic objectification acts of meaning become permanently available, retrievable and interpretable by multiple consciousnesses, the theme, incidentally, of Husserl’s great fragment, Der Ursprung der Geometrie, which had such a great influence upon the projects of Maurice Merleau-Ponty (1908—1961) and, after him, of Jacques Derrida (* 1930). These structures, according to Bühler, are studied by all those parts of a comprehensive language theory that tries to determine the objective systems the language users participate in and avail themselves of in order to communicate meanings, express wishes, and steer and control their and others’ behavior. — Action, act, work , and structure mak e up the components of Bühler’s four-field schema: 1. 2.
I action act
II work structure
Fig. 38.1: Bühler’s four-field schema Bühler’s simultaneously praxeological and structural model of language consciously parallels, but with critical distance, Saussure’s distinction of ›parole‹ and ›langue‹. Each of the four members of the schema opens up a field of linguistic investigation. The more concrete level of action and work points, on the one hand, in the direction of a phenomenology of speech acts, of a thematization of the rhetorical dimension, of the multiple ways we can do things with words and, on the other hand, toward a hermeneutic investigation of the results of acts of speech, in Valentin Nik olaevič Vološinov’s (Mixail Baxtin, 1985— 1975) sense. The laws of the work are ultimately located within the conceptual space of a content-oriented interpretative rhetoric and of a theory of texts as embodiments of the various rhetorical and semantic strategies attendant upon and resulting from linguistic actions. The investigation of acts of meaning proper, as opposed to language actions, moves language theory to a higher level of formalization, since it is by means of intentional acts of ensouling sounds or mark s with sense that articulate meaning arises, a process explicated with Husserlian means. — While
he admitted the indispensability of subjectoriented language analyses and language theory (cf. Innis 1986, 77—106), for Bühler the social calling of language always remained the focal point and his theory leaned noticeably toward the objective side of language, toward the whole domain of language structures, in the broad sense of that term. As Bühler put the matter, “Man k ennt das ergon des Sprechak tes deshalb so genau, weil die Gebildeforschung der Linguisten so weit fortgeschritten ist“ [we k now the ergon of the speech act so precisely for the very reason that the structural research of the linguists has progressed so far] (Bühler 1933 b, 55).
What this structural research has uncovered is a set of abstracta and generalia which, differentiated into a great number of k inds and classes, constitutes, in Bühler’s view, every language (cf. Bühler 1933 b, 56). Now, in Platonic-Aristotelian terms, the relation of action to structures is indicated by the words ‘realize’ (realisieren) and ‘receive’ (aufnehmen) (cf. Bühler 1933 b, 57). In a speech action socially constituted linguistic εἴδη, that are objects of theoretical and descriptive grammar, are utilized in goal-directed activities of intentional sense-constitution. Only by ascribing specific powers of abstraction to linguistic agents, both as speak ers and as hearers, and seeing the inner connection of the Scholastic problem of universals (s. art. 61) with that of language structures can one see ›the imposing theoretical reach back ward of Husserl‹, whom Bühler, albeit with reservations, admired for his purifying force. 2.3. The structural model of language The third axiom, dealing with the two-class nature of language, details the specificity of language as a system of signs composed of units and codified rules for their combination into higher level unities (sentences and texts). The structure of language is regarded as a hierarchical set of functionally related levels: phonemic, lexical, and syntactic. These “unentbehrlichen Momente eines universellen Darstellungsinstrumentes [...], das sein Auslangen mit den Grenzbedingungen der menschlichen Sprache finden muß” [indispensable moments of a universal instrument of representation, which has to be satisfied with the limit conditions of human language] (Bühler 1933 b, 64)
account for language’s ›practically comprehensive productivity‹ and ›performative uni-
38. Karl Bühler (1879—1963)
versality‹ (cf. Bühler 1933 b, 73). Each level builds upon the prior level as its condition of possibility and each is open to its own independent thematization. — Words and sentences are two radically different classes of language structures. Language is primarily composed of signs — deictic as well as symbolic — situated within a syntactic, sentential field. These two classes, which are distinguishable by abstraction, 1) cut the world up into particles, isolatable moments (the lexical component) and 2) systematically construe the world in terms of relations (the syntactic component). Lexical signs are, as Bühler put it, essentially ›feldfähig‹, capable of being inserted into an ordering field as their overarching matrix. The relative independence of signifying units over against their fields is most visible in language, Bühler thought. For Bühler a word is a ›feldfähig‹ und ›phonematisch geprägte‹ lexical unit. While oriented toward insertion into a field by reason of its being a tool used by the language user in an intentional language action, as a tool it has an independent identity in itself, unlik e, for example, a system of flag signals such as that used in communication on the high seas, which illustrates a one class system as opposed to a two class system, such as language. A one class system does not contain independently signifying units. In the Bühler flag example, three flags in the shape of a square, a circle, and a triangle, out of whose combination into two or three member groupings possible messages are constructed, have no meaning in themselves. It is only their combination that means something and then only when supplemented by the surrounding situation in which the communication tak es place. Language does not proceed in this way at all (cf. Bühler 1933 b, 67—70; Innis 1982, 137—140). — As an ›intersubjective means of representation‹ language could have followed the path of sound-painting, of mimesis, which is materially, technically possible, given the extraordinarily fine powers of the human articulatory and sensory apparatus. But the onomatopoetic component in language is marginal. The ›global deictic call‹ (cf. Bühler 1933 b, 71) is a much more powerful representational means for communicating when humans share a perceptual field. The fact is, however, that language has progressed from global signals to differentiated symbolism and this involves a radical move to the thetic dimension in the constitution of linguistic signs. Bühler and Cassirer are in full agreement here.
555
2.4. The schema of language functions and the organon-model of language Bühler is perhaps k nown best for his organon-model of language and for the famous schema he constructed to illustrate the multiple components and relations of a speech event. It is his particular merit to have systematized distinctions already prevalent in the literature by treating them as aspects or phases of a complex intersubjective exchange of meaning. Bühler represented the basic relations of a speech event in the following schema:
Fig. 38.2: Organon-model
The circle represents the concrete, sensibly given sound phenomenon as an event in the spatio-temporal world. The overlapping triangle represents those parts of the circle that carry the meaning qua tale, its differential and Gestalt-lik e characteristics. The triangle encompasses both less (the principle of abstractive relevance) and more than the material carrier, which undergoes an apperceptive enlargement through coding or through the intentional ensouling of the material carriers with meaning. The distinction between phonetics as a material science, concerned with speech sounds as subject to strictly physical parameters, and phonology as a formal science, concerned only with those aspects of the physical structures that accomplish signifying functions, is exemplified in the mutual relations of circle and triangle. While phonetics studies the concrete sound phenomenon as a thing, as a reality in the physical world, phonology focusses exclusively on the meaning-carrying properties of the physical thing as a system of differences (cf. Bühler
II. Personen
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1931, 22—53). — The organon-model shows that the sign, as sign event, has a threefold relation to its foundations which grounds three autonomous, but interconnected, semantic functions. As related to objects and states of affairs the sign is a symbol and performs a representational function, since it is the bearer of information about the world. As related to the interiority or consciousness of the speak er the sign is a symptom or index, performing an expressive function, revealing, whether intended or not, the conditions of the speak er’s consciousness or ›interiority‹ (cf. Baer 1988, 138—150). As related or directed to the behavior of the receiver or addressee the sign functions as a signal and performs an appellative function. One and the same material carrier, functioning as a sign, performs all three functions. For Bühler the distinction between types of linguistic signs is functional, not substantial. It all depends on the relational pattern one is attending to. — Bühler saw the organon-model as foreshadowed in Plato’s Cratylus where language is described as a tool whereby a speak er communicates to a listener about things and states of affairs. The three autonomous semantic functions are built into the very structure of language. What distinguishes Bühler’s development of the three functions is his resolute embedding of them within a social matrix, within the framework of semiotic exchange, and with his repudiation of any ›epistemologism‹, to which, in his opinion, both Husserl and Cassirer inclined. In the framework of establishing the sign-character of language as such Bühler had pointed out that the point of origin of signs in social life, for both humans and other living beings, is always an occasion when a diacriticon is needed to disambiguate a situation, steer a common action, or express a desire, warning, reaction, or so forth. This picture of language was also found in Bühler’s important predecessor, Philipp Wegener (1848—1916) (cf. Wegener 1885), and his equally important contemporary, Alan Henderson Gardiner (1879—1963) (cf. Gardiner 1932; cf. Innis 1984, 116—155). Jak obson expanded in his Closing Statement: Linguistics and Poetics (1960) Bühler’s schema of language functions to six, adding the poetic, phatic, and metalingual functions, while Popper thought that we also have to posit an autonomous ›critical‹ or ›argumentative‹ function which holds the k ey not just to his critical rationalism and his conception of scientific method but also to the philosophy of society and politics that informs his The Open Society and Its Enemies (cf. also
Popper 1963, 293—304 and Popper 1972, 41 n, 120 n, 150, 160 n, 235 and n).
3.
The two-field theory of language
Bühler built his language theory around a radical, structural distinction between deixis and symbolization (s. art. 78). They constitute the two intertwined fields within which all language signs (and not just language signs) operate and by means of which all linguistic interpretation is nourished (Bühler 1934, 149). 3.1. The deictic field The deictic field is wedded to the operation of pointing, whether through the material finger or some other gesture or material sign, that pick s out or draws attention to an object in a common perceptual or imaginal situation. This pointing gesture, which is a true act of signifying, is potentiated by the linguistic sign in the form of demonstrative, personal, and relative pronouns. The words ‘I’, ‘you’, ‘here’, ‘there’ — discussed by Jak obson as ›shifters‹ — are, Bühler contends, devoid of rigid content since they apply in each situation to a different part of the perceptual field. Any speak er can rightly say ‘I’, which indeed applies uniquely to the person pointed to, just as any addressee is legitimately called ‘you’, and a third person ‘he’ or ‘she’. Every speak er is lik ewise the point of origin of a coordinate system of spatial relations that define the space wherein the words ‘here’ and ‘there’ can be applied and understood. The same is true of ‘now’, which mark s off a present moment in the flux of time. Bühler speak s of an ›Ich-jetzt-hier‹ system which places a set of deictic coordinates over the deictic field and which he models in the following schema:
Fig. 38.3: The deictic field
38. Karl Bühler (1879—1963)
The word ‘here’ functions as a place mark er, the word ‘now’ as a moment mark er, and the word ‘I’ as a sender mark er. These words do not primarily characterize but rather segment or differentiate the intuitive and perceptual field in which a speech event, as an event of intersubjective interchange, occurs. Bühler never relinquished this gestural conception of deixis. The permanent truth of his position was, he argued, that “es gibt k ein lautliches Zeigzeichen, das der Geste oder eines der Geste äquivalenten sinnlichen Leitfadens oder schließlich einer an deren Stelle tretenden Orientierungs k onvention entbehren k önnte” [there is no linguistic deictic sign that could dispense with a gesture or with some sensible cue equivalent to a gesture or finally with some orientational convention tak ing the place of a gesture] (Bühler 1934, 93).
Indeed, “Man muß das deik tische Moment zum Merk mal des Gattungsbegriffes erheben, dann wird eine Reihe k lassifik atorischer Schiefheiten aus der Terminologie der Grammatik er verschwinden und das natürliche Gesamtsystem der Zeigwörter sichtbar werden” [one has to raise the deictical moment to the rank of a defining property of the genus. Then, we will get rid of a whole series of sk ewed classifications, and the natural system of the deictic words will become visible in its entirety] (Bühler 1934, 117).
The forms of deixis specified so far belong to the mode Bühler called demonstratio ad oculos. They presuppose a common perceptual field within which the semiotic exchange tak es place. But there is also anaphora. Anaphora appears “in eminentem Maße gerade dazu berufen [...], das Zeigen mit dem eigentlichen Darstellen zu verk nüpfen” [to be called in the highest degree to connect pointing with authentic representing] (Bühler 1934, 123). The psychological foundation of anaphora is found in the fact that every anaphorical use of deictic words presupposes “daß Sender und Empfänger den Redeabfluß als ein Ganzes vor sich haben, auf dessen Teile man zurück und vorgreifen k ann” [that sender and receiver have before themselves the flow of discourse as a whole and that it is possible to refer back wards and forwards to its parts] (Bühler 1934, 121). This phenomenon of anaphorical deixis illustrates how the context of speech in the process of becoming is itself raised to being a deictic field. A third mode of deixis tak es place in the field constituted by memory (or remembrance) and constructive imagination (or fantasy) and involves a complex play of transpositions, ›Versetzun-
557
gen‹. Bühler calls this demonstratio am Phantasma. It relies upon the ability of the language user to lead and be led by what is perceptible, to be sure, but still perceptually absent (Bühler 1934, 125). This dialectical relation between linguistic functions and imaginative powers is maximally potentiated in literature. It is of no importance for Bühler whether we can now locate words which are purely deictic in themselves. The issue is not deictic words, but the deictic function. Although deictic words as such in linguistic intercourse are dead, ›deixis itself is alive‹ (cf. Bühler 1934, 145), as an autonomous signifying mode (s. art. 79). 3.2. The symbol field The symbol field is the principal locus of the representational function and the differentia specifica of human language for Bühler, as it was for Popper and Cassirer. As the matrix of those linguistic signs that bear conceptual content (Begriffszeichen) it is radically different from the deictic field. A linguistic sign functioning as a symbol is for Bühler a bearer of intelligible content independent of the immediate situational context in which it is found. Nevertheless, it is precisely the ›empractical‹ use of language, which is still wedded to a situation, that reveals the contribution of the surrounding field to the determination of an utterance’s meaning. An isolated word such as ‘yes’ or ‘transfer’ is completed by the surrounding social and actional field in such cases as an interrogation or the buying of a bus or tram tick et. The linguistic sign here functions as a diacriticon that is intrinsically connected with a field of praxis rather than a syntactic field of accompanying language signs. A different field dependent supplementation of isolated symbols is the ›symphysical‹ use of names where the symbol is physically connected with a thing, such as the names of wares, titles on book s, inscriptions on monuments, place names on road signs, and so forth. This real bond between the symbol and the object furnishes an analogon to demonstratio ad oculos in the symbolic dimension. But it is the ›synsemantical‹ field that leads directly to the notion of a proper linguistic context or linguistic field. — Just as material spots of paint or lines tak e on different image values (Bildwerte) within a painting or drawing depending on their placement within the surrounding field, so the syntactic field functions as an overarching frame-
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work within which the various ›Begriffszeichen‹ perform their roles: to present the conceptual foci by means of which objects and states of affairs are articulated in structures and forms. It is in this sense that language in its representational, symbolic function is an instrument for the mastery and ordering of experience. This representational function does not contravene Bühler’s essentially dialogical and social conception of the point of origin of signs in social life, as developed in his Die Axiomatik der Sprachwissenschaften. But the steering function of language involves not just the behavior of the addressee but the perceptual and conceptual orientation of the language users, who rely on the system of linguistic signs as instruments for bringing the flow of experience to a halt, segmenting it into relevant joints. Bühler merits comparison in this respect with Vygotskij and Piaget. 3.2.1. The symbol field is the achievement of the power of abstraction. Bühler schematizes the relation between word-sign and the conceptual or object domain upon which it bears in the following way:
Fig. 38.4: Schema of the relation between wordsign and object domain
The shaded part of both the sign and the meaning sphere point to the selective, diacritical aspect of the apprehension and constitution of sign and meaning. The underlying analytical cue is the principle of abstractive relevance. Only a part of the material sign has representational value. And lik ewise the meaning sphere which bears upon the world of experience is itself a result of abstraction. The focus is not on the material totality of the object but on its significant and criterial properties. Just as we have to ascribe powers of selective, constitutive apprehension to the linguistic subject which mak es the use of signs possible, so the meaning-spheres borne by the sign are themselves not attempts to capture the whole object, but rather its immanent, defining structure. This abstractive apprehension of the world through signs is for Bühler a motivated one, not one of mere theoretical contemplation. It is wedded at crucial places
II. Personen
to the perceptual field and to the sign user’s collateral experience and k nowledge or ›Sachwissen‹. While the original function of the symbol is to perform an abstraction, its intelligible content is not first and foremost an idealization and formalization. This is rather the result of a long process, and the conceptual foci of most sign-symbols used in normal linguistic interchange do not have a Platonic purity, a point also seen by Gardiner (cf. Gardiner 1932, 44, Innis 1984, 129) and Wegener. Most linguistic concepts are ›synchytic‹ concepts (a term Bühler took from Johannes von Kries). They have a soft focus, and the meaning-spheres upon which they bear are joined together by multiple family resemblances. As Bühler put it: “Das Manifestwerden einer Sphärenordnung unseres Wissens deutet allgemein darauf hin, daß es in vielen Fällen eines ak tuellen Wortgebrauches genügt, wenn anstatt des Inhaltes der Umfang eines Begriffes, d. h. der Verwendungsbereich des Ordnungszeichens irgendwie abgesteck t wird” [The appearing of an ordering sphere in our k nowing points universally toward the fact that in many cases of the actual use of a word it is enough if, instead of the content, the scope of the concept, that is, the domain of application of the ordering sign, be in some way mark ed out] (Bühler 1934, 221).
It is very lik ely that this is one of the sources of Wittgenstein’s central notion of family resemblances (cf. Innis 1984, 149 f; Eschbach 1984 b, 175—206 and 1988 b, 385— 406). 3.2.2. While the deictic field is first and foremost constituted by a shared perceptual situation, the symbol field is linguistically constituted and has both a semantic and a syntactic component. In addition to their contents or meaning as lexical units, symbols have field values that define their function and role within the sentential structure. These field values can be purely formal as in the case of syntactic schemata that mak e up the system of empty slots (Leerstellen) into which the various lexical units fit and are combined (the paradigmatic and syntagmatic axes). Bühler pointed out the importance of this fact already in 1908 when he spok e of the speak er’s “Wissen um die Satzform und das Verhältnis der Satzteile unter sich, etwas was als direk ter Ausdruck der grammatischen Regeln, die in uns lebendig sind, zu gelten hat” [k nowledge of the sentence’s form and the relation of the sentence’s parts to
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each other, something that as the direct expression of the grammatical rules, which are active in us, has to have validity] (Bühler 1908 b, 86).
In Sprachtheorie Bühler reformulated this insight that “das Sprachdenk en und mit ihm jedes andere im Dienste des Erk ennens vollzogene Operieren mit Gegenstandssymbolen genau so eines Symbolfeldes bedarf wie der Maler seiner Malfläche, der Kartograph seines Liniennetzes von Längen- und Breitengraden und der Notenschreiber seiner noch einmal anders hergerichteten Papierfläche oder allgemein gesagt wie jedes Zweik lassensystem darstellender Zeichen” [thought that is expressed in speech, and along with it every other operation with representational symbols in the service of k nowing, is in need of a symbol field in exactly the same way as the painter needs his painting surface, the cartographer his coordinate system of latitudinal and longitudinal lines, and the composer his still-otherwise-constructed surface, or put in general terms, just as every two-class system of representational signs] (Bühler 1934, 254).
The symbol field is applied to the perceptual world by means of the ›Sachwissen‹ of the speak er. For Bühler language did not float above the world as a system of arbitrary cuts in the experiential continuum. The guidance of the thing-meant, in Gardiner’s sense, is present whenever the linguistic subject had to disambiguate such words as ‘Back stein’, ‘Back ofen’, or ‘Back pulver’. The element ‘Back-’ belongs to different fields in each case and performs a different syntactic and semantic function or role in each case. This notion of a ›Sachwissen‹ is also important in Bühler’s account of metaphor. — While logically distinguishable, the deictic and the symbol fields do not go their way independent of one another. “Vielleicht überschätzen wir die Erlösung vom Zeigfeld, vielleicht unterschätzen wir das Fak tum der prinzipiellen Offenheit und das Ergänzungsbedürfnis jeder sprachlichen Darstellung eines Sachverhaltes vom Wissen her um diesen Sachverhalt. Oder was dasselbe ist: vielleicht gibt es eine Ergänzung alles sprachlich gefaßten Wissens aus einer Quelle, die sich nicht in die Kanäle des sprachlichen Symbolsystemes ergießt und trotzdem ein echtes Wissen erzeugt” [Perhaps we overestimate the freeing from the deictic field; perhaps we underestimate the fact of the essential openness and the need, proper to every linguistic representation of a state of affairs, to be completed by our k nowledge of this state of affairs. Or, what is the same thing: perhaps there is an expansion of all linguistically constituted k nowledge from a source that does not run in the channels of the linguistic symbol system and nevertheless produces a genuine k nowledge] (Bühler 1934, 255).
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Indeed, “Sprache in ihren Gefügen [appelliert] stets an das Sachwissen der Empfänger” [language in its structures constantly appeals to the material k nowledge of its receivers] (Bühler 1934, 65). This contention echoes Michael Polányi’s (1891—1976) thesis of the tacit dimension (cf. Polányi 1958, 69—131; Innis 1974, 47—67).
4.
Between perception and metaphor
In a fertile section of Sprachtheorie (342— 356) Bühler constructed a heuristic model for understanding metaphor, specifying its connection with perceptual issues and with the continuing problem of abstraction (s. art. 91). Bühler contends that in every metaphorical utterance there are present at least two spheres of meaning, and this notion of a sphere bears the burden of analysis. Bühler correlated the compounding or fusion of spheres in the metaphorical process with what also happens in the experiential realm, which is also characterized by a ›Sphären-Zweiheit‹, as in binocular vision. Bühler once again models his point, appealing to the ›Sk ioptik on‹, which involves the superimposition of two filters over the lens of a projector.
Fig. 38.5: Scioptikon figure
This model shows “daß der k onstruierende Aufbau von Bedeutungsgefügen einen projek tivischen Charak ter, eine projek tivische Komponente enthält [...]. Die Frage ist, ob ein Doppelgitter oder Doppelfilter im technischen Bereich Leistungen ermöglicht, die als Analoges zu den ungemein feinen Abstrak tionswirk ungen der metaphorischen Sphärendeck ung betrachtet werden dürfen” [that the interpretive construction of meaning structures contains a projective character or projective component [...]. The question is whether a double lattice or a double filter mak es possible, in the technical domain, accomplishments that can be treated as analogues to the uncommonly fine abstraction achievements of the metaphorical overlapping of spheres] (Bühler 1934, 348).
For Bühler metaphorical apprehension and expression are examples of semantic emergences, the production of novelties. But his position, paralleling Nelson Goodman’s
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II. Personen
(* 1906) work , is that metaphor is nevertheless not a special linguistic phenomenon. Rather it permeates all language use and concept formation and is exemplified quite universally in language in the formation of composites as in ‘Hölzlek önig’ and ‘Hölzlek önigin’ to denote two large trees in the Black Forest. In such an expression as ‘der Hölzlek önig’, Bühler remarks,
attributiven Komplexionen in der Sprache vollständig zu beschreiben” [Screening, falling away, selection, the difference effect are expressions for one and the same simple phenomenon, which it is necessary to place beside the criterion of ›Übersummativität‹, which alone has been emphasized in Gestalt theory since the time of von Ehrenfels, in order to describe completely the role of attributive structures in language] (Bühler 1934, 349).
“[werden d]ie Begriffssphäre Wald und die Begriffssphäre König [...] vereinigt; dasselbe Gesamtobjek t soll beiden zugleich genügen. Ich denk e also Königliches einem Baum an” [the concept sphere forest and the concept sphere king are joined together; the same total object is supposed to satisfy both spheres simultaneously. I ascribe therefore to a tree something kingly] (Bühler 1934, 348 f).
These two Gestalt characteristics proper to attributive structures
Each concept sphere is defined and constituted by its semantic mark ers, and metaphorical terms and predications involve the fusing of two or more meaning-spheres into a novel unity wherein only those parts of a meaning-sphere that are relevant are transferred to another domain. — Calling someone a ‘hammerhead’ or a ‘Salonlöwe’ creates a novel unity in the expression and experiential field, a new ›Gesamtobjek t‹. In the case of ‘hammerhead’ it is clear that only the properties of hardness, rigidity, potential battering qualities, etc., are transferred from the hammer sphere, not the properties of made out of metal or stone, having a certain shape, with handle and head, and so forth. To call someone a ›Salonlöwe’ or ‘parlor room lion’ is to foreground the semantic mark ers of predation, sleek ness, and so forth, but not those of fourleggedness, tawny sk in, having a tail (as opposed to wearing tails), etc. To see one thing in terms of another is not for Bühler an achievement of comparison but rather one of fusion. The metaphor is an emergent result, not an additive sum of two or more semantic spaces, as the lattice model might lead one to think . Bühler appeals explicitly to Christian von Ehrenfels (1859—1932) and to the Gestalt theoretical notions of ›Übersummativität‹ and ›Untersummativität‹ to characterize the twin operations of falling away and supplementation that define the metaphorical apprehension of the world and the consequent creation of a system of interlock ed linguistic, and nonlinguistic, metaphors. “Abdeck en, Ausfall, Selek tion, Differenzeffek t sind Ausdrück e für ein und dasselbe schlichte Phänomen, welches man dem in der Gestalttheorie seit Ehrenfels allein hervorgehobenen Kriterium der Übersummativität an die Seite stellen muß, um die
“erhöhen in erstaunlichem Ausmaß die Produk tivität der Sprache und machen lak onisches Nennen möglich. Wozu freilich gehört, daß im Systeme selbst auch eine Korrek tur der Unbestimmtheiten und Mehrdeutigk eit dieser Komplexionen zubereitet ist” [increase the productivity of language to an astonishing degree and mak e possible a laconic form of naming. Admittedly, the system also has at its disposal a correction for the indefiniteness and ambiguities of these structures] (Bühler 1934, 350).
This is, in addition to the lexical and syntactical system, the ›Sachwissen‹ of the speak ers. — The universality of metaphorical apprehension is rooted in perception itself. “Schon die Wahrnehmung untersteht dem ZusatzAusfalls-Gesetz, weil schon die Wahrnehmung ein Sinngefüge ist und uns vordemonstriert, was die sprachliche Fügung auf höherer Stufe wiederholt” [Perception is already itself subject to the law of supplementation-falling away, because it is already a meaning structure and demonstrates to us in an anticipatory manner what linguistic structuring repeats on a higher level] (Bühler 1934, 356).
The genesis of sense in perception and language is a continuous process, with language potentiating and not merely mirroring our prelinguistic powers. Bühler’s account of metaphor runs parallel to and intersects with the work of Polányi and Goodman in interesting ways. With Polányi he shared the model of binocular vision and the extension of the Gestalt model of perception. With Goodman he shared the notions of a migration of concepts, a transfer of schemata, an alienation of categories, and the thesis that metaphor is not something rare but permeates language and discourse as a whole. Indeed, by appealing to the ›Sachwissen‹ of the linguistic subject Bühler was able to begin to pinpoint where the semantic plus of a metaphor came from and to resolve the problem, specified by Max Black (1909—1988), of just how the dialectic of identification and comparison of diverse realms in metaphor can be sustained. It is true, as Paul Ricœur (* 1913) pointed out (1977, 105 f), that Bühler’s view of metaphor
38. Karl Bühler (1879—1963)
tends to neglect the dimension of discourse and to focus on the lexical task of delimiting objects. But in light of his emphasis on language actions and on the inescapable embedding of lexical units into a syntactic, that is, sentential or textual structure, Bühler’s approach would by no means exclude such an expansion or integration, though we should not look in him for a full conceptual framework for thematizing metaphor. His thesis that metaphorical apprehension must be wedded to processes of abstraction, however, is a fundamental and permanent insight and Bühler has a rightful place in the voluminous literature on metaphor.
5.
Language and other representational systems
For Bühler the main point of intersection between language and other representational systems is that they all need a field in order to do their work (s. art. 92). The various notes in a musical score and the cartographical signs in a map, with their attendant explanation, have a field-foreign (feldfremd) representational value as signifying units, which is enlarged by their being placed within a field in a certain way. Blotches of paint on a canvas, however, get their representational value from being embedded in a common field with other blotches. In this sense the same blotch can stand for different things depending on the field in which it stands. The field defines and constitutes its representational value. Note field, map field, pictorial field — these mak e up the synsemantical and syntactical contexts, situations, and framework s within which the various signifying units perform their function. But while there may be mimetic elements and factors in the three previously mentioned fields, Bühler insists that language is fundamentally a case of mediating coordinations that eschew material fidelity in favor of relational fidelity. In this he agreed fully with Cassirer, who placed the purely mediating or signifying function at the pinnacle of language’s accomplishments. Bühler’s main point is encapsulated in the following text. “Der vergleichende Blick mag suchen, wo er will, es gibt z. B. weder in der Musik , noch am optischen Bilde, noch an irgendeinem der vielfältigen, in der modernen Wissenschaft und darüber hinaus für diese und jene Darstellungszwec k e erfundenen Symbolsysteme ein exak tes Analogon zu den zwei
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k omplementären Gebilden der Sprache, zu Wort und Satz, k urz gesprochen” [The comparing eye can look where it will, but there does not exist, for example, either in music, or in the optic image, or in any of the manifold symbol systems that have been invented in modern science and beyond for this or that representational end, an exact analogon to the two complementary structures of language — to, in short, word and sentence] (Bühler 1934, 75). (s. art. 76)
Bühler is not saying that there is no analogon, only that there is no exact one. In all the cases mentioned there is a common structure of a field and elements ordered in a field — a sign field and sign elements — but the inner constitution of these different fields and different elements is not the same. Some extremely brief, but illuminating, pointers toward a comparative analysis of representational sign systems is found in sections 12 and 26 of Sprachtheorie, Symbolfelder in nichtsprachlichen Darstellungsgeräten [Symbol Fields in Nonlinguistic Representational Instruments] and Die Anaphora. In the latter section Bühler analyzed the relations between narration in film, drama, and epic. Film is closer to epic than to dramatic discourse “im Hinblick auf die Deixis am Phantasma” [with respect to imaginative deixis] (Bühler 1934, 392). Rather than the mountain being brought to Muhammad, Muhammad is brought to the mountain by reason of a complex series of transpositions or ›Versetzungen‹. Further, by being able to jump from the whole to details, both film and epic narration have in effect close-up, medium, and long shots, illustrated for example in the sequence of scenes in the Odyssey. Moreover, just as a film progresses by k eeping the actors constant and changing their milieu, so in language we are given temporal indices through the repetition of nouns and the chainlik e sequence, without explicit linguistic connectives, of sentential structures. In this way a complex series of events, affecting one and the same person or object, can be segmented into units in both film and epic narration in relatively simple and analogous ways. Again, in the film it is possible to interpolate events of memory or imagination into the narration, but in the case of the silent film, with which Bühler at the time of writing was principally concerned, this was really quite hard and was better accomplished on the stage where linguistic means could be employed. Language, however, possesses a fully developed system of means for these interpolations and for this springing
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back and forth between a basis situation and another. “Der Film mit seinen gleichfalls vollständigen Versetzungen ist in diesem Punk te ungefähr auf gleich und gleich mit der Traumregie des Vorstellungslebens, die sich der ›Wachregie‹ gegenüber als reduziert erweist. Und die Wachregie des k omplexen Denk ens und Vorstellens k ommt k unstgerecht zum Vorschein in den verwick elten Bauten der Hauptund Nebensätze, im Wechsel von erzählender, direk ter und indirek ter Rede” [The film with its equally complete transpositions is, in this respect, practically on the same level with the principle of dreams in our representational life, which shows itself to be something reduced in comparison with ›wak ing consciousness‹. And the ruling power of wak ing consciousness in complex thought and representation comes artfully to appearance in the involved structures of principal and subordinate sentences, in the alternation between narrating, direct, and indirect discourse, and so forth] (Bühler 1934, 396).
Bühler hammers his point home: “Das Thema ›Film und Epos‹ ist sprachtheoretisch ungemein aufschlußreich. Wir betonen für unseren Zweck noch einmal: beide versetzen den Seher oder Hörer ausgiebig; und dann fahren wir fort: die Sprache aber ist dem Film bei weitem überlegen kraft ihrer Zeigzeichen allgemein, k raft der Deixis am Phantasma und des anaphorischen Gebrauchs dieser Zeigzeichen im besonderen” [The theme ›Film and Epic‹ is of conclusive importance to language theory. We emphasize for our purposes once again: both transpose the seer or hearer effectively. To continue: language is by far superior to film by reason of its index signs in general, by reason of its imaginative deixis and its anaphorical use of these index signs in particular] (Bühler 1934, 397).
Thus, Bühler saw that language also has a universal power of indexicality, which coupled with the human capacity for concept formation and symbolization gives it an extraordinary flexibility.
“Wer sein Leben lang mit nichts anderem als mit der Sprache zu tun hat, verliert manchmal die Fähigk eit, sich zu verwundern über das, was die Sprache zu leisten vermag; es ist ihm zu selbstverständlich geworden. Dann ist es an der Zeit, daß er sich vergleichend nach Außersprachlichem umsieht” [One who his whole life long has dealt with nothing other than language sometimes loses the ability to wonder about what language can do; it has become too obvious for him. Then the time is ripe for a comparative loo k at extralinguistic materials] (Bühler 1934, 390).
Bühler’s focal point, however, was always the specificity of language as a semiotic phenomenon, toward the illumination of which he made a substantial and permanently valuable contribution whose scope and depth reward the closest study, analysis, and confrontation with parallel projects.
6.
Selected references
Bühler 1927, Die Krise der Psychologie. Bühler 1931, Phonetik und Phonologie. Bühler 1932, Das Ganze der Sprachtheorie, ihr Aufbau und ihre Teile. Bühler 1933 b, Die Axiomatik der Sprachwissenschaften. Bühler 1934, Sprachtheorie. Bühler 1936, Das Strukturmodell der Sprache. Bühler 1938, Der dritte Hauptsatz der Sprachtheorie. Anschauung und Begriff im Sprechverkehr. Eschbach (ed.) 1984, Bühler-Studien, 2 vols. Large bibliography. Eschbach (ed.) 1988, Karl Bühler’s Theory of Language. Innis 1982, Karl Bühler. Innis 1984, Bühler und Gardiner. Innis 1985, Articulation as Emendation. Innis 1988, The Thread of Subjectivity.
Robert E. Innis, Lowell, Mass. (USA)
39. Ludwig Wittgenstein (1889—1951)
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39. Ludwig Wittgenstein (1889—1951) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1.
Wittgenstein était-il un philosophe du langage? La théorie du langage comme ›image‹ de la réalité Le langage comme système et comme calcul L’autonomie de la grammaire et l’arbitraire des règles Le ›paradoxe de Wittgenstein‹ et la mythologie des règles La signification, c’est l’usage L’avenir de la théorie de la signification est-il celui d’une illusion? Bibliographie sélective
Wittgenstein était-il un philosophe du langage?
1.1. Comme l’a fait remarquer John Searle (* 1932), nous vivons depuis un certain temps une sorte d’âge d’or de la philosophie du langage. Et Wittgenstein fait incontestablement partie, avec Gottlob Frege (1848—1925) (v. art. 34) et Bertrand Russell (1872—1970), des ›géants‹ disparus qui ont été à l’origine de cet âge d’or. Si par ‘philosophie du langage’ on entend, comme le fait Searle, «the attempt to give philosophically illuminating descriptions of certain general features of language, such as reference, truth, meaning, and necessity» (1969, 4),
on pourra difficilement contester que Wittgenstein soit un philosophe du langage et un des plus grands du siècle, l’un de ceux dont les idées et les suggestions sont au point de départ de la plupart des discussions actuelles ou, en tout cas, y interviennent de façon constante. D’autre part, il semble évident que la philosophie du langage ne peut être considérée, chez lui, comme une partie ou un secteur de la recherche philosophique parmi d’autres. Elle doit nécessairement occuper une position prioritaire et fondamentale si, comme il en resté convaincu d’un bout à l’autre de son itinéraire intellectuel, les problèmes philosophiques ont toujours pour origine une incompréhension de la ›logique de notre langage‹ et ne peuvent être résolus que par le retour à une conception correcte de la nature et du fonctionnement de celui-ci. Cette façon de présenter les choses montre cependant déjà clairement que les considérations relevant de la philosophie du langage constituent chez Wittgenstein un moyen et non un
but et que la philosophie du langage n’est pas en elle-même plus importante que la philosophie de quoi que ce soit d’autre. Dans ses leçons des années 1932—1935, il rejette explicitement l’idée que la signification constitue l’objet propre de la philosophie et soutient que c’est uniquement l’origine linguistique des perplexités philosophiques qui fait que des mots comme ‘grammaire’, ‘proposition’, ‘signification’ et d’autres du même genre apparaissent plus souvent que d’autres dans les recherches du philosophe (v. art. 118). Contrairement à une supposition erronée qu’il attribue à Frege (et à lui-même dans le Tractatus), les mots en question n’ont aucun caractère unique ou même simplement privilégié et ne sont pas à un niveau différent de celui des autres: «‘Grammar’, ‘proposition’, ‘meaning’ [...] figure more often than other words, though investigation concerning the word ‘meaning’ is on the same level as a grammatical investigation of the word ‘time’» (Wittgenstein 1979, 31).
Cela semble signifier que, pas plus qu’elle ne se préoccupe, par exemple, de construire une théorie du temps, la philosophie ne se propose de construire quelque chose comme une théorie de la signification. Les problèmes philosophiques que nous pose la signification sont, comme dans tous les autres cas, essentiellement ceux que pose l’usage mal compris ou incompris du mot ‘signification’. Des mots comme ‘signification’ ou ‘compréhension’ eux-mêmes sont, comme les mots ‘langage’, ‘expérience’ ou ‘monde’, des mots qui, «wenn sie eine Verwendung haben, eine so niedrige haben müssen, wie die Worte ‘Tisch’, ‘Lampe’, ‘Tür’» (Wittgenstein 1953, I § 97).
Et la compréhension de cette utilisation ne saurait dépendre, aux yeux de Wittgenstein, de la construction d’une théorie particulière, surtout pas d’une théorie ›scientifique‹ de la signification et de la compréhension. 1.2. Il n’est pas surprenant, dans ces conditions, que la position de Wittgenstein puisse être considérée par certains comme constituant une sorte de régression par rapport à celle de Frege, dans la mesure où, selon une interprétation que les travaux de Michael Dummett (* 1925) ont rendue familière, le mérite principal de Frege serait, d’une part, d’avoir imposé la philosophie du langage et plus précisément la théorie de la signification
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comme partie fondamentale de la philosophie ou nouveau paradigme de la philosophie première, d’autre part, d’avoir montré le chemin à suivre pour parvenir à la construction d’une théorie systématique de la signification dont désormais la recherche «can tak e on a genuinely scientific character» (Dummett 1978 a, 454). Dummett considère, pour sa part, que la production d’une théorie de ce genre constitue «the most urgent task that philosophers are now called upon to carry out» (Dummett 1978 a, 454). Or non seulement Wittgenstein ne considère pas que la solution des problèmes philosophiques est subordonnée à la réalisation d’un projet théorique de ce genre, mais encore il semble adopter, tout au moins dans les textes de sa deuxième période, une attitude ouvertement (et, selon Dummett, abusivement) défaitiste à l’égard de la possibilité de le réaliser. Ceux qui, comme Dummett, estiment qu’une théorie de la signification présentant un caractère systématique doit être possible ou que, en tout cas, on ne voit pas, à l’heure qu’il est, pour quelle raison elle devrait être impossible peuvent être tentés d’en conclure que «fundamentally important as it is, Wittgenstein’s work does not supply us with a foundation for future work in the philosophy of language or in philosophy in general» (Dummett 1978 a, 453).
Le Tractatus pourrait sembler, de ce point de vue, encore très proche de la perspective frégéenne, telle que la comprend Dummett, alors que l’orientation adoptée ensuite par Wittgenstein tourne résolument le dos à Frege et à l’idée du langage comme système ou comme calcul dont nous devons nous efforcer d’exhiber les règles de fonctionnement implicites. Mais, en réalité, le Tractatus lui-même pourrait probablement déjà être considéré comme une sorte de dénonciation ironique de l’idée même d’une théorie de la signification construite sur le modèle frégéen. Comme l’a fait remarquer Brian McGuinness, l’ouvrage donne l’impression de construire une théorie du langage appuyée sur une ontologie des objets et une conception véri-conditionnelle de la signification des propositions. Mais si l’on prend au sérieux le fait que les propositions du Tractatus doivent, selon Wittgenstein, être elles-mêmes rejetées en fin de compte comme dénuées de sens, il est difficile d’échapper à la conclusion que la théorie de la signification qui y est développée en apparence constitue elle-même un mythe qui a été construit essentiellement dans le but de le faire reconnaître pour ce qu’il est, à savoir un
mythe. Ce que Wittgenstein dit de la théorie des types de Russell s’applique en fait à n’importe quelle théorie que l’on pourrait envisager de construire à propos de ce qui permet ou interdit à des expressions en général d’avoir un sens: elle est intrinsèquement condamnée à essayer de dire des choses qui peuvent seulement se montrer. Comme le dira plus tard Wittgenstein, on est obligé de commencer quelque part avec la distinction entre le sens et le non-sens sans avoir la possibilité de remonter en deçà d’elle pour essayer de la fonder ou de l’expliquer. Même s’il est couramment admis que Wittgenstein a proposé dans le Tractatus une théorie de la signification qu’il a par la suite sévèrement critiquée et finalement abandonnée, il n’est certainement pas exagéré de dire que l’impossibilité de théoriser, au sens usuel du terme, sur le sens a constitué depuis le début l’un des thèmes centraux et l’une des thèses fondamentales de toute sa philosophie. Les philosophes qui, comme le font aujourd’hui, Peter Hack er (*1939) et Gordon Bak er (*1938), soutiennent que «theories of meaning are not merely confused, but also lack any purpose» (Bak er/Hack er 1984 b, 389) reprochent à la philosophie du langage contemporaine d’avoir ignoré précisément la leçon la plus importante que l’on peut tirer de l’œuvre de Wittgenstein.
2.
La théorie du langage comme ›image‹ de la réalité
2.1. La théorie du langage que Wittgenstein expose dans le Tractatus pourrait sans doute être résumée dans la formule selon laquelle la proposition est une image (Bild) de la réalité. Selon une représentation courante, cette idée serait venue à Wittgenstein sous la forme d’une illumination soudaine qui lui a révélé d’un coup la vraie nature et le mode de fonctionnement de la proposition. Un examen approfondi du contexte montre qu’en réalité, selon l’expression de David Pears «it was not so much the discovery of a new truth as the invention of a new way of presenting truths that he had already discovered» (Pears 19—79, 101).
Cette supposition est notamment confirmée par le fait que certains points essentiels que l’assimilation de la proposition à une image a pour but de faire ressortir avaient déjà été soulignés par Wittgenstein avant que l’analogie ne lui vienne tout à coup à l’esprit.
39. Ludwig Wittgenstein (1889—1951)
Selon Pears, Wittgenstein a utilisé la théorie de la proposition-image essentiellement comme moyen de regrouper et de présenter sous une forme éclairante quatre idées fondamentales. La première d’entre elles est celle du caractère implicite de la forme, un point sur lequel Wittgenstein s’oppose directement à une conception défendue à la même époque par Russell. Pour celui-ci, la logique se présente comme une théorie construite à propos d’une certaine catégorie d’entités qui existent dans un monde à part: les formes logiques et les objets logiques. La logique est une sorte d’inventaire de ce que contient la réalité logique. Pour Wittgenstein, les formes logiques sont immanentes à la réalité ordinaire (mais également à la pensée et au langage) et ne sont appréhendées par aucun acte de connaissance spécial. La forme n’est pas un constituant particulier du fait ou de la proposition qui le représente: elle est simplement, pour l’un et l’autre, la possibilité de la structure, c’est-à-dire la possibilité pour les éléments du fait et de la proposition d’être combinés comme ils le sont. Wittgenstein soutient que la connaissance des objets inclut la connaissance de toutes les combinaisons dans lesquelles ils sont susceptibles d’apparaître, c’est-à-dire, de toutes les formes logiques. De même que l’on ne peut pas choisir une méthode de projection pour représenter des objets matériels sur un dessin ou un plan sans savoir que des objets de ce genre sont par nature susceptibles d’entrer dans des relations spatiales, on ne peut pas choisir des signes pour représenter des objets en général sans savoir dans quel type de relations il est logiquement possible pour eux d’entrer. Un objet, au sens du Tractatus, n’est précisément rien d’autre qu’un nœud de possibilités combinatoires de ce genre. Il n’y a pas de connaissance séparée des objets, d’une part, de leurs modalités d’occurrence dans des faits, d’autre part. On pourrait, comme le fait Pears, qualifier (avec certaines précautions) d’›aristotélicienne‹ cette conception immanentiste des formes logiques, alors que l’attitude de Russell, qui les situe, pour sa part, dans un monde transcendant, est, au contraire, typiquement platonicienne (cf. Pears 1987, 23). Quant aux objets logiques présumés que pourraient représenter les constantes logiques, Wittgenstein soutient qu’il n’y a tout simplement pas d’objets de ce genre et considère même comme sa ›pensée fondamentale‹ (Grundgedank e) l’idée que les constantes logiques ne représentent pas d’objets d’aucune sorte et sont,
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par le fait, complètement différentes des noms. Si les objets de la réalité peuvent être représentés (vertreten) par des noms, c’est-àdire sur le mode de ce qu’on pourrait appeler la ›lieutenance‹, ce qui constitue le principe sur lequel repose en dernière analyse la possibilité de la proposition, «la logique des faits ne peut être représentée [...]. / die Logik der Tatsachen [läßt sich] nicht vertreten» (Wittgenstein 1971, 4.0312) en ce sens-là. Les objets logiques ne peuvent avoir de représentants, au sens de la ›Vertretung‹, parce qu’il n’y a pas d’objets logiques; et les formes logiques ne peuvent être représentées, au sens de la ›Darstellung‹, parce que ce que la proposition doit avoir en commun avec la réalité pour pouvoir la représenter (la forme) ne peut être représenté dans aucune proposition. 2.2. La deuxième idée que la théorie dite ›picturale‹ de la proposition sert à illustrer est celle de l’automatisme du sens, qui est d’ailleurs liée directement à la première. Elle signifie que, si les signes sont liés dans la proposition d’une manière qui correspond réellement aux possibilités de combinaison des objets qu’ils représentent, la proposition communique automatiquement un sens. La différence entre le cas d’une image proprement dite, comme par exemple le plan d’une ville, et celui de la proposition est que le plan ne peut représenter un arrangement spatial impossible (et donc incompréhensible) des choses dont il traite, alors qu’une proposition de la langue vernaculaire peut, semble-t-il, parfaitement exprimer un non-sens. Mais cela n’est vrai, justement, que d’un langage dans lequel ›les règles strictes et claires de la syntaxe logique‹, comme les appellera plus tard Wittgenstein, ne sont pas immédiatement ou pas suffisamment apparentes. Dans un langage qui obéit réellement aux règles de la syntaxe ou de la grammaire logiques — le genre de langage que Frege et Russell ont essayé de construire — une combinaison de signes qui est simplement possible est également intrinsèquement signifiante. «Ein mögliches Zeichen muß auch bezeichnen k önnen. Alles was in der Logik möglich ist, ist auch erlaubt» (Wittgenstein 1971, 5.473).
Dans la proposition ‘Socrate est identique’, nous avons combiné un nom avec quelque chose qui ressemble extérieurement à une désignation de propriété. Mais la proposition n’a pas de sens, parce qu’il n’y a pas de propriété qui s’appelle ‘identique’ et que nous n’avons pas indiqué quelle pourrait être la propriété
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(réelle) que nous choisissons conventionnellement de désigner par le mot ‘identique’. S’il y a une faiblesse de la langue naturelle, c’est en ce sens que des mots peuvent apparaître dans des combinaisons dans lesquelles ils ne constituent plus des signes possibles, sans que les règles de la syntaxe logique soient pour autant violées de façon évidente. Le principe de l’automatisme du sens permet d’expliquer qu’une fois en possession du vocabulaire et de la grammaire d’un langage nous soyons en mesure de comprendre sans aucune difficulté une infinité de phrases que, pour la plupart, nous n’avons jamais rencontrées auparavant, c’est-à-dire, ce que Noam Chomsk y (* 1928) a appelé le phénomène de la ›créativité linguistique‹. Des signes qui ont été utilisés dans une certaine combinaison pour représenter un état de choses donné peuvent être utilisés dans une combinaison nouvelle, que nous devons pouvoir comprendre, elle aussi, immédiatement, pour représenter un état de choses complètement différent. Moritz Schlic k (1882—1936) (cf. Schlick 1932 a, 154 sq) exprimera ce fait en disant que la caractéristique essentielle de l’expression, par opposition à la simple représentation, est la possibilité de combiner des signes de différentes manières, en d’autres termes, l’ordre, non pas, bien entendu, tel ou tel ordre (spatial, temporel, etc.) particulier, mais l’ordre en général, ce qu’on pourrait appeler «Logical Order, or simply Structure» (Schlick 1932 a, 158). Wittgenstein constate qu’il est de l’essence de la proposition de pouvoir nous communiquer un sens nouveau: «Ein Satz muß mit alten Ausdrück en einen neuen Sinn mitteilen» (Wittgenstein 1971, 4.03). Ce qui prouve que la proposition doit être une image de la réalité est justement le fait que je connais la situation représentée par la proposition, lorsque je comprends celleci et que je la comprends sans que son sens doive m’être expliqué (cf. Wittgenstein 1971, 4.021). C’est un des sens auxquels la théorie de la proposition-image possède, aux yeux de Wittgenstein, une sorte d’évidence: une proposition doit, dans tous les cas, montrer son sens et ne peut le faire qu’en tant qu’elle est une image de ce qu’elle décrit. Wittgenstein continuera d’ailleurs à insister par la suite sur l’analogie remarquable qui existe, de ce point de vue, entre la compréhension d’une image et celle d’une proposition: tout comme nous voyons immédiatement dans l’image l’objet qu’elle représente, nous percevons immédiatement (dans le cas normal) la signification de la proposition. C’est seulement pour quel-
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qu’un qui est en train d’apprendre le langage ou ne le maîtrise pas parfaitement qu’il peut y avoir quelque chose comme une perception de la phrase distincte de la perception de sa signification. — La troisième idée est celle de l’indépendance du sens par rapport à la vérité. Comprendre une proposition veut dire savoir ce qui est le cas (was der Fall ist), lorsqu’elle est vraie, ce qui implique que l’on puisse la comprendre sans savoir qu’elle est vraie (ou fausse). De là découle immédiatement la quatrième idée: il est impossible de formuler une théorie à propos du sens, puisque la théorie devrait contenir des vérités qui doivent ellesmêmes avoir un sens antérieur à leur vérité et donc garanti indépendamment de la théorie. Plus tard, Wittgenstein expliquera que les règles de la grammaire ne peuvent être justifiées, parce que «was in der zu rechtfertigenden Grammatik als Unsinn gilt, k ann in der Grammatik der rechtfertigenden Sätze auch nicht als Sinn gelten» (Wittgenstein 1964, 55).
En d’autres termes, la grammaire de la justification serait condamnée à donner ellemême un sens aux expressions dont elle cherche à montrer que la grammaire à justifier les a exclues à bon droit comme ›réellement‹ dénuées de sens. 2.3. C’est le postulat de l’indépendance du sens par rapport à la vérité qui implique l’existence de propositions élémentaires, c’est-àdire, de propositions qui constituent des combinaisons de noms représentant directement des objets dépourvus de toute complexité interne. Si l’analyse complète des propositions de la langue naturelle devait aboutir à des propositions mentionnant encore des objets complexes, le sens de celles-ci dépendrait de la vérité d’autres propositions énonçant que les constituants des objets en question sont arrangés d’une façon qui garantit effectivement l’existence des complexes concernés. Or le sens des propositions resterait indéfiniment en suspens s’il devait dépendre à chaque stade de leur analyse de faits qui peuvent être ou ne pas être réalisés. On doit donc aboutir tôt ou tard à un niveau auquel la signification de la proposition n’est plus subordonnée à la réalisation d’aucun fait. Les propositions élémentaires reflètent dans leur structure des possibilités élémentaires qui sont réalisées ou ne le sont pas, mais qui existent en tout état de cause, en ce sens que les objets dont il est question dans la proposition peuvent être ou non arrangés comme
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la proposition dit qu’ils le sont, mais ne sont pas eux-mêmes sujets à la question de l’existence ou de la non-existence. Wittgenstein dit que «die Forderung der Möglichk eit der einfachen Zeichen ist die Forderung der Bestimmtheit des Sinnes» (Wittgenstein 1971, 3.23). Aucune proposition ne pourrait avoir un sens assuré et déterminé si le langage ne représentait pas en dernière analyse un univers de possibilités élémentaires déterminées, au sens indiqué. Lorsqu’il critique cette conception dans les Philosophische Untersuchungen, Wittgenstein remarque qu’elle provient du sentiment que l’on doit pouvoir en principe décrire l’état dans lequel tout ce qui peut être décomposé ou détruit le serait effectivement et que l’on a besoin, pour ce faire, de signes qui représentent des choses indécomposables et indestructibles. Sa solution de remplacement consistera alors à dire que ce qui, en apparence, doit exister pour que des propositions puissent avoir un sens n’est pas un élément de la réalité, mais un élément de représentation, par exemple un prototype ou un paradigme qui est utilisé en liaison avec un mot et qui est lui-même un instrument de langage. 2.4. Selon le Tractatus, «der Satz ist der Ausdruck seiner Wahrheitsbedingungen» (Wittgenstein 1971, 4.431), qui sont donc identifiées avec son sens. Mais Wittgenstein entend par ›conditions de vérité‹ des propositions leur concordance ou non-concordance avec les possibilités de vérité des propositions élémentaires. Cela semblerait vouloir dire que les conditions de vérité d’une proposition complexe peuvent être données par quelque chose comme sa table de vérité ou sous une forme du genre de celle que Wittgenstein propose d’utiliser (‘(VVFV)(p, q)’, par exemple pour l’implication), mais que les propositions élémentaires elles-mêmes, si elles ont des possibilités de vérité (irréductibles et indépendantes les unes des autres), n’ont pas de conditions de vérité proprement dites. Qui plus est, dans la mesure où Wittgenstein propose, à l’époque du Tractatus, de traiter les propositions quantifiées comme des conjonctions ou des disjonctions (éventuellement infinies) de propositions plus simples, on est en droit de supposer que la table de vérité représente la procédure standard pour l’indication des conditions de vérité de toutes les propositions qui en ont. S’il en est ainsi, connaître les conditions de vérité d’une pro-
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position de la langue usuelle doit vouloir dire connaître l’analyse complète qui la ferait apparaître comme une fonction de vérité déterminée de certaines propositions élémentaires. En toute rigueur, les propositions qui ont besoin d’une analyse n’expriment pas ellesmêmes directement leurs conditions de vérité. Et celles qui sont inanalysables n’ont pas de conditions de vérité: les comprendre veut bien dire, comme dans le cas général, savoir ce qui est le cas lorsqu’elles sont vraies; mais cette dernière notion ne peut évidemment plus être expliquée en termes de concordance avec les possibilités de vérité de propositions élémentaires. Si l’indication des conditions de vérité d’une proposition complexe est susceptible de nous faire connaître son sens, c’est uniquement en la présentant comme le résultat de l’application des opérations de vérité à des propositions élémentaires dont nous connaissons déjà, d’une autre manière, le sens: «Der Sinn einer Wahrheitsfunk tion von p ist eine Funk tion des Sinnes von p» (Wittgenstein 1971, 5.2341).
La thèse d’extensionalité affirme qu’en dépit de l’existence de contre-exemples apparents comme les propositions du type ‘A croit que p’ ou ‘A dit que p’, toutes les propositions douées de sens doivent être des combinaisons véri-fonctionnelles de propositions élémentaires. Celles-ci sont composées de signes simples dont la signification est constituée par les objets auxquels ils sont coordonnés. Wittgenstein soutient, contre Frege, que les noms ont une dénotation (Bedeutung), mais pas de sens (Sinn), alors que les propositions ont un sens, mais pas de dénotation (v. art. 81). La différence de catégorie qui existe entre les propositions et les noms se manifeste dans le fait que la proposition est par essence articulée (c’est le fait que les noms sont disposés les uns par rapport aux autres comme ils le sont dans le signe propositionnel qui représente un arrangement possible des objets dans l’état de choses), alors que le nom est par nature syntaxiquement simple, en ce sens qu’aucune espèce de complexité n’est essentielle pour la dénomination. La signification d’une proposition est une fonction compositionnelle de celle de ses constituants (les noms, dans le cas des propositions élémentaires, et les propositions élémentaires, dans le cas des propositions complexes) et de leur mode de combinaison. Tout sens propositionnel possible est prévisible et calculable, en ce sens qu’il peut être engendré à partir du sens de propositions élémentaires données par l’ap-
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plication répétée d’une seule et unique opération: la négation simultanée, ce qui garantit l’existence de ce que Wittgenstein appelle la forme générale de la proposition, dont il dit qu’elle est l’essence de la proposition et qu’elle nous donne l’essence de toute description, c’est-à-dire du monde. La difficulté est que nous n’avons pour l’instant aucune idée de ce que peuvent être les propositions élémentaires, qui servent de point de départ à toute la construction. Pour le savoir, nous devons attendre d’avoir effectué l’analyse complète des phénomènes, et donc identifié les constituants ultimes de la réalité et leurs modes de composition possibles en faits élémentaires. Par la suite, Wittgenstein considérera comme une faiblesse rédhibitoire de la théorie du langage du Tractatus l’impossibilité dans laquelle il s’est trouvé de donner un seul exemple concret de proposition élémentaire ou de nom. La conséquence fâcheuse qui résultait de cette situation est que, lorsque nous comprenons une phrase de la langue ordinaire, nous sommes supposés effectuer implicitement une analyse du genre de celle que décrit le Tractatus. Mais, en plus du fait que la compréhension ordinaire ne semble impliquer aucune démarche de cette sorte, le calcul de la signification opère sur des éléments de base dont nous ignorons complètement la nature et procède selon des règles logico-syntaxiques que nous n’avons pas conscience d’appliquer. Il est sans doute inexact de dire, comme l’a fait Russell, que le Tractatus «is concerned with the conditions which would have to be fulfilled by a logically perfect language» (Wittgenstein 1971, IX).
Car Wittgenstein estime que la langue ordinaire elle-même est déjà d’une certaine manière logiquement parfaite: «Alle Sätze unserer Umgangssprache sind tatsächlich, so wie sie sind, logisch vollk ommen geordnet. — Jenes Einfachste, was wir hier angeben sollen, ist nicht ein Gleichnis der Wahrheit, sondern die volle Wahrheit selbst» (Wittgenstein 1971, 5.563).
L’idéal, l’ordre logique parfait, est bien là, déjà réalisé malgré les apparences. Mais la machinerie logique qui lui correspond a l’inconvénient de n’être pas du tout perceptible en surface (v. art. 59).
3.
Le langage comme système et comme calcul
3.1. En dépit de la position tout à fait originale et hétérodoxe qu’il adopte sur certains
points importants, il n’est pas douteux que le Tractatus peut être considérée comme une étape cruciale dans l’évolution qui mène de Frege aux conceptions les plus récentes concernant la manière de construire une théorie de la signification systématique pour une langue naturelle quelconque. Wittgenstein ne remet pas en cause dans le Tractatus l’idée que le langage est une sorte de calcul et qu’un calcul logique du type de ceux que Frege et Russell ont essayé de construire nous révèle quelque chose comme l’essence de n’importe quel langage possible. L’élément le plus hétérodoxe dans toute sa conception est certainement l’idée qu’il est, à strictement parler, impossible de construire une théorie de la signification sans être obligé de franchir la ligne de démarcation qui sépare le dicible et l’indicible, qui est considérée justement par lui comme l’élément essentiel du dispositif élaboré dans le Tractatus. Mais c’est un fait que ses successeurs immédiats, les membres du Cercle de Vienne, ont généralement traité la distinction entre ce qui se dit et ce qui peut seulement se voir plutôt comme une excentricité philosophique que l’on peut oublier que comme étant de nature à susciter une difficulté sérieuse pour toute tentative de construction d’une théorie du langage proprement dite. Rudolf Carnap (1891—1970) est persuadé, dans Logische Syntax der Sprache (1934) d’avoir trouvé la réponse qui convient au problème de Wittgenstein. Schlick est plus proche des idées de Wittgenstein et plus conscient de la nature réelle de la difficulté, lorsque, après avoir emprunté à Wittgenstein (qui l’a soutenue momentanément au début des années trente) la conception selon laquelle le sens d’une proposition est sa méthode de vérification, il remarque qu’il ne peut s’agir véritablement d’une théorie, dans la mesure où il n’est pas possible de construire une théorie à propos de ce qui précède inévitablement toute espèce de théorie. Quoi qu’il en soit, la situation de Frege, si on le considère comme le véritable initiateur des recherches qui ont lieu actuellement sur la façon correcte de construire une théorie de la signification n’est, à certains égards, guère moins paradoxale que celle de Wittgenstein. Car Frege lui-même avait déjà été en un certain sens forcé de conclure que les relations sémantiques ne peuvent, à strictement parler, faire l’objet d’une formulation et d’une discussion explicites (v. art. 84). C’est ce qui a permis à Jaak k o Hintik k a (* 1929) d’affirmer que
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«a systematic theoretical study of semantics is impossible in Frege’s view» (Hintikka 1981, 58).
dire, il est compréhensible que Wittgenstein puisse affirmer:
Cela résulte de ce que Jean van Heijenoort (*1912) a appelé la théorie de ›la logique comme langage‹, par opposition à celle de ›la logique comme calcul‹. Selon la conception de la logique comme langage, dont Frege et le Wittgenstein du Tractatus sont des représentants tout à fait typiques, le langage constitue le moyen d’expression universel de tout discours. Ce qui entraîne comme conséquence que les relations sémantiques fondamentales qui rattachent le langage à la réalité sont présupposées dans tout ce que nous pouvons dire sur quoi que ce soit (entre autres, bien entendu, sur le langage lui-même) et ne peuvent, par le fait, faire l’objet d’un discours doué de sens. Selon la conception de la logique comme calcul, qui traite le langage et sa logique comme un calcul susceptible d’être interprété et réinterprété de différentes façons, on peut, au contraire, ›sortir‹ du langage et formuler des énoncés doués de sens et informatifs sur les liens qui unissent le langage à la réalité. Or, d’une part, comme le fait remarquer Hintikka,
«Offenbar ist, daß wir einen Satz von der Form ‘aRb’ als Bild empfinden. Hier ist das Zeichen offenbar ein Gleichnis des Bezeichneten» (Wittgenstein 1971, 4.012).
«the development of all serious truth-conditional semantics (model theory) obviously presupposes adopting the conception of language as calculus» (Hintikka 1981, 59).
Mais, d’un autre côté, plusieurs commentateurs et en particulier Hintik k a lui-même ont été en mesure de montrer qu’il existait des similitudes frappantes entre la théorie ›picturale‹ du langage et ce qu’on appelle la sémantique logique ou la théorie des modèles et essayé de la réinterpréter en conséquence. Wittgenstein considère qu’un des avantages principaux de sa théorie de l’›Abbildung‹ est de nous fournir un éclaircissement essentiel sur la nature de la vérité comme ›correspondance‹ d’un certain type avec la réalité. Elle donne, en effet, un sens précis à l’idée que la proposition est vraie lorsque les choses sont dans la réalité comme la proposition dit qu’elles sont. L’élément commun que l’on cherche entre la proposition vraie et le fait qu’elle représente est, selon le Tractatus, une identité de structure ou un isomorphisme. Or, dans la théorie des modèles, une proposition atomique de la forme ‘aRb’ (l’exemple de Wittgenstein) sera dite vraie si la relation représentée par ‘R’ existe entre les objets représentés par ‘a’ et ‘b’. Mais la théorie wittgensteinienne ne dit en un sens rien de plus que cela; et si c’est effectivement ce qu’elle veut
Wittgenstein a probablement été quelque peu injuste envers sa théorie de l’image lorsqu’il s’est reproché par la suite d’avoir postulé entre la proposition et le fait susceptible de la vérifier une ressemblance plus précise et plus concrète que celle qui vient d’être évoquée. En tout cas, la manière dont la sémantique logique caractérise la vérité de la proposition atomique et détermine ensuite récursivement les conditions de vérité des propositions complexes par des clauses correspondant à l’intervention des connecteurs propositionnels et des quantificateurs rappelle par certains côtés singulièrement la procédure que Wittgenstein avait esquissée dans le Tractatus. 3.2. Lorsque Chomsk y et ses disciples ont entrepris de démontrer qu’il était possible, contrairement à ce qu’avaient estimé des auteurs comme Alfred Tarsk i (1902—1983) et Carnap, de construire non seulement pour une langue formelle, mais également pour une langue naturelle donnée, une théorie syntaxique et sémantique systématique, ils ont évidemment combattu avec vigueur le présupposé ou le préjugé de l’irrégularité constitutive du langage ordinaire, qui est caractéristique de l’approche des théoriciens du langage idéal. Mais, dans la mesure où il s’agissait précisément de faire pour la langue naturelle quelque chose d’équivalent ou tout au moins de comparable à ce qui avait été fait avec succès dans le cas de langues artificielles obéissant à des règles formelles explicites et exactes, la distance est, somme toute, beaucoup moins grande qu’il ne pourrait sembler au premier abord. Jerrold Katz a suggéré à un moment donné que l’on pouvait, contrairement à la manière dont Wittgenstein procède dans le Tractatus, «retain the idea that language has an underlying conceptual reality and instead drop the assumption that it is completely inaccessible» (Katz 1971, 11).
Il s’agissait, en somme, de montrer que la forme logique (en tant qu’elle se distingue de la forme grammaticale superficielle) et le calcul logique sous-jacent à l’utilisation du langage peuvent parfaitement être découverts et rendus manifestes par la construction d’une théorie systématique de la langue concernée.
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Par conséquent, si Wittgenstein a été accusé par les linguistes chomsk yens d’être un représentant de la linguistique ›taxinomique-behavioriste‹, par opposition à la linguistique de l’avenir, qualifiée de ›démocritéenne‹, le reproche n’a pas du tout le même sens selon qu’il s’agit des conceptions développées dans le Tractatus ou de celles qui sont supposées être à l’origine de la philosophie du langage ordinaire et de son anti-théoricisme implicite ou explicite. Le premier Wittgenstein peut encore à la rigueur être considéré comme un héritier direct de Frege et du programme frégéen de construction d’une théorie de la signification systématique pour le langage, même s’il commet l’erreur regrettable de situer la ›réalité du langage‹, que la théorie s’efforce d’atteindre et de décrire, à une profondeur inaccessible. Il en va tout autrement du deuxième Wittgenstein, qui récuse le projet lui-même et semble manifester à l’égard de la théorie en général et des prétentions théoriques de la science linguistique en particulier un scepticisme tout à fait radical (v. art. 10). Comme il le dit dans le Blue Book nous sommes tentés de croire qu’une phrase n’a de sens que comme élément d’un calcul et que le calcul tout entier est d’une certaine façon présent à l’arrière-plan de n’importe quelle utilisation du langage. La compréhension doit être une activité mentale correspondant à l’effectuation du calcul, c’est-à-dire d’un processus de dérivation complexe qui aboutit à la production du sens et que la théorie linguistique doit s’efforcer de reconstituer. Or, comme le dit Wittgenstein, «when the temptation to think that in some sense the whole calculus must be present at the same time vanishes, there is no more point in postulating the existence of a particular k ind of mental act alongside of our expression» (Wittgenstein 1958, 42).
En abandonnant l’idée que parler consiste à effectuer un calcul qui procède selon des règles déterminées que nous connaissons au moins inconsciemment et l’idée corrélative que la compréhension est une activité mentale qui accompagne la prononciation des mots, Wittgenstein semble adopter une conception de la signification et de la compréhension qui est tout à fait à l’opposé de celle de la linguistique chomsk yenne et probablement de la linguistique ›théorique‹ en général. 3.3. C’est un fait qu’au moment même où ses héritiers supposés, les positivistes logiques s’efforçaient de développer et d’exploiter certaines des idées centrales du Tractatus, Witt-
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genstein a commencé à les reconsidérer sérieusement et les a pour finir complètement abandonnées. Il a, en particulier, rejeté définitivement deux éléments essentiels que la théorie du langage proposée dans le Tractatus avait en commun avec celle de Frege: la conception que l’on peut appeler ›augustinienne‹ du langage, en référence à la manière dont Wittgenstein la critique tout au début des Philosophische Untersuchungen, et la tendance à interpréter le langage sur le modèle d’un calcul obéissant à des règles qui agissent, pour l’essentiel, en profondeur et à notre insu. Selon la conception augustinienne du langage, tous les mots sont des noms dont il est naturel de supposer que la signification a été acquise par la procédure de la définition ostensive, et toutes les propositions sont des combinaisons ou, comme dit le Tractatus, des concaténations de noms. Wittgenstein montre que la thése selon laquelle tous les mots du langage sont des noms est ou bien complètement vide ou bien manifestement fausse et que l’assimilation de toutes les propositions à des combinaisons de noms ayant pour fonction de montrer ›comment les choses sont‹ dans la réalité ne rend pas du tout justice à l’extrême diversité des choses que nous appelons ‘propositions’ et des usages qui peuvent être faits d’une proposition. La critique de la définition ostensive, que l’on a tendance à considérer à tort comme l’explication de sens par excellence et celle qui assure la liaison du langage avec la réalité, n’a pas pour but de montrer, contrairement à ce que l’on croit souvent, qu’elle constitue une forme d’explication particulièrement défectueuse, en ce sens qu’elle peut toujours être mésinterprétée, puisque c’est en fait le propre de n’importe quelle explication. Wittgenstein conteste simplement l’idée qu’elle nous fait en quelque sorte sortir du langage à un endroit déterminé, puisqu’elle constitue en fait simplement une règle de substitution qui autorise à remplacer un symbole par un autre, et la position privilégiée que lui octroie la conception augustinienne. Il avait déjà soutenu auparavant, dans la Philosophische Grammatik, que le langage ne comporte pas deux espèces différentes de règles, les unes ayant pour but d’établir en des points déterminés le contact entre le langage et la réalité et les autres, de déterminer les relations qui existent entre expressions à l’intérieur du langage. Cette critique est importante, parce qu’un des éléments essentiels de la théorie (ou plutôt de la famille de théories) que Wittgenstein rejette est l’illusion
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qu’une fois les signes affectés à la représentation d’une certaine catégorie d’objets (par exemple, les nombres ou les couleurs, mais aussi bien des choses comme la négation ou l’identité) les règles de leur usage découlent de la nature des objets eux-mêmes et peuvent être lues en quelque sorte directement sur eux. Après Frege, le Tractatus lui-même avait été une victime typique de ce genre d’illusion, puisque les noms étaient supposés être associés à des objets d’une façon qui rend immédiatement évidentes les règles syntaxiques qui gouvernent leur usage, à savoir d’une manière telle que leurs possibilités de combinaison dans la proposition élémentaire reflètent simplement les possibilités d’occurrence des objets dans des états de choses. Wittgenstein utilise pour critiquer ce genre de représentation la métaphore du corps de signification (Bedeutungsk örper) que chaque signe est supposé avoir derrière lui et qui fait de la proposition la partie visible d’un arrangement de volumes, les mots ne pouvant être agencés en surface que de la façon qui est autorisée par la combinaison de leurs corps de signification dans l’espace. 3.4. La faiblesse principale de la conception augustinienne réside finalement dans la supposition que l’usage du signe peut être condensé en quelque sorte tout entier dans une mystérieuse relation à un objet qu’il désigne. Si l’on applique ce genre de conception au langage dont nous nous servons pour décrire les états et les processus mentaux, on est tenté de croire que l’apprentissage d’un mot comme ‘douleur’ s’effectue par une sorte de définition ostensive privée consistant à montrer en soi-même et à soi-même la chose dont il s’agit, d’une façon qui est susceptible de déterminer des régies d’usage appropriées pour le mot. La réduction à l’absurde de l’idée de langage privé consiste, chez Wittgenstein, à montrer que la notion de définition ostensive privée et plus généralement celle d’explication de sens privée, de même que celle de règle privée, sont dépourvues de sens. Wittgenstein soutient que la distinction essentielle entre ce qui semble à chaque fois et ce qui est une application correcte de la règle disparaît complètement dans le cas d’une règle privée, ce qui vide de toute espèce de contenu l’idée même de correction, et donc de règle. — Le cas des termes qui représentent des propriétés ou des universaux amène Wittgenstein à formuler sa célèbre théorie des ›ressemblances familiales‹, qui a pour but d’établir que la
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signification d’un terme général n’est pas constituée et n’a pas besoin d’être constituée par un ensemble de conditions nécessaires et suffisantes pour que le terme puisse être appliqué légitimement à un objet. Nous expliquons des termes comme ‘jeu’ ou ‘nombre’ simplement en donnant des exemples significatifs. Wittgenstein s’efforce de réhabiliter systématiquement l’explication ordinaire, qui se contente généralement de donner une liste d’exemples et autorise à étendre l’usage du mot à tout ce qui ›ressemble‹ suffisamment à tel ou tel ou à plusieurs d’entre eux (mais pas nécessairement à tous) sans que la notion de ressemblance dont il s’agit ait à être précisée davantage, contre l’explication ›réelle‹, qui est censée fournir un ensemble de propriétés communes à toutes les choses concernées. Les théories sémantiques de l’espèce courante commettent sur ce point l’erreur de supposer qu’il s’agit de découvrir quelque chose comme la signification réelle des mots, qui doit nécessairement aller au-delà de ce qui est contenu dans les explications de sens approximatives et inexactes que nous sommes en mesure de donner et est seule capable d’expliquer véritablement l’usage que nous en faisons. Wittgenstein estime, pour sa part, que les mots n’ont pas d’autre signification que celle que nous leur donnons, c’est-à-dire qui peut être contenue dans des explications que nous sommes en principe capables de fournir. C’est le sens de la formule selon laquelle la signification est ce qu’explique l’explication de la signification, et rien d’autre (v. art. 68). Il en résulte qu’il ne peut y avoir de discipline consistant à formuler des hypothèses (scientifiques ou non) sur ce que les mots signifient réellement (et à notre insu). Il ne peut donc y avoir une théorie de la signification dans un sens comparable à celui auquel il y a une théorie de la matière. Wittgenstein déplore que des théoriciens comme Russell et luimême aient été victimes de l’illusion que l’analyse logique était comparable à l’analyse chimique et devait, comme elle, mettre au jour des constituants réels. Mais le reproche peut évidemment être adressé aussi bien à tous les linguistes qui rêvent d’une théorie sémantique systématique de la langue naturelle exhibant le sens profond des mots et ses constituants ultimes. On n’explique pas l’usage que nous observons, lorsqu’on le considère comme déterminé par une compétence sémantique consistant dans la possession de règles hypothétiques dont nous sommes censés avoir une connaissance ›tacite‹.
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3.5. L’idée du langage comme calcul, à laquelle Wittgenstein avait adhéré sans restriction à l’époque du Tractatus, a encore été exploitée assez largement par lui dans les écrits du début des années trente. On voit revenir fréquemment dans les textes de cette période l’idée que la signification d’un mot (mais aussi d’une proposition) est leur place dans un système ou le rôle qu’ils jouent dans un calcul. Une fois devenue suspecte pour les raisons qui ont été indiquées plus haut, la notion de ›système‹ ou de ›calcul‹ sera supplantée progressivement par celle de ›jeu de langage‹ et la caractérisation de la signification en termes de position occupée par un signe dans un système de signes par la formule selon laquelle la réponse correcte à la question de savoir ce qu’est au juste la signification d’un mot est, dans un bon nombre de cas, simplement: «Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache» (Wittgenstein 1953, I § 43). La notion de j eu de langage introduit au moins deux éléments nouveaux par rapport à celle de système (v. art. 67). D’une part, il n’est plus question d’un système unique et unifié du langage, mais de l’extrême diversité des jeux de langage et de la dynamique en vertu de laquelle de nouveaux jeux de langage apparaissent constamment, pendant que d’autres se transforment ou disparaissent. D’autre part, la notion de jeu de langage a, entre autres choses, pour but de souligner la relation essentielle qui existe, dans l’usage du langage, entre les actes linguistiques proprement dits et des actions d’un autre type, le fait que «das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigk eit, oder einer Lebensform» (Wittgenstein 1953, I § 23).
Avec le déclin de la notion de système, on voit s’effectuer également une évolution que l’on pourrait caractériser (de façon très simplifiée) comme le passage du langage comme (système de) représentation au langage comme action. Le modèle du calcul avait l’avantage apparent d’expliquer de façon plausible que le langage puisse contenir un nombre potentiellement infini de phrases qui peuvent être comprises sans hésitation sur la base d’une connaissance de la signification de leurs constituants et des règles du calcul. Il est significatif que ce problème, qui est encore très présent dans le Tractatus et pour lequel, selon une opinion couramment admise, n’importe quelle théorie sémantique acceptable doit nécessairement proposer une solution
quelconque, n’apparaisse plus nulle part explicitement dans les textes de Wittgenstein, après que le modèle du calcul obéissant à des règles strictes a été répudié comme une des sources principales de la confusion philosophique qui règne généralement à propos du langage. Il est compréhensible que les linguistes et les théoriciens du langage ne soient pour l’instant nullement disposés à accepter la conception défendue par des wittgensteiniens comme Hack er et Bak er, selon laquelle on ne peut certainement pas reprocher, comme l’ont fait les générativistes, à la philosophie du langage de Wittgenstein de ne pas expliquer le phénomène de la créativité linguistique, dans la mesure où il n’y a tout simplement rien de clair et de déterminé à expliquer et tout au plus une apparence de problème résultant elle-même de confusions philosophiques caractéristiques.
4.
L’autonomie de la grammaire et l’arbitraire des règles
4.1. A l’époque du Tractatus, Wittgenstein estimait que les coordinations établies entre les noms et les objets qu’ils désignent jouent en quelque sorte le rôle d’antennes qui permettent au langage de ›toucher‹ la réalité. La manière dont il s’exprime au début des années trente sur la nature de la définition ostensive, dont il dit que, contrairement à l’idée que l’on s’en fait généralement, elle ne fait qu’étendre le langage ou ajouter un élément à un calcul, pourrait, au contraire, aisément donner l’impression que le langage ou le calcul restent pour ainsi dire suspendus au-dessus de la réalité sans jamais réussir à entrer en contact avec elle: «Die Verbindung zwischen ›Sprache und Wirk lichk eit‹ ist durch die Worterk lärungen gemacht, — welche zur Sprachlehre gehören, so daß die Sprache in sich geschlossen, autonom, bleibt» (Wittgenstein 1969 a, 97).
Bien loin que des corrélations préalablement établies entre le langage et la réalité rendent en quelque sorte la grammaire obligatoire, c’est, au contraire, dans la grammaire et elle seule que s’établissent le contact et la correspondance dont nous parlons avec la réalité. Wittgenstein note que «die Sprache ist nicht etwas, dem eine Struk tur gegeben, und das dann der Wirk lichk eit aufgepaßt wird» (Wittgenstein 1969 a, 89). Mais le langage n’est pas non plus une chose dont la structure pourrait résulter de l’obligation de
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s’adapter à une réalité accessible indépendamment d’elle. — La critique du paradigme référentiel et le fait que, comme le dit Wittgenstein (1969 a, 143), «in der Sprache wird alles ausgetragen» semblent suggérer que la fonction représentative du langage est désormais complètement ignorée ou, en tout cas, a été rendue tout à fait problématique. En réalité, il n’en est rien. Comme l’a souligné notamment Hintik k a, le fait que les connexions instaurées entre le langage et la réalité soient inexprimables et que, lorsqu’on s’efforce de les décrire, on ne parvienne jamais à formuler autre chose que des corrélations intra-linguistiques entre des éléments différents du symbolisme ne signifie pas du tout que les connexions en question n’existent pas ou ne sont pas essentielles: «Wittgenstein’s apparent emphasis on connections between different moves in language-games rather than on representative relations from language to reality is merely a reflection of his belief in language as the universal medium» (Hintikka 1981, 60).
Il en va de même en ce qui concerne la connexion qui est censée être établie entre la proposition et le fait extra-linguistique qu’elle représente. Cette connexion, pour être indicible, n’en est pas moins tout à fait réelle. «Die Grenze der Sprache zeigt sich in der Unmöglichk eit, die Tatsache zu beschreiben, die einem Satz entspricht (seine Übersetzung ist), ohne eben den Satz zu wiederholen» (Wittgenstein 1980, 10).
Le fait que la concordance entre la pensée et la réalité soit établie, comme le dit Wittgenstein, dans la grammaire et donc en un certain sens elle-même intérieure au langage veut dire simplement que la correspondance métaphysique entre deux choses à première vue complètement hétérogènes se réduit, lorsque nous essayons d’en dire quelque chose, à une simple corrélation intra-grammaticale. La correspondance qui doit exister entre la proposition et ce qui la vérifie ne peut, semble-t-il, s’exprimer que dans des évidences de nature purement grammaticale du type ‘ ‘p’ est vrai ↔ p’, ‘ ‘p’ est faux ↔ ~ p’ ou ‘le fait que p = le fait qui rend vraie la proposition que p’.Mais il n’y a pas lieu d’en conclure et Wittgenstein n’en conclut certainement pas qu’une proposition n’est jamais comparée qu’avec une autre proposition, et non avec la réalité elle-même. La grammaire garantit la comparabilité de la proposition avec le réel et détermine la manière dont elle peut être comparée avec lui; elle ne nous dispense évidemment pas d’effectuer réellement la comparaison (v. art. 69).
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4.2. Il résulte de cela que les propositions de la grammaire, même si elles ont le plus souvent la forme de propositions descriptives, ne peuvent à leur tour être confrontées avec la réalité, comme le sont les descriptions que nous pouvons produire de celle-ci, une fois donnée la grammaire. Hack er et Bak er ont appelé ›autonomie de la grammaire‹ la thèse selon laquelle les règles de la grammaire ne sont pas susceptibles d’être justifiées par la réalité et pas davantage d’entrer en conflit avec elle. Wittgenstein l’exprime de la façon suivante dans la Philosophische Grammatik: «Die Grammatik ist k einer Wirk lichk eit Rechenschaft schuldig. Die grammatischen Regeln bestimmen erst die Bedeutung (k onstituieren sie) und sind darum k einer Bedeutung verantwortlich und insofern willkürlich» (Wittgenstein 1969 a, 184).
Il n’y a donc aucune possibilité de dire que les règles que nous avons choisies, par exemple, pour le mot ‘non’ sont les bonnes en ce sens qu’elles correspondent bien à la nature de la chose (la négation). Les règles grammaticales se distinguent des propositions descriptives ordinaires comme le choix conventionnel d’une unité de mesure se distingue d’une indication de longueur. Toutefois, la comparaison avec le cas d’un système de mesure (l’analogie favorite des conventionalistes, que Wittgenstein utilise lui-même régulièrement) et le choix du terme ‘conventionalisme’ pour caractériser sa position risquent de donner une idée trompeuse de ce qu’elle est réellement. Si les règles de la grammaire sont arbitraires, en ce sens qu’elles ne peuvent être elles-mêmes comparées avec la réalité dans la dimension du vrai et du faux ou de la correction et de l’incorrection, on ne doit pas pour autant supposer que nous avons en un sens quelconque ›choisi‹ arbitrairement entre différentes possibilités. Ce qui est vrai est uniquement que nous ne pouvons pas essayer de justifier les règles et les concepts que nous appliquons à la description de la réalité en disant qu’ils sont les seuls possibles, pour la raison que d’autres règles ou d’autres concepts ne permettraient pas de représenter ›correctement‹ la réalité en question. On ne peut pas tenter de légitimer la grammaire en invoquant une ›nature des choses‹ qui l’a rendue nécessaire, parce qu’il n’y a pas de nature des choses qui précède la grammaire et que la première ne peut être en réalité qu’un reflet ou une projection de la seconde. Wittgenstein précise néanmoins que, si la possibilité de donner des raisons présuppose la grammaire, qui par conséquent n’a pas elle-même de rai-
II. Personen
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sons, son adoption peut avoir, en revanche, toutes sortes de causes déterminantes: «Ist der Kalk ül also willk ürlich von uns angenommen? So wenig, wie die Furcht vor dem Feuer, oder einem wütenden Menschen, der sich uns nähert» (Wittgenstein 1969 a, 110).
4.3. La thèse de l’autonomie de la grammaire semble impliquer celle de la relativité linguistique et conceptuelle (v. art. 74). Et Wittgenstein a été régulièrement soupçonné de défendre sur ce point une position très proche de celle d’auteurs comme Edward Sapir (1884—1939) et Benjamin Lee Whorf (1897— 1941). Les Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik manifestent indiscutablement un certain penchant pour le relativisme, y compris justement en ce qui concerne le cas apparemment le moins favorable à ce genre de conception, à savoir la logique et les mathématiques. Puisque nous n’avons aucun moyen de montrer que nos concepts sont les bons, ne devons-nous pas nous attendre à rencontrer des systèmes conceptuels tout à fait différents et tout aussi (ou aussi peu) justifiés que le nôtre? Hintik k a (1986, 21) estime que le relativisme est directement suggéré par la remarque selon laquelle «das Hinzunehmende, Gegebene — k önnte man sagen — seien Lebensformen» (Wittgenstein 1953, II 226). Puisque la ›cour d’appel sémantique suprême‹ est constituée par des formes de vie, c’est-à-dire par quelque chose qui nous est donné et que nous acceptons, mais qui peut très bien ne pas être donné à d’autres et accepté par eux, n’en résulte-t-il pas qu’il pourrait très bien y avoir des communautés humaines dont nous ne comprenons pas du tout la forme de vie ni, par conséquent, le langage? Wittgenstein écrit dans un de ses manuscrits: ›Eine Sprache, die ich nicht verstehe, ist k eine Sprache‹. Mais là réside précisément la difficulté: comment est-il possible, dans ces conditions, de parler de langages que je ne serais pas en mesure de comprendre (et donc probablement aussi d’êtres qui, tout en étant incontestablement humains, me seraient néanmoins complètement et définitivement impénétrables)? Le relativisme conceptuel a malheureusement toutes les chances de se révéler en fin de compte aussi inexprimable que son contraire, puisque nous ne pouvons rien dire de l’intérieur de notre langage sur les relations sémantiques fondamentales qui y existent et pas davantage sur celles qui pourraient exister dans un langage qui différerait du nôtre au point d’être incompréhensible
pour nous. Il est vrai en un certain sens que nous ne pouvons pas appréhender le monde autrement que de la façon qui nous est imposée par la grammaire que nous avons adoptée. Mais il s’agit justement d’une constatation transcendantale, et non d’une vérité empirique qui décrirait une possibilité parmi d’autres qui nous étaient également offertes. Wittgenstein semble avoir été lui-même conscient de la difficulté intrinsèque que comporte sur ce point sa pratique de l’anthropologie spéculative ou fictive, puisqu’il remarque à un moment donné: «Kann ich denn auch nur sagen: ‘Diese Leute nennen dies (ein Braun etwa) rötlichgrün? Wäre es dann eben ein anderes Wort für etwas, wofür auch ich eins habe? Wenn sie wirk lich einen anderen Begriff haben als ich, so muß sich das darin zeigen, daß ich mich in ihrem Wortgebrauch nicht ganz ausk enne. Ich habe aber doch immer wieder gesagt, man k önnte sich denk en, daß unsre Begriffe anders wären, als sie sind. War das alles Unsinn?» (Wittgenstein 1977, 32).
5.
Le ›paradoxe de Wittgenstein‹ et la mythologie des règles
5.1. Wittgenstein ne rejette certainement pas l’idée anodine et parfaitement correcte que le langage est une activité gouvernée par des règles, mais une conception mythique de la manière dont nous pouvons, de façon générale, être conduits par des règles. Cette critique comporte deux éléments essentiels. D’une part, il est difficile de comprendre comment des règles que nous ne connaissons pas et sur lesquelles nous en sommes réduits, tout comme le linguiste qui cherche à expliquer notre comportement, à formuler des hypothèses, peuvent réellement exercer une fonction normative. Comme le disent Hack er et Bak er, «there is no normative behaviour as long as the norms await discovery» (Bak er/ Hack er 1984 b, 313). Wittgenstein insiste, en tout cas, sur le fait qu’une règle de jeu à laquelle je me réfère explicitement et qui entre dans l’action de jeu elle-même ne doit pas être confondue avec une règle dont l’apprentissage a simplement pour effet que j’agis à présent de telle ou telle manière et qui appartient en tant que cause à ce qu’on peut appeler la ›préhistoire‹ de l’action. Une règle impliquée réellement dans le jeu ne s’oppose pas à une règle invoquée á titre d’hypothèse explicative simplement «wie der Ausdruck ‘ein Sessel den ich sehe’ zu dem: ‘ein Sessel den ich nicht sehe, weil er hinter mir steht’» (Wittgenstein
39. Ludwig Wittgenstein (1889—1951)
1969 a, 49). Wittgenstein répète que la règle, en tant qu’hypothèse causale, est dépourvue de pertinence pour ce que le philosophe cherche à comprendre, à la différence des explications de sens familières, qui sont susceptibles d’être utilisées réellement comme normes auxquelles le locuteur peut confronter son usage du langage. Mais c’est une chose de remarquer que l’idée de règles que nous consultons et appliquons inconsciemment joue sur une équivoque ou introduit une confusion sérieuse entre deux sens très différents du mot ‘règle’, c’en est une autre de suggérer que la règle au deuxième sens est une chose dont le linguiste et le théoricien du langage eux-mêmes devraient se désintéresser. Wittgenstein remarque que, si l’on appelle le savoir (dans le cas du langage, on pourrait dire la ›compétence linguistique‹ du locuteur) un ›état‹, alors c’est «in dem Sinn, in welchem man vom Zustand eines Körpers, eines physik alischen Modells redet. Also auch im physiologischen Sinn, oder auch in dem einer Psychologie, die von unbewußten Zuständen eines Seelenmodells redet» (Wittgenstein 1969 a, 48).
Mais c’est bien ainsi que procède la linguistique qui se fixe pour tâche la construction d’un modèle psychologique ou psychophysiologique de la compétence en termes d’états mentaux ou neurocérébraux hypothétiques. Et Wittgenstein ne trouve apparemment rien à redire à ce genre de démarche, en dehors du fait que l’on risque fortement d’oublier que l’on est sorti du domaine grammatical des ›états conscients‹ pour entrer dans un autre. Il n’est évidemment pas facile de comprendre comment les mécanismes ›sousjacents‹ que postule le linguiste pourraient expliquer à la fois l’aspect causal et l’aspect normatif du comportement linguistique; mais il est plus difficile encore de condamner a priori comme futile ou dénuée de sens toute tentative de ce genre. 5.2. Le deuxième élément que Wittgenstein conteste dans ce que l’on peut appeler la mythologie des règles est l’idée que celles-ci déterminent le comportement de l’utilisateur à la façon d’une machine qui, indépendamment de ce que peut être la pratique concrète de l’application de la règle et sans que nous y soyons pour rien, produit inexorablement et infailliblement toutes les applications correctes, ou encore de rails qui fixent une fois pour toutes et sur une distance infinie le chemin à suivre. Même dans le cas de règles qui
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n’ont rien d’hypothétique et qui sont parfaitement précises et explicites comme par exemple les règles du calcul arithmétique, les choses ne se passent pas du tout de cette façon. Wittgenstein formule sur ce point un paradoxe dont la conclusion semble être que la règle n’a en fin de compte rien déterminé pour aucun cas, puisque n’importe quelle application déviante de la règle pourrait en principe être présentée comme conforme à la manière dont elle avait été comprise et appliquée antérieurement. C’est du moins ainsi que l’on est forcé de voir les choses, si l’on suppose, que la règle, qui est en elle-même muette, ne détermine son application que par le biais d’une interprétation et l’application correcte que par le biais de la (seule et unique) interprétation correcte. Celui qui a compris la règle est supposé avoir intériorisé quelque chose (l’interprétation) qui excède définitivement les exemples, aussi nombreux que l’on voudra, d’application correcte qui sont supposés attester qu’il a compris la règle comme elle devait l’être. Aucun nombre fini d’applications conformes de la règle ne pourrait garantir que l’interprétation qui a été adoptée était la bonne ou, si l’on préfère, que la règle qui a été suivie était bien celle dont il s’agit, puisque tout ce qui a été fait jusqu’ici peut être mis en conformité avec une infinité de règles différentes dont la divergence n’est susceptible de se manifester qu’à un stade ultérieur par une bifurcation effective dans les applications. Saul Kripk e (* 1940) interprète la position de Wittgenstein comme consistant à soutenir qu’il n’y a finalement aucun fait me concernant qui pourrait être identifié à la compréhension du signe ‘+’, par exemple, comme signifiant l’addition plutôt que n’importe quelle autre opération dont les résultats coïncident avec ceux de l’addition pour tous les couples de nombres qui ont été considérés jusqu’ici. En d’autres termes, rien dans les applications passées ne détermine réellement l’application future, ce qui signifie que je pourrais en principe continuer de n’importe quelle manière sans entrer en contradiction avec ce que j’ai fait antérieurement. Appliqué au langage usuel, cela signifie qu’il n’y a pas non plus de fait qui aurait consisté à donner à un moment quelconque aux mots que nous utilisons un sens déterminé capable de diriger leur usage futur. (›There can be no such thing as meaning anything by any word.‹) Kripk e lui-même, considérant que la notion chomsk yenne de compétence ›est normative, et non descriptive‹, souligne que les remarques de
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Wittgenstein devraient poser un problème sérieux à ceux qui utilisent cette notion, dans la mesure où la ›compétence‹ ne peut être définie dans les termes d’un modèle dispositionnel ou mécanique idéalisé et utilisée ensuite sans circularité pour expliquer ce qu’on entend par suivre une règle: «Only after the sceptical problem about rules has been resolved can we then define ‘competence’ in terms of rule-following» (Kripke 1982, 31).
5.3. Selon Kripk e, Wittgenstein propose une solution sceptique à un paradoxe sceptique. La solution consiste à considérer la personne qui utilise une règle non plus isolément, mais en tant que membre d’une communauté d’utilisateurs dans laquelle elle sera supposée avoir compris la règle comme il se doit si et seulement si les réponses qu’elle considère comme ›correctes‹ simplement en ce sens que ce sont celles qu’elle a une propension naturelle à donner coïncident normalement avec celles que les autres utilisateurs sont également enclins à fournir. Le seul garant de la correction ›objective‹ dans l’application est la concordance entre les applications individuelles au sein de la communauté, une conception que Hack er et Bak er (1984 a), qui la rejettent catégoriquement, ont appelée la ‘community view’. Kripk e n’est ni le premier ni le seul à avoir compris les remarques de Wittgenstein comme signifiant que l’idée de continuer à appliquer un concept ou à utiliser une expression de la même manière qu’auparavant n’a aucun contenu objectif. Cette interprétation se heurte cependant à des difficultés évidentes. D’une part, elle résulte directement de la supposition que la règle ne détermine ses applications que par l’intermédiaire d’une interprétation, ce qui constitue justement l’idée que Wittgenstein remet en question lorsqu’il discute le paradoxe. Il arrive que nous devions effectivement interpréter une règle avant de l’appliquer et que nous hésitions sur l’interprétation, mais il y a aussi «eine Auffassung einer Regel [...], die nicht eine Deutung ist; sondern sich, von Fall zu Fall der Anwendung, in dem äußert, was wir ‘der Regel folgen’, und was wir ‘ihr entgegenhandeln’ nennen» (Wittgenstein 1953, I § 201).
Wittgenstein souligne explicitement que l’interposition d’une interprétation entre la règle et son exécution ne supprimerait pas l’indétermination apparente, l’interprétation étant toujours elle-même, comme la règle, suspendue en l’air et incapable de soutenir celleci. Puisque le principe de la solution qu’il
II. Personen
propose semble contenu dans la remarque selon laquelle › ‘suivre la règle’ est une pratique‹ et présuppose ›un usage constant, une coutume‹, c’est cette notion de pratique (substituée à l’idée que la règle opère à la façon d’une sorte de machine logique en action) qui demanderait à être examinée de plus près et clarifiée davantage qu’elle ne l’a généralement été. Quant à l’idée de la ›community view‹, elle a l’inconvénient majeur de remplacer le problème de la correction objective de l’application par un problème quasiment statistique de consensus dans la façon d’appliquer la règle. Ce que dit la règle pour un cas particulier est subordonné à la réalisation d’un accord, que l’on peut espérer voir se produire le moment venu, mais qui ne peut pas être réellement anticipé, sur la façon correcte de le traiter. Or Wittgenstein soutient que la connexion entre la règle et ses applications n’est pas une connexion empirique causale du genre de celle qui existe entre un mécanisme réel et les mouvement auxquels on peut en principe s’attendre de sa part. Si la connexion n’est pas de nature causale, ce n’est pas parce qu’elle laisse subsister une marge d’indétermination et d’imprévisibilité, mais au contraire parce qu’une connexion hyperrigide du genre de celle qui existe en pareil cas ne peut justement être qu’une connexion grammaticale. Il ne peut donc y avoir rien d’hypothétique et rien qui puisse faire l’objet d’une découverte dans le fait qu’une action s’accorde ou ne s’accorde pas avec la règle. Corrélativement, il n’est pas question de nier que le maître qui apprend à l’élève à continuer la suite ‘2, 4, 6, 8, ...’ veuille réellement dire qu’après ‘1000’ on doit écrire ‘1002, 1004, ...’, même s’il est vrai qu’il n’a probablement pas envisagé ce cas particulier et que, comme le dit Wittgenstein, il n’en sait pas plus lui-même sur ce qui doit être fait que ce qui est contenu dans les explications et les exemples qu’il peut donner. Il est parfaitement correct de dire que celui qui a enseigné la règle ‘ + 2’ savait déjà que l’on doit écrire, après ‘1000’, ‘1002, 1004, ...’. Il savait cela, observe Wittgenstein (1953, I § 187), avec le même genre de certitude totale (et pourtant impossible à justifier par des raisons précises) que quelqu’un qui dit: ‘S’il était tombé dans l’eau, alors j’aurais sauté à sa suite’. S’il y a une difficulté sérieuse, c’est justement parce que, même si la règle (ou le sens qu’on lui donne) n’agissent pas à distance dans un univers platonicien où toutes les transitions sont pour ainsi dire déjà effectuées, ils déterminent néanmoins bel et bien à l’avance
39. Ludwig Wittgenstein (1889—1951)
ce qui doit être fait pour le cas particulier considéré comme pour n’importe quel autre. Enfin, Wittgenstein rejette catégoriquement toute tentation d’assimiler la proposition a priori ‘Le résultat (correct) du calcul est ...’ à une proposition anthropologique du type ‘Tous les hommes (ou la plupart d’entre eux) obtiennent comme résultat, lorsqu’ils font le calcul, ...’. La même chose est vraie, bien entendu, dans le cas des règles qui gouvernent l’usage des mots de la langue naturelle: qu’une couleur s’accorde ou non avec un échantillon de vert fait partie, aux yeux de Wittgenstein, de la grammaire du mot ‘vert’ et n’a rien à voir avec une sorte de décision empirique que traduirait le moment venu le comportement de la collectivité ou de la majorité. La ›community view‹ ne peut donc pas être la position intermédiaire stable et satisfaisante que Wittgenstein a cherchée entre une conception magique de la connexion établie a priori dans la grammaire entre la signification et l’usage et l’idée qu’il n’y a pas de connexion du tout, ce qui signifierait que nous vivons en réalité sans nous en apercevoir sous le règne de l’anarchie linguistique complète ou, en tout cas, constamment menaçante.
6.
La signification, c’est l’usage
6.1. Le changement de perspective qui permet à Kripk e de formuler ce qu’il appelle la solution sceptique du paradoxe sceptique attribué à Wittgenstein est, pour une part essentielle le remplacement d’une conception réaliste de la signification, appuyée sur l’idée de conditions de vérité objectives qui peuvent être ou ne pas être réalisées sans que nous soyons dans tous les cas en mesure de déterminer si elles le sont ou non par une conception anti-réaliste, appuyée sur l’idée de conditions d’assertabilité justifiée pour une proposition. La position de Kripk e est que la proposition problématique ‘A veut dire l’addition par ‘plus’ (ou la couleur verte par le mot ‘vert’)’ n’a pas de conditions de vérité, mais seulement des conditions d’assertion correcte: la question n’est pas de savoir si quelqu’un veut dire réellement ceci ou cela par un mot quelconque, mais si lui-même et les autres sont ou non justifiés à croire que c’est ce qu’ils veulent dire. Or le passage d’une conception vériconditionnelle de la proposition, dans laquelle comprendre la proposition veut dire savoir ce qui est le cas lorsqu’elle est vraie, à une conception vérificationniste,
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dans laquelle comprendre la proposition veut dire savoir dans quel cas elle peut être légitimement assertée est justement celui que Wittgenstein est supposé, selon une interprétation plus ou moins reçue, avoir effectué entre le Tractatus et les écrits de sa deuxième période. Ce changement d’attitude semble être illustré de façon typique par sa philosophie des mathématiques, dont la thèse centrale est devenue depuis le début des années trente que le sens de la proposition mathématique n’est pas celui d’une assertion portant sur un univers mathématique dans lequel ce qui est affirmé est ou n’est pas le cas, mais est donné par ce qui compte comme une justification pour elle, à savoir la démonstration. Transposée au langage dans son ensemble, une telle conception impliquerait que la signification d’une expression est la contribution qu’elle apporte à la détermination des conditions d’assertion (et non des conditions de vérité) des phrases dans lesquelles elle est susceptible de figurer. Dummett a soutenu qu’une application conséquente du principe wittgensteinien (mais déjà présent implicitement chez Frege) selon lequel ›la signification ne peut pas transcender l’usage‹ obligeait à remettre sérieusement en question l’idée de conditions de vérité qui pourraient être réalisées sans que nous soyons en mesure de reconnaître qu’elles le sont, puisque, si la compréhension d’une proposition était constituée par la connaissance de conditions de vérité de ce genre, elle contiendrait un élément qui est par nature incapable de se manifester dans l’usage que nous faisons de la proposition. Lorsque Wittgenstein dit que «was man als Begründung einer Behauptung auffaßt, das k onstituiert den Sinn der Behauptung» (Wittgenstein 1969 a, 81), il semble à première vue effectuer une conversion explicite à l’anti-réalisme. Mais ce qu’il veut dire est probablement exprimé de façon plus correcte, lorsqu’il remarque que la question ‘Comment vérifie-t-on la proposition?’ contribue à déterminer le sens de la proposition ou constitue une partie de sa grammaire, ce qui signifie simplement qu’il ne s’agit pas, comme on a tendance à le croire, d’une question ›épistémologique‹ annexe, sans rapport avec la signification, mais non que la signification d’une proposition peut et doit être donnée dans tous les cas entièrement en termes de conditions d’assertion. Ne serait-ce qu’en raison de l’usage limité et spécifique que Wittgenstein fait de la notion de ›conditions de vérité‹ dans le Tractatus, il est difficile d’extraire de celui-ci l’idée que la signification d’une proposition doit être construite, en
II. Personen
578
termes réalistes, comme étant constituée par ses conditions de vérité. Mais il est probablement aussi excessif et hasardeux de prétendre découvrir dans les textes postérieurs une proposition nouvelle et peut-être plus prometteuse pour la construction d’une théorie de la signification, qui consisterait à mettre à la place de la notion de conditions de vérité celle de simples conditions d’assertion. 6.2. Les théories de la signification de l’espèce standard procèdent généralement de la façon suivante. Chaque proposition est supposée contenir, au moins implicitement, un élément descriptif qui correspond à la représentation d’un fait et qui peut être commun à la proposition déclarative, la proposition interrogative, la proposition impérative, etc. Cet élément, qui peut être représenté par quelque chose comme ce que Wittgenstein appelle un ›radical propositionnel‹, est appelé le sens; et c’est à ce niveau qu’intervient la question de savoir si la théorie de la signification doit utiliser comme notions centrales celles de vérité et de conditions de vérité ou, au contraire, celles de vérification et de conditions dans lesquelles une proposition peut être considérée comme vérifiée. La théorie du sens est complétée ensuite par une théorie de la force, qui spécifie le type d’acte linguistique (assertion, interrogation, ordre, etc.) qui peut être effectué à l’aide d’une énonciation de la phrase concernée. Il est généralement admis que, sous peine d’être d’une complexité intolérable, pour ne pas dire tout simplement impossible, une théorie de la signification doit nécessairement admettre la distinction entre le sens et la force ou une distinction du même genre. Or, comme le remarque Dummett (1978 a, 450 sq), Wittgenstein semble précisément nier l’existence d’une distinction entre le sens et la force et suggérer que l’explication de la signification de la phrase doit être donnée directement dans les termes de l’acte linguistique qu’elle permet d’effectuer (c’est une des choses que pourrait signifier le slogan ‘meaning is use’), sans que l’on puisse espérer simplifier la tâche en effectuant un détour préalable par une théorie du sens. Wittgenstein donne, du reste, l’impression de rejeter également une autre distinction considérée généralement comme indispensable: celle que l’on peut faire entre le contenu sémantique proprement dit, qui est constitué par la combinaison du contenu propositionnel et de la force illocutionnaire, et le contenu pragmatique, qui renferme les adjonctions, les spé-
cifications et les modifications introduites dans la signification par l’utilisation effective de la phrase dans un contexte linguistique et extra-linguistique déterminé.
7.
L’avenir de la théorie de la signification est-il celui d’une illusion?
Si Wittgenstein avait réellement voulu proposer une façon de construire la théorie de la signification qui soit opposée à celle que l’on peut tirer des idées de Frege et susceptible de la remplacer, il serait effectivement très difficile de dire à quoi pourrait bien ressembler une théorie de la signification du genre de celle qu’il a en tête et de quelle manière elle pourrait réussir à conserver un minimum de systématicité. Mais, comme on l’a déjà fait remarquer, Wittgenstein s’efforce de résoudre des problèmes philosophiques par une approche du langage qui, selon lui, ne peut pas être systématique (même si le langage luimême l’est), et non des problèmes de théorie du langage. Il n’en reste pas moins qu’il peut donner l’impression de procéder comme quelqu’un qui accumule des objections sceptiques contre la possibilité de construire une théorie de la signification ou même une théorie du langage quelconque, à moins qu’il ne considère déjà toute entreprise de ce genre comme un non-sens intrinsèque. Wittgenstein rapporte qu’au cours des discussions qu’ils ont eues avant la guerre sur la logique Russell s’écriait souvent: ‘Logic’s hell!’ Et il tente d’expliquer cette réaction de la façon suivante: «Der Hauptgrund dieser Empfindung war, glaube ich, das Fak tum: daß jede neue Erscheinung der Sprache, an die man nachträglich denk en mochte, die frühere Erk lärung als unbrauchbar erweisen k önnte. (Die Empfindung war, daß die Sprache immer neue, und unmögliche, Forderungen heranbringen k onnte; und so jede Erk lärung vereitelt wurde.)» (Wittgenstein 1980, 30).
Il est tentant de supposer que c’est la discordance extrême qui lui est apparue entre les prétentions et les promesses explicatives de la logique et les exigences du langage, tel qu’il est, qui a amené Wittgenstein à désespérer finalement de toute possibilité d’explication. C’est en tout cas probablement ainsi que ceux qui estiment qu’il n’y a aucune raison de désespérer ou qu’il n’est pas nécessaire d’espérer pour entreprendre expliqueraient son changement d’attitude.
39. Ludwig Wittgenstein (1889—1951)
Hack er et Bak er estiment, pour leur part, que Wittgenstein non seulement n’a pas proposé de programme de rechange pour remplacer celui qu’il critiquait, mais encore a montré qu’il était parfaitement vain d’essayer de nouvelles manières de réaliser un projet qui, de Frege à Dummett, Donald Davidson (* 1917) ou Chomsk y, est resté fondamentalement le même et aussi confus et illusoire qu’il l’était au début. Selon eux, un bon nombre de distinctions considérées comme essentielles par la théorie linguistique, notamment la distinction entre le sens et la force, ne sont pas seulement problématiques, mais dénuées de sens; et les problèmes qu’elles sont supposées résoudre sont déjà le produit de confusions conceptuelles concernant la nature de choses comme la signification, la compréhension, etc. On n’aurait pas inventé une distinction comme celle du sens et de la force si l’on n’avait pas été convaincu que la compréhension est une activité mentale qui suit les étapes de la construction de la phrase et de sa signification, telle qu’elle résulte des analyses du linguiste ou du théoricien des actes de langage. On a par moments l’impression, en lisant des wittgensteiniens comme Hack er et Bak er dont la compétence est aussi inattaquable que leur engagement est total, que des analyses conceptuelles et des explications ›grammaticales‹ à la Wittgenstein, qui n’ont pas à exhiber autre chose que ce qui était là sous nos yeux depuis toujours et que, d’une certaine manière, nous connaissions déjà, pourraient résoudre tous les problèmes réels que rencontre le théoricien du langage et qu’il croit devoir résoudre par la postulation d’entités théoriques appropriées comme le contenu propositionnel ou la force, tout en éliminant les problèmes qui n’en sont pas. L’ambition de Hack er et Bak er est au fond de faire pour les théories du langage actuellement en vogue quelque chose de comparable à ce que Wittgenstein a cherché à faire pour la théorie de Georg Cantor (1845—1918): persuader les gens qui se laissent séduire par elles de les abandonner, non pas en les réfutant — car on ne réfute pas une image obsédante et trompeuse — mais en montrant que le paradis supposé n’en est pas un. Il est beaucoup trop tôt pour dire si les choses tourneront ou non sur ce point comme elles l’ont fait pour la théorie des ensembles transfinis. Mais le moins que l’on puisse dire est que ce précédent n’est pas particulièrement encourageant pour
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ceux qui envisageraient de monter une machine de guerre wittgensteinienne contre les ambitions et les prétentions de la théorie linguistique contemporaine.
8.
Bibliographie sélective
Anscombe 1959, An Introduction to Wittgenstein’s Tractatus. Ba k er/Hac k er 1980, Wittgenstein. Understanding and Meaning. Bak er/Hack er 1984 a, Scepticism, Rules & Language. Baker/Hacker 1984 b, Language, Sense & Nonsense. Bak er/Hack er 1985, Wittgenstein. Rules, Grammar and Necessity. Black 1964, A Companion to Wittgenstein’s «Tractatus». Bouveresse 1976, Le mythe de l’intériorité. Fogelin 1987, Wittgenstein [1976]. Hacker 1986, Insight and Illusion [1972]. Hinti kk a/Hinti kk a 1986, Investigating Wittgenstein. Holtzman/Leich (éd.) 1981, Wittgenstein: To Follow a Rule. Kenny 1973, Wittgenstein. Kripk e 1982, Wittgenstein on Rules and Private Language. de Mauro 1967, Ludwig Wittgenstein. His Place in the Development of Semantics. McGinn 1984, Wittgenstein on Meaning. Pears 1987, The False Prison. Stenius 1960, Wittgenstein’s Tractatus. Wittgenstein 1971, Tractatus logico-philosophicus [1921]. Cité d’après le numéro de la proposition. Wittgenstein 1967 a, Ludwig Wittgenstein und der Wiener Kreis. Wittgenstein 1964, Philosophische Bemerkungen. Wittgenstein 1969 a, Philosophische Grammatik. Wittgenstein 1979, Wittgenstein’s Lectures. Cambridge, 1932—1935. Wittgenstein 1958, The Blue and Brown Books. Wittgenstein 1953, Philosophische Untersuchungen. La première partie est citée d’après le numéro du paragraphe, la deuxième d’après la page. Wittgenstein 1967 b, Zettel. Wittgenstein 1969 b, Über Gewißheit. Wittgenstein 1977, Bemerkungen über die Farben. Wittgenstein 1980, Vermischte Bemerkungen.
Jacques Bouveresse, Paris (France)
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III. Positionen Positions Doctrines
40. Die Lehre der Terministen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
1.
›Terminus est in quem resolvitur propositio‹ Der Platz des Traktats De proprietatibus terminorum in den Logik-Kompendien Die logisch relevanten Eigenheiten von Termen Unterscheidungen von Suppositionsarten I Untersuchungen zum Analysebegriff ‘supponere’ Unterscheidungen von Suppositionsarten II Untersuchungen zu den Suppositionsunterscheidungen ›Suppositio‹ und ›copulatio‹ ›Appellatio‹ Zum Forschungsstand Literatur in Auswahl
›Terminus est in quem resolvitur propositio‹
Die in der Überschrift zitierte Bestimmung von ‘terminus’ fanden die scholastischen Logiker in Boethius’ (ca. 480—524) Übersetzung der Analytica Priora des Aristoteles (384— 322 v. Chr.) (s. Art. 15): „Term (ὅρος/Grenze) aber nenne ich, worein eine Aussage aufgelöst wird, nämlich das Prädikat (κατηγορούμενον/das, was ausgesagt wird) und das, von dem es prädiziert wird“ (meine Übers. I 1, 24b 16—17).
Diese Bemerkung hat lediglich die Funktion, einem Ausdruck eine feste technische Bedeutung für die folgende Abhandlung über den Schluß zu geben. Zum Schluß gehören drei Begriffe (bzw. ihnen entsprechende Ausdrücke): der im Schlußsatz an Subjektstelle stehende und der dort an Prädikatstelle stehende Begriff sowie der nicht im Schlußsatz, wohl aber in beiden Vordersätzen vorkommende Mittelbegriff. Aristoteles wird Schlußfiguren danach unterscheiden, welche Position diese drei Begriffe in den Vordersätzen einnehmen; dazu führt er eine Benennung ein:
‘Term’. — Die Theorie der logischen Eigenheiten der Terme, die mittelalterliche Logiker entwickelt haben, ist Eigengut der Scholastiker (s. Art. 4). Diese unterscheiden systematisch zwischen einerseits einer Betrachtung von Ausdrücken, sofern diese aus tatsächlichen Redekontexten losgelöst sind und so Elemente für mögliche Verbindungen in Reden sind, und andererseits einer Betrachtung von Ausdrücken, sofern diese aus der Perspektive ihres Gebrauchs im — vor allem propositionalen — Kontext anvisiert werden. In der erstgenannten Theorieeinstellung teilt man z. B. bedeutungstragende Laute (voces significativae) ein in Nomina und Verba; man geht von diesen Elementen synthetisch zur Betrachtung von Aussagen (enuntiatio, propositio) über. In der zweitgenannten Theorieeinstellung geht man analytisch von der Aussage zurück auf deren konstituierende Redeteile (vgl. de Rijk 1967, Index C s. v. „contextual [...] or propositional [...] approach“; Pinborg 1979, bes. 21 f; 25; de Rijk 1982, 161; Spade 1982, 188; 192). Man entdeckt hier, daß wir denselben Ausdruck, wenn er in unterschiedlicher syntaktischer Funktion, nämlich entweder an Subjektstelle oder an Prädikatstelle gebraucht wird, auch unterschiedlich verstehen. Man untersucht, für welche Gegenstände der Ausdruck steht, je nachdem, ob er als Subjekt oder als Prädikat gebraucht wird; ob im Kontext vorausgehend oder folgend explizit oder implizit Negationen auftreten oder nicht auftreten; ob die Aussage universal oder partikulär ist; ob sie irgendeine Art von Modalbestimmung enthält oder nicht enthält usw. (vgl. Boh 1965, 31). Distributoren, Negationsausdrücke oder Modalausdrücke sind keine Terme im Sinne der Theorie. Untersucht werden kategorematische Ausdrücke, d. h. Ausdrücke, die für sich genommen einen Sinn haben, der explizierbar ist. Synkategorematische Ausdrücke bezeichnen
40. Die Lehre der Terministen
für sich genommen nichts; ihr Sinn ist die logische Funktion, die sie im Satz haben (vgl. Spade 1982, 190 f). Allerdings werden die kategorematischen Ausdrücke als Terme untersucht, d. h. sofern ihr Verständnis durch ihre Umgebung im Satz bestimmt ist. Da die Untersuchung den logischen Eigenheiten, die Terme haben, gilt, müssen gerade diejenigen Ausdrücke im Satz, die eine rein logische Funktion haben, in der Theorie der Termproprietäten eine wesentliche Rolle spielen.
2.
Der Platz des Traktats De proprietatibus terminorum in den Logik-Kompendien
Lambertus M. de Rijk hat in seiner imponierenden, durch Ersteditionen reich dokumentierten Monographie über die Logica Modernorum (1962; 1967) erforscht, welche Fragestellungen die Logiker des 12. Jahrhunderts dazu brachten, schließlich eine Theorie der ›Eigenheiten der Terme‹ auszuarbeiten. Er nähert sich der Theorie von zwei Ausgangspunkten aus an: zum einen von dem Interesse an der Klassifikation und Aufklärung von Fehlschlüssen, zum anderen von den Diskussionen über grammatisch-logische Fragen aus. Die Richtigkeit dieses Ansatzes und der erreichten Ergebnisse findet man bestätigt, wenn man darauf achtet, wohin die Logiker ab dem späten 12. Jahrhundert den neu erarbeiteten Traktat in ihren Kompendien plazieren. In den meisten Kompendien des späten 12. und des 13. Jahrhunderts, u. a. in den Introductiones in Logicam des Wilhelm von Shyreswood (gest. nach 1266, vor 1272) und in den Tractatus ( Summule logicales) des Petrus Hispanus (ca. 1220—1277), wird der Traktat über die Eigenheiten der Terme zwischen die Traktate De locis und De fallaciis eingeschoben. Im Traktat De locis geht es, im Anschluß an Boethius’ Schrift De topicis differentiis, um die Auflistung und Untersuchung zulässiger Argumentationsfiguren. Im Traktat De fallaciis werden, im Anschluß an Aristoteles’ Schrift De sophisticis elenchis, unzulässige Argumentationsfiguren kritisiert. Dazwischen tritt nun der Traktat mit der neu entdeckten Thematik. Seine Stellung läßt erkennen, daß die semantische Theorie, die Gegenstand des Traktats ist, aus der Reflexion auf Verständigungsprobleme der argumentativen Rede entsteht. Wenn Streitfragen argumentativ entschieden werden sollen, erweist
581
es sich oft als nötig, genauer nachzuforschen, wie ein bestimmter Ausdruck im gegebenen Kontext verwendet wird. Die Theorie der Termproprietäten zielt auf typische Unterscheidungen, von denen dann beim wirklichen Argumentieren Gebrauch gemacht werden kann. Sie ist „eine Theorie der Interpretabilität des Terminus, d. h. eine Theorie über die vielfachen Bedeutungen des Terminus je nach seiner Verwendung in einem Satz (propositio)“ (de Rijk 1970, 3 f).
Bereits in den Summe Metenses, regelmäßig aber in Logik-Kompendien der Spätscholastik — etwa ab Wilhelm von Ockham (ca. 1285—1347) (s. Art. 21) und Walter Burleigh (ca. 1275—1345) — rückt der Traktat über die Termproprietäten (bzw. über die Supposition) in eine andere Position. Er folgt hier gleich nach dem Einführungstraktat oder wird in diesen integriert. Im Einführungstraktat wird, ausgehend von Definitionen des Nomens und des Verbs, über die Aussage und deren Bestimmungen der Quantität (universal, partikulär, unbestimmt, singulär), der Qualität (bejahend, verneinend) und der Modalität nach gehandelt, weiter auch über die Unterscheidung zwischen einfacher Aussage (enuntiatio categorica) und Aussagenverknüpfung (enuntiatio hypothetica). Nun folgt eine vertiefende Untersuchung der Terme der Aussage in ihrer Subjekt- oder Prädikatfunktion. Die Anfangsstellung dieser Untersuchung zeigt, daß die Logik systematisch aufgebaut werden soll. Argumentationen (Schlüsse) bestehen aus Propositionen; die Proposition besteht aus Termen; deshalb muß eine systematisch aufgebaute Logik zuerst klären, was ein Term ist und welche typischen Unterschiede zwischen Subjekt- und Prädikatstelle eines Satzes bestehen. In der Anfangsstellung des Traktats kommt auch zum Ausdruck, daß die scholastischen Logiker ihre Lehre von den Termproprietäten keineswegs nur als eine marginale Ergänzung der alten Logik sehen. Es geht hier um Grundlagen der Logik, sofern Logik als ›sermocinalis scientia‹, als Wissenschaft von der argumentativen Rede verstanden wird.
3.
Die logisch relevanten Eigenheiten von Termen
Welche Eigenheiten von Termen Gegenstand der Theorie sein sollen und wie jede dieser Eigenheiten zu definieren ist, das ist unter den terministischen Logikern umstritten. Eine Ge-
582
samtdarstellung der unterschiedlichen Standpunkte und der Entwicklung der Theoriebildung, eine Fortsetzung der von de Rijk gegebenen Ursprungsgeschichte also, ist noch nicht geschrieben; sie kann wohl auch noch nicht geschrieben werden, da noch zu viele Einzelheiten unklar sind. Hier genügt es, zwei Stadien zu markieren. Wilhelm von Shyreswood bemüht sich darum, verschiedene Termproprietäten zu unterscheiden und die gegebenen Bestimmungen zu einer geschlossenen, aspektreichen semantischen Theorie zu integrieren. (Zum Vergleich: Bei Petrus Hispanus stehen Traktate über Supposition, Appellation, Ampliation, Restriktion und Distribution unverbunden nebeneinander.) Etwa hundert Jahre später finden wir bei Wilhelm von Ockham und Johannes Buridan (ca. 1295— 1358/60), daß die Suppositionslehre die Theorie der anderen Termproprietäten gewissermaßen aufgesogen hat. Wie mir scheint, treten die Fragen, um die es den Terministen grundsätzlich geht, im erstgenannten Stadium deutlicher hervor. Im zweiten Stadium dagegen geht es zum einen um immer differenziertere und präzisere Analysen; zum anderen werden die ›ontologischen Verpflichtungen‹ diskutiert, die mit bestimmten Antworten auf die diskutierten semantischen Fragen verbunden sind. 3.1. Die Definition der Termproprietäten nach Wilhelm von Shyreswood: significatio — suppositio — copulatio — appellatio Die Theoriebegriffe, die im folgenden erklärt werden sollen, werden von den Terministen nicht geprägt. Sie alle sind bei Grammatikern und Logikern längst in Gebrauch (vgl. de Rijk 1962; 1967 Indices verborum et rerum s. v. ‘appellatio’, ‘copulatio’, ‘significatio’, ‘suppositio’; für ‘appellatio’ und ‘copulatio’ Maierù 1972; zu ‘suppositio’ Brown 1972, 19 ff). In der folgenden Darstellung wird vereinfacht. Die typisch terministischen Züge in den von Wilhelm von Shyreswood gegebenen Definitionen werden hervorgehoben; Bezugnahmen auf ältere grammatische oder logische Theoriebildungen, die schwer auflösbar sind und die Wilhelms Darlegungen gelegentlich auch unstimmig erscheinen lassen, werden vernachlässigt. Zu beachten ist, daß Walter Burleigh ‘suppositio’, ‘appellatio’ und ‘copulatio’ anders definiert als Wilhelm von Shyreswood. Er faßt suppositio als Proprietät des Subjekts, appellatio als Proprietät des Prädikats und copulatio als Proprietät der Kopula
III. Positionen
(vgl. Walter Burleigh 1955, De Puritate Artis Logicae tr. I 1,8—9; pars I, c. I 1,24—2,13; pars II, 47,25—29; pars III, 54,3—7; dazu Brown 1972). Wieder grundsätzlich anders definiert Johannes Buridan, wenn er von ›appellativen Termen‹ handelt (vgl. King 1985, 17—22). (1) Significatio. Durch einen kategorematischen Ausdruck wird ein bestimmter Inhalt präsentiert. Was der Ausdruck zu verstehen gibt, ist stets ein Allgemeines — in der Sprache der Scholastik: eine Form. Sinnhaftigkeit (Bedeutsamkeit) ist, genau genommen, keine Termproprietät, sondern eine Eigenheit, die dem Ausdruck als solchem, unabhängig von seiner Verwendung im Satz, eignet. Daß die ›significatio‹ dennoch im Traktat De proprietatibus terminorum erwähnt wird, ist darin begründet, daß Sinnhaftigkeit in den eigentlichen Termproprietäten vorausgesetzt ist. Für in concreto bezeichnende Ausdrücke, wie sie hier normalerweise im Blick sind (z. B. ‘Mensch’, ‘Großes’) gilt, daß sie die Form nicht als isolierte bezeichnen — wie dies in abstracto bezeichnende Ausdrücke (‘Menschhaftigkeit’, ‘Größe’) tun —, sondern sofern die Form „eine Substanz, die Träger der Form ist, formt“; insofern „gibt das Nomen irgendwie auch die Substanz zu verstehen“ (Wilhelm von Shyreswood 1983, Introductiones in Logicam 268, n. 5.1.11, ll. 113, meine Übers.). „Der Ausdruck ‘Mensch’ bedeutet Menschhaftigkeit als die Form von Individuen“ (ll. 119 f, meine Übers.). Der extensionale Aspekt der Bedeutsamkeit ist in der ›significatio‹ immer, wenn auch unausdrücklich, mitgemeint. Diesen Aspekt zu klären, ist wesentliches Ziel der Suppositions- und Appellationsanalysen. — Wilhelm von Shyreswood unterscheidet: Die allgemeine Form oder Natur kann (1a) als selbständig bestehend bezeichnet sein — ›significatio alicuius ut subsistentis‹ —, oder sie kann (1b) als abhängig-anhaftend bezeichnet sein — ›significatio alicuius ut adiacentis‹ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 265, n. 5.0.1., ll. 14 ff, meine Übers.). Diese Unterscheidung ist an der Grammatik orientiert. Nomina — besser allgemeiner: substantivistische Ausdrücke — geben, noch unabhängig von ihrer Verwendung im Aussagenkontext, etwas als subsistierend zu verstehen. Adjektive, Partizipien und Verben geben etwas als beiliegend zu verstehen (vgl. Wilhelm von Shyreswood 1983, n. 5.0.3., ll. 21—25). Es ist wichtig, die Funktion des ‘als’ (‘ut’) in den Formulierungen zu beachten. Nomina bezeichnen nicht in jedem Fall Subsistierendes;
40. Die Lehre der Terministen
Adjektive oder Verben bezeichnen nicht in jedem Fall Beiliegendes. Eine so naive Parallelisierung von grammatikalischen und ontologischen Unterscheidungen vermeidet Wilhelm. Nomina, auch substantivierte Adjektive wie ‘Weiße’ oder substantivierte Verben wie ‘Lachen’, geben etwas als subsistierend — oder auch: als ob es subsistierend wäre — zu verstehen, also so, daß andere Bestimmungen attributiv oder prädikativ beigefügt werden können (‘leuchtende Weiße’, ‘helles Lachen’). — Wenn diese Signifikationsunterscheidung in einem Traktat über Termproprietäten getroffen wird, dann deshalb, weil zwischen der grammatischen Form von Wörtern und deren Verwendung in einem Satz ein Zusammenhang aufgewiesen werden soll (vgl. de Rijk 1982, 162—164; 167—171; de Libera 1982, 178 ff). Ein Ausdruck, der (1a) etwas als subsistierend zu verstehen gibt, ist geeignet, einem anderen Ausdruck subjiziert zu werden — ›suppositio secundum habitum‹. Ein Ausdruck, der (1b) etwas als beiliegend zu verstehen gibt, ist geeignet, einem anderen Ausdruck verknüpft zu werden — ›copulatio secundum habitum‹. Die Eignung kommt den Ausdrücken als solchen zu. Wenn Ausdrücke als Terme verwendet werden, wird diese Eignung aktualisiert. Die offene Möglichkeit wird auf je bestimmte Weise geschlossen — (2a) ›suppositio secundum actum‹ und (2b) ›copulatio secundum actum‹ (vgl. de Rijk 1971 und 1973; zu Wilhelms Versuch, die grammatische und die logische Rede von Supposition zusammenhängend zu lassen, vgl. Lambert von Auxerre 1971, Summa Lamberti 206 f). (2a) Suppositio, (2b) copulatio. Die Definitionen bei Wilhelm von Shyreswood lauten: „Supposition ist die Unterordnung eines Verständnisgehalts unter einen anderen. Kopulation ist die Überordnung eines Verständnisgehalts über einen anderen“ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 265, n. 5.0.1., ll. 9 f, meine Übers.).
Dies sind blasse Formulierungen. Die Definitionen in anderen Kompendien sind nicht aufschlußreicher (vgl. Brown 1972, 19 ff). Was die Suppositionstheorie leistet, zeigt sich an ihrer Ausarbeitung. Vorläufig kann festgehalten werden: Wenn die offene Möglichkeit eines Ausdrucks, für selbständige Entitäten zu stehen bzw. solche zu charakterisieren, in jeder Aussage auf je bestimmte Weise geschlossen wird, wenn also diese Möglichkeit nicht stets auf dieselbe Weise realisiert wird, dann deshalb, weil der Aussagenkontext, zu-
583
mindest der andere Term, das Verständnis mitbestimmt. Die einprägsame Formel des Wilhelm von Shyreswood lautet: „Talia sunt subiecta, q ualia permiserint praedicata“ [Die Subjekte sind derartig, wie die Prädikate es zulassen] (l. c., 268, n. 5.1.11, ll. 125 f, meine Übers.; vgl. Spade 1974, 63 f). Konzentriert man sich auf propositionale Kontexte, so läßt sich die Frage nach dem Verständnis des Terms als Frage nach der Wahrheit der Aussage umformulieren: Die Frage, wie ein Term supponiert (für was er steht), ist dann die Frage, welche Einsetzungen für ihn, so wie er in der jeweils vorliegenden Aussage als Subjekt einem Prädikat untergeordnet wird, zu wahren Aussagen führen können — und welche nicht. Entsprechend ist die Frage, wie ein Term kopuliert, die Frage, welche Einsetzungen für ihn, so wie er in der jeweils vorliegenden Aussage als Prädikat einem Subjekt zugeordnet ist, zu wahren Aussagen führen können — und welche nicht. (3) Appellatio. „Appellation [...] ist die gegenwärtige korrekte Anwendung eines Terms, d. h. diejenige Eigenheit, vermittels derer das Bezeichnete eines Terms (also die allgemeine Form oder Natur) von etwas (nämlich einem Träger oder mehreren Trägern der allgemeinen Natur) vermittels des (präsentischen) Verbs ‘ist’ (wahr) ausgesagt werden kann“ (Wilhelm von Shyreswood, 1983, 265, n. 5.0.2., ll. 18 ff, meine Übers.).
Die ›appellatio‹ ist nach dieser Definition eine echte Termproprietät. Sie stellt den extensionalen Gegenpol zur ›significatio‹ dar. Benannt werden nur Einzeldinge, und zwar nur solche Einzeldinge, die gegenwärtig zum Zeitpunkt der Verwendung eines Terms existieren. Daß Termini Appellativfunktion haben, ist ein Spezialfall — der wichtigste — ihrer Suppositions- bzw. Kopulationsfunktion: Der Denotationsbereich wird auf gegenwärtig existierende Denotata eingeschränkt. Die Frage nach der Appellation eines Terms ist die Frage nach seiner gegenwärtigen — was immer heißt: zum Redezeitpunkt gegenwärtigen — Erfüllung bzw. nach der Verifizierbarkeit der präsentischen Aussage, in welcher der Term verwendet wird. 3.2. Significatio: Kontroversen im 14. Jahrhundert Im 14. Jahrhundert macht Wilhelm von Ockham nachdrücklich darauf aufmerksam, daß mit einer Theorie über Signifikation stets ganz bestimmte ontologische Annahmen verbunden sind (s. Art. 21). Er will bekanntlich seine
III. Positionen
584
ontologischen Verpflichtungen so gering wie möglich halten. Selbstverständlich ist nur, daß es Einzeldinge gibt und daß wir mittels unserer kategorematischen Ausdrücke solche Einzeldinge benennen. Nicht nur diskrete Terme haben nach Ockham diese semantische Funktion, sondern auch allgemeine (termini communes). Der Unterschied liegt für Ockham lediglich darin, daß wir mit einem diskreten Term — einem Eigennamen oder einem allgemeinen Term in Verbindung mit Demonstrativpronomen oder Index — ein Einzelding als einzelnes bezeichnen, während wir es mit einem allgemeinen Ausdruck nur im allgemeinen benennen: Der allgemeine Ausdruck benennt nicht nur ein einziges Ding, sondern viele ähnliche. Die Unterscheidung ‘einzeln — allgemein’ ist demnach nur eine linguistische oder konzeptionelle Unterscheidung. Ontologisch dagegen bezeichnen wir mit Eigennamen wie mit allgemeinen Benennungen dasselbe extralinguistisch und extramental Seiende, eben Einzeldinge (vgl. Loux 1974, 1—5; Adams 1987, 319 f; ähnlich Scott 1966, 23 mit Bezug auf Johannes Buridan; Spade 1982, 191). — Vertreter der Gegenposition wie Walter Burleigh machen geltend, daß der Funktion allgemeiner Terme mit Ockhams Theorie nicht zureichend Rechnung getragen werde. In wissenschaftlicher Rede machen wir Aussagen mit allgemeinen Termen an Subjektstelle, so daß wir beanspruchen, daß diese Aussagen notwendig-wahr (im Sinne von: semantisch bestimmt) sind: ‘Der Mensch ist ein Sinnenwesen’ (‘homo est animal’). Solche Aussagen, in denen charakteristischerweise der Subjektterm im Singular (im Deutschen mit bestimmtem Artikel) erscheint, sollen nicht extensional als Aussage über eine Menge faktisch existierender Individuen verstanden werden, sondern intensional als Aussagen über den begrifflichen Gehalt einer absolut — d. h. unabhängig von faktischen Realisierungen — betrachteten ›Natur‹ (vgl. Henry 1963, 206 f; Boh 1968, 257; für eine moderne Wiederaufnahme vgl. Heyer 1987). — Auf diesen Einwand kann der Extensionalist replizieren, indem er die kategorische Aussage in eine hypothetische Aussage umformt: ‘Wenn etwas Mensch ist, dann ist es Sinnenwesen’. Er muß dann jedoch einräumen, daß der Bereich, über den hier q uantifiziert wird (‘für alle x, wenn x ein Mensch ist, dann ist x ein Sinnenwesen’), nicht nur der Bereich aller Menschen, auch nicht nur der aller wirklichen Individuen, sondern der aller möglichen Individuen ist. Für derartige Allaussa-
gen verlangt der Intensionalist Rechtfertigung, die er seinerseits durch den Hinweis auf die semantische Bestimmtheit erbringt (vgl. 4.2.). — Auch Ockham und Buridan vertreten keinen uneingeschränkten Extensionalismus. Einzig für Terme, die direkt für selbständige Einzeldinge (Substanzen) stehen können, soll gelten, daß ihre Signifikation eben der Bereich von Einzeldingen ist, den sie denotieren. Andere Terme wie Eigenschaftswörter, Relationsausdrücke oder negative bzw. privative Terme sind nicht rein-denotativ, sondern auch konnotativ (Buridans bevorzugte Terminologie ist ‘appellativ’; zu dieser Terminologie vgl. Maierù 1972, cap. I, bes. 98—114). Ein Eigenschaftswort wie ‘weiß’ steht für ein Etwas, das Weiße besitzt. Weiß zu sein aber ist eine Eigenschaft, die dieses Etwas normalerweise nicht auf unveränderliche Weise besitzt. Der Term ‘weiß’ (oder: ‘Weißes’) denotiert also möglicherweise ein Einzelding so, daß er es nur in einem bestimmten Zeitpunkt denotiert, in einem anderen Zeitpunkt aber nicht. Darin kann sich seine Signifikationsfunktion nicht erschöpfen. Der Term konnotiert die Eigenschaft (Weiße) unabhängig von deren momentanen Trägern (vgl. Loux 1974, 5—19; Henry 1981; Spade 1982, 192; King 1985, 17—22; Adams 1987, 319—327). Der Nominalist sieht seine ontologische Position gewahrt, solange zwischen Denotation und Konnotation unterschieden wird: Eigenschaften werden nicht denotiert, als ob es sie unabhängig von Einzeldingen gäbe, sondern sie werden konnotiert als Gemeintes, von dem eine Nominaldefinition gegeben werden kann (vgl. Boh 1968).
4.
Unterscheidungen von Suppositionsarten I
Üblicherweise werden die Gliederungen und Untergliederungen, die ein Logiker vornimmt, in der logikhistorischen Forschung in Form von Begriffsbäumen schematisiert. Beim Vergleich solcher Schemazeichnungen sieht man rasch, daß die Einteilungen sich zwar ähneln und daß gewisse Unterscheidungen kanonisch sind, daß aber auch fast jeder Logiker in der Weise, wie er gliedert, seine Eigenheiten hat (vgl. z. B. de Rijk 1972, LXXVII ff; LXXXII; Kunze 1984, 144 f). Unter ‘Suppositionstheorie’ darf keine abgeschlossene Theorie verstanden werden; es handelt sich um einen Ansatz, syntaktische und semantische Probleme der Logik zu ana-
40. Die Lehre der Terministen
lysieren. Die Frage, wie ein Term supponiert, ist die Frage, für was der Term in der jeweiligen Verwendung steht. Die Unterscheidung von Suppositionsarten stellt den Versuch dar, Arten von Kontexten gegeneinander abzugrenzen (vgl. Spade 1982, 192 f). 4.1. Suppositio materialis — suppositio formalis Typische Beispielsätze für materiale Supposition sind (1) ‘homo est dissylabum’ und (2) ‘homo est nomen’. Zur Diskussion steht, wie der Subjektterm in diesen Sätzen verstanden werden muß, wenn die Sätze als wahr eingesehen werden sollen. In (1) steht der Ausdruck ‘homo’ offenbar nur für eine bestimmte stimmliche Artikulation. Dem Prädikat ‘ist zweisilbig’ können als Subjekt Äußerungen (Lautungen) zugeordnet werden. Dabei spielt der Sinngehalt der Ausdrücke keine Rolle. „Der Ausdruck steht für die Äußerung ohne Hinsicht auf den Sinn“ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 266, n. 5.1.2, l.7, meine Übers.). Anders verhält es sich bei (2). Um die Aussagefunktion ‘x ist ein Nomen’ durch Einsetzung eines Nomens anstelle des Platzhalters ‘x’ zu einer wahren Aussage zu vervollständigen, müssen wir den Sinngehalt des einzusetzenden Ausdrucks kennen. Wir müssen diesen Ausdruck nicht nur hören, sondern auch verstehen, um ihn grammatisch klassifizieren zu können. Wir brauchen jedoch nicht zu wissen, ob es wirklich Dinge gibt, die durch diesen Ausdruck bezeichnet werden können. Wir verwenden in (2) den Ausdruck ‘homo’ nicht für das von ihm Bezeichnete. (2) ist ein Beispielsatz für eine Art von Sprachzeichen. „Der Ausdruck steht für den Ausdruck selbst, und dieser ist ein Komplex aus Äußerung und Sinn“ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 266, n. 5.1.2, l.8, meine Übers.). — Unter dem Titel ‘materiale Supposition’ sind Kontexte der (1) Phonologie und (2) der Grammatik ausgegrenzt. In allen übrigen Kontexten, wenn also der untersuchte Ausdruck nicht als Beispiel für eine Äußerung oder ein Sprachzeichen steht, supponiert der Ausdruck formal. Er steht nicht als Name für sich selbst, sondern als Zeichen für das von ihm Bezeichnete, also für seinen Sinn oder seine Bedeutung. — In der modernen Logik und Linguistik hat man sich angewöhnt, Redekontexte der Phonologie und der Grammatik wie auch der Logik dadurch von allen anderen Redekontexten abzusetzen, daß man die Terme, über die phonologische, grammatische oder logische Aussagen gemacht werden, in An-
585
führungszeichen setzt: ‘ ‘Mensch’ ist einsilbig’, ‘ ‘Mensch’ ist ein Nomen’. Dies ist Zeichen für eine tiefgehende Veränderung. Anführungszeichen sind Zeichen der Schrift. Sie werden nicht gesprochen und gehört, sondern geschrieben und gelesen. Das primäre Medium der scholastischen Philosophie und Wissenschaft ist die gesprochene Sprache, während das primäre Medium der modernen Wissenschaft die Schrift geworden ist. In scholastischen Logiktraktaten wird analysierend und reflektierend über Sprache gesprochen, ohne die Möglichkeit, die Analysesprache als Metasprache von der zu analysierenden Sprache graphisch abzusetzen. Der Logiker konstruiert nicht von außen, indem er Zeichen und Regeln einführt, sondern er steht innen: Er sucht nach der Struktur und logischen Form der Wissenschaftssprache, die er selbst verwendet. Er erfaßt diese Strukturen beschreibend und unterscheidend, während der moderne Logiker Notationen erfindet, wenn er an vergleichbaren Forschungen arbeitet (vgl. Perreiah 1984, 10; 17; 34 ff; 41; 45). 4.2. Suppositio simplex — suppositio personalis In formaler Supposition steht der Ausdruck nicht autonym für sich selbst als Zeichen, sondern für das, was er bezeichnet. Dies ist nach Wilhelm von Shyreswood nicht nur dann der Fall, wenn der Ausdruck auf extramentale Gegebenheiten referiert — ›suppositio personalis‹ —, sondern auch dann, wenn er einen Begriff bezeichnet, über dessen logische Eigenart gesprochen wird — ›suppositio simplex‹. Das Standardbeispiel für ›suppositio simplex‹ ist der Satz (3) ‘homo est species’. Der Satz gehört in die Logik, genauer: in die Theorie der Prädikabilien. ‘homo’ ist ein Beispiel für einen bestimmten Typus von Begriffen, nämlich für einen Artbegriff. Gesprochen wird also hier über den begrifflichen Gehalt. Immer noch bleibt außer Betracht, ob es extramental eine Entität gibt, die unter den Begriff fällt. Dieser Aspekt der Signifikation wird erst relevant, wenn der Ausdruck personal supponiert, etwa in ‘homo currit’. Wenn der Ausdruck in einfacher Supposition steht, wird er „für die bezeichnete Form aufgefaßt“; wenn er personal supponiert, „für die Sache, die die Form trägt“ (Wilhelm von Shyreswood, 1983, 206, n. 5.1.5, ll. 23 f, meine Übers.). — Sätze vom Typ (3) sind nicht die einzigen, von denen gesagt wird, der Subjektterm stehe in einfacher Supposition. Andere Beispielsätze, die für diese Suppositionsart
III. Positionen
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angeführt werden, sind: (4) ‘homo est dignissima creaturarum’ [‘Der Mensch ist das würdigste unter den Geschöpfen’] und (5) ‘piper venditur hic et Rome’ [‘Pfeffer wird hier und auch in Rom verkauft’]; (6) ‘hic herba crescit hic et in hortu meo’ [‘Dieses Kraut wächst hier und auch in meinem Garten’]. Dies sind ersichtlich keine Sätze der Logik. Es wird in ihnen auch — im Unterschied zu (3) — nicht über Begriffe gesprochen, sondern über extramentale Entitäten; kennzeichnend ist, daß man nicht auf den Einfall käme, den Subjektterm in Anführungszeichen zu setzen. Die Logiker, die Beispielsätze vom Typ (4) und vom Typ (5, 6) zusammen mit denen vom Typ (3) als Fälle von einfacher Supposition betrachten, sind sich über die Unterschiede zwischen den Fallgruppen im klaren. Wenn alle drei Fallgruppen trotz der grundsätzlichen Unterschiede zusammengenommen werden, dann hauptsächlich deswegen, weil der Versuch, die Subjektterme so zu interpretieren, daß personale Supposition angenommen wird, zu unbefriedigenden Ergebnissen führt (vgl. zur modernen Diskussion über generische Kennzeichnungen Heyer 1987, 71; 80, der sich ausdrücklich auf die scholastische Theorie bezieht). In (4) steht ‘Mensch’ nicht unmittelbar für Individuen, sonst müßte gefragt werden können, welche Menschen denn, ob alle oder einige oder nur ein bestimmter, als würdigstes unter den Geschöpfen bezeichnet würden. Auch in (5) und (6) wird nicht über Individuen gesprochen, sogar auch dann nicht, wenn dies durch das Demonstrativpronomen angezeigt zu. werden scheint: Kein einziges Pfefferkorn wird an zwei verschiedenen Orten verkauft, und keine einzelne Pflanze wächst an verschiedenen Plätzen. Den Unterschied zwischen Typ (4) und Typ (5, 6) beschreibt Wilhelm von Shyreswood folgendermaßen: Bei Typ (4) ist es zulässig, das Prädikat auch von jedem einzelnen Individuum auszusagen, freilich nicht unmittelbar, sondern nur ›sofern dieses an der Natur der Art teilhat‹. Die entsprechende Sprachform ist die Verdoppelung des Artbegriffs: „‘Dieser Mensch als Mensch ist das würdigste unter den Geschöpfen’ “ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 268, n. 5.1.10, ll. 92—95, meine Übers.). Bei den Sätzen vom Typ (5, 6) steht der Subjektterm „für seinen Sinngehalt so, daß dieser sich allgemein und vage zu seinen Erfüllungen verhält“; es wird über Einzeldinge gesprochen, aber über kein bestimmtes Einzelding (Wilhelm von Shyreswood 1983, n. 5.1.11, ll. 101—104, meine Übers.). — Es wird zu zeigen
sein (vgl. 5.3.), daß andere Logiker die zitierten Beispielsätze anders einordnen, als Wilhelm von Shyreswood dies tut. Die Zuordnung zur ›suppositio simplex‹, die Wilhelm vornimmt, hat den Nachteil, daß diese Suppositionsart keinen einheitlichen Redebereich mehr hat; sie umfaßt die Sprache der Logik (3), die Sprache der Philosophie, für die die Figur der ›reduplicatio‹ seit Aristoteles charakteristisch ist (4), und auch die Alltagssprache (5, 6). Bemerkenswert ist andererseits, daß die Theorie sich überhaupt an solchen faktisch vorkommenden Redeweisen bewähren muß, auch wenn sie nur selten vorkommen und irgendwie als anomal empfunden werden.
5.
Untersuchungen zum Analysebegriff ‘supponere’
Bei näherer Betrachtung der Definitionen, die für einzelne Suppositionsarten gegeben werden, fällt auf, daß das Verb ‘supponere’ grammatisch unterschiedlich konstruiert wird, manchmal intransitiv (‘dictio supponit pro ipsa voce absoluta / pro ipsa dictione composita ex voce et significatione’), manchmal transitiv (‘dictio supponit suum significatum’). Zu fragen ist, ob diese unterschiedlichen Konstruktionsweisen als Anzeichen dafür zu werten sind, daß hier, genau genommen, gar keine einheitliche Theorie vorliegt (vgl. M. and W. Kneale 1962, 249 f). 5.1. Dictio supponit aliquid pro aliquo Wenn Wilhelm von Shyreswood zwischen ›suppositio simplex‹ und ›suppositio personalis‹ unterscheidet, verbindet er die beiden Konstruktionen: „Dictio supponit significatum pro significato / pro re, q uae subest“ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 266, n. 5.1.3, ll. 11—14). Wenn man davon ausgeht, daß die Konstruktion ‘supponere aliq uid pro aliq uo’ die eigentlich entsprechende ist, lassen sich die anderen Konstruktionen als Abkürzungen, wie sie sich in einer technischen Sprache leicht bilden, verstehen. ‘Dictio supponit aliq uid’: Der Term ordnet etwas dem anderen Term unter. Normalerweise ist das, was er unterordnet, sein Sinngehalt: ‘dictio supponit significatum’. Gesprochen wird mittels des Ausdrucks über das, was der Ausdruck (intensional oder extensional) bedeutet. ‘Dictio supponit aliq uid pro aliq uo’: Die Präposition leitet eine Spezifizierung ein. Im untersuchten Fall von Rede, d. h. in der Zusammenstellung mit diesem bestimmten zweiten Term, ordnet
40. Die Lehre der Terministen
der Ausdruck sein Bedeutetes so unter, daß er für etwas ganz Bestimmtes steht. Intensionaler und extensionaler Aspekt der Bedeutung werden nun unterscheidbar. ‘Dictio supponit significatum pro significato’: Der Ausdruck ordnet in diesem Redekontext sein Bedeutetes so unter, daß er für seinen Sinngehalt selbst steht. Gesprochen wird über den Sinn des Ausdrucks. ‘Dictio supponit significatum pro re q uae subest’: Der Ausdruck steht in diesem Redekontext für Erfüllungen seines Sinns; gesprochen wird über Denotata des Ausdrucks. Das in den Definitionen der materialen Supposition fehlende Akkusativ-Objekt läßt sich leicht ergänzen. Der Ausdruck ordnet hier nicht sein Bedeutetes einem Prädikat unter, sondern sich selbst; gesprochen wird über den Ausdruck selbst (vgl. Trentmann 1977, 37 f). 5.2. Zum Verhältnis zwischen Signifikationsund Suppositionsanalyse In der Phase, in der die Suppositionstheorie schulmäßig ausgebildet wird, wird die Theorie gegen konkurrierende Ansätze verteidigt. In den Text der Introductiones in logicam des Wilhelm von Shyreswood sind solche Diskussionen eingegangen. Gegen die Unterscheidung zwischen materialer und formaler Supposition und erneut gegen die Unterscheidung zwischen einfacher und personaler Supposition wird eingewandt, es handle sich hier gar nicht um verschiedene Suppositions-, sondern um verschiedene Signifikationsweisen. Der Einwendende beruft sich auf die Definition von ‘significatio’: ‘Signifikation ist die Präsentation einer Form für das Verstehen’. In den Beispielsätzen, so fährt er fort, werde jeweils etwas Anderes dem Verstehen präsentiert, eine Äußerung nämlich oder ein Sprachzeichen oder ein Sinngehalt oder eine extramentale Realität. Der Ausdruck Mensch bezeichne also in den erörterten Beispielsätzen je Unterschiedliches (Wilhelm von Shyreswood 1983, 267, n. 5.1.7, ll. 47—52; 73—76). — Wilhelm findet es offensichtlich leicht, diesen Einwand abzuwehren. Der Term ist ja nicht etwa als Ausdruck, als lexikalischer Eintrag mehrdeutig. Wenn er Verschiedenes zu verstehen gibt, dann nur durch die Verwendung in ganz bestimmten Redekontexten. ›Für sich genommen präsentieren Ausdrücke immer ihr Signifikat.‹ Wenn ein Ausdruck etwas anderes als sein Signifikat zu verstehen gebe, etwa eine Äußerung, dann liege das einzig an einem Prädikat von ganz bestimmter Art, das dem Ausdruck beigefügt wird. Nicht
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als Ausdruck also sei der Term mehrdeutig, sondern von einem Ausdruck werde, wenn er als Term einem anderen Term zugeordnet wird, unterschiedlicher Gebrauch gemacht. Genau dies zu klären, wie das Verständnis von Termen durch die im Kontext beigefügten Terme verändert wird, sei Aufgabe der Suppositionstheorie (Wilhelm von Shyreswood 1983, n. 5.1.7, ll. 53—59; vgl. Spade 1982, 193). — Kann aber nicht der Einwand verstärkt werden? Vom modernen Standpunkt aus liegt dies nahe (vgl. zum folgenden M. and W. Kneale 1962, 254 f). Man könnte folgendermaßen argumentieren: Der Suppositionstheoretiker geht davon aus, daß in den Sätzen ‘homo est dissylabum’, ‘homo est nomen’, ‘homo est species’ und ‘homo currit’ jedesmal derselbe Ausdruck an Subjektstelle steht. Nach diesem Ansatz vertraut der Sprechende darauf, daß der Hörende aus dem, was im Satz folgt, aus dem Prädikat also, versteht, worüber gesprochen wird. Die Logik schult diese Verständnisfähigkeit durch suppositionstheoretische Analysen. Nun soll die Logik aber nicht nur dazu befähigen, Sprachgebräuche so, wie sie faktisch-zufällig vorliegen, zu analysieren. Sie kann, wo es notwendig erscheint, auch Sprachgebräuche regeln und präzisieren. Zu diesem Zweck sind in der modernen Schreibweise Anführungszeichen als Unterscheidungskonvention eingeführt worden. Mit Anführungszeichen geschrieben ist ein Ausdruck seinem Sinn und seiner Funktion nach nicht mehr derselbe wie ohne Anführungszeichen geschrieben. Man kann und sollte diese Sinn- und Funktionsunterscheidung noch deutlicher machen. Die Beispielsätze wären dann umzuschreiben: ‘Die Äußerung ‘homo’ ist zweisilbig’; ‘Das Wort ‘homo’ ist ein Nomen’; ‘Der Begriff ‘homo’ ist ein Artbegriff’; ‘Ein Mensch läuft’. So vervollständigt, wird deutlich, daß überhaupt nicht derselbe Terminus in den vier Sätzen an Subjektstelle steht, sondern jedesmal ein anderer. Was die Suppositionsanalyse leisten wollte, kann weit ökonomischer erreicht werden, wenn man, unterstützt durch geeignete Schreibkonventionen, von vornherein und grundsätzlich zwischen Erwähnung (mention) und Verwendung (use) von Zeichen oder zwischen autonymer und signifikativer Verwendung von Zeichen unterscheidet. Dem Mitteilenden (d. i. dem Sprecher — genauer: dem Schreiber) wird beigebracht, klar zu machen, worüber er spricht bzw. schreibt. Das ist einfacher, als die Verständnisfähigkeit des Empfängers (d. i. des Lesers — genauer: des Hö-
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rers) zu schulen. — Auf diesen erneuten Einwand soll hier nicht in der Weise geantwortet werden, daß die Probleme der Unterscheidung zwischen ›mention‹ und ›use‹ oder zwischen autonymer und signifikativer Verwendung erörtert werden. Statt dessen wird philosopiehistorisch verdeutlicht, was die Suppositionstheorie leisten sollte. Dem in der Vorgeschichte dieser Theorie Bewanderten fallt auf, daß die Unterscheidung zwischen Erwähnung und Gebrauch, die als Ersatz für suppositionstheoretische Unterscheidungen angeboten wurde, frappierend Analysen ähnelt, die sich in Trugschlußtraktaten des 12. Jahrhunderts finden. Diese Analysen bilden eine Vorstufe der Suppositionstheorie; diese soll Probleme lösen, die in jenen Trugschlußtraktaten diagnostiziert wurden. Man war darauf aufmerksam geworden, daß nicht nur mehrdeutige (ä q uivoke) Ausdrücke, also Wörter, die verschiedene Signifikationen haben, in Argumentationen zu Verwirrung und Fehlern führen können, sondern auch univoke Ausdrücke, sofern sie in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich verwendet werden. Definierend benannte man das Problem: „Univocatio est manente eadem significatione variata nominis suppositio“ [Univokation ist veränderte Supposition eines Nomens, jedoch so, daß dessen Signifikation dieselbe bleibt.] (Fallacie Parvipontane, in: de Rijk 1962, 562, 11 f (meine Übersetzung); vgl. de Rijk 1982, 164 ff; de Libera 1982, 175 ff). Drei Arten von Univokation wurden aufgedeckt: (I) ›Transsumptio grammaticorum‹ bzw. ›transsumptio dialecticorum‹. Ein Ausdruck wird verwendet, um (a) etwas über diesen Ausdruck selbst auszusagen (‘homo est nomen’) oder um (b) über seine Bedeutung (de suo significato) zu sprechen (‘homo est species’). Der Übergang von diesen ›Übertragungen‹ zur Normalverwendung führt zu Fehlschlüssen. (II) Ein Ausdruck wird einmal verwendet, um über ein Charakteristikum zu sprechen, das einer Art als solcher zukommt (‘homo est dignissima creaturarum’; ‘aurum est preciosissimum metallum’; ‘piper venditur hic et Rome’), oder aber er wird verwendet, um über Dinge zu sprechen, die dieser Art zugehören. Wieder führt die Vermischung dieser Verwendungsweisen zu Argumentationsfehlern. (III) Ein Subjektterm steht je nach der Zeitform des Prädikats für gegenwärtige, für vergangene oder für künftige Erfüllungen seines Sinngehalts. Fehlargumentationen können entstehen, wenn innerhalb ein und desselben Argumentationstextes der Denota-
III. Positionen
tionsbereich erweitert oder verengt wird (de Rijk 1962, 562 f). Es fällt nun auf, daß in den Trugschlußtraktaten des 12. Jahrhunderts nur die letztgenannte Art von Univokation als Irrtumsq uelle gründlich erörtert wird. Die erste und die zweite Art von Univokation dagegen werden nur genannt. Es fehlt offenbar noch der Ansatzpunkt, von dem aus das diagnostizierte Problem wirklich angegangen werden könnte. Gerade hier wird von den Logikern der folgenden Generation weitergearbeitet. Die Theorie muß so gefaßt werden, daß die Redeweisen des Grammatikers, des Logikers oder des Philosophen, der die Theorie aufbaut, durch die Theorie miterfaßt werden. — Die Auseinandersetzung, die Wilhelm von Shyreswood führt, ist eine Auseinandersetzung mit einer zu seiner Zeit veralteten Theorie. Der Versuch, den von Wilhelm abgewiesenen Ansatz mit Hilfe moderner Unterscheidungen zu stärken und theoriefähig zu machen, bleibt grundsätzlichen Einwänden ausgesetzt. Auch die moderne Theorie integriert die ›Erwähnung‹ nicht, sondern sie drängt sie ab — in die Metasprache. Sie trennt ›mention‹-Fälle von ›use‹-Fällen. Aber sie hilft nicht zu sehen, welche Zusammenhänge zwischen diesen unterschiedlichen Fällen bestehen. Die Suppositionstheorie arbeitet daran, auch Zusammenhänge sichtbar zu machen, wenn sie zum Beispiel darlegt, für welche Fälle von ›autonymer‹ Verwendung die ›signifikative‹ Verwendung des Ausdrucks verstanden sein muß und für welche Fälle nicht. 5.3. Suppositio simplex: Kontroversen Im 14. Jahrhundert liest man an der Art, wie ein Logiker die ›suppositio simplex‹ traktiert, ab, welche ontologische Theorie er vertritt. Wer — wie Walter Burleigh — im wesentlichen dieselben Definitionen und dieselben Fallunterscheidungen bringt wie Wilhelm von Shyreswood, gilt als Realist im Universalienstreit (vgl. Henry 1963; 1981; Brown 1972, 24 f; Adams 1987, 329, n. 42; Kunze 1988, 198 ff, Anm. 26) (s. Art. 61). Die Nominalisten tendieren zu einer rein extensionalen Semantik (vgl. Inciarte 1974). Bedeutung und Referenz werden — so weit wie eben möglich — miteinander gleichgesetzt (s. Art. 81). Wenn ein Term für sein Signifikat steht, so lehren Ockham und Buridan, dann steht er — jedenfalls wenn es sich um einen substanzanzeigenden Ausdruck handelt — in personaler Supposition, nicht in ›suppositio simplex‹. Johannes Buridan streicht die ›suppositio simplex‹ kurzerhand und unterscheidet
40. Die Lehre der Terministen
nur zwischen personaler und materialer Supposition. Ein Term steht entweder für die Dinge, die er bezeichnet, oder er steht für Zeichen; für einen von der Denotation unterschiedenen Sinngehalt bleibt keine Stelle (vgl. Scott 1966, 31 f; King 1985, 37—40). Wilhelm von Ockham behält die ›suppositio simplex‹ noch bei, beschränkt ihr Gebiet aber auf Aussagen logischer Art wie ‘homo est species’. Der Term ‘homo’ ist hier nach Ockhams Auffassung nicht signifikativ gebraucht, sondern er steht „für eine Intention der Seele“ (Ockham 1974, Summa Logicae I c. 64, 196, ll. 26 f; bzw. 1984, 31; vgl. 143/146, Anm. 40). ‘Species’ ist ein Term ›zweiter Intention‹, von Menschen gebildet, um über das Verhältnis, das Begriffe ›erster Intention‹ zueinander haben, zu reflektieren. Im Beispielsatz steht demnach auch der Subjektterm für einen Begriff, nicht — wozu er primär bestimmt ist — für ein extramental Seiendes (vgl. Swiniarski 1970, 188 f; 205; Brown 1972, 25; Adams 1987, 338 f). — Ockham setzt sich mit der alten Auffassung von ›suppositio simplex‹ auseinander. Für die traditionell für Varianten der ›suppositio simplex‹ angeführten Beispielsätze gibt er Expositionen, die rechtfertigen sollen, daß auch in Sätzen dieser Art der Subjektterm personal supponiert. Das gelingt für den Beispielsatz ‘piper venditur hic et Rome’; auch Walter Burleigh sieht hier einen Fall von ›suppositio personalis‹ (Walter Burleigh 1955 I, pars I, c. IV, 20,37—21,10; bzw. 1988, 59/61). Ockham interpretiert den Satz als Konjunktion zweier Aussagen: ‘piper venditur hic et piper venditur Rome’. Beide Teilsätze sind wahr für verschiedene einzelne Dinge derselben Art (Wilhelm von Ockham 1974, I c. 66, 205, ll. 143—155, bzw. 1984, 51/53). Komplizierter und im Ergebnis weniger klar ist die Diskussion des Beispielsatzes ‘homo est dignissima creaturarum’ (Wilhelm von Ockham 1974, I c. 66, 199 f, ll. 3—9; 200 f, ll. 26—50; bzw. 1984, 39/41/43). Ockhams Verfahren ist es — hier wie in vielen anderen Fällen —, den Satz ›dem strengen Sprachgebrauch nach falsch‹ zu nennen, ihn aber so umzuformen, daß die Redeabsicht derer, die ihn aufgestellt haben, getroffen wird und daß er als wahr anerkannt werden kann. Die von Ockham vorgeschlagene Transformation beruht in diesem Fall darin, zu unterstellen, daß nur ganz bestimmte Vergleichsobjekte im Blick sind. Bezugspunkt des Vergleichs seien nur körperliche Kreaturen; verglichen werden sollen ferner nicht Menschen untereinander, sondern Menschen mit an-
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dersartigen Geschöpfen; behauptet würde also, der Mensch sei erhabener als jedes körperliche Geschöpf, das kein Mensch ist. Diese Behauptung aber gelte für jeden Einzelmenschen. Auch wenn man die Interpretation mit ›reduplicatio‹ des Subjektterms verteidigt (vgl. 4.2.), wird man Ockhams Transformationen zu Rate ziehen: Mögen sie zwar keine adäq uate Interpretation der Redeabsicht des Sprechers liefern, so formulieren sie doch einige Wahrheitsbedingungen des Satzes präzise. Um dies zu zeigen, soll eine weitere Exposition Ockhams kurz vorgestellt werden. — In der aristotelischen Tradition sind Aussagen wie ‘Farbe ist das allererste Objekt des Sehvermögens’ geläufig. Ockham formt den Satz, den er ›wörtlich verstanden falsch‹ nennt, in einem ersten Schritt in eine Aussage zweiter Intention um, in der der Subjektterm in ›suppositio simplex‹ steht: ‘Von Farbe wird zu allererst prädiziert, vom Sehvermögen wahrnehmbar zu sein’. Die Autoren, die den Satz aufgestellt haben, wollten aber nicht über eine logische Folge zwischen Begriffen handeln, sondern über reale Sachverhalte. Deshalb nimmt Ockham eine zweite Transformation vor. Das ‘zu allererst’ fällt weg; es bedeutet in extensionaler Sprache „allgemein von etwas ausgesagt werden und nur von dem ausgesagt werden, von dem es ausgesagt wird” (Wilhelm von Ockham 1974, I c. 66, 203, ll. 92 ff, meine Übers.; vgl. 1984, 47). Die extensionale Exposition des strittigen Satzes lautet also: Alles Farbige kann mit dem Sehsinn wahrgenommen werden, und nichts, was nicht farbig ist, kann mit dem Sehsinn wahrgenommen werden (Wilhelm von Ockham 1974, I c. 66, 199 f, ll. 16—22; 201—204, ll. 51—111; 1984, 39—49).
6.
Unterscheidungen von Suppositionsarten II
6.1. Suppositio communis — suppositio discreta Wilhelm von Shyreswood gibt zur ›suppositio formalis‹ zwei Einteilungen; einerseits untergliedert er, wie erörtert, in ›suppositio simplex‹ und ›suppositio personalis‹, andererseits in ›suppositio communis‹ und ›suppositio discreta‹. Die beiden Unterscheidungen sind logisch unabhängig voneinander. Beide erschöpfen den Bereich der ›suppositio formalis‹ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 266, n. 5.1.4., ll. 16—22). Ob ›suppositio communis‹ oder ›suppositio discreta‹ vorliegt, muß nicht
III. Positionen
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durch Interpretation entschieden werden; man kann dies der Aussage ansehen bzw. abhören. Der Subjektterm ist in einem Fall allgemein (z. B. ‘Mensch’), im anderen Fall diskret. Diskrete Terme werden sprachlich ausgedrückt, indem zum allgemeinen Term ein Demonstrativpronomen hinzugesetzt (‘dieser Mensch’) oder indem ein Eigenname verwendet wird. Aus der zweifachen Einteilung ergeben sich kombinatorisch vier Fälle formaler Supposition. Strittig ist, ob diskrete Terme einfach supponieren können. Wilhelm verteidigt seine Position gegen Logiker, die die Untergliederung ›suppositio simplex‹ — ›suppositio personalis‹ nur für die ›suppositio communis‹ gelten lassen, während ihrer Auffassung nach ein diskreter Term immer nur personal supponiere. Der Beispielsatz aus dem Gebiet der Logik, der als Beleg für die umstrittene Kombination ›suppositio discreta simplex‹ zitiert wird, lautet ‘Socrates est praedicabile de uno solo’. Wird der Eigenname hier so aufgefaßt, daß eine Form, die er bezeichnet, verstanden wird (Wilhelm von Shyreswood 1983, 267, n. 5.1.7, ll. 60—71)? Man kann verstehen, daß Wilhelms Einteilung keine Schule gemacht hat. Indes ist auch die Gegenposition, diskrete Terme hätten stets nur Referenzfunktion und keinen eigenständigen Sinngehalt, keineswegs unproblematisch. Das Problem ist bekanntlich auch in der modernen Semantik seit Gottlob Freges (1848—1925) (s. Art. 34) und Bertrand Russells (1872—1970) Stellungnahmen kontrovers. Daß es sich auch im theoretischen Rahmen der Suppositionstheorie stellt, ist ein Faktum, das Interesse verdient (vgl. Brands 1989). 6.2. Suppositio determinata — suppositio confusa Im folgenden werden die Untergliederungen der personalen Supposition expliziert. Diskrete Terme sind nicht weiter auslegungsbedürftig. Wenn sie überhaupt einmal als in referentieller Funktion stehend erkannt sind, dann variiert ihr Verständnis nicht mehr je nach dem Aussagenkontext. Bei allgemeinen Termen dagegen ist immer wieder durch Interpretation zu entscheiden, wie weit der Denotationsbereich ist, der in einer Aussage beansprucht wird. Steht ein Term, so lautet die Frage, für genau eine oder für mindestens eine seiner Erfüllungen oder für einige oder für alle gegenwärtigen oder für alle denkbaren (vgl. King 1985, 36)? — Ein Beispielsatz für ›suppositio determinata‹ ist ‘homo currit’.
Der Satz kann durch den Hinweis auf einen einzigen Menschen, der zum Äußerungszeitpunkt tatsächlich läuft, verifiziert werden. Der Subjektterm steht also hier für irgendeine seiner Erfüllungen. Sobald der Hinweis auf irgend eine bestimmte, aber vom Sprecher beliebig aus dem Denotationsbereich wählbare Erfüllung nicht genügt, eine Aussage, in der der fragliche Term vorkommt, wahr zu machen, steht dieser Term in ›suppositio confusa‹. — Wann immer ein allgemeiner Term personal supponiert, ist es zulässig, von ihm auf Aussagen überzugehen, in denen anstelle des allgemeinen Terms entsprechende diskrete Terme stehen. Die einzelnen Arten personaler Supposition lassen sich danach voneinander unterscheiden, welcher ›descensus‹ genau zulässig ist. Im Falle der ›suppositio determinata‹ ist die Exposition durch eine Disjunktion von Aussagen über Einzeldinge gültig. Wenn wir den allgemeinen Term durch große Buchstaben und die diskreten Terme durch entsprechende kleine Buchstaben mit Indices symbolisieren, läßt sich die Exposition von ‘homo currit’ ((H) C) folgendermaßen schreiben: (h1) C ∨ (h2) C ∨ ... ∨ (hn) C. Umgekehrt ist auch von jedem Glied der Disjunktionsreihe der Übergang (ascensus) auf die nicht-exponierte Aussage zulässig (vgl. Wilhelm von Ockham 1974, I c. 70, 210, ll. 19—31; bzw. 1984, 63; Scott 1966, 37; Swiniarski 1970, 191 f; Price 1970, 135 ff; Perreiah 1984, 38; King 1985, 45—48). 6.3. Suppositio confusa tantum — suppositio confusa et distributiva Ein Term supponiert ›confuse‹, wenn er für mehrere Erfüllungen steht. Wenn er für all seine Erfüllungen steht, supponiert er distributiv. Die Aussage, in der ein Term so verwendet wird, kann in eine konjunktive Reihe von Aussagen über Einzeldinge umgeformt werden. Wenn wir den Allq uantor durch ‘⋀’ symbolisieren, läßt sich die Exposition von ‘omnis homo est animal’ ((⋀ H) A) folgendermaßen schreiben: (h1) A ⋀ (h2) A ⋀ ... ⋀ (hn) A. In derselben Beispielaussage steht der Term ‘animal’ nicht für jede seiner Erfüllungen, aber auch nicht nur für mindestens eine, sondern für mehrere. Er supponiert zwar ›confuse‹, aber nicht ›distributive‹, also ›nur konfus‹. Auch hier ist eine Exposition zulässig, aber nicht eine Exposition in eine Reihe von Aussagen, sondern nur eine in eine disjunktive Reihe von Prädikaten: (⋀ H) (a1 ∨ a2 ∨ ... ∨ an) (vgl. Wilhelm von Ock-
40. Die Lehre der Terministen
ham 1974, I c. 70, 211, ll. 44—68; bzw. 1984, 65/67; Scott 1966, 37 f; Swiniarski 1970, 192; Price 1970, 137 f; King 1985, 48—51). 6.4. Suppositio (confusa et distributiva) mobilis — suppositio immobilis Die Inferenz auf jeden Einzelfall, deren Zulässigkeit durch ein All-Zeichen angezeigt ist, kann gehindert werden. Dies geschieht, wenn ein zweiter synkategorematischer Ausdruck mit impliziter Negationsfunktion vor den Allausdruck gesetzt wird. Aus ‘tantum omnis homo currit’ kann ‘tantum Sortes currit’ nicht gefolgert werden; die Folgerung auf ‘Sortes currit’ bleibt natürlich zulässig (vgl. Swiniarski 1970, 192 f; Jacobi 1980, 162—172).
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Untersuchungen zu den Suppositionsunterscheidungen
7.1. Fragen nach der Leistungsfähigkeit der Theorie Die Suppositionsunterscheidungen werden in den Handbüchern üblicherweise eingeführt, indem an Beispielsätzen klargemacht wird, welche Arten, Terme zu interpretieren, es gibt und wie diese Interpretationsweisen sich logisch zueinander verhalten. Dies entspricht der Lehrsituation; die Einführung eines theoretischen Instrumentariums zu Analysezwekken wird mit Analyse-Übungen verbunden. Dem an der modernen Logik geschulten Leser macht diese Darstellungsform Schwierigkeiten. Er sucht zu bestimmen, zu welchen der ihm geläufigen Theorie-Typen die Suppositionstheorie paßt. Gehört sie zur logischen Syntax oder zur Semantik? Werden in ihr nicht disparate Aufgaben auf undurchsichtige Weise verbunden, die besser getrennt würden, nämlich einerseits (I) die Klärung des Verhältnisses von Objekt- und Metasprache und andererseits (II) die Quantifikations- und Deduktionstheorie? Die Systematik der scholastischen Logik kann kaum dieselbe sein wie die der modernen Logik; zu verschieden sind Aufgabenstellung und Ansatz: Analyse der lateinischen Argumentations- und Wissenschaftssprache hier — axiomatisch aufgebaute formale Theorie dort. Daß in der scholastischen Logik die beschriebene und analysierte Sprache dieselbe ist wie die Beschreibungssprache, führt zu gewissen Umständlichkeiten in der Darstellungsform. Derselbe Tatbestand lädt aber auch dazu ein, aus der Sonderung von Aussageformen keine Tren-
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nung zu machen, d. h. ineins mit der Unterscheidung zugleich nachzuforschen, wie verschiedene Arten, Terme oder synkategorematische Ausdrücke oder Aussageformen zu verwenden, miteinander verbunden oder voneinander abhängig sind (vgl. Perreiah 1984, 10; 17; 34 ff; 41; 45; zur Frage, ob die Suppositionsunterscheidungen (I) und (II) zusammen eine einheitliche Theorie ergeben, vgl. z. B. die entgegengesetzten Stellungnahmen von Scott 1966, 30; 35 f und von King 1985, 36). — Von einem anderen Standpunkt aus kann man die Leistungsfähigkeit der Suppositionstheorie mit anderen Einwänden bezweifeln: nicht weil sie zu viele Aufgaben auf einmal lösen solle, sondern weil ihr Untersuchungsfeld zu eng begrenzt sei, sei ihr Wert gering. Es ist nicht so sehr die Beschränkung auf die Wissenschaftssprache, als vielmehr die Bindung ans Lateinische, die Argwohn erregt. Macht nicht allein die Verwendung von bestimmten und unbestimmten Artikeln im Deutschen oder Französischen oder Englischen vieles klar, was im Lateinischen, das solche Artikel nicht kennt, durch Interpretation geklärt werden muß (‘der Mensch ist ein Sinnenwesen’, generisch; ‘ein Mensch läuft’; ‘Menschen laufen’; ‘alle Menschen in diesem Raum sind wach’; ‘jeder Mensch kann lachen’)? Könnten nicht nötigenfalls weitere Präzisierungen sprachlich statt interpretierend vorgenommen werden (vgl. im Englischen die unterschiedlichen Bestimmungen ‘a man,’ ‘some man’, ‘any man’, ‘every man’)? Lösen also die Suppositionsunterscheidungen nicht lediglich Verständnisschwierigkeiten, die in einer hinreichend artikulierten Sprache gar nicht entstehen? — Auf diese Einwände kann man mit einer Gegenfrage reagieren: Sind denn die spezifischen Verifikationsbedingungen von Aussagen, in denen der bestimmte oder der unbestimmte Artikel oder gar kein Artikel oder ganz bestimmte Distributoren bei einem Term stehen, jederzeit ganz klar (vgl. Heyer 1987, 76 ff)? Könnten nicht die Suppositionsunterscheidungen helfen, Differenzierungen, die im Deutschen oder im Englischen gemacht werden können, in ihrer je spezifischen Funktion zu verdeutlichen? Wie das geschehen könnte, wird im folgenden skizziert, indem einige Regeln vorgestellt werden, durch die mittelalterliche Logiker festzulegen versuchen, wann ein Term ›determinate‹, ›confuse tantum‹ oder ›confuse et distributive‹ supponiert und welche Übergänge von einer Suppositionsart zu einer anderen zulässig sind.
III. Positionen
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7.2. Regeln zur Distributionstheorie Beschränkt man sich zunächst auf einfache Aussagen, in denen ein Subjektterm und ein Prädikatterm bejahend miteinander verbunden oder verneinend voneinander getrennt werden, so ist leicht aufzuzeigen, welche Art personaler Supposition den Termen in den verschiedenen Aussageformen entspricht: In partikulär bejahenden Aussagen (‘mindestens ein S ist P’, abgekürzt ‘SiP’) stehen beide Terme in ›suppositio determinata‹. In universal verneinenden Aussagen (‘kein S ist P’ ‘SeP’) stehen beide Terme in ›suppositio confusa et distributiva‹. In universal bejahenden Aussagen (‘jedes S ist P’, ‘SaP’) steht der Subjektterm in ›suppositio confusa et distributiva‹, der Prädikatterm in ›suppositio confusa tantum‹. In partikulär verneinenden Aussagen (‘mindestens ein S ist nicht P’, ‘SoP’) steht der Subjektterm in ›suppositio determinata‹, der Prädikatterm in ›suppositio confusa et distributiva‹ (vgl. King 1985, 50). — Auffallenderweise formulieren die scholastischen Logiker ihre Regeln ganz anders. Sie legen nicht primär fest, wie die Terme in den unterschiedlichen Aussageformen supponieren — obwohl die logischen Bezüge zwischen diesen Aussageformen, wie sie im logischen Quadrat aufgezeichnet werden, doch zweifellos für die Syllogistik zentral wichtig sind —, sondern sie erforschen, wie synkategorematische Ausdrücke wie Distributoren oder Negatoren die Supposition der Terme beeinflussen. Dies läßt ahnen, daß sie auf anderes zielen als nur auf die Theorie einfacher kategorischer Aussagen. Wilhelm von Shyreswood etwa formuliert die Regel, aus der abgelesen werden kann, wie die Terme in den vier Formen einfacher kategorischer Aussagen supponieren, ohne Bezug auf diese Aussageformen: „Jedes Distributivzeichen [‘jedes’, ‘alle’, ‘keiner’] gibt dem Term, bei dem es unmittelbar steht, konfuse und distributive Supposition. Doch gibt das bejahende Distributivzeichen dem entfernten Term [P in SaP] nur-konfuse Supposition. Das verneinende Zeichen aber gibt auch dem entfernten Term konfuse und distributive Supposition“ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 270, n. 5.1.14, ll. 185—189, meine Übers.).
Im Laufe der Zeit werden weitere Regeln gefunden, aber immer in ganz ähnlicher Weise formuliert. Schon Ockham erweitert die Suppositionsforschung, indem er u. a. Exklusions-, Exzeptions- und Unterscheidungsausdrücke einbezieht (Ockham 1984, I cc. 71—74; vgl. Adams 1987, 352—367, (R 16)
— (R 28)). Scholastische Logiker untersuchen auch, wie z. B. Vergleichsausdrücke, Reduplikationsausdrücke, Verben des Wissens und Meinens, Modalausdrücke, Verben des Versprechens und die Verben ‘fängt an zu’ (‘incipit’) und ‘hört auf mit’ (‘desinit’) die Supposition von Termen bestimmen (vgl. Paulus Venetus 1984, Logica Parva II 5, 152—156; Perreiah 1984, 39 f; Bos 1978). 7.3. Zur Suppositionsanalyse komplexer Aussagen Auf die zitierte erste Regel läßt Wilhelm von Shyreswood vier weitere Regeln folgen. Ihre gemeinsame Aufgabe ist, zu klären, welche logischen Übergänge von einer Suppositionsart zu einer anderen zulässig und welche unzulässig sind. Dabei beabsichtigt der mittelalterliche Logiker offenbar kein vollständiges Regelsystem. Er analysiert vielmehr Fälle, in denen er Schwierigkeiten vermutet. Die diskutierten Aussagen sind Relationsaussagen. Diese reduziert Wilhelm auf ihre allgemeine Struktur, indem er das Aussagenschema ‘A sieht B’ durch Distributivzeichen und/oder Negationszeichen ergänzt, auch durch Umformung ins Passiv abwandelt. Die ersten beiden Beispielanalysen und Regelformulierungen seien hier referiert, um einen Eindruck von der Technik zu geben. (I) Aus ‘omnis homo hominem non videt’ [‘jeder Mensch sieht irgendeinen Menschen nicht’] folgt nicht ‘omnis homo non videt hominem’ [‘jeder Mensch sieht nicht irgendeinen Menschen’]. Angenommen nämlich, daß jeder Mensch nur sich selbst sieht, so ist der erste Satz wahr, der zweite aber falsch. Im Ausgangssatz supponiert der Objektterm nur-konfus, im zweiten Satz jedoch konfus und distributiv. Von ›suppositio confusa tantum‹ zu ›suppositio confusa et distributiva‹ gibt es keine logisch gültige Inferenz. (II) Gesetzt, es gäbe abzählbar viele Menschen in einem Raum und man stellte von jedem einzelnen fest ‘homo videtur a Socrate, et a Platone, et sic de singulis’, so könnte nicht gefolgert werden ‘homo videtur ab omni homine’ [‘es gibt einen ganz bestimmten Menschen, der von jedem Menschen gesehen wird’]. Angenommen nämlich, jeder Mensch sähe nur sich selbst, dann wäre die Konjunktionsreihe wahr, der letzte Satz aber falsch. Wohl aber kann gefolgert werden ‘ab omni homine videtur homo’ [‘von jedem Menschen wird irgendein Mensch gesehen’]. Wodurch unterscheidet sich der gültig gefolgerte Satz von dem, der nicht gefolgert werden kann? Die Wortstellung ist im Lateini-
40. Die Lehre der Terministen
schen nicht so streng reglementiert, daß die Unterscheidung auf sie gegründet werden könnte. Die Übersetzung ins Deutsche enthält verdeutlichend bereits, was durch Suppositionsanalyse gefunden wurde. In der Konjunktionsreihe steht ‘homo’ in ›suppositio determinata‹. Die Inferenz von mehreren Fällen von ›suppositio determinata‹ zu einem einzigen Fall von ›suppositio determinata‹ ist ungültig. Gültig dagegen ist die Inferenz von mehreren Fällen von ›suppositio determinata‹ auf einen Fall von ›suppositio confusa tantum‹ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 270, nn. 5.1.15 und 5.1.16, ll. 192—202; vgl. 270, nn. 5.1.17—5.1.18, ll. 203—214). Die Untersuchungen, wie die Termini in Relationsaussagen supponieren, verdienen aus mindestens zwei Gründen Interesse: als Beitrag zur Theorie nicht-syllogistischer Inferenzen und als Beitrag zur Theorie mehrfacher Quantifikation. — Ähnliches gilt für Untersuchungen zur Supposition von Personal-, Reflexiv-, Possessiv- und Relativpronomina. Sie stellen einen Beitrag zur Theorie anaphorischer Referenz dar (vgl. Johannes Buridan 1985, Summulae de Dialectica, Tract. IV, c. 4, 148—158; King 1985, 41 ff; Rosier 1985/1986; Brown 1972, 23; Paulus Venetus, 1984, II 6, 156— 161; Perreiah 1984, 42 ff). Auch zu den besonderen Problemen referentieller Opakheit von Termen in Aussagen, die von Verben des Wissens, Meinens, Wollens usw. abhängen, gibt es suppositionstheoretische Untersuchungen (vgl. Scott 1966, 45—49). 7.4. Wilhelm von Ockhams extensionalistische Expositionen Die gesamte Untersuchung von Arten personaler Supposition kann in der folgenden Frage zentriert werden: In welcher Weise sind Aussagen, in denen Terme — eventuell q uantifiziert — in ›suppositio communis‹ stehen, logisch anderen Aussagen zugeordnet, in denen statt dessen Terme in ›suppositio discreta‹ stehen? Je nachdem ob der Übergang von allgemeineren zu minder allgemeinen Termen erfolgt oder umgekehrt, spricht man von logischem ‘descensus’ oder von ‘ascensus’ (vgl. King 1985, 51). Das Verfahren ist zunächst ontologisch neutral; es zeigt lediglich, welche Verifikationsverpflichtung ein Sprecher eingeht, wenn er eine Aussage eines bestimmten Typs behauptet, und welche Angriffsmöglichkeiten der Hörer hat (vgl. Pinborg 1979, 38). Ockham aber entwickelt aus dem Verfahren das Programm, alle allgemeinen Terme nur als Abkürzungen zu werten und als prinzipiell
593
durch diskrete Terme ersetzbar zu behandeln (vgl. Kunze 1984, 138 f, n. 28. Zur genaueren Ausarbeitung dieser These und zu ihrer Verteidigung gegen allzu rasche Einwände vgl. Scott 1966, 38—42). Die oben angegebenen Expositionen entsprechen dieser Forderung noch nicht. Ockham geht vom gewonnenen Ausgangspunkt aus einen Schritt weiter: Die partikulär affirmative Aussage ‘mindestens ein A ist B’ wird umgeformt in die Aussage mit Quantifikation beider Terme ‘mindestens ein A ist (dasselbe wie) mindestens ein B’. (Die prädikationstheoretischen Probleme, die in dieser Umformung stecken, können hier nicht diskutiert werden, vgl. Trentman 1977, 29). Die Exposition der umgeformten Aussage lautet: ((a1 ist b1) ∨ (a1 ist b2) ∨ ...) ∨ ((a2 ist b1) ∨ (a2 ist b2) ∨ ...) ∨ ... . Mindestens ein Glied aus der disjunktiven Reihe a1 ∨ a2 ∨ ... und mindestens ein Glied aus der disjunktiven Reihe b1 ∨ b2 ∨ ... haben diskrete Supposition für dasselbe Individuum. Entsprechend sind Aussagen von anderer logischer Form zu exponieren. Dabei ist auf den Unterschied zwischen einer konjunktiven oder disjunktiven Reihe von Aussagen und einer konjunktiven oder disjunktiven Reihe von Prädikaten zu achten. Die Exposition und ‘jedes A ist B’ lautet: (a1 ist (b1 ∨ b2 ∨ ...)) ⋀ (a2 ist (b1 ∨ b2 ∨ ...)) ⋀ .... Man kann zwar weiter reduzieren auf ((a1 ist b1) ∨ (a1 ist b2) ∨ ...) ⋀ ((a2 ist b1) ∨ (a2 ist b2) ∨ ...) ⋀ ...; aber daraus folgt nicht, daß allgemein auf die ›suppositio confusa tantum‹ zugunsten der ›suppositio determinata‹ verzichtet werden dürfte. Betreffend ‘Ich schulde dir ein Pferd’ ist die Frage unzulässig, welches Pferd denn geschuldet wird. Die Exposition lautet nicht ‘Ich schulde dir Pferd1 ∨ ich schulde dir Pferd2 ∨ ...’, sondern ‘ich schulde dir (Pferd1 ∨ Pferd2 ∨ ...)’ (vgl. Moody 1953, 48 ff; Matthews 1964; 1973; Swiniarski 1970, 206—217; Price 1970; Loux 1972, 23—44; Weidemann 1979; Spade 1982, 194 f). Was Ockham zu seinen Expositionen geführt hat, ist sicherlich sein extensionalistisches Programm. Aber die Expositionen durch Konjunktion oder Disjunktion von Aussagen oder von Prädikaten sind unabhängig von diesem ontologischen Programm von logischem Wert. Sie sind präziser als die Bestimmungen, ein allgemeiner Term stehe für alle seine Erfüllungen oder für viele oder für mindestens eine von ihnen. Denn der allgemeine Term steht, streng genommen, sowohl in ‘ein A ist B’ als auch in ‘jedes A ist B’ für alle seine
III. Positionen
594
Erfüllungen; er denotiert diese. Der Unterschied ist, daß der Sprecher zur Verifikation der partikulären Aussage beliebig aus dem Denotationsbereich wählen kann, während er in der universalen Aussage beansprucht, den ganzen Denotationsbereich des Subjektterms zu erschöpfen.
8.
›Suppositio‹ und ›copulatio‹
Wilhelm von Shyreswood führt die ›copulatio‹ zunächst gleichberechtigt neben der ›suppositio‹ ein; doch handelt er hernach nur sehr kurz über sie. Petrus Hispanus führt sie ebenfalls ein, doch kommt er in seinen Ausführungen nicht mehr auf sie zurück. Spätere Logiker erwähnen die ›copulatio‹ als Termproprietät nicht mehr (vgl. Maierù 1972, 192—215). Was denn auch bliebe hier zu behandeln? Entsprechend der Theorie von den zulässigen Konversionen in einfachen kategorischen Aussagen (Vertauschung von Subjekt und Prädikat ‘A i B’ — ‘B i A’; ‘A e B’ — ‘B e A’) und entsprechend der Möglichkeit, auch bei Relationsaussagen — eventuell durch grammatische Umformung vom Aktiv ins Passiv — die Terme zu vertauschen, wurde nach der Supposition jedes in einer Aussage vorkommenden Terms gefragt. Die Untersuchung, wie ein Term kopuliert, die Wilhelm von Shyreswood noch durchführt, bringt keine neuen Ergebnisse gegenüber der Untersuchung, wie ein Term supponiert. Dennoch bedeutet der Verzicht meines Erachtens einen Verlust. Die Unterscheidung zwischen der Rolle des Satzsubjekts, einen Gegenstand zu benennen, und der Rolle des Prädikats, den Gegenstand zu q ualifizieren, ist sinnvoll. Wenn in partikulär bejahenden oder in universal verneinenden Aussagen Subjektterm und Prädikatterm die Plätze tauschen, bleibt zwar der Wahrheitswert erhalten, aber die Aufmerksamkeit des Hörers wird anders gelenkt.
9.
›Appellatio‹
Der Bereich von Individuen, für die ein Term stehen kann, kann kontextuell auf unterschiedliche Weise eingeschränkt werden: Er kann kategorematisch durch einen genauer bestimmenden, q ualifizierenden Term eingeschränkt werden (‘Baum’ — ‘Nadelbaum’); er kann synkategorematisch z. B. durch einen Exzeptionsausdruck eingeschränkt werden (‘alle ... außer ...’); er kann schließlich durch
die Zeitform des Verbs eingeschränkt werden. Die Einschränkung auf gegenwärtige Erfüllungen durch das präsentische Verb untersucht Wilhelm von Shyreswood unter dem Titel ‘appellatio’. 9.1. Eine Regel zur Benennungsfunktion eines Terms Wilhelm von Shyreswood gibt an, unter welchen Bedingungen ein Term etwas benennt: „Ein allgemeiner Term, der (a) nicht eingeschränkt ist und (b) hinreichend viele appellata besitzt und (c) als Subjekt einer Aussage mit einem Verb im Präsens fungiert, und zwar so, daß dieses Verb (d) keine erweiternde Kraft hat, ein solcher Term steht nur für die von den unter ihm begriffenen Dinge, die tatsächlich gegenwärtig existieren“ (Wilhelm von Shyreswood 1983, 272, n. 5.3.2, ll. 20—23, meine Übers.).
Was ist die Funktion der einzelnen Bedingungen (vgl. Wilhelm von Shyreswood 1983, 272 ff, nn. 5.3.3—5.3.6, ll. 24—120; Jacobi 1980, 174—179)? Wenn ein Term nur für Gegenwärtiges stehen soll, muß er zumindest auch für Gegenwärtiges stehen. Er darf (a) nicht durch Zusätze in seinem Geltungsbereich so eingeschränkt sein, daß er etwa nur für Vergangenes stünde. Ausgeschlossen werden Fälle wie ‘ein Mensch, der früher einmal gelebt hat’. Der Term darf (b) auch nicht gegenwärtig faktisch unerfüllt sein. Die Untersuchung dieser Bedingung führt auf eine systematisch bedeutsame Unterscheidung: Wenn es für einen Begriff gegenwärtig keine Erfüllungen gibt, dann ist eine Tatsachenkonstatierung mit diesem Begriff an Subjektstelle und einem Prädikat im Präsens selbstverständlich falsch. Es gibt jedoch Aussagen, deren Wahrheit unabhängig davon ist, ob der Subjektterm gegenwärtig erfüllt ist oder nicht. Die mittelalterlichen Logiker sprechen von Aussagen ›in materia naturali sive necessaria‹, moderne Semantiker von intensional-wahren Aussagen. Das präsentische Verb hat in ihnen keinen strikt präsentischen, sondern omnitemporalen oder atemporalen Sinn. Die Kopula verknüpft Sinngehalte von Begriffen: Der Sinngehalt des Prädikats ist Merkmal des Sinngehalts des Subjekts. Aus der Konnotationsanalyse ist sekundär eine Feststellung über die Denotation der Terme ableitbar, jedoch nur hypothetisch: ‘F ist G’ — ‘Wenn etwas ein F ist, dann ist es ein G’. Für die Appellationsanalyse dagegen ist die extensionale Redeeinstellung maßgeblich. Eine präsentische Aussage kann extensional-wahr nur dann sein, wenn der Subjektterm zum Zeit-
40. Die Lehre der Terministen
punkt der Aussage erfüllt ist. — Dafür, daß ein Term nur für gegenwärtig Existierendes steht, ist notwendige Bedingung, daß er (c) tatsächlich als Subjekt einem präsentischen Verb untergeordnet wird. Bei der Erörterung dieser Bedingung klärt Wilhelm andere Fälle von Suppositionsrestriktion durch die Zeitform des Verbs. Bei Verben im Präteritum ist zu unterscheiden, ob über vergangene Zustände gegenwärtiger Individuen gesprochen werden soll oder über vergangene Individuen. Nur im zweiten Fall wird die Supposition auf Vergangenes beschränkt. Es gibt einige Verben, die präsentisch auch von Nicht-Existierendem ausgesagt werden können. Für ‘Ein Mensch wird gelobt’ kann zur Verifikation ein Verstorbener genannt werden. Die Gegenwartsform solcher Verben des Meinens bezieht sich auf den Meinenden, nicht auf das Gemeinte. Durch Bedingung (d) soll gesichert werden, daß die Gegenwartsform des Prädikats sich auf das bezieht, worüber prädiziert wird. 9.2. Restrictio — ampliatio Die Appellationstheorie wurde hier als Restriktionstheorie aufgebaut. Ausgangspunkt war die Erfüllbarkeit eines Terms. Gefragt wurde, wie der Denotationsbereich ausschließlich auf Gegenwärtiges eingeschränkt wird. In Bedingung (d) wird die umgekehrte Fragestellung erwähnt, nämlich die nach Erweiterung. Man kann diese Fragestellung zum Angelpunkt des ganzen Theorieaufbaus machen. Dann geht man von der Appellation als Normalfall aus: Von sich her steht ein Term für Gegenwärtiges. Wenn in der Aussage oder im Kontext nicht ausdrücklich Anderes vermerkt wird, ist davon auszugehen, daß nur gegenwärtig existierende Erfüllungen als Denotationsbereich gemeint sind. Durch bestimmte Beifügungen freilich kann der Denotationsbereich erweitert werden. Die zitierte Regel behält ihre Gültigkeit; doch ist ihre Funktion verändert. Aufgezählt sind mögliche Denotationsverschiebungen und -erweiterungen, durch die ein Term von seiner Normalbedeutung abgezogen werden kann. — Im Text der Introductiones in logicam des Wilhelm von Shyreswood wird dieser Aufbau der Theorie kurz skizziert. Der Autor hält ihn für besser als den zuvor dargelegten (1983, 274, n. 5.3.6, ll. 121—135; vgl. Jacobi 1980, 179—187; 345 ff; Jacobi 1981 a, 107—115; de Rijk 1982, 182; de Libera 1982, 177; Spade 1982, 194). Für ihn spricht zunächst, daß nun die Normalfunktion der präsentischen Ko-
595
pula und die Normalreferenz der Terme miteinander übereinstimmen. Für ihn spricht weiter, daß die erweiternden Beifügungen — außer den Verben des Meinens besonders Möglichkeitsausdrücke — elegant als aussagebestimmende Operatoren aufgefaßt werden können (vgl. Scott 1966, 33 f; King 1985, 43 ff; 51—56).
10. Zum Forschungsstand Seit gut 30 Jahren erst ist die Lehre der Terministen Gegenstand der logik- und philosophiegeschichtlichen Forschung. Inzwischen liegen Editionen, Übersetzungen, Kommentare und Untersuchungen zu allen Perioden der Logica Modernorum, von der Vorgeschichte bis in die Spätscholastik, vor. Was alle, die an diesen Forschungen gearbeitet haben, verbindet, ist, daß sie an ihrem Gegenstand ein Interesse nehmen, das nicht nur historisch ist; man will von den mittelalterlichen Logikern lernen (dies wird in Einführungs- und Übersichtsartikeln meist deutlich ausgesprochen; vgl. W. and M. Kneale 1962, 246—274; Moody 1966, bes. 447b—450b; 451b—452b; Kretzmann 1967, 370b—373a; Perreiah 1971; Pinborg 1972, bes. 11—12; 58—65; 92—100; 127—148; spürbar ist dieses systematische Interesse allenthalben). Die Forschung ist im Fluß; viel bleibt zu tun. Das Verhältnis zwischen den Theoriebildungen des Wilhelm von Ockham, des Walter Burleigh und des Johannes Buridan ist trotz beachtlicher Arbeiten von Boh (1968), Paq ué (1970), Brown (1972) und Kunze (1980) noch längst nicht völlig geklärt. Unser Wissen über Schulzusammenhänge und Problementwicklungen ist noch lückenhaft, besonders was die Zeit der Spätscholastik anbelangt. — Vergleiche zwischen scholastischen und modernen Theoriebildungen haben sich, wo sie mit der nötigen Behutsamkeit und Sorgfalt angestellt wurden, als fruchtbar erwiesen (vgl. etwa Priest-Read 1977, Weidemann 1979). In einigen Fällen haben primär systematisch interessierte Autoren zeigen können, wie viel Problemlösungspotential in den terministischen Theoriebildungen für relevante Fragen der Semantik (Heyer 1987) und der Sprachphilosophie (Barth 1974) liegt.
11. Literatur in Auswahl Heyer 1987, Generische Kennzeichnungen. Zur Logik und Ontologie generischer Bedeutung.
III. Positionen
596
Jacobi 1980, Die Modalbegriffe in den logischen Schriften des Wilhelm von Shyreswood und in anderen Kompendien des 12. und 13. Jahrhunderts. Funktionsbestimmung und Gebrauch in der logischen Analyse. Johannes Buridanus 1985, Jean Buridan’s Logic: The Treatise on Supposition. The Treatise of Consequences. [vermutlich um 1335] Kneale, M. und W. 1962, The Development of Logic. Kretzmann 1967, History of semantics, in Encyclopedia of Philosophy, Edwards (Hg.). Kunze 1980, Satzwahrheit und sprachliche Verweisung. Walter Burleighs Lehre von der suppositio termini in Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Tradition und der Logik Wilhelm von Ockhams. Lamberto d’Auxerre 1971, Logica ( Summa Lamberti), Alessio (Hg.). [vermutlich 1245—1255] Maierù 1972, Terminologia Logica della tarda scolastica. Moody 1966, The Medieval contribution to logic, in Studium Generale 19,8. Paulus Venetus 1984, Logica Parva, Perreiah (Hg.). [vermutlich um 1400] Petrus Hispanus Portugalensis 1972, Tractatus, called afterwards Summule Logicales, de Rijk (Hg.).
41. 1. 1.1. 1.2. 2. 2.1. 2.2.
[vermutlich ca. 1230] de Rijk 1962, Logica Modernorum. A Contribution to the History of Early Terminist Logic. Bd. I: On the Twelfth Century Theories of Fallacy. de Rijk 1967, Logica Modernorum. A Contribution to the History of Early Terminist Logic. Bd. II, 1/ 2: The Origin and Early Development of the Theory of Supposition. Rosier 1985/1986, Relatifs et relatives dans les traités terministes de XIIe et XIIIe siècles, in VIVARIUM 23/24. Spade 1982, The semantics of terms, in The Cambridge History of Later Medieval Philosophy, Kretzmann et al. (Hg.). Walter Burleigh 1955, De puritate Artis Logicae Tractatus Longior, Boehner (Hg.). [ca. 1328] Walter Burleigh 1988, Von der Reinheit der Kunst der Logik. Erster Traktat: Von den Eigenschaften der Termini, Kunze (Hg.). [ca. 1328] Wilhelm von Ockham 1974, Summa Logicae, Boehner/Gal/Brown (Hg.). [1324—1327] Wilhelm von Ockham 1984, Summe der Logik. Aus Teil I: Über die Termini, Kunze (Hg.). [1324—1327] Wilhelm von Shyreswood 1983, Introductiones in Logicam, Lohr/Kunze/Mussler (Hg.), in TRADITIO 39. [vermutlich um 1230]
Klaus Jacobi, Freiburg i. Br. (Deutschland)
Die Lehre der Modisten
2.3. 3.
Begriff und Geschichte Begriffsbestimmung Historischer Hintergrund Die Lehre der Modisten Logik und Grammatik Die modi significandi und ihr philosophischer Hintergrund Probleme der modistischen Grammatik Literatur in Auswahl
1.
Begriff und Geschichte
1.1. Begriffsbestimmung Als Modisten bezeichnet man eine in sich heterogene Gruppe von Gelehrten des späten Mittelalters, die darin übereinkommen, daß sie in ihrer Grammatiktheorie einen im wesentlichen identischen Problembestand mit den gleichen Schlüsselbegriffen zu lösen versuchen (s. Art. 4). Der Zentralbegriff der modistischen Grammatiktheorie sind die ›modi significandi‹, die sich als grammatikalisch be-
dingte Bedeutungskomponenten der ›partes orationis‹ [Wortklassen] verstehen lassen. Vom Begriff modi significandi leitet sich auch die erstmals in der Renaissance verwendete (Rosier 1983, 9) Bezeichnung ‘Modisten’ her. Die modistische Grammatiktheorie beginnt um 1270 mit den Werken von Martin von Dacien (= Dänemark) (gest. 1304) und Boethius von Dacien (um 1275). Ihren Höhepunkt dürfte sie wohl in den Quaestiones super Priscianum Minorem des Radulphus Brito (um 1300) sowie in der zwischen 1300 und 1310 geschriebenen Grammatica Speculativa des Thomas von Erfurt erreichen. Nachher, insbesondere nach 1350, kann man eigentlich nicht mehr von einer modistischen Grammatik reden, da zum einmal erreichten Lehrbestand nichts Neues mehr hinzutritt, obwohl noch bis in den Humanismus des 16. Jahrhunderts hinein Elemente der Lehre der Modisten tradiert werden. Hauptgrund für das Ende der modistischen Grammatik dürfte die sprachphilosophische Attraktivität der neuentstehenden nominalistischen Grammatik-
41. Die Lehre der Modisten
theorie sein. Daneben tritt eine ›konservative‹, antinominalistische Kritik an den Modisten durch Averroisten wie Johannes von Jandun (ca. 1285—1328) und Johannes Aurifaber (um 1330). Diese bezieht sich ebenso wie diejenige der Nominalisten auf das modistische Verständnis des Verhältnisses von Sprache und Wirklichkeit. Eine eigentliche Auseinandersetzung zwischen den (realistischen) modistischen und den nominalistischen Grammatikern scheint jedoch nicht stattgefunden zu haben. Außer den schon Genannten werden zu den Modisten noch die ebenso wie ihre Landsleute Martin und Boethius zwischen 1260 und 1280 an der Pariser Artistenfakultät Lehrenden Johann und Simon von Dacien, sowie unter anderem Peter von Auvergne (gest. 1303), Simon von Faversham (ca. 1260—1306/07) und Siger von Courtrai (gest. 1341) gerechnet. Außerdem existieren eine Anzahl anonymer modistischer Traktate. Die Modisten wirkten im wesentlichen an der Universität Paris und beeinflußten die Universitäten von Erfurt und Bologna. Die Erforschung der modistischen Texte und Lehren steht noch in ihren Anfängen. Es steht aber schon fest, daß die Lehre der Modisten den Höhepunkt der mittelalterlichen Grammatiktheorie bildet. 1.2. Historischer Hintergrund Die Modisten schließen an die beiden großen grammatischen Traditionsstränge der griechischen Antike an: (1) die auf logisch-philosophischen Überlegungen aufbauende Grammatik von Platon (427—347 v. Chr.) (s. Art. 14), Aristoteles (384—322 v. Chr.) (s. Art. 15) und den Stoikern (s. Art. 2) und (2) die an der Literatur orientierte alexandrinische Grammatik — Dionysios Thrax (um 100 v. Chr.) und Apollonios Dyskolos (2. Jh.). Letztere war dem lateinischen Mittelalter von Donatus (4. Jh.) und vor allem Priscian (um 500) überliefert worden (Bursill-Hall 1972, 22). Die antiken Grammatiker waren im wesentlichen um eine deskriptive Erfassung der grammatischen Bestände der griechischen Sprache bemüht. Die dabei verwendeten Kategorien wurden in der Folge umstandslos auf die lateinische Sprache übertragen. Das frühe Mittelalter beschränkte sich in modellhafter Orientierung an Priscian auf die Bewahrung des antiken Erbes. Neben Logik und Rhetorik gehörte die Grammatik zum Trivium, dem sprachorientierten Teil der Freien Künste. Gleichwohl läßt sich nicht vor dem 12. Jahrhundert von einer eigenständigen Gramma-
597
tiktheorie sprechen. Erst dem stark von Wilhelm von Conches (ca. 1080—1154) abhängigen (Fredborg 1973, 1 ff) Peter Helias (um 1150 in Paris) gelingt in seiner Summa super Priscianum ansatzweise zweierlei: einerseits, die aus den wiederentdeckten logischen Schriften des Aristoteles sowie seiner arabischen Kommentatoren resultierenden Anregungen für eine wissenschaftliche Grammatik fruchtbar zu machen, andererseits die Grammatik als eine von der Logik unabhängige, selbständige, erklärende und nicht bloß deskriptive Disziplin zu konzipieren. Die Selbständigkeit der Grammatik wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß ihre Theorie gestützt auf die Ergebnisse der zeitgenössischen Logik und Metaphysik erarbeitet und begründet wird. Die Hochscholastik des 13. Jahrhunderts — z. B. Robert Grosseteste (gest. 1253), Robert Kilwardby (gest. 1279) und besonders Jordan von Sachsen (gest. 1220) — führt die bei Wilhelm von Conches und Peter Helias vorgezeichnete Konzeption einer erklärenden Grammatiktheorie weiter in Richtung auf eine nur noch paradigmatisch das Lateinische verwendende Universalgrammatik. Diese Entwicklung hin zu einer von den Zufälligkeiten der Einzelsprachen unabhängigen, nicht bloß deskriptiven, sondern erklärend-theoretischen (›spekulativen‹) sowie alle einschlägigen Phänomene umfassenden Grammatik findet für das Mittelalter ihren Höhepunkt und Abschluß bei den Modisten als der zweiten Generation (BursillHall 1971, 35) spekulativer Grammatiker nach Wilhelm von Conches und den Hochscholastikern. Dabei geht es den Modisten (wie heutigen Grammatikern auch) um Syntax im Sinne einer Strukturanalyse von Sätzen, was der antiken Grammatik (mit Ausnahme der stoischen) noch abging. Ferner bestehen interessante Ähnlichkeiten zur generativen Grammatik (Kelly 1971, 225 ff).
2.
Die Lehre der Modisten
2.1. Logik und Grammatik Die mittelalterliche Idee einer für alle Sprachen gültigen Grammatik ist eine Konseq uenz des allgemein akzeptierten aristotelischen Wissenschaftsbegriffs. Danach ist insbesondere für jede Wissenschaft ein allgemeiner und invarianter Gegenstandsbereich erforderlich. Folglich können die von Sprache zu Sprache verschiedenen sprachlichen Ausdrücke der Einzelsprachen kein Gegenstand einer wissen-
III. Positionen
598
schaftlichen Logik oder Grammatik sein. Vielmehr sind für Wissenschaft invariante sprachliche Phänomene erforderlich, „die für Sprache als Sprache charakteristisch sind“ (Pinborg 1972, 103 f). Diese Phänomene können (a) logisch untersucht werden, d. h. hinsichtlich ihres Einflusses auf den Wahrheitswert eines Satzes und (b) grammatikalisch, d. h. hinsichtlich Korrektheitsbedingungen ihrer sprachlichen Zusammenfügung. Dem entspricht die moderne Unterscheidung zwischen logischer ›Tiefenstruktur‹ und linguistischer ›Oberflächenstruktur‹ von Sätzen. Die mittelalterliche Logik sah ihre Aufgabe in der Transformation der Oberflächenform eines Satzes in seine wahrheitswertrelevante Tiefenform (cf. Pinborg 1972, 104 ff). Die grammatikalische Analyse befaßt sich demgegenüber ausschließlich mit der Oberflächenform von Sätzen. Grammatik hat es dabei ebenso wie Logik mit Bedeutungen zu tun, unbeschadet der Tatsache, daß es ihr letztlich um (syntaktische) Strukturanalyse geht. Beide Disziplinen interessieren sich aber nicht im Sinne der bloßen Bezeichnungsfunktion eines Prädikates erster Stufe (d. h. der intentione prima des Ausdrucks) für die Bezeichnungsrelation (ratio significandi) zwischen dem Ausdruck (vox) und dem bezeichneten Gegenstand (significatum speciale) samt seinen spezifischen Eigenschaften; d. h. Logik und Grammatik interessieren sich nicht für die Referenz oder Denotation von Ausdrücken. In der Terminologie der Modisten verwandelt die ›ratio significandi‹ die ›vox‹ als das ›Rohmaterial‹ (Kelly 1974, 210) der Zeichen in eine bedeutungstragende Einheit (dictio) im Sinne der Lexeme der modernen Linguistik. Gegenstand von Logik und Grammatik ist vielmehr im Sinne der Bezeichnungsfunktion eines Prädikates zweiter Stufe (d. h. der intentione secunda des Ausdrucks) der ›Sinn‹ von Lexemen. Dieser drückt sich in der Bezeichnungsrelation (ratio consignificandi) aus, die zwischen der ›vox‹ und den von ihr mitbezeichneten ›allgemeinen‹ oder kategorialen Eigenschaften eines Gegenstandes besteht. Die allgemeinen Eigenschaften ergeben sich aus dem Vergleich mit anderen Gegenständen. Sie „bestimmen die Kategorie (im weitesten Sinne) bzw. die Kategorisierung des Gegenstandes [...]. Insofern sie im Ausdruck mitbezeichnet werden, machen diese allgemeinen Eigenschaften (proprietates communes) das consignificatum des Ausdrucks aus“ (Pinborg 1975 b, 47).
Für die Logik relevante ›consignificata‹ eines Ausdrucks sind etwa sein ›genus‹ und
seine ›species‹. Die Grammatik hingegen hat es mit den allgemeinen Bedeutungsmerkmalen zu tun, soweit sie sich aus der grammatikalischen Form ergeben, in welcher ein Ausdruck auftritt. So kann der gleiche Ausdruck in verschiedenen Wortklassen (partes orationis) realisiert sein; z. B. (Boethius Dacus 1969, 56) als (1) Nomen (‘dolor’), und dies im Singular oder Plural und in den verschiedenen grammatikalischen Casus. Ferner als (2) Verb (‘doleo’), (3) Partizip (‘dolens’), (4) Adverb (‘dolenter’) und schließlich noch (5) als Interjektion (‘heu’). Diese unterschiedlichen grammatikalischen Bedeutungskomponenten einer ›dictio‹ heißen ‘modi significandi’: „the modi are a kind of semantical modifiers, further determining the lexical meaning of the dictio, thus preparing it for various syntactical functions“ (Pinborg 1982, 258).
Das heißt, daß Wörter oder Lexeme, die für den Logiker synonym sind, für den Grammatiker mittels ihrer modi significandi viele verschiedene Bedeutungen haben können. 2.2. Die modi significandi und ihr philosophischer Hintergrund Entsprechend dem „Hauptsatz einer vorkritischen Sprachphilosophie“ (Mittelstraß 1970, 411) unterscheiden die Modisten (a) die Ebene der Dinge von (b) der Ebene ihrer mentalen Repräsentationen und (c) der Ebene der Wörter, die diese mentalen Repräsentationen bezeichnen. Grammatik ist einerseits ein linguistisches Unternehmen; d. h. sie beginnt (›von unten‹) auf der Ebene der einzelnen Wörter und untersucht, wie die als Formative verstandenen ›modi significandi‹ sich zu größeren sinnvollen sprachlichen Einheiten zusammenfügen lassen. Dabei sind (z. B. bei Radulphus Brito und Thomas von Erfurt) zu unterscheiden: ›constructio‹ als die durch die ›modi significandi‹ in ihren Abhängigkeiten bestimmte Kombination der Konstruktionsglieder (constructibilia), ›congruitas‹ als deren auch kontextbezogene adäq uate Zusammenfügung und ›perfectio‹ als kommunikativer Erfolg passend konstruierter Rede. Mit dieser syntaktischen Funktion der Grammatik ist unauflösbar eine semantische Ebene verbunden, „q uia constructibile dicit aggregatum nificatum et modo significandi“ [weil tibile‹ ein Aggregat aus Ausdruck, und ›modus significandi‹ ist, meine dulphus Brito 1980, I, 122).
ex voce, sigdas ›construcBezeichnetem Übers.] (Ra-
Hier werden die philosophischen Überzeugungen der Modisten wichtig. Diese äußern
41. Die Lehre der Modisten
sich einmal durch die Einbettung von Begriffen der grammatikalischen Metasprache in metaphysische Begriffssysteme wie den Begriffspaaren ‘Materie/Form’, ‘Substanz/Akzidenz’. Ferner vertreten die Modisten einen gemäßigten Realismus: Zwar sind Universalien in den Einzeldingen verwirklicht, was die Zuordnung von Wortklassen zu einzelnen Wörtern erlaubt. Diese Verbindung von Universale und sprachlichem Zeichen wird jedoch notwendigerweise durch intellektuelle Operationen gestiftet. Deswegen besteht zwar eine indirekte Korrelation zwischen Welt und Sprache, ohne daß allerdings ein eigentliches Korrespondenzverhältnis angenommen werden darf. Die Struktur der Sprache ist so von der Struktur der Wirklichkeit abhängig. Da die Wirklichkeit nur eine ist, gibt es eine allen Einzelsprachen voraufliegende, universelle Grammatik, welche die Struktur dieser einen Wirklichkeit sprachlich ausdrückt. Entsprechend haben die grammatikalischen Bedeutungsmodifikatoren (modi significandi) ihre Grundlage in den ›modi essendi‹ [kategorialen Seinsweisen] der Dinge. Diese wiederum werden in den ›modi intelligendi‹ [Auffassungsweisen] des Intellekts repräsentiert. Die genaue Analyse der Verhältnisse zwischen den verschiedenen ›modi‹ ist bei den einzelnen Modisten verschieden. Thomas von Erfurt z. B. geht davon aus, daß bestimmte ›modi essendi‹ der Dinge (kategoriale Eigenschaften wie Substanz, Handeln, Qualitäten) vom Verstand mittels der ihm eigenen ›modi intelligendi activi‹ aufgenommen werden. Als nunmehr mentale Entitäten sind die rezipierten Gegenstände ›modi intelligendi passivi‹. Diese wiederum werden von den Worten, insofern sie Bezeichnungscharakter (modus significandi activus) haben, sprachlich repräsentiert. Die so in der Sprache ebenfalls repräsentierten Eigenschaften der Dinge werden als ‘modi significandi passivis’ bezeichnet. Die ›modi significandi activi‹ sind für den Grammatiker das eigentlich Interessante. Denn deren wichtigste Untergruppe sind die ›modi significandi essentiales‹, die angeben, unter welche der acht fundamentalen Kategorien der lateinischen Grammatik (Nomen, Pronomen, Verb, Partizip, Adverb, Konjunktion, Präposition, Interjektion) ein Wort einzuordnen ist. Dabei sind Nomen und entsprechendes Pronomen ›material‹ identisch, weil sie die gleiche ›Materie‹, nämlich einen ›modus entis‹, d. h. ein dauerhaftes Ding bezeichnen. Sie sind jedoch ›formal‹ verschieden, da das Nomen diesen Gegenstand distinkt bezeichnet, das Pronomen dagegen nicht. Ähnlich kommen Verb
599
und Partizip material in ihrem Bezug auf einen Vorgang (modus esse) überein, unterscheiden sich aber formal dadurch, daß das Verb separat von der Substanz bezeichnet und in einer Satzkonstruktion dem Prädikatglied zuzuschlagen ist, während das Partizip im Rahmen der Substanz bezeichnet und zum Subjektglied des Satzes gehört. Auf solche Weise stellen alle Modisten ein elaboriertes System von Unterscheidungen innerhalb der ›modi‹ und der anderen grammatikalischen Termini auf, das die bis dahin theoretisch geschlossenste und umfassendste Darstellung der Grammatik liefert. 2.3. Probleme der modistischen Grammatik Ein Grundproblem, das bereits im Ansatz der modistischen Grammatik impliziert ist, besteht darin, daß die Modisten zwar einerseits die Strukturen der Sprache als von den Strukturen der Wirklichkeit abhängig auffassen, andererseits aber sich in ihrer eigenen Analyse nur für die ›modi significandi‹, d. h. für die sprachliche Ebene interessieren. Dies läßt sich aber nicht allgemein durchführen, wenn z. B. einem Nomen wie ‘nihil’ [Nichts] keine Substanz oder Qualität entspricht. Ein weiteres Manko der modistischen Konzeption bildet das ›Janus-Gesicht‹ (Pinborg 1972, 119) der mentalen Ebene: ›modi intelligendi‹ sind „als Inhalte der Formative sprachzugewandt, und als Zeichen der Gegenstände dingzugewandt“ (Pinborg 1972, 119). Diese Durchgängigkeit der Bezeichnung führt dazu, daß Morpheme in ihrem gesamten Anwendungsbereich als bezeichnend verstanden werden, was praktisch zu einer Vermischung von Syntax und Semantik führt. Diese Vermischung unterschiedlicher Bereiche zeigt sich auch anderwärts, insbesondere in logischen oder ontologischen Rücksichtnahmen, die eine konseq uente sprachimmanente Syntax und Semantik behindern.
3.
Literatur in Auswahl
3.1. Texte Boethius de Dacia 1969, Modi significandi sive questiones super Priscianum maiorem. Corpus Philosophorum Danicorum Medii Aevi (= CPDMA 6), Pinborg/Roos (Hg.). Textkritische Edition. Martinus de Dacia 1961, Opera, Roos (Hg.). Textkritische Edition. Pseudo-Albertus Magnus 1977, Questiones Alberti de modis significandi, Kelly (Hg.).
III. Positionen
600
Textkritische Edition mit englischer Übersetzung auf der Basis zweier Inkunabeln (keine Handschriften bekannt), Einführung und Anmerkungen. Radulphus Brito 1980, Quaestiones super Priscianum Minorem, Enders/Pinborg (Hg.). Textkritische Edition mit biographischer und inhaltlicher Einführung. Siger de Courtrai 1913, Les Œuvres, Wallerand (Hg.). Textausgabe des Ms. Paris, Bibl. Nat., lat. 1622. Simon Dacus 1963, Opera (= CPDMA 3), Otto/ Roos (Hg.). Textkritische Edition. Thomas of Erfurt 1972, De modis significandi sive Grammatica speculativa, Bursill-Hall (Hg.). Wiedergabe der (nicht textkritischen) Ausgabe von M. Fernandez Garcia (1902) in teilweise neuer Anordnung, mit englischer Übersetzung und einer umfassenden Einführung. Turot 1974, Notices et extraits de divers manuscrits latins pour servir à l’histoire des doctrines grammaticales du moyen-âge. [1868] Sammlung von Auszügen aus grammatikalischen Traktaten des Mittelalters, die immer noch von Nutzen ist.
3.2. Sekundärliteratur Bursill-Hall 1971, Speculative Grammar in the Middle Ages. The Doctrine of partes orationis of the modistae.
Bursill-Hall 1972, Grammatica Speculativa of Thomas of Erfurt. Fredborg 1973, The Dependence of Petrus Helias Summa super Priscianum on William of Conches Glose super Priscianum (Cahiers de l’Institut du Moyen Age Grec et Latin 11). Kelly 1971, De modis generandi: Points of contact between N. Chomsky and Th. of Erfurt, in Folia linguistica 5. Kelly 1974, Grammar and Meaning in the Late Middle Ages, Part 1 (Historiographia Linguistica 1). Mittelstraß 1970, Neuzeit und Aufklärung. Studien zur Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaft und Philosophie. Pinborg 1972, Logik und Semantik im Mittelalter. Ein Überblick. Pinborg 1975 b, Die Logik der Modistae, in Studia Mediewistyczne 16. Pinborg 1982, Speculative grammar, in The Cambridge History of Later Medieval Philosophy: from the Rediscovery of Aristotle to the Disintegration of Scholasticism, 1100—1600, Kretzmann/Kenny/Pinborg (Hg.). Roos 1952, Die Modi significandi des Martinus de Dacia. Forschungen zur Geschichte der Sprachlogik im Mittelalter. Rosier 1983, La grammaire spéculative des Modistes.
Gereon Wolters, Konstanz (Deutschland)
42. Apohavāda in Buddhist logic 1. 2.
3. 4.
1.
The origin of the ›apoha‹-semantics: Dignāga and his sources The classical expression of the ›apoha‹-semantics: Dharmakīrti’s revision of Dignāga’s epistemology and semantics The period after Dharmakīrti’s classical formulation of the ›apoha‹-doctrine Selected references
The origin of the ›apoha‹semantics: Dignāga and his sources
The specifically Buddhist theory of philosophical semantics was developed by the first great logician in Buddhist tradition, Dignāga (ca. 480—540), in the fifth chapter of his main work, the Pramāṇasamuccaya [Comprehensive account of the means of valid cognition].
The Pramāṇasamuccaya was conceived as a systematic handbook on epistemology, logic, dialectics and semantics. The fifth chapter deals with the meaning of words (especially nouns and adjectives as they are used in the formulation of logical proofs) and to what extent and how words refer to things. It is in this chapter that Dignāga developed his socalled ›apoha‹-theory, the theory of mental removal, conceptual exclusion, as the mechanism behind the process of arriving at the meaning of words. 1.1. The two means of valid cognition In Dignāga’s epistemology only two praaṇas [means of valid cognition] are accepted as sources of reliable knowledge about reality. The two are: (1) pratyakṣa [perception], and
42. Apohavāda in Buddhist logic
(2) anumāna [inference]. Perception is subdivided into four kinds: (1 a) sensory perception, (1 b) mental perception of the images received by the senses, (1 c) mental awareness of emotions, (1 d) altered states of consciousness as experienced by mystics. Inference is divided into two: (2 a) the inference one draws for oneself is called svārthānumāna [inference for oneself], (2 b) when this inference is verbally communicated to others in the form of a logical proof, it is called parārthānumāna [inference for the sake of others]. The correct inference is always drawn in the following way: first one perceives an object, e. g. smoke on a mountain, then one remembers the fact that wherever there is smoke there is fire, then one comes to the conclusion that on the mountain there must be fire. All this happens in the mind of the perceiver, so that inference constitutes a judgment following sensory perception which is regarded as the basis of all verifiable knowledge. 1.2. The logical proof The logical proof by which a piece of inferential knowledge is communicated to others (the parārthānumāna taking the form of a syllogism) ideally runs as follows: (1) the thesis (pratijñā) in which the thing to be proved (sādhya) is announced, e. g. ‘there is fire on the mountain’; (2) the logical reason (hetu) for this statement, ‘because there is smoke on the mountain’; (3) a commonly perceived and acknowledged fact (dŗşţānta) which shows that the property acting as reason is always connected (avinābhāvin) with the thing to be proved (e. g. that smoke is always accompanied by fire) and that the reason never occurs with other objects than the thing to be proved (e. g. that smoke never occurs with what is not fire). 1.2.1. Dignāga was the first to introduce the concept of ‘class’ in Indian logic, as well as the use of logical q uantifiers. He devised a system of logic in which he maintained that classes of similar objects penetrate (vyāpti) other classes of similar objects. Thus the class of fiery objects is penetrated by, and thus has a wider extension than, the class of smoky objects. Wherever there is smoke, there is the invariably concomitant (avinābhāvin) class of fiery objects, a class with a wider extension than smoke. Therefore the converse is not always true: whenever there is fire, there is not always the class with the smaller extension, smoke. The classes with a smaller exten-
601
sion are thus always connected with classes possessing a wider extension, and can be used to prove the presence of a class with a wider extension. 1.2.2. Unlike the old Nyāya school (to which Buddhist epistemology is greatly indebted) the Buddhists did not accept mere verbal communication of non-inferential knowledge as a separate pramāṇa. Dignāga maintained (in Pramāṇasamuccaya II.5) that a reliable verbal statement — in so far as it communicates real, verifiable knowledge — is to be regarded merely as a form of inference. This would imply that Dignāga regarded the syllogistic proof as the reliable statement per se (such a doctrine had already been formulated by Pakṣilasvāmin Vātsyāyana, ca. 450 AD, in his Nyāya Bhāṣya, 10.4—5). 1.3. Philosophical semantics as an integral part of the system of logic It seems clear that Dignāga developed his theory of concept-making and semantics only to the extent that both, but more especially semantics, play a role in expressing logical proofs (Pramāṇasamuccaya V.1). With this theory Dignāga proposes to answer the following q uestions: how does the mind produce the notion of ‘class’ (sāmānya, jāti) indispensable to logical reasoning; what kind of objects do words, specifically nouns (nāma) and adjectives (guṇaśabda) signifying individual things (artha) and classes (jāti), refer to, and how do words communicate certain intended meanings to the hearer? Some philosophical q uestions on semantics were already raised in the old Sanskrit grammatical literature (Frauwallner 1960, 93—101) from before the Christian era, as well as later in the old Mīmāṃsā and Nyāya texts from 1st—4th century (s. art. 5). Dignāga’s philosophical semantics are, on the one hand, a reaction on the Mīmāṃsā and the Nyāya, on the other, they stem from from the specific ontology he inherited from the Abhidharmakośabhāṣya, an elaborate compendium or rather encyclopedia of Buddhist doctrine and dogma, written by Vasubandhu the Younger (ca. 400—480). 1.3.1. The central concept of apoha was not invented by Dignāga. The term occurs in its typical Buddhist meaning already in the Abhidharmakośabhāṣya (334,3—11) in a place where a distinction is made between things that exist by convention (saṃvṛtisat)
602
and therefore merely as a concept, and things that exist in the real sense of the word (paramārthasat). An often-used example of a thing that exists only cenventionally is a pot. If the pot is divided into its parts, i. e. broken to pieces, the concept of ‘pot’ disappears. All that is left is a heap of potsherds. It is possible to analyze a given thing into its component parts to see if the concept of the thing remains unchanged. If a pot is analyzed by the mind, then the mind perceives that the pot as a unity is a concept projected on a specific configuration of clay. Another instance of this mental analysis is given in the same Abhidharmakośabhāṣya-passage: if water which has colour, odour, shape etc. is analyzed into its component q ualities, the concept of water as a homogeneous substance with such and such a colour and such and such a taste, disappears, as soon as these q ualities are abstracted from the as such colourless and tasteless water. The mental analysis of these substances is called ‘apoha’ in the text, a term which according to its etymology means ‘removing something from something’, or ‘excluding something from something’. In these two examples it is the mind (buddhi) which mentally removes properties from an observed object, or mentally divides the observed object into more basic units. An instance of something which exists in the real sense is matter (rūpa) because this cannot be further subdivided. Even if a thing would be divided into its component atoms, every atom would still retain its materiality. 1.3.2. The terms ‘svalakşaṇa’ and ‘sāmānyalakṣaṇa’ which in Dignāga’s philosophical work and the works of his successors came to signify a ‘singular (object)’ and a ‘conceptualized general (object)’ belonging to a number of things respectively, already occur in Vasubandhu’s Abhidharmakośabhāṣya (341,11—15) with a somewhat different meaning. In this passage the term ‘svalakṣaṇa’ signifies the characteristics proper to a thing, glossed as the ›svabhāva‹ [proper nature] of a thing. ‘Sāmānyalakṣaṇa’ signifies some general characteristic of many things, like the non-eternity of all produced (samskrta) things, and the emptiness, (śūnyatā) and the being-without-a-self (anātmatā) of all constituents (dharma) of reality. In Abhidharmakośa (IV.2) and the Bhāṣya
III. Positionen
thereon it is maintained that everything that is produced (samskrta) lasts for one moment only, hence is momentary (kṣaṇika). 1.3.3. In Dignāga’s ontology these different strands are brought together and the following picture emerges: all real, existent things (artha, vastu) are singulars (svalakṣaṇas), uniq ue objects which exist only for one moment. The ›svalakṣaṇa‹ is the sole object of perception. The general characteristic feature is a concept (vikalpa) projected by the mind onto various perceived particulars. The ›sāmānyalakṣaṇa‹ is the sole object of inference and therefore also of words that are used in formulating a logical proof (Pramāṇasamuccaya I.2; V.1). From this it follows that words signifying things do not refer directly to the real, evanescent things, but only to the concepts of these things, ›concepts‹ which the conceiving ›mind‹ makes through the process of ›apoha‹ [i. e. mentally excluding various properties from a thing]. ‘Apoha’ in Vasubandhu’s Abhidharmakośabhāṣya simply designated a specific function of the mind, without reference to semantics. Dignāga, however, used the term in his logic to describe the process by which the mind derives the concepts of classes sāmānya, jāti from perceived objects, and the process by which words get their meanings and can be made to signify things. Since perceivable reality to him consists only of uniq ue, ephemeral phenomena, but logical reasoning req uires the notion of classes of similar objects, he devised the ›apoha‹-theory in order to account for these classes without having to resort to introducing objective ›universals‹ inhering in an indefinite number of ›particulars‹. 1.3.4. At present it is not possible to give a very elaborate account of Dignāga’s ›apoha‹-theory, because the original source, Pramāṇasamuccaya (chap. 5), still awaits more intensive scholarly attention which up till now has been very limited due to many textual problems. Dignāga’s book has not survived in the original Sanskrit text, it is available only in two Tibetan translations abounding in problematic and sometimes even totally divergent renderings of the original. Quite a number of Sanskrit fragments (mostly verses) of the Pramāṇasamuccaya as a whole have survived in the form of q uotations in later works, but the number of
42. Apohavāda in Buddhist logic
original fragments of the ›apoha‹-chapter is very small as can be seen from the first critical edition of the Tibetan translations along with the Sanskrit fragments in Hattori (1982, 103—149). Two contemporaneous works of rival Brahmanical schools of thought contain polemics against Dignāga’s ›apoha‹-doctrine, namely Kumārila’s (ca. 620—680) Ślokavārttika and Uddyotakara’s (ca. 550—620) Nyāyavarttika, but as unbiased sources of information about this doctrine they are unreliable, since these two works are refuting a deliberately distorted version of it. This kind of pseudo-polemics which occurs also in Dignāga’s own work, was an accepted part of philosophical debate and practice. 1.3.5. The gist of Kumārila’s refutation is that if a thing and a word for it is only defined by what it is not, e. g. a cow is defined as everything that is not a not-cow, then the word for such a thing would have endless denotations, as there are endless varieties of the same thing: in this way the word would loose its function of signifying a thing. Kumārila tries to point out that if one abolishes the concept of ‘class’ constituting an objective universal, as the ›apoha‹doctrine for Kumārila seems to do, one cannot meaningfully refer to any positive entity, one is only referring to negative entities, i. e. entities defined by what they are not (Kumārila’s discussion of Dignāga’s ›apoha‹theory occurs in section 14 of the Ślokavārttika). The Nyāyavārttika in the commentary on Nyāya Sūtra 2.2.63 gives various examples of absurdities which could arise if ›apoha‹ gives a word its meaning by negating what is denoted by other words. If a word denotes a positive thing, the theory of ›apoha‹ is not different from the theory of meaning promulgated in the Nyāyavārttika; if a word denotes a negative thing, an absence, then all talk becomes meaningless. Neither Kumārila nor Uddyotakara seem to do any justice to the conception-theory and the ontology which were at the basis of the ›apoha‹-semantics, nor the typically Buddhist ontology which accepted only the momentary singulars as real. Both Brahmanical authors believe in the objective existence of universals, and from that point of view criticized the ›apoha‹-doctrine, according to which universals exist only in the mind of the perceiver.
603
2.
The classical expression of the ›apoha‹-semantics: Dharmakīrti’s revision of Dignāga’s epistemology and semantics
Although Dignāga was the first to introduce the concept of ‘apoha’ in Indian philosophical semantics, it was left to the great Buddhist epistemologist Dharmakīrti (ca. 600—660) to give definite shape to the ›apoha‹-theory. Dharmakīrti can in fact be regarded as the real creator of the Buddhist epistemological school, because his works (the most important and earliest of which, the Pramāṇavārttika, is a kind of extensive commentary on, and discussion of the Pramāṇasamuccaya) have become the standard texts for centuries, thus almost completely superseding Dignāga’s writings. In his earliest work, Pramāṇavārttika I, Dharmakīrti tried to give a simplified version of Dignāga’s system of inference and logical proof. Dharmakīrti’s theory of inference (he regards it like Dignāga as the only other ›means of valid cognition‹ besides perception) is based on a revised and improved version of the old ontology taught in the Abhidharmakośabhāṣya and the Pramāṇasamuccaya. The main features of Dharmakīrti’s logic are the three types of ›valid reason‹ (hetu) and a theory of interpenetrating ›essences‹ (svabhāva), in order to account for the invariable concomitance (avinābhāva) between reason and what is to be proved. Dharmakīrti wanted to give the invariable concomitance (the ground on which the validity of the process of reasoning rests) a firm foundation in reality. The three types of valid reason are characterized as follows: (svabhāvahetu, kāryahetu and anupalabdhihetu). The reason which proves the presence of an as yet unperceived object, is connected with the thing to be proved when (1) the reason has the same essence (svabhāva) as the thing to be proved, or (2) when the reason is the effect (kārya) of the thing to be proved (more precisely: when the essence of the reason is produced by the essence of the thing to be proved). The first type of reason is called ‘svabhāvahetu’ [i. e. the reason which is the essence of the thing to be proved]; the second type ‘kāryahetu’ [i. e. the reason which is the invariably concomitant effect of the thing to be proved]. Dharmakīrti’s logic demands that in order to prove the presence of an as yet unperceived thing, the thing must be the cause of another thing that is perceived, or the thing
604
must have the same essence (with a smaller extension) as the other perceived thing. Dharmakīrti uses the traditional example of smoke and fire to illustrate the way the ›kāryahetu‹ works. Dharmakīrti regards the reason, namely smoke, as the effect of the essence of fire, and therefore the essence of smoke is invariably concomitant with the essence of fire. With the help of the ›svabhāvahetu‹ the presence of an invariably concomitant essence with a greater extension is established. The example given by Dharmakīrti is the following: if one wishes to prove the presence of ›treeness in general‹ somewhere one can point to the presence of a specific kind of tree, the ›śiṃśapā at a given spot‹. The proving essence ›śiṃśapā-ness‹ has a smaller extension than, and is invariably concomitant with, the essence ›treeness‹. Thus śiṃśapā-ness proves the presence of treeness at a given place. The proving essence is the same essence (with a smaller extension) as the one whose presence one wishes to establish. The third type of valid reason is the ›anupalabdhihetu‹, the reason consisting in non-perception; it proves the absence of an essence by establishing the absence of an invariably concomitant essence with a wider extension; e. g. there is no pitcher here on this spot, because there is no perception of anything perceivable on this spot, or, there is no perception of coldness here, because there is smoke here. In the first example the negation is based on the ›svabhāvahetu‹reasoning in which a pot has the same essence of perceptibility as anything else that is perceivable, the second example contains a negation based on a ›kāryahetu‹-reasoning: the essence of smoke is an invariably concomitant effect of the essence of fire, the presence of fire proves the absence of coldness, whose absence can also be proved by the presence of the invariably concomitant smoke. Dharmakīrti developed his theory of the ›anupalabdhihetu‹ into a system of refined, meaningful negation (this sketch of his logic occurs in Pramāṇavārttika I. 1—4). 2.1. Dharmakīrti’s ontological axiom Like Dignāga, Dharmakīrti regarded the world as being built solely of singulars (svalakṣaṇa) which are fully unlike each other and change every moment so that they are also unlike ›themselves‹ within a given period of time. In an ontological context, Dharmakīrti’s concept of the essence of a real thing (artha, bhāva, vastu) more or less coincides with the particular object itself, but in a log-
III. Positionen
ical context the ›svabhāva‹ [essence] should be regarded as (1) the notion of ‘class’ as well as (2) a conceptualized essential property of a thing, both of which are fundamental to the process of logical reasoning. 2.1.1. To the received ontology of Dignāga, Dharmakīrti added a basic criterion of the reality of a thing. Not only is the uniq ue singular the sole object of perception, but it is also the only real entity which possesses a special power to produce (Kriyā) certain (useful) material effects (artha): ›arthakriyā‹. The ›arthakriyā‹ of fire is its heat which is useful for cooking food, and the production of smoke (by which the presence of fire can be inferred). If an object produces some noticeable effect, it is really existent, whereas a concept (vikalpa) of a thing does not produce any perceivable effects. One can cook dinner on a real fire, not on the concept of fire (cf. Pramāṇavārttika I.166). 2.2. The manner in which the ›apoha‹-theory accounts for the notion of classes Dharmakīrti regarded the logical operations performed in an inference as a mental process of correctly combining certain concepts. The superimposition of certain general properties and class-notions on perceived things creates the essential properties in the mind (buddhi, manas, dhī) of the beholder, with the help of which properties he can correctly draw inferences which should reveal to him some useful object. Dharmakīrti maintains that it is through the ›apoha‹, the mental exclusion of things more unlike from things less unlike, that the beholder is able to create in his mind a more or less correct image of the previously perceived real thing. According to Dharmakīrti, every real object is in reality absolutely different from every other object. But in order to create notions of classes and general properties, the mind separates the less unlike objects from the more unlike objects. In this way the mind blurs to a certain extent the distinctions among the less unlike objects, and puts them in classes of similar or like objects, thus the classes and similarities are mere conceptual constructions made by the mind, their content has no objective reality outside the mind of the beholder (Pramāṇavārttika I.40 ff, 68 ff). 2.2.1. Dharmakīrti further argues that through mental exclusion (apoha) not only the concepts of ›similarity‹ or ›class‹ are gen-
42. Apohavāda in Buddhist logic
erated in the mind of the perceiver, but in fact the concepts of every single property seemingly to belong to the uniq ue singular are so generated. The whole mental process of analysing an object into ›dharmin‹ [substance] and its ›dharma-s‹ [properties] (necessary in logical reasoning) is performed through the ›apoha‹-function of the mind. Although an object is fully cognized in the act of perception (pratyakṣa), there remain possible causes for an erroneous judgement, so that further investigation with the help of the second ›pramāṇa‹, inference (anumāna), is at times necessary. One could, for example, observe a piece of material which looks like silver, but a further ascertainment is needed to establish whether it is silver or mother-of-pearl. The perceiver has to make a good number of corrective ascertainments with regard to an object in order to remove false notions about the object. These ascertainments are made with the help of inferences. There are as many ascertainments regarding a perceived object as there are false notions about it in the mind of the beholder. An ascertainment can only remove (apoha) a false notion, but it cannot reveal a real aspect or property of a thing. The corrective ascertainment itself is only a concept abstracted from the direct perceptions of objects with the help of the senses (Pramāṇavārttika I.43—49). 2.3. Words are verbal symbols of concepts Words referring to things, i. e. through the perceived singulars, are only meant to communicate the concepts in the mind of the speaker to the hearer, and therefore words are considered to be sound-symbols of concepts. Every word that is used to refer to a thing, does not really reveal or point out that thing in one of its singular aspects, the word merely communicates a concept which can remove a false notion in the mind of the hearer. The meaning of a word is not based on a direct relation of the word with the thing referred to, but on linguistic and philosophical-scientific convention (s. art. 62). The users of a language have agreed upon certain meanings for certain words, in that way words can signify certain concepts (Pramāṇavārttika I.92 f). Since words and the concepts they signify derive their content from the mental exclusion of false ascertainments about a perceived thing, but do not grasp a thing referred to in its entirety, therefore words referring to the same particular object under different aspects are not synonymous. By removing as
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many wrong imaginations as possible about a perceived singular with the help of ascertaining concepts and significative words, one is not left with the real essence of the singular, but merely with a useful delineation of, a negatively-defined boundary around, the singular. We can, for instance, use different words and concepts like ‘sweet’, ‘heavy’, ‘cold’ etc. to refer to and circumscribe one singular, without these words and concepts being identical in meaning, and, moreover, they are also used to refer to other singulars (Pramāṇavārttika-Svavṛtti, 37.23—27; Pramāṇavārttika I.50 f). 2.3.1. Dharmakīrti derived his view on words as signifying concepts and not things, from the obvious fact that a single word can and does refer to the same aspect observable in many different objects, as well as the fact that many different words can and do refer to one and the same single thing. Dharmakīrti rejected the idea of an objective universal (sāmānya) inhering in many singulars (svalakṣaṇa), so that for him words denoting general properties could not denote a real universal, but only a conceptualized class. And yet he had to explain why certain words can refer to a similarity present in many objects. This he did by saying that all notions of similarity are actually in the mind of the perceiver. The mind blurs the fine distinctions in many objects and thus creates the ultimately false but often useful notion of similarity (Pramāṇavārttika I.87). For reality consists for him of innumerable completely different uniq ue singular objects. Dharmakīrti, building on and expanding the doctrines of Dignāga and the Abhidharmakośabhāṣya, rejected in this way the existence of the objective universal to account for perceivable similarity among things, and the Mīmāṃsādoctrine that words (śabda) mean something because they are materially connected with the signified thing (artha) (Mīmāṃsā Sūtra 1.1.5). 2.4. Theories on semantics of Dharmakīrti’s main Brahmanical predecessor, the old Nyāya The notion that words acq uire their meaning only by convention is already found in the Nyāya Sutra (2.1.54—56) and the Bhāṣya thereon. In a polemic against Mīmāṃsā Sūtra 1.1.5 which held that words signify things because there is a natural material connection between signifying word and signified thing (artha) the Nyāya Sūtra maintains that a real
606
connection between word and thing is impossible because otherwise with uttering the word ‘fire’ one ought to burn one’s mouth, which as a fact perceivable to all, does not happen in reality. The fact that one does not burn one’s mouth at saying ‘fire’ disproves the material connection between word and thing as taught in the Mīmāṃsā Sūtra. The Nyāya Sūtra goes on to say that the notion of a thing by way of a word is merely based on mutual agreement between the users of a language. As we have seen in 2.3., Dharmakīrti gave the same explanation in his own semantics. 2.4.1. About the meaning of a word Nyāya Sūtra (2.2.65) says that a word can refer to (1) an individual object (vyakti) (2) a form (ākṛti) which makes visible a class and its characteristics, and (3) a class (jāti) which is that which makes things look similar. On the last statement the Nyāya Bhāṣya gives an interesting elaboration in which some of the rudiments of Dharmakīrti’s ›apoha‹-theory can be recognized, especially the emphasis Dharmakīrti lays on the idea that the mind creates a concept by removing all unlike things from a perceived object. The Nyāya Bhāṣya in effect says (292.4 ff): “[›Class‹, i. e. the notion of class] which brings forth a similar cognition (buddhi) [i. e. a cognition of similarity] regarding [a given number of] separate substrata, through which [class] many [separate substrata] are not distinct from one another, which things [‘moreover’] causes the continuity of the cognition [of similarity in a given number of things], that [class and thing] constitutes similarity [i. e. a universal (sāmānya)]. And ›class‹ is that specific similarity [or universal] which creates a non-difference [from one another] for a certain [number of like objects] [and their] difference from some [other unlike objects]”.
The first statement seems to come close to implying that similarity in things rests in the cognition of the things, i. e. that similarity is rather in the mind of the beholder than exclusively in the things themselves. The term which is used here to designate the locus of cognition is the same word as Dharmakīrti uses to describe the conceptualizing mind, namely the word ‘buddhi’. The second sentence seems to foreshadow Dharmakīrti’s doctrine about ›apoha‹ as excluding unlike objects from like objects, because the Bhāṣya states here that the similarity creates a nondifference of like things with like things and their difference from unlike things. The specific term ‘apoha’ and what it stands for in Buddhist context, namely the function of
III. Positionen
mental analysis ascribed to it by Vasubandhu the Younger as has been shown in 1.3.1., does not occur in this Nyāya Bhāṣya-passage. The term and its meaning is, most probably, the creation of Buddhist Abhidharma-analysis of which Vasubandhu’s book gives a fairly complete inventory. But the Nyāya Bhāṣya-passage combined with what is taught in the Abhidharmakośabhāṣya already contain the germ of the later ›apoha‹-philosophy of Dignāga and Dharmakīrti. 2.5. The extent to which statements other than logical proofs are also a means of valid cognition As has been shown in 1.3.3. and 2.2.1., Dignāga and Dharmakīrti developed that ›apoha‹-semantics only as a part of their epistemology, more specifically, the theory of deductive inference and logical proofs in order to account for the notion of ‘class’ on which their theory of reasoning is based. This does not mean that their thinking about the communicative aspect of language is strictly limited to its function in the logical proof. Dignāga accepted the possibility of conveying correct knowledge by means of statements other than logical proofs. In this he followed the Nyāya and the other Brahmanical schools of thought, which all maintained that the statements made by an expert person about real, observable or verifiable pieces of reality do convey true knowledge about these pieces of reality to the hearer of the statement. The Nyāya Sūtra calls such statements ‘āptopadeśa’ [(useful) instruction (made) by an expert] (Nyāya Sūtra 1.1.7). The Nyāya Sūtra regards these statements as a separate means of valid cognition called ‘śabda’. The Buddhist epistemological school headed by Vasubandhu the Younger and Dignāga subsumed reliable statements which do not take the form of syllogistic reasoning under inference. In so far as a reliable statement is trustworthy, it is a kind of inference (Pramāṇasamuccaya II.5 ab). 2.5.1. Dharmakīrti inherited this somewhat problematic thesis from Dignāga; in the Pramāṇavārttika I and II he tried to show to what extent non-syllogistic statements can convey true knowledge and would be a ›pramāṇa‹, without introducing a third separate ›pramāṇa‹. Dharmakīrti sticks to Dignāga’s scheme of two ›prāmaṇas‹, although he would for religious reasons need a third one in his theory on the spiritual authority of the Bud-
42. Apohavāda in Buddhist logic
dha, because he saw clearly that a good deal of the teachings of the Buddha cannot be interpreted as logical proofs. In Pramāṇavārttika I (Svavṛtti 108.2—5) Dharmakīrti acknowledges the usefulness of expert statements collected in a reliable tradition (agama) as a provisional source of sound knowledge about things that one ought to do and ought not to do and whose results cannot be perceived in this world. Similarly in Pramāṇavārttika (II.132 cd) (Vetter 1984) Dharmakīrti says that even the Buddha abided by certain teachings coming from a reliable tradition. 2.5.2. In Pramāṇavārttika (I.214) Dharmakīrti mentions the three criteria a statement made by an expert (āptavāda) should fulfill before its validity as a means of valid cognition will be investigated: (1) the words of the statement should be coherent, (2) the statement should only describe means that will be suitable to a desirable end, (3) it should express a useful human purpose. Although Dharmakīrti gives three general criteria, it is clear from the context that he had the doctrine of the Buddha (especially the four noble truths) in mind as the ideal statement to which these three criteria could be applied. Dharmakīrti further distinguishes (like Nyāya Sūtra 1.1.8 had done earlier) between expert statements on things that are at present potentially perceptible to the hearer and statements about things that are at present not (yet) perceptible to the hearer. The first kind of statements refers to things in this world, the second kind usually refers to either things in the hereafter or to mystical states of consciousness. Both kinds of statements, in order to be trustworthy (avisaṃvādin), should not be contradicted by perception and inference. An expert statement can be regarded as an instance of correct inference for two reasons: (1) an inference reveals a real object only indirectly, i. e. it only conveys a concept of a real thing and the same happens in the case of an expert statement. The statement conveys to the hearer a conceptual image of an object the speaker intends to speak about. As long as the expert statement is not contradicted by subseq uent experience, it can be considered a provisional means of valid cognition. (2) The second reason is that if the main object (afterwards becoming perceptible to the hearer) which the statement is referring to, turns out to be trustworthy, then one may infer the trustworthiness also of an as yet imperceptible object which the same state-
607
ment describes (Pramāṇavārttika I.215—217). 2.5.3. In Pramāṇavārttika (II.1—6) Dharmakīrti defines the concept of ‘means of valid cognition’ (pramāṇa) in its generality as trustworthy knowledge about real objects cognized by perception (pratyakṣa) which continuously produce (to the perceiver) a useful or an unwanted effect (arthakriyā). Here in Pramāṇavārttika II (which came after Pramāṇavārttika I) Dharmakīrti proposes a new criterion of truthfulness regarding the validity of the means of valid cognition: they are trustworthy only in so far as their object, the really existent singular (svalaksana) produces some noticeable effect (arthakriyā) (cf. 2.1.1.). In the case of a direct perceptual cognition of an object, this effect is perceived immediately if it is there, in the case of inferential cognition and the information derived from an expert statement (the latter is explicitly covered by the ›pramāṇa‹-definition in Pramāṇavārttika II.1), their trustworthiness as means of valid cognition is established only afterwards when the inferred or described object is actually perceived. Only perception can directly reveal an effect-producing singular (svalaksana), and perceptual cognition is a means of valid cognition only in so far as it really reveals an effect produced by an existent object. The trustworthiness of perception thus rests on the undesirableness or desirableness of the real object it conveys to the perceiver. Inference and reliable statement, which ought to be based on trustworthy perceptions of real objects to be trustworthy themselves, are reliable means of cognition only in so far as the information they contain is afterwards corroborated by perception on the part of the hearer. 2.5.4. Knowledge conveyed by means of a coherent meaningful sentence reveals to the hearer the concepts in the mind of the speaker, not the described thing itself. The words are only a means of valid cognition with regard to the concepts which the speaker intends to communicate, not with regard to the described object itself. The correct knowledge that can provisionally be conveyed through words and that is worthwhile to communicate is the knowledge the speaker has acq uired for himself through perception of real objects. The speaker communicates his knowledge by way of concepts which he formed in his mind about the perceived ob-
III. Positionen
608
jects. Only knowledge about useful or harmful objects is worthwhile communicating by means of words. The knowledge which the hearer of these words wishes to gain is only that knowledge on which the hearer can base activity regarding objects that he should avoid (heya) and objects that he should obtain (upādeya). The utility of a reliable tradition (āgama) or a scientific treatise (śāstra) (both being a set of trustworthy statements) consists in their removing erroneous concepts in the mind of the hearer, not in their directly showing an object (which by their very nature they cannot). 2.5.5. In the second general definition of ‘prāmaṇa’ in Pramāṇavārttika (II.5 c) Dharmakīrti proposes that a means of valid cognition should not only reveal a trustworthy effectproducing singular, but also a singular that was not hitherto cognized by any means of valid cognition. By stating this, Dharmakīrti tries to account for the fact that human knowledge increases. The second definition not only refers to perception and inference, but includes reliable statements as a source of new knowledge, provided these reliable statements refer to really existent objects, i. e. singulars (svalakṣaṇa), that had previously been perceived by the speaker himself. For it is only the effect-producing singular that one wishes to investigate with the help of means of valid cognition. Also in this context of Pramāṇavārttika (II.1—6) the ›apoha‹-theory is brought forward by Dharmakīrti to explain the presence of correct concepts in the mind of the speaker and how these concepts help to convey knowledge to a hearer of a reliable statement containing these concepts. In the rest of Pramāṇavārttika II it becomes clear that the ›pramāṇa‹-definitions are intended to give the spiritual authority of the Buddha (who for the Buddhist Dharmakīrti constitutes the ultimate means of valid cognition) a firm grounding on ›secular‹ epistemology.
phy in their (usually very extensive, scholastic) commentaries on Dharmakīrti’s original writings. (In this respect they tried to emulate their master whose Pramāṇavārttika was, after all, meant to be a very elaborate commentary on Dignāga’s Pramāṇasamuccaya). In subseq uent Buddhist epistemological thought Dharmakīrti’s writings on ›apoha‹ remained the unq uestioned, classical formulation of the theory. The commentators on Dharmakīrti added very little independent thinking on the ›apoha‹-semantics beyond the req uirements of exegesis. Within four hundred years after Dharmakīrti’s lifetime, at least four independent treatises were written by various Buddhist epistemologists on ›apoha‹: (1) Dharmottara (ca. 750): Apohaprakaraṇa (edited and translated into German by E. Frauwallner); (2) Kalyāṇarakṣita (ca. 830): Anyāpoha-vicāra-kārikā; (3) Jñānaśrīmitra (ca. 1025): Apohaprakarana; (4) his pupil Ratnakīrti (ca. 1050): Apohasiddhi (translated into English by D. Sharma). In all these works there are discussions about ›apoha‹ and in some works there are also discussions on the refutations of ›apoha‹ by contemporary philosophers of rival schools. In essence the proponents of the ›apoha‹-semantics do not go much beyond what Dharmakīrti had taught, while the refutations are largely based on what Uddyotakara and Kumārila had brought forward against the ›apoha‹-theory. In the period after Dharmakīrti, the main features of the ›apoha‹-theory remain unaltered, the main attacks on it are found in Nyāya-authors such as Jayantabhaṭṭa (ca. 800) (s. art. 18), Bhāsarvajña (ca. 860—920), and Vācaspatimiśra (ca. 900). However, the further details of the philosophical debate on semantics between the Buddhist defenders of Dharmakīrti’s theory and the attempt at its refutation conducted by adherents of various rival schools of philosophy, are a topic of further and thoroughgoing scholarly research.
3.
4.
The period after Dharmakīrti’s classical formulation of the ›apoha‹-doctrine
With Dharmakīrti the most formative and creative period of the Buddhist epistemological school and its ›apoha‹-doctrine has ended. The centuries following on Dharmakīrti’s time see the emergence of a host of commentators who elaborately interpret his philoso-
Selected references
Frauwallner 1933 ff, Beiträge zur Apohalehre, in Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 39, 40, 42, 44. Hattori 1968, On Perception (being the Pratyakṣapariccheda). Hattori 1977, The Sautrāntika Background of the Apoha Theory, in Buddhist Thought and Asian Civilization.
43. The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians
Hattori 1982 (ed.), The Pramāṇasamuccayavṛtti of Dignāga (ch. 5: Anyāpoha-parīkṣā). Sharma 1969, The Differentiation Theory of Meaning in Indian Logic.
609
Steinkellner 1968, Die Entwicklung des Kṣaṇikatvānumānam bei Dharmakīrti, in Festschrift Frauwallner. Vetter 1964, Erkenntnisprobleme bei Dharmakīrti.
Victor van Bijlert, Leiden (Netherlands)
43. The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
General characteristics of ›sphoṭa‹ Patañjali’s view Bhartṛhari’s view The critics of the sphoṭa doctrine Later grammarians: classification of ›sphoṭa‹ Selected references
General characteristics of ›sphoṭa‹
1.1. What is language? 1.1.1. The traditional answer of some of the Indian grammarians to this q uestion is that it is sphoṭa, the real vehicle of meaning for the general context (s. art. 5). The theory of sphoṭa in its rudimentary form maintains that a word or a sentence is not just a concatenation made up of different sound units arranged in a particular order, but a single whole, a single symbol which bears a meaning. I have used the words ‘just’ and ‘bears’ here purposefully since at this stage when I am trying to formulate a general idea of sphoṭa it is difficult to be more precise than this. The idea of sphoṭa was variously formulated by different authors with different sorts of precision. A simple meaning-bearing symbol, which may be a word or a sentence, is what is called a ‘sphoṭa’. It is either a wordsphoṭa or a sentence-sphoṭa, depending on the units of linguistic sign that is accepted and assigned a whole meaning. 1.1.2. The contrast of the ›sphoṭa‹ is with what may be called the articulated, audible sounds that we use, as we must, in any given linguistic discourse. The audible sounds, the ›noisy‹ realities, are regarded in this theory as the means by which the symbol, the relevant ›sphoṭa‹, is revealed or made public. The implication of this skeletal theory is that what is revealed or made public to another person by the noisy realities is what is language, not the ›noisy realities‹ themselves. When we com-
prehend bits of a language we comprehend the meaning they convey, but such comprehension of the meaning can only arise through our comprehension of the ›sphoṭa‹. Sounds are as inessential as the black marks (writings) on papers, although our understanding must start from our recognising the sounds or the black marks. 1.1.3. The etymological meaning of the term ‘sphoṭa’ might have some significance. A later writer, Nāgeśa (ca. 1670—1750), has derived it from the root ‘sphuṭ’ which means ‘to burst’. Nāgeśa has glossed ‘bursts’ as ‘is revealed’, and the derivative meaning of ‘sphoṭa’ is ‘that from which the meaning bursts forth’, that is, ‘is revealed’ (Nāgeśabhaṭṭa 1956, 5). Mādhava (14. century) in his Sarvadarśanasaṃgraha has given the following explanation of the etymology: ‘bursts’ means ‘is made explicit’; therefore ‘sphoṭa’ means ‘what is made explicit ( vyaj) by letters’ on the one hand and ‘what being made explicit makes the meaning explicit’ on the other hand. Thus, the ›sphoṭa‹ being what is itself revealed by letters or sounds, conveys the meaning to the hearer (Mādhava 1924, 300). A modern scholar, John Brough, has put it cryptically, “The Sphoṭa is simply the linguistic sign in its aspect of meaning-bearer“ (Brough 1951, 33). Some Indologists described the ›sphoṭa‹ as a ›mysterious entity‹ (Keith 1928, 387; De 1925 II, 180). This must be due to the fact that Bhartṛhari’s (ca. 450— 510) general philosophy (s. art. 17) associated the concept of brahman, the ultimate being, with the essence of speech (śabdatattva) and sphoṭa. Bhartṛhari even used the term ‘śabda’ [speech] as a synonym of ‘sphoṭa’. Influenced by Bhartṛhari, some modern scholars described it as “not a sound or a conglomerate of sound” but “unanalysable units which make up the linguistic system a speaker has in his intellect and whereby he communicates” (Cardona 1976, 301).
III. Positionen
610
1.2. Early history It is by no means clear whether Pāṇini (ca. 400 B. C.) knew about the theory of ›sphoṭa‹ in any admissible form. His Aṣṭādhyāyī bears no evidence to it except an enigmatic reference to an early grammarian by the name of Sphoṭāyana in rule 6.1.123 avaṅ sphoṭāyanasya. Haradatta, one of the Pāṇiniyas belonging probably to 10th century, speculated that this Sphoṭāyana was the propounder of the sphoṭa doctrine. Haradatta made this comment in his Padamañjarī under Pāṇini’s rule 6.1.123. Even Nāgeśa followed Haradatta in this regard and concluded in his Sphoṭavāda (Nageśabhaṭṭa 1956, 102) that the sphoṭa doctrine was held by sage Sphoṭāyana. Yāska (ca. 5th century B. C.) has q uoted another cryptic sentence and ascribed it to a scholar called Audumbarāyaṇa (the relative chronology between Pāṇini and Yāska is however uncertain): “Indriya-nityam vacanam” [speech or language is eternal in the faculties] (Yāska 1918, 1.1). It is explained as stating that a sentence is actually in the mental faculties of the language-users, the speaker and the hearer. A similar view is supposed to have been held by Vārtākṣa, as Bhartṛhari informs us (Bhartṛhari 1965, II. 347). Not much is known about these two authors. Brough has conjectured that the forerunner of Bhartṛhari’s ›sphoṭa‹ theory was probably this view of Audumbarāyaṇa mentioned by Yāska (Brough 1952, 73). In short, the evidence of a primitive ›sphoṭa‹ theory is practically non-existent. Paṇini has given us a personal name and Yāska has given a succinct quotation. But they do not take us very far.
2.
Pantañjali’s view
2.1. Patañjali (ca. 150 B. C.) at one place in his Great Commentary on Pāṇini, the Mahābhāṣya, says that sphoṭa is the speech or language (śabda) while the noise or sound (dhvani) is a q uality (a feature) of the speech (language). It is explained that the ›noisy‹ element in language, the audible part can be soft or loud or long or short, but the ›sphoṭa‹ is what remains constant or the same, i. e. unaffected by the peculiarities of individual speakers. For Patañjali, a single letter or sound (varṇa) such as, ‘k’, ‘p’, or a fixed sound-series or letter-series, can be a ›sphoṭa‹. The idea is that the variability due to utterance by different speakers with different tempos belongs to the audible part while the
invariant sound-pattern is what is called ‘sphoṭa’. The ›sphoṭa‹ is thus a unit of sound, a single letter or a letter-series. A sound-series can be analysed as a succession of soundunits, and therefore it has a constant ›size‹ or a fixed temporal dimension determined by the number of units. This notion of ›sphoṭa‹ is different from that of the later grammarians, for whom ›sphoṭa‹ is a partless (whole) entity and hence unanalysable. Under Pāṇini’s rule 1.1.70, Patañjali gives an example to illustrate his distinction between the ›noise‹ (sound) and ›sphoṭa‹. When a drum is being struck, one drum-beat may travel twenty-feet, another thirty, another forty; but the ›sphoṭa‹ has a definite ›size‹ (intensity). Its increase in length or intensity is caused by the actualized noise. He says here that the letters (even a single letter) have a fixed nature (avasthita) but the style of delivering them through speech-organ (vṛtti) depends upon the speech habits of the speaker. The sphoṭa theory of the later grammarians was however very different. 2.2. According to the Mīmaṃsakas, the letters (varṇas) or sound-units are permanent, and the permanent sound-units should be distinguished from the actual instances of their utterance. When uttered, the q uality of being fast, medium or slow will be perceived but such variations do not belong to the permanent sound-units. The sounds that are produced and heard by agents are only means of revealing the permanent sound-units. This Mīmāṃsā view might also have influenced Patañjali’s view. The modern distinction between what is called the phonemes and the ›objective‹ or ›perceived‹ sounds may have some relevance with Patañjali’s theory of ›sphoṭa‹ and ›dhvani‹. The Naiyāyikas however held a different view. For them, soundunits are not permanent, as the Mīmāṃsakas believed, but they are produced (kārya) and therefore impermanent. They are regarded as particulars, i. e., particularized instances, for example, of sound-universals. Thus an instance of sound-universal ‘k’ (or, ›ka-tva jāti‹, the genus of k-hood, because the suffix ‘tva’ is an ›abstractor‹, a kind of operator to generate second order singular terms; Matilal 1968) is given in an utterance of ‘k’ by a speaker. This was very much like a type-token distinction. But the Naiyāyikas operated with a broader category of ‘jāti-vyakti’ [universalparticular] distinction. Hence the almost virtual identity of two or more uttered ‘k’s is
43. The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians
explained away by the Naiyāyikas as being excessive similarity of such instances in which the universal sound ›ka-tva‹ inheres. One might add that the refinement of type-token distinction did not emerge as a clear alternative from the rather ontological nature of the ‘universal-particular’ distinction of the Naiyāyikas. In any case, since the ‘sphoṭadhvani’ distinction of the grammarians is presented as a rival theory, we should be well advised not to conflate it with the ‘type-token’ distinction with which we are familiar today. Coming back to the Nyāya view, we have to say that according to it the meaning of a word, since it is only a combination of soundatoms uttered at consecutive moments, is presented to the mind of the listener by the last sound heard, aided by the memory-impressions of the preceding sounds. Since isolated sound-atoms cannot individually present the meaning, they must do it jointly, and for that purpose they must be ›perceived‹ or cognized together as a whole. Technically it is said that they must have ›togetherness‹ (sāmānādhikaraṇya) in a single cognitive episode. The req uirement is fulfilled when the perception of the last sound is aided (q ualified) by the accumulated impression of the all the preceding sounds heard previously in seq uence. Hence it is said that this ›q ualified‹ perception (burdened with the memory impressions in the described fashion) presents the meaning of the word. This Nyāya view of language was admittedly unsatisfactory. It did not explain why or how meaning is understood from a word or a sentence. For if these meaning-bearing units were simply groups of seq uentially uttered sound-atoms, they would lack unity and hence a unified meaning cannot be conveyed by them. Neither does it explain how these units could be simultaneously grasped in our cognition. To talk about the perception of the last uttered sound aided by the memory impressions of the others is only to reveal the poverty of this theory’s explanatory power. The grammarians’ explanation assumes that we have either the word or the sentence as two separate, single meaning-bearing units. One of the implications of the sphoṭa doctrine is to posit a set of new linguistic entities as single meaning-bearing units. 2.3. Both the Naiyāyikas and the Mīmāṃsakas were ›anti-sphoṭa‹ theorists. The Mīmāṃsakas along with the Naiyāyikas defined a word as the aggregate of the letters or
611
sounds and held a similar theory about the meaning: it is conveyed by the last sound or letter aided by the impressions produced in the mind by the utterance of preceding letters or sounds. The Mīmāṃsakas however had a different ontological theory about sound which included ›linguistic‹ sounds. Unlike the Naiyāyikas, who believed sounds to be momentary realities, i. e., those that are destroyed after being produced, the Mīmāṃsakas held that the letters or sounds are permanent entities incapable of being produced and destroyed; they are only revealed or made explicit when our vocal organ is active and one part strikes against the other. This again does not invoke the ‘jāti-vyakti’ [universalparticular] distinction but appeals to a different causal notion, according to which a set of (causal) factors may operate together so that a permanent entity, implicitly residing in the physical entities, will be made explicit, i. e., amenable to human perceptions, only temporarily. When the factors cease to operate, the entity becomes again implicit. This req uires that in our vocabulary of predicates, ‘sound is produced’ should be replaced by ‘sound is manifested’ all throughout. The Mīmāṃsakas further held that the memory impressions belonging to the hearer of the sound seq uence uttered by the speaker would also possess a special power to convey the meaning of the word or sentence. These memory impressions are nothing but the traces left behind in the mind by the momentary perceptual experience of sounds as they are uttered. We infer that such traces (saṃskāras) are left behind, and this inference is based upon the fact of our recollection of these past experiences. Such ›traces‹ are thus somewhat like the dispositional properties of the mind which have the power to generate our recollection. But the Mīmāṃsakas here attribute further power to such ›traces‹ — power to convey the meaning of the word concerned. Critics would say that this would be an unnecessary redundancy, a repugnant conseq uence of the theory. Another interesting distinction between the Naiyāyikas and the Mīmāṃsakas is this. For the former, the relationship between word and meaning is established only by ›samaya‹ [convention], i. e., the convention chosen by the first language-users of the community, or the original language-user, God at the beginning of Creation. For the Mīmāṃsakas, however, the word-meaning relationship is ›given‹ to us, it is ›autpattika‹ [natural and uncreated], ›apauruṣeya‹ [impersonal] — not cre-
III. Positionen
612
ated by any person (nor even by God) (s. art. 62). Convention discovers language, does not create it. In this regard, the Mīmāṃsakas were very closely related to the Grammarians. For Kātyāyana, who wrote Vārttika on Pāṇini’s grammar in 3rd century B. C. (contained in Pāṇini’s Mahābhāṣya), stated that all three — the word, what is meant by it and their relationship — are ›siddha‹ [natural or uncreated]. But the Mīmāṃsakas did not accept a word or a sentence as a single indivisible unit having no time seq uence as the later grammarians did. The Mīmāṃsakas opposed the sphoṭa doctrine, and held that words are composite entities (not wholes), composed of letters or sounds. But they agreed with the Naiyāyikas, that the meaning is conveyed by the last sound or letter aided by the impressions produced in the mind by the preceding letters. 2.4. The Grammarians found both the Mīmāṃsā and the Nyāya theories of word or ›speech‹ unsatisfactory. They believed that the uttered word must be distinguished from the physical reality of the seq uential utterances of letters or sounds. This distinction was captured by their ‘sphoṭa-dhvani’ distinction. But there were several theories in olden days about how this distinction is to be spelled out and what exactly would be the nature of ›sphoṭa‹. Bhartṛhari discussed some of these earlier theories and in course of such discussions he established his own view about the distinction which became very influential among the later grammarians.
3.
Bhartṛhari’s view
3.1. The sphoṭa doctrine has most prominently been associated with Bhartṛhari. But scholars have held different views about the exact significance of this concept in Bhartṛhari’s thought. The situation here is further complicated by the attribution of a much crystallised and ostensibly different doctrine of ›sphoṭa‹ by the later grammarians to not only Bhartṛhari but also Patañjali. Earlier indologists (Keith 1928, 387; De 1925, 180) described ›sphoṭa‹ as a mysterious or mystical entity, and this was probably due to its association with Bhartṛhari’s notion of śabdabrahman or the Eternal Verbum (Sastri 1980, X). But this was a mistake. In spite of its metaphysical underpinning which Madeleine Biardeau rightly emphasized (Biardeau 1964, 268), there is a linguistic treatment of the concept well-documented by Bhartṛhari him-
self and other Grammarians. Brough (1951, 34) and Kunjunni Raja (1969, 97—148) were right to emphasize the point that ›sphoṭa‹ was not a mysterious entity. There is another dispute that is connected with it: whether the ›sphoṭa‹ in Bhartṛhari was simply the linguistic sign in its aspect of meaning-bearer (Brough, Kunjunni Raja) or whether it represents an abstract class of sound sorted out and extracted by the listener from gross matter (Joshi 1967, 40). George Cardona (1976, 302) thinks that Brough’s thesis should be modified since Bhartṛhari talks about also varṇa-sphoṭa which refers to a sound unit of the language system, not to any meaningbearing unit. Subramania Iyer (1969, 158 f) has however refuted Shivram Dattatray Joshi’s rather sweeping comment that Bhartṛhari’s ›sphoṭa‹ had nothing to do with meaningbearing speech-unit. In Mahābhāṣya-dīpikā (s. art. 17) Bhartṛhari reinterpreted Patañjali’s use of the word ‘śabda’. This was noted by Patañjali as the meaning-bearing element in the Paspaśā section. Bhartṛhari glossed this as ›sphoṭa‹ and characterized it as eternal. 3.2. In Vākyapadīya Bhartṛhari clearly develops the threefold doctrine of ›sphoṭa‹ related to letters or phonemes, words and sentences. This is explicitly mentioned in the Vṛtti. Sometimes he uses ‘śabda’ and ‘sphoṭa’ interchangeably, which might have been the source of confusion. The ›sphoṭa‹ is further described as partless and indivisible and as devoid of internal seq uence. A pada-sphoṭa, i. e. the ›sphoṭa‹ identified as a word, seems to be a meaning-bearing unit. But, for Bhartṛhari, the vākya-sphoṭa, i. e. the ›sphoṭa‹ in the form of a sentence, is the most important one. In the second kāṇḍa of Vākyapaḏīya, he deals with various definitions of the sentence, and finally concludes that a sentence is a seq uenceless, partless whole, a ›sphoṭa‹, that gets ›expressed‹ or manifested in a seq uential and temporary utterance. This is also the primary meaning-bearing element. For Bhartṛhari, however, this is a bad metaphor: ‘meaning-bearing unit’. ›Sphoṭa‹ is the real substratum, proper linguistic unit, which is identical with its meaning. Language is not the vehicle of meaning or the conveyor-belt of thought. Thought anchors language and language anchors thought. ›Śabdanā‹ [languaging] is thinking, and thought ›vibrates‹ through language. In this way of looking at things, there cannot be any essential difference between linguistic unit and its meaning
43. The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians
or the thought it conveys. ›Sphoṭa‹ refers to this non-differentiated language-principle. Thus I believe that it is sometimes even the wrong q uestion to ask whether ›sphoṭa‹ is or is not the meaning-bearing speech unit in Bhartṛhari’s system. 3.3. Bhartṛhari begins the discussion of his theory by a reference to the distinguishing of the two aspects of language by his predecessors. In verse I.44 he says that the linguists comprehend two types of ›śabda‹ among the ›upādāna śabda‹ [linguistic sound]: one is the causal root of its manifestation and the other is applied, being manifested, to convey meaning. Of these two, the second is the linguistic unit properly understood, it is the real language, while the first is what ›manifests‹ or ›expresses‹ it. Bhartṛhari and following him some later grammarians related this duality to what I shall call the ‘sphoṭa-nāda’ distinction of language. ›Nāda‹ [sound] manifests ›sphoṭa‹ and ›sphoṭa‹ conveys meaning. We need to explain such expressions as ‘manifests’ and ‘expresses’. The ›sphoṭa‹ is an indivisible unit, a partless, seq uenceless whole, which is connected with the verbal dispositional ability of the speaker or the hearer. For the sake of communication between language-users, ›sphoṭa‹ needs to be made explicit, potentiality must be actualized, so that the hearer may receive it. This cannot be done without ›nāda‹, the seq uential utterances of sound-elements. This is how the ›nāda‹ becomes the causal factor for making ›sphoṭa‹ explicit. The speaker cannot but utter ›nāda‹ in a seq uence and ›nāda‹ therefore reveals the ›sphoṭa‹ in this way, in seq uence, and part by part. It is argued that the ›sphoṭa‹ in this way appears (falsely) to have parts and temporal seq uences just as the moon reflected in the wavy waters appears to be wavy and disintegrated. Since the ›nāda‹ is also identified with the ›sphoṭa‹, certain spurious features are superimposed on the ›sphoṭa‹. The sounds uttered by the speaker makes the real linguistic units, primarily a sentence, explicit, but this is the ›sphoṭa‹ of the speaker, which is also received by the hearer, and as a result the hearer’s ›sphoṭa‹ is ›awakened‹ by the utterance of the speaker. This awakening of the hearer’s ›sphoṭa‹ is what is called the understanding by the hearer of the sentence uttered. This is what is meant by the claim that the sentence uttered must ›already be present‹ in the hearer. From the point of view of the speaker, however, the ›sphoṭa‹ already
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present in him will be the causal condition for the ›nāda‹ or the seq uential word utterance, which will convey the ›sphoṭa‹ to the hearer. The metaphysical view of Bhartṛhari is that whatever is called ‘śabda’ (‘language’) and ‘artha’ (‘meaning’, ‘thought’ or ‘things meant’) are one and undifferentiated in their pre-verbal or potential state. Although in Bhartṛhari’s system thought and reality are indistinguishable both being referred to by ‘artha’, he did accomodate the views of other philosophers when he said that a word, being uttered, refers to three distinct items: its own form, the idea in the intellect (buddhi), and the external object. But in his own view, there does not seem to be any reality beyond the ›things meant‹. Before the utterance, it is argued, the language along with whatever it conveys or means is like the yolk of a peahen’s egg. It is seen that all the variegated colours of a full-grown peacock lie dormant in that state in potential form. Later these colours are actualized. Similarly in the self of the speaker or hearer, or whoever is gifted with linguistic capability, all the variety and differentiation of linguistic items and their meanings exist as potentialities, and language and thought are identical at that stage. Bhartṛhari even believes that the nature of the self is nothing but identical with the nature of language-thought. This state of complete identity of language and thought is called the ‘paśyanti stage’ of language. Before the proper articulation of the sound-seq uence or utterance, there is another ›intermediate‹ stage (called ‘madhyama vāk’) where the language and the thought it conveys are still one and undifferentiated but at this pre-verbal stage the speaker sees them as differentiable. In other words, he recognizes the verbal part, which he is about to verbalize either to himself or to another, as distinct and separable from the ›artha‹ [meaning or thought]. This perception impels him to speech which results in the ‘nāda-sphoṭa’ differentiation. 3.4. How is the ‘sphoṭa-nāda’ distinction comprehended? Or, we may rephrase the q uestion: how is ›language‹ comprehended? We have seen that Bhartṛhari has posited three stages of language or speech. The first where there is complete identity of language and thought, is the ›paśyanti‹ stage; we can call it ‘non-verbal’. The ›intermediate‹ stage, where, despite identity of thought and language, their difference is discernible, can be
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called the ‘pre-verbal’ stage. And the third, the ›vaikhari‹ stage, can be called the ‘verbal’ stage. This is how the matter is viewed from the speaker’s point of view. But how does the hearer comprehend it? Bhartṛhari states four different views of which I shall mention only two. According to some, ›sphoṭa‹ is cognized as identical with the sound or ›nāda‹. One who grasps the ›nāda‹ grasps the ›sphoṭa‹ at the same time. Since basically the sound or ›nāda‹ is identical with the ›sphoṭa‹, both being two sides of the same coin, grasping of one cannot be distinguished from grasping of the other. The commentator has supplied a beautiful analogy to elucidate the point. When a piece of crystal is placed near a red japā flower, the piece (of crystal) cannot be grasped or perceived without the colour red, for it now certainly appears red because of the proximity of the red flower. The ›sphoṭa‹ is likewise comprehended along with the ›nāda‹ that manifests it, one grasps the bits of language as sound or utterance, i. e. the ›sphoṭa‹ as the ›nāda‹. It is not clear whether this analogy can be taken to imply that the ›nāda‹ is only a superimposed feature of the ›sphoṭa‹, the real language. For the piece of crystal is only apparently red due to the conditional superimposition, in reality it is colourless. If the implication is that the ›nāda‹ or sound is an inessential, conditionally superimposed, feature of the real language or the ›sphoṭa‹, then I do not think this would be in exact accord with the doctrine of Bhartṛhari, rather the identification of the ›nāda‹ with the ›sphoṭa‹ is what is implied. And this may well be Bhartṛhari’s own view. The analogy between a piece of crystal and a bit of language was again used by Bhartṛhari in kāṇḍa 3 of Vākyapadīya. But the purpose of that analogy was probably different. It was to illustrate a point in Bhartṛhari’s semantics. Objects meant by bits of language are only creations of the language, for language is autonomous just as a piece of crystal is believed to be autonomous in the sense that it ›reflects‹ its objects by according an autonomous status to them (the reflector modifies the object in its own way). This analogy has been used with great ingenuity by Radhika Herzberger in her exposition of Bhartṛhari’s semantics (Herzberger 1986, 50—53). However, in the context of our comprehension of the ›sphoṭa‹ through ›nāda‹, the crystal analogy might serve a slightly different purpose. We grasp the ›sphoṭa‹ as reflected in the ›nāda‹, and as
III. Positionen
almost identical with the ›nāda‹ itself, just as we grasp redness as presented by the piece of crystal, not in any other way. Bhartṛhari refers to a second view. Some held that the comprehension of the ›sphoṭa‹ does not req uire the comprehension of sounds or ›nāda‹ as a condition. A tentative argument is given in favour of this view. We know that when we cognize an object, say a pot, through visual perception, we do so through the instrumentality of the faculty of vision, the eye, and it is an established fact that we do not need to know the properties or features of the eye-organ itself. The fact that we have the eye-organ is enough, for this is only what is relevant for the knowledge of the object. Similarly we comprehend the ›sphoṭa‹ through the instrumentality of ›nāda‹, sounds. Patañjali (cf. 2.1.) has contended that sound is the attribute of the ›sphoṭa‹. Now, when the ›sphoṭa‹ is presented through sounds, we comprehend it right away even prior to our cognition of the sound-symbols, though the latter is indicative of the former. In other words, on this view cognition of sounds themselves is not needed prior to our cognition of the ›sphoṭa‹. Bhartṛhari has criticized this view saying that as long as the sounds are uttered they are also directly perceived by our sense of hearing. Hence, it is impossible to comprehend the ›sphoṭa‹ without comprehending the sounds. The view, as it stands, is indeed peculiar. Perhaps the upholders of this view were unconsciously arguing in favour of a distinction between sound-tokens and soundtypes, and they accordingly wanted to say that we do not need to cognize the soundtypes over and above the sound-tokens prior to our comprehension of the ›sphoṭa‹. Sometimes, it may be pointed out, we comprehend the ›sphoṭa‹ even when only half or part of the relevant sound-tokens is heard. 3.5. There is an obvious problem where we say that the seq uential and atomic ›nāda‹units in combination reveal or manifest the indivisible ›sphoṭa‹. The problem is similar to the problem of perception: how do the parts present the whole? (s. art. 77) If they present it partially, then the whole will never be presented in one sweep and this will cast doubt upon the contention about the reality of the whole over and above the constituents out of which the whole is constructed. For the Grammarians, the ›sphoṭa‹ is a whole and it is a metaphysical entity, not an object of construction, nor an abstraction. Hence the
43. The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians
q uestion arises how do we perceive a unity from the utterance of a plurality, namely a divisible sound-stretch? Thus by stating that the sound-stretch manifests the ›sphoṭa‹ we do not answer the crucial q uestion: how? For surely separate efforts are req uired to produce different sounds and they are produced in succession. At which point exactly the unity that we called ‘sphoṭa’ is comprehended? If the unity is cognized at every instant from the beginning, then there is the fault of repetition and redundancy. If it is by the last (utterance of the) sound-unit then all the preceding units (or their utterances) are superfluous, for they have been destroyed at the time of comprehension. Bhartṛhari answers this objection as follows. For the sake of convenience, let us use the illustration of a word-sphoṭa ‘gauḥ’ ([the] cow). There is a unity here, the word. But the four sound-units or letters, ‘g’, ‘a’, ‘u’, and ‘ḥ’, present the ›sphoṭa‹, each individually. Bhartṛhari says that each letter here is the medium of manifestation of the unity, the whole ›sphoṭa‹. The problem of repetitiveness or redundancy is avoided by postulating a difference each time in the resulting awareness or comprehension. The first letter (or the first sound-unit) shows the whole but very indistinctly. It becomes gradually clearer and progressively better understood through successive stages until the last unit is uttered. Although the earlier units disappear when the last unit is reached, the memory-impressions left behind by those earlier units are in the hearer and each time there is q ualitative difference in the memory-impression (saṃskāra). The ›sphoṭa‹ itself does not admit of any q ualitative or q uantitative difference, addition or subtraction, but the impression of it may be imperfect and different due to the imperfect nature of the human intellect. Our memory-impression may be dim or clear or partial on various occasions but the object ›sphoṭa‹ may still shine in its undimmed glory all the time. 3.6. It may be further argued that Bhartṛhari’s explanation of the comprehension of ›sphoṭa‹ is unsatisfactory. For certainly the letters or sounds ‘g’, ‘a’, ‘u’, and ‘ḥ’ reveal only themselves individually. That is, we perceive each unit as it is produced, through our sense of hearing. If the ›sphoṭa‹ ‘gauh’ is also perceived when we perceive ‘g’ or ‘a’, it must be perceived as ‘g’ or ‘a’. But ‘gauḥ’ is not ‘g’ or ‘a’. The ›sphoṭa‹ is not identical with any of
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the individual sound-units. To perceive something x as what it is not is to misperceive x. We call it error. It is somewhat unparsimonious to first postulate an entity like the ›sphoṭa‹ of ‘gauḥ’ and then claim that it is only misperceived in the first, second or third letters, ‘g’, ‘a’, ‘u’. Besides each misperception is based upon recognition of some similarity between the object present and the object superimposed. In the present case, it is difficult to obtain any satisfactory account of such a series of misperception. Bhartṛhari gives a bold reply to this criticism which also has the metaphysical underpinnings of his sphoṭa doctrine. He says that just as the cognition of the lower numbers, one and two, is the means for understanding the higher numbers, say, three, although they are each distinct and different, similarly comprehension of the ›sphoṭa‹, either a ›pada-sphoṭa‹ or a ›vākyasphoṭa‹, is invariably conditioned by the cognition of the so-called constituents, either the sounds, ‘g’, ‘a’, ‘u’, ‘ḥ’, or the word-elements ‘Devadatta’ and ‘goes’ (in the ›sphoṭa‹ of the sentence ‘Devadatta goes’). This presupposes an understanding of the Vaiśeṣika theory of numbers. According to this theory, numbers are distinct from one another and constitute separate entities, and all numbers higher than one are produced by a sort of ›connectivecomparative‹ cognition called ‘apekṣābuddhi’. This is the notion that brings many unities under one number or another. When two things are present, one cognizes both as ›this is one and that is one‹. This is the ›connective-comparative‹ cognition that gives rise to the awareness of ›two‹ or duality, and similarly with each succeeding number. On this theory, understanding of the previous numbers is the conditioning factor for the awareness of the higher numbers. Similarly understanding of the distinct sounds or distinct word-elements is the means for the awareness of the combined unity, the ›sphoṭa‹. Besides, Bhartṛhari claims that for the ›sphoṭa‹, or what he would call the ‘real language’, to convey some meaning to the hearer, it is an essential and unavoidable condition that it be made explicit through the seq uential and transitory ›nāda‹ elements. Just as a piece of knowledge cannot be known or talked about without any reference to what it represents or what is known by it, similarly the ›sphoṭa‹ cannot convey any meaning (or be known) without its being manifested through the seq uential ›nāda‹ or speech. To have a clear perception of a tree, for example, we
III. Positionen
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must proceed from a distance step by step when the vague and indistinct blur gradually gives way to a distinct shape of a tree, similarly the ›sphoṭa‹, through steps, or seq uences is distinctly understood and identified. Bhartṛhari claims that a man who has mastered the ›śabdayoga‹ or obtained the light of the Eternal Verbum can perceive or understand the ›sphoṭa‹ clearly where the first sound is heard, just as a man with a perfect vision or unlimited power of the sight (if there is any such man) can see the tree distinctly even from a distance. Comprehension of the ›sphoṭa‹ is eq uivalent to such a vision of reality. 3.7. Bhartṛhari has noted also that there is no unanimity among his predecessors regarding the real nature of the ›sphoṭa‹. He refers to several earlier views. According to one, the ›sphoṭa‹ is the universal manifested by the individuals which are ›nāda‹ elements or sounds. The ›sphoṭa‹ is thus the class of which sounds would be members. The commentary q uotes a line from the Mahābhāṣya of Patañjali, where the word ‘sphoṭa’ is used in the sense of the universal. It is the universal of the word ‘gauḥ’, not the universal called ‘word-ness’. We may call it the ‘word-form’, realized through the seq uential utterance of the sounds. Some later commentators (e. g. Bhaṭṭojī Dīkṣita, around 1600) apparently have taken the ›class-sphoṭa‹ theory as Bhartṛhari’s own. But this is a mistake. Hence the claim of some modern scholars to the effect that ›sphoṭa‹ is nothing but a postulation of a unitary word-universal, should be rejected. Another view mentioned by Bhartṛhari regards ›sphoṭa‹ as an impermanent entity, produced by the initial sounds resulting from the contacts and separations of the vocal organs. The initial sounds themselves constitute the ›sphoṭa‹, they do not manifest it. But these sounds, despite being momentary, produce further sounds which thus spread in all directions in gradually decreasing intensity and reach the hearer’s organ as ›nāda‹ or sounds. The sound produced initially is the ›sphoṭa‹, other sounds produced in reverberation, are ›sound-produced‹ sounds (dhvani or nāda). Another view modifies this position in that it makes both ›sphoṭa‹ and ›nāda‹ produced simultaneously through contacts and disconnection of vocal organs. They are like the flame and the light of a lamp. We produce both the flame and the light at the same time, the light ›travels‹, so does the reverberation. The flame is fixed in one place, so is the
›sphoṭa‹, according to this view. None of these views would be acceptable to Bhartṛhari. His idea of ›sphoṭa‹ is different, as already described. 3.8. Bhartṛhari’s philosophy of language is ultimately grounded in a monistic and idealistic metaphysical theory. He speaks of a transcendental word-essence (śabdatattva) as the first principle of the universe. His sphoṭa doctrine is finally aligned with the ultimate reality called ‘śabda-brahman’. A self-realized person attains unity with the word-principle — a man of perfect knowledge. There is no thought without language, no knowledge without word in it. Consciousness vibrates through words, and such vibrating consciousness or a particular cognitive mode motivates us to act and obtain results. Hence language offers the substratum upon which human activity is based. Language and meaning are not two separate realities such that one conveys the other. They are in essence the two sides of the same coin. The ›sphoṭa‹ is this unitary principle where the symbol and what is signified are one. To understand each other’s speech and to communicate, we do separate the inseparable, the sound and its sense. This is only instrumental to our mutual understanding. At the ultimate level, they are one. Bhartṛhari talks about three kinds of ›sphoṭa‹: sound-sphoṭa (letter), word-sphoṭa and sentence-sphoṭa, but his primary interest lies with the sentence-sphoṭa. He underlines the importance and primacy of sentence (s. art. 63) in the language analysis, in the second kāṇḍa of Vākyapadīya.
4.
The critics of the sphoṭa doctrine
4.1. The sphoṭa doctrine of the Grammarians was rejected by most other philosophical schools. I shall develop a critiq ue of the notion of ›sphoṭa‹ as found in the writings of the Mīmāṃsakas and the Naiyāyikas. In the next section the views of the later grammarians will be summarized. For the Mīmamsakas, there is no separate entity called ‘sphoṭa’ apart from the externally existent (but only contingently manifested) soundunits or ›phonemes‹. Śabara (ca. 5th century) (Mīmāṃsāsūtra I 1.1.5) cites the view of Upavarṣa (an ancient Mīmāṃsaka), who says that the sound-units or the letters alone constitute the word. The sound-units, on the Mīmāṃsā theory, are substantial entities — not prop-
43. The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians
erties of other substances. This means that at any given time an aggregation of these permanently present entities would be possible, and this aggregate would constitute a word to convey a meaning. There are obvious difficulties in this view. For one thing, since all sound-units of individual letters are always present, it would be rather impossible to decide which of them would form an aggregate to convey a meaning. Besides, if the two aggregates consisting of the same units or letters are supposed to convey the same idea, both ‘nadī’ [river] and ‘dīna’ [poor] would be conveying the same import. Hence we have to introduce the notion of seq uence or order of arrangement to underline the distinction in word-formation. But if the sound-units are eternal and omnipresent as the Mīmāṃsakas claim, how can we attribute either temporal or spatial seq uence to their occurrences? To avoid difficulty, therefore one has to postulate that such spatio-temporal seq uence belongs to the manifestations or articulation of the sound-units. It seems that Bhartṛhari in his first two definitions of the notion of the sentence took notice of such Mīmāṃsā view: (1) aggregate or collection, (2) sequence. 4.2. One may point out at this stage that the original dialectical q uestion, in answer to which the ›sphoṭa‹ was posited, may arise again, for the manifestations of sound-units are momentary and non-simultaneous. It thus becomes pertinent to ask whether the manifested sound-units convey the meaning conjointly or severally. If the first, the subseq uent manifestations of sounds would be redundant, and it cannot be the second, for the conjoined presence of the manifested sounds would be impossible. The Mīmāṃsakas however argue that although the manifestations are momentary, each of them leaves behind an impression (saṃskāra) and the last soundunit, when it is manifested, would be conjoined with the aroused memory of the previous ones and then convey the meaning. If we raise the q uestion about how and why there will be a regular and simultaneous but synthetic recollection of all the previous sounds together in exactly the same order (for memory-recollection cannot be regularized in this way), the Mīmāṃsakas’ answer is that such contingencies do arise. The Grammarians might say with some justice that this is a tortuous supposition and may not be preferable to the postulation of the additional entity called the ‘sphoṭa’. Śabara has summed
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up his position against the ›sphoṭa‹ as follows. The Grammarians in order to uphold the sphoṭa doctrine make at least two unwarranted assumptions. First, they have to posit ›sphoṭa‹ as a separate entity. Besides, they must admit along with those who do not admit ›sphoṭa‹ that the ›relevant‹ memory impressions born out of direct hearing of letters or sounds have to have the power to manifest this ›sphoṭa‹. The Mīmāṃsakas can only admit that the memory-impressions of the hearing of letters do have the req uired power to express the relevant sense. 4.3. Kumārila (ca. 620—680), the Mīmāṃsaka, and Jayanta (ca. 840—900) (s. art. 18), the Naiyāyika, were perhaps the two most formidable critics of the ›sphoṭa‹ theory. It is refreshing to see how Maṇḍana Miśra (ca. 660—720) who was supposed to be a disciple of Kumārila, wrote his Sphoṭasiddhi to refute the counter-arguments of Kumārila found in the Sphoṭa-vāda section of his Ślokavārttika, and establish the ›sphoṭa‹ theory. An analysis of these arguments is given by Gaurinath Sastri (Sastri 1959, 103—32). Kumārila says, among other things, that the so-called word ‘cow’ is taken by the ›sphoṭa‹ theorists to be a simple, unitary entity (the ›sphoṭa‹) but indeed the word (or the sentence) is a composite fact having different letters (and words) as its components. The word (or the so-called ›sphoṭa‹) cannot be different from the constituent letters. If it were different, it would be felt or perceived to be a distinct entity without any reference to the letters as its constituents. But what everybody perceives and universally feels is the group of letters and not anything else that is distinct from them. The only difference is that when we hear an utterance each cognition grasps a single letter or sound-unit, and the final cognition takes note of all of them together. But this cannot justify the assumption that the so-called word (or the sentence) is a ›sphoṭa‹, that is, something numerically and q ualitatively different from the group of letters. No cognition of the word is possible without and independently of the cognition of letters. This only shows that the word (or the sentence) is a multiple or composite entity, not a simple unity. It is only our cognition of this composite entity, which is a single act. The cognitive act is one but its content is not so, that is, what we grasp by such a single cognitive act may be many. Hence we may talk about an illusion or misperception here
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from a different point of view. The unity of the word-sphoṭa or sentence-sphoṭa is only an appearance, a mere appearance. The multiple entity appears to be a unity (a case of cognizing something as what it is not — a case of misperception), and the singularity of the cognition itself is responsible for the illusion of unity of the content. What is grasped as a word (or a sentence) is felt to be a unity, or an indivisible entity because we have finally one indivisible cognitive episode to apprehend it. Hence it is a case of transference of a characteristic of the cognition itself to the content or what is cognized by it. This is a very ingenuous argument. The composite entity (word or a sentence) appears as one and indivisible just as a rope appears as a snake. The advocates of the sphoṭa theory have tried to talk about another kind of misperception or illusion (already discussed) where the ›sphoṭa‹ (the whole) appears as a letter or a group of letters or sound-units. We perceive the letters, which is a misperception, according to the ›sphoṭa‹ theorists, for we perceive the real word, the ›sphoṭa‹, the unity, appearing as letters or a group of letters (a composite entity). Kumārila turns the table against the ›sphoṭa‹ theorists by claiming the final cognition of the unity (for the feeling of unity which may characterize our final perception of the word) is actually an illusion — a misperception of the composite entity consisting of letters appearing as a unity, as an impartite whole. Maṇḍana Miśra in reply has said that it is a drawback of our finite intelligence that we cannot grasp the indivisible word (or the sentence) apart from and independently of the letters or sound-units. This however cannot annul the intuition of the unity. The fact that the apprehension of multiplicity is invariably concomitant with the apprehension of unity and that unity in such cases is never apprehended in isolation, does not prove that the unity is an illusion. For philosophers like Kumārila and other realists do admit the reality (non-illusoriness) of such entities as the cow-universal (or the whole), although a cow-universal is always apprehended along with the individual cows and never in isolation. Lest we misunderstand it, the point of the argument is not that the ›sphoṭa‹ is actually to be accepted as a universal, but that it is to be accepted as a separate entity apart from the plurality of letters, just as a cow-universal is admitted as separate from the individual cows, or even a pot as a ›whole‹ is accepted by Nyāya as a entity sep-
III. Positionen
arate from the combination of its parts (pothalves). We have already noted above, the ›sphoṭa‹ may be admitted as a ›universal‹ or jāti-sphoṭa, or a vyakti-sphoṭa [particularistic sphoṭa] or even an ›internal‹ sphoṭa grasped by one piece of cognitive awareness. 4.4. The Mīmāṃsakas admit each letter or sound-unit as eternal and each word as only a seq uence of such letters and each sentence similarly a further seq uence. Now the seq uence cannot belong naturally to the eternal letters but has to be created by the effort of sensient beings. Such efforts are volitional and hence the seq uences resulting from them are also non-eternal. This would, however, go against the usual Mīmāṃsaka claim that even the words and the sentences are eternal and only manifested by the contacts of the different parts of the vocal organ. Kumārila points out that the seq uence cannot be an essential q ualifier of the letters, and hence ‘the seq uence of letters’ has to be interpreted as a group of letters ›superficially indicated‹ by a particular seq uence. To use the Indian logical terminology, the seq uence is not the ›viśeṣaṇa‹ but an ›upalakṣaṇa‹. The seq uence created by the human agency is only a ›pointer‹ to the word, not a part of it, for the word is uncreated. Therefore, Kumārila asserts, the seq uence which is non-eternal is not a property of the word (padadharma), and hence the word does not become impermanent thereby. Naiyāyikas like Jayanta followed Kumārila in their critiq ue of the sphoṭa doctrine. Vātsyāyana (ca. 350—425) has said (Nyāyasūtra 3.2.62) that a word is determined by a ›pratisāndhāna‹ [connective-recollective cognition] of different heard letters (sound-units), but these letters or sound-units are only momentary realities. Jayanta clearly states that a word is only a cluster of letters and a sentence is only a cluster of words. The Mīmāmsakas regard the letter ‘g’ for example as one eternal entity although it may be pronounced by many speakers loudly or mildly, strongly or weakly. But the Naiyāyikas believe that each utterance of ‘g’ by different speakers creates a distinct entity, but our recognition of all ‘g’s as the same g is due to the sounduniversal ‘g’ (g-ness), or due to similarity between one utterance and another. The Naiyāyikas take the Mīmāṃsakas to task by pointing out that if the letter ‘g’ is eternal and one and the difference in each of its utterances is due to difference of manifestation, then it comes very close to the letter-sphoṭa which
43. The sphoṭa doctrine of the Indian Grammarians
the Mīmāṃsakas are out to reject. The Naiyāyikas however accept the solution of Kumārila regarding the concurrence of different letters; impressions left behind by different utterances of former letters can concur with the direct perception of the last letter whence the meaning of the word would be revealed. Or, even a connective-recollective cognition of all letters together in a seq uence may generate the word-meaning.
5.
Later grammarians: classification of ›sphoṭa‹
The later grammarians have argued that those who think that the word is constituted by letters only, would have to admit that each letter must have some significatory power for otherwise their combination (the word) cannot be significant. But there is some absurdity in the conception that each letter, ‘g’ for example, has some significatory power. The ›sphoṭa‹ is posited to avoid this absurdity. For otherwise the same letter ‘g’ occurring in thousand words would have to have thousand implicit meanings. Even the advocates of the Yoga system of Patañjali lend support to this view of the grammarians, as it was clearly stated in the Vyāsa-bhāṣya of Yoga-sūtra 3.17. This agreement, however, does not throw any further light upon the q uestion of identity of two Patañjalis — one the grammarian and author of the Mahābhāṣya and the other the author of the Yoga-sūtras. Another simple argument is used in defence of the sphoṭa doctrine. This is based upon the ambiguity of the word ‘śabda’ in Sanskrit. ‘Śabda’ may mean a blast of noise or a series of soundunits. A person emits a blast of noise and we understand a meaning. People say, ‘we understand the meaning from the śabda’. Here it is argued that since the word ‘śabda’ is singular, it cannot stand for the plurality of sound-units (or letters). This linguistic intuition supports the unity of the word or of the sentence. It is the ›sphoṭa‹ that contributes this unity to the cluster of sound-units. Hence people unconsciously talk about the ›sphoṭa‹ when they use ‘śabda’. The reply of the Mīmāṃsakas and the Naiyāyikas would be obvious. Hence we need not go into it here. 5.1. Many single treatises on ›sphoṭa‹ were written since Maṇḍana Miśra. We can mention Bhārata Miśra (ca 1700), Śeṣakṛṣṇa (ca. 1700), and Nāgeśa among the authors of such
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treatises. Nāgeśa however excelled others because of his new style and erudition. In his Sphoṭavāda he begins by mentioning a classification of ›sphoṭa‹ into eight different types: (1) letter, (2) word, (3) sentence, (4) indivisible word, (5) indivisible sentence, (6) letter-universal, (7) word-universal, and (8) sentenceuniversal. He defines ‘sphoṭa’ etymologically ‘that from which the meaning bursts forth’ — the meaning-bearer. The commentator, Krsnamācārya, explains that since the ›sphoṭa‹ is taken here in such a general sense, the above classification includes the views of even the rival philosophers (cf. Kṛṣṇamācārya 1946). Nāgeśa, however, describes the classification as the Vaiyākaraṇa-siddhānta [tenets of the grammarians]. He explains that the ›sphoṭa‹ as the meaning-bearer (vācaka) can be applied to the letters, the words and the sentence. The Mīmāṃsakas regard the letters in cluster to be expressive of meaning, while the Grammarians refute this view. But even according to the Grammarians, certain letters, e. g. ‘1’ (the verbal affixes expressive of tenses and moods), are meaning-bearers. Similarly, ›sphoṭa‹ (2) and (3) assign significatory power to words and sentences. The first three ›sphoṭas‹ (1)—(3), are described as ›divisible sphoṭas‹. The Grammarians however prefer the ›indivisible sphoṭas‹ mentioned in (4) and (5): indivisible word-sphoṭa and indivisible sentence-sphoṭa. But the two can be understood as ›particularistic‹ or non-universals, i. e. ›vyakti-sphoṭa‹. Hence the other three, (6)— (8), are mentioned: the universals of letters as ›sphoṭa‹, the universals of words as ›sphoṭa‹ and the universals of sentences as ›sphoṭa‹. Of all these eight, Nāgeśa clearly shows his preference for indivisible sentence-sphoṭa in his Laghumañjuṣā. It is not clear whether he means the ›non-universal indivisible sentence‹ or the ›universal indivisible sentence‹. Kauṇḍabhaṭṭa (ca. 1610—1660) made it clear in his Śabdakaustubha: The preferred alternative for the Grammarians is the ›universal indivisible sentence‹. Nāgeśa thought that in this way Bhartṛhari’s view would be vindicated. 5.2. It would be an incomplete account if we do not refer to the dominant metaphysical aspect of the sphoṭa doctrine. The ›sphoṭa‹ is ultimately said to be one in every sensient being. It is the linguistic capability of man, which is essentially intertwined with consciousness. In fact language is the ›vibration‹ of consciousness and it is argued that the ultimate speech-principle and the ultimate
III. Positionen
620
principle of consciousness are indistinguishable. The ultimate Reality for Bhartṛhari is the Absolute Consciousness which is identical with Śabda-Brahman, the Eternal Verbum. It is only in this sense that Bhartṛhari asserted in unmistakable language that the whole world, the variety and diversity, emanated from this one supreme principle — the word, Śabda. Later grammarians were engaged in the well known dispute of Indian philosophical cosmology: whether the world evolving out of the Absolute is a real transformation (pariṇāma) which would accord a reality to all diversities, or whether the diversity is a ›mere appearance‹ (an apparent transformation, vivarta) of the Absolute. Many modern scholars have disputed the issue between ›pariṇāma‹ and ›vivarta‹ as applicable to the metaphysical aspect of the sphoṭa doctrine. Bhartṛhari notes in the very first verse of his Vākyapadīya that the indestructible essence of Śabda is without a beginning or end; from this emanates the whole worldly activity — a process in the form of manifested objects. The transition of the eternal Sphoṭa to the form of the spoken or audible words and sentences at the lowest level is described as occurring in four stages (Bhartṛhari talked about three stages, see 3.3.). They are technically called ‘parā’, the ›Ultimate‹: paśyanti, the undifferentiated stage, madhyamā, the intermediate stage, and vaikhari, the spoken stage. This is how the later grammarians view the matter. The language (Śabda) at the ›parā‹ stage is identified with the Ultimate Brahman.
Those who used this concept of ›sphoṭa‹ in Tantra correlated this stage with the Kuṇḍalinī or Mulādhāra Cakra. It is also called ‘Nāda’ here (not to be confused with ‘nāda’ in the sense of audible sound). The paśyanti stage is also said to be the subtle Sphoṭa. The intermediate stage is described as the voice of Silence. The fourth stage is the ›external‹ Sphoṭa, which is ordinarily called language by all concerned. It is rather mysterious to see how the metaphysical aspect of the doctrine of sphoṭa, first enunciated by the Grammarians, was elevated to the altar of the ›worship of Nāda‹ which brought together the grammarians, the musicians, the artists, the poets, and the mantra-practitioners under one common mystical umbrella of the NādaSphoṭa reality. But perhaps this is ‘sphoṭa’ in a completely different sense.
6.
Selected references
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Bimal K. Matilal, Oxford (Great Britain)
44. La position de la grammaire rationnelle 1. 1.1. 1.2. 1.3. 2. 2.1. 2.2. 2.3. 3. 3.1. 3.2. 4.
Situation des Grammaires rationnelles Repères historiques Les concepts fondamentaux Grammaire, logique et rhétorique Contenus grammaticaux L’objet des Grammaires rationnelles: entre langage et pensée Les parties du discours Syntaxe et construction Tensions internes dans la problématique des Grammaires rationnelles Les formes de la rationalité Le traitement de la diversité Bibliographie sélective
1.
Situation des Grammaires rationnelles
1.1. Repères historiques 1.1.1. Une histoire exacte de l’origine de la grammaire serait selon François Thurot (1970, 66) à la fois «le meilleur livre élémentaire q ue l’on pût avoir sur la grammaire» et «un excellent traité de philosophie». Sans prétendre atteindre ce double objectif dans les pages q ui suivent, il faut reconnaître q ue le traducteur d’Hermès a ici cerné avec netteté l’envergure et les ambiguïtés des Grammaires
44. La position de la grammaire rationnelle
rationnelles. Les grammaires de ce type touchent en effet toujours à la philosophie parce q u’elles sont inséparables d’une théorie de l’esprit ou, comme on disait plus couramment à l’époq ue, des idées; il arrive même souvent q ue deux Grammaires rationnelles se différencient moins par leur contenu techniq ue q ue par la théorie de l’esprit à laq uelle elles se réfèrent l’une et l’autre, et les grands noms à retenir sont ici ceux de René Descartes (1596—1650), John Locke (1632—1704) (v. art. 22) et Etienne Bonnot de Condillac (1714—1780), sans négliger Francis Bacon (1561—1626). Ce serait toutefois une erreur q ue de ne voir en elles q ue le commentaire grammatical de telle ou telle philosophie. Les auteurs de Grammaires rationnelles (q u’on ne saurait appeler, pour des raisons q ui apparaîtront plus bas, des grammairiens rationalistes) sont d’authentiq ues grammairiens: héritiers d’une déjà longue tradition, ils l’enrichissent à partir de leurs observations, en analysant les composantes et notamment la terminologie avec le souci d’en préciser les éléments, et s’opposent les uns aux autres, au cours d’une histoire d’approximativement deux siècles, avec une vivacité q ui ne le cède en rien à d’autres polémiq ues plus célèbres. A cet égard, l’appréciation de Ferdinand de Saussure (1857—1913) (v. art. 36) (1955, 13) paraît injuste: les Grammaires rationnelles ne se fondent pas simplement sur la logiq ue, et ne se réduisent pas à un point de vue normatif. Mais il est vrai q u’elles peuvent être présentées de cette façon par q ui se place au point de vue de la linguistiq ue naissante. On voudrait donc ici essayer de reconstituer le style d’analyse grammaticale propre aux Grammaires rationnelles, sans pouvoir bien entendu entrer dans le détail de leur histoire et abstraction faite des particularités monographiques. Si la France a connu à l’âge classiq ue une floraison particulièrement vigoureuse de ces grammaires, au point q u’ Antoine Louis Claude Destutt de Tracy (1754—1836) a pu (1970, vol. II,10) parler de l’ère française, elles n’ont pas, loin de là, été ignorées des autres nations européennes. La bibliographie dressée par Charles Porset (1977, 34—95) donnera au lecteur une idée de l’extension géographiq ue du mouvement. Et il ne s’agit là q ue des principaux ouvrages, de certaines nations et d’une période délimitée par les deux dates de 1660 (Grammaire de Port-Royal) et de 1849 (John Stoddart, 1773—1856, The Philosophy of Language) alors q ue Luigi Rosiello consi-
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dère (1967, 106) q ue la période des Grammaires rationnelles ne prend pas fin avant les Principes de grammaire générale de Pierre Burggraff (1803—1881) (1863). Choisir entre ces deux dernières dates ne paraît pas urgent: les mutations ne sont pas dans cet ordre de choses assignables à l’année près, et, de toute façon, c’est dès le premier tiers du XIXe siècle q u’ont été publiés les premiers grands travaux q ui inaugurent ce q u’on pourrait appeler l’ère allemande, celle de la grammaire historiq ue ou comparée. En revanche, il n’est pas sans intérêt de s’interroger sur le début du mouvement des Grammaires rationnelles, car le choix de l’année 1660 n’est pas innocent. André Joly et Jean Stéfanini ont tenu à soustitrer ‘des Modistes aux Idéologues’ le recueil q u’ils ont édité sur la Grammaire générale (1977), et ils précisent leurs intentions dans l’Avant-propos: les Modistes (v. art. 41) ont joué un rôle capital dans l’élaboration de la Grammaire générale q ui ›ne naît pas avec Port-Royal‹. Il ne paraît pas contestable q ue les Messieurs de Port-Royal soient, en ligne plus ou moins directe et de façon plus ou moins consciente, les héritiers d’une longue tradition: la Grammaire rationnelle n’est, pas plus q u’aucun autre mouvement dans l’ordre de la connaissance, le fruit d’une génération spontanée. Mais on ne saurait pour autant la dissoudre au sein d’une vague q ui aurait déferlé depuis le XIIIe siècle. Une des raisons de cette différence d’appréciation est sans aucun doute d’ordre terminologiq ue. Joly s’est à juste titre interrogé à propos de l’œuvre de James Harris (1709— 1780) (1972, 16—19), sur la multiplicité des adjectifs q ui accompagnent le terme de Grammaire dans les œuvres de l’âge classiq ue: on rencontre des grammaires générales et des grammaires universelles, sans parler de celles q ui se disent raisonnées, analytiq ues ou philosophiq ues, et il conclut q ue ces titres ›ne recouvrent pas exactement les mêmes réalités‹. Cette diversité se vérifie aisément dans la bibliographie, déjà citée, de Porset; on se bornera ici à l’enregistrer, sans être en mesure d’en tirer de conclusions plus précises q ue Joly. Ce q ui, en revanche, paraît certain, c’est q ue l’ambition d’élaborer une grammaire générale, c’est-à-dire valable pour toutes les langues, est bien antérieure au XVIIe siècle. Stéfanini (1977, 105, n. 10) relève chez Jean le Dace (env. 1270) cette affirmation nette: «Grammatica debet esse eadem apud omnes» [la grammaire doit être la même chez tous]. Une autre ambition partagée par les Gram-
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maires rationnelles des XVIIe et XVIIIe siècles, celle de constituer la grammaire comme une science, était également présente chez les Modistes (cf. Kelly 1977, 107 f), et, en général, chez ceux q ui se rattachent à la Grammaire spéculative. Ce n’est donc pas de ce côté q ue réside l’originalité des grammaires de l’âge classiq ue. Il n’est pas douteux q u’on la trouvera plutôt du côté de la référence à la raison, entendue au sens large comme référence à l’esprit, et non pas, au sens étroit, comme la garantie d’une inspiration rationaliste. Même si la détermination d’un titre conserve toujours une certaine part d’arbitraire. Antoine Arnauld (1612—1694) et Claude Lancelot (1615—1695) ne semblent pas avoir été mal inspirés q uand ils ont défini leur Grammaire comme ›générale et raisonnée‹, le second adjectif caractérisant le type et la source de la généralité q u’ils voulaient conférer à leurs recherches. Une Grammaire rationnelle est générale du fait même q u’elle rapporte les faits de langage à une origine spirituelle, conçue comme identiq ue chez tous les hommes. Mais une Grammaire générale peut se fonder sur autre chose q ue sur l’esprit ou la raison, et c’est dans la théorie aristotélicienne du mouvement q ue Louis G. Kelly trouve les notions fondamentales de l’analyse de la phrase simple chez les Modistes. Même si certains contenus théoriq ues sont identiq ues dans toutes les Grammaires générales, celles de l’âge classiq ue présentent une originalité q ui suffit à les différencier des autres et q ui se manifeste mieux sous l’intitulé de Grammaires rationnelles. On essaiera dans les pages qui suivent, de cerner cette originalité. 1.1.2. Auparavant toutefois, il convient d’attirer l’attention sur la postérité de la Grammaire rationnelle. On l’a dit plus haut, elle a recueilli les résultats d’une longue tradition; mais, pas plus q u’elle n’est apparue brusq uement, elle ne s’est engloutie totalement au début du XIXe siècle. De récentes recherches ont provoq ué une réévaluation de son rôle historiq ue en soulignant q ue, sur bien des points, les contenus théoriq ues élaborés ou transmis par les Grammaires rationnelles, ou par telle d’entre elles, sont restés opératoires dans les travaux ultérieurs. On a par exemple longtemps présenté la pensée de Wilhelm von Humboldt (1767—1835) (v. art. 27) comme le résultat d’une réaction contre le sensualisme ou le matérialisme de Condillac et de ses disciples. Mais Hans Aarsleff souligne (1977, 224) q ue, comme Condillac, Humboldt rap-
III. Positionen
porte les progrès de la réflexion aux signes artificiels q ui décomposent la représentation et se disposent selon un ordre linéaire; il rappelle en outre (1977, 228) q ue le principe de relativité linguistiq ue, (v. art. 74) généralement attribué à Humboldt, est préfiguré dans le chapitre (II, 1, 15) q ue l’Essai de Condillac consacre au génie des langues. — Autre exemple, également dû à Aarsleff (1981; 1982 b): la théorie saussurienne du signe doit beaucoup à Michel Bréal (1832—1915) et à Hippolyte Taine (1828—1893) et, par leur entremise, à Condillac et à la Grammaire rationnelle q ue pourtant, on l’a dit plus haut, Saussure combat dans le Cours. — De son côté, Joly insiste sur l’actualité de la problématiq ue des parties du discours et sur l’intérêt de certaines des solutions proposées par les grammairiens classiq ues (1975, 410 ff). Ces q uelq ues exemples suffisent à indiq uer q ue sont aujourd’hui assez largement remises en cause les analyses discontinuistes de l’histoire des théories, q u’elles recourent à la notion d’‘épistémè’ (Foucault 1966) ou de ‘paradigme’ (Kuhn 1962). Dans le cas particulier des Grammaires rationnelles, il serait d’autant plus risq ué de leur assigner une date d’extinction q u’un grand nombre de thèmes et de procédures d’analyse inspirés par ces Grammaires ont été transmis jusq u’à la période contemporaine par l’entremise des grammaires scolaires. André Chervel (1977) a mis en évidence le rôle historiq ue considérable joué par la Grammaire scolaire au XIXe siècle et montré q ue, du fait des enjeux socio-politiq ues q ui étaient les siens, elle ne se confondait pas avec la Grammaire rationnelle. Elle a cependant largement contribué à assurer la postérité de celle-ci. Elle y a d’autant mieux réussi q ue la Grammaire rationnelle elle-même s’inscrit dans une perspective pédagogiq ue, q ui est expressément assumée par beaucoup de ses principaux théoriciens. S’agissant de la France, il suffit de rappeler les liens d’Arnauld et de Lancelot avec les Petites Ecoles de PortRoyal, de César Chesneau du Marsais (1676—1756) et de Nicolas Beauzée (1717— 1789) avec l’Ecole royale militaire, ou des Idéologues avec les Ecoles normales. Mais, en Allemagne, Johann Werner Meiner (1723—1789) réclame parallèlement pour sa ›philosophische Sprachlehre‹ l’avantage de faciliter grandement l’acq uisition des langues (1971, LXII sq q ), car l’élève instruit selon cette doctrine détient par avance un schéma général, applicable à toute langue, et reposant
44. La position de la grammaire rationnelle
à la fois sur la nature et la raison (1971, XC). Par l’intermédiaire de l’école, la Grammaire rationnelle a largement débordé le début du XIXe siècle. 1.2. Les concepts fondamentaux Il ne s’agit pas encore ici de donner une idée du contenu proprement grammatical des Grammaires rationnelles. On se propose auparavant d’examiner les concepts à l’aide desq uels elles définissent leur propre spécificité, soit en s’opposant à d’autres types d’analyse grammaticale, soit en déterminant l’angle sous leq uel elles appréhendent les phénomènes linguistiq ues. De ce point de vue, il semble utile de préciser d’une part le sens et la portée des exigences de généralité et de rationalité propres à ces Grammaires et, d’autre part, de montrer comment elles se différencient de la logique et de la rhétorique. 1.2.1. Grammaire générale et grammaires particulières Les Grammaires rationnelles se veulent générales; elles ne peuvent se constituer comme telles q u’à condition de se dissocier des grammaires particulières, mais le contenu des grammaires particulières ne cesse pas de les hanter. Entre le général et le particulier s’instaure dans les Grammaires rationnelles un éq uilibre toujours instable, dont on va tenter de décrire certaines formes. En principe, les choses sont claires. Il revient aux Grammaires rationnelles de définir les principes de fonctionnement du langage, q ui donnent la même structure à toutes les langues, et aux grammaires particulières de décrire la façon dont une langue donnée met ces principes en œuvre, compte tenu de ses ›usages‹ et de son ›génie propre‹. La Grammaire de Port-Royal présente ainsi, dans son titre tripartite, les différents niveaux de l’analyse grammaticale. En tant q ue générale et raisonnée, elle donne «les fondements de l’art de parler»; elle peut alors définir «les raisons de ce q ui est commun à toutes les langues, et les principales différences q ui s’y rencontrent»; enfin, à titre d’échantillon de la méthode, elle propose «plusieurs remarq ues nouvelles sur la langue française». L’étagement des différents niveaux est ainsi bien assuré, et la spécificité de la Grammaire générale garantie par cet étagement même. La raison intervient comme capacité de s’élever aux fondements, mais aussi de contrôler la diversité empiriq ue en l’empêchant de s’éparpiller en
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descriptions dispersées. — Port-Royal assimile grammaire particulière et art de parler (cf. Pariente 1985, 106—111), mais ne subsume pas explicitement la Grammaire générale sous le concept de science. Le XVIIIe siècle franchira le pas, en particulier avec Beauzée, q ui définit (1974, I, X—XI) la Grammaire générale comme une science »parce q u’elle n’a pour objet q ue la spéculation raisonnée des principes immuables et généraux du Langage», et la considère comme «antérieure à toutes les langues» parce q ue ses principes sont de vérité éternelle. — Les Idéologues iront parfois encore plus loin dans le sens de la généralité. Pour Destutt de Tracy, la grammaire, plus encore q ue science des signes, est «continuation de la science des idées» (1970, II, 1). Elle n’est pas particulièrement liée aux signes des langues articulées, et les q uatre premiers chapitres de la Grammaire prétendent valoir pour tous les langages possibles, de q uelq ue nature q ue soient les signes q ui les composent (Tracy 1970, II, 249), la principale différence entre les signes venant de leur caractère permanent (langues naturelles) ou fugitif (communication par gestes, ou animale) (v. art. 116). On voit q uel degré élevé de généralité s’accorde ici la grammaire. — Dans des perspectives différentes, on retrouve une opposition q ui a la même fonction q ue celle de la Grammaire générale et de la grammaire particulière, chez Meiner q ui différencie ›philosophische Sprachlehre‹ et ›harmonische Sprachlehre‹ (1971, III sq q ), la première ayant pour objectif de définir les concepts indispensables à l’élaboration de toute grammaire, la seconde visant à une étude comparative des diverses langues effectivement parlées. Quant à Harris, sans se réclamer de la tradition philosophiq ue du rationalisme, il oppose aux grammaires particulières sa grammaire universelle, q ui ne considère q ue les principes communs et essentiels à toutes les langues (1972, 12; 1969, 11). Le geste inaugural des Grammaires philosophiq ues est bien celui par leq uel elles se coupent des grammaires particulières. Mais ce geste peut-il être poussé jusq u’à son terme? q uel contenu proprement grammatical pourrait-il bien rester dans une Grammaire générale q ui n’aurait aucun rapport avec les grammaires particulières? Fût-elle philosophiq ue, une grammaire ne saurait se réduire à une philosophie du langage. Même si l’on ne soutient pas avec Noël François de Wailly (1724—1801) que «la plupart des traités q u’on offre au public sous le titre fastueux de Grammaire générale ne sont
III. Positionen
624
q ue des Grammaires particulières à la fois enflées et déguisées par q uelq ues lambeaux d’une métaphysiq ue triviale [...]» (1763, cité par Joly, dans Harris 1972, 21—22),
on voit les meilleurs s’attacher à recoudre après avoir taillé. Beauzée reconnaît q ue »la science et l’art se doivent des secours mutuels» (1974, I, XII), l’art n’ayant pas en luimême les lumières q ue req uiert son efficacité, mais la science ne pouvant donner «aucune consistance à la théorie» si ce n’est par l’observation et la confrontation des différents usages: une épistémologie newtonienne vient alors servir de garant à ce mouvement par leq uel la grammaire reconq uiert sa grammaticalité (1974, I, XIV). Mais alors les rapports du général et du particulier ne se modifientils pas considérablement? Si le général est atteint par la voie de l’abstraction, reste-t-il possible de considérer la Grammaire générale comme le fondement des grammaires particulières? Un des plus grands au moins l’a mis en doute; c’est Du Marsais, q uand il a affirmé, exactement à l’opposé de Beauzée, q ue «la grammaire n’est pas avant les langues», et réduit les énoncés des grammairiens à des observations sur l’usage (1971, Œuvres choisies I, 128), ce q ui ne l’empêche pas de soutenir q ue «les grammairiens q ui ne sont pas philosophes, ne sont pas même grammairiens» (68). Mais la philosophie chez Du Marsais est moins une source autonome de concepts q u’une arme destinée à dissocier ce q ui relève du fond des choses et ce q ui relève des tours de l’imagination; c’est avant tout à ce titre q u’elle a sa place dans une grammaire qui se veut fondée sur l’observation. En s’en tenant au plan épistémologiq ue, on peut sans doute trouver dans cette difficulté à situer l’un par rapport à l’autre le général et le particulier l’éclaircissement d’une énigme intéressante. Il s’agit de la différenciation entre Grammaire générale et grammaire comparée (v. art. 9): comment expliq uer q ue la deuxième ait pris naissance et se soit développée en opposition à la première, alors q ue la généralité visée par l’une aurait pu apparemment s’établir par comparaison entre langues particulières? Pourq uoi, par exemple, Meiner n’a-t-il pas fondé la grammaire comparée alors q ue son ›harmonische Sprachlehre‹ faisait place à la comparaison entre langues particulières? C’est, disons-le d’un mot, q ue toute comparaison n’est pas comparatiste, q u’il ne suffit pas q u’il y ait des comparaisons dans une grammaire pour q u’elle soit grammaire comparée. Car les
Grammaires générales ne reculent pas devant les comparaisons. Celle de Port-Royal est trop succincte pour les développer, en dehors de q uelq ues cas particuliers. Mais Beauzée rappelle dans sa Préface q u’il a consulté les grammaires de dix-sept langues, sémitiq ues comme indo-européennes, sans oublier le basq ue, le chinois et le péruvien (1974, I, XV), et, pourtant, sa grammaire n’est pas une grammaire comparée parce q ue, comme il l’écrit plus loin, ses comparaisons lui ont enseigné q ue «les idiotismes ne sont q ue des aspects différents des principes généraux». De telles comparaisons ne font pas un comparatisme, parce q u’une Grammaire générale rapporte toutes les langues à un modèle commun, donné indépendamment des particularités de chacune; aussi la comparaison n’a-t-elle pas de valeur en elle-même, et ne prend-elle appui sur aucune méthodologie spécifiq ue. Christian Jacob Kraus (1753—1807) a publié en 1787 une Rezension du célèbre Dictionnaire commandé par Catherine II à Pierre Simon Pallas (1741—1811), q ui contenait la traduction de 285 mots dans près de 200 langues et dialectes européens ou asiatiq ues; dans cette Rezension, Kraus assigne deux objectifs à ce q u’il appelle des ‘philosophische Sprachvergleichungen’: enrichir la connaissance de l’esprit et élargir l’histoire des peuples (cf. Arens 1955, 118 sq q ). Aucun de ces objectifs, q ui débordent l’un et l’autre le strict domaine linguistiq ue, ne sera retenu comme primordial dans la grammaire comparée. 1.2.2. Rationalité et rationalisme Si les Grammaires générales visent, comme l’a bien vu Jean-Claude Chevalier à propos de Port-Royal, à «établir des règles valables pour toutes les langues» et à déterminer «des voies de passage de l’une à l’autre» (1968, 537), elles le font fréq uemment en se présentant comme rationnelles. Il convient cependant ici aussi de manier avec prudence le terme de raison ou ses dérivés, et d’abord de se prémunir contre certaines confusions. En premier lieu, on constate q ue l’expression de Grammaire rationnelle est moins utilisée à l’âge classiq ue q ue celle de Grammaire raisonnée. D’autre part, beaucoup de ces grammaires se réclament d’une philosophie empiriste ou sensualiste, et non d’une philosophie rationaliste: c’est à Bacon et Locke, ensuite à Condillac, q ue font référence les grammairiens, plus souvent q u’à Descartes. Malgré tout, ce n’est pas sans motifs, on essaiera de
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le montrer, q ue s’est créée la tradition de parler des Grammaires rationnelles. L’expression a d’abord des fins polémiq ues. Une grammaire se considère comme référée à la raison q uand elle se propose plus q ue d’enregistrer les usages constitutifs d’une langue donnée. De cette ambition nouvelle, une illustration très vigoureuse est donnée par les critiq ues q ue la Grammaire de Port-Royal adresse à Claude Favre de Vaugelas (1585— 1650). On doit certes donner raison à William Keith Percival q uand il proteste (1976 b, 379 sq q ) contre une présentation trop schématiq ue de l’opposition entre Port-Royal et Vaugelas. A propos de la règle selon laq uelle on ne doit point mettre de relatif après un nom sans article, Port-Royal (1966, 80 f) reproche moins à Vaugelas de s’être contenté d’enregistrer l’usage q ue de l’avoir enregistré de façon partielle. Mais faut-il en conclure avec Percival (1976 b, 381) q ue, sur la primauté de l’usage et la volonté d’explication, il y a accord complet entre Port-Royal et Vaugelas? On peut en douter, à condition de ne pas s’en tenir aux professions de foi de l’un et des autres, mais d’examiner leur pratiq ue grammaticale. Dans le présent cas, Vaugelas avait bien relevé une des exceptions à sa règle (q uand le nom est au vocatif, il peut être suivi d’une relative sans être précédé d’un article) et soutenu q ue cette exception n’en était pas une car, devant le vocatif, est sous-entendu o, baptisé ‘article du vocatif’; puis, revenant à son énoncé, il en avait esq uissé une justification en soutenant q ue l’usage s’y accordait avec la raison, q ui ne peut accepter q u’un pronom relatif toujours défini ait pour antécédent un nom q ue l’absence d’article rend indéfini. Après q uoi, il s’était excusé de ce «petit raisonnement» q u’on risq ue de trouver «trop subtil et trop métaphysiq ue» (Vaugelas 1738, II, 429 f). La pratiq ue de Vaugelas ne le porte pas, on le voit, à abuser de la spéculation. Le rationalisme en grammaire est d’abord soutenu par un postulat absent chez Vaugelas, le postulat q ue les usages s’expliq uent et, corrélativement, q ue l’explication exige q u’on les prenne en compte dans leur intégralité afin de découvrir ce q u’il y a de commun aux formes particulières d’une même difficulté. Port-Royal met clairement en œuvre un postulat de ce genre. Quand on a poussé aussi loin q ue possible la recherche de l’explication, on peut se trouver en présence de résidus, de faits de langage q ui ne se rangent pas sous l’un ou l’autre des principes auxq uels on a fait appel. Port-Royal
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n’a pas méconnu q u’on ne pouvait pas tout expliq uer par la référence aux opérations de la pensée ou, plus exactement peut-être, q ue cette référence ne jouait pas toujours directement. D’abord parce q ue la langue est historiq ue, et peut conserver dans un état présent des «restes du vieux style» q ui font obstacle aux règles et à l’analogie (Port-Royal 1966, 87); ensuite parce q ue, pour être en mesure de véhiculer dans les meilleures conditions les pensées, le discours se soumet à un certain nombre de normes (Pariente 1985, 109 f; 125 f) q ui obscurcissent la référence fondamentale à la pensée. Même dans la Grammaire de Port-Royal, pourtant considérée comme le parangon du rationalisme, q uand ce n’est pas du logicisme, se fait jour la reconnaissance d’une opacité du langage à la raison. C’est cette opacité q ue rencontrent toutes les Grammaires rationnelles sous le nom d’usage, et le problème pour elles est de déterminer q uelle part, dans la langue et dans la grammaire, revient à l’usage. D’un coté, il convient de le reconnaître comme la source même de l’objet des grammaires, du moins des grammaires particulières, car »une langue est la totalité des usages propres à une nation pour exprimer les pensées par la voix» (B. E. R. M. — sans doute: Beauzée Ecole Royale Militaire — dans Auroux 1973 b, 95); Du Marsais voit même dans cette priorité de l’usage la justification de la priorité pédagogiq ue q u’il accorde à la ›routine‹ dans l’acq uisition des langues: «c’est imiter la nature q ue de commencer par l’usage» (1971, I, 26). Mais, d’un autre côté, la Grammaire rationnelle ne se limite pas à l’usage, car elle vise à le fonder, c’est-à-dire à montrer comment le phénomène considéré s’inscrit dans un ensemble de moyens destinés à assurer l’expression de la pensée. 1.2.3. Dans cette recherche du fondement, la raison se détourne de sa fonction polémiq ue pour se reconnaître une fonction positive. C’est en effet ici q ue réside la thèse q ue partagent toutes les Grammaires rationnelles: le langage doit être appréhendé dans son rapport à la pensée, ou à l’esprit. Pensée comme esprit peuvent être conçus différemment d’un grammairien à l’autre; le rapport du langage à la pensée peut ne pas être le même; mais une grammaire fait partie des Grammaires rationnelles à condition de poser q ue l’analyse du langage consiste à déterminer son rapport à la pensée. Port-Royal l’affirme le premier:
III. Positionen
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«on ne peut bien comprendre les diverses sortes de significations, q ui sont enfermées dans les mots, q u’on n’ait bien compris auparavant ce q ui se passe dans nos pensées» (1966, 27).
A sa suite, et malgré la substitution du sensualisme condillacien au spiritualisme cartésien, les grammairiens français du XVIIIe siècle répéteront q ue le langage est le ›tableau‹ de la pensée ou de son analyse. Bien q u’il ne relève pas de la même tradition, Meiner reprend la même idée: «Denn alle Sprachen sind in der That nichts anders, als so viele von einem und eben demselben Originale, welches unser Denken ist, aufgenommene Kopien» (1971, IV).
Harris pose également q ue «(le) discours est l’exposé ou le développement des affections ou des mouvements de (l’)âme» (1972, 14; 1969, 15). Il n’est pas utile de multiplier les références. Ces grammaires se pensent rationnelles parce q u’elles se donnent le moyen d’expliq uer les faits linguistiq ues en les rapportant à autre chose q u’à eux-mêmes, à la pensée. On est ici aux antipodes de Saussure pour q ui le recours à un principe logiq ue revient à appliq uer du dehors sur la grammaire une norme extra-linguistiq ue (1955, 152). — On ne peut, sur ce point, préciser davantage q u’en rappelant brièvement les divergences q ui séparent et parfois opposent les grammairiens classi q ues. Contre Noam Chomsky (1966) et Michel Foucault (1966), on ne peut ni placer tous ces grammairiens sous l’étiq uette de cartésiens, ni leur prêter à tous des thèses q ui ne sont développées q u’au XVIIIe siècle. La divergence fondamentale paraît résider dans la représentation q u’ils se donnent du rapport entre langage et pensée (v. art. 71). A Port-Royal, le langage n’est q u’un moyen de communication de la pensée; cette formule restrictive signifie q ue la pensée est entièrement constituée indépendamment de son expression linguistiq ue, comme le corps existe indépendamment du vêtement q ui le dissimule et le révèle à la fois. C’est pourq uoi, conformément au passage cité cidessus, on rendra raison des faits de langage en établissant q u’ils représentent ce q ui se passe dans les pensées. — Cette anthropologie sera ébranlée au XVIIIe siècle, sous l’influence de Locke, prolongée et renforcée en France par celle de Condillac. Celui-ci dissocie un niveau pré-linguistiq ue (cas des animaux, ou des enfants) et un niveau linguistiq ue de la pensée; au premier niveau, la pensée est globale, simultanée, confuse: le langage l’analyse, c’est-à-dire la décompose et la recompose, lui permettant ainsi d’ordonner et
de développer les connaissances (Condillac 1947—1951, Œuvres philos. I 403 f). Beauzée s’appuie sur cette problématiq ue selon laq uelle le langage n’est plus seulement moyen d’expression, mais d’analyse et d’élaboration de la pensée; la grammaire conq uiert alors sa rationalité en se faisant théorie de l’ordre analytiq ue, car cet ordre est «tout à la fois le résultat de l’analyse de la pensée, et le fondement de l’analyse du discours dans toutes les langues» (Beauzée 1974, I, VII), le point suprême où la grammaire s’assure de la valeur objective de ses concepts. On le voit sur ce seul exemple, d’une grammaire à l’autre, la rationalité ne s’entend pas de la même façon et la dénomination de Grammaire rationnelle peut recouvrir des interprétations variées. Il est en tout cas certain q ue ces grammaires ne sauraient être, dans leur ensemble, présentées comme les produits d’une philosophie rationaliste. Rationnelles ou, peut-être mieux, raisonnées, parce q u’elles visent à rendre raison des faits linguistiq ues en les référant à la fonction q u’elles prêtent au langage, elles ne se réclament pas toutes d’un rationalisme. Rosiello (1967), Ulrich Ricken (1978) ont mis en évidence le poids de l’empirisme ou du sensualisme sur la réflexion grammaticale du XVIIIe siècle notamment. Du reste, le recours aux grandes oppositions entre philosophies de la connaissance, comme rationalisme et empirisme, ne paraît guère susceptible d’éclairer vraiment le détail du contenu grammatical (v. art. 12). On se bat plus au XVIIIe siècle sur le terrain de l’innéisme et du génétisme q ue sur celui du rationalisme et de l’empirisme. A propos de l’œuvre de Du Marsais, Ricken remarq ue avec raison q ue ses emprunts à Locke ne l’empêchent pas d’intégrer à sa pensée la théorie de l’ordre naturel (1978, 86; 199, n. 8). Françoise Soublin n’hésite pas à parler de Du Marsais comme d’un rationaliste, et aucun des adjectifs par lesq uels elle s’efforce de préciser la nature de ce rationalisme ›scientifiq ue‹, ›pré-linguistiq ue‹ et ›militant‹ ne paraît tendre à nuancer sa thèse (1976, 407 f). On voit sur un exemple comme celui-là, q ue les références philosophiq ues ne peuvent pas, parce q u’elles restent prises dans un contexte différent, permettre de définir la forme de rationalité q ui est mise en œuvre dans les grammaires de l’âge classique. 1.3. Grammaire, logique et rhétorique Une des difficultés q ue ces grammaires affrontent pour se constituer comme telles tient à la nécessité de délimiter leur territoire et
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leur méthode par rapport aux autres disciplines auxq uelles la tradition reconnaît une juridiction sur les phénomènes linguistiq ues: il s’agit essentiellement de la logiq ue et de la rhétoriq ue. — Relativement à la logiq ue, il est clair q u’une Grammaire rationnelle entretient avec elle un rapport étroit: logiq ue et grammaire prennent en effet leur départ dans l’analyse d’opérations de l’esprit. Thurot l’a remarqué: «les trois plus habiles grammairiens q ue nous ayons eus, Arnauld, Dumarsais et Condillac, ont donné successivement les trois meilleurs traités de logique» (1970, 119, n. 44).
Certes, il ne s’agit pas ici de la logiq ue entendue sous sa forme actuelle de logiq ue symboliq ue, mais de l’art de penser, ramené à ses q uatre composantes fondamentales, concevoir, juger, raisonner, ordonner; les grammaires particulières s’en distinguent en tant q u’elles sont autant d’arts de parler, et la grammaire générale en tant q ue fondement commun à tous ces arts. Naturellement, dans la mesure où elle est art de raisonner ou d’ordonner, la logiq ue traite de q uestions q ui échappent à la grammaire, ou plutôt q ui débordent la grammaire; cependant, même à ce niveau, il doit exister une cohérence entre analyse grammaticale et théorie du raisonnement, car la logiq ue classiq ue, ne disposant pas d’un langage formel standardisé, travaille sur les énoncés donnés dans la langue naturelle (Pariente 1985, 134—149). Mais le véritable point de friction se situe au niveau de la phrase simple, q ui relève à la fois de la logiq ue et de la grammaire. Le partage se fait alors entre deux grandes attitudes, celle q ui consiste à assimiler et celle q ui consiste à dissocier les deux analyses de ce type de phrase. Port-Royal adopte la première attitude en faisant de la proposition la formulation linguistiq ue du jugement, principale forme ou manière de notre pensée (1966, 28 f). Mais Du Marsais ou Harris s’efforcent de dissocier: le premier introduit, dès la définition de ce q u’il appelle encore ‘proposition’, à côté du jugement l’idée de «considération particulière de l’esprit, q ui regarde un objet comme tel» (Du Marsais 1971, Œuvres choisies III, 41); le second réfère à Aristote (v. art. 15) pour définir l’énoncé (sentence) comme «a compound Quantity of Sound significant, of which certain Parts are themselves also significant» (Harris 1969, 19 f). Les Grammaires rationnelles se divisent donc sur la nature de la forme élémentaire du discours, selon q u’elles ont ou non le souci de
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manifester leur originalité vis-à-vis de la logiq ue. — Ces grammaires doivent d’autre part se définir face à la rhétoriq ue (v. art. 112). La Renaissance, en remettant en circulation les grandes œuvres de la littérature de l’Antiq uité, avait mis l’accent, comme le rappelle Robert Henry Robins (1967, 109) sur le latin comme langue de Cicéron et de Virgile, et orienté l’intérêt vers la rhétoriq ue plus q ue vers la grammaire proprement dite. Geneviève Clérico a récemment présenté une synthèse des résultats des recherches récentes sur ce débat en opposant «ceux pour q ui le but de la grammaire est l’intellectus poetarum de la tradition romaine [...] et ceux q ui, en revanche, soutiennent q ue la grammaire, en tant q ue telle, constitue en effet un savoir autonome» (Clérico 1982, 120):
d’un côté, Lorenzo Valla (1407—1457), Desiderius Erasmus (env. 1466—1536), Antonio de Nebrija (1444—1522), de l’autre Julius Caesar Scaliger (1484—1558) et Francisco Sanchez de las Brozas (Sanctius, 1523— 1600). Les Grammaires rationnelles s’inscrivent évidemment dans la filiation des seconds. Lancelot reprend souvent la mise en garde de Quintilien: ›Aliud est grammatice, aliud latine loq ui‹ [la grammaire est une chose, parler le latin une autre], et réserve à la grammaire la définition de l’expression correcte; l’élégance est autre chose. Si Ricken a bien montré q ue la Logique de Port-Royal donne des figures de rhétoriq ue, q uand elles sont judicieusement employées, une appréciation positive (1978, 34 ff), cela n’empêche pas les Messieurs de définir strictement le domaine de la grammaire, étant admis q u’à partir du moment où elle est art de parler, il ne saurait y avoir de rupture entre parler et bien parler. C’est donc avec raison q u’Elisabeth Schwartz dénonce ce q u’elle appelle «l’ambiguïté du statut» d’une rhétoriq ue (1982, 2, 1061 sq q ), en soulignant q ue tous les auteurs (il s’agit des Idéologues) ont explicitement exclu la rhétoriq ue de la grammaire comme philosophie raisonnée des universaux du langage, mais q ue les catégories rhétoriq ues sont omniprésentes (Schwartz 1982, 2, 1078) dans les Grammaires rationnelles, et cela depuis Port-Royal. Si ces observations sont faites sur les œuvres q ui relèvent de la tradition française et ne sont pas automatiq uement généralisables à toutes les Grammaires rationnelles, elles indiq uent du moins l’existence d’un problème dont les racines sont à la fois historiq ues et théoriq ues: comment ces grammaires q ui se veulent théories du discours
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peuvent-elles se distinguer des rhétoriq ues? Aussi longtemps q ue langue et discours ne sont pas franchement isolés l’un de l’autre, est-il possible de couper nettement entre grammaire et rhétoriq ue? Il est difficile dans cette perspective de dissocier le logiq ue, le grammatical et le rhétorique.
2.
Contenus grammaticaux
Après avoir situé les Grammaires rationnelles, il est temps d’examiner, en essayant de faire abstraction des variations individuelles, les contenus proprement grammaticaux q u’on rencontre dans la majorité de ces grammaires. Il s’agit donc maintenant de déterminer la nature des problèmes q u’elles étaient obligées d’affronter compte tenu de leurs postulats de base. On peut, semble-t-il, regrouper ces problèmes sous trois rubriq ues: l’objet des Grammaires rationnelles, la théorie des parties du discours, et la question de la syntaxe. 2.1. L’objet des Grammaires rationnelles: entre langage et pensée Dire q ue ces grammaires analysent le discours, ce n’est rien dire aussi longtemps q u’on n’a pas établi q ue cette notion de discours ne se laisse pas interpréter dans le cadre des distinctions contemporaines. Le discours n’est ni la parole saussurienne ni la performance chomskyenne, parce q ue la parole fait couple avec la langue, et la performance avec la compétence, alors q ue le discours se détermine comme expression verbale de la pensée. — On appréciera la divergence entre les Grammaires rationnelles et la linguistiq ue saussurienne en confrontant les métaphores dont il est fait usage d’un côté et de l’autre. Les grammairiens classiq ues répètent à satiété q ue le discours constitue un tableau de la pensée ou de son analyse. Saussure (1955, 36) oppose langue et parole comme une symphonie et son exécution. Ces deux métaphores ne pointent pas dans la même direction. (v. art. 36, 66) Certes, toutes les deux assurent l’indépendance d’un des termes par rapport à l’autre: la réalité de la symphonie est indépendante de l’exécution et de ses fautes éventuelles, comme l’original est indépendant de sa figuration. Mais, chez Saussure, les termes, langue et parole, sont tous les deux éléments du langage, alors q ue l’original des Grammaires rationnelles n’est pas de nature linguistiq ue. D’autre part, la distinction saussurienne recoupe celle du social et de l’indi-
viduel, et le jeu de ces deux instances est indispensable pour articuler synchronie et diachronie; on ne voit pas en revanche q ue cette opposition joue un rôle assignable dans les Grammaires rationnelles. — C’est pour des raisons voisines q u’on évitera de rapprocher le couple langage-pensée du couple compétence-performance. Du reste, Chomsky lui-même (1966) a apparenté Grammaire rationnelle et Grammaire générative en faisant référence non pas au couple compétence/performance, mais au couple structure profonde/ structure superficielle. Ce rapprochement a été discuté dans une littérature abondante dont on trouvera l’essentiel dans Porset (1977, 41 ff). Il semble aujourd’hui abandonné. L’originalité des Grammaires rationnelles réside dans la référence de l’analyse linguistiq ue à l’élément, toujours posé comme non-linguistiq ue, de la pensée, q uelles q ue soient par ailleurs les divergences des grammairiens sur la nature de cet élément et de son rapport au langage. Si l’on avait pour objectif de situer ces grammairiens par rapport aux linguistes contemporains, c’est peut-être du côté de Gustave Guillaume (1883—1960) q u’il faudrait se tourner de préférence. Joly l’a noté aussi bien à propos de Condillac (1982, 248) q ue de Harris (1976, 426; voir également son Introduction à Harris 1972). Mais revenons plutôt au contenu propre des Grammaires rationnelles en cherchant comment elles déterminent leur terrain d’investigation. La division idéale de la grammaire selon Du Marsais (1971, Œuvres choisies I, 128 sq q ) comprend sept parties: la connaissance de la proposition et de la période, l’orthographe, la prosodie, l’étymologie, les préliminaires de la syntaxe, la syntaxe et la connaissance des différents sens des mots — tout ce q ui est indispensable pour entendre la pensée q ui s’exprime dans une phrase donnée. Le contenu du tableau dressé par Beauzée dans l’Encyclopédie (cf. Auroux 1973 b, 90) n’est pas substantiellement différent. Mais il n’est pas douteux q ue les Grammaires rationnelles ne fassent porter leur effort sur q uelq ues points particuliers de ce vaste ensemble, notamment sur la théorie des parties du discours et sur la syntaxe. Phonétiq ue et prosodie sont renvoyées au ›matériel‹ des mots, à ›la mécaniq ue de la voix‹ (Du Marsais 1971, Œuvres choisies II, 366). Elles peuvent faire l’objet d’une analyse soignée, et q ui se veut exhaustive: Beauzée s’efforce par exemple de présenter une classification valable pour les sons élémentaires de toutes les langues (1974, I,
44. La position de la grammaire rationnelle
XVIII) et discute les analyses des autres grammairiens; Daniel Droixhe a pu établir l’importance des recherches de Charles de Brosses (1709—1777) (1978, 262 sq q ). De même, l’étymologie est-elle ranimée par les réflexions d’Anne Robert Jacq ues Turgot (1727—1781), q ui réintroduit une rationalité dans ce domaine. Mais malgré ces efforts, théorie des sons et étymologie restent entachées d’arbitraire ou de facticité. La grammaire classiq ue ne s’éprouve vraiment rationnelle q u’au niveau de l’oraison ou de la proposition, car c’est à ce niveau q ue pensée et langage s’articulent directement l’un sur l’autre. 2.2. Les parties du discours Toute Grammaire rationnelle comporte une théorie des parties du discours, q ui peut affecter ou non la forme d’une classification, mais q ui est indispensable pour garantir son universalité. Cette théorie répartit les mots d’une langue en classes q ui permettent de définir la contribution de chacun à l’organisation syntaxiq ue et sémantiq ue d’une proposition; ces classes sont considérées comme autant d’universaux du discours, et constituent les bases d’une analyse q ui se situe à un degré très élevé d’abstraction. Les grammairiens classiq ues n’ignorent pas en effet q ue toutes les langues ne recourent pas aux mêmes instruments et q ue, par exemple, le latin n’a pas d’article. Quel statut reconnaître alors à l’article français ou allemand? on ne peut en faire une partie d’oraison distincte de toute autre; ce n’est q u’un élément non indispensable d’une classe q ui est, elle, indispensable, celle des adjectifs q ui «désignent l’application actuelle du nom appellatif aux individus» pour reprendre la terminologie de Beauzée (1974, I, 310 f; cf. Auroux 1979 a, 226). Du Marsais avait du reste donné une analyse comparable (1971, Œuvres choisies II, 166; 185), q ue Beauzée critiq ue sur le plan de la terminologie plus q ue du contenu. Ainsi l’absence de l’article dans certaines langues exclut q u’on le traite comme une partie du discours autonome; mais sa présence dans d’autres langues exige q ue figure parmi les parties du discours une catégorie où il puisse se ranger, et q u’il incombe au grammairien d’élaborer adéq uatement. C’est au terme de ces transactions subtiles q ue sont mises en place les parties du discours. Naturellement, d’un grammairien à l’autre, ces transactions autorisent des différences aussi bien en ce q ui concerne la liste de ces parties q ue les principes de structuration de cette liste. S’agissant par
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exemple de l’article, Port-Royal l’intègre dans la liste; le contre-exemple du latin est bien relevé, mais les Messieurs, se bornant à affirmer la q uasi-universalité de l’article, n’en tirent pas les mêmes conséq uences q ue leurs successeurs (Port Royal 1966, 52). Autre divergence notable, celle q ui porte sur l’adjectif: selon Port-Royal, il forme, avec le substantif, une des sous-catégories du nom; par la suite, il conq uiert son autonomie par rapport au nom: c’est le cas, en France, chez Gabriel Girard (1680—1748) (1747, I, 219) ou Beauzée (1974, I, 287 sq q ); en Angleterre, chez Harris, q ui range l’adjectif avec le verbe dans la classe des attributifs de premier ordre, opposés aux substantifs (1972, 81 sq q ; 1969, 87 sq q ); en Allemagne, chez Meiner (1971, XXXVII sq q ), q ui le rapproche aussi du verbe tout en ménageant une distinction entre eux. Quant aux principes de structuration de la liste des parties du discours, ils sont très variables d’une grammaire à l’autre. Port-Royal se signale par la répartition en deux sousensembles, celui des mots q ui signifient les objets, et des mots q ui signifient les manières des pensées; inspirée de la division cartésienne entre entendement et volonté, cette structuration restera sans postérité. En même temps, il est fait appel à des distinctions de nature ontologiq ue (le substantif signifie une substance, l’adjectif un accident) dont les difficultés sont reconnues (Port Royal 1966, 31 sq q ). — Harris propose une théorie beaucoup plus élaborée dans laq uelle se hiérarchisent plusieurs principes de distinction. Les mots sont d’abord répartis selon la sémantiq ue en deux classes, selon q u’ils signifient absolument (mots principaux) ou par relation (mots accessoires). Les mots principaux se subdivisent conformément à l’ontologie en signifiants de substances (noms, pronoms personnels) et en signifiants d’attributs (attributs de noms: verbe, participe, adjectif; ou attributs d’attributs: adverbe). Les mots accessoires sont, eux, subdivisés selon un principe syntaxiq ue, en fonction du nombre de mots avec lesq uels ils sont en relation: ils font partie des définitifs s’ils sont en relation avec un seul mot (article, démonstratif, indéfini) et des connectifs s’ils sont en relation avec plusieurs mots (conjonction, préposition). — Meiner accentue encore davantage la rupture entre théorie des parties du discours et considérations ontologiq ues: la proposition se définit selon lui comme union ou séparation entre un élément plus dépendant (›etwas Unselbständigeres‹) et un élément plus indépendant (›etwas Selbständi-
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geres‹), étant admis q ue la dépendance et l’indépendance relèvent de la représentation du locuteur (Meiner 1971, XXXVII). Il peut alors analyser la dépendance en dépendance unilatérale et dépendance bilatérale, ce q ui lui donne une classification des prédicats (adjectifs ou verbes) en fonction du nombre de places d’arguments q u’ils admettent; il introduit ultérieurement une dépendance trilatérale (Meiner 1971, 143 sq q ) q ui concerne par exemple les adjectifs relatifs employés au comparatif (‘Cajus est Titio Cibi appetentior’, 144) ou les idées de relation causale double (‘A ist so wirksam gegen B, daß B umbringen muß das C’, 144), et dont il compare les réalisations linguistiq ues dans les différentes langues de son corpus. Il produit ainsi une théorie très originale du prédicat (considéré par lui comme la partie la plus éminente de la proposition, Meiner 1971, 127), q ui mériterait sans doute une étude approfondie. — D’un tout autre point de vue, il convient enfin de rappeler q ue certains grammairiens (Condillac, les Idéologues) présentent des parties du discours une analyse génétiq ue. Dans son refus des idées innées (v. art. 71), Condillac fait reposer tout l’édifice de la pensée sur la sensation; les parties du discours résultent de la décomposition du langage d’action, décomposition dont on trouve deux présentations parfois divergentes dans l’Essai de 1754 et dans la Grammaire (voir également Tracy 1970, II, 51 sqq). La richesse des analyses des Grammaires rationnelles sur les parties du discours demande à être reconnue. Les divergences mêmes des résultats obtenus témoignent de la rigueur et de la finesse avec laq uelle elles ont observé le donné linguistiq ue. Ces résultats rassemblent les thèmes fondamentaux des Grammaires rationnelles; c’est pourq uoi il était utile d’insister un peu sur eux, alors q u’on peut passer plus rapidement sur d’autres thèmes. 2.3. Syntaxe et construction Tout discours est composé d’éléments empruntés à ses parties. L’attention des Grammaires rationnelles devait se tourner vers les modes de combinaisons des parties du discours au sein de la proposition, d’où le souci de classer les diverses combinaisons correctes et de déterminer les principes ou règles sur lesq uelles elles reposent. Pourtant l’intérêt pour les problèmes de syntaxe n’émerge q ue peu à peu, et on peut même se demander si les Grammaires rationnelles sont en mesure
III. Positionen
de constituer une théorie autonome de la syntaxe. Chevalier a certes raison de souligner (1982, 60) q ue Port-Royal est à l’origine d’un mouvement q ui jettera au XVIIIe siècle les bases d’une syntaxe totalisante, mais il reste à s’entendre sur le contenu de cette syntaxe. Or, à la notable exception de Beauzée, q ui lui consacre la moitié de sa Grammaire générale, les autres grammairiens sont le plus souvent rapides à propos de la syntaxe. Port-Royal en traite en sept pages; vers la fin de l’ère des Grammaires rationnelles, Antoine-Isaac Silvestre de Sacy (1758—1838) la présente en une cinq uantaine de pages, moins du sixième de ses Principes de Grammaire générale. Harris ne lui consacre aucun chapitre spécifiq ue. Comment expliq uer la situation ainsi faite à la syntaxe? D’abord en tenant compte de la répartition des contenus grammaticaux dans l’architecture des Grammaires rationnelles. Une grande partie de ce q ue nous considérons comme des problèmes de syntaxe est résolue au sein de la théorie des parties du discours. C’est à elle q u’il revient de définir le substantif et l’adjectif, par exemple, de telle sorte q ue leur convenance en genre et en nombre soit garantie; ou encore, c’est elle q ui détermine les cas, accidents du nom, et les personnes, accidents du verbe, de façon à rendre compréhensible la construction du verbe avec son sujet et avec son régime. De là, la minceur affichée des considérations syntaxiq ues de Port-Royal: «il ne sera pas difficile de donner des notions générales, suivant les principes q ue nous avons établis» (1966, 153). — D’autre part, la division en grammaire générale et grammaire particulière joue également contre le développement d’une théorie syntaxiq ue autonome. Port-Royal rapporte presq ue complètement la syntaxe d’accord à la grammaire générale et la syntaxe de régime aux grammaires particulières et à leur arbitraire: on doit donc se contenter ici de «q uelq ues maximes générales» (1966, 155). Avec Silvestre de Sacy l’arbitraire l’emporte, chaq ue langue suivant dans les règles de Concordance et de Dépendance une marche q ui lui est particulière (1975, 234). On voit ici clairement q ue la catégorie du particulier, associée à celle de l’arbitraire, entrave la recherche d’une rationalité proprement syntaxiq ue. — Enfin, l’objectif même d’une syntaxe est malaisé à cerner dans des grammaires q ui présentent le langage par référence à la pensée: la norme ultime de constitution des entités linguistiq ues se définit en termes de nature sémantiq ue; la
44. La position de la grammaire rationnelle
proposition exprime une pensée, ou un sens complet, chacun des syntagmes q ui la composent correspondant à un sens partiel. C’est pourq uoi Sylvain Auroux parle justement ici de syntaxe sémantiq ue (1979 a, 159 sqq). 2.3.1. Malgré ces obstacles de principe, les Grammaires rationnelles mettent en place des éléments de doctrine syntaxiq ue, dont bon nombre ont survécu jusq u’à notre époq ue. Tout d’abord s’impose progressivement une distinction ignorée de Port-Royal entre syntaxe et construction; elle paraît prendre naissance chez Du Marsais q ui montre, sur un exemple latin, comment se distinguent la construction — ordre effectif dans leq uel sont rangés les mots — et la syntaxe — ensemble des rapports q ue les mots entretiennent —: une même phrase n’a q u’une syntaxe, mais peut avoir plusieurs constructions (Du Marsais 1971, Œuvres choisies III, 2). S’attachant alors à repenser, dans le cadre des Grammaires rationnelles, les contenus théoriq ues du passé, Du Marsais va lier la distinction entre syntaxe d’accord et syntaxe de régime à celle de l’identité et de la détermination comme opérations de la pensée (1971, Œuvres choisies II, 323 sq q ; III, 63 sq q ). Beauzée approfondira sur certains points les indications de Du Marsais, et parviendra à élaborer la catégorie de complément (Beauzée 1974, II, 18; 44 sq q ) q u’il définit comme «addition faite à un mot afin d’en changer ou d’en compléter la signification»; le travail exhaustif de Chevalier sur ce point (Chevalier 1968) permet de suivre la difficile genèse de cette notion. — Sur cette première ligne de force, s’en greffe une seconde, dont l’avenir était peut-être moins riche, mais q ui a suscité au XVIIIe siècle des discussions passionnées du fait en particulier des enjeux multiples q ui lui sont associés. Cette seconde ligne conduit au problème de l’ordre des mots, et à la q uerelle de l’ordre naturel et des inversions (voir Ricken 1978). Cette q uerelle concerne la construction proprement dite. En s’appuyant sur la définition des parties du discours et sur les marq ues présentes dans la proposition considérée, la syntaxe détermine l’ordre de dépendance des mots q ui composent cette proposition. Mais cet ordre peut ou non se confondre avec celui selon leq uel les mots figurent dans la proposition, et la théorie de la construction étudie les problèmes liés à la coïncidence ou à la divergence de ces ordres. S’ils coïncident, la construction est dite ›na-
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turelle‹ (Port-Royal), ›simple‹, ›directe‹ (Du Marsais) ou ›analytiq ue‹ (Beauzée); la justification de ces adjectifs est extra-linguistiq ue, car elle résulte de la comparaison de l’ordre des mots avec celui q u’imposent des principes de nature logiq ue — par exemple, le sujet précède le verbe, car il faut être avant q ue d’opérer —. L’ordre simple étant ainsi fixé, on peut alors définir par rapport à lui l’inversion et les autres figures de construction, syllepse, ellipse, ou pléonasme, et s’interroger sur leurs fonctions. — Mais la théorie de la construction naturelle ne se borne pas à assurer la jonction de la pensée et de son expression; elle joue également un rôle proprement grammatical. On en donnera deux exemples, choisis dans des secteurs très différents afin de faire ressortir l’influence q u’elle exerce. Tout d’abord, elle est indispensable pour l’analyse de la phrase, du moins dans certains cas. Distinguons en effet avec Girard (1747, I, 23) les langues analogues et les langues transpositives. Toutes sont soumises à l’ordre analytiq ue, mais, dans les premières, les mots sont rangés dans la proposition conformément à cet ordre, dans les secondes, les mots reçoivent des inflexions q ui déterminent leurs relations à cet ordre. On voit alors q ue, dans une langue analogue, c’est l’ordre dans leq uel les mots sont rangés q ui sert de marq ue linguistiq ue de la fonction q u’ils exercent: la définition sémantiq ue q ui a été donnée du sujet (ce dont on affirme) ne permettrait pas à elle seule de déterminer le sujet d’une proposition. Ici, la théorie de la construction naturelle comble une lacune q ui tient à ce q ue la définition sémantiq ue n’est pas associée à une marq ue appropriée. — D’un autre côté, en revanche, la même théorie a pour résultat de dissimuler ou d’estomper certains problèmes. Lorsq ue Silvestre de Sacy fait la construction naturelle de «le seul q ui se glorifie de faire la loi aux rois, et de leur donner, q uand il lui plaît, de grandes et terribles leçons», il obtient «le seul q ui glorifie soi de faire la loi aux rois, et de donner des leçons grandes et terribles à eux, q uand il plaît à lui» (de Sacy 1975, 216); sa réécriture fait évanouir le problème de la place des pronoms et en entrave le traitement, puisq ue la version canoniq ue se permet de violer les règles de placement. 2.3.2. Cet édifice théoriq ue se lézarde cependant sous les coups de grammairiens q ui refusent de définir à aussi bon compte l’ordre naturel. Parmi ces opposants, retenons plus
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particulièrement Condillac q ui s’efforce de donner de l’ordre naturel une analyse moins philosophiq ue q ue linguistiq ue, et moins logiq ue q ue génétiq ue: si l’ordre le plus naturel dans le langage primitif est ›fruit vouloir‹, c’est parce q ue cet ordre reflète celui de l’apparition du nom et du verbe et va du plus facile au moins facile à communiq uer. L’ordre naturel est donc déterminé par des impératifs liés à la communication; il ne reflète pas un ordre des choses ou des idées; il suffit q u’il respecte la liaison des idées entre elles (Condillac 1947—1951, Œuvres philos. I, 92 sq q ). En s’appuyant sur Condillac (et sur Locke, cf. Ricken 1978, 117), Charles Batteux (1713—1780) oppose à l’ancien ordre naturel, malicieusement rebaptisé ›ordre métaphysiq ue‹, l’ordre dit par lui ›naturel‹ ou ›pratiq ue‹, q ui est déterminé par l’intérêt: le locuteur place en tête celui des mots q ui correspond à l’idée la plus importante à ses yeux; il construit selon l’ordre métaphysiq ue s’il se place à un point de vue purement spéculatif. — Meiner édicte, lui, une règle conforme à ses principes généraux, mais q u’il rapporte seulement au grec et au latin: «alles das, was von andern regiert wird, vor- und das, wovon es regiert wird, nachzusetzen» (Meiner 1971, 355): c’est pour lui le moyen de provoq uer et de maintenir l’attention de l’auditeur. Il recourt ainsi à un principe fondé sur l’intérêt, mais sur l’intérêt de la communication. — On voit clairement ce q ue sont les enjeux de cette q uerelle des inversions sur le plan philosophi q ue (rationalisme-sensualisme), idéologiq ue (émancipation des langues modernes par rapport aux modèles classiq ues), rhétoriq ue (les altérations de l’ordre naturel sont liées aux vertus expressives de la proposition), politiq ue également. On voit moins bien ce q u’en sont les enjeux proprement linguistiq ues. La vigueur des discussions atteste cependant le caractère nodal du problème q ui, dans les Grammaires rationnelles, touche au cœur de la théorie en mettant en cause un caractère du langage et de l’expression q u’il est difficile d’associer à un caractère correspondant de la pensée: l’ordre linéaire. L’étude de l’ordre des mots représente-t-elle une «contribution (de la linguistiq ue) au projet anthropologiq ue», comme l’écrit un de ses derniers commentateurs (Hagège 1985, 187)? Ou faut-il y voir «un moment capital dans le développement de la syntaxe», comme l’affirme Marc Dominicy (1982, 318)? Quelle q ue soit l’hypothèse adoptée, la q uerelle des inversions mériterait une analyse linguistiq ue
III. Positionen
approfondie. — C’est à la même problématiq ue fondamentale: comment définir le langage par son rapport à la pensée si nous n’avons accès à la pensée q ue par l’intermédiaire du langage?, c’est à la même problématiq ue q u’on peut rattacher l’intérêt des Grammaires rationnelles pour l’ellipse. Prolongeant un mouvement plus ancien, elles ont soustrait l’ellipse à son statut purement rhétoriq ue pour en faire un instrument de l’analyse grammaticale; et cette transformation du statut de l’ellipse s’éclaire si on la replace dans le contexte théoriq ue des Grammaires rationnelles. A partir du moment en effet où ces grammaires disposent d’une théorie des parties du discours et d’un schéma de structure de la proposition, elles sont amenées à constater q ue les productions linguistiq ues effectives présentent des distorsions par rapport à ces données de base; l’ellipse est alors l’instrument q ui permet de décrire au moins, sinon d’expliq uer certaines de ces distorsions. Beauzée donne par exemple de l’adjectif une définition dont une des conséq uences est q u’un adjectif ne peut s’ajouter q u’à un nom appellatif (1974, I, 291). Pour analyser un énoncé comme ‘Socrate était sage’, il faut donc admettre q u’il s’expliq ue par l’ellipse du mot ‘homme’ (Beauzée 1974, II, 17): l’ellipse réconcilie la structure de l’énoncé considéré avec la théorie des parties du discours. Qu’elle s’expliq ue elle-même par des considérations psycho-linguistiq ues — abréger l’analyse de la pensée (Beauzée 1974, II, 396) — est une autre affaire; ce q ui importe est de marq uer q u’elle assume une fonction proprement grammaticale. Il en va de même q uand Beauzée réduit ‘combien coûte ce livre?’ à ‘ditesmoi le prix à l’égal duq uel prix coûte ce livre’ (Beauzée 1974, II, 415): le mot ‘combien’ ayant été caractérisé comme conjonctif, il exige un antécédent, donc une principale et une incidente, etc. L’art de suppléer, corrélatif de l’ellipse, est ainsi soumis à des règles q ui doivent éviter l’arbitraire: on ne supplée q u’en se fondant sur la présence du mot sous-entendu dans d’autres expressions de même sens (et, en principe, empruntées aux meilleurs auteurs) ou sur la logiq ue grammaticale, pour reprendre avec Beauzée une expression de Sanctius (Beauzée 1974, II, 445). Selon Beauzée donc (et aussi selon Du Marsais 1971, Œuvres choisies I, 16 sq q ), l’ellipse joue tantôt entre des structures attestées et dont l’une est plus développée q ue l’autre, tantôt entre un énoncé attesté et une réécriture de sens éq uivalent et cautionnée en dernier ressort au
44. La position de la grammaire rationnelle
niveau de la théorie des parties du discours. Elle occupe un terrain q ui, dans la terminologie de Catherine Fuchs (1983, 7), semble aller de la paraphrase à la glose interprétative. 2.3.3. C’est également aux Grammaires rationnelles q ue nous devons une distinction q ui était appelée à une longue carrière, la distinction entre analyse logiq ue et analyse grammaticale. Cette distinction permet de répondre au défi q ue constitue pour les Grammaires rationnelles l’introduction de la catégorie des propositions complexes entre les propositions simples et les propositions composées. C’est dans la deuxième édition de la Grammaire de Port-Royal (1966, II, 20) q u’on voit apparaître cette catégorie. Elle est indispensable pour appliq uer les définitions sémantiq ues du sujet et de l’attribut (ce dont on affirme, ce q u’on affirme) à une proposition comme ‘un habile magistrat est un homme utile à la Républiq ue’ (Port-Royal 1966, I, 68), dans laq uelle le sujet et l’attribut ne sont pas représentés par des termes simples. Du Marsais proposera ensuite de dissocier la proposition considérée grammaticalement de la proposition considérée logiq uement sans parler encore d’analyse logiq ue et grammaticale (1971, Œuvres choisies III, 57 sq q ). Beauzée appliq uera la même distinction au complément, au sujet et à l’attribut (1974, II, 55 sq q ), et l’on verra apparaître l’expression d’Analyse grammaticale chez Silvestre de Sacy (1975, 258). Ces q uelq ues jalons scandent la pénétration de notre distinction dans le lexiq ue des grammairiens: il s’agit, comme l’écrit Chevalier (1979, 20 sq q ) de la mise en place d’un ›dispositif scolaire‹ de première importance. Parmi les diverses fonctions q u’assume ce dispositif, retenons sa fonction architectoniq ue au sein des Grammaires rationnelles: la distinction entre analyse logiq ue et analyse grammaticale permet d’étendre à l’ensemble des productions du discours les définitions et les procédures élaborées pour la proposition simple. Si l’on reprend l’exemple donné par Du Marsais (‘celui q ui me suit, dit Jésus-Christ, ne marche point dans les ténèbres’), l’analyse grammaticale y fait apparaître trois propositions dotées chacune d’un sujet et d’un attribut, cependant q ue l’analyse logiq ue, une fois q u’elle a isolé l’incise, met en évidence une proposition uniq ue avec un sujet complexe et un attribut complexe également; aux deux niveaux de l’analyse, on retrouve les mêmes fonctions et les mêmes mécanismes de pro-
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duction. La grammaire s’assure ainsi de son emprise sur toute proposition; si longue soitelle, elle se décomposera toujours en d’autres propositions plus simples, jusq u’à ce q u’on atteigne le niveau élémentaire. On comprend alors la terminologie à laq uelle recourt Du Marsais. Point de vue grammatical et point de vue logiq ue s’opposent comme point de vue de l’élocution et point de vue de l’entendement; l’analyse grammaticale prend en charge les rapports syntaxiq ues entre les mots, l’analyse logiq ue se déploie sur le plan du sens, et la distinction-corrélation des deux analyses figure, à l’intérieur même de la grammaire, la distinction-corrélation du langage et de la pensée, sans laq uelle il n’y aurait pas de grammaire, de grammaire rationnelle en tout cas (v. art. 71). Un des sous-produits de la division en analyse logiq ue et analyse grammaticale est dû à Condillac: il s’agit de la tentative de mettre au point la catégorie de proposition subordonnée (tentative, car cette catégorie, ne sera vraiment reçue dans les grammaires q ue vers le milieu du XIXe siècle, cf. Chervel 1977, 80 sq q ). Il est intéressant d’y revenir afin de montrer comment la grammaire a progressivement conq uis son territoire. A Port-Royal, sans q ue la théorie en soit explicitée, on constate de fait q ue la grammaire se limite à l’analyse des propositions simples et complexes (Pariente 1985, 129 sq q ); c’est à la logiq ue q u’il revient de traiter des propositions composées. Beauzée, sur ce point, ne va pas, malgré les apparences, beaucoup plus loin q uand il se contente d’opposer propositions détachées et périodes, les propositions détachées pouvant comporter des incidentes alors q ue les membres des périodes sont indépendants grammaticalement les uns des autres (Beauzée 1971, II, 40 sq q ): certes la période est intégrée à la grammaire, mais ses membres ont la curieuse particularité de ne pas entretenir de rapports grammaticaux, tout en étant tous indispensables à la formation d’un sens total. En introduisant la notion de subordination, Condillac se donne (cf. Branca 1982, 289) un mode de structuration commun pour la proposition et pour la période: de même q ue les idées sont subordonnées entre elles dans la proposition simple, de même y a-t-il une relation de subordination entre la proposition principale et les autres, q ui forment les accessoires de son verbe (Condillac 1947—1951, Œuvres philos. I, 501). Condillac doit, de ce fait, dissocier propositions subordonnées et propositions inci-
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dentes: il relève q ue l’incidente est rattachée à un mot de la principale et doit être placée après lui (Condillac 1947—1951, Œuvres philos. I, 532), tandis q ue la subordonnée est rattachée tantôt au verbe, tantôt à l’ensemble de la principale, ce q ui expliq ue q ue sa place ne soit pas fixe. Par son rattachement à un mot, l’incidente se définit en termes grammaticaux; la subordination relève, elle, de l’analyse logiq ue. Sicard (Roch Ambroise Cucurron, 1742—1822) reprendra cette doctrine dans 1799 (II, 159). Les développements q ui précèdent donnent une idée des difficultés q u’ont affrontées les Grammaires rationnelles et du type de solutions q u’elles ont cherché à leur apporter pour rester cohérentes avec leurs principes.
3.
Tensions internes dans la problématique des Grammaires rationnelles
Il est toujours difficile de comprendre pourq uoi une formation épistémiq ue disparaît; il est du reste difficile de savoir ce q ui disparaît et ce q ui subsiste lorsq u’une de ces formations est remplacée par une autre. Dans le cas des Grammaires rationnelles, il serait excessif de penser q u’elles ont été totalement enterrées après l’apparition des grammaires historiq ues et comparées: bon nombre des catégories syntaxiq ues q u’elles ont élaborées ont en fait été transmises jusq u’à l’époq ue contemporaine. C’est q ue, à l’intérieur du cadre systématiq ue dans leq uel elles se sont constituées, les grammairiens ont d’un côté amassé un trésor d’observations portant sur des faits de morphologie et de syntaxe notamment, et ils ont d’un autre côté affiné l’analyse des grands concepts grammaticaux: ce double effort n’a pas été perdu. Il l’a été d’autant moins q ue, dans leur ambition d’universalité, les Grammaires rationnelles ont été conduites à briser la primauté antérieurement reconnue aux langues classiq ues, et à affronter les problèmes posés par des langues disparates, même si en fait l’intérêt pour les langues classiq ues est resté très grand. Cette confrontation entre principes généraux et données empiriq ues se traduit à l’intérieur des Grammaires rationnelles par une série de tensions conceptuelles q ui sont peut-être responsables, au moins partiellement, de l’épuisement de leur élan primitif. C’est à deux de ces tensions q ue seront consacrées les remarques qui suivent.
3.1. Les formes de la rationalité En q uoi les Grammaires rationnelles rendentelles raison des faits linguistiq ues? On peut constater q u’à côté d’une version officielle de la rationalité, intervient souvent une forme dont la théorie n’est pas faite, mais q ui est peut-être plus féconde q ue la précédente. Officiellement, en effet, rendre raison d’un fait linguistiq ue, c’est montrer selon une démarche de nature sémantiq ue comment il contribue à l’expression de la pensée. Mais, dès le début, c’est-à-dire la Grammaire de Port-Royal, on s’aperçoit q ue ce principe général ne suffit pas, car il y a des faits auxq uels il est malaisé sinon impossible d’associer une caractéristiq ue de la pensée. C’est, par exemple, le cas avec la théorie du genre des noms (Pariente 1985, 125; voir aussi 109 f). Autre exemple: pour expliq uer la construction ‘il est accusé de grands crimes’, alors q ue l’analogie exigerait ‘il est accusé de de grands crimes’, les Messieurs invoq uent le souci d’éviter la cacophonie, empruntant ainsi le principe d’explication à un ordre de phénomènes q ui n’a rien à voir avec la pensée (cf. le commentaire de Gross 1967, 108). Les Grammaires rationnelles se heurtent ici à une espèce d’autonomie du langage dont tous les aspects ne se laissent pas réduire aussi aisément à la seule finalité d’exprimer la pensée. Les exemples précédents relevaient de la morphologie ou de la phonétiq ue. Mais on rencontre le même genre de difficultés là où on ne l’attend pas, c’est-à-dire dans la syntaxe. La discussion par Silvestre de Sacy d’une analyse de Sicard est révélatrice à cet égard. Dans son Cours d’instruction d’un sourd-muet de naissance, Sicard, connu par ailleurs pour ses Eléments de grammaire générale, avait essayé d’expliq uer la construction de l’interrogative à sujet nominal: le sujet est placé avant le verbe, puis repris après le verbe par un pronom de la troisième personne. Pourq uoi deux sujets, l’un avant, l’autre après le verbe? S’il y a deux sujets, c’est, selon Sicard, q u’il y a deux verbes, donc deux propositions dans toute interrogation. Pour reprendre son exemple ‘le Ciel est-il serein?’, il l’engendre à partir de ‘le Ciel n’est pas serein; le Ciel est serein’, la négative transmettant seulement son sujet à l’interrogative, alors q ue le sujet de l’affirmative y est pronominalisé et déplacé après le verbe (Sicard 1803, 137 sq q ). Sicard, on le voit, ne redoute pas les ellipses — ses Eléments en donnent beaucoup de preuves — ni les transformations; mais s’il propose ici
44. La position de la grammaire rationnelle
cette analyse, c’est au nom d’un argument purement sémantiq ue: celui q ui pose une q uestion énonce deux jugements contradictoires entre lesq uels il donne le choix à son interlocuteur; l’interrogation est la forme dans laq uelle l’émetteur met le récepteur devant la nécessité de choisir, et la réponse consiste à découvrir les deux propositions contenues dans la q uestion et à écrire (il s’agit d’un sourd-muet) la proposition préférée sous forme déclarative. On voit comment cette analyse rend raison de la présence des deux sujets en s’appuyant pour l’essentiel sur une interprétation de l’acte d’interrogation q ui commande la mise en œuvre d’un dispositif syntaxiq ue. C’est la sémantiq ue q ui commande les manœuvres syntaxiques. Après avoir discuté l’interprétation donnée par Sicard de l’interrogation, Silvestre de Sacy (1975, 226 sq q ) fait observer q ue le double sujet et l’inversion se rencontrent dans d’autres constructions, dont il donne plusieurs exemples, tels q ue ‘je ne crois pas q ue la vertu demeurât jamais sans récompense, Dieu fût-il aussi injuste q u’il est juste’, et il met le phénomène en rapport avec l’ellipse d’un conjonctif et de son antécédent (‘en supposant même q ue Dieu soit aussi injuste q u’il est juste’). Il remarq ue ensuite q ue la forme interrogative peut être réduite à une forme affirmative ou hypothétiq ue par le rétablissement d’un conjonctif et de son antécédent (‘est-il sujet à l’erreur?’ éq uivaut à ‘dites-moi s’il est sujet à l’erreur’). L’inversion du sujet dans l’interrogation est donc la trace laissée par une ellipse. Simplement, q uand le sujet de la proposition avec conjonctif était un pronom, on se contente de le déplacer; q uand c’était un nom, on le laisse avant le verbe et on conserve le pronom après le verbe. Quelle q ue soit la valeur des remarq ues de Silvestre de Sacy, on voit q u’elles cherchent la raison du phénomène considéré dans une direction bien différente de celle de Sicard. Rendre raison, ce n’est plus découvrir dans la syntaxe de l’interrogation une trace de sa nature d’opération spirituelle (le double sujet et l’inversion comme marq ues des deux propositions contradictoires entre lesq uelles l’émetteur ne choisit pas), c’est insérer le phénomène à étudier dans un réseau de phénomènes de même structure, mettre en évidence une régularité syntaxiq ue dont il apparaisse comme un produit. C’est une tout autre idée de la raison grammaticale q ui se fait jour chez Silvestre de Sacy. Elle le contraint du reste à poser des problèmes neufs, comme celui de
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savoir si toute inversion relève de la même régularité (de Sacy 1975, 229). Bien q u’il ne justifie pas sa réponse négative à cette dernière q uestion, il entrevoit ici un nouveau territoire de recherche. Reste q u’il ne s’y aventure pas. Pourq uoi? C’est difficile à dire, mais on peut soupçonner une fois de plus q ue sa démarche est entravée par le caractère particulier du problème devant leq uel il s’est luimême placé. Il rédige en effet des Principes de Grammaire générale, mis à la portée des enfants, et propres à servir d’introduction à l’étude de toutes les langues; même en laissant de côté la visée pédagogiq ue de son texte, l’ambition de généralité fait obstacle au développement d’une analyse q ui porte sur une construction dont il a relevé q u’elle n’est pas commune à toutes les langues (de Sacy 1975, 227). 3.2. Le traitement de la diversité Tout reconduit, on le voit, aux problèmes q ue la diversité linguistiq ue pose aux Grammaires rationnelles. Même si ces grammaires reconnaissent, on l’a dit plus haut (cf. 1.2.1), les particularités des langues effectivement parlées, même si elles admettent entre les langues naturelles l’existence de différences attribuées au génie des peuples (voir Beauzée 1973, 136) et pour chaq ue langue l’existence d’un principe de variation et d’altération analysé dans l’article Etymologie de l’Encyclopédie, cette reconnaissance ne définit pas à elle seule le traitement de la particularité dans les Grammaires rationnelles. Il importe, pour conclure, de caractériser les problèmes q ue leur pose la diversité du donné linguistiq ue, et le style des solutions q u’elles adoptent. — Compte tenu des postulats de ces grammaires, q uand elles se trouvent en présence de deux langues différentes, l’issue théoriq uement la plus satisfaisante consiste à montrer q ue ces langues résolvent les mêmes problèmes par des moyens différents; la diversité est alors localisée au plan des moyens et n’affecte pas l’appartenance des langues considérées au même ensemble: il n’y aurait au fond q u’une langue, q ui se réaliserait sous des espèces diverses. Mais on va voir q ue, si cette solution inspire la stratégie de certaines grammaires, sa mise en œuvre se heurte à de nombreux obstacles. Considérons le problème des cas; c’est un de ceux q ui révèlent le mieux la présente difficulté, car la présence ou l’absence de cas peut servir de principe de distinction entre langues, et a effectivement conduit Girard à opposer
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langues analogues et langues transpositives (pour ne pas parler des langues mixtes). 3.2.1. Le traitement des cas chez Meiner offre un exemple pratiq uement pur de la solution esq uissée ci-dessus, selon laq uelle toute langue résout les mêmes problèmes par des moyens différents. Meiner, on le sait (cf. 2.2.), fait du prédicat le centre de la proposition. Il est cohérent avec ce principe q uand il rattache le problème de la déclinaison à celui des déterminations nécessaires q u’un prédicat doit recevoir pour être complètement expliq ué. Il ne s’agit pas ici de la simple saturation logiq ue, mais plutôt de la détermination complète de son sens. Meiner définit alors successivement des ensembles de q uatre, puis cinq , puis six déterminations q ui doivent s’ajouter au prédicat pour l’expliq uer, et s’estime satisfait q uand il obtient le troisième ensemble, q ui se trouve précisément composé d’autant d’éléments q u’il y a de cas en latin. Meiner classe donc d’abord les prédicats selon le nombre d’objets dont ils dépendent, un, deux ou trois. En analysant cette dépendance, il découvre q ue le prédicat a toujours besoin d’un sujet; s’il correspond à une action, cette action s’exerce sur un objet passif («leidender Gegenstand», Meiner 1975, 133 sq q ); elle s’exerce de plus à l’aide d’un instrument («Instrument und Werkzeug», Meiner 1975, 148); le prédicat peut enfin convenir au sujet en raison d’une certaine personne ou chose («um einer gewissen Person oder Sache willen», Meiner 1975, 149) q ui forme alors son objet personnel. On obtient ainsi les fonctions auxq uelles correspondent les q uatre cas: nominatif, accusatif, ablatif, datif. On introduit le cinq uième cas, le génitif, en notant q ue les noms q ui désignent les objets assumant l’une des fonctions précédentes peuvent demander à être précisés en étant mis en rapport avec d’autres noms: ces autres noms se mettront au génitif (Meiner 1975, 153 sq q ). Comment passer maintenant au sixième cas? en dédoublant le cas du sujet en nominatif (pour les première et troisième personnes) et en vocatif (pour la deuxième personne); ce sixième cas n’est donc pas indispensable, mais sa possibilité doit être ménagée (Meiner 1975, 162 sq q ). On voit donc q ue Meiner obtient les six cas recherchés au terme d’une analyse q ui met en jeu une théorie de la détermination complète du prédicat prolongée par la théorie de la détermination du nom, pour le génitif, et, éventuellement, par un emprunt à la liste
III. Positionen
des personnes verbales, q uand le prédicat est lui-même un verbe. Il reste alors à la grammaire à définir les marq ues linguistiq ues associées à ces fonctions, appelées ‘cas’. Meiner le fait en divisant les langues en deux sous-ensembles, celles q ui font correspondre à chaq ue cas des terminaisons différentes données aux noms, et celles q ui, comme l’allemand, le français ou l’hébreu, se sont facilité les choses (1975, 171) en plaçant devant les noms à décliner certains signes (›Casuszeichen‹) ou en utilisant une combinaison des deux procédés. On détermine par exemple de la façon suivante la déclinaison du français (Meiner 1975, 179 sq q ): il ne faut q ue deux signes de cas (‘de’ pour le génitif, ‘à’ pour le datif); le vocatif est confondu avec le nominatif, sauf à employer la particule ‘o!’, le nominatif et l’accusatif sont définis par leur place par rapport au prédicat. La Grammaire rationnelle a fait ainsi son œuvre: toutes les langues sont des réalisations d’un même modèle; l’analyse consiste à définir ce modèle et à utiliser diverses stratégies pour montrer que toute langue s’y réduit. 3.2.2. Du même problème des cas, Beauzée donne un traitement très différent. Les développements de Meiner reposent, on l’a noté, sur une assimilation de la notion de cas et de celle de fonction: le cas n’est pas pour lui une entité morphologiq ue, mais un moyen de déterminer complètement un prédicat, et l’utilisation de la morphologie à cette fin est facultative. Beauzée, toujours soucieux de définitions rigoureuses, part, lui, d’une caractérisation morphologiq ue (1974, II, 101), ce q ui l’amène tout de suite à conclure, comme Du Marsais ou Harris, q ue «la distinction des Cas n’est pas d’un usage universel dans toutes les langues». Sur cette base, la théorie des cas va prendre chez lui une tout autre tournure q ue chez Meiner. Il n’est plus q uestion de reconnaître les mêmes cas partout et, par exemple, Beauzée montrera q u’on rencontre aussi bien des langues à trois cas (arabe) q u’à q uatorze cas (lapon): on ne peut pas poser le problème des cas dans les mêmes termes q ue chez Meiner. Que peut alors faire le grammairien? mettre en évidence la diversité des procédés utilisés dans les différentes langues pour obtenir les résultats q ue le latin obtient par les cas: indiq uer le rapport de chaq ue mot d’une proposition à l’ordre analytiq ue de l’énonciation. On déterminera donc le champ des possibles q ui va des langues dépourvues de prépositions (basq ue et péru-
44. La position de la grammaire rationnelle
vien, Beauzée 1974, II, 162) aux langues dépourvues de cas (langues modernes du midi de l’Europe, Beauzée 1974, II, 161): il restera aux grammaires particulières à situer chaq ue langue dans ce champ. On raffinera encore la théorie générale en rappelant q ue les langues dépourvues de cas pour les substantifs en admettent pour les pronoms (Beauzée 1974, II, 152 sq q ). En ce q ui concerne les langues q ui déclinent les substantifs, on insistera sur la nécessité de ne pas confondre la valeur (Beauzée 1974, II, 162 sq q ) des cas dans deux langues différentes, et on établira, pour conclure, une relation entre théorie des cas et théorie des nombres (Beauzée 1974, II, 172 sq q ). L’essentiel paraît être ici pour la Grammaire rationnelle de définir a priori les possibilités ouvertes aux langues, et de faire apparaître les cas comme une des solutions au problème commun q ui consiste à savoir q uel rang un mot occupe dans l’ordre analytiq ue de la proposition. La notion de cas ne fait donc plus partie de la Grammaire générale en ce sens q u’elle ne s’impose plus comme chez Meiner à la description de toute langue; mais elle en fait toujours partie en ce sens q ue la Grammaire générale doit ménager la possibilité q ue certaines langues particulières se caractérisent par la présence des cas. Comment analyser les différences entre le style de Meiner et celui de Beauzée? On peut être tenté de les rapprocher en argumentant de la façon suivante: au fond Meiner et Beauzée traitent la diversité linguistiq ue de la même manière, mais à des niveaux différents. Meiner fait de la présence des cas un universel linguistiq ue, Beauzée définit l’universel au niveau de la fonction q ue les cas assurent ici, mais q ue d’autres instruments linguistiq ues assurent là: les deux grammairiens visent donc à réduire toute langue à un schéma préétabli, et c’est en cela q u’ils sont tous les deux des auteurs de Grammaires rationnelles. Cette présentation néglige néanmoins une nuance épistémologiq ue importante. On peut l’exprimer en recourant à une distinction proposée dans un travail antérieur (Pariente 1973, 180 sq q ), celle des systèmes et des modèles. Meiner construit un système linguistiq ue: sa doctrine du langage détermine les traits q ue toute langue doit présenter pour être une langue et réduit les langues particulières à cet ensemble de traits. La Grammaire générale de Beauzée vise, q uant à elle, à permettre aux grammaires particulières de constituer des modèles pour
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chaq ue langue étudiée; il ne s’agit plus d’annuler les particularités de chacune pour les analyser, mais de mettre en évidence ces particularités et d’en ressaisir si possible la cohérence. Ce q ui empêche peut-être Beauzée de pousser ce mouvement à son terme, c’est q u’il partage avec les grammairiens de son temps une idée de la particularité linguistiq ue q u’on peut q ualifier de babélienne. Il faudra attendre Saussure pour q ue l’arbitraire du signe cesse d’être un obstacle à la rationalité de la langue et en devienne l’un des fondements. Mais ceci est une autre histoire.
4.
Bibliographie sélective
4.1. Textes originaux Arnauld/Lancelot 1660, Grammaire générale et raisonnée. Bref mais essentiel, ce livre inaugure le mouvement des Grammaires rationnelles. Beauzée 1767, Grammaire générale. Important par son contenu propre et par la discussion toujours lucide de la littérature relative aux questions traitées. Harris 1751, Hermes. Texte capital, q ui a exercé une influence considérable dans toute l’Europe. Meiner 1781, Philosophische und allgemeine Sprachlehre. Cette version de la Grammaire générale est plus originale qu’il ne semble à première vue.
4.2. Etudes Aarsleff 1975, The Eighteenth Century, including Leibniz, in: Sebeok 1975. Auroux 1979 a, La sémiotique des Encyclopédistes. Brekle 1975, The Seventeenth Century, in: Sebeok 1975. Chevalier 1968, Histoire de la syntaxe: Naissance de la notion de complément dans la grammaire française. Coseriu 1969, Die Geschichte der Sprachphilosophie von der Antike bis zur Gegenwart. Dominicy 1984, La naissance de la grammaire moderne. Gusdorf 1973, L’avènement des sciences humaines au Siècle des Lumières. Robins 1967, A Short History of Linguistics. Sebeok 1975, Current Trends in Linguistics XIII, 1.
Jean-Claude Pariente, Clermont-Ferrand (France)
III. Positionen
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45. Die hermeneutische Position 1.
3.2. 4.
Einleitung: Die philosophische Hermeneutik als sprachphilosophische Position Formen der philosophischen Hermeneutik Die ›traditionelle Hermeneutik‹ als Kunstlehre der Interpretation Die ›moderne Hermeneutik‹ in der Auseinandersetzung mit dem Methodenproblem Die ›neue Hermeneutik‹ als Modell der Sprachlichkeit menschlichen Selbstverhaltens Zur gegenwärtigen Hermeneutik-Diskussion Die Auseinandersetzung um die Autonomie Die Auseinandersetzung um die Autonomie der hermeneutischen Methode Die Struktur hermeneutischer Argumentation Literatur in Auswahl
1.
Einleitung:
2. 2.1. 2.2. 2.3. 3. 3.
Die philosophische Hermeneutik als sprachphilosophische Position Hermeneutik ist die Kunstlehre der Interpretation, das heißt die Lehre, welche die Methoden und Regeln zum Verstehen von sinnhaltigen Formen (Betti 1967, 60) untersucht und für einzelne Wissenschaften bereitstellt. Wird der Interpretationsprozeß nicht nur als Praxisanleitung für bestimmte Wissenschaften verstanden, sondern zugleich auf seine Möglichkeiten zur Sinnstiftung reflektiert, so weitet sich die Hermeneutik zur universellen Methode oder — alternativ — zur allgemeinen Lehre des menschlichen Verhaltens aus. Man spricht dann besser von philosophischer Hermeneutik. Weil Interpretationen sich stets in sprachlichen Akten vollziehen, erscheint sowohl die hermeneutische Universalmethode als auch die anthropologische Charakterisierung der Hermeneutik als Teil der Sprachphilosophie. Diese versteht sich dann allerdings nicht als spezielle Disziplin innerhalb des Kanons philosophischer Einzelbereiche, sondern stellt als Fundamentaldisziplin den Kern philosophischer Bemühungen überhaupt dar. In einer solchen Sprachphilosophie werden die letzten Gründe des Seins und die allgemeinen Sinnzusammenhänge reflektiert; sie ersetzen ältere Formen der Vernunftkritik und der Metaphysik durch Sprachkritik (Lorenz 1970, 23). Hermeneutik als sprachphilosophische Position ist daher stets philosophische Hermeneutik. Sie stellt alle sprachphilosophisch bedeutsamen Aspekte unter den Leitbegriff des Verstehens, — sei es in einem mehr methodologischen (Wilhelm Dilthey), sei es in einem existenzialontologi-
schen Sinne (Martin Heidegger, Hans-Georg Gadamer). Die Universalisierungstendenzen innerhalb der Hermeneutik traten erst in der neueren Philosophie in Erscheinung und erlangten ihren Höhepunkt innerhalb der sogenannten ›sprachlichen Wende‹ (linguistic turn) der Gegenwartsphilosophie. Diese Tatsache legt zunächst eine historisch-systematische Problementfaltung nahe, die sich auf den Übergang der Hermeneutik als Kunstlehre zur Hermeneutik als philosophische Disziplin (2.1.), sodann auf die beiden Hauptformen der philosophischen Hermeneutik als geisteswissenschaftliche Methodenlehre (2.2.) und als existenzialontologische Verstehenslehre (2.3.) beschränkt. Nach der Skizze verschiedener Kritiken an der Hermeneutik (3.1.) wird abschließend die Struktur der Hermeneutik präzisiert und damit auf den heutigen Diskussionsstand gebracht (3.2.).
2.
Formen der philosophischen Hermeneutik
2.1. Die ›traditionelle Hermeneutik‹ als Kunstlehre der Interpretation 2.1.1. Der Ursprung der Hermeneutik liegt in der Theologie. Die Theologie übt als Wort vom Göttlichen eine Vermittlerfunktion aus. Sie erschließt das Fremdartige, Jenseitige und ganz Andere der religiösen Transzendenz in seiner Bedeutsamkeit und macht es damit dem Menschen zugänglich. Das damit verbundene ›zum Verstehen bringen‹ (ἑρμηνεύειν) umfaßt die Transformation des göttlichen Geschehens und der geheimnisvollen Zeichen in Worte einer dem Gläubigen zugänglichen Sprachwelt. Das Erklären des nicht unmittelbar verständlichen oder in einer anderen Sprache abgefaßten Textes kann zum existentiellen Anliegen werden. Besonders in der jüdisch-christlichen Tradition hängt das Heil des einzelnen Gläubigen und die Existenzfähigkeit der Gemeinschaft (Volk Gottes, Kirche) weitgehend von der richtigen Interpretation der ›Heiligen Schriften‹ ab. Zur Bewältigung dieser folgenreichen Aufgabe entwickelten Schriftgelehrte umfangreiche Methoden der Auslegung, die später für andere Bereiche vorbildlich wurden. Die so entstandene Interpretationskunst hatte nicht nur den Zweck, die Kluft zwischen der göttlichen Offenbarung und dem menschlichen Auffassungsvermögen zu überbrücken, sondern sie
45. Die hermeneutische Position
mußte zugleich das Problem des historischen Zeitenabstands lösen. Darunter versteht man die Tatsache, daß die Texte aus alten Zeiten in geschichtlich veränderten Verhältnissen entschlüsselt werden mußten. Die Lösung des Problems war durch das Wissen bestimmt, daß die Texte und Zeichen Offenbarungsinhalte vermittelten, deren Wahrheitskern im Gegensatz zu weltlichem Wissen weiter bestand und auch durch die Zeiten hindurch den Menschen prinzipiell zugänglich geblieben ist. Es ging nur darum, den richtigen Weg fortzusetzen, der durch die geheiligte Tradition vorgezeichnet war. Die Überzeugung von der im Text enthaltenen letzten Wahrheit als Offenbarungsinhalt garantierte die Möglichkeit einer sinnvollen Auslegung im Wandel der Zeiten. Die Hermeneutik als allgemeine Auslegungskunst erhielt ihre Legitimation und ihre perennierende Einheit allein aus dem Glauben an die Heiligkeit des Ausgelegten. Trotzdem setzten Reflexionen über die praktizierte Auslegung ein, welche die verwendeten Regeln vor allem in grammatische Kontexte stellten. Durch die Einbeziehung der antiken Kulturleistungen wurden außertheologische Gesichtspunkte fruchtbar. Nachdem in Griechenland die homerischen Epen zum Bildungsgut geworden waren, entwickelten sich in den Zeitaltern der Sophistik, der Stoa und des Hellenismus die Anfänge einer Sprachwissenschaft, die Grammatik, Exegese und Textkritik mit den Bedürfnissen der Rhetorik und Poetik verband (s. Art. 2). Streng grammatische Interpretationen konkurrierten mit allegorischen Umdeutungen. Letztere mußten besonders im Bereich der fremd gewordenen Mythologie die hermeneutische Differenz zwischen Text und Interpretation überwinden. Diese in der Antike geschaffenen Bausteine einer allgemeinen Hermeneutik mit ihren ad-hoc Regeln unterschieden sich jedoch prinzipiell von dem Kanon der jüdischchristlichen Auslegungspraxis. Durch den strengen Gesetzesbegriff und durch das klare Bewußtsein von den Heilstaten Jahwes war hier alle Interpretationskunst auf einen festen Kern hin konzentriert. Weil im Gegensatz zur Auseinandersetzung mit der Welt der antiken Mythologie der Gesamtsinn nicht in Frage gestellt wurde, erfolgte keine Problematisierung der Methode. Selbst die radikale Relativierung der Gesetzesauffassung durch Jesus änderte an dieser Selbstsicherheit nichts. Der Glaubensinhalt verlagerte sich zwar von den Gesetzesaussagen des Alten Testaments auf die Taten Jesu und später auf die Aussagen
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des Neuen Testaments. Durch die Kanonisierung bestimmter Schriften und durch die Praxis endgültiger kirchlicher Lehrentscheidungen wurde jedoch die Einheit des Schriftsinnes gewahrt, obwohl sich ein Prozeß vollzogen hatte, der die zentrale Problematik jeder Hermeneutik hätte vor Augen stellen können: ein Text, nämlich das Alte Testament, wurde in seinem vollen Wortlaut als Legitimationsinstanz beibehalten, obwohl sich der Standort des Interpreten radikal verändert hatte; während der Text zuerst das Gesetz Gottes unmittelbar vermittelt hatte, bedeutete er jetzt Wegbereitung und Verheißung dessen, was sich in Christus vollenden sollte. Auch die bedeutsamen hermeneutischen Reflexionen des Origenes (185—254) und Aurelius Augustinus (354—430) (s. Art. 16), die für ein Jahrtausend die Kunstlehre der kirchlichen Interpretation bestimmten, betrachteten dies als historische Selbstverständlichkeit, die ganz im Dienste der einheitlichen Glaubensvermittlung stand. Jedes Ereignis, das in der Auseinandersetzung mit heidnischen Interpretationen die Einheit des Glaubens bedrohte oder gar zerstörte, bedeutete einen Schritt hin zur Idee einer autonomen philosophischen Hermeneutik, deren Deutungen nicht mehr innerhalb eines institutionell vorgegebenen Rahmens erfolgten, sondern eben dessen Legitimation reflektierten. Der folgenreichste Einschnitt auf diesem Wege war zweifellos die Reformation. Es ist kein Zufall, daß in ihr der katholische Leitbegriff der institutionalisierten Tradition durch den neuen Leitbegriff der Selbstauslegung der Heiligen Schrift ersetzt wurde. Die Bedeutsamkeit der Sprache, die durch die Errungenschaften der humanistischen Sprachstudien und Übersetzungen jener Zeit unterstrichen wurde, konkretisierte sich im lutherischen Prinzip der Schrift als sui ipsius interpres. Trotz dieser Wende verharrte aber Martin Luther (1483—1546) als Christ weiter im Umfeld der theologischen Hermeneutik. Die Überzeugung, daß die Klarheit der Schrift aus der Klarheit der Sache Christi folgt und jedem in der Gnade Gottes Stehendem notwendig einsichtig werden muß, zeigt die Grenzen des hermeneutischen Prinzips Luthers. So blieb die Praxis der Bibelauslegung auch hier als Kunstlehre der Auserwählten vorherrschend. 2.1.2. Der Einfluß der Aufklärung und der Fortschritt der Wissenschaften verdrängten im Laufe der Jahrhunderte die alten Autoritäten. Sowohl das kirchliche Traditionsprin-
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zip als auch die Lehre von der Verbalinspiration und der Selbstauslegung der Heiligen Schrift verloren an Überzeugungskraft. Es entstand eine eigenständige Bibelwissenschaft, welche die Heiligen Schriften selbstkritisch auf die gleiche Stufe stellte, auf der die profane Literatur stand. Die neuen Autoritäten erhielten ihre Legitimation durch eine allgemeine menschliche Vernunft (s. Art. 8). Man war überzeugt, daß alle Menschen wegen ihrer gleich bleibenden Natur Zugang zur gleichen ewigen Vernunftwahrheit hätten oder durch geeignete pädagogische Prozesse im Lauf der Zeit dorthin erzogen werden könnten. So verdrängte das „natürliche Licht der Vernunft“ als neue hermeneutische Norm (Spinoza 1670, C.7) die alten Prinzipien. Da aber die Vernunft auch und vor allem Selbstreflexion ist, war damit der Weg frei für eine philosophische Hermeneutik, welche die Vernunft nicht nur als Instrument der Interpretation verwendete, sondern diese zugleich legitimierte. Dabei ging es um eine ›vernünftige‹ Erklärung der Tatsache, daß in den Schrifterzeugnissen nicht nur bestimmte Personen ihre individuellen Sinnvorstellungen und Absichten ausgedrückt haben, sondern daß in der Sinnmanifestation ein Überschuß an objektiver Bedeutung erscheint, der von den Autoren so nicht bewußt hineingelegt worden sein konnte. Was in den heiligen Schriften durch das Wirken göttlichen Geistes garantiert war, wird nun zum Problem: Das Verstehen des objektiven Sinnes von Texten über die Zeiten hinweg. Zur Bewältigung dieser Aufgabe bedurfte es einer universellen Betrachtung des Interpretationsprozesses, wie sie von Friedrich Daniel Schleiermacher (1768—1834) in der romantischen Hermeneutik realisiert wurde. 2.1.3. Nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770—1831) (1927—40, Sämtl. Werke XII, 122 f) definieren Seele, Innerlichkeit und Subjektivität den Kern der Romantik (s. Art. 13). Die damit verbundene Hinwendung zur Innerlichkeit der Individuen verschärfte noch die Frage nach der Möglichkeit der Sinnvermittlung, die in der Aufklärung durch die Allgemeinheit der Vernunft ermöglicht schien. Schleiermacher, der die romantische Hermeneutik prägte, versuchte eine Lösung, welche die Psychologie des Einzelnen mit der Allgemeinheit der Grammatik vermittelte. Seine Hermeneutik ist nicht mehr mit der Praxis der Theologen, Philologen und Juristen identisch, wenn er auch weiterhin von seiner Hermeneu-
III. Positionen
tik als ›Kunstlehre‹ spricht. Sein Ziel war zwar eine universelle Lehre des Verstehens; er bezog sich aber außer auf die traditionellen hermeneutischen Disziplinen vorwiegend auf Kunstwerke, Briefe, Gespräche und journalistische Produkte. Die folgenreiche Anwendung auf die Geschichte war der historischen Schule vorbehalten. Bei Schleiermacher dienten die Einsichten in geschichtliche Zusammenhänge eher als Hilfsmittel für psychologische und biographische Erkenntnisse. Denn der Andere war für Schleiermacher der Fremde, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart. Diese Fremdheit galt es zu überwinden. Die Hermeneutik wurde so zur universellen „Kunst, Mißverständnisse zu vermeiden“ (Schleiermacher 1910—13, Werke IV, 145), die sich aus der Fremdheit ergeben. Damit ist das Ziel für die philosophische Hermeneutik Schleiermachers vorgezeichnet: Es gilt, das Individuum zu verstehen. Dazu ist es notwendig, den Lebenszusammenhang zu durchleuchten, in dem das Individuum steht. Beim eigentlichen Nachvollzug muß man nach Schleiermacher zwei Verstehensweisen unterscheiden, die divinatorische und die komparative. Divinatorisches Verstehen ereignet sich dort, wo eine innere Wesensverwandtschaft besteht, sich der Interpret also ganz in den anderen hineinversetzen kann. Die weniger exklusive Methode, die auch wissenschaftlich weiterentwikkelt werden kann, betrifft das komparative Verstehen. Hier werden vor allem grammatische, aber auch historische und sachliche Gesichtspunkte wirksam. In der grammatischen Interpretation wird der Text in die Geschichte der Literaturgattung eingeordnet; die Ziele der Gattung erlauben dann den Schluß auf den Sinn des Einzeltextes. Die kleineren Texteinheiten müssen daher in ihrer Redaktionsgeschichte analysiert werden. Verschiedene Einordnungen in die Textzusammenhänge bedingen Sinnverschiebungen, die es zu beschreiben gilt. Von der grammatischen Interpretation Schleiermachers sind wichtige Impulse auf die formgeschichtliche Forschung der Theologie des 19. Jahrhunderts ausgegangen, die dann bald durch sozialgeschichtliche Aspekte ergänzt wurden. Für die philosophische Hermeneutik wirkungsvoller dagegen wurde die psychologische Interpretation, die sich später nahezu verselbständigte. Gleichzeitig mit Schleiermacher entwickelte 1808 Friedrich Ast (1778—1841) in seinem Grundriß der Philosophie eine Verstehenslehre, die historisches, grammatisches und geistiges Ver-
45. Die hermeneutische Position
stehen unterscheidet. Das geistige Verstehen meint das Eindringen in den Geist des Autors und entspricht dem Bemühen Schleiermachers um die Biographie des Verfassers. Wird die Entstehung des Gedankens im Individuum rekonstruiert, dann ist auch der Sinn, der vermittelt werden soll, offenkundig. Verstehen ist nichts anderes als die Umkehrung des Produktionsvorgangs. Dabei scheint der objektive Überschuß im bloß subjektiv Gewollten verloren zu gehen. Aber Produktion und Reproduktion können nie identisch sein, weil der Reproduzierende zugleich die Bedingungen kennt, die der Produzierende unbewußt und unmittelbar erfüllt hat. Deshalb konnte Schleiermacher immer wieder betonen, daß der Interpret den Autor besser verstehen muß, als dieser sich selber verstanden hat. Hier wird deutlich, daß in den romantischen Verstehenslehren die Idee einer geistigen Kommunikationsmöglichkeit zwischen allen Menschen mitgedacht wird, die pantheistisch oder panpsychistisch ausgedeutet werden kann. Man glaubt in jedem Falle, durch Verstehen zum eigentlichen allgemeinen Geist, der häufig als neue Humanität gedacht wurde, vordringen zu können. Die Entstehung der philosophischen Hermeneutik als universelle Verstehenslehre bei Schleiermacher lebt aus dem Geist der Metaphysik. Durch sie erhält die Lehre ihre Einheit. Aber wie ist eine philosophische Hermeneutik denkbar, die bewußt auf die Berufung auf Metaphysik verzichtet? Wilhelm Dilthey (1833—1911) glaubte, die Frage dadurch beantworten zu können, daß er das Verstehen als wissenschaftliche Methode deutete und damit die philosophische Hermeneutik in die Grundlagendisziplin der sogenannten Geisteswissenschaften verwandelte. 2.2. Die ›moderne Hermeneutik‹ in der Auseinandersetzung mit dem Methodenproblem 2.2.1. Nach der Romantik hatte der Siegeszug der Naturwissenschaften alle geistigen Bereiche, insbesondere auch die Philosophie, nachhaltig beeinflußt. Folgenschwer war dabei der Umstand, daß die naturwissenschaftliche Methode als rein mathematisch-experimentelle Methode mit einer radikalen Entzauberung des Erkenntnisvorgangs einherging. Die Vorläufer und Begründer der Naturwissenschaft verstanden die Gesetzeserkenntnis noch als ein Lesen im Buche der Natur und das Erklären war ihnen zugleich ein Nachdenken
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der Gedanken Gottes. Nicolaus Cusanus (1401—1464) hatte noch vom Menschen als Deus alter gesprochen, der in seiner Tätigkeit als Mathematiker die Gedanken Gottes nachkonstruiert (1565, 70). So war den Forschern die Natur nichts Fremdes, und die Verbindung zum Schöpfer des Kosmos, der in ihrem Leben auch sonst eine entscheidende Rolle spielte, war nicht abgerissen. Jetzt dagegen bedeutete Naturwissenschaft das von Personbezügen befreite Aufsuchen allgemeiner Gesetzmäßigkeiten, das auf ein Subsumieren von Erscheinungen unter fremde Abstraktheiten hinauslief. Und eben diese Methode sollte auch in der Geschichte, in der Interpretationskunst und in der Philosophie angewandt werden, damit sie in den Rang von Wissenschaften erhoben werden können. Nachdem so auch für die Hermeneutik einerseits Methode und Wissenschaftlichkeit als selbstverständliche Merkmale betrachtet wurden, andererseits aber die naturwissenschaftliche Methode das Eigentliche im Interpretationsprozeß nicht erfassen zu können schien, war es nur folgerichtig, eine autonome Methode neben den erklärenden Naturwissenschaften zu propagieren. Genau dies versuchte Dilthey. Sein Name ist verbunden mit der Etablierung der philosophischen Hermeneutik als autonome Methode der sogenannten ›Geisteswissenschaften‹; ein Ausdruck, der mit dieser begrifflichen Rolle 1849 erstmals in einer von J. Schiel besorgten Übersetzung des System of Logic von John Stuart Mill (1806—1873) (s. Art. 30) auftritt und für ‘moral science’ steht. Dilthey stellt dem Begriff des Erklärens den Begriff des Verstehens entgegen: „Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir“ (Dilthey 1914—1936, Ges. Schr. V, 144). Die Präzisierung des Verstehensbegriffs fällt mit der Explikation der neuen Methode zusammen (s. Art. 94). Verstehen befaßt sich mit Sinn, d. h. mit geistigen Manifestationen. Das Fundament des Geistes aber bilden für Dilthey ›Erlebnisse‹. Diese sind Glieder eines Lebensvorgangs, also Elemente eines gegliederten Ganzen, in dem sowohl der Interpret als auch der Interpretierte stehen. Deshalb bedarf der Geisteswissenschaftler keiner allgemeinen hypothetischen Gesetze. Das Eingebundensein in den Lebensstrom ermöglicht die Erfassung der von Menschen geschaffenen Zusammenhänge von innen her, eben durch ›Verstehen‹. Geisteswissenschaftler „denken nur weiter, was in der Lebenserfahrung schon gedacht wird“ (Gadamer 19723, 208). Dadurch versuchen sie, innerhalb eines Ganzen, in dem sie schon stehen, Einzelnes zu erfassen,
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das umgekehrt dieses Ganze besser verständlich macht (›hermeneutischer Zirkel‹). Dieses Ganze ist die geschichtliche Welt. Wie schon Giambattista Vico (1668—1744) (s. Art. 24) erkannte, verstehen wir Geschichtliches deshalb am besten, weil wir es selbst bewirkt haben (1965, 125). Der bei Dilthey im Zentrum stehende Begriff des Lebens wird später mehr und mehr im Sinne eines durch die Zeiten vermittelten Geistes umgedeutet, der an Hegels Weltgeist erinnert. Die letzte Instanz für die Möglichkeit einer Hermeneutik ist so die Geschichte, welche die alte metaphysische Legitimationsinstanz ablöst. Die geisteswissenschaftliche Methode im Sinne Diltheys baut demnach auf drei Prämissen auf: (1) Fundament ist das Vertraute einer Lebensform. Diese stellt das Vorverständnis bereit, ordnet ihre Erscheinungen in einen historischen Kontext ein und repräsentiert das Ganze. (2) Entscheidende Voraussetzung ist ferner die Annahme eines Geistprinzips als Quelle von Sinn. Die Wissenchaft kommt nicht ohne Begriffe wie Person, Subjektivität, Leben oder Intentionalität aus. (3) Verstehen schließlich bedeutet die Einverleibung eines fremden Sinnes. Das Fremde wird zum Mittel der Selbsterkenntnis des Geistes. In späterer, von Gadamer stammender Terminologie: Verstehen ist stets ›Verschmelzung‹ von Fremd- und Eigenhorizont. 2.2.2. Die Einwände gegen die Konzeption einer geisteswissenschaftlichen Methode zielen in zwei ganz verschiedene Richtungen. Einige Kritiker glauben weiterhin an einen Methodenmonismus, der sich allerdings nicht auf die erklärende Methode im engsten Sinne beruft, sondern diese durch q uasi-hermeneutische Voraussetzungen erweitert. Demgegenüber reservieren andere das Verstehen einem nicht-methodischen und damit auch jenseits jeder Wissenschaft stehendem Vorgehen, das vor allem in der Kunst und in der Philosophie zu einer spezifischen Wahrheit führt (cf. 2.3.). Auf den Umstand, daß die Diltheysche Hermeneutik Aporien enthält, hat ausführlich Hans-Georg Gadamer (*1900) verwiesen (19723, 205—228). Die neue Instanz, die bei Dilthey die wissenschaftliche Objektivität und die spezifische Individualität der Geisteswissenschaften vermitteln sollte, war die Geschichte. Nach Gadamer sieht dieses geschichtliche Bewußtsein bei Dilthey „alle Erscheinungen der menschlich-geschichtlichen
III. Positionen
Welt nur als Gegenstände, in denen der Geist sich selbst tiefer erkennt. Sofern er sie als Objektivation des Geistes versteht, übersetzt er sie zurück ‘in die geistige Lebendigkeit, aus der sie hervorgegangen sind‘. Die Gestaltungen der Selbsterkenntnis des Geistes sind für das historische Bewußtsein also Gegenstände der Selbsterkenntnis des Geistes. Insofern wird die gesamte Überlieferung für das historische Bewußtsein zur Selbstbegegnung des menschlichen Geistes” (19723, 216).
Auch im Gegensatz zu Hegels spekulativem Wissen, das die Einheit von Allgemeinheit und Besonderheit garantiert, zerfällt hier die Geschichte in einzelne Manifestationen und Modifikationen des Geistes. So verweist Gadamer mit Recht auf die crux dieser Geschichtlichkeit: „Die Welt der Geschichte hat man durchaus nicht immer unter dem Aspekt der weltgeschichtlichen Einheit gedacht [...] Was ist denn der Generalnenner, der ein Zusammenzählen erlaubt, wenn ein (solches) Ziel und ein (solcher) Plan in der Geschichte nicht angenommen wird?“ (19723, 195).
Eine Antwort auf diese Frage gibt Martin Heidegger (1889—1976) in seiner neuen Hermeneutik-Konzeption. 2.3. Die ›neue Hermeneutik‹ als Modell der Sprachlichkeit menschlichen Selbstverhaltens 2.3.1. Mit Heidegger setzt sich eine neue Form der philosophischen Hermeneutik durch. Man spricht in diesem Zusammenhang von der ›neuen Hermeneutik‹ (Zur Einteilung der Hermeneutik in die traditionelle, moderne und neue Hermeneutik siehe Hilberath 1978, 65). Für Heidegger ist das Verstehen kein Bewußtseinsvorgang, der methodisch ausgedeutet werden könnte, kein Spezialfall „einer möglichen Erkenntnisart unter anderen, etwa unterschieden vom ‘Erklären’“ (1957, 143). Verstehen ist das existenziale Weltverhalten des Menschen; denn „Dasein ist Seiendes, dem es als In-der-Welt-sein um es selbst geht [...] Im Verstehen liegt existenzial die Seinsart des Daseins als Sein-können“ (Heidegger 1957, 143).
Da das Weltverhalten zugleich als Faktizität charakterisierbar ist, finden wir in Sein und Zeit eine ›Hermeneutik der Faktizität‹: die Auslegung als Befindlichkeit des Daseins, als endlich-geschichtliches In-der-Welt-sein und als Entwurfcharakter des Selbst. — Verstehen betrifft zusammen mit der Befindlichkeit die ursprüngliche Erschlossenheit des Inder-Welt-seins, das zunächst noch unsprach-
45. Die hermeneutische Position
lich
gedeutet
werden
kann.
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Erst
nachdem
der
Begriff des Sinnes als das „durch Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff strukturierte Woraufhin des Entwurfs, aus dem her etwas als etwas verständlich wird“ (Heidegger 1957, 151), gedeutet wird, betont Heidegger die Gleichursprünglichkeit der Rede mit der Befindlichkeit und dem Verstehen (161). Nicht nur, daß die Befindlichkeit immer zuerst genannt wird, auch der Hinweis, daß die Sprache die Rede zum existenzial-ontologischen Fundament hat, macht die primär fundamentalontologisch orientierte Grundhaltung in Sein und Zeit deutlich. Sprache als „Hinausgesprochenheit der Rede“ (Heidegger 1957, 161) bestätigt diesen Vorrang ebenso wie die folgenden Formulierungen: „Die Rede ist die bedeutungsmäßige Gliederung der befindlichen Verständlichkeit des In-der-Weltseins“ (161). „Weil für das Sein des Daseins die Rede konstitutiv ist [...], hat das Dasein als redendes In-Sein sich schon ausgesprochen. Das Dasein hat (!) Sprache“ (165).
Heidegger geht es hier lediglich um den „ontologischen ›Ort‹ für dieses Phänomen innerhalb der Seinsverfassung des Daseins“ (Heidegger 1957, 166) und nicht um sprachphilosophische Reflexionen über die Seinsart der Sprache. Die weiteren Ausführungen konzentrieren sich auf das Gerede als Modus des Verfallen-seins und führen weitab vom Thema einer philosophischen Hermeneutik. Auch die Wiederaufnahme des Themas ›Verstehen‹ in der Analyse der Zeitlichkeit (Heidegger 1957, § 38) bringt keine Änderung der Blickrichtung. Verstehen ist „primär zukünftig“ (Heidegger 1957, 337). Sehr schnell geht die Thematik über in die Zeitlichkeit der Befindlichkeit und speziell in die Zeitlichkeit des Verfallens. Selbst die Zeitlichkeit der Rede orientiert sich an der zeitlichen Konstitution der Erschlossenheit und wird so Element der ontologischen Bedingung der Möglichkeit dafür, daß Seiendes sein kann. Wenn auch entscheidende Aspekte einer ›existenzialen Hermeneutik‹ in Sein und Zeit auftauchen, insbesondere in Bezug auf die Zirkelstruktur von Verstehen und Auslegen, so fehlt doch die fundamentale Stellung der Sprache, wie wir sie in späteren Ausführungen Heideggers finden und wie sie von Gadamer für eine philosophische Hermeneutik weiter ausgebaut wurde. Vor allem die Rede vom ‘Seinsgeschick’ (Heidegger) verdeutlicht, was hier gemeint ist. Unter Verzicht auf eine reflexive Selbstbegründung oder auf eine sub-
jektbezogene Fundamentalontologie wird die Berufung auf Tradition und Autorität zum Ausgangspunkt für das hermeneutische Gespräch mit der Vergangenheit. Damit rückt das Verstehensproblem in den Blickpunkt der allgemeinen sprachphilosophischen Diskussion. War in Sein und Zeit Sprache eher eine notwendige Voraussetzung für das Verstehen, also ein Element des Existenzials unter vielen, so wird nun deutlich, daß Sprachlichkeit die eigentliche Bedingung der Möglichkeit von Verstehen selbst ist. Erschlossenheit ist letztlich nur sprachlich möglich. Nicht mehr die Zeit (und damit die Geschichtlichkeit), sondern die Sprache ist das Zentralwort des Seinsgeschehens. Die lapidaren Hinweise und inhaltsschweren Metaphern vom „Haus des Seins“ (Heidegger 1947, 21) und von der „Schicklichkeit des Sagens vom Sein als dem Geschick der Wahrheit“ (47) werden bei Heidegger selbst nicht zur Sprachphilosophie ausgeweitet. Ja, man kann vermuten, daß Heidegger eine explizite Lehre im Sinne einer sprachphilosophischen Doktrin für unmöglich angesehen hat. Der Bezug des Menschen zum Sein ist eher Inhalt der Dichtung als Gegenstand einer philosophischen Disziplin. Wir be-greifen nicht, sondern wir werden ergriffen. Es ist Gadamers Verdienst, diese Ansätze Heideggers weiter ausgebaut zu haben, so daß das Verharren im ›Haus des Seins‹ nicht mehr nur als viel sagendes Schweigen, sondern als hermeneutische Bemühung um philosophische Wahrheit gedeutet werden kann. 2.3.2. Am Anfang der hermeneutischen Bewegung, die sich in Verstehen, Auslegung und Applikation entfaltet, steht bei Gadamer das Bewußtsein von der hermeneutischen Situation (19723, 285). Damit ist gemeint, daß wir von unserer Geschichtlichkeit wissen, und „Geschichtlichsein heißt, nie im Sichwissen aufzugehen“ (Gadamer 19723, 285). Die hermeneutische Situation stellt damit einen Standort dar, der die Möglichkeiten des Sehens beschränkt. Zu ihr gehört wesenhaft der Horizont, „der Gesichtskreis, der all das umfaßt und umschließt, was von einem Punkte aus sichtbar ist“ (286). Horizont verweist aber zugleich auch positiv auf das „Nicht-auf-dasNächste-Eingeschränktsein, sondern über es Hinaussehenkönnen“ (286). Im wirkungsgeschichtlichen Bewußtsein, das einerseits sein Erwirktsein als endliche Instanz hinnehmen muß, andererseits sein Handeln vom Wissen eben dieses Erwirktseins bestimmen lassen
III. Positionen
644
kann (Gadamer 19723, XXI), vollzieht sich eine ›Horizontverschmelzung‹. In ihr bringt sich der Interpret in den Verstehensvorgang selbst ein. „Solches Sich-versetzen ist weder Einfühlung einer Individualität in eine andere, noch auch Unterwerfung des anderen unter die eigenen Maßstäbe, sondern bedeutet immer die Erhebung zu einer höheren Allgemeinheit, die nicht nur die eigene Partikularität, sondern auch die des anderen überwindet“ (Gadamer 19723, 288).
Die Vermittlung in diesem Prozeß vollziehen Autorität und Tradition. Die Endlichkeit des Menschen läßt die Möglichkeit des Vonvorne-Anfangens nicht zu. Tradition und Autorität sind die notwendigen Voraussetzungen des ›Gesprächs‹, das sich in dieser Horizontverschmelzung vollzieht. So offenbart sich der eigentliche Vorgang, der hinter dieser Rehabilitierung von Autorität, Tradition und ›Vorurteil‹ steht, als Wirklichkeit konstituierendes Gespräch. Verstehen ist Gespräch. Die Vorgängigkeit der Sprache und ihre Unhintergehbarkeit sind die Basis der Wirkungsgeschichte. Sprache ist nicht Informationsinstanz, sondern Vollzugsform des geschichtlichen Lebens. Ihre Universalität, ihre wesenhafte Selbstvergessenheit und ihre Ichlosigkeit (Gadamer 1967, 97—100) leisten die Konstruktion des Allgemeinen, die bei Hegel spekulativ und bei Dilthey psychologisch verkürzt erfolgt war. Wenn so die Sprache den Zugang zur Welt eröffnet (Gadamer 19723, 415), dann gelingt auch der gesuchte Sachbezug. Denn Gadamer geht es in seiner Hermeneutik um „Erfahrung von Wahrheit, die den Kontrollbezirk wissenschaftlicher Methodik übersteigt“ (19723, XXVII). Diese im Gespräch gemachte Erfahrung wird durch die Kunsterfahrung verdeutlicht, welcher der gesamte erste Hauptteil von Wahrheit und Methode gewidmet ist. Bereits hier wird deutlich, daß die mens auctoritas „kein möglicher Maßstab für die Bedeutung des Kunstwerks“ sein kann (Gadamer 19723, XIX). Das Schlüsselwort ist vielmehr das Spiel, das den Primat über das Bewußtsein des Spielenden ausübt (Gadamer 19723, 100). „Der Spielende erfährt das Spiel als eine ihn übertreffende Wirklichkeit“ (19723, 104), und nur im Gespieltwerden erfährt man das volle Sein (112) (s. Art. 96). So zeigen sich hier Strukturen, welche die durch das Gespräch vermittelte Wirkungsgeschichte charakterisieren und in den nächsten Abschnitten von Wahrheit und Methode entfaltet werden. Bei Gadamer hat die philosophische Hermeneutik den Status einer spezi-
fischen philosophischen Position erlangt, die zwar noch sprachphilosophische Bezüge aufweist, aber inhaltlich unbestimmt bleibt und sich als existenzphilosophische Verhaltensweise methodologischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen entzieht. Diese bewußte Distanzierung von methodologischen Intentionen wird von Gadamer immer wieder betont. ‘Wahrheit’ und ‘Methode’ sind keine gleichwertigen Begriffe, sondern Gegenbegriffe. Philosophische Wahrheit kann nach Gadamer nie methodisch gefunden werden; Philosophie steht jenseits jeder Methode. Es war nicht Gadamers Absicht, „den alten Methodenstreit zwischen Natur- und Geisteswissenschaft zu erneuern. Um einen Gegensatz der Methoden handelt es sich schwerlich“, bemerkt Gadamer (19723, XVII) und erläutert den Grund dieses Standpunktes: „Nicht, was wir tun, nicht, was wir tun sollten, sondern was über Wollen und Tun hinaus mit uns geschieht, steht zur Frage“ (XVI). Verstehen ist kein methodisches Handeln, sondern ein Element der Wirkungsgeschichte, der wir angehören; Verstehen gehört zum Sein dessen, was verstanden wird (Gadamer 19723, XIX). Entgegen Gadamers Absichten hat sich die neuere Hermeneutik-Diskussion trotzdem vorwiegend auf das Methodenproblem konzentriert. Das Erstaunliche ist dabei, daß die entscheidenden Anregungen für eine Ausgestaltung der hermeneutischen Methode gerade aus Wahrheit und Methode stammen, diesem „klassischen Grundbuch der modernen Hermeneutik“ (Schulz 1970, 306).
3.
Zur gegenwärtigen Hermeneutik-Diskussion
3.1. Die Auseinandersetzung um die Autonomie der hermeneutischen Methode 3.1.1. Die meisten Universalisierungsversuche gehen von den Ergebnissen der an den Naturwissenschaften orientierten Wissenschaftstheorie aus. Danach können die Natur- und Geisteswissenschaften durchaus unter dem gleichen Methodenbegriff stehen. Die sogenannte naturwissenschaftliche Methode hat ihre Einseitigkeiten revidiert und ist weit über den Diskussionsstand hinausgegangen, den Gadamer beim Abfassen seines Werkes Wahrheit und Methode in den Fünfzigerjahren vorfand. Die wichtigsten Stationen auf dem Wege zu einem umfassenden und damit zugleich
45. Die hermeneutische Position
toleranten Methodenbegriff werden durch Karl Raimund Popper (*1902), durch den späten Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39), durch Paul Lorenzen (*1915), Paul Karl Feyerabend (*1924), Thomas Samuel Kuhn (*1922) und durch Kurt Hübner (*1921) repräsentiert. In deren Deutung ist das Vorgehen der Naturwissenschaftler keineswegs durch die statische Begrifflichkeit und die durchgängige Logizität der Argumente charakterisierbar, wie das von den Dialektikern immer wieder unterstellt und kritisiert wurde. Schon der angeblich so starre Gesetzesbegriff wird durch Hypothesen ersetzt, die sowohl in ihrer Genese als auch in ihrem Bewährungsvorgang Elemente enthalten, die man ohne weiteres als lebensweltliche Vorgaben im Sinne der Hermeneutik verstehen kann. Auch die Rolle der Experten- oder Forschergemeinschaft wird realistischer eingeschätzt und im Zusammenhang mit dem hermeneutischen Traditionsbegriff gesehen. War man früher selbstsicher von naiven Empirie- und Verifikationsvorstellungen ausgegangen, die für das Verstehen keinen Platz ließen, so hat das Scheitern positivistischer Grundlegungen, insbesondere die Undurchführbarkeit des Konstitutionsprogramms in Rudolf Carnaps (1891—1970) Der logische Aufbau der Welt (1928) zu größerer Toleranz geführt. Ereignisse, welche das Auffinden und insbesondere das Bestätigen von Hypothesen betreffen, können nicht durch den Erklärungsbegriff allein erfaßt werden, sondern bedürfen lebensweltlicher Absicherungen, die sowohl mit dem Diltheyschen Erlebnisbegriff als auch mit Gadamers wirkungsgeschichtlichem Bewußtsein vereinbart werden können. Auch der Vorwurf, in der Hermeneutik einem logischen Zirkel verfallen zu sein, verliert seinen Sinn, sobald man die Unmöglichkeit von rein positivistischen Alternativen erkannt hat. Aus dem logischen Zirkel wird eine notwendige Struktur, der ›hermeneutische Zirkel‹. 3.1.2. Besonders deutlich wird der Wandel in Hübners Kritik der wissenschaftlichen Vernunft. Unter Berufung auf Entdeckungen, die im Anschluß an Kuhn und Feyerabend erfolgten und den strengen Methodenbegriff als starres Regelsystem von Tatsachen in Frage stellten, spricht Hübner dort von „geschichtlichen Systemen“ (1978, 193 ff). Dazu gehören sowohl die naturwissenschaftlichen Systeme als auch die „Systeme des praktischen wie kulturellen Lebens, ferner Wertsysteme, Rechtssysteme, politische Kal-
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küle usf. Sie alle sind, wenn nicht selbst vage Axiomensysteme, so doch als solche beschreibbar“ (Hübner 1978, 195).
Die Entwicklungen der Wissenschaften sind dann nichts anderes als „Selbstbewegungen von Systemmengen“ (Hübner 1978, 202), in denen Regelmannigfaltigkeiten festgestellt und beschrieben werden können. Diese Regelsysteme können relativ konstant sein; andere dagegen sind variabel und von bestimmten historischen Situationen abhängig. Nur diese Gradunterschiede sind es, die verschiedene Methoden vermuten lassen, obwohl es sich in Wirklichkeit nur um eine einzige Methode der Anwendung und Beschreibung von Regelsystemen handelt. Hübner betont, daß durch die Selbstbewegung der Systemmengen durchaus Wahrheit möglich ist (1978, 358), sich also Wahrheit im Sinne Gadamers konstituiert. Der übliche Relativismusvorwurf betrifft nur das Festhalten an einer absoluten, das heißt an einer bedingungslosen Wahrheit. Denn die Bedingungen sind in den Systemmengen vorgegeben. Die Wahrheit bezieht sich also auf die adäq uate Antwort in jener Situation, die durchaus apriorische Elemente als Bedingungen der Möglichkeit einer solchen hypothetischen, geschichtlich vermittelten Wahrheit enthält (Hübner 1978, 356 f). 3.1.3. Eine Universalisierung der hermeneutischen Position erfolgt auch innerhalb der hermeneutischen Tradition. In der transzendental-pragmatischen Hermeneutik von KarlOtto Apel (*1922) und Jürgen Habermas (*1929) ist man überzeugt, daß ein praxisorientierter Verstehensbegriff allen natur- und geisteswissenschaftlichen Prozessen vorgeordnet ist (s. Art. 53). Im transzendental-pragmatischen Sprachspiel realisiert sich die Idee der Hermeneutik als fundamentales philosophisches Verfahren, das sogar Letztbegründungen ermöglicht. Der in den Vordergrund gerückte Begriff des Gesprächs setzt durch seine jeweilige Konkretisierung ein Ensemble von Prämissen, das in jeder Kommunikationsgemeinschaft schon immer akzeptiert ist. Gegnern der Letztbegründung, wie beispielsweise Vertretern des kritischen Rationalismus, werden gewisse nicht-bezweifelbare Bedingungen des systematischen Zweifels vorgehalten, die in der ›strikt reflexiven Einstellung‹ der Hermeneutiker zum Vorschein kommen können und explizierbar sind. So etwa bei Wolfgang Kuhlmann (1980, 307 f); zur Zurückweisung durch die kritischen Rationalisten siehe Hans Albert (1982 b, 71 ff).
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3.1.4. Neben den meisten monistisch argumentierenden Kritikern findert man heute auch einige Vertreter des Diltheyschen Methodendualismus. Hans Lipps (Johann Heinrich L., 1889—1941) hat versucht, aus der allgemeinen hermeneutischen ›Methode‹ eine alternative hermeneutische ›Logik‹ zu entwikkeln, die sich inhaltlich an der Thematik der formalen Logik orientiert und von Schlüssen, Urteilen und Begriffen handelt. ›Schließen‹ wird dabei aus dem ›Entschluß‹ innerhalb konkreter Situationen hergeleitet und eher als verbindliches Gespräch denn als Sachvermittlung gedacht (Lipps 1959, 10). Thema ist dort vorzüglich die Existenz des Sprechenden, nicht das Gesprochene. Auch in der Urteilsund Begriffslehre wird versucht, das formal Gegebene in situationsbedingte Zugangsweisen spontan handelnder Subjekte aufzulösen. Anstelle der Allgemeinheit treten konkrete Situationstypen: „Man ›steht‹ in einer Situation“ (Lipps 1959, 25) und „Situation ist keine sachliche Konstellation; sie kann nicht in Formen des Allgemeinen entwickelt werden“ (23). Gewisse Unterscheidungen, die bei Lipps eine Rolle spielen, findet man später in analytischen Sprechakttheorien wieder (s. Art. 54). Ansonsten ist Lipps stark der heideggerschen Tradition verbunden, die Verhaltensweisen aus existentiellen Grunderfahrungen rechtfertigt, welche sich nicht ohne weiteres verallgemeinern lassen. Insofern ist der Versuch, neben der formalen Logik der nicht-hermeneutischen Wissenschaften eine alternative hermeneutische Logik zu etablieren, welche die Denkweisen der hermeneutischen Wissenschaften intersubjektiv erklärt, weiter problematisch geblieben. 3.1.5. Weniger dem Dualismus innerhalb der Logik, sondern dem der Methode wendet sich Rupert Riedl (*1925) zu, der aus einer ganz anderen Tradition stammt. Bei ihm wird die ›Spaltung des Weltbilds‹ im Zusammenhang mit anderen Dualismen gesehen, die letztlich alle Wirklichkeitsbereiche umfassen. Die Dualismen Leib und Seele, Gestalt und Funktion, Struktur und Reaktion bis hin zu Korpuskel und Welle prägen dieses „Schisma unserer Kultur“ (Riedl 1985, 40). Zugleich versucht Riedl zu zeigen, daß sich diese Kluft durch die moderne biologische Systemtheorie (synthetische Evolutionstheorie) schließen läßt. Dabei erscheint die Entwicklung der Kommunikation selbst als Prozeß der Evolution; in Analogie zum allgemeinen Problem des Apriori werden die hermeneutischen Uni-
III. Positionen
versalien ontogenetisch in ihrer begründenden Funktion anerkannt, phylogenetisch aber relativiert. „Die Spaltung entspricht nicht der Struktur der Welt, vielmehr dem Dilemma der menschlichen Seele. Oder [...] der Schwierigkeit, unsere Verstandes q ualitäten, jene erblichen Anschauungsformen von den Ursachen, zusammenzufügen“ (Riedl 1985, 287).
Die vorgebrachten Argumente sind für die Philosophie von eingeschränkter Überzeugungskraft, weil sie sich vor allem an den Denkweisen der biologischen Praktiker orientieren. Riedl beruft sich hier auf die sogenannte ‘evolutionäre Erkenntnistheorie’, die sich in der ersten Begeisterung für eine neue ›kopernikanische Wendung‹ in der modernen Philosophie gehalten hat (Vollmer 1981, 170); inzwischen wurde immer deutlicher, daß die Praxis der Naturforscher zur Rechtfertigung ihres Anspruchs, entscheidende philosophische Probleme lösen zu können, nicht ausreicht (Löw 1983, 331 f) und weitere Grundlagenreflexionen notwendig sind, in welchen der spezifische Wissenschaftsbezug deutlicher wird (Wuketits 1983, 361). 3.1.6. Während die bisher angeführten Diskussionsbeiträge stets methodologische Entscheidungen betreffen, versuchen Anhänger der ›neuen Hermeneutik‹ in der Nachfolge von Heidegger und Gadamer, den Methodengedanken aus der Hermeneutik zu eliminieren. Richard Rorty (*1931) (1981, 349) definiert die Hermeneutik als Studium nicht-normaler Diskurse. Normale Diskurse beziehen sich auf „die Praktik, Probleme auf dem Hintergrund eines Konsenses darüber zu lösen, was als gute Erklärung des Phänomens gelten würde und was zur Lösung eines Problems zu unterscheiden wäre / the practice of solving problems against the background of a consensus about what counts as a good explanation and about what it would take for a problem to be solved“ (Rorty 1981, 348).
Søren Kierkegaard (1813—1855), Friedrich Nietzsche (1844—1900), der späte Wittgenstein und der späte Heidegger dagegen lehren keine philosophischen Inhalte, in denen ein solcher methodischer Konsens erreicht wurde, sondern sie vermitteln in nichtnormalen Diskursen ›Bildung‹, das heißt, sie leisten keinen Forschungsbeitrag, sondern partizipieren an einem Gespräch. Hermeneutik ist das Residuum, das uns verbleibt, wenn wir aus der Philosophie alle objektiven inhaltlichen Aussagen im Sinne letzter Wahr-
45. Die hermeneutische Position
heiten ausmerzen (Rorty 1981, 401). Obwohl sich Rorty ausdrücklich auf Gadamer beruft und Parallelen zu dessen Intentionen sieht (1981, 387; 395), widerspricht seine Objektivitätskritik offensichtlich der Lehre von der Wahrheit. Objektivität bedeutet ihm nur zufälligen Konsens von Forschergemeinschaften (Rorty 1981, 365), nicht Offenbarwerden (›Wahrheit‹) des vom Sein Geschickten. Für Rorty ist die Bezeichnung ‘Hermeneutik’ ein „polemischer Terminus / polemical term“ (1981, 387) und kein Titel für eine fundamentalontologische Disziplin. So bleibt der Hermeneutik — ganz im Sinne der analytischen Tradition, der Rorty entstammt — nur noch aufzuzeigen, „wie die andere Seite aus dem je eigenen Blickwinkel aussieht / how the other side looks from our own point of view“ (1981, 395). Die Methode reduziert sich auf eine „›existenzialistische‹ Intuition / ›existentialist‹ intuition“; die wichtigste Aufgabe ist, „uns immer wieder auf neue Weisen zu beschreiben / redescribing ourselves“ (Rorty 1981, 389). Die moralische Hauptaufgabe des Philosophen sollte die „Fortsetzung des abendländischen Gesprächs / continuing the conversation of the West“ sein, nicht das Pochen auf die Sonderrolle der traditionellen philosophischen Antworten in dieser Tradition (Rorty 1981, 426), die bei Gadamer als Wirkungsgeschichte ontologische Relevanz erhalten hat. — Philosophische Hermeneutik degeneriert hier und in ähnlichen Konzeptionen zur unkontrollierbaren Praxis des zwar traditionsbewußten, aber zugleich intuitiv offenen Gesprächs in nicht auswechselbaren Existenzsituationen. 3.2. Die Struktur hermeneutischer Argumentation 3.2.1. Hermeneutik als Lehre von den Rahmenbedingungen der Vernunft Der Streit um die Hermeneutik ist bis heute nicht ausgefochten. Das Bewußtsein von der Bedeutung gewisser Rahmenbedingungen für jede philosophische Aussage und damit die Voraussetzung eines Vorverständnisses lassen den hermeneutischen Ansatz als Selbstverständlichkeit erscheinen. Autoritäten und Standards der Methodologie, transzendentale Bedingungen, frameworks, Paradigmen und Lebenswelten scheinen sich als unhintergehbare Instanzen jeder Kritik zu entziehen. In den Konzeptionen von Proto-Theorien (Lorenzen), Sprachspielen (Wittgenstein), Para-
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digmen (Kuhn), idealen Kommunikationsgemeinschaften (Apel), repressionsfreien und nicht-normalen Diskursen (Rorty) triumphieren hermeneutische Gedanken. Andererseits wehrt man sich wegen der damit bedingten Einschränkung der kritischen Rationalität gegen die Annahme solcher unbedingten Vorgaben. Die Annahme eines Vorverständnisses muß nicht notwendig zur hermeneutischen Immunisierung führen. Auch im kritischen Rationalismus werden in bestimmten Entscheidungen unbewiesene Voraussetzungen gemacht und plausible Annahmen akzeptiert. Jede Korrektur eines Hypothesen-Vorschlags und jede Realisierung einer Falsifikation setzt das Vorwissen einer Expertengemeinschaft voraus. Die Bereitschaft, zu späterer Zeit und aus gegebenem Anlaß auch diese Prämissen einer Kritik zu unterziehen, beseitigt den Zirkelverdacht. Das Dilemma löst sich auf, wenn man die Argumentation eines endlichen Bewußtseins von bestimmten Fixpunkten aus vom Erfassen des Ganzen und der Unendlichkeit der Bedingungen unterscheidet. Nennt man das Bewußtwerden dieses Strukturfaktums hermeneutisch, so ist die Hermeneutik eine sinnvolle Reflexionstheorie, welche falsche Absolutheitsansprüche und obskure Letztbegründungen entlarvt. Der eigentliche Streitpunkt beginnt erst dort, wo bestimmte Prämissen aus der allgemeinen Kritik herausgehalten werden sollen. Der Glaube, solche Elemente identifizieren und beispielsweise als transzendentale Universalien einer idealen Kommunikationsgemeinschaft vorstellen zu können, ist Glaube im wörtlichen Sinn. Eine kontingente Setzung wird als absolute Notwendigkeit mißverstanden und damit Glauben als Wissen ausgegeben. Hermeneutik beginnt mit der Bedingtheit der menschlichen Vernunft. Diese darf nicht so mißverstanden werden, als ob man sich immer auf eine klar umschreibbare Prämissenmenge bezöge, die man der Reihe nach der Kritik unterziehen könnte. Wie beispielsweise sprachliche Rahmenvorgaben wirken, ist ohne genauere Vergleichsanalysen mit fremden Sprachen nur schwer durchschaubar. Wittgenstein, der solche Fälle öfters erwähnt, betont, daß sich Sprachspiele strukturell nicht vollständig beschreiben lassen (1960, 23; 81; 100). Die Regeln werden im Nachvollzug bewußt, nicht in der Betrachtung von außen. Auch historische Horizontverschmelzungen sind nicht so zu verstehen, daß eine Synthese aus den unhintergehbaren Prämissen der fremden und der
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eigenen Situation vollzogen werden würde. Rahmenvorgaben und Lebensformen sind häufig so komplex, daß einzelne Prämissen erst nach längerer Auseinandersetzung mit Gegenpositionen bewußt werden. Trotzdem bleibt es eine vordringliche Aufgabe, diese Strukturen ins Bewußtsein zu heben und dann als Leitfaden wirken zu lassen. 3.2.2. Die Strukturierung der Hermeneutik durch Leitbegriffe Die vage Berufung auf Lebensformen, ›frameworks‹, Vorverständnis, Vorurteil und auf den hermeneutischen Zirkel hat die Hermeneutik in Verruf gebracht, Pseudo-Begründungen, Manipulationen und ideologischen Täuschungen Tür und Tor zu öffnen. Da die skizzierten hermeneutischen Mechanismen prinzipiell unvermeidbar sind, ist es notwendig, deren Struktur genauer zu durchschauen. Das folgende Phänomen verdient besondere Aufmerksamkeit. Durch die Wirkung von sogenannten Leitbegriffen organisieren sich Argumentationsfelder in einem Ausmaß, so daß oft weite Problembereiche durchsichtig werden. Ihre Wirkungsweise läßt sich am besten im religiösen Bereich studieren (Wuchterl 1982, 111 f). Das christliche Selbstverständnis knüpft alle Argumentationen und vernünftigen Stützungen, wie sie in der allgemeinen Argumentationstheorie (Toulmin 1958, 103 ff) beschrieben werden, an den Gottesbegriff. Dazu bedarf es bestimmter charakteristischer Eigenschaften, wie die unendliche Liebe oder die absolute Gerechtigkeit, die eine Verbindung der göttlichen Welt mit unserer Alltagswelt ermöglichen. Wenn Ereignisse im religiösen Kontext als sinnvoll q ualifiziert werden, dann wirken Liebe und Gerechtigkeit als Leitbegriffe. Sinn wird möglich, weil die Leitbegriffe jene Ereignisse in einen — wenn auch nicht in allen Einzelheiten nachvollziehbaren — deduktiven Zusammenhang stellen. Solche Leitbegriffe bestimmen auch unser weltliches Denken. Feind- und Freundbilder sind eindrucksvolle Beispiele. Bestimmte komplexe Bewertungssituationen, die für die meisten Beteiligten eben wegen der Komplexität nur schwer zu beurteilen sind, werden durch die Wirksamkeit von Leitbildern sehr schnell und mit vehementem Engagement entschieden. Man billigt die Urteile und Begründungen, die von gleichen Leitbegriffen gesteuert sind. Häufig konkretisieren sich die Entscheidungen in Leitfiguren und Leitparteien. Nachträglich erfolgen dann rationale Rechtfertigungen. Dies sind logische Verknüpfun-
III. Positionen
gen mit allgemeinen Sätzen, die selbst schon schwerwiegende Entscheidungsgehalte des gleichen frameworks aufweisen. Die Verknüpfungen werden nur vereinzelt realisiert. Im allgemeinen denkt man sich ein Netz von möglichen Begründungen, die prinzipiell durchgeführt werden können. Die Leitbegriffe werden nicht bewußt gesetzt. Im Gegenteil: man wird den Vorwurf, solche Begriffe zu verwenden, von sich weisen. Es handelt sich um eine ›Erfahrung‹, die unhintergehbar ist. Gadamers Beschreibung des Vorurteils hat die Verleugnung von Leitbegriffen völlig übersehen. Dadurch entstand der Eindruck, die repressionsfreie Diskussion müsse solche Vorurteile aufdecken und könne zu einer Beurteilung ihrer Berechtigung oder ihrer Unangemessenheit führen. Die Idee einer repressionsfreien Kommunikation konnte sich selbst aber nur unter der Wirkung bestimmter neuer Leitbegriffe einstellen, war also das Ergebnis eines alternativen Leitbegriffsensembles. Auch die ›neue Rhetorik‹ (Chaim Perelman, Stephen E. Toulmin), die sich bewußt von der formalen Logik distanziert und sich am Gerichtsprozeß orientiert, ignoriert Leitbegriffe. In Toulmins Argumentationsschema (1958, 101) müssen Schlußregelstützungen in substanziellen Argumentationen weitgehend durch Leitbegriffe organisiert gedacht werden, wenn der Argumentationscharakter nicht ganz und gar vom Willen zur Überredung verdrängt werden soll. Aufgabe einer philosophischen Hermeneutik ist es, solche Verdrängungen zu vermeiden und die Argumentationsstruktur im Hinblick auf die Wirksamkeit der Leitbegriffe zu analysieren. Dabei kann es nicht um deren Beseitigung gehen; es wurde in 3.2.1. betont, daß Vernunft ohne organisierende Prämissen nicht realisierbar ist. Im philosophischen Diskurs sollte Konsens über Leitbegriffe angestrebt werden. Das bedeutet nicht, daß es in der Philosophie letzte Leitbegriffe gäbe, die prinzipiell nicht mehr kritisiert werden dürften. Aber ein weitgehender Konsens über Leitbegriffe wird der Kritik weniger Chancen geben, so daß sie programmatisch — nicht prinzipiell! — ignoriert werden kann. — Leitbegriffe sind notwendig, um Gedankenzusammenhänge zu ermöglichen. In ihnen sind einerseits letzte Erfahrungen aufbewahrt, andererseits ermöglichen sie das sinnvolle Ganze. So zeigt sich, daß das hermeneutische Gespräch durchaus logisch faßbar und kontrollierbar ist; die argumentative Begründung endet allerdings bei den Leitbegriffen. In der experimentellen Offenheit für
46. Phenomenological approaches
neue Leitbegriffe unterscheidet sich die philosophische Hermeneutik von der Religionsphilosophie. In der Religionsphilosophie erfolgt die Beschreibung der kontingenten Leitbegriffsetzungen und Leitbegriffnormierungen, welche die betreffende Religion konstituieren. Das hermeneutische Gespräch dagegen ist unendlich, seine Kritik der Leitbegriffe unbegrenzt. Während die Philosophie bei den entdeckten Leitbegriffen nicht stehen zu bleiben braucht, — allerdings oft stehen bleiben muß, weil sie keine neuen Perspektiven anzubieten hat — ist in der Religion der Leitbegriff die letzte Schranke der Kritik. Gläubige verdrängen deshalb selten Leitbegriffe, sondern präsentieren sie offen in Bildern, Mythen und Metaphern, um ihre Gewichtigkeit und Immunität zu demonstrieren. Insbesondere in der Idee der Offenbarungsreligion steckt der Gedanke einer transzendenten Setzung von Leitbegriffen, die eben dadurch der weltlichen Kritik entzogen sind. Wenn diese Haltung einerseits als kritiklose Immunisierungsstrategie, andererseits als eine legitime Möglichkeit der Kontingenzbewältigung be-
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trachtet wird, die sich nicht in die grenzenlose Fraglichkeit hineinziehen läßt, dann werden hier wieder Leitbegriffe wirksam, deren letzte Berechtigung jede Begründung transzendiert. Es handelt sich um kontingente Setzungen, die sowohl unsere Endlichkeit als auch unsere Offenheit für das Unendliche manifestieren.
4.
Literatur in Auswahl
Apel 1955 b, Das Verstehen, in Archiv für Begriffsgeschichte 1. Apel et al. 1973, Hermeneutik und Ideologiekritik (Theorie-Diskussion). Betti 1967, Allgemeine Auslegungslehre als Methodik der Geisteswissenschaften. Bubner (Hg.) 1970, Hermeneutik und Dialektik I. Coreth 1969, Grundfragen der Hermeneutik. Gadamer 19723, Wahrheit und Methode. [1960] Hilberath 1978, Theologie zwischen Tradition und Kritik. Hufnagel 1976, Einführung in die Hermeneutik. Pöggeler (Hg.) 1972, Hermeneutische Philosophie.
Kurt Wuchterl, Stuttgart (Deutschland)
46. Phenomenological approaches 1. 2. 2.1. 2.2. 2.3. 3. 3.1. 3.2. 3. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. 4.
1.
Phenomenology and philosophy of language Phenomenological theories of meaning Searle’s theory of meaning and intentionalityand its critique Husserl’s early theory of meaning and refer-ence and its critique> Husserl’s later theory of meaning as noemaand its critique Phenomenological theories of indexicality The problem of indexicals Searle’s theory of indexicality as self-referentiality and its critique Phenomenological theories of indexicality The early Husserl’s theory of meaning for indexicals and its critique Mulligan and B. Smith’s dependence theory of indexicality and its critique The author’s theory of indexical content Critique of the indexical-content theory Selected references
Phenomenology and philosophy of language
We shall be discussing the systematic contributions of phenomenology to philosophy of
language. In this opening section we shall clarify general issues about phenomenology and its place in philosophy of language. In section 2. we shall discuss three phenomenological theories of meaning: John R. Searle’s (*1932) mature speech-act theory; Edmund Husserl’s (1859—1938) early theory of meaning as intentional act species; and Husserl’s later theory of meaning as noema. In section 3. we shall discuss four theories of meaning for indexical expressions: Searle’s, the early Husserl’s, Kevin Mulligan (*1951) and Barry Smith’s (*1952), and my own — theories that extend those discussed in section 2. 1.1. The subject matter of phenomenology Phenomenology is the study of structures of experience, or consciousness: for instance, structures of perception, judgment, desire, and indeed the experience of speaking — described ›as lived‹, from the first-person point of view. We shall be asking about the role those structures of experience play in language. — One of the main things studied in phenomenology is the intentionality of con-
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sciousness: the property of an experience that consists in its being ›of‹ or ›about‹ something. We must distinguish, however, two properties of aboutness or ofness. On the one hand, a judgment may be ›about‹ something even if no such thing exists: when George judges that the (present) king of France is bald, his misguided judgment has the structure or content of judging about ‘the king of France’, even though nothing satisfies that content. On the other hand, a judgment may be about, and so intentionally related to, something that does exist: when Heidi judges that the president of France is bald, her judgment is successfully related to Mitterand, because Mitterand satisfies the content ‘the president of France’. The description of intentional content — including mode of presentation — is a central task of phenomenology, and may include specifying the conditions of satisfaction for an experience or its content. However, it is a further, empirical task to note what satisfies the content. — A phenomenological approach to the philosophy of language will focus on those aspects of language that involve consciousness, especially intentionality and its contribution to speech, meaning, and reference. 1.2. Phenomenology in philosophy of language The philosophy of language is traditionally divided into syntax, semantics, and pragmatics: syntax being the theory of linguistic form (including logical form); semantics, the theory of meaning (and reference and truth); and pragmatics, the theory of language use. I would like to consider a different partitioning, including: the theory of meaning, i. e., semantics (presupposing syntax); the theory of speech acts; and the theory of mental acts involved in speech. The last two areas are parts of pragmatics, but their true homes are action theory and intentionality theory — disciplines whose concerns are wider than theory of language. — Semantic theory studies various aspects of meaning, including sense, reference, and truth-conditions for appropriate forms of expression. Take the sentence ‘The morning star is a planet’. In a Fregean semantics (cf. Frege 1892), the term ‘the morning star’ refers to Venus, and the predicate ‘is a planet’ refers to the range, or set, of things that are planets. The truth of the sentence depends on the reference of the relevant expressions contained in the sentence. Thus, the given sentence is true if and only if
III. Positionen
the referent of the term ‘the morning star’ (= Venus) is a member of the referent of the predicate ‘is a planet’ (= {planets}): such are the truth-conditions for that form of sentence. But Gottlob Frege (1848—1925) (s. art. 34) distinguished the sense of an expression from its referent. The terms ‘the morning star’ and ‘the evening star’, for instance, have the same referent (Venus) but express different senses. For Frege, the sense of an expression includes the mode of presentation of the referent, and these terms express different senses reflecting different modes of presentation. Importantly, for Frege, the referent of an expression is determined by its sense: thus, the sense expressed by ‘the morning star’ picks out Venus. If you will, Frege assumed two levels of meaning for each expression: its sense and its referent. (The referent of a declarative sentence, Frege assumed, is its truth-value, i. e., either Truth or Falsity.) — Where semantic theory focusses on meaning (sense, reference, and truth) for expressions, speech act theory addresses meaning for speech acts. Following Searle (cf. Searle 1969, ch. 2), we may distinguish the following kinds or aspects of speech acts: ›illocutionary‹ acts, e. g., stating, q uestioning, commanding, promising, etc.; ›propositional‹ acts, e. g., referring and predicating; and utterance acts, or uttering expressions of various types. Now, the theory of mental acts involved in speech focusses on the intentional experiences or attitudes connected with speech acts. For instance, an act of assertion presupposes and indeed ›expresses‹ the speaker’s belief in what she or he is asserting, an act of q uestioning presupposes the speaker’s desire to know what she is asking to be told, and so on. Plausibly, these three domains of theory — semantic theory, speech act theory, and mental act theory — are interrelated. Thus: in performing a speech act one utters a sentence whose meaning is the intentional content of the relevant mental act presupposed by the speech act. For instance, in making an assertion one believes or judges what one asserts (on pain of insincerity); that is, the sense of the sentence uttered is the content of one’s belief. Theories to this effect will be detailed in section 2. How does phenomenology contribute to the above domains of theory in philosophy of language? It contributes directly in the phenomenological description of our experience of speech: including our experience of speaking and our perception and understanding of speech. But it also contributes indi-
46. Phenomenological approaches
rectly, and perhaps more importantly, through the analysis of mental acts underlying speech, especially their intentionality and how their intentional content contributes to meaning.
2. Phenomenological theories of meaning We shall consider three specific theories of meaning, found in Searle, the early Husserl, and the middle to late Husserl. Each is developed within a theory of intentionality that is fundamentally phenomenological (though Searle rarely speaks of phenomenology by name). 2.1. Searle’s theory of meaning and intentionality and its critique 2.1.1. Searle’s earlier theory of speech acts — in Speech Acts (1969) — follows Herbert Paul Grice (1913—1988) in reducing meaning to speaker’s intention. Thus, a speaker’s meaning is what he means, or intends, to achieve in communication. The meaning of an assertion, for instance, is the speaker’s intention to make the hearer aware of what is asserted, specifically by recognizing the speaker’s intending just that (cf. Searle 1969, 49 f, for exact details). But that theory is flawed. For we want to say the meaning of an assertion — as in Frege’s notion of ‘sense’ — is not what the speaker intends to achieve, but what the speaker believes and expresses in his assertion: the proposition or thought that is the content of the belief he expresses. This aspect of meaning is eclipsed in the Gricean reduction. However, Searle’s later theory of meaning in Intentionality (1983) is sensitive to this further aspect of meaning. We shall consider only the later theory, which is developed within a proper theory of intentionality (cf. Searle 1983, ch. 6). — For Searle, meaning — a speaker’s meaning something — is a special kind of intentionality. For a speech act is a kind of intentional action, a bodily behavior brought about by the actor’s intention in acting. But Searle notes two levels of intentionality in the performance of a speech act: that of the intention with which the speech act is performed, and that of the psychological state expressed by the speech act. Consider Frege’s saying, ‘The morning star is a planet’. In uttering these words he performs a speech act of assertion. His speech act presupposes and expresses his belief that the
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morning star is a planet, and in performing the speech act he intends to communicate this belief to his hearer. This intention (whose exact content will be specified below) Searle calls the ‘meaning intention’ in the speech act; the belief expressed by the act he calls the ‘sincerity condition’ of the act, as the speaker cannot sincerely assert what he does unless he holds this belief. Both the intention in speaking and the belief expressed are intentional mental states: these are the two levels of intentionality involved in the speech act. As intentional action, the speech act inherits its intentionality from the meaning intention; consisting of bodily movement together with intention, it is an intentional action because it is caused by the constituent intention (an instance of what Searle calls ‘intentional causation’). — Searle’s general theory of intentionality focusses on the notions of intentional content, psychological mode, conditions of satisfaction, and direction of fit (cf. Searle 1983, chs. 1 ff) (s. art. 93). In the case of Frege’s belief, the psychological mode of the intentional state is that of belief (as opposed, say, to desire or intention), and the intentional content of the state is the proposition that the morning star is a planet. As a belief, its direction-of-fit is mind-to-world: it will ›fit‹ the world if it is true (whereas in desire the world must fit the desire if it is fulfilled). And the conditions of satisfaction of the belief are that: one and only one object is a celestial body still visible at dawn and it is a planet. On Searle’s account, a speech act also has conditions of satisfaction, and they are the same as those of the psychological state expressed. In the case at hand, Frege asserts that the morning star is a planet. His assertion is true if and only if: one and only one object is a celestial body still visible at dawn and it is a planet. And these truth-conditions, or conditions of satisfaction, are those of the belief presupposed and expressed by the assertion, his belief that the morning star is a planet. Why are the conditions of satisfaction for the assertion those of the belief it expresses? Because what the speaker asserts is what he believes, and that is what carries the truth of the assertion (trying to be neutral about what entities are the ›bearers‹ of truth — acts of assertion, sentences, propositions, or what have you). — On Searle’s account, the meaning intention in a speech act has a fairly complicated structure (cf. Searle 1983, 165—168; I shall simplify Searle’s formula-
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tion and apply it to the case of assertion). Generally, a speaker’s intention is to perform a certain speech act. Specifically, the speaker intends to utter certain words and thereby both to represent something and to communicate this representation to his hearer. Thus, we must distinguish the speaker’s intention to represent (›Sachbezug‹) and his intention to communicate (›Personenbezug‹) (s. art. 77). (The earlier Gricean approach, Searle notes, failed to make this distinction.) For instance, when Frege says, ‘The morning star is a planet’, his intention in speaking has three parts. Spelled out in the first person, his intention is that: ›this intention causes me to utter the sentence ‘The morning star is a planet’, my uttering that sentence represents (or has as conditions of satisfaction) the state of affairs that the morning star is a planet, and my audience recognizes both that I utter that sentence and that my utterance represents that state of affairs‹. Of course, Frege’s belief that the morning star is a planet — the belief expressed by his speech act — also represents, or has as conditions of satisfaction, the state of affairs that the morning star is a planet. For it is what he believes that he aims to express in speech and so to communicate to his hearers. Accordingly, Searle holds that the part of meaning concerned with representation is “the core of meaning” (Searle 1983, 168). — What then, on Searle’s theory, is ›the meaning‹ of an expression or utterance? The natural answer would be: the intentional content of the psychological state expressed by the speech act — in the Frege example, the thought or proposition that the morning star is a planet. (This would be the meaning of the utterance-token produced in a speech act of saying, ‘The morning star is a planet’; the meaning of the utterance-type, the expression per se, would be the intentional content of the type of psychological state normally expressed in uttering that expression.) Searle would no doubt accept this answer with the proviso that no special metaphysics be built into the notion of meanings as intentional contents. Indeed, he acknowledges that his theory of meaning and reference is essentially like Frege’s theory of ›Sinn‹ and ›Bedeutung‹, but he rejects the need to postulate with Frege a ›third realm‹ of abstract entities called ‘Sinne’ (1983, 197). In fact, Searle steadfastly avoids talking of ‘meanings’, or of ‘the meaning’ of an expression or utterance; instead, he talks only of ‘meaning’, i. e., speaker’s meaning taken as an intentional act or state. — Finally, how is
III. Positionen
reference analyzed in Searle’s theory? I take it his analysis, though not explicit, would run like so: Reference (and predication too) is a speech act, a part of the speaker’s meaning. When Frege says, ‘The morning star is a planet’, part of his speech act is his referring to Venus by uttering the phrase ‘the morning star’. In Fregean fashion, I think Searle would agree, this reference is determined by the intentional content of the belief expressed, specifically, by that part of the content that is expressed (if we may say so) by uttering the words ‘the morning star’. 2.1.2. The strength of Searle’s theory is its detailed story of the intentionality of speech acts. His earlier, Gricean theory accounted only for the communciative intentions in speaking. But his mature theory appraises also the intentionality of the psychological state expressed by the speech act, particularly the representation therein of what the speaker is talking about (s. art. 57). This story is, I think, phenomenologically sound, though we might q uibble over details in Searle’s analysis of the structure of meaning intention. A lacuna in Searle’s theory, however, is his failure to declare what is ›the meaning‹ of an expression. — Searle’s theory is assiduously neutral in ontology. This is both a virtue and a limitation. On the one hand, it is important to tell the story of intentionality — for both mental acts and speech acts — with as little ontological commitment as possible. As Searle’s work shows, the basic story line needs no special commitment to a ›third realm‹ of Fregean ›Sinne‹, much less a Cartesian dualism or an idealism. Indeed, ontological commitments, it is said, lie beyond phenomenological analysis per se. On the other hand, sooner or later the piper must be paid. The neutral story of intentionality must be given a proper ontological foundation, including an ontology of mental acts, actions (intentional bodily movements), intentional contents, etc. (s. art. 119). In fact, Husserl’s work offers a detailed phenomenological analysis of intentionality together with a couple of alternative ontologies, in terms of which he develops a detailed theory of meaning. 2.2. Husserl’s early theory of meaning and reference and its critique 2.2.1. In his monumental Logische Untersuchungen (1900/01), Husserl gave a detailed analysis of meaning and reference in terms of
46. Phenomenological approaches
intentionality in speech acts (cf. 1970, I and V). For Husserl an ›act of expression‹ — a speech act or ›expressive act‹ — has both a physical side and a mental side. The physical side is the production of speech sounds (together perhaps with gestures), while the mental side is the mental activity that ›gives meaning‹ to the act. The pattern of sound becomes speech or expression only “when the speaker produces it with the purpose of ›expressing himself about something‹ by its means, in other words, when in certain mental acts he lends it a meaning which he wants to communicate with the hearers / dadurch, daß der Redende sie in der Absicht erzeugt, sich ›dadurch über etwas zu äußern‹, mit anderen Worten, daß er ihr in gewissen psychischen Akten einen Sinn verleiht, den er dem Hörenden mitteilen will” (Husserl 1970 I, section 7, 276).
Thus, the speaker’s intention is to express himself about something and to communicate a meaning to his hearer. But the meaning to be communicated is not itself the speaker’s intent, the intentional content of this intention, or purpose. Rather, the speech act serves to communicate a meaning drawn form another mental act, an ›underlying‹ act that is ›expressed‹ or ›intimated‹ by the speech act — a judgment in the case of assertion. Consider again Frege’s saying, ‘The morning star is a planet’. This expressive act of assertion is founded upon Frege’s act of judging that the morning star is a planet. This underlying judgment has an intentional content consisting of two components: the ›q uality‹ of judging (as opposed to desiring, etc.); and the ›matter‹, or ›sense‹ (Sinn), which is the propositional content that the morning star is a planet. That ›sense‹ is the ›meaning‹ (Bedeutung) expressed by Frege in uttering the sentence. Since the speaker utters this sentence with the purpose of communicating to the hearer precisely that content, the speaker’s intention both depends on and is about the underlying judgment whose content is expressed in speaking. Note that Husserl and Frege used the technical terms ‘Sinn’ and ‘Bedeutung’ differently: for Frege the ›Sinn‹ of an expression is its meaning, and the ›Bedeutung‹ its referent; whereas for Husserl the ›Bedeutung‹ of an expression is its meaning, which is the ›Sinn‹ — part of the content — of the underlying act, and the object of the expression is its referent (s. art. 81). — In speaking, Husserl says, we do not ›live‹ in our perception of the sounds uttered, or even, presumably, in our intention to communicate
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such-and-such. Rather, we ›live‹ in the underlying mental acts that lend their meaning to the speech; for in speaking we are attending to what is presented in those acts (1970 V, 584). Thus, as Frege utters the sentence ‘The morning star is a planet’, his consciousness is focussed not on the words coming from his mouth, nor on the response he seeks from his hearers, but on the state of affairs that the morning star is a planet — the object of his underlying judgment. The speech act itself is thus a complex act whose ›object‹, or intentional focus, is the object of the underlying act it expresses. That is, Frege’s utterance of the sentence refers, or is semantically related, to the state of affairs that the morning star is a planet. And when in uttering the sentence he says ‘the morning star’, his words refer to the planet Venus. Notice that in Husserl’s semantics a sentence refers to a state of affairs, whereas in Frege’s semantics a sentence refers to a truth-value. Husserl gives a close analysis of the relation between the expressive act and the underlying act, its content, and its object. An expressive act, he allows, ›expresses‹ the underlying act; but he seeks a finer analysis. An act of expression ›indicates‹ the underlying act, in the same sense that a flag is a sign that conventionally indicates a nation. But language involves a special kind of indication, an indication of an intentional act. Husserl says the expressive act ›intimates‹ the underlying act. Further, the ›object‹ of the speech act — its referent (though Husserl does not use the term) — is the object of the underlying act. That object is presented in the underlying act through the act’s content. Accordingly, what the speech act properly ›expresses‹ is that content. Thus, the ›meaning‹ (Bedeutung) of an expressive act is the content (what he would later call the Sinn) of the underlying act intimated by the expressive act. And the meaning of the expression-type, the words uttered, is the content that would normally be expressed by uttering those words. On Husserl’s theory, then, the meaning and reference of an expression, or its utterance, derive directly from the intentionality of the speaker’s underlying mental act. The object, or referent, of the expressive act is the object of the underlying act; and the meaning of the expressive act is the content (the ›matter‹) of the underlying act. The expression (type or token) expresses the content and refers to the object of the underlying act. Furthermore, the object is determined by the content of the underlying
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act; hence, the referent is determined by the meaning of the expressive act, and similarly for the expression-type. Conseq uently, there is a parallel between linguistic reference and mental reference, or intentionality: as linguistic reference is mediated by meaning, so is intentional reference mediated by intentional content: precisely because linguistic reference is founded on intentional reference, the speech act borrowing its meaning and referent from the underlying mental act (s. art. 78). — Husserl offers a very specific ontology of meanings. Meanings are ›ideal‹ — today we say abstract — entities, in that they are shared by different utterances at different times and places and so they themselves are not tied to spatiotemporal locations. Being intentional contents, however, they are instantiated in particular mental acts (those underlying speech acts), which have specific temporal (if not spatial) locations. This theory of meanings is an application of Husserl’s ontology of contents of mental acts, which is set within an Aristotelian theory of species and instantiation joined with Husserl’s own theory of dependence and part-whole relations (cf. 1970, I, III, V). — Husserl distinguishes ›real‹ and ›ideal‹ contents of mental acts. The ideal content of an act he identifies with the species of the act, e. g., that of being a judgment-thatthe-morning-star-is-a-planet. The real content is that part of the act which instantiates, or is a particular instance of, the species: e. g., that part of an act that consists in judging that the morning star is a planet. That part of the act is a ›moment‹, or dependent part, of the act: it necessarily could not exist unless the act as a whole exists. It is ›real‹ because it has a temporal location, which is presumably that of the whole act. Thus, when Frege says, ‘The morning star is a planet’, the meaning of his utterance is the ideal species of his underlying act of judging that the morning star is a planet, a species that is instantiated in the ›real‹ part of content (specifically, the ›matter‹) of that act of judging, the real content being a dependent part of the act itself. That same meaning will be shared by Rudolf Lotze’s (1817—1881) saying, ‘The morning star is a planet’, though in that case the meaning will be instantiated by the relevant part of Lotze’s act of judging that the morning star is a planet (for a more extensive exposition of these views of Husserl, see D. Smith/ McIntyre 1982, chs. III, IV, and Mulligan/B. Smith 1986). 2.2.2. The strength of Husserl’s early theory
III. Positionen
of meaning is its discerning analysis of the relations among meanings, intentional contents, speech acts, and underlying acts of judgment, desire, etc. However, the proposed ontology of meanings is debatable. As we saw, Husserl identifies meanings with intentional contents of underlying mental acts. This is a plausible explication of the traditional idea that language expresses thought. But he further identifies intentional contents with ›ideal‹ species of mental acts. This is problematic, for there are things we want to say about meanings that we don’t want to say about act-species, and vice versa. — In particular, meanings include things like thoughts and concepts, and these entities have specifically semantic properties. For instance, a concept may be ›satisfied‹ by an object, and a thought may be ›true‹. But act-species per se do not have such semantic properties. We can say a particular mental act of judging is true, or we can say a mental act of conceiving is satisfied. But we cannot say the given species of judging or conceiving — the abstract entity itself — is true or satisfied. Again, one thought or proposition may entail another, but judgment-species do not properly entail one another. Furthermore, species come in hierarchies, but concepts and thoughts do not form hierarchies in that way. To be sure, there are concepts and meta-concepts, and thoughts about thoughts, and species of concepts and thoughts, and indeed the concepts of cat and mammal can be stacked up in parallel with the species Cat and the genus Mammal; but concepts and thoughts do not themselves stack up in a species-to-genus way. Moreover, things of a species instantiate the species, but mental acts do not instantiate — they ›have‹ — their contents. Of course, ontological reduction always brings surprises, so the early Husserlian might accept these ›surprises‹ as the price of the reduction. 2.3. Husserl’s later theory of meaning as noema and its critique 2.3.1. Husserl continued to develop his theory of intentionality and meaning in his middle and later works, including Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie I (1913) and Formale und transzendentale Logik (1929), but with a change in the ontology of intentional contents. No longer does he identify contents with species of mental acts; he assumes instead that they are a different kind of ›ideal‹, or abstract,
46. Phenomenological approaches
entities called ‘noemata’. With the ›transcendental‹ phenomenology of Ideen some scholars see a change from realism to idealism, but we shall assume here that Husserl remained a realist, distinguishing objects like trees and people from mental acts and their contents. In Ideen Husserl says the act of expression ›adapts‹ itself to an underlying intentional act so that the ›meaning‹ (Bedeutung) expressed in speech is, without alteration, the ›sense‹ (Sinn) of the underlying act (cf. Husserl 1967, section 124). The full intentional content of a mental act he calls a ‘noema’, and the ›nucleus‹ of the noema he calls a ‘sense’ (Sinn) (cf. Husserl 1967 sections 88, 90, 128—132). For instance, the noema of Frege’s judging that the morning star is a planet would include two components: the sense ‘the morning star is a planet’, and the ›thetic‹ content of judgment (as opposed to desire, etc.). Interestingly, he says the combination of sense and thetic content form a ›proposition‹ (Satz), a ›posited sense‹ (1967, section 133); most philosophers would take ›propositions‹ to be just the ›Sinn‹ components of acts like judging. — The intentional content, or noema, of an act is ›ideal‹ in that different acts of the same type or species share the same noema. But noemata, Husserl assumes, are not act-species: they are their own kind of abstract entities, similar to Fregean senses (Sinne). Thus, an act ›has‹ but does not instantiate a noema, and the sense in a noema has the semantic property of pointing towards a certain object (cf. Husserl 1967, sections 129—131). On Husserl’s mature theory of intentionality, then, an act is intentionally related to — ›of‹ or ›about‹ — a given object if and only if the act has a certain noema and the sense in that noema semantically prescribes, or is satisfied by, that object. The intentional relation between act and object is thus the composition of these two relations. In Ideen, then, Husserl shifts from an ontology of contents as Aristotelian species to an ontology of contents as Fregean abstract particulars. In the Aristotelian scheme, species exist only insofar as they are instantiated; but in the Fregean scheme, senses (including ›thoughts‹) form an eternal realm of abstracta whose existence is independent of both mental acts and physical objects. Husserl seems to assume that noemata are eternal and autonomous like Fregean senses, yet occasionally he implies that they exist only when acts occur that bear them as contents.
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What of meaning and reference in language? As in Husserl’s early theory, the meaning of an expressive act is the sense (Sinn) in the content, or noema, of the underlying act; and the object, or referent, of the expressive act is the object of the underlying act, the object determined by the sense of that act. Then the meaning and referent of an expression-type, as opposed to token, are the meaning and referent that an utterance of that type would normally have. And so meaning (= sense) determines reference. Husserl’s mature semantics is thus very similar to Frege’s (for a more detailed exposition of Husserl’s middle theory of meaning and intentionality, see D. Smith/McIntyre 1982; on the historical connections between Husserl and Frege, see Dreyfus 1982 and Mohanty 1982). 2.3.2. The advantage of Husserl’s later theory is that it avoids the problems we raised about his early theory of meaning as act-species. For noemata, or their sense-components (Sinne), are precisely the semantic entities normally evoked by terms like ‘concept’ and ‘thought’, and their work is not left mysteriously to act-species per se. We naturally think of such things as the meanings of our words. The disadvantage of Husserl’s later theory is the additional ontological commitment: the Platonism of entities like Fregean Sinne. Noemata are a kind of abstract entities, along with species, numbers, sets, and what have you. But what can be said of their existence? And of their relations and interdependence with concrete things, including mental acts and physical objects? An intentional relation between act and object — say, between Frege’s thinking and the planet Venus — takes place in the concrete world: it relates a temporal mental act to a spatiotemporal physical object. But on Husserl’s mature view, that relation is mediated by a noema or noematic ›Sinn‹, which is an abstract entity outside of space and time. So a successful intentional relationship relates one concrete entity to another by way of an abstract entity. Such a theory Mulligan and B. Smith (1986, 153) brand “incoherent”. That it is not, but the ontology is strong. For that matter, speciesinstantiation already relates an abstract entity to a concrete entity, so even the weaker ontology of Husserl’s early theory (where contents are act-species) connects abstracta with concreta (s. art. 82).
III. Positionen
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3.
Phenomenological theories of indexicality
Indexical words pose special problems for the philosophy of language, particularly for phenomenological theories. We shall discuss three phenomenologically based theories of meaning and reference for indexicals: Searle’s theory; the early Husserl’s theory, and its extension by Mulligan and B. Smith; and the author’s own theory, which ramifies a Husserlian theory of meaning so as to deal with indexicals. 3.1. The problem of indexicals Words like ‘this’, ‘I’, ‘now’, ‘here’, ‘you’, etc. are special because their reference depends on the context of utterance. When a speaker utters ‘this’, for instance, she refers to the object she is pointing at; when a person utters ‘I’ she refers to herself; ‘now’ refers to the time at which it is uttered; and so on. Such words Charles Sanders Peirce (1839—1914) (s. art. 32) called ‘indexical’, and so shall we. The problem of indexicals is to explain the context-dependence of the way they refer: in particular, to explain the role of meaning in such reference (s. art. 79). On a Fregean or Husserlian theory of reference, the referent of an expression is determined by its meaning, that is, the referent is a function of the meaning. But this Fregean principle breaks down for indexical words, given the Husserlian theory of meaning as intentional content. For different speakers can utter the same indexical word (‘this’, ‘I’, etc.) in different contexts and express the same intentional content though they refer to different things. The most dramatic way to make this point is by way of Hilary Putnam’s (*1926) famous ›Twin Earth‹ thought experiment (cf. Putnam 1975, 223—234.) Suppose there is a planet in a distant corner of the universe that is exactly similar to our own planet Earth — call it ‘Twin Earth’. When I say ‘this’ here on Earth, I refer to the object I am pointing at here; but on Twin Earth there is an exact duplicate of this scene in which my ›Doppelgänger‹ there says ‘this’ and refers to the object he is pointing at there. Since his circumstance duplicates mine, his mental state and mine are exactly the same in type, and so they have the same intentional content (whatever that is in detail). Similarly, when I say ‘I’ here I refer to myself, whereas when he says ‘I’ there he refers to himself, yet
our total mental states are identical in kind and so have the same intentional content (whatever exactly that is). And similarly for our utterances of any indexical word. Now, if the meaning expressed by an indexical word (‘this’, ‘I’, etc.) is the intentional content of an appropriate mental state of the speaker in uttering it, then my ›Doppelgänger‹ and I express the same meaning, the same intentional content, when we both utter that word. Yet we refer to different things. Thus, for indexical words, meaning cannot determine reference. It should be said that we shall draw very different conclusions from the Twin Earth case than have Putnam and others; where Putnam concluded that meaning cannot be ›in the head‹, we shall not. — The same argument can be run in a more mundane scenario, without assuming a Twin Earth. For instance, when you and I each say ‘I’, we refer to different people even though our utterances express the same meaning, the same form of experience or intentional content. In such a scenario, however, there is a temptation to get lost in the phenomenological details, wondering whether we really express the same form of self-awareness in saying ‘I’, or whether two people ever really have the same form of self-experience — and similarly for other indexicals. The Twin Earth case sets the scene with precision, eliminating such possibilities and forcing the clean conclusion that meaning (= intentional content) does not determine reference. A phenomenological, intentionalist theory of meaning for indexicals must come to terms with context-dependence in the dramatic Twin Earth case (s. art. 92). Frege was already aware that his theory of reference via sense was in need of revision for indexicals. In Der Gedanke. Eine logische Untersuchung (1918) he proposed that when an indexical (or even tense) is used to express a thought, the context of utterance is in fact part of the expression of the thought. Moreover, Frege assumed that the word ‘I’ cannot express the same mode of presentation for different speakers because, he conjectured, “everyone is presented to himself in a particular and primitive way, in which he is presented to no one else / jeder [ist] sich selbst in einer besonderen und ursprünglichen Weise gegeben, wie er keinem anderen gegeben ist” (Frege 1967, 25 f).
Husserl too in his Logische Untersuchungen (1900/01), as we shall see, was aware of the context-dependence of indexicals and the problem it posed for his theory of meaning. Let us consider, then, some phenomenological theories of indexical meaning and reference.
46. Phenomenological approaches
3.2. Searle’s theory of indexicality as selfreferentiality and its critique 3.2.1. Hans Reichenbach (1891—1953) called indexical expressions “token reflexive” (1947, section 50). Similarly, on Searle’s account (1983, ch. 8, 218—230), an utterance of an indexical word involves a type of self-reference, and that is the key to its indexicality. It is not that the speaker refers to the utterance (as in saying, ‘This statement is false’); it is rather that a specification of the conditions of satisfaction of the utterance includes an essential reference to the utterance itself. For instance, when a person says, ‘I am hungry’, the conditions of satisfaction of the assertion can be stated as follows (Searle 1983, 223): “The person making this utterance, ‘I’, is hungry at the time of this utterance, ‘now’”. Searle wants to defend a Fregean theory of indexicals against Putnam’s Twin-Earth argument, while disavowing Frege’s ontology. Thus, for Searle, the ›Fregean sense‹ expressed by uttering an indexical expression will be an intentional content that determines the conditions of satisfaction for the utterance. What sort of content? Searle posits three elements in the sense expressed by uttering an indexical expression (1983, 222—226): a selfreferential content, a nonindexical descriptive content, and in some cases a supplementary awareness of context. When a person says, ‘I am hungry’, for instance, the conditions of satisfaction of the utterance, as formulated above, include reference to the utterance itself. The referent of the utterance of ‘I’ is determined by ›the person making this utterance‹, i. e., by that part of the conditions of satisfaction which is formulated thereby. In this way the utterance of ‘I’ involves the utterance’s reference to itself, even though the speaker is referring not to the utterance but to himself. Searle says the self-referentiality is “shown but not stated” (1983, 223) — whatever that Wittgensteinian phrase means. — Now, Searle holds that uttering an indexical further expresses a ›nonindexical descriptive content‹ which ›indicates‹ the appropriate relation between the object referred to and the utterance. Uttering ‘I’, for instance, further expresses the content ‘the person uttering’, which indicates the relation between utterance and referent: the utterance is being uttered by the referent. Furthermore, Searle holds, an utterance of an indexical may not have a proper Fregean sense (which by itself determines reference) until it is supplemented by
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the content of the speaker’s and hearer’s awareness of the context of utterance. When a person says, ‘That man is drunk’, for instance, Searle says “the utterance is only meant and understood in the context of an accompanying visual perception of which man is meant, and the proposition expressed has to contain the [i]ntentional content of the perceptual experience that accompanies the utterance” (1983, 226).
The full conditions of satisfaction of that utterance Searle would thus formulate as follows (if we may simplify a bit): “there is a man x there, and the fact that x is there is causing this visual experience, and x is the man visually experienced at the time of this utterance, and x is drunk” (cf. 1983, 227). The speaker, and the hearer too, sees the man referred to, and the content of his visual experience has the conditions of satisfaction, on Searle’s analysis, that ›there is a man x there, and the fact that x is there is causing this visual experience‹. This content supplements the self-referential content ‘x is the man visually experienced at the time of this utterance’, which involves the descriptive content ‘x is the object being visually experienced at the time of the utterance’, which indicates the contextual relation between the referent and the utterance. — A Fregean or Husserlian theory of reference is ›internalist‹ in the sense that reference is determined by an intentional content ›in the speaker’s head‹. Searle says his theory of meaning and reference is “internalist” (1983, 198), and this includes his theory of indexicals. But how can indexical reference be determined by ›internal‹ content if it depends on the ›external‹ context of utterance, which is not ›in the speaker’s head‹? Because, he says, “the ›contextual‹ elements are indeed present, but they are fully internalized in the sense that they are part of the [i]ntentional content” (1983, 212). More precisely, the contextual elements are part of the conditions of satisfaction of the relevant experience: for instance, when someone says, ‘I am hungry’, part of the conditions of satisfaction are that the referent of ‘I’ be uttering ‘I’. But Searle in effect identifies intentional content with conditions of satisfaction (1983, 10—13 ff; 48—51), so he can then say the context is part of the content of an indexical utterance. — How does Searle handle the Twin Earth argument? He says there simply is no problem (1983, 227): “I, on this earth, and my ›Doppelgänger‹, on twin earth, will express different Fregean senses in our
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use of the demonstrative ‘That man’, even though our utterances and our experiences are q ualitatively type identical. His perception and his utterance are both self-referential, as are mine”.
Thus, when I and my ›Doppelgänger‹ utter the same indexical, Searle holds, we express different intentional contents and refer to different objects: hence, reference is still a function of sense, or intentional content. Why are the contents expressed by myself and my double different? Because, Searle holds, the conditions of satisfaction of my saying, ‘That man is drunk’, are that the man being visually experienced by the utterer of my statement is drunk, while the conditions of satisfaction of my double’s saying the same are that the man being visually experienced by the utterer of his statement is drunk. Again, the context is in this way part of the conditions of satisfaction, for Searle. 3.2.2. As Searle finds, an indexical utterance involves a kind of self-reference, in its satisfaction-conditions. However, the essence of indexical meaning lies elsewhere, as we shall see in section 3.5. In any event, Searle is right in arguing, against Putnam and others, that an internalist theory of indexicals can accommodate context-dependence and the TwinEarth thought-experiment; but his account of the Twin Earth case is incorrect. — Searle holds that in a Twin Earth scenario the two speakers uttering an indexical, on Earth and Twin Earth, express different senses, i. e., intentional contents, though their underlying experiences are q ualitatively type identical. But surely that is mistaken. Fregean senses are defined by modes, or types, of presentation; so type identical experiences, or presentations, must have the same content, or sense. Searle’s error springs from his tendency to identify contents with conditions of satisfaction — seeking thereby to defuse the ontology of content, or sense. If we clearly distinguish contents from satisfaction-conditions, however, we can easily describe Twin Earth cases correctly. The Earthling and her Twin Earth double express the same content by uttering an indexical, and their utterances have the same type of satisfaction-conditions, but the particular objects in virtue of which their utterances are satisfied are different in the two cases. Everything Searle says about such a case is correct (given his account of indexicality), except that the intentional contents expressed are the same. But then Searle has not answered Putnam’s charge against the Fregean principle that sense determines
III. Positionen
reference. In Searle’s account of indexical meaning, it is not yet clear what the relations are among the three kinds of content expressed by an indexical: the properly indexical content (involving self-referentiality), the nonindexical descriptive content, and the supplementary perceptual content for demonstratives. A detailed account of just these matters is begun in Husserl’s account of indexicals. 3.3. The early Husserl’s theory of meaning for indexicals and its critique 3.3.1. In Logische Untersuchungen Husserl offered an astute if brief account of indexicals, set within his general theory of meaning and reference (which we outlined in 3.2.; cf. Husserl 1970 I, section 26, and VI, sections 4— 5; for details of interpretation, see D. Smith 1982). Husserl called indexicals ›essentially occasional expressions / wesentlich okkasionelle Ausdrücke‹. An occasional expression, he held (1970 I, section 26, 315—317), has two levels of meaning: a generic meaning, which is the same for all utterances; and a specific meaning, which varies with the occasion of utterance. The generic meaning is a concept reflecting the “universal semantic function / allgemeine Bedeutungsfunktion” (Husserl 1970, 315) of the expression. For the word ‘I’ this meaning is the concept “whoever speaks is designating himself / der jeweilig Redende, der sich selbst bezeichnet” (Husserl 1970, 315), or perhaps “the speaker uttering ‘I’”. But this “conceptual meaning / begriffliche Vorstellung”, Husserl says, “is not what the word ‘I’ means / ist nicht die Bedeutung des Wortes ‘ich’” (1970, 315). What ‘I’ means on a particular occasion of utterance — the specific meaning expressed on that occasion — depends on “the intuitive circumstances which surround it / den zu ihr gehörenden, anschaulichen Umständen” (Husserl 1970, 315), i. e., the speaker’s intuitive awareness of himself. “[T]he meaning of ‘I’ / die Bedeutung des ‘ich’”, Husserl says, “is essentially realized in the immediate presentation of one’s own personality [...]. Each man has his own I-representation (and with it his individual concept of I) and this is why the word’s meaning differs from person to person / vollzieht sich [...] wesentlich in der unmittelbaren Vorstellung der eigenen Persönlichkeit [...]. Jeder Redende hat seine Ichvorstellung (und damit seinen Individualbegriff von ‘ich’), und darum ist bei jedem die Bedeutung des Wortes eine andere” (1970, 316).
46. Phenomenological approaches
On Husserl’s account, then, not only does the referent of an indexical word vary with the occasion of utterance, but so does the specific meaning expressed, which is the content of the speaker’s ›intuitive‹ presentation of the referent. Husserl can thus accommodate the Fregean principle that meaning determines reference: provided the object of an ›intuitive‹ presentation is a function of the content of the presentation. Accordingly, Husserl’s theory of indexical meaning, like Searle’s, would dismiss the Twin Earth scenario on grounds that the two speakers’ intentional contents would be different, as are their referents. — How are the generic and specific meanings of an indexical expression related? Husserl says the generic meaning ›indicates‹ to the hearer the speaker’s specific meaning on the occasion of utterance (1970, 316). That is, in virtue of the generic meaning of the word, the speaker’s utterance indicates the specific meaning to the hearer, calling upon the hearer’s familiarity with that sort of intuitive presentation. In the case of the demonstrative pronoun ‘this’ or ‘that’, Husserl gives more details. Demonstrative reference, Husserl holds (1970 VI, sections 4—5), is founded on the speaker’s perception of the referent, perception being the paradigm form of ›intuition‹ (Anschauung), or direct awareness. When a speaker says ‘this is a blackbird’, for instance, “[t]he perceived object, as it is given in perception, is what the word ‘this’ means / [so ist d]as wahrgenommene Objekt [...], so wie es in der Wahrnehmung gegeben ist, mit dem ‘dies’ gemeint” (Husserl 1970, 682).
That is, the specific meaning expressed by saying ‘this’ is the content of the speaker’s perception of the referent on that occasion. “The intuition [...] gives determinateness of objective reference / die Anschauung gibt [...] die Bestimmtheit der gegenständlichen Richtung” (Husserl 1970, 683) to the generic meaning of ‘this’, which is the ›indeterminate‹ concept ›what the speaker is pointing at‹, or better ›what the speaker is seeing and pointing at‹. The generic meaning then indicates the specific meaning to the hearer, but only insofar as the hearer, like the speaker, has a perception — an intuitive presentation — of the object the speaker is pointing at. For Husserl, then, the key to indexical reference is intuition: an indexical utterance expresses the content of the speaker’s intuition, or direct awareness, of the referent. Accordingly, Husserl says occasional expressions are like
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proper names in that they refer to an object ›directly‹, i. e. “not in the attributive way as the bearer of these or those properties, but [...] as that which it ›itself‹ is, just as perception might set it before the eyes / nicht in attributiver Weise als Träger dieser oder jener Merkmale, sondern [...] als denjenigen, der er ›selbst‹ ist, so wie ihn die Wahrnehmung vor Augen stellen würde” (Husserl 1970, 684).
The resonance is clear with Bertrand Russell’s (1872—1970) distinction between ›logically proper names‹ (indexicals) and definite descriptions (›the so-and-so‹), which express respectively knowledge by acq uaintance and knowledge by description. 3.3.2. The distinctions Husserl draws exactly parallel those in David B. Kaplan’s (*1933) definitive logic of demonstratives (for details see D. Smith 1982). But unlike Kaplan, Husserl identifies the two levels of indexical meaning with two types of intentional contents and thereby preserves an internalist theory of meaning for indexicals. The success of Husserl’s theory of indexicals will depend, however, on the details of the accompanying analysis of intuition, and that theory remained inadeq uate in Husserl’s writings. Like Bernard Bolzano (1781—1848) (s. art. 28) Husserl took intuition to be a singular presentation of a particular object ›itself‹. By Husserl’s general theory of intentionality, the object of an intuition is supposed to be determined by the content, or sense, of the intuitive presentation. But what is an ›intuition-sense‹ (Anschauungssinn)? And how does it work semantically to determine — in an internalist way — the object of intuition on a given occasion? Husserl’s story does not answer these q uestions. — For Husserl as for Searle, the Twin Earth problem lingers. On Husserl’s account, two speakers uttering the same indexical, on Earth and Twin Earth, would express different specific meanings: different ›intuitive‹ contents that determine the referents in the two contexts of utterance. But that is incorrect: the two speaker’s experiences are type identical and therefore must have the same content — indeed, the early Husserl explicitly identified an act’s content with its ideal species. Furthermore, to make good on the Fregean principle that meaning determines reference, Husserl would have to assume that intuitive contents are indexed by the objects they determine in the context of awareness, so that different objects of intuition would always be determined by different
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intuitive contents. But that indexing would take Husserl beyond the internalist theory of meaning. There is an apparent inconsistency in Husserl’s account of demonstratives. On the one hand Husserl says, “The perceived object, as it is given in perception”, — which in Husserl’s jargon means the content or sense of the perceptual experience — “is what the word ‘this’ means”. But on the other hand Husserl says “perception is an act that determines but does not contain meaning since [...] ‘this’ can often be used and understood without an appropriate foundation in intuition / daß es Wahrnehmung [...] als Bedeutung bestimmenden, aber nicht als Bedeutung enthaltenden Akt gibt, weil [...] dies vielfach ohne angemessene Anschauungsunterlage gebraucht und verstanden wird” (1970, 684).
The interpretation above has followed out the first claim, whereas Mulligan and B. Smith, as we shall see, have followed out the second. 3.4. Mulligan and B. Smith’s dependence theory of indexicality and its critique 3.4.1. Mulligan and B. Smith (1986) develop the early Husserl’s theory of indexicals as an application of Husserl’s theory of dependence relations and his theory of parts and wholes, which they have championed elsewhere. They focus on demonstratives and their relation to perception. — Mulligan and B. Smith (1986, 137—142) distinguish, to begin with, two kinds of ›act‹ involved in an indexical utterance such as ‘that is a blackbird’: a ›meaning act‹ and a perceptual act. The meaning act is the speech act of meaningfully saying, ‘that is a blackbird’. The perceptual act is the speaker’s perception of the referent, and it is this perception that determines the reference. But there is a third act involved too: the speaker’s perceptual judgment that ›that is a blackbird‹. It is not the perception but this judgment, founded on the perception, whose content is the meaning expressed in the speech act. As Mulligan and B. Smith quote Husserl “[T]he meaning of a perceptual statement [...] could not acq uire a determinate relation to the object it means without some intuitive aid. [...] Intuition in fact gives [the meaning ...] determinateness of objective reference, and thereby its last difference. And this achievement does not req uire that a part of the meaning must itself lie in the intuition / [die] Bedeutung der Wahrnehmungsaussage [könnte sich ...] ohne Sukkurs der Anschauung in ihrer bestimmten Beziehung auf die gemeinte Gegenständlichkeit
III. Positionen
nicht entfalten. [...] Die Anschauung gibt [dem Unbestimmten der Bedeutung] nämlich die Bestimmtheit der gegenständlichen Richtung und damit seine letzte Differenz. Diese Leistung erfordert es nicht, daß ein Teil der Bedeutung selbst in der Anschauung liegen müsse” (Husserl 1970 VI, section 5, 683).
The relations among these three acts, on Mulligan and B. Smith’s interpretation, are relations of dependence. For Husserl, one object (or event or state of affairs) depends, or is founded on, another if the first necessarily could not exist (or occur or obtain) unless the second did. Thus, a speech act of saying, ‘That is a blackbird’, depends on the speaker’s perceptual judgment that ›that is a blackbird‹: that meaningful utterance could not occur unless the perceptual judgment occurred. But the perceptual judgment in turn depends on the speaker’s perception of a blackbird, without which the perceptual judgment could not occur. Furthermore, the judgment is ›indeterminate‹, and the perception gives it ›determinateness‹, adding the ›lowest specific difference‹. The perception, Mulligan and B. Smith propose, ›fills‹ the ›slots‹ of meaning left open in the judgment. Of course, there is yet another dependence relation involved in indexical reference. The speaker’s saying ‘that’ cannot refer to an object (successfully) unless the object is appropriately located before the speaker on the occasion of utterance. This is the familiar sort of context-dependence everyone notes in indexical reference. The two sorts of dependence above, however, relate the speech act to an underlying judgment and a perception. — What, then, is the meaning expressed by saying ‘that’, or ‘that is a blackbird’? On Mulligan and B. Smith’s development of Husserl’s theory (1986, 138 ff), the meaning of that statement is the meaning, or content, of the perceptual judgment it expresses. But that meaning, they argue, cannot be simply the content of that judgment, which is the species of the judgment. For the judgment is itself indeterminate and only rendered determinate by the perception on which it is founded. Mulligan and B. Smith do not spell out the Husserlian distinction between generic and specific, or ›indicating‹ and ›indicated‹, meaning for an indexical, but I take it their story should run as follows. The generic meaning of a person’s saying, ‘that is a blackbird’, the meaning common to all occasions of utterance, is the content (= species) of the judgment. That content is itself indeterminate, and so can be grasped by a hearer without any perceptual knowledge of
46. Phenomenological approaches
the circumstance of utterance. The specific meaning of the utterance, on the given occasion of utterance, is the content (= species) of the speaker’s perception of the referent, which ›determines‹, or ›fills in‹, the generic meaning down to the ›least specific difference‹ on the occasion of utterance. That meaning is ›indicated‹ to the hearer only in the circumstance of utterance, given the hearer’s perception of the referent from his point of view. 3.4.2. By stressing the theory of dependence, Mulligan and B. Smith explicate two kinds of context-dependence in demonstrative utterances: the dependence of indexical reference on the ›external‹ context of utterance, e. g., the spatiotemporal (and causal) relation between speaker or utterance and referent; and the dependence of the speech act itself on its ›internal‹ context, including the speaker’s judgment and the perception it depends on. All this is an important part of the story of indexicality, and req uires a proper ontology of dependence relations. There are problems, however, with Mulligan and B. Smith’s analysis of indexical meaning (beyond the general issue of whether to identify meanings with act-species). What precisely are the relevant judgment content and perceptual content? In what way is the former ›indeterminate‹ and the latter ›determinate‹, and how does the latter ›fill in‹ the former? If the judgment content is something like the nonsingular proposition ‘the object being pointed at by the speaker is a blackbird’, how is that proposition ›filled in‹ by the singular content of seeing a blackbird? Husserl does not answer these q uestions, nor do Mulligan and B. Smith. — In any event, ›determinateness‹ of content is not the key to indexical meaning, as Mulligan and B. Smith assume. For determinateness may define singular presentation, and so insure that indexical reference is singular, but it will not distinguish indexical reference from other kinds of singular reference, e. g., by proper names. Moreover, Mulligan and B. Smith’s account has nothing to say about the semantic role of content or meaning in indexical reference. What does the expressed content do in relation to the referent? In particular, does sense determine reference, on Mulligan and B. Smith’s account of indexicals? How would they address the Twin Earth case? They reject an ontology of Fregean senses as abstract particulars, but that still leaves the Fregean principle, whatever the ontology of sense may be (s. art. 78).
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3.5. The author’s theory of indexical content The author has proposed a theory of meaning and reference for indexicals which we may call the ‘indexical-content theory’ (cf. D. Smith 1981, and a supporting story for perception in D. Smith 1984). On that theory, indexical reference is context-dependent yet mediated by an essentially indexical meaning, which is identified with the content of the speaker’s acq uaintance (= ›intuition‹) of the referent. That theory preserves the ›internalist‹ thrust of Husserl’s analysis but rejects the Fregean-Husserlian principle that reference is a function of sense. — Assume a broadly Husserlian or Searlean account of speech acts and their meaning, where the meaning of an expression is the content of the expressed underlying mental act (s. art. 54). An indexical expression, then, expresses the content of the speaker’s experience of acquaintance with the referent, which is an essentially indexical content. In particular, saying ‘this’ expresses the content of one’s perceptual awareness of the object one is referring to; saying ‘here’ expresses the content of one’s perceptual awareness of one’s location; saying ‘I’ expresses the content of one’s immediate awareness of oneself; and so on. What precisely are those contents? We specify them in everyday language by the indexical words that express them; to specify them further is a matter of detailed phenomenological analysis. However, we can specify their semantic force, by formulating their conditions of satisfaction, and thereby appreciate their essentially indexical character. Thus, the content This in a person’s visual experience (say, of seeing ›this dog‹) on a given occasion prescribes, or is satisfied by, the object visually before the person, i. e., at a certain location before the person and causally affecting her eyes on that occasion. And accordingly, when a person says ‘this’ while seeing (and perhaps pointing at) a given object, she expresses the content This in her visual experience of the object and thereby refers to that object. Similarly, the content I in a person’s experience, say, of thinking that ›I am hungry‹, prescribes, or is satisfied by, the person having the experience. And when a person says ‘I’ while having such an experience, she expresses the content I in the experience and thereby refers to herself, the person saying ‘I’ while immediately aware of herself. The contents This, I, etc., are indexical contents in that they prescribe, or are
662
satisfied by, an appropriate object in the context of awareness. Indeed, it is only in a particular experience in a particular context on a particular occasion that they prescribe or ›mean‹ anything at all. They are thus ›occasional‹ contents, and not ›eternal‹ contents, like the concept ‘the inventor of bifocals’, which arguably prescribes an object independently of any context of awareness. The meaning expressed by ‘this’, ‘I’, etc., on a given occasion of utterance is the indexical content This, I, etc. This meaning is keyed to the speaker’s point of view, which the hearer does not share, but the hearer is familiar with that form of experience that carries the content expressed, and so the hearer understands the speaker’s meaning, as it were, by triangulation with respect to the relevant point of view. There is not a second level of meaning, shared by utterances on different occasions; there is only this one content, realized in different experiences on different occasions. What Husserl sought as the second, generic meaning was a different but co-referential meaning. For instance, the concept ‘the person uttering ‘I’’ embodies a different mode of presentation than the content I itself, yet they prescribe the same object on a given occasion. — In a certain sense, the referent of an indexical utterance is ›determined‹ by the sense expressed: for the referent is the object prescribed by the indexical content in the speaker’s underlying acq uaintance with the referent. In that sense the theory is ›internalist‹. But while that principle is Husserlian and Fregean in spirit, it departs from the familiar Fregean principle that the referent is a function of the sense. For the same indexical content will prescribe different objects in different contexts. And so, crucially, indexical reference is essentially context-dependent. This indexical-content theory readily accounts for Twin Earth cases. For instance, when I on Earth and my ›Doppelgänger‹ on Twin Earth both say, ‘I am hungry’, we express the same content I but through it refer respectively to ourselves. For in my experience of thinking ‘I am hungry’, here on Earth, the content I prescribes me, while in my double’s experience of thinking the same, there on Twin Earth, the same content I prescribes him. And similarly for other indexical expressions. Notice that, contra Putnam, the meaning of ‘I’, ‘this’, etc., remains ›in the speaker’s head‹. — On this theory, the essence of indexical reference is context-dependence,
III. Positionen
and the essence of indexical meaning is its semantic appeal to features of context. Indexical content is not defined merely as singular content, reflecting a singular mode of presentation, or, as Mulligan and B. Smith assume, ›determinateness‹ of presentation and hence reference. Nor is indexical content defined in terms of self-referentiality per se, though, as Searle rightly notes, the conditions of satisfaction will always involve reference to the experience itself. What is characteristic of indexical content is rather a sense of perspective on the object presented, which is part of the subject’s contextual relation to the object. Thus, the word ‘this’ expresses a spatial perspective on the referent, ‘I’ expresses a ›first-person‹ perspective on oneself, and so on. This perspectival character entails context-dependence, but it outruns singularity and is not the same as self-referentiality. — The indexical-content theory is formulated so as to accommodate a Fregean or later-Husserlian ontology of senses as abstract particulars. However, the main results in the theory are ›semantic‹ rather than ontological, so the basic results — indexical content determining an object in the relevant context — can be grounded in various ontologies of content, including the early Husserlian scheme of content as act-species. 3.6. Critique of the indexical-content theory The chief problems for the indexical-content theory concern the phenomenology and ontology assumed. The details of indexical content remain to be specified by detailed phenomenological analyses of different kinds of acq uaintance. And the general problem remains of what their ontological category should be. If a ›third realm‹ of Fregean senses is assumed, then indexical contents will be a special kind of sense, different from any described by Frege or Husserl. However, though abstract particulars, they will do their work only in concrete contexts in the concrete world: where entertained in particular experiences on particular occasions, prescribing concrete objects in those circumstances. In this respect indexical contents are very different from Fregean senses, which form eternal thoughts wholly independent of minds. Moreover, since most or all of our empirical thoughts and statements contain indexical elements (including tense), their contents will rarely if ever be bona fide Fregean senses.
47. Dialogical approaches
4.
Selected references
Dreyfus (ed.) 1982, Husserl, Intentionality, and Cognitive Science. Frege 1966, On sense and reference, in Translations from the Philosophical Writings of Gottlob Frege. [1892] Frege 1967, The thought: a logical inq uiry, in Philosophical Logic. [1918] Husserl 1970, Logical Investigations. [1900—1901] Husserl 1967, Ideas. [1913] Husserl 1969, Formal and Transcendental Logic. [1929] Mohanty 1982, Husserl and Frege.
47. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
663
Mulligan/Smith 1986, A Husserlian theory of indexicality, in Grazer Philosophische Studien 28. Searle 1983, Intentionality. Smith 1981, Indexical sense and reference, in Synthese 49. Smith 1984, Content and context of perception, in Synthese 61. Smith 1982, Husserl on demonstrative reference and perception, in: Dreyfus (ed.) 1982. Smith/McIntyre 1982, Husserl and Intentionality: a Study of Mind, Meaning, and Language.
David Woodruff Smith, Irvine, Cal. (USA)
Dialogical approaches Connections with systems of value Glimpses from non-dialogical philosophy Two irreducible phases in human activity Controversy and dialectical fields Mental, intensional, argumentai Selected references
Connections with systems of value
1.1. Dominant interests The dialogical approaches in the philosophy of language seem to be linked to one or more of the following values or dominant interests (as displayed in the authors’ integral production): (a) fascination with the existence of other minds; (b) a desire, sometimes religious in its strength, for acq uaintance with other minds; (c) the possibility of enhancing own and other persons’ access to participation in human affairs; (d) a general pragmatic/pragmatistic outlook; (e) the possibility of conflict resolution by linguistic means. — When is a philosophical position really dialogical? Perhaps the following answer will do: When solitary mental activity is no longer primarily valued for its potential for interchange with God or gods, nor as a philosophical alpha or omega, but in essential part (also) as preparation for interchange with other human minds (cf. 3.1.), interchange with one’s own mind now being seen as a borderline case. — If we define ‘dialectical’ as in 2.9., then we can say that dialogical philosophy is working at the development of procedural-dialectical frameworks for linguistic interchange that may be recommended for their potential as
tools for: de-escalation in theatres of violence; empowerment and self defense; analysis. 1.2. The ideal of anonymity/neutrality in science If the basic relations of communication and dialogue are taken, as in traditional philosophy, to be those between individual human beings and God, then in a monotheistic culture the second relatum, God, is a constant which may be — and was — left out in descriptions of semiotical relations. The result is either: ›objective‹ realism (as in two-valued deductive and inductive logic); a predilection for transcendental foundations (e. g., as in definitions of ‘Truth’ in terms of ›the‹ ideal (or ultimate) discussion); or some sort of subjectivism (e. g., intuitionist mathematics). The former ideal, that of ›objective realism‹, leads, as far as semiotics is concerned, to the ideal of anonymity in science. At the moment the favoured representational form is that of anonymity, although people with an operationalist type of mind, whether they are given to philosophical dialogue or not, claim not to understand anonymous objectivist theory. — Does this ideal encourage dialogue? Many thinkers seem to have cherished the ideal of anonymity precisely because they held it to be the best guarantee for intersubjective understandability and validity. The situation is somewhat similar to the function of monotheism in religion. If the world population at large could be brought to believe that there is, in an objective sense, one and only one god, then the chances for tolerance, oecu-
III. Positionen
664
menical understanding and co-operation seem much greater than when individual men and women believe in many gods. It might seem, analogously, that to leave the ideal of anonymity and open up for a diversity of ›worlds‹ is counterproductive for whoever wants to contribute to greater intersubjective understanding. However, the ideal of anonymity can be misused. It can be exploited for quite other ends; for psychologically it favours individuals with a liking for exclusivity to no smaller degree than it favours the dialogically inclined ones. It is also well suited to individuals with a situational need to keep the outer world and its inhabitants at a distance. It should be added that the subjectivist ideal seems to favour the a- or anti-dialogical mentalities mentioned above to an even much stronger degree. 1.3. Conflicts and critical discussions (i) The theory of ›rational‹ discussions does not aim at revealing how conflicts of opinion come into being but when and how they can be resolved by verbal means. Compared to most other modes of conflict resolution the verbal means elaborated in the dialectical theory of argumentation are very irenic indeed. Compared to other uses of language, however, even ›regimented‹ critical discussions are often ›more aggressive‹ in the sense that they involve systematic ›attacks‹ on statements — though not on characteristics of the persons involved — as well as systematic challenges to persons with respect to their statements as made in the discussion. One way of promoting more irenic attitudes in society is to try to enhance interest in conflicts of opinions rather than in conflicts of other kinds. — Our terminology here is as follows. A mere ›difference of opinion‹ simply consists in a triple 〈Op, A, B〉 where A and B are different (groups of) users of language and Op an opinion of A’s that is not shared by B. The difference is ›avowed‹ if A has stated Op and has not withdrawn the statement. In a (full, mature, overt) ›conflict of avowed opinion‹ A’s statement (which we may call T) has been communicated to B, and B has thereupon ›challenged‹ A with respect to T and with respect to B’s own concessions ›in this matter‹ by communicating disagreement (non-acceptance of 7). Hence a conflict in this sense is a q uadruple 〈T, A, B, Con〉 satisfying certain conditions of communication. — A dynamic theory of how to solve conflicts of opinion by verbal means becomes an instrument for speeding up the flux of opinions in society.
This is vital to the goal of peacefully promoting social and cultural (including scientific) change. Power systems rest upon beliefs and attitudes which those in power are not usually willing to submit to critical discussion. Spokesmen for the oppressed are not given the chance to triumph over their oppressors in — at the end of — a critical discussion (›Streitgespräch‹). The reasons for this are many and varied. One reason is highly underestimated: the influence from traditional philosophy, and from the theological and political doctrines that rest upon it.
2.
Glimpses from non-dialogical philosophy
2.1. The rise of Reason (i) Walter J. Ong (*1912) describes how the spirit and practice of debate disappeared from European philosophy and its logic after the Middle Ages (Ong 1958) (s. art. 4). The downfall of discussion-oriented logic was a conseq uence of — or at least concomitant with — the rise of Reason (ratio) and of a metaphysicized monological logic deriving partly from Neoplatonic philosophy, partly from rhetoric and its doctrine of topics, the topics now being represented as existing in a rational space: from the 13th century onwards, starting with Peter of Spain (Petrus Hispanus, ca. 1205—1277), a metaphysical dimension — a ›dialectical continuum‹ — became the focus of theoretical logic (Ong 1958, 205). Here ‘dialectical’ has entirely lost its semantic connections with ‘dialogical’. In the 16th century the rhetorical teachings of Marcus Tullius Cicero (106—43 B. C.) were often combined with those of Plato (427—347 B. C.) (s. art. 14). Responsibility for the further decay of logic in these directions rests especially with Petrus Ramus (1515—1572), who spoke of the dialectical art as ›ars disserendi‹, the art of exposition to an audience that may remain passive. In the 1587 German translation of his Dialectique, ‘disserere’ is translated as ‘die Vernunft zu gebrauchen’ [to use Reason]. In the 17th and 18th centuries the name ‘Vernunftlehre’ or ‘Vernunftkunst’ [the art of Reason] became the usual name in Germany for that complex of problems that we now call ‘Logic’. (ii) It is well known that the impact of Renaissance logicians was greatest in Germany (s. art. 7). The Frenchman Ramus had his greatest following there, as had the German Philipp Melanchthon (1497—1560) and others. Strangely enough, it was Georg Wil-
47. Dialogical approaches
helm Friedrich Hegel (1770—1831) who brought about the rehabilitation of the word ‘Logik’ in Germany by choosing that word rather than ‘Vernunftlehre’ or ‘Dialektik’ for his influential and non-dialogical essay Wissenschaft der Logik (cf. Scholz 1967, 10 f). 2.2. The rise of inductivism Since scholasticism did not know empirical induction as a method for arriving at knowledge, in empiricist circles the scholastic penchant for debate came to be associated with deductive logic (cf. Howell 1956, 23—28, 147—165, 293—317, 346—365; Jardine 1974, 10). Empiricism therefore did not provide a counterbalance to the monological orientation of rationalism (s. art. 11, 12). In our century British analytical philosophy has, however, contributed to an outlook on discourse in general that comes close to an explicit recommendation of a dialogical outlook on language and its logic, and there can be no doubt that we owe that development to the impact of empiricism. 2.3. Privileged positions Jean-Jacq ues Rousseau (1712—1778) wrote for the liberator of Corsica, general Paoli, a speech that began as follows: “Corsicans be silent: I am going to speak in the name of all” (O’Brien 1985, 29). Though Rousseau in all likelihood was ingrained, like all other people, with cognitive structures that clerical powers had made commonplace, he did not base the privileged position he attributed to the general on theological grounds but on his presumed rights and his ability to represent the population as a ›whole‹: a metaphysical political entity. In many cultures one finds this claim, that one or more persons, or a certain well-defined group, are to be trusted as Keepers of the Word with god-given prerogatives. No dialogue of these persons with outsiders is then encouraged; attempts to enter into critical discussion with persons holding such semiotical prerogatives, or to challenge the prerogatives themselves, are freq uently answered with physical violence (s. art. 49). In Western philosophy and culture the claim usually takes one of three forms: one claims (i) Papal infallibility ex cathedra, (ii) a ›natural‹ right for one or more individuals to verbally represent a certain socio-political whole, (iii) semiotical rights and infallibility for the Party (as in Marxism-Leninism). The difference between (ii) and (iii) lies in the difference between individuals as verbal representatives of the Will of the whole and
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a well-defined political party — another whole — which has ›natural‹, ›religious‹, ›historical‹ or ›material rights‹ to all political power in the society in q uestion. This may be contrasted with the analytical methods and results exhibited in Simonsson 1969, du Preez 1980, Roig 1980, Smit 1987, and the essays in Barth/Krabbe (eds.) 1992 and in Barth/ Van Dormael/Vandamme (eds.) 1992. 2.4. Dr. Faustus Thomas Mann (1875—1955) offers a forceful example of the effect wrought in German culture by monological idealist philosophy. In his Dr. Faustus we read about his composer hero, Adrian Leverkühn: “Wenn ich vom Hören höre! sagte Adrian. Nach meiner Meinung genügt es völlig, wenn etwas einmal gehört worden ist, nämlich, als der Komponist es erdachte” (Mann 1947, 404).
Confronted with him, an opponent has lost the game in advance. 2.5. The apotheosis of subjectivism: negationless logic The Dutch mathematician Luitzen E. J. Brouwer (1881—1966) is a representative of German monological idealist philosophy. For the assessment of what we shall call ‘dialectical Brouwer fields’ (cf. 4.3., 4.4.) and of their connections with logic and semiotics generally, a discussion that sprang up in the wake of Brouwer’s intuitionist movement is of considerable interest. This is the discussion in the nineteen-fourties about the possibility and desirability of a completely negationless (logic of) mathematics. Going beyond Brouwer’s avowed tenets on mathematics it brings the semiotic basis of his solipsist idealism to the fore by seeking to systematize its implications. The discussion began with certain writings of former students and colleagues of Brouwer’s (cf. van Dantzig 1942; 1947, Griss 1944; 1946); it is reviewed by Arend Heyting (1898—1980) (Heyting 1958). In connection with dialogical philosophy it is worthwhile to observe that at the end of his survey Heyting slights the philosophical importance of the discussion as a whole and seems thereby to have prevented it from taking root. According to him the divergencies among intuitionists as to what is ›permitted‹ in mathematics concern ›minor points‹, which amounts to saying that the q uestion of the role of negation in mathematics and its logic is a minor point. This is to some extent understandable on the basis of Brouwer’s definition of ‘not p’ as: ‘The assumption p mathematically leads to
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an absurdity’. One then says: ‘From a language that contains a symbol for absurdity, say ⋀, the word ‘not’ can be omitted’. This is true but overpasses the variety of tasks that are thereby loaded upon the one symbol ‘ ⋀’ in critical dialogue. In other words, in a language with such a symbol (word) a further ›negationless‹ logic is feasible, but the idea is not likely to evoke the spirit of critical dialogue in the minds of users of language. Evert Willem Beth (1908—1964) offers a q uite different discussion of this debate (cf. Beth 1959, 436—442; Barth 1990). In general, philosophers who are interested in human dialogue are seen to pay particular attention to negation (cf. Apostel 1974). 2.6. I—it and I—you The American pragmatist Charles Sanders Peirce (1839—1914) (s. art. 32) wrote about Hegel that he had usually overlooked “external Secondness” (CP 1.193, 1.278 f). The same can be said of Brouwer who rejects the truefalse distinction without replacing it by anything else (cf. 3.8.). This considerable oversight, as Peirce called it, can be explained by reference to Johann Gottlieb Fichte (1762— 1814) who gave the Neoplatonist trend in Germany a strong new impetus by re-introducing its ›logic‹ (Nelson 1962, 513 ff). One of Hegel’s admirers writes that in Hegel’s system ›das Du‹ [the You] does not occur at all, whether as a logical principle or as a point of departure for reflection (Günther 1959, 102). Gotthard Günther (1900—1984) seems to realize that the total absence of the You as a category amounts to a serious flaw, in any philosophical system. Not so Theodor W. Adorno (1903—1969), well-known member of the Frankfurt school, who sees nothing to criticize: Hegel is right, he says, in deeply distrusting argumentation, the ideal being non-argumentative thinking, in the medium of relaxed thought (Adorno 1963, 158). — It is against this background that one must try to asses the independence of thought revealed in Martin Buber’s (1878—1965) Ich und Du [I and Thou]. Its distance from the then prevailing philosophical fashion is enormous. This is not to say that no one else from the same or an earlier period deserves mention. Wilhelm von Humboldt (1767—1835) (s. art. 27), adressing the Prussian Academy Über den Dualis (Von Humboldt 1827), mentions ›Ich‹ und ›Du‹, though with sexist overtones. More significantly, in his lexicon article (Heinrichs 1972) Johannes Heinrichs q uotes Ludwig Feuerbach’s (1804—1872) criticism of Hegel:
III. Positionen
“Die wahre Dialektik ist kein Monolog des einsamen Denkers mit sich selbst, sie ist ein Dialog zwischen Ich und Du”. The Dane Søren Aabye Kierkegaard (1813—1855) deserves considerable credit in this respect (Villaneix 1979). The systematic inauguration of dialogical philosophy in Germany Heinrichs takes to be the work of Hermann Cohen (1842—1918) (Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 1919), Ferdinand Ebner (1882—1931) (Das Wort und die geistigen Realitäten, 1921), Franz Rosenzweig (1886— 1929) (Der Stern der Erlösung, 1921) and Buber (Ich und Du, 1923), the clearest of them all. A surprising dislike or incapacity for discussion is brought to light and given considerable emphasis in a number of recent studies of some of Buber’s most influential European contemporaries: the mathematician Brouwer (cf. van Stigt 1990, 115, 195, 204), Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. art. 39) (cf. Monk 1990), ›decisionist‹ philosopher Carl Schmitt (1888—1985) (Sombart 1991), and World War II traitor and amateur philosophical system builder Vidkun Quisling (1887— 1945) (cf. Vogt 1965, 175, Langfeldt 1969, 79, Dahl 1991, 169; 339). Brouwer, Quisling and Schmitt were deeply influenced by Arthur Schopenhauer (1788—1860). Brouwer and Schmitt held debate in great contempt also in their published writings. Nicolaus Sombart (*1923) conclusively analyses this feature as a component of a certain ideology of masculinity; this analysis covers the two other men as well, as their published or unpublished writings and other recorded utterances show. 2.7. The philosophical status of other minds Neither subjectivist nor objectivist philosophies that claim the existence of privileged positions pay much attention to the existence of other minds. The problem of the philosophical status of other minds is often simply neglected — they have no status. Some earlier philosophers have dealt with the q uestion of how ›the (one and only) knowing subject‹ can ›infer‹ that other minds exist, but even this dubious proto-dialogical problem is a nonq uestion in many philosophical schools. There are genuine and half-genuine exceptions to this rule among German and French existentialists (see for a thorough discussion Theunissen 1977) — but by and large the theme has had more freq uent attention in modern British philosophy, most extensively from John Wisdom (1904—1974) (Wisdom 1952). This is not surprising. A philosophical respect for other minds is a prereq uisite for
47. Dialogical approaches
linguistic philosophy since languages are created as means of communication with other persons (s. art. 94). It was precisely in his influential paper called, as Wisdom’s papers were, Other minds (Austin 1946), that John Langshaw Austin (1911—1960) first launched his concept of ‘performatives’ — now a household word among philosophers. The most radical position in the philosophy of other minds may well be that taken by Gilbert Ryle (1900—1976) who, on the basis of Wittgenstein’s later writings defended that other minds can be understood in the same way in which one understands ones own (Ryle 1949, 53; 90; 171). Wittgenstein was, however, proud not to have studied other thinkers (cf. Monk 1990). Corradi Fiumara (*1939) gives the discussion of other minds a new dialogical twist: the philosophy of listening (Corradi Fiumara 1990) — a theme completely foreign to European philosophy so far (cf. 2.4.). 2.8. Deductivism in logic and the notion of proof Beth has characterized mathematics as resting on three basic ideas or cognitive atoms: the idea of algorithm, the idea of the infinite, and, last but not least, the idea of deductive method (Beth 1963, 236). When mathematicians took over the science of logic a hundred years ago it was a blessing, but with a negative side to it inasmuch as the deductive-nomological style was emphasized and carried to its extreme. A Deductive-Nomological Paradigm for all science including theoretical philosophy resulted (the DNP, for short). Logic was to be the science that should serve mathematicians in the analysis of the strengths and weaknesses of deductive-nomological systems. Now logic can, in principle and in practice, do this without being itself a deductivenomological theory, or set of theories. But it is still tacitly regarded as falling under the same methodological and stylistic claims as those deductive systems which it should help us to evaluate. Surely that is a non sequitur, even were we to agree that the evaluation of deductive theories is its only task (which we don’t). — More recently the whole conception of deductive-nomological science has been under fire from various q uarters, including philosophers of physics (Cartwright 1983, 17; 94 ff) as well as of language. From its name it is clear that the DNP combines at least two ideas, both of which are conceived as absolute norms. The first is that theories should display ›laws‹, the second that they should display the interrelationships among whatever
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laws they come up with in a deductive system. The second req uirement is justified by the false assumption that only in that way will the theory yield to logical scrutiny. When this is applied to logic itself the justification becomes circular and completely unconvincing. The only way in which one could justify the belief that logic is and should remain a ›deductive‹ science is by claiming, first, that mathematics itself necessarily is a deductive science and, second, that logic is a part of mathematics. The latter is of course nothing but a dogma issued in a certain interest. There is therefore no contradiction implied in saying: For political purposes (in the widest sense), formal logic is essentially a set or sets of rules for the assignment of rights and duties in discussions that take place under conflicts of opinion, and in no way is it fundamentally a science of deduction, to say nothing of: a deductive science. — The DNP is associated either with an objectivist epistemology of anonymous rationality or else with a subjectivist epistemology of constructivist mentalism. Under this paradigm one says of a seq uence of mathematical statements that it does or does not constitute a proof (of the last statement from the n first), in an absolute sense: ‘S is a Proof-of-something-from-something’. One textbook writer, the Russian logician Yurij Manin (*1937), deviates from this tradition: “A proof only becomes a proof after the social act of ›accepting it as a proof‹” (Manin 1977, 48). The meta-mathematical statement form corresponding to this outlook clearly is: ‘S is a Proof-of-something-fromsomething according to N’, where N is a variable for an individual or group of individuals. The eeriness of the old notion of mathematical ›knowledge‹, the importance of the notion of acts of acceptation in mathematical uses of language, and the view that pure mathematics has fallen into a trap are discussed in (Stolzenberg 1978; cf. also Lakatos 1963—4). 2.9. The theory of argumentation — systematic developments In its modern beginnings, after World War II, the theory of argumentation, which was intended as a supplement to deductive-nomological mathematical logic, was itself subjected to the req uirements and representational style of the DNP. One can easily distinguish three post-fundamentalist philosophical steps and three corresponding stages of argumentation theory. Only its second and third stages fall under dialogical philosophy.
III. Positionen
668
First step: From Fundament to Justification. Here we encounter the following conception: ›To argue‹ is to try to verbally justify an opinion or a statement. — When the justification is not absolute, it is seen as relative to the prevailing norms in a certain ›field‹ of investigation and discourse and to certain ›data‹, as in (Toulmin 1958). Stephen E. Toulmin (* 1922) characterizes the function of justification (warrant) as a ›bridge‹ between data and claim. Nothing is yet being said about an audience — argumentation is analysed in a strictly monological manner, possible intentions to the contrary notwithstanding. In this first stage the analysis of argumentation consists, at best, in surveys of arguments pro, arguments pro-pro, and hedges. In Toulmin’s model the term is not ‘argument pro’ but ‘warrant’, and not ‘argument pro-pro’ but ‘backing’. The difference between warrant and backing seems to be none other than that of distance from the initial thesis, called ‘claim’ in Toulmin’s model. — Second step: The justification is related to the specific concessions of an audience. That is, ›to argue‹ is to try to verbally justify an opinion or statement to a — specific or universal — audience, that may or may not remain passive (cf. Perelman/Olbrechts-Tyteca 1958). Audiences are now mentioned and distinguished. The data have here become ›concessions‹ made by the audience, but its verbal reactions are not dealt with analytically. — Third step: The justification itself essentially contains also the verbal reactions of the audience; these reactions or counter-arguments are studied in relation to earlier justificatory moves. That is, ›to argue‹ is to try to justify an opinion or statement towards a verbally active audience or to try to refute it against a verbally active opponent (Naess 1953; Popper 1934; Crawshay-Williams 1957; Lorenzen/Lorenz 1978; Albert 1975; Hamblin 1970, and others). The basic notion can now be defined as that of a conflict of avowed opinion, in other words: the notions of ‘opposition’, ‘conflict’ and ‘Wechselwirkung’ have now become ›externalized‹ (Barth/Krabbe 1982, 56; 60). — In other words, theoreticians have payed attention to the existence of an audience in two manners: accounting only for the audience’s concessions, or else accounting also for its reactions, or counter-arguments. The development from the second to the third theoretical stage may be characterized as that of making the theory ›dialectical‹, where this concept retains its main classical and medieval components, as well as the Kantian category of ›Wechselwirkung‹ [interaction], but without idealist or
materialist overtones. One represents the category of interaction theoretically by focussing on ordered couples or ›seq uents‹ of this type: 〈(local) Concessions, (local) Thesis〉 as the fundamental elements of the analysis (‘local’ refers to a given stage of the discussion). — One topic in the theory of argumentation is the study of fallacy. In the opinion of the present author this should be undertaken as a part of dialogical philosophy, in the dialectical stage of theory formation. A fallacy is a violation of the rules distributing linguistic rights and duties over the participants in a dialogue. A σ-fallacy is then any argument (seq uence of dialogical moves) that cannot be generated by means of a closed set σ of dialectical rules (Barth/Martens 1977). This program has been taken up in (van Eemeren/ Grootendorst 1987), where speech acts are also taken into consideration. 2.10. Semantics of natural languages The introduction of two-party linguistic seq uents of some kind or other as the focus of theoretical attention, and the discussion of one’s chosen theoretical feature: syntactic constructions, interpretations, verbal rights and duties, or whatever, as functions of those seq uents, may well be taken as part of the definition of a dialogical linguistic philosophy with systematic intentions. If this is accepted it follows that many approaches to ›discourse representation‹ today, e. g., by Jon Barwise, Hans Kamp and John Perry (cf. Barwise/ Perry 1983), cannot as yet be regarded as belonging to dialogical philosophy of language (cf. 3.3., 5.2.). Certainly fusions of approaches are called for. The concept of functional sentence perspective of the Prague school of linguistics (cf. Firbas 1968) seems dialogically very promising.
3.
Two irreducible phases in human activity
3.1. Preparation (the Laboratory, social solipsism) and communication (the Forum, the Arena) The phases to be distinguished here are in fact types of phases in human activity. The distinction nicely corresponds to Buber’s distinction of I—It and I—You but is inspired by writings of Arne Naess (* 1912) combined with reflections on philosophical styles. Phases of different type but pertaining to the same problem or conflict may overlap in time.
47. Dialogical approaches
A synonym for ‘phase’ would be ‘activity type’; we choose ‘phase’ to indicate that the distinction also concerns the philosophy of science and not only the sciences themselves; the same applies to other fields of activity — art, literature, law, politics, religion. Logic may be classified as a science, epistemology is taken to include the analysis of the modes of scientific representation. — PHASE I: Preparation. This is the socially solipsistic phase in which I am operating alone in the physical, historical world, in as much as I am not yet involved in the use of language for communicatory or critical purposes, though I am perhaps not alone in the laboratory. In this phase a distinction between Truth and Falsity is of value to me and so, indirectly, to society; and it is only with respect to this phase that criteriological definitions of ‘true judgement’ are req uired. Hence classical epistemology as a whole, being veridical, pertains exclusively to this phase, as does non-veridical constructive mathematics and its intuitionistic philosophy. — PHASE II: Communication. This expression covers all activity that depends on the use of language in such a manner that more than one living being is involved (including communication by computer with so-called expert systems). Clearly, in this phase Buber’s I—You relation is ontologically basic. Here we shall concentrate on communication in philosophy and science. For this purpose phase II could be called ‘the Forum’, or, more adeq uately, ‘the Arena’ (Naess 1937; 1956, 39). The latter term brings out the origins of many philosophical and scientific discussions in feuds and the scientific norm that feuds be dealt with by debate. In phase II the q uestion of the ›Hintergehbarkeit der Sprache‹ (can one really go behind language?) has a definite answer (one cannot). Hence the only logically relevant sentence values here are ‘Agreed’ and ‘Not-agreed’. ‘True’ and ‘False’ are of no use. We may call this the ‘Replacement Theory of (the notion of) Truth’. — This is not the view of transcendental philosophers whose philosophy of Truth indicates an interest in the ultimate and req uires a notion of an ›ideal discussion group‹. That one debates in order to arrive at Truth seems an unrealistic assumption. It can be done and it is noble, but uncommon. It is another thing that the outcome of a dialogue usually is fed into an instance of phase-I activity, as material for the preparation of future verbal exchange. — Jürgen Habermas (*1929) (1981, 28) uses a distinction which is somehow related to our distinc-
669
tion of the two phases, although, as Leo Apostel (* 1925) points out (1984, 131 f), neither Buber is mentioned, nor Emmanuel Levinas (* 1905), nor Naess, who preceded him. 3.2. The corresponding kinds of theory formation and of representational forms Classical ontology and truth-valued semantics pertain to Phase I, together with all epistemology commonly so called. Studies of truth and verisimilitude, corroboration, objective and subjective probability are all concerned with the human orientation in Phase I. Knowledge, belief and intentionality are Phase-I features of human organisms, hence the study of knowledge, belief etc. may be called Phase-I based philosophy, or Phase-I theory, for short. The same holds for possibleworlds semantics (cf. 3.9.). Michael Theunissen (* 1932) takes (the earlier continental) dialogical philosophy to be a deconstruction of the ›transcendental philosophical model of intentionality‹ by introducing Buber’s category ‘between’ instead; language provides a basis for the departure from intentionality (Theunissen 1977, 278 ff). — There are significant differences between the representational forms pertaining to the two phases. Phase-I theory: (a) An anonymous (role-free) object-oriented representational form: objective description. Subject terms are names or descriptions of ›objects‹. Verbs are freq uently in the passive voice: ‘be seen (to)’, ‘be found’, ‘be proved’, ‘be used’, often used in combination with modalities (‘can be seen/found/ proved/used’), or else preceded by the impersonal ‘it’: ‘It is (im)possible to ...’. Logicians take logical q uantifiers to refer to a pre-existent domain of objects (‘There is ...’) and define them accordingly. (b) A one-role representational form ›with a knowing subject‹: subjective description. Terms freq uently are names or descriptions of mental constructs. Verbs more often occur in the active voice. Logicians take q uantifiers to refer to constructions or to other activities of the social solipsist. Gottlob Frege’s (1848—1925) (s. art. 34) q uestion: “Ich frage: In wessen Geiste?” [I ask: in whose mind?] (Frege 1962, I, 2) is a rejection of this philosophy. — PhaseII theory: A many-roles representational form. As in the one-role case: with a less rich set of less rich domains of presumably preexistent objects. Grammatical and logical subject terms are often descriptions of actors’ roles, and uses of the passive voice are less freq uent. Rules are now related to roles. Lo-
670
gicians take ›q uantification‹ to indicate roledependent rights and duties of investigators and their critics. 3.3. Intra-phase pragmatization: Kant Transformations Not all pragmatization falls under dialogical philosophy. It is convenient to distinguish between ›intra-phase‹ and ›inter-phase‹ pragmatization; only the latter satisfies our definition of ‘dialogical philosophy’ (cf. 1.1., 2.10.). If one starts from a Phase-I theory TI,m, an intra-phase transformation (including revised representation of data and results) may consist in bringing to the fore the beliefs, attitudes, problems or activities of the social solipsist in so far as these are connected with the phenomena dealt with in TI,m and in so far as the basic terminology (lexicon) of TI,m does not yet contain names or descriptions of them. One can bring them to the fore by means of additions to or other complications of the statements of TI,mor by systematic replacements of crucial terms, or both. Let us call such theory transformations ‘Kant transformations’ and denote them as follows: TI,m → TI,n. A Kant transformation is ›completed‹ only if the one and only role (the social solipsist) is explicitly mentioned in the statements of the resulting theory TI,n or in its metatheory (e. g., as ‘the creative subject’ or ‘Myself’), so that all verbs occur in the active voice, or can so occur. Examples: Brouwer’s transformation of objectivist mathematics into intuitionist mathematics; Saul Kripke’s (* 1940) evidential-situation semantics with sentence values in {K, U} (Known, Unknown) — the result of an incomplete Kant transformation of veridical semantics; Jaakko Hintikka’s (* 1929) transformation of referential semantics into game-theoretical semantics, the games being played by Myself against Nature. — The philosophical fashion in the United States has dictated that one restricts one’s activities to the study of Phase I, to the extent that the existence of a Phase II is denied (by implication) or else relegated to Pragmatics, the not so respectable brother of Semantics — and similarly for other fields (cf. Barth 1991). Part of the explanation for this is found in the old rationalist philosophy of mathematics according to which mathematical activity, the proof of one’s being created in God’s image, was taken — with insufficient justification — to be rooted in the no-role or one-role Phase I. No-role philosophy of mathematics includes realism and formalism. Intuitionism is a one-role philosophy of math-
III. Positionen
ematics. — With exception of the philosophy of mathematics itself one may say that analytical philosophy in Scandinavia, Great Britain and on the European continent has been vastly more attuned to the importance of Phase II than American analytical philosophers have been since the overthrow of American pragmatism in the nineteen-fourties (with some exceptions in American philosophy of science, e. g. by Thomas S. Kuhn, Paul K. Feyerabend, Joseph Agassi). Some European analytical philosophers did their main work about Phase II. For a long time such work had little or no chance of being absorbed into American analytical philosophy and its associated schools (cf. 4.1.). The restriction to Phase-I philosophy, its problems and its modes of representation, which has excluded any attention to human dialogue from the centers of academic high fashion, is identified as a professionalization of philosophy. Quite wrongly; for it has other roots, one of them being the prevailing outlook on a certain philosophical discipline. This is the outlook that social solipsism is the alpha and omega of logic, if of nothing else. For this reason it is necessary to devote relatively much attention to academic logic and its philosophy. 3.4. Inter-phase pragmatization: Naess Transformations; or, dialogical philosophy as a continuous process From a systematic point of view dialogical philosophy as a process consists in inter-phase pragmatizations in the sense of complete transformations starting from some specimen of Phase-I philosophy, with emphasis on the verbal activities and possibilities of the persons whose roles are now highlighted. Such a ‘Naess transformation’, as we may call it, of a given theory TI,m may consist in bringing to the fore the problems, conflicts, roles, conventions and rules for verbal and other intersubjective behaviour, as well as intersubjective attitudes, of and in “the company” (Crawshay-Williams 1957, 10), in so far as these are connected with the phenomena that are dealt with in TI,m, and in so far as the basic terminology of TI,mdoes not yet contain names or descriptions for them. As in the case of intra-phase pragmatization one can bring them to the fore by means of additions or other complications in the statements of TI,m or by systematic replacement of terms by other terms, or both. A Naess transformation may be denoted as follows: TI,m → TII,n. It is completed when all relevant social (and theoretical) roles are explicitly mentioned in the
47. Dialogical approaches
statements of the resulting theory TII,n (e. g., Proponent and Opponent). Verbs will more often be in the active voice. The impact of human dialogue on the subject matter will now have been brought out, and the relations both of theoreticians and theory consumers to the subject matter, accounted for. 3.5. Examples: classical ontology; the Vienna-circle criterion of meaningfulness; the notion of precision Buber’s philosophy can now be characterized as a Naess transformation of classical philosophical ontology as a whole. — An early example in epistemology is Naess’ transformation of the Vienna-circle criterion for meaningfulness of sentences, into a norm (advice to participants) for conducting “effective discussions” (Naess 1956, 15; 25; 35). — A second example is his transformation of the concept of ‘precision’, formerly construed in the light of a correspondence theory of Truth, into a concept defined directly in terms of the req uirements of effective dialogue (cf. Naess 1953; 1966). Whereas the former was essentially absolute and called for sentences of subject-predicate form, with the possibility of gradation (‘Statement/theory S is (not) (very) precise’), the new concept is essentially comparative: ‘Statement/theory S1 is (not) more precise than S2, meaning: S1 does (not) exclude certain reasonable interpretations of S2 without adding new ones. 3.6. Example: from deductive to dialogical formal logic An example of a Naess transformation of a whole theory is the transformation into Arena form of modern formal logic (cf. Lorenzen, Lorenz 1978) (s. art. 96). Clear Phase-II definitions of all logical symbols of first-order predicate logic were given. The ›q uantifiers‹ were defined as operators that indicate which of the discussing parties has the right to choose a value for the variable in q uestion. That even dialogue logicians still call these operators ‘q uantifiers’ is merely a sign of linguistic inertia. — It is unfortunate that this transformation of logic into Phase-II form is still seen by some (e. g. Felscher 1985) as mainly a ›foundation‹ of intuitionist, hence of solipsistic logic (cf. Lorenz 1982). 3.7. Example: the Infinitesimal calculus. Rightors One of the most interesting and significant
671
examples is that of the Calculus. In its initial garb it was called the ‘infinitesimal calculus’ and was a particularly clear case of Phase-I theory, presumably presupposing the existence of so-called (fixed) ‘infinitesimals’, ›infinitely small‹ (ex)-magnitudes, for its inception. Today its so-called standard form is entirely free from reference to these mysterious entities and is at the same time much more precise than the original theory. Its nucleus is Karl Theodor Wilhelm Weierstrass’ (1815—1897) explanation of statements involving the concept of limit. Let the bone of contention be some statement of this form (where S abbreviates ‘sum’, this time): (i) Sn = S The Cauchy-Weierstrass definition of this statement form is well-known from school textbooks: (ii) (⋀ ε) (∨ N) (⋀ n) [n > N → /S — Sn/< ε] This is usually read as follows: ‘For all ε there is an N such that, for all n greater than N, (etc.)’. On this reading the definition is usually not felt to be intuitively clear. Two American writers on the philosophy of mathematics regard it as little more than an irritant, a mere ›tongue-twister‹ that we accept “for the sake of consistency” (Davis/Hersh 1981, 245 f). They do not realize that when (ii) is combined with Paul Lorenzen’s (* 1915) Phase-II definitions of the ›q uantifiers‹ we are in the possession of a completed Naess transformation of the ›infinitesimal calculus‹. For (ii) can now be read: ‘If you choose an error (ε) that you will tolerate, as to the difference between Sn and the magnitude or number S that I just mentioned, then I am prepared to provide an integer N such that, whichever integer n you may subseq uently choose, I am prepared to defend that the difference /S — Sn/ is smaller than the ε you say you will tolerate, provided n > N’. This interpretation ought to be made clear in the symbolism. A mathematician or any other thinking person can, even when alone, revert to Phase II by functioning as his/her own opponent — in fact this is what thinking logically consists in. Hence we change the symbols. Instead of the seq uence of quantifiers in (ii), we decide to write: εcNsnc ... where superscript c stands for the critic’s right and superscript s for the speaker’s right to choose a value for the variable in q uestion. These operators and the natural-language words they emulate (‘every’ and ‘some’) are ›rightors‹ rather than ›q uantifiers‹. We may call them ‘the critical rightor’ and ‘the statemental rightor’, respectively. This dissolves
III. Positionen
672
the old riddle of the ›arbitrary generic individual‹ discussed by Otto Jespersen (1860— 1943) (cf. Barth 1974, 22 f; 52 ff; 199 f). — In order to bring out the connection with Buber’s philosophy we could also write: εyouNInyou ... 3.8. Example: models for formal dialogue logic Can one ›do model theory‹ in an enlightening way concerning Phase-II formal logic? We mentioned in 3.3. Kripke’s epistemic model structure for constructive logic. With that as point of departure we may describe the structure of models for the sentential basis of dialogue logic as follows: A logical structure = 〈A, N, D, R〉 is a ›normal‹ model structure for dialogue logic if and only if A (Agreed) and N (Not-agreed) are dialectical sentence values, D a set of dialectical situations ( D ≠ 0), R a reflexive and transitive relation (R ⊆ D2). We determine constructive (and minimal) mathematical logic as a logic (logics) of ›growth of agreement‹, i. e., of growing bodies of sentences upon which positive agreement has been reached, in (or by) ›the dialectical subject‹ in q uestion — a set of users of language. Let us call an interpretation function I ‘cumulative’, if it everywhere satisfies the norm: if dRd′ and I (U,d) = A then I (U,d′) = A for all atoms U. Then a constructive dialectical model for a language L is a couple 〈, I〉 where is normal and I is defined for all pairs 〈U,d〉 and is cumulative. The only values of I are ‘Agreed’, ‘Not-agreed’, or A and N. Proofs of the adeq uacy of this model type for various dialogue logics are given in (Barth/Krabbe 1982, 305 f). The principle of cumulation of agreement is relatively well suited to companies of mathematicians but not for other companies of users of language, whose logic therefore will deviate in some measure from that of the former (Barth/ Krabbe 1982, 243 ff; Krabbe 1985). — A second change in model-theoretic semantics concerns possible-worlds semantics. M. Marčinko introduced the notion of ‘levels of discourse’ as better reflecting what is really at stake in modal Phase-II discourse (cf. Inhetveen 1982). The most recent discussion is the one written by Erik C. W. Krabbe (*1943) (cf. Krabbe 1986). 3.9. From dialogical back to anonymous theory — Converse Naess Transformations By a converse Naess transformation we shall
understand any reference-introducing ›projection‹ of the sentences of TII,n onto a ›referential screen‹, an as yet undefined mathematical space. Examples: (1) Formal dialogue logic can be so transformed. Any closed dialogical tableau can be algorithmically transformed into a closed ›deductive tableau‹ (Barth/Krabbe 1982, 180 ff), via the latter into a Gentzen-like ›natural deduction‹ and from there into an ›axiomatic deduction‹ (Beth 1962, 5 ff). — (2) The (slow) pragmatization of the ›infinitesimal calculus‹ resulting in the elimination of the notion of infinitesimals whereby a dialogical interpretation became natural was followed (one is inclined to say: was answered) by a successful converse Naess transformation, fully in agreement with the ideal of scientific anonymity, and with that of the knowing subject as well. This is Abraham Robinson’s celebrated Non-standard Analysis (Robinson 1966), which (re)introduces a concept ‘infinitesimals’, though this time in a manner that is demonstrably free from contradiction, which the originally vague foundations of the infinitesimal calculus were not. — (3) A third example is the philosophy expounded in (Fine 1985) which reverts to an anonymous-neutral ontology of ›generic arbitrary objects‹. 3.10. From a Phase-I point of view: Representational dualism Given a completed Naess transformation TI,m → TII,nlet us call TII,na Phase-II dual of TI,m, and TI,m a Phase-I dual of TII,n. We do not speak of the Phase-N′ dual of a given Phase-N theory but merely of a dual. The latter theory may have (dia)logically acceptable as well as unacceptable (e. g., contradictory) Phase-N′ duals. Are Naess transformations always possible? Given a Phase-I theory, can one always create a consistent Phase-II dual with the same ›strength‹? And are converse Naess transformations always possible? Given a Phase-II theory, can one always conceptually and linguistically ›compress‹ or ›reduce‹ it so as to obtain a consistent Phase-I dual with the same proof-theoretical ›strength‹, i. e. a Phase-I eq uivalent as seen from the point of view of Phase-I theorists? The hypothesis that one can always do this in both directions may be called the (PhaseI) ‘thesis of representational duality’. It may become possible to defend this thesis generally, though at this moment the nature of the general projection rules, if there are such, is not yet clear to us.
47. Dialogical approaches
3.11. The Phase-II point of view: irreducibility of the two phases The proof-theoretical reducibility of closed dialogical tableaux to axiomatic deductions (cf. 3.10.) does not imply an over-all philosophical reducibility of Phase-II to Phase-I theory. On the contrary, by transforming theories into dialogical form we reduce our chances of running into epistemological and metaphysical misunderstandings as to what formal logic is for and about. Pseudo-names and pseudo-descriptions, many of which are remnants of “corpuscular epistemology” (Ong 1958, 203 f) — often grounded in ›infinitesimals‹ expressed by means of generics — are eliminated. The links with philosophy of science become transformed. The new theoretical garb suggests new developments. Links with new fields (e. g. economics, political science) come within reach. Similar things could be said about the outcomes of other Naess transformations.
4.
Controversy and dialectical fields
673
ing analytical philosophy, for its lack of dialogical seriousness both in theory and in practice. L. Jonathan Cohen (*1923) on the other hand holds that “the history of analytical philosophy is peculiarly the history of dialogue, not of a succession of monologues” (Cohen 1986, 114). The emphasis that analytical philosophers put on clarity (›cogency‹) may explain this. Cohen and Rorty are both right. Analytical philosophers do discuss more systematically and more often than other Western philosophers but like their philosophical competitors they do it on the basis of some epistemological dogma that is not universally shared and that therefore prevents discussion with thinkers whose epistemology is radically different. Naess’ 1937 essay (Naess 1992) was the first paper in history to offer a correct diagnosis of this situation as well as recommendations for a change from an epistemological to a communicational basis for philosophical understanding (in the widest sense); its publication was discouraged by Otto Neurath (1882—1945) (personal communication from its author).
4.1. Science and philosophy as dialogue
4.2. Controversy
This ideal is sometimes superimposed on the ideal of anonymous Phase-I oriented scientific representation, so as to yield the notion of a universal scientific community and forum that allows everyone who is capable — as judged for instance by blind refereeing procedures — to take part in the process of building the one, anonymous-neutral Grand Theory, exposing his/her contribution to reasoned criticism in the going. In operational terms this ideal obliges each author to acknowledge the existence of predecessors; to adress them; to admit non-originality and indebtedness when that is appropriate (cf. 3.1.). The principle that judgement as to eligibility to the forum should be ›blind‹ distinguishes scientific procedures from procedures associated with claims to privileged position. In practice there are difficulties; e. g., women have until recently been kept at a distance from philosophy and science and in q uantitative terms still are. Institutional as well as theoretical instruments of exclusion have been used for this and similar purposes. It is now largely recognized that old boys’ networks with their mutualcitation habits sometimes have anti-dialogical effects. The ideal of philosophy as dialogue is effectively advocated by Richard Rorty (*1931) (1980, passim). He blames the epistemology-based foundationalist European philosophy as a whole, includ-
In many appeals to bring about a more dialogue-oriented philosophy the kind of dialogues that issue from controversy are often disregarded. The meaning of ‘dialogue’ is too often restricted to conversation among friends. As a result, the concept becomes unsuited for most political uses and conditions (conflict resolution under deep disagreement; self defense). Even Rorty sometimes gives this impression. Important early exceptions are Naess, Karl R. Popper (*1902), Rupert Crawshay-Williams, Lorenzen/Lorenz, Hans Albert (* 1921). — Francis Bacon (1561— 1626) is often hailed as the man who first emphasized the importance of negative cases in inductive thinking. In this sense he may be seen as a forerunner of Popper’s fallibilism (Popper 1934), which again is a forerunner of the growing focus on controversy, an aspect of human life that traditional philosophy has neglected. Albert has strongly emphasized the importance of the ›strategic perspective‹ in the analysis of dialogues. One must learn to see the strategic function of locutions, not only of specific tropes and figures but also of philosophical assumptions. Locutions of any length may have a ›shielding function‹ (Abschirmungsfunktion), ensuring a theory’s immunity against any possibility of criticism (Kritikimmunität). The idea of ultimate and self-evident principles has this function, in-
III. Positionen
674
tended or not. The same holds of (meta)philosophical statements that imply limitation of theoretical accessibility or philosophical competence. Example: John Henry Newman’s (1801—1890) meta-philosophical thesis that theology and science are Two Worlds, unable ever to collide because no communication between them is possible (Albert 1975, 95; 106 f; 129). Intended or not, in practice very many philosophies function so as to ward groups of potential critics off from the Arena (cf. 4.6., 4.7.). — Albert takes critical discussion as the pattern par excellence of (irenic) social interaction. Maurice A. Finocchiaro (*1942) recommends the study of actual scientific debates as one way to give theoretical logic a more empirical basis (Finocchiaro 1980). 4.3. Dialectical fields By a ›dialectical field‹ we shall understand a milieu-with-neighbourhood of users of language who are subjected to norms that influence the freq uency and efficacy of dialogue. This concept may be developed as an analogue to the concept of a physical field, hence as a field of force. A field is generated by a set of users of language and by their texts. The space on which it is defined is itself determined by some pragmatical n-tuple 〈a1,...,an〉, where each ai is a Phase-II variable. This is an adaptation to dialogical philosophy of Kurt Lewin’s (1890—1947) field theory in social psychology (Lewin 1976). A language user m who is introduced into the field at a point j = 〈alj,...,anj〉 is thereby subjected to a number of categorially different field forces Dlj,...,Dkj. The set of the Dijmay or may not have one resultant field force. This set of forces is processed by m either as an inviting/encouraging or as an excluding/ intimidating force Fj. Clearly, Fj = Fj(m, D1j,...,Dkj) = {Dlj,...,Dkj} m. To describe the compositions Dhj x for each h (1 < h < k) is a task for empirical psychology. To describe the field forces Dhjis a future task for the general logician. 4.4. Example: Brouwer fields It is possible to distinguish between types of dialectical fields. The following definition is based on Brouwer’s ideas (Brouwer 1905). Nothing in Brouwer’s later publications contradicts the statements referred to. — Definition (a): A deontic dialectical Brouwer field is one in which (i) the use of language in pursuit of agreement is discouraged (Brouwer 1905, 38; 71); (ii) public (intersubjective) understanding is considered to req uire a type of enforced training that is to be regarded as a
negative phenomenon (Brouwer 1905, 42); (iii) the parties in a controversy are not in the possession of positive and agreed rights and obligations, linguistic or other, and this is regarded as a the desirable state of affairs (Brouwer 1905, 97); (iv) philosophical and scientific products of individuals belonging to certain classes of the population are to be excluded from serious philosophical and scientific consideration (Brouwer 1905, 38 f; 71); (v) logic is of no avail (anywhere, a fortiori in conflict resolution) (1905, 27); (vi) real truth is self-evident (1905, 16; 72). Brouwer published this book two years before finishing his much-debated dissertation on intuitionistic mathematics. — Definition (b): A weak dialectical Brouwer field is one in which (i) the use of language in pursuit of agreement is not encouraged; (ii) the parties in a controversy are not in the possession of positive and agreed (recognized) rights and obligations; (iii) the addition to clause (iii) and the clauses (iv)—(vi) in Definition (a) are not satisfied. — Notice that according to this philosophy anything goes, verbally and otherwise, even when Definition (a) is weakened to Definition (b). 4.5. Example: Beth fields The next example is based on writings, including correspondence, found in the Beth archives, on published work such as (Beth 1968, Ch. XII) and (Beth 1970 b, Introd.), and on a study of Beth’s own habits concerning research and citation. — Definition (c): A deontic dialectical Beth field is one in which (i) the use of language in pursuit of agreement is strongly encouraged; (ii) to train young persons in the skills of uses of language and intellect is seen as a high-level activity with far-reaching effects; (iii) to lose a discussion is not dishonourable, to admit loss is positively honourable; (iv) participants in scientific and philosophical discussions are not obliged to disclose their political ideology, religious beliefs or general philosophy; (v) everyone who has authored a thematically relevant contribution is to be studied, q uoted, referred to, and met with arguments; (vi) no ideological, theological or philosophical statement is everywhere relevant; (vii) the feelings of all persons referred to and argued with are to be spared as far as possible (barring the embarrassment of having to face criticism of ones assertions). 4.6. Olga and the Pope — Logical Self Defense The title Logical Self Defense (Johnson/Blair 1983), firmly places the topic of the book,
47. Dialogical approaches
675
informal logic, in a Phase-II perspective. This invites comparison with the ›Opponent-Proponent‹ (O-P) set-up of formal logic. The necessity of a fusion of the two approaches to controversial communication may become clearer if we indicate the political potential of the latter by suitable metaphors for ‘Opponent’ and ‘Proponent’: Olga concessions
Pope thesis
We can now reformulate Naess’ transformation of the meaning criterion of the Vienna Circle: Definition: Any statement (thesis or concession) is grammatically and logically Phase-II meaningful, if and only if an interlocutor can know in advance (or is informed ad hoc about) how to take account of it in a critical discussion. — This definition rules out a number of common types of locution as dialogically meaningless. Examples are: all philosophical (cf. Aebi 1947) and other uses of generic statements ‘the/an/a A is B’ unless accompanied by a recipe, definition or theory acceptable to one’s interlocutors and implying that every A is B; also locutions such as ‘as such’, ‘q ua’, ‘in q uantum’, which occur in “reduplicative propositions” (Barth 1974, 133 ff; 427 ff). In our time these old locutions have mainly a shielding function (cf. 4.2.). Even if she does gain access to verbal interchange on a par with the Pope, Olga has lost in advance if the Pope resorts to generic or reduplicative language. It represents conceptual ambiguity and cannot be interpreted for dialogical use, whatever uses it may have (on this ambiguity in political philosophy and practice cf. Rose 1990). As Frege put it: “Dieses ‘als solches’ ist eine vortreffliche Erfindung für unklare Schriftsteller, die weder ja noch nein sagen wollen. Aber dieses Schweben zwischen beiden lasse ich mir nicht gefallen [...]” (Frege 1962, XXIII f).
But then such language was not construed with an eye to dialogue with other mortals.
5.
Mental, intensional, argumental
5.1. Mental To the inner language that earlier philosophers presumed and took as semiotically basic, Peter Thomas Geach (* 1916) has given the name ‘Mental’. What Arthur Norman Prior (1914—1969) called ‘Egocentric’ (Prior/ Fine 1977, 28 ff) and attributed to Gottfried
Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. art. 23) is a logic for Mental; but not necessarily the only one. A related logic for Mental, with a deep traditional impact, holding cultural and political cognitive sway even today, is the historical logic of infinites and especially of intensive, powerful ›infinitesimal entities‹ whose clearest testimony probably is an early work by Hermann Cohen (1883; for an historical exposition see Boyer 1959). The exact systematic connections between the latter and Egocentric deserve close scrutiny. 5.2. Intensional Mental and its logics should not be identified with the post-Fregean development in socalled intensional logic. Let ‘Intensional’ be our name for the ›deep‹ language defined by Richard Montague (1930—1971) for the purpose of describing and analysing overt ›natural‹ languages (Montague 1970). Intensional is not Mental, its logic resembles neither the Leibnizian Egocentric nor the metaphysical logic based on infinitesimal genera. Rather it resembles in its principles the overt languages of physical theory (classical mechanics). It does not encourage “dialectical fideism” (Ong 1958, 56). But it certainly is not a dialogical theory either. Montague issued it in a rolefree, strictly anonymous form (cf. 3.2.). In a more recent publication (Barth/Wiche 1986) the many-role perspective is applied to his theory. 5.3. Argumental Let ‘Argumental’ be our name for a language with such properties that it will encourage and sustain discussion, due to its q ualities as an instrument for the resolution of conflicts of opinion. We do not yet know today how Argumental may look when it is fully grown. It will have to enable us to construct effective and globally acceptable systems of rules for dialogical argumentation. Clearly it will have to grow out of suitable parts of the historical (›natural‹) languages. It will have to incorporate Fregean or post-Fregean logic, for which systems of formal dialectics are already available. It will be free from traces of past contra- or anti-argumentational attitudes and assumptions. We cannot avoid, however, that it will, at any given time, contain precipitations of very general contemporary assumptions as to the ingredients and structure of the world, i. e. reflect a style of representation typical of that time. Hence it cannot be a permanent language but will undergo revision
III. Positionen
676
as the ontological outlook and representational habits change. Similarly it will probably never be one language but a number of languages with a relatively simple common nucleus, at most. (The nucleus may be compared to a computer’s DOS.) — Argumental is not Mental, but it is not Intensional either. At the moment (1992) the relation of Argumental to Intensional is not clear. In fact the precise purpose of the latter is itself not too clear. However, Argumental will have to incorporate a great many elements and figures which are analysed semantically today on an ›intensional‹ but anonymous-neutral basis. Hence some influence from the one field of research upon the other is unavoidable. In any case, Argumentai will be free from all tropes and figures and all linguistic or logical assumptions that do not permit the construction of systems of “formal dialectic” (Hamblin 1970, 253 ff). In all probability generics, so freq uently employed in older philosophy, will be uncommon as terms of well-formed sentences of Argumental. They do not in a natural manner pass the test — satisfy the definition — described in 4.6.; their linguistic problem history testifies to their deep roots in Phase-I semiotics and its logics and makes it clear that there is no logical need for such linguistic constructions between users of language who have learned to think and to express themselves in terms of (logical and nonlogical) ›functions‹ and related modern devices, as based on a more adeq uate understanding of the ›q uantifiers‹ and other semiotical features — more adeq uate, that is, than that which accompanied the evolution of traditional thought and traditional language. In modern thought a general ›lateralization‹ has taken place, not only of the ›world picture‹ (cf. Maier 1938; Dijksterhuis 1969) but also of the very apparatus that we employ for representing things, without reference to ›the absolute‹. ›Natural‹ (uses of) language has not kept up with this development. 5.4. Commensurability and translatability In the interest of inter-cultural dialogue the problems of commensurability of conceptual structures/schemes and of (machine) translatability must be given a firmer footing. This req uires that empiricists and dialecticians now join forces: all systems of human logic, good or bad, should be studied in a systematical manner and carefully mapped. In other words, it is imperative that the science of logic be enriched with an empirical component.
6. Selected references
6.1. Further important contributions Apel 1972, From Kant to Peirce, in Proc. of the Third Internat. Kant Congress, Beck (ed.). Apel 1973 a, Transformation der Philosophie. Crable 1976, Argumentation as Communication. Eames 1989, Bertrand Russell’s Dialogue with his Contemporaries. Ehninger/Brockriede 1978, Decision by Debate. Gadamer 1979, Truth and Method [21965, Wahrheit und Methode]. Levinas 1968, Totalité et infini. Levinas 1982, Le dialogue, in De Dieu qui vient à l’idée. Levy-Valensi 1967, La communication. Lorenzen 1969, Normative Logic and Ethics. Mittelstaedt 1976, Philosophical Problems of Modern Physics. Mittelstaedt 1978, Quantum Logic. Olbrechts-Tyteca 1974, Le comique du discours. Rescher 1977, Dialectics. A Controversy-Oriented Approach to the Theory of Knowledge. Shimanoff 1980, Communication Rules: Theory and Research. Sperber/Wilson 1986, Relevance: Communication and Cognition. Sutter 1972, Wirklichkeit als Verhältnis. Der dialogische Aufstieg bei Martin Buber. Tannen 1990, You Just Don’t Understand. Women and Men in Conversation. Todorov 1981, Michail Bakhtine. Le principe dialogique suivi de Ecrits du cercle de Bakhtine. Volochinov (M. Bakhtin) 1973, Marxism and the Philosophy of Language.
6.2. Collections of papers Apostel 1974, Negation. Barth/Martens (eds.) 1982, Argumentation: Approaches to Theory Formation. Contrib. to the Groningen Conf. 1978. van Bendegem (ed.) 1985, Recent Developments in Dialogue Logics. (Philosophica 35/1). Brutian et al. (eds.) 1986, Filosofskije Problemi Argumentatsii. Bubner et al. 1972, Dialog als Methode. (Neue Hefte für Philosophie 2/3). Dascal (ed.) 1985, Dialogue: An Interdisciplinary Approach. van Eemeren et al. (eds.) 1987, Argumentation. Proc. of the Conf. on Argumentation 1986, 3 vols. Gethmann (ed.) 1980, Theorie des wissenschaftlichen Argumentierens. Gethmann (ed.) 1982, Logik und Pragmatik. Grize 1977, Recherches sur le discours et l’argumentation. Heidrich 1977, Konstituenten dialogischer Kommunikation. Walton 1985 (ed.), The Logic of Dialogue. (Synthese 63/3).
Else M. Barth, Groningen (Netherlands)
48. Die marxistische Lehre
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48. Die marxistische Lehre 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Sprache bei Marx Dialog und Leben im Bachtin-Kreis. Zur Leningrader Sprachphilosophie Einfluß auf Wittgenstein? Die Homologie des materiellen und sprachlichen Produzierens bei Rossi-Landi Literatur in Auswahl
Sprache bei Marx
1.1. Gibt es eine eindeutig charakterisierbare marxistische Lehre in der Sprachphilosophie oder ist dies eine Pseudokennzeichnung? Mit dem Namen von Karl Marx (1818—1883) ist doch ein ›social turn‹ und nicht ein ›linguistic turn‹ in der Philosophie verbunden. Warum soll ein Essay über die marxistische Lehre in einem Handbuch der Sprachphilosophie erscheinen? Die folgenden Überlegungen sind als Antwort auf diese Frage zu lesen. 1.2. Unterschieden wurde in der orthodoxen post-marxschen Literatur zwischen ›historischem‹ und ›dialektischem‹ Materialismus sowie ›wissenschaftlichem Kommunismus‹ (Vorwort zu Marx-Engels-Werke [MEW] 16, 1971). Da der historische Materialismus von Marx durchaus als dialektisch (MEW 23, 27) und als wissenschaftliche Vorbereitung der praktischen Kritik sozialer Verhältnisse konzipiert worden ist, zeigt diese späte Nomenklatur den Verlust des inneren Bandes. Nun müssen zwar Richtungen des Denkens, die über einen längeren Zeitraum anregend wirken, Raum für wiederholte Interpretation bieten. Hierin liegt aber neben dem Vorzug zugleich ein Hinweis auf Unfertigkeit. Im Fall des Marxschen System(fragment)s hat die Leugnung des fragmentarischen Charakters zusammen mit einer mangelnden Unterscheidung vor allem zweier Argumentationsstränge innerhalb des Kernbereichs der Theorie, die ich mit ‘Histomat1’ und ‘Histomat2’ zu unterscheiden (Roth 1977, 583 ff) vorschlage, schon seit Friedrich Engels (1820— 1895) zu beinahe beliebigen ›schöpferischen Weiterentwicklungen‹ geführt. Daher wäre es einfältig, Karl Marx und den Marxismus, ›Marx und Mels‹ (die Abkürzung für MarxEngelsLeninStalin als revolutionärer Kindername, Jewtuschenko 1990) nicht zu unterscheiden. Histomat1ist der Versuch einer grundlegenden (sozialphilosophischen) Analyse der kapitalistischen Gesellschaftsform als
Basis für historisch-spezifische politische und kulturelle Aufbauten wie Staat, Recht, Moral, bürgerliches Leben, etc. — so formuliert es Marx in der Vorrede zu den (posthum erschienenen) Pariser Ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 (Werke-Schriften I, 506). In inhaltlichem Bezug darauf heißt es in dem 1859 publizierten Text Zur Kritik der politischen Ökonomie: „Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, daß Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der sogenannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel [...] unter dem Namen ‘bürgerliche Gesellschaft’ zusammenfaßt, daß aber die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der Ökonomie zu suchen sei“ (MEW 13, 8 bzw. Werke-Schriften VI, 838).
Unmittelbar anschließend formuliert Marx dies in der klassischen Basis-Überbau-These auch so: „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt“ (MEW 13, 8 f bzw. Werke-Schriften VI, 838 f; Hervorhebungen von V. M. R.).
Andere Formen der Vergesellschaftung zu betrachten, unterstreicht die Züge der zu analysierenden Vergesellschaftungsform nur via negationis, frühere Formen des Eigentums gehören in die Kritik der politischen Ökonomie nur, soweit sie im modernen Eigentum ›wiedererscheinen‹. ‘Form’ hat in diesem Zusammenhang verschiedene, sorgfältig zu differenzierende Bedeutungen. Histomat2ist dagegen eine geschichtsphilosophische Spekulation über die Aufeinanderfolge verschiedener Gesellschaftsformen oder ›Gesellschaftsformationen‹ in Abhängigkeit von der Steigerung der Arbeitsproduktivität. Marx bezieht sich zustimmend 1873 im Nachwort zur zweiten
678
Auflage des Kapital auf eine Petersburger Rezension der, von Marx als ‘trefflich’ eingeschätzten, russischen Übersetzung der ersten Auflage, Petersburg 1872. Marx schreibt, daß eine Kernstelle zur ›materialistischen Grundlage meiner Methode‹ laute (in der Darstellung des Rezensenten, V. M. R.): „Mit der verschiedenen Entwicklung der Produktivkraft ändern sich die Verhältnisse und die sie regelnden Gesetze [...] Marx verfolgt das Ziel [...], von diesem Gesichtspunkt aus die kapitalistische Wirtschaftsordnung zu erforschen und zu erklären [...] Entstehung, Existenz, Entwicklung, Tod eines gegebenen gesellschaftlichen Organismus und seinen Ersatz durch einen anderen, höheren“ (MEW 23, 26 f bzw. Werke-Schriften IV, XXX).
Hierin ist die Ambivalenz und die besonders mit der Etappensicht Histomat2verbundene Fortschrittsverheißung bemerkenswert. Der Marx des Kapital bestätigt so die frühere, problematische Ausführung, eine materialistische Variante hegelscher Geschichtsteleologie: „Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktionskräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden [...] sind. In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses“ (MEW 13, 9 bzw. Werke-Schriften VI, 839 f).
Indem wir von der letzten Position in die vorletzte gerückt werden, ist Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770—1831) Verklärung der Gegenwart zum Endziel der Geschichte wohl in zu schwacher Form kritisiert. In widersprüchlicher Koexistenz mit der Parole ›Einholen und Überholen‹ vertraten die Länder des ›real existierenden Sozialismus/Kommunismus‹ später offiziell die letztere Auffassung. Der eklatante Widerspruch der ›feiernden‹ Staatsideologie mit dem ›Werktag‹ der wirtschaftlichen Misere wird gegenwärtig durch Loslösung vom Sozialismus gelöst. Rückwirkend wird jener ›Sozialismus zurückgebliebener Länder‹ irreal. Gleichwohl wirkt die Gleichsetzung ‘Marxismus = real existie-
III. Positionen
render Sozialismus’ fort in der aktualisierten Fassung der Gleichsetzung mit dem nicht mehr existierenden Sozialismus und das macht es gegenwärtig schwer, etwas Faszinierendes und Anregendes in marxistischen Lehren zu sehen, es ernstlich für möglich zu halten, daß der Marxismus und die Sowjetunion Intellektuelle, etwa Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39) einmal begeistern konnten. Doch in bezug auf den historischen Materialismus als ›Formanalyse‹ der Gegenwartsgesellschaft (Holt 1974, 192 ff) im Weltmaßstab, in bezug auf Histomat1, findet mit der ›Öffnung‹ und dem versuchten Anschluß an das westliche Weltwirtschaftssystem die Konstituierung des von der Marxschen Theorie vorweggenommenen, einheitlichen Gegenstands statt. Vielleicht kann die Eule der Minerva auch in der Morgendämmerung fliegen? Der Marxismus entstand, als die ›kapitalistische Weltgesellschaft‹ erst ansatzweise existierte. Heute sind wir ihr näher. 1.3. „Für die Philosophen ist es eine der schwierigsten Aufgaben, aus der Welt des Gedankens in die wirkliche Welt herabzusteigen. Die unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens ist die Sprache. Wie die Philosophen das Denken verselbständigt haben, so mußten sie die Sprache zu einem eigenen Reich verselbständigen [...] Das Problem, aus der Welt der Gedanken in die wirkliche Welt herabzusteigen, verwandelt sich in das Problem, aus der Sprache ins Leben herabzusteigen [...] Die Philosophen hätten ihre Sprache nur in die gewöhnliche Sprache, aus der sie abstrahiert ist, aufzulösen, um sie als die verdrehte Sprache der wirklichen Welt zu erkennen und einzusehen, daß weder die Gedanken, noch die Sprache für sich ein eigenes Reich bilden; daß sie nur Äußerungen des wirklichen Lebens sind (Marx, Werke-Schriften II, 542 f). „Wenn die Philosophen ein Wort gebrauchen — ‘Wissen’, ‘Sein’, ‘Gegenstand’, ‘Ich’, ‘Satz’, ‘Name’ — und das Wesen des Dings zu erfassen trachten, muß man sich immer fragen: Wird denn dieses Wort in der Sprache, in der es seine Heimat hat, je tatsächlich so gebraucht? Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück“ (Wittgenstein, PU § 116). Zwischen den beiden Formulierungen liegen hundert Jahre. Die zweite schrieb Wittgenstein wohl 1945; die erste verfaßten Marx und Engels 1845/46, zu Beginn ihrer Zusam-
48. Die marxistische Lehre
menarbeit, als eine Bemerkung im Rahmen der Stirner-Kritik in der — erst 1932 veröffentlichten — Deutschen Ideologie. Am bekanntesten ist aus dieser Schaffensperiode die durch Engels’ Veröffentlichung im Anhang der Streitschrift Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie (1888) zum geflügelten Wort gewordene 11. These über Feuerbach: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an sie zu verändern“ (MEW 3, 4 bzw. Werke-Schriften II, 4).
Weniger einseitig, weil mißverständlich, und in deutlicher Korrespondenz zur Lösung von verdrehten Problemen der abgehobenen Sprache ist die auf die praktische Verankerung theoretischer Fragen und ›praktische Lösungen‹ zielende 8. These über Feuerbach: „Alles gesellschaftliche Leben ist wesentlich praktisch. Alle Mysterien, welche die Theorie zum Mystizism veranlassen, finden ihre rationelle Lösung in der menschlichen Praxis und in dem Begreifen dieser Praxis“ (Werke-Schriften II, 3) (letzte Hervorhebung von V. M. R.).
Marx bemerkt später en passant: „Sein [des geborenen römischen Bürgers/Bauern, V. M. R.] Eigentum, d. h. die Beziehung auf die natürlichen Voraussetzungen seiner Produktion als ihm zugehörige, als die seinigen, ist dadurch vermittelt, daß er selbst natürliches Mitglied eines Gemeinwesens. (Die Abstraktion eines Gemeinwesens, worin die Mitglieder nichts gemein haben, als etwa Sprache etc. und kaum diese, ist offenbar das Produkt viel späterer historischer Zustände.) In bezug auf den Einzelnen ist z. B. klar, daß er selbst zur Sprache als seiner eignen sich nur verhält als natürliches Mitglied eines menschlichen Gemeinwesens. Sprache als das Produkt eines Einzelnen ist ein Unding. Aber ebensosehr ist es [das] Eigentum“ (Marx 1857/58, 389 f).
Privateigentum ist eine Form des gesellschaftlichen Verhältnisses von Menschen zu den (Re-)Produktions-Mitteln: Natur, vergegenständlichte Arbeit, lebendige Arbeit. Sprecher/Hörer/Schreiber/Leser, die Sprachbenutzerinnen und Sprachbenutzer werden als Mitglieder einer Sprachgemeinschaft thematisiert, umgekehrt wird Sprache gefaßt als Gemeinschaft und Kooperation ermöglichend. Marx greift hier ein Thema auf, das in der Zeit vor der deutschen Einigung des letzten Jahrhunderts, in der Zeit der Klassik und Nachklassik besondere ›ideelle‹, auch stellvertretende ›politische‹ Bedeutung hatte, und läßt den Vergleich von Privatsprache und Privateigentum nur aufblitzen in der Folge-
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rung: ein ›Unding‹ sind beide. „In dem Akt der Reproduktion selbst ändern sich nicht nur die objektiven Bedingungen, z. B. aus dem Dorf wird Stadt, aus der Wildnis gelichteter Acker etc., sondern die Produzenten ändern sich, indem sie neue Qualitäten aus sich heraus setzen, sich selbst durch die Produktion entwickeln, umgestalten, neue Kräfte und neue Vorstellungen bilden, neue Verkehrsweisen, neue Bedürfnisse und neue Sprache“ (Marx 1857/58, 394).
Marx verallgemeinert den hier zitierten Zusammenhang und faßt ihn als Verdopplung im Rekurs auf einen theoretisch hier nicht weiter reflektierten ›ursprünglichen‹ Zustand. Er verwendet das eindringliche Bild, daß die ›mit seinem eigenen Dasein vorausgesetzten natürlichen Produktionsbedingungen‹ des Menschen als Eigentum „sozusagen nur seinen verlängerten Leib bilden“ (Marx 1957/58, 391). Mit der darauf folgenden Wendung: „Er verhält sich eigentlich nicht zu seinen Produktionsmitteln; sondern ist doppelt da, sowohl subjektiv als er selbst, wie objektiv in [...] den Bedingungen seiner Existenz“ formuliert Marx eine Einsicht mit Bezug auf das Verhältnis von Menschen zu ihren Produktionsmitteln. Läßt sich so — zu einem bestimmten Zeitpunkt — auch das Verhältnis von Mensch und Sprachmitteln fassen? Sprache und Eigentum als ›verlängerter‹ sozialer Leib? Die kritische Pointe mit Bezug auf das Eigentum ist die spätere Darstellung des Verlustes dieser Verlängerung für die Mehrzahl, die ›einfachen Menschen‹ durch Expropriation, ›ursprüngliche‹ Akkumulation des Kapitals und damit ›Verwandlung‹ der Produktionsmittel, i. e. ›Natur‹ und ›konstantes Kapital‹ in fremdes Eigentum. Die oben gedachte Einheit von Leib und verlängertem Leib kehrte sich gegen die Lohn-Arbeiter in spezieller Weise. Auch die Körper der Arbeiter und Arbeiterinnen sind — in einem erweiterten Sinn — ›Mittel‹ für die Produktion und werden ›variables‹ Kapital. Von gebildeten Marxisten wird gern die Marxsche Sentenz zitiert: „Die Sprache selbst ist ebenso das Produkt eines Gemeinwesens, wie sie in anderer Hinsicht selbst das Dasein des Gemeinwesens, und das selbstredende Dasein desselben“ (Marx 1857/58, 390). Wie wäre — so möchte ich einwerfen — die Verdopplungsüberlegung von den Produktionsmitteln auf die Sprachmittel zu übertragen, und hat sie auch eine spezifisch-historische Pointe? Wir kommen hierauf in 4. zurück.
III. Positionen
680
2.
Dialog und Leben im Bachtin-Kreis. Zur Leningrader Sprachphilosophie
2.1. Mitte der zwanziger Jahre gab es eine intellektuell sehr kreative Phase in der jungen Sowjet-Union. Der programmatische Zeitschriftenartikel Slovo v zhizni i slovo v poezii (Discourse in life and discourse in poetry: questions of sociological poetics) wird zu einem großen Teil — so die Herausgeberin der englischen Übersetzung (Shukman 1983, 2; ebenso Clark/Holq uist 1984, 146—170; cf. Holq uist in: Bakhtin 1990, xl) — Michail M. Bachtin (1895—1975) zugeschrieben. Auch die Gegenposition wird bis heute vertreten (Morson/Emerson 1990, 102 ff). Der Text erschien in der Zeitschrift Zvesda 1926 sowie als Kapitel des Buchs Frejdizm (Freudianism: A critical sketch, Leningrad 1927) unter dem Namen Valentin Nikolaevič Vološinov, ebenso das Buch Marksizm i filosofija jazyka, Leningrad 1929 (Marxismus und Sprachphilosophie, Frankfurt 1975). Dabei handelt es sich wohl um den wichtigsten Beitrag mit marxistischem Hintergrund zur Sprachphilosophie. Ann Shukman merkt an, daß Texte, die Bachtin (teilweise zur gleichen Zeit) unter seinem eigenen Namen veröffentlichte, nicht mit der an Marx angelehnten Begrifflichkeit operierten. Doch das Verhältnis zum Marxismus ist auch in dieser Schrift, die ‘Marxismus’ im Titel führt, sehr frei. Michael Holq uist sieht gleichwohl zu keiner Denkerin, keinem Denker größere Beziehung als zu Marx (Bakhtin 1990, Introduction). Die vorhandenen Bezüge und die Eigenständigkeit sollen hier knapp charakterisiert werden. Zentral für die Argumentationsrichtung in Marxismus und Sprachphilosophie ist eine Thematisierung des ›sozialen Aspekts‹ neben dem ›lingualen Aspekt‹ (Roth 1978, 76) von Sprachhandlungen, sei es im Alltagsleben, sei es in der Kunst — mit der besonderen Zuspitzung, daß „sociological method in its Marxist interpretation“ (Shukman 1983, 7) jedes wirklich gesprochene ›Wort‹, also ›Rede‹, als ein Produkt der sozialen Interaktion aufzuweisen hat. Die Rede hat drei dramatis personae: Sprecher, Hörer, Besprochene (personalisiertes Thema, ›Protagonisten‹, ›Helden‹). Es ist angesichts dieser für Sprachakte konstitutiven Triade von der ›doppelten sozialen Orientierung‹ des Sprechers/Autors die Rede (cf. Shukman 1983, 17). Der Hörer/ Leser und der Held (Thema) seien Ko-Pro-
duzenten — „constant participants in the event of creation“ (Shukman 1983, 19) — von sprachlicher Form und Bedeutung. Sprachliche Kommunikation sei ›dreidimensional‹ (Voloshinov 1975, 230) aufzufassen: „every actually spoken word (or comprehensibly written one) [...] is an expression and product of the social interaction of three components: — the speaker (author), the listener (reader), and the one of whom (or of which) they speak (the hero)“ (Shukman 1983, 17).
Durch das Interagieren dieser drei Komponenten komme der ›social spirit‹ der Rede zustande: „A concrete utterance (and not a linguistic abstraction) is born, lives and dies in the process of the social interaction of the participants in the utterance [...] When the utterance is uprooted from this real, sustaining medium, we loose the key both to its form and its meaning“ (Shukman 1983, 17).
2.2. Die beiden Neuerungen in der skizzierten Konzeption sprachlichen Ko-Produzierens im Bachtin-Kreis sind Aktivierungen ruhender Argumentstellen des mehrstelligen Prädikats ‘sprechen’, die mit der eingangs umrissenen Marxschen Betrachtung von materieller und sprachlicher Produktion in Verbindung stehen, jedenfalls so gesehen werden können. Kooperativität ist ein markantes Merkmal der Arbeit. Ebenso ins Auge springend an Arbeits- wie an Kommunikationshandlungen ist das Hinausweisen über die lebendig kooperierenden Arbeitskräfte oder Sprecher, ihre Verbindung mit ›einem Dritten‹, dem ›Produkt fremder Arbeit‹, Produktionsmitteln oder Ausdrucksmitteln. Dies mag Anregungen gegeben haben, es ist aber festzuhalten, daß die Fabriksanalogie (im Unterschied zu Rossi-Landi, cf. 4.) von Vološinov/Bachtin nicht als Argument für ihre ›marxistische‹ Sprachbetrachtung benutzt wird. Muß jedes Rede-Genre Helden haben? Und was wird mit der Konzeption der ›Dreidimensionalität der Rede‹ erreicht? Oder handelt es sich gar um vier relevante Dimensionen, spricht nicht die Sprachgemeinschaft (Marx: ›selbstredend‹) mit? Bei Vološinov findet sich die folgende wichtige Abgrenzung von dem für Sprachtheorien des ›individualistischen Subjektivismus‹ charakteristischen Ausdrucks-Paradigma: „das organisierende und gestaltende Zentrum befindet sich nicht innen (d. h. nicht im Material innerer Zeichen), sondern außen. Nicht das Erlebnis organisiert den Ausdruck, sondern umgekehrt, der Ausdruck organisiert das Erlebnis, gibt ihm
48. Die marxistische Lehre
zum ersten Mal Form und bestimmt seine Richtung“ (Voloshinov 1975, 145).
Wie aktuell diese Position ist, zeigt sich durch Heranziehen zentraler Passagen einer Darstellung des ›Systembilds des Lebens‹ durch eine reflektierende ›konstruktiv systemische‹ Therapeutin. Der Natur der Sache nach stehen hier insbesondere problematische Erlebnisse im Vordergrund: „Probleme existieren nicht an sich, sondern werden erzeugt, gelöst oder festgeschrieben durch die Art, wie sie durch Sprache mit Bedeutung versehen werden. Das Denken in statischen Zuschreibungen von Merkmalen wird abgelöst durch den Begriff der gemeinsamen Wirklichkeitskonstruktion oder der Problemdefinition zwischen Therapeutin bzw. Therapeut und Klienten. Willst Du erkennen, lerne zu handeln und zu verhandeln [...]“ (Welter-Enderlin 1991, 187).
Schon das Konzept kooperativen Zustandekommens von Sprachakten (Roth 1984, 25 ff) statt der verbreiteten Meinung, Sprechen oder Schreiben, ›Sich-Ausdrücken‹ sei eine individuelle, ›monologische‹ Handlung hat innovativen Charakter und verdient Beachtung. Es bewirkt die Verschiebung des Fokus der Aufmerksamkeit vom Sprechen zum Miteinander-Sprechen. Eine ›Tilgung‹ wird aufgelöst. Aus Aktion wird soziale Interaktion. Dies nimmt Gedankenvorgänge vorweg, wie sie sich etwa in einer nachgelassenen Schrift Gerold Ungeheuers (1935—1982) zur ›Eindrucks-Kommunikation‹ im Gegensatz zum vorherrschenden Modell der ›AusdrucksKommunikation‹ finden: „Im Modell der Eindrucks-Kommunikation rückt der Hörer in den Vordergrund, der [...] in seiner kommunikativen Tätigkeit gleichrangig mit dem Sprecher behandelt werden muß. [...] So bleibt schon im Ansatz die kommunikative Sozialhandlung erhalten und zerfällt nicht wie von selbst in individuelle Partialhandlungen. Freilich gibt es Erfahrungen genug, die, wie das Herstellen von schriftlichen Texten, das Ausdrucks-Schema nahelegen“ (Ungeheuer 1987, 295).
2.3. In dem Text von 1926, woraus ich eine Kernstelle in der (unautorisierten) englischen Übersetzung zitiere, heißt es: „Discourse in Life is obviously not self-sufficient. It arises from the non-verbal real-life situation and maintains a very intimate connection with it. Moreover, discourse is directly filled with that life and may not be detached from it without losing its sense“ (Shukman 1983, 10). Vološinov/Bachtin führen das ‘Na!’-Sprachspiel ein, durchaus in Parallele zu dem, was später bei Wittgenstein so heißen wird. Ich übertrage
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die englische Übersetzung ins Deutsche: „Ein Paar sitzt in der Stube. Es ist still. Sie sagt: ‘Na!’, er gibt nichts zur Antwort. (Auch umgekehrt denkbar) Für uns, die ja nicht in jenem Raum (at the time of the exchange) sind, ist diese ›Unterhaltung‹ völlig unerklärlich. Denn isoliert genommen ist die Äußerung ‘Na!’ ganz leer und ohne Sinn [...] Wieviel wir den verbalen Teil der Äußerung auch drehn und wenden, wie genau wir phonetische, morphologische und semantische Merkmale des Worts ‘na’ bestimmen, wir werden kaum einen Schritt näher kommen zum Verstehen des Sinns [...] Was fehlt? Der non-verbale Kontext, in dem das gesprochene Wort ‘Na!’ verständlich für eine Hörerin oder einen Hörer war [...] Wir brauchen nur hinzuzunehmen: Zum Zeitpunkt ihrer Unterhaltung schauten die beiden aus dem Fenster und sahen, daß es schneite! Beide wußten, daß es bereits Mai war und längst Zeit für den Frühling“ (cf. Shukman 1983, 10 f).
‘NA!’ läßt sich nun etwa so im Zwiegespräch des alten Paares entfalten: „NA, Du bist dieses Jahr aber hartnäckig, Winter ... ... willst nicht weichen, doch es ist Zeit!“ (Shukman 1983, 10 f und 15). Im Kommentar dieses ‘Na!’-Sprachspiels durch Vološinov/Bachtin wird besonderer Wert auf etwas ›Suprasegmentales‹, die Intonation, gelegt. Die Anregung dazu stammt von Fedor Michajlovič Dostoevskij (1821— 1881) mit dem sich Bachtin sehr intensiv beschäftigte. Zum Beleg füge ich aus der späteren Schrift Sprachphilosophie (1929) das parallele ‘Shit’-Sprachspiel an: Hier ist ein klassisches Beispiel der Anwendung der Intonation in einer aus dem Leben gegriffenen Rede. Dostoevskij erzählte im Tagebuch eines Schriftstellers (1873—1881): „An einem Sonntag ging ich einmal am späten Abend an die fünfzehn Schritte neben einer Gesellschaft von sechs betrunkenen Handwerkern, und ich gewann plötzlich die Überzeugung, daß es möglich ist, alle seine Gedanken, Gefühle und sogar ganz tiefe Betrachtungen mittels dieses einen Hauptwortes, das zudem aus außerordentlich wenig Silben besteht, auszudrücken. Da sagt ein Bursche scharf und energisch dieses Hauptwort, um etwas, worüber sie vorhin alle sprachen, in der verächtlichsten Weise abzulehnen. Der andere antwortet ihm mit dem gleichen Hauptwort, das aber schon ganz anders klingt und einen anderen Sinn macht: es drückt nämlich seinen Zweifel an der Wahrhaftigkeit der vom ersten Burschen geäußerten Ablehnung aus. Der dritte empört sich gegen den ersten Burschen; er fällt mit großer Hitze ins Gespräch ein und ruft ihm das gleiche Hauptwort zu, doch im Sinne eines Fluches und Schimpfwortes. Nun mischt sich wieder der zweite Bursche
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ein; er ist über den dritten, der den ersten beleidigt hat, empört und stellt ihn zur Rede: ‘Was fällt Dir ein, mein Bester? Wir haben doch ganz ruhig gesprochen, und Du fängst plötzlich auf den Filka zu schimpfen an!’ Diesen ganzen Gedanken äußert er mit Hilfe dieses gleichen geheiligten Wörtchens, nur, daß er dabei die Hände hebt und den dritten Burschen an der Achsel packt [...] [Sie] wiederholten das beliebte Wort sechsmal hintereinander, einer nach dem anderen, und sie verstanden sich vollkommen“ (Voloshinov 1975, 168 f).
2.4. In dem 1929, in zweiter Auflage 1930 in Leningrad erschienenen Buch Marksizm i filosofija jazyka, aus dessen deutscher Übersetzung ich gerade zitiert habe, wird der dargestellte Ansatz des Essays Slovo v zhizni i slovo v poezii (1926) beibehalten und insbesondere die Bedeutung der Sprachphilosophie für die projektierte, aber im Marxschen Systemfragment ja nur in einigen Zügen umrissene marxistische Theorie der Ideologie behandelt. Der Marxismus als Philosophie der sozialen Praxis (Schmied-Kowarzik 1981) verbindet sich mit dem von Wilhelm von Humboldt (1767— 1835) (s. Art. 27) so genannten EnergeiaAspekt in der Sprachbetrachtung. Dabei erfährt auch die performative Seite der Sprachhandlungen eine frühe Betrachtung, terminologisch gefaßt als ›Wertung‹. Der junge Bachtin stand unter dem philosophischen Einfluß des Neukantianismus. Dies wurde 1918 durch intensiven Gedankenaustausch mit Matvej Isaevič Kagan (1889—1937) nach dessen Rückkehr vom Studium bei Hermann Cohen (1842—1918) in Marburg aufgefrischt (cf. Holquist 1990, 5). Das neukantianische Motiv der Wertung wird weiterentwickelt zu einer pointiert formulierten These, die eine später in der Analytischen Philosophie (seit Ryle 1961, 223 ff) geläufige Unterscheidung von Sprache und Sprechen brilliant antizipiert, wohl angeregt vom damals aktuellen ›Primat der Ideologie‹: „Das sprachliche Bewußtsein der Sprechenden hat im Grunde weder mit der Sprachform als solcher, noch mit der Sprache als solcher [dem Ergon im Sinne Humboldts, V. M. R.] zu tun. [...] Wir sprechen in Wirklichkeit keine Wörter aus und hören keine Wörter, sondern hören Wahrheit und Lüge, Gutes oder Schlechtes, Wichtiges oder Unwichtiges, Angenehmes oder Unangenehmes usw. Das Wort ist immer mit ideologischem oder aus dem Leben genommenem Inhalt und Bedeutung erfüllt. Als solches verstehen wir es, und nur, wenn es uns ideologisch oder im Zusammenhang mit unserem Leben berührt, beantworten wir es [...] Die Sprache ist im Prozeß ihrer praktischen
III. Positionen
Verwirklichung nicht von ihrem ideologischen und das tägliche Leben betreffenden Inhalt zu trennen“ (Voloshinov 1975, 126).
So zutreffend dies auch ist: Ideologiekritik, Aufweis epochal-›ver-kehrten‹ Bewußtseins ist mit dieser Einsicht aber (noch) nicht verbunden. Streng genommen steht hiermit auch der erklärte, aber wohl kaum vollinhaltlich eingelöste Anspruch infrage, „Problemen der Sprachphilosophie innerhalb der Einheit der marxistischen Weltanschauung ihren Platz zuzuweisen“ (Voloshinov 1975, 51). Katerina Clark und Michael Holq uist hatten in ihrer Bachtin-Biographie 1984 solchen Formulierungen zunächst die Funktion ›window dressing‹ im Hinblick auf die Druckerlaubnis zugeschrieben. In der Einleitung zu Bachtins Frühschriften Art and Answerability argumentiert Holq uist nun nachdrücklich für „Bakhtin’s more fundamental relation to Marxist thought independent of Bolshevik practice, especially in light of these early essays“ (Bakhtin 1990, XI). Angeboten wird eine durchaus eigenständige Konzeption, in der es auch eine Identifikationsmöglichkeit von ›Held‹ und ›Ideologie‹ gibt: „Die Ganzheit der alltäglichen Erlebnisse und der mit ihnen unmittelbar verbundenen äußeren Ausdrücke wollen wir, zum Unterschied von den geformten ideologischen Systemen — der Kunst, der Moral, des Rechts — Ideologie-des-Alltagslebens nennen. Die Ideologie des Alltagslebens ist das Element der unregulierten unfixierten inneren und äußeren Rede, welche jede Handlung und jede Tat sowie unseren ganzen ›bewußten‹ Zustand begreift [...] Die gestalteten ideologischen Systeme der gesellschaftlichen Moral, der Wissenschaft, der Kunst und der Religion kristallisieren sich aus der Ideologie des Alltagslebens heraus und haben ihrerseits eine starke Rückwirkung auf sie“ (Voloshinov 1975, 152 f).
Die Ideologie des Alltagslebens zieht ein aktuelles Werk, zum Beispiel ein Kunstwerk, in eine soziale Situation hinein. Dies erschließt auch den Zugang zum Phänomen ›mehrerer Leben hintereinander‹ der klassischen Werke. „Darin liegt das Leben eines ideologischen Werkes: In jeder Epoche seiner historischen Existenz muß das Werk eine enge Verbindung mit der wechselnden Ideologie des Alltagslebens eingehen, sie in sich eindringen lassen und sich mit ihren neuen Säften vollsaugen [...] Außerhalb dieser Verbindung hört es auf zu existieren, denn es wird nicht mehr als ideologisch relevant erlebt“ (Voloshinov 1975, 153).
Es werden verschiedene Schichten in der Ideologie des Alltagslebens unterschieden. „Neu auftretende gesellschaftliche Kräfte fin-
48. Die marxistische Lehre
den ihren ideologischen Ausdruck und ihre Gestalt zuerst in [...] höheren Schichten der Alltagsideologie, noch bevor es ihnen gelingt, den Kampfplatz der organisierten, offiziellen Ideologie für sich zu gewinnen“ (Voloshinov 1975, 154 f), wobei sie in ›ideologischen Organisationen‹ wie Presse, Literatur, Kino, bildende Kunst, Wissenschaft — unter den Einfluß ›gestalteter ideologischer Systeme‹ und den darin angesammelten Formen sowie ›ideologischer Gewohnheiten‹ geraten. In freimütig kritischem Bezug auf die Marxsche Basis-Überbau-These heißt es: „Das Sein, das sich im Zeichen widerspiegelt, wird dort nicht einfach widergespiegelt, sondern gebrochen“ (Voloshinov 1975, 71).
In Verbindung mit dieser modernen Kernthese der ›im sprachlichen Zeichen gebrochenen Widerspiegelung‹ und in Kontrast zu dem partei-offiziellen ›sozialistischen Realismus‹ steht die Konzeption ›gesellschaftlicher Multiakzentuierung‹: „Ein Zeichen, das aus der Spannung des sozialen Kampfes ausgesondert wird und sich sozusagen außerhalb des Klassenkampfes befindet, muß notwendigerweise verkümmern [...] Indessen verwandelt der gleiche Faktor, der das ideologische Zeichen lebendig und veränderbar macht, es auch in ein Medium, welches das Sein bricht und sucht. Die herrschende Klasse ist bemüht, dem ideologischen Zeichen einen über den Klassen stehenden, ewigen Charakter zu verleihen, den in ihm stattfindenden Kampf der gesellschaftlichen Wertungen zu unterdrücken oder nach innen zu verlagern, es eindeutig zu machen [...] Jede lebendige Schmähung kann sich in ein Lob verwandeln, jede lebendige Wahrheit kann in den Ohren vieler klingen, wie die größte Lüge. Diese innere Dialektik des Zeichens wird bis zur letzten Konseq uenz nur in Zeiten sozialer Krisen oder revolutionärer Veränderungen offenbar. Am Material des Wortzeichens kann die Kontinuität des von der Basis zum Überbau verlaufenden dialektischen Wandlungsprozesses am besten und vollständigsten verfolgt werden. Die Kategorie der mechanistischen Kausalität bei der Erklärung ideologischer Erscheinungen kann am leichtesten auf der Grundlage der Sprachphilosophie überwunden werden“ (Voloshinov 1975, 72 f).
2.5. Vološinovs ›gedruckte sprachliche Handlung‹ hat zu seiner Zeit kaum Resonanz gehabt und dies wäre wohl so geblieben, wenn nicht unabhängig davon im Westen in mancher Hinsicht ähnliche Gedanken zur Verschränkung von Leben und Sprechen entstanden wären. Wir gehen hierauf in den folgenden Abschnitten näher ein. Zuvor aber noch ein Exkurs zur ›inneren Rede‹, die nicht mit einer internen ›Privat-
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sprache‹, bestehend aus ›inneren Zeichen‹, zu verwechseln ist: „Die äußerlich aktualisierte Äußerung ist eine Insel, die aus dem uferlosen Ozean der inneren Rede ragt; die Dimensionen und Formen dieser Insel werden durch die jeweilige Situation der Äußerung und durch ihr Auditorium bestimmt. Die Situation und das Auditorium zwingen die innere Rede, sich in einem bestimmten äußeren Ausdruck zu aktualisieren, der in den nicht sich äußernden Kontext des Lebens unmittelbar eingeschlossen ist und wo er sich zu einer Handlung, einer Tat oder einer gesprochenen Antwort anderer Kommunikationsteilnehmer vervollständigt. Die abgeschlossene Frage, der Ausruf, der Befehl, die Bitte, — das sind sehr typische ganze Äußerungen aus dem Alltagsleben. Sie alle [...] fordern eine außersprachliche Vervollständigung, ja sogar einen außersprachlichen Beginn“ (Voloshinov 1975, 160).
Das Stichwort der ›inneren Rede‹ hat später beim sowjetischen Neuropsychologen Aleksandr Romanovič Lurija (1902—1977) besondere Bedeutung im Zusammenhang mit ›Aphasie‹, Verlust/Störung der (äußeren) Rede, des Schreibens, Lesens und Verstehens. Er bezieht sich nicht auf die Sprachphilosophie Vološinov/Bachtins, sondern auf die Sprachtheorie seines Lehrers Lev Semenovič Vygotskij (1896—1934), dessen Hauptwerk Denken und Sprechen einige Jahre später, 1934, in Moskau veröffentlicht, aber erst nach Stalins Tod, in der Neuauflage 1956 rezipiert wurde. Treffend, so läßt sich im Abstand von sechzig Jahren erkennen, ist die in der Einleitung von Marxismus und Sprachphilosophie gegebene Einschätzung: „Man kann sagen, daß die gegenwärtige bürgerliche Philosophie sich unter dem Zeichen des Wortes zu entwickeln beginnt, wobei diese neue Richtung im philosophischen Denken des Westens noch in ihren Anfängen liegt“ (Voloshinov 175, 51; meine Hervorhebung V. M. R.). Sie nimmt bei Wittgenstein einen Weg, der es schwer machen wird, die Sprachphilosophie als ›bürgerlich‹ von der im Selbstverständnis ›marxistisch-soziologischen‹ Position des BakhtinKreises abzutrennen.
3.
Einfluß auf Wittgenstein?
3.1. In Marxismus und Sprachphilosophie werden der erste Band von Ernst Cassirers (1874—1945) (s. Art. 37) Philosophie der symbolischen Formen (1923) sowie Karl Bühlers (1879—1963) (s. Art. 38) Unterscheidung zwischen der Kombination von Signalen und der Kombination von Sprachformen im Satz aus
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seinem Beitrag Vom Wesen der Syntax für die Festschrift für Karl Vossler (1922) als interessant und geistreich kommentiert, kritisch hingegen wird Ferdinand de Saussures (1857—1913) (s. Art. 36) Konstitution des Gegenstands der Sprachtheorie rezipiert und als ›abstrakter Objektivismus‹ attackiert: „Über den Kadavern geschriebener Sprachen ist dieses Denken entstanden“ (Voloshinov 1975, 127). Immer noch gehe die Linguistik, wenn sie über das Sprachsystem forsche, wie vor ihr die ›Priester-Philologen‹ mit Bezug auf die jeweilige ›Heilige Schrift‹, gleichsam von toten Sprachen aus und blende damit systematisch aus, was lebendiges Sprechen auszeichne. Wittgensteins Tractatus wird nicht erwähnt. Er ist zwar 1921 unter dem Titel Logischphilosophische Abhandlung erschienen, aber erst in der deutsch-englischen Ausgabe Tractatus logico-philosophicus (1922), die auf Betreiben Bertrand Russells (1872—1970) zustande kam, bekannt geworden und hat bereits 1927 in einer chinesischen Ausgabe Ming Li-lun [Theorie der Namen], wiederum angeregt durch Russell, vorgelegen. Über eine russische Ausgabe dieser Zeit ist mir nichts bekannt. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, daß der junge Wittgenstein im Bachtin-Kreis wahrgenommen wurde. Die zitierte zutreffende Voraussage, wonach sich das philosophische Denken des Westens seit den zwanziger Jahren ›unter dem Zeichen des Wortes‹ entwickele, zielt auf den in Deutschland und Rußland damals tonangebenden Neukantianismus, auch wenn zwei Generationen später jener ›linguistic turn‹ eher mit Wittgenstein als mit Cassirer verbunden wird. Ist es umgekehrt denkbar, daß Wittgenstein mit Gedanken des Bachtin-Kreises in Berührung kam und danach sich von eigenen Positionen im Tractatus distanzierte? Da beim heutigen Leser der Eindruck entsteht, daß manches dessen, was Wittgensteins späte Sprachphilosophie mit ihrer ›Auflösung philosophischer Probleme‹ berühmt machte, in Leningrad schon vor-gedacht war, steigt die Spannung, wenn unter ›Wittgenstein’s friends‹ (Eagleton 1982, 74—81; Monk 1990, 647) ein Nicholas Bakhtin (1894—1950) aufgeführt wird: „His conversations with Wittgenstein were one of the factors influencing the philosopher’s shift from the [...] Tractatus to the [...] Philosophical Investigations“ (Clark/Holq uist 1984, 20). Sie konstatieren: „He was clearly an extraordinary thinker“. Nicholas Bakhtin ist Bachtins fast gleichaltriger Bruder Nikolaj,
III. Positionen
der nach Teilnahme am Krieg als Ulane und am Bürgerkrieg in den Reihen der Weißen Armee bei der französischen Fremdenlegion (daher die Namensänderung) gelandet war. Nach schwerer Verwundung setzte er seine ›classical studies‹ an der Sorbonne und ab 1932 in Cambridge fort. Der Briefkontakt zur Familie sei 1926 — „when it became too dangerous to write“ — abgerissen. Und dann folgt die für die aufgeworfene Frage interessante Mitteilung: „Nikolai did not find out about Mikhail’s Dostoevsky book until 1930 when he discovered it by chance in a Paris bookshop“ (Clark/Holq uist 1984, 19 f). Es ist also nicht ausschließlich ein Dumassches Phänomen ›korsischer Zwillinge‹, die sich trotz Trennung ›strikingly similar‹ (Clark/Holq uist 1984, 18; Eagleton 1982, 76) entwickeln. Wittgenstein stand, wenn er mit Bakhtin sprach, mittelbar mit dem Dostoevskij-Buch Bachtins, Problemy tvorchestva Dostoevskogo, Leningrad 1929, im Gespräch. Dieses zeitgleich mit Marxismus und Sprachphilosophie und im gleichen Verlag, Priboi, erschienene Buch markiert im Schaffen Bachtins nach Meinung seiner Biographen den Durchbruch zur Position des ›Dialogismus‹ (s. Art. 47), gekennzeichnet durch eine ›Übersetzung‹ seiner noch in ›abstrakter philosophischer Sprache‹ gehaltenen Behandlung der Phänomenologie des Bewußtseins in den Frühschriften „into the language of social relations, into interindividual relations in everyday life (i. e., into plot relations in the broad sense of the word)“ (Clark/Holq uist 1984, 243; cf. Emerson 1984, 292). 3.2. Schon 1935 ist Wittgenstein Fachkollegen in der Sowjetunion bekannt. Man muß ja berücksichtigen, daß Deutsch in dieser Zeit noch Sprache der Gebildeten in Osteuropa war. Als er bei seinem Besuch in Moskau sich bei einer Logikerin anmelden läßt, scherzt sie: ‘Was, doch nicht der große Wittgenstein?’ (cf. Wittgenstein 1990, 424). Für Wittgenstein (drei seiner Brüder brachten sich um) war das Thema ‘Aussteigen’, ‘Ausbruch aus dem bürgerlichen Leben’ mehrmals in seinem Leben aktuell. Peter Philipp verweist auf den Brief vom 14. 9. 1922 an den Wiener Freund Paul Engelmann (1891—1965), den Ko-Architekten des ›Wittgenstein-Hauses‹: „Was wir damals (einige Tage vorher beim Besuch Engelmanns in Wien oder früher?, V. M. R.) von einer eventuellen Flucht nach Rußland sprachen, das spukt noch immer in meinem Kopf herum“ (Wittgenstein 1980, 125). Am
48. Die marxistische Lehre
30. 6. 1935 (inzwischen sind schon die Philosophische Grammatik, The Blue Book, The Brown Book entstanden) schreibt Wittgenstein an John Maynard Keynes (1883—1946): „Ich habe nun mehr oder weniger beschlossen, im September als Tourist nach Rußland zu fahren und herauszubekommen, ob ich dort eine passende Stelle finden kann. Falls ich feststelle (was, wie ich befürchte, recht wahrscheinlich ist), daß ich eine solche Stelle nicht finden oder keine Arbeitserlaubnis in Rußland bekommen kann, so würde ich gern nach England zurückkehren und, wenn möglich, Medizin studieren. Nun, als Du mir sagtest, Du würdest mich während meiner medizinischen Ausbildung unterstützen, wußtest Du vermutlich nicht, daß ich nach Rußland gehen möchte und versuchen würde, die Erlaubnis zu erhalten, in Rußland Medizin zu praktizieren“ (Wittgenstein 1980, 189).
Er beschreibt sich selbst als „politisch keineswegs gefährlich“ (Brief an Keynes 6. 7. 1935; Wittgenstein 1980, 191). Drei Tage später setzt Keynes dies im Brief an den ihm gut bekannten sowjetischen Botschafter in London wie folgt um: „Dr. Wittgenstein ist als Philosoph sehr bekannt und durch eine sehr alte und enge Freundschaft mit mir verbunden [...] Ich muß es ihm selbst überlassen, Ihnen mitzuteilen, weshalb er nach Rußland gehen möchte. Er gehört nicht der Kommunistischen Partei an, doch er empfindet sehr viel Sympathie für die Lebensform, für die die neue russische Regierung seiner Überzeugung nach einsteht“ (Brief 10. 7. 1935 an Botschafter Maiski; Wittgenstein 1980, 192).
Wittgenstein hatte zur Vorbereitung schon etwas Russisch gelernt. Seine Bemühung um eine Einreiseerlaubnis war erfolgreich. Im September 1935 ist er am Institut des Nordens der Universität Leningrad, danach an der Akademie der Wissenschaften in Moskau. Es wird ihm ein Lehrstuhl an der Universität Kasan angeboten! Im Brief vom 6. 7. 1935 an Keynes hatte Wittgenstein die folgende Absicht formuliert und anscheinend durchgesetzt: „An zwei Instituten möchte ich mit den Offiziellen sprechen; das eine ist das Institut des Nordens in Leningrad, das andere das Institut für nationale Minderheiten in Moskau. Es heißt, diese Institute befaßten sich mit Leuten, die in die ›Kolonien‹ gehen wollen, das heißt, in die kürzlich kolonisierten Teile am Rande der UdSSR“ (Wittgenstein 1980, 191). „Ich bin jetzt auf kurze Zeit in England, fahre vielleicht nach Rußland“, doch dies schreibt Wittgenstein am 21. 6. 1937, wiederum an Engelmann. Zu der Zeit hat er keine Anstellung. Zwei Jahre später ist er Professor in Cambridge.
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Ferruccio Rossi-Landi fragt nach dem „möglichen Einfluß des Marxismus“ auf die Veränderung der Sprachphilosophie Wittgensteins, „unmittelbar über bestimmte klassische Texte“ oder als „nicht bewußten Einfluß“ (Rossi-Landi 1972, 107) der Marxschen Philosophie der Praxis. Rossi-Landi kann auf die Gleichzeitigkeit mit dem endlich erfolgten Erscheinen der Marxschen Frühschriften hinweisen: hierin gebe es „viele Seiten, die Wittgenstein, wie ich vermute, mit Begeisterung gelesen hätte (oder gelesen hat?) — die [...] Deutsche Ideologie erschien [...] 1932 in Berlin, als Wittgenstein jenen ›radikalen Wandel‹ vollzog [...] es ist schwer vorstellbar, daß die Marxisten von Cambridge, sogar die des Trinity College (zu dem Wittgenstein seit 1912 wechselvollen, engen Kontakt hat, V. M. R.) darüber nicht diskutiert hätten [...] In den Philosophischen Untersuchungen gibt es Gedanken, die sogar in den sprachlichen Formulierungen an Gedanken der Deutschen Ideologie erinnern“ (Rossi-Landi 1972, 108—110).
Doch Rossi-Landi fügt hinzu: „Gewiß ist die Beziehung zum Marxismus nicht die einzige aufspürbare Beziehung [...] Die gesamte Behandlung der ›Kategorien des Lebens‹ bei Dilthey hat auf weite Strecken einen prä-Wittgensteinianischen Geschmack“ (Rossi-Landi 1972, 110). ‘Ein Ausdruck hat nur im Strom des Lebens Bedeutung’ wird später Wittgenstein notieren. „Nur der Strom der sprachlichen Kommunikation gibt dem Wort Licht und Bedeutung“ heißt es bei Vološinov (1975, 168). Im Bachtin-Kreis hätte sich Wittgenstein gut unterhalten. Wittgensteins Erklärung: „Wieweit meine Bestrebungen mit denen anderer Philosophen zusammenfallen, will ich nicht beurteilen [...] darum gebe ich auch keine Quellen an, weil es mir gleichgültig ist, ob das, was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat“ aus dem Vorwort zum Tractatus klingt angesichts des Geschilderten vielleicht manchen Lesern in den Ohren. In den Gesprächen mit Nicholas Bakhtin fiel auch die Entscheidung, Tractatus und Philosophische Untersuchungen in einem Buch zu veröffentlichen (von Wright 1982, 53).
4.
Homologie des materiellen und sprachlichen Produzierens bei Rossi-Landi
Es wurde eingangs (cf. 1.3.) die durch Bemerkungen von Marx nahegelegte Parallele in der Betrachtung von Produktionsmitteln
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und Sprachmitteln angesprochen. Produktionsmittel sind ja ebenso ein zusammenwirkendes System wie die Sprachmittel in der menschlichen Gesellschaft. Wenn individuell in der kapitalistischen Gesellschaft produziert wird, geschieht dies, damit das Produkt als Ware gesellschaftliche Anerkennung findet, also verkauft werden kann. Marx analysiert den Preis in seiner ›Wertformanalyse‹ (Holt/Pasero/Roth 1974, 192 ff), auf deren wichtigste Darstellungen Rossi-Landi sehr früh verweist, als Manifestationsform ›gesellschaftlicher Arbeit‹, die es direkt, ›lebendig‹ und unabhängig von der Wertform in unserer Gesellschaft nicht gibt. Der Zyklus des Kapitals als ›Verwertung‹ hat mit jenem Wertbildungsprozeß zu tun. Eine Betrachtung, die von dieser konstitutiven Wertseite abstrahiert, analysiert den gleichen Prozeß als ›einfachen Arbeitsprozeß‹. „Wie sich das Kapital zum Handel (trade) verhält, so verhält sich die Sprache zum Sprechen“ zitiert Rossi-Landi in Sprache als Arbeit und als Markt (1972, 14) den Oxforder Sprachphilosophen Gilbert Ryle (1900—1976). Man kann nur sagen, was sich in der verwendeten Sprache sagen läßt. Alles, was im Handel ist, wurde (in der Regel) vom industriellen Kapital geliefert. Doch gehört etwas noch zum aktuellen Stand der Sprache, wenn es nicht mehr verwendet wird? Wird etwas immer weiter produziert, auch wenn es nicht mehr verkauft wird? Nicht nur ist ›trade‹ von ›capital‹ abhängig, Kapital selbst ist Wertformwechsel mit dem Ziel der Wertgrößendifferenz: Geld—Ware—mehr Geld ist der Kreislauf sowohl des Handels- wie des industriellen Kapitals. Bei Ryle ist ‘capital of expressions’, so im Co-Referat John Niemeyer Findlays (Ryle 1961, 231), gleichbedeutend mit ‘stock’, ‘fund’, ‘deposit’, ‘hoard’, ‘a purseful’, — also eher Geldsumme als Kapital: „a set of moderately permanent possibilities of making particular momentary transactions“ (Ryle 1961, 224). Bei Rossi-Landi nimmt jenes „Roughly, as Capital stands to Trade, so Language stands to Speech“ eine anspruchsvollere Bedeutung an. Als Hegel-Marxist gibt er sich nicht mit der (einfachen) Zirkulation, den ›transactions of a moneyed man‹ zufrieden. Ist es mehr als die Assoziation eines ›nonnative speakers‹ und bikulturellen Grenzgängers, daß Ryles exoterischer Gebrauch von ‘Capital’ im Sinne einer Geldsumme RossiLandi zum esoterischen Gebrauch von ‘ca-
III. Positionen
pital’ im Sinne der Grundform des Kapitals, also industrielles Kapital führt? Rossi-Landi vergleicht die Sprache mit dem konstanten Kapital und die Sprecher mit dem variablen Kapital. Dies soll nicht nur eine Analogie sein, sondern eine ›Homologie‹. Die sprachliche Produktion gilt als ›sprachlich-kommunikative Arbeit‹, die Sprache als ›Produkt vorausgehender sprachlicher Arbeit‹. Karl Steinbach kommentiert dies im Nachwort zur deutschen Ausgabe mit einem Zitat aus Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie: „Wenn gesagt wird, daß das Kapital ‘aufgehäufte Arbeit ist, die als Mittel zu neuer Arbeit dient’, so wird die einfache Materie des Kapitals betrachtet, abgesehen von der Formbestimmung, ohne die es nicht Kapital ist“ (Marx 1857/58, 168 f). Nehmen wir die in diesem Abschnitt anfangs skizzierte Unterscheidung zwischen Arbeits- und Verwertungsprozeß auf: Rossi-Landi bleibt mit seiner Argumentation innerhalb des Arbeitsprozesses und seiner ›einfachen Momente‹, Tätigkeit und Mittel/Material. Zum Verwertungsprozeß wird der Arbeitsprozeß ›als Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft durch den Kapitalisten‹. Arbeiter und Arbeiterinnen arbeiten unter der Direktion eines Kapitals und das Ergebnis der Arbeit ist Eigentum des Kapitals. Möchte Rossi-Landi Entsprechendes hinsichtlich der sprachlichen Arbeit behaupten? Und wo sind die verschiedenen, miteinander konkurrierenden ›Kapitale‹ in diesem Bild von Sprache und Sprechern? RossiLandi kritisiert den ›sprachlichen Merkantilismus‹ in der Auffassung von Ryle. Indem er anstelle des (sprachlichen) Geldausgebens das gemeinschaftliche Arbeiten mit (sprachlichen) Produktionsmitteln setzt, was hat er gewonnen? Und ist auch etwas verloren gegangen? Der Wechsel von der Zirkulations- in die Produktionssphäre bewirkt, was schon im (Rossi-Landi nicht bekannten) Bachtin-Kreis ein Anliegen war: Kritik am verbreiteten ›individualistischen Subjektivismus‹ und gleichzeitig am ›abstrakten Objektivismus‹ in unserer Sprachauffassung. Sprache ist kein ›Abreißblöckchen‹ von Wörtern, kein Notenbündel. Die Vorstellung ist so bildhaft anschaulich, daß sie von Wittgenstein stammen könnte. Sie ist zugleich so reduziert, daß sie Einwände geradezu provoziert. Ryles Punkt ist, daß wir, selbst wenn wir uns die ›words (constructions, etc.)‹ wie vom Abreißblock aus der Sprache entnommen denken, zum Verstehen der sentences unserer Sprachhandlungen nicht genug zur Verfügung haben. Ryle
48. Die marxistische Lehre
verwendet nicht die Saussureschen Unterscheidungen, doch ›speech‹ hat bei ihm durchaus Züge der Sprachfähigkeit (langage) und der performative Aspekt unterscheidet das Sprechen vom Sprachsystem. Rossi-Landi läßt sich auf diese Rede von den unendlich vielen Möglichkeiten der ›sentences‹ (Sprachhandlungen) nicht ein, sondern versucht wenig glücklich ein ›catch-all‹ mit dem Term ‘Nachrichten’, entnommen aus der technischen Kommunikationstheorie. Es besteht dadurch die Gefahr, Zeigehandlungen mit ihren ›Marken‹ (Kamlah/Lorenzen 1967, 60), die technisch konservierbar und reproduzierbar sind, zu verwechseln. Hierdurch ist an der philosophischen Reflexion in Petersburg und Oxbridge darauf, was wir tun, wenn wir miteinander sprechen, vielleicht das Wichtigste verloren gegangen. Allem Anschein nach kann man die Handlung Geldausgeben individuell ausführen, es bedarf nur einer Hand, um passende Wörter der eignen Sprache von Ryles Block zu reißen. Industrielles Arbeiten hingegen ist keine Individualhandlung. Bei näherem Zuschauen ist der sich aufdrängende Unterschied ein aus den Verhältnissen entspringender Schein. Niemand kann kaufen, ohne daß etwas von jemand anderem ›Gemachtes‹ verkauft wird. Rossi-Landi erspürt den ›Geldfetisch‹ in der Argumentation Ryles. Wenn aber Geld die Form der gesellschaftlichen Arbeit der Waren, die verkauft werden, ausdrückt, warum dann nicht gleich die gesellschaftliche sprachliche Arbeit statt Ryles Scheckheft in den Blick nehmen? In seiner Überlegung zur ›Homologie des Produzierens‹ plädiert Rossi-Landi dafür, daß Materialität des Produkts keine notwendige Bedingung dafür sein soll, den Herstellungszusammenhang als gesellschaftliche Arbeit zu fassen. Es ist freilich nicht der materielle oder immaterielle Charakter, sondern die Form der gesellschaftlichen Arbeit, auf die es hier ankommt. Doch führt Rossi-Landi wirklich Argumente für eine ›Homologie‹, die die Formseite betreffen, an? Die Antwort könnte verborgen sein in der programmatischen Titel-Formulierung Sprache als Arbeit und als Markt (Il linguaggio come lavoro e come mercato). Doch hier erfahren wir: „Mein Aufsatz von 1965 [...] beinhaltete einen Abschnitt über die Sprache als sprachliches Kapital und einen anderen über die sprachliche Gemeinschaft als Markt“ (Rossi-Landi 1972, 121). Der Unterschied zu Ryle erscheint hier ›roughly‹ als ›very fine‹. Rossi-Landi kritisiert an Ryle und generell an der bisherigen Sprachtheorie: „Was [...] fehlt, ist der allge-
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meine Begriff der sprachlichen Arbeit“. Er diagnostiziert die „fehlenden oder unklaren Unterscheidungen zwischen Produkt, Bedeutung des Produkts und Gebrauch des Produkts [...] auch zwischen den Teilen, die in ein Ganzes einzurechnen sind, je nachdem ob man es vor, während oder nach seinem faktischen Funktionieren betrachtet“ (RossiLandi 1976, 44). Und er gesteht freimütig ein: „Eine an Hegel und Marx orientierte Wissenschaft von der Sprache gibt es [...] noch nicht. Doch vielleicht wird sie sich entfalten lassen am Modell der Marxschen Wissenschaft von der materiellen Produktion, von ihren Produkten und von den Verhältnissen zwischen ihnen und den produzierenden Menschen“ (Rossi-Landi 1976, 44).
Es bleibt der Anspruch der marxistischen (Kritik der) Sprachphilosophie, das von Wittgenstein nur konstatierte ›Leerlaufen‹ der Sprache auch ›systemisch‹ aufzuklären: „Wittgenstein fragt niemals danach, warum die Sprache feiert und leerläuft, welche geschichtlich-gesellschaftliche Genesis die geistigen Krämpfe und Verwirrungen aufweisen“ (Rossi-Landi 1972, 113 f).
5.
Literatur in Auswahl
Bachtin 1985 a, Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur. Die Thesen werden entwickelt in der Auseinandersetzung mit Dostoevskij und Rabelais. Starker Einfluß der ›Volkskultur‹, Erleben der ›Butterwoche‹ (= Karneval). Bachtin 1985 b, Probleme der Poetik Dostoevskijs. Gleichzeitig entstanden mit der Sprachphilosophie (s. u. Voloshinov) und durch Bachtins Bruder in Wittgensteins Umkreis präsent. Eldred/Hanlon/Kleiber/Roth 1984, La forma valore. Ergebnisse eines Forschungsprojekts zur Rekonstruktion des Marxschen Systemfragments aufgefaßt als ›Form-Analyse‹. Holt/Pasero/Roth 1974, Zur Wertformanalyse. Eine Vorarbeit zu La forma valore, angeregt durch Rudolf Hickel und inhaltlich beeinflußt durch vorausgegangene Arbeiten in Frankfurt von HansGeorg Backhaus und Helmut Reichelt. Ein Dokument der Zeit der Kapital-Studiengruppen nach der Studentenbewegung. Lurija 1982, Sprache und Bewußtsein. Zusammenhängende Darstellung der Entwicklung der sowjetischen Neuropsychologie (Vorlesungen an der Universität Moskau) mit Berücksichtigung des durch Hirnschädigung ausgelösten Zerfalls der Sprechtätigkeit und ihrer Rehabilitation.
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Kamlah/Lorenzen 1967, Logische Propädeutik. Hauptwerk der ›Erlanger Schule‹. Spiegelt selbstdenkend ›gebrochen‹ das Ankommen des ›linguistic turns‹ in Deutschland. Marx 1962—64, Werke-Schriften, Bd. I—VI. Marx 1845/46, Die deutsche Ideologie, = MEW 3. Eine Fundgrube anregender Bemerkungen. Marx 1857/58, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. Erster Anlauf in einem nicht zu Ende gekommenen Ringen mit dem Stoff. Deutlichere Bezüge zur Philosophie als in späteren (publizierten) Fassungen. Marx 1859, Zur Kritik der politischen Ökonomie, in MEW 13. Erster von einer Reihe (nicht erschienener) Hefte. Im Vorwort die knappe Skizze der materialistischen Geschichtsauffassung. Marx-Engels-Werke I—XXXIX 1956—1968 [MEW]. Eine der russischen folgende, noch nicht textkritische und nicht vollständige Ausgabe der Schriften von Marx und Engels, es ist jedoch die mit Breitenwirkung. Die exklusivere MEGA (Marx-EngelsGesamtausgabe) wurde bereits in den Dreißigerjahren einmal abgebrochen. Die Fortführung der neuen MEGA, von der seit 1975 45 Bände erschienen sind, ist 1992 durch eine MEGA-Arbeitsstelle der Konferenz der deutschen Akademien der Wissenschaften gesichert worden, die mit der MEGAHerausgeberin, der Internationalen Marx-EngelsStiftung (IMES) Amsterdam — unter Beteiligung des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte (IISG), der königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften, des Instituts für Theorie und Geschichte des Sozialismus (vormals Institut für Marxismus-Leninismus) Moskau, u. a. — einen entsprechenden Vertrag geschlossen hat. Rossi-Landi 1972, Sprache als Arbeit und als Markt. Eine Sammlung von sechs Texten, die sich teilweise inhaltlich überschneiden, darunter Plädoyer für eine marxistische Verwendung Wittgensteins. Die Überlegungen sind eng an die Terminologie der ›klassischen Ökonomie‹ — einschließlich Marx — angelehnt. Rossi-Landi plädiert dafür, sie nicht auf den Bereich der materiellen Produktion zu beschränken. Der Autor empfiehlt die zweite Ausgabe 1974. Rossi-Landi 1973, Dialektik und Entfremdung in der Sprache. Teil 1 dieses Buches bietet einen guten Überblick. Rossi-Landi 1976, Semiotik, Ästhetik und Ideologie. Der Autor nennt im Vorwort von 1975 rückblikkend seine Bemühungen um eine fruchtbare Verbindung von ›klassischem deutschen Denken, das in Marx kulminiert‹ und späteren ›Entwicklungen in der angelsächsischen Sprachphilosophie und Semiotik‹ bescheiden: „allenfalls ganz vorläufige Resultate“. Roth 1977, Mit Marx an Marx vorbei? Histomat1
III. Positionen
und Histomat2. Ich habe in diesem Vortrag versucht, zwei Fassungen des historischen Materialismus zu unterscheiden und darauf hinzuweisen, daß Habermas seine Rekonstruktion auf die zweite bezieht. Ich plädiere für die Auseinandersetzung mit der ersten. Roth 1978, Vier Stufen der Spracheinführung. Ein radikal pragmatisches Fundierungsstück logischer Propädeutik. Roth (Hg.) 1984, Sprachtherapie. Eine Sammlung von Texten zur Patholinguistik, die sich mit therapeutischen Rekonstruktionen gestörten Sprachvermögens beschäftigt. Bei Kommunikation trotz gestörter Sprache kommt dem gemeinsamen Ausführen der Sprachhandlungen besondere Bedeutung zu. Dies ist auch ›im Normalfall‹ von Belang und in den Ansätzen zur marxistischen Sprachphilosophie ein Punkt. Ryle 1961, Use, usage and meaning, repr. in Collected Papers II. Schlußvortrag der Joint session of the Aristotelian Society and the Mind Association. Ein Musterbeispiel der Ordinary Language Philosophy. Kernsatz für unser Thema: „Roughly, as Capital stands to Trade, so Language stands to Speech“. Schmied-Kowarzik 1981, Die Dialektik der gesellschaftlichen Praxis. Eine Monographie, die Ergebnisse der neuen westdeutschen Marxrezeption als ›praxisphilosophische Kritik‹ vorträgt. Bezüge zu Hegel, Schilling, Althusser. Shukman 1983, Bakhtin school papers. Enthält den programmatischen Artikel Rede im Alltagsleben und das in der Kunst verwendete Wort, eine Vorstudie zu Marxismus und Sprachphilosophie. Voloshinov 1975, Marxismus und Sprachphilosophie. Das wohl wichtigste Werk zum Thema. Wittgenstein 1990, Tractatus logico-philosophicus [1922] Philosophische Untersuchungen [1953]. Ludwig Wittgenstein hatte sich etwa 70 Jahre früher schon um die Veröffentlichung seiner Logischphilosophischen Abhandlung bei Reclam in Leipzig bemüht. Ich empfehle diese Ausgabe auch wegen ihres in unserem thematischen Zusammenhang interessanten Nachworts von Peter Philipp. Wygotski 1971, Denken und Sprechen. Die Moskauer Sprachpsychologie Vygotskijs kann als Gegenstück zu Vološinov/Bachtins Leningrader Sprachphilosophie angesehen werden. Es gibt keine Anzeichen dafür, daß man voneinander Kenntnis gehabt hat. Inhaltlich gibt es manche Überschneidung. Gemeinsam haben sie die Kritik an mechanistisch-materialistischen Positionen, denen sie beide für eine gewisse Zeit das Feld überlassen mußten. Übrigens enthält auch Wygotski (cf. 335 f) das ‘shit’-Sprachspiel.
Volkbert M. Roth, Konstanz (Deutschland)
49. Critique of ideologies
689
49. Critique of ideologies 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Ideology, language, and society The semantics of ideology The pragmatics of ideology The pragmatics of social criticism Selected references
Ideology, language, and society
1.1. The critiq ue of ideology is as old as the marriage of modernity and social science. Social science emerged in the Enlightenment through criticism of tradition and religion, as part of the intellectual endeavor to remake society anew. But as the critiq ue of ideology developed into a generalized sociology of all knowledge, it became a radical challenge to all our beliefs and practices. In its philosophical implications, the critiq ue of ideology entails a sceptical meta-induction about the possible falsehood of all our beliefs, raising doubts about their rational bases and their irrational origins. Once beliefs and attitudes are seen as the effects of social structures and of influences as imperceptible as they are pervasive, it is hard not to suspect that at least some of what we hold to be true or right is actually ideological. Our beliefs are often selfdeceptions and errors, particularly insidious when they guide and constitute social practices. With a little reflection, however, it becomes clear that this form of social criticism presents a number of distinct problems. First, there are methodological problems for the critical social sciences: as Charles Sanders Peirce (1839—1914) (s. art. 32) pointed out, it is always the doubter who bears the burden of proof. Thus the critiq ue of ideology must be not only accurate in its explanations and descriptions, but also justified and wellgrounded in its criticisms. This leads to the second problem. If the critiq ue of ideology can cast doubts on some claims to reflective knowledge, why is social science itself not ideological? How can it avoid the same sort of unconscious assumptions, causal influences, and normative biases which might lead to the paradoxical conclusion that the critiq ue of ideology is itself ideological, that Enlightenment is itself mystifying? Third, the critiq ue of ideology calls into doubt not just our beliefs but also our reasons for acting. If individuals’ own descriptions and ascriptions of
their actions may be ideological, then it is plausible to believe that the reasons they give may not be the actual causes of the action, and that these causes are not available to mere self-reflection. The critiq ue of ideology must then accept the explanatory burden of providing an account of the action in terms other than those actors themselves may use; it must identify the real cause, whether it be some interest which the agent cannot avow or some social influence like power or social structure of which the agent is not aware. If the theory of ideology is to fulfill these two tasks it must solve its fourth, and most central, problem: it must ground its criticisms and explanations in a complete social theory that includes a developed account of the inner workings of social practices, the constitution of society, and the process of forming beliefs. If any critiq ue of ideology tries to unmask false selfunderstandings, it can do so ultimately only by reference to a social theory which must explain how societies are constituted in various human activities, and then why error and lack of reflection play a crucial role in their constitution and reproduction. The original, and most fruitful — but deeply flawed — theory of ideology, as it is understood today, is that of Karl Marx’s (1818—1883) historical materialism. Its criticisms were grounded in a theory of society and history which made the hidden workings of ›production‹ or material economic praxis the basic constitutive activity of the history and structure of societies. As confidence in its historical explanations waned, a critical social theory had to clarify the workings and structure of diverse constitutive social activities, a role which many theorists saw in language and communication rather than production. Certainly, all ideas and beliefs, whether ideological or not, pass through the medium of language as the mode of expression and communication among people in a society. What is more, in this century social theory has increasingly insisted that human relationships are established and maintained primarily in linguistic interaction. More than any other discipline, social anthropology has pointed out that many domains of culture are integrated and reproduced not just through language but through other systems of symbolic meanings. In both ways, social theory, and with it the critiq ue of ideology, came to take a new ›linguistic turn‹ of its own in a
690
variety of approaches which emphasize the symbolic and linguistic dimensions of action and cognition (McLellan 1986, ch. 6; Thompson 1984, ch. 1). 1.2. At the same time, a shift in the philosophy of language and in linguistics also laid the groundwork for these new approaches: the syntactic and semantic analysis of wellformed individual sentences was replaced by the conception of language as a medium of communication. Both John Langshaw Austin’s (1911—1960) idea that we can do things with words in utterances and Ludwig Wittgenstein’s (1889—1951) (s. art. 39) notion that to speak a language is to engage in a form of life indicated the active and social nature of language as the main focus of what had been called the theory of meaning. This new conception of language raised the central q uestions of the theory of ideology in a new and fruitful way: the theory of ideology now inq uires into the ways in which language and meanings are used in the social world to produce, encode and reproduce relations of power and domination. Because the answer to these q uestions now depends on concepts of meaning and language, the competing paradigms in the philosophy of language have elaborated a variety of new, sometimes conflicting linguistic theories of ideology. Thus, the philosophy of language has become a fruitful source of ideas for the critiq ue of ideology. But their interchange has not been one-sided. The considerations raised by the critiq ue of ideology enrich our conception of what it means to speak a language, by providing an account of aspects of language use which “have been neglected and suppressed in linguistics and the philosophy of language” (Thompson 1984, 2). At the very least, these disciplines themselves give a distorted and even ideological picture of language to the extent that they ignore such phenomena. Such gaps in self-reflection on so important a practice are especially problematic if linguistic concepts are then used to justify cognitive practices and moral beliefs, as is often the case in philosophy. From its side, the critiq ue of ideology raises two perplexing, sceptical q uestions for the philosophy of language and the theory of meaning: how pervasive are ideological influences like power, social structure, gender, particular institutions, and cultural beliefs, for linguistic practice? How extensive are their effects on our activities of speaking and understanding, such as our abil-
III. Positionen
ity to formulate and understand true assertions? Even if the claim that these influences enter into every level of linguistic structure, from grammar and syntax on up, is too strong, it is surely at least the case that the critiq ue of ideology can help us to see that in its social uses, language is not merely a neutral medium, that speech is not always transparent and inviolate in its structure and effects; and that like every other aspect of culture, both speech and language can only be fully understood by recognizing the extent to which they may be permeated by effects of power and practices of domination. The critiq ue of ideology also shows that our theoretical account of the ability to understand and speak a language must take into consideration the social conditions and relationships in which expressions have a meaning and are uttered for a purpose, which is not always apparent to speakers or hearers. Interpreted linguistically, the critiq ue of ideology has special relevance in those domains of social life in which language is not merely a product of some other social practice, but rather must be attributed an active role. In them, language does not serve merely as a means to describe or represent things or objects, but in effect brings social objects and circumstances into existence, as in the way that our desires are shaped by their expression and articulation and our relationships are generated by speech. In one sense, language is socially significant as an institution, in that it is a social fact whose structure is shared by all speakers and yet exists independently of any one of them. But it is also a ›meta-institution‹, and speaking is a ›meta-practice‹, in two different ways. First, most social practices and practical knowledge presuppose linguistic or linguistically encoded competences. Given this fact, the capacity for linguistic understanding and expression is a condition for participating in any social practice sufficently complex to req uire interaction with others. Language is therefore the medium which helps structure action and interaction; competence to communicate is the ability to generate contexts of social life. Second, it is only in acts of speaking that practices of this sort are learned, performed, and changed. In such practices the whole complex background of social knowledge, of other institutions, and of cognitive abilities enter into the employment of language, so that linguistic competence comprises a kind of cognitive map of the implicit, unarticulated knowledge neces-
49. Critique of ideologies
sary for getting along in society. Ordinary, everyday speech is always presupposed as an ultimate practice; it is the touchstone of all socially acq uired abilities. The competence needed for a speaker to engage in different types of speech and to understand utterances in a variety of contexts may rightly be called the basis of social cognition. If society, too, is seen as the network of such acts of communication, then formal patterns and functions of communication are the fundamental components of social structure as a whole. Thus, in light of the crucial cognitive and constitutive role of speech and language, the theory of ideology examines the ways in which this institution and activity may influence the course and structure of society as speakers come to participate in a range of cultural practices and share a common, sometimes pre-reflective understanding of them. The critiq ue of ideology is the critiq ue of the social uses of language in speech, of its often inaccessible but effective structures and presuppositions, which enter into everyday acts of expression, cognition and communication. 1.3. Traditional theories of ideology from Marx’s historical materialism to Karl Mannheim’s (1893—1947) sociology of knowledge have focused almost exclusively on ideology understood as false beliefs about action and cognitive orientations. When ideology on this exclusively cognitivist view is interpreted pejoratively, it consists of false beliefs or illusions that serve some social purpose or function in the reproduction of society. The critiq ue of ideology formulated in terms of the philosophy of language must employ a definition different from the old Marxist-cognitivist ones of ›false consciousness‹ or ›socially necessary illusion‹. If it is to be critical, it must reject the neutral, descriptive sense of ideology in cultural anthropology or in the sociology of knowledge, as any social system of knowledge or “ordered system of cultural symbols” which produce meaning for members of that culture (Geertz 1973, 196). A new linguistic, yet critical, theory of ideology must do two things at once: it must first retain something of the original Marxian emphasis on the lack of cognitive justification in ideologies, while at the same time avoiding the explanatory pitfalls of economic and sociological determinism. Second, it must replace them with new forms of explanation and new ways of uncovering interests and illusions as they occur through primarily linguistic mech-
691
anisms and activities. Both these steps in reinterpreting the critiq ue of ideology have already been done, to some extent, in the recent linguistic definitions of ideology which fall into two general groups: those dealing with communication on the one hand and those dealing with meaning on the other. Jürgen Habermas (*1929) calls ideological any act of communication whose structure is distorted by power; hence, ideology is a species of socially caused “distorted communication”, or any process of communication under circumstances which violate conditions of possibility of success (Habermas 1970, 212). For John Thompson (*1949) the study of ideology is concerned with “the ways in which meaning (or signification) seems to sustain relations of domination” (Thompson 1984, 4). These two definitions show the general range of possible approaches to a critiq ue of ideology informed by the philosophy of language: whereas Habermas’s definition refers to communication and sees ideology as essentially a matter of pragmatics, Thompson’s definition refers to meaning and signification and thus takes semantics to be fundamental. With the proper demarcation of semantics and pragmatics, the two approaches could be unified in a comprehensive linguistic theory of ideology. Yet, just as in the philosophy of language itself, few theorists have attempted such an integrated approach. Most contemporary linguistic theories of ideology argue explicitly or implicitly for the primacy of either semantic or pragmatic aspects or mechanisms of ideological distortions of meaning or speech, usually due not only to older conceptions of meaning, but also to adherence to or rejection of the cognitivist orientation of previous definitions of ideology. But both semantic and pragmatic phenomena have characterized ideological contexts of language use historically, so that both ought to be accounted for by the theory. Indeed, language itself has at least two social dimensions: (1) as an institutional structure or a social fact (semantics) and (2) as constitutive social activity (pragmatics). Neither aspect could be ignored in any critical attempt to understand all the social uses of language, as well as the full range of internal, constitutive relationships between language and the social world. The highly touted ›linguistic turn‹ taking place today in many areas of philosophical and social inq uiry has certainly given the connection of ideology and language a new currency. However, it is not really new or inno-
III. Positionen
692
vative. The nominalism of the early modern reformers of discourse, from Francis Bacon’s (1561—1626) ›great insaturation‹ to David Hume’s (1711—1776) recommendation that we burn most of our libraries, reveals that the connection is as old as modern social criticism itself. One of the basic thrusts of the early modern Enlightenment was a new conception of language, defined precisely in order to limit the possibilities of the construction of world views in terms of metaphoric, semiological, and Scriptural connections, particularly the view of nature as a ›book‹ or text structured by a single intelligible pattern of meaning. As Michel Foucault (1926—1984) and others have pointed out, the new conception of meaning as representation replaced the old idea of textual meaning. As part of the process of modern disenchantment, symbols were separated from things: since the meaning of a sign is what it denoted, language was nomenclature, and words the names for things. This conception of meaning was particularly significant for the new organization of scientific knowledge. In his Novum Organum, Bacon argued that language was one of the major, abiding sources of human errors, or ›idols‹, which deeply mislead all previous human understanding and knowledge. Among the idols were “the idols of the market place”, formed through human association and interaction mediated by words and language: “for it is by discourse that men associate” (Bacon 1960, 49). In good nominalist fashion, Bacon focused his criticism of language on the deceptive power of words that do not denote anything, of those words which, as the source of error and prejudices, do ›violence‹ to the ›mirror‹ of nature, viz., healthy human understanding. The only way to overcome the webs spun by linguistic illusion was through the determinate denotation of words in the new science, whose method of induction enabled modern knowledge to arrive at the true propositions which accurately represent the objects and things of the world. Thus, part of Bacon’s theory of the ›idols‹ was a radical critiq ue of representation using a denotative theory of meaning; this central idea of Enlightenment criticism and science became an assumption not only of theories of ideology from Paul Henri Thiry d’Holbach (1723— 1789) onward but also, unfortunately, of theories of meaning until Ferdinand de Saussure (1857—1913) (s. art. 36) and Gottlob Frege (1848—1925) (s. art. 34). Charles Taylor (*1931) has called this set of assumptions
“designativism,” for its central proposition about the determinacy of sense which contemporary semantics has not yet fully overcome: “the meaning of a word is what it designates” (Taylor 1985, 250). These designativist assumptions about meaning found their way into most cognitivist and ›semantic‹ theories of ideology, theories which understood ideology as a set of false beliefs traceable to some faulty process of signification. Among such theories must be included Marx’s basically designativist semantics of ideological representations; a term in social discourse is ideological for Marx if it falsely refers to ›imaginary‹ rather than to ›real‹ objects.
2.
The semantics of ideology
2.1. While Marx is not often regarded as a philosopher of language, his critiq ue of ideology nonetheless compelled him to formulate a general theory of symbolic and linguistic representations which could make apparent their social uses and misuses. For better or worse, he derived his views on language for his theory of ideology from the Enlightenment’s early attempts at a sociology of knowledge and from contemporary social scientists like the economists and anthropologists whom he read with such avid interest. Languages, he thought, could develop historically like other social institutions. As a good Hegelian, he opposed the linear evolutionary theories of his time in his belief that the least developed languages were the most universal, not the most simple (cf. MEW XLII, 56) (s. art. 48). However, his most famous and ambiguous remark on language is, appropriately enough, from Die Deutsche Ideologie, which req uired his most developed theoretical treatment of ideology: ›language is practical consciousness‹ (MEW III, 90). Language is ›practical‹ in the sense that it is expressive human activity which realizes human intentions in physical objects, in sounds and marks. But for Marx language is also ›practical‹ in that it is a basic feature and type of social action. Along with labor and exchange, it is the paradigm case of a social activity. Analogies between these activities were based on the fact that Marx, like Wittgenstein in the private language argument, thinks that language and all social activities, including production, are only derivatively private. Moreover, their real significance is that they are ›practical‹ in the sense not only that they all relate human consciousness to the physical objects in the
49. Critique of ideologies
world, but that they establish the basis for human society and social relationships. Finally, Marx views language as ›practical‹ also because it is a tool or an instrument to be used in other purposeful social activities. Thus, although Marx q uite ›pragmatically‹ views language as essentially social and related to material practice and externalizing activities, he still thinks of meaning ›semantically‹ in terms of a system of signs determined by the way in which words refer to or denote objects in the world. Even though his remarks on language remain unsystematic, his attempts to formulate a theory of ideology cannot avoid making commitments to an underlying philosophy of language and even to a theory of meaning. As Marx understood it, the critiq ue of ideology deals with the social uses of signs, primarily words, where ideology is a special, pathological case of failed denotation. He consistently analyzed ideologies in terms of their representational content, so that his criticism developed the semantics of individual ideological terms like ‘god’, ‘rights’, or ‘utility’. It is the use of these terms that implies that they have a real reference to the existing social world and leads to false understandings and justifications of conflictual social relationships. 2.2. This systematic and linguistic theory of ideology must be inferred from Marx’s historically developed causal explanations, which employ a basic distinction between the historically dynamic base (Basis) of economic institutions and structures and the passive reflection of it in the superstructure (Überbau), a free floating ›cloud‹ of ideas and signs. As a rough first approximation, it can be said that for Marx ideology is primarily defined as ›thought distorted by the division of labor‹ in its representation of the world. For Marx, the division of labor had a variety of harmful effects, including the differential distribution of labor and of its products, as well as the stifling of human activity and the development of natural species powers. But the most fundamental effect, and the mark of what he calls the ›real‹ division of labor, is the introduction of a separation between mental and material labor, which in turn separates mental, or representational, practices from material, or productive, practices. What results is a ›distorting distance‹ between the two — between thought and social reality, between signs and social reality — which makes possible ideological illusions and distortions of
693
consciousness and representation. From the moment of separation onward, Marx sees a superstructure, a cloud of ›phantoms‹ or ›reflexes‹, emerging as utterly distinct and unrelated to the basic social institutions that comprise the reality of material life. As Marx describes them, such phantoms are ghostly marks without history or reference. Their distance from reality can be explained both in terms of consciousness and in terms of signification: ›consciousness‹ can flatter itself that it is something other than ›consciousness of existing practice‹ and that its signs and symbols ›represent something without representing anything real‹ (MEW III, 31). False reference is a basic semantic mechanism of illusion in ideological signification, insidious because those affected by it cannot tell that their words do not refer, that their ideas are separated from action, their consciousness from practice. But in his theory of meaning, Marx uses ›designativist‹ assumptions as a way of spotting non-referential signification; on the designativist account, ideology is the use of a signification to establish a set of meanings useful for social reproduction of the conflictual organization of society, yet which leaves undetected their lack of relatedness to the world, their failure to refer across the distance between sign and reality. This gap in denotation creates the possibility of expressions and representations that have a certain ›meaning‹ and acq uire a social use without denoting anything real or determinate in the social world. Ideological terms establish a nonreferential discourse about society and become Marx’s idols in the marketplace of the commerce of ideas. In the semantic mechanisms of ideological denotation, Marx sees two different processes of signification at work. First, ideology can be considered from the actor’s point of view and spelled out in terms of participants’ own acts of denotation and interpretation, in what may be called a ›de dicto‹ account. By observing everyday practices, the critic can uncover the illusory or false reference to some imaginary object. At the same time, behind the backs of the interpreters, there is a second, ›de re‹ referent of the term in the actual social world, as is often the case in intentional discourse. Ideology does actually signify something, but not as a semantic representation of it, but rather like an index or symptom. This referent becomes accessible through the causal, objective descriptions of historical materialism, which is the rigorous science of true
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propositions about social reality. Ideologies use the semantic mechanisms of representation in order to create their own referents and people their own world of imaginary objects which they appear to denote rather than create, a ›phantom‹ whose reality is accepted by anyone who asserts the truth of sentences containing ideological terms. The job of the social critic is to lay bare the opposition between real and illusory denotation at the heart of all ideological representation. For despite being illusory in its putative reference, ideology cannot help but refer to social practice. Marx calls ideology ‘the ideal expression (Ausdruck) of material relationships’. Even after the failure to refer is pointed out, the critic still must decipher ideology as a sign or an index for the conflictual social relationships which may be uncovered in objective, theoretical descriptions. Ideologies are indices, or ›hieroglyphs‹ in Marx’s phrase for commodities, filled with undecoded cryptic meanings of the social relationships which caused them, much in the way a sympton is the sign of an underlying physiological disorder. The critic can set denotation aright, through something like a semantic process of translation: the social theorist criticizes ideology by translating the false representations of social actors into the rigorously denotative language of the science of historical materialism. Such translation fixes reference, so that illusions are no longer possible. 2.3. A few examples may clarify how the designativist theory of ideology works in critical practice. In Die Deutsche Ideologie Marx continues the Enlightenment project of semiotic disenchantment by criticizing metaphysics and religion for their creation of fantastic referents and a world of imaginary objects. However, the main objects of his criticism are really philosophers, political economists and social scientists. This list says something about which false beliefs and which significations may become ideological, indeed about how ideology is still possible in a desacralized social world. Physiocratic and utilitarian theories of society, which are particular objects of Marx’s sarcasm, depend for their credibility on the distorted signification of the ideological term ‘utility’. In such theories, all activity is represented again and again as a matter of utility. From this fact, Marx then tries to show that numerous semantic displacements result, so that all social relationships are falsely paraphrased in the
III. Positionen
semantics of ‘utility’. Thus, exploitative relationships can be falsely construed as relations of mutual benefit, occluding their actual reality. The critic must then retranslate these ideological expressions back into the language of everyday life, revealing that ‘utility’ has q uite a different meaning, namely, ‘that I derive benefit for myself by doing harm to others’ (Marx MEW III, 394). In Zur Judenfrage Marx gives a similar translation for the socalled ›Rights of Man‹, deciphering them as rights of ›property‹ rather than taking ›man‹ as their literal real referent. Similarly, in Das Kapital Marx attempts to analyze the semantic substitutions in the discourse of classical political economy, especially in the ahistorical use of the term ‘labor’ in Adam Smith (1723— 1790) and David Ricardo (1772—1823). By contrast to the term ‘labor’, ‘labor power’ in the materialist analysis of production in capitalism does rigorously refer to the social process of the creation of value under contemporary conditions. Here ideology is a kind of verbal masq uerade in science, using a semantic mask of false reference to individual activity in order to hide social relations of class antagonism. While these examples show that Marx’s operative conception of representation is indeed designativist, it would still be false to say that Marx’s theory is entirely cast in terms of a semantics of denotation and reference. The semantics of ideology works to create false beliefs which are difficult to correct, since assertions containing ideological terms cannot be true and yet may seem to be selfjustifying by virtue of the mechanism of false reference. Such terms create their own world, so that they have no independent truth conditions or reflective tests. But in his explanations of the causal origin of ideology, Marx also deals with the various uses of these false beliefs, usually by giving them a second level functional explanation concerning the actual use of the expressions as a whole in hiding social relations of conflict or in justifying relations of domination and ineq uality. Thus, the representational and semantic description of ideology only yields necessary but not sufficient linguistic conditions for ideology: neither failure of reference nor causal origin in the division of labor is enough. To be ideological, a term must also have a certain function in effectively reproducing relations of domination and in successfully integrating a society fragmented by conflict due to the class structure inherent in the ›real‹ division of la-
49. Critique of ideologies
bor. What is important with regard to these functional explanations is that Marx casts them as well in linguistic terms, by reference to the linguistic process of understanding ideological terms, the social conditions for interpreting and understanding them. The conditions of accepting ideologies as true or correct are entirely different from those involved in understanding a discourse whose sentences have terms which refer. Not only are ideological beliefs false by an independent standard (materialist social science), but their falsehood gives them a social function in justifying relations of power and domination; such meanings are characteristically understood in a non-voluntary and non-reflective way. Given that the division of labor constitutes an underlying conflictual foundation for society, ideology must create some entirely unreal linguistic basis for a shared social life with enough unity and consensus for cultural integration, or, to use Marx’s term, a ›general interest‹. It is in describing ideology’s function of creating this interest based on the meanings of certain terms that Marx touches upon what might be called ›pragmatic‹ considerations. But unlike his conception of ideological denotation, Marx does not connect his pragmatics of ideology to any systematic reflection on linguistic structure or the proper meaning of units at this level, utterances. Such reflection would have to wait until the development of pragmatics in this century under the influence of Austin and Wittgenstein. At most Marx develops ad hoc, non-systematic functional explanations of the uses of ideological expressions in relations of power and class domination. These analyses hardly make reference to a systematic theory of ideology, and Marx’s theory suffers from a lack of any counterfactual description of the possibilities of different uses of ideological expressions in speech, of distortion on the pragmatic rather than semantic level. Indeed, Marx’s overemphasis on the semantics of ideology has had a detrimental effect on the development of the critical theory of ideology, particularly given the inability of such theories to deal with their versions of the semantic paradoxes. As developed in orthodox Marxism, the critiq ue of ideology has relied on an untenable Eleatic distinction between the truth of rigorous science and the falsity of everyday consciousness. Such methodological problems show the limits of a purely semantic disenchantment; they can be resolved only if we reverse the order of Marx’s analysis and de-
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fine ideology in the first instance on the pragmatic level of functions and only then return to the cognitive-semantic level of the construction of false beliefs. There are certainly critiq ues of ideology in Marx’s corpus, such as Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte in which Marx did not give primacy to semantic analysis. These are also the writings in which he turned away from ideology to consider positive symbolic phenomena of social solidarity and consensus, like the formation of class consciousness. Marx’s analyses of the use of language and symbols for creating and maintaining collective action and identities could be taken as a paradigm for a pragmatics of ideology. 2.4. While the extension of Marx’s analysis using pragmatics seems a fruitful direction for the development of the critiq ue of ideology, some theorists have also attempted to refine his semantics, particularly by using Saussure’s structuralist concepts. Saussure is the major source of inspiration for new linguistic theories of ideology in France, including those of Louis Althusser (1918—1990), Roland Barthes (1915—1980), and Jean Baudrillard (*1929). Along with Frege’s distinction of sense and reference, Saussure’s notion of the arbitrary nature of the sign undermined designativist assumptions about meaning and language. After beginning his Cours de linguistique générale with his famous criticism of naming as the sole linguistic process, Saussure goes on to develop a theory of language as an autonomous structural entity based on the formal concept of ›linguistic value‹. On the one hand, Baudrillard and Barthes attempt to apply this formal theory of linguistic signs to ideology and develop a new conception of ideological signification. On the other hand, Althusser uses structuralist concepts purely methodologically as a basis for new deterministic mechanisms in the symbolic dimension, through concepts like ‘structural causality’; but language does not figure prominently in his account of ideology as the process of ›subjectification‹, as a process of creating social subjects to inhabit different positions in the social structure. As opposed to Althusser, Barthes and Baudrillard renew the attempt to make the structure of signification the core of the theory of ideology. The q uestion is, however, whether or not structuralist categories can capture the semantic properties of ideology, and if these
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new concepts do not merely repeat Marx’s same old mistakes. In his important early works, Système de la mode and Mythologies, Barthes tries to formulate a theory of ideology in structuralsemiological terms, through a depth analysis of various cultural systems whose underlying internal relationships of meaning are not always available to speakers and actors. His analyses claim to be formal and ›internal‹, as opposed to ›external‹, ›merely sociological‹ concepts like ‘role’, ‘status’, ‘function’ or ‘class’. Similarly, Baudrillard excludes any reference to content and actors’ beliefs in his analysis of ideology, and instead focuses exclusively on the process and structure of signification itself. For both, ideology is to be found on a latent, structural-semiotic level of internal relations that are operative in the culture as a set of symbolic connections (of signification or connotation) not immediately available without formal analysis, in the same way that the reference of ideological terms was not available without a causal analysis for Marx. For Barthes, ideology is never to be found on the level of the explicit utterance; this is merely “rhetoric” (Barthes 1967, 152; 1983, 167). Rather, ideology has to do with the uncontrollable effects of connotation over denotation, which is the surplus of semantic meanings in a cultural performance. In the ›fashion system‹, ideology enters into the advertisements Barthes analyzes through the connotations of wealth and leisure in written descriptions like ‘perfect for those weekends in the country’. Thus, ideology critiq ue can limit the effects of connotation by making it explicit through constant explication of cultural meaning systems. For Baudrillard, ideology also has to do with the field of meaning, but not in terms of the surplus of meaning; rather, ideology is the reduction of multiple possibilities of signification to one semantic ›code‹ just as capitalism reduces all meanings in a consumer society to the economic code or system of significance (Baudrillard 1972; 1974, ch. 8). It is odd that in these very similar theories ideology occurs by the opposite semiological process; it does not seem to be the case that ideologies can be reduced to one or another semiological process, to either connotation or reduction. Nor have either Barthes or Baudrillard uncovered anything like the rigorous formal structure a Saussurian theory demands. Both theorists also seem to ignore the fact that, even if the symbolic dimension is given explanatory autonomy,
III. Positionen
cultural systems are only realized socially in acts of interpretation and speech, however distorted they may be. Such social mechanisms are not merely like a collective unconscious, but are instead really pragmatic, concerning the way agents interpret, understand and employ their own cultural resources of meaning. Ultimately for both Barthes and Baudrillard, the critiq ue of ideology is generalized into a critiq ue of representation as such. Such broad criticism of representation as a whole cannot do the basic job of a semantics of ideology: it cannot be the basis for the critical, normative distinction between true and false representations; without this distinction, the critiq ue of ideology is impossible. Indeed, in his later writings Barthes says that what is needed is not criticism, but an end to the process of signification itself (Barthes 1957, 128; 1972, 215). Many of these same sort of phenomena of extra-linguistic cultural meaning systems can be dealt with in a critiq ue of ideologies directed to all forms of communication in a society. Economic exchange and consumption may have its own ›language‹ in that they establish networks of social relationships and communication, and also erect barriers to social relationships and communication. While Barthes fails to make any of these sorts of criticisms, Mary Douglas and Baron Isherwood show in The World of Goods that consumption can be fruitfully analyzed in terms of social systems of communication and information; the lower classes who lack social goods are also excluded from communication about them and from public life in general, since they lack control over a medium and source of social information, power and intelligibility (Douglas/Isherwood 1978, 56— 70). 2.5. What emerges from the examination of various ›semantic‹ theories of ideology is that they remain incomplete, since they do not refer to acts of interpretation and contexts of speech in which expressions are used. What is the place, then, of a semantics of ideology in a theory that is based on a less nominalist, and less structuralist, theory of meaning? The best approach is to fulfill the intention rather than the letter of Marx’s theory. It seems clear that what Marx wanted from the denotative theory of meaning was an analysis of the semantic structure of true and false beliefs, so that he could distinguish them critically. On his view, a necessary condition for a true
49. Critique of ideologies
belief is that the sentence which expresses it contain only referring terms. This characterization certainly would not yield an exhaustive list of all true sentences, since a sentence might still be true even if some of its terms do not refer (for example, intensional contexts and indirect speech such as ‘Jones thinks that x’, which may be true while ‘x’ is false). Nonetheless, the real q uestion is whether or not the determination of truth or falsity alone is sufficient for the primary description of a belief as ideological. Some false beliefs surely are not ideological such as those about the atmosphere of Jupiter; and even some true beliefs may have an ideological function, as in the racist uses of the fact that blacks score lower on I. Q. tests. Only for a specific, clearly delineated set of beliefs does falsity seem to be a necessary condition of ideology. For Marx, these were beliefs about society, or beliefs that have social processes themselves as their object, which are then used either as explanations or justifications of existing social relationships. Indeed, Marx’s own list for what counts as ideological bears out the fact that he seems to have held this more limited view: Marx lists only self-reflective forms of directly social knowledge, those that are contained in reflective or justificatory uses of language. At one point in Die Deutsche Ideologie he includes ›politics, morality, religion, and metaphysics‹, a list which emphasizes the distance, independence and ›purity‹ of ideology. A second list is more informative: ›pure theory, theology, ethics, and philosophy‹ (MEW III, 31). In Marx’s mature writings, the critiq ue of ideology was directed not so much against religion and tradition as against political economy and nascent social science and theory. Thus, Marx’s critical practice indicates that the semantic critiq ue of ideology ought to be restricted to false beliefs in reflective forms of social knowledge, in knowledge about knowledge and the status of epistemic and justificatory claims, or to knowledge about society, particularly with regard to confusions between the conflictual rather than consensual organization of certain practices. This makes beliefs about ›the invisible hand‹ in economics or ›the general interest‹ in politics particularly subject to such critiq ue, since the conditions under which sentences containing such expressions might be true can be shown actually not to obtain. But such a restriction of semantic analysis raises q uestions about Marx’s own designativist assumptions. For reflective forms of knowledge,
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critical analysis would be better served by a broader epistemic rather than designativist conception of the connection of truth and meaning. Sentences implying reflective knowledge do not so much refer to an independent reality as to the discursive procedures by which they are justified. In these contexts, an objective conception of truth conditions or reference is inappropriate, since, unlike the natural sciences, here there is an internal connection between language and beliefs on the one hand and social reality on the other. Such a conception of truth needs to be replaced by the notion of justification; Marx already saw that determining social meaning is not a matter of finding what in the world makes the sentence true, but rather what makes a member of some society or a participant in some practice able to know, or think that he knows, that the sentence is true. As Wittgenstein put it in Philosophische Grammatik: “It is what is regarded as the justification of the assertion that constitutes its sense/Was man als Begründung einer Behauptung auffaßt, das konstituiert den Sinn der Behauptung” (Wittgenstein 1969 Teil I, § 40). Whether this is in fact the case for all assertions is not at stake here; but it is illuminating for claims to social knowledge of the sort Marx analyzed in ideological social science. The definition of ideology is then cast in pragmatic rather than semantic terms, because it is concerned with the role that true or false beliefs play in practices of power and domination. Unlike any other semantic domain, the beliefs which are criticized are constitutive of social practices themselves, of the way we engage in speaking and acting in society. Semantic analysis thus has a place in the critiq ue of ideology, as the critiq ue of ideological assertions made about society itself. But the analysis of such contexts of communication and language use cannot be derived from semantic structure by itself, no matter how rich the concept is made. The critiq ue of ideology can go beyond the limits of valid semantic analysis and become a critiq ue of all acts of communication related to power and domination only if it takes as its model a pragmatics of speech.
3.
The pragmatics of ideology
3.1. Apart from such an analysis of the truth conditions of self-reflective beliefs about society, the semantic analysis and critiq ue of ideology (in terms of concepts like reference or signification) is too narrow and demands
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extension into pragmatics (using concepts concerned with the uses and functions of language). Semantics can provide an account of understanding sentences through knowledge of their truth conditions; but when even understood truth conditionally, such a theory of meaning could not, in Michael Dummett’s (*1925) phrase, “explain the entire practice of our language” (Dummett 1976 a, 133). Semantics can only explain certain aspects of the institutional structure which gives it the status of a social fact. But other than giving an account of aspects of representation and the information conveyed in sentences, semantics cannot go very far in explaining language as an activity performed in speech, writing and other acts of communication. Hence a theory of ideology restricted to semantic mechanisms related to true and false beliefs would only go so far in explaining ideological practices in language, which extend across every possible linguistic dimension, use, and type of structure. Moreover, the usual task of the critiq ue of ideology is not that of a theory of truth, i. e., to show that actors do in fact have false beliefs about their society. Rather, it must show how these beliefs are used in constituting social relationships of power, domination and conflict. This task req uires a pragmatic analysis of ideological speech acts, which understands ideology through the processes and structure of communicative action. An adeq uate pragmatic theory must be able to account for two aspects of language relevant to the critiq ue of ideology. First, since speech is a rule-governed activity, it has a shared structure and competence, and this same structure and competence can be used to express and manifest meanings as much as it can be used to conceal and distort them. Second, as an activity, speech has certain functions or irreducible uses related to the employment of various distinct types of utterances. For every use of language there is a corresponding ideological function of language which employs the same type of speech act. Uses of language in ordinary speech, such as making promises and apologies, have been dealt with by Austin in his description of speech acts. But it was Habermas who developed pragmatics into a theory of communicative action, and showed how ideology forms a distinct type of communication. After a long silence and recent doubts about the continued significance of the theory of ideology, his development of a ›formal pragmat-
III. Positionen
ics‹ and a social theory of communication can fill the lacuna left by Marx and become the basis for a critical, yet systematic, theory of ideological speech and communication (Bohman 1986, 333—344). Such a theory of ideology could develop a systematic account of the pragmatic mechanisms by which relations of domination and power are constituted and maintained through ›distortions‹ of the basic structure of speech acts and reciprocal communicative interaction. At the outset, two doubts could be raised against this project. A ›formal‹ theory seems hardly critical or necessary, nor does it seem that a reconstruction of the competence and anonymous system of rules governing speech has anything at all to do with social criticism. Yet, as Marx’s first attempts at the critiq ue of ideology show, a general theory of meaning is req uired to reveal the various possible uses and mechanisms of meaning in social settings. A formal theory can do this by providing a model of processes of reaching understanding and of the manifest, conventional structure necessary for speech, which can then become the basis of distortions, misuses and concealments. In any case, a theory of ideology can be constructed by showing how it employs a shared competence and a full range of acts of communication across the entire practice of a language, somewhat as ordinary language analysis could examine how lying works. Above all, such a formal theory could bolster and specify Marx’s vague functionalist explanations of ideology by specifying how ideology affects processes and structures of communication responsible for social integration and reproduction. 3.2. As an institution, language is governed by a set of often implicit rules and levels of structure, which, though themselves the product of historical development and subject to change, put conventional constraints upon the way speakers can use the language to communicate. One level of structure particularly important to the communication of meaning is that of the internal organization of utterances; competent speakers possess implicit, intuitive knowledge of this pragmatic ›deep structure‹ of utterances; ›pragmatic competence‹ consists of the ability to produce well-formed utterances according to conditions of successful communication. The primary task of a formal pragmatics, in Habermas’s view, is to represent this intuitive speakers’ knowledge in an explicit, universal struc-
49. Critique of ideologies
ture for ›the internal organization of speech‹; this deep structure can be represented in the ›standard‹ or ›normal‹ form of the speech act, i. e., a form in which the meaning of any speech act can be captured even if it does not itself manifestly exhibit this structure. The analytic purpose of this form is to reveal rules for connecting the component parts of the utterance, so that it may effectively engage the hearer to accept its intelligible claim to validity; formal semantics would do the same thing for the form of the sentence, which, as Frege thought, shows how the component words together make up its truth conditions. As a speech act, an ideological utterance will have the same form. However, what is distinctive about ideology as a type of communication is the way in which it violates this structure even as it uses its internal connections to communicate something without communicating anything mutually recognized as valid. This distortion of structure will occur in different ways, depending on the type of speech act involved and the social function it fulfills. On the pragmatic level, ideological speech does not so much violate truth or any other validity claim as much as it violates the internal conditions of successful communication of a claim. Violations of the claim itself may be due to lying (in the case of truth) or pretending (as in the case of truthfulness) rather than to ideology. In this way, the purpose of formal pragmatics in a theory of ideology is to supply a set of necessary and sufficient pragmatic conditions, as well as an exhaustive, formal typology of different types of ideological speech. The critic can then also discover the potential locations of ideology in linguistic practice, which may vary according to the prominent institutional development of structures and competences of communication in a society. For Habermas, following John Searle (*1932), a speech act has three structural components, the unity of which is a necessary condition for propositionally differentiated, grammatical speech (Habermas 1982 II, 97). As evidenced by complex, differentiated speech, speech acts may be reconstructed as having an intentional component, an illocutionary component, and a propositional component, although one or another may remain implicit and presupposed. This reconstruction gives speech acts the following structure, reflecting their basic communicative function: that someone says something to someone. Or more formally: S (speaker) says (illocutionary
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verb) that p (propositional content) to H (hearer) (Habermas 1985, 354). The propositional component of a speech act contains the specific semantic information and may be explicated by putting the utterance in a meaning-preserving assertoric sentence. The performative verb represents the illocutionary component, specifying semantically what type of speech act it is as well as containing in its grammatical form a systematic structure of communication roles and perspectives, linking the verb to the entire system of pronouns. The intentional component has to do with the speaker’s meaning in the utterance, which in the case of an illocution coincides with linguistic meaning, and in the case of a perlocution it must be redescribed through the meaning of some other first person sentence. All three components are logically independent, constitutive features of social acts of reaching understanding in language. 3.3. Given this internal structure of speech, these components can be connected up in various ways in order to fulfill different functions or uses of language in different types of speech acts. Each type of speech act represents one possibility contained in this pragmatic structure for connecting the component parts of a meaningful utterance. There are three such general types (Habermas 1982 I, 439). Assertions have a particular semantic role, since it is by use of such expressions that truth-conditional semantics has demonstrated ›the internal connection of meaning and validity‹ for this type of speech act. By virtue of their manifest relation between meaning and validity, assertions play a uniq ue role in argumentative discourse in general and in the cognitive use of language to formulate true sentences to represent states of affairs in the world. But this is not the only internal connection of meaning made by utterances, nor the only type of validity claim; the full range of types of utterances make use of different types of ›illocutionary force‹, of different conditions under which the hearer will accept the offer contained in the speech act. Some utterances, like commands or promises, are neither true nor false. But such ›regulative utterances‹ accomplish something in their performance; they do something in saying something, by establishing a relationship between speaker and hearer that is binding for subseq uent interaction. They employ the structure of speech acts to connect meaning and action, usually through fulfilling conditions
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of correctness or normative rightness. Finally, expressive utterances, like expressions of desires, manifest an internal relation of meaning and intention by fulfilling conditions of sincerity. In each case, ideology only appears to make these connections, and in so doing employs linguistic meaning and competence to maintain relations of domination; to put it somewhat metaphorically, it ›disconnects‹ these structural components by misusing the social binding force of meaning and validity. The different types of ›disconnections‹ comprise the structural description of ideological uses of meaning conventions. A promise, say of eq uality, is not ideological when it is simply violated, as much as when it is left standing and yet does not bind those with power in their subseq uent interaction. In the opposite direction, an expression of desire becomes ideological when it cannot effectively bring into public discourse the needs and desires of the poor, the oppressed, and the colonized. The theory of ideology identifies such pragmatic mechanisms for distorting the structure of meaningful speech in the service of power. As is evident in these different types of speech acts, formal pragmatics uncovers three basic functions of language according to the way meaning is employed. As Gilbert Ryle (1900—1976) pointed out, the uses to which words may be put are potentially infinite. Nonetheless the structure of the speech act makes it such that utterance meaning offers three basic types of linguistic performance: utterances express desires and intentions, establish and generate interaction, and represent the world cognitively in assertions or metalinguistically in claims about the validity of other acts of speech. Thus, there are three basic modes for the employment of language, to which there correspond three types of ideological uses: expressive, interactive and cognitive functions. The truth-like claims to validity serve as a guide to the analysis of the ›illocutionary force‹ in each function, now generalized pragmatically as the ›acceptability conditions‹ of an utterance of each type: truth for cognitive uses, rightness for interactive uses, and authenticity for expressive uses. Whatever other possible linguistic mechanisms exist in ideology, perhaps in the semantic distortions of connotation or false reference, they too can only become effective and circulate in society in an act of communication corresponding to one of the functions of language. False beliefs about society must become effective in cognitive discourse about
III. Positionen
it; they may also lead to the pragmatic failure to correct problems of interaction, in the case of practices in which the self-understanding of speakers is constitutive for such processes. On the whole, an exclusively semantic definition of ideology overemphasizes the cognitive function, as has most philosophy of language in this century. On the basis of these formal pragmatic categories of speech as institution (internal structure) and activity (linguistic function), it is possible to develop descriptions of distortions and misuses across the whole range of everyday acts of communication. As a first approximation, we can follow Marx and put the general definition of ideology in causal terms through its effects on the social conditions of speaking and understanding: ideology is communication distorted by domination; its communicative activity is to constitute patterns and styles of interaction whose conditions violate the internal structure of speech in the various functions of language. Thus, from the point of view of a social theory of communicative action, domination and power influence how meaning is used to constitute and reproduce social relations. As Habermas puts it, the key to understanding the emergence of pathological communication is the ›overburdening‹ of ›the external organization of speech‹ which then affects its ›internal organization‹ (Habermas 1985, 244). That is, power and domination affect the inner structure of the meaning components of utterances, in different ways in different types of speech acts. The description of ideology varies from function to function; its pragmatics is not reducible to one sort of effect or mechanism. If this is indeed the case, then Habermas’s own description of ideology as ›latent strategic action‹, i. e., the strategic action of the powerful which only parades as communicative action, overtly particularizes ideology to one type of distortion in the interactive function. That function is indeed crucial to the conflictual organization of society along class, strata or gender lines. But power can influence other functions of speech in analogous ways, not so much in terms of latent forms of strategic action but rather the ›structural restrictions in communication‹ which constitute and express relations of domination (Habermas 1982 II, 287). Ideological speech acts impose such restrictions on acts of expression and understanding by undermining their own conditions of success, by using consensual means to establish, justify
49. Critique of ideologies
and reproduce relations of power and conflict in a communicative manner. Ideology restricts communication in order to produce its primary pragmatic effect of forced consensus; ideology is therefore communication aimed at reaching understanding under conditions in which agreement is not possible, yet realized by means of the pragmatic effects of certain utterances. These effects could be achieved in a variety of ways, by force or violence or by communicative means where force lies below the surface. 3.4. Despite the appearances of the formal model just described, most effective ideologies operate in all three functions at once. Two examples of contemporary ideologies may illustrate the usefulness of structural and functional descriptions of distorted communication. In contemporary society, two locations of ideological communication are especially apparent: in politics in democratic institutions and in interaction surrounding gender roles in the family. Such ideologies today are no longer concerned so much with grand contents and metaphysical themes, as they were in early modernity; to this extent the critics of the classical Marxian concept of ideology are correct. Nonetheless, ideology has not therefore come to an ›end‹, as Daniel Bell (*1919) and Raymond Aron (1905—1983) have claimed, but has only become more hidden and perhaps more insidious, as it slips into the interstices of everyday communication. In the interactive function, utterances establish social relationships. In contexts of reflective practices and post-traditional cultural domains, communicative interaction is accomplished on the basis of recognizable validity claims which are interpreted by the actors themselves. Certainly, some relationships of power and domination could be established on the basis of lies and violence, or as Thomas Hobbes (1588—1679) put it, mere ›force and fraud‹. But these means could not be the basis of continuing patterns of interaction in an integrated, reproducible social structure (Parsons 1937, 89). Force and fraud are only contingently related to language use and their q uite manifest workings do not need to be unmasked by the critiq ue of ideology. Such is not the case in the normative contexts of the ideological constructions of gender identities in communication and of ideological restrictions of communication in supposedly democratic institutions. In both cases, pat-
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terns of communicative interaction are established which undermine the structural basis of the intersubjective bond between speaker and hearer in normal speech acts; speaking and acting are no longer integrated through agreements based on the mutual recognition of intersubjectively shared meanings and binding validity claims. Typically, restricted communication in the interactive function involves violations of reciprocity conditions, leading to the forced recognition of certain claims implicit in the dominating structure of asymmetrical interaction. For example, one way the domination of women is reproduced is not so much on the basis of explicit norms or conventions, as it is on the pragmatic level in the hidden difficulties women have in assuming certain speaker roles in interaction. Not only are they interrupted by men with astounding freq uency, but also men assume wide powers as speakers in changing topic and ignoring changes offered by women. In order to sustain cross-gender interaction, women must do much more meta-communicative work merely to accomplish any of these typical speaker functions (Fishman 1978, 399). Thus, domination in this case affects the norms of speaking itself, the way in which interaction occurs in the nonexplicit rituals and everyday talk like turn-taking. Interruption and topic changes, when they become patterned into speaker codes which distribute opportunies to speak according to gender, become means of fashioning socially appropriate interactions of male domination and abuse. Women listen and men speak; they are, in effect, treated as subordinates or children. Seen but not heard, their efforts at expression do not have the same ›seriousness‹ as men, and like those of children, they are not binding for the subseq uent course of interaction (West/Zimmerman 1977, 524). Power thus can be analyzed as the result of what people do with words in the communicative situation; other causal and structural forces are also at work here, but such interactions are essential to the maintenance of gender ›codes‹ in language in socialization, particularly as explicit moral and scientific discourse about sexual differences fades. The critiq ue of ideology in the interactive function is also useful in criticizing similar patterns of interaction which limit participation in democratic institutions. In situations of distorted communication, enormous ineq ualities existing prior to political participation in public discourse can become encoded in communicative re-
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strictions on the process of collective deliberation and decision making, which favors speakers from strata and groups which know what they want and can more effectively express themselves. In class-based societies, these structural asymmetries are expressed in barriers traceable to differences in competence and to class specific linguistic codes, or styles of speaking and vocabulary. The public discourse of political institutions req uires the ›elaborated‹ codes of the upper classes, disadvantaging the ›restricted‹ codes of the lower classes (Bernstein 1964, 56). Whether or not the lower class codes are really restricted or differently elaborated is an open q uestion; but such differences do influence public domains of social interaction, such as politics, the public media, and the educational system. Even simply as differences they can thereby encode and reproduce asymmetries of advantage in these institutions. A similar, more manifest process is at work in the creation of standardized, national languages to solidify the power of the nation state or an ethnic group, usually at the expense of peripheral regions and lower classes, as is the case in modern France (Bourdieu 1977 a, 152—166). 3.5. In any of these cases, ideological speech can be analyzed as the social eq uivalent of ›paradoxical communication‹, that is, communication resulting from what may be termed ‘pragmatic paradoxes’. Such communication resembles successful speech, while at the same time undermining the conditions of success. Its structure is essentially that of a repetitive, vicious circle, since it affects the communicative ability of those dominated in interaction to correct the meaning of the utterance or to influence the future behavior of the dominating speaker. In his research on patterns of interaction in pathogenic families, Paul Watzlawick (*1921) has called such pragmatic paradoxes ‘double binds’, perhaps the extreme case of ideological speech in the interactive function (Watzlawick et al. 1971, 212). A double bind is an apt structural description from the point of view of the hearer; from the point of view of the speaker, they may best be described by Jaakko Hintikka’s (*1929) concept of a ›performative contradiction‹. For example, women speakers are in a paradoxical situation: they are both children and adults. By adopting the hearer role of a woman, it becomes impossible to assume the appropriate speaker role of an adult. The speech performances of the dominating class
III. Positionen
in democratic institutions contradict the very norms implied in them. Such institutions are open to all yet not for all. Thus, the paradoxical structure of ideology in the interactive function is responsible for the inhibiting corrective criticism and assures its reproduction. In ideology, speech becomes a paradoxical means of reproducing conflicts through false consensus. Such interactive pathologies lead directly to ideological communication in the expressive function, as exchanges of speaker and hearer roles are inhibited by domination. This restriction in communication affects the expressive positions of speaking, to the point that language becomes an ineffective means of self-expression for the dominated; their needs and desires are increasingly desymbolized and privatized, non-linguistic and nonpublic. Speech becomes ›empty‹, repetitive, and inauthentic, the speech of others whose self-expressions are the dominant discourse and whose meanings inhibit authentic speech. Agents in such situations become like incompetent speakers, confined to non-public, sometimes inarticulate, non-verbal modes of expression. In democratic institutions, such distorted communication can effect decisions which are otherwise procedurally correct, since all are not heard; moreover, by not having the opportunity to participate in public self-expression, certain groups do not develop competence in public interaction, particularly since a high degree of competence and linguistic work would be necessary to achieve adeq uate self-expression in circumstances of domination. In societies with economic ineq ualities, as in the case of capitalism, the lack of the social goods and resources necessary for the development of expressive competence further restricts communication in formally democratic institutions. Gender restrictions similarly privatize women’s speech. Indeed, if Carol Gilligan (*1936) and others are right (Gilligan 1982, ch. 3), the prevailing moral discourse in patriarchical societies is an external and inauthentic discourse which further inhibits adeq uate need expression and interpretation. Women are the ›other‹ of the predominant mode of social expression. Such ideological barriers can be overcome only by creating new contexts of interaction, typically among the dominated group themselves, in new social movements and collective organizations. Marx appreciated domination in the expressive function in his conception of the sociology of knowledge,
49. Critique of ideologies
that ›the ruling ideas are the ideas of the ruling class‹; what is needed is not so much a translation into the dominant discourse, to which they may be incommensurable, but new radical needs, new desires, new expressive possibilities and contexts of speech. 3.6. In the case of the cognitive function, distorted communication does not so much affect semantic relations like reference, as much as the pragmatic organization of discursive practices of justification. Such discourses should be structured in order to test and redeem various claims to validity fundamental to various beliefs and attitudes. Ideologies in cognitive uses of language particularly affect the meta-communicative reflection on discursive practices themselves. Since such practices are constituted by conceptions about the proper justification of a claim, beliefs about them are constitutive of the practice. For example, democracy may be considered the institutionalization of practical discourse; that is, it is a second order communication about the justifications of means and ends of social life, or an institutionalized form of public deliberation. As such, its decisions must be capable of being tested discursively, so as to ascertain whether or not the agreement reached really represents the general interest. If it does not, it could be the case that the decision was arrived at by a democratic procedure and yet it is not really the expression of the ›volonté générale‹, to use Jean-Jacq ues Rousseau’s (1712—1778) phrase. But it is a cognitively decidable q uestion as to whether or not a particular decision represents a true consensus; such reflective tests are part of the communicative competence of participants in practical discourses. Given the enormous ineq ualities in Western capitalist societies, it is not surprising that one of the predominant, contemporary interpretations of democracy is non-cognitive, one which avoids such tests by believing that moral and political decisions are not rationally decidable. On this view, democracy is not seen as a discursive practice of public deliberation; rather, it is seen merely as a way of aggregating fundamentally non-revisable, irrational preferences. Such a belief, which is tantamount to the denial that practical q uestions admit of truth, restricts the amount of participation in democratic decisions, and the need to reform institutional structures so that they may become more consensual; politics is just irrational. The same sort of process oc-
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curs when democratic institutions begin to take on a secondary, traditional or civil-religious character, thus immunizing them from criticism and revision. (The American ideology of the Founding Fathers comes to mind, even though it is directly contradicted by legislative and juridical practice.) Similarly, a conception of discursive practice in democratic institutions which entirely ignores social ineq ualities of race, gender and class and asserts the validity of purely formal criteria of legitimacy can be used to justify structural ineq ualities. Such ideologies restrict the demands on political justification, reducing it to narrow formal and procedural grounds. In its various positivist, proceduralist, emotivist, and non-cognitivist interpretations, ideology manifests itself not so much in the content of the beliefs, but in the way in which the belief restricts political practice. What is ideological about such beliefs is that they repeat in politics the same formal justifications of ›fairness‹ which Marx exposed in economic exchange; they remove social practices from full discursive examination of their normative presuppositions, and thereby inhibit social learning; the capacity of participants to change their constitutive beliefs about these practices is restricted. When these barriers inhibit learning and self-reflection in the cognitive uses of language, discourses become frozen in their institutional form. Ethnocentrism, phallocentrism, and other unconscious discursive assumptions also inhibit discursive learning and permit the continued acceptance of certain beliefs and patterns of justification. These same ideological limits may inhibit social learning in the natural sciences; while they are not about society, they can be used to justify other practices of domination like colonialism, racism and patriarchy. The history of biology and recent sociobiology abounds with such ideologies (Gould 1977, ch. 5). Such ideological uses of natural science illustrate pragmatic shifts and confusions of modes of justification, where failures in normative justification, as in racism, are displaced into empirical, factual justification. Norms parade as ›facts‹, as moral standards become sufficiently reflective so as not to bear so much ideological weight, as for example the way Aristotle (384—322 B.C.) (s. art. 15) justified slavery on the grounds of ›natural‹ differences. Other ›pragmatic‹ approaches to these same sorts of phenomena which also make reference to language include the ›archeology‹
704
III. Positionen
of the early Foucault and ›discourse analysis‹ in ethnomethodology. Foucault analyzes various practices and techniq ues of ›exclusion‹ from discourse affecting the mentally ill, the sick, the homosexual (Foucault 1971). Ethnomethodology gives ›micro-analyses‹ of pieces of everyday talk, between men and women, doctors and patients. Whatever insights these avowedly descriptive, neutral approaches might provide into linguistic practices must be reinterpreted in a pragmatics which makes normative distinctions.
4.
The pragmatics of social criticism
Formal pragmatics may also do better than traditional theories of ideology in supplying an account of the linguistic practices of social critics. What are critics supposed to do in a situation of ideological communication? The theoretical analysis of the structure and function of speech yields some fruitful insights into the constitution of practices of speaking and acting. But because of the systematic, paradoxical and self-reflective character of distortions in speech, ideologies have a feature in common with the pragmatics of selfdeceptions: their restrictions on communication affect relations between critic and participant and block self-reflection and theoretical insight into the workings of ideologies. If distorted communication results in paradoxes similar to the vicious circles of double binds, then metacommunication about the distorted structure of such interaction would only repeat the same paradoxes and barriers on a more reflective level. Even if the normal, illocutionary force of speech is blocked, then the critic, as a competent speaker, still has recourse to speech acts which employ perlocutionary effects to change the structure of the communicative situation itself. The ›emancipatory speech‹ of the social critic is a mixture of perlocutionary and illocutionary aspects of normal speech: it employs strategic means for communicative aims. In this way, the critic of ideology can use semantic and pragmatic analysis to further the aims of human emancipation. Indeed, social criticism must at least in part consider the effects of semantic enchantments and pragmatic restrictions on communication. The critiq ue of ideology is therefore based on the premise that emancipation and autonomy are not possible without critical, reflective knowledge suffi-
cient to free us from the power that is in words and speech.
5.
Selected references
Barthes, H. 1966, Truth and Ideology. The best treatment of the often contradictory conceptual history of the topic. Barthes, R. 1967, Système de la mode (The Fashion System, 1983). A consistent development and application of the structuralist approach. Bernstein 1967, Class, Codes, Control. A good example of a sociolinguistic treatment of class and communication. Bohman 1986, Formal pragmatics and social criticism, in Philosophy and Social Criticism 12. Extension and criticism of Habermas’s theory of distorted communication. Elster 1983, Sour Grapes. Excellent treatment of social irrationality oriented to social choice theory. Foucault 1971, L’ordre du discours. Analysis of power, exclusion and discourse. Habermas 1970, On systematically distorted communication, in Inquiry 13. His first treatment of ideology in communicative terms. Habermas 1982, Theorie des kommunikativen Handelns. Habermas’s systematic work and most sophisticated treatment of pragmatics is in chapter 3 of Vol. I. Habermas 1985, Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns. This volume collects all of Habermas’s writings on language and communication, as well as his most sophisticated elaboration of various ›pathological‹ forms of communication using formal pragmatics in chapter 4. Marx 1970, The German Ideology. [Die Deutsche Ideologie, 1848, in MEW III]. This is Marx’s most developed ›theory‹, while The Eighteenth Brumaire is his greatest critical application. Thompson 1984, Studies in the Theory of Ideology. Excellent critical survey of the major contemporary linguistic positions. Watzlawick et al. 1967, Pragmatics of Human Communication. Interactional psychiatry dealing with disturbed families is a fruitful area of research into communicative pathologies and their structure.
James Bohman, St. Louis, Missouri (USA)
50. Behavioristic approaches
705
50. Behavioristic approaches 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Prefatory remarks Logical positivism Ordinary language philosophy Quine’s behaviorism Sellars’ functionalism Concluding remarks Selected references
Prefatory remarks
Behavioristic approaches to the study of language have developed largely under the influence of the behavioristic movement in psychology dominant in North America from the early part of this century to the late fifties. In view of the age-old analogy between language and thought, it is unsurprising that the philosophy of language should have been intimately connected to the study of mind. Anyone who views language essentially as a vehicle for the expression and communication of thought, or who functionally reconstructs the semantic properties of language in terms of pragmatic aspects of linguistic use, will tend to view the study of language as part of the study of mind. This is true not only of ›mentalists‹ in the Brentano tradition (e. g. Roderick M. Chisholm, Herbert Paul Grice, John R. Searle), but also of some of their ›physicalist‹ or ›naturalist‹ critics (e. g. Rudolf Carnap, Willard Van Orman Quine, Wilfrid Stalker Sellars) who, in various ways, reconstruct both linguistic and mental phenomena in terms of behavior. Although a broadly behavioral orientation in the study of language can be traced back to the pragmatism of Charles Sanders Peirce (1839—1914) (s. art. 32), who held the meaning of any sign to be determined by the way it modifies “a person’s tendencies toward action” (CP 5. 476), perhaps the earliest theory of meaning along specifically behavioristic lines is found in Charles K. Ogden and Ivor A. Richards’ The Meaning of Meaning (1923), where they identified the (referential) meaning of a sign with the stimulus situation which causes it to be produced as a response. Despite its obvious shortcomings (cf. e. g. Ayer 1969, 239), Ogden and Richards’ stimulusresponse theory of meaning was q uite influential and was variously developed and modified by Leonard Bloomfield (1887—1949), Burrhus F. Skinner (1904—1990), Charles W. Morris (1901—1979) and, more recently,
Quine (*1908). Thus the linguist Bloomfield (1933, 139) defines the meaning of a linguistic expression as “the situation in which the speaker utters it and the response which it calls forth in the hearer”; and Skinner’s (1957, 114 ff) definition is along similar lines. Morris (1946) develops a theory of sign-behavior which functionally defines meaning (›signification‹) in terms of responses to utterances rather than in terms of the stimulatory situations in which utterances occur. Furthermore, he focuses on dispositions to respond, rather than on actual responses, and recognizes that the responses are dependent on many psychological and social factors which may, in various ways, inhibit the manifestation of a behavioral disposition. As the behavioristic movement in psychology was influencing philosophical thinking about mind and language, so too philosophy — especially during the logical positivist period in the third and fourth decade of this century — provided support for this movement by clarifying and defending its conceptual and methodological foundations. Without denying their mutual interaction and interpenetration in the historical reality, it is nonetheless conceptually important to distinguish between scientific and philosophical behaviorism as research programs with significantly different objectives and methodologies. The former, as a movement within scientific psychology starting with the work of John B. Watson (1878—1958) and culminating in the theories of Clark L. Hull (1884—1952), Edward C. Tolman (1886—1959) and Skinner, is an empirical discipline concerned with the application of certain research methodologies in the context of the explanation and prediction of human behavior. The latter, as a movement within analytic philosophy — and thus often referred to, especially during the logical positivist period, as ‘analytical’ or ‘logical’ behaviorism — is a philosophy of science as well as a program of conceptual reconstruction. As a philosophy of science, philosophical behaviorism is concerned with an analysis of the conceptual and methodological foundations of scientific psychology. As a program of conceptual reconstruction, philosophical behaviorism is concerned with an analysis of psychological concepts primarily in the domain of commonsense psychology and traditional philosophy of mind. Scientific behav-
III. Positionen
706
iorism will not be considered in the present article except in the respects in which it actively influenced the work of some of the philosophers considered in this article. After a brief presentation of representative behavioristic accounts of language in classical analytic philosophy, both in the formal languages and ordinary language traditions (s. art. 59, 60), the focus of this article will be on the currently influential and systematic theories of language developed by Quine and Sellars, respectively.
2.
Logical positivism
Philosophical behaviorism achieved its classical and most controversial formulation in the heyday of logical positivism. Because of the ›linguistic turn‹ in analytic philosophy, philosophical behaviorism was essentially a linguistic thesis about the meaning of psychological statements: we shall refer to it in this period as logical behaviorism. It asserted that psychological statements are translatable into (have the same meaning as) some set of publicly verifiable (confirmable, testable, etc.) physicalistic statements describing, in a strictly extensional language, behavioral and bodily processes or dispositions (Hempel 1972, 123; Carnap 1959, 165). On the one hand, this thesis exhibits the foundational and methodological concern expressed by the logical positivist thesis of physicalism and the unity of science, according to which all branches of science are “branches of the unitary science, physics” (Hempel 1972, 129). On the other hand (and more importantly for our purpose), as a linguistic thesis about the meaning and form of a certain class of statements, logical behaviorism clearly presupposes a certain philosophy of language: both because of its adherence to the thesis of extensionality, which req uired the language of science to have the structure (syntax) of a strictly extensional language, and, above all, because of its commitment to a verificationist theory of meaning, according to which the meaning (›cognitive‹ or semantic content) of an empirical statement is determined by the (pragmatic) conditions and procedures under which it is verified (confirmed, tested, etc.). Since the circumstances which (publicly) verify psychological statements are described by statements about behavior and observable bodily conditions, behaviorism is a natural conseq uence of the verificationist theory of meaning — a theory which is sq uarely in the
pragmatist tradition of Peirce and William James (1842—1910) according to which, in the words of James (1920, 412), the meaning of any supposition “can always be brought down to some particular conseq uence in our future experience”. A (logical) behaviorist theory of language is a natural conseq uence of the logical positivist theory of meaning: it is the result of an explicit application of the verificationist theory of meaning to statements about language itself. Thus consider a (metalinguistic) semantic statement of the form ‘S in language L means p’. Unless we treat it as a ›meaning postulate‹ (cf. Carnap 1952), and thus as true by arbitrary stipulation, we must suppose that its acceptability rests on a non arbitrary convention, one which records actual use of the expression. Its acceptability would thus be such that empirical evidence can be brought to bear on it: this amounts to regarding the semantical statement — or some appropriate correlate of it — as a genuine empirical statement whose meaning (by the positivist criterion) is given by the conditions of its verification; and to verify that statement is to verify that users of L use, or tend to use, tokens of S in certain specifiable circumstances and not in others. Although this reduction of semantic to pragmatic concepts was resisted by Carnap (1942, 13), who distinguished between pure semantics (concerned with the analysis of meaning in abstraction from the conditions of use) and descriptive semantics (identified with a part of pragmatics), it eventually became clear that pure semantics properly concerns the formal study of constructed language systems as distinct from historically given natural languages (Carnap 1955, 33 ff). The task of descriptive semantics, on Carnap’s account, consisted in a pragmatic reconstruction of semantic concepts in essentially behavioristic terms. The procedure was to replace a given semantic concept (e. g. ‘the meaning of E in L’) by a corresponding pragmatic concept (e. g. ‘the meaning of E in L for speaker X’) and then explicate the latter by specifying an operational behavioristic procedure for its application. In general, according to Carnap (1955, 42), to give the meaning of an expression E for speakers of L is to give the general condition which an object must satisfy in order for speakers of L to be disposed to ascribe E to it. As a system of meaningful expressions, a language L can thus be characterized as a “system of certain dispositions for the use of expressions” (Car-
50. Behavioristic approaches
nap 1955, 43). Statements describing these dispositions have the status of empirical hypotheses testable by observation of linguistic behavior. Such was Carnap’s behavioristic conception of language. Its inadeq uacy was exposed by Roderick M. Chisholm (1955) who pointed out that Carnap’s pragmatic application of meaning req uires the use of the concept of belief, for a speaker’s linguistic behavior depends at least in part on his beliefs (as well as expectations, motives, etc.). But according to logical behaviorism, the concept of belief is itself analyzed in terms of verbal dispositions and, as Carnap (1891—1970) himself acknowledged (1956 a, §§ 13—15), the latter dispositions must be understood in terms of responses to sentences in function of their meaning. Carnap’s logical behaviorist analysis of linguistic meaning is thus inherently circular.
3.
Ordinary language philosophy
Whereas logical positivism was a program of conceptual reconstruction aimed at providing exact analyses of the concepts of science, often through the construction of formal models or artificial language-systems, ordinary language philosophy — especially as practiced by Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. art. 39) at Cambridge and by Gilbert Ryle (1900—1976) at Oxford — had largely an anti-theoretical orientation and focused on detailed investigations of ordinary uses of expressions in a natural language, in the expectation that philosophical problems would be thereby ›dissolved‹ (Wittgenstein) or at least conceptually clarified (Ryle). Although neither Wittgenstein nor Ryle proposed explicit theories of mind and language, their arguments against traditional positions presuppose distinctly behavioristic conceptions. For example, Ryle’s (1949) critiq ue of Cartesian dualism rests on the claim that psychological terms signify dispositions to behave in various ways: and for Ryle, to say that something has a disposition is not to report the occurrence of an episode, or the existence of an underlying state, physical or non-physical, but only to make a law-like statement whose form, despite appearances, is not like that of a categorical statement but like that of a hypothetical (‘if ... then’) statement, and whose function is not to describe or report, but to ›rationalize‹, or ›licence inferences‹ about, the overt behavior of people (Ryle, 1949, ch. 5).
707
The same type of dispositional analysis, for Ryle, applies to statements about the meaning of linguistic expressions. To give the meaning of an expression is, for Ryle, just to specify a speaker’s propensity to say or do certain things under certain circumstances. Both Ryle (1969 b) and Wittgenstein (1953) rejected denotational theories of meaning and embraced what amounts to a ›functionalist‹ and broadly behavioral theory which identifies the meaning of an expression with its use, or, more precisely, with the ›role‹ it plays in linguistic behavior (s. art. 67). To specify the role of a linguistic expression is analogous to specifying the role of a chess piece in a game of chess: it is to specify the ways of operating with it, the range of permissible ›moves‹ the expression can be employed to make in a ›language game‹. — Although this broadly behavioral account of meaning shares the logical positivist’s rejection of Cartesian mentalism and introspectionism, it lacks the physicalistic underpinning of positivistic behaviorism. The regularities underlying the meaning or role of linguistic expressions are not founded in natural or behavioral laws but in the rules which govern the correct use of expressions (cf. Ryle 1969 a, 64 ff). Whether this normative aspect of linguistic behavior could be accommodated within a physicalistic or naturalistic framework is a theoretical q uestion that ordinary language philosophy found either meaningless or uninteresting.
4.
Quine’s behaviorism
4.1. Naturalistic epistemology and the theory of language Perhaps the most sophisticated, systematic and explicitly behavioristic theory of language in the post-positivist analytic tradition is due to Quine. “Language is a social art which we all acq uire on the evidence solely of other people’s overt behavior under publicly recognizable circumstances” (Quine 1969 a, 26). Like Ryle and the later Wittgenstein, he rejects the traditional mentalistic semantics which construes meanings as private, introspectible mental entities, as well as any form of the denotational (›naming‹) theory of meaning, which he dubs “the museum myth” according to which “the exhibits are meanings and the words are labels” (Quine 1969 a, 27). Quine’s behavioristic theory of language, however, is more sanguine and more systematically developed than that of Ryle and
708
Wittgenstein, and because of its scientific orientation, it is closer in spirit to the physicalist model of the logical positivists. Quine, however, does not share the positivists’ concern with reductive analysis and logical reconstruction; deeply influenced by the pragmatism and naturalism of John Dewey (1859— 1952), he has always held on to the conviction that “knowledge, mind and meaning are part of the same world [...] and are to be studied in the same empirical spirit that animates natural science” (Quine 1969 a, 26). And although very early in his career he rejected certain ›dogmas‹ of radical empiricism and positivism (Quine 1953), he has always insisted on two basic postulates of any empiricist philosophy: one is that “whatever evidence there is for science is sensory evidence”, and the other is that “all inculcation of meaning of words must ultimately rest on sensory evidence” (Quine 1969 a, 75). He thus embraces a verificationist conception of meaning differing from the earlier logical positivist one primarily to the extent that, for Quine, the evidential relation between (theoretical) sentences and observation is more “intricate and indirect” (Quine 1973, 38). While the overriding concern of Quine’s empiricist philosophy is thus epistemological — it is to answer the q uestion of how to account for our theory of the world given our sensory evidence — it is his behavioristic theory of language that provides both the framework and the empirical support for his entire system. After all, a theory of the world is ultimately a set of linguistic structures, and observation, to be evidentially useful, must itself be reportable in an (intersubjective) language; conseq uently the foregoing epistemological q uestion is for Quine at bottom a q uestion about language: how to account for our theoretical discourse on the basis of observational discourse. Furthermore, the word ‘account for’ is ambiguous: it may mean justify or it may mean explain; in the first sense the foregoing q uestion belongs to normative epistemology, in the second sense it belongs to empirical science. The failure of radical empiricism to deduce or ›logically reconstruct‹ the truths of nature from the language of observation (which was essentially Carnap’s program in Der logische Aufbau der Welt of 1928), is for Quine reason enough to abandon the q uest for a normative epistemology as the a priori foundation for knowledge. Anyhow, in the perspective of a naturalistic philosophy, “there is no place for a prior philosophy”
III. Positionen
(Quine 1969 a, 26): epistemology itself must be naturalized. Instead of speculating on how our talk about the world might be logically or ›rationally‹ reconstructed from observation, “[w]hy not just see how this construction really proceeds? Why not settle for psychology?” (Quine 1969 a, 75). After all, as Quine 1975 b, 74) observes, the locutions of our theory of the world “have no meaning but what they acq uired by our learning to use them”, so that, in investigating the evidential relation between theory and observation, we can adopt a ›genetic approach‹ and just study how theoretical language is learned. This shows how central, for Quine, the theory of language and, in particular, the theory of language learning, is to the theory of knowledge. 4.2. Language learning Quine’s theory of learning is heavily influenced by Skinner’s (1938) theory of operant conditioning. Learning consists in the acq uisition of certain behavioral habits or dispositions through the reinforcement of desirable responses and the extinction of undesirable ones. The whole learning process begins in perception (observation), which is itself an (acq uired) disposition to respond discriminatively to episodes of sensory stimulation. In order for perception to be possible at all, the learning organism must possess certain “innate standard[s] of perceptual similarity” (Quine 1973, 22) by means of which it can recognize certain stimulatory episodes as more or less similar to earlier episodes relative to certain ›salient‹ features, including their degree of pleasantness or unpleasantness. When an episode is recognized as perceptually similar to an earlier pleasant one, the organism will tend to respond in such a way as to maximize the likelihood of the episode’s reoccurrence. As Quine (1973, 28 f) puts it, “[l]earning thus viewed is a matter of learning to warp the trend of episodes, by intervention of one’s muscles, in such a way as to simulate a pleasant earlier episode. To learn is to learn to have fun”.
So it is with language learning. When the child babbles ‘Mama’ (either randomly or by mimicry) in the presence of the mother, she rewards the act with a hug or smile, and so in future the approach of the mother’s face acts as a (conditioned) stimulus for future utterances of ‘Mama’ (Quine 1960, 81). Similarly when the child utters ‘Red’ or ‘Red ball’ (or assents to the q uestions ‘Red?’ or ‘Red ball?’) in the presence of a red ball and is thereby rewarded, he will tend to respond
50. Behavioristic approaches
similarly to future stimulations afforded by red balls. — It is important to note that such early utterances of ‘Mama’ or ‘Red ball’ are not utterances of terms (either singular or general) but of (one-word or unstructured) sentences. Moreover these are sentences which the child learns ostensively by associating them directly with publicly accessible stimulus conditions. Quine calls such sentences observation sentences, which in turn are a subcategory of occasion sentences. As Quine (1960, 35 f) explains, an occasion sentence is one which commands assent or dissent only under current stimulation; an observation sentence is an occasion sentence which commands assent or dissent of all (fluent) speakers of the language under the same concurrent stimulation. (E. g. both ‘This ball belongs to John’ and ‘This ball is red’ are occasion sentences, but only the latter is an observation sentence.) Contrasted with occasion sentences are standing sentences, whose assent/dissent conditions are not tied to current stimulation (e. g. ‘John’s ball is red’); these include, as a subcategory, eternal sentences, whose truth value is permanently fixed (e. g. ‘Ice floats on water’). Now although ostensive learning of the kind described above is essential to get us started in language learning, it is, as Quine (1976 b, 57) recognizes, “incapable of carrying us far in a language”. It accounts for our learning of observation sentences as unstructured wholes, for these are just (conditioned) responses to stimulatory conditions; but most our language is not thus keyed to sensory stimulation: typically, standing sentences are not, and non-observation, occasion sentences are only partly so. Even the learning of observation terms (as distinct from sentences) is only partly and indirectly through ostension, for the full-fledged use of terms is not to respond but to construct novel sentences to speak about objects, seen and unseen, past, present and future. This use of terms req uires a mastery of the apparatus of predication, of universal categorical constructions (e. g. ‘A dog is an animal’), of relative clauses, and in general, of the whole individuative or referential apparatus of language, which involves “a cluster of interrelated grammatical particles and constructions: plural endings, pronouns, numerals, the ‘is’ of identity, and its adaptations ‘same’ and ‘other’ ” (Quine 1975 b, 77 f): in a word, the whole apparatus of q uantification. Starting with simple inductions based on language-dependent similarities, one works one’s way into these higher
709
levels of language by a method of “simultaneous learning” involving a series of “substitution transformations” and “leaps of analogy” (Quine 1975 b, 77 f). The psychological nature of such analogical learning is not altogether clear; indeed, Quine’s account of this stage of language learning does not, by his own admission, go beyond the level of speculation and crude conjecture. But however inaccurate and in need of further empirical investigation, he believes it to be “presumably true to the general nature of language acq uisition” (Quine 1975 b, 78). 4.3. Indeterminacy of meaning and reference 4.3.1. The naturalism and empiricism which inspires Quine’s theory of learning also inspires his theory of meaning. After all, for Quine, the locutions of a language “have no meaning but what they acq uired in our learning to use them” (cf. Quine 1975 b, 74); hence what constrains learning likewise constrains meaning. No wonder then that Quine’s semantics is closely bound to behavioristic theory and methodology. As remarked under 4.1., Quine’s allegiance to Dewey’s naturalism leads him to reject mentalistic and, in general, denotational theories of meaning (as instances of the ›museum myth‹). He agrees with Dewey that meaning “is primarily a property of behavior” and that, conseq uently, “there are no meanings, nor likenesses nor distinctions of meaning, beyond what are implicit in people’s dispositions to overt behavior” (Quine 1969 a, 28 f). Meanings for which there are no behavioral criteria, therefore, are no meanings at all. This commitment to behavioristic criteria of meaning — and, conseq uently, to the need for the empirical testing of hypotheses concerning the meaning of linguistic expressions — may seem to mark no significant departure from other behavioristic theories of language in the analytical philosophical tradition. For example, as noted under 2., Carnap conceived the task of descriptive semantics (which he identified with pragmatics) as that of formulating and testing hypotheses about the meaning of linguistic expressions in terms of dispositions to linguistic behavior and thus in terms of the conditions under which such dispositions are exercised. However, the conclusions Quine draws from the application of this behavioristic methodology are novel and striking: only for a very restricted range of
710
cases is linguistic meaning empirically determinable; we cannot in general determine whether two expressions are synonymous, or even what they refer to; nor, in general can we be certain of what other people, or even ourselves, are really speaking about. — To explain why this is so, Quine (1960, ch. 2) invites us to conceive of the task of determining the meaning of linguistic expressions as analogous to that of a linguist who sets out to translate into English the language of an alien culture. Since in this hypothetical case of ›radical‹ translation there are no available translation manuals (this is just what the linguist is attempting to set up), all the linguist has to go on is the overt (verbal and nonverbal) behavior of the alien speakers and the observable conditions under which it occurs. Upon repeatedly hearing the alien speakers utter ‘Gavagai’ in the conspicuous presence of rabbits, the linguist formulates the hypothesis that ‘Gavagai’ means the same as the English sentence ‘Rabbit’ (or ‘There goes a rabbit’). In accordance with behavioristic methodology and in possession (let’s assume) of adeq uate behavioral criteria for assent and dissent, the linguist might then proceed to test his hypothesis by determining, for example, whether the aliens would assent to the q uery ‘Gavagai?’ when and only when a rabbit appears. By using this and similar operational procedures, a behaviorist like Carnap would conclude that the linguist can inductively confirm (or infirm) the hypothesis that the terms ‘gavagai’ and ‘rabbit’ have the same meaning. But this conclusion, for Quine, is unjustified. All that the linguist is in a position to establish on the basis of the behavioristic tests is that (1) instances of ‘Gavagai’ in the alien speakers’ mouth are observation sentences, for they are concurring responses to concurrent stimulation, and (2) that instances of ‘Gavagai’ are responses to the same stimulus conditions to which ‘Rabbit’ in the linguist’s mouth would be a response. This is to say, for Quine, that ‘Gavagai’ and ‘Rabbit’ are observation sentences that have the same stimulus meaning. The stimulus meaning of a sentence for a person is defined by Quine (1960, 32 ff) as the set of stimulations that would prompt the person’s assent to the sentence; it sums up, as it were, the person’s dispositions to assent to the sentence under current stimulation. Now observation sentences are just the type, and the only type, of linguistic expressions whose conditions of application are exhausted by their observable stimulus condi-
III. Positionen
tions, for they only req uire current stimulation (and no significant collateral information) to command assent or dissent. As ostensively learned responses, observation sentences “wear their meaning on their sleeves” (Quine 1960, 42): their meaning just is stimulus meaning. Thus all that the linguist can infer from observing the alien speakers’ behavior is just that ‘Gavagai’ and ‘Rabbit’, as observation sentences, have the same stimulus meaning (i. e. are stimulus synonymous). But this does not warrant our saying that the terms ‘gavagai’ and ‘rabbit’ have the same meaning, or even the same reference. For ‘gavagai’, if a term at all, might not be a concrete general term, like ‘rabbit’ in English, but an abstract singular term referring to rabbithood; or if a concrete general term, it might refer not to rabbits but to mere temporal rabbit-stages, or to undetached rabbit parts: all of these mutually incompatible possibilities are eq ually consistent with the stimulus meaning of ‘Gavagai’ accessible to the linguist. In order to be in a position to decide what kind of term ‘gavagai’ is, whether it refers to an abstract or a concrete object, whether it should be translated as ‘rabbit’ or ‘rabbithood’ or ‘rabbit-stage’, etc., the linguist would first have to learn a great deal about the lexicon and structure of the alien language, including the whole range of referential devices needed to individuate objects (cf. 3.2.). He could then proceed to ask such ›individuating‹ q uestions as ‘Is this the same gavagai as that?’, ‘How many gavagai do we have here?’, etc. In seeking to gain the knowledge req uired to ask these q uestions in the alien language, the linguist will have to go far beyond the level of ostension and stimulus meaning: he will have to frame a system of analytical hypotheses (Quine 1960, 60 ff) about the lexical and grammatical structure of the alien language by a method which parallels that of a child who by “simultaneous learning” and “leaps of analogy” is striving to acq uire the higher levels of language (cf. Quine 1960, ch. 3; 1973, ch. 3). Relative to a proposed system of analytical hypotheses (which amount to a ›translation manual‹), the linguist can then proceed to determine, by appropriate q uestioning, whether the term ‘gavagai’ refers to rabbits, or rabbit-stages, or something else. 4.3.2. However, Quine’s contention is that there may be countless and mutually incompatible systems of analytical hypotheses each
50. Behavioristic approaches
consistent with the behavioral dispositions of the alien speakers; and depending on which system he adopts, the linguist will arrive at different conclusions about the meaning and reference of ‘gavagai’. For example, under some system of analytical hypotheses, the linguist’s q uestion ‘Is this the same gavagai as that?’ might translate as ‘Does this gavagai belong to the same set as that?’, assent to which might lead the linguist to translate ‘gavagai’ not as ‘rabbit’ but as ‘rabbit-stage’. Thus recourse to analytical hypotheses helps to fix the meaning and reference of the alien terms only in a relative way: since it is not possible to select a uniq ue system of analytical hypotheses purely on behavioral grounds, it is impossible to settle absolutely what the meaning and reference of the alien terms really are: there is, concerning this, “no fact of the matter” (Quine 1969 b, 303). This, then, is Quine’s thesis of the indeterminacy of translation (s. art. 73): a thesis which ›falls out‹ of his behavioristic theory of language. Its implications are far reaching, for “translation begins at home” (Quine 1969 a, 46): it begins with ordinary language learning, and continues when we ›translate‹ or paraphrase our neighbor’s words into our own idiolect in the attempt to make their message clearer. Indeed, radical translation even applies to ourselves when we “contemplate alternative denotations of our familiar terms” (Quine 1969 a, 48) by systematically permuting these denotations and systematically readjusting the interpretation of the auxiliary particles while still accommodating all existing speech dispositions. Indeterminacy of translation thus involves an indeterminacy of meaning and reference not only at the interlinguistic level but at the intralinguistic level as well. Such indeterminacy, of course, rules out any useful concept of synonymy (beyond stimulus synonymy). It also rules out any account of propositions, attributes and other abstract intensional entities which rests on a prior notion of meaning and synonymy. So too it rules out any explication of the concept of analyticity, and of the analytic-synthetic distinction, which presupposes intensional concepts (s. art. 86). Moreover, since what specifies the ontology of a language, and thus of a theory, is the reference of its terms, the thesis of the indeterminacy (›inscrutability‹) of reference amounts to a thesis of ontological indeterminancy or relativity: the ontology of a theory can be fixed not absolutely, but only relative to one or another ›frame of reference‹
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or interpretive system of analytical hypotheses, each eq ually underdetermined by the observational evidence. — Such are the immediate conseq uences of Quine’s behavioristic theory of language. There are others, perhaps less obvious but no less momentous, which directly bear on his theory of knowledge and science. Since the terms of a language or theory are acq uired through ›simultaneous learning‹ in conjunction with a web of many other terms whose meanings can only be fixed relative to a system of analytical hypotheses serving as an interpretation scheme for the language, sentences beyond the level of observation sentences have no meaning, and thus (because meaning and evidence coincide for Quine) no evidential support, in isolation, but only in the context of (practically) the whole language or theory. (This conclusion constitutes the so-called Duhem-Quine holism thesis.) Further, since the evidential and semantic relation between observation and theory mirrors the psychogenetic relation between the (ostensive) learning of observation sentences and the learning of theoretical language, and since the latter learning is irreducible to, and underdetermined by, the former, so too is theory irreducible to, and underdetermined by, observation. (This is Quine’s thesis of underdetermination: “theory is empirically underdetermined”; Quine 1975 b, 79). 4.4. Concluding remarks on Quine’s theory of language The semantic and ontological relativity which Quine’s behavioristic theory of language leads to is perhaps what has seemed most disturbing to his critics, especially to those who, having espoused a mentalistic semantics, believe that linguistic expressions express determinate thoughts and have thus a uniq ue meaning and a uniq ue translation. In attempting to undercut such relativism, it is tempting for a mentalist to look at its source and raise against it the same sort of objection that Chisholm (as noted under 2.) raised against Carnap’s behavioristic account of meaning. Thus it has been objected, as Quine (1969 a, 91) has noted, that in using the method of q uery and assent in the context of language learning and meaning ascription, he is “not escaping mentalism after all, because assent itself has a mental component”. For surely ‘parroting‹ assent must be distinguished from sincere assent, and the distinction is located in the beliefs and intentions of
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the speaker. But these, in turn, are construed by Quine as verbal dispositions (cf. Quine 1975 c), whose acq uisition the method of assent and dissent was supposed to explain. Hence we seem caught in a circle. This type of objection, however, effective as it is against Carnap’s analytic program of ›rational reconstruction‹, is ineffective against Quine’s naturalistic program, which is concerned not with conceptual explication but with theoretical explanation. What seems like logical circularity is thus for Quine merely part of the dialectic of scientific inq uiry, whereby a given hypothesis (e. g. that ‘Gavagai’ means ‘Rabbit’) is put to the test simultaneously with many others (e. g. that the alien’s response is sincere, that he is perceiving a rabbit, that he is fluent in his language, etc.). A behavioral response is thus, of methodological necessity, itself in need of further behavioral checking; but this kind of theoretical holism must not be confused with logical circularity. — But although Quine’s behaviorism cannot be thus faulted on purely logical grounds, it does suffer from the shortcomings of behaviorism as a scientific program. These are well known, and need not be rehearsed here (see, e. g. Koch 1964; Dixon/Horton 1967; Chomsky 1959; Taylor 1964; and 6. below). Suffice it to mention the general difficulty of extending the conditioning paradigm beyond clearly specifiable, ostensive, or laboratory-like situations, where what counts as stimuli, responses, or reinforcements are difficult to describe in a strictly observational, physicalistic, extensional language. Adherence to a strictly verificationist methodology narrowly restricts the range of admissible explanatory variables by disallowing mentalistic or other ›inner‹, nonobservable constructs as possible determinants of human behavior. This in turn makes it difficult for the behaviorist to provide explanations of intelligent, goal directed behavior (including verbal behavior) which seems relatively free of stimulus control — at least, given a strictly physicalistic specification of the stimuli and of the correlative responses. — It is actually unclear whether, for Quine, the conditioning paradigm is intended to apply beyond ostensive learning at all; and by Quine’s own admission, ostensive learning will not take us far at all in language (Quine 1976 b, 57). What other psychological mechanisms would take over, which would support the kind of analogical learning that occurs beyond ostension, is left unclear. There seems to be a sharp divide between ostensively
III. Positionen
learned observation sentences and the rest of the language. Observation sentences are syntactically unstructured objects, mere episodic responses to stimulus conditions fully determining their (stimulus) meaning. Non-observation sentences, on the other hand, are syntactically structured and constructed objects possessing only relative and language-contextual meaning. How can syntactically unstructured objects enter into logical relations with one another and with structured ones? How can a sentence entail a response, or a response entail another response? How can something with indeterminate meaning relate, deductively or inductively, to something with determinate meaning? The answers to these q uestions are not obvious. Quine’s (1975 a, 316 ff) talk of “pegged observation sentences” as structured ›standing‹ transforms of observation sentences only moves the q uestion one step further: how do pegged observation sentences logically relate to unpegged ones? — Quine’s ambivalence with respect to the meaning conditions for observation and nonobservation sentences, respectively, is symptomatic of a deeper ambivalence between a commitment to verificationism on the one hand and a commitment to the meaningfulness of ontological distinctions on the other. Having committed himself to the verificationist identification of meaning with evidence and thus to the view that there are no differences in meaning where there are no observable differences, he ought to have denied that ‘rabbit’ and ‘rabbit stage’ have different meanings, or that rabbits and rabbit-stages exemplify ontologically different kinds. But Quine takes such (phenomenologically and behaviorally undectectable) differences in ontology as seriously as anyone but a verificationist should; indeed, the whole q uestion of indeterminacy of meaning and translation would not arise for Quine without an appreciation of the difference between, say, an ontology of enduring objects and an ontology of empirical states or events. Commitment to the significance of such ontological distinctions is difficult to reconcile with a commitment to a verificationist methodology.
5.
Sellars’ functionalism
5.1. Mind and language Although Sellars (1912—1989) shares the pragmatism and naturalism of Quine, and like Quine, believes that “science is the measure
50. Behavioristic approaches
of all things” (1963, 173), there is a crucial difference between his philosophical system and Quine’s: he does not reject the mentalistic framework of commonsense but tries to explain and accommodate it within a naturalistic and materialistic world view. He does, to be sure, reject Cartesian dualism as a source of fundamental errors both in metaphysics and in epistemology, but, like Ryle, he does not take dualism to be part of our commonsense concept of mind. And yet, unlike Ryle and the logical behaviorists, he does not settle for a purely dispositional analysis of the mind. Instead, he declares, “I accept mental acts in something like the classical sense” (Sellars 1969, 527) — namely in the sense of occurrent, privately accessible ›inner‹ states or episodes which have the ›intentional‹ characteristics of reference or aboutness in Franz Brentano’s (1838—1917) sense, and which play an essential role in the etiology of our ›cognitive‹ behavior, including verbal behavior. But while he accepts mental acts in this sense and takes them to be central to our conception of man and human cognition, he argues that the concept of such acts is a “derivative concept” (Sellars 1969, 527): it derives from a conception of linguistic behavior based on a behavioristic model. For Sellars, no less than for Quine, the theory of language is thus central to his philosophical system. Part of our ›classical‹ conception of mind, as Sellars well realizes, is that the concepts of speech and thought are in many respects analogous: both speech and thought may be said to (semantically or intentionally) refer to, or be about, something or other; both speech and thought are reportable by means of indirect (›referentially opaq ue‹) constructions (e. g. ‘John said that p’, ‘John thought that p’); what one judges, as well as what one says, may be said to be true or false, interesting or uninteresting, justified or unjustified; and whatever principles of reasoning govern verbal activity also seem to govern mental activity. In order to explain these formal similarities, Sellars proposes a theory in which the concept of an (overt) verbal episode is taken as primitive and the concept of an (inner) mental episode is introduced as an analogical extension of the concept of a verbal episode. The essential features of Sellars’ theory are vividly encapsulated in a “myth” (Sellars 1963, 178 ff) in which we are asked to imagine a stage in preshistory in which humans are restricted to a primitive ›Rylean‹ language whose descriptive and logical vocabulary is
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only adeq uate for talking about the overt, publicly observable, occurrent as well as dispositional (in Ryle’s sense) properties of things. In order to enrich this language in such a way as to enable its users to acq uire the ›classical‹ concept of a mental episode that we now have (i. e. the concept of an ›inner‹ episode with intentional as well as causal characteristics), Sellars believes that two kinds of conceptual resources would have to be added: (1) semantical discourse, which would enable Sellars’ mythical people to talk about their verbal behavior in terms analogous to those in which we now talk about the intentional features of thought; (2) theoretical discourse, which would enable them to posit inner mental episodes as nonobservable, theoretical entities which have formal properties analogous to the semantical properties of verbal episodes, but which are not verbal episodes. With this enrichment of the language, Sellars’ mythical people would be in a position to develop a theory according to which verbal behavior is explained as the overt manifestation of a process which begins with ›inner speech‹ (i. e. classically conceived thinking). — Sellars’ myth, of course, is not intended to represent a historical reality but only to make a conceptual point: namely the point that although thought is causally (or in the ›order of being‹) prior to speech, speech is conceptually (or in the ›order of conceiving‹) prior to thought, for the concept of thought is modelled on the concept of speech. Furthermore, in order for the model to serve its purpose, it must be so describable that no mentalistic concepts in the ›classical‹ sense are presupposed, otherwise the introduction of mentalistic concepts on the basis of the model would be methodologically circular. To this end Sellars proposes a behavioristic model of verbal behavior which, albeit admittedly contrived and falling short of our full blown (›post-Rylean‹) conception of linguistic activity, is nonetheless supposed to be rich enough to admit of a semantic characterization adeq uate for modelling the intentionality of thought. Before turning to Sellars’ account of linguistic behavior, however, it is necessary to outline his theory of linguistic meaning. 5.2. Meaning as functional classification Like Quine and Ryle, Sellars rejects denotational theories of meaning and proposes instead a functional theory according to which to give the meaning of an expression is to specify its function, or role, in the language
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and behavior of the linguistic community. Moreover, as Ryle and Wittgenstein pointed out, for Sellars as well the role of a linguistic expression is a rule-governed role inasmuch as it consists of a system of permissible ›moves‹ that can be made with the expression at various levels and dimensions of linguistic behavior (e. g. in perceptual situations, in inferential contexts, in practical reasoning, etc.). The meanings of a linguistic expression, therefore, could in principle be given by specifying the vast and complex system of rules which govern its role in the language. However, it is in practice more expedient to give the meaning of an expression by means of a semantical statement of the form ‘S in L means p’ which, according to Sellars, exhibits the role of the expression S by translating it into another expression p, whose role is assumed to be already familiar to the speakers of the base language in which the semantical statement is formulated. Sellars expresses this idea by reformulating the semantical statement in canonical form as ‘S in L is a ·p·’, where ·p· is an (interlinguistic) sortal predicate (common noun) which applies to linguistic tokens in any language which play (roughly) the same role as that played in the base language by the dot-q uoted expression (cf. Sellars 1972, 325). As the copula in the canonical formulation shows, semantical statements for Sellars classify linguistic tokens in terms of their roles; and the role of a linguistic token is exhibited by means of an ›illustrating‹ sortal predicate, instead of being ›spelled out‹ by a complex and, in practice, seldom exhaustively specifiable set of rules. (By a similar method, Sellars shows how semantic statements purportedly referring to abstract entities, and thus seeming to presuppose a Platonist or Fregean ontology, can themselves be treated as classificatory statements of the above sort. E. g. ‘Dreieckig in German stands for triangularity’ has the form ‘Dreieckig in German means triangular’, and thus ‘Dreieckig in German is a triangular’; cf. Sellars 1968, 82 f). To give the meaning of an expression, then, is to classify it functionally in terms of its role. But what is it for an expression to play a role? It is, as previously mentioned, to be involved in a system of permissible ›moves‹, and thus to be governed by a system of rules. What rules apply to, in a primary sense, is the activities of language users; as a ›nominalist‹, Sellars holds that what may properly be said to be meaningful, to play roles, to be rule-governed, etc. are linguistic tokens, con-
III. Positionen
crete physical utterances; and utterances are utterings of people, and thus pieces of human behavior. Sellars’ theory of what it is for a linguistic expression to be meaningful, to be a role player, thus relates — indeed falls under — a theory of rule-governed behavior (or, as Sellars (1969) puts it, a theory of ›linguistic conceptual activity‹). Now since tokens of conceptual, rule-governed human behavior may broadly be described as ›psychological‹ states of persons, Sellars’ theory of meaning amounts to a theory which classifies psychological states of persons in terms of the rulegoverned functions they play (cf. Harman 1968, 595). — It is important to note, however, that to label tokens of rule-governed linguistic behavior as conceptual or psychological is not, in itself, to imply that they must be understood in terms of the framework of mental acts in the ›classical‹ sense. To do so would be to undermine Sellars’ entire program which, as noted under 5.1., construes the ›classical‹ mentalistic framework as a derivative system of concepts, modelled on a concept of meaningful linguistic behavior; hence the latter, for Sellars, must be capable of being understood independently of the former. 5.3. Sellars’ behavioristic model While Sellars’ ›full blown‹ conception of linguistic behavior recognizes that much of our use of language (particularly for the purpose of communication) consists in linguistic ›actions‹ or ›performances‹ understood in the speech-act theoretic sense of John L. Austin (1911—1960) and Grice (1913—1988), and thus mobilizes the entire ›classical‹ framework of ›mental causation‹, this ›full blown‹ conception is, for Sellars, itself an enrichment of a simpler and more basic conception of a type of linguistic activity whose function is not communication but ›thinking‹ in the primary behavioristic sense of the word, namely, ›verbally responding‹, or, as Sellars (1975, 323) puts it, “thinking-out-loud”. It is this more basic behavioristic conception of linguistic behavior that Sellars uses as his model for the introduction of the ›classical‹ framework of thoughts. According to this (deliberately contrived) behavioristic model, linguistic activity consists in thinking out loud, i. e., in the production of ›candid‹, spontaneous utterances understood simply as verbal responses to one’s physical, social and linguistic environment. (An example of such responses might be the spontaneous utterance of ‘There is a
50. Behavioristic approaches
red ball’ in an appropriate perceptual situation; another example might be the episode of ›inferring-out-loud‹ ‘(Hence) there is something colored’ as a response to the previous utterance.) In addition to episodes of thinking-out-loud there are, according to the model, ›short term propensities‹ or dispositions to think-out-loud. These exemplify ›thinking‹ in a secondary behavioristic sense of the word, and find their natural manifestation in ›thinking‹ in the primary (episodic) sense, i. e., in thinking-out-loud. (It should be clear that this contrived behavioristic conception of ›thinking‹, both in the primary and secondary sense, is one that is available to the ›Rylean‹ linguistic community in Sellars’ myth; cf. 5.1. above). — But in what sense is thinking-out-loud thinking at all? Just in the sense that, like ›inner‹ thinking, it exemplifies conceptual activity; and it does so just by virtue of its consisting in (seq uences of) meaningful, i. e. role-playing and rule-governed, (verbal) episodes. To be a thought — whether ›inner‹ or ›out-loud‹ — is, for Sellars, just to be a conceptual, rule-governed episode; and a verbal episode can be conceptual in this sense even if it is a non-premeditated or ›candid‹ response to one’s environment. Of course not all verbal responses are conceptual episodes, or thoughts-out-loud: some may be mere ›parroting‹, meaningless vocalizations. To be a conceptual episode, a response must (actually or counterfactually) be part of a pattern of responses, it must instantiate certain regularities resulting from acq uired verbal dispositions. These dispositions, for Sellars, are response habits acq uired through conditioning in the process of language learning. As he explains, the learning of language involves “(a) the acq uisition of habits pertaining to the arranging of sounds and visible marks into patterns and seq uences of patterns. [...] (b) the acq uisition of thing-word connections. [...] These connections are a matter of being conditioned to respond to kinds of stimulations with kinds of verbal pattern” (Sellars 1963, 313).
Such patterns of conditioned responses exemplify what Sellars calls “pattern-governed behavior” — a type of rule-governed behavior which exhibits a pattern not because it has been intentionally so produced (e. g. by deliberately following a rule), but because “the propensity to emit behavior of the pattern has been selectively reinforced and the propensity to exhibit behavior which does not conform to this pattern selectively extin-
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guished” (Sellars 1973, 487). Learning through conditioning, for Sellars, explains not only how one acq uires patterns of responses but also how one acq uires permissible, i. e. rule-governed, patterns of responses; for the selective reinforcement and the selective extinction of responses is brought about by the purposive action of the language trainers (the linguistic community) who act on the principle: “Pattern-governed behavior of such and such a kind ought to be exhibited by trainees, hence we, the trainers, ought to do so and so, as likely to bring about that it is exhibited” (Sellars 1973, 489).
Thus it is that for Sellars a verbal episode as a piece of pattern-governed behavior can be said to acq uire its meaningfulness or conceptuality as a result of its being a learned, rule governed and rule determined item of behavior. It is, as such, a thought-out-loud, and an appropriate model for the introduction of the ›classical‹ concept of ›silent‹, ›inner‹ thought. 5.4. Concluding remarks on Sellars’ philosophy of language It is important to stress the thoroughly holistic character of Sellars’ functionalist theory of meaning. Since the linguistic roles of expressions obviously overlap and interrelate with one another in systematic ways, to know the meaning of an expression is to know the meaning of a whole network of expressions. Sellars thus concurs with Quine that expressions have meaning only relative to the whole — or at least large chunks — of the language to which they belong; and if this kind of linguistic relativity were all that Quine’s indeterminacy thesis came to, then Sellars would accept that thesis. Actually, Sellars’ meaning holism is in one respect more thoroughgoing than Quine’s, for even observation sentences, he holds, have no meaning in isolation from the rest of the language: stimulus meaning, for Sellars, is no meaning at all. As a response to current stimulation, an utterance of ‘This is red’ does not count as a meaningful utterance — as a conceptual episode — unless it is part of a whole network of (actual or possible) utterances (e. g. ‘This is not green’, ‘This is colored’, ‘This would look orange in yellow light’), both in perceptual and non-perceptual situations. To know the meaning of observation sentences is thus, for Sellars, to be sensitive to their logical and conceptual structure as well, and this amounts to knowing the meaning of its component
III. Positionen
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terms. There is thus no problem, for him, as there seemed to be for Quine (cf. 4.4. above), about the ability of observation sentences to enter into logical or inferential relations with other sentences, or with their playing a role in the confirmation of theories. (The confirmation of theories is itself a holistic enterprise: for Sellars no less than for Quine, meaning holism goes hand in hand with epistemological holism.) An analogous sort of holism applies to language learning (concept formation) as well. Language is learned in chunks, and the learning is grammatically and semantically multidimensional. This also applies to observation sentences: they are not learned first, and nonobservation sentences and terms later; nor are they learned piecemeal, or as unstructured wholes. Just as stimulus meaning, for Sellars, is no meaning at all, so ostension, though necessary, is not sufficient for the learning of observation sentences: because ostension is not sufficient for learning the whole of language, (given a thoroughgoing meaning holism) neither is it sufficient for learning any part of it. — Nonetheless according to Sellars the mechanism of conditioning is central to all language learning: grammatical structures (“the arranging of sounds and visible marks into patterns and seq uences of patterns”; Sellars 1963, 313) are learnable by conditioning, and so is even the ›theoretical‹ vocabulary of ordinary language, e. g. mentalistic discourse. Thus, Sellars claims, one can be trained by one’s linguistic community to respond reliably to one’s own thoughts, since these, on his theory, are linked to speech dispositions, for which we have behavioral criteria (cf. Sellars 1963, 188 f). The learning of language through conditioning is thus the gateway to both conceptual thinking and self-awareness. — It is important to stress, however, that Sellars’ account of learning gives a fundamental role to the concept of a rule: not just in the sense that what is learned (patterns of meaningful responses) is rule governed, or semantically appraisable in terms of rules, but also in the sense that it is the result of the application of rules (on the part of the trainers). How can this talk of rules be reconciled with a thoroughly naturalistic account of the world? The answer, briefly, is that rules are reflected in behavioral regularities or uniformities, and these are transmitted from the community (the trainers) to the language learner. The learning process consists in the ›stamping in‹ of patterns of dispositions or response habits mimicking the (rule governed) verbal behavioral uniformities of the community; and assuming, as Sel-
lars does, that the dispositional traits of an object are physically represented in some underlying structure of the object (or in the functional organization of the elements which make up that structure), we may suppose that the ›stamped in‹ response habits also have an underlying representation in some appropriate (presumably neural) structure of the language user. This representation could well be interpreted as an ›encoding‹ of the semantical rules which govern and shape the relevant response habits. In this perspective Sellars would be in a position to say that language learning amounts to the internalization (through conditioning) of linguistic rules and thus in the acq uisition of a cognitive structure (representing a speaker’s ›tacit knowledge‹ of the rules, a linguistic ›competence‹ in something like a Chomskian sense) which could serve as a causal mechanism in the manifestation of the acq uired linguistic dispositions (cf. Marras 1978). — While this account makes good naturalistic sense, it is unlikely to be theoretically tenable. Foundational research in linguistics, philosophy of language and developmental psycholinguistics in the past thirty years made it abundantly clear that the conditioning model is theoretically too impoverished to be able to account for the acq uisition of a complex and detailed system of rules such as underlies a natural language. Although arguments to this effect (especially in Chomsky 1959) have largely presupposed a strictly syntactic conception of linguistic rules, there is no reason to suppose that the inclusion of semantic or even pragmatic rules would make a behavioristic account of rule-learning any more plausible.
6.
Concluding remarks
A commitment to the rejection of traditional mentalism was perhaps the most significant driving force behind the rise of the behavioristic movement both in psychology and in philosophy. In psychology, the concern was primarily of a methodological sort: it was to replace the subjective and unreliable method of introspective analysis with one based on intersubjective criteria of empirical control; and publicly observable items of behavior, rather than privately held items of consciousness, seemed to be the only objects of investigation appropriate to the new methodology. In philosophy the concern was primarily doctrinal, for mentalism was taken to imply a Cartesian (mind-body) dualism leading to a host of apparently irresoluble problems in both metaphysics and epistemology. However, it has be-
50. Behavioristic approaches
come clear in the past thirty years that it was a serious mistake to commit mentalism either to a Cartesian metaphysics or to an introspectionist methodology notoriously incompatible with the rigorous canons of empirical control and scientific explanation. Developments in the philosophy of science concerning the structure of scientific theories have led many (following Carnap 1956 b) to construe psychological concepts as ›implicitly defined‹ theoretical concepts related to an observation basis only in indirect and fragmentary ways, and, as a conseq uence, to deny introspection its privileged status as a source of knowledge of our mental states. Concurrent developments in philosophy of mind have also made it plausible to suppose that mental states, thus theoretically construed, might well turn out to be (›type‹ or ›token‹) identical with either physical or at least functional — perhaps computational — states of the organism (cf. Armstrong 1968, Putnam 1971 b, Fodor 1975). Each of these interpretations of the mental is of course consistent with a strictly monistic and physicalistic ontology, as well as with a scientific methodology which assigns mental states a genuine causal role in the explanation of behavior. — It is therefore unsurprising that the decline of behaviorism should have coincided with a resurgence of (non-Cartesian) mentalism, both in psychology (›cognitive‹ psychology; cf. Neisser 1967), in linguistics (largely through the work of Noam Chomsky), and in philosophy of mind and philosophy of language. A reconciliation of mentalism with a naturalist philosophy is already evident in the work of Sellars who, as indicated under 5.1., reconstructs mentalistic concepts as theoretical concepts modelled on, though not reducible to, verbal behavioral concepts. Unfortunately his account remains unsatisfactory to the extent that it remains grounded in an impoverished stimulusresponse conditioning model of language learning and linguistic behavior; but there is no reason, i n view of a liberalized (post positivist) scientific methodology, why it should remain so grounded. Given that mental states are genuinely involved in the etiology of behavior, including linguistic behavior, the way is open for the introduction of theoretical concepts referring to whatever underlying cognitive structures and mechanisms might prove useful for explaining the exercise and the acq uisition of linguistic competence. This, indeed, has been the task of developmental psycholinguistic research both in the Piagetian and in the more recent Chomskian ›cognitivist‹ tradition (s. art. 57).
717
7. Selected references Carnap 1955, Meaning and synonymy in natural languages, in Philosophical Studies 7. Proposes a pragmatic-behavioristic reconstruction of semantic concepts. Carnap 1956 a, Meaning and Necessity. A study in formal semantics; analyzes belief-sentences in terms of verbal dispositions. Chisholm 1958, Sentences about believing, in Minnesota Studies in the Philosophy of Science, vol. II, Feigl/Scriben/Maxwell (eds.). A classic critiq ue of physicalistic accounts of belief and meaning. Chomsky 1959, A review of B. F. Skinner’s Verbal Behavior, in Language 35.. An influential critique of Skinner (1957). Dixon/Horton (eds.) 1967, Verbal Behavior and S-R Behavior Theory. Contains important critiq ues of S — R theories of language. Morris 1946, Signs, Language, and Behavior. One of the earliest behavioristic theories of symbolic phenomena. Quine 1960, Word and Object. Quine’s systematic formulation of his theory of language. Quine 1969 a, Ontological Relativity and Other Essays. A collection of important essays by Quine developing the consequences of his theory of language. Quine 1973, The Roots of Reference. An extension of chs. 2 and 3 of Quine (1960). Ryle 1949, The Concept of Mind. One of the most influential behavioristic theories of mind in analytic philosophy. Ryle 1969 b, The theory of meaning, in Problems in the Philosophy of Language, Olshewsky (ed.). An account of meaning in terms of rule-governed use of language. Sellars 1963, Science, Perception, and Reality. A collection of Sellars’ early classic essays in epistemology, philosophy of mind and philosophy of language. Sellars 1968, Science and Metaphysics. A formulation of the author’s systematic philosophy. Sellars 1975, The structure of knowledge, in Action, Knowledge and Reality: Essays in Honor of Wilfred Sellars, Castañeda (ed.). A concise statement of Sellars’ theory of knowledge, mind, and language. Skinner 1957, Verbal Behavior. The most detailed theory of language in behavioristic psychology. Wittgenstein 1953, Philosophical Investigations. A seminal contribution to the conception of meaning as use.
Ausonio Marras, London, Ontario (Canada)
718
51.
III. Positionen
The structuralist approaches
1. 2. 3. 4. 5.
Kinds of structuralism Structuralism in linguistics Methodological issues Problems in the theory of meaning Selected references
1.
Kinds of structuralism
In various disciplines we can find theoretical conceptions which are designated by the term ‘structuralism’. (1) In psychology, at the turn of the century, Wilhelm Wundt (1832—1920) (s. art. 31) and Edward Bradford Titchener (1867—1927) tried to identify the fundamental elements of thought and the laws governing their combinations by models conceived by analogy with physical chemistry. In this way, they hoped to uncover the structure of mental events (Dellarosa 1988, 3 f). (2) In anthropology and sociology, many authors — prominent amongst them are Emile Durkheim (1858—1917), Bronisław Malinowski (1884—1942), and Talcott Parsons (1902— 1979) — have come to conceive of societies and of institutions as structures, the parts of which are supposed to have determinate functions for maintaining the whole. This approach is also known as ›structural functionalism‹ (cf. Bohnen 1975, chap. 2; Vanberg 1975, chap. 6). (3) In linguistics, in the twenties and thirties of this century, various approaches were developed which stress the systematic character of natural languages. They have come to be known as ›structuralist‹ approaches. (4) Connected with linguistic structuralism is structuralism in literary theory, some of whose most prominent proponents are Roman Jakobson (1896—1982) (cf. Jakobson 1960), Jan Mukařfovský (1891—1975) and more recently Roland Barthes (1915— 1980) and Tzvetan Todorov (*1939). This current of thought looks at literary artefacts as autonomous structures largely independent of their authors’ intentions. (5) Furthermore, there is a tendency to see analogies between various manifestations of human thought and activity and the structure of natural language or of sign systems in general. The workings of the mind (Jacq ues Lacan, 1901—1981), modes of social organization and behaviour (Claude Lévi-Strauss, *1908), and even the history of ideas as such (Michel Foucault, 1926—1984) are taken to manifest autonomous structures similar to those of natural
language. (6) A point of view in the philosophy of science which is also referred to by the term ‘structuralism’ seems to be unrelated to all the currents of thought mentioned above. Since the sixties, some authors, prominent amongst them Patrick Colonel Suppes (*1922) and Wolfgang Stegmüller (1923— 1991), have studied set-theoretical structures which satisfy formulations of scientific theories (cf. Stegmüller 1979, 4). — Here, I will consider only structuralism in the study of language, i. e. structuralist approaches in the sense of (3) above, and discuss some philosophical problems connected with these.
2.
Structuralism in linguistics
2.1. Origins and beginnings Structuralism in linguistics can be understood as a reaction to historical-comparative linguistics of the 19th century, especially to conceptions of the so-called Neo-grammarians (Junggrammatiker). The study of language in the 19th century concentrated in general on sound changes in the history of the indoeuropean languages. The Neo-grammarians in particular were interested in the psychological mechanisms underlying sound changes; they stressed that language “nur im Individuum ihre wahre Existenz hat” [has its true existence only in the individual] (Osthoff/ Brugmann 1977, 199), and they abandoned the romantic preference for historically early language forms. A clear statement of neogrammarian principles can be found in Paul (1968). He emphasized the relevance of psychology for linguistics. According to him, linguistic investigations are sterile if they ›do not also find out something about the historical genesis of language‹ (20 f). — At the beginning of this century students of language began to take seriously the idea that states of language could and should be described without having recourse to their historical genesis. This was the demand for synchronic description, as Ferdinand de Saussure (1857—1913) (s. art. 36) called it in contradistinction to diachronic description having to do with processes of change. Connected with this demand was an emphasis on the systematic character of natural languages and a distinction between language as a system and language as used by the individuals (s. art. 67). These con-
51. The structuralist approaches
ceptions were linked to a trichotomy of language system, speech behaviour, and language competence. This trichotomy was set up by Georg von der Gabelentz (1840—1893) (cf. Gabelentz 1969) and later it was adopted by de Saussure (1967) who brought it into a form which was to exert influence on later linguists (about links between von der Gabelentz and de Saussure, cf. Coseriu in Gabelentz 1969, 7—24; 31—33). — In linguistic research there already existed a practice to describe states of language without taking historical processes into account, i. e. without looking into their genesis. In the last q uarter of the 19th century, linguists, especially in Switzerland, began studying the geography of languages and dialects (cf. e. g. Tappolet 1977). Naturally, they were more interested in language as it is spoken in a certain region at a certain time than in delineating the historical processes leading up to the state of the language to be described. In North America, Franz Boas (1858—1942) and his school studied American Indian languages. When recording and analyzing these languages, they of course could only try to describe language states. They were not in the position to give an account of the historical changes which these languages had undergone. — De Saussure’s conception of the system of language (langue) had two specific features: (1) explicitly, the emphasis on the relational connections between the elements of the system; (2) more implicitly, the idea of function: the elements of the system have the function of signs. — De Saussure concentrated his attention especially on two types of relation: syntagmatical relations and associative or, as Louis Hjelmslev (1899—1965) called them later, paradigmatical relations. A sign is syntagmatically related to those other signs with which it can appear together in a well-formed array. It is paradigmatically related to those which can be substituted for it in these arrays. De Saussure linked the notion of relational connection with a distinction between form and substance: the linguistic system is essentially form; the substance in which it materializes is of secondary importance in a science of language (1967, 254; 276). With regard to sign function de Saussure discussed the connection between linguistic sense (or content) and linguistic expression. He emphasized the arbitrariness of this connection. On the other hand, he did not discuss how the linguistic sign is related to non-linguistic reality. — The concept of linguistic system as it was formu-
719
lated by von der Gabelentz and de Saussure has affinities to theoretical ideas propounded in other fields of inq uiry: (a) Cassirer (1946 a, 106—109) pointed out that the linguistic concept of a system is similar to conceptions of an organism discussed in 18th century biology. (b) At the beginning of the 20th century in psychology, the idea of the perceptual Gestalt was gaining influence. This is the idea that, in perception, sensory data are organized in comprehensive forms which cannot be considered mere sums of the individual elements (cf. for an introductory account Smith 1988). In linguistic analysis this corresponds to the distinction between the set of all individual instances of language behaviour and the linguistic system as a whole. (c) At that time, the idea of system also became important in sociology, in particular in the work of Durkheim. Possibly, de Saussure’s conception of ›langue‹ was influenced by Durkheim (Doroszewski 1933, 89). In any case, de Saussure emphasized that language as a system is a social institution and as such independent of the individuals speaking it. In the twenties and thirties, many students of language adopted the ideas sketched above and formed various linguistic schools which became known as ›structuralist‹ (Arpresjan 1964, 17—86; Bierwisch 1966; Christmann 1958; 1961; Coseriu 1988; Lepschy 1969; Sampson 1980, 50—80; 103—129, all of them survey these schools). Here, I will concentrate on four approaches: the structural functionalism of the Prague school, the so-called ‘glossematics’ of the Copenhagen school, American structuralism and various attempts at structuralist semantics. 2.2. Prague structuralism The Prague school emerged in the second half of the 1920s. But already 1911 one of its founders, Vilém Mathesius (1882—1945), had insisted on synchronic descriptions of linguistic states (1964, 30 f). Among the prominent members of the Prague school in linguistics are Jakobson, Mathesius, and Nikolaj Sergeevič Trubeckoj (1890—1938). They were influenced by Russian linguistics and Russian theory of literature, but also by de Saussure and Edmund Husserl (1859—1938) (about the latter’s connection with Jakobson, cf. Holenstein 1976). Vachek (1966) gives an account of the Prague school research; important texts have been collected by him (Vachek 1964). — The Prague linguists opposed de Saussure’s conception of language states as
720
irrelevant for linguistic change. They tried to exploit synchronic descriptions for the explanation of diachronic processes. According to them, language change is conditioned in part by imbalances in language states. Thus, they introduced the idea of a tendency towards linguistic balance: whenever the system comes out of balance, i. e. when some linguistic elements no longer fulfil their proper functions, certain processes set off for a restoration of the eq uilibrium. This account of linguistic change involves an appeal to the functions of language. Some Prague linguists took over Karl Bühler’s (1879—1963) (s. art. 38) tripartite classification of the functions of language: representative (Darstellung), expressive (Ausdruck), and vocative (Appell) function (1934, 30—33). Later, in 1960 b, Jakobson modified this classification and expanded it further. — The main field of research of the Prague school was phonology. In his Grundzüge der Phonologie Trubeckoj contrasted phonetics with phonology. The former has to answer the q uestion “wie dies und das gesprochen wird” [how this or that is pronounced] (1977, 13), whereas the latter has an entirely different task: “Der Phonologe hat am Laut nur dasjenige ins Auge zu fassen, was eine bestimmte Funktion im Sprachgebilde erfüllt” [the phonologist has to investigate only those features of the linguistic sound which fulfil a definite function in the system of language] (1977, 14; for the contrast between phonetics and phonology see also Holenstein 1989); Trubeckoj succeeded in classifying distinctive sound oppositions. Building on the work of Trubeckoj, Jakobson (1971, Sel. Writings I, 301 ff) proposed to reduce all phonemes to combinations of distinctive binary features. Jakobson and Morris Halle (1956, 38—44) develop this idea in detail. 2.3. The Copenhagen school Best known among the members of the Copenhagen school are Hjelmslev, Viggo Brøndal (1887—1942), and Hans Jørgen Uldall (1907—1957). They developed the socalled ‘glossematics’. Bertha Siertsema (1965) provides an outline of this approach. — Glossematics takes over de Saussure’s thesis that language is form and not substance, and expands on it. “Sie verschiebt aber zugleich damit die Grenze zwischen Sprache und Rede” [At the same time it shifts the boundary between language and speech] (Coseriu 1988, 123); that means for the analysis of language that it disregards everything pertaining to the
III. Positionen
realization of language in speech. In opposition to the Prague school Hjelmslev insisted on linguistic form as being completely independent of phonetic substance. He identified the elements of language with their functional roles, and therefore thought that the way they are materially realized is irrelevant for the analysis of language as a system. The social character of language also diminishes in importance, and the whole emphasis is put upon purely formal features. In this way, Hjelmslev tried to construct an autonomous science of language. In pursuing this aim he wanted to contribute not only to linguistics, but also to semiotics, i. e. to a general theory of signs. 2.4. American structuralism In the second half of the last century American linguists had begun to document and analyze languages of the American Indians. This activity led to the recognition of the systematic character of language at a given time. The occurrences of linguistic elements could be described only; it was not possible to trace the history of the languages under investigation as there were no written records available. The procedure applied was called ‘descriptive’, and, accordingly, the American structuralists have become known also as ›descriptivists‹. The most influential representatives were Edward Sapir (1884—1939) and Leonard Bloomfield (1887—1949). Sapir pointed out that “a basic plan, a certain cut” is characteristic for every language, and he called this the “the structural genius” of the language (1921, 120). Bloomfield (cf. 1933) also emphasized that languages are systems, and, like Sapir (1925), he tried to exhibit the systematic character of language especially with work on the sound structure of languages. — American structuralism has three specific features: (1) Because of their study of hitherto unknown American Indian languages, American structuralists had to reflect upon the methods used in describing and analyzing languages. Methodological awareness with regard to empirical procedures, therefore, in American structuralism generally is more developed than in the European schools. (2) American structuralists had to analyze utterances made by people belonging to illiterate cultures, and, for this reason, they had the problem of isolating sentences in heard speech. This led to an emphasis on sentences and sentence boundaries in linguistic description. Thus, in their conception of language American structuralists allotted a
51. The structuralist approaches
more important place to sentences than did European structuralists who directed their attention instead to elements on the phonological and morphological levels. (3) Many American structuralists adopted an anti-mentalistic attitude. In his later writings, after 1926, Bloomfield attacked mentalistic linguistics and psychology. Mentalism for him meant (a) a dualist point of view concerning the mind-body problem; according to it the mind is a substance completely different from physical matter (1933, 32); and (b) a theoretical approach which explains speech and other behaviour by invoking ›thoughts‹, ›concepts‹, ›images‹, and so on. These two tenets can be distinguished, though, and the latter does not necessarily imply dualism. When in the following I use the word ‘mentalism’ I will take it in this latter sense only, which, in any case, is the one of methodological importance. Antimentalism motivates a sceptical attitude towards the appeal to intuitions about linguistic meaning. Many American structuralists believed that language can be described and analyzed without an obligatory recourse to meaning intuitions. Bloomfield and many of his successors, notably Bernard Bloch (*1907), Zelig Sabbetai Harris (*1909), George Leonard Trager (*1906) and Henry Lee Smith (*1913) tried to give such a description of linguistic forms. In particular they tried to do without one kind of linguistic relations considered by de Saussure, namely paradigmatic relations, as the identification of paradigmatic relations relies on distinctions of meanings. Instead, they concentrated on the occurrences of linguistic items in syntagmatic relations, i. e. on what they called their ‘distribution’. — Dell Hathaway Hymes and John Fought (1971) give a historical survey of American structuralism. 2.5. Structuralist semantics There were several attempts towards a structuralist semantics. In part, they are to be found outside of the structuralist schools listed here. These attempts concentrate on items of the vocabulary rather than on sentences as units of semantic description. According to them, the meaning of a word is at least in part determined by its place in the structure of the vocabulary of the language. A short account of these conceptions is given by John Lyons (1971, chaps. 8 and 9). Relevant texts are collected by Lothar Schmidt (1973) and Horst Geckeler (1978). — One of the first moves in this direction was the theory
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of semantic fields (Wortfelder) put forward by Jost Trier (1894—1970) in 1931. Trier applied de Saussure’s idea of the linguistic system to the vocabulary of German. He characterized the vocabulary of a language as an integrated system of words (actually: lexemes) related to each other in their meanings. According to him this system is in constant flux. Trier himself studied the semantic field relating to knowledge and understanding, and he did this not only synchronically but also with regard to its historical development. He compared different temporary states of this semantic field. — Trier believed that every language is connected with a special ›Weltanschauung‹. The semantic fields belonging to a language organize the experience of the members of the linguistic community, and eventually help to express the ›Weltanschauung‹ inherent in the language of the community. Trier’s theory of semantic fields and similar work by Leo Weisgerber (1899—1985) (s. art. 58) are relevant for the thesis of linguistic relativity (s. art. 74) according to which language determines thought. A recent formulation of a theory of semantic fields is given by Richard Grandy (1987). Grandy emphasizes the usefulness of the theory in pragmatics. — Walter Porzig (1934) made a somewhat different contribution to structuralist semantics. He was more syntactically oriented than Trier. He studied syntagmatic connections between words and the corresponding relationships in meaning. Similar investigations were undertaken by Lyons (1971, chap. 9). His interest concentrated on relations of opposition and contrast between words and on other structural features of the vocabulary. — Sometimes proposals for a componential analysis are also called ‘structuralist’. They postulate that the meaning of words is the result of combining elementary meaning units. Hjelmslev (1959 b) and Jakobson have sketched semantics of this type. Jerrold J. Katz and Jerry Fodor (1963) tried to integrate such an analysis into generative transformational grammar. 2.6. Further structuralist approaches Here, I will briefly mention some further approaches belonging to linguistic structuralism. (a) The school of Geneva: Charles Bally (1865—1947) and Albert Sechehaye (1870— 1946) were its main representatives. They dealt with problems of stylistics. Furthermore, the Geneva school edited de Saussure’s unpublished manuscripts. Important texts are
722
III. Positionen
collected by Robert Godel (1969). (b) The London School was founded by John Rupert Firth (1890—1960). Its orientation is — like the orientation of American structuralism — antimentalistic; but it puts higher emphasis on contextual factors and social functions of speech (cf. Sampson 1980, 212—235). (c) Important for the development of Prague structuralism was Russian linguistics at the turn of the century with Filipp Fedorovič Fortunatov (1848—1914) and Jan Ignacy Baudouin de Courtenay (1845—1929) as its main representatives. Baudouin de Courtenay characterized the phoneme as the mental image of a spoken sound. This conception proved to be important for the formation of phonology. — After the second world war, Russian linguists were creative again, especially with the development of generative models in the fifties and sixties. Helmut Jachnow (1971) supplies a short historical survey. (d) Generative transformational grammar: this approach introduced by Noam Chomsky (*1928) tries to construct a model of human language competence with the help of axiomatic systems. Sometimes it is classified as ›structuralist‹ (Bierwisch, 1966, 104). This is justified insofar as this approach tries to account for the systematic character of language. It uses generative models. In these models mathematical tools like recursion theory are employed which were developed in mathematical logic. Generative transformational grammar differs from European structuralism in its lack of emphasis on the functions of language; it differs from earlier American structuralism in its rejection of behaviourism and antimentalism. With regard to one issue, though, it contrasts with all other approaches usually considered to be ›structuralist‹: in the theory of language it assigns a central place to the psychological req uisites for language use in the individual.
3.
Methodological issues
3.1. Prefatory remark The linguistic approaches considered here combine methodological prescriptions for the investigation of languages with general theoretical ideas about linguistic subject matter. They have two features in common: (1) they all concur in attributing high importance to synchronic descriptions; (2) they all assign a secondary role to the behaviour and the psychological make-up of the language-using in-
dividual. Apart from this, though, in their theoretical as well as in their methodological ideas the structuralist approaches differ widely. Between and even within the different schools there is no agreement on the proper conception of linguistic structure. Hence there are diverging theoretical ideas about the character of linguistic subject matter and about linguistic explanation. Furthermore, there are diverging methodologies for the description of language, even on the synchronic level. — In this section I will discuss some problems which belong to the philosophy of linguistics or to its general methodology. First, I will try to isolate different conceptions of structure. Second, I will discuss the methodological import of the distinction between synchronic and diachronic descriptions. The last two topics treated are more relevant to European than to American structuralism: they concern the nature and adeq uacy of functional explanation in linguistics and the demands for the autonomy of linguistics. 3.2. The notion of structure Von der Gabelentz (1969, 3; 63) and de Saussure (1967) used the word ‘system’ (respectively its eq uivalents in French and German), not the word ‘structure’. Only later the use of the word ‘structure’ became current. Jakobson may be responsible for this change in terminology: in 1929 he uses the word ‘structuralism’ (1971, Sel. Writings II, 711) apparently for the first time in linguistics. — The concept of structure can be made mathematically precise. (1) In set theory a structure is a domain of ›colourless‹ individuals together with a pattern of relations or a single relation of sufficiently high order (Gandy, 142 f). Such a characterization does not distinguish between structures interesting for some purpose and those which may lack any interest whatsoever. Therefore, it is not really relevant for linguistic structuralism. (2) A more specific mathematical concept is what might be termed an axiomatizable structure. Sets of individuals with computable relations defined upon them are axiomatizable structures in this sense: e. g. the denumerably infinite set of well-formed expressions of such languages can be generated from finite sets of symbols by computable relations. — In any case, to ask for a description of a language as a structure in the sense of (1), merely, is not very significant as, indeed, everything can be considered that way. The demand for it, therefore, must be specified in some way or other
51. The structuralist approaches
to be of any substantial or, even better, empirical interest. One substantial notion of structure refers to sets of elements and their possible combinations (cf. Holenstein 1974, 15 f). This concept expresses an atomism according to which complex entities come into being when atoms are put together. In linguistic structuralism, though, the opinion that such an atomism is applicable and fruitful for linguistic investigations is not prevalent. But it may lie at the base of Jakobson’s and Halle’s theory of distinctive features and of componential analysis in structuralist semantics. — Two other substantial conceptions of structure, however, are more characteristic for linguistic structuralism. According to the Prague school, language is a system of means of expression which are directed toward the fulfilment of a goal — a functional system (système fonctionnel, Vachek 1964, 33). A functional system is a whole consisting of parts or elements which serve definite ends or functions (the word ‘function’ here does not refer to functions in the mathematical sense). The Prague school explicitly emphasized this notion of function. But the conceptions of de Saussure and of Hjelmslev also involve an appeal to functions. For them sign functions are of central importance. But whereas de Saussure and Hjelmslev considered only static linguistic systems from a functional perspective, the Prague linguists paid attention to the historical development of languages under a functional point of view. — Not all uses of a substantial concept of structure can be understood in this way. Already de Saussure emphasized that linguistic units do exist only in virtue of the relations in which they are situated. Linguistic units exist as such only insofar as they play certain roles, or fulfil certain functions; one abstracts completely from the way these units are realized materially. A structure, thus, is a system of functional roles. This seems to be the point of the slogan ‘Language is form, not substance’, and also to be intended by the emphasis de Saussure puts on values as elements of the linguistic system. This manner of thinking is similar to the ideas underlying the concept of functional system. But it differs from them in not assigning an independent existence to the elements of the system; the elements exist only be virtue of filling places in the system. These places may be occupied by various ›substances‹, i. e. material entities of various kinds can be put into these places (for the concept of functional role cf. Loar 1981, 45). — The last concept of structure to be considered here
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is of a methodological nature. It involves the req uirement that a set containing many elements is to be described by a small set of sentences. A set admitting such a description is called a ‘system’ or a ‘structure’. Harris (1954, 35) for example writes: “it is possible to describe the occurrence of each element indirectly, by successive groupings into sets, in such a way that the total statements about the groupings of elements into sets and the relative occurrence of the sets are fewer and simpler than the total statements about the relative occurrence of each element directly”.
Hjelmslev favours the same idea: he postulates that every ›process‹, i. e. every text, is a system of this kind, and, hence, can be described in such an economical way (1963, 57). This concept of structure is connected closely with the second mathematical concept mentioned above: something is a structure which can be described exhaustively by an axiomatical system, and thus is an axiomatizable structure. — In addition to the two mathematical concepts of structure we have three substantial concepts and another one which is of a methodological nature: (a) structure as a set of elements with their possible combinations; (b) structure as functional system; (c) structure as system of functional roles; (d) structure as a domain which can be described axiomatically. The mathematical concepts mentioned above are neutral with regard to the first three concepts. For the identity of a mathematical structure does not depend on the way the elements are realized materially or on the functions they have. The fourth concept only is connected with the mathematical notion of an axiomatizable structure. — It remains to be remarked that (a) is of minor importance in linguistic structuralism, (b) is characteristic for the Prague functionalists, (c) for glossematics, (d) for glossematics and American structuralism. 3.3. The description of structures Structuralists distinguish between diachronic and synchronic descriptions and hold that synchronic description is an important task for linguists. That is, they pose the methodological req uirement (a) to describe the state of a language at a given time as a structure — i. e. either as a functional system or as a system of functional roles or as a domain to be described axiomatically — and (b) to omit
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reference to the coming about of these language states when describing them. This methodological req uirement together with the distinction between diachronic and synchronic description has not always been understood correctly. Here I will comment on two misconceptions. (1) Sometimes we can read that a synchronic investigation is not a historical investigation — see Heinrich Lausberg (1948) for a succinct statement. It seems that this opinion can be traced back to de Saussure. In the Cours he suggests that economics (a theoretical branch of scientific thought which in no obvious way can be taken to belong to historical disciplines) corresponds to synchronic linguistics whereas economic history corresponds to diachronic linguistics. — The word ‘history’ can be taken to refer to “the study of seq uential changes that have occurred in any subject matter” (Nagel 1961, 547). But historians seem to be concerned also with making “warranted singular statements about the occurrence and the interrelations of specific actions and other particular occurrences” (Nagel 1961, 550). Thus, an account can be called ‘historical’, if it treats particular occurrences with respect to their interrelation including processes of their coming about. A diachronic description deals with a succession of several events, respectively several states of a system. Such descriptions may be connected with genetical explanations. Adopting the use of the word ‘history’ just explained, a diachronic description can be called a ‘historical description’. But according to this use of the word ‘history’, also a description of the state of a system at a certain time q ualifies as a historical description. In general, such a synchronic description can be made without referring to earlier states of the system. This does not change its character of being a historical description when ‘historical’ is used in the sense adopted here. Of course, the use of the word ‘historical’ can be restricted to diachronic descriptions, respectively to the events and changes described by them. But I cannot see that any theoretically interesting reasons justify such a terminological decision. Therefore, the problem, whether synchronic descriptions should be called ‘historical’ or not, seems to be merely a terminological issue without factual content. (2) With regard to their empirical data synchronic descriptions appear to be in a special position when compared with diachronic
III. Positionen
descriptions. For it seems as if the objects of a synchronic description are accessible to introspection. De Saussure had emphasized a so-called ›subjective analysis‹ as specific for synchronic descriptions. With ‘subjective analysis’ he referred to the analysis by a native speaker, and he said explicitly that this analysis cannot fail: “La langue ne se trompe pas” [Language cannot be deceived] (1967, 415). When constructing synchronic descriptions the Prague linguists appealed to linguistic consciousness (Trubetzkoy 1973, 63 f; Vachek 1966, 30). Later, a similar stance is taken by Chomsky when he employs the linguistic intuitions of native speakers for the evaluation of grammatical models. — This peculiar nature of the data for synchronic descriptions may give rise to epistemological problems. The epistemological position involved includes a claim of priority: the information contained in a synchronic description is epistemologically privileged as compared to, for example, information contained in diachronic descriptions. The introspection by which synchronic information is obtained seems to guarantee that it is certain and incorrigible knowledge (cf., e. g., Coseriu 1988, 60). Such a position might derive from considerations which are related to the epistemological status of psychology popular at the end of the last century. Franz Brentano (1838—1917), Husserl and Wilhelm Dilthey (1833—1911) distinguished between descriptive and genetic psychology. According to them descriptive psychology appeals to introspection and, therefore, is in a position to grasp reliably what is going on in the mind. Genetic psychology on the other hand, tries to explain the succession of mind states, and this explanation req uires statements involving laws which cannot be validated by introspection alone. — Today such a position with regard to synchronic descriptions may appear q uestionable. Various theoretical considerations and also various experimental results tell against the reliability of introspective methods (Lyons 1986, chap. 5) There may even be cases in which these doubts are not justified. But we cannot remain content with merely registering this fact, and we feel that an explanation in cases of actual reliability of introspection is called for. Hence, if we want justifiably to appeal to speaker’s intuitions we need a psychological theory specifying to which extent and for which reasons linguistic intuitions are reliable.
51. The structuralist approaches
3.4. Functional explanation in linguistics The req uirement to describe languages as functional systems or as systems of functional roles forces the linguist to take into account the functions of linguistic units: “Actually, all ›structuralists‹ reckon with the function of linguistic units: setting apart a feature as ‘distinctive’ implies that its function suffices to make it an object of interest and assign it to a definite class” (Martinet 1962, 3).
This remark by André Martinet (*1908) applies especially to European structuralism. In American structuralism less emphasis is put on function in connection with structure. For, in America, the methodological concept of structure played a more important role and did not suggest an appeal to functions. — Trubeckoj and Jakobson — later also Martinet (1962) and Michael Alexander Kirkwood Halliday (*1925) (1970) — stressed the functional point of view. Trubeckoj saw language as a structure which has to make possible many different single speech acts. That there is such a variety of speech acts depends on the fact that language has an inventory of morphemes which have to be distinguishable for speaker and hearer. It is the function of a sound S in a sound system P with a specific organization O that morphemes get distinguished by S via its position in the system P. Someone who specifies the function of a sound in this way, by doing it wants to explain why there is this sound in the language at a given time, and why it is related to other sounds in a certain way. But functional considerations are appealed to not only in synchronic but also in diachronic investigations. Trubeckoj and Jakobson claimed that sound changes often have the task to restore an eq uilibrium in the linguistic system. — Linguistic structuralism uses the notion of function in these ways, and this means that it employs a kind of explanation which is known as ›functional explanation‹ in the philosophy of science (cf. Nagel 1961, 401—428; 520—535; Hempel 1959). Biology has applied functional explanations successfully to the structure of organisms and of animal societies. There are, however, some problems connected with such explanations which — as it seems to me — have not been noted sufficiently by linguistics. — It is a characteristic feature of functional systems that they preserve a certain state or a certain property even though the surroundings or the system itself may undergo considerable changes. If a func-
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tional explanation is adeq uate then the state or property to be preserved by the system is specified with some precision and explicitness. Often, though, such a specification is not forthcoming, and then the following remark applies: “proposed explanations aiming to exhibit the functions of various items in a [...] system in either maintaining or altering the system have no substantive content, unless the state that is allegedly maintained or altered is formulated more precisely than has been customary” (Nagel 1961, 530).
For example, only one persistent feature of a language might be specified, namely that it makes communication possible. But then referring to the distinctive function of a sound S does not yet explain why just S is part of the sound system and not another sound serving the same distinctive function. One might, of course, postulate a state of balance which sound systems strive for. But if it cannot be made clear what it means to be in balance, the explanation offered will be inadeq uate. If at the same time other factors are made responsible for sound changes (e. g. influence from outside the language area) and the relative importance of the different factors is not specified, the explanation is even less satisfactory. — Explanations appealing to linguistic functions in this way are incomplete to a high degree. The reason for this is that the theoretical ideas about the connection between linguistic structure and linguistic functions are relatively vague and, therefore, have only low empirical content. Insofar as such theoretical ideas do not satisfy the demand for precision and empirical testability, the methodological req uirement to describe languages as functional systems cannot be fulfilled in an adeq uate way. Similar problems arise in sociology and anthropology, and have been discussed there extensively (cf. Vanberg 1975, 167—171). A more adeq uate assessment of linguistic functionalism might well be possible if more attention were payed to the affinities between sociological and linguistic functionalism. 3.5. The autonomy of linguistics Two elements of de Saussure’s thought can be employed for the justification of an alleged autonomy of linguistics: first, his emphasis on the social character of language and on the supposed chasm between language as an institution and the linguistic accomplishments of the individual; second, his thesis that language is form, not substance, i. e. his concep-
726
tion of linguistic structure as a system of functional roles. In structuralism after de Saussure, the autonomy of linguistics has been argued several times. Here, I will comment on two such arguments: one by Trubeckoj for the autonomy of phonology, and one by Hjelmslev for the autonomy of linguistics as a science dealing with form. — Trubeckoj joined de Saussure in the emphasis on the social character of language and elaborated this with regard to the relationship between phonetics and phonology. According to Trubeckoj, phonetics has to disregard linguistic meaning completely and exclusively to adopt methods from the natural sciences. With such an attitude and using such methods, phonetics has to investigate the physical properties of language sounds and to study the physiological and psychological properties of their production and reception (1977, 13). The speech act as analyzed by phonetics is “eine Welt der empirischen Erscheinungen” [a world of empirical phenomena] (1977, 15). Phonology, on the other hand, is interested in the meaning and in the function of what is spoken. It is concerned with the ›social utilization of material things‹: “In allen solchen Fällen muß die soziale Institution als solche von den konkreten Handlungen, in denen sie sich sozusagen realisiert und die ohne sie nicht möglich wären, streng getrennt werden, wobei die Institution in den Beziehungen und Funktionen, die auf sie bezogene Handlung aber von der phänomenologischen Seite untersucht werden muß.” [In all such cases the social institution as such is to be separated from the concrete actions. Through them the institution, as it were, realizes itself, and the actions are not possible without the institution. The institution has to be studied with regard to relations and functions, the actions related to the institution must be studied form the phenomenological aspect.] (Trubetzkoy 1977, 15).
Language and its sound system, therefore, belong to the social world, and social facts demand special methods of investigation. Hence, the study of language and the sounds of language is to a large extent independent of investigations dealing with ›empirical‹ phenomena related to them. — Hjelmslev (1963) elaborates de Saussure’s thesis of language as form. According to him, the analysis of linguistic states yields descriptions of systems of functional roles. These systems are purely formal sign systems or semiotic structures, and they constitute a domain for scientific investigation of its own. Semiotic structures are systems consisting of two components each
III. Positionen
of which is hierarchically constructed and can be analyzed into sub-units. One component can be related to the content communicated by linguistic utterances, and, therefore, is called the ‘content plane of language’. The other component can be related to the way this content is expressed, by means of sounds or by means of inscriptions or in some other way. This component is called the ‘expression plane of language’. Both these components have the same structure. A semiotic structure differs in its nature completely from the things which belong to non-linguistic object domains. Hjelmslev calls non-linguistic reality ‘substance’, and, according to him, ›substance‹ is investigated by sciences other than linguistics. From a formal point of view, it is a characteristic feature of form or semiotic structure that it can be divided into two structurally identical components. Semiotic structures form the subject matter of linguistics and cannot be described by recourse to other scientific disciplines. Hence, language has to be investigated ›immanently‹ or from a strictly linguistic point of view (cf. Hjelmslev/Uldall 1936, 1). Language must not be considered ›essentially a function of other things‹, i. e. an outcome of biological, psychical, physical or social factors. The adoption of this ›immanent‹ procedure makes it possible for linguistics to become an ›exact science‹. — First a comment on Trubeckoj’s thesis of autonomy. In the social sciences of this century, particularly in sociology, there has been an ongoing controversy between two research programmes: an individualist programme which tries to explain social institutions and their changes by an appeal to psychological factors and psychological theories; and a collectivist programme which defends the autonomous and independent reality of the social world (cf. Bohnen 1975). Structural functionalism in sociology is part of this latter programme. Trubeckoj emphasizes that social facts form a domain apart from the domain of ›empirical phenomena‹, and thus the fate of his thesis of the autonomy of linguistics comes to depend on the eventual outcome of the controversy between the two sociological research programmes. If the reality of the social world can be vindicated Trubeckoj’s autonomy thesis will be supported. If, on the other hand, individualist explanations are more successful we will have reason to doubt the autonomy thesis. — Now a comment on Hjelmslev’s thesis of autonomy. When Hjelmslev maintains that there are form and substance, this amounts to making the claim that there are
51. The structuralist approaches
two entirely different domains of reality: One of them is analyzed as language (or as form), and it consists essentially of two structurally identical components. The other domain is substance and cannot be analyzed in this way. The former domain is represented by a formal-syntactical description (or ›algebraical‹ description as Hjelmslev puts it) which distinguishes between two structurally identical components: content and expression. The latter domain is represented by a formal-syntactical description which does not make such a distinction. — Apparently, Hjelmslev believes that uninterpreted formal systems as such can be satisfied by definite domains of reality in a uniq ue way: each of the two formal systems selects its own corresponding part of reality. But results of modern logic and model theory make us doubt that this is possible. With regard to many kinds of formal systems it has been shown that one such system can be satisfied by many domains differing in cardinality and in the way a relational pattern is defined upon them (cf., e. g., Enderton 1972, 140—154). Here it is not possible to discuss Hjelmslev’s thesis of autonomy in a more detailed way. But if one would want to achieve an adeq uate assessment of it, it would be necessary to specify much more explicitly than Hjelmslev has done, the formal differences between the description of language or form and the description of substance. Only then it might become possible to judge whether the results from logic and model theory really are relevant for the evaluation of Hjelmslev’s claims.
4.
Problems in the theory of meaning
4.1. Prefatory remark I use the phrase ‘theory of meaning’ as a general catchword for theoretical considerations dealing with aspects of the meaning and reference of linguistic units. I take it that q uestions concerning the sense of linguistic expressions or the reference of singular terms to non-linguistic objects have to be discussed under this label. — In the theory of meaning the European schools covered here have favoured positions markedly different from those of most American structuralists. Following de Saussure, most European approaches take meaning to be constituted by innerpsychic components. According to the European approaches, it is methodologically admissible to have recourse to the speakers’
727
linguistic consciousness and to intuitions about meaning. When constructing phonological and morphological accounts of languages, European structuralists have availed themselves of these methodological resources. They have, however, spent much less effort for the development of detailed theories of meaning and systematic accounts of the semantic structure of individual languages. American structuralists, on the other hand, have eschewed as far as possible an appeal to linguistic consciousness and to meaning intuitions in describing languages. Most American structuralists rejected a mentalistic account of meaning and took meaning to reside in the world outside the linguistic utterance. They believed, furthermore, that we lack the knowledge from other disciplines for giving a satisfactory account of meaning. Therefore, it is not surprising that American structuralists have done little constructive work towards a theory of meaning. — In what follows, I will comment on some topics characteristic for structuralist approaches to meaning. First, I will discuss de Saussure’s ideas about linguistic meaning. Then, I will make some remarks about American structuralism and its views on linguistic meaning and intuitions concerning language. I will conclude with considering the role which the notions of truth and reference have played in the different structuralist schools. 4.2. De Saussure’s theory of meaning De Saussure’s theory of meaning is mentalistic. He postulated two inner-psychic components of the linguistic sign: (a) the mental image of a sound pattern, and (b) the concept connected with the mental image. De Saussure thought that the mental image signifies the concept associated with it. In this way he distinguished two parts of the linguistic sign: one part which signifies, the ›signifiant‹ and another part which is signified, the ›signifié‹. This contrast and the terminology used have their origins in the meaning theory of the Stoics (s. art. 2). They distinguished between the sign (σημαίνον) and its meaning (σημαινόμενον) which “we apprehend as it arises in our mind” (Gräser 1978 a, 78). Two principles apply to meaningful expressions or to the linguistic sign (cf. the analysis by Rulon Wells 1947, 12): (1) The sign is arbitrary, i. e. the connection between the sound image and the concept signified is arbitrary;
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(2) The sign has a value, i. e. it has a certain place in a system of signs. We can say that the meaning of a sign is its signification, i. e. the concept signified by the sound image, together with its value. The relation between the two is as follows: the value is the functional role of the concept in a system of concepts. And the concept signified is the substance which fills the functional role. — The idea that the meaning of an expression is determined by its place in the system resembles the doctrine of implicit definition in the philosophy of mathematics (cf. Kambartel 1968, 165—170). This doctrine identifies the place of an expression in a formal system with its meaning. In de Saussure’s theory, though, the place in the system is only one ingredient of the meaning; the other ingredient is the concept taking the place in the system. Another difference is that, according to the doctrine of implicit definition, the formal system determining the meaning consists of sentence-like entities. De Saussure, on the other hand, does not consider sentences to be part of the system of language. Not sentences, but only subsentential syntagmatic patterns and paradigmatic substitution sets can determine the place of an expression in the linguistic structure, and thereby its meaning. The thesis of the arbitrariness of the linguistic sign has been much referred to and has been much discussed in literature (s. art. 62). Coseriu (1967) amply documents its long history and traces it back to Aristotle’s claim that linguistic meanings are συνθήκη, i. e. are conventional. — Here, I want to list some possible versions of the arbitrariness thesis, and indicate how de Saussure should be interpreted. A relation of ›meaning‹ can be said to be arbitrary with regard to different relata, i. e. different kinds of things entering the relation. With the different kinds of things entering the meaning relation we get different arbitrariness claims: (a) The relation of reference between a linguistic expression and the object referred to is arbitrary. (b) The relation of reference between a concept associated with an expression and the object referred to is arbitrary. (c) The relation of signification between an expression, conceived of as a sound pattern, and the concept signified is arbitrary. (d) The relation of signification between an expression, conceived of as the mental image of a sound pattern, and the concept signified is arbitrary.
III. Positionen
Each of these claims can be taken in two ways: on the one hand as applying to types of expressions, concepts, sound patterns or mental images of sound patterns; on the other hand as applying to tokens of these things. De Saussure claimed that the relation of signification between a mental image of a sound pattern and the concept signified is arbitrary. And it seems that he intended types of concepts and types of mental images, not their tokens. — Also the words ‘arbitrary’ and ‘arbitrariness’ as applied to Saussurean signification invite different interpretations. For it is possible to distinguish between diachronic and synchronic arbitrariness — this corresponds to the distinction Eric Jean-Louis Buyssens (1973) makes between historical and functional arbitrariness: (1) Obviously, the connection between the mental image of a sound pattern and the concept signified is the result of a historical process. We take it that definite causes have brought about this result. Considered in this way the connection is not arbitrary. (2) But we may also take the connection between mental image and concept as it presents itself at any given moment, and disregard the history of this connection. We can then ask in which way the two relata correspond to each other. Taking this perspective the connection appears to be unmotivated, as de Saussure (1967, 155) says. And that means (a) we cannot see that it corresponds to a rational decision, i. e. we cannot give a reason why the mental image is an apt means for signifying the concept (Saussure 1967, 168); and (b) we cannot discern a similarity between the mental image of the sound pattern and the concept. De Saussure does mention (b), but most of the time he puts emphasis on (a). He considers the lack of an apparent means-end relationship (between the employment of the mental image and the signification of the concept) to be specific for the linguistic sign. For him this lack of an means-end relationship is distinctive for the institution of language as compared with other social institutions. — De Saussure’s thesis has often been misunderstood. Emile Benveniste (1902—1976) (1973) believed that de Saussure should have been concerned with the relation between the mental image and the extra-linguistic object referred to. Benveniste maintained that this relation is arbitrary, but that the relation between mental image and concept is necessary. Niels Ege (1973) and Buyssens (1973) have done much to clarify the situation. Nevertheless, recently, writ-
51. The structuralist approaches
ing about de Saussure’s theory of meaning, Michael Devitt and Kim Sterelny (1987, 217) have created the impression that de Saussure’s thesis applies to the relation between linguistic sound pattern and object referred to by the sound pattern. 4.3. Intuition and meaning in American structuralism The early Bloomfield and Sapir were mentalists. Sapir, for example, held a mentalist conception of meaning: “Communication, which is the very object of speech, is successfully effected only when the hearer’s auditory perceptions are translated into the appropriate and intended flow of imagery or thought or both combined” (1921, 18).
But the later Bloomfield (since 1926) and his school abandoned mentalism and adopted a behaviourist psychology. The rejection of mentalism implies the rejection of introspection as a source of reliable data about mental events. No longer it was considered legitimate to have recourse to the speakers’ intuitions about which forms belong to language and which meanings they have. — Bloomfield, therefore, opposed the opinion that “prior to the utterance of a linguistic form, there occurs within the speaker a non-physical process, a thought, a concept [...], and that the hearer, likewise, upon receiving the sound-waves goes through an eq uivalent or corresponding process” (1933, 142).
Hence, it is not useful to define “the meaning of a linguistic form as the characteristic mental event which occurs in every speaker and hearer in connection with the utterance or hearing of the linguistic form” (Bloomfield 1933, 142).
Nevertheless, Bloomfield did not eliminate meaning. He located it outside the speaker: “The features of situation and action which are common to all utterances of a speech form are the meaning of that speech form” (1970 c, 401). But this conception of meaning seems to preclude any scientific study of it, at least for the moment: “in order to give a scientifically accurate definition of meaning for every form of a language, we should have a scientifically accurate knowledge of everything in the speaker’s world” (Bloomfield 1933, 139).
Meaning cannot be studied satisfactorily, for this would presuppose a complete scientific account of the surrounding world which is not (yet) available. Thus, Bloomfield’s re-
729
luctance to treat meaning in linguistics did not derive directly from his anti-mentalism, but it rather was an immediate conseq uence of his conception of meaning. — The later Bloomfield held the following two tenets: (a) Introspection cannot yield reliable information about language. (b) Meaning cannot be studied in linguistics as we lack the necessary information from other disciplines. These two tenets were to influence the work of the followers of Bloomfield (cf. Koerner 1970; Stark 1972). Because of tenet (b), the Bloomfieldians did not occupy themselves with semantics, and in their linguistic description and analysis they remained confined to phonology, morphology, and syntax. Because of tenet (a), the Bloomfieldians tried to avoid having recourse to linguistic intuitions in setting up descriptions of language. Neither the intuitions of the linguists themselves nor the intuitions of the speakers of the language investigated should be appealed to. A description in conformance with these standards was considered to be rigorous. — Several attempts at such a rigorous analysis of language were made in the forties and fifties. Once a level of analysis with the appropriate units, i. e. phonemes or morphemes, is selected, rigorous analysis can be carried through q uite successfully. But it seems that the selection of units at the respective level relies on judgments by intuition concerning their property of being significant or meaningful. With regard to the differentiation of phonemes, Harris admits: “In principle, meaning need be involved only to the extent of determining what is repetition. If we know that ‘life’ and ‘rife’ are not entirely repetitions of each other, we will then discover that they differ in distribution (and hence in ›meaning‹)” (1960, 7, n. 4).
The judgment whether ‘life’ and ‘rife’ are repetitions or not, seems to req uire a prior judgment whether ‘life’ and ‘rife’ have the same meaning. Willard Van Orman Quine (*1908) recognized in 1953 that descriptive linguistics presupposes “a prior notion of significant seq uence, or possible normal utterance” (1961 c, 52). He also recognized that lexicography and translation depend on judgments of synonymy (1961 c, 56). So it seems that, after all, it is not possible to eliminate intuitive judgments completely from the data base of linguistic analysis. If we adhere to the antimentalistic perspective, and if we continue to use judgments by intuition for setting up linguistic descriptions, then we will have to con-
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clude that there is nothing for such judgments “to be right or wrong about” (Quine 1961 c, 63). This reasoning, apparently, leads to Quine’s thesis of the indeterminacy of meaning and translation (s. art. 72). 4.4. Truth and reference in structuralism Nowadays, many discussions concerning the theory of meaning are dedicated to matters which have to do with truth and linguistic reference (s. art. 67). The various brands of structuralism, however, have paid little attention to these topics. Why is this so? (a) Truth: The notions of truth and falsity are relevant to the theory of meaning for at least three reasons: (1) Truth and falsity are properties of sentences apparently concerning the relation between language and reality. (2) Logical relations between sentences involve possible truth values of the sentences entering these relations. For example, ‘a sentence B is a logical conseq uence of a sentence A’ expresses a relation between A and B which holds if and only if the relation ‘whenever A is true, B is neccessarily true’ holds. But the q uestion of how the form of sentences contributes to their truth values seems to belong to the subject matter of a theory of meaning for a given language. (3) Knowing the truth conditions of a declarative sentence might be involved in knowing the meaning of a sentence. In other words, we do not understand a declarative sentence, if we do not know under which conditions it would be true. — From the sixties onward, semantical problems involving sentences and their truth conditions came to the fore in approaches to the semantics of natural language. This type of research is closely connected with the tradition of logical or formal semantics (s. art. 55) deriving from Gottlob Frege (1848—1925) (s. art. 34) and Alfred Tarski (1902—1983). Apparently, linguistic structuralism has contributed little to these developments. Why did linguistic structuralism avoid studying problems pertaining to truth-conditions of sentences? — De Saussure considered the analysis of sentences to be of little importance. And in the later European approaches sentences again have not played an important role. De Saussure’s reluctance to treat sentences in linguistics has at least three reasons: (1) De Saussure claimed that uttered sentences are entirely dissimilar between each other (1967, 240). If there is a resemblance between sentences, this resemblance is due only to the words occurring in them. Therefore, no interesting general
III. Positionen
facts can be discovered involving sentences. (2) According to de Saussure, sentences do not belong to language; instead, they belong to speech (parole) (1967, 240; 283). He was, however, primarily interested in a science of ›langue‹. (3) De Saussure did not have a method of analysis at his disposal which in a formally satisfactory way would show how to demarcate sentences from other linguistic units. Only after appropriate techniq ues of recursion theory had become available, such methods have been developed. — This attitude towards sentences has conseq uences for semantics and theories of meaning: First, semantic and meaning-theoretic investigations will concentrate their attention on single words and connections between them. Second, properties of sentences determining their truth or falsity and relations of logical conseq uence between sentences of natural language are held not to belong to the subject matter of linguistics. Third, the q uestion whether sentence meaning might have to do something with the truth-conditions of sentences does not even arise as a problem meriting discussion. — Thus, the fact that sentences are not held to be important for a theory of meaning leads to the exclusion of many semantical phenomena and problems from theoretical considerations. This is true not only for de Saussure, but also for the European schools. In American structuralism, however, the central importance of sentences for a scientific study of language has early been recognized. Bloomfield remarked in 1914: “[...] the first and original datum is the sentence”. On the other hand, “the individual word is the product of theoretical reflection which ought not to be taken for granted” (Bloomfield 1970 a, 61).
American structuralists, when analyzing spoken language, had to segment chains of sounds and, in order to be able to do this, they had to pay close attention to features of speech which might correspond to boundaries between sentences in discourse. This might explain why sentences are considered more important in American structuralism than in the European schools. The later American structuralists, however, thought that at the present state of knowledge meaning could not be studied satisfactorily. Therefore, they refrained from exploiting the recognition of the methodological importance of sentences for the construction of a semantic theory. They also were not willing to consider logical relations between sentences (one of the few ex-
51. The structuralist approaches
ceptions to this is Harris 1952). For this would have meant to consider linguistic units which are longer than sentences. Bloomfield believed that relations above the sentence level could only be relations of meaning, and he was convinced, therefore, that they were not amenable to analysis. (b) Reference: I will take ‘reference’ in a broad sense which includes the relation between singular terms and the objects designated by them as well as the relation between predicate expressions and the sets of objects they are true of (s. art. 77). Reference is relevant to a theory of meaning for at least two reasons: (1) The study of the reference relation seems to be of particular importance for the general problem of how language relates to reality. (2) The truth-conditions of a sentence depend on the reference of the expressions occurring in the sentence. The study of truth-conditions may contribute to a theory of meaning for reasons explained above. — Now, we may ask what linguistic structuralism has contributed to the study of the reference relation. De Saussure did not discuss how linguistic signs are related to non-linguistic reality. Linguistic reference was simply not a topic for him. This attitude may derive from certain positions which he held in epistemology (cf. Scheerer 1980, 114; 119). Another reason for excluding reference from linguistics may have been that he considered reference to belong to speech (parole), not to language (langue). Therefore, it could not have a place in an autonomous science of language. — The Prague structuralists, however, discussed linguistic reference. Hence, it is wrong to say, as Devitt and Sterelny (1987, 215) do, that structuralism as a whole rejects linguistic reference. Bühler and Jakobson investigated a semantic triangle consisting of speaker, hearer, and extra-linguistic situation. For them the speaker’s ability to refer to non-
731
linguistic reality was an aspect of the representation function of language. Bühler also developed a theory of indexical expressions thereby trying to account for their suitability for referring to extra-linguistic reality (1934, 79—148) (s. art. 79). Bloomfield, as observed above, had a very inclusive conception of linguistic meaning. And, therefore, he doubted that meaning could be analyzed and described in a satisfactory way by linguists. He did not make attempts to isolate ingredients of meaning, and he did not include the relation between an utterance of a speech form and objectual features of the situation of utterance amongst the topics of his research.
5.
Selected references
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Axel Bühler, Mannheim (Deutschland)
732
III. Positionen
52. Der interaktionistische Ansatz 1. 2. 3.
4. 5.
1.
Geschichte und Entstehungsbedingungen des interaktionistischen Ansatzes Interaktion als Grundbegriff einer Theorie kommunikativen Handelns Der Interaktionismus als Philosophie kommunikativen Handelns: Die Rekonstruktion zentraler Probleme der Philosophie Der Interaktionismus als Sprachphilosophie Literatur in Auswahl
Geschichte und Entstehungsbedingungen des interaktionistischen Ansatzes
Der Begriff der sprachlich vermittelten sozialen Interaktion steht im Mittelpunkt einer im amerikanischen Pragmatismus verwurzelten Denkrichtung, die vor allem in der Entwicklung der Sozialwissenschaften ihrer Zeit entscheidende Bedeutung gewonnen hat. James Mark Baldwin (1861—1934), Herbert Blumer (1900—1987), Ernest Watson Burgess (1886—1966), Charles Horton Cooley (1864—1929), Everett Cherrington Hughes (1897—1983), Robert Ezra Park (1864— 1944), William Isaac Thomas (1863—1947), Louis Wirth (1897—1952), Florian Witold Znaniecki (1882—1958) gehörten zum Kreis der Sozialwissenschaftler, die sich in der Zeitspanne vom Ende des letzten Jahrhunderts bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs von ihr haben anregen und prägen lassen: Sie sind die herausragenden Vertreter des ›symbolischen Interaktionismus‹ — ein populäres Etikett, das, von Blumer (vgl. 1937, 144 ff) geprägt, diese insbesondere um die ›Chicago School of Sociology‹ zentrierte, aber von jeher eher fragmentarische und vielgestaltige Tradition sozialwissenschaftlicher Forschung und Theoriebildung zusammenfaßte, die erst zu Beginn der siebziger Jahre, nach dem Niedergang des sozialwissenschaftlichen Funktionalismus, erneut an Bedeutung gewonnen hat. — Der Begriff der Interaktion hat jedoch schon in den Anfängen dieser Tradition mehr gemeint als nur das mikrosoziologische Phänomen des durch Anwesenheit, Reziprozität und kontinuierliche Reinterpretation der Situation gekennzeichnete gemeinsamen Handelns von Individuen (vgl. Blumer 1969, 7 ff; 65 ff), das im Mittelpunkt jener Renaissance des symbolischen Interaktionismus steht. So leiten Park und Burgess den Abschnitt ‘Social Interaction’ in ihrem Standardwerk zur Ein-
führung in die Soziologie mit den folgenden Worten ein: „The idea of interaction is not a notion of common sense. It represents the culmination of a long-continued reflection by human beings in their ceaseless effort to resolve the ancient paradox of unity and diversity, the ›one‹ and the ›many‹, to find law and order in the apparent chaos of physical changes and social events; and thus to find explanations for the behavior of the universe, of society, and of man“ (Park/Burgess 1921, 339).
Dies ist zweifellos eine philosophische Lesart des Begriffs Interaktion. Sie verweist zunächst auf dessen Herkunft aus dem Pragmatismus, in dem die Welt über die praktische Relevanz von Handlungseffekten erschlossen gilt (vgl. Peirce, CP 5.402 bzw. dt. 1976 b, 195), das Letztelement der Wirklichkeit die Handlung ist: „The unit of existence is the act“ (Mead 1972, 65). Der Pragmatismus entsteht in der Reaktion auf die wechselseitige Isolierung von Wissenschaft und Philosophie in der Moderne, genauer: im Auseinandertreten von ›wissenschaftlichem Materialismus‹ — so eine treffende Beschreibung Alfred North Whiteheads (1861—1947) (vgl. 1925, 22) — und den Spielarten der Bewußtseinsphilosophie, das in verschiedenen sowohl ontologisch wie epistemologisch bedeutsamen Dualismen reflektiert wird: allen voran Geist vs. Materie, Organismus vs. Umwelt, Tatsache vs. Wert, Erkennender vs. Erkanntes — um nur einige zu nennen (vgl. Scheffler 1974, 6; Thayer 1981, 172). Vertreter des Pragmatismus werden schließlich — neben den amerikanischen Neo-Realisten, neben Whitehead und Bertrand Russell (1872—1970) — zu den Teilnehmern an der ›Revolt against Dualism‹ gezählt (vgl. Lovejoy 1955, 97 ff; 125 ff). — Das Modell des problemlösenden und experimentierenden Verhaltens, wie es den Wissenschaftsprozeß kennzeichnet, ist Kern der pragmatistischen Philosophie und zugleich Ausgangspunkt einer Generalisierung, die Philosophie und Wissenschaft wieder zu versöhnen, die die Dualismen aufzuheben sucht. In einer ersten, annähernden Bestimmung kann man im Begriff der Interaktion einen Topos sehen, der in der pragmatistischen Rekonstruktion jener Dualismen eine vermittelnde Funktion einnimmt und die bei Park und Burgess monierte Problematik von Einheit und Mannigfaltigkeit, von Ordnung und Chaos im Universum — eine Problematik,
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die durch die Evolutionstheorie Charles Darwins (1809—1882) noch einmal besondere Schärfe gewonnen hat — einer konsistenten Lösung zuzuführen verspricht. Noch im Versuch, eine antimetaphysische Kosmologie als Antwort auf sie zu entwickeln, kommt dem abstrakten Begriff der Interaktion im Pragmatismus eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung zu. — So sind die Beziehungen zwischen Soziologen der symbolisch-interaktionistischen Schule und pragmatistischen Philosophen in Chicago, deren führende Exponenten John Dewey (1859—1952) und George Herbert Mead (1863—1931) zusammen mit ihren Schülern bzw. Kollegen Edward Scribner Ames (1870—1958), Addison Webster Moore (1866—1930), James Hayden Tufts (1862—1942) die ›Chicago School of Pragmatism‹ bilden, besonders eng (vgl. Joas 1987, 86 ff; Bulmer 1984, 28 ff; Rucker 1969, passim). Doch auch Charles Sanders Peirce (1839—1914) (s. Art. 32) und William James (1842—1910) kann ein Anteil am Entstehen der interaktionistischen Denkrichtung zugerechnet werden (vgl. Shalin 1986, 10 ff). In einem ganz allgemeinen, abstrakten Sinn hat der Neologismus ‘Interaktion’ zwar für alle Pragmatisten Bedeutung, doch nur bei Dewey und Mead wird der soziale Charakter von Interaktion betont und gewinnt damit einen für ihre Philosophie systematischen Stellenwert. Und allein Mead macht darüber hinaus die Fundierung von Interaktion in Sprache zum Ausgangspunkt seines Werks und entwickelt damit eine originäre, von den anderen Pragmatismen deutliche unterschiedene Auffassung. Unter dem Titel ‘Sozialpsychologie’ formuliert er eine Theorie des kommunikativen Handelns: Das problemlösende Verhalten ist in soziale Lebensverhältnisse eingebettet, Handlungsprobleme sind somit primär Kooperationsprobleme zwischen verschiedenen Individuen, die einer sprachlichen Vermittlung und Verständigung bedürfen. Als eine Theorie kommunikativen Handelns, als Urheber eines ›linguistic turn‹ in der Soziologie, wird Mead denn auch noch heute gelesen (vgl. Habermas 1981, II, 7 ff), doch ist damit die Gefahr einer vereinseitigenden Rezeption verbunden, denn er verbindet mit seinem Interaktionismus einen viel weiter gehenden Anspruch: Ihm liegt nicht nur daran, dem durch sprachliche Interaktion gekennzeichneten sozialen Handeln Rechnung zu tragen, ihm geht es vielmehr darum, aus dieser Perspektive zentrale Probleme der Philosophie zu rekonstruieren. In diesem Sinn kann man von einer
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Philosophie des kommunikativen Handelns sprechen, die Mead begründet. — Wenn im folgenden der interaktionistische Ansatz vorgestellt wird, dann wird deshalb in erster Linie auf das Werk Meads zurückzugreifen sein, der ihm überhaupt erst jene Gestalt gegeben hat, die zur Basis für eine sozialtheoretische bzw. eine dem Pragmatismus und seiner Geschichte immanente Diskussion geworden ist. Denn ein Defizit sei hier gleich vermerkt: Als eigenständige sprachphilosophische Position ist der interaktionistische Ansatz bisher kaum wahrgenommen worden, obwohl er Richard Rortys (*1931) Kriterium für Sprachphilosophie — daß philosophische Probleme entweder durch eine Reform oder durch ein vertieftes Verständnis von Sprache zur (Auf-)Lösung gebracht werden — durchaus erfüllt (vgl. Rorty 1970, 3). Angesichts des Umstands, daß hier eine Philosophie der Sprechhandlung formuliert ist, überrascht es doch, daß deren einschlägige Exponenten (Ludwig Wittgenstein, John Langshaw Austin, John Roger Searle, Herbert Paul Grice) keinerlei Bezug auf diese Position nehmen.
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Interaktion als Grundbegriff einer Theorie kommunikativen Handelns
2.1. Vom mentalistischen zum pragmatistischen Paradigma: Funktionalistische Psychologie als Vorläufer des Interaktionismus Die Auffassung, daß die Überwindung des mentalistischen Paradigmas auf direktem und unverzweigtem Wege zu seinem Ersatz durch das linguistische führe (vgl. Schnädelbach 1985, 68 ff), scheint schon dadurch in Frage gestellt, daß im amerikanischen Pragmatismus die Leistungen des Bewußtseins zunächst in Begriffen des Handelns rekonstruiert werden, ohne letzteres zugleich als sprachliches begreifen zu müssen. Denselben Weg vom Bewußtsein zum Handeln gehen auch Nachfolgepositionen von Kritizismus und Idealismus in der deutschen Philosophie, vor allem die Phänomenologie Martin Heideggers (1889—1976) und die philosophische Anthropologie Arnold Gehlens (1904—1976) (vgl. Gethmann 1987, 213 ff; 226 ff) — in letzterer liegt eine frühe und fruchtbare philosophische Rezeption des Interaktionismus Meads vor, die von einem Standpunkt außerhalb des unmittelbaren Wirkungskreises des Pragmatismus erfolgt (vgl. Gehlen 1986, 261 ff, Rehberg 1985, 73; 88). — Daß — zumal nach der
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Relativierung menschlicher Intelligenz durch den Darwinismus (vgl. Scheffler 1974, 5; Thayer 1981, 449 f) — die Mentalismus-Kritik, insbesondere auch die intensive Auseinandersetzung mit Descartes (vgl. Peirce, CP 5.264 ff bzw. dt. 1976, 40 ff) und dem deutschen Idealismus (vgl. u. a. Mead 1944, 66 ff), ein markantes Merkmal pragmatistischer Philosophie ist, braucht hier nicht hervorgehoben zu werden. Hinzu kommt, daß sowohl James wie auch Dewey und Mead diese Kritik in die Formulierung einer — ‘funktionalistisch’ genannten — Psychologie umsetzen (vgl. James 1950 I, 224 ff; Dewey 1975, 96 ff; Mead 1980 b, 83 ff), die den Dualismus von Geist und Materie, von Psyche und Physis wesentlich modifizieren, ja überwinden will und damit zugleich eine ›Vorläuferposition‹ für ihre pragmatistischen Philosophien darstellt. In dieser Psychologie wird die Gesamtheit psychischer wie physischer Elemente des Organismus in ihrer Funktion für den Lebensprozeß zum Thema. Die Bedeutung von Bewußtsein wird relativiert, Handeln bzw. Verhaltenskonseq uenzen erfahren eine entscheidende Aufwertung. „Functional psychology took as its basic data not alleged psychic events, but behavioral processes in biological and social contexts“ (Thayer 1981, 184). Dewey bringt diese (sozial-)behavioristische Auffassung in seiner Kritik des Reflexbogenbegriffs zum Ausdruck: die Unterscheidung von Reiz und Reaktion und damit zugleich ihr Bewußtwerden ist Funktion der Blockierung habitualisierter Verhaltensse q uenzen, die Wahrnehmung des Reizes erfolgt schon im Hinblick auf die Vollendung der Handlung, auf die in der Reaktion angestrebte Koordination konfligierender Handlungstendenzen (vgl. Dewey 1975, 106 ff). Bewußtsein wird hier als emergente Prozeßeigenschaft von Handlungen gesehen. Mead betont in seiner Gegenstandsbestimmung der funktionalistischen Psychologie neben dieser Rolle des Bewußtseins die Phase der Subjektivität, die in solchen Hemmungen einer Handlung auftritt: „Gegenstandsbereich der funktionalistischen Psychologie ist jenes Stadium der Erfahrung, innerhalb dessen wir ein unmittelbares Bewußtsein konfligierender Handlungsantriebe haben, die dem Objekt seinen Charakter als Objekt nehmen und uns insofern in einer Haltung der Subjektivität zurücklassen, während derer aber aufgrund unserer rekonstruktiven Tätigkeit [...] ein neues Reiz-Objekt entsteht /For this functional psychology an explicit definition of its subject matter seems highly important. That suggested in this paper is as follows:
III. Positionen
that phase of experience within which we are immediately conscious of conflicting impulses which rob the object of its character as object-stimulus, leaving us insofar in an attitude of subjectivity; but during which a new object-stimulus appears due to the reconstructive activity“ (Mead 1980 b, 143; vgl. Joas 1980, 71 ff).
Mit dem Begriff der Subjektivität geht Mead über die pragmatistische Grundüberzeugung vom problemlösenden Charakter des Verhaltens schon hinaus und öffnet die funktionalistische Psychologie für eine sozialpsychologische Analyse von Selbstbewußtsein, von Ich-Identität, denn: Subjektivität meint nicht nur die Virtualisierung von habitualisierten Handlungserfahrungen, sondern zielt auf den Ort dieser Virtualisierung in einer partikularen Ich-Identität, in einem Individuum. „Gerade in diesem Stadium der Subjektivität, in dem die Aufmerksamkeit auf eine Lösung des Problems gerichtet ist [...] findet das Individuum qua Individuum seinen funktionalen Ausdruck oder besteht vielmehr in eben dieser Funktion / And it is in this phase of subjectivity, with its activities of attention in the solution of the problem [...] that the individual qua individual has his functional expression or rather is that function“ (Mead 1980 b, 140).
Es ist gerade nicht selbstevident, daß dieses partikulare, individuelle Selbstbewußtsein als intuitives Vermögen unmittelbar gegeben ist — daran zweifelte schon Peirce (vgl. CP 5.225 ff bzw. dt. 1976 b, 19 ff). Vielmehr ist auch Selbstbewußtsein bzw. Ich-Identität als durch den Handlungsprozeß konstituiert zu sehen. Die Sozialpsychologie vermittelt Mead die „Erkenntnis des sozialen Charakters der Ich-Identität, der Tatsache, daß die alii unserer Erfahrung nicht sekundär erschlossene Objekte sind, mit denen unsere Vernunft unmittelbar wahrgenommene physikalische Dinge begabt, sondern Konstrukte, deren Inhalt aus dem subjektiven Bewußtsein abgeleitet ist / recognition of the social character of the self, that the alii of our experience are not secondary inferred objects with which our reason endows indirectly perceived physical things, but constructs whose content is derived from subjective consciousness“ (Mead 1980 b, 134).
Demnach sind die ›alii‹ Objekte, die dem subjektiven Bewußtsein als primäre Konstrukte gegeben sind. Daß Handlungsakte derart in soziale Kontexte eingebettet sind, das ist der entscheidende Ansatzpunkt für die Erweiterung der funktionalistischen Psychologie zur Sozialpsychologie.
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2.2. Sprachlich vermittelte Interaktion: Meads sozialpsychologische Begründung 2.2.1. Die Erkenntnis des sozialen Charakters von Ich-Identität ist für den Interaktionismus Meads spezifisch. Dewey betont dagegen lediglich Intelligenz und Bedeutung als Folge humaner Interaktion: „Intelligence and meaning are the natural conseq uences of the peculiar form which interaction sometimes assumes in the case of human beings“ (Dewey 1925, 180).
Eine derjenigen Meads vergleichbare Theorie der Ich-Identität entwickelt er nicht, genausowenig, wie er der Vermittelheit der Interaktion durch Sprache eine zentrale Bedeutung in der Entfaltung seiner pragmatistischen Philosophie zuweist (vgl. Dewey 1957, passim; Mead 1980 k, 350 ff; Petras 1968, 18 ff). Bedeutung, reflexive Intelligenz und Ich-Identität sind dann die Themen, anhand derer der Begriff der sprachlich vermittelten Interaktion expliziert werden kann. — Darwins Expressions of the Emotions in Man and Animals und Wilhelm Wundts (1832—1920) (s. Art. 31) Völkerpsychologie spielen in der Ausarbeitung des Interaktionsbegriffs eine Schlüsselrolle (vgl. Mead 1934, 15 ff; 1982, 33 ff). Darwin studierte die Veränderung von Gesichtszügen unter den Prämissen seiner Vererbungslehre und fragte sich, welche Bedeutung diese Gebärden für die Erhaltung der Art haben. Seine Antwort besteht darin, daß diese Gebärden, die gleichsam Überreste erfolgreicher Handlungen eines vorangehenden Entwicklungsniveaus darstellen, die Funktion haben, Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Mead kritisiert zwar diese Emotionstheorie: Tiere haben keine Emotionen, um sie durch eine Gebärde, in einem intentionalen Akt anderen Tieren kundzugeben. Die Emotion entsteht vielmehr erst mit dem Ausdruck, den sie in der Gebärde findet. Andererseits ist Darwins Ansatz vielversprechend, die Rolle der Gebärden im Übergang von der tierischen zur menschlichen Lebensform zu analysieren. Wundts Untersuchung der Sprache in der Völkerpsychologie bietet dann die Basis, auf der Mead seine ersten Formulierungen des Begriffs der sprachlich vermittelten Interaktion aufbaut. Auch hinter Wundts Begriff der Lautgebärde steht eine Gefühlslehre; Gebärden gelten ihm als Affektäußerungen bzw. als Ausdrucksbewegungen, aus denen sich erst allmählich eine Gebärdensprache entwickelt, die eine Wiedererzeugung von Affekten beim Anderen, eine Kundgabe von ›Vorstellungs-
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inhalten‹ ermöglicht: „Jetzt ist daher die Gebärde des Zweiten nicht mehr ein bloßer Reflex der Bewegung des Ersten, sondern aus der Mitbewegung ist eine Antwortbewegung geworden“ (Wundt 1975 I, 254).
Erst im nächsten Schritt sieht Wundt (vgl. 1975 I, 343 ff) die Lautgebärde entstehen und formuliert damit den Begriff, der in Meads Ausarbeitung des Modells sprachlicher Interaktion eine zentrale Stellung gewinnen wird. Dennoch muß sich Mead in zwei Punkten von Wundt deutlich absetzen: Zum einen denkt Wundt Sprache noch im mentalistischen Paradigma, führt sie auf psychische Zustände zurück — und nicht auf ein Handeln (vgl. Mead 1980 d, 180; 1934, 50). Zum anderen sieht Wundt die soziale Situation aus dem Gebrauch einer Gebärdensprache, aus einem durch Selbstaffektion schon konstituierten einzelnen Bewußtsein erst hervorgehen (vgl. Graumann 1984, 229). Für Mead entsteht dagegen Sprache wie dann auch Bewußtsein aus der Sozialität von Artgenossen und nicht umgekehrt. Sprachliches Handeln stellt einen Gefühlsausdruck nur insofern dar, als in Emotionen die Handlungsantriebe — Instinkte bzw. Impulse — bewußt werden, die in einem Handlungskonflikt blockiert sind (vgl. Joas 1980, 101 f). Sprache entsteht für Mead aus Gebärden, die nichtintentional verwendet werden. Im Übergangsfeld zwischen tierischer und humaner Sozialität gibt es noch kein ›etwas‹, das ausgedrückt, mitgeteilt oder dargestellt werden könnte. Ein solcher Gegenstand muß, um einer solchen Zweckbestimmung zugeführt zu werden, erst noch konstituiert werden — durch sprachliche Interaktion. Die falsche Prämisse intentionalen Verhaltens prägt auch noch den Versuch, die Entstehung von sprachlichem Handeln durch Imitation zu erklären, weil auch hier der Laut, der imitiert wird, als Gegenstand schon vorausgesetzt sein muß. — Wie sieht Mead nun das sprachliche Handeln aus der tierischen Gebärdenkommunikation hervorgehen? Zwei eng miteinander verknüpfte Aspekte von Meads Theorie müssen zunächst geklärt werden, um diese Frage zu beantworten: einerseits sein Verständnis des Begriffs Sozialität, andererseits einige Voraussetzungen seiner Bedeutungstheorie. Sozialität charakterisiert schon subhumane Lebensformen. Auch Exemplare bestimmter Tierarten müssen sich in ihrem Verhalten wechselseitig anpassen, leben in einer für die Arterhaltung notwendigen sozialen Kooperation miteinander. Ihre Verhaltensweisen sind habitualisiert, instinktgebunden, die des Menschen dagegen instinkt-
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reduziert, plastisch, durch Impulse ausgelöst (vgl. Mead 1934, 362), wobei seine Bindung an soziale Instinkte dennoch nicht völlig gelöst wird. Bestimmte Reize artgleicher Individuen bringen die an soziale Instinkte gebundenen Handlungen in Gang — „Wichtig ist an der sozialen Organisation des Verhaltens durch Instinkte [...], daß das Verhalten eines Lebewesens einem anderen als Reiz zu einer bestimmten Handlung dient, daß diese Handlung ihrerseits jenes erste Lebewesen zu einer bestimmten Reaktion reizt und daß sich diese Wechselwirkung in unablässiger Interaktion fortsetzt / The important character of social organisation of conduct or behaviour through instincts is [...] that the conduct of one form is a stimulus at first to a certain reaction, and so in ceaseless interaction“ (Mead 1980 e, 206)
— wie das z. B. bei Liebeswerben und Paarung, Brutpflege, aber auch am Fall aggressiver Reaktionen beobachtet werden kann (vgl. Mead 1980 i, 293; 1980 j, 313). Die sozialen Verhaltensweisen von Tieren sind überwiegend nach dem Prinzip physiologischer Differenzierung organisiert. Reize und Reaktionen fließen hier ineinander. Unterbrechungen in diesem Fluß tauchen — wenn auch in geringer Zahl — jedoch schon bei Wirbeltieren auf. Reize werden dann als solche von Reaktionen unterscheidbar, eine Gebärdenkommunikation entsteht, wie sie Mead oft am Beispiel eines Hundekampfes illustriert. Gebärdenreize zeigen Handlungstendenzen an, die gehemmt bleiben können, nicht zum Vollzug kommen müssen. Das Zähnefletschen und Knurren des einen Hundes stellt einen Drohreiz dar, zeigt eine Haltung an, die im Zubeißen ausreagiert wird, worauf der andere Hund eine Haltung der Unterwürfigkeit annehmen kann, die das verhindert — hier findet eine Kommunikation der Gebärden statt. Die Gebärde steht damit für etwas, das sie nicht selbst ist, sie hat Symbolfunktion und entsprechend: Bedeutung (vgl. Mead 1934, 75 ff). Eine wichtige Anregung für seine bedeutungstheoretischen Überlegungen erfährt Mead wohl durch den in Peirce’s Semiotik entwickelten Zusammenhang von Zeichen und Interpretant, von Überzeugung (belief) und Handlungsgewohnheit (habit), der ihm durch seinen Lehrer, den Peirce-Schüler Josiah Royce (1855—1916) vermittelt wird (vgl. Joas 1980, 99; Lincourt/Hare 1973, 333 ff; Morris 1938 b, 109 ff). Gebärdenreize können eine Bedeutung tragen, ohne daß diese in der Kommunikation bewußt werden muß, und dennoch wechselseitige Anpassung
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bewirken. Die Bedeutung liegt dann in der anpassenden Reaktion des anderen Organismus (vgl. Mead 1934, 77 f). Bedeutungen machen den Inhalt sozialer Objekte aus, die im sozialen Prozeß, in der zunächst durch Gebärdenkommunikation, später durch Sprache vermittelten wechselseitigen Anpassung der individuellen Organismen entstehen und das organisierende Zentrum einer sozialen Handlung bilden (vgl. Mead 1934, 77 ff). 2.2.2. Zwei entscheidende Voraussetzungen für die Rekonstruktion des Übergangs von tierischer zu humaner Kommunikation sind nun geklärt: Die durch Gebärdenkommunikation vermittelte, an soziale Instinkte gebundene Kooperation und wechselseitige Anpassung bezeugt zum einen die Sozialität subhumaner Lebensformen, ist zum anderen Entstehungsort für Bedeutungen, die schon vorliegen, bevor ein Bewußtsein sie erfassen kann (vgl. Mead 1934, 81 f). — Damit ist im Kern die Ausgangslage für die Emergenz der humanen Lebensform umrissen. — Wie ist nun zu erklären, daß Bedeutungen bewußt werden? An dieser Stelle kehrt Mead nun zu der wichtigen Einsicht der funktionalistischen Psychologie zurück, daß ein reflexives Bewußtsein in einem Handlungskonflikt entsteht, an einem Problem, das gelöst werden muß: „Wenn sich eine Gelegenheit für die Herausbildung eines Bewußtseins von Bedeutungen in gewohnheitsmäßigem Handeln nicht finden läßt, könnte es dann nicht vielleicht in Handlungskonflikten gefunden werden? Dieselbe Psychologie, die Bedeutungen als Haltungen beschreibt, welche als Niederschlag von Reaktionsgewohnheiten im Bewußtsein aufzufassen sind, ist daran gewöhnt, in den Konflikten unterschiedlicher Tätigkeiten einen Anlaß für die Entstehung reflexiven Bewußtseins zu sehen. Das Denken ist für diese Psychologie immer Lösung von Problemen / If the occasion for the consciousness of meaning is not found in the habitual act may it not be found in the conflict of acts? The same psychology that states meaning in terms of the attitudes which are the registrations in consciousness of habits of reaction is wont to find in conflicting activities occasion for reflective consciousness. Thinking for this psychology is always the solution of a problem“ (Mead 1980 f, 217).
An dieser Auffassung nimmt Mead nun eine Modifikation vor, die den sozialpsychologischen Ansatz angemessen zur Geltung bringt. Soweit die widerstreitenden Handlungstendenzen auf nichtsoziale Reize gerichtet sind, ist bloß eine „schärfere Bestimmung der Objekte, die den Reiz bilden / sharper
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definition of the objects which constitute the stimulation“ (Mead 1980 f, 218) die Konseq uenz, anders liegt der Fall jedoch, wenn Gebärdenreize und die durch sie angezeigten sozialen Handlungen konfligieren: „In diesen sozialen Situationen treten nicht nur miteinander in Konflikt liegende Handlungen auf, die eine verschärfte Definition der Reizelemente erfordern, sondern auch ein Bewußtsein der eigenen Haltung als einer Interpretation der Bedeutung eines sozialen Reizes. Wir sind uns unserer Haltungen bewußt, weil sie für Veränderungen im Verhalten anderer Individuen verantwortlich sind / In these social situations appear not only conflicting acts with the increased definition of elements in the stimulation, but also a consciousness of one’s own attitude as an interpretation of the meaning of the social stimulus. We are conscious of our attitudes because they are responsible for the changes in the conduct of other individuals“ (Mead 1980 f, 219).
Ein Gebärdenreiz führt hier nicht zu einer habitualisierten Reaktion, es kommt vielmehr zu einer Handlungshemmung: Unterschiedliche Interpretationen der Gebärde bzw. Reaktionen auf den Reiz sind möglich und im Konflikt miteinander. Die Auswahl, die das Individuum unter seinen Reaktionstendenzen vornehmen muß, ist zwar letztlich kontingent, aber ein Prozeß, der ein Bewußtsein der Bedeutung seiner Handlungstendenzen, schließlich seiner Reaktionsantwort impliziert. Doch das ist nur die eine Seite des Geschehens, denn die Bedeutung seiner Reaktionstendenzen, seiner Antwort auf den sozialen Reiz, ist wiederum von der Reaktion seines Gegenübers auf seine Antwort abhängig. Auch dieser interpretiert den ihm dargebotenen Reiz. Und diese Interpretation scheint genauso kontingent zu sein. Wie ist dann gewährleistet, daß alter unter dem von ego angebotenen sozialen Reiz nicht etwas anderes versteht, als ego meint? Wie kann dieses Problem einer doppelten Kontingenz umgangen werden? Meads Antwort lautet: Dadurch, daß zunächst ein soziales Bewußtsein von Bedeutungen entsteht. Das meint nichts anderes, als daß ego und alter ein gemeinsames Wissen von der sozialen Handlung haben, an der sie beteiligt sind (vgl. Mead 1980 e, 207). Mead nennt die das gemeinsame Wissen verkörpernden Symbole signifikant. Kriterium für die Signifikanz von Symbolen, dafür, daß ego und alter tatsächlich das gleiche, insofern gemeinsame Wissen von Bedeutungen haben, die gleiche Reaktionstendenz vergegenwärtigen, kann letztlich — und hier zeigt sich die pragmatistische Denkfigur — nur der erfolgreiche Voll-
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zug der sozialen Handlung, d. h. die funktionale Identität der Reaktionen (vgl. Miller 1980, 12 ff) sein. „The response to the vocal gesture is the doing of a certain thing, and you arouse that same tendency in yourself. You are always replying to yourself, just as other people reply. You assume that in some degree there must be identity in reply. It is action on a common basis“ (Mead 1934, 67; vgl. 1934, 147).
Doch warum entsteht Bewußtsein zuerst als soziales Bewußtsein? Der Mechanismus, auf dessen Grundlage ein solches Bewußtsein entsteht, ist noch nicht aufgewiesen. Der Konflikt von Handlungsbestrebungen allein kann die Emergenz von Bewußtsein noch nicht erklären. Ausschlaggebend ist der Umstand, daß ein sozialer Reiz eine Antwort fordert. Mead nimmt auf originelle Weise den Wundt’schen Begriff der Lautgebärde auf: In besonderer Weise eignen sich Lautgebärden dazu, die eigenen Reaktionstendenzen bewußt zu machen und damit das gemeinsame Wissen zu aktualisieren, weil sie einen Reiz darstellen, der nicht nur auf alter, sondern auch auf ego selbst wirkt. Das Individuum, das dem anderen eine Lautgebärde als Reiz präsentiert, hört sich selbst, reagiert damit auch auf sich selbst. Es hört sich dabei so, wie es auch ein anderes Individuum hören würde, das dieselbe Lautgebärde äußert. „In the case of the vocal gesture the form hears its own stimulus just as when this is used by other forms, so it tends to respond also to its own stimulus as it responds to the stimulus of other forms“ (Mead 1934, 65).
Entscheidend für die Emergenz eines sozialen Bewußtseins von Bedeutungen ist damit die Fähigkeit des Individuums zur Selbstaffektion mit signifikanten Symbolen, die auch von anderen verstanden und gebraucht werden können (vgl. Mead 1980 h, 239). Meads zunächst schon im Rahmen seiner Auffassung von nichtbewußter Gebärdenkommunikation eingeführter Bedeutungsbegriff — daß Bedeutung in der anpassenden Reaktion des anderen Organismus besteht — muß nun verfeinert werden. Bedeutung entsteht in der Beziehung einer Lautgebärde mit den späteren Phasen der sozialen Handlung, genauer: in der Matrix einer dreifachen Beziehung zwischen der Gebärde eines ersten Organismus, dem Resultat der sozialen Handlung, wovon die Gebärde des ersten Organismus eine frühe Phase darstellt und schließlich der Reaktion des zweiten Organismus auf die Gebärde des ersten (vgl. Mead 1934, 76). Mit dieser Bestimmung trägt Mead der gesteigerten Selbst-
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kontrolle, der kontinuierlichen Neuorientierung im sozialen Verhalten durch die Individuen Rechnung, sobald sie in der Lage sind, die von ihnen präsentierten Reize und die entsprechenden Handlungstendenzen sich bewußt zu machen, d. h. die Perspektive der anderen Handlungsteilnehmer zu übernehmen. Bedeutung kann dann nicht mehr allein durch den reagierenden Organismus definiert sein, Bedeutung muß universalisiert sein, kann die Perspektiven aktuell nicht anwesender Anderer einbeziehen, ohne daß es eine logische Grenze der Universalisierung gäbe: „Meaning [...] must [...] be a universal, at least in the identity which belongs to the different perspectives which are organized in the single perspective, and in so far as the principle of organization is one which admits of other perspectives than those actually present, the universality may be logically indefinitely extended“ (Mead 1934, 89; vgl. Mead 1934, 82 ff; Miller 1973, 93 ff).
Ein signifikantes Symbol steht nicht für eine partikulare Situation, für ein partikulares Ereignis von Reaktionsbereitschaft, sondern für eine universale Kontrolle über die soziale Handlung ermöglichende Reaktion auf eine unabgeschlossene Menge von partikularen Reizen (vgl. Mead 1934, 90), die zueinander in einem Verhältnis der Familienähnlichkeit (vgl. Wittgenstein, PU §§ 66 f) stehen — Wittgensteins Gebrauchstheorie der Bedeutung befindet sich hier in erstaunlicher Nähe zu der Auffassung Meads, signifikante Symbole bzw. Bedeutungen seien Universalien (vgl. Miller 1980, 81 f) (s. Art. 39). Die signifikanten Symbole bilden ein diskursives Universum (universe of discourse), das umfassendste System von in Interaktion und Kommunikation begründeten Universalien, ein aktueller Möglichkeitshorizont von Verständigung schlechthin. — Nun ist zunächst geklärt, wie Mead den Übergang von tierischen zu menschlicher Kommunikation rekonstruiert — Mead sieht im Übergang zur humanen Lebensform in der signifikanten Lautgebärde, in der Sprache die conditio sine qua non (vgl. Joas 1980, 108). Die interaktionistische Theorie ist damit jedoch nur im Kern umrissen. Wichtige Weiterungen des Konzepts der sprachlich vermittelten Interaktion finden sich in Meads Konzeption reflexiver Intelligenz und in seiner Auffassung von Selbstbewußtsein bzw. IchIdentität des Individuums. 2.3. Reflexivität: Intelligenz und Identität 2.3.1. Meads Aufweis der Emergenz von Bewußtsein in sprachlich vermittelter Interak-
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tion bereitet den Grund für die Klärung der dem Menschen eigenen reflexiven Intelligenz. Denken bzw. Reflexion entsteht in der Hemmung von Handlungsvollzügen, im ›Anhalten‹ von Handlungen. Das Bewußtsein von Bedeutungen, von Reizen und Reaktionsbereitschaften ermöglicht dem Menschen hier die Auswahl von Reizen bzw. von dadurch in Gang zu bringenden Reaktionen, das soziale Bewußtsein von Bedeutungen bedingt ein individuelles Bewußtsein: „Man is distinguished by that power of analysis of the field of stimulation which enables him to pick out one stimulus rather than another and so to hold on to the response that belongs to that stimulus, picking it out from others“ (Mead 1934, 94; vgl. auch 1982, 161).
Reize können kombiniert werden, entsprechend können komplexe Reaktionen hervorgerufen werden. Dabei entstehen neue Bedeutungen. Mead illustriert das am Beispiel der wissenschaftlichen Hypothesenbildung: „There is an ability to hold in consciousness the conflicting stimulations and tendencies to respond in a conflicting fashion. And then we can suggest a hypothetical way which will include all elements with all the tendencies to respond. Scientists present to themselves data and construct a hypothesis which will explain apparently conflicting data“ (Mead 1982, 52).
Letztlich führt die Reflexion zu einer logischen Analyse, wie sie in der experimentellen Methode impliziert ist (vgl. Mead 1972, 82 f). Reflexive Intelligenz hat einen fundamental zeitlichen Bezug — Zeit entsteht erst in einer blockierten Handlung (vgl. Mead 1972, 232), Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft treten erst hier auseinander. Die Auswahl unter verschiedenen Reizen beruht auf der in der Vergangenheit gewonnenen Erfahrung des Individuums, es kann damit unterschiedliche zukünftige Reaktionsverläufe antizipieren, um damit schließlich das gegenwärtige Problem zu lösen (vgl. Mead 1934, 100). — Reflexive Intelligenz bleibt unwiderruflich in das soziale Handeln eingebettet. „In reflective intelligence one thinks to act, and to act solely so that this action remains a part of a social process. Thinking becomes preparatory to social action. The very process of thinking is, of course, simply an inner conversation of gestures which in its completion implies the expression of that which one thinks to an audience. [...] He thinks it out, [...] but it is still a part of social intercourse in which one is addressing other persons and at the same time addressing one’s self“ (Mead 1934, 141 f).
Das durch die Kommunikation signifikanter Lautgebärden entstandene Bewußtsein
52. Der interaktionistische Ansatz
verweist nicht nur auf die Reflexivität der Intelligenz und auf die Rationalität der so vorbereiteten Handlungen — sensorische Erfahrung, Gegenstandskonstitution und Wahrnehmung, instrumentelles Handeln, schließlich die Handlungsprozesse in der Wissenschaft sind hier impliziert und bleiben zu klären —, auch das handelnde Individuum kann sich reflexiv zu sich selbst verhalten. Fluchtpunkt von Meads Sozialpsychologie ist eine Theorie der Identität, des personalen Ichs, die auf dem Kernmodell der sprachlich vermittelten Interaktion aufruht: die Theorie des Selbst (self). Und umgekehrt: Meads Theorie des Selbst erläutert zugleich den Prozeß sozialen Handelns. Sprachlich vermittelte Interaktion stellt nicht nur den Mechanismus dar, durch den sich ein Selbst herausbildet, das Selbst bleibt für seine Reproduktion auch weiterhin auf sie angewiesen, prägt der Interaktion seinen Charakter auf. — Die reflexive Identität ist eine weitere Eigenschaft sozialer Handlungsprozesse, die allein der humanen Lebensform zukommt, Tiere können eine Identität nur für andere, nicht für sich selbst haben. Eigentümliches Merkmal des Selbst ist die Fähigkeit, sich zu objektivieren. „It is the characteristic of the self as an object to itself that I want to bring out. This characteristic is represented in the word ‘self’, which is a reflexive, and indicates that which can be both subject and object“ (Mead 1934, 136 f).
Wie ist eine solche objektivierende Haltung gegenüber der eigenen Identität möglich? Das Bewußtsein der eigenen Identität ist über den Prozeß vermittelt, in dem Bewußtsein überhaupt auftritt: über die sprachliche Interaktion. Ego ist in der Lage, die Reaktionsbereitschaft des alter auf die von ihm präsentierte oder zu präsentierende signifikante Rede sich bewußt zu machen, zu antizipieren, sei es in der ihm eigenen internalisierten Kommunikation des Denkens, sei es im offenen Austausch sprachlicher Äußerungen mit anderen Handelnden; ego übernimmt dabei die Rolle von alter. Wie im Fall des Bewußtseins von Bedeutungen dem Individuum zuerst die Reaktionen der anderen Handelnden bewußt werden, geht eine Erfahrung anderer Identitäten der Bildung der eigenen voraus: „Others come into existence first of all, and later one becomes aware of one’s self. The reality of one’s self is just as genuine as other selves, but it has no superior reality. I am no surer of my self than of any other self“ (Mead 1982, 56).
Einerseits lehnt Mead hier einen besonderen, direkten Erfahrungszugang zur eigenen
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Identität ab, wenngleich auch die Konseq uenz dieser Auffassung radikal ist. Zum anderen verweist er darauf, daß das eigene Selbst erst in einem sozialen Erfahrungsprozeß, in der Auseinandersetzung mit den Identitäten anderer Menschen gebildet werden muß. Eine erste Stufe im Aufbau der Identität ist die Übernahme von Rollen partikularer Anderer. Mead denkt hier an das Spiel (play) des Kindes, in dem dieses nacheinander verschiedene Rollen übernimmt. Es sind die Rollen Erwachsener — Räuber, Gendarmen, Ärzte, Eltern usw. —, in denen es zu sich selbst spricht, zu sich selbst ein Verhältnis eingeht: „Such is the simplest form of being another to one’s self“ (Mead 1934, 151). In seiner Perspektive bilden diese Rollen untereinander jedoch kaum einen funktionalen Zusammenhang. Dieser kennzeichnet die nächste Stufe in der Entwicklung der Identität, die Mead in Wettspielen (game) sich heranbilden sieht. „The fundamental difference between the game and play is that in the latter the child must have the attitudes of all others in that game“ (Mead 1934, 153 f) — und zwar nicht nacheinander, sondern gleichzeitig. Das Kind muß sich die Organisation der Rollen der sozialen Gruppe in einer funktionalen Einheit vergegenwärtigen können. Mead nennt diese das Handeln organisierende Reaktionsbereitschaft den ‘generalisierten Anderen’ (Mead 1934, 154 ff; 1980 f, 219 f). Die Entwicklung eines Selbst ist davon abhängig, wie weit es dem Individuum gelingt, die Einstellungen organisierter sozialer Gruppen in seinem Leben zu übernehmen und zu generalisieren. „Only in so far as he takes the attitudes of the organized social group to which he belongs toward the organized, cooperative social activity or set of such activities in which that group as such is engaged, does he develop a complete self or possess the sort of complete self he has developed“ (Mead 1934, 155).
Die Übernahme der Einstellung des generalisierten Anderen bedeutet eine Abstraktion, die um so weiter führt, je abstrakter die Kriterien für die Zugehörigkeit an einer Gruppe werden. Der höchste Abstraktionsgrad ist erreicht, wenn Verständigung als solche das Band einer universalen Gemeinschaft definiert, die über die größte nur denkbare Teilnehmerzahl verfügt. Die Übernahme der Einstellung des generalisierten Anderen soll eine soziale Handlung kontrollieren. Sachlich muß es sich in diesem abstrakten Fall dann um universelle das soziale Handeln organisierende Bedeutungen handeln, die für alle Teil-
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nehmer am diskursiven Universum müssen gelten können (vgl. Mead 1934, 157 f). 2.3.2. Einheit und Struktur des Selbst reflektieren demnach die Einheit und Struktur des sozialen Prozesses (vgl. Mead 1934, 144), dieses strukturierte Selbst bildet sich entlang partikularer Handlungsprobleme und bezieht immer umfassender Aspekte der Struktur des gesamten sozialen Prozesses ein, organisiert dessen Rollen für sich zu einem generalisierten Anderen, der diese Handlungsprobleme aus einer immer abstrakter und unpersönlicher werdenden Perspektive sichtbar und lösbar macht. Soweit ein Selbst die Objektivierung der eigenen Identität bedeutet, meint es diesen generalisierten Anderen, der zur Basis von Denken und Handeln wird. Mead spricht hier auch von einer Phase des Selbst, einer Phase die für dessen Reproduktion im sozialen Prozeß wesentlich ist, dem ›Mich‹ (me). Dieses Mich bereitet das Handeln vor, es gleicht in dieser Hinsicht der reflexiven Intelligenz, die dem Individuum zu einer Analyse der ihm in der Problemsituation präsentierten Reize verhilft. Und wie bei James, an dem sich Mead in dieser Begriffswahl orientiert (vgl. James 1950 I, 400 f), dessen Identitätstheorie wie auch jene Cooleys er jedoch kritisiert (Mead 1934, 173; 1980 a, 329 ff), da sie auf einem Selbstfühlen und nicht auf einem Selbstbewußtsein basiert, also wesentlich affektiver und nicht kognitiver Natur ist, stellt er dem Mich ein ›Ich‹ (I) gegenüber. Dieses Ich ist die Reaktion des Selbst auf die von ihm vergegenwärtigte Einstellung des generalisierten Anderen, des Mich. In der Phase des Ich findet sich das Moment des Indeterminismus, der Freiheit und der Kreativität: Das Ich ist — in seinem Vollzug — unmittelbar, nicht faßbar. Retrospektiv kann es als Erinnerungsbild objektiviert werden, ist dann aber Teil des Mich. Die Parallele zur reflexiven Intelligenz ist erneut auffällig: Der Wissenschaftler, der sich konfligierenden Interpretationen seiner Daten gegenübersieht, reagiert jedenfalls in einer nie völlig determinierten, vielleicht aber kreativen Weise, indem er z. B. eine neue Hypothese vorlegt, die den Konflikt der Interpretationen beseitigt. Ohne das Ich wäre das Selbst in der Konformität mit den Erwartungen des generalisierten Anderen gleichsam gefangen. Die Reaktion des Ich auf das Mich eröffnet jedoch die Möglichkeit zur Abweichung, die regelmäßig auf die Mißbilligung der Gemeinschaft stößt. Wie kann sich dann neuartiges, kreatives Handeln
III. Positionen
durchsetzen? Zu welchen Argumenten kann das Individuum in dem moralischen Dilemma zwischen Konformität und Abweichung Zuflucht nehmen? „The only way in which we can react against the disapproval of the entire community is by setting up a higher sort of community which in a certain sense out-votes the one we find. A person may reach the point of going against the whole world about him; he may stand out by himself over against it. [...] He has to comprehend the voices of the past and the future. That is the only way in which the self can get a voice which is more than the voice of the community“ (Mead 1934, 167 f).
Die hier verantwortungsethisch formulierte Berücksichtigung von Vergangenheit und Zukunft ist auch für die reflexive Intelligenz wesentlich. Überhaupt wird nun deutlich, wie das Verhältnis von reflexiver Intelligenz und Identität zu verstehen ist: Die Leistungen der reflexiven Intelligenz sind in dem weitergehenden Sinn in den Prozeß sozialen Handelns eingebettet, als sie allesamt auf der im Prozeß der sprachlich vermittelten Interaktion gebildeten Ich-Identität des Individuums beruhen. Die für die Gegenstandskonstitution entscheidende Koordination von Auge und Hand ist ohne die Fähigkeit zum Gebrauch signifikanter Symbole nicht denkbar. Mit diesen Fragen wird nun der engere Bereich einer sozialpsychologisch begründeten interaktionistischen Theorie der Kommunikation verlassen. Die Trennung ist eine willkürliche: Die sozialtheoretische Perspektive bringt Mead ganz selbstverständlich auf klassische und aktuelle Probleme der Philosophie zur Anwendung.
3.
Der Interaktionismus als Philosophie kommunikativen Handelns: Die Rekonstruktion zentraler Probleme der Philosophie
3.1. Die philosophischen Probleme, die Mead mit seinem kommunikationstheoretischen Ansatz aufarbeitet, entstammen dem Erbe des Pragmatismus (s. Art. 32). Der (natur-)wissenschaftliche Forschungsprozeß, das instrumentale Handeln, die Konstitution von Gegenständen und schließlich Wahrnehmung sind — traditionell pragmatistische — Themen, mit denen Mead von Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere an befaßt ist. Im engeren Sinne pragmatistische — von der funktionalistischen Psychologie ausgehende — und kommunikationstheoretische Argumentation laufen lange Zeit im Werk Meads ne-
52. Der interaktionistische Ansatz
beneinander her (vgl. Joas 1980, 145). Dies führt dazu, daß Interpreten die pragmatistische Lesart zum Ausgangspunkt machen und darüber den Zusammenhang von sprachlich vermittelter Interaktion mit den erwähnten Problemen vernachlässigen (z. B. Miller 1980, passim). Doch schon frühzeitig — 1910: die Umrisse von Interaktions- und Identitätstheorie sind gerade skizziert — formuliert Mead den Primat der sozialen Erfahrung vor der gegenständlichen: „Was für eine Theorie wir auch immer von der Geschichte der Dinge haben mögen, das soziale Bewußtsein muß einem gegenstandsbezogenen Bewußtsein vorausgehen. Korrekter können wir sagen, daß die Erfahrung in ihrer ursprünglichen Form reflexiv wurde aufgrund der Anerkennung der Identität der anderen, und daß sich erst allmählich eine reflexive Erfahrung von den Dingen als rein physikalischer Natur ausdifferenzierte / Whatever our theory may be as to the history of things, social consciousness must antedate physical consciousness. A more correct statement would be that experience in its original form became reflective in the recognition of selves, and only gradually was there differentiated a reflective experience of things which were purely physical“ (Mead 1980 g, 231).
Auch die Auseinandersetzung Meads mit der Relativitätstheorie, vor allem mit der von Whitehead gegebenen Lesart, bestätigt diesen Primat, erhöht ihn gar zur Kosmologie. — Mead vertritt ein Modell instrumentalen Handelns, das vier Phasen aufweist (vgl. Mead 1969 b, 102 ff): Zwischen die Phasen des Handlungsimpulses und des Handlungsvollzuges (consummation) schieben sich im bewußten Handeln der humanen Lebensform die Phasen der Wahrnehmung und der Manipulation, in denen Mead die Konstitution physischer Gegenständen denkt. Wahrnehmung hat einen aktiven, selektiven Charakter, sie ist primär Distanzerfahrung. Doch entsprechend der pragmatischen Maxime ist diese Distanzerfahrung von der Handlungserfahrung abhängig. Bestimmend für den Handlungsvollzug ist zunächst das Erreichen bzw. Vermeiden von Kontakten. Nahrungsaufnahme, Schutz, Fürsorge, Fortpflanzung usw. haben in diesem Sinn Kontaktwert, im Übergang von der tierischen zur humanen Lebensform jedoch, in dem die Bindung an Instinkte gelockert wird und Bewußtsein entsteht, wird die Hand für den Erwerb von Kontakterfahrung zum dominanten Sinnesorgan. Hand und Auge werden miteinander koordiniert, stehen in einer Beziehung wech-
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selseitiger Kontrolle zueinander, Kontaktwerte interpretieren in der Wahrnehmung Distanzwerte und umgekehrt: „Wahrnehmung ist ein Prozeß der Vermittlung innerhalb einer Handlung, und zwar jene Form von Vermittlung, durch die ein möglicher Kontaktwert einer Reizung aus der Distanz zugleich mit dieser Reizung auftritt. Es handelt sich, mit anderen Worten, um eine Vermittlung, aufgrund derer wir uns gegenständlicher Dinge bewußt sind / Perception is a process of mediation within the act; and that form of mediation by which the possible contact value of the distance stimulation appears with that stimulation, in other words, a mediation by which we are conscious of physical things“ (Mead 1980 c, 156 f).
Das physische Ding entsteht demnach in der gehemmten Handlung aus der Koordination von Distanz- und Kontaktwahrnehmung, Kontaktwert und Wahrnehmungsreiz interpretieren sich wechselseitig. Kriterium für die Realität des Gegenstands bleibt der im Handlungsvollzug erreichte Kontakt: „Kontakt ist das Erfolgskriterium der Handlung und entscheidet darüber, ob wir einem Irrtum oder einer Illusion zum Opfer gefallen sind. Das Ding existiert tatsächlich, wenn wir Kontakt mit ihm haben oder haben könnten / Contact is the test of the success of the act and decides whether we are subject to error or illusion. The thing is there if we have or could have contact with it“ (Mead 1969 c, 131 f).
Wahrnehmungsgegenstände sind notwendige Voraussetzung für erfolgreiche Manipulation, für zweckorientiertes, problemlösendes Handeln. An dessen Abschluß kann eine Kontakterfahrung stehen, diese tritt jedoch immer seltener auf, je weiter entwickelt die reflexive Intelligenz ist: Handlungsvollzüge bestehen dann in Distanzerfahrungen (vgl. Joas 1980, 147; 229). — Doch worin besteht nun eine Kontakterfahrung? Inwieweit verläßt Mead die im engeren Sinne pragmatistische Denkweise und ordnet die Theorie des instrumentalen Handelns, der Wahrnehmung und der Gegenstandskonstitution seinem interaktionistischen Ansatz unter? Der Kontaktwert eines Objekts entsteht für Mead nicht aus der Beschaffenheit seiner Oberfläche, sondern aus seiner Innenseite, die allerdings nicht dadurch zu erreichen ist, daß man es zergliedert (vgl. Mead 1969 c, 134 ff). Die Innenseite des Gegenstands stellt sich vielmehr als Widerstand dar, den er dem Handelnden in der Kontakterfahrung entgegensetzt. Wie kommt der Handelnde zu dieser Widerstandserfahrung? „Die einzige Antwort, die ich auf diese Frage geben kann, lautet, daß der Organismus beim Greifen und
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Drücken von Dingen seine eigene Anstrengung mit der Kontakterfahrung des Dinges identifiziert /The only answer that I can give to the q uestion is that the organism in grasping and pushing things is identifying its own effort with the contact experience of the thing“ (Mead 1983 e, 227).
Diese Identifikationsleistung beruht auf der Fähigkeit zur antizipatorischen Rollenübernahme in der Interaktion. „The essential thing is that the individual, in preparing to grasp the distant object, himself takes the attitude of resisting his own effort in grasping, and that the attained preparation for the manipulation is the result of this co-operation or conversation of attitudes“ (Mead 1972, 110).
Das physische Ding ist ein „physical but co-operative ›other‹“ (Mead 1972, 109), der Handelnde übernimmt seine Rolle bzw. Perspektive, womit auf den Urzustand einer sozialisierten Natur verwiesen ist: „Alle Objekte sind urspünglich soziale Objekte / All objects are originally social objects“ (Mead 1969 c, 143; vgl. 1983 c, 164). Kinder und primitive Völker (vgl. Mead 1934, 153) leben in einer solchen Welt; Hans Joas (*1948) formuliert im Hinblick auf erstere: „Die elementare Einbeziehung des Kindes in den sozialen Umgang und die daraus resultierende Fähigkeit zur Rollenübernahme schafft die Möglichkeit zum entscheidenden Schritt der sensomotorischen Phase der kognitiven Entwicklung: der Dingkonstitution“ 1980, 158).
Die Desozialisierung der Natur tritt ein, wenn sich Ich-Identität und Körperschema voneinander trennen (vgl. Joas 1983, 201 ff). Die Dingkonstitution ist dafür ebenfalls entscheidende Voraussetzung, denn Teile des eigenen Körpers tauchen in der Erfahrung des Kindes zunächst ebenfalls in Form physischer Objekte auf. Die Zurechnung solcher Erfahrung zu einer Einheit des Körpers bedarf dann der Organisation, die jener der Ich-Identität gegenüber verschiedenen Rollen entspricht. — Im Ansatz sollte nun deutlich geworden sein, inwiefern der Interaktionismus — vor allem: traditionelle — Probleme der Philosophie zu rekonstruieren in der Lage ist. 3.2. Der Ausgangspunkt, unter dem die pragmatistische Philosophie hier eingeführt wurde, war die zunehmende wechselseitige Isolierung von Wissenschaft und Philosophie in der Moderne. Der Dualismus von Körper und Geist ist ein mit dieser Entwicklung eng verknüpftes Phänomen, dessen Wurzeln u. a. in der auf Galileo Galilei (1564—1642), John Locke (1632—1704) (s. Art. 22) und Descar-
III. Positionen
tes zurückgehenden Unterscheidung zwischen primären und sekundären Qualitäten liegen. Mead, der gegen diesen Dualismus Stellung bezieht, hat nicht nur eine Rekonstruktion von Geist (Bewußtsein, Intelligenz, Identität) und Körper (physischer Gegenstand, Körperschema) auf interaktionistischer Basis vorgelegt, er hat dabei auch die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Qualitäten in eine neue Perspektive gerückt (vgl. Mead 1969 b, 119 ff; 1983 c, 88 ff). Locke sah als primäre Eigenschaften die Qualitäten raumzeitlich lokalisierter Substanz, wie sie in der Newton’schen Dynamik gegeben waren. Die sekundären Eigenschaften von Klang, Farbe, Geruch usw. wurden dagegen subjektiviert, sollten einem Bewußtsein entspringen, das sie auf die Körper projizierte. Damit war Bewußtsein zu einem Epiphänomen degradiert und die Reduktion von sekundären Eigenschaften auf primäre legitimiert worden: „Die theoretische Physik erklärt [...] SekundärEigenschaften in Kategorien der Primär-Eigenschaften / Physical theory may be said to be explaining secondary q ualities in terms of the primary qualities“ (Mead 1969 b, 122).
Mead rekonstruiert diesen Dualismus: Sekundäre Qualitäten entsprechen Distanzreizen, primäre müssen als Kontakterfahrung dargestellt werden. Für die Physik bedeutet dies, daß jede Erfahrung als Kontakterfahrung zu gelten hat. Kontakterfahrung interpretiert dann nicht mehr Distanzwahrnehmung, sondern tritt an deren Stelle: „Physical science is reversing the attitude involved in perception, which endows the distance experience with contact values in the sense of giving solidity and contact extension to what is seen and heard, while science substitutes for these distance contents contact contents“ (Mead 1972, 299).
Doch offensichtlich beruht die Zergliederung der Materie in die Elementarteilchen der Physik nicht mehr auf unmittelbarer Kontakterfahrung — sie ist auf Distanzerfahrung angewiesen! „The statement of the indefinite divisibility of extension always implies the translation of the ultimate contact element into terms of distance experience — that of vision — and giving to it, therefore, variable dimensions which depend solely on the distance at which the imagination places the object of tactual experience“ (Mead 1972, 296; vgl. 1969 b, 126; 1969 d, 291).
Eine experimentelle Überprüfung bleibt hier auf das Sichtbare angewiesen, die entsprechende Handlung endet in einer Distanzerfahrung. Einer unmittelbaren Einlö-
52. Der interaktionistische Ansatz
sung in Kontakterfahrung ledig, stellen wissenschaftliche Objekte dann eine Arbeitshypothese des kreativen Wissenschaftlers dar, der damit konfligierende Erfahrungen zu einer konsistenten Einheit bringt, einen den weiteren Forschungsprozeß kontrollierenden Reaktionsgehalt gefunden hat (vgl. Mead 1983 b, 14 ff). — Meads Spätwerk ist durch die Auseinandersetzung mit der Relativitätstheorie gekennzeichnet, eine besondere Stellung nimmt hier seine Auseinandersetzung mit der von Whitehead gegebenen Interpretation ein (vgl. Mead 1983 b, 73 ff; 1983 d, 212 ff; Cook 1979, 107 ff). Als einziger unter den Pragmatisten stellt er sich die Aufgabe, auch die Vereinbarkeit der relativitätstheoretischen Grundeinsichten mit seinem interaktionistischen Pragmatismus zu erweisen. Die hochgradig komplexen Argumentationen, die Mead dazu vorlegt, sollen hier nicht resümiert werden. Ein Gedankengang mag ausreichen, um zu zeigen, wie Meads interaktionistischer Ansatz auch noch Probleme der Interpretation der Relativitätstheorie zu rekonstruieren in der Lage ist, ja sogar die Perspektive für eine relativitätstheoretisch informierte Kosmologie eröffnet. — Die Relativitätstheorie führt vor allem zu einer Revision des Begriffs der Gleichzeitigkeit. Gleichzeitigkeit kann nicht mehr durch einen Zeitpunkt in einer absoluten Zeit repräsentiert werden, an seine Stelle tritt das gleichsinnige Raumzeitsystem von Beobachter, dessen Signalwahrnehmung und dem zeitlich distanten Ort des Signalurspungs. Das entfernte Objekt kann als gleichzeitiges nur bestehen, insofern es durch einen Kontaktwert interpretiert wird, zu einem physischen Gegenstand gemacht wird. Mead geht zustimmend auf Whiteheads Begriff des gleichsinnigen Systems (consentient set) (vgl. Whitehead 1919, 31 ff) ein, da er hierin auf eine Auffassung trifft, die die objektive Realität von Perspektiven anerkennt (vgl. Mead 1983 d, 212 ff). Der ›schöpferische Fortschritt der Natur‹ besteht im Entstehen und Vergehen dieser Systeme. Kritik übt Mead jedoch daran, daß Whitehead keine befriedigende Konzeption für die Organisation dieser Perspektiven untereinander anbietet (vgl. Mead 1983 d, 220). So muß für die Existenz von Gegenständen in verschiedenen gleichsinnigen Systemen bzw. für ihre Permanenz über das Vergehen eines solchen gleichsinnigen Systems hinaus Vorsorge getroffen sein: „As long as we accepted an absolute timeless space, this permanence of the physical object could be
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conceived of as the effective occupation of a certain spatial volume; but, if this spatial volume passes, its occupation ceases and with it the permanence of the object“ (Mead 1972, 324).
Whitehead löst dieses Problem durch die Einführung von zeitlosen Gegenständen (eternal objects) als Ingredienzien gleichsinniger Systeme. Mead ist mit diesem Rückgriff auf platonische Ideen jedoch nicht einverstanden, genausowenig wie er die von Albert Einstein (1879—1955) vorgeschlagene Lösung einer noumenalen Welt akzeptiert, die diese Transformation zwischen den Systemen leistet, aber in dieser Leistung nicht erkannt werden kann (vgl. Mead 1944, 324). Als Lösung für das Problem, wie ein Objekt in mehreren Perspektiven sein kann, bietet Mead sein interaktionistisches Konzept der Perspektivenübernahme an: „Mit Hilfe des sozialen Mechanismus der signifikanten Symbole vermag der Organismus sich ›nach dort‹ zu versetzen [...]. Diese Möglichkeit ist [...] in der Natur selbst gegeben / Through the social mechanism of significant symbols the organism places itself there as a possibility [...] But the possibility is there in nature“ (Mead 1983 d, 222).
Der Begriff, mit dem Mead die Organisation von Perspektiven auf die Höhe einer kosmologischen Betrachtung bringt, ist der der Sozialität. Was Mead als das Konzept der Perspektivenübernahe in seiner Theorie sprachlich vermittelter Interaktion entwickelt hat, ist hier zum Prinzip von kosmologischer, organischer und humaner Evolution generalisiert. „Das Prinzip der Sozialität [...] besteht nun darin, daß das entstehende Objekt in der Gegenwart, in der die entstehende Veränderung auftritt, bei seinem Übergang [...] aus dem alten in das neue System [...] verschiedenen Systemen angehört; seine Eigenschaften sind Eigenschaften, die es aufgrund seiner Zugehörigkeit zu diesen verschiedenen Systemen besitzt / Now the principle of sociality [...] is that in the present within which emergent change takes place the emergent object belongs to different systems in its passage from the old to the new [...] and possesses the characters it has because of its membership in these different systems“ Mead 1969 d, 296 f).
Die Emergenz neuer Ordnungen, der schöpferische Fortschritt der Natur, vom subatomaren Prozeß bis zur Ich-Identität des Menschen, basiert auf diesem Prinzip. Die Natur ist nicht mehr zweigeteilt, in Materie und Geist; beides sind nur Stufen der emergenten Evolution der Natur.
744
4.
III. Positionen
Der Interaktionismus als Sprachphilosophie
Die Auseinandersetzung um den Interaktionismus hat einen beträchtlichen Umfang angenommen (vgl. Lowy 1986, 471 ff). Als sprachphilosophische Position ist der Interaktionismus jedoch relativ isoliert geblieben. Eine Rezeption anderer sprachphilosophischer Ansätze ist in der Nachfolge Meads nicht angestrengt worden, andererseits hat der Interaktionismus auch keine Beachtung durch Positionen gefunden, die eine Philosophie sprachlichen Handelns aus anderen als pragmatistischen Prämissen entwickeln — das schließt einzelne Ausnahmen nicht aus (vgl. Keen 1968, 14 ff; 39 ff; Tugendhat 1979, 245 ff; 264 ff). Ein wichtiger Grund dafür mag in dem Umstand liegen, daß Meads Begriff von Sprache und sprachlichem Handeln nicht genügend komplex ist. Mead macht weder die syntaktische Organisation von Äußerungen zum Thema, noch können seine bedeutungstheoretischen Überlegungen eine vollwertige Semantik begründen; auch die verschiedenen Arten des illokutionären Verwendungssinns sprachlicher Äußerungen berücksichtigt er nicht; Mead vernachlässigt die propositionale Ausdifferenzierung von Rede, die Verwendung von identifizierenden singulären Termini, die z. B. in Gestalt der Personalpronomina nicht nur auf ein ego und einen alter, ein Ich und ein Du verweisen, sondern auch auf eine dritte Person (vgl. Habermas 1981 II, 48; Joas 1980, 115; Tugendhat 1979, 258). Das mag damit zusammenhängen, daß Mead in der Regel sprachliches Handeln auf vom sozialen Kontext abhängige imperativische Ein- und Zweiwortsätze zurückführt. Der Umstand, daß in sprachlicher Kommunikation die Reaktionen des alter ego vorwiegend wiederum in sprachlichen Äußerungen, in Antworten bestehen, und nicht in anderen Handlungen, daß Antworten und entsprechend Ja/Nein-Stellungnahmen erwartet werden, wird nicht zureichend erfaßt. Die in signifikanter Kommunikation gebildeten sozialen Verhaltenserwartungen, das soziale Bewußtsein von Bedeutungen: Sie sind in sich undifferenziert. Zwar kennzeichnet Mead deutlich den Fall einer erwartungsenttäuschenden abweichenden Meinung oder Handlung, die zumindest mit der Sanktion der Mißbilligung durch die anderen Mitglieder der sozialen Gruppe rechnen bzw. um universelle Anerkennung kämpfen muß. Den Fall eines nicht regelgerechten Gebrauchs der
sprachlichen Verständigungsmittel untersucht er jedoch nicht, wie er überhaupt die Ausdifferenzierung wesentlich sprachlicher Regeln bzw. Konventionen aus wesentlich nichtsprachlichen, jedoch im Medium sprachlichen Handelns vermittelten Regeln bzw. Konventionen ignoriert. Behauptungen oder Versprechen sind dann z. B. Sprechakte, für die das analytische Potential des Interaktionismus nicht hinreicht. — Dennoch zeichnet den Interaktionismus gegenüber anderen Konzeptionen des Sprechhandelns ein gewichtiger Vorteil aus: sein objektivistischer Begriff einer sozialen, identischen Bedeutung, eines gemeinsamen Wissens. So sieht Jürgen Habermas (*1929) (vgl. 1984, 348 ff) in Meads bedeutungstheoretischem Ansatz eine Möglichkeit, Defizite der intentionalistischen Semantik von Grice (1913—1988) und deren Nachfolgepositionen (Jonathan Bennett, Stephen R. Schiffer) aufzuzeigen und eine Gegenposition zu entwickeln. Aber auch die in der Sprechakttheorie Austins (1911—1960) für illokutionäre Akte grundlegenden Konventionen (vgl. Austin 1979, 47 ff; passim) lassen sich auf der Basis des interaktionistischen Ansatzes rekonstruieren (vgl. Leist 1975, 75 ff). — Im intentionalistischen Kommunikationsbegriff von Grice (s. Art. 94) soll ein Verstehen bei alter dadurch hervorgerufen werden, daß alter die Intention egos erkennt, durch egos Äußerung bei ihm eine bestimmte Reaktion — z. B. die Überzeugung, daß p der Fall ist — zu bewirken, und diese Kenntnis von egos Intention zu seinem Grund macht, diese bestimmte Reaktion zu zeigen (vgl. Grice 1979 a, 2 ff; 1979 b, 16 ff). Die Schwierigkeiten, einen solchen ›Grice-Mechanismus‹ zu begründen, hat Bennett (*1930) schließlich bewogen, sprachliche Verständigung derart zu begreifen, daß ein Grice-Mechanismus gar nicht benutzt werden muß, sondern ego intentionsfreie Daten zum Auslösen der gewünschten Reaktion zu besorgen beabsichtigt, „d. h. den Hörer mit etwas konfrontiert, was unabhängig davon, warum es von dem Sprecher verfügbar gemacht wird, als ein Grund dafür zählt, daß p der Fall ist / that is, by confronting A with something which counts as evidence for P independently of why U made it available“ (Bennett 1982, 261).
Der Kontrast zu Mead ist offensichtlich: Hier ist die Konstitution von Dingen und Sachverhalten schon vorausgesetzt, noch bevor Verständigung entsteht. Sprache kann
52. Der interaktionistische Ansatz
dann nicht Medium sein, in dem Konventionen bzw. gemeinsames Wissen, entstehen, sondern muß ihrerseits konventionalistisch begründet werden (vgl. Bennett 1982, 269 ff; Lewis 1975, 125 ff). — Die logische Rekonstruktion des Übergangs von einer primitiven Gebärdenkommunikation zur sprachlich vermittelten Interaktion, die Mead gibt, erscheint gegenüber intentionalistischen Modellen der Verständigung immer noch die angemessenere zu sein. Auch die darin implizierte These vom sozialen Bewußtsein von Bedeutungen, vom gemeinsamen Wissen der Handelnden, hat einige Plausibilität — trotz der an ihr geübten Kritik (vgl. Tugendhat 1979, 257 f; Scheffler 1974, 180 ff) — für sich, sofern man nicht auf den Nachweis einer existentiellen Identität der Bedeutungen hinauswill und sich mit dem — zugegeben: diffusen — Kriterium des Handlungserfolgs, der funktionalen Identität zufriedengibt. Präzisierung kann hier erst erwartet werden, wenn die Konseq uenzen einer interaktionistischen Rekonstruktion des Übergangs von einer Kommunikation signifikanter Symbole zur propositional ausdifferenzierten Rede ausbuchstabiert sind.
5.
Literatur in Auswahl
5.1. Schriften Meads Mead 1934, Mind, Self, and Society. From the Standpoint of a Social Behaviorist. Mead 1944, Movements of Thought in the Nineteenth Century. [1936] Mead 1969 a, Philosophie der Sozialität. Aufsätze zur Erkenntnisanthropologie. Mead 1969 b, Die einzelnen Phasen der Handlung, in: Mead 1969 a. [1938] Mead 1969 c, Der soziale Faktor in der Wahrnehmung, in: Mead 1969 a. [1938] Mead 1969 d, Die Philosophie der Sozialität, in: Mead 1969 a. [1932] Mead 1972, The Philosophy of the Act. [1938] Mead 1980 a, Gesammelte Aufsätze. Band 1. Mead 1980 b, Die Definition des Psychischen, in: Mead 1980 a. [1903] Mead 1980 c, Über tierische Wahrnehmung, in: Mead 1980 a. [1907]
745
Mead 1980 d, Die Beziehungen von Psychologie und Philologie, in: Mead 1980 a. [1904] Mead 1980 e, Sozialpsychologie als Gegenstück der physiologischen Psychologie, in: Mead 1980 a. [1909] Mead 1980 f, Soziales Bewußtsein und das Bewußtsein von Bedeutungen, in: Mead 1980 a. [1910] Mead 1980 g, Welche sozialen Objekte muß die Psychologie voraussetzen? In: Mead 1980 a. [1910] Mead 1980 h, Der Mechanismus des sozialen Bewußtseins, in: Mead 1980 a. [1912] Mead 1980 i, Eine behavioristische Erklärung des signifikanten Symbols, in: Mead 1980 a. [1922] Mead 1980 j, Die Genesis der Identität und die soziale Kontrolle, in: Mead 1980 a. [1925] Mead 1980 k, Rezension von John Dewey, Human Nature and Conduct, in: Mead 1980 a. Mead 1982, The Individual and the Social Self. Mead 1983 a, Gesammelte Aufsätze. Band 2. Mead 1983 b, Wissenschaft und Lebenswelt (Nachlaß), in: Mead 1983 a. Mead 1983 c, Körper und Geist (Nachlaß), in: Mead 1983 a. Mead 1983 d, Die objektive Realität der Perspektiven, in: Mead 1983 a. Mead 1983 e, Das physische Ding (Nachlaß), in: Mead 1983 a.
5.2. Schriften zu Mead und dem Interaktionismus Baldwin 1986, George Hebert Mead — A Unifying Theory for Sociology. Blumer 1969, Symbolic Interactionism. Perspective and Method. Habermas 1981, Theorie des kommunikativen Handelns. Joas 1980, Praktische Intersubjektivität. Die Entwicklung des Werkes von G. H. Mead. Joas, 1992 a, Pragmatismus und Gesellschaftstheorie. Joas 1992 b, Die Kreativität des Handelns. Miller 1980, George Herbert Mead. Self, Language and the World. Scheffler 1974, Four Pragmatists. A Critical Introduction to Peirce, James, Mead and Dewey. Thayer 1981, Meaning and Action. A Critical History of Pragmatism. Wenzel 1990, George Herbert Mead zur Einführung.
Harald Wenzel, Berlin (Deutschland)
III. Positionen
746
53. Die transzendentalpragmatische Position 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Vorbemerkung Überblick über die Gesamtkonzeption Sprache als Bedingung der Möglichkeit von Vernunftleistungen Die pragmatische Dimension der Sprache Grundzüge transzendentalpragmatischer Sprachphilosophie Transzendentalpragmatische Kritik der kommunikativ verfaßten Vernunft Literatur in Auswahl
Vorbemerkung
Sprache, die immer ein wichtiger Gegenstand der Philosophie war, wurde im 20. Jahrhundert ausdrücklich ins Zentrum dieser Disziplin gerückt. Sprachphilosophie wurde prima philosophia und hat inzwischen als solche — am Ende dieses Jahrhunderts — schon wieder eine ganze Entwicklungsgeschichte hinter sich. Transzendentalpragmatik ist der Versuch, mit der heute bestehenden Diskussionssituation, wie sie sich aus dieser Entwicklung ergeben hat, philosophisch so vollständig und radikal wie möglich fertigzuwerden. Sie ist der Versuch einer umfassenden Diagnose der Situation und ihrer Genese, einer kritischen Würdigung der Diskussionsbeiträge und -resultate. Im Zentrum steht dabei der Gesichtspunkt der möglichen Vereinbarkeit der Beiträge und Resultate, d. h. der Blick auf eine zur Integration der Einzelresultate fähige philosophische Gesamtkonzeption. Und bei alledem spielt die Reflexion auf die verschiedenartigen Zugangsweisen zur Sprache, die Kontrolle der methodischen Zugriffe und Abstraktionen eine ganz besondere Rolle. — Weil die Pointe der transzendentalpragmatischen Sprachphilosophie nicht so sehr in der Entwicklung eines originellen, konstruktiven Neuentwurfs, sondern eher in der ›Aufhebung‹, der kritischen Weiterführung schon gewonnener Einsichten in einer möglichst umfassenden und nicht-naiven Sprachphilosophie liegt, darum ist für sie die — an Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770—1831) erinnernde — Verbindung von systematischer und historischer Arbeit wesentlich.
2.
Überblick über die Gesamtkonzeption
Bei einem solchen Ansatz empfiehlt es sich, die Darstellung mit einem globalen Überblick
über die Gesamtkonzeption zu eröffnen und die Vorstellung der Details, die Diskussion der Einzelfragen daran anzuschließen. — Eine fruchtbare Perspektive für einen solchen vorläufig orientierenden Überblick läßt sich der philosophischen Anthropologie entnehmen. Sie erlaubt es, das Phänomen Sprache aus relativ großer Distanz zu betrachten, es als Ganzes in seiner Bedeutung für Leben und Überleben der Gattung zu würdigen und zu vielem fruchtbar in Beziehung zu setzen. Vor allem aber ist diese Perspektive bei dem Urheber der transzendentalpragmatischen Sprachphilosophie, bei Karl-Otto Apel (*1922), ständig im Spiel und als Konstruktionsprinzip wirksam. — Die philosophische Anthropologie kann zeigen, „daß beim Menschen im Unterschied zum Tier sowohl die kognitiven (theoretischen) wie auch die praktischen Lebensfunktionen und im Zusammenhang damit sowohl die Subjekt-Objekt-Relation wie die Subjekt-Subjekt-Relation menschlichen Verhaltens mit Hilfe der Sprachfunktion und im Sinne der Sprache neu aufgebaut und aufeinander bezogen sind“ (Apel 1974 a, 562).
2.1. Die Neuorganisation des zentralen Erkenntnis- und Steuerungssystems beim Menschen durch die Sprache bringt gegenüber dem durch Instinktprogramme gesteuerten und geformten Erkennen und Verhalten der Tiere vor allem folgende fundamentale, für die transzendentalpragmatische Sprachphilosophie zentrale Veränderung: An die Stelle des einfachen, direkten, durch Instinktprogramme ermöglichten und geformten Verhältnisses ‘Tier-Umwelt’ (gegliederte Merkund Wirkwelt) tritt beim Menschen ein komplexes, indirektes, zweistufiges, nämlich reflexiv gebrochenes Verhältnis zu seiner Umgebung. — Erkenntnis ist beim Menschen noch nicht das bloße Vorliegen einer adäq uaten Repräsentation des zu Erkennenden. Erkenntnis ist erst das Gegebensein einer solchen Repräsentation für jemanden, der in reflexiver Distanz zu dieser Repräsentation Stellung nehmen kann. Zeichen- bzw. sprachvermittelte Erkenntnis ist eine dreistellige Relation, bei der das Vermittelnde, das für ein Subjekt den Bezug auf Gegenstände allererst ermöglicht, die an materielle Substrate gebundene Sprache, selbst gegenständlich gegeben ist, in seiner Vermittlerrolle eigens distanziert, beachtet und berücksichtigt werden kann. — Natürlich ist gleichwohl die Verbindung zwi-
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schen Sprache und Erkenntnis sehr eng. Sowenig wie die zweckmäßige Repräsentation der Umwelt für die Tiere ohne entsprechende Instinktprogramme und dazugehörige Verrechnungsmechanismen möglich ist, sowenig ist Artikulation (s. Art. 77) von etwas als etwas und insbesondere dergleichen wie intersubjektiv gültige, für alle konsensfähige Erkenntnis ohne Sprache möglich. Und sowenig man davon reden kann, daß die an sich schon fertigen Wahrnehmungen der Tiere durch die in der biologischen Evolution entstandenen Verrechnungsmechanismen bloß nachträglich überformt werden, sowenig kann davon die Rede sein, daß die kultureller Evolution sich verdankende Sprache bloß nachträglich zu den an sich schon fertigen Einsichten hinzukommt, diese nur befestigt und öffentlich sichtbar macht (s. Art. 116). Menschliche Erkenntnis ist vielmehr von Anfang an sprachlich vermittelt. — Dennoch aber ist es wesentlich für die menschliche Erkenntnis, daß das Vermittelnde selbst da ist für das Erkenntnissubjekt, daß in die kognitive Beziehung zur jeweiligen Realität eine besondere reflexive kognitive Beziehung zum Vermittelnden selbst eingelassen ist, daß das bestimmte Vermittelnde von dem Vermittelten analytisch abgehoben, eigens distanziert und problematisiert werden kann. 2.2. Daß das einfache, instinktgeformte Verhältnis ‘Tier—Umwelt’ beim Menschen durch dies reflexiv gebrochene sprachvermittelte Verhältnis ersetzt wird, schafft eine grundsätzlich andere Situation für das ‘Mensch’ genannte Tier. Der Mensch ist zwar darauf angewiesen, sich in seinem Verhältnis zur Realität durch eine je bestimmte konkrete Sprache vermitteln zu lassen, sich damit an je bestimmte Perspektiven, dogmatische Zugangsweisen zu binden, aber anders als das Tier ist er daran nicht auf Dauer gefesselt. Er ist nicht in einer invarianten Umwelt gefangen. Er hat ›Welt‹, ist ›weltoffen‹ und kann den je bestimmten Zugang zu ihr, die bestimmte vermittelnde Sprache als etwas Bestimmtes, Einseitiges, thematisieren und transzendieren. — Außerdem ist Sprache etwas, das der Mensch in gewissem Sinne selbst gemacht, als selbstgeschaffene Institution an die Stelle des Instinkts gesetzt hat, das er in eigene Regie übernehmen, umformen, ja sogar in bestimmten Bereichen selbst konstruieren kann, über das der Mensch in gewissem Sinne verfügt.
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2.3. Aus dieser andersartigen Situation ergeben sich grundsätzlich andere Aufgaben und Probleme für den Menschen. Zu nennen ist vor allem das Problem der Einheit der Erkenntnis bzw. der Vernunft angesichts der Disparatheit der in verschiedenen Sprachen artikulierten Weltrepräsentationen, dann das Problem der Einheit der Wahrheit angesichts der bis zur scheinbaren Inkommensurabilität verschiedenen sprachlichen Zugangsweisen (s. Art. 73), sowie das Problem der Absolutheit des Wahrheitsanspruchs angesichts der Kontingenz der sprachabhängigen Perspektiven, aus denen er erhoben wird. — Hier gibt es ferner die Probleme der Angemessenheit, der Sprachkritik. Diese können je nach Kontext in verschiedenen Graden der Explizitheit auftreten. Aber im Prinzip gilt, daß mit der sprachlichen Neuorganisation des Steuerungssystems beim Menschen von Anfang an die Problemdimension der Sprachkritik offensteht, der Sprachkritik, die zuständig ist für die Fragen der rechten Sprache, der Fruchtbarkeit (›meaningfulness‹), für die eventuell erforderlich werdende Korrektur, ja in bestimmten Fällen sogar für die Umschaffung oder Neukonstruktion von Sprachen für bestimmte Zwecke. — Hier gibt es schließlich — und zwar auch als Voraussetzung für die Bewältigung der eben genannten Probleme — die Dimension reflexiven Erkennens und Wissens von Sprachen, des Verstehens von Sprachen und sprachlichen Äußerungen, der Verständigung über Sinn und Bedeutung (s. Art. 81), der Übersetzung und — in späteren weiter ausdifferenzierten Verhältnissen — die Probleme der Hermeneutik (s. Art. 45), der theoretischen Linguistik und der Sprachphilosophie. 2.4. Dadurch daß der Mensch in der kulturellen Evolution die Form seiner kognitiven Auseinandersetzung mit der Realität zunehmend in eigene Regie übernimmt — er bindet sie an selbstgeschaffene Institutionen, gewinnt immer mehr Kontrolle und Verfügung über sie, indem er sie in steigendem Maße durchschaut, zwischen ihnen frei wechseln lernt, sie korrigiert und umbaut — verändert sich der Charakter dieser Aktivität fundamental. Kognitive Auseinandersetzung ist daher gerade nicht — wie die traditionell einflußreichsten einschlägigen Metaphern, die Theorie-Metapher und die Bild-Metapher (›Repräsentation‹), suggerieren — etwas wesentlich Zweistelliges und Statisches (Beziehung zwischen Gegenstand und Auge, bzw.
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Bild, ›ruhige Schau‹). Sie ist vielmehr etwas essentiell Dreistelliges und Dynamisches. Das Spezifische besteht nicht in der statischen Kontemplation, sondern eher in der dynamischen Destruktion der immer schon gegebenen sprachlichen ›öffentlichen Ausgelegtheit‹, in der aktiven Bemühung um den rechten Zugang zur Sache, der tätigen Kritik der eingefahrenen Sehgewohnheiten. Menschliche Erkenntnis ist, was die traditionellen Metaphern unterschlagen, Erkenntnis und Erkenntnis- bzw. Sprachkritik zusammengenommen. 2.5. Wird Sprache aus dieser Perspektive verstanden, dann verliert die traditionelle, bis heute mächtige, ja dominierende Idee des absoluten Primats einer von den kommunikativen Funktionen wesentlich unabhängigen Repräsentationsfunktion der Sprache ihre Plausibilität. Sie muß zusammenbrechen, wenn sich herausstellt, daß der theoretische Gebrauch der Sprache als Mittel der Repräsentation beim ‘Mensch’ genannten Tier entscheidend davon abhängt, daß vor allem das Moment daran beteiligt ist, welches für die kommunikativen Funktionen des Verstehens (s. Art. 94), des Sichverständigens, Übersetzens zentral, ja konstitutiv ist: Reflexion auf die Sprache. An Stelle des Modells, nach dem Sprache wesentlich zur Darstellung von etwas da ist, tritt nun das Modell, nach dem Sprache primär zur Verständigung über etwas gemacht ist. — Die damit plausibel werdende Idee von der Abhängigkeit der theoretisch deskriptiven Funktion der Sprache von der kommunikativen Funktion läßt sich entscheidend verschärfen durch das Wittgensteinsche Privatsprachenargument. Sie führt letztlich zur These von der notwendigen wechselseitigen Verschränkung kognitiver sprachvermittelter Aktivitäten in der Subjekt-Objekt-Relation mit solchen in der Subjekt-Subjekt-Relation, eine These, die ja schon in der Auffassung von der Erkenntnis als Leistung, die immer zugleich auch Auseinandersetzung mit der sprachlichen ›öffentlichen Ausgelegtheit‹ der Welt ist, deutlich impliziert ist. 2.6. Wird dieses Letztere aber zugegeben, dann wird endlich eine ganz wesentliche Implikation der Idee sprachvermittelter Erkenntnis deutlich, die die Tragweite des ›linguistic turn‹ der Philosophie des 20. Jahrhunderts erst richtig sichtbar macht. Dann kann man nämlich behaupten, daß Vernunft, die gemäß dem Hauptstrom der neuzeitlichen Philosophie nur aus der Opposition zur Na-
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tur, nämlich aus dem Subjekt-Objekt-Schema verstanden wurde, von Anfang an eine soziale Dimension hat, von Anfang an ebenso wie auf zu erkennende Objekte, so auch auf miterkennende, mithandelnde und kommunizierende Kosubjekte bezogen ist. Zu dieser wichtigen Implikation gehört auch die Idee, daß in der von Grund auf sozialen sprachvermittelten Vernunft sich Ansätze zu einer verbindlichen Vernunftethik finden lassen müssen. 2.7. Die Transzendentalpragmatik behauptet, daß eine solche Konzeption, wie eben skizziert, dazu geeignet ist, sowohl den Blick auf das ganze, unverkürzte Phänomen Sprache zu ermöglichen und daher zu umfassender Integration der wesentlichen Diskussionsresultate fähig ist, wie auch zu einer philosophisch radikalen Form der Sprachphilosophie, genauer der Sprachkritik, die ja als Erbe der Erkenntniskritik zur Radikalität aus sinnkritischen Gründen ohnehin verpflichtet ist. — Freilich ist beides nur möglich in einer transzendentalphilosophischen Konzeption von Sprachphilosophie, die des näheren angesichts der erwähnten Besonderheiten des Phänomens Sprache die Form einer transzendentalpragmatischen Konzeption annehmen muß. — Nur ein transzendentalphilosophischer Ansatz erlaubt es, Sprache als das, als was sie vor allem philosophisch interessiert, als transzendentale Größe und insbesondere auch als die nie völlig objektivierbare Sprache q ua Medium der Sprachphilosophie selbst zur Geltung zu bringen. Und nur eine transzendentalpragmatische Konzeption, die auf einer transzendentalphilosophischen Deutung der pragmatischen Zeichendimension fußt, ist in der Lage, mit dem komplexen, reflexiv gebrochenen Verhältnis von Subjekt und Sprache, welches selbst noch sprachlich verfaßt und kanalisiert ist, fertig zu werden. Und nur eine solche Konzeption scheint dem Abschlußproblem einer radikalen Sprachkritik, dem Problem der reflexiven Selbstkritik dieser Kritik, gewachsen zu sein. — Soweit der globale Überblick über die transzendentalpragmatische Idee von Sprache und Sprachphilosophie im ganzen. Nun zur Darstellung einiger der wichtigsten Einzelaspekte dieser Konzeption.
3.
Sprache als Bedingung der Möglichkeit von Vernunftleistungen
Ein wesentlicher, ja fundamentaler Bestandteil der Transzendentalpragmatik besteht zunächst in der Verteidigung der These, daß
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Vernunft, Vernunftausübung, an Sprache gebunden ist, daß Sprache notwendige Bedingung für Erkenntnis ist, daß Sprachphilosophie und Sprachkritik daher keine peripheren Disziplinen der Philosophie sind, sondern als Erben der vormals zentralen Erkenntniskritik den Rang, den sie nun in der Philosophie des 20. Jahrhunderts haben, durchaus verdienen. Die These läuft darauf hinaus, daß philosophische Rekonstruktion von Vernunftleistungen nicht elementaristisch hinter die Sprache zurückgehen kann auf vorsprachliche Leistungen eines Subjekts, die gleichwohl das Prädikat ‘vernünftig’ verdienen können. — Die Verteidigung dieser These ist deswegen nicht überflüssig, weil erstens fast die gesamte philosophische Tradition von der Antike bis zum Anfang dieses Jahrhunderts durch die — mit dieser These in Widerspruch stehende — Common-Sense-Idee der Sprache beherrscht wurde und zweitens weil diese Idee, die auch im 20. Jahrhundert immer viele Anhänger behielt, durch die in gewissem Sinne postsprachanalytische intentionalistische Semantik wieder neubelebt wurde. In dieser Common-Sense-Konzeption kann zwar der Sprache durchaus ein hoher Stellenwert eingeräumt werden, Sprache bleibt aber etwas Nachträgliches, das zur an sich schon ohne sie fertigen Vernunft nur hinzutritt, ja auf Leistungen dieser vorsprachlichen Vernunft zurückgeführt werden muß. Apel faßt die Grundzüge dieser Konzeption prägnant in folgenden vier Punkten zusammen: „Zuerst erkennen wir — jeder für sich und unabhängig vom anderen — die Elemente der sinnlich gegebenen Welt (später ‘Sinnesdaten’ genannt); dann erfassen wir durch ›Abstraktion‹ mit Hilfe des Organons der allgemeinmenschlichen Logik die ontologische Struktur der Welt; dann bezeichnen wir — durch Übereinkunft — die Elemente der so gewonnenen Weltordnung und repräsentieren die Sachverhalte durch Zeichen-verknüpfungen; schließlich teilen wir anderen Menschen mit Hilfe der Zeichen-verknüpfungen die von uns erkannten Sachverhalte mit“ (Apel 1973 a II, 338 f).
Gegen diese Idee von Sprache verweist die Transzendentalpragmatik vor allem auf folgende Evidenzen,die hier ohne weitere Erläuterung einfach angeführt werden: (1) Die schlagenden Bemerkungen des jungen Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39), mit denen dieser den ›linguistic turn‹ ratifiziert: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ (T 5.6). „Die Grenze der Sprache zeigt sich in der Unmöglichkeit, die Tatsache zu beschreiben, die
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einem Satz entspricht [...], ohne eben den Satz zu wiederholen. (Wir haben es hier mit einer Kantischen Lösung des Problems der Philosophie zu tun.)“ (Wittgenstein 1977, 27). (2) Der Hinweis darauf, daß als Erkenntnis, als Einsicht, nur zählt, was formuliert vorliegt. Es ist im Rahmen ausdifferenzierter Bemühung um Erkenntnis kein zugelassener Zug, wenn man sich angesichts von Kritik auf das zurückzieht, was man (vorsprachlich privat) gemeint habe, aber nicht habe sagen können. — Eng zusammen damit hängt das Faktum, daß der Anspruch auf intersubjektive Gültigkeit und d. h. wesentlich auf intersubjektive Überprüfbarkeit an dem öffentlichen Vorliegen der Aussage und damit an ihrer sprachlichen Fassung hängt. (3) Die Beobachtung, daß der Geltungsanspruch der Wahrheit, der Anspruch, es treffe zu, was wir behaupten, nur auf einfache Weise und nicht doppelt erhoben wird. Es wird nur beansprucht, die Aussage treffe zu von der Realität, nicht aber zugleich auch noch, die Aussage sei eine selbst zutreffende Wiedergabe (des die Wirklichkeit wiedergeben sollenden) Gedankens. Es ist hier einfach kein Raum für eine in eine solche Lücke einbrechende Kritik. — Dasselbe Argument gilt übrigens auch von dem Anspruch, den Realitätsausschnitt in einer angemessenen Weise, in angemessener Sprache, artikuliert zu haben, was ja Voraussetzung für die Erhebung des Wahrheitsanspruchs ist. Auch dieser Anspruch wird ersichtlich nicht doppelt erhoben. (4) Die allgemein zugegebene Konzession, daß wissenschaftliche Erkenntnis abhängig ist von Kategoriensystemen, von theoriebeladenen (Grund-)Begriffen, von fundamentalen Metaphern, Bildfeldern etc. ebenso wie die, daß zur (wissenschaftlichen) Bemühung um Erkenntnis auch die kritische Auseinandersetzung mit diesen Kategoriensystemen, theoriebeladenen Begriffen, Metaphern gehört. In der Hermeneutik ist dies unter dem Namen ‘Kritik und Korrektur des Vorverständnisses’ die über alles entscheidende zentrale Aufgabe. Der Wissenschaftler entnimmt diese Kategorien, Begriffe, Metaphern, Vorverständnisse offenbar der jeweils faktisch verwendeten Sprache, der immer schon gegebenen ›öffentlichen Ausgelegtheit‹ der Welt — woher sollte er sie auch sonst nehmen —, und er gibt sie nach eventueller Korrektur wieder an diese zurück. Nun kann man das Spannungsfeld, in dem sich diese von jedermann zugestandene Bemühung bewegt, nicht anders bezeichnen, denn als das Spannungsfeld zwischen der
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faktisch gesprochenen eingelebten Sprache, an die anzuknüpfen ist, einerseits und der zu erarbeitenden optimalen Sprache, die die angemessene Form für die ›final opinion‹ wäre, andererseits. D. h. die unverzichtbare Rolle der faktischen, je besonderen Sprache für die Erkenntnis, in Opposition etwa zu einem jedermann immer schon zugänglichen (platonischen) Inventar von vor- oder übersprachlichen allgemeingültigen Begriffen, wird besonders deutlich, wenn man sich die Anstrengungen zur Kritik und Korrektur der Sprache vergegenwärtigt, ohne die wissenschaftliche Bemühungen um Erkenntnis nicht denkbar sind. (5) Als letztes Argument, das an dieser Stelle nur genannt, nicht ausgeführt werden kann, ist Wittgensteins Argument gegen die Möglichkeit privaten Regelbefolgens, gegen die Möglichkeit einer Privatsprache, zu erwähnen: „Und darum kann man nicht der Regel ›privatim‹ folgen, weil sonst der Regel zu folgen glauben dasselbe wäre, wie der Regel folgen“ (PU § 202). Dieses Argument geht freilich viel weiter als die bisher erwähnten. Aus ihm folgt ja nicht nur, daß Vernunftleistungen an Sprache gebunden sind, sondern auch an Kommunikation in einer Kommunikationsgemeinschaft. — Soweit die Hauptargumente zugunsten des ›linguistic turn‹.
4.
Die pragmatische Dimension der Sprache
In einem zweiten Schritt argumentiert die Transzendentalpragmatik sodann, und das ist der für sie eigentlich charakteristische Schritt, daß Sprache in ganz besonderer Weise transzendentale Größe ist, daß Vernunft und Sprache in komplexer Weise zusammenhängen. Hier geht es um die reflexive Gebrochenheit des sprachvermittelten Verhältnisses zur Realität, darum, daß Sprache sowohl als Medium wie auch zugleich als potentielles Thema zur Geltung gebracht wird. Es geht um die pragmatische Dimension der Sprache und zugleich auch um eine Kritik an der traditionellen philosophischen Verabsolutierung der Repräsentationsfunktion der Sprache. — Die einschlägige komplexe und facettenreiche Argumentation Apels ist am besten darzustellen in einer idealtypischen Rekonstruktion des ›pragmatic turn‹ in der sprachanalytischen Philosophie im Lichte des Problems der Einheit der Sprache(n) (Apel 1973 a II, 334 ff). — Wenn Vernunftgebrauch, Erkenntnis, unauflöslich an Sprache gebunden ist, und wenn
weiter die Tatsache, daß es viele verschiedene Sprachen gibt, nicht zu leugnen ist, dann ist das Problem der Einheit der Sprache von großer Bedeutung: Kommunikation ist nur möglich, wenn die Kommunikationspartner schon eine gemeinsame Sprache sprechen oder sie herstellen können. Erkenntnis ist — wie ein Blick auf die Synthesis-Lehre von Immanuel Kant (1724—1804) klarmacht — daran gebunden, daß die verschiedenen Momente, aus denen sie sich ergibt (›Vorstellungen‹, ›Gedanken‹, Sprechhandlungen wie Referenz (s. Art. 78) und Prädikation (s. Art. 77) etc.) in einem einheitlichen, d. h. nur durch die Identität einer Sprache möglichen — Sinnzusammenhang punktgenau passend aufeinander bezogen werden. — Einheit der Sprache ist schließlich schon dazu erforderlich, daß die unzweifelhaft gegebene Mannigfaltigkeit verschiedener Sprachen überhaupt als Mannigfaltigkeit von Sprachen verstanden und identifiziert werden kann. Ohne dieses wären z. B. Sprachphilosophie und Linguistik gar nicht möglich. Daß jemand spricht und nicht vielmehr etwas anderes tut, kann ja nur von jemandem verstanden werden, der als Sprecher seiner Sprache im Prinzip zugleich in der Lage ist, die andere Sprache zu verstehen, wozu die Möglichkeit, Einheit der Sprache durch Übersetzung herzustellen, erforderlich ist. 4.1. Eine lehrreiche und für die Entwicklung der sprachanalytischen Philosophie extrem wichtige Antwort auf die Frage steckt in Wittgensteins Tractatus, in gewissem Sinne die Geburtsurkunde des ›linguistic turn‹. Die hier wichtigsten Züge seiner Lösung sind folgende: (a1) Hinter der irreführend komplizierten Vielheit der faktischen Umgangssprachen verbirgt sich die eine ideale ›Universalsprache‹ (s. Art. 64). (b1) Hinter der irreführenden äußeren Form der Umgangssprache(n) verbirgt sich die allgemeingültige ›logische Form‹ der Universalsprache, die wahrheitsfunktional gebaut ist, und in der jeder sinnvolle Satz entweder Elementarsatz ist oder auf einen solchen logisch zurückgeführt werden kann. (c1) Wegen der Identität von logischer Form der Universalsprache und logischer Form der Welt ist in dieser Sprache unmittelbar intersubjektiv und objektiv (end-)gültige (nämlich angemessene und wahre) Repräsentation der Welt möglich. — Wittgensteins Idee einer für alle gemeinsamen, verbindlichen Einheitssprache, in der Kommunikation eines jeden mit jedem und intersubjektiv gültige Erkennt-
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nis möglich sein soll, enthält eine radikale, geradezu handstreichartige Lösung des Einheitsproblems, für die allerdings ein hoher Preis gezahlt werden muß: (a2) Die Einheit wird einfach angesetzt, das Problem der Vielheit und Verschiedenheit von Sprachen schlicht ignoriert. (b2) Kommunikation muß verstanden werden nach dem Muster von Datenübertragung zwischen völlig gleichgeschalteten Individuen. Verständigung über gemeinsame Sprache, über eine gemeinsame vernünftige Weltinterpretation ist weder möglich noch nötig. — Erkenntnis ist reflexionslose Abbildung der Welt nach vorgegebenen, festen Strukturen. Form und Grenzen von Welt und Weltabbildung bleiben außerhalb des Bereichs möglicher Erkenntnis und Kontrolle, weil Erkenntnis ja gerade an die Identität von Form der Welt und Weltrepräsentation gebunden ist. (c2) Die ganze Konstruktion zerstört schließlich sich selbst, weil in ihr kein Platz für den philosophischen Konstrukteur, für das Wissen von der Konstruktion und von der Sprache vorgesehen ist. „Das denkende, vorstellende Subjekt [das dieses Wissen haben könnte, W. K.] gibt es nicht“ (Wittgenstein I 5.631). — Die Schärfe dieser paradoxen aporetischen Konstruktion läßt unmittelbar sehen, was hier fehlt und als Antwort auf den Tractatus erarbeitet werden muß: Damit Einheit der Sprache möglich ist, damit das, was hier ja schon betrieben wird, nämlich Sprachphilosophie, als möglich gelten kann, damit Minimalbedingungen für ein angemessenes Bild von Kommunikation und sprachvermittelter Erkenntnis erfüllt werden können, muß — selbst noch sprachvermitteltes — Wissen/ Bewußtsein von der Sprache möglich sein. Und zwar Wissen von der je eigenen Sprache, also sprachvermitteltes reflexives Wissen von Sprache, wie auch Wissen von fremden Sprachen, das deren Beschreibung, Analyse und Übersetzung möglich macht. — Sehen wir nun, wie die Entwicklung in der analytischen Philosophie aus der Perspektive der Transzendentalpragmatik faktisch verlief. 4.2. Eine erste Antwort verdanken wir Bertrand Russell (1872—1970) (Russell 1922, 22 f), der die zentrale Paradoxie des Tractatus dadurch aufzulösen versucht, daß er vorschlägt, über Sprache in ihrerseits wieder formalisierten Metasprachen zu reden und über diese Metasprachen in Metametasprachen etc. Damit wird zwar die Möglichkeit eingeführt, über Sprache kontrollierbar und durchsichtig etwas zu wissen und zu reden, aber
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ganz im Sinne der Typentheorie, die ja letztlich auf so etwas wie ein Verbot von Selbstreflexion überhaupt hinausläuft, wird das hier eigentlich und vor allem Geforderte, nämlich strikt reflexives Wissen von der Sprache, gerade vermieden: (a) eine Sprache wird hier immer nur von einer anderen Sprache her erkannt. Es kann kein zu einer Sprache selbst hinzugehöriges sprachlich vermitteltes Wissen von dieser Sprache geben. (b) Das bedeutet aber, daß es von der entscheidenden Sprache, an der alles je erworbene Verständnis hängt, von der (jeweils) letzten Metasprache, kein kontrollierbares Wissen geben kann. (c) Es kann schließlich kein Wissen geben, das kontrollierbar zwischen eigener und fremder Sprache vermitteln könnte. Daher ist hier ein befriedigender Begriff von Übersetzung und Kommunikation überhaupt unmöglich (s. Art. 59). 4.3. Eine zweite wichtige Antwort gibt Charles William Morris (1901—1979), der die — auf Charles Sanders Peirce (1839—1914) (s. Art. 32) und George Herbert Mead (1863— 1931) (s. Art. 52) zurückgehende — Semiotik des amerikanischen Pragmatismus in den Hauptstrom der analytischen Philosophie einbringt. Sein wichtigster Beitrag ist der Entwurf eines Zeichenmodells, das die bislang stillschweigend verabsolutierte syntaktische und semantische Zeichendimension durch eine pragmatische Dimension der Beziehung zwischen Zeichen und Zeicheninterpret ergänzt (Morris 1938 a). Mit dieser pragmatischen Dimension ist ein systematischer Ort vorgesehen für die hier gesuchte, zur jeweiligen Sprache selbst gehörige (d. h. sprachvermittelte, aber nicht an eine Metasprache gebundene) kognitive Beziehung des Sprachverwenders zu seiner Sprache. Diese Idee wäre geeignet, als Basis für die hier postulierte Antwort auf das wittgensteinsche Problem zu dienen. Zugleich eröffnet sich für Morris von hier aus der Blick auf die Mannigfaltigkeit sehr verschiedener Verwendungsweisen der Sprache zur Überwindung der traditionellen Orientierung allein an der Aussagefunktion (Morris 1946). — Aber dieser fruchtbare Ansatz wird von Morris weder im Sinne einer Anerkennung der Reflexivität der Sprache genutzt noch im Sinne einer wirksamen Zurücknahme der üblichen Verabsolutierung der Repräsentationsfunktion. Am ersten wird er gehindert durch den methodischen Behaviorismus, der das Verhältnis von Zeichen und Interpret nach dem Muster des Reflexivität
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gerade ausschließenden Verhältnisses von ›stimulus‹ und ‹response‹ versteht und der die Konzeption faktisch in Richtung auf eine bloß empirische (auf Beobachtung beruhende) Pragmatik abdrängte, die aber zur Rekonstruktion der zum Verstehen, Übersetzen, zur Rekonstruktion und Kritik von Sprachen erforderlichen Leistungen nicht ausreicht (s. Art. 50). Am zweiten hindert ihn die Übermacht des von Rudolf Carnap (1891—1970) vertretenen logizistischen Modells von Sprache, dem er mit seinem Programm ja zugleich zu Hilfe kommen will (Apel 1986, 55 ff). 4.4. Eine dritte repräsentative Antwort ist Carnap zuzuordnen: Für Carnap, den Konstrukteur vieler verschiedener semantischsyntaktischer Systeme, ist die von Wittgenstein noch garantierte Einheit und Verbindlichkeit der Universalsprache definitiv zerbrochen. Carnap kann daher den Problemen, die die Möglichkeit des Wissens von diesen Systemen betreffen — die ja konstruiert und gedeutet werden müssen —, ferner die Beziehungen dieser Systeme untereinander und zur in ihnen zu repräsentierenden Realität, nicht mehr ausweichen. Er versucht diese Probleme trotz grundsätzlicher Anerkennung des Morris’schen Vorschlags unter Bezug auf die Idee der Metasprache zu lösen, was ihn in die angedeuteten Schwierigkeiten dieser Idee verwickelt. Besonders bedeutsam ist hier jedoch seine berühmte — damit in Spannung stehende — resignative These, daß die sogenannten ›externen‹ Fragen, die die Probleme der Angemessenheit der jeweiligen Sprache betreffen — Fragen, die offenbar für Interpreten, Übersetzer, die an der Einheit des Sinnes, an der Vermittlung zwischen Sprachen arbeiten, und für Philosophen besonders wichtig sind — nicht als theoretisch-kognitive, sondern als bloß praktische, durch Entscheidungen zu lösende Fragen deklariert werden müssen (Carnap 1950). 4.5. All diesen Antworten ist folgendes gemeinsam: Zwar wird der offensichtlich entscheidende Mangel der wittgensteinschen Konzeption korrigiert: Wissen von der Sprache gilt hier als möglich. Doch in keinem Ansatz handelt es sich um reflexives Wissen. Russells durch Alfred Tarski (1902—1983) später befestigtes Reflexionsverbot erweist sich als übermächtig zumindest in der Tradition der formalsprachlichen Sprachanalyse. Ja das gilt selbst noch für den bedeutenden Schritt, den die normalsprachliche Wende des
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späten Wittgenstein bringt (s. Art. 60). Wir erwähnen hier nur das Wichtigste: (a) An die Stelle des einen völlig transparenten, ungegenständlichen Mediums der Universalsprache aus dem Tractatus tritt nun die Mannigfaltigkeit verschiedener — trotz ihrer transzendentalen Funktion selbst gegenständlicher — Sprachspiele, in denen die Sprache gewissermaßen in ganz verschiedenen Stellungen zur Realität vorkommt (s. Art. 96). (b) An die Stelle der wesentlich zweistelligen Beziehung zwischen Realität einerseits und weltabbildendem Sprachsystem andererseits (cf. Wittgenstein, T 5.631: („Das denkende, vorstellende Subjekt gibt es nicht“) tritt jetzt eine drei- oder besser noch vierstellige Beziehung zwischen Welt/Weltausschnitt, Sprachspiel und den mindestens zwei Spielern, ohne die ein Spiel nicht gespielt werden kann (Privatsprachenargumente). Von zentraler Bedeutung ist dabei die Beziehung zwischen Sprecher und Sprache, die unter den verschiedensten Gesichtspunkten, besonders aber unter denen des Verstehens, Erlernens und Verwendens der Sprache (Gebrauchstheorie der Bedeutung) (s. Art. 68) thematisiert wird. Allerdings bleibt die darin immer enthaltene kognitive Beziehung von Sprecher und Sprache unentfaltet und eigentümlich im Halbdunkel. (c) Ähnlich steht es mit der Aktivität des Sprachphilosophen selbst. Offenbar unter dem Eindruck des Russellschen Verbots läßt Wittgenstein sie geradezu eklatant unterbestimmt und deklariert sie als bloße ›Erläuterung‹, als bloße ›Therapie‹ statt systematischer Theorie. Man findet kein Wort über den Ort, das Sprachspiel, von dem her über Sprachspiele geredet wird, von dem her alle Sprachen aufeinander bezogen werden (Apel 1973 a II, 346 ff). 4.6. Eine nochmalige Verschärfung dieser ›pragmatischen Wende‹ bringt die vor allem auf John Langshaw Austin (1911—1960) und John Roger Searle (*1932) zurückgehende Sprechakttheorie (s. Art. 54). Hier wird der gegenständliche, auf Reflexion verweisende Aspekt der Sprache noch zusätzlich betont durch die Idee, daß Sprache grundsätzlich als Handeln zu verstehen ist. — Die für die Verabsolutierung der Repräsentationsfunktion verantwortliche Sonderstellung der Konstativa wird bei Austin in ausführlichem und explizitem Vergleich mit anderen Sprechakttypen beseitigt. Auch die Konstativa sind (Verständigungs-)Handlungen, die wie alle anderen glücken und mißglücken können. —
53. Die transzendentalpragmatische Position
Als die grundlegende sprachliche Einheit wird der in einen performativen Eröffnungsteil und einen Daß-Satz (Proposition) gegliederte Sprechakt herausgearbeitet. Austin erklärt ausdrücklich, daß der Eröffnungsteil klarmacht, wie die Äußerung aufzufassen ist, er redet über das für diesen Eröffnungsteil charakteristische ‘hiermit’ (Austin 1972, 57). — Damit sind jetzt fast alle Mittel erarbeitet, um das wittgensteinsche Problem aufzulösen, aber das entscheidende Wort fehlt noch. Es fehlt ein deutliches Bewußtsein der Sprechakttheoretiker von der eigenen Aktivität, und es fehlt ein Bewußtsein davon, daß Reflexion schon implizit als konstitutiv für die grundlegende Redeeinheit, den Sprechakt, zugestanden ist.
5.
Grundzüge transzendentalpragmatischer Sprachphilosophie
Dieser letzten Einsicht wird erst durch die radikalisierende und ergänzende Interpretation der Sprachspieltheorie von Wittgenstein und der Sprechakttheorie durch Apel und Jürgen Habermas (*1929) zum Durchbruch verholfen. 5.1. Erst in dieser Interpretation, in der Anregungen aus der Semiotik von Peirce eine bedeutende Rolle spielen, wird (a) die Doppelstruktur des Sprechakts voll verstanden, (b) die Reflexion rehabilitiert, (c) die Abhängigkeit der Repräsentationsfunktion der Sprache von der Kommunikationsfunktion klar anerkannt und (d) ein umfassender Begriff der Sprache anhand der vier Geltungsansprüche und drei Weltbezüge entwickelt. Zu (a): Der Grundgedanke der Sprechakttheorie, daß Sprechen als Handeln verstanden werden muß, hat vor allem folgende Implikationen: Ein X kann nur dann als Handlung H — in Opposition zu einem bloßen Ereignis E — gelten, wenn (1) X H ist (d. h. faktisch bestimmte Eigenschaften hat) und (2) X vom Handelnden als H verstanden, interpretiert wird. Zum Handeln gehört ein mehr oder weniger explizites Verständnis des Handelns durch den Akteur wesentlich hinzu. Zu Handlungen muß man sich entschließen können; man muß die Verantwortung für sie übernehmen können; fehlerhafte, eventuell stark vom Muster abweichende Handlungen müssen gleichwohl als solche identifiziert werden können. All das ist nur möglich, wenn im Handeln Verständnis des Handelns involviert ist.
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— Die Anwendung dieser Idee auf die Sprachphilosophie führt unmittelbar auf den Zentralgedanken der Transzendentalpragmatik, der reflexiv gebrochenen sprachlich verfaßten Vernunft: Leistungen dieser Vernunft, in denen diese sich auf etwas bezieht, von etwas handelt, sind, wenn sie real sind, nicht nur einfach da, sondern sind immer schon notwendig für den Akteur als gedeutete da und haben insofern wesentlich auch den Charakter des Gegenständlichen für das betreffende Subjekt. — Genau dieses Verhältnis, in dem Sprache als Medium der Beziehung auf die Realität und zugleich selbst als Thema vorkommt, ist nun unüberbietbar klar ausgeprägt in der expliziten kanonischen Form des Sprechaktes: ‘Ich behaupte/frage hiermit, daß/ob p’, und es wird zugleich für die besonderen, bei Sprechhandlungen typischen Zwecke ausgenützt. Schon Austin war das die reflexive Struktur implizierende ‘hiermit’ aufgefallen. Doch erst Habermas hat die Sache glücklich auf den Begriff gebracht, nämlich auf den Begriff der reflexiv verfaßten performativ-propositionalen ›Doppelstruktur‹ des Sprechaktes (Habermas 1976, 224 ff). — Danach besteht ein Sprechakt aus zwei Teilen, dem illokutiven Akt, dem in der Standardform der expliziten Sprechhandlung der performative Satz entspricht, und dem propositionalen Bestandteil, dem der propositionale Gehalt korrespondiert. Der illokutive Akt legt den Verwendungssinn des propositionalen Gehalts fest, und das Aktkomplement bestimmt den Inhalt, der unter der festgelegten kommunikativen Funktion ›als etwas ...‹ verstanden wird. Der performative Satz bezieht sich sowohl auf sich selbst (‘hiermit’), wie auf den propositionalen Teil. „Sprechhandlungen interpretieren sich selbst; sie haben nämlich eine selbstbezügliche Struktur“ (Habermas 1988, 65). Freilich kann dieses selbst noch sprachlich kanalisierte, reflexive Verhältnis des Sprechers zu seinen Sprechhandlungen, an dem die reflexive Gebrochenheit der sprachlich verfaßten Vernunft besonders klar sichtbar wird, ganz verschiedene Grade der Explizitheit und der reflexiv objektivierenden Distanz annehmen. Aber der Ansatzpunkt für Reflexivität ist von Anfang an da (s. Art. 79, 95). Zu (b): Russells Verbot der Selbstbezüglichkeit in der Logik, hinter der das ganze Prestige der neuen Logik stand, wurde allgemein verstanden als Verbot von Selbstreflexivität überhaupt in disziplinierter wissenschaftlich-
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philosophischer Rede. Bei genauem Zusehen betrifft es die Möglichkeit von Philosophie schlechthin. Denn was bleibt, wenn man der Philosophie die — ohne Reflexivität nicht in Anspruch zu nehmende — Möglichkeit raubt, generell über Struktur, Regeln, Bedingungen der Möglichkeit von Urteilen, Gedanken, Aussagen zu handeln? — Nun konnte immer schon darauf hingewiesen werden (i), daß die Möglichkeit, alles syntaktisch Passende in logische Formalismen einsetzen zu können, und sich dann blind auf den Formalismus verlassen zu können, nicht ohne weiteres als das absolut zentrale philosophische Problem gelten muß, für dessen Lösung jeder Preis gezahlt werden muß; ferner (ii), daß ja schon die Typentheorie selbst als universal gelten sollende Theorie, bzw. Vorschrift, nur formuliert werden kann um den Preis, daß gegen sie verstoßen wird, und schließlich (iii), daß wir uns überhaupt Wissen von der Struktur unserer Aussagen und Gedanken nur zutrauen können, wenn wir mit Reflexion rechnen. Dennoch ist es ein nicht überflüssiger Hinweis und ein starker Einwand gegen die Russellsche These, daß eines der wesentlichen Resultate sprachanalytischer Philosophie in der Einsicht gesehen werden kann, daß die Umgangssprache selbst, an der ja nach wie vor die kontrollierte Einführung von Formalismen hängt, reflexiv verfaßt ist, daß Reflexivität internes und essentielles Strukturmerkmal der grundlegenden Einheit der Rede, des Sprechaktes, ist. Zu (c): Vom illokutiven Teil der Sprechakte her wird die Gesamthandlung interpretiert und damit determiniert. Es wird von hier aus der dominante Geltungsanspruch festgelegt und erhoben und damit die Stellung der Proposition zur Realität, der Verwendungssinn des propositionalen Teils (als Frage, Antwort, Befehl etc.) festgelegt und zum Ausdruck gebracht. Mit alledem — und das ist nur die andere Seite dieser Handlungen — wird zugleich und unvermeidlich ein Zug in einem Spiel gemacht und als solcher deklariert, der nicht nur für den Sprecher selbst, sondern für alle Mitspieler, die nun darauf möglichen spielgerechten Reaktionen festlegt, d. h. es wird die Art der nun möglichen (sozialen) Beziehungen der im Spiel Kooperierenden bestimmt. Dadurch daß ich zu einer Proposition einen Wahrheitsanspruch erhebe, lege ich den Verwendungssinn der Proposition fest, ihre Beziehung zur Realität, von der sie handelt, und fordere zugleich den Adressaten der
III. Positionen
Äußerung zu bestimmten Reaktionen auf (freie Zustimmung zu bzw. Ablehnung des Anspruchs) bzw. räume ihm bestimmte Rechte (zur Beurteilung, zur Kritik meines Produktes) ein. — Nun werden performative Sätze, in denen eine Äußerung als Sprechakt dieses oder jenen Typs deklariert wird, eindeutig der kommunikativen Funktion der Sprache zugerechnet. Sie sind dasjenige, über das vor allem die Kooperation in der Rede ermöglicht und organisiert wird, und sie sind zugleich die Redeteile, von denen im Hauptstrom der Sprachphilosophie vor der ›pragmatischen Wende‹ zugunsten der verabsolutierten Repräsentationsfunktion der Sprache regelmäßig abstrahiert wurde. Jetzt stellt sich als wichtiges Resultat einer vernünftig interpretierten Sprechakttheorie heraus, nicht nur, daß die Repräsentationsfunktion eine von vielen möglichen und durchaus gleichberechtigten Sprachfunktionen ist, sondern vor allem, daß die Verwendung von Propositionen in Feststellungen, daß das Erheben des Wahrheitsanspruches zu Aussagen allererst möglich wird durch den Einsatz von traditionell und zu Recht als genuin kommunikativ geltender Redeteile. Die traditionell auf Kosten der Kommunikationsfunktion verabsolutierte Repräsentationsfunktion der Sprache ist in Wahrheit abhängig von der Kommunikationsfunktion. Verständigung von jemandem mit jemandem über etwas mit Hilfe einer Sprache ist das Allgemeine, Tragende und alles andere Ermöglichende. Repräsentation von etwas als etwas in Aussagen ist eine spezielle und durch die allgemeine Struktur des Verständigungssystems der Rede ermöglichte Verwendungsmöglichkeit der Sprache (Apel 1986). Zu (d): Dadurch daß die Repräsentationsfunktion ihre absolute Sonderstellung verliert, wird der Raum frei für einen umfassenderen und reicheren philosophischen Begriff der Sprache und entsprechend für einen reicheren und umfassenderen Begriff von sprachlich verfaßter Vernunft bzw. Rationalität. Im Anschluß an Andeutungen Austins und unter Rückgriff auf das Sprachmodell von Karl Bühler (1879—1963) (s. Art. 38) kann Habermas zeigen, daß alle drei Grundfunktionen der Sprache im Sinne von Bühler über Geltungsansprüche und deren Einlösung mit Gründen laufen, überwindet also die auch in der Sprechakttheorie noch herrschende Monopolisierung des an die Repräsentationsfunktion gebundenen Geltungsmodus der
53. Die transzendentalpragmatische Position
Wahrheit. So wie man einen Sprechakt hinsichtlich seiner Repräsentationsfunktion versteht, wenn man weiß, welche Gründe für die Berechtigung des Wahrheitsanspruchs ins Felde geführt werden könnten, so versteht man einen Sprechakt auch hinsichtlich seiner Ausdrucksfunktion bzw. seiner Beziehungsoder Appellfunktion, wenn man weiß, welche Gründe für die Berechtigung des Wahrhaftigkeitsanspruches bzw. des Richtigkeitsanspruches mobilisiert werden könnten. — Analog zu dem objektiven Weltbezug einer zur Darstellung verwendeten, d. h. unter einem Wahrheitsanspruch stehenden Äußerung führt er noch zwei weitere Weltbezüge ein: Dem Wahrhaftigkeitsanspruch von expressiv verwendeten Äußerungen entspricht der Bezug auf die subjektive Welt von Erlebnissen und Intentionen, dem Richtigkeitsanspruch entspricht die soziale Welt als die ›Gesamtheit der legitim geltenden interpersonalen Beziehungen‹. — Schließlich faßt er den Begriff von ‘Bedeutung einer Äußerung überhaupt’ geltungstheoretisch: „Wir verstehen eine Sprechhandlung, wenn wir die Art von Gründen kennen, die ein Sprecher anführen könnte, um einen Hörer davon zu überzeugen, daß er unter den gegebenen Umständen berechtigt ist, Gültigkeit für seine Äußerung zu beanspruchen — kurz: wenn wir wissen, was sie akzeptabel macht“ (Habermas 1988, 80 f).
Apel unterscheidet zusätzlich zu den drei erwähnten Geltungsansprüchen noch einen umfassenden universalen Geltungsanspruch auf intersubjektiv identische Sinngeltung, der auch als Bedingung der Möglichkeit der anderen drei verstanden werden kann (Apel 1986, 74 f). 5.2. Diese Radikalisierung der Sprechakttheorie führt auf ein Grundmodell sprachlichen Handels, das etwa folgende Form hat: A und B verständigen sich mit Hilfe einer realen Sprache über etwas in der Welt, erheben dabei Geltungsansprüche und antworten mit Ja-Nein-Stellungnahmen darauf, verweisen mit diesen Geltungsansprüchen auf den Diskurs als die ausgezeichnete Form sprachlichen Handelns, in der über das Recht der Geltungsansprüche (an denen nach dem Modell alles hängt) entschieden werden kann, und verstehen und behandeln dabei einander unvermeidlich sowohl als Mitglieder einer realen wie auch zugleich als Repräsentanten einer idealen Kommunikationsgemeinschaft. Die wichtigsten Züge dieses Modells sind: (1) Die Unterscheidung zweier Ebenen. Die
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den performativen Sätzen zugeordnete Ebene der Intersubjektivität, auf der Beziehungen zwischen den Kommunikationsteilnehmern etabliert und ausgedrückt werden, auf der Geltungsansprüche adressiert, beantwortet und berücksichtigt werden, einerseits und die den propositionalen Gehalten zugeordnete Ebene der Erfahrungen und Sachverhalte, über die man sich verständigt, andererseits. In dieser Unterscheidung wird die für die reflexive Gebrochenheit stehende Doppelstruktur die Angel, um die sich alles dreht. Sowohl die Gesamtbedeutung der Äußerung wie auch ihre speziellen Funktionen laufen über das Erheben von Geltungsansprüchen. Dementsprechend steckt das Gravitationszentrum der Äußerung jetzt im performativen Satz, in dem reflexiv auf die Äußerung Bezug genommen wird. (2) Der für die Idee kommunikativen Handelns konstitutive Verweis der je faktischen kommunikativen Handlungen auf den Diskurs als der besonderen, ausgezeichneten Form kommunikativen Handelns, in der das Recht der Geltungsansprüche, die gewöhnlich unproblematisch akzeptiert werden, dargetan werden könnte. Der Verweis auf diese besondere Form der Kommunikation ist in dieses System ebenso fest eingebaut und spielt dort eine ebenso zentrale Rolle, wie der Verweis auf reales Bargeld in einem Kreditsystem. Das Bargeld erscheint selten manifest, ist trotzdem das Zentrum des Ganzen. (3) Die Unterscheidung zwischen der realen Kommunikationsgemeinschaft, der A und B als reale Personen angehören, die diese faktische Sprache sprechen, diese faktischen Prämissen und Voraussetzungen anerkennen, sich bei diesen faktischen Evidenzen beruhigen usw., einerseits und der idealen Kommunikationsgemeinschaft andererseits, als deren Repräsentanten sie sich zugleich kontrafaktisch verstehen müssen, sofern sie die Möglichkeit einer Ausweisung ihrer Geltungsansprüche ernst nehmen. Diese ideale Kommunikationsgemeinschaft, zu der sowohl uneingeschränkt wahrheitsfähige Teilnehmer gehören müssen, wie auch bestimmte, für die Geltungssicherung geeignete symmetrische Kommunikationsstrukturen, sowie schließlich eine Sprache, die hinreichend geschmeidig sein müßte, mit den anfallenden Problemen tatsächlich fertig zu werden, wäre uneingeschränkt in der Lage, die Berechtigung der erhobenen Geltungsansprüche zu würdigen. Mit dieser Unterscheidung wird die faktische Verständigungspraxis auf eine ganze Reihe von verschiedenartigen regulativen Prinzipien bezogen.
III. Positionen
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6.
Transzendentalpragmatische Kritik der kommunikativ verfaßten Vernunft
Mit alledem sind nun die Mittel beieinander für eine transzendentalphilosophische Sprachkritik, bzw. Kritik der sprachlich verfaßten Vernunft, die sowohl umfassend wie auch radikal sein kann und damit in der Lage ist, den in Spannung zueinander stehenden Standards jeder Vernunftkritik, nämlich deskriptiver und normativer Adäq uatheit, zu genügen. Dies ist ihr vor allem deswegen möglich, weil sie die herausgearbeitete reflexive Verfassung der Vernunft (Doppelstruktur, sprachliche Vernunft als Medium und Thema) zu ihrem zentralen Bauprinzip macht. — Sie ist eine transzendentalphilosophische Konzeption, weil es in ihr um Sprach-, Kommunikations- und Vernunftstrukturen als apriorische immer schon notwendig in Anspruch genommene Bedingungen der Möglichkeit und Gültigkeit von Erkenntnis geht. Sie ist als Transzendentalphilosophie zu den genannten Tugenden fähig, weil das irreflexive, starre und einfache, nach dem Muster eines Instinkts gedachte Sprachapriori des frühen Wittgenstein transformiert ist in das komplexe, zweistufige, in sich reflexive Apriori einer Struktur, bestehend aus einer unhintergehbaren invarianten formalen Kontrollinstanz, den Diskurs, zuständig für Geltungskonstitution einerseits, und den jeweils durch bestimmte materiale Sprachen vermittelten Zugangsweisen zur jeweiligen Objektivität, relativen Aprioris, die von der formalen Kontrollinstanz her reflexiv kontrolliert werden können andererseits. — Sie ist reicher und umfassender als z. B. das kantische Vorbild, weil sie viele Zugangsweisen zur Realität, in systematischer Sprechweise: verschiedene Erkenntnistypen, und in historischer Sprechweise: verschiedene Sprachen und damit verschiedene begriffliche (natürliche und künstliche) ›frameworks‹, vorsieht. Sie ist insofern auch konkreter, geschmeidiger — es wird nicht alles über denselben Kamm geschoren — und daher fähig, mit dem ganzen Reichtum an faktisch vorhandenen, in der Geschichte ausdifferenzierten Vernunftleistungen fertig zu werden (deskriptive Adäq uatheit). — Bei alledem aber zerfällt ihr dennoch nicht die Einheit der Vernunft in inkommensurable, gegeneinander abgeschottete, regionale materiale Unternehmungen. Dagegen wirkt die reflexive Rückbindung an die zentrale formale Kontrollinstanz des philosophischen Diskur-
ses, die zugleich verhindert, daß die Universalität der wichtigsten Geltungsansprüche, Wahrheit und Richtigkeit, regionalistisch, also kontextabhängig relativiert wird. — Die Konzeption ist schließlich radikaler als die erwähnten Vorbilder und zwar erstens, weil hier die Dimension der reflexiven Sprachkritik, der Beurteilung und Korrektur der jeweils in Anspruch genommenen Sprache q ua relatives Apriori, hinzukommt. Dies geschieht zum einen unter Bezug auf die Struktur der kommunikativen Verhältnisse der Beteiligten untereinander, die im Hinblick auf diejenigen idealen symmetrischen Verhältnisse beurteilt werden, die für die als unhintergehbar auszuzeichnende Diskurssituation gelten. Zum anderen geschieht es unter Bezug auf die Angemessenheit der semantisch-syntaktischen Mittel, der kategorialen Rahmen etc., die beurteilt werden im Lichte der Spannung zwischen der faktisch vorläufigen Sprache der realen Kommunikationsgemeinschaft und der endgültigen Sprache der idealen Kommunikationsgemeinschaft, die tatsächlich zum Ausdruck der ›final opinion‹ geeignet wäre; dabei hat die Peircesche ›pragmatische Maxime‹ zur Sinnklärung eine große Bedeutung. — Ein zweiter Grund ist folgender: Philosophische Sprach- bzw. Vernunftkritik ist ersichtlich zur Radikalität verpflichtet. Daher ist das Abschlußproblem, das Problem einer Kritik der Kritik, der Kritik der letzten Maßstäbe, hier von großer Bedeutung. Kritik nur von zweitletzten Maßstäben, unkritische Kritik, kann hier nur als nutzlose Befestigung von (letzten) Vorurteilen gelten. Die für diese Konzeption konstitutive Reflexivität erlaubt es, nun auch mit diesem Problem fertig zu werden und damit über die genannten Vorbilder entscheidend hinauszugehen. — Im folgenden soll zunächst dieser letzte Punkt noch etwas näher beleuchtet werden, dann soll ein kurzer Blick auf die von dem Grundmodell abhängige Epistemologie geworfen werden, und es soll schließlich auf die Implikationen dieses Ansatzes für die praktische Philosophie hingewiesen werden. 6.1. So wie beim logischen Schließen der Wert der Konklusion vom Wert der Prämissen abhängt, so verdienen auch die Resultate vernunftkritischer Vergewisserung über die Bedingungen der Möglichkeit und Grenzen gültiger Erkenntnis nur so viel Vertrauen wie dasjenige, was wir bei der kritischen Vergewisserung in Anspruch nehmen mußten.
53. Die transzendentalpragmatische Position
Wenn Reflexivität entweder nicht zugelassen wird, oder — wie im wesentlichen bei Kant der Fall (Kuhlmann 1975, 159 ff) — transzendentalphilosophische Reflexion als selbst nicht reflexiv verstanden wird, dann droht ein Regreß der Metakritiken, der die Idee grundsätzlicher und endgültiger transzendentalphilosophischer Vernunftkritik zerstört. Die Transzendentalpragmatik kann nun zeigen, (a) daß und wie mit Hilfe bestimmter reflexiver Argumente das Abschlußproblem aufgelöst werden kann und (b) daß dieser Argumenttyp genau die Möglichkeiten der hier zentralen Doppelstruktur ausnutzt, in Anspruch nimmt und insofern die behaupteten strukturellen Verhältnisse bestätigt, ja letztbegründet. Zu (a): Das Problem, mit dem der Versuch der Letztbegründung vor allem fertig zu werden hat, ist das Problem des unendlichen Regresses, und zwar horizontal als Begründungsregreß und vertikal als Regreß der Metakritiken. Der Grund für das Auftreten und Ernstnehmen des Regresses besteht darin, daß man sich nicht nur gegen wirklichen, sondern auch gegen bloß möglichen Zweifel schützen will. Denn zum Regreß in beiden Richtungen kommt es, weil bei jedem einzelnen Schritt der Zweifel, der durch Begründung bzw. Kritik ausgeräumt werden sollte, erneuert werden könnte. — Nun kann die Aufgabe, sich gegen bloß möglichen, inhaltlich noch gar nicht gegebenen Zweifel zu schützen, ersichtlich nicht dadurch aufgelöst werden, daß man aussichtsreiche Kandidaten, die gegen Zweifel immun scheinen, durchtestet. Eine Lösung kann nur von einer grundsätzlichen Besinnung auf die Bedingungen der Möglichkeit und Gültigkeit sinnvollen Zweifelns, sinnvollen Bestreitens, die ja immer zugleich auch Grenzen sinnvollen Zweifelns darstellen, erwartet werden. Die Lösung besteht in der Einsicht: Genau dasjenige, was der Zweifelnde bzw. Bestreitende in Anspruch nehmen und gelten lassen muß, um überhaupt sinnvoll zu bezweifeln oder zu bestreiten, das liegt jenseits der Grenzen sinnvollen Zweifelns und muß darum vor jedem Zweifel sicher sein. Denn wenn sich der Zweifel auch noch darauf richten würde, dann zerstörte er sich selbst. Das Argument läßt sich verallgemeinern: Als sicher vor jedem Argument kann gelten, was der sinnvoll Argumentierende notwendig in Anspruch nehmen und voraussetzen muß, nämlich die Bedingungen der Möglichkeit und Gültigkeit sinnvoller Argumentation. — Nun kann der Skeptiker noch darauf hinwei-
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sen, daß wir von den Bedingungen der Möglichkeit vom Zweifeln und Argumentieren nur durch eine fallible rekonstruktive Theorie des Zweifels bzw. des Argumentierens wissen können. Ist diese Theorie aber fallibel, dann führen die Anstrengungen zu ihrer Verteidigung offenbar wieder in einen Regreß (s. Art. 10). — Gegen diesen Einwand hilft jedoch folgender Zug: Etwas Bezweifeln und über etwas Argumentieren sind Handlungen, die nur dann als solche zählen, wenn sie dem Akteur nicht nur widerfahren, sondern von ihm so, daß er zumindest in gewissen Grenzen davon weiß, also verantwortbar und ihm zurechenbar, durchgeführt werden. Wenn es gelingt, dieses zum Argumentieren selbst gehörige konstitutive Handlungswissen vom Argumentieren im Argument nutzbar zu machen, dann würde der Rekurs auf eine fallible Theorie des Argumentierens überflüssig, und man könnte sich auf ein Wissen stützen, das wenigstens in einem Kernbereich deswegen als infallibel gelten muß, weil dieses Wissen selbstgarantierend ist (Kuhlmann 1985, 76 ff). — Solch ein Wissen kann nur dadurch ins Spiel gebracht werden, daß man es versuchsweise bestreitet und strikt reflexiv darauf achtet, ob diese Bestreitungsversuche dann noch als das zählen können, als was sie zählen müssen, damit sie etwas erschüttern können. — Beispiel: Der Skeptiker behauptet: ‘Die Behauptungsregeln gelten für mich nicht’ (M(p)). Der Opponent prüft die Berechtigung der Äußerung und vergleicht dazu die These mit dem, was er aktuell an der Äußerung des Skeptikers verstanden haben muß, um überhaupt das Problem der Berechtigung dieses Geltungsanspruchs haben zu können, (er vergleicht sie nicht mit Konseq uenzen aus einer linguistischen Theorie). Damit er nun mit dem Problem der Wahrheit von M(p) zu tun haben kann, muß er M(p) schon als regelrechte Behauptung verstanden haben. Damit aber ist das Problem schon gelöst, denn zweifelt er daran, daß M(p) eine regelrechte Behauptung ist, dann hat er nicht mit einer bloß zweifelhaften Evidenz gegen M(p) zu tun (was in den Regreß führen könnte), sondern er hat das Problem zum Verschwinden gebracht, in dessen Zusammenhang sein Zweifel allererst Sinn erhielt. Weil ein solcher Zweifel sinnlos ist, kann es auch keinen Regreß, weder vertikal noch horizontal, mehr geben. — Man kann die Grundidee dieses Arguments zusammenfassen in der Formel: Was man ohne aktuellen Selbstwiderspruch nicht bestreiten, ge-
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gen dessen Anerkennung man sich ohne Selbstwiderspruch nicht entscheiden, was man schließlich ohne petitio principii nicht durch Ableitung begründen kann, das ist in der Argumentation — und das heißt überhaupt — nicht für uns hintergehbar (Apel 1987, 172 ff). Es gilt schlechthin sicher und kann als feste, unbedingte Basis für weitere bedingte Bedingungen in Anspruch genommen werden. Mit Argumenten dieses Typs, in denen sich Aufdeckung des immer schon vom Argumentierenden in Anspruch genommenen Handlungswissens und Einsicht in dessen Unhintergehbarkeit eigentümlich verschränken, läßt sich das oben vorgestellte Grundmodell, abgewandelt für den Diskurs und entsprechend zentriert um den Sprechakt des Behauptens, als rational unhintergehbar auszeichnen. Der Argumentierende, der im Diskurs das Recht problematisierter Geltungsansprüche zu Äußerungen prüft, kann im Prinzip gegebenenfalls alle Vorschläge sinnvoll bezweifeln, und zwar als Fallibilist hinsichtlich der Wahrheit und Richtigkeit der Vorschläge, als linguistisch-hermeneutischer Meliorist hinsichtlich der Angemessenheit ihrer zur Artikulation verwendeten Sprache. Er kann das freilich nur so, daß er dabei zugleich die wesentlichen Bestandteile der mit seiner Aktivität etablierten und diese Aktivität tragenden und ermöglichenden Situation des Diskurses (zu der zusätzlich zum schon Erwähnten noch eine Reihe von Standards, Kriterien, Verfahren der Prüfung und Kritik sowie ein generelles Vertrauen in die Vernunft gehören) gerade nicht bezweifelt, sie vielmehr eigens als sinnvoll überhaupt nicht bezweifelbare Basis allen Zweifelns, aller Kritik, als Basis und Kehrseite allen Fallibilismus und linguistischhermeneutischen Skeptizismus-Meliorismus anerkennt. Zu (b): Diese Art, das Abschlußproblem der Vernunftkritik zu lösen, ist zugleich Ausnützung und Bestätigung der Letztbegründung der sprachphilosophischen Grundideen der Transzendentalpragmatik, auf deren Begrifflichkeit eine adäq uate Explikation des Argumenttyps zudem angewiesen ist. — Sie ist Ausnützung dieser Grundideen, insbesondere von der reflexiven Gebrochenheit kommunikativ verfaßter Vernunft, insofern als der Diskurs q ua immer schon unvermeidlich in Anspruch genommenes Medium der Geltungskonstitution die unhintergehbare feste Basis für alle Geltungsprobleme darstellt. Weil er
III. Positionen
wegen der zur Vernunft gehörigen Reflexivität zugleich Thema und Gegenstand werden kann, können wir von dieser Rolle des Diskurses wissen und sie im Argument verwenden. Und weil er schließlich in der Weise thematisch zugänglich werden kann, in der er schon als Medium für den Diskursteilnehmer da sein muß, damit dieser sich in ihm regelrecht bewegen kann per Handlungswissen vom Argumentieren, deswegen kann diese Rolle des Diskurses so ausgenützt werden, daß kein möglicher Regreß mehr entsteht, nämlich in strikt reflexiver Argumentation. — Diese Art, das Abschlußproblem zu lösen, ist insofern Bestätigung und Begründung der transzendentalpragmatischen Sprachphilosophie, als das die Grundideen der transzendentalpragmatischen Sprachphilosophie zusammenfassende Grundmodell als unhintergehbar aufgewiesen wird. Und schließlich gilt, daß das Letztbegründungsargument am adäq uatesten in den Begriffen der transzendentalpragmatischen Sprachphilosophie expliziert werden kann, nämlich als Argument, dessen Pointe die Ausnützung der Möglichkeit des sogenannten performativen Widerspruchs bzw. der sogenannten pragmatischen Inkonsistenz ist. 6.2. Auch die transzendentalpragmatische Epistemologie ist völlig abhängig von der Grundidee der transzendentalpragmatischen Sprachphilosophie: Erkenntnis, welcher Art immer, ist gebunden an Kommunikation innerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft, ist gebunden an die komplexe, oben als Grundmodell ausgezeichnete Struktur, die sich durch das Letztbegründungsargument als unhintergehbar und darum auch nicht auf Einfacheres reduzierbar erweist. Jedoch wenn auch diese Struktur (›ego verständigt sich mit alter mit Hilfe einer realen Sprache über etwas ...‹) nicht auf elementare Leistungen, die gleichwohl das Prädikat ‘Vernunftleistungen’ noch verdienen, reduziert werden kann, so lassen sich doch an ihr verschiedene Erkenntnisdimensionen bzw. -richtungen unterscheiden, die jeweils in bestimmten Erkenntnistypen dominant, für diese prägend sein können. — Die Struktur legt nahe, das in der Tradition dominierende einfache und eindimensionale Modell von Erkenntnis, in dem Erkenntnis wesentlich nach dem Muster des Sehens verstanden wird (Theoria-, Bild-, Repräsentationsmetapher), zu ersetzen durch ein komplexeres Modell, an dem drei Hauptdimensionen unterschieden werden können: (a) Die
53. Die transzendentalpragmatische Position
Erkenntnisrichtung auf dasjenige, worüber man sich verständigt, (b) die Richtung auf diejenigen, mit denen man sich verständigt, und (c) die Richtung auf die Verständigungsverhältnisse selbst. — Die Bemühung in Richtung auf dasjenige, worüber man (nur) etwas wissen wollen kann, die Bemühung in der Subjekt-Objekt-Relation, findet ihre typische Ausprägung in den empirisch-analytischen Naturwissenschaften. Hinter diesen Wissenschaften steht das Erkenntnisinteresse an progressiver, nomologisch-explanativer Verfügbarmachung von Weltbeständen. Die zentrale Leistung ist hier das Erklären von Ereignissen und Zuständen sowie die Systematisierung der dabei verwendeten Theorien (s. Art. 100). — Die kognitive Bemühung in Richtung auf diejenigen, mit denen man sich über etwas verständigt, andere Personen, deren Äußerungen und Handlungen, die Bemühung in der Subjekt-Subjekt-Relation, findet ihre typische Ausprägung in den hermeneutischen Geisteswissenschaften. Hinter diesen steht letztlich das Interesse an progressiver, intersubjektiver Verständigung der Teilnehmer der Kommunikationsgemeinschaft. Zentrale Aktivität ist hier das Verstehen von Äußerungen und Handlungen. — Die Bemühung in Richtung auf die Verständigungsverhältnisse selbst, die Reflexion auf die Bedingungen der Möglichkeit und Gültigkeit von kommunikativ vermittelter Erkenntnis, ist charakteristisch für die Philosophie. In diesem letzten Fall ist das Interesse an Einsicht bzw. Wahrheit nicht in derselben Weise an ein zusätzliches, nicht beliebiges (darum transzendentalphilosophisch relevantes) sinnkonstitutives Erkenntnisinteresse gebunden wie in den vorigen Fällen, ein Interesse, welches abhängt von der Perspektive, die innerhalb der Grundstruktur gewählt wird. Hier wird vielmehr Perspektivität allgemein thematisiert und transzendiert. Diese Besonderheit bezahlt die Philosophie freilich mit inhaltlicher Leere. Sie ist zuständig nur für ganz formale Strukturen, die Bedingungen der Möglichkeit von Vernunftleistungen. — Die Gesamtstruktur gibt klare Hinweise für die Interpretation des Verhältnisses dieser Erkenntnisdimensionen, insbesondere der Erkenntnis in der Subjekt-Objekt-Relation und der Erkenntnis in der Subjekt-Subjekt-Relation und der von ihnen geprägten Wissenschaftstypen zueinander. Einerseits treten sie unvermeidlich immer zusammen auf. D. h. Forschung in der SubjektObjekt-Relation ist nur möglich in der expliziten oder impliziten Auseinandersetzung mit
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faktisch vorgefundenen fremden Meinungen, Theorien etc., in der Diskussion mit anderen Forschern. Und ebenso ist Bemühung um progressives Verstehen von anderen Personen, ihren Äußerungen und Handlungen, nur möglich als Bemühung um Verstehen von Personen, die sich mit der uns allen gemeinsamen Welt kognitiv auseinandersetzen. Insofern setzen sich die verschiedenen kognitiven Bemühungen wechselseitig voraus. Andererseits aber schließen sie sich auch gegenseitig aus. Wird eine Person zum Gegenstand nomologischer, kausalanalytischer Forschung gemacht, dann verliert sie in dieser Perspektive unvermeidlich die Eigenschaften, die sie als verstehbares, zurechnungsfähiges, vernünftiges Subjekt charakterisieren. Versucht man eine Person hermeneutisch zu verstehen, dann kann man ihr Verhalten nicht in derselben Hinsicht zugleich kausalanalytisch zu erklären versuchen. Zwischen beiden Typen kognitiver Bemühung besteht also ein Komplementaritätsverhältnis, und das verbietet es, zum Beispiel Natur- und Geisteswissenschaften — wie oft geschehen — als Konkurrenzunternehmen aufzufassen (Apel 1979 a, 260 ff). Freilich können sich in bestimmten Wissenschaftstypen explanative und interpretative Bemühungen auf verschiedene Weise ergänzen (Geschichtswissenschaften, Ökonomie) und durcheinander vermittelt werden (kritische Sozialwissenschaften). — Die Komplementaritätsthese ist auch als Ausdruck reflexiv gebrochener Vernunft zu verstehen: Jede Erkenntnisbemühung, worauf immer sie sich als ihr Objekt oder Thema richten mag, wird gedacht als vermittelt durch eine sie begleitende Auseinandersetzung mit faktisch bestehenden Meinungen, Voraussetzungen, Perspektiven, Interessen, begrifflichen Rahmen und Verfahren, etc. D. h. zu jeder kognitiven Bemühung um das jeweilige Objekt oder Thema gehört immer auch die reflexive, kritische Auseinandersetzung mit den Mitteln einer solchen Bemühung. Diese kann freilich unauffällig und implizit geschehen, als bloße Übernahme und Bestätigung des Bestehenden. Sie kann aber auch spektakulär ausfallen wie in wissenschaftlichen Revolutionen, wo ein ganzes Paradigma korrigiert wird. Sie kann sogar das eigentliche Zentrum der ganzen Bemühung darstellen wie bei der hermeneutischen Interpretation, bei der sich die ganze Anstrengung auf die Einarbeitung, das heißt ständige Korrektur und Verwerfung von erkenntnisermöglichenden Vorverständnissen richtet. — Es ist wichtig, die besondere Rolle
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zu betonen, die die Erkenntnis in der SubjektSubjekt-Relation in dieser Konzeption spielt. (Hermeneutisches) Verstehen ist hier nicht nur Gegenstand spezieller Wissenschaftstheorie, sondern gehört darum ins Zentrum dieses Ansatzes, weil es diejenige Vernunftleistung ist, auf die die Einheit der Instanz zurückgeht, die eigentlich als einzige den Namen ‘Vernunftsubjekt’ im vollen Sinne verdient, nämlich die Kommunikationsgemeinschaft. Interund intrasubjektive Verhältnisse (Reflexion) rücken damit sehr nahe aneinander. 6.3. Zum Schluß kurz zu den Konseq uenzen für die praktische Philosophie. Die transzendentalpragmatische Diskursethik macht eine Reihe von einschlägigen Vorteilen dieser Konzeption einer verfaßten, reflexiv gebrochenen Vernunft besonders gut sichtbar. Es läßt sich nämlich (a) ein interner Zusammenhang zwischen Vernunft und Moral herstellen und damit zugleich zwischen theoretischer und praktischer Philosophie, (b) zeigen, wie sich letzte Normen zwingend begründen lassen, und (c) dartun, wie große Geschmeidigkeit der Moral (die ja von der Moral selbst gefordert ist) mit starker Begründung von Verbindlichkeit zu vereinbaren ist. Zu (a): Kant hat in seiner nach wie vor äußerst einflußreichen Ethik einen engen Zusammenhang zwischen Moral und Vernunft hergestellt, weil er der Ansicht war, daß nur wenn Moral in Vernunft begründet ist, sich streng intersubjektiv verbindliche Normen bzw. Verpflichtungen nachweisen lassen. Daß Vernunft jedoch selbst moralisch ist, daß Vernunft das moralisch Richtige will, das hat Kant nicht wirklich zeigen können. Dies wiederum hängt mit seiner im Grunde solipsistischen Konzeption von Vernunft zusammen, bei der die Instanz, auf die die Moral zurückgehen soll, das Vernunftsubjekt, so verfaßt ist, daß gar nicht zu sehen ist, warum hier Rücksicht auf andere Vernunftsubjekte von Anfang an eingebaut sein soll. Andere Vernunftsubjekte und Beziehungen zu diesen, insbesondere kognitive Beziehungen, sind in der kantischen Konzeption gar nicht vorgesehen. — Auch die transzendentalpragmatische Diskursethik unterstellt, daß Chancen für einen Nachweis von streng intersubjektiver moralischer Verbindlichkeit nur dann bestehen, wenn diese sich auf Vernunft (die in jedem Normensubjekt als invariant zu unterstellen ist) zurückführen läßt. Weil sie jedoch ausgeht von der oben als unhintergehbar ausgezeich-
III. Positionen
neten Grundstruktur, hat sie zu tun mit einer Konzeption, nach der Vernunft von Anfang an sozial ist, nach der die Realisierung von Vernunft gebunden ist an die Interaktion und Kooperation zwischen verschiedenen Vernunftsubjekten in einer Kommunikationsgemeinschaft: zur Vernunft gehören von Anfang an Regeln für das Miteinander von interagierenden Personen. — Die Evidenz für die ethische Relevanz dieser rational unhintergehbaren Verhältnisse im Diskurs, die sich — auf eine Weise, die hier nicht vorgeführt werden kann (Kuhlmann 1985, 181 ff) — für eine Diskursethik fruchtbar machen läßt, liegt in folgendem: Der wichtigste Sprechakt im Diskurs ist ersichtlich das Behaupten. Wer im Diskurs etwas gegenüber anderen behauptet, der kann zum einen den damit notwendig verbundenen Geltungsanspruch der Wahrheit nur erheben, wenn er sich selbst als wahrheitsfähiges, verantwortliches, freies, insbesondere zu freier Einsicht fähiges Subjekt versteht. Zum anderen erwartet er, wenn er den Geltungsanspruch erhebt, als einzig relevante Reaktion der Adressaten deren völlig freie, ungezwungene, selbstverantwortete Stellungnahme: Zustimmung oder Ablehnung, die auf nichts anderes als auf deren völlig freie Einsicht zurückgehen muß. Wenn sie das nämlich nicht täte, wäre sie wertlos. Die zentralen Aktivitäten im Diskurs und damit im System der Geltungskonstitution überhaupt, das Behaupten, Zustimmen und Widersprechen, sind damit nur so möglich, daß die Beteiligten sich so wechselseitig als freie, zurechnungsund verantwortungsfähige und darüber hinaus als vollständig gleichberechtigte Personen im emphatischen Sinne des Wortes verstehen und anerkennen. Als gleichberechtigt erkennen sie sich zunächst an für den Diskurs. Es läßt sich jedoch zeigen, daß diese Einschränkung entfällt. Man kann das so zusammenfassen, daß das für Vernunft konstitutive Interesse an Einsicht und Wahrheit notwendig verbunden ist mit dem Interesse an normativer Richtigkeit, Gerechtigkeit, Fairness. Daran wird zugleich klar, daß theoretische und praktische Vernunft in der Tat identisch sind. Zu (b): Wenn theoretische und praktische Vernunft so eng zusammenhängen, wie dargestellt, wenn das Interesse an Einsicht und Wahrheit notwendig gebunden ist an das Interesse an Fairness, an die Anerkennung anderer als gleichberechtigter Personen, dann läßt sich in einem reflexiven Letztbegrün-
54. Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie
dungsargument aufdecken, daß jeder, der ernsthaft wissen will, ob es verbindliche Verpflichtungen gibt, der sich darum in die Diskurssituation schon begeben hat, diese Verpflichtung zur Anerkennung anderer als Gleichberechtigter und die Verpflichtung zur konsensuellen Lösung von Konflikten zwischen Ansprüchen immer schon unhintergehbar anerkannt hat. Unhintergehbar, denn was im Diskurs nicht bezweifelt werden kann, das kann überhaupt nicht bezweifelt werden. Weil Letztbegründung möglich ist, ist auch derartiges wie ein kategorischer Imperativ im strengen Sinne möglich. Zu (c): Die Diskursethik ist eine zweistufige Ethik. Sie besteht zum einen aus letztbegründeten formalen Grundnormen, deren wichtigste die ist, die zur Durchführung konkreter praktischer Diskurse zur Ermittlung vernünftiger Regelungen, denen alle Beteiligten und Betroffenen zustimmen können, verpflichtet. Zu ihr gehören zum anderen die konkreten praktischen Diskurse selbst, an denen möglichst jeder von der Regelung Betroffene und Beteiligte teilnehmen sollte, und deren Form durch die formalen Grundnormen bestimmt wird. In den Vorteilen dieser zweistufigen Ethik spiegeln sich noch einmal die Vorzüge des zweistufigen Steuerungssystems einer kommunikativ verfaßten reflexiv gebrochenen Vernunft gegenüber dem einstufigen Steuerungssystem der Tiere. Die Diskursethik vereinigt größtmögliche Geschmeidigkeit hinsichtlich der wechselnden komplexen Situa-
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tionen mit größtmöglicher Verbindlichkeit, sie vereinigt Fallibilismus in konkreten Fragen mit Letztbegründung der Grundnormen.
7.
Literatur in Auswahl
Apel 1963, Die Idee der Sprache in der Tradition des Humanismus von Dante bis Vico. Apel 1973 a I/II, Transformation der Philosophie. Apel 1974 a, Zur Idee einer transzendentalen Sprachpragmatik, in Aspekte und Probleme der Sprachphilosophie, Simon (Hg.). Apel 1986, Die Logosauszeichnung der menschlichen Sprache, in Perspektiven auf Sprache, Bosshardt (Hg.). Apel 1988 a, Pragmatische Sprachphilosophie in transzendentalsemiotischer Begründung, in Pragmatik IV, Stachowiak (Hg.). Böhler 1985, Rekonstruktive Pragmatik. Habermas 1974, Wahrheitstheorien, in Wirklichkeit und Reflexion, Fahrenbach (Hg.). Habermas 1976, Was heißt Universalpragmatik? in Sprachpragmatik und Philosophie, Apel (Hg.). Habermas 1981, Theorie des kommunikativen Handelns. Habermas 1988, Nachmetaphysisches Denken. Kuhlmann 1975, Reflexion und kommunikative Erfahrung. Kuhlmann 1985, Reflexive Letztbegründung. Wittgenstein 1977, Vermischte Bemerkungen, von Wright/Nyman (Hg.).
Wolfgang Kuhlmann, Frankfurt a. M. (Deutschland)
54. Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Einleitung Der konventionelle Charakter der Sprache und das Regelbewußtsein Intentionen Die ›Standardform‹ Zusammenfassung Literatur in Auswahl
Einleitung
Das Wort ‘Sprechakttheorie’ scheint für einen der wenigen philosophischen Lehrgegenstände zu stehen, die man schwarz auf weiß besitzen und getrost nach Hause tragen kann.
Das macht sie für verschiedene Wissenschaften wie die Linguistik (z. B. Wunderlich 1976), die Soziologie (Habermas 1981) und die Theologie (Weder 1986) attraktiv. Wenn hier die sprachphilosophischen Annahmen dieser Theorie erörtert werden sollen, mutet dies paradox oder ungenau an: Kann es eine philosophische Theorie mit ausdrücklich so bezeichneten Annahmen geben; sollen diese den Hypothesen einer empirischen Theorie entsprechen, und was wäre die philosophische Entsprechung zu einer empirischen Bewährung oder Falsifizierung einer solchen Hypothese? Es würde einleuchten, mit Bezug auf eine fachwissenschaftliche Theorie geson-
III. Positionen
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derte, z. B. auch philosophische Überlegungen anzustellen, die bestimmte ihrer Vorannahmen, deren prinzipielle methodologische Legitimität aber außer Zweifel steht, als verfehlt erscheinen lassen; es würde zweitens auch einleuchten, unthematisierte, dem Autor entgangene oder in ihrer Relevanz falsch eingeschätzte Annahmen in einer Philosophie sprachlichen Handelns aufzudecken, was bedeuten würde, sie philosophisch zu kritisieren. Es ist aber zweifelhaft, ob es eine philosophische ›Theorie‹ geben kann, für die es legitim ist, ausdrücklich ›Annahmen‹ zu machen. — Die ›Erfinder‹ der Sprechakttheorie sehen hier offenbar kein Problem: John Langshaw Austin (1911—1960), der in manchen Punkten behutsamer und problembewußter formuliert als John Roger Searle (* 1932), spricht schon von einer ›Theorie‹ der Sprechakte (Austin 1962 a, 149); und in Searles ›Prinzip der Ausdrückbarkeit‹ (es sagt, daß alles, was jemand meinen kann, grundsätzlich auch gesagt werden könne) läßt sich z. B. prima facie durchaus eine ›Annahme‹ sehen (Searle 1969, 19 ff). Die folgenden Erörterungen beziehen sich auf die Sprechakttheorie von Searle, nicht aber auf die Theorien der ›Anwender‹, und sie verstehen sich im Sinne der zweiten Möglichkeit als philosophische Kritik an philosophischen Überlegungen. Eines ihrer Motive ist der genannte, unter anderem vom späten Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39) (PU 1953) inspirierte Zweifel, ob es die Aufgabe der Philosophie sein könne, Theorien aufzustellen und Annahmen zu machen. Die Sprechakttheorie ist ein besonders geeigneter Anlaß, solche Zweifel konkret zu machen, weil Wittgenstein in mehreren Punkten den Weg, den Searle dann gegangen ist, mit Gründen, die jedenfalls nicht von der Hand zu weisen sind, als einen philosophischen Irrweg charakterisiert hat.
2.
Der konventionelle Charakter der Sprache und das Regelbewußtsein
Einer der Ausgangspunkte für die Überlegungen von Austin (1962 a) war seine ›Entdekkung‹ der sogenannten performativen Äußerungen; das sind solche, mit denen der Sprecher etwas tut, das nicht das Feststellen des Vorliegens eines Sachverhalts ist; z. B. entschuldigt er sich mit einer Äußerung von ‘Verzeihung’. Solche Äußerungen können im Gegensatz zu konstativen, d. h. einen Sachverhalt feststellenden Äußerungen zwar nicht
falsch sein, aber doch auf andere Arten mißglücken, z. B. kann eine Entschuldigung zurückgewiesen werden. Ob nun eine bestimmte Äußerung geglückt ist oder nicht, kann offenbar nur von den Mitgliedern der Sprachgemeinschaft beurteilt werden; wer die Sprache, derer sich der Sprecher in der Äußerung bedient, nicht beherrscht und die Umstände nicht kennt, unter denen sie vollzogen wurde, ist dazu nicht in der Lage, denn dem lautlichen Klang allein kann man das Glücken oder Mißglücken nicht anhören. — Was heißt es aber, eine Sprache in diesem situationsbezogenen Sinne zu beherrschen, wenn die traditionelle Antwort, es heiße, die zu repräsentierenden Gegenstände und Sachverhalte erkennen und richtig darstellen zu können, nicht nur ihre eigenen klassischen Probleme hat, sondern auch, wie die performativen Äußerungen zeigen, unvollständig ist? Da offenbar ›die Natur‹ einer kommunikativen Situation nicht festlegt, welche Äußerungen in ihr angemessen sind, spricht Austin von Konventionen (Austin 1962 a, 26; 103 ff; passim), die von Sprachgemeinschaft zu Sprachgemeinschaft wechseln; und für diejenigen, die, wie er sich ausdrückt, ›Jargon‹ lieben, fügt er hinzu (Austin 1962 a, 45), es müßten, wenn jemand eine Äußerung macht, offenbar gewisse ›Bedingungen‹ erfüllt sein, damit sie, aufgrund in Geltung befindlicher Konventionen, als die Handlung, die sie sein solle, glükken könne; dies gelte, wie er später feststellt, auch für konstative Äußerungen. Die These, die Sprache sei konventionell (s. Art. 62), kann in einem ersten Interpretationsschritt so gelesen werden, daß sie nichts anderes ausdrückt, als daß die Sprache weder beliebig noch natürlich sei; die sprachliche Antwort auf einen z. B. zum Klassifizieren präsentierten Gegenstand ist einerseits nicht willkürlich, andererseits aber auch nicht kausalgesetzlich erzwungen wie die Reaktion der Pupille auf eine Zunahme der Helligkeit. Einen Schritt weiter geht man aber, wenn man vom Können zum Wissen und vom Adjektiv ‘konventionell’ zum Substantiv ‘Konvention’ übergeht und nun sagt, die Beherrschung einer Sprache sei dasselbe wie die Kenntnis gewisser Konventionen; im ›Jargon‹ gesprochen: das Wissen davon, welche Bedingungen jeweils erfüllt sein müssen, damit Äußerungen bestimmter Typen glücken. Searle (1969, 54) verschärft diese schon bei Austin (1962 a, 14) auftretende Rede von den Bedingungen zu einer von den ›notwendigen und hinreichenden‹ Bedingungen und sagt, eine Sprache zu
54. Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie
beherrschen sei ein praktisches Können, das sich auffassen lasse als eine implizite Kenntnis derjenigen konstitutiven Regeln, die für die Ausdrücke der fraglichen Sprache festlegen, unter welchen (notwendigen und hinreichenden) Bedingungen ihre Äußerung eine geglückte Handlung ist, und was der Vollzug einer solchen Sprechhandlung für den weiteren Handlungsverlauf, also insbesondere für den Handelnden und seine Handlungspartner, bedeutet, d. h. als was für eine Handlung er zählt (Searle 1969, 12 ff). — Diese Exposition der Ausgangslage legt nun den Schluß nahe, man könne die auf die Sprache bezogenen philosophischen Probleme lösen (speziell auch: man könne eine philosophisch befriedigende Antwort auf die Frage geben, worin die Sprachkompetenz bestehe), indem man sich das Gesamtgebiet sprachlichen Handelns dadurch vor Augen stelle, daß man jene Konventionen nenne, deren Kenntnis die Sprachfähigkeit laut Voraussetzung ausmache. Daraus ergibt sich das Projekt, die notwendigen und hinreichenden Bedingungen des Glückens aufzuzählen, und dies bedeutet, jene Regeln explizit niederzuschreiben, die festlegen, welche Ausdrücke und Ausdrucksverbindungen in welchen Situationen mit welchen Folgen als geglückte Handlungen zählen. Diesem aus der Sicht einer objektivierenden Verhaltenswissenschaft vielleicht naheliegenden Projekt (s. Art. 116) stehen nun aber in einem sprachphilosophischen Kontext zwei miteinander zusammenhängende Hindernisse entgegen: Erstens handelt es sich bei der Rede von den ›Konventionen‹, von den dem Sprecher bekannten ›Bedingungen‹ und von den ›Regeln‹ dort, wo es nicht um spezielle Fragen geht, die entweder mit dem Zweitspracherwerb verbunden sind oder sich auf höherstufige Leistungen beziehen (und das heißt: in den sprachphilosophisch interessanten Fällen, die im Bereich der Sprechakttheorie liegen), um eine analoge, d. h. nicht wörtlich zu nehmende Redeweise, so daß man eigens überprüfen muß, ob eine Vernachlässigung dieser Tatsache im betrachteten Problemkontext nicht unerwünschte Folgen hat. Das zweite Hindernis besteht in dem Sachverhalt, daß das Niederschreiben von Regeln sich selbst einer Sprache bedienen muß, so daß, wenn diese Sprache entweder dieselbe ist, wie die in Untersuchung befindliche, oder unter demselben Aspekt als aufklärungsbedürftig anzusehen ist, sich der Einwand erhebt, daß es nicht möglich ist, denselben Gegenstand
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zugleich aufzuklären und ihn als Medium eben dieser Aufklärung zu benutzen. 2.1. Betrachten wir zunächst das erste Hindernis: Da Übereinkünfte, Bedingungen und Regeln im primären Wortsinn sprachlich konstituierte Gegenstände sind, so daß man ihre Kenntnis genau genommen nur demjenigen zuschreiben kann, der die sprachlichen Mittel zu ihrer Formulierung beherrscht, kann das Verfügen über eine (primäre, als erste erworbene) Sprache nicht in seiner Gesamtheit in einer Kenntnis von Regeln bestehen. Zwar können Teile der Sprache, z. B. Fachausdrücke oder Fremdwörter, mit Hilfe von Regeln, z. B. von Definitionen, gelernt worden sein, und dann läßt sich sagen, deren Kenntnis bestehe oder zeige sich in der Fähigkeit, jene Regeln zu formulieren. Diejenigen Kompetenzen aber, die nötig sind, um Übereinkünfte überhaupt treffen zu können, lassen sich mit dieser Methode nicht adäq uat erfassen: Was jemand können muß, um allererst verstehen zu können, was eine sprachlich formulierte Regel, also eine Regel im strengen Sinn des Wortes ist, kann selbst, solange Analogien aus dem Spiele bleiben sollen, nicht informativ als eine Regelkenntnis beschrieben werden. — Dieser Schwierigkeit läßt sich in manchen Kontexten dadurch Rechnung tragen, daß man ausdrücklich erklärt, man bediene sich einer analogen Ausdrucksweise, und es gibt Fälle, in denen es einen guten Sinn hat, solche Analogien zu benutzen (s. Art. 85). Man sagt dann, die gerade zum Gegenstand der Untersuchung gemachte Kompetenz zeige sich in Handlungen, die so vollzogen werden, als ob eine Übereinkunft getroffen worden wäre, als ob Bedingungen oder Regeln festgelegt worden wären, die regulieren, welche Handlungsweise als adäq uat gilt. Dies kann z. B. dann sinnvoll sein, wenn das Ziel die Beschreibung von nichtsprachlichen (genauer: nicht-semantischen) Handlungen oder von Verhaltensweisen solcher Lebewesen ist, die nach unserer Einschätzung nicht sprachfähig sind, oder mit denen wir aus anderen Gründen nicht kommunizieren können. Durch den Vergleich mit dem menschlichen Fall einer ausdrücklichen sprachlichen Verabredung konstituiert der Wissenschaftler allererst einen zusammenhängenden Beobachtungsgegenstand und gewinnt zugleich eine Hilfe zur intersubjektiven Beurteilung der Korrektheit seiner Beobachtungen. Eine Erklärung liefert eine solche Alsob-Beschreibung allerdings nicht.
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Ist aber das Thema die primäre, nicht auf eine Zweitsprache und nicht auf höherstufige Leistungen bezogene menschliche Sprachfähigkeit (und die Sprechakttheorie behandelt die einfachsten sprachlichen Leistungen), dann wird man, wenn man den geschilderten Als-ob-Charakter der Aussagen über das Befolgen von Regeln nicht vergißt, zugestehen, daß mit solchen regelbezogenen HandlungsCharakterisierungen auch in diesem Falle nicht mehr beansprucht werden kann, als eine Beschreibung von Handlungsweisen mit Hilfe eines Vergleichs, von dem man weiß oder doch wissen könnte, daß er die wirklichen Verhältnisse nicht trifft. Besteht darüber Einigkeit, dann ist zu fragen, ob diese Art der Beschreibung von sprachlichem Handeln für die Probleme, um die es in der Sprachphilosophie geht, etwas austrägt oder nicht. Dazu muß geklärt sein, wonach gefragt wird, wenn die Sprachkompetenz nicht psychologisch oder biologisch, sondern philosophisch aufgeklärt werden soll; welche Art von Antwort kommt in Betracht, wenn es um die Frage geht, worin für einen Sprecher, der über seine Kompetenz sich reflektierend klar werden will, die Kenntnis seiner Sprache besteht? — Man müßte wohl mindestens fordern, daß die Antwort Aufklärung darüber gibt, wie man eine Sprache S 1 in einem Handlungszusammenhang erwirbt oder vermittelt, wenn es sich dabei nicht um eine zweite Sprache handelt, die man im Medium einer bereits beherrschten ersten Sprache zugänglich macht. Würde man bei dieser Zielsetzung den Weg des Formulierens von Regeln gehen wollen, so könnte man über diese primäre Sprachkompetenz nur sagen, daß die Handlungen, die aus ihr fließen, sich im Medium einer als verfügbar fingierten und als bereits vorhanden vorgestellten Sprache (einer ›Prä-Sprache‹) so beschreiben lassen, als ob zur Orientierung für den künftigen Sprecher der betrachteten Sprache S 1 in jener fingierten Prä-Sprache Konventionen, Bedingungen oder Regeln festgelegt worden seien, nach denen er sich im Gebrauch von S 1 richten soll. Man denkt analog zu dem Fall, in dem man eine Fremdsprache mit der Hilfe eines Sprachlehrbuchs lernen kann, das in einer Sprache abgefaßt ist, die man bereits beherrscht. Nun wissen wir aber, daß dies beim primären Spracherwerb, um den es geht, wenn die Sprachkompetenz in einem philosophischen Kontext zur Debatte steht, eine Fiktion ist, weil es eine Prä-Sprache, die zur Formulierung der hier nötigen Regeln geeignet wäre,
III. Positionen
also eine Wortsprache vor allen erlernten Wortsprachen, jedenfalls in dem Sinne nicht gibt, daß jemand so über sie verfügt, daß er unmittelbar, aus seinem eigenen Können heraus, darüber Auskunft geben könnte. Die Rede von ›impliziten‹ Regeln, die ›explizit‹ gemacht werden müssen, oder gar von einem ›unbewußten Wissen‹, das der Theoretiker ans Licht bringt, ist folglich entweder nur eine andere Ausdrucksweise für die Formulierung ‘der Sprecher handelt so, als ob er (bzw. die Gemeinschaft) eine Verabredung getroffen (eine Regel festgelegt) hätte’; in diesem Fall bleibt die sprachphilosophische Leistung, wie sich bei der Erörterung des zweiten Einwandes zeigen wird, unerbracht; die Als-ob-Redeweise, die in anderen Untersuchungen ihren guten Sinn haben kann, führt im sprachphilosophischen Problemkontext nicht weiter. Oder diese Formulierung ist ein Teil einer empirischen Theorie über in irgendeinem Sinne ›sprachförmige‹ mentale ›Repräsentationen‹, die dem Sprecherbewußtsein so wenig zugänglich sind wie andere Vorgänge in seinem Gehirn (so ausdrücklich Gareth Evans (1981 a, 127; 133)); die Prä-Sprache gälte dann als ein ›theoretisches Konstrukt‹. In diesem Fall wäre ihre weitere Erörterung hier deshalb fehl am Platze, weil mit Bezug auf solche durch ›theoretische Termini‹ postulierten Gegenstände ein sprachphilosophischer Anspruch vernünftigerweise nicht erhoben werden kann (Evans 1981 a, 121). 2.2. Wir kommen damit zur Erörterung des zweiten Hindernisses, das im Wege steht, die Methode des ›Explizitmachens impliziter Regeln‹ als gangbar anzusehen, und das dafür verantwortlich ist, daß die Als-ob-Redeweise im Falle der Sprache vor der philosophischen Aufgabenstellung versagt. Es läßt sich durch die sehr einfache methodologische These zum Ausdruck bringen, es sei nicht möglich, ein und denselben Gegenstand, hier einen Bereich unserer Sprachfähigkeit, zugleich zu problematisieren und in einer parallel laufenden, als Erklärungsinstrument gemeinten Fiktion, als verfügbar zu benutzen; ginge es um eine andere Kompetenz als die zu sprechen oder ließen sich die unterstellten Regeln anders als sprachlich zugänglich machen, ergäbe sich ein anderes Bild. Der Kern dieses Einwandes läßt sich an dem Gedankenexperiment illustrieren, jemand stelle die These auf, daß die Kompetenz, das Wort ‘rot’ richtig zu verwenden, darin bestehe, die Regel zu befolgen, daß man dieses Wort (assertorisch und im primären
54. Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie
oder ›wörtlichen‹ Sinn) nur von den roten Gegenständen prädizieren dürfe. Auch wenn wir die durch die Hinzufügungen in der Klammer angedeuteten Probleme außer acht lassen, sieht man sofort, daß eine solche These für sich genommen keinen Erkenntniswert hat. Ist das Problem die Bedeutung des Wortes ‘rot’ und nicht die Nachzeichnung des Aufbaus von Bedeutungen komplexer Ausdrücke aus Bedeutungen von Teilausdrücken, dann kann die Aussage, es seien die roten Gegenstände, die man rot nennen dürfe, keine Einsicht ausdrücken. — Warum dies so ist, zeigt sich bei einem Vergleich mit einer gewiß nicht befriedigenden, aber inhaltlich gehaltvollen traditionellen Antwort. Wenn die Fragestellung z. B. die nach der Bedeutung von prädikativen Ausdrücken ist, speziell der Umstand, daß wir sie normalerweise auch solchen Gegenständen korrekt zusprechen können, denen wir vorher noch nie begegnet sind, dann könnte z. B. eine ›Namentheorie‹ der Prädikation (s. Art. 77) die Antwort vorschlagen, daß auch ein prädikativer Ausdruck dadurch bedeutungsvoll sei, daß er etwas benenne. Die Beherrschung eines solchen Ausdrucks wäre demgemäß die Fähigkeit, das von ihm Benannte in den verschiedenen Einzeldingen als dasselbe wiederzuerkennen; und was das heißt, gilt einer solchen Deutung als dann am Muster der Eigennamen verstanden, wenn ein entsprechender Gegenstand, etwa ein Universale, aufgewiesen ist, der in diesem Fall benannt wird. Auch dieser Erklärungsvorschlag ließe sich in die Form einer Regel bringen. Was immer von einer solchen Namentheorie zu halten ist, methodisch verfährt sie so, daß sie das zu Erklärende (die Fähigkeit, nie begegneten Gegenständen korrekt Prädikatoren zuzusprechen) erklärt, indem sie es als Spezialfall eines als bekannt behandelten Phänomens deutet (hier der Fähigkeit, vertraute Individuen mit Eigennamen zu nennen), das von dem zu erklärenden Sachverhalt zunächst (d. h. wenn man die Frage, was denn Universalien seien, außer acht läßt (s. Art. 61)) deutlich zu unterscheiden ist. Das am Fall des Wortes ‘rot’ erläuterte Verfahren des ›Explizitmachens einer impliziten Regel‹ unterscheidet sich davon methodisch dadurch, daß dieselbe Kompetenz, die erklärt werden soll, im Explanans benutzt wird: Es sind, so lautet die Erklärung, die roten Dinge (— und was das heißt, wie man sie aussortiert, gilt als bekannt —), denen gegenüber die Prädikation regelgerecht ist. Eine solche Regel kann nicht
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erklären, was es heißt, über das Wort ‘rot’ zu verfügen. Hier zeigt sich, auf welche Weise die Fiktion, das Subjekt der zu klärenden Kompetenz verfüge bereits über eine Sprache — und diese Fiktion müssen wir machen, um auf das Subjekt die Terminologie des Regelkennens anwenden zu können —, zu einer Situation erkenntnismäßigen Leerlaufs führen kann, dann nämlich, wenn mit dieser Fiktion diejenige Kompetenz als verfügbar behandelt wird, um deren Aufklärung es geht. Mit diesem Schritt wird das Erklärungsbedürftige zu etwas nicht Erklärungsbedürftigem umgedeutet. Die geschilderte Als-ob-Redeweise führt deshalb, anders als im Fall der Untersuchung z. B. tierischen Verhaltens, hier nicht einmal zu einem Erkenntniszuwachs der oben erörterten Art, nämlich zu einer informativen Beschreibung eines zunächst unzugänglichen Problemfeldes; die Beschreibung bewegt sich im Bereich von Tautologien. — Dieser Einwand ist spezifischer als die triviale Aussage, zur Erläuterung der Funktionsweise der Sprache müsse unvermeidlich gesprochen werden, aus der keineswegs geschlossen werden kann oder soll, über die Sprache ließe sich überhaupt nicht anders als tautologisch reden. Es kommt darauf an, wie dabei gesprochen wird, genauer: ob die Leistung, die es zu verstehen gilt, im Explanans unverändert benutzt wird, oder ob sie z. B. auf besondere Weise gedeutet, in einen besonderen Kontext gestellt, aus anderen Leistungen verständlich gemacht wird. 2.3. Die Regelformulierungen bei Searle: Referenz Wir wollen diese Überlegung nun zu den Formulierungen in Beziehung setzen, die Searle den von ihm vorgeschlagenen Regeln gibt. Sein Anliegen ist in erster Linie das ›Explizitmachen‹ derjenigen Regeln, deren Kenntnis er der Kompetenz zuordnet, jene Ausdrücke richtig zu verwenden, mit denen der Sprecher anzeigt, was für eine Art Sprechakt er vollziehen möchte. Diese Ausdrücke heißen Anzeigewörter für die ›illokutive Rolle‹ (illocutionary force indicators) (s. Art. 95). Auf dem Weg zu diesem Ziel gibt er aber auch für die von der traditionellen Logik untersuchten sprachlichen Funktionen des Referierens (Nennens) und des Prädizierens (bei dem etwas über das zuvor Genannte ausgesagt wird) eine sprechakttheoretische, in Termini der Regelkenntnis formulierte Deutung. Wir betrachten zunächst seine Regelformulierung für das Referieren. — Searle (1969, 72 ff; 94 ff)
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geht davon aus, daß ein Referenzausdruck oder Nominator R in einem satzartigen Gesamtausdruck vorkommt, dessen Äußerung die Ausführung einer Sprechhandlung sein könnte; dies legt er in der ersten Referenzregel fest, die wir hier unerörtert lassen. Die zweite, für unseren Zusammenhang entscheidende Regel fordert nun, daß R nur dann geäußert werden darf, wenn es einen Gegenstand X gibt, so daß entweder R eine identifizierende Kennzeichnung von X enthält, oder der Sprecher in der Lage ist, R durch eine solche Kennzeichnung zu ersetzen, und wenn der Sprecher, indem er R äußert, intendiert, für den Hörer H den Gegenstand X zu identifizieren, d. h. aus einer Anzahl anderer Gegenstände herauszuheben. Searles dritte Referenzregel sagt dann, die Äußerung von R zähle als Identifikation (Heraushebung) von X für den Hörer H. Im Lichte der im vorigen Abschnitt angestellten methodologischen Überlegungen ist nun zu fragen, welchen Status Searles These hat, die Formulierung dieser Regeln leiste eine Aufklärung der Sprachkompetenz. Eine erste Lesart könnte sie als die Behauptung verstehen, der Sprecher richte sich nach ihnen. Dazu wäre eine Prä-Sprache nötig, die aber nur als Konstrukt in einer empirischen Theorie über nicht unmittelbar zugängliche Gehirnprozesse verstanden werden kann; wir schließen diese Deutung daher für Searles ausdrücklich sprachphilosophische Erörterungen aus. Nach einer zweiten Lesart wäre es Searles These, es sei informativ, die Handlungen des Sprechers so zu beschreiben, als ob er sich nach jenen Regeln richte: der Sprecher handle, als würde er, bevor er R äußert, beurteilen, ob es tatsächlich einen einzelnen, abgrenzbaren Gegenstand gebe, den er so kennzeichnen könne, daß diese Kennzeichnung ihn für einen Hörer als den gemeinten Gegenstand herausgebe; er handle, als ob er intendiere, daß ihn der Hörer so verstehe, daß es ihm um die Heraushebung gerade dieses Gegenstandes gehe. — Können wir nun sagen, wir hätten hier eine (notwendigerweise sprachliche) Beschreibung einer sprachunabhängigen Fähigkeit vor uns, oder — und dann träfe der oben allgemein erörterte Einwand —, ist die Fähigkeit, deren Ausübung im Sinne einer spezialisierten Anwendung das Sprechen ausmachen soll, selbst nur als sprachliche Fähigkeit denkbar? Wir behaupten in der Tat, daß die Leistung, um die es hier geht, nicht nur (trivialerweise) in theoretische Erörterungen nicht anders Eingang
III. Positionen
finden kann als auf dem Weg ihrer sprachlichen Benennung, und also auf eine Weise, bei der sie ihres elementaren Charakters wegen unvermeidlich auch benutzt wird, sondern daß die Heraushebung einzelner Gegenstände, die Festlegung von Grenzen zwischen Gegenständen, die Identifizierung oder Nichtidentifizierung von zu unterschiedlichen Zeiten vorkommenden Gegenständen, daß dies alles Leistungen sind, die in der Qualität, wie sie für das Befolgen der Referenzregeln unterstellt werden müssen, als sprachliche Leistungen anzusehen sind. Wir sagen also: Erst indem jemand sich eine Sprache aneignet, insbesondere, indem er jene Kompetenz erwirbt, die wir als die Fähigkeit, auf etwas zu referieren, bezeichnen, erwirbt er die Fähigkeit, auf eine bestimmte, für die angeeignete Sprache kennzeichnende Weise, ›Gegenstände‹ auszugrenzen, gleichzusetzen, etc.; und nicht: die Sprachfähigkeit gründet sich auf eine vorhergehende nichtsprachliche Kompetenz, Gegenstände zu unterscheiden, wiederzuerkennen, etc. Die Leistungen, die vom Sprecher erbracht werden müssen, um das zu tun, was Searle die Orientierung an den Referenzregeln nennt, stehen als sprachunabhängige Fähigkeiten nicht zur Verfügung, und also auch nicht als Explicantia für die primäre Sprachkompetenz. Damit soll nicht bestritten werden, daß es eine vorsprachliche Fähigkeit gibt, z. B. Eßbares von Nicht-Eßbarem zu unterscheiden, und es soll auch nicht geleugnet werden, daß der Hund seinen Herrn wiedererkennt. Es wäre aber ein Irrtum, zu meinen, mit diesen elementaren Fähigkeiten sei ein für allemal oder auch nur grundsätzlich geklärt, worin jenes ›Sich-auf-GegenständeBeziehen‹ bestehe, das wir im Medium der Sprache vollziehen. Die Frage, ob ich mit einem identifizierbaren Gegenstand konfrontiert bin (mit der Rippe eines Blattes, mit einem Seufzer, mit dem Mistral, mit einer Rezession, mit ihrem typischen Lächeln) hat, wenn sie nicht auf den marginalen Fall mittelgroßer materieller Dinge beschränkt wird, nur dann einen Sinn, wenn sie mit Bezug auf eine Sprache gestellt wird, die allererst festlegt, was ein ›Gegenstand‹ ist, wie er begrenzt ist, was seine Identitätsbedingungen sind, etc. Nennen wir diese Sprache (hier ist es das Deutsche, dem das Wort ‘Gegenstand’ angehört) die ‘Referenzsprache der Erklärung’ und die aufzuklärende Sprachkompetenz kurz die ‘Kompetenz für S 1’; eine regelbezogene Kompetenzerklärung des von Searle vorgeschlagenen Typus müßte dann lauten:
54. Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie
Die Fähigkeit, Referenzausdrücke von S 1 richtig zu gebrauchen, läßt sich explizieren als die Fähigkeit, so zu handeln, als ob man sich an der in der Referenzsprache als verfügbar fingierten Regel orientiere, zunächst etwas auszuwählen, was jene Referenzsprache als einen identifizierbaren Gegenstand bezeichnet. Es dürfte aber kaum strittig sein, daß wir im Kontext einer sprachphilosophischen Untersuchung der primären Sprachkompetenz nicht unterstellen dürfen, genau diese Leistungen seien mit Bezug auf unsere Referenzsprache nicht aufklärungsbedürftig. Wenn Searle sagt, es gehe ihm um ein Verständnis der Möglichkeit von Kommunikation (s. Art. 94) (1969, 16 ff), um konstitutive Regeln, die den einzelsprachlichen, konventionellen Verwirklichungsweisen von Sprechakten noch zugrundeliegen (1969, 36), um eine Explikation der Ausdrücke ‘verstehen’ und ‘etwas meinen’ (1969, 42 ff), dann kann er nicht zugleich die fraglose Verfügbarkeit einer Referenzsprache voraussetzen, die als Medium unterstellt werden darf, in dem die Leistung, Gegenstände zu identifizieren, bereits verfügbar ist. Eine derartige Voraussetzung könnte nur dann legitim sein, wenn die Zielsetzung darin bestünde, eine uns sehr fremde Weise des Gegenstandsbezugs in einer exotischen Sprache durch die Erarbeitung von Regeln aufzuklären, die jene fremde Referenzweise zur unsrigen in Beziehung setzen und deren eigene Probleme ausdrücklich ausklammert. — Wir haben mit den Ausdrücken ‘Gegenstand’ und ‘identifizieren’ also keine Elemente eines philosophisch nicht zur Debatte stehenden sprachlichen Mediums zur Verfügung, sondern die Fragen, was denn (aus der Perspektive unserer Sprache) ein Gegenstand sei, und was es heiße, einen solchen zu identifizieren, gehören zu denjenigen, die Searles Untersuchung ihren eigenen Zielsetzungen gemäß zu beantworten hätte. Searles Versuch, die von ihm untersuchte Sprache selbst als Referenzsprache zu benutzen, führt in einen Zirkel. Die Auskunft, Referieren heiße, für den Hörer einen Gegenstand zu identifizieren, ist auf vergleichbare Weise zirkulär wie die Regel, es dürfe nur den roten Gegenständen bei ›wörtlichem‹ Gebrauch der Ausdruck ‘rot’ zugesprochen werden. 2.4. Wittgenstein zur ›Rolle eines Wortes in der Sprache‹ Um diese Zirkularitätsthese und die oben aufgestellte Behauptung näher zu erläutern, das
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zur Befolgung der Referenzregel nötige ›Feststellen, ob es einen geeigneten Gegenstand gibt‹ sei selbst eine sprachliche Handlung, soll an dieser Stelle eine Überlegung Wittgensteins betrachtet werden. Am Beginn seiner Philosophischen Untersuchungen zitiert er den Bericht, den Aurelius Augustinus (354—430) (s. Art. 16) davon gibt, wie er die Sprache erworben habe, und seine eigenen Überlegungen entwickelt er als eine Kritik an dem von Augustinus gezeichneten Bild. Den Kern dieser Kritik bildet die Aussage, „[...] Augustinus beschreibe das Lernen der menschlichen Sprache so, als käme das Kind in ein fremdes Land und verstehe die Sprache des Landes nicht; das heißt: so als habe es bereits eine Sprache, nur nicht diese“ (Wittgenstein PU § 32).
Entsprechend läßt sich über Searle sagen, er beschreibe die Sprachkompetenz so, als habe der seine Primärsprache gerade erwerbende Mensch schon vor den ersten Schritten zu dieser Kompetenzaneignung eine PräSprache zur Verfügung, die ihm Kriterien dafür gibt, was Gegenstände sind, und was es heißt, sie für jemanden herauszuheben, die also das Medium abgibt, in dem die Regeln formuliert sind, in deren Kenntnis die Kompetenz bestehen soll, S 1 zu sprechen. — Wittgenstein wendet sich in seinem Kontext speziell gegen die bei Augustinus anklingende Vorstellung, eine Reihe von hinweisenden Definitionen für immer mehr einzelne Wörter könnte einen Menschen befähigen, schließlich das Ganze einer Sprache zu beherrschen. Sein Einwand lautet, daß eine hinweisende Definition den Gebrauch eines Wortes nur dann erklärt, „wenn es schon klar ist, welche Rolle das Wort in der Sprache überhaupt spielen soll“ (Wittgenstein PU § 30); er zeigt dann ausführlich, wie verschieden diese Rollen sein können, und daß sie an ›objektiven‹, sprachunabhängigen Gegenstandsmerkmalen nicht ablesbar sind. Der entsprechende Einwand gegen Searles Behandlung der Referenz lautet, daß man das Referieren nur dann mit Hilfe von Regeln zum Gebrauch von Referenzausdrücken informativ darstellen kann, wenn schon klar ist, welche Rolle in der Sprache durch die Aussagen, ein Ausdruck stehe für einen Gegenstand oder er sei eine identifizierende Kennzeichnung, bezeichnet werden soll. Wittgenstein (PU § 29) weist darauf hin, daß es besondere Wörter gibt, die dazu dienen können, solche Rollen, die ein Wort spielen kann, anzuzeigen. Er nennt als Beispiel das Wort ‘Zahl’; das entsprechende Wort für unseren Kontext wäre ‘Gegenstand’. Wollen
III. Positionen
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wir ein solches Wort beim Lehren der Sprache (oder, in Searles Fall, bei der Erklärung der Sprachkompetenz) verwenden, so müssen wir es in Wittgensteins Fall vorher lehren, und im Falle Searles muß dies Wort und die zugehörige Verwendungskompetenz als bekannt bzw. verfügbar fingiert werden, wobei diese Fiktion im betrachteten sprachphilosophischen Zusammenhang unproblematisch sein muß. — Fragt man sich nun, wie man das Wort ‘Zahl’ (bzw. das Wort ‘Gegenstand’) lehren (bzw. philosophisch erläutern) könnte, so lautet Wittgensteins Antwort, dies könne im Anschluß an den Gebrauch von Zahlwörtern geschehen; wer diesen beherrsche (d. h. auch: wer ihre Rolle in der Sprache kenne), könne dann über die Rolle eines bestimmten, seinem Gesprächspartner fremden Wortes Auskunft geben durch die Aussage, es sei ein Zahlwort. Entsprechend muß man im Fall der Referenz sagen, daß erst der Erwerb der Kompetenz, mit bestimmten Wörtern oder Wortgruppen zu referieren, die Fähigkeit verschafft, die Rolle der dazu nötigen Ausdrücke von anderen Rollen anderer Ausdrücke zu unterscheiden. Erst dann kann die Rolle eines bestimmten, z. B. mehrdeutigen Ausdrucks angegeben werden, indem man sagt, er diene dazu, einen einzelnen Gegenstand identifizierend zu kennzeichnen oder herauszuheben; was das heißt, weiß aber nur der, der die Tätigkeit des Referierens schon beherrscht. Bildlich gesprochen läßt sich sagen, in den Wörtern ‘Gegenstand’ und ‘identifizieren’ kristallisiere sich die bereits vorhandene Sprachkompetenz aus; jene Kompetenz gibt ihnen die Bedeutung, und nicht ist eine wie immer ›implizite‹ Kenntnis ihrer Bedeutung dasjenige, worüber ein Kandidat bereits verfügen muß, wenn er die Sprachkompetenz erwirbt. 2.5. Regeln für das Prädizieren und das Anzeigen der illokutiven Rolle Nachdem die methodischen Probleme der Strategie der Kompetenzerklärung durch ›Explizitmachen impliziter Regeln‹ auf allgemeine Weise und am Fall der Referenz ausführlich erörtert wurden, genügt es, im Fall der Regeln für das Prädizieren und das Anzeigen der illokutiven Rolle darauf hinzuweisen, daß sich diese Probleme hier ganz parallel stellen. Die für die Prädikation entscheidende Regel (Searle 1969, 126 f), die Äußerung eines prädikativen Ausdrucks zähle als ein ›Aufwerfen der Wahrheitsfrage‹ in einem bestimmten Modus (im einfachsten Fall als Zusprechen eines Prädikators einem Gegenstand gegenüber), verlangt für ihr Verständnis vom
Hörer, daß er sich in dem schon auskennt, was sie erklären will, nämlich darin, was es heißt, einem Gegenstand einen Prädikator zuzusprechen (s. Art. 77). Wiederum erwirbt man diese Kompetenz genau dadurch, daß man lernt, mit den Ausdrücken einer bestimmten Sprache zu prädizieren; und welche Handlungen darunter fallen, bestimmt sich nicht sprachunabhängig an den ›Sachen selbst‹, sondern an den Ausdrucksmöglichkeiten der betrachteten Sprache. Daß wir z. B. die mit den Sätzen ‘er ist bereit’, ‘er ist begabt’, und ‘er ist blond’ vollzogenen Sprechhandlungen sämtlich als Zusprechen eines Prädikators einer Person gegenüber behandeln, liegt nicht daran, daß diese Person die durch jene Wörter bezeichneten ›Eigenschaften‹ auf ähnliche Weise ›hat‹ oder nicht hat, wie man an ihr eine Leber und zwei Nieren vorfinden kann. Ein Vertrautsein mit jenen Eigenschaften kann nicht sprachunabhängig erworben werden wie ein Vertrautsein mit den Einzelteilen eines Puzzles. Vielmehr kann das als ein einheitliches aufgefaßte Problem eines Wahrseins eines prädikativen Ausdrucks von einem Gegenstand nicht anders in den Blick kommen als durch den Erwerb der Fähigkeit zur Prädikation und den damit verbundenen Vereinheitlichungen oder Differenzierungen der jeweiligen Sprache. Ein ähnliches Zirkelproblem könnte auch bei Searles (1969, 62 f) Formulierung der Regeln für das Anzeigemittel für die illokutive Rolle auftreten, die er am Beispiel des Versprechens erörtert. Hier lautet die entscheidende Regel, daß die einschlägige Äußerung (‘Hiermit verspreche ich, H zu tun’) als ›Übernahme einer Verpflichtung‹ zählt, die versprochene Handlung zu tun, und man kann fragen, ob das Wort ‘Verpflichtung’ in einer konstitutiven Regel auftreten darf, die erklären soll, worin die Sprechhandlung des Versprechens besteht. Die Antwort ist hier nicht so eindeutig negativ wie in den vorher behandelten Fällen. Es ist denkbar, daß der Begriff der Verpflichtung unabhängig von der Institution des Versprechens bestimmt werden kann, so daß es dann möglich ist, ihn zu deren Konstitution zu benutzen. Da diese Frage aber keine spezifisch sprachphilosophischen Annahmen betrifft, soll sie hier nicht erörtert werden.
3.
Intentionen
Es ist charakteristisch für Searles Vorgehen, daß er unter den Bedingungen, die erfüllt sein müssen, wenn ein Sprechakt gelingen soll,
54. Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie
stets auch solche nennt, die fordern, der Sprecher müsse bestimmte Intentionen oder Absichten haben (s. Art. 93). So gehört zu den Gelingensbedingungen für den Referenzakt, daß der Sprecher die Intention hat, einen bestimmten Gegenstand für den Hörer herauszuheben; entsprechend gilt für die Prädikation, daß sie die Absicht verlangt, die Wahrheitsfrage aufzuwerfen, und für das Versprechen, daß der Sprecher intendiert, sich zu verpflichten. — Ahnlich wie im Fall des Regelbewußtseins muß hier gefragt werden, ob sich die Rede von den Intentionen auf einen von der Sprechhandlung logisch unabhängigen Gegenstand bezieht, wie es die Terminologie der ›notwendigen und hinreichenden Bedingungen‹ nahelegt, oder ob wir nicht genau dann von jemandem sagen, er habe eine gewisse Intention, wenn er eine bestimmte, sein Handeln erläuternde Sprechhandlung entweder bereits vollzogen hat oder nach unserer Erwartung vollziehen würde, wenn wir ihn um einen Kommentar zu seiner Handlung bäten. Es könnte als eine sprachphilosophische ›Annahme‹ bezeichnet werden, daß Searle, der hier der Bedeutungstheorie von Herbert Paul Grice (1913—1988) (1957) folgt, ›davon ausgeht‹, daß Intentionen sprachunabhängige mentale Gegenstände oder Zustände sind, auf die man zurückgreifen kann, wenn man die Sprachkompetenz erklären will (s. Art. 93). Wie bei John Locke (1632—1704) (s. Art. 22) (1975, 402) wäre das Grundschema einer solchen Erklärung von der Form: Weil sich ein Sprecher gewisse Gedanken gemacht hat und gewisse Absichten verfolgt, und weil er diese Gedanken mitteilen und seine Absichten verwirklichen will, vollzieht er eine gewisse Sprechhandlung; ›innere‹ Vorgänge erklären ›äußere‹ Handlungen. Parallel zum oben erhobenen Einwand, daß man die Kompetenz für die elementaren sprachlichen Leistungen nur dann unter Benutzung des Regelbegriffs beschreiben kann, wenn man sich einer Als-Ob-Redeweise bedient, daß man in dieser Redeweise philosophisch aber nichts aufklären kann, weil in dem durch das ‘Als-ob’ angezeigten fiktiven Schritt genau die Kompetenz als vorhanden angenommen werden muß, um deren Erhellung es geht, wird im Folgenden mit Bezug auf den Intentionsbegriff angefragt, ob er sich wirklich auf einen sprachunabhängigen mentalen Vorgang bezieht, oder ob nicht die Rede von den Intentionen, die jemand hat, stets einen Interpretationsrahmen setzt, mit dem unterstellt oder im Sinne einer Als-ob-Rede-
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weise fingiert wird, das Subjekt der Intentionen sei fähig, auf die vorgeschlagene Intentionszuschreibung sprachlich zu antworten. Wäre letzteres der Fall, dann könnten Intentionen so wenig wie Regeln einen Dienst bei der Aufklärung der primären Sprachkompetenz leisten. 3.1. Wittgenstein über die Priorität des Sprachspiels gegenüber den Intentionen Wir greifen hier abermals auf Argumente zurück, die Wittgenstein in den Philosophischen Untersuchungen vorgetragen hat. Dort beschäftigt ihn das Problem, ob das ›Meinen‹ ein innerer Vorgang sei, unter Rekurs auf den ein unverständiges Plappern von einer sprachlichen Handlung unterschieden werden könne. Systematisch gesehen besteht Wittgensteins erster Schritt in einer Untersuchung der Frage, ob wir uns in Fällen, wo wir zu Recht davon sprechen, wir hätten in der Vergangenheit etwas gewünscht, beabsichtigt oder gemeint, auf ›innere‹ Handlungen, Vorgänge oder Prozesse beziehen, über deren Auftreten wir mit jenen Äußerungen berichten. Durch eine Fülle subtiler Nachfragen macht er deutlich, daß diese Frage für die Gruppe der ihn interessierenden Fälle negativ zu beantworten ist. Diese Gruppe läßt sich für unsere Zwecke durch die Aussage hinreichend genau bestimmen, es handle sich um Fälle vom Typus ›etwas sagen und es meinen‹, ›etwas tun und es absichtlich tun‹, und nicht um Fälle von Visionen, plötzlichen Gefühlswallungen, etc. — So sagt er an einer Stelle: „Ich erinnere mich, ihn gemeint zu haben. Erinnere ich mich eines Vorgangs oder Zustands? — Wann fing er an; wie verlief er; etc.?” (Wittgenstein PU § 661).
Er denkt dabei an ein Herwinken einer Person, mit dem jenes Meinen, wie wir uns ausdrücken, ›verbunden‹ war, und es ist klar, daß die Unbeantwortbarkeit der auf den Vorgang bezogenen rhetorischen Fragen den Leser zur Einsicht verhelfen soll, ein solcher Zustand oder Vorgang liege im betrachteten Fall nicht vor. Dies spricht er auch ausdrücklich aus: „Warum will ich ihm außer dem, was ich tat, auch noch eine Intention mitteilen? — Nicht, weil die Intention auch noch etwas war, was damals vor sich ging. Sondern, weil ich ihm etwas über mich mitteilen will, was über das hinausgeht, was damals geschah” (Wittgenstein PU § 659).
Die Intention ist also kein weiterer Gegenstand, kein weiterer Bestandteil der damaligen Situation; trotzdem ist es unbezweifelt sinn-
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voll, ›über‹ sie zu sprechen. In einem zweiten Schritt muß also erklärt werden, wie dieses Sprechen richtig verstanden wäre. Der zuletzt zitierte Satz gibt bereits einen Wink, wo die Antwort nach Wittgensteins Auffassung zu suchen ist: Der Sprecher will etwas über sich mitteilen, was über das damalige Geschehen hinausgeht. Wenig später erläutert er: „Die Grammatik des Ausdrucks ‘Ich wollte damals sagen ... .’ ist verwandt der des Ausdrucks ‘Ich hätte damals fortsetzen können’” (Wittgenstein PU § 660).
Es handelt sich demnach um eine Erläuterung dazu, wie der Handelnde gegenwärtig seine Handlung versteht, wie er sie in Handlungsalternativen einordnet, wie er sie unter anderen Umständen fortsetzen würde. Diese Erläuterung bedient sich zwar einer Ausdrucksweise, bei der scheinbar über einen schon damals verborgen vorliegenden inneren Gegenstand, ›die Intention‹, gesprochen wird, bei der dieser Anschein eines ›Sprechens über etwas‹ aber nur eine Sache des Mediums ist, vergleichbar einer Ausdrucksform wie ‘im Stich lassen’. So kommt Wittgenstein zu der Aussage: „Man kann nun sagen, die Worte ‘Ich wollte, N. sollte zu mir kommen’ beschreiben den damaligen Zustand meiner Seele, und kann es auch wieder nicht sagen” (Wittgenstein PU § 662).
Ich interpretiere: Man kann es sagen, weil wir uns herkömmlicherweise so ausdrücken und damit verstanden werden, man kann es aber nicht sagen, wenn man damit die Meinung verbindet, es liege tatsächlich eine Referenz auf einen sprachunabhängig vorliegenden Seelenzustand vor, der dann von Autoren wie Searle als Erklärungsinstanz nicht für eine spezifische Handlung innerhalb eines bekannten Rahmens benutzt wird (›warum hast du ihn angeschaut und nicht sie?‹), sondern für die Kompetenz, überhaupt auf eine bestimmte Weise zu handeln (›wenn wir sprechen, folgen wir Regeln, die uns anleiten, im Sprechen unsere vorsprachlich bereits vorhandenen Absichten zu verwirklichen‹). — In Umkehrung der methodischen Reihenfolge bei Searle sagt Wittgenstein: „Sieh auf das Sprachspiel als das Primäre! Und auf die Gefühle, etc. als auf eine Betrachtungsweise, eine Deutung, des Sprachspiels!” (PU § 656)
Das heißt: Das Sprachspiel, das von ›inneren Zuständen‹ spricht, das sich aber auch anderer Bilder und Gleichnisse bedienen könnte, ist in der Funktion, die es hat, primär (s. Art. 96). Diese Funktion besteht darin, die
III. Positionen
betreffende Handlung in einen Kontext zu stellen, z. B. durch die Angabe möglicher Fortsetzungshandlungen. ›Die Gefühle‹ bzw. hier ›die Intentionen‹ sind das Resultat einer Betrachtungsweise, einer Deutung, die dieses funktionierende Sprachspiel vollzieht; sie erfolgt in Form des Bildes von einem eigenen, unsichtbaren ›Bereich‹ der Person, ihrer Seele, und zu diesem Bild gehört die Vorstellung, diese Seele könne in verschiedenen Zuständen sein, und eine Kenntnis der Zustände bedeute eine genauere Kenntnis der an der ›Oberfläche‹ sichtbar werdenden Handlungen. 3.2. Bekanntlich hat Wittgenstein nicht die Absicht gehabt, solche Ausdrucksweisen abzuschaffen und durch andere zu ersetzen. Aus seiner Perspektive muß aber Searles Vorgehen als verfehlt erscheinen, weil es eine nur im Medium der Sprache mögliche Fiktion, die innerhalb dieses Mediums auch bestens geeignet ist, im Prozeß der Interpretation von Handlungen Rückfragen und Antworten darauf zu ermöglichen, wie einen Bezug auf vorsprachlich gegebene innere Vorgänge oder Handlungen auffaßt, die vom Explanandum logisch unabhängig sind, und auf die man deshalb für die Angabe von Gelingensbedingungen für Sprechakte zurückgreifen kann. Freilich können wir sagen, es gehöre zur Sprechhandlung des Referierens, daß der Sprecher die Absicht habe, für den Hörer einen bestimmten Gegenstand herauszuheben. Diese Zuschreibung einer Absicht hat ihren Ort aber innerhalb eines bereits entwikkelten Sprachspiels; sie unterstellt oder fingiert beim Subjekt dieser Zuschreibung einen Entwicklungsstand der Sprachkompetenz, auf dem es seine Absichten selbst zum Ausdruck bringen und z. B. fälschlich unterstellte Absichten zurückweisen kann. Geht es aber um eine Aufklärung der dieser Kompetenz zugrundeliegenden Möglichkeit elementarer sprachlicher Leistungen, dann ist die mit dem Wort ‘Absicht’ verbundene Fiktion einer bereits erreichten höheren Kompetenzstufe (derjenigen, auf der sich das zum Wort ‘Absicht’ gehörende Sprachspiel abspielt) unzulässig, weil sie in ihrer Aussagekraft leer ist. — Wir haben im Fall der Intentionen methodisch also einen ganz ähnlichen Sachverhalt vor uns wie im Fall der ›impliziten Regeln‹. Das Wort ‘Absicht’ steht auf einer den Wörtern ‘Zahl’ und ‘Gegenstand’ entsprechenden Stufe; an ihm kristallisiert sich eine spezifische Kompetenz aus, bei deren Vorhandensein es sinn-
54. Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie
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voll verwendet werden kann. Es gehört in ein Sprachspiel und bezeichnet keinen sprachunabhängigen Gegenstand, der Sprachspiele erst ermöglicht. Bei Wittgenstein findet sich eine Formulierung, die den hier gemeinten Sachverhalt ausdrücklich feststellt:
Sprechakte sind Akte, für die es charakteristisch ist, daß sie dadurch vollzogen werden, daß in Übereinstimmung mit solchen Gruppen konstitutiver Regeln Ausdrücke geäußert werden] (Searle 1969, 37).
„Aber wir machen uns hier wieder ein irreführendes Bild vom ‘Beabsichtigen’; d. h., vom Gebrauch dieses Worts. Die Absicht ist eingebettet in der Situation, den menschlichen Gepflogenheiten und Institutionen. Gäbe es nicht die Technik des Schachspiels, so könnte ich nicht beabsichtigen, eine Schachpartie zu spielen. Soweit ich die Satzform im voraus beabsichtige, ist dies dadurch ermöglicht, daß ich deutsch sprechen kann” (PU § 337).
„Different human languages, to the extent that they are inter-translatable, can be regarded as different conventional realizations of the same underling rules” [Verschiedene menschliche Sprachen können in dem Maße, indem sie ineinander übersetzbar sind, als verschiedene auf Konventionen beruhende Realisierungen der gleichen zugrundeliegenden Regeln betrachtet werden] (Searle 1969, 39).
Wir brauchen nur zu ergänzen: Und nicht ist die Beherrschung der deutschen Sprache ermöglicht durch die Absicht, sich der Handlungsformen des Referierens, des Prädizierens und des Anzeigens der illokutiven Rolle zu bedienen. — Hier kann leider auf das Buch von Searle (1983) über Intentionalität nicht ausführlich eingegangen werden. Seine Grundaussage, er lasse den ontologischen Status der Intentionen ungeklärt und befasse sich nur mit der ›Logik‹ (des Redens) von Intentionen, die derjenigen von Sprechakten auffällig ähnlich sei, bestätigt aber die hier vorgetragene These, er bewege sich in einem Sprachspiel nachträglicher Handlungserläuterung und nicht in einem vorsprachlichen Bereich.
4.
Die ›Standardform‹
Als letzte der sprachphilosophischen ›Annahmen‹ in Searles Sprechakttheorie wollen wir seine Auffassung erörtern, man könne durch eine allgemeine, auf keine bestimmte Sprache bezogene Untersuchung sprachlicher Handlungsmöglichkeiten die Strukturen von ›Sprechakten überhaupt‹ aufdecken, von denen sich dann sagen lasse, daß die einzelnen natürlichen Sprachen sie konventionell auf je verschiedene Weise ›verwirklichen‹, ›realisieren‹ würden. So sagt er z. B., die seinem Buch zugrundeliegende ›Hypothese‹ ließe sich wie folgt formulieren: „the semantic structure of a language may be regarded as a conventional realization of a series of sets of underlying constitutive rules [...] speech acts are acts characteristically performed by uttering expressions in accordance with these sets of constitutive rules” [Die semantische Struktur einer Sprache läßt sich als eine auf Konventionen beruhende Realisierung einer Serie von Gruppen zugrundeliegender konstitutiver Regeln begreifen;
Und:
Was geht, sprachphilosophisch gesehen, vor sich, wenn man verschiedene Sprachen so betrachtet, als seien sie konventionelle Verwirklichungen derselben zugrundeliegenden Regeln? Oder, eingeschränkter gefragt: Was geht vor sich, wenn man natürlichsprachlich verschiedene Ausdrucksformen so betrachtet, als seien sie verschiedene Realisierungsweisen zugrundeliegender elementarer Sprechhandlungen? Der allgemeine Charakter des Ergebnisses einer solchen Art der Betrachtung ist uns aus der Tradition der Bemühungen um die Aufdeckung der ›logischen Form‹ von Aussagen bekannt, und es verwundert nicht, daß Searles Standardform für Sprechakte sich von der traditionell angegebenen logischen Form für elementare Aussagen nur durch zwei Merkmale unterscheidet: durch die Ergänzung eines schematischen Zeichens für die jeweilige illokutive Rolle, und durch eine sich aus der Einbeziehung der Performativa ergebende erweiterte Auffassung von der Prädikation. Schematisch dargestellt finden wir als Standardform für Sprechakte bei Searle (1969, 32): ‘F (R P)’. Hier ist der Buchstabe ‘F’ die sprachliche Artikulation der illokutiven Rolle (Searle verwendet z. B. die Symbole ‘?’ und ‘!’ für Fragen bzw. Befehle und Freges Urteilszeichen ‘’ für Behauptungen); der Buchstabe ‘R’ ist Mitteilungszeichen für einen referierenden Ausdruck (Nominator) und ‘P’ ist Mitteilungszeichen für einen prädizierenden Ausdruck (Prädikator). — Nun wäre es in der Tat von größtem Interesse, wenn es Searle gelungen wäre, für das, was in der angesprochenen Tradition die ›logische Form‹ einer elementaren Aussage heißt, eine von allen Merkmalen einzelner Sprachen, von allen Formen spezifischer ›Realisierungen‹ unabhängige Deutung zu finden, zumal, wenn sie nicht ontologischer Art ist, sich nicht an einer vorgeblich sprachunabhängig erkenn-
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baren ›Struktur der Welt‹ zu orientieren vorgibt, sondern am sprachlichen Handeln. Die Konzeptionen einer ›Universal-‹ oder gar einer ›Transzendentalpragmatik‹ von Jürgen Habermas (*1929) (1981) und Karl-Otto Apel (* 1922) (1973 a) dürften hier eine ihrer Inspirationsq uellen haben; es wäre wahrhaftig bemerkenswert, wenn die Sprechakttheorie uns zu einer philosophisch respektablen Begründung eines über-einzelsprachlichen Kategoriensystems verhelfen könnte (vgl. Schneider 1982; 1992) (s. Art. 53). Searle drückt sich in dieser Hinsicht vorsichtig und doch widersprüchlich aus; er sagt einerseits, die einzelnen Sprachen (bzw. die verschiedenen Ausdrucksmittel einer Sprache) ließen sich, was ihre semantische Struktur angehe, so betrachten, als handle es sich bei ihren Verschiedenheiten um konventionelle Unterschiede in der Realisierung ein und derselben zugrundeliegenden Menge von Sprechhandlungsregeln. Zugleich spricht er aber von der ›Hypothese‹, es gebe solche Regeln, und er scheint für seinen erweiterten Prädikationsbegriff nicht nur zu behaupten, er ergebe sich aus der von ihm gewählten Form der Darstellung (seinem ›So-Betrachten‹), sondern eine allgemeine Untersuchung sprachlicher Handlungsmöglichkeiten zeige, daß es unabhängig von allen ›Realisierungsformen‹ eine Sprechhandlung des Prädizierens gebe, die sich als ›Aufwerfen einer Frage‹ charakterisieren lasse, und zu deren Merkmalen es gehöre, in einem jeweils bestimmten ›Modus‹ aufzutreten. Zu diesen Modi gehören, um nur einige zu nennen, der behauptende Modus, bei dem der Sprecher die aufgeworfene Frage, ob ein Prädikator dem mit dem Referenzausdruck herausgehobenen Gegenstand zukomme, bejaht; ferner der auffordernde Modus, bei dem der Sprecher ausdrückt, der Hörer solle dafür sorgen, daß sich die aufgeworfene Frage bejahen läßt; und es gehört dazu der Fragemodus, bei dem der Sprecher die aufgeworfene Frage beantwortet haben will. Aus dieser Unterscheidung zwischen der einen Prädikationshandlung (schematisch durch ‘P’ dargestellt) und den vielen ›Modi‹, in denen sie auftritt (schematisch mitausgedrückt durch den Buchstaben ‘F’ für die illokutive Rolle), ergibt sich die Möglichkeit, als Darstellungsform für alle Sprechhandlungen der hier erörterten einfachen Art die schon oben angegebene Standardform ‘F (R P)’ zu benutzen. 4.1. Die sprachphilosophische Frage, der wir
III. Positionen
nachgehen wollen, läßt sich nun so formulieren: Zeichnet diese Standardform eine tieferliegende Struktur sprachlicher Handlungen nach, wie sie sich aus jenen über- oder voreinzelsprachlichen Regeln ergibt, deren Existenz Searle, wie er sich ausdrückt, ›hypothetisch‹ annimmt? Oder wählt er zunächst eine einheitliche Form der Darstellung von verschiedenen Arten von Sprechhandlungen, und konstruiert dann, bei der Interpretation der Teile der Darstellungsformel in Handlungstermini, eine dazugehörige Handlung, insbesondere die Handlung der Prädikation als das ›Aufwerfen einer Frage‹? Wir haben an anderer Stelle (Schneider 1979) ausführlich begründet, daß die zweite dieser Möglichkeiten vorliegt, daß Searle dies aber nicht deutlich macht; seine Bestimmung der Prädikationshandlung folgt der schematischen Darstellung und liegt ihr nicht zugrunde. Mit der gleichzeitigen Selbstinterpretation, er stelle eine Hypothese auf, entfällt aus seiner Perspektive die Notwendigkeit, die Wahl gerade dieser schematischen Darstellungsform eigens zu begründen. Geht man Searles (1969, 22—33) Darstellung unter der genannten Fragestellung durch, so wird man finden, daß er zunächst einfach behauptet, in geeigneten Äußerungen der von ihm erörterten vier Beispielsätze (‘Sam smokes habitually’ [Sam raucht gewohnheitsmäßig], ‘Does Sam smoke habitually?’ [Raucht Sam gewohnheitsmäßig?], ‘Sam, smoke habitually!’ [Sam, rauche gewohnheitsmäßig!] und ‘Would that Sam smoked habitually’ [Würde Sam doch gewohnheitsmäßig rauchen!]) lägen dieselben Teilakte der Referenz und der Prädikation vor; es wird deutlich, daß er es für eine nahezu triviale Feststellung hält, daß sich jene Teilakte von den illokutionären Akten (den Behauptungen, Fragen etc.) abtrennen lassen, und daß sie in den vier Fällen dieselben sind. Man kann sagen, er appelliere an unser unreflektiertes Sprachgefühl, das uns sagt, es gehe hier in irgendeinem Sinne ›um dasselbe‹. — Searle faßt dann das Ausführen der Teilakte des Referierens und des Prädizierens zusammen und nennt die resultierende Handlung den ›propositionalen Akt‹. Er weist zwar eigens darauf hin, daß er anders über die Prädikation spricht als die philosophische Tradition, begründet seine Abweichung aber nur mit der Aussage, die traditionelle Ausdrucksweise sei unbeq uem, weil sie es nicht gestatte, zum Ausdruck zu bringen, daß verschiedene Flexionsformen desselben Prädikatausdrucks in verschiedenen Arten von illokutionären Akten
54. Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprechakttheorie
auftreten (dies ist bereits ein Rekurs auf das Ausdrucksmedium; er wird hier aber nicht als solcher reflektiert); und er weist voraus auf seine Erörterung der Unterscheidung zwischen Behauptungen und anderen illokutionären Akten auf der einen und Propositionen auf der anderen Seite, die er in der Tradition zu wenig beachtet findet. — In dieser Erörterung nun argumentiert er, als sei schon erwiesen, daß z. B. die zum Aussagesatz und die zum entsprechenden Befehlssatz gehörende (illokutionäre) Sprechhandlung dieselben Teilakte der Referenz und der Prädikation enthalten könnten. Wo dies der Fall sei, werde er davon sprechen, daß dieselbe Proposition ausgedrückt werde (äq uivalent: daß derselbe propositionale Akt vollzogen werde, daß zwei Sprechhandlungen denselben propositionalen Gehalt hätten), und es leuchtet ein, wenn er dann auf den Unterschied zwischen einer Proposition und der Handlung, sie zu behaupten, hinweist. Die These allerdings, der propositionale Akt könne bei einer Behauptung und, z. B., einer Aufforderung derselbe sein, enthält keine weitere Begründung; d. h. sie hat das, was sie an Plausibilität besitzt, allein durch das bereits vorher Gesagte. Dies war zweierlei: erstens die dem Sprecher des Englischen (und entsprechend des Deutschen) intuitiv einleuchtende Vorstellung, in den oben zitierten Beispielsätzen gehe es doch in irgendeinem Sinn um ›denselben Sachverhalt‹, nämlich um Sams gewohnheitsmäßiges Rauchen; und zweitens der Hinweis von Searle, es sei beq uem, ausdrükken zu können, daß verschiedene Flexionsformen desselben prädizierenden Ausdrucks in Sprechhandlungen unterschiedlichen illokutiven Typs vorkommen können. Searle geht dann direkt zur Formulierung der oben zitierten Standardform über, von der er sagt, sie fasse die vorher im Text getroffenen Unterscheidungen lediglich zusammen. Steht diese aber zur Verfügung, dann scheint sich an ihr einfach ablesen zu lassen, daß die vier Beispielsätze, die Searle sämtlich durch ‘F (Sam Smoke-habitually)’ darstellen kann, dieselben Teilakte der Referenz und der Prädikation enthalten. 4.2. Wittgenstein über Teil-Sprechakte Wir behaupten nun, daß Searle nur gezeigt hat, daß man eine Form der Darstellung wählen kann, die den von ihm gesetzten Zweck erfüllt, verschiedene Flexionsformen desselben prädizierenden Ausdrucks durch ihre Gleichbehandlung in jener Darstellungsform
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als etwas Verbindendes sichtbar zu machen, daß er aber keine von spezifischen Eigenschaften von Darstellungsformen unabhängige Charakterisierung einer Handlung des Prädizierens in seinem erweiterten Sinne gegeben hat. — Ein Gedankengang, der diese Kritik vorwegnimmt, findet sich abermals beim späten Wittgenstein. Er schreibt: „Freges Ansicht, daß in einer Behauptung eine Annahme steckt, die dasjenige ist, was behauptet wird, basiert eigentlich auf der Möglichkeit, die es in unserer Sprache gibt, jenen Behauptungssatz in der Form zu schreiben ‘Es wird behauptet, daß das und das der Fall ist’“ (PU § 22)
Parallel läßt sich (unter Vernachlässigung der Frage, ob die Auffassung Gottlob Freges (1848—1925) (s. Art. 34) hier korrekt wiedergegeben ist) sagen: Searles Ansicht, daß in allen vier Beispielsätzen derselbe Akt der Prädikation steckt, basiert auf der Möglichkeit unserer Sprache, diese vier Sätze in der Form zu schreiben ‘Es wird behauptet, daß / gefragt, ob / befohlen, daß / gewünscht, daß Sam gewohnheitsmäßig raucht’. Wittgenstein wendet nun ein, daß die Äußerung des Satzteils, der das ›Annehmen‹ ausdrücken soll, kein ›Zug im Sprachspiel‹ sei; auf Searle gemünzt heißt dieser Einwand, daß die Äußerung der Ausdrücke, die für die Prädikation stehen sollen, nämlich ‘daß Sam gewohnheitsmäßig raucht’ kein Sprechakt sei. Searle trägt dem insofern Rechnung, als er hier von einem ›unselbständigen Sprechakt‹ redet; was diese ›Unselbständigkeit‹ genauer besagt, ist aber gerade zu klären. Wittgenstein führt seinen Gedankengang dann so weiter: „Wir könnten sehr gut auch jede Behauptung in der Form einer Frage mit nachgesetzter Bejahung schreiben; etwa: ‘Regnet es? Ja!’. Würde das zeigen, daß in jeder Behauptung eine Frage steckt?“ (PU § 22)
Allgemein sagt dieser Einwand: Wir könnten uns auch eine andere Form der Darstellung ausdenken, z. B. könnten wir für Aufforderungen den Umweg über die Beschreibung des Zustandes ihrer Befolgung vermeiden, so daß bei dieser Darstellung, wenn sie trotzdem Searles Standardform nahekommen will, nur ein Zeichen für die illokutive Rolle (‘!’), ein (bei Searle nicht vorgesehenes) Zeichen für den Adressaten der Äußerung (‘A’) und ein Zeichen für das die erwünschte Handlung ausdrückende Verb (‘V’) auftreten würde. Selbst wenn wir aus Ökonomiegründen die zum Auffordern benutzten Verben auch zum Prädizieren gebrauchen und daher
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III. Positionen
auch für sie das schematische Zeichen ‘P’ verwenden wollten (wozu uns sprachphilosophisch nichts zwingt), hätten wir doch zwei verschiedene Darstellungsformen für an einen Adressaten A gerichtete Behauptungen einerseits, nämlich ‘ (A), (R P)’, und für Aufforderungen andererseits, nämlich ‘! (A), (P)’. Parallel zur zitierten Anfrage Wittgensteins könnten wir nun formulieren: Würde die Wahl dieser Form der Darstellung zeigen, daß in den beiden fingierten Sprechhandlungen nun nicht mehr derselbe propositionale Teilakt steckt, auch wenn ‘A’, ‘R’ und ‘P’ für dieselben Wörter stehen? Diese Frage ist natürlich eine rhetorische Weise, die Behauptung auszudrücken, daß es bei dem geschilderten Vorgehen die gewählte Form der Darstellung ist, die darüber entscheidet, ob zwei verschiedene Sprechhandlungen identische Teilhandlungen enthalten oder nicht (zur Rolle der ›Form der Darstellung‹, insbesondere zur Frage, wie sich die Eigenschaften der Handlungen zu denen ihrer Darstellungen verhalten, vgl. Schneider 1980; 1983). Es ist genau diese Abhängigkeit von der Darstellungsform, die die ›Unselbständigkeit‹ des propositionalen Aktes und der Prädikation in Searles Sinn ausmacht. Geht die bei Searle nur unter der Hand, durch Appell an das Sprachgefühl und die logische Tradition legitimierte Form der Darstellung aber ein in die Bestimmung der elementaren Teilsprechakte, dann läßt sich ohne eine ausdrücklich (z. B. ›transzendental‹) begründete Auszeichnung der gewählten Form der Darstellung nicht mehr behaupten, die Regeln zu ihrem Vollzug lägen auf einer Ebene, wo Fragen der konventionellen Mittel zum Vollzug von Sprechhandlungen keine Rolle spielen.
5.
Zusammenfassung
Wir können rückblickend feststellen, daß Searle in den drei Bereichen, die wir hier erörtert haben, also mit Bezug auf die Regeln, die Intentionen und die ›hinter‹ jedem Medium auszumachende Form, genau das tut, vor dessen illusionärem Charakter uns Wittgenstein warnt: Er projiziert etwas, dessen Ort in der Sprache ist, aus dieser hinaus auf eine imaginäre Ebene hinter der Sprache; und er faßt jene Projektion als eine mit Hypothesen arbeitende Theorie auf, die die Sprachkompetenz verständlich machen soll. — Er sagt nicht: in der Sprache haben wir die Möglichkeit, Regeln aufzustellen, sondern: hinter der Sprache liegen Regeln, denen zu folgen das
Sprechen ausmacht. Er sagt nicht: in der Sprache gibt es das mit dem Wort ‘Absicht’ gespielte Sprachspiel, eigene Handlungen zu erläutern, sondern: hinter der Sprache stehen die Absichten, die der Sprecher sprechend verfolgt. Er sagt nicht: wir können eine sprachliche Form wählen, die dazu führt, daß die Ausdrücke für verschiedene Sprechakte gleiche Teilausdrücke enthalten, sondern: hinter der grammatischen Form steht eine sprechhandlungstheoretisch interpretierbare logische Form. Wenn die hier vertretene Kritik im Recht ist, drücken diese Thesen keine ›Annahmen‹ aus, sondern philosophisch angreifbare Folgerungen aus alltagssprachlich unproblematischen Ausdrucksweisen.
6.
Literatur in Auswahl
Austin 1962 a, How to Do Things With Words. Der klassische Beginn der Sprechakttheorie. Harnish/Koj 1986, Speech acts, in Encyclopedic Dictionary of Semiotics, Sebeok (Hg.), Bd. 2. Eine knappe Einführung. Leech 1983, Principles of Pragmatics; Kap. 8: Performatives, Kap 9: Speech act verbs in English. Ein ausführlicher Lehrbuchtext aus linguistischer Sicht. Levinson 1983, Pragmatics; Kap. 5: Speech Acts. Eine Einführung aus linguistischer Sicht. Von Savigny 1974, Die Philosophie der normalen Sprache, Kap. 3: Auf die Unterschiede kommt es an. John Langshaw Austin: How to do things with words. Eine ausführliche Darstellung der Philosophie Austins mit einer kommentierten Bibliographie. Searle 1969, Speech Acts. An Essay in the Philosophy of Language. Der grundlegende Text der ausgebauten Sprechakttheorie. Searle 1979, Expression and Meaning. Studies in the Theory of Speech Acts. Eine weiterführende Aufsatzsammlung zur Sprechakttheorie. Stegmüller 1975, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, Bd. 2, Kap. I, 3: Theorie der Sprechakte: J. L. Austin und J. R. Searle. Ein einführender Überblick unter Einbeziehung der Perspektive des Formalsprachenansatzes. Strube 1985 a, Austin und die linguistisch-phänomenologische Analyse des Sprechens, in Handbuch Philosophie: Analytische Philosophie, Hoche/Strube (Hg.). Eine knappe, leicht lesbare Einführung unter Einbeziehung hermeneutischer Gesichtspunkte. Strube 1985 b, Searle und die philosophisch-sprachwissenschaftliche Sprechaktanalyse, in Handbuch
55. Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen Semantik
Philosophie: Analytische Philosophie, Hoche/Strube (Hg.). Eine knappe, leicht lesbare Einführung unter Einbeziehung hermeneutischer Gesichtspunkte. Wallner 1983, Die Grenzen der Sprache und der Erkenntnis. Analysen an und im Anschluß an Witt-
775
gensteins Philosophie. Abschnitt 4.5: Die Unterschiede zwischen Wittgensteins späterer Philosophie und der Sprechakttheorie. Eine scharfe Abgrenzung, die die vorherige Lektüre der vorausgehenden Kapitel verlangt.
Hans Julius Schneider, Erlangen (Deutschland)
55. Die sprachphilosophischen Annahmen der formalen Semantik 1. 2. 3. 4. 5.
6. 7.
1.
Grundsatzfragen Die abstrakte Semantik Die kompositionelle Semantik Die Konstitution von sprachlicher Form und Bedeutung im Menschen Leibniz’ Konzeption repräsentationell-interaktiv — also formal-semantisch — bestimmter dynamischer Vorgänge Zusammenfassung Literatur in Auswahl
Grundsatzfragen
1.1. Das Thema führt uns in ein ›Wespennest‹ von Problemen: Was ist Semantik, was ist formale Semantik, was ist der Horizont und die Aufgabe der Sprachphilosophie? Man kann versuchen, das ›Wespennest‹ zu vermeiden, indem man, wie manche Logiker, nur die abstrakte Struktur einer strikt ausdrucksbezogenen formalen Semantik systematisch expliziert. Die Wahrscheinlichkeit ist dann allerdings sehr hoch, daß die ›Wespen‹ später über soviel Naivität im Umgang mit dem ›Wespennest‹ herfallen werden. Wir wollen also lieber die Probleme so scharf und unter sovielen Gesichtspunkten ins Auge fassen, wie wir nur können, und Perspektiven auf Alternativen zur einseitig formalen Analyse eröffnen. Trotz der Vielfalt der Detailprobleme kann man allerdings von vornherein einige grundsätzliche, bei allen Unterschieden gemeinsame Aspekte herausstellen. Die Semantik hat es allgemein mit Klassen von Dingen oder Vorgängen zu tun, die Form und Bedeutung (oder Inhalt) haben. Für die formale Semantik ist die Auffassung charakteristisch, daß die Bedeutung dieser Dinge oder Vorgänge wesentlich von ihrer Form abhänge bzw. von dieser bestimmt werde. Hinsichtlich der Art der Dinge wird meist als bekannt vorausgesetzt, daß man es mit Schriftgebilden zu tun habe, also eher mit Produkten der
Bedeutung konstituierenden Akte als mit den Akten selbst. Im philosophischen Kontext müssen wir diese Voraussetzungen in Frage stellen. — Dinge, die Form und Bedeutung haben, kann man semiotische Objekte nennen. Welche Dinge auch immer als semiotische Objekte in Betracht kommen mögen, der Begriff des semiotischen Objekts muß so gebildet werden, daß Äußerungen von Wörtern und Sätzen natürlicher Sprachen dazu gehören; sie sind die typischen semiotischen Objekte (s. Art. 114). Wörter und Sätze werden in Sprachakten realisiert, in Akten des Äußerns und Sagens bei Sprechern und in Akten des Vernehmens und Verstehens bei Hörern, also in komplexen Vorgängen im Inneren der Organismen von Sprechern und Hörern. Mit derartigen Hinweisen knüpft man bei Erfahrungen an, die jedem Menschen bekannt sind, man legt einen empirischen Bezug fest. Er bestimmt allerdings noch nicht genau, was eigentlich Wörter und Sätze bzw. deren Äußerungen in Wirklichkeit sind und welches Verhältnis sie zu den Sprachakten haben. — Dazu gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Manche verstehen unter semiotischen Dingen, ihren Formen und Bedeutungen rein abstrakte Gebilde, die man mit konkreten Dingen und Vorgängen der akustischen oder optischen Welt bzw. der psychischen und physischen Wirklichkeit in menschlichen Organismen nur korreliert, die aber nicht von dieser Wirklichkeit abhängen. Entsprechend werden sie die semiotischen Dinge ebenso charakterisieren wie mathematische Objekte, nämlich durch ihre formalen Struktureigenschaften im Rahmen einer mathematischen Strukturtheorie. Gelingt diese Charakterisierung, so gilt als semiotisches Objekt jedes Gebilde, das die angegebenen mathematischen Struktureigenschaften hat. Dieser abstrakte Zugang hat allerdings seinen Preis: Da man die mathematischen Ob-
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jekte ja darstellen muß, muß man voraussetzen, daß die Verwendung der Sprachmittel, mit denen man dies tut, und der sprachlichen Verstehensakte, in denen man dies tut, keine Probleme bieten hinsichtlich der Wahrnehmungs- und Produktionsvorgänge im Organismus. Die semiotischen Objekte, d. h. die Zeichen und Zeichenkombinationen, müssen so ausgewählt werden, daß die genannten Aspekte als trivial und vernachlässigbar erscheinen. In gewisser Weise waren die Vorschläge der automatischen Symbolmanipulation durch Alan Mathison Turing (1912— 1954) (Turing 1936) Explikationen dessen, was man glaubte, als trivial voraussetzen zu können, um so zu einer in sich wohlgegründeten reinen Semantik der interpretierten Kalküle — und a fortiori der formalen Mathematik — zu kommen, die von der Behandlung der Psychologie der Zeichenwahrnehmung und Zeichenerzeugung abtrennbar war. 1.2. Im letzten Jahrzehnt ist die abstrakte Auffassung der Semantik nicht mehr konkurrenzlos. Zunehmend ziehen die Fragen der Kognition einfacher Zeichen und komplexer Äußerungen wieder Interesse auf sich. Viele Theoretiker meinen nun, man könne sich nicht mehr auf die abstrakte Charakterisierung der Ausdrucksgebilde und ihrer Bedeutungen beschränken und müsse die Prozesse der Konstitution mitberücksichtigen. Allerdings könne dies noch im Rahmen abstrakt bleibender Charakterisierungen konkreter Vorgänge geschehen. Sie verstehen das so, daß die Charakterisierungen der Prozesse zwar die Form der Definition abstrakter mathematischer Gebilde hätten, sich aber wie abstrakte Charakterisierungen in den Naturwissenschaften — etwa abstrakt algebraische Charakterisierungen von Strukturen im Hilbertraum in der modernen Quantentheorie — auf konkrete Vorgänge bezögen und nicht, wie in der abstrakten, reinen Semantik auch auf abstrakte Objekte. Man meint also, daß man abstrakte Zusammenhänge bei der theoretischen Analyse der psychischen und biologischen Vorgänge in Einzelmenschen oder in Gruppen von Menschen formuliere, jedoch auf einer ›höheren‹ Beschreibungsebene, die noch nicht auf konkrete und detaillierte Aspekte psychischer oder biologischer Mechanismen eingehe, sondern die nur formale Beschränkungen für mögliche Mechanismen dieser Art in Teilbereichen des menschlichen Gehirns (oder eventuell konstruierbarer informationsverarbeitender Systeme) formu-
III. Positionen
liere (s. Art. 117). — Manche Theoretiker der Semantik gehen aber weiter. Sie glauben, daß semiotische Dinge und Vorgänge sogleich als konkrete aber idealisierte psychische oder biologische Mechanismen beschrieben werden können, d. h. durch Beschreibungen, bei denen die Idealisierung nur gewisse Funktionsdetails, die für die Charakterisierung des semiotischen Funktionierens nicht wichtig sind, wegläßt. Jedenfalls soll die Form der Beschreibung den beschriebenen Sachverhalten entsprechen: Formen und Inhalte sowie ihre Zusammenhänge konstituieren sich in Vorgängen, die durch die Interaktion von Mechanismen und Teilmechanismen zustande kommen; die formale Semantik ist dementsprechend eine Beschreibung derartiger Vorgänge und Mechanismen und nicht bloß ein System relationaler oder klassifikatorischer Gebilde ohne dynamische oder prozessuale Konnotation. — Natürlich verwenden die Theoretiker der beiden zuletztgenannten Ansätze auch Notationsmittel wie die abstrakten Theoretiker. Sie brauchen aber deren Beherrschung nicht wie diese vorauszusetzen, sondern können die Verwendung ihrer eigenen Notationsmittel im Zusammenhang mit der Kognitionsanalyse als Spezialfälle explizieren. Das aber bedeutet insbesondere, daß nicht alleine Produkte semiotischer Akte — seien es Schriftgebilde oder Schallschwingungen oder deren Formen — und die Bedeutungen als Dinge, auf die man sich in den Akten bezieht, in Betracht kommen müssen, sondern auch die Eigenschaften der Akte des Formulierens und Verstehens selbst und — jedenfalls im zuletztgenannten Ansatz — der mit ihnen verbundenen Vorgänge. Das, was hier für die Formulierung und das Verstehen der semiotischen Dinge und Vorgänge gesagt wurde, läßt sich in gleicher Weise für die Formen und Bedeutungen sagen. Auch sie müssen mit Eigenschaften der Akte des Formulierens und Verstehens verbunden sein, ja sie müssen sich als Bestandteile der Prozesse aufweisen lassen. Das bedeutet, daß auch ihnen spezifische Grundlagen in der Wirklichkeit der verstehenden Organismen zugeordnet sind, eventuell nur andere Sektoren der psychischen und biologischen Prozesse. Semiotischen Dingen könnten Vorgänge in peripheren Bereichen des Organismus entsprechen — etwa physiologische Prozesse des Mund- und Rachenraums sowie Prozesse in sensorischen und motorischen Rindenfeldern — den Formen und Bedeutungen dagegen Vorgänge in zentraleren Modu-
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len des Gehirns oder der Psyche. Im radikal abstrakten Ansatz zur Definition der Formen und Bedeutungen würde man Prozesse und Akte und Aktprodukte ausklammern und allein die Zuordnung gewisser im Rahmen der mathematisch-abstrakten Strukturtheorie charakterisierten Strukturgebilde der einen Art (z. B. Strukturbäumen, semantischen Netzen) zu Strukturgebilden der anderen Art (z. B. Zeichenketten) behandeln.
2.
Die abstrakte Semantik
2.1. Die Fragen der Semantik werden in der Tat meist im engeren Rahmen formuliert und behandelt. Es ist typisch, die detailliertere Erörterung der semantischen Fragenkreise mit der einfach klingenden Frage zu beginnen: ‘Was ist es, was Wörter das ausdrücken läßt, was sie ausdrücken?’ (Davidson 1985). Gefragt wird also danach, wie Wörter das leisten, was sie leisten, nämlich dazu beizutragen, die Welt und uns selbst zu verstehen und uns einander etwas mitzuteilen. Im vorigen Abschnitt haben wir erläutert, wie schon diese Frage eine doppelte Abstraktion voraussetzt: Die Abstraktion von den Sprachakten, die erst die Wörter und ihr Verständnis realisieren, und die Abstraktion von der konkreten Realität (Schrift oder Schall) und ihrer Hervorbringung und Wahrnehmung. Nach dieser doppelten Abstraktion scheint es so, als seien Bedeutungsstrukturen an sich und notwendig mit Wortstrukturen verbunden, d. h. unabhängig von der biologischen oder psychischen Fähigkeit zu ihrer Realisierung in Sprechern und Hörern. — Diese Voraussetzung ist nur in logischen und mathematischen Konstruktsprachen unproblematisch. Allerdings tritt dort an die Stelle der Beschreibung der Akte oder konkreten Gestalten ein System von zeichentechnisch unproblematisch zu handhabenden Regeln, deren kontrollierte Handhabung, wie man meint, ein rationales Äq uivalent zu den tatsächlichen Prozessen im Organismus beim Formulieren und Verstehen ist. In den meisten Büchern zur Semantik ist man mit wenigen einleitenden Bemerkungen bei der Feststellung, das, was Bedeutung habe, seien Folgen von Lauten oder Schriftzeichen (nicht etwa die Prozesse ihres Hervorbringens und Vernehmens) und diese Bedeutungen kämen den betreffenden Gebilden aufgrund von abstrakten Zusammenhängen zu, die man nur mithilfe rational zu interpretierender und zu befolgender Regeln erfassen
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könne. In dieser Auffassung ist sich in der Tat die Mehrzahl der Sprachwissenschaftler und Sprachphilosophen einig: Die Wörter sind im Grunde Zeichen in dem Sinn, daß sie Paare aus Wortlauten und Wortinhalten oder Wortbedeutungen sind, d. h. Paare von etwas, das man hören kann und etwas anderem, das man nicht als Sprachschall hören kann. Manche Wortlaute können auch, wie man dann sagt, mit mehreren Bedeutungen verbunden sein; sie gehören dann im Grunde zu mehreren Wörtern und deren Wortlaute sind mehrdeutig (s. Art. 98). Die meisten Vertreter dieser Auffassung bestehen strikt darauf, daß man diese Bedeutungen unter keinen Umständen mit psychischen Vorstellungen oder physischen Gehirnaktivitäten verwechseln dürfe, die zweifellos in Sprechern und Hörern beim Sprechen und Verstehen und auch beim sprachlichen Nachdenken zu finden seien, auch wenn man sie ohne besondere Meßtechnik äußerlich nicht wahrnehmen und auch mit Meßtechnik kaum differenziert verifizieren könne. Bedeutungen sind, so sagt man, etwas, was weder materiell noch psychisch ist und dennoch als mit den Wortlauten verbunden charakterisiert werden könne. Vor allem aber sei die Zuordnung der Bedeutungen zu ihren Lauten unabhängig vom individuellen Sprachgebrauch konventionell geregelt. Merkwürdigerweise hat man daraus nicht die Folgerung gezogen, man müsse also klären, wie ein Individuum derartige Gebilde als konventionelle Gewohnheiten oder in Regeln in seinem Organismus oder seiner Psyche übernimmt, sondern sogleich postuliert, den konventionellen Gewohnheiten müßten von vornherein strenge Regeln zugrundeliegen und es genüge diese zu formulieren. Oft sieht man darin einen weiteren Vorteil der Beschreibung: Der Rekurs auf Regeln scheint von vornherein klar zu machen, daß verschiedene Individuen denselben Gebilden dieselben Formen und Inhalte zuordnen. Natürlich hätte man diese Tatsache auch dadurch erfassen können, daß man die innere Struktur der Individuen als gleich beschrieben hätte. — Die auf Ausdrucksgebilde, ihre abstrakte Form und Inhaltscharakterisierung eingeschränkte Sicht erscheint sicher als sinnvoll, wenn man die Klärung der Bedingungen der Übernahme von Konventionen als eine momentan zu schwierige Aufgabe ansieht. Eine andere Lösung hätte darin bestanden, dem üblichen Vorgehen in den Naturwissenschaften zu folgen und zunächst idealisierte psychische oder organismische Zusammenhänge zu beschrei-
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ben und in ihrer theoretischen Struktur zu klären; diese Lösung kam aber — wohl aufgrund des Erfolges der formalen Logik und der Semantik in ihrem Rahmen und der daraus resultierenden vorgefaßten Meinung — bisher nicht in Betracht. Die erste Antwort auf die oben gestellte Frage in der skizzierten Einschränkung ist also: Es sind die mit den Wörtern verbundenen Regeln, die sie das leisten läßt, was sie leisten. Indem ein Sprecher einer Sprache sich gemäß den Regeln verhält, leisten auch für ihn die Wörter, was sie für jedermann zu leisten vermögen. Die Leistung besteht darin, jedem Wort das von ihm Gemeinte als seine Bedeutung zuzuordnen. 2.2. Das bedeutet, wie wir en passant bemerken wollen, daß Bedeutungen auch keine Züge oder Merkmale an den gesamten Sprachakten von Sprechern und Hörern sind, also keine Merkmale an der Intentionalität der Sprechakte, z. B. die Tatsache, daß, wenn man Wortlaute gebraucht, man notwendig einen intentionalen Bezugsakt auf Gegebenheiten in der Welt vollzieht. D. h. Theoretiker der abstrakten Semantik würden den Phänomenologen und Sprechakttheoretikern, die Intentionen ins Spiel bringen, nicht folgen wollen (s. Art. 54). Für die Mehrzahl derjenigen, die meinen, Wörter hätten Bedeutungen, mit deren Hilfe man beim Gebrauch der Wortlaute das leistet, was man leistet, spielen diese Bedeutungen einer psychischen Interpretation ferner die Rolle von Bedeutungsintentionen oder Aktcharakteren. — Zur Charakterisierung dessen, was abstrakte Semantiker meinen, geben sie meist einen systematischen Strukturzusammenhang — z. B. ein mengentheoretisches Konstrukt im Rahmen der Modelltheorie — als dessen Elemente sie die Bedeutungen verstehen. Die raison d’être dieser Bedeutungen erschöpft sich in ihrer Rolle bei der Konstitution des abstrakten Strukturzusammenhangs. Bedeutungen werden als theoretische Konstrukte verstanden, die begründet sind, wenn sie ihre Erklärungsaufgabe erfüllen, ebenso wie die Begriffe der Atome und Elementarteilchen nicht darin begründet sind, daß man sie einzeln und konkret beobachten kann, sondern dadurch, daß mit ihren Konzepten die Kernphysik formuliert werden kann. Die Rede vom abstrakten Strukturzusammenhang können diese Theoretiker genau präzisieren, indem sie zum Beispiel ein Strukturgebilde der abstrakten Mathematik spezifizieren, das genau die gemein-
III. Positionen
ten abstrakten Zusammenhänge in aller wünschenswerten Präzision wiedergibt. Geht man nun von der so skizzierten Auffassung aus, so wird man im Hinblick auf eine präzise und formale Darstellung der Zusammenhänge eine Semantiksprache einführen und dabei folgendermaßen vorgehen: Man wird (1) Bezeichnungen für Wörter oder Wortlaute einführen sowie (2) Bezeichnungen für Wortbedeutungen (in einer passend einzuführenden Semantiksprache) und (3) Bezeichnungen und Darstellungsmittel zur Angabe von Regeln für die Form der Wörter (Formregeln) und die Zuordnung ihrer Bedeutungen (Designations- und Denotationsregeln), durch deren Anwendung man zu den Wortlautbezeichnungen die zugehörigen Wortbedeutungsbezeichnungen aufzählt. Viele Theoretiker halten die Formulierung der semantischen Regeln innerhalb der passend eingeführten Semantiksprache für die eigentliche Aufgabe der Wortsemantik (s. Art. 68). Eine geringere Zahl von Sprachwissenschaftlern und Sprachtheoretikern gehen aber in ihrem Streben nach Abstraktion noch weiter. Sie sind der Meinung, daß es überflüssig sei, sich bei der Sprachbeschreibung außer auf Wortlaute und Wortformen noch auf Bedeutungen zu beziehen, die diese Wortlaute hätten und die man sich bei der Sprachanalyse vielleicht unabhängig von den Wortlauten der Sprache vergegenwärtigen und dann durch begriffliche oder terminologische Bezeichnungen in einer besonders einzuführenden ›Semantiksprache‹ benennen könnte. Auf eine besondere Benennung von Bedeutungen und Begriffen könne verzichtet werden, da ja jedes Wort selbst in seinem Kontext optimal für seine Bedeutung steht. Höchstens dann, wenn man die Bedeutungen mehrdeutiger Wörter isoliert angeben möchte, könnte man die Klasse der die Eindeutigkeit garantierenden Kontexte durch einen Index ausdrücken und zum Beispiel ‘Schloß1’ und ‘Schloß2’ unterscheiden. Mithilfe derart indizierter mehrdeutiger Wörter sei die Leistung der Wörter sehr wohl ohne die Bezeichnung von Bedeutungen in einer besonders einzuführenden Semantiksprache bestimmbar (vgl. Quine 1970 c u. a.; Davidson 1985). Nach dieser Auffassung muß es möglich sein, die semantische Leistung der Wörter durch einige bedeutungsrelationale
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bzw. sinnrelationale (Lyons 1969) Beziehungen zwischen den Wörtern und für Definitionen notwendige Wortkombinationen in der Sprache selbst auszudrücken, und zwar so, daß eine rekursive Aufzählung der Ausdrücke, die in diesen Beziehungen stehen, eine ausreichende Repräsentation der Semantik ist.
3.
Die kompositionelle Semantik
3.1. Wir wollen nun den nächsten entscheidenden Schritt in der Entwicklung der vorherrschenden abstrakten Semantik betrachten. Das für sie im Vordergrund stehende Problem ist nicht eigentlich ein Problem der Wörter und ihrer Funktionsweise. Es ist nämlich die fast einhellig vertretene Auffassung der Semantiker, daß die sprachlichen Aktivitäten den außersprachlichen Interessen und Aktivitäten dienen und daß dies in direkter Weise nur durch die Äußerungen von Sätzen, ja der ganzen Rede geschieht und nicht durch Einzelwörter. Wörter leisten das, was sie leisten, nur vermittels ihrer Rolle in Sätzen, ja in den motivierenden Zusammenhängen der Satzäußerung. Sie haben also gar keinen direkten Bezug zur Welt oder zumindest bleibt dieser Bezug problematisch. Das bedeutet, daß wir ein delikates Wechselspiel zwischen Wörtern, Sätzen und Satzintentionen berücksichtigen müssen. Einerseits haben allenfalls Sätze eine eigenständige Bestimmung ihrer Leistung. Andererseits setzen sie sich aus Wörtern zusammen, so daß die Sätze offenbar je nach Wortzusammensetzung ihre Bedeutung ändern (s. Art. 63). — Diese Überlegung muß in philosophischer Hinsicht noch weiter verfolgt werden. Gerade viele Kernwörter der Sprache, Wörter wie ‘Denken’, ‘Leben’, ‘Sinn’, ‘Natur’ und ‘Naturgesetz’, ja ‘Form’ und ‘Bedeutung’ usw. liegen in der Sprache keineswegs in strikter Weise fest. Sie fluktuieren gewissermaßen und füllen sich für den Einzelnen inhaltlich in Abhängigkeit davon, was ihm seine Eltern, Lehrer und Schulfreunde gesagt haben, was er gelesen hat und was seine eigenen Gedanken dazu waren. Eine genauere Analyse zeigt, daß die Inhalte keineswegs unabhängig davon sind, was in der Literatur eines Kulturkreises darüber nachgelesen werden kann oder was von dieser Literatur in der jeweils gegenwärtigen Epoche häufig und mit besonderem Verständnis gelesen wird. Man erkennt also, daß die Bedeutung der Kernwörter und durch sie einer gro-
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ßen Zahl anderer Wörter nicht nur durch den Kontext des Satzes und des Textes, in dem das Wort steht, bestimmt wird, sondern durch den gesamten Kontext der verfügbaren Literatur der Sprache und ihrer Aktualitätsbewertung und die von dieser abhängigen Rezeption (s. Art. 92). Das oben beschriebene delikate Verhältnis zwischen Wort und Satz erweitert sich also in der soeben skizzierten holistischen Sicht auf das Wechselverhältnis zwischen den Größen Wort, Satz, Text, Literatur und Kultur, also auf das zentrale Thema der Philologie. — Die philosophische Klärung dieses delikaten Verhältnisses von Wort und Satz und des Verhältnisses von Wort/ Satz/Text und Literatur wäre die eigentliche Kernfrage einer philosophisch umfassenden formalen Semantik. Es ist klar, daß man erste Andeutungen zu diesem Problemkreis allenfalls bei Hermeneutikern findet (s. Art. 45). Angesichts der Komplexität der hier zu behandelnden Fragen und angesichts der heute noch notwendigerweise globalen und gedanklich bloß orientierenden Behandlung dieser vielfältigen Zusammenhänge zieht sich der nach formaler Präzision strebende Theoretiker lieber auf Sprachausschnitte zurück, die ausreichend weit entfernt sind von philosophisch grundlegenden Termini über den Bereichen Natur und Geist. Bei den meisten mehr alltäglichen oder fachsprachlichen, insbesondere mathematischen Texten scheint es möglich zu sein, sich auf die Klärung des Verhältnisses von Wort und Satz zu beschränken und auch beim Satzgebrauch allein den Gebrauch für kategorische Feststellungen in Betracht zu ziehen und die hier vermittelte Hauptbedeutung mittels der Wahrheitswerte ‘wahr’ und ‘falsch’ auszudrücken. Da das zentrale Aufgabengebiet der abstrakten Semantiker die Logik und Theorie wissenschaftlicher Erkenntnis und ihrer mathematischen Darstellungsform war, wundert es nicht, daß die entscheidenden Impulse und Analysen zusammen mit der formalen Logik entwickelt wurden (s. Art. 111). 3.2. Die ersten erfolgreichen Schritte bestanden in der Entwicklung stark reglementierter Konstruktsprachen (Gottlob Frege, Bertrand Russell) wie der Prädikatenlogik erster Stufe und ihrer modelltheoretischen Interpretation (Alfred Tarski, Rudolf Carnap). Dieser Ansatz wurde durch eine große Zahl von Sprachkonstrukten für die Modallogik, andere Nichtstandard-Logiken, die Logik für Sprachen mit propositionalen Einstellungen sowie Logiksprachen erweitert, die von kontextuel-
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len Parametern abhängig waren (s. Art. 80). Auf dieser Grundlage versuchte Richard Montague (1930—1971) formal-semantische Zusammenhänge für wesentliche Ausschnitte der Menge der Sätze natürlicher Sprachen zu beschreiben (vgl. Montague 1974), und in den letzten Jahren wurden verschiedene Ansätze vorgelegt, die sogar der kontextuellen Änderung des semantischen Interpretationszusammenhanges, der durch den Text selbst bedingt ist, Rechnung tragen (Kamp 1981). — Schließlich hat man sogar versucht, die echte Situationsgebundenheit der Sprache zu erfassen. Dieser Versuch von Jon Barwise und John Perry (Barwise/Perry 1987) ist sehr lehrreich. Obwohl wohl die Autoren meinen, „that mental events are in fact bodily events“ (230), so betonen sie dennoch, daß man sie — „if we knew far more than we do“ — repräsentieren könnte „by coe’s [Ereignisverläufe] involving complex relations among parts of human bodies“ (230). Die Skepsis gegenüber solchen Gedankengängen beruhe teilweise auf Vorstellungen der Begrenztheit dessen, was physikalische Systeme leisten könnten. Doch das enorme Komplexitätspotential physikalischer Systeme, das seit den Tagen René Descartes’ (1596—1650) aufgedeckt wurde, unterminiere diese Form von Skepsis ganz entschieden. Trotz dieser positiven Einschätzung naturwissenschaftlicher Beschreibungsmethoden im Kontext der Fragestellung der Semantik versuchen es die Autoren nicht einmal, detaillierte Hypothesen über mögliche Zusammenhänge zu entwikkeln. Wie sie betonen, möchten sie vermeiden, sich ›auf Positionen festzulegen‹, die vielleicht ganz anders aussehen werden, wenn erst einmal eine reife Theorie ausgearbeitet sei. Die Ausarbeitung einer reifen Theorie, die in einem komplexen Gebiet ohne anfängliche Irrtümer und Naivitäten wohl kaum zu erreichen sein wird, wollen die Autoren offensichtlich anderen überlassen. Sie selbst beschränken sich lieber auf die Methode der indirekten Klassifikation geistiger Zustände, in der sie den Kern des semantischen Unterfangens sehen. Tatsächlich aber bedeutet dies, daß man die bewährten Darstellungstechniken der symboltheoretisch fundierten formalen Semantik nicht verlassen möchte und die Dinge lieber indirekt klären will. Zweifellos bieten die verschiedenen Ansätze und Entwicklungslinien der jetzt schon klassischen formalen Semantik noch fruchtbare Forschungsfelder, und zweifellos bleibt hier noch eine Fülle von wichtigen Aufgaben
III. Positionen
zu lösen. Sie sind aber bei genauerem Hinsehen eher technischer Natur. Philosophisch handelt es sich nur um Erweiterungen im Rahmen der gegebenen Darstellungsweisen und Prinzipien. Insbesondere werden auch die bisher angedeuteten Beschränkungen auf den zwar bei weitem häufigsten alltäglichen oder auch wissenschaftlichen, aber im wesentlichen unphilosophischen Sprachgebrauch nicht überschritten. Diese Beschränkungen sollen aber auch nicht überschritten werden, da für viele der hier tätigen Theoretiker der alltägliche und der wissenschaftliche Sprachgebrauch allein relevant ist. Für die Analyse des alltäglichen Sprachgebrauchs reicht nach ihrer Meinung sogar eine rationale Rekonstruktion. Gelinge diese, so seien die wirklichen Vorgänge ohne Interesse.
4.
Die Konstitution von sprachlicher Form und Bedeutung im Menschen
4.1. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die abstrakte Analyse der formalen Semantik, die Ausdrücke als Zeichenketten mit formalkombinatorisch spezifizierter (syntaktischer-) Struktur und kompositioneller, modelltheoretisch spezifizierter Bedeutung präzise und systematisch aufeinander bezieht, erfolgreich war und eine Fülle struktureller Einsichten erbracht hat. Ihr Geburtsfehler war es, daß sie primär zur Klärung der Argumentation mithilfe von konstruierten Notationssystemen entwickelt wurde, d. h. gedanklicher Prozesse, deren entscheidende Merkmale in kontrollierte Akte mit normierten Zeichengebilden auf Papier abgebildet werden konnten. Diesem Geburtsfehler bleiben alle Fortentwicklungen verhaftet. Die Transposition derartiger Akte in innere Zeichenkonfigurationen in Speichern elektronischer Computer war zwar leicht möglich und hat, etwa im Rahmen einer prozeduralen Linguistik und der Kognitionswissenschaft, zur Entwicklung von Modellen der natürlichen und künstlichen Intelligenz geführt (s. Art. 117). Die Modelle bleiben aber im Rahmen der Vorstellung von symbolverarbeitenden und symbolkontrollierten Akten. Ob diese Modelle die wesentlichen Merkmale der im Menschen tatsächlich ablaufenden Sprachprozesse ebenso adäq uat wiedergeben wie die Kalküle die strikt kontrollierten Prozesse gedanklich-logischer Argumentation, ist mehr als fraglich. Es scheint notwendig zu sein, sich vom Muster der streng kontrollierten und zeichen-
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manipulatorisch abbildbaren Prozesse zu lösen. — Was ist die Alternative zu einer prinzipiell auf eine empirisch adäq uate Analyse konkret ausgerichteten Beschreibung, wenn wir die oben angedeutete Einschränkung auf die gängigen Verstehensweisen der Alltagssprache zunächst beibehalten? Als ersten Schritt wird man festhalten müssen, daß die Grundidee der formalen Semantik keineswegs voraussetzt, daß die semiotischen Dinge, die Form und Bedeutung haben, die Form haben müssen, die durch Linearität von Schrift (und Schall) nahegelegt wurde und den schriftorientierten Logikern (und den behaviouristischen Linguisten) dementsprechend natürlich erscheinen mußte. Betrachtet man die Zusammenhänge von einem prinzipiellen Standpunkt, so erscheint es sehr verwunderlich, daß man die Betrachtung der sprachlichen Prozesse, die in der Wirklichkeit ablaufen, an der Oberfläche des Menschen abschnitt, von den Prozessen im Inneren der Menschen isolierte und letztere als empirisch irrelevant erklärte. Um es noch einmal zu wiederholen: Dies ist für die Zwecke der technisch zu sichernden Logik angemessen, und im Hinblick auf die Prüfung der extremen Möglichkeit einer behaviouristischen Analyse als Arbeitshypothese verständlich, im Hinblick auf die Gesamtheit der empirischen Fakten der Sprachvorgänge aber sicher unangemessen. Es konnte doch niemals ein Zweifel darüber bestehen, daß Form und Bedeutung der Sprache sich in den Prozessen im Menschen konstituieren und es letztlich darauf ankommen mußte, diese Prozesse theoretisch und empirisch angemessen zu bestimmen, und nicht, sie durch andere Prozesse zu ersetzen und diese zu studieren. Somit mußten die semiotischen Objekte Gebilde sein, die sich nur an der Oberfläche in Schall und Schrift realisieren, in ihren wesentlichen und bei weitem umfassenderen Teilen aber in Prozessen innerhalb menschlicher Organismen und der in ihnen realisierten psychischen Vorgänge. Die immer wieder betonte Tatsache, daß diese Prozesse nur sehr schwer zugänglich seien, man in der Vergangenheit zuviel über sie spekuliert habe und dadurch zuviele Irrtümer verbreitet wurden, hätte doch allenfalls als Hinweis auf die Schwierigkeit der Aufgabe und auf die beim Versuch zu ihrer Lösung gebotene Vorsicht verstanden werden können. Tatsächlich verstand man sie aber als Argument für die unumgängliche Reduktion, ja Transposition der empirischen Aufgabe der Semantik. Man forderte dazu auf, dort nach
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den gesuchten Gegenständen zu fahnden, wo das methodische Licht der Zeit leuchtete, statt dort, wo sich die Gegenstände offensichtlich befanden. Wenn wir nun also versuchen, Form und Inhalt semiotischer Vorgänge dort zu klären, wo sie sich befinden, nämlich im Menschen, dann sind einige prinzipielle Entscheidungen fällig. Erstens müssen wir uns klar machen, daß wir es mit semiotischen Vorgängen zu tun haben und nicht mit dinghaften Gegenständen. Wie in der Naturwissenschaft brauchen wir eine Beschreibungssprache zur Charakterisierung von Abläufen von Vorgängen und den Bestimmungsmomenten ihrer Regelmäßigkeit und nicht von einer solchen, die auf Konfigurationen von Gegenständen bezogen ist. Zweitens handelt es sich um Vorgänge, an deren Zustandekommen stets mehrere Teilgebilde zusammenwirken, zum Beispiel die Teilprozesse, die auf verschiedenen Ebenen der Grammatik — meist allerdings äußerlich — beschrieben werden und die im Organismus von organischen Teilgebilden interaktiv realisiert werden, zum Beispiel so, daß mehrere Menschen also mehrere Organismen miteinander kommunizieren und so sprachlich Aufgaben lösen (s. Art. 94). Mit anderen Worten, die Vorgänge haben einen zeitlichen und interaktiv kausalen Charakter. Kausalität soll hier im weiten Sinn wie bei John Searle (1983) verstanden werden. — Drittens ist es angesichts der hohen Zahl interaktiver Teilelemente und angesichts der Komplexität erforderlich, die Vorgänge auf verschiedenen Komplexitätsebenen und auf verschiedenen Idealisierungs- und Abstraktionsebenen zu beschreiben. Eine dieser Ebenen ist die Ebene der Sprachakte, d. h. eine Ebene, deren Subjekte ganze Individuen sind, sowie die mit ihr korrelierte grammatische Ebene, auf der die akt-differenzierenden Ausdrücke und Ausdrucksformen erfaßt werden. Andererseits gibt es Ebenen von Teilmodulen des menschlichen Organismus, deren Subjekte Teilnetze des Gehirns und ihnen zuordenbare Teilorgane sind, und schließlich theoretisch-biologische Ebenen von relativ einfachen reaktiven Elementen und Netzen aus solchen Elementen, deren aktive Elemente als Neuronen bzw. Idealisierungen von Neuronen interpretiert werden können. Die Beschreibungen auf diesen verschiedenen Ebenen müssen viertens aufeinander bezogen werden. 4.2. Aus dem Studium der theoretischen Physik wissen wir, daß wir beides brauchen, die
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Darstellung der Prozeßhaftigkeit mithilfe der Begriffe von Raum und Zeit und die Darstellung der übergreifenden Systematik unter Bezug auf allgemeine Prinzipien, die man am besten in einem abstrakten algebraischen Raum charakterisiert. Die Notwendigkeit der Charakterisierung auch der biologischen Zusammenhänge von Form und Inhalt semiotischer Prozesse wird in der Linguistik gerade in den letzten Jahren wieder deutlicher erkannt, ja geradezu herausgestrichen (vgl. Chomsky 1980; 1986; 1988). Bei aller Entschiedenheit, mit der Noam Chomsky (* 1928) in den letzten Jahren darauf verweist, daß die Sprachen im Grunde biologische Phänomene sind, bleibt seine Arbeit doch auf die abstrakte Charakterisierung auf der Ebene der Grammatik bezogen. Das Problem einer solchen Position besteht darin, daß man im Gegensatz zur theoretischen Physik, die genau angeben kann, auf welche Weise abstrakte Zusammenhänge den konkreten Prozessen in Raum und Zeit zugeordnet sind, welche gesetzmäßigen Zusammenhänge der abstrakten Ebene also welche Beschränkungen konkreter, raumzeitlicher Verhältnisse betreffen, eine solche Beziehung für die theoretische Linguistik und speziell für die Grammatik zur Zeit nicht angeben kann. Oft wird nicht einmal die Notwendigkeit der wenigstens prinzipiellen Klärung dieses Zusammenhanges gesehen. — Mir scheint, daß dies damit zusammenhängt, daß man semiotische Objekte nach wie vor als feste Gebilde und nicht als Vorgänge in einem sie systematisch hervorbringenden Medium wie einem Nervennetz versteht und entsprechend Formen und Inhalte als kombinatorische und kompositorische Gebilde statt als Interaktionsverhältnisse zwischen Vorgängen bzw. zwischen regulär wirkenden interaktiven Aktionseinheiten oder Modulen. Theoretiker und Praktiker der Sprachen und Zeichenprozesse tun sich außerordentlich schwer, die Priorität der Vorgangsbeschreibung anzuerkennen und eine Einsicht wiederzugewinnen, die vor hundert Jahren als Einsicht der Junggrammatiker fast schon einmal etabliert war. Und dort, wo die Einsicht dämmert, zieht man keine Konseq uenzen für die Sprachtheorie daraus. Dies wird nur gelingen, wenn man entschieden bei der Entwicklung von strukturbestimmten und prozeßbestimmenden Darstellungen anknüpft. Will man den für die Entwicklung der Theorie vielleicht nützlichen und orientieren-
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den Kontakt mit den fruchtbaren Konzeptionen der theoretischen Physik aufrecht erhalten, die erlauben allgemeine algebraische Zusammenhänge auf prozeßhafte und dynamische raumzeitliche Vorgänge zu beziehen, so bietet sich der Vergleich mit partiellen Differentialgleichungen und deren Diskretisierung an. Das entscheidende in ihnen eingefangene Moment ist, daß die Gleichungen sich auf einen ›Raum‹ von Punkten beziehen, die in jedem Moment ihre kommunikativen Zustände (potentielle Meßwerte) ändern können, und zwar in Abhängigkeit von den kommunikativen Zuständen und kommunikativen Einflüssen ihrer Nachbarn. Die Gleichungen bestimmen, wie diese kommunikativen Zustandsänderungen von den jeweiligen kommunikativen Zuständen der Nachbarn bestimmt sind. — Wäre es denkbar, strukturelle semiotische Zusammenhänge für Formen und Bedeutungen — also formal-semantische Zusammenhänge — in einer ganz neuen Sicht als Regularitäten des interaktiven Prozeßsystems im Organismus zu bestimmen? Meine Arbeiten in den letzten Jahren sind von dieser Vorstellung bestimmt (vgl. Schnelle 1988b; 1991). Angesichts der außerordentlichen Komplexität der Zusammenhänge der formalen Semantik für die natürlichen Sprachen, angesichts des außerordentlichen technischen Erfolges der ausdruckskombinatorischen und ausdruckskompositorischen formalen Semantik und angesichts ihrer Etabliertheit wird es nicht leicht sein, neue Perspektiven zu verfolgen und neue Einsichten zu festigen. Die Komplexität der anfänglich vorliegenden Ergebnisse wird sich nicht mit der Komplexität der etablierten messen können. Trotzdem kommt es darauf an, endlich die eigentlich theoretische und empirische Aufgabe der Klärung des Verhältnisses von Form und Inhalt an den wirklichen semiotischen und sprachlichen Prozessen in Angriff zu nehmen, statt sie an zwar leicht zugänglichen, logisch gut beherrschten aber empirisch völlig peripheren Surrogaten wie den bloßen Ausdrucksmitteln und kombinatorischen und kompositorischen Konstrukten durchzuspielen. — Wir wollen aber gleichwohl feststellen, daß auch ein solcher Ansatz zu einer formalen Semantik führen würde, d. h. zu einer Semantik, in der die Zuordnungsprozesse von Vorgängen des nicht-sprachlichen Verstehens der Umwelt zu Vorgängen des sprachlichen Verstehens von deren Form abhängt. Mit anderen Worten, die Vorgänge in den Modulen der Wort- und Satzgestaltung im Organismus sind funktio-
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nal mit den Vorgängen in den Modulen der Gestaltung des Sehens und des Denkens gekoppelt.
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Leibniz’ Konzeption repräsentationell-interaktiv — also formal-semantisch — bestimmter dynamischer Vorgänge
Wir befinden uns heute in einer Situation, in der wir allenfalls die hiermit gestellten Probleme erkennen und in einigen Modellen tastend zu klären versuchen. Es ist also nicht möglich, hier, wie bei der formallogisch orientierten Analyse, auf eine Fülle von Ergebnissen hinzuweisen. Allerdings kann man etwas anderes tun. Man kann auf Ansätze verweisen, die schon in der Vergangenheit fruchtbare Perspektiven für die Analyse dieser Probleme gewiesen haben. Besonders wichtig scheinen mir hier die Gedanken von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23), der sich in einer analogen Situation befunden hat und der zumindest Prinzipien und Darstellungstechniken zu ihrer Behandlung zu entwickeln wußte. Leibniz gilt allgemein als der Vater der formallogisch und kalkültheoretisch orientierten Semantik. Er ist auch bekannt als der Vertreter einer bestimmten Metaphysik, die unter dem Namen ‘Monadologie’ bekannt ist. Da das Wort ‘Metaphysik’ in philosophisch-kritischen und wissenschaftlichen Ansätzen der Neuzeit einen schlechten Klang hat, ist dort kaum ins Bewußtsein getreten, daß man die Monadologie von Leibniz auch als Darstellungsform für systematische dynamische Zusammenhänge verstehen kann, ja daß sie als solche tatsächlich im Zusammenhang mit der Erfindung der Infinitesimalrechnung entwickelt wurde. Vor allem aber hat man den in unserem Kontext wichtigsten Aspekt übersehen, nämlich den, daß die Monadologie zugleich eine dynamische Repräsentationstheorie ist, in Bezug auf die die Repräsentationen vermittels der Schriftzeichen — also die kalkültheoretischen Darstellungsmittel — eine logisch nachgeordnete Rolle spielen. Die monadisch-repräsentationelle Verhaltensweise des Menschen bedarf der äußerlichen Konzentrationsmittel, die der Aufmerksamkeit und der Handlung kontinuierliche Orientierung geben und sie leiten; sie würde zwar im Prinzip ohne derartige äußere Mittel möglich, faktisch aber wegen der Fülle der anderen, ständig ablenkenden Eindrücke nicht realisierbar sein. — Es lohnt
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sich, zur Orientierung einige der leibnizschen Grundgedanken zur formalen Repräsentationstheorie der Monaden, also der primären formalen Semantik, von der die sekundäre Semantik der Schriftzeichen abhängt, zu skizzieren, um die heute festgefahrenen Vorstellungen in neue fruchtbare Richtungen zu lenken. Eine Monade ist nach Leibniz eine aktiv repräsentierende Einheit, d. h. ein aktiv semiotisches Gebilde. Sie repräsentiert in jedem Moment auf zweierlei Weise: erstens repräsentiert sie den Zustand ihrer Umwelt (speziell die Zustände ihrer Nachbarn) zugleich mit der eigenen Situierung in ihr, zweitens die Tendenz zur eigenen Zustandsveränderung (und indirekt der Zustände ihrer Umwelt). Die Monade selbst ist mit einem sie individuell charakterisierenden Prinzip verbunden, das in jedem Moment bestimmt, welches die passende Veränderungstendenz für jeden auftretenden Zustand ist. Das Prinzip bestimmt offensichtlich die eigenen tendenziellen Veränderungsmomente in Abhängigkeit von den Zuständen der Nachbarn und dem eigenen Zustand. Ganz offensichtlich also ist die Konzeption einer Monade verwandt mit der heutigen Konzeption eines komplex zusammengesetzten Zustandsautomaten. Dessen Prinzip wird durch die Tafel der Zustandsübergänge für jede Komponente des Automaten bestimmt. Je nach der gegebenen Situation, der Umgebungsrepräsentation und dem eigenen Zustand als ›Input‹, bestimmt die Tafel den jeweils momentan wirksamen Zustandsübergang. Auf die Verwandtschaft der Begriffe ‘Monade’ und ‘Automat’ verweist übrigens Leibniz selbst (1875—90, Phil. Schriften VI, 609 f; 618; vgl. Schnelle 1971). — Nach Leibniz kann die wirkliche Welt insgesamt nur existieren, wenn sie durch eine Vielzahl von einander als Umwelten repräsentierenden und aufeinander in den eigenen Tendenzen und Veränderungen eingehenden Einheiten (Monaden) besteht, und zwar so, daß dieses Aufeinander-Eingehen abgestimmt ist. Die angemessene Beschreibung aller Zusammenhänge, aber auch der Funktion jeder einzelnen Einheit, erfordert es, dies zu berücksichtigen, also alle Zusammenhänge, auch strukturelle, als interaktiv sich ergebende Zusammenwirkungen zu beschreiben und zu erklären. Im Rahmen der Automatentheorie hat dies als erster wohl John von Neumann (1903—1957) versucht (vgl. Schnelle 1988a). Es ist offensichtlich, daß dies einem Beschreibungsansatz entspricht, der Zusammenhänge als interrepräsentationelle und inter-
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III. Positionen
kausale Wirkung organismischer oder auch als System von in ihrem Wirken konnektionistisch bestimmter Einheiten anspricht. Die strukturelle Bestimmung des Verhaltens muß ihren Grund in der strukturellen Bestimmung der Interaktionsmöglichkeiten der repräsentierenden Einheiten finden. Die reine Kombinatorik der Zeichenfolgen des Kalküls muß demgegenüber nur als Bestimmung der externen Auslöser-, Steuerungs- und Konzentrationsmittel verstanden werden, deren eigentliche Rolle erst klar wird, wenn man beschreibt, welche selektive und konzentrative Rolle sie für die Abläufe der repräsentationellen Gefüge in den diese Mittel gebrauchenden Monaden spielen. Diese Frage hat Leibniz nicht mehr verfolgen können; so stehen seine Bemühungen um die Entwicklung der formalen Logik und der formalen Semantik und seine Bemühungen um eine organismische oder automatentheoretische Beschreibung interrepräsentationell und dadurch zugleich kausal gekoppelter Organismen noch scheinbar verbindungslos nebeneinander. Für Leibniz aber war die Sache völlig klar: Die wechselseitige und formbestimmte Repräsentation der Menschen, Tiere und wirklichen Dinge ist das zentrale Moment. Von ihr hängen die kausalen Verhältnisse der Wirklichkeit ebenso ab wie die Verhältnisse der sprachlichen Einsichten über sie, die man mit formallogischen und mathematisch-wissenschaftlichen Darstellungsmitteln zu klären, zu sichern und zu kontrollieren trachtet.
6.
Zusammenfassung
Zweifellos war die Entwicklung der formalen Semantik in den letzten hundert Jahren höchst erfolgreich, gerade weil sie sich methodisch und darstellungstechnisch radikale Beschränkungen auferlegte. Jetzt aber könnte eine philosophische Reflexion der Ziele der
formalen Semantik, die sich entschieden von der engen Zielsetzung der formallogischen Begründung der Wissenschaftssprache und den mit ihr verbundenen symbolmanipulatorischen Darstellungstechniken löst und sich öffnet für philosophisch weniger abstrakte Konzeptionen, z. B. für Ansätze und Darstellungstechniken, die in der naturwissenschaftlichen Behandlung dynamischer interaktiver Prozesse fruchtbar waren, eine umfassende Neuorientierung einleiten, in deren Rahmen die bisher höchst fruchtbaren Ergebnisse der abstrakt-formalen Semantik ihren Platz fänden (vgl. Schnelle 1988b; 1991).
7.
Literatur in Auswahl
Barwise/Perry 1983, Situations and Attitudes. Davidson 1985, Inquiries into Truth and Interpretation. Chomsky 1980, Rules and Representations. Chomsky 1986, Knowledge of Language. Chomsky 1988, Language and Problems of Knowledge. Kamp 1981, A theory of truth and semantic interpretation, in Formal Methods in the Study of Language, Groenendijk et al. (Hg.). Montague 1974, Formal Philosophy. Schnelle 1971, Automat und Automatentheorie, in Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1. Schnelle 1988a, Turing naturalized: Von Neumann’s unfinished project, in The Universal Turing Machine, Herken (Hg.). Schnelle 1988b, Ansätze zur prozessualen Linguistik, in Sprache in Mensch und Computer — Kognitive und neuronale Sprachverarbeitung, Schnelle/ Rickheit (Hg.). Schnelle 1991, Die Natur der Sprache. Searle 1983, Intentionality. Turing 1936, On computable numbers with an application to the Entscheidungsproblem. Repr. in The Undecidable, Davis (Hg.) (1965).
Helmut Schnelle, Bochum (Deutschland)
56. Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik
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56. Die sprachphilosophischen Annahmen der Sprachsoziologie und der Soziolinguistik 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Einleitung Forschungsrichtungen Allgemeine soziolinguistische Sprachauffassungen Soziolinguistische Aspekte einer kommunikativen Sprachauffassung Probleme und Desiderata Sprachphilosophische Konsequenzen Literatur in Auswahl
Einleitung
Was sind die sprachphilosophischen Annahmen der Soziolinguistik? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, da die Soziolinguistik — anders als andere linguistische Disziplinen — meist nahe an praktischen, jedoch fern von philosophischen Fragestellungen betrieben wurde. Oft folgen die reflexiven Theoriediskussionen den empirischen Arbeiten (z. B. Bernstein 1971, 237 ff; Labov 1972 a). Erst in den letzten Jahren wird häufiger gefordert, die Gegenstände, die wissenschafts- und sprachtheoretischen Voraussetzungen der Soziolinguistik zu reflektieren. Folgende Fragen sollen der Annäherung dienen: Haben die soziolinguistischen Schulen eine Affinität zu philosophischen Richtungen? Gibt es soziolinguistische Ergebnisse, die zur Erhellung sprachphilosophischer Probleme beitragen? Welche Sprachbegriffe liegen den Untersuchungen zugrunde? Welche sprachlichen Eigenschaften, Ebenen und Funktionen werden als relevant angesehen? Welches sind die (unausgesprochenen) Prinzipien der Forschungslogik? In welchen Wirklichkeitsbereichen wollen die Soziolinguisten den Zusammenhang von Sprache und Gesellschaft studieren? Gibt es wertende Aussagen über Sprachvarianten? Mit diesen Fragen werden die recht heterogenen theoretischen Ansätze durchgegangen und dabei die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der zugrundeliegenden Sprachauffassungen festgehalten (2.). Aus einzelnen Ergebnissen sollen dann allgemeine Tendenzen soziolinguistischer Sprachauffassungen (3.) und zentrale sprachtheoretische Aspekte gegenwärtiger soziolinguistischer Forschungen ausgeführt werden (4.), freilich ohne Anspruch auf eine übergreifende Theorie und ohne Probleme und Desiderata zu verschweigen (5.). Zum Schluß wird dann exemplarisch an drei mir wichtig erscheinenden Begriffen gezeigt, was diese Ergebnisse zu einer kommunikativen Sprachphilosophie beitragen können. Soziolinguistik und
Sprachsoziologie als Disziplinen der Linguistik einerseits und der Soziologie andererseits fasse ich hier unter dem Terminus ‘Soziolinguistik’ zusammen, weil die Übergänge fließend sind. Linguistische Forschungsrichtungen, die ihre Gegenstände mit pragmatischen und sozialen Befunden konfrontieren, z. B. Semantik, Lexikologie, Stilistik, Sprachwandel-, Fachsprachenforschung, Textlinguistik usw., werden hier außer acht gelassen.
2.
Forschungsrichtungen
Die gegenwärtige Soziolinguistik in Europa kommt aus fünf Traditionslinien der 50er und 60er Jahre. Mit ihnen sind jeweils unterschiedliche Ziele, Methoden und sprachtheoretische Voraussetzungen verbunden. (Einführungen und Gesamtdarstellungen: Schlieben-Lange 1973; Dittmar 1976; 1982; Halliday 1979; Steger 1980 a; Trudgill 1987; für deutsche Sprachvarianten: Löffler 1985). 2.1. Soziosemantische Ansätze In dieser Forschungsrichtung werden Sprachvarianten auf der Grundlage sozial differenzierter Inhaltssysteme betrachtet. Basil Bernard Bernstein (*1924) hat zwei Weisen des Sprachverhaltens (kontextabhängig, partikularistisch, restringiert vs. universalistisch, elaboriert) mit einer dualistischen Klassenstruktur (Arbeiter-, Mittelschicht) in Beziehung gesetzt. Diese ist wiederum von der gesellschaftlichen Arbeitsteilung abhängig und mit ihr gehen weitere soziale Prozesse Hand in Hand (soziale Verteilung von Macht und Wissen, soziale Positionen, die Lebenserfahrung des einzelnen). Für die Bernsteinschule sind kausale Relationen (causal chain) zwischen sozialen und sprachlichen Strukturen charakteristisch (Bernstein 1981, 329). Die Vermittlungsstelle zwischen Sozialstruktur und der Typisierung des Sprachverhaltens wird in der primären Sozialisation gesehen. Das Kind erlernt bestimmte Muster von (wieder polartig auseinanderklaffenden) sozialen Verhaltensweisen (z. B. bezogen auf soziale Regeln, Kreativität, Ichbildung). Insofern hat Bernstein ein sehr umfassendes Modell des Zusammenwirkens von Sprache und Gesellschaft vorgelegt (Makroebene). Er betont wie alle Soziolinguisten die Relevanz des Sprachgebrauchs. Die (von einem externen Beobachterstandpunkt aus festgehaltenen) lexikali-
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schen und syntaktischen Unterschiede weisen nach Bernstein in die Richtung zweier entgegengesetzter Bedeutungssysteme: ein universalistisches und ein partikularistisches. Jenes sei unabhängig von lokal gebundenen sozialen Strukturen verwendbar, brauche weniger Wissen beim Adressaten vorauszusetzen und biete leichter die Möglichkeit, sprachliche und soziale Strukturen zu reflektieren und zu ändern. Äußerungsunterschiede (z. B. Deiktika vs. nominale Referenz, Konjunktionen, Satzkomplexität (s. Art. 79)) seien nur Ausdruck dieser sozialpsychologischen Opposition. Grundlegende Funktion der Sprache sei die Aufrechterhaltung von Klassenschranken (s. Art. 49). Bernsteins Theorie stellt eine Radikalisierung der sogenannten sprachlichen Relativitätstheorie dar (s. Art. 74), weil er eine deterministische Interpretation vertritt und die sprachlichen Grenzen enger zieht. Benjamin Lee Whorf (1897—1941) dagegen, auf den sich Bernstein beruft, stellte die indoeuropäischen Sprachen insgesamt dem Hopi gegenüber. Die von Bernstein beobachteten sprachlichen Unterschiede müssen aber nicht zwangsläufig unterschiedliche kognitive Fähigkeiten bedeuten; einige von ihnen lassen sich auf andere als Schichtmerkmale zurückführen: auf die Kommunikationssituation; auf mündliche vs. schriftliche Sprache; auf den Ausdruck sozialen Zusammenhalts mit für Unterschichten positiven Wertungen (vgl. 2.2.; Löffler 1985, 182).
Die soziale Sprachinhaltsforschung wurde in England von Michael Alexander Kirkwood Halliday (*1925) (1979) mit mehreren Differenzierungen weitergeführt (s. Art. 58). Gefragt wurde nun, wie soziale Gruppen Texte für bestimmte Situationen auf unterschiedliche Weise produzieren und damit ihre unterschiedliche Weltsicht zum Ausdruck bringen (vgl. 2.4.). Halliday führt z. B. gruppenspezifische Neologismen und Metaphern auf unterschiedliche Wertsysteme zurück, die sich im Extremfall zu ›anti-languages‹ entwickeln. In der Bundesrepublik hat Eva Neuland (*1947) den inhaltlichen Gesichtspunkt sprachlicher Unterschiede weiterverfolgt. Sie hat durch Assoziationstests schichtspezifische Wortbestände und auch unterschiedliche semantische Füllungen bei ausdrucksseitig gleichen Wörtern festgestellt (Neuland 1975, 130—148). 2.2. Korrelative Soziolinguistik In korrelativen Untersuchungen werden einzelne soziale Faktoren mit bestimmten sprachlichen Eigenschaften in Beziehung gesetzt, meist in einer bedingenden Relation.
III. Positionen
Das schulenbildende Paradigma stellen die frühen Arbeiten von William Labov dar, weil hier Differenzierungen sowohl der Sprechsituationen (unterschiedliche Stile) als auch der sozialen Merkmale (Schicht, ethnische Gruppe, Alter, Geschlecht) in die Untersuchungsanordnung eingeplant wurden. Kernstück der Theorie ist die Variablenregel, mit der Vorkommenshäufigkeiten von sprachlichen Eigenschaften auf eine Kombination von sozialen Bedingungen (z. B. ein Schichtund ein Stilmerkmal) zurückgeführt werden. Mit diesen Variablenregeln kann man Soziolekte definieren, welche Sprecher je nach Kommunikationssituation, Adressat, Thema usw. verwenden, aber auch durch Mischungen abändern können. — Sprache wird also gesehen als Sprachvariante, und diese ist eine Kombination alternativer (meist lautlicher) Elemente, welche sozialsymbolische Bedeutung haben. Kritiker halten dieser Art von Korrelations-Soziolinguistik entgegen, es werde nur ein bestimmter Regelbegriff verwendet, nämlich der regulative, naturwissenschaftliche, in Form von Immer-wenndann-Sätzen; es würden nur sprachliche Oberflächenphänomene untersucht, ohne ihre kommunikative Bedeutung zu berücksichtigen (Dittmar 1983, 234—243); statistische Korrelationen könnten nicht den Anspruch erheben, sprachliche Varianz kausal zu erklären, sie bezögen sich auf Kollektive, nicht auf Individuen (Romaine 1984, 29 f). Trotzdem hatten die Labovschen Untersuchungsanordnungen (Operationalisierung, Differenzierung, Befragungen zu Spracheinstellungen) enormen Einfluß auf die Soziolinguistik in Amerika und Europa, so daß sie zeitweise synonym mit Soziolinguistik überhaupt verstanden wurden.
Labov hält gegen Bernstein die unterschiedlichen sprachlichen Varianten in Bezug auf kognitive Funktionen für gleich leistungsstark (Differenz- vs. Defizithypothese). Obwohl ein recht umfangreicher soziolinguistischer Forschungshorizont angesetzt wird — „warum sagt jemand etwas?“ (Labov 1972 a, 114) —, untersucht Labov auf der sprachlichen Seite nur einige Laute (Lautkombinationen, Grund: Isolierbarkeit) und ganz wenige syntaktische Kategorien (Negation). Das Problem der Beschreibungsadäq uatheit versucht er wie ein Naturwissenschaftler dadurch zu lösen, daß viele Messungen unter verschiedenen Fragestellungen zu gleichen Resultaten führen sollen (Labov 1970, 85). Von dieser Außensicht der Sprache rührt auch die Relevanz des sogenannten Beobachterparadoxons her (mit dem Wissen, beobachtet zu werden, ändert man das sprachliche Verhalten). —
56. Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik
Wichtiges Ergebnis für die Sprachtheorie ist die Erkenntnis, daß Sprachvarianz — von der die Soziolinguistik ausgeht — auch im Verhältnis Bewußtsein/Einstellung zu Sprachformen gilt. Erstens sprechen Personen anders als sie meinen, und zweitens liegen sprachliche Signale, Markierungen und Stereotypen für soziale Gruppen auf unterschiedlichen Bewußtheitsebenen. In einiger Distanz zu korrelativen Arbeiten hat Labov schon um 1970 Produktions- und Interpretationsregeln von dialogischen Akten (Frage, Antwort) und Diskurstypen (Erzählung, rituelle Beschimpfung) untersucht, deren Formulierungen nicht mehr Ersetzungsregeln vom Typ ‘ersetze X durch Y unter folgenden sozialen Bedingungen’ sind, sondern Interpretationsregeln unter Zuhilfenahme von Wissensbeständen (Labov 1970, 78 ff; 1972 b, 297 ff; 354 ff).
2.3. Sprachsoziologie Sprachsoziologen untersuchen, welche Gruppen welche Sprachen oder Sprachvarianten in welchen sozialen Bereichen sprechen, wie sie die Sprachen bewerten und ob es auf lange Sicht Änderungen in der sozialen Verteilung der Sprachen gibt. Im Westen wird diese von der Soziologie ausgehende Forschungsrichtung in vielen Diglossiestudien bearbeitet (Überblicke in Fishman 1972 a), in der sowjetischen Soziolinguistik sind diese Themen ebenfalls vorrangig (Brang/Züllig 1987). Als Vermittlungsebene setzt Joshua A. Fishman (*1926) die Kategorie der sozialen Domäne an: Familie, Schule, Kirche, Arbeit, Verwaltung usw. Solange die Mitglieder von Netzwerken auch nur einen dieser Bereiche mit einer bestimmten Sprache/Sprachvariante belegen, ergibt sich eine Diglossiesituation, die je nach ethnischer und kultureller Selbstorganisation der Sprachgemeinschaften stabil bleiben oder (etwa generationsweise) abgebaut werden kann. Solche großflächigen Erhebungen zum Sprachgebrauch und zur Spracheinstellung haben praktische Relevanz für politische Entscheidungen. Hier wirken sich auch implizit gehaltene Wertungen von Domänen und Sprachen/Varianten aus. Entsprechend unterscheidet Charles A. Ferguson (*1921) eine ›High-‹ und eine ›Low‹-Variante; Fishman (1972 b, 46) spricht von „languages suitable for all higher purposes“. Schon 1959 hat Ferguson festgestellt, daß in ganz unterschiedlichen Gesellschaften die Sprachteilhaber in ähnlicher Weise die Hoch-Variante sozial, politisch, kulturell, ästhetisch oder religiös wertschätzen und der Sprachvariante des
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Alltags vorziehen, daß sie sich aber darüber täuschen, welche Variante sie gewöhnlich sprechen und wie weit die Hochvariante verstanden werden kann (Ferguson 1982, 259). Sprachen oder Varianten werden als Ganzheiten gesehen und die Wertungen, die Sprecher mit ihnen verbinden, durch Interviews festgestellt. Von dieser makrostrukturellen Ebene aus versucht man dann, Sprachprozesse im kleineren Rahmen zu untersuchen. Wichtige Kategorien sind hierfür ‘Situation’ und ‘Rolle’ (Fishman 1972 a). Die Gliederung sprachlicher Kommunikation in verschiedenen sozialen Bereichen (Medien; Politik; Literatur; Gruppen, die die Themen in der Öffentlichkeit bestimmen) wird auch in der Sprachgeschichtsschreibung aufgegriffen. Es wird gefragt, in welchen Bereichen neue Textsorten, inhaltliche Orientierungen (verdichtet in Schlagwörtern) und Normierungen entstehen (Steger 1983). Querverbindungen zu sozialphilosophischen Theorien des sozialen Wandels wären hier denkbar (Jürgen Habermas, Michel Foucault): welche soziale Gruppe okkupiert mit ihren Themen und sprachlichen Konventionen welche kommunikativen Bereiche, schafft sie neu oder verändert sie in ihrem Sinne?
Soziologen aus der Tradition des symbolischen Interaktionismus (s. Art. 52) haben in ethnographieähnlichen Studien (teilnehmende Beobachtung) eine Fülle von sozialen Ereignissen, Verläufen und Strukturen untersucht, in denen sprachliche Interaktionen eine zentrale Rolle spielen. Zu nennen wären: Strategien der Selbstdarstellung, der Identitätshandhabung und -stigmatisierung (Erving Goffman, vgl. 4.2.3.), die Identifizierung mit einer Berufsrolle (Anselm L. Strauss), Handlungsabläufe und Rollenausübungen zwischen Experten und Klienten, typische Kommunikationsstrukturen in Institutionen (Gericht, Betriebe, Verbände, Freizeitorganisationen usw.; Überblick in Schütze 1987, 521; 525). Zurückgehend auf George Herbert Mead (1863—1931) erscheint diesen Soziologen Sprache als das wichtigste Symbolsystem, mit dem Menschen Ordnungsstrukturen von Interaktionen ankündigen, interpretieren und übernehmen können. Erst dadurch werden antizipierte Rollenübernahmen und Verhaltenserwartungen möglich (Schütze 1987, 519 f; 535). 2.4. Ethnographie des Sprechens Analysegegenstand sind sprachliche Aktivitäten, in denen die Interagierenden bestimmte soziale Normen und Strukturen realisieren (Grundsatzartikel: Hymes 1971, 1972). Damit wird die Vermittlung von Sprache und Ge-
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sellschaft in konkreten Interaktionen untersucht. Wichtige soziale Kategorien sind: ‘Sprechsituation’, von Jan-Petter Blom und John Gumperz (Blom/Gumperz 1972) differenziert in ›setting‹ [sozialer Ort], ›situation‹ [Rollenkonstellation], ›event‹ [Kommunikationstyp]; ‘Sprachgemeinschaft’ und ‘soziales Netzwerk’. Jede Gemeinschaft hat ein gemeinsames Wissen, wie man sich in Situationen sprachlich angemessen verhält. Damit lassen sich Diglossieverhältnisse genauer beschreiben. Sprachliche Wechsel (code switching) sind demnach adressaten- und situationsabhängig oder ›metaphorisch‹, d. h. sie lassen kommunikative Bedeutungen der mit ihnen verbundenen Lebensbereiche anklingen. In vielen ethnographischen Arbeiten wurden kulturspezifische Regeln der sprachlichen Interaktion beschrieben, in denen die Annahmen der Gemeinschaften über Verbote und Gebote, Regeln des angemessenen Verhaltens, ästhetische Wertschätzungen usw. zum Ausdruck kommen, z. B. (Frake 1972) über die regelhafte Abfolge einer Trinkzeremonie, bei der gemeinsame Probleme besprochen und gelöst werden; (Keenan 1974) über die Thematisierungsmöglichkeiten und Sprechweisen von Frauen in einer streng geschlechtlich strukturierten Gesellschaft; (Irvine 1974) über Begrüßungsweisen, die für den Adressaten soziale Verpflichtungen haben; (Abrahams 1974) über Kommunikationstypen und ihre Funktionen bei Schwarzen in den USA (Sammelbände: Gumperz/ Hymes 1972; Bauman/Sherzer 1974). Die Autoren versuchen, die Relevanzsetzungen und Sichtweisen aus den Sprachgemeinschaften selbst zu eruieren. Mit der Ethnographie des Sprechens hat sich von Anfang an eine pragmatische Sprachauffassung in der Soziolinguistik durchgesetzt. Sprache wird als ein Medium für bestimmte Interaktionstypen gesehen, in denen Individuen auf der Basis unterstellter Normen ihre sozialen Beziehungen zueinander gestalten; und Sprechen wird als soziales Handeln verstanden (s. Art. 67), mit dem sie gesellschaftliche Strukturen realisieren. 2.5. Konversationsanalyse Ausgesprochen nah an philosophischen Fragestellungen haben Soziologen, die das herrschende hypothesenüberprüfende Verfahren in der amerikanischen Soziologie unbefriedigend fanden, Theorien über die sprachliche Interaktion entwickelt, die darauf hinauslaufen, die fundamentale Konstruktion sozialer
III. Positionen
Ordnung im Vollzug von alltäglichen und institutionellen Gesprächen aufzuspüren. Damit wird die Verbindungsstelle von Sprache und Gesellschaft noch kleinräumiger angesetzt. Harold Garfinkel (*1917) (1967) fordert, man müsse untersuchen, wie sich Menschen beim Miteinandersprechen ihre kommunikativen Handlungen sinnhaft, ›rational‹ und verständlich machen (über Garfinkel vgl. Heritage 1984). Dieses Programm steckt in der Bezeichnung ‘Ethnomethodologie’. Zwei Merkmale von Alltagssprache rücken in den Mittelpunkt, die für spätere soziolinguistische Analysen von Bedeutung sind: ihre unaufhebbare Indexikalität (das Verstehen ist auf Kontextwissen unterschiedlicher Art angewiesen) (s. Art. 92) und ihre Reflexivität (die Formen des sozialen Wissens sind auch die Formen ihrer Weitergabe). Die Einsicht, daß sprachliche Äußerungen normalerweise vage, indirekt und verschieden deutbar sind, führte zu einer größeren Realitätsnähe und ließ strukturelle, monologisch konzipierte und durchsichtige Regelmodelle für Bedeutungen als beschreibungsschwach erscheinen; dies gilt insbesondere für die Searlesche Sprechakttheorie (vgl. 6.1.) (s. Art. 54).
Zur Bedingung der Möglichkeit sprachlicher Interaktion gehören nach Garfinkel und Aaron V. Cicourel (*1928) (Cicourel 1972) einige unhinterfragt gültige Basisregeln (Interaktionspostulate, -idealisierungen), z. B.: daß sich die Sprecher auf Typisierungen von Handlungen und Situationen verlassen können; daß sie ihre Standpunkte austauschen können; daß solche allgemeingültigen Interpretationsverfahren nur unter besonderen, verstehbaren Bedingungen aufgehoben werden (vgl. Kallmeyer/Schütze 1975). Beide gehen dabei auf Überlegungen von Alfred Schütz (1899—1959) zurück, der zu den gesellschaftlich vorgegebenen Wissensobjekten die sprachlichen Formen (Wörter) und Strukturen zählt, die unabhängig von biographischen Besonderheiten, jeweiligen Interessen und Situationsdefinitionen als intersubjektiv gültig vorausgesetzt werden (Schütz 1974, 11 ff; 19 ff). Cicourel versucht, diese Kluft zwischen sozial geteiltem Wissen und jeweils eigenen Neuinterpretationen durch die Meadsche Unterscheidung zwischen ›I‹ und ›Me‹ zu überwinden. Er weist die reflexiven, interpretativen Verfahren von sprachlichen Formen dem ›Me‹ zu, impulsive und spontane Akte dagegen, die den sprachlichen Interaktionen neue Richtungen geben, dem ›I‹ (Cicourel 1972, 232). — Im Dialog ist jeder Be-
56. Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik
teiligte Sprecher und Hörer, d. h. er muß interpretierbare Äußerungen hervorbringen und zeigen, wie er andere verstanden hat (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974, 728); umgekehrt gilt, daß jede nachfolgende Äußerung als ›Antwort‹ auf die vorhergehende interpretiert wird. Jeder dialogische Zug eröffnet einen Erwartungsraum von Erwiderungen (Goffman 1971 b). Der Adressat ist zwar (normalerweise) nicht auf eine bestimmte Antwort festgelegt, aber er muß erkennbar machen, als was er die Äußerung versteht, und seine folgenden Handlungen müssen mit seiner Interpretation konsistent sein. Die konversationsanalytischen Kategorien sollen diese dialogische Herstellung von Intersubjektivität erfassen. Die ›adjacency pairs‹ sind die aufeinander bezogenen dialogischen Akte, ›repairs‹ die Neuformulierungen und Korrekturen, die den Adressatenbezug von sprachlichen Äußerungen bis in die Syntax gesprochener Sprache verfolgen (Schegloff 1979; vgl. 4.2.). Klassische konversationsanalytische Regelformulierungen wurden induktiv für Sprecherwechsel (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974), für Anfangsseq uenzen (Schegloff 1968) und für Beendigungsseq uenzen (Schegloff/ Sacks 1973) ausgearbeitet (Sammelbände: Sudnow 1972; Schenkein 1978). Von marxistischer Seite aus wird die Betonung der Konstitution sozialer Wirklichkeit im Gespräch und die Abgehobenheit von objektiven sozialen Strukturen als idealistisch kritisiert (Meng 1985). In den 70er Jahren gab es eine breite Palette von soziolinguistischen Forschungsansätzen, die sprachliche Prozesse in größeren sozialen Zusammenhängen sahen als die amerikanische Konversationsanalyse. Dazu gehören: die Text- und Dialogtypenforschung (Steger 1980 b); eine sich auf Schütz berufende Sprachsoziologie, die die Konstitution der sozialen Realität in kommunikativen Formen unterschiedlicher Lebenswelten sieht (Luckmann 1984; 1986); die auf die Tätigkeitstheorie Aleksej Nikolaevič (*1903) und Aleksej Alekseevič Leont’evs (*1936) zurückgehende Sprachauffassung (Hartung 1981; 1982; Langner 1984). Heute sieht man die sprachlichen und sozialen Zusammenhänge als sehr viel komplexer an; es kristallisieren sich aber einige sprachlich-kommunikative Verfahren heraus, die von vielen Soziolinguisten als grundlegend für die Konstruktion der sozialen Wirklichkeit erachtet werden. Es mehren sich die Appelle, die Disparatheit der Fragestellungen in einer integrativen Soziolinguistik zu überwinden (Dittmar 1983, 250; Hartung 1986, 7; Wodak 1987).
3.
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Allgemeine soziolinguistische Sprachauffassungen
Alle Soziolinguisten betonen die Variabilität der Sprache und die Notwendigkeit, Sprache in ihrem Gebrauch zu studieren. Der soziale Charakter der Sprache erscheint unter soziolinguistischen Aspekten so fundamental, daß Dell H. Hymes (*1927) (1972, 324) schreiben konnte: „The final goal of sociolinguistics [...] must be to preside over its own liq uidation.“ Die Tatsache, daß Sprecher unterschiedlicher sozialer Gliederungen vergleichbare propositionale und kommunikative Inhalte auf unterschiedliche Weise ausdrücken, ließ an idealisierten, homogenen Sprachtheorien Zweifel aufkommen. Zentrale Gegenfigur war immer wieder Noam Chomsky (*1928): sein Sprachbegriff sei reduktionistisch, zu sehr formalisiert und vereinheitlicht (Hymes 1982, 151 ff); er gehe über bedeutungsvolle Unterschiede und das nur scheinbare Chaos sprachlicher Äußerungen hinweg; die Unterscheidungen zwischen Grammatikalität und Akzeptabilität, ja sogar zwischen Kompetenz und Performanz werden in Frage gestellt (Halliday in Parret 1974, 84 f; vgl. Bernstein 1971, 173). Eine Sonderstellung nimmt Labov ein: er kritisiert die Empirielosigkeit der generativen Transformationsgrammatik, bekennt sich aber ausdrücklich zu ihrer sprachtheoretischen Grundannahme: eine Sprache beherrschen heißt, Regeln für die Produktion von Sätzen anwenden zu können. Labov sieht die phonetischen und morphologischen Regeln, die das ›Black Vernacular English‹ vom allgemeinen Englisch unterscheiden, in zusätzlichen, oberflächennahen Transformationsregeln (Labov 1972 a, 105 ff; 1972 b, 124 ff).
Die Soziolinguistik hebt anstelle der Eindeutigkeit und Einheitlichkeit phonematischer, syntaktischer und lexikalischer Strukturen deren Variabilität hervor und plädiert für Bedeutungs- und Funktionsbeschreibungen dieser Variabilität. Es gibt einen Konsens, die Vermittlung von sozialen und sprachlichen Strukturen an konkreten Dialogen in mehr oder weniger festgelegten Kommunikationssituationen anhand von Tonbandaufnahmen zu studieren. Dabei stehen sich weiterhin integrative und korrelative Ansätze gegenüber, wenn auch nicht mehr mit der Ausschließlichkeit und Schärfe wie zur Zeit der Kontroverse zwischen verstehender und nomologischer Sozialwissenschaft. Da aber viele Gesprächsanalysen zu Paraphrasen einmaliger Dialoge geraten, ohne daß ihre Systemhaftigkeit aufgedeckt würde, erhebt sich die Frage, wie
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diese von zufälligen Befunden getrennt werden kann. Die entscheidende Differenz in der Sprachauffassung dürfte sein, ob man Sprache wie im symbolischen Interaktionismus als Mittel der Herstellung einer (wenn auch veränderbaren) sozialen Ordnung ansieht (so einige Richtungen der Sprachsoziologie, Ethnographie des Sprechens, Gesprächsanalyse), oder ob man unter den Ansprüchen des Empirismus einzelne sprachliche und soziale Eigenschaften operational definiert und nach empirischen Befunden rechnerisch miteinander in Beziehung setzt (so das Labov-Paradigma). Diese Differenz hat auch Auswirkungen auf das Verständnis des kreativen Aspekts von Sprache (Wilhelm von Humboldt: ›energeia‹ (s. Art. 27)). Soziolinguistische Theorien, die den sprachlichen Handlungscharakter betonen, schreiben Sprechern eine soziale Kompetenz zu, gesellschaftliche Strukturen und Regeln zu konstituieren und neu zu definieren, während in der von Labov erweiterten Theorie der generativen Grammatik der Begriff ‘Kompetenz’ noch mit dem Hervorbringen von Sätzen verbunden war. Dieser zentrale Unterschied betrifft auch die Forschungsmethode: Bei korrelativen Versuchsanordnungen kann man die Variablen ohne einen Rekurs auf die kommunikative Bedeutung der Äußerungen aus der Sicht der Sprecher definieren. Demgegenüber versuchen ethnographisch arbeitende Forscher, Äußerungen aus dem Sinnzusammenhang der sozialen Situationen zu erfassen. Sie haben zunächst nur vage Hypothesen; erst durch das Studium der Primärdaten (Tonbandaufnahmen) kommen sie zu gezielten Fragestellungen, die eventuell aufgrund von Nacherhebungen überprüft werden (›grounded theory‹, Glaser 1978; vgl. Schütze 1987, 529 f). Auf diese Weise halten sich ethnographische Forscher für neue, unerwartete Fragestellungen offen, die sich aus den Relevanzen der untersuchten Sprecher ergeben. Sprecherunabhängige Theorien werden also mit einer Handlungstheorie der Sprache, mit den interpretativen und kreativen Leistungen der Sprecher und mit dem Unterschied zwischen sozialer Regel und Naturgesetz konfrontiert (exemplarisch: Romaine 1984). Dabei kann man sich auf Humboldt (1767—1835), Ferdinand de Saussure (1857—1913) und Karl Bühler (1879—1963) berufen (s. Art. 27, 36, 38). Saussures Unterscheidung zwischen ›langue‹, die nur virtuell und kollektiv gegeben ist, und ›parole‹ als dem konkreten, einmaligen Redeakt erlaubt eine nicht-subsumierende Auffassung von sprachlichen Regeln: „Nous voulons dire q ue dans la langue aucune force ne garantit le maintien de
III. Positionen
la régularité q uand elle règne sur q uelq ue point. [...] Et l’ordre q u’elle définit est précaire“ (Saussure 1962, 131; vgl. Frank 1983, 469 f und passim).
Die korrelative Soziolinguistik Labovscher Prägung kann Veränderungen des Sprachsystems durch Erhebungen zur Spracheinstellung und zu sozialen Orientierungen erklären, ein ›Nebenprodukt‹ der Soziolinguistik, das zu einer starken erklärenden Theorie des Sprachwandels führte. Weitgehend wird auch die Meinung akzeptiert, daß operational definierte soziale Zugehörigkeiten nicht einfach sprachliche Verhaltensweisen determinieren, sondern daß soziale Orientierungen, Motivationen und Wertungen in die Analysen einbezogen werden müssen. Das Bestimmungsverhältnis zwischen Sprache und Gesellschaft ist dabei wechselseitig: „Nur im systematischen Bezug auf Interaktionen läßt sich die gegenseitige Konstitution von Sprache und gesellschaftlichen Strukturen erfassen“ (Schütze 1975, 150).
Materialistisch orientierte Soziolinguisten betonen mehr die Fundierung sprachlicher Symbole in gesellschaftlichen und praktischen Handlungszusammenhängen, ohne eine unidirektionale, kausale Relation zu hypostasieren (Hartung 1981, 31). — Weithin akzeptiert ist auch Labovs Differenzhypothese gegenüber impliziten positiven Wertungen der Sprache der Mittelschicht. Neuland (1975, 71 ff) stützt sich dabei auf eine sprachliche Widerspiegelungstheorie in Anlehnung an Adam Schaff (*1913), Aleksandr Romanovič Lurija (1902—1977) und A. N. Leont’ev, nach denen Wortschätze und Sprachgebräuche sozioökonomische Erfahrungen widerspiegeln, wenn auch indirekt und vermischt mit ideologischen Bestandteilen anderer sozialer Gruppen, z. B. vermittelt durch die Massenmedien. Bei allen neuen Einsichten muß doch auch festgestellt werden, daß keine soziolinguistische Theorie allseits befriedigend den eigentlichen Zusammenhang zwischen der sozialen Existenzweise der Menschen und ihrem Sprachgebrauch geklärt hat (vgl. Steger 1980, 352). — Im folgenden sollen einige mit aktuellen Forschungen verbundene sprachphilosophische Probleme erörtert werden.
4.
Soziolinguistische Aspekte einer kommunikativen Sprachauffassung
4.1. Relationen zwischen sozialen und sprachlichen Eigenschaften Es gibt keine generellen Eins-zu-eins-Beziehungen zwischen relevanten sprachlichen und
56. Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik
sozialen Merkmalen. In vielen Fällen verlaufen soziale Grenzen nicht zusammen mit sprachlichen. Beispiele: Staatenbildungen über Sprachgrenzen hinweg und zwischen Bevölkerungen mit gleicher Sprache; die VaupéIndianer haben sehr viele sogenannte ›Vatersprachen‹, die aber keine ihrer sozialen Unterschiede widerspiegeln (Jackson 1974, 56 ff); Situationswechsel können, müssen aber nicht einen Variantenwechsel mit sich führen; marxistischen Sprachtheoretikern fiel es schwer, den für sie zentralen Klassenbegriff auf Sprachgrenzen abzubilden (s. Art. 48). Auffallende sprachliche Unterschiede von Varianten können minimalisiert, geringe dagegen maximalisiert werden. All dies weist darauf hin, daß Menschen mit sprachlichen Unterschieden aktiv umgehen, und es ist zu fragen, zu welchen kommunikativen Zwecken sie dies tun. Die Uneindeutigkeit des Zusammenhangs zwischen sozialen und sprachlichen Faktoren gilt auch bei der Auswahl der sozialen Merkmale. Zwar wurden immer wieder dieselben Variablen herangezogen (soziale Schicht, Status, Alter, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht), sie wurden aber unterschiedlich definiert und kombiniert (vgl. Preston 1986). Soziale Kategorien bedeuten in unterschiedlichen Gesellschaften nicht dasselbe. Schließlich sind die soziolinguistischen Relevanzsetzungen kultur- und zeitabhängig, man denke an die zunehmende Relevanz der Forschungen zum geschlechtsspezifischen Sprachverhalten (vgl. Schoenthal 1985).
4.2. Dialogisches Sprechen An sprachlichen Handlungsseq uenzen und Gesprächstypen in sozialen Räumen wurden einige generelle Eigenschaften sprachlicher Interaktion beschrieben, welche die sprachphilosophische Sicht der Sprache als kommunikatives Mittel für Intersubjektivität (Plato, Humboldt, Schütz, Mead) in ein neues Licht rücken können (s. Art. 14, 47, 52). 4.2.1. Kontextualisierungshinweise Sprecher signalisieren sich, in welcher Art von Kommunikation sie sich befinden (s. Art. 94). Mit Goffmans (1974 b) Metapher ›Rahmen‹ wurden Hinweishandlungen beschrieben, mit denen Interagierende sich Grenzen und damit Einheiten von Kommunikationstypen, aber auch Teile davon, anzeigen (z. B. durch ›code switching‹, durch die Wahl bestimmter Wörter oder auch nur durch prosodische Änderungen; vgl. Cook-Gumperz/Gumperz 1984 für offizielle und nicht-offizielle Teile einer Verhandlung; vgl. auch Gumperz 1982, 130 ff).
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Interaktionsbeteiligte geben sich Interpretationsrichtungen vor, die sie instandsetzen, Äußerungen als Exemplare eines kommunikativen Typs zu verstehen. Kontextualisierungen und Sprechen über Gegenstände geschehen gleichzeitig (Reflexivität der sprachlichen Kommunikation). Manche Kommunikationskonflikte können dadurch erklärt werden, daß die Beteiligten sich ausschließende Situationsdefinitionen unterstellen, wenn z. B. jemand eine offizielle Situation in eine mehr private umändern will, indem er mitleidheischende Erlebnisse schildert, oder wenn jemand nur klagen will, der Zuhörer aber meint, er müsse Ratschläge geben (Quasthoff 1979, 112 ff; Jefferson/Lee 1981, neuere Forschungen zur Kontextualisierung in Auer/di Luzio 1992). 4.2.2. Hörerausrichtung (recipient design) Sprecher wählen die Themen und Formulierungsweisen ihrer Äußerungen nach den jeweiligen Hörern aus; sie bringen in den Fortgang des Gesprächs eine thematische und aufgabenorientierte Gliederung, die dem Adressaten gemäß ist. Diese fundamentale Eigenschaft von Gesprächen, die für ihre Vielfalt (Partikularität) verantwortlich ist, wurde ‘recipient design’ genannt: „By ‘recipient design’ we refer to a multitude of respects in which the talk by a party in a conversation is constructed or designed in ways which display an orientation and sensitivity to the particular other(s) who are the co-participants“ (Sacks/ Schegloff/Jefferson 1974, 727).
Sprecher reformulieren laufend ihre Äußerungen, um ihre Redeabsichten und die Verstehensmöglichkeiten des Hörers besser zu treffen (Rath 1979, 185 ff; Antos 1982, 116 ff). Mit prosodischen Kodierungen zeigen sie dem Hörer an, wo sie berichten und wo sie werten, welche Informationen sie als bekannt voraussetzen und welche sie als neu und wichtig ansehen; diese sind kulturell unterschiedlich und von anderen nicht ohne weiteres durchschaubar (Michaels/Collins 1984, 235 f; 241). Sprecher und Hörer stimmen sich unbewußt durch Sprechtempo, Rhythmus, Akzent- und Pausensetzungen aufeinander ab (Erickson/Shultz 1982, 71 ff). Ähnliches gilt für nonverbales Verhalten (Kendon 1979; Auer 1986, 29 f). Sogar in konflikthaltigen Gesprächen verhalten sich Sprecher erstaunlich symmetrisch, sowohl was grundlegende Beziehungsannahmen betrifft, als auch dialogische Akte und deren Seq uenzierung (vgl. Weydt 1980; Schank/Schwitalla 1987, 81 ff; 126 f). Sie realisieren also etwas Gemeinsames bei allen Interessen- und Perspektivenunterschieden.
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4.2.3. Gesicht (face) Einen weiteren universalen Aspekt der Adressatenanpassung beim Reden hat Goffman mit seinem Konzept der Imagearbeit aufgedeckt (Goffman in vielen Arbeiten, z. B. 1961). Normalerweise nimmt jeder Rücksicht auf ein unterstelltes, integres soziales Bild seiner selbst und des anderen. Man kann zwischen positiver Imagebehandlung (Aufwertung durch Lob usw.) und negativer (Vermeiden von Zudringlichkeit) unterscheiden (Brown/ Levinson 1987, 70). Sprachliche Beziehungsakte (Anreden, Grüßen, Loben, Kritisieren), aber auch die Art der Darstellung von Sachverhalten (z. B. das Vermeiden von unschicklichen Wörtern) werden durch Imageeinschätzungen des Adressaten motiviert. Ethnien und soziale Gruppen können danach unterschieden werden, welches Maß an Direktheit sie als normal ansehen und wo sie Grenzen zum unhöflichen Verhalten ziehen. Dies wird für kulturspezifische Realisierungen von Aufforderungen relevant (Heeschen 1980). Verstöße gegen Höflichkeitsregeln machen soziale Normen bewußt; wenn sie scherzhaft gemeint sind, bestätigen sie sie; aggressive Verwendungen gehören zum Repertoire intergruppaler Konflikte.
4.3. Interaktionstypen Auf einem mittleren Einheitenniveau wurden sehr viele Interaktionstypen untersucht; zuerst mehr die zielgerichteten in institutionellen Kontexten (Kommunikation in der Schule, beim Gericht, beim Arzt, in den Medien usw.), dann aber auch in privaten Kreisen mit geselligen Interaktionsformen. Handlungsmuster kann man als gattungsgeschichtliche Verfahren ansehen, mit denen Bearbeitungs- und Lösungsmöglichkeiten für wiederkehrende soziale Aufgaben und Probleme zur Verfügung gestellt werden (Hartung 1981, 53 ff; Ehlich 1986, 22 ff). Dialogtypen sind auf doppelte Weise organisiert: thematisch-inhaltljlich und kommunikativ-intentional (Steger 1980 b, 47 ff). Aus ihrem Zusammenwirken versucht man, generelle Ablaufmuster aufzustellen (z. B. für Kurzberatungen: Schank 1981). Die Mehrfachinterpretierbarkeit von Äußerungen und das fortwährende Aufeinanderabstimmen von Meinungen und (vielleicht nur indirekt geäußerten) Interessen lassen allzu einheitliche psychologische Modelle von Interaktionsabläufen (z. B. Schank/ Abelson 1977) als nicht adäq uat erscheinen (Nothdurft 1986 a, 103) (s. Art. 57). Handlungsmuster erweisen sich als sehr komplex: nicht nur werden konstitutive Teile diskonti-
III. Positionen
nuierlich, mehrfach und mit unterschiedlicher Explizitheit durchgeführt (dazu, auch am Beispiel der Beratung: Kallmeyer 1985), die Interagierenden brechen auch immer wieder aus den Schemata aus, definieren sie um oder bringen andere Interaktionsmodalitäten ein. So scheint es für Schlichtungsgespräche paradoxerweise notwendig zu sein, daß sich die Kontrahenten noch einmal ordentlich streiten (Nothdurft 1986 b). Während bestimmte kommunikative Typen oft untersucht wurden (Beratungen, Erzählungen), stehen Analysen an umfangreichen Materialien für solche Typen aus, die für den sozialen Zusammenhalt wichtig sein dürften (Klatschen, Frotzeln). 4.4. Sozial verteiltes Wissen Mit sozialen Differenzierungen gehen unterschiedliche Wissenssysteme und Kommunikationstypen einher. Ein Beispiel: In den osteuropäischen jüdischen Gemeinden schickte es sich nicht für die gelehrten Juden, nichtlehrhafte Geschichten zu erzählen, Volkslieder zu singen oder Rätselfragen zu stellen; dies wurde aber von Frauen, insbesondere von denen der Unterschicht, erwartet (vgl. Kirshenblatt-Gimblett 1974, 284 f). In unseren westlichen Gesellschaften stoßen unterschiedliche Wissenssysteme zwischen Experten und Laien aufeinander. Sie sind an unterschiedliche sprachliche Symbolsysteme gebunden. In institutionellen Interaktionen müssen alltagssprachlich mitgeteilte Informationen so zubereitet werden, daß sie in das betreffende Institutionenwissen mit seinen Kategorien passen. Die ›Agenten‹ einer Institution hören Mitteilungen der Laien auf die für sie relevanten Unterscheidungen ab und formulieren sie in diesem Sinne um. Erst dann bekommen z. B. Zeugenaussagen in Gerichtsverhandlungen institutionelle Gültigkeit (vgl. Hoffmann, 1983, 29 ff). Gleichzeitig erscheinen die Mitteilungen von Experten und Laien in unterschiedlichen Darstellungsformen und Kommunikationstypen, z. B. Belehren und Erklären eines Arztes gegenüber Erzählen eines Patienten (Rehbein 1985, 381 ff). Fachliches Wissen ist meist schriftlich fixiert, explizit kategorisiert (Fachlexik) und in Texttypen systematisiert; Alltagswissen wird dagegen mündlich weitergegeben, es ist vage und an die Lebenspraxis gebunden. Da Wissensysteme und ihnen entsprechende Kommunikationsformen gesamtgesellschaftlich organisiert sind, kann man von hier aus Zusammenhänge zu den größeren sozialen Einheiten ins Auge fassen. Dies geschieht in soziolin-
56. Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik
guistischen Analysen des Sprachgebrauchs in Institutionen (Dieckmann 1981 b, 208 ff). Von hier aus ergeben sich auch Verbindungen zur Sozialphilosophie. Schütz und Thomas Luckmann (*1927) haben unterschiedliche kognitive Stilzüge sogenannter ›finiter Sinnprovinzen‹ (Wissenschaft, Kunst, Religion usw.) in Abhebung zur grundlegenden Kommunikationswelt des Alltags nach einzelnen inhaltlichen Kategorien herausgearbeitet. Danach sind die durch sprachliche Formen vermittelten Wissens- und Handlungssysteme nicht nur sozial ungleich verteilt, sondern auch anders strukturiert. Eine Reflexion funktiolektaler Sprachvarianz kann versuchen, solche Unterschiede des Sprachgebrauchs im einzelnen aufzuspüren und mit unterschiedlichen Erfahrungs- und Vermittlungsweisen einerseits, unterschiedlichen sozialen Normen der Interaktion und des Geltenlassens von Aussagen andererseits in Verbindung zu setzen (Schwitalla 1976).
4.5. Soziale Identität Soziolinguistische Studien von Interaktionsgruppen legen die Hypothese nahe, daß Personen in geschlossenen Netzwerken soziale Unterschiede zwischen sich und anderen gesprächsweise bearbeiten. Dies geschieht einerseits durch das interaktive Ziel einiger Kommunikationstypen oder -untertypen wie ethnische Witze, Erzählen, Klatschen, Frotzeln (vgl. Luckmann 1986), andererseits durch die Art und Weise, wie sie durchgeführt werden (für das Erzählen vgl. Schwitalla 1987 b), drittens schließlich durch ein Sprechen wie die anderen (›code switching‹). Jugendliche in sozial heterogener Umgebung greifen z. B. einzelne Merkmale (Wörter, Wendungen, prosodische Eigenschaften) der Sprechweisen anderer Gruppen auf und verwenden sie in ihrer eigenen Rede, um die soziale Distanz zwischen sich und den anderen anklingen zu lassen (Schwitalla 1987 a). Soziale Grenzen und Solidaritäten auszudrücken, ist der kommunikative Sinn vieler Codewechsel (Auer 1984). Dabei muß aber der reale Sprachgebrauch der anvisierten sozialen Welten nicht mit den Nachahmungen der Sprecher übereinstimmen (Kallmeyer/Keim 1987 a). Durch Andeutungen anderer Sprechweisen kann man auf indirekte Weise dem, was man sagt, eine bestimmte kommunikative Bedeutung mitgeben, z. B. Rollendistanz ausdrücken (Gumperz 1982, 30 ff), jemanden kritisieren, sich von einer Lebensform distanzieren, sich mit einer Berufsrolle identifizieren, soziale Gruppen karikieren oder lächerlich machen usw. (Schwitalla 1986, 136 ff). Mitglieder von sozialen Welten drücken ihr Wissen von sozial
793
typisierten Verhaltensweisen in formelhaften Wendungen aus; in Gesprächen versichern sie sich damit routiniert (nicht reflexiv ausbreitend) ihrer gemeinsamen Sicht der Dinge (Kallmeyer/Keim 1987 b). — Sprachliche Kodierungen müssen im Zusammenhang mit anderen Symbolsystemen (Kleidung, Gestik u. a.) gesehen werden (z. B. Willis 1981). Sie werden je nach politischen und sozialen Situationen überbetont oder vernachlässigt, d. h. sie sind handhabbar, sie determinieren nicht das kommunikative Verhalten (McDermott/Gospodinoff 1979, 179 ff). Fehlschläge und Konflikte in interethnischer Kommunikation können auf Mißverständnissen beruhen, weil einer Partei das kulturelle Hintergrundwissen und die Kodierungsgewohnheiten der anderen fehlt (Gumperz 1982, 30 ff; 144 ff; 168 ff; Erickson/Shultz 1982, 117 ff). Aber andererseits können Unterschiede des Sprachverhaltens in provokativer Weise zur Wahrung der eigenen sozialen Identität manifestiert werden, wie sie umgekehrt dann keine Rolle spielen, wenn Vertreter unterschiedlicher Ethnien/Kulturen besondere Gemeinsamkeiten und Solidaritäten entdekken (Streeck 1985 mit Beispielen). Diese Ambivalenz gilt auch für größere soziale Einheiten. Fast überall auf der Welt gehen nichtschriftliche Kulturen ethnozentrisch von ihrer eigenen Sprache als der einzig richtigen und schönen aus und verachten die Sprachen der Nachbarvölker; andererseits werden gerade fremde Sprachen als kulturelle und religiöse Funktiolekte geschätzt (vgl. Borst 1963 mit Verweisen). Damit zeigt sich aufs neue, daß Sprachvarianten sozial notwendig sind und daß Individuen und Gruppen aktiv mit ihnen umgehen können.
5.
Probleme und Desiderata
5.1. Einheitenebenen Soziolinguistische Untersuchungen wurden auf Mikro- (Phänomene unterhalb von Text-, Dialogeinheiten), Mezzo- (Netzwerke, Interaktionsgruppen, Situationen, Text-, Dialogtypen) und Makroebenen (Gesellschaftsstrukturen, Domänen) durchgeführt. Es stellt sich das Problem, wie sie theoretisch integriert werden können (Knorr-Cetina 1981). Ein Weg wäre, solche Interaktionen auf mittlerer Ebene zu untersuchen, die sehr stark von übergreifenden sozialen Bedingungen bestimmt sind. Mehrere Forscher verweisen dazu auf Situationen der Primärsozialisation. Obwohl Spracherwerbsforschungen zunehmend interaktive Prozesse einbeziehen (Miller
794
1980, 660 ff; Boueke/Klein 1983; Cook-Gumperz 1986; Meng u. a. 1991), bleibt bei der Analyse der Weitergabe sozialspezifischer Sprech- und Denkweisen noch viel zu tun. Ein anderer Weg wäre, in sozial unterschiedlichen und weit auseinanderliegenden Situationen einer Gesellschaft allgemeine, sozialdifferenzierende und sozialintegrierende kommunikative Verfahren aufzudecken. Mittlere Ebenen erlauben am ehesten, soziale Stilisierungen zu untersuchen, die sich nicht nur in der Sprechweise, sondern auch in anderen Lebensäußerungen zeigen. 5.2. Variantendefinition Was ist der reale Status einer Sprachvariante? Gibt es — hinsichtlich der räumlichen und sozialen Dimension Dialekt vs. Standardsprache — ein Kontinuum, oder gibt es erkennbare Einschnitte, die dieses gedachte Kontinuum gliedern, z. B. in Ortsdialekte, Regionalsprachen, Standardsprache (Wiesinger 1980; ähnlich Donath et al. 1981, 324 ff)? Je kleiner der soziale Radius von Sprachaufnahmen bis hin zum individuellen Sprachverhalten wird, um so heterogener und ›ungeordneter‹ erweisen sich die linguistisch definierbaren Eigenschaften. Oft genügen nur wenige lautliche Abweichungen von der Standardsprache, um eine Variante zu begründen und ihre Sprecher sozialen Gruppen zuzuordnen. Für das Ruhrgebietsdeutsch etwa genügen sechs Laut- bzw. Formabweichungen (Mihm 1985, 183); für zwei Varianten des BerlinischBrandenburgischen genügen ebenfalls sechs Lautvariablen (Donath et al. 1981, 337). Es scheint so zu sein, daß Gruppen sozusagen ethnozentrisch von ihrem eigenen Sprachverhalten aus andere Gruppen sowohl in Richtung Standardsprache wie Dialekt orten, dabei aber selbst Abweichungen in beide Richtungen praktizieren (Kallmeyer/Keim 1987 a). 5.3. Wertungen Wertungen von Einheitssprachen und ihrer Varianten scheinen mit historischen, gesamtgesellschaftlichen Integrations- oder Trennungsprozessen zusammenzufallen und so auch Chancen und Hindernisse für soziolinguistische Beobachtungen vorzugeben (z. B. in der Renaissance die Aufwertung der Volkssprachen und die Entdeckung der Sprachmischung; in der Französischen Revolution die Durchsetzung einer ›uniformité‹ staatlicher Verwaltung, von Raum-, Zeit- und Sprachkodifizierungen; die Junggrammatiker, die mit der Metapher ‘Sprache als Organismus’
III. Positionen
›Mischsprachen‹ in Abrede stellten; in der Gegenwart die Aufwertung lokaler und regionaler Alltagskulturen mit dazugehörigen Sprachvarianten). Die Soziolinguistik nimmt, stärker als dies andere linguistische Fächer tun, die Variabilität von Sprache wahr; sie hat ein Interesse an ihr und sucht nach sozialen Motivationen und Funktionen. Die Bestimmung des Verhältnisses von Einheitssprache und Variante und die Gewichtung ihrer sozialen Funktionen gehören aber noch zu den Desideraten einer soziolinguistischen Sprachreflexion. Damit sind wichtige gesellschaftliche und politische Implikationen gegeben. Oft verbindet die Soziolinguisten ein emanzipatorisches Erkenntnisinteresse mit ihren Untersuchungen und eine solidarische Beziehung zu sozialen Minderheiten (Hymes 1972, 323 f). Andere verwahren sich gegen eine mit ›sozialistischem Engagement‹ verbundene Soziolinguistik (Löffler 1985, 12). Philosophisch gesehen kann man die Sprachvielfalt und die je neue Sprachverwendung in Situationen als Argumente gegen ein Gebanntsein von übermächtigen Vereinheitlichungstendenzen ins Feld führen, komme es von einer elitären Abwertung verhaltenseinebnender Gewohnheiten (das ›Man‹ bei Martin Heidegger), von einer resignativen Bestandsaufnahme der totalisierenden Tendenzen des zweckrationalen Denkens und Handelns (Max Horkheimer, Theodor W. Adorno) oder gar von extremen Positionen (Jacq ues Derrida), die ihren Ausgangspunkt gegen eine mißverstandene Vereinheitlichungsgewalt sprachlicher Strukturen und Formen setzen (vgl. Frank 1983, 509 ff).
6.
Sprachphilosophische Konsequenzen
1929 schrieb Valentin Nikolaevič Vološinov (Michail Bachtin, 1895—1975) in Marxismus und Sprachphilosophie: „die methodologisch begründete Ordnung des Sprachstudiums [muß] folgendermaßen aussehen: 1. Formen und Typen der sprachlichen Interaktion im Zusammenhang mit ihren konkreten Bedingungen; 2. die Formen der einzelnen Äußerungen, der einzelnen Redeakte in enger Verbindung mit der Interaktion, deren Elemente sie sind“ (Voloshinov 1975, 159).
Dieses soziolinguistische Forschungsprogramm wurde erst seit den 60er Jahren durchgeführt; es hat die kommunikative und soziale Sichtweise der Sprache, die Vološinov gegen die vom Studium geschriebener, toter und fremder Sprachen herkommende Sprachwissenschaft setzte, in wichtigen Punkten bestätigt. Damit sind einige sprachphilosophische Implikationen berührt.
56. Die sprachphilosophischen Annahmender Sprachsoziologie und der Soziolinguistik
6.1. Handlungsbegriff Das Studium sprachlicher Äußerungen in sozialen Kontexten hat weitere Bedingungen und Eigenschaften sprachlicher Handlungen ans Licht gebracht, die über die mit den Begriffen ‘Illokution’ und ‘Perlokution’ von John Langshaw Austin (1911—1960) und John Roger Searle (*1932) definierten hinausgehen (s. Art. 54). Die Begrenztheit dieser Sprachhandlungstheorien haben Soziolinguisten immer wieder konstatiert (Streeck 1980; Hymes 1971, 62 f; 172; Hartung 1982, 394 ff). Dazu seien einige Aspekte genannt: (a) Sprechhandeln im dialogischen Kontext bedeutet sowohl, eine Beziehung zu den Äußerungen des Vorredners herzustellen, wie auch zu denen des nachfolgenden Sprechers anzubahnen. Damit sind relationale Eigenschaften von Sprachhandlungen verbunden: Verpflichtungen für den Hörer einerseits, Konsens vs. Dissens und Grade der Responsivität andererseits (Henne/Rehbock 1982, 205 ff). (b) Je komplexer die Interaktionstypen sind, in denen sprachliche Einzelhandlungen vorkommen, um so schwieriger wird es, ihre Abfolge auf ein hierarchisch gegliedertes, nach vorbereitenden, bedingenden, zentralen und abgeleiteten Funktionen definiertes Text-/Dialogtypenmodell abzubilden (Steger 1983, 50 f; Brandt et al. 1983, 112 ff). (c) Mit der Organisation von geschriebenen oder gesprochenen Texten hängen Textkonstitutionshandlungen zusammen, die ebenfalls in bestimmten Relationen zu anderen Textteilen stehen, z. B. als Paraphrasen, Begründungen, Erläuterungen, Zusammenfassungen. Sie dienen z. T. der Verstehenssicherung, z. T. der Vorbereitung, das Gesagte dem Hörer annehmbar zu machen (Gülich/Kotschi 1987, 210 ff). (d) Konversationsanalysen haben gezeigt, daß sprachliche Äußerungen mehrfach interpretiert werden können, daß sie unterdeterminiert sind und deshalb den Rezipienten nicht auf eine einzige Interpretation festlegen (vgl. 2.5.). (e) Die phonetischen und prosodischen Sprechweisen und die Realisierungen von Kommunikationstypen sind gruppenspezifisch und können deshalb sozialsymbolische Bedeutung gewinnen (vgl. 4.5.). (f) Schließlich zwingen soziale Bedingungen des Sprechens wie z. B. Institutionen dazu, den sozialen Sinn von Handlungsbedingungen auch nicht-subjektiv zu definieren; im Falle der institutionellen Kommunikation also, nicht-subjektive Intentionen, Verantwortungen, Aufrichtigkeitserwartungen usw. anzunehmen (Dittmann 1979; Dieckmann 1981 b, 230 ff).
795
Es fehlt aber eine umfassende Sprechhandlungstheorie, welche diese und andere Aspekte integrieren könnte. Die Tätigkeitstheorie A. A. Leont’evs (1971) — obwohl sie in Analogie zu kooperativen sozialen Handlungsprozessen entwickelt wurde — ist zu abstrakt, um ohne weiteres auf sprachliche Kommunikationen kleiner und mittlerer Ebenen übertragen werden zu können.
6.2. Zeichenbegriff Eine ähnliche Differenzierung ist für den Zeichenbegriff erforderlich. Kontextualisierungen (vgl. 4.2.1.) werden meist nicht ausdrücklich vollzogen, jedenfalls liegen sie nicht auf derselben Ebene wie denotative Wortbedeutungen. Lexikographen und Grammatiker haben sich für sie nicht interessiert, weil sie sehr variabel sind, sich auf teils kleinere, teils größere, einmalige und wiederholte Äußerungseinheiten erstrecken (s. Art. 92). Die prosodischen Signalisierungen sind zudem schwer zu beschreiben. — Bestimmte Eigenschaften des Sprechens werden von anderen als sozial-symbolisch erfahren und erst in der Widerspiegelung von der ursprünglichen Gruppe als eigene erkannt; einige davon werden normalerweise unbewußt, beiläufig vollzogen. Sie gehören ebenso wie denotative Bedeutungsbestandteile zur Informationsstruktur des Gesagten (Hymes 1972, 319). Man kann also davon ausgehen, daß die Realisierungen sprachlich-kommunikativer Aktivitäten auf unterschiedlichen Beschreibungsebenen (Kommunikationstypen, Sprechakte, Lautung, Prosodie usw.) durch sozialstilistische Gemeinsamkeiten zusammengehalten werden, die dann einen bestimmten Kommunikationsstil ausmachen (Hymes 1972, 320 f). Diese haben eine Bedeutung, „die durch die Art des Vollzugs von Handlungen vor dem Hintergrund möglicher Alternativen entsteht“ (Sandig 1983, 151) und weder auf referentielle noch sprechakttheoretische Bedeutungstheorien zu reduzieren sind. Die Soziolinguistik kann deshalb die von Charles Sanders Peirce (1839—1914) (s. Art. 32) und Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39) ausgehende pragmatische Zeichendefinition mit Substanz füllen. Die an referentiellen Wortbedeutungen orientierten dreiund mehrrelationalen Zeichenmodelle, aber auch weit ausgreifende Theorien der Sprachfunktionen (Roman Jakobson) können die von Text- und Soziolinguisten erforschten Funktionen verschiedener Zeichentypen zur Segmentierung, Modalisierung (ernsthaft, scherzhaft, ironisch u. a.) und sozialen Iden-
III. Positionen
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titätsmarkierung nicht erfassen. Selbst im Bereich der Wortbedeutungen erweisen sich von (möglichen) Kontexten isolierte, auf klare Unterschiede von Inhaltselementen pochende Semantiktheorien als unzureichend (s. Art. 68). Was Sprecher mit Wörtern meinen, lassen sie entweder unbestimmt oder machen es im dialogischen Hin und Her der Rede zunehmend klarer. Sinn- und Ordnungsprozeduren erscheinen deshalb eher als kommunikative Leistungen von Interagierenden (Coulter 1975, 185 ff), denn als mechanische ›type-token‹-Zuordnungen (s. Art. 47). Hier trifft sich die Soziolinguistik mit Erkenntnissen der Psycholinguistik (Hörmann 1977, 5 und passim) (s. Art. 57) und mit linguistischen Untersuchungen zu Worterklärungen von Sprachbenutzern: „im Laienbereich [ist] in der Regel nicht nur eine einzige Laienbedeutung anzutreffen, sondern deren mehrere. Weiterhin zeigen viele Laienbedeutungen einen Spezialisierungsgrad, der geringer ist als der durch die gemeinsprachlichen Wörterbücher vorgegebene“ (Wichter 1986, 246).
6.3. Personale und soziale Identität Die Begriffe ‘soziale Norm’, ‘Regel’, ‘Handlungstyp’, ‘Kooperationspostulat’ usw. setzen die Ansicht voraus, daß Menschen sich in gleicher Weise, sozusagen berechenbar verhalten und daß dies die soziale Seite ihrer Kommunikation ausmacht. Sprachliche Interaktion erweist sich aber als immer wieder neu; Gespräche verlaufen in unvorhergesehene Richtungen und die Teilnehmer brauchen — wenn sie sich nicht in ausgeprägten Machtsituationen befinden — eigene und fremde Sprechakte nicht als ein für allemal gegeben hinzunehmen, sie können versuchen, Situationen ›auszuhandeln‹. Der Wechsel zwischen Eindeutigkeit und Differenz, zwischen sozialer Gleichartigkeit und individuellem Interesse wird in der veränderbaren Geordnetheit dialogischen Sprechens ausgetragen (Dittmann 1982, 100 ff). Individuelle Identität entsteht aus den Spiegelungen eigenen sprachlichen Verhaltens beim dialogischen Gegenüber und aus den Vorwegnahmen dieser Spiegelungen (Mead 1969, 263 ff); sie hat einen „open-ended, tentative, exploratory, hypothetical [...] character“ (Strauss 1977, 91). — Genau das zeigen auch die Inkongruenzen und Störanfälligkeiten dialogischer Prozesse. Soziale Identität ergibt sich in der Auseinandersetzung mit sozialen Verhaltensweisen anderer Gruppen, von denen man sich mit seinen Gesinnungsgenossen absetzen will. Es
sind kontradiktorische Gegenüberstellungen einzelner Verhaltensweisen, an denen sich Gruppenmitglieder auf implizite Weise ihre kognitive und affektive Solidarität bestätigen. Über die Anderen wird aber nicht immer nur und ausschließlich negativ geredet, ihr Verhalten zeigt auch ›interessante‹ Seiten; die Einstellung ist oft ambivalent (z. B. beim Klatschen in dem Sinne, daß die Klatschobjekte Existenzmöglichkeiten verkörpern, die man selbst nicht hat). Mitglieder von Subkulturen sind nicht eindimensional auf ihre kulturellen Werte festgelegt; sie haben ein inhomogenes Wertsystem, welches sie sprachlichen und nicht-sprachlichen Normen der herrschenden Kultur positive Seiten abgewinnen lassen kann (Rodman 1963). Insofern illustrieren dialogische Prozesse der Herstellung oder nur Bekräftigung sozialer Identität Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770— 1831) Gedanken zur Genese des Selbstbewußtseins (Hegel 1967, 141 ff): eine Gruppe setzt sich einer anderen gegenüber und negiert einen Teil von deren Verhaltensgewohnheiten, kann dann aber auch Teile der eigenen Einstellungen und unreflektierten Verhaltensweisen relativieren.
7.
Literatur in Auswahl
Bauman/Sherzer (Hg.) 1974, Explorations in the Ethnography of Speaking. Die Aufsätze dieses Sammelbandes werden in 2.4. als Beispiele ethnographischer Studien zitiert. Bernstein 1972, Studien zur sprachlichen Sozialisation. Übersetzung der Aufsatzsammlung Class, Codes and Control Vol. I, mit Bernsteins wichtigsten Aufsätzen bis 1971. Dittmar 1982, Soziolinguistik — Teil I. Theorie, Methodik und Empirie ihrer Forschungsrichtungen, in studium linguistik 12. Letzter Überblick mit viel Literatur; Methodendiskussion unter der Alternative verstehende vs. q uantitative Soziologie. Gumperz 1982, Discourse Strategies. Hier verbindet Gumperz seine ethnographischen Arbeiten mit diskursanalytischen Methoden: Kontextualisierung, Codewechsel, Prosodie. Giglioli (Hg.) 1972, Language and Social Context. Ein Sammelband, der verschiedene Richtungen der Soziolinguistik vereinigt, darunter die hier zitierten Aufsätze von Fishman (2.3.), Frake (2.4.), Schegloff (2.5.). Hymes 1982, Soziolinguistik und Ethnographie des Sprechens, in Soziolinguistik. Ansätze zur soziolinguistischen Theoriebildung, Steger (Hg.).
57. Philosophical foundationsof psychology of language and of psycholinguistics
Hymes ordnet die Ethnographie des Sprechens in die Geschichte der Linguistik ein und diskutiert einige Aspekte dieses weiten Ansatzes der Soziolinguistik mit vielen Beispielen: Sprechakte, Codewechsel, Funktionen des Sprechens. Labov 1976/1978, Sprache im sozialen Kontext. 2 Bde.; Dittmar/Rieck (Hg.). Deutsche Übersetzung von Labovs Arbeiten, in Bd. 2 auch mit seinen Untersuchungen zu Kommunikationsformen. Steger (Hg.) 1982 a, Soziolinguistik. Ansätze zur soziolinguistischen Theoriebildung. Steger (Hg.) 1982 b, Anwendungsbereiche der Sozio-
57. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1.
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linguistik. Zwei Sammelbände mit theoretischen Aussagen, aber auch mit empirischen Untersuchungen innerhalb eines weiten Bereichs der Soziolinguistik. Voloshinov (Bachtin) 1975, Marxismus und Sprachphilosophie. Das Buch ist 1929 in der Sowjetunion erschienen; der Autor legt im 2. Teil sprachphilosophische Positionen fest, die erst in den letzten Jahren empirisch untersucht wurden.
Johannes Schwitalla, Mannheim (Deutschland)
Philosophical foundations of psychology of language and of psycholinguistics Introduction Language and psychology The functionalist framework Demonology and the computational paradigm Troubles with functionalism Eliminative materialism: mind, ghost or machine? Modularity of mind: seamless or soldered? Selected references
Introduction
On one of his amazing travels into the remote nations of the world, Jonathan Swift’s (1667—1745) Gulliver finds himself on the isle of Balnibarbi (Gulliver’s travels, part III, chapter 5). There he is shown a curious contrivance that is claimed to enable “the most ignorant Person at a reasonable Charge, and with a little bodily Labour, to write Books in Philosophy, Poetry, Politics, Law, Mathematics and Theology, without the least Assistance from Genius or Study”. It is a contraption of twenty foot sq uare, the surface of which consists of a large number of wooden dice, linked together by slender wires and covered on every side with “all the Words of their [the Balnibarbian, J. S.] Language in their several Moods, Tenses, and Declensions, but without any Order”. Furthermore, the “strictest Computation” has been made “of the general Proportion there is in Books between the Numbers of Particles, Nouns, and Verbs, and other Parts of Speech” (Swift 1959, 182 ff). Gulliver
reports that, at the operating professor’s command, forty pupils “took each of them hold of an Iron handle, whereof there were Forty fixed round the Edges of the Frame, and giving them a sudden Turn, the whole Disposition of the Words was entirely changed. He then commanded Six and Thirty of the Lads to read the several Lines softly as they appeared upon the Frame, and where they found three or four Words together that might make Part of a Sentence, they dictated to the four remaining Boys who were Scribes. This Work was repeated three or four Times, and at every Turn the Engine was so contrived, that the Words shifted into new Places, as the sq uare Bits of Wood moved upside down” (Swift 1959, 184).
This whole procedure is repeated time and again, and has already produced several volumes of broken sentences, which the professor “intended to piece together, and out of those rich Materials to give the World a complete Body of all Arts and Sciences” (Swift 1959, 184). — The author left little to be guessed as to what he thought of the project. Poor Swift! Little did he know that, one day, his story would become true. Today we have not only constructed such a frame, but we have indeed managed to locate it inside the human head, the fourty boys and the professor included! What I have in mind here is, of course, the rise of the computational paradigm in cognitive science. Although it is not cognitive science’s aim to ›piece together the arts and sciences‹, it does speculate on the processes that go on in the minds of those who do, that is, in the minds of cognitive
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subjects, and especially in those of language users. It takes q uite special philosophical foundations to make this project possible. In this paper we shall take a closer look at some aspects of these foundations, specifically those of psycholinguistics and psychology of language. Thus, what kind of ontology of mind does it take to allow you to posit a language machine inside the head? Is that machine cut from the same cloth as the other cognitive capacities? Is it the language machine that produces intentionality? Should our minds be seen as sentence-crunchers, or rather as neural calculators? And is the psychological study of the internal language machine at all relevant to our understanding of language itself? This last q uestion seems a good place to begin.
2.
Language and psychology
Modern linguistic theory is so complicated that it takes years of study to master. Yet, in principle, we have been familiar with the rules of grammar ever since childhood. There is a paradox here, in the case of linguistic knowledge as well as in that of other kinds of cognitive capacities. For we have also mastered more or less effortlessly the rules of reasoning, and we all have learned to use our eyes; yet, little is known about just how the mind manages to do these things. Viewed from closer q uarters, the processing of visual information is an incredibly complex task; it takes years of study to get some insight in how the eye does it. And just like there is more to seeing than meets the eye, there is also more to language than we commonly think of. Linguistic theory provides a formalism in which to describe the languages we use. Whether linguistic knowledge stored in our minds corresponds to the rules of grammar, as discovered by linguists, is a further q uestion. For starters, there is a bewildering proliferation of competing grammatical theories, from which it is difficult to choose. Since the days of Noam Chomsky’s (*1928) initial Syntactic Structures theory of 1957, we have not only seen the various forms of standard theory and the government and binding theory, but also theories of generative semantics, Joan Bresnan’s realistic grammar, Montague grammar, arc-pair grammar and abstract phrase structure grammar, to mention only some of the more prominent cases. Which of these theories, if any at all, is the correct one, is a hotly debated issue. — Per-
haps we may expect some help from psychology here; could not a psychological theory of natural language processing help to determine which of these grammars is the one that is actually employed by the human mind? Thus Chomsky has repeatedly claimed that we should “try to develop the study of linguistic structure as a chapter of human psychology” (Chomsky 1972, 66). Pace Chomsky, however, linguists as a rule do not take account of psychological considerations. Their aim is to produce simple, concisely formulated grammars. But of course an elegantly stated set of grammatical rules may not correspond to mental mechanisms that are subject to processing constraints of an entirely different order. When the chips are down, integrating the linguist’s rules into a real time language processor might req uire computational procedures that are too complex for its finite resources, whereas a slightly less elegant set of rules with the same conseq uences for linguistic structure might be computationally more tractable. Much the same is true of other cognitive abilities. Consider arithmetic. The rules of formal number theory, our most elegant formulation of arithmetic, are unlikely to be the ones that are actually employed by the mind. People presumably make use of a much more messy set of internally represented procedures, such as tables for multiplication and addition, carrying rules, and various other shortcuts. Again, in the case of visual perception, the rules of projective geometry are unlikely to be the ones that are actually employed by the intelligent eye. It probably makes use instead of various cues, conjectures and other cognitive shortcuts that are much more easily implemented (cf. Marr 1982). A way out of this problem about linguistics and psychology would be to call upon the familiar competence/performance distinction (cf. e. g., Johnson—Laird 1983, 167). On this view a linguistic theory specifies what should be the results of the mental computations of the language processor. Technically speaking, it specifies the function to be computed. As is well-known from automata theory, any function may be computed by indefinitely many possible procedures. It is the task of psycholinguistics, then, to determine which of these procedures are actually used in linguistic performance. — Some writers q uestion the viability of the competence/performance distinction; they hold that no clear boundary can be drawn here, and that in fact the ab-
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stract concept of linguistic competence is redundant. The psychological study of language use (performance), they claim, will lead to an account of language itself, without the need of an independent discipline of linguistics (thus, e. g., Clark/Haviland 1974). — Others dispute the relevance of psychological theory to our understanding of language. Thus Jerrold Jacob Katz (1981) has argued for a view of linguistics in which it is completely independent of psychology. On Katz’s view, natural languages are abstract, Platonic objects which we not only can study independently of a theory of language users, but which are really independent of language users. This buys the linguist complete theoretical freedom, at the price of most (if not all) of linguistics’ empirical interest. As Jerry Fodor (*1935) puts it, “Go ahead, be a Platonist if you like. But the action is all at the other end of town” (Katz (ed.) 1985, 160). And that is also where we are now, though not uncritically so. We shall not go into the various specific arguments that have been exchanged between Platonists and psychological realists (for an excellent collection of original papers on this and related subjects, cf. Katz 1985 (ed.)). However, the underlying q uestion of the relation between grammar and psychology will recur more than once in what follows.
3.
The functionalist framework
It takes a rather peculiar philosophy to allow you to posit, inside the human head, a kind of language machine like the one described by Gulliver. To Swift, the idea was probably preposterous. To modern cognitive science, no idea is more dear. The philosophy of mind underlying the approach is called functionalism, and can best be seen as a reaction against two earlier and less permissive theories of the mental, behaviourism and central state materialism. Its core idea is really the insight that psychological terms such as ‘belief’, ‘desire’, ‘pain’, ‘memory’, and ‘meaning’ need not be understood as some kind of shorthand for either neurophysiological or behavioural descriptions (s. art. 50). — Behaviourism, closely affiliated in linguistics with Leonard Bloomfield’s (1887—1949) view of grammar as the theory of grunts and noises, denied the existence of an inner aspect of mental states, defining the mental entirely in terms of publicly observable responses to publicly observable stimuli. Our everyday psychological vocabulary, according to behaviourism,
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is only a set of shorthands for behavioural descriptions. If you and I both like postmodern art, then according to behaviourism that is for us to share a set of behavioural dispositions, including the tendency to talk a lot about it, to buy an occasional Italian salt and pepper set, or to boil your tea-water in kettles by Aldo Rossi. Behaviourism did not fare well. It soon became clear what it means to ignore the introspectively documented inner aspect of mental states and processes. Take the example above. Suppose that you are the taciturn type, that never speaks up and doesn’t buy Italian design. On the behaviourist account, you and I could not possibly be said to share a love for postmodern art. Clearly, there must be something wrong here. Even more devastating was the insight that it is impossible to specify mental states in terms of a finite, non-q uestion begging list of objectively observable inputs and outputs. The list of conditionals necessary for an adeq uate analysis of ‘is keen on postmodern art’, for instance, seems to be indefinitely long, as there is no finite way of specifying in advance the countless ways in which the disposition could be realized. This is much the same point as has been argued by Chomsky against Burrhus Frederic Skinner’s (1904—1990) behaviouristic conception of grammar. Behaviourism implicitly assumes that the sentences of natural language can be produced and analysed by a finite state machine, i. e. a device containing no working memory. The assumption is demonstrably false: in finite state devices, there is no effective procedure for producing sufficiently complex forms of linguistic behaviour (cf., e. g., Johnson — Laird 1983, 266 ff). — The second theory, central state materialism (also called reductive materialism, or identity theory) is the most straightforward of the several materialist theories of mind. It claims that mental states are physical states of the brain. To be more precise, it claims that each type of mental state or process is identical with some type of physical state or process within the central nervous system. The history of science attests to a score of similar reductions; thus our commonsense notion of temperature has been neatly reduced to the scientific notion of mean molecular kinetic energy. If we are going to take serious the claim that man is a part of the physical world, we should be prepared to look for a similar reduction of our common-sense notion of man and cognition. Although there will no doubt be something to the identity
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theory, its claims seem to be far too strong. In order for you to be in the same mental state as I am, your brain’s pattern of activity would have to be exactly the same as mine. Yet our everyday notion of mental states apparently does not involve anything like this neurophysiological constraint. Nor does the brain itself; it is a well-attested fact that if a certain brain structure is damaged, resulting in mental impairment (e. g., after a stroke), the brain is often able to utilize alternative neural structures, so that the impaired mental function is eventually restored (the so-called ›plasticity‹ of our nervous system). Moreover, on the identity theory it would be impossible for anyone or anything with damaged brains, or with abnormal brains, or with non-human brains, or even with no brains at all (say, computers and Martians), ever to be intelligent or to have a mental life like ours. This objection has come to be known as the argument from species chauvinism (Block 1980). These and other difficulties with behaviourism and with mind-brain identity theories led to the suggestion that mental states should not be identified with either a person’s behavioural or her brain states, but rather with the brain’s functional states. Functionalism, crudely put, is a way of giving each side its due. It agrees with the behaviourist’s idea of psychological states as some kind of connection between the organism’s inputs and outputs, independent of the particular physical realization inside particular organisms or machines. But on the other hand it also agrees with the identity theorist that the mental is something internal, and that we should look at the interrelations of internal states in assigning psychological predicates to physical substrates. According to functionalism, mental states and processes are defined by their functional role in causally mediating between stimuli, responses, and other mental states and processes. In essence, functionalism is ontologically neutral; it is as compatible with forms of dualism and idealism as it is with physicalism. Thus Hilary Putnam (*1926), one of the intellectual fathers of functionalism, suggests that it is psychologically irrelevant what stuff we are made of, whether it be soul-stuff or Swiss cheese, protoplasm or silicon chips (Putnam 1975 a, 302). This socalled multiple realization feature, which holds as good for silicon chips and Swiss cheese as it does for variations of brain structure from one person to another, is generally
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considered to be one of functionalism’s main assets. — Of course, contemporary philosophy of mind subscribes to a physicalist point of view. Although functionalists reject the traditional forms of type identity, which hold that each kind (or type) of psychological event is to be identified with a type of either physical (for the identity theorist) or behavioural (for the behaviourist) event, virtually all of them remain committed to the weaker physicalist thesis that each particular instance (or token) of a mental type is identical with a token physical state. It is only universal type-type identities that are rejected. Typically, this rejection is taken to imply that cognitive science’s level of analysis is distinct from that of the various physical sciences, including neurophysiology, that study the functions’ substrates. Being the study of the substrate’s function, cognitive science has its own irreducible laws and its own abstract subject matter (cf., e. g., Fodor’s classical statement of this view in his paper Special sciences, repr. Fodor 1981 a, 127 ff).
4.
Demonology and the computational paradigm
Now, where does Gulliver’s language device come in? Functionalism informs us that what is important about the mental is its functional organization, that is to say, its causal role in mediating between a certain input (information from the world outside, and certain given mental states) and a certain output (behaviour, and new mental states). By this token, theorizing about the mental need neither restrict itself to publicly observable stimuli and responses (as in behaviourism), nor to neurologically ascertained brain structures (as in reductive materialism), although both restrictions remain as marginal constraints (psychological theory should be relevant for explaining behaviour, and should not introduce entities that are neurologically impossible). Within these limits, however, contemporary psychology is free to posit whatever entities it sees fit to explain our cognitive abilities. Exactly how these mental entities are pictured is irrelevant, so long as their functionally salient properties are observed. — In the case of language use, psycholinguistics in effect posits a special kind of machinery inside the human head, a device of such functional properties as will account for our linguistic abilities. Typically, this machine is taken to
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Fig. 57.1: Part of the language processor, responsible for the processing of written sentences
contain a device for analyzing incoming information (pattern recognition, speech analysis), the output of which is fed into various other processors for analyzing the morphological, lexical, syntactical, and semantic properties of the input. Needless to say, these subdevices are all taken to be complexly interconnected, as well as connected to various memory systems containing the linguistic knowledge needed for executing these tasks. All this machinery is operated by a staff of little men or homunculi, each with his own special function in making the machine run properly, pressing the buttons, adjusting the valves and levers, delivering messages between the various parts and sections, and so on. The similarity to Gulliver’s language device is obvious. An example taken from modern introductory textbook on cognitive psy-
chology may drive this point home. In illustration A (adapted after Lindsay/Norman 1977, fig. 7—7), we see part of the human language processor represented as some kind of office with a blackboard, demon personel, and various aids and resources. In executing their specific functions, the demons may not only communicate with each other, but they may also draw upon a store of (morphological, lexical, syntactic, semantic, etc.) knowledge in long term memory, delivered by messenger demons. The collective activity of these teams of demons is coordinated by a central supervisor, reminiscent of Gulliver’s professor in speculative learning. Now, whether or not functionalism permits us to posit such a language device inside the head, we should still ask ourselves whether it would at all explain our linguistic abilities if
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we do so. At first glance, the explanation it has to offer may seem to be vacuous, committing the so-called ›homunculus fallacy‹, in that the very same processes that were to be explained in the first place are in fact ascribed to some internal mechanism or subsystem. Also, the explanation may be accused of committing a category mistake, in that it tries to locate, within some sub-structure, events and processes that actually belong to a higher level of description. Is the above use of a language device and of little demons fallacious? It depends on the analysis of the functions they are supposed to perform. If they just entirely duplicate the function that is to be explained, and leave it at that, then this is fallacious. But if they are analysed into sub-devices, each performing a sub-function of the mothering function, and if the operations of these sub-devices can be specified ultimately in terms of very elementary devices, such as simple flip-flop switches, then the manoeuvre seems relatively benign. As Daniel Clement Dennett has put it, “homunculi are only bogeymen if they duplicate entire the talents they are rung in to explain [...] If one can get a team or committee of relatively ignorant, narrow-minded, blind homunculi to produce the intelligent behavior of the whole, this is progress” (1978, 123). — This analysis of functions and sub-functions into sub-functions and sub-sub-functions is precisely what modern cognitive science attempts to do. The approach is called computationalism, and may be seen as a tightening of the explanatory bite of functionalist ontology of mind. In the case of psycholinguistics, e. g., it just will not do to explain our linguistic abilities by saying that there is some kind of functionally defined device (or team of demons, or whatever) inside our head that can do the job (and leave it at that), for this is not an adeq uate explanation until we can specify exactly how the device works. The computational approach tries to furnish these details. It tries to give a top-down analysis of the language machine, such that its operation can eventually be described in terms of elementary computational operations on formally defined symbols. There is an important analogy with modern digital computers here. Just like a computer’s operation on user level (its playing chess, or its guiding a welding robot’s arm) can be specified ultimately in terms of procedures in machine language for manipulating mere zeros and ones, so the mind’s operation is expected to be analyzable
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in terms of effective procedures for manipulating the zeros and ones of ›machine language of thought‹. In the field of artificial intelligence it is indeed explored how we can program a computer that simulates (or emulates) the operation of the human language device. In the field of neurolinguistics, it is explored how the ›machine language‹ of thought relates to the machinery of the human brain (s. art. 117). — Modern cognitive science rests on thoroughly computationalist foundations (Pylyshyn 1984, Fodor 1987, Lycan 1990). Without these foundations, the functionalist ontology of mind endorsed by cognitive science would lose much of its explanatory appeal. This is not to say, however, that computationalism has given us the explanations we are looking for. Rather, it dictates a research agenda; it does not explain itself, but offers a promissory note on where the explanations may be found. Only empirical research can tell whether or not this expectation will ever come true. Furthermore, even though the mainstream of cognitive science is functionalist and computationalist in character, this is not to say that either of these assumptions have gone unchallenged. Both functionalism and computationalism have attracted severe criticism, to which we shall now turn.
5.
Troubles with functionalism
Paradoxically, functionalism is criticized for some of its merits. As we have seen, it was considered to be an asset of functionalism that its constraints on type-individuating mental states are less restrictive than those of the identity theory. However, it has been argued by Ned Block (*1942) that every brand of functionalism will be either too ›liberal‹ or too ›chauvinistic‹, by either granting mentality to objects that don’t have it, or by being inappropriately exclusive with distributing mentality (Block 1980). Either way, our spontaneous intuitions about what is to count as a real mental system will be violated. — In rough outline, the argument is as follows. Suppose we type-individuate psychological states by reference to input-output functions and to internal state transitions, as is proposed by functionalism. Thus, two systems would be in the same psychological state if there is a level of description on which both systems can be described as instantiating the same functional economy. But, obviously, this view is too liberal, because it counts too many
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things as mental systems: not only the human mind, but also a suitably organized telephone exchange, the people of China (all 109 of them) in a well-coordinated joint effort, or even a giant ant-hill. Now, it would seem that there are only two ways out. Functionalism might try to avoid these counterexamples by adding constraints about having sensory systems, having certain specified behavioural repertoires, and so on. Alternatively, we might req uire putative psychological systems to resemble human thought processes at a more fine-grained level of analysis. Either way, Block argues, bogus psychological systems will be ruled out only at the price of ruling out real ones as well. — One rejoinder to this argument is that if the alleged counterexamples were given in more detail, they would either betray their own impossibility, or our intuition that there is no mental life involved would become clouded. Thus, it has been pointed out that Block’s line of reasoning is tied to a rather coarse-grained level of analysis, and that it would be much more difficult to devise a similar argument on the level of more fine-grained functional properties. In terms of Dennett’s (1978) distinction between intentional stance, design stance, and physical stance, Block’s argument is tied to the intentional stance, whereas it would lose much of its plausibility if we were to try to expand it to the design stance, let alone to systems considered from the physical stance. Unfortunately, however, this reply is only an argument from ignorance; it is less than conclusive. — But is Block’s own argument conclusive? His style of reasoning has certainly caught on. In the past decennium, much creative effort has been devoted to devising new and ever more sophisticated examples pro and con (a highly amusing cross-section of this science fiction is Hofstadter/Dennett 1981). Personally, I have something of a suspicion, though, that one thing is becoming more and more clear about these thought experiments, viz., that for each apparently devastating argument against functionalism, there seems to be an argument to the contrary that is no less intuitively convincing. Perhaps there is a lesson to be learned here. It may well be that it is not Block’s argument that needs to be refined, so to speak, but rather our intuitions. A second objection against functionalism, and more specifically against computationalism, concerns the phenomenon of intentionality. As we have seen, mental processes are defined by functionalism as algorithmic op-
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erations performed on internal symbols. These symbols have representational content, they are ›about something‹. In his seminal paper Minds, brains, and programs (1980), John Roger Searle (*1932) has argued that functionalism cannot be a correct view of the mental, because it will never be able to give us an account of this intentionality. In rough outline, his argument is as follows. — Imagine a person locked in a room and given a large batch of Chinese writing. Suppose she knows no Chinese and may not even be able to discriminate Chinese from other kinds of sq uiggles. Now she is given a second batch of Chinese characters together with a volume of rules for collating the second batch with the first. The rules, which are in English, enable her to correlate one set of symbols with another. With a lot of practice she becomes highly accomplished at correlating any set of Chinese characters with the right (according to the rules) ›answer‹ in Chinese. To the native Chinese speakers outside, communicating with the room is now indistinguishable from communicating with real native speakers of Chinese. And yet, the poor subject locked inside the room knows nothing of Chinese because, ex hypothesi, all she does is to follow the procedures for manipulating formal, uninterpreted scribbles. This thought experiment is intended to show that intentional cognitive phenomena, notably mastering a language, can never be fully explained by functional specifications, being couched in terms of purely syntactic operations, that is, in terms of procedures for manipulating formal symbols. A system might perform impeccably in manipulating symbols in accordance with complex operational rules, and yet, for all that, it might be q uite unaware of the meaning of the symbols, of what they are about. Formal symbol manipulations by themselves are meaningless, they aren’t even symbol manipulations, since the symbols don’t symbolize anything by themselves. Any meaning they eventually appear to have, is due to the intentionality of those who send in the input and who interpret the output, in the above example: to the native Chinese speakers themselves. — Searle’s argument has released a true torrent of often q uite emotional replies (cf. the commentary ensuing Searle 1980, 424—450). Some support Searle’s claim, fearing that functionalism implies that the only difference between a cognitive person and a noncognitive thermostat is a matter of degree (pardon the pun). Others
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accuse him of mystifying the mental, of being antiscientific, or being just another philosopher gone astray. Still others try to undermine our intuition that there is no knowledge of Chinese involved; they urge, e. g., that peripheral eq uipment should be added, such as a television camera to deliver the input and a motor system to deliver the output, and that the entire room should be placed inside a robot’s head — then it would be like a real Chinese, they claim. Many of these responses had already been anticipated and answered in Searle’s original paper. To this day, the issue is still the subject of vigorous debate among philosophers and cognitive scientists. — According to Searle’s own view of intentionality (1983, 262 ff), mental states are a biological phenomenon, “as real as lactation, photosynthesis, mitosis, or digestion”. According to this ›biological naturalism‹, as he calls it, the mental is a product of the brain, much like milk is the product of the lacteal gland. Intentionality is secreted by the brain in hitherto unknown ways, that will one day be unraveled by neurophysiology. Searle emphasizes that he does not deny that our mind is some kind of machine; on the contrary, it is his view “that only a machine could think, and indeed only very special kinds of machines, namely brains and machines that had the same causal powers as the brain” (Searle 1981, 305, first emphasis Searle’s). Unfortunately, he does not make clear what is meant by ‘causal powers’ in this context. More precisely, he does not make clear in what his position differs from functionalism. Considering that the latter is expressly a study of the brain’s (or more generally: the machine’s) causal powers in (computationally) mediating between certain inputs and certain outputs, Searle’s position would rather seem to be a kind of functionalism itself.
6.
Eliminative materialism: mind, ghost or machine?
6.1. Another major line of criticism against the functionalist framework has been launched by Paul M. Churchland (*1942) (1981; 1984, 43 ff; 1989). His position, called eliminative materialism, agrees with functionalism in rejecting traditional type-type identity theories, but for altogether different reasons. It despairs of finding a nice one-to-one match-up between the concepts of psychology and those of neuroscience, not because the former are somehow abstract from their phys-
ical realizations, but because they don’t correspond to anything in reality. The mind, as we usually understand it, is simply a ghost; it doesn’t exist. A neuroscientific account of our inner lives can hardly be expected to provide theoretical categories that match up smoothly with the categories of the psychological framework. This ghost will eventually be eliminated, rather than reduced, by mature neuroscience. — The criticism is directed more particularly against our so-called folk psychology, that is, the set of concepts and rules of thumb we use in our everyday business of describing, explaining and predicting the behaviour of ourselves and others. Folk psychology’s concepts include those of ‘belief’, ‘desire’, ‘memory’, and lots of other mental states and processes. Its rules include hundreds of common-sense generalizations concerning these mental states, such as ‘If you want that P, and believe that Q is the only way to do it, then (barring conflicting beliefs and desires) you will try to bring it about that Q’. These rough-and-ready generalizations are like laws in that they support explanations and predictions in the normal fashion. Together they constitute a kind of rudimentary theory that postulates a set of internal states whose causal relations are described by the theory’s laws. In case this should seem a rather exotic subject, far removed from the business of linguistics, the reader is reminded of the fact that psycholinguistics is a chapter of cognitive science. Its relation to grammatical theory is q uite on a par with cognitive science’s relation to folk psychology generally. In the former, as in the latter case, there is a strong tendency to impose on the mind the unreflected and naive view of the mental that is implicit in our everyday talk of mind and language. More specifically, in the case of psycholinguistics there is the tendency to impose on the mind an explicit representation of grammatical knowledge, drawing on the way we all tend to think consciously of grammars: viz., as a set of explicit rules for the manipulation of explicit symbols. Yet, as was pointed out above, the grammar of a language may not be explicitly represented in the minds of language users. There seems to be little more evidence against this possibility than the relative ease with which our overt performance can be translated in terms of such rules. Moreover, language is considered to be an expression of our beliefs and desires, that is, of just the things the eliminativist wants to do away with. In view of these considerations, psycholinguistics should do
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well to consider eliminative materialism as a serious challenge. Churchland’s is not the only brand of eliminativism in the field. The instrumentalist position of Dennett (1978), e. g., has some unmistakably eliminativist traits, whereas a syntactic (as opposed to neurological) kind of eliminativism is defended by Stephen P. Stich (1983). Here we shall concentrate on Churchland’s position, it being the most elaborate and most straightforward version of the theory. By and large, Churchland takes objection to functionalism and folk psychology on four counts (cf. Churchland 1981; 1984, 45 ff). First, it is argued that the theory and ontology of most of our folk conceptions have proved to be profoundly confused, and that they were eventually displaced by more sophisticated scientific theories, as in the case of the spheres of heaven, witches, and demonic possession. Moreover, folk psychology is accused of having failed to produce explanations of even such basic mental capacities as memory, learning, and intelligence. And what is worse, it makes use of intentional categories that are entirely out of tune with the rest of our (physicalist) world view. Finally, functionalism is accused of being nothing but a cheap immunization stratagem. Churchland shows how the functionalist ploy might even have saved the alchemistical theory of the four spirits by construing, e. g., ‘having the spirit of mercury’ as a functional property of inanimate substances, defined as a certain disposition to reflect light, to liq uefy when heated, and so on for the other properties this spirit was held responsible for. The lesson would be that functionalism could save any theory, even the worst. Eliminative materialism is the most recent (and most outrageous) challenge functionalism has seen so far. The seriousness of its threat is slowly beginning to be appreciated now (cf., e. g., the discussions of it in Stich 1983; Goldman 1986; Patricia Churchland 1986; Lycan 1990). We shall briefly review some possible rejoinders to the above arguments. — First, it does not seem to be entirely true that most of our folk theories have been eliminated rather than reduced by scientific theories. Typically, folk theories seem to have survived most scientific theories in their domain; the latter come and go, but folk views stay. This is no coincidence. Folk theories tend to be much more folk than theory. They offer not so much a theory of their domain, but rather a first, relatively observational, inventory of what their do-
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main is actually about. In a word, they do not explain their domain, but describe what there is to be explained in the first place. On this view, eliminative materialism would seem to defy its own purpose. On the one hand, it wants some future developments in neuroscience to explain our cognitive abilities, including that of language production and comprehension. But at the same time it refuses to accept our standard, observational vocabulary for specifying these abilities. So how could we ever decide on what there is to be explained in the first place? Again, it would clearly be a mistake to accuse folk psychology of explanatory failure. If it has been holding out the ›explananda‹ of the mental for over 2000 years, and there is still no ›explanans‹, then this is the fault of the science that has all this time failed to address these issues. As for the alchemistical argument against functionalism, it should be clear that it hinges on the diagnosis of folk psychology. If it is wrong to apply a research strategy such as functionalism to a bad theory such as alchemy, it does not necessarily follow that it is also wrong to apply it to a sound one. Any procedure that is fed the wrong input is bound to come up with the wrong results, but this is hardly the procedure’s fault. 6.2. If there is one thing that eliminative materialism resents most, however, it is intentionality. Although Searle was seen to be accusing functionalism of being not intentional enough, so to speak, the eliminative materialist fears that it is altogether too intentional! On his view, this intentionality of the mental is entirely out of tune with our basic materialist conception of man. It is just as anomalous as was the ›vital principle‹ in nineteenth century biology. And just like the latter has been eliminated by organic chemistry, the former should be eliminated by neuroscience. Yet, it would seem that the analogy is not q uite fair. Shouldn’t folk psychology be compared to something like folk biology, rather than to the science of biology? If this is so, the situation appears to be q uite different from the one pictured by eliminative materialism. Although it is true that certain nineteenth century biologists posited a metaphysical principle of vitality, folk biology seems to be free from this error. If in everyday life we speak of things as ‘being alive’ or as ‘having life inside of them’, this is hardly because we are doing metaphysics. All we do, in fact, is to distinguish between two kinds of phe-
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nomena, those involving living things and those involving lifeless things. The explanation of the difference between the two is left to philosophers and scientists. Analogously, in the case of folk psychology, a distinction is made between cognitive and non-cognitive phenomena. What there is inside our heads that could explain the difference between the two, is left entirely open. The answer to that q uestion is delegated to philosophers and scientists, who have variously suggested that it is an immaterial soul, a non-physical principle of intentionality, or a highly complex nervous system. Of this indulgence, however, folk psychology seems to be innocent. 6.3. Needless to say, these issues are as yet undecided. Further research in cognitive science and philosophy of mind is needed to establish whether or not eliminative materialism’s grim view of ›traditional‹ psychology is justified. However, we may mention at least one avenue currently being explored by cognitive science that seems to be particularly congenial to the eliminativist view, viz., connectionism (or parallel distributed processing, as it is also called). At first blush, this recent trend seems indeed to be an outright denial of the central tenets of ›classical‹ cognitive science. It does not make use of explicit rules and procedures for manipulating explicit mental symbols. It does not think of memory, e. g., as an ordered set of pigeon-holes, each containing a particular content that can be systematically retrieved with the help of clearcut procedures. Instead, like in a hologram, memory is supposed to be distributed over a network of (parallel and interconnected) processing units, each unit participating in the representation of many distinct contents. Again, in the case of language processing, the human language device is no longer seen as a centrally coordinated application of explicit linguistic rules to explicit symbols, as in the machine or office model (4.3.). Rather, the rules of linguistics are now taken to be mere global effects of the collective activity of a network of scattered units. The rules according to which these units operate and cooperate in no way resemble our overt linguistic rules, nor do the ›symbols‹ processed by these units in any way resemble the overt (morphological, lexical, syntactic, etc.) symbols of traditional linguistics (cf., e. g., Rumelhart/ McClelland 1986; Patricia Churchland 1986, 458 ff; Bechtel/Abrahamsen 1991). — If connectionism is correct, the mind only behaves
III. Positionen
as if it were rule-governed, as if it were crunching internal sentences, beliefs and desires, in a word: as if it were processing symbols. At best, our everyday explanations of behaviour in terms of beliefs and desires are only crude approximations of the underlying true dynamics of the mind. If you believe, e. g., that ›perestrojka‹ is a good thing, then there is no such one thing as this belief to be found inside your head; instead, holding that belief is a kind of shorthand for the activity of many scattered units, each participating also in numerous other mental processes. These processing units are best thought of as idealized brain cells. As a matter of fact, much of the appeal of connectionism is due to the relative ease with which its models can be imagined to be models of the human brain. 6.4 Although some aspects of connectionism are obviously very close to eliminativism, e. g., its appreciation of neurological research, and its corresponding depreciation of folk psychology, this is not the only possible way to understand the new trend. Thus, Steven Pinker and Alan Prince (Pinker/Prince 1988, 75—78; cf Bechtel/Abrahamsen 1991, 210 ff) discern three possible relationships between connectionism and traditional symbol processing. One of them is straightforward eliminative connectionism. A second one may be called implementational connectionism, according to which connectionist models furnish the implementations, for a certain kind of parallel hardware, of the traditional symbolic procedures describing and explaining the cognitive process modeled. In the case of language processing, linguistics and symbolic psycholinguistics might arguably remain as the study of what is computed by the language device, leaving to connectionism the q uestion of exactly how these computations are carried out. Finally, there is a range of intermediate possibilities that may be broadly labelled ‘revisionist symbol processing cum connectionism’. On this latter view, cognitive science may hold on to the idea that mental processes are essentially a matter of rule-governed symbol-processing, but not necessarily like anything we would spontaneously think of in terms of folk psychology. The rules need not resemble anything like the familiar rules of grammar, e. g., and the symbols need not resemble letters, words or sentences; rather, these rules and symbols might well prove to be complex wiring diagrams of networks of processing units. At the moment, these issues
57. Philosophical foundationsof psychology of language and of psycholinguistics
are the object of a rigorous ongoing discussion between ‘symbolists’ such as Fodor and Pylyshyn, and ‘connectionists’ such as Paul Smolensky (see, e. g., Loewer/Rey 1991; Bechtel/Abrahamsen 1991, 210 ff).
7.
Modularity of mind: seamless or soldered?
7.1. A major issue in the field of cognitive science, and the last one to be discussed here, is whether all cognitive processes are cut from the same cloth, so to speak. On one view, the mind is indeed a seamless fabric, a monolithic whole whose functions merge smoothly into one another; on another view, it consists of a number of distinct and highly specialized modules, soldered together, communicating with each other in only very limited ways. The first view, which we may call unitarian, seems to be the more traditional one. The second or modular view is of more recent date, but is rapidly gaining in popularity among cognitive scientists. It appears in various guises. In computer science, it is present in the concept of structured or modular programming. In psychology, it appears as the notion of separate sub-systems of cognitive architecture (cf., e. g., Marr 1982, esp. 8—38). More specifically, in the field of linguistics it underlies Chomsky’s conception of a ›language organ‹ and of the ›components of grammar‹, that is, of a special device like the language frame described by Gulliver, made up, at a more fine-grained level of analysis, of relatively separate sub-systems that utilize different types of linguistic knowledge (Chomsky 1980). In recent philosophy of cognitive science, the idea of modularity has been elaborated in greater detail by Zenon Pylyshyn (*1937) (1984, esp. 130 ff) and Fodor (1983). — It is especially Fodor’s notion of ‘informationally encapsulated modules’ that has caught on. His theory of modularity is presented against the background of faculty psychology generally. Roughly, there are two kinds of faculty psychology, a horizontal and a vertical one. According to the horizontal variety, most (if not all) cognitive processes make use of most (if not all) of the mind’s faculties, such as memory, attention, perception, sensibility, imagination, and so forth; and the character of each such process is determined by the particular mix of faculties it draws on. The important point is that, on this view, it is the self-same faculty that is involved in the various domains of cognition.
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Thus, e. g., it would be the same faculties of judgement and memory that are called upon in perceptual recognition (judging whether a set of sensory data matches certain categories that are stored in memory) and in deciding whether to accept a bid on your old computer. Horizontal faculties are very close to the way we tend to think consciously of how the mind works. But, as eliminative materialism has cautioned us, this is no guarantee for its truth. The vertical variety of faculty psychology, traced back by Fodor to Franz Joseph Gall’s (1758—1828) work on phrenology, denies the existence of horizontal faculties that are shared by all mental processes. It claims that there is no one such thing as memory, judgement, etc. Instead, there are many separate faculties, one for each domain of cognitive processing. These faculties don’t make use of common resources such as memory; the musical faculty, e. g., has its own specific memory for music, that is q uite independent of the memory resources of other faculties. — Now, Fodor proposes a view of mind that is of mixed horizontal and vertical origin. He distinguishes between a large block of central processes and a number of peripheral systems. The central processes make use of shared, horizontal faculties; the peripheral systems are organized as vertical faculties or ›modules‹, as Fodor calls them, each being computationally self-sufficient and domain-specific. These modules include, roughly, certain components of the input systems (most notably of visual perception and of language understanding), and certain components of the output systems (among which motor control and language production). Fodor discusses several features that he takes to be characteristic of modular systems. Thus, a modular system is informationally encapsulated, that is, it has access to only the information represented within the local structures that subserve it, not to other background knowledge. A favourite example is that of the Müller-Lyer illusion: even though you know perfectly well that the two arrows are eq ually long, you cannot help seeing one as longer than the other; your background knowledge is not accessed in the visual processing of the image. Secondly, its operation is mandatory, that is, it performs its function automatically when given the stimuli that normally trigger it. We lack the ability to prevent it from computing. In the case of language, we just can’t help hearing an utterance of a sentence in our home language as a sentence rather than an uninterpreted sound stream. In the
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third place, a modular system is domain specific, that is, it operates only on a specific subclass of stimuli. E. g., there is some experimental evidence for the view that the computational systems that come into play in the perceptual analysis of speech are triggered only by acoustic signals that are taken to be utterances. Finally, modular systems are hardwired, that is, they are associated with specific neural structures. Conse q uently, modular mechanisms may be expected to display relatively specific breakdown patterns. Neuropsychological research seems to corroborate this view (cf., e. g., Luria 1973). Local brain lesions are associated with loss of mental function, especially in the case of perceptual systems and language processing mechanisms (agnosia, aphasia, etc.). Central processes, on the other hand, do not appear to be similarly localized; crudely put, there is no apparent neural structure for modus ponens. 7.2. As a result of these features, a module’s operation is also very fast. Because it is mandatory, no deliberation is req uired to set the module into motion. Because it is domain specific, it can trade on fortuitous features of the domain without bothering about the validity of these features in other domains. Because it is encapsulated, the amount of information that needs to be taken into account is relatively limited. And because it is hardwired, the amount of processing is drastically reduced. — Now, according to Fodor, these characteristics do not apply to central processes. As they somehow bring together the information from the various input systems, central processes can hardly be domain specific. Nor can they be informationally encapsulated; they somehow manage to combine all this information. In principle, each bit of incoming information may be brought to bear on the assessment of information from each of the other sources. This holistic trait makes it very difficult to understand central processes. We are faced with what in Artificial Intelligence is called the ‘frame problem’, the problem of putting a ›frame‹ around the set of beliefs that need to be revised in the light of newly arrived information. If the processing of each single bit of information may be affected by every other bit of available information (Fodor speaks of the ›Quinean‹ or ›isotropic‹ character of central processes), then where should we start our analysis? Without some Archimedean point to rest our
III. Positionen
lever on, we will not get much work done on central processes. The modularity thesis has elicited much comment recently. In essence, it defines a research agenda, and it can therefore be criticized on empirical, methodological, as well as philosophical grounds. We shall give an example of each of these lines of criticism (for further discussion, cf. Gopnik/Gopnik 1986; Garfield 1987). One important field of empirical research on modularity in natural language processing is concerned with our ability to recognize the words in a text or utterance. A major issue here is whether lexical processing is contingent upon the linguistic and extra-linguistic context in which a word occurs. There are now two main theories, one modular, the other interactive (s. art. 52). The modular theory develops the idea that lexical processing is an autonomous sub-system in language comprehension. It draws on the fact that in skilled language use word recognition processes are automatic, in the sense that they are very fast, occur without conscious effort, and do not seem to interfere with other processing tasks. Now, if these processes are in fact located within a modular sub-system, and are thus informationally independent of other aspects of language processing, two more predictions can be made about lexical processing. First, the information contained in the module’s output should be invariant across contexts. And second, the speed with which that information is made available should be unaffected by the processing context. — Both predictions are starkly denied by the interactive models of lexical processing, in which contextual information is combined with sensory information throughout lexical processing. According to this latter view, sensory processes are primed by top-down information about the lexical candidates that would be congruous with the processing context, so that words in rich contexts will be processed more rapidly than words in impoverished contexts. Also, different information may become available in different contexts. These contradictory predictions bear directly on the q uestion of modularity. There is no conclusive empirical evidence on either side, so far (for more details, cf. the contribution of Seidenberg and Tanenhaus, in Gopnik/Gopnik 1986, 135 ff; a conciliatory position between modular and interactive models is defended by Tanenhaus, Denn and Carlson, in Garfield 1987, 83 ff). — A philosophical objection to the modularity thesis concerns the possibility
57. Philosophical foundationsof psychology of language and of psycholinguistics
that cognitive architecture is thoroughly isotropic and Quinean in character. According to Fodor’s “First Law of the Nonexistence of Cognitive Science” (Fodor 1983, 107), this would mean the end of cognitive science. We may be able to understand modules, but if there are no modules, it may well be that we won’t ever be able to understand anything of how the mind works. This rejection of modularity, but without the ensuing pessimistic conclusion, is endorsed by John Anderson (*1947). An outspoken defender of a unitary view of cognitive architecture, he argues that there are no vertical faculties, but only horizontal ones (Anderson 1983, 3—5). Thus, he points out that many cognitive functions have only a very short evolutionary history, a history that would seem to be too short, in fact, to have produced specialized mental organs. Moreover, he argues that the faculties that are supposed to contribute to cognitive activities seem to be terribly intertwined. Most cognitive activities appear to have many features in common (like Fodor’s horizontally organized central systems), so that we would be hard put to trace their distinctive contributions. — Finally, we shall briefly consider a line of methodological criticism. It is not inconceivable that the supposed modularity of a cognitive system is really nothing but the unintended product of adopting a certain research strategy. A large majority of the work in cognitive modelling is in fact concerned with small, specialized and relatively encapsulated parts of some hypothetical larger processing structure. Typically, this encompassing structure is represented only by way of some input/output and bookkeeping routines that feed and control the subsystem. This looks like a module in Fodor’s sense, but it needn’t be one; its encapsulation is merely a by-product of the specialization of the research. Especially in the case of psycholinguistics the danger would seem to be very real. Because linguistic theory is so extremely
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complex, there is a strong tendency to think of our capacity for language as a distinctive, specialized faculty. And there is a concomitant tendency among psycholinguists to balkanize psychology by insulating theories of the language organ from other psychological research. Although excellent as a mere division of labour, however, this may well be a misrepresentation of the relationship between linguistic constructs and psychological processes generally, as is argued by, e. g., William Marslen-Wilson and Lorraine Tyler (in Garfield 1987, 37 ff).
8.
Selected references
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Jan Sleutels, Leiden (Netherlands)
810
III. Positionen
58. Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung 1. 2. 3.
4. 5.
1.
Was soll man unter ‘Sprachinhalt(s)forschung’ verstehen? Die sprachphilosophischen Annahmen bei Weisgerber Sprachphilosophische Annahmen für eine durch Proben gestützte und pragmatisch gerichtete Sprachinhaltsforschung Zur Erfüllbarkeit solcher Forderungen; Sprachinhaltsforschung und Sprachpraxis Literatur in Auswahl
Was soll man unter ‘Sprachinhalt(s)forschung’ verstehen?
Die Bezeichnung ‘Sprachinhaltforschung’ (meistens mit einem ‘s’ zwischen Bestimmungswort und Grundwort: ‘Sprachinhaltsforschung’) ist oft eher im Sinn eines Schlagworts als im Sinn eines klar definierten Begriffs verstanden worden — nicht anders als manchmal ‘Strukturalismus’ oder ‘Soziolinguistik’ oder ‘Hermeneutik’. Die englische Übersetzung ‘content analysis’ kann irreführen, weil diese Bezeichnung auch für ein schnelles (und grobes) im englischsprachigen Wissenschaftsraum entwickeltes Analyseverfahren für Texte verwendet wird (deutsch ‘Inhaltsanalyse’, Wersig 1968), und daneben, nochmals anders, für die semantische Konstituentenanalyse. Die französische Übersetzung ist sehr weit, denn ›analyse du contenu‹ treiben in irgend einer Art wohl alle Linguisten und sicher alle Literaturwissenschaftler. 1.1. ›Inhaltbezogene Sprachforschung‹ als Programm bei Weisgerber, ›inhaltbezogene Grammatik‹ bei Glinz und anderen Die Bezeichnung ‘Sprachinhaltsforschung’ wird wohl von den meisten Linguisten (und interessierten Laien) mit dem Namen von Leo Weisgerber (1899—1985) in Verbindung gebracht und als Name für das von Weisgerber aufgestellte Programm und die von ihm praktizierten Verfahren betrachtet, oft auch für die differenzierende Weiterführung durch Helmut Gipper (*1919). Man sprach oft auch von ›inhaltbezogener Grammatik‹ (z. B. in den im deutschen Sprachgebiet ziemlich einflußreichen Duden-Grammatiken von 1959 an) und meinte damit neben den Forderungen von Weisgerber vor allem die grammatischen Begriffe von Hans Glinz (*1913), obwohl diese 1944—1948 unabhängig von Weisgerber entwickelt worden waren (Glinz 1986, 169—
172), dazu manche Begriffsdeutungen von Hennig Brinkmann (*1901) und die Arbeiten zur Worttheorie von Gipper, oft auch die Aufstellung der ›Satzbaupläne‹ durch Paul Grebe (1908—1987), den Leiter der DudenRedaktion. — Man darf aber aus den Bezeichnungen ‘inhaltbezogene Sprachforschung’, speziell auch ‘inhaltbezogene Grammatik’ nicht etwa entnehmen, es sei hier nur um das Herausarbeiten der Sprachinhalte (d. h. der begrifflichen Seiten der sprachlichen Zeichen, der Bedeutungen und Bedeutungsstrukturen) gegangen. Weisgerber wie alle andern Mitglieder des von ihm 1956 für mehrere Jahre zusammengerufenen Forscherkreises betonten immer wieder, man dürfe diese begrifflichen Seiten der sprachlichen Zeichen nicht als statische, erstarrte Größen sehen, sondern müsse in ihnen gedankliche Zugriffe von Menschen in ihren Lebenssituationen erkennen, und die vornehmste (wenn auch bei weitem schwierigste) Aufgabe der Sprachforschung sei, die Auswirkungen dieser begrifflichen Seiten der Sprachzeichen im gesamten Denken und Handeln der Sprachteilhaber nachzuweisen. 1.2. Verbreitete Mißverständnisse der Bezeichnung ‘inhaltbezogen’ In einer breiteren Öffentlichkeit im deutschen Sprachraum, z. B. bei manchen Lehrern (auch Schulpolitikern) wurde ‘inhaltbezogen’ manchmal ganz einfach verstanden als ‘den Inhalt von Texten, das mit ihnen Gemeinte in den Mittelpunkt rückend, nicht so viel Gewicht auf die formale Seite, die Lautungen und deren Geschichte legend’ und oft auch ‘das Deutsche in den Mittelpunkt stellend, seine besondere Grammatik und eine hinter dieser stehende Denkweise betonend’. Hie und da galt als ›inhaltbezogen arbeitend‹, wer fleißig von ‘Muttersprache’ redete (für das, was man nüchterner ‘Erstsprache eines Menschen in seiner jeweiligen historischen Situation’ nennen kann), dazu von ‘Wortfeldern’, von ‘Satzbauplänen’ und dann schnell auch von ‘sprachlichem Weltbild’ hinter all diesen Erscheinungen. 1.3. Sprachinhaltsforschung als ›Ethnolinguistik‹ Teilweise wurde die Sprachinhaltsforschung auch als eine am Beispiel des Deutschen entwickelte Spielart von ›Ethnolinguistik‹
58. Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung
betrachtet und mit den Arbeiten von Edward Sapir (1884—1939) und speziell von Benjamin Lee Whorf (1897—1941) in Verbindung gebracht. Gemeinsam ist hier die Auffassung, daß die verschiedenen semantischen Strukturen der Sprachen auch zu unterschiedlichen Anschauungen (unterschiedlichen gedanklichen Verarbeitungen) von Phänomenen der Außenwelt führen können, z. B. zu verschiedenen Raum- und Zeitauffassungen (Stichwort ‘Sprachliches Relativitätsprinzip’ oder ‘Sapir-Whorf-Hypothese’, Lorenz 1980, 18; kritische Analyse bei Gipper 1972, vor allem 240—249; weiteres bei Pinxten 1976; s. Art. 74). 1.4. Sprachinhaltsforschung in einem weiteren Sinn Man kann, wenn man von den in 1.1. bis 1.3. genannten, z. T. sehr verengenden Festlegungen absieht, den Namen ‘Sprachinhaltsforschung’ auch in einem weiteren Sinn verstehen: nämlich als ein Programm für jede linguistische Arbeit, welche die begrifflichen Seiten der sprachlichen Zeichen (die ›Sprachinhalte‹) als gedankliche Größen eigenen Rechts betrachtet, nicht als bloße Funktionen der Lautungsseiten, und welche die Handhabung aller dieser gedanklich-begrifflichen Einheiten und Strukturen durch die Sprachteilhaber, die dabei verfolgten Ziele, die erreichten Wirkungen (evtl. auch die dabei möglichen Irreführungen) in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses rückt. Im folgenden soll daher versucht werden, die sprachphilosophischen Annahmen bei Weisgerber und für eine Sprachinhaltsforschung im weiteren Sinn gesondert herauszuarbeiten. Dabei geht es nicht nur um die Annahmen über Konstitution und Funktionen der Sprachen (z. B. daß jede natürliche Sprache, oft in verschiedenen Varianten, sowohl als soziales Objektivgebilde existiert wie als individueller Besitz jedes einzelnen Sprachteilhabers, als ›Idiolekt‹), sondern es geht auch um die Annahmen über die wissenschaftliche Zugänglichkeit der verschiedenen Bereiche in den Sprachen, insbesondere des gesamten semantischen Bereichs. Diese Annahmen über die wissenschaftliche Zugänglichkeit sind nämlich entscheidend für die Wahl der Methoden, vor allem für die jeweils durchzuführenden heuristischen Operationen (Proben aller Art, an Texten, oft mit Informanten) und für die Fundierung aller spezielleren Begriffe (z. B. in den Grammatiken für die verschiedenen Sprachen) durch sol-
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che operationale Verfahren. Besonders wichtig ist dabei auch, daß man stets klar unterscheidet zwischen Begriff und Terminus (anders gesagt: zwischen der Definition, die möglichst auf operationalen Kriterien beruhen soll, und dem dafür gewählten oder neugebildeten, mehr oder weniger ›sprechenden‹ oder ›neutralen‹ Fachausdruck). Die Verwechslung von ‘Begriff’ und ‘Terminus’ (die Überschätzung von Fachausdrücken, das Herausspinnen einer Definition aus dem Wort-Aufbau eines Fachausdrucks) ist bei allem Herausarbeiten von semantischen Einheiten und Strukturen und bei aller Untersuchung ihres Gebrauchs in der Kommunikation wie in der person-internen Sprachverwendung besonders gefährlich — und sie ist gerade im deutschsprachigen Wissenschaftsraum, aber nicht nur dort, noch viel zu oft anzutreffen (Glinz 1987 a, 28—31). Schließlich soll in 4. die Verwirklichung einer gemäß den Annahmen von 3. vorgehenden Sprachinhaltsforschung diskutiert werden, mit Ausblicken auf die möglichen Auswirkungen auf die Sprachpraxis.
2.
Die sprachphilosophischen Annahmen bei Weisgerber
2.1. Die Inhaltsseite der sprachlichen Zeichen in den Mittelpunkt rücken, ihre Wirkungen für Denken und Handeln der Sprachteilhaber ernstnehmen Weisgerber kam aus der historisch-vergleichenden Sprachforschung, wie sie noch im frühen 20. Jahrhundert, vor allem im deutschen Sprachgebiet, das Feld nahezu ausschließlich beherrschte. In dieser Forschung lag das Hauptinteresse auf der Entwicklung der Lautungen der Wörter (die man aus den Schreibungen in den überlieferten Texten entnahm). Die begrifflichen Seiten der sprachlichen Zeichen — ›le signifié‹ bei Ferdinand de Saussure (1857—1913) (s. Art. 36), die ›Bedeutungen‹ — wurden primär von den Lautungen und dem formalen Wortaufbau her gesehen. Man befaßte sich vorwiegend mit den ältesten Stufen der jeweiligen Sprachen, Untersuchungen zur Gegenwartssprache waren selten. Die grammatischen Kategorien wurden unbesehen der Schultradition entnommen, die kritische Prüfung ihrer Angemessenheit wurde als eine Sache der Logik (oder der Psychologie), nicht der Sprachwissenschaft betrach-
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tet. Die Syntax wurde ohnehin weitgehend vernachlässigt. Gegenüber dieser Auffassung und Praxis betonte Weisgerber schon in seiner Probevorlesung für die Habilitation 1925: (a) Zentral ist die jeweilige begriffliche Seite der sprachlichen Zeichen (die ›Bedeutung‹ — obwohl Weisgerber diesen Fachausdruck leidenschaftlich ablehnte, und zwar weil er glaubte, daß die Redeweise ‘dieses Wort bedeutet das und das’ die begrifflichen Seiten viel zu sehr als bloße Funktionen der lautlichen Seiten hinstelle). Die Lautungen (die ›Wortkörper‹ oder ›Wortgestalten‹) sind aber nur die Signalisierungen, die hörbaren (in der Schrift: die sichtbaren) Repräsentanten für die begrifflichen Seiten (für die ›Wortinhalte‹, wie Weisgerber sagte, um den in seinen Augen irreführenden Fachausdruck ‘Bedeutungen’ zu vermeiden). (b) Die begrifflichen Seiten der sprachlichen Zeichen sind nicht a priori in der Welt gegeben (etwa in einer ›immanenten Logik‹); sie sind geschaffen worden von Menschen, in den Sprach- und Lebensgemeinschaften, in denen sich die historischen Einzelsprachen (die jeweiligen ›Muttersprachen‹) in einem langen Prozeß sozialer Interaktion entwickelten. Die begrifflichen Seiten der sprachlichen Zeichen können (ja werden) daher von Sprache zu Sprache oft etwas verschieden sein. (c) Diese mögliche Verschiedenheit — trotz gemeinsamer menschlicher Sprachfähigkeit und gemeinsamer Außenwelt — gilt nicht nur für die begrifflichen Seiten der Einzelwörter, sondern auch für die sprachlich/gedanklichen Strukturen für den Aufbau von Sätzen, für die ›Satzpläne‹ oder ›Satzbaupläne‹. (d) Die begrifflichen Seiten der sprachlichen Zeichen (Wortinhalte wie Satzbaupläne) sind aber, trotz ihrer grundsätzlichen Arbitrarität, nicht etwa in das Belieben des einzelnen Sprachteilhabers gestellt, sondern sie sind durch die jeweilige (historisch entwickelte) Sprache allen Teilhabern dieser Sprache verbindlich vorgegeben. Die Sprachen sind ›soziale Objektivgebilde‹, und die semantischen Einheiten und Strukturen, die mit diesen Objektivgebilden gegeben sind, beeinflussen für die betreffenden Sprachteilhaber nun auch die gesamte Auffassung der Welt (Außenwelt ebenso wie aus dem menschlichen Inneren kommende Antriebe, Gefühle usw.), so daß sich je nach Sprache verschiedene Arten von Welterfahrung, ver-
III. Positionen
schiedene ›Weltbilder‹ (nüchterner gesagt: verschiedene naheliegende Auffassungen und Denkgewohnheiten) ergeben können. Das Herausarbeiten dieser verschiedenen Auffassungen und Denkgewohnheiten ist für Weisgerber eine Hauptaufgabe aller linguistischen Arbeit. 2.2. Weisgerber und Saussure Die Auffassung der Sprache als eines sozialen Besitzes, mit grundsätzlicher (›ontologischer‹) Arbitrarität nicht nur der Lautungen, sondern auch der semantischen Einheiten und Strukturen, die dann aber für den einzelnen Sprachteilhaber nicht mehr arbiträr, sondern durch die jeweilige Sprache verbindlich gegeben sind — das alles zeigt die weitgehende Übereinstimmung des Weisgerberschen Ansatzes mit demjenigen von Saussure. Weisgerber hat allerdings oft betont, er sei nicht von Saussure ausgegangen, sondern von Wilhelm von Humboldt (1767—1835) (s. Art. 27), Ernst Cassirer (1874—1945) (s. Art. 37) und anderen, und Saussure sei ihm nicht Voraussetzung, sondern (nur) Bestätigung gewesen. Es besteht kein Grund, an dieser Selbsteinschätzung zu zweifeln — denn wer unvoreingenommen auf die Sprachen, ihr Funktionieren in den verschiedenen Gesellschaften und ihren Wandel in der Geschichte blickt, der wird zwangsläufig mehr oder weniger schnell auf die grundsätzliche Arbitrarität und soziale Festgelegtheit der sprachlichen Zeichen (und auch auf den Vorrang synchroner Analyse vor historischer Herleitung) kommen, die von Saussure so besonders klar und folgenreich herausgestellt wurden. Tatsache ist aber, daß Weisgerber schon 1925 seine Übereinstimmung mit Saussure hervorhebt, also in einer Zeit, in der die allermeisten deutschen Linguisten Saussure noch ablehnten oder überhaupt nicht zur Kenntnis nahmen: „Ich kann hier nur unbedingt Saussure mit seiner Theorie des ›pensée-son‹ und Cassirers Deutung des Symbols zustimmen“ (Weisgerber/Gipper 1964, 21).
Mit den Stichwörtern ‘pensée-son’ bezieht sich Weisgerber offensichtlich auf die zentrale Stelle des Cours, samt der Illustration, die den Vorgang der Schaffung der sprachlichen Zeichen verdeutlichen soll (Saussure 1916, 155 f): „Nous pouvons donc représenter le fait linguistiq ue dans son ensemble, c’est-à-dire la langue, comme une série de subdivisions contiguës dessi-
58. Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung
nées à la fois sur le plan indéfini des idées confuses (A) et sur celui non moins indéterminé des sons (B); c’est ce q u’on peut figurer très approximativement par le schéma:
So kann man ohne Verzeichnung das meiste, was Weisgerber in seinem für breitere Kreise geschriebenen Buch Muttersprache und Geistesbildung (1929, 21941) allgemein und für das Deutsche vorträgt, auch als einen Aufbau auf den durch Saussure gelegten Grundlagen sehen. 2.3. Verengende sprachphilosophische Annahmen bei Weisgerbers Vorgehen im einzelnen In Weisgerbers Arbeiten aus den 50er und 60er Jahren, die neben dem Wortschatz auch Probleme der Syntax behandelten und damals fühlbare Auswirkungen auf Wissenschaft und Schulpraxis hatten, zeigten sich aber auch recht angreifbare Ergebnisse, die sich auf zu enge sprachphilosophische Annahmen zurückführen lassen. Wie weit diese Annahmen als Verengungen gegenüber einem ursprünglich weiteren und offeneren Ansatz zu betrachten sind und wie weit sie von Anfang an vorhanden waren, aber erst in der praktischen Ausarbeitung so deutlich sichtbar wurden, ist hier nicht zu entscheiden. 2.3.1. Vollkommenheitsansprüche an den Sprachbau So sehr Weisgerber die zentrale Stellung und Wichtigkeit der sprachlichen Inhalte betonte, so wollte er doch einen solchen Inhalt nur dort gelten lassen, wo als Signalisierung entweder ein besonderer Wortkörper (bzw. eine besondere grammatische Form) vorhanden war oder eine besondere, eindeutige Einbettung in eine semantische Struktur, nämlich in ein ›Feld‹. Dieser Begriff wurde um 1930 von Jost Trier (1894—1970) in die deutsche Sprachwissenschaft eingeführt — man kann ihn ebenfalls als ein Stück Auswirkung der Saussureschen Auffassung von der Sprache
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als einem System betrachten (s. Art. 66). Weisgerber hielt also streng an einer gewissen Symmetrie von ›signifiant‹ und ›signifié‹ fest — er konnte nicht akzeptieren, daß semantische Einheiten und Strukturen auch ohne direkte und eindeutige lautliche Signalisierung bzw. ohne eindeutige Einbettung in ein (ziemlich ideal gesehenes) ›Feld‹ vorhanden und wirksam sein könnten. Die sprachphilosophische Grundfrage ist dabei, wie die semantischen Einheiten und Strukturen (für Weisgerber: die Sprachinhalte) überhaupt bestimmt und damit wirksam sein können, ohne daß sie den Sprachteilhabern bewußt sind. Es gibt hierzu schon bei Saussure (1916, 140) eine Stelle, die leicht mißzuverstehen ist: „La linguistiq ue synchroniq ue s’occupera des rapports logiq ues et psychologiq ues reliant des termes coexistants et formant système, tels q u’ils sont aperçus par la même consciencee collective“.
Hier darf man ‘conscience’ nicht durch ‘Bewußtsein’ übersetzen. Gemeint dürfte vielmehr sein: ‘... so wie sie als bei Bedarf abrufbarer (aber keineswegs immer bewußter) gedanklicher Besitz (letztlich: als neuronale Speicherung) bei den zu einer bestimmten Zeit lebenden Sprachteilhabern vorhanden sind’. Weisgerbers Grundannahme, eine zureichende Bestimmtheit sei nur bei eindeutiger lautlicher Kennzeichnung oder bei eindeutiger Einbettung in ›sprachliche Felder‹ vorstellbar, erscheint gerade bei den heutigen Kenntnissen über die Speicherkapazität des menschlichen Gehirns als unnötige Verengung (vor allem im Blick auf die Fähigkeit des Gehirns, auch vieldeutige Signale und Signalfolgen durch Prüfung des gesamten Kontextes und notfalls durch tastendes Probieren schnell ›richtig‹, d. h. im Sinn des Signalgebers zu verstehen). Ich sehe in dieser Haltung Weisgerbers eine zu große Idealisierung, eine Art von überzogenem Vollkommenheitsanspruch gegenüber der Sprache. Dasselbe sehe ich auch in seinem stets aufrechterhaltenen Postulat, die Bildung wie das zureichende Verstehen von Sätzen seien nur vorstellbar, wenn man eine überschaubare Anzahl von dafür zu verwendenden semantisch-formalen Strukturen (›Satzbauplänen‹) annehme (siehe dazu 4.3.). Zum Abschluß dieses Abschnitts über ›Vollkommenheitsansprüche gegenüber der Sprache‹ noch eine persönliche Erinnerung. Als ich einmal in einem Zweiergespräch mit Weisgerber auf die Unvollkommenheit aller sprachlichen Mittel und auf die immer wieder anzutreffenden Grenzen für eine klare Ordnung und Systematisierung hinwies, pro-
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testierte er leidenschaftlich und sagte (den ersten Teil des Satzes habe ich nicht mehr wörtlich im Kopf, ich kann ihn nur sinngemäß wiedergeben, aber der abschließende Vergleich mit dem Haufen Sand ist mir noch im Ohr): „Und wenn es in der Sprache wirklich so wenig Ordnung gibt, wie Sie es sagen, so ist sie für mich uninteressant und nicht besser als ein Haufen Sand“.
2.3.2. Überschätzung vorhandener Fachausdrücke (Termini) Aus der in 2.3.1. dargestellten sprachphilosophischen Grundhaltung ist auch verstehbar, daß Weisgerber auf ›sprechende Termini‹ großes Gewicht legte und daß er aus einer (historisch entstandenen, daher oft zufälligen) Verschiedenheit von Fachausdrücken auch eine Verschiedenheit der begrifflichen Fassung herauslesen zu müssen glaubte. So versuchte er z. B. die seit langem nebeneinanderstehenden Bezeichnungen ›Satzteile‹ und ›Satzglieder‹ (für ‘Subjekt’, ‘Objekte’ usw.) als Repräsentation verschiedener Stufen bei der Analyse zu interpretieren, und er kam dann zu einem Aufbau „Satzstücke — Satzteile — Satzwerte—Satzglieder“ (Weisgerber 1963, 80). Dabei charakterisierte er die Satzstücke als ›von den Wortarten her zu verstehen‹, die Satzteile als ›mindestens in gewissen formalen Bedingungen greifbar‹, die Satzwerte als ›mit den Eigenarten der Wortstellung zusammenhängend‹ und schließlich die Satzglieder als ›Elemente innerhalb eines bestimmten Bauplanes‹. Kennzeichnend für seine Überschätzung der Termini ist hier auch seine Ausdrucksweise (Weisgerber 1963, 84): „Von hier an haben wir das Recht [Hervorhebung von mir], von Satzgliedern zu sprechen“ — wo man erwarten dürfte: ‘Von hier an ist es sinnvoll, von Satzgliedern zu sprechen’ oder ‘Um diese Bestimmtheit durch eine umgreifende Struktur, den Satzbauplan, deutlich zu kennzeichnen, ist es nützlich, den Fachausdruck ‘Satzglieder’ zu verwenden’.
2.3.3. Ablehnung jedes Ausgehens vom individuellen Verstehen und damit einer intersubjektiven Methodik Die hohe Einschätzung der Sprache als einer über-individuellen Macht (sie zeigt sich auch in der oft kritisierten Redeweise von den ›Kräften der Sprache‹ sowie der Kennzeichnung des geforderten Vorgehens als ›energetische Sprachwissenschaft‹) führte Weisgerber auch zu einer grundsätzlichen Ablehnung jedes Ansetzens an individuellen Verstehensreaktionen und individuellen Textproduktio-
III. Positionen
nen (besonders eindeutige Formulierungen dafür in Weisgerber 1974, 264—270). Er fürchtete hier immer, man gerate in einen Behaviorismus oder einen Psychologismus und verfehle dadurch die Sprache selbst, das Objektivgebilde hinter allen diesen individuellen Reaktionen und Leistungen. Damit wertete er aber auch die gesamten operationalen Verfahrensweisen ab, alles Arbeiten mit Informanten, und auch die Kontrolle der eigenen Intuition mit Hilfe von systematisch geführten Proben und durchgehenden Textanalysen, und er geriet um so leichter in den Bann von Konstruktionen und Spekulationen. 2.3.4. Widerstand gegen die Annahme bloßer Morphostrukturen, die ohne Einfluß auf Semantik und Pragmatik sind Der Vollkommenheitsanspruch gegenüber der Sprache führte nicht selten zur Überschätzung formalgrammatischer Strukturen. Wohl das schlagendste Beispiel dafür ist die Ansicht, in einem Satzbauplan mit Akkusativ der Person (z. B. ‘jemanden mit etwas versehen’, ‘ihn mit einer Sache beliefern’) werde der hier beteiligte Mensch, der Empfänger der betreffenden Leistung, weniger deutlich in seiner personalen Würde gezeigt als in einem sachlich äq uivalenten Satzbauplan mit Dativ der Person und Akkusativ der Sache (also: ‘jemandem etwas geben’, ‘ihm eine Sache liefern’). Weisgerber übernahm hier (Weisgerber 1958, 64—74) Brinkmanns Interpretation des Dativs als ›Kasus der sinngebenden Person‹, nämlich daß „der Dativ den Menschen als Person zur Geltung bringt“ (Brinkmann 1953, 104 ff). Auch hier steht im Hintergrund eine sprachphilosophische Grundannahme, die man (vielleicht etwas überspitzt) so formulieren könnte: Einem formalgrammatischen Unterschied, wie demjenigen zwischen Akkusativ und Dativ, muß immer auch ein Bedeutungsunterschied zugeordnet sein, oder lapidar: Es kann keine bloßen grammatischen Mechanismen geben. 2.3.5. Die historische Leistung von Weisgerber Alle hier herausgestellten Verengungen in den sprachphilosophischen Annahmen und ihre Auswirkungen für das wissenschaftliche Vorgehen und seine Ergebnisse im einzelnen sollen aber nicht den Blick für die Gesamtleistung Weisgerbers trüben: die Wendung des Forschungsinteresses von den Lautungen und ihrem Wandel zu den semantischen Einheiten und Strukturen als dem Kernbereich jeder
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Sprache — der ständige Hinweis, die Sprache sei ein soziales Objektivgebilde, und damit ein wichtiger Beitrag zur Überwindung psychologistischer Kurzschlüsse — der ständige Hinweis (in völliger Übereinstimmung mit Saussure, der sonst außer von Karl Bühler (1879— 1963) (s. Art. 38) und von Trier in der deutschen Linguistik bis in die 60er Jahre hinein nicht und dann sehr einseitig rezipiert wurde), daß alle semantischen Einheiten und Strukturen (›Wortinhalte‹ und ›Satzbaupläne‹) nicht a priori vorhanden, sondern von Menschen im Rahmen ihrer Gesellschaften geschaffen und weitergebildet wurden und noch werden, als ›gedankliche Zugriffe‹ — und nicht zuletzt die Sensibilisierung weiterer Kreise in Wissenschaft und Öffentlichkeit für die Wichtigkeit der Sprachverwendung. Auch wenn die diesbezüglichen Unterscheidungen Weisgerbers (›leistungsbezogenes‹ und ›wirkungsbezogenes‹ Vorgehen als getrennte Stufen) selbst in seinem engeren Kreis kaum aufgegriffen worden sind, so hat er doch in manchem die Entwicklungen, die man manchmal als ‘die pragmatische Wende der Linguistik und Sprachdidaktik’ bezeichnet, auf seine Art mitvorbereitet, und er ist aus der Entwicklung der Sprachwissenschaft, jedenfalls im gesamten deutschsprachigen Bereich, nicht wegzudenken.
3.
Sprachphilosophische Annahmen für eine durch Proben gestützte und pragmatisch gerichtete Sprachinhaltsforschung
3.1. Relative Selbständigkeit der semantischen Einheiten und Strukturen gegenüber den Formalstrukturen und Lautungen Die semantischen Einheiten und Strukturen — Wortbedeutungen, höhere grammatische Kategorien, speziell Verbbedeutungen samt zugehörigen Stellen für Satzglieder, dann die Strukturen für gedankliche Verknüpfung ganzer verbal strukturierter Wortkomplexe, die ›Sätze‹ bzw. Propositionen (cf. 3.5.) — sind gedankliche Größen eigenen Rechts. Sie werden zwar beim Sprechen/Schreiben durch die hörbaren/sichtbaren Wörter und Wortkomplexe (gegebenenfalls mit besonderen Formen und/oder besonderer Reihenfolge) signalisiert, und sie werden beim Hörverstehen und Leseverstehen auf Grund der identifizierten Wörter, Wortkomplexe usw. im Gehirn des Hörenden/Lesenden aufgerufen — aber sie
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sind nicht durch die ihnen als Signalisierung dienenden Wörter, Wortkomplexe usw. determiniert. Eine Bedeutung ist nicht eine Funktion des sie signalisierenden Wortes bzw. Wortkomplexes (so daß aus einer ›Wurzel‹ verschiedene Bedeutungen ›herauswachsen‹ oder ›sich entwickeln‹, wie man es in der älteren Wortgeschichte nicht selten annahm). Vielmehr ist jeweils die Bedeutung als primär anzusehen. Sie ist ein Ergebnis gedanklicher Akte, zuerst vollzogen von einem einzelnen Sprachteilhaber aus seinen jeweiligen Bedürfnissen und Absichten heraus, dann von andern Sprachteilhabern (zuerst oft nur tastend) erfaßt und nachvollzogen, dann oft von diesen andern Sprachteilhabern auch von sich aus verwendet und damit aus einem Bestandteil eines individuellen Sprachbesitzes zu einem Bestandteil einer Sprache als eines überindividuellen Bestandes, eines (zuerst sehr begrenzten) sozialen Objektivgebildes geworden. Bedeutungen und Wörter können daher auch eine getrennte Geschichte haben, und man muß ein Wort immer von der von ihm signalisierten Bedeutung her sehen — und nicht umgekehrt die Bedeutung vom Wort und von dessen Aufbau her. Zwei einfache Beispiele: Die Bedeutungen, die man als Sprecher/Schreiber durch die deutschen Nomen ‘Vorsicht’ und ‘Rücksicht’ signalisiert, müssen im Sprachbesitz des Hörers/Lesers schon als solche gespeichert (gelernt worden) sein, sie können nicht zureichend aus den bloßen Wortbestandteilen ‘vor-’ und ‘-sicht/sehen’ bzw. ‘rück-’ und ‘-sicht/ sehen’ konstruiert werden.
3.2. Konstitutive Unschärfe vieler Bedeutungen, Sprache als grundsätzlich unvollkommener und offener SystemKomplex Bedeutungen sind nicht von Logikern geschaffen worden zwecks Einsetzens als Argumente in logische ›Sätze‹. Sie wurden geschaffen in vielfältiger gesellschaftlicher Zusammenarbeit von unzähligen Sprachteilhabern mit praktischen Interessen. Die Abgrenzungsschärfe richtet sich daher nach den Bedürfnissen praktischer Brauchbarkeit, nicht nach theoretisch wünschbarer Eindeutigkeit und Widerspruchsfreiheit. Scharfe Abgrenzungen und klare Definitionen, d. h. die Entwicklung zu wissenschaftlichen Begriffen, stehen nicht am Anfang der Sprachentwicklung (und noch weniger am Anfang des individuellen Spracherwerbs beim Kind), sondern sie sind stets verhältnismäßig späte Produkte bewußter, systematischer Regelung, Produkte
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von mathematisch orientierter Wissenschaft, auch wenn es sich um wissenschaftliche Entwicklungen und Normierungen handelt, die schon vor Jahrtausenden erfolgten, z. B. für ‘Stunde’, ‘Tag’, ‘Jahr’ oder für die natürlichen Zahlen als beliebig fortsetzbare Aneinanderreihung. Konstitutive Unschärfe, oft auch mehr oder weniger große Verschiedenheit von einem Sprachteilhaber zum anderen, besteht heute noch und ist unaufhebbar bei zentralen Bedeutungen im Bereich des menschlichen Zusammenlebens, Handelns und Wertens, z. B. für ‘Arbeit’, ‘Stolz’, ‘Verantwortung’, ‘Selbstbestimmung’, ‘Demokratie’, ‘Anpassung’, usw. (s. Art. 98). Dieser konstitutiven Unschärfe in zentralen Bereichen muß man auch bei aller wissenschaftlichen Analyse Rechnung tragen. Man darf keine höhere Genauigkeit erwarten, oder durch scheinbar mathematisch-formalisierende Darstellung oder durch ein ›Gesetz des Feldes‹ vortäuschen, als sie dem in den Sprachen Gegebenen tatsächlich eigen ist. 3.3. Wie bilden sich Bedeutungen bei den neuen Sprachteilhabern? Bedeutungen kann man nicht direkt erlernen, durch Nachahmung, wie es für die Lautungen der Wörter und die Stimmführungen der Sätze möglich ist. Auch im günstigsten Fall, wenn man als Lernender genügend genaue und gut verständliche Erklärungen erhält (in Gesprächen oder aus Nachschlagewerken), muß man im eigenen Kopf eine entsprechende gedankliche Gestalt aufbauen und speichern, und man muß diese gedankliche Gestalt dauerhaft mit dem ihr als Signalisierung zugeordneten Wort (oder ganzen Wortkomplex) verknüpfen. Sehr viele Bedeutungen lernt man aber gar nicht über solche Erklärungen, sondern mehr oder weniger intuitiv beim Zuhören und vor allem beim Lesen, in einem oft tastenden eigenen ›Bedeutungsentwurf‹, der sich dann durch weitere Erfahrungen in Gesprächen und beim Lesen entweder bewährt oder so lange umgebaut und angepaßt wird, bis er insgesamt dem Bestand im Objektivgebilde ›Sprache‹ genügend entspricht und damit ein als befriedigend taxiertes Verstehen des in der betreffenden Sprache Gesprochenen und Geschriebenen gestattet. Oft erfaßt man dann immer noch nicht die ganze Anwendungsbreite einer Bedeutung, sondern nur diejenigen Ausschnitte, die für die betreffenden Situationen gerade wichtig waren. Schließlich werden alle derartigen Lernresultate, auch wenn sie im Moment des Lernens
III. Positionen
im vollen Licht des Bewußtseins standen, zu einem völlig unbewußten Besitz (cf. 2.3.1.), der dann meistens nur noch in automatisierter Weise bei den Verstehensprozessen und Textproduktionsprozessen aktiviert wird. 3.4. Zur wissenschaftlichen Zugänglichkeit von Bedeutungen Auch für die wissenschaftliche Analyse sind die Bedeutungen nur insofern direkt zugänglich, als es sich um das eigene Sprachverständnis und ›Bedeutungs-Erleben‹ des jeweiligen Linguisten handelt, also in Selbstbeobachtung, und dabei zeigen sich alle Probleme des zureichenden Erfassens von etwas, das primär als unbewußter, bei der Sprachverwendung immer nur ausschnittsweise bewußt werdender Besitz vorhanden ist. Es müssen daher besondere Methoden verwendet werden, welche (a) das möglichst vollständige Erfassen und Abgrenzen der Bedeutungen in (sehr disziplinierter) Selbstbeobachtung ermöglichen und welche (b) eine Überprüfung durch Vergleich mit den Bewußtmachungs-Resultaten anderer Forscher und durch Beobachtung des spontanen Sprachverhaltens von ›Laien-Informanten‹ gestatten. Diese Methoden lassen sich einordnen als eine Fortsetzung und Verfeinerung der operationalen Verfahren (Klangproben, Verschiebeproben/Kommutationen, Ersatzproben/Substitutionen usw.), die seit Beginn der 40er Jahre für die Überprüfung der traditionellen grammatischen Kategorien entwickelt wurden und an manchen Stellen zur Neufassung solcher Kategorien oder zur Bildung ganz neuer Kategorien führten (Glinz 1952, 49—59; knapp in Glinz 1975, 13—20). Für die heutigen Sprachzustände kann man dabei gleicherweise von Befunden an Texten wie von Verstehensreaktionen und entsprechenden Textproduktionen heute lebender Sprachteilhaber ausgehen (›Informanten‹). Für ältere Sprachstufen bleiben als erste und sicherste Quelle nur die Befunde an Texten, dazu sekundär die Verstehensreaktionen derjenigen Forscher, die diese Texte lesen gelernt haben. 3.5. ›Satz‹ als grammatische Einheit (clause) und ›Satz‹ als Einheit der Stimmführung/Mitteilung (sentence) Es gehört zu den Verdiensten von Weisgerber, daß er immer wieder neben der inhaltbezogenen Erforschung der Einzelzeichen (d. h. dem kritischen Aufweis der Bedeutungen als dem Ergebnis ›gedanklicher Zugriffe‹) eine entsprechende Erforschung der syntaktischen
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Strukturen gefordert und zu praktizieren gesucht hat (Aufweisen der ›Satzbaupläne‹). Dabei wurde die Diskussion oft behindert durch Mißverständnisse, weil in der deutschen sprachwissenschaftlichen Terminologie der gleiche Fachausdruck ‘Satz’ für zwei verschiedene Begriffe verwendet wurde (und weithin noch heute verwendet wird), nämlich einerseits für die Einheiten der grammatischen Strukturierung, die meistens auf einem Verb basieren (englisch ‘clause’, französisch ‘proposition’, italienisch ‘proposizione’) und anderseits für die Einheiten der klanglichen Präsentation, konstituiert durch die Stimmführung bzw. im geschriebenen Text durch großen Anfangsbuchstaben am Anfang und ein Satzschlußzeichen (Punkt, Ausrufezeichen, Fragezeichen) am Ende (englisch ‘sentence’, französisch ‘phrase’, italienisch ‘periodo’). In Beispielen:
Je zwei Propositionen (propositions, clauses), jede auf einem Verb basierend, hier auch ein Subjekt enthaltend (was nicht immer der Fall ist), aber durch Stimmführung bzw. Satzzeichen präsentiert als eine einzige Einheit der Mitteilung (une phrase, a sentence, ein ›Satz‹ oder ›Ganzsatz‹).
3.6. Texte: Folgen von Propositionen, meistens auch eingeteilt in Sätze Ein Text kann nun definiert werden als eine Folge von Propositionen (im Grenzfall eine einzige Proposition). Bei mündlicher Textproduktion ist diese Folge von Propositionen immer auch eingeteilt in Sätze, nämlich durch die Stimmführung — auch wenn bei einer Analyse (z. B. zwecks Verschriftung) nicht immer eindeutig zu entscheiden ist, wie weit ein Satz geht und wo ein neuer beginnt. Auch bei schriftlicher Fassung sind heute allermeistens die Folgen von Propositionen auch in Sätze eingeteilt (im Grenzfall als ein einziger Satz gekennzeichnet) durch die Großschreibung der Satzanfänge und die Satzschlußzeichen Punkt, Ausrufezeichen und Fragezeichen. Gelegentlich werden aber noch heute schriftliche Texte ohne Satzzeichen, d. h. ohne Einteilung
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in Sätze produziert und vorgelegt, z. B. lyrische Gedichte. Bis zum Aufkommen des Buchdrucks (15. Jh.) war es die Regel, daß man in der Schrift nur die Folgen von Propositionen festhielt, durch die Wörter. Satzzeichen, obwohl ein Satzzeichensystem schon von den Alexandrinern, 3. Jh. vor Chr., entwickelt worden war, gab es nur in verschwindend wenigen Handschriften. Die Einteilung in Sätze, genauer: das Hineinlegen von Satzgrenzen, wie auch das Erkennen eines Satzes als Frage, war eine Sache des jeweiligen Lesers, der ja auch meistens laut las, und nicht still wie heute. Die heutige Interpunktion aller mittelalterlichen und antiken Texte stammt nicht aus den ursprünglichen Handschriften, sondern von den jeweiligen Herausgebern. 3.7. Oft irreguläres Verhältnis zwischen den Bedeutungen und den sie signalisierenden Wörtern und Formalstrukturen Man muß immer damit rechnen, daß verschiedene Verhältnisse bestehen zwischen den Wörtern und Formalstrukturen (morphosyntaktischen Strukturen) einerseits und den Bedeutungseinheiten und ganzen Bedeutungsstrukturen (mit Stellen für einfügbare Bedeutungseinheiten) andererseits. Man muß daher ausdrücklich auf zwei sprachphilosophische Annahmen verzichten, von denen bisher oft (wenn auch meist unreflektiert, ja dem jeweiligen Forscher gar nicht bewußt) ausgegangen wurde: (a) daß im Sinn eines idealen sprachlichen Zeichens, ausgehend vom überschätzten Schema bei Saussure (1916, 99) eine Einheit des ›signifié‹, eine Bedeutung, einer und nur einer Einheit des ›signifiant‹ (einem Wort) entsprechen müsse; (b) daß immer eine klar faßbare Grenze bestehe zwischen den isolierbaren einzelnen Bedeutungseinheiten und den ganzen Bedeutungsstrukturen für die Kombination der einzelnen Einheiten, elementar gesagt: daß es zwischen Wortschatz und Syntax klare Grenzen geben müsse. Ein Beispiel für das Nicht-Zutreffen der Annahme (a) bietet das Wort ‘Existenz’. Hier sind mit dem gleichen Wort (mindestens) drei verschiedene Bedeutungen verknüpft: (1) Existenz = Vorhandensein, neutral gesehen (für Personen wie für Sachen, Erscheinungen usw.), z. B. ‘die Existenz dieses Menschen’, ‘für die Existenz solcher Erscheinungen’. (2) Existenz = Lebensweise, Lebensmöglichkeit (dann genauer zu charakterisieren, z. B. ‘Er führte eine elende Existenz’ oder ‘Dieser Beruf verspricht eine gesicherte Existenz’).
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(3) Existenz = Mensch (meist im Plural), oft negativ gesehen, z. B. ‘Es gab dort eine Reihe solcher zweifelhafter Existenzen’. Die Beispiele für das Nicht-Zutreffen der Annahme (b) lassen sich aus dem gleichen gedanklichen Bereich entnehmen. Mit dem Verb ‘existieren’ ist oft ein ziemlich klarer Bedeutungskern verbunden (‘irgendwo auf der Welt vorkommen’, ‘antreffbar sein’) und dazu eine Stelle für die Nennung von irgend etwas, das als vorkommend, als auf der Welt antreffbar genannt werden soll, z. B. ‘Solche Menschen existieren’ oder ‘Ein solcher Bericht existiert’. Dazu können Stellen für Angaben von Ort, Zeit, Geltungsgrad eingefügt und durch entsprechende Bedeutungseinheiten (signalisiert durch Einzelwörter oder mehrwortige Ausdrücke) besetzt werden, z. B. ‘Damals existierte in einem geheimen Dossier ein solcher Bericht’ oder ‘Vermutlich hat ein solcher Bericht überhaupt nie existiert’. Das gleiche Verb ‘existieren’, mit einer Strukturstelle für die Nennung eines Lebewesens, kann aber auch die Bedeutung signalisieren, ‘leben, in einigermaßen zumutbarer Weise’, und zwar in Kombination mit ‘können’ und einer Angabe der Art (z. B. der verfügbaren Ressourcen), oft auch mit Verneinung: ‘Mit so wenig Geld kann man nicht existieren’ oder ‘Unter diesen Bedingungen können keine Tiere mehr existieren’. Das Vorhandensein dieser Bedeutung von ‘existieren’ ist also gebunden an die Kombination mit der Bedeutung von ‘können’ (es braucht nicht dieses Wort vorzuliegen, möglich ist z. B. ‘So läßt sich schon existieren’) und an die Nennung gewisser erforderlicher Bedingungen (‘so’, ‘mit diesen Mitteln’, usw.). Für die praktisch gleiche Bedeutung von ‘vorkommen’, ‘vorhanden sein’, ‘in der Welt antreffbar sein’ steht aber im Deutschen auch ‘es gibt ...’ zur Verfügung — also der Kern einer finiten Proposition, in welcher das jeweils als vorkommend, als vorhanden zu Kennzeichnende nicht die Subjektsstelle einnimmt, wie bei ‘existieren’, sondern die Stelle eines Akkusativobjekts, z. B. ‘Es gibt einen solchen Menschen’, ‘Einen derartigen Bericht gab es nie’. Diese Bedeutung ist an die Kombination von ‘geben’ mit dem Formalsubjekt ‘es’ gebunden, sie ist keineswegs aus den sonstigen von ‘geben’ signalisierten Bedeutungen ableitbar. Bei der verbalen Wortkette ‘vorhanden sein’ ist die Bedeutung (hier gewissermaßen verteilt auf das Satzadjektiv ‘vorhanden’ und das Verb ‘sein’) deutlich enger, weil man wohl sagen kann ‘Ein solcher Bericht war vorhanden’, aber kaum *‘Ein solcher Mensch war vorhanden’. Das Satzadjektiv ‘vorhanden’ kann man nicht weglassen (man kann nicht sagen *‘Ein solcher Bericht war damals’). Dagegen ist für die ganze Weite der Bedeutung von ‘auf der Welt antreffbar sein’ die Kombination von ‘sein’ mit einer (meistens vorangestellten) Raumangabe und einem Subjekt möglich: ‘Da war doch einmal etwas’ oder ‘Vor der Tür ist jemand’. Hier ist für alle Lebewesen das Verb ‘sein’ oft durch
III. Positionen
‘leben’ ersetzbar, z. B. ‘In dieser Stadt lebte einst ein großer Musiker’. Auch bei Nicht-Personalem sind oft speziellere Verben möglich (auch mit festem Reflexiv-Akkusativobjekt), und zwar im Blick auf die Lage und Erstreckung des als ›vorhanden‹ Darzustellenden, aber ohne die vollen Bedeutungen, die diese spezielleren Verben in andern Kombinationen signalisieren: ‘Links stand ein Baum — Rechts erhob sich ein hohes Haus — Dahinter erstreckte sich ein Feld — Der Garten zog sich bis an den Fluß hinunter’, usw.
3.8. Wie wichtig ist die Formalstruktur für die Bedeutung? Diese Frage stellt sich besonders auch beim Übergang von einer Sprache zur andern. Im Französischen kann man dem deutschen ‘Es gibt ...’ das ‘Il y a ...’ gegenüberstellen, auch hier mit einem fixen Formalsubjekt ‘il’ und der Nennung des als ›vorhanden‹ Darzustellenden an der Formalstelle ›complément d’objet direct‹. Neben dem auch schon als Ortsangabe interpretierbaren ‘y’ sind noch nachdrücklichere Ortsangaben möglich, z. B. ‘Il y avait là un petit trou’. Dagegen hat das Englische die Konstruktion ‘There is ...’, ‘There are ...’ mit nachfolgendem Subjekt, z. B. ‘There was a little hole’. Es ist nun sehr fraglich, ob diese verschiedene Verwendung formalgrammatischer (morphosyntaktischer) Mittel über die Bedeutungen und damit letztlich über die ›gedankliche Verarbeitung von Welt in einer Sprache‹ irgend etwas aussagt. Man muß wohl anerkennen (im Gegensatz zu Weisgerber, cf. 2.3.4.), daß es hier morphosyntaktische Unterschiede gibt, die für die Bedeutungen (und damit für die ›Welt-Auffassung‹) gar nichts aussagen, die als reine ›grammatische Mechanismen‹ anzusehen sind — auch wenn das vielleicht im Moment der Schaffung dieser sprachlichen Mittel, vor langer Zeit, einmal anders war (oder jedenfalls gewesen sein kann). Es gibt ja auch innerhalb einer Sprache gelegentlich einen verschiedenen morphosyntaktischen Aufbau, dem kaum jemand eine Bedeutungsdifferenz zuschreiben wird, z. B. ‘jemandem begegnen’ (mit Dativobjekt) gegenüber ‘jemanden antreffen’ (mit Akkusativobjekt). 3.9. Ein Schichtungsmodell des gesamten individuellen Sprachbesitzes (der ›Gesamt-Kompetenz‹) als Orientierungshilfe Wenn man sich den innern Aufbau des gesamten Sprachbesitzes eines Menschen (seiner ›Kompetenz‹, auch für verschiedene Varianten einer Sprache und ganze andere Sprachen) vorstellen will, kann man das folgende Denkmodell zu Hilfe nehmen, in welchem insge-
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samt sieben Schichten oder Bereiche unterschieden werden, hier vorgeführt von ›unten‹ nach ›oben‹ bzw. von ›außen‹ nach ›innen‹, bis zum Zentralsten (genauere Angaben bei Glinz 1987 c). Bereich VII: Das Schreibungssystem, Orthographie und Interpunktion. Es ist grundsätzlich sekundär, entwickelt vom Lautungssystem her (Bereich VI), zum Teil auch direkt von den Bedeutungen her (Bereich III). Heute, bei der allgemeinen Verbreitung von Lesen und Schreiben, rückt es aber oft in die Rolle eines primären Systems, und die Lautungen werden (als ›Aussprache‹) den Schreibungen nachgeordnet. Bereich VI: Das Lautungssystem. Hierher gehört alles, was zur Unterscheidung der Wörter und ihrer verschiedenen grammatischen Formen dient, also nicht nur Phonetik und Phonologie (Phonemik), sondern die gesamte ›Phono-Morphologie‹ oder ›MorphoPhonemik‹, mit allen Allophonen und Allomorphen; so wird z. B. der Plural der deutschen Nomen durch sehr verschiedene Lautungsänderungen dargestellt (‘Mal/Male’ gegenüber ‘Tal/Täler’ oder ‘Saal/Säle’ usw.). Bereich V: Die ganzen Stimmführungsgestalten, die ›Satzphonologie‹ (suprasegmental phonemes), d. h. alles Klangliche oberhalb der Wortlautungen, die klangliche Realisationsweise überhaupt (mit Einschluß von Tempo, Klangfarbe, usw.). Hierzu gehört auch die Einteilung aller gesprochenen Texte in Sätze als Stimmführungs-Einheiten (cf. 3.5.). Bereich IV: Der lexisch-morphosyntaktische Bereich, die Wörter in den verschiedenen Wortarten und ihre grammatischen Formen, z. B. die grammatischen Geschlechter, die Kasus usw. In diesem Bereich kommt es noch nicht darauf an, wie direkt oder indirekt alle diese Wörter, Formen und formalen Kombinationsstrukturen mit den Bedeutungen aller Art verknüpft sind (cf. 3.7.), es kann sich um reine grammatische Mechanismen handeln (cf. 3.8.), z. B. bei der Forderung von Dativ oder Akkusativ nach Präposition (‘mit dir oder ohne dich’), verglichen mit der einheitlichen Form des Pronomens nach Präposition im Französischen (‘avec toi ou sans toi’). Bereich III: Der semantische Bereich, die Bedeutungen und ganzen Bedeutungsstrukturen, gleichgültig ob sie durch einfache Wörter, ganze Wortkomplexe oder ganze Formalstrukturen oder Kombinationen von beidem signalisiert sind (cf. 3.7.). Bereich II: Die ganzen Muster und Strate-
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gien für das Textschaffen und Textverstehen (oberhalb der semantischen Strukturen aus Bereich III, die nur bis zu Propositionen oder Propositionen-Paaren reichen), also z. B. verschiedene Erzählmuster (chronologisch vorgehen — mitten drin ansetzen und mit Rückblenden und Vorausblicken arbeiten usw.) oder die Muster für den Aufbau argumentierender Texte. Dabei lassen sich keine scharfen Grenzen ziehen zwischen relativ festen Mustern und flexiblen, weitgehend offenen Strategien (Abwandlung von Mustern, Schaffung neuer Muster ad hoc usw.). Ebensowenig lassen sich scharfe Grenzen ziehen zwischen den Strategien für Sprachverwendung (beim Textschaffen wie beim Textverstehen) und den Strategien für Handeln und Denken überhaupt, insbesondere auch allen Lern-Strategien, weit über das rein Sprachliche hinaus. Bereich I: Der Zentralbereich der PersonKonstitution, das ›Ich‹, das Gesamt der (bewußten und unbewußten) Vorstellungen und inneren Bilder von der eigenen Stellung und Aufgabe in der Welt, den Bedürfnissen, Zielen und Möglichkeiten, für sich selbst und für andere. Von hier aus wird letztlich auch alle Sprachverwendung gesteuert. Gewiß ist die Erforschung dieses Zentralbereichs nicht primär die Aufgabe der Linguistik, sondern der Psychologie und Anthropologie (auch der Soziologie, ja der Theologie, wenn man will) — aber der Linguist muß auch für seine ganze Arbeit stets die zentrale Stellung dieses Bereichs sehen und anerkennen (s. Art. 110, 101, 103). 3.10. Sprachverwendung ist nicht nur Kommunikation; Wichtigkeit der person-internen Sprachverwendung Sprachverwendung erschöpft sich nicht in Kommunikation, obwohl das heute nicht selten geglaubt wird. Sprache wird zwar nur in Kommunikation erlernt: im Kleinkindalter ausschließlich, und auch später immer wieder, in Wechselkommunikation, mit anwesenden Partnern (cf. 3.3.), dann auch in Einwegkommunikation als Hörer (sei es direkt, sei es an elektronischen Medien), und vor allem in Einwegkommunikation als Leser; bei der Einwegkommunikation kommt zwar der Text von einem Partner, aber dieser ist nicht ansprechbar, manchmal schon lange nicht mehr am Leben. Sobald aber ein Mensch einmal, als kleines Kind, durch Kommunikation die Sprachverwendung gelernt und einen Sprachbesitz erworben hat, benützt er diesen Sprach-
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III. Positionen
besitz auch außerhalb der Kommunikation, im ›Sprechen für sich selbst‹ oder ›inneren Sprechen‹, d. h. in person-interner Sprachverwendung. Man macht sich etwas klar, indem man es für sich (still oder laut, aber ohne Partner) formuliert, indem man es ›in Worte faßt‹, d. h. durch Schaffung eines (meist mündlichen, gelegentlich aber auch schriftlichen) Textes symbolisch repräsentiert (und durch den schriftlichen Text zugleich dauerhaft festhält). Oft kontrolliert man ein eigenes Handeln durch solches Sprechen für sich selbst (z. B. wenn man Geld zählt oder wenn man eine einigermaßen komplizierte Handlung ausführt und dabei die einzelnen Schritte auch sprachlich mehr oder weniger vollständig repräsentiert). Ausrufe oder laute Klagen dienen oft der emotionalen Entlastung — auch wenn kein Partner anwesend ist, der sie hört. Wenn man die Leistungen von Sprache für einen Menschen zureichend sehen will, muß man neben der Sprachverwendung in den verschiedenen Arten der Kommunikation (Wechselkommunikation — Einwegkommunikation als Hörer und Leser oder als Sprecher und Schreiber) vor allem auch auf diese person-interne Sprachverwendung achten — obwohl sie von außen nur begrenzt beobachtbar ist (am leichtesten oft beim Beobachten von Kindern, die für sich allein spielen und dabei laufend sprechen und oft auch singen).
4.
Zur Erfüllbarkeit solcher Forderungen; Sprachinhaltsforschung und Sprachpraxis
4.1. Idealprogramme erleichtern den Überblick Mit den in 3.1. bis 3.10. dargestellten sprachphilosophischen Annahmen und den zugehörigen Forderungen für die zu verwendenden bzw. neu zu entwickelnden Methoden und die auf sie gestützten spezielleren Begriffe ist nun eine Art Forderungskatalog für Sprachinhaltsforschung skizziert, und aus dem in 3.9. vorgestellten Schichtungsmodell läßt sich eine Art Idealprogramm entnehmen: ein Überblick über das, was man im Blick auf den Aufbau der Sprachen und ihr Funktionieren im menschlichen Denken und Handeln überhaupt wissen möchte und sollte. Von hier aus ist nun zu fragen, was realistischerweise zu erreichen ist, mit wieviel Aufwand welcher Grad an Sicherheit (Intersubjektivität) dabei zu erreichen sein dürfte und wie weit die ganze
derartige Forschung auch für die Sprachpraxis (Sprachverwendung insgesamt, speziell Spracherwerb, Sprachunterricht, aber auch politische Beeinflussung usw.) fruchtbar werden kann. 4.2. Nur sehr beschränkt möglich und anzustreben: Einzelnachweise für den Einfluß bestimmter Sprachinhalte auf das Denken und Handeln der Sprachteilhaber Am schwersten objektiv nachzuweisen sind wohl die Auswirkungen bestimmter sprachlicher Inhalte, bestimmter Bedeutungen (sowohl als Einzeleinheiten wie als ganze Strukturen) auf das Denken und Handeln (die ›gedankliche Welt-Verarbeitung‹) der Teilhaber der betreffenden Sprache — also gerade das, was Weisgerber speziell für das Deutsche zu erreichen suchte. Schon das zureichende Bewußtmachen und Abgrenzen aller für bestimmte Absichten verwendbaren Sprachinhalte aus dem gesamten weitgehend unbewußten Sprachbesitz ist eine heute noch kaum gelöste Aufgabe. Wie weit die Sprachteilhaber in ihrem gedanklichen (und dann in ihrem materialen) Handeln überhaupt von der Verfügbarkeit bestimmter Sprachinhalte abhängig sind, wie weit sie gegebenenfalls das Fehlen eines benötigten bzw. gewünschten Sprachinhalts durch Kombinationen ad hoc aus den vorhandenen Sprachinhalten wettmachen können, wie weit sie gerade mit Hilfe der ihnen verfügbaren Sprache sich über die Begrenzungen dieser Sprache erheben können, und zwar in Ausnützung des weitgehend offenen Charakters gerade der zentralen Sprachinhalte (cf. 3.2.) — das läßt sich (jedenfalls heute und vielleicht grundsätzlich) bei allen Einsichten von Linguistik und Psychologie und aller computergestützten Simulation usw. kaum so sicher sagen, daß man mit gutem Gewissen hier mit konkreter Forschung einsetzen könnte. Dazu könnten solche Resultate, auch wenn sie sich mit ausreichender Sicherheit gewinnen ließen, immer sehr leicht mißbraucht werden, indem bestimmte Sprachen oder auch Varianten einer Sprache als ›kognitiv weniger ertragreich‹ abq ualifiziert und die sie Sprechenden disq ualifiziert werden. Als warnendes Beispiel möge die Aufstellung des Begriffs ‘restringierter Code’ für die Sprechweise der englischen Unterschicht durch Basil Bernard Bernstein (*1924) genannt sein und die negativen Auswirkungen dieses Begriffs in der Soziolinguistik (s. Art. 56) und dem daran ausgerichteten
58. Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung
Sprachunterricht, bis in die Kindergärten hinein, in der Bundesrepublik Deutschland in den 70er Jahren. 4.3. Erreichbar und sehr nützlich: Grammatiken mit klarer Unterscheidung von Morphostrukturen und Semantischem Eine realistische Möglichkeit — und für die gesamte Praxis des Sprachunterrichts sehr nützlich — ist die Erarbeitung von Grammatiken mit klarer Unterscheidung aller formalen Einheiten und Strukturen von den durch sie (mit ihrer Hilfe) signalisierten Bedeutungsstrukturen. In den heute verfügbaren Grammatiken werden nicht selten diese beiden Bereiche miteinander vermischt, indem z. B. für die Bestimmung der ›Satzglieder‹ (= der unmittelbaren Bestandstücke der verbalen Propositionen neben dem Verb) zum Teil formale und zum Teil semantische Kriterien verwendet werden. Besonders unklar ist in dieser Beziehung die traditionelle deutsche Grammatik mit ihren auf sehr spekulativen sprachphilosophischen Annahmen beruhenden Begriffen ‘Objekt—Attribut’ und dem rein von den Bedeutungen her definierten ‘Adverbiale’ (Nachweis bei Glinz 1947, 46—53). Die Duden-Grammatiken (1959, 1966 und 1973), die sich selbst als ›inhaltbezogen‹ verstanden, ver-
In der Formalstruktur sind hier die drei Satzgliedtypen Subjekt, Prädikativ (›Prädikatsnomen‹) und Präpokasus (‘aus’ + Dativ und ‘zu’ + Dativ) verwendbar, und zwar das Subjekt sowohl für die Stelle ›Ausgangszustand‹ (z. B. in ‘Der Feind wurde ein Freund’ oder ‘Der Feind wurde zum Freund’) wie für die Stelle ›neuer Zustand‹ (z. B. in ‘aus dem Feind wurde ein Freund’). Wenn man von der Bedeutungsstelle ›neuer Zustand‹ ausgeht, erkennt man eine dreifach verschiedene formale Besetzungsmöglichkeit: durch Prädikativ in ‘Der Feind wurde ein Freund’, durch Subjekt in ‘Aus dem Feind wurde ein Freund’und durch Präpokasus (‘zu’ + Dativ) in ‘Der Feind wurde zum Freund’. Neben der Bedeutungsstruktur mit zwei festen Stellen neben dem verbalen Kern gibt es eine prak-
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mischten ebenfalls noch an manchen Stellen die Morphostrukturen und die Bedeutungsstrukturen — was (richtigerweise) in der Syntax der Duden-Grammatik 1984 von Horst Sitta (*1936) aufgegeben worden ist, zu Gunsten einer konseq uent morphosyntaktischen Bestimmung der Satzglieder. Mit einem klaren Aufweisen aller morphosyntaktischen Strukturen innerhalb von Propositionen und für die Verknüpfung von Propositionen ist nun für eine Grammatik, die auch die gesamten Bedeutungsstrukturen darstellen will, die unerläßliche Grundlage gegeben, aber noch nicht viel mehr. Es kann zwar sein, daß einer morphostrukturellen Erscheinung (z. B. dem Präteritum im Deutschen, dem Perfekt im Lateinischen, dem ›passé simple‹ im Französischen) eine ziemlich klare Bedeutung entspricht (nämlich ‘vergangen’, ‘schon vorbei’, gegenüber ‘jetzt oder erst kommend’). Es kann aber auch sein, daß eine morphosyntaktisch klar faßbare Erscheinung zwei ganz verschiedene Bedeutungsbeziehungen signalisieren kann, z. B. der deutsche Konjunktiv II einmal die Irrealität (‘sie kämen morgen, wenn sie könnten’) und einmal den Bericht über Reales in der indirekten Rede (‘Es stand schon gestern fest, daß sie kämen’). Ein Beispiel aus dem Bereich der Satzglieder bietet die folgende Bedeutungsstruktur mit dem Verb ‘werden’ als Kern:
tisch äquivalente Struktur mit drei Bedeutungsstellen, nämlich ›Wesen als konstant gesehen, in verschiedenen Zuständen möglich‹, ›Wesen im Ausgangszustand‹, ›Wesen im veränderten, neuen Zustand‹. Dabei ist die Reihenfolge der zwei ersten Stellen variabel: ‘Er wurde aus einem Feind zu einem Freund’ oder ‘Aus einem Feind wurde er zu einem Freund’. Fraglich ist, ob auch die Besetzung der Stelle ›Wesen im neuen Zustand‹ durch Prädikativ (anstatt durch Präpokasus ‘zu’ + Dativ) von allen Deutschsprechenden als möglich anerkannt wird: ‘Er wurde aus einem Feind ein Freund’. Möglich erscheint das, wenn an zwei zusätzlich eingefügten Stellen die näheren Umstände (speziell: die Gründe) und die Eintretensweise der Veränderung genannt werden: ‘Durch diese Ereignisse wurde er auf einmal aus meinem erbittertsten Feind mein bester Freund’. Solche Bedeutungsstrukturen mit einem Verb als zugleich inhaltlichem wie formalem
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Kern, mit einer oder mehreren festen Bedeutungsstellen und mit Einfügbarkeit weiterer jeweils gewünschter Bedeutungsstellen, die in sich wieder formal verschieden besetzbar sind, kann man ‘verbale Semanteme’ nennen. Man muß mit einer sehr großen Zahl solcher verbalen Semanteme rechnen — einer ungleich höheren Zahl, als man sie bisher wohl für die ›Satzbaupläne‹ annahm. Die verbalen Semanteme machen, neben den vielfältigen, vor allem durch Nomen und Adjektive und ganze Nominalkomplexe signalisierten Einzelbedeutungen (oder Bedeutungskomplexen) wohl den Hauptreichtum einer Sprache aus, und sie sind noch kaum für eine Sprache vollständig herausgearbeitet worden. Gewisse Ansätze dazu finden sich noch am ehesten in der lateinischen Grammatik, soweit die Bedeutungsstellen durch Kasus und nicht durch fallfremde Ausdrücke zu besetzen sind. Das kleine oben behandelte Beispiel mit ‘werden’ mag auch zeigen, mit wieviel Flexibilität der herauszuarbeitenden Strukturen und mit wie vielen oft feinen Übergängen man bei aller Arbeit in diesem Bereich zu rechnen hat. Hier dürfte also ein zwar schwieriges und nur in langwieriger Arbeit zu bewältigendes, aber doch schon bei den ersten Schritten fruchtbares Arbeitsfeld für Sprachinhaltsforschung liegen. Es dürfte sich nämlich dabei auch zeigen, daß nicht selten die verbalen Semanteme (und insgesamt: die BedeutungsStrukturen) in den verschiedenen Sprachen ähnlicher und damit besser vergleichbar und aufeinander beziehbar sind als die dafür zu verwendenden Formalstrukturen; man denke nur an die Verschiedenheit der in verschiedenen Sprachen vorhandenen Kasussysteme und an die Sprachen ohne Kasus. Nicht weniger wichtig, und vielleicht sogar in kürzerer Zeit zu bewältigen, dürfte eine entsprechende Behandlung des ›komplexen Satzes‹ sein, d. h. das Aufweisen der Bedeutungsstrukturen für die Verknüpfung ganzer verbaler Propositionen, weit über die traditionellen ›Arten der Nebensätze‹ hinaus. Auch hier ist oft die gleiche Bedeutungsstruktur durch sehr verschiedene Formalstrukturen darstellbar, z. B. für die Irrelevanz eines Tatbestandes ‘Ob das nun so oder anders ist, so gilt doch ...’ oder ‘Sei das nun so oder nicht, so gilt doch ...’ oder noch anders. Hier liegen auch schon sehr wertvolle Arbeiten vor, für das Deutsche z. B. die Syntax des komplexen Satzes in der Duden-Grammatik 1984 von Sitta (ebenso Sitta 1971 und Boettcher/Sitta 1972).
III. Positionen
4.4. Einschätzen der Wichtigkeit verschiedener Kompetenzbereiche für erfolgreiche Sprachverwendung; sehr verschiedener Stellenwert der formalen Korrektheit Das Schichtungsmodell der Kompetenz, das in diesem Artikel als erforderliche sprachphilosophische Annahme für eine zureichende Sprachinhaltsforschung vorgestellt ist (3.9.), erweist sich auch als hilfreich für die Beantwortung der in der Sprachpraxis (und bei aller Sprachkritik) oft auftretenden Frage: Was aus dem vielfältigen Gesamt einer Sprache ist wie wichtig für einen wirkungsvollen Gebrauch dieser Sprache, für eine erfolgreiche Sprachverwendung? Sehr oft stellt sich die Frage in spezieller Form: Wie wichtig ist die formale Korrektheit eines Textes (korrekte Lautung, Aussprache, Grammatik, keine Abweichungen von der jeweils geltenden Rechtschreibung)? Der linguistische Laie (und das sind die meisten Beurteilenden) mißt nämlich Wert und Angemessenheit des Sprachgebrauchs bei seinen Partnern vor allem an dem, was er hören und besonders an dem, was er sehen kann. Sehr viele Leute beurteilen daher die Qualität eines Textes und die Sprachbeherrschung (ja die gesamte intellektuelle Potenz) eines Textverfassers in erster Linie am Vorhandensein einer korrekten Rechtschreibung (Bereich VII). Ist die Rechtschreibung mangelhaft, so ist schnell das Urteil gemacht: ‘Dieser Mensch ist dumm, mindestens sehr ungebildet — er macht so viele Fehler’. Erst in zweiter Linie achtet man meistens auf die (im allgemeinen seltener auftretenden) Fehler bei den grammatischen Mechanismen (Bereich IV) und stößt sich z. B. an unkorrektem Fallgebrauch wie ‘Er machte ein Fehler’ statt ‘... einen Fehler’. Recht stark reagiert man meistens auf unkorrekte Bildung von Flexionsformen, z. B. ‘er rufte’statt ‘er rief’ oder englisch ‘he teached’ statt ‘he taught’. In mündlicher Kommunikation reagiert man vor allem auf abweichende Lautungen der Wörter (Bereich VI) und auf ungewohnte Satzmelodien (Bereich V). Man kommt zwar (mindestens im deutschen Sprachraum) nicht so schnell wie bei fehlerhafter Rechtschreibung zum Urteil ‘mangelnde Sprachbeherrschung, Unfähigkeit’, wohl aber taxiert man den Sprecher je nach seiner Aussprache als ›zur eigenen Gruppe gehörig‹ oder als ›zu einer fremden Gruppe gehörig‹ (z. B. in Gegenden, wo für verschiedene Sozialschichten verschiedene Aussprachen üblich sind, als ›Angehörigen
58. Die philosophischen Grundlagen der Sprachinhaltsforschung
der Unterschicht‹) oder auch als ›aus einer andern Gegend kommend‹ — indem z. B. ein Norddeutscher zu einem Wiener sagt ‘Sie haben den typischen Wiener Akzent’, worauf der Wiener erwidern kann ‘Und Sie den typischen norddeutschen’. Bei genauerer Betrachtung erkennt man aber leicht, daß die Korrektheit bzw. mangelnde Korrektheit in diesen Formalbereichen (VII, VI, V und IV, cf. 3.9.) für die Qualität des Textes und für die Sprachbeherrschung und Intelligenz des Sprechers/Schreibers sehr wenig aussagt. Die Qualität des Textes hängt in erster Linie von der richtigen Einschätzung der Situation und des Partners und von einem klaren, überzeugenden Aufbau ab (Bereich II, Muster und Strategien) sowie von der geeigneten Wahl und richtigen Auffassung und Kombination aller Bedeutungen (d. h. von der sicheren Kenntnis der Bedeutungen in der betreffenden Sprache). Wichtig ist für mündliche Texte auch eine klare Gliederung in der Stimmführung, während Einzelheiten der Aussprache (und auch im Detail abweichende Lautungen für die grammatischen Formen) zwar im Moment mehr oder weniger stören (und gegebenenfalls auch belustigen), aber vom Hörer automatisch durch die richtigen ersetzt werden können. Besonders unsachgemäß ist die heute allgemein verbreitete Überschätzung der Rechtschreibung. Sie gilt seit etwa 130 Jahren und hat oft fatale soziale Folgen. Wie souverän auch hochgebildete Menschen etwa in der Zeit der deutschen Klassik mit der deutschen Rechtschreibung umgingen, sieht man sofort, wenn man Originaltexte (vor allem auch Privatbriefe) aus jener Zeit liest. So spricht Goethe in seinen Briefen an Frau von Stein die Empfängerin oft als ‘meine Beste/meine beste’ an, und zwar wechselt er manchmal im gleichen Brief, wie es gerade kommt, zwischen Großschreibung und Kleinschreibung. Er schreibt ‘Nachbaarin’ und ‘beschäfftigen’ und ‘offt’ statt des schon damals (wie heute) allgemein geltenden ‘Nachbarin’, ‘beschäftigen’, ‘oft’ — und Frau von Stein, der niemand den Sinn für gepflegte Formen im Umgang mit Menschen absprechen wird, fühlte sich durch solche eigenwillige Rechtschreibung in keiner Weise gestört (Genaueres und weitere Beispiele bei Glinz 1987 b, 31—35). Wenn jemand nur für sich selbst schreibt (Notiz, Tagebuch), spielt die Korrektheit der Rechtschreibung überhaupt keine Rolle — und das gilt auch für jeden Entwurf eines Textes, auch wenn der Text nachher an andere gehen soll.
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Solange der Schreiber beim Wiederlesen seines Entwurfes alle Wörter problemlos wiedererkennt, ist alles in Ordnung, und die Korrektheit der Rechtschreibung ist erst erforderlich für die Reinschrift, die dann auf Grund des Entwurfs hergestellt wird. Und wenn man nun die Wichtigkeit und Häufigkeit der personinternen, oft gar nicht hörbar werdenden Sprachverwendung (des ›inneren Sprechens‹) für das gesamte emotionale und intellektuelle Leben eines Menschen ins Auge faßt, so erkennt man leicht, daß hier überhaupt nur die Kompetenzbereiche III (Bedeutungen) und II (Muster und Strategien) eine Rolle spielen, dazu evtl. (bei Ausrufen, durch die man sich emotionale Entlastung verschafft) auch der Bereich V (Stimmführung). Dagegen spielt die gesamte formale Korrektheit (Wortstellung, grammatische Mechanismen, Wortlautungen, Rechtschreibung) hier überhaupt keine Rolle. 4.5. Konsequenzen für Theorie und Methodik des Textverstehens; Textanteil, Situationsanteil und Zusatzleistung des Hörers/Lesers Aus den in 3. zusammengestellten sprachphilosophischen Annahmen für eine zureichende Sprachinhaltsforschung ergeben sich auch Konseq uenzen für die Theorie und Methodik des Textverstehens. Manche Linguisten, aber auch Literaturwissenschaftler gehen nämlich von der völlig unhinterfragten Annahme aus, für einen bestimmten Text gebe es (jedenfalls bei Gleichheit der historischen Epoche, bei gleicher Rezeptionssituation und bei genügend genauem Lesen bzw. Hören) nur ein einziges dem Text wirklich entsprechendes und gerecht werdendes Verständnis. Andere Verständnisse seien nur anzunehmen, wenn ein Text in einer späteren Zeit von Rezipienten aus anderen sozialen Verhältnissen gelesen werde. Wie unrealistisch diese Annahme ist, zeigt jeder Blick auf die Praxis; und wenn man die konstitutive Unschärfe vieler Bedeutungen bedenkt (cf. 3.2.) und den individuellen und daher oft etwas verschiedenen Nachbau aller Bedeutungen (cf. 3.3. — und solcher individueller Nachbau gilt noch viel mehr für alle überlieferten Muster und Strategien), kommt man zu einer grundsätzlich anderen sprachphilosophischen Annahme, indem man bei jedem konkreten Textverständnis mit drei verschiedenen möglichen Komponenten rechnet: (a) Textanteil, d. h. das, was der Hörer/ Leser direkt aus dem Text entnimmt, mehr
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oder weniger genau, gemäß der größeren oder geringeren Übereinstimmung seiner Kompetenz mit derjenigen des Textverfassers und gemäß seiner Genauigkeit und Sorgfalt beim Hören/Lesen; (b) Situationsanteil, d. h. alles, was der Hörer/Leser nicht direkt aus dem Text, sondern aus der Situation entnimmt: bei Wechselkommunikation aus der Situation, in der er den Sprecher sieht, und aus allem, was er schon über den Sprecher weiß — bei Einwegkommunikation aus demjenigen, was er über den Verfasser, dessen Situation, Absichten usw. schon weiß (s. Art. 92). (c) Zusatzleistung des Rezipienten, d. h. alles das, was der Hörer/Leser selber ergänzt, selber dazutut, über das dem Text und der Situation direkt Entnehmbare hinaus (z. B. wenn Textanteil und Situationsanteil zusammen ihn noch nicht befriedigen und er es ›genauer wissen‹, bzw. sich konkreter ausmalen will). Man erkennt sofort, daß das Verhältnis dieser drei Anteile je nach Textsorte und Textpräzision verschieden sein wird. Bei allen Sachtexten strebt man als Verfasser danach, den Text so eindeutig und ausführlich zu machen, daß bei zureichender Sprach- und Sachkompetenz bei allen Hörern/Lesern sich nur ein einziges, gleiches Verständnis bildet, indem der Textanteil möglichst groß wird und Situationsanteil und Zusatzleistung des Rezipienten möglichst gering werden und im Idealfall auf Null zurückgehen. Das gilt von wissenschaftlichen Werken über Astrophysik oder Biochemie bis zu Kochbüchern, Betriebsanleitungen usw. Es wird dadurch erleichtert, daß in solchen Texten die zentralen Bedeutungen meistens klar definiert und das durch den Text Darzustellende durch Zahlenangaben aller Art präzisierbar ist. Bei Texten aus den Humanwissenschaften (Geschichte, Soziologie, auch Linguistik, Pädagogik und speziell Philosophie) ist solche Präzision der verwendeten Bedeutungen oft von der Sache her viel weniger möglich, und entsprechend muß man eher mit Verschiedenheiten der individuellen Verständnisse rechnen. Bei allen Texten, aus denen Rechte und Pflichten (auch Sanktionen) abgeleitet werden, wie Verträgen, Gesetzestexten usw. ist die Sicherung eines möglichst einheitlichen Verständnisses (d. h. das Erreichen eines möglichst großen Textanteils in den Verständnissen aller Leser) besonders wichtig, daher ist man hier bestrebt, die Situationen möglichst genau im Text selbst zu beschreiben. Treten trotzdem Verstehensdifferenzen auf, so sind soziale Institutionen vorhanden (nämlich Gerichte aller Art), die
III. Positionen
durch Urteilsspruch ein einziges, von jetzt an gültiges Verständnis festlegen. Es ist ja sogar möglich, daß durch Urteil eines Verfassungsgerichts ein und derselbe Gesetzesartikel (ohne jede Änderung seines Wortlauts) von einem bestimmten Zeitpunkt an anders zu verstehen ist als bis zu diesem Zeitpunkt. Einen großen Freiraum für das Verständnis und den eigenen gedanklichen Nachvollzug (d. h. viel Raum für die Zusatzleistung des Hörers/Lesers) geben dagegen die meisten fiktionalen Texte. Das kann bei sehr hermetischer Lyrik (auch bei ›konkreter Poesie‹) so weit gehen, daß der Textanteil ganz klein wird und jeder Leser selbst, für sich, etwas aus dem Text herausholen (bzw. in den Text hineinlegen) kann/muß (s. Art. 107). Diese besondere Offenheit des Verständnisses bei fiktionalen Texten, oft von den Autoren ausdrücklich gewollt, ja provoziert, sollte man auch im ganzen Literaturunterricht der Schulen immer bedenken, und man sollte vom Streben nach einem einzigen Verständnis bei allen Schülern, das meistens einfach dem ja auch individuellen Verständnis des Lehrers entspricht, ganz bewußt abgehen (Glinz 1978, 146—160). Eine solche Auffassung aller Verstehensprozesse für Texte bewährt sich auch für das in der Philosophie wie überhaupt in der Geistesgeschichte nicht seltene und gegebenenfalls folgenreiche ›kreative Mißverstehen‹ älterer Texte durch neue Leser. Die Anerkennung der drei möglichen Komponenten bei allem Textverstehen kann aber auch für das Alltagsleben fruchtbar werden, sie kann das Durchschauen und Akzeptieren der vielen Mißverständnisse erleichtern, die es immer wieder gibt — von kleinen, unbedeutenden, aber doch ärgerlichen bis zu weitreichenden, die Grundbeziehungen zwischen Menschen belastenden Mißverständnissen. Wenn man weiß, wie schnell so etwas zustandekommt, wie oft man selber aus dem von einem Partner Gesagten oder Geschriebenen nur einige auffällige Stellen genau zur Kenntnis nimmt und das Übrige überhört bzw. überliest, und wie sehr man aus dem heraus versteht, was man ohnehin erwartet, und dadurch oft falsch versteht und falsch reagiert — dann bringt man wohl leichter die Geduld auf, daß man auch bei den Partnern solche verkürzte oder völlig falsche Verständnisse nicht übelnimmt, sie nicht dramatisiert, sie auch gegebenenfalls vorsichtig zu beheben versucht und dadurch das friedliche Zusammenleben im kleineren Kreis wie in größeren Kreisen sichern hilft.
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie
5.
Literatur in Auswahl
Gipper 1972, Gibt es ein sprachliches Relativitätsprinzip? Untersuchungen zur Sapir-Whorf-Hypothese. Glinz 61973, Die innere Form des Deutschen. Eine neue deutsche Grammatik. [1952] Glinz 1987 a, Grundsätzliches über grammatische Begriffe und grammatische Termini, in Grammatische Terminologie in Sprachbuch und Unterricht, Bausch/Grosse (Hg.). Glinz 1992, Handbuch Deutsch und Fremdsprachen, Grammatik und Verstehen, Deutsch—Franzö-
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sisch—Englisch—Latein. Pinxten (Hg.) 1976, Universalism versus Relativism in Language and Thought. Proceedings of a Colloquium on the Sapir-Whorf-Hypotheses. Sitta 1971, Semanteme und Relationen. Zur Systematik der Inhaltssatzgefüge im Deutschen. Weisgerber 1958, Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung von Menschen und Sachen. Weisgerber 1963, Die vier Stufen in der Erforschung der Sprache.
Hans Glinz, Wädenswil (Schweiz)
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Die linguistische Wende Sprache und Logik Wahrheitstheorien Singulare Terme Sprache, Erfahrung und Ontologie Literatur in Auswahl
Die linguistische Wende
1.1. Natürliche und künstliche Sprachen Seit der sogenannten ›sprachlichen Wende‹ (linguistic turn) herrscht in den Kreisen der analytischen Philosophie die Ansicht vor, daß logisch-linguistische Untersuchungen für die Behandlung philosophischer Fragen von entscheidender Bedeutung sind. Diese allgemein geteilte Überzeugung hat zu einer Reihe von Entwicklungen geführt, die z. T. scharf voneinander abweichen. In Abhebung zur klassischen Metaphysik, die von den Neopositivisten der Dreißigerjahre als sinnlos verworfen wurde, halten die Vertreter der analytischen Richtung dafür, daß die Art, wie wir über die Welt sprechen oder wie wir über sie sprechen sollten, eine erkenntnistheoretisch grundlegende Rolle spielt. An einem Extrem glauben Autoren wie Bertrand Russell (1872—1970) mit seiner frühen Lehre des logischen Atomismus oder wie Gilbert Ryle (1900—1976), John Langshaw Austin (1911—1960), Richard Mervyn Hare (* 1919), Peter Frederick Strawson (* 1919) und andere Anhänger der alltagssprachlichen Schule (s. Art. 60), daß die Struktur der Sprache die Form der wirklichen Sachverhalte widerspiegelt, während im radikal metaphysikfeindli-
chen Wiener Kreis jeglicher unmittelbare, d. h. nicht sprachlich vermittelte Zugang zu einer äußerlich gegebenen Wirklichkeit als grundsätzlich unverständlich abgelehnt wurde. In Anlehnung an Ludwig Wittgenstein (1889—1951) (s. Art. 39) haben die Mitglieder des Wiener Kreises, wie auch Alfred Jules Ayer (1910—1989) in Language, Truth, and Logic das tut, die Tätigkeit des Philosophen auf ›logische‹ Begriffs- oder Sprachanalyse eingeschränkt und die Behandlung von eigentlichen Sachfragen ausschließlich den empirischen Wissenschaften zugewiesen. Auf beiden Seiten wird vorausgesetzt, daß wir, anders als im Falle der Außenwelt, einen direkten Zugang zur Sprache haben, der es uns erlaubt, die Funktionen von sprachlichen Ausdrücken objektiv zu erfassen. Im Gegensatz zu den Verteidigern der gewöhnlichen Sprache streben die Verfechter einer idealen, formalen Sprache eine durchgreifende Reform an. Vermittelst eines expliziten Systems von syntaktischen und semantischen Regeln wollen sie die Sprache, die sie als eine Schöpfung menschlicher Konventionen betrachten, so reglementieren, daß die in ihrem natürlichen Zustand auftretenden Mängel behoben werden. — Die Spaltung läßt sich an der Streitfrage weiter verfolgen, ob Sprache — wie etwa John Roger Searle (* 1932) behauptet — primär als Medium für soziale Interaktion oder aber — im Anschluß an Gottlob Frege (1848—1925) (s. Art. 34) — als Instrument für die Formulierung wahrer Aussagen zu gelten hat. Ich glaube jedoch nicht, daß die beiden Positionen in dem Maße unverträglich sind, wie das die hartnäckige Rivalität zwischen den Auffassungen der Kommu-
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nikationstheoretiker und der formalen Semantiker nahezulegen scheint (s. Art. 54, 55). Am Ende meiner Darstellung werde ich für eine Haltung plädieren, die auch dem intentionalen Aspekt der Sache gerecht wird. Trotz der Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen der Rede als einer Summe von verbalen Handlungen im Rahmen einer bestimmten Gemeinschaft und der Sprache als einem abstrakten System aufgrund von Regeln verbundener Zeichen, dürfen wir uns den Blick für ihre gegenseitige Abhängigkeit — im besonderen die Abhängigkeit der Semantik vom jeweiligen Kontext — nicht trüben lassen. Philosophen haben künstliche Symbolsprachen in Form von interpretierten formalen Systemen zu verschiedenartigen Zwecken verwendet, u. a. zur Formalisierung spezifischer Theorien, aber vor allem auch für die Konstruktion dessen, was man als ideales Ausdrucksmittel betrachtet hat. Ein künstliches Sprachsystem wird zunächst dadurch bestimmt, daß man sein Vokabular angibt, das sich im Falle der klassischen Quantorenlogik im wesentlichen aus den folgenden Bestandteilen zusammensetzt: (1) den satzlogischen Konstanten (der Negation ‘~’, der Adjunktion ‘∨’, der Konjunktion ‘⋀’, dem Konditional ‘→’ und dem Bikonditional ‘↔’), (2) den konstanten singulären Termen (Eigennamen, Kennzeichnungen etc.), (3) den Individuenvariablen (‘x’, ‘y’, ‘z’, ‘x′’, ‘x″’, ‘y′’ etc.), (4) den Quantoren ‘⋀ x’ (für alle x), ‘∨ x’ (es gibt ein x) und ein- oder mehrstelligen Prädikaten (‘F′’, ‘G’, ‘H’ etc.). Es ist zu bemerken, daß Willard Van Orman Quine (* 1908) aus seiner kanonischen Notation Individuenkonstanten eliminiert, um eine Version zu erhalten, die nur noch rein q uantifikatorische Formeln enthält. Die syntaktischen Regeln dienen dazu, die grammatisch korrekt gebildeten Ausdrücke zu bestimmen, wie z. B. die atomaren Satzfunktionen (in Quines Terminologie: die offenen Sätze), die zusammengesetzten offenen Sätze oder die geschlossenen Sätze, während die semantischen Regeln die Interpretation des Systems liefern, indem sie u. a. den Wertbereich der Variablen und die Extension der Prädikate festlegen, was uns erlaubt, die Wahrheit oder Falschheit von Sätzen zu definieren. — Wenn es sich darum handelt, ein besonderes Gebiet der Mathematik oder der Wissenschaft zu formalisieren, werden zusätzlich zum rein logischen Apparat spezifische, theoretische oder deskriptive Konstanten mit den entsprechenden Axiomen eingeführt, was ein kalkülmäßiges Umgehen
III. Positionen
mit der Theorie sowie ihre klare, systematische Darstellung ermöglicht. Einem solchen vergleichsweise bescheidenen und unumstrittenen Anspruch halten Philosophen mit einer stark formalistischen Ader das Ideal einer künstlichen Universalsprache entgegen, in der alles, was wissenschaftlich von Belang ist, ausdrückbar wäre und die die natürliche Sprache ersetzen soll. In der Folge von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) (s. Art. 23) zeigen — trotz verschiedener philosophischer Positionen — Frege, Russell, der Wittgenstein des Tractatus, vor allem aber Quine und Donald Davidson (*1917) eine Neigung in diese Richtung. Quine als extremer Reformator hofft sogar, daß wir für unser gesamtes Wissen mit einer rein extensionalen, objektbezogen interpretierten Version der Quantifikationstheorie mit Identität ein Auskommen finden. Die Gründe, die zugunsten einer solchen Auffassung angeführt werden, sind meist pragmatischer Natur und betreffen die Vorzüge, die formale Systeme aufzuweisen haben; die streng gefaßten Regeln liefern nicht allein die Gewähr für eine genaue Formulierung der Gedanken, sondern auch Schutz vor Widersprüchen — im besonderen vor den sogenannten logischen oder semantischen Paradoxien. Indem sie all die Vagheiten und Mehrdeutigkeiten, die natürliche Sprachen verseuchen, beseitigen, bringen sie die Systematik in das Unternehmen hinein, die erforderlich ist, um unter anderem auszumachen, wie sprachliche Ausdrücke dazu kommen, Bedeutungen zu haben, und welches die ontologischen Verpflichtungen sind, die wir durch den Gebrauch eines bestimmten sprachlichen Systems eingehen. Die Meinung ist allerdings nicht die, daß die Symbolsprache für alltägliche Zwecke verwendet werden sollte; es genügt aufzuzeigen, daß gewöhnliche Wendungen, sofern sie sinnvoll sind, sich prinzipiell in Sätze der künstlichen Notation übersetzen lassen. Die Kontroverse zwischen den Anhängern der natürlichen und den Verteidigern formaler Sprachen hat früh eingesetzt und dauert trotz allgemeiner Anerkennung der Nützlichkeit formaler Verfahren an. Rudolf Carnap (1891—1970) hat die natürliche Sprache, zu der wir nach ihm durch empirische Untersuchungen einen objektiven Zugang finden (Carnap 1956a), für die Konstruktion von künstlichen Systemen verwendet, wobei es ihm später weniger um die Paraphrase irreleitender alltäglicher Redewendungen zu tun war, als um die Schaffung neuer Ausdrucks-
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie
formen, die sich für die Bedürfnisse der theoretischen Wissenschaften als fruchtbar erweisen. Mit dieser mehr kreativen Einstellung wurden die Rollen gewissermaßen vertauscht, indem nun auf der Metastufe die gewöhnliche Sprache dazu dient, die Symbolsprache aufzubauen und zu interpretieren. Gegen ein solches Vorgehen wenden die Gegner nicht sehr überzeugend ein, daß das Erklären von sprachlichen Ausdrücken wesentlich von einem allgemeinen Gebrauchskontext abhängt, wie wir ihn nach Wittgenstein in der ererbten Lebenswelt vorfinden, und daß das Verständnis solch ursprünglicher Rede weder durch explizite Definitionen noch durch syntaktische oder semantische Regeln gefördert werde, sondern allein durch das, was Strawson und andere ‘deskriptive Metaphysik’ nennen, d. h. durch sorgfältiges Studium der Sprache, die wir von Kindheit an erlernt haben. — Eine für die Wissenschaftstheorie wichtige Folge der Relativierung von Erkenntnis auf begriffliche Rahmen zeigt sich in der von Thomas Samuel Kuhn (*1922) formulierten These über die Inkommensurabilität von Theorien, die verschiedenen Paradigmen entspringen (s. Art. 73). In Analogie zu Benjamin Lee Whorfs (1897—1941) allgemeiner Vorstellung legt sie nahe, daß nicht allein das Verständnis der theoretischen Terme, sondern auch die Art der Experimente sowie die Deutung der Resultate durch den Forschungskontext beeinflußt wird, wodurch ein objektiver Vergleich des Wahrheitsgehaltes von rivalisierenden Theorien vereitelt wird. Der Fortschritt kann deshalb nicht den rationalen, kumulativen Gang annehmen, der ihm gewöhnlich zugeschrieben wird. Extreme Relativisten wie etwa Paul Karl Feyerabend (*1924) bemühen sich nachzuweisen, daß tatsächlich oft rein propagandistische Mittel am Werk sind, und sie ziehen daraus Konseq uenzen in Richtung auf eine anarchistische Methodologie. Dem Gespenst des totalen Relativismus (s. Art. 74), wie er es nennt, begegnet Quine mit einer holistischen Konzeption, die zwar eine doppelte ontologische Relativität einräumt, zugleich aber zeigt, wie diese sich in der Hintergrundtheorie auffangen läßt. Er betrachtet formale Systeme als integrierende Bestandteile oder als Erweiterungen der natürlichen Sprache als eines Ganzen, die für deren klar erfaßten und den Methoden Alfred Tarskis (1902—1983) zugänglichen Teilbereiche eine alternative Notation anbieten. Seinem Vorbild folgend, hat Davidson die schwierige Aufgabe auf sich genommen, auch
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diejenigen Gebiete einer systematischen Explikation zu unterwerfen, die sich — wie z. B. die Einstellungs- und Handlungssätze (s. Art. 80) — bisher einer q uantorenlogischen Behandlung am hartnäckigsten widersetzt haben (Davidson 1980; 1984 a). Obgleich ich nicht wie Quine an die Möglichkeit einer objektiven Auszeichnung der klassischen Quantifikationstheorie als der wahren, d. h. im Zusammenhang der Gesamtwissenschaft empirisch bestätigten Logik, glaube, bleibe ich, von einem methodologischen Standpunkt aus betrachtet, überzeugt, daß formale Sprachen als für vielfältige Zwecke einsetzbare Instrumente dem Philosophen unschätzbare Dienste erweisen. Deshalb stimme ich den Vertretern der Oxford/ Cambridge-Tradition nicht zu, wenn sie behaupten, daß die Analyse alltagssprachlicher Redewendungen für den Zweck philosophischer Erklärungen fruchtbarer sei als die Konstruktion technischer Begriffe, die ihrer Ansicht nach allzuoft in bloße Abstraktionen abschweifend, die ursprüngliche Problemlage verzerrt und deshalb zu illusorischen Lösungen führt. Immerhin gestehe ich ihnen zu, daß die natürliche Sprache, wenn zwar nicht das letzte, so doch das erste Wort beim Aufbau der Erkenntnis bedeutet, wie das Austin in A Plea for Excuses (1956/57, 185) ausdrückt. Denn, um künstliche Systeme mit all ihren logischen Tugenden zu schaffen, müssen wir sie als (letzte) Metasprache verwenden. Im Gegensatz zu den Holisten Quinescher Observanz mache ich mich allerdings nicht zum Anwalt einer Einheitssprache, sondern setze mich für einen abgewogenen Pluralismus instrumentaler Ausrichtung ein. 1.2. Die historische Entwicklung im 20. Jahrhundert Im Lager der logischen Empiristen (Neopositivisten) war man sich neben anderweitigen Meinungsverschiedenheiten in dem Punkte einig, daß eine streng logische Analyse der Sprache jegliche Metaphysik als baren Unsinn entlarven sollte. Als bedeutungsvoll wurden allein analytische und (im Prinzip) verifizierbare synthetische Sätze zugelassen. Die ersteren werden dadurch charakterisiert, daß ihre Wahrheit aufgrund der bloßen Kenntnis der Bedeutung der in ihnen verwendeten Wörter einzusehen ist; im Falle der letzteren wird der Sinn durch die Methode ihrer Verifikation bestimmt. Dieser Vorstellung gemäß gelten die Wahrheiten der Logik sowie der Mathematik als sprachlich determiniert, während
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alle synthetischen Sätze, die nicht empirisch belegbar sind, ausscheiden. Im Unterschied zu gewissen klassischen Empiristen, die wie David Hume (1711—1776) noch zögernd oder wie John Stuart Mill (1806—1873) (s. Art. 30) mit Entschiedenheit die Mathematik für das Ergebnis einer extremen Form von empirischer Verallgemeinerung hielten, betrachtete man im Wiener Kreis die Formalwissenschaften als ein apriorisches Wissen, das letztlich einer Konvention entspringt, nämlich dem Beschluß, sprachliche Symbole in einer bestimmten Weise zu verwenden. Dadurch wurde es möglich, sowohl die metaphysischen Begründungen des traditionellen Rationalismus wie auch die psychologisierenden Tendenzen der klassischen Empiristen zu vermeiden (s. Art. 11, 12). Zugleich ergibt sich daraus die spezifische Rolle der Philosophie, im besonderen der Erkenntnistheorie, die sich, im Unterschied zu den Wissenschaften, nicht mit Sachfragen beschäftigt, sondern mit der Analyse der sprachlichen Mittel, mit deren Hilfe wir die Welt beschreiben. Nachdem Carnap, anfänglich vor dem schwierigen Problem des Gehalts oder der Bedeutung zurückscheuend, das Interesse hauptsächlich auf syntaktische, die logische Struktur der Sprache betreffende, Aspekte gerichtet hatte, wurden bald auch Semantik und Pragmatik mit einbezogen, wobei Quine als erklärter Empirist sich bemüht hat, nach behavioristischem Vorbild sämtliche sprachliche Erscheinungen auf Sprachverhalten zurückzuführen (s. Art. 50). — Die Entfaltung des neopositivistischen Programms wurde nicht nur durch den mißlichen Zustand angeregt, in den die nachkantischen Metaphysiker die Philosophie gestürzt hatten, sondern vor allem durch die Erfolge, die Russell dank der von ihm und Alfred North Whitehead (1861— 1947) in den Principia Mathematica entwikkelten Techniken beim Lösen philosophischer Probleme erzielt hatte. Seine berühmt gewordene Theorie der Kennzeichnungen galt als Muster dafür, wie man aufgrund logischer Analyse die eigentliche Funktion von Ausdrücken ermitteln kann. Die reduktionistischen Neigungen, wie sie sich exemplarisch in Carnaps Der logische Aufbau der Welt manifestieren, wurden offensichtlich durch den großangelegten Versuch, Mathematik auf Logik zu reduzieren, gefördert. Die Typenlehre hatte den Weg zur Verhinderung von sinnlosen, zu Widersprüchen führenden Begriffen — wie etwa der Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten — gewiesen, indem sie
III. Positionen
aufzeigt, wie man deren Bildung mittels syntaktischer Regeln abblockt. — In Logische Syntax der Sprache hat Carnap seine Auffassung über die q uasisyntaktischen Sätze entwickelt, nach welcher in der materialen Redeweise formulierte Aussagen, wie z. B. ‘Fünf ist eine Zahl’, nur scheinbar von Objekten handeln. In Wirklichkeit haben sie keinen faktischen Inhalt, weil sie eine bloß grammatische Unterscheidung festhalten, die innerhalb des begrifflichen Rahmens der Arithmetik definitorisch, d. h. analytisch, gilt und daher korrekterweise in syntaktischer Form als ‘‘Fünf’ ist ein Zahlwort’ wiederzugeben ist. Entsprechend gehen wir nach ihm mit der Behauptung ‘Zahlen sind Mengen von Mengen’ keinerlei ontologische Verpflichtung ein, denn sie besagt richtig verstanden nichts weiter, als daß Sätze der arithmetischen Sprache, in denen das Wort ‘Zahl’ vorkommt, in äq uivalente Sätze der Mengenlehre mit dem Term ‘Menge’ an dessen Stelle übersetzt werden können. Wenn es Carnap damit gelingt, einem müßigen metaphysischen Streit auszuweichen, so bleibt doch die Frage nach der richtigen Wahl des Darstellungssystems zurück. Auf sein Toleranzprinzip (Carnap 1934, 51) gestützt, antwortet er, daß es sich nicht um ein theoretisches, sondern um ein pragmatisches Problem handelt, das man löst, indem man die praktischen Folgen abwägt, um sich auf den vorteilhaftesten Entscheid zu einigen. In Empiricism, Semantics and Ontology unterscheidet er zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Existenzfragen, die er als ‘interne’ und ‘externe’ bezeichnet. Solche des ersteren Typs stellen sich im Rahmen eines gegebenen Kontextes, innerhalb von welchem u. a. die semantischen Regeln die referentielle Funktion der Ausdrücke bestimmen, so daß wir — im Falle von physikalischen Objekten — aufgrund von empirischen Untersuchungen über die Wahrheit von synthetischen Existenzbehauptungen oder aber — im Falle von abstrakten Objekten — aufgrund der sprachlichen Regeln über die Wahrheit von analytischen Existenzaussagen befinden. Interne ontologische Bestimmungen fallen somit unter die Zuständigkeit der jeweiligen Theorie, deren linguistischer Apparat die Formulierung sowie die Prüfung von Existenzsätzen festlegt. — Über externe Fragen dagegen läßt sich nicht objektiv entscheiden. Carnap verwirft jegliche Anspielung auf eine mögliche Aufdeckung der ›wahren‹ Natur der wirklichen Welt durch eine ideale Sprache als metaphysisch, und er bestreitet auch die Richtigkeit
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie
der von Quine vorgeschlagenen Alternative, wonach der von der Theorie untrennbare logisch-linguistische Apparat gemeinsam mit dieser vor den Gerichtshof der Erfahrung gestellt und eventuell bestätigt wird. Denn nach ihm besteht insofern eine Kluft zwischen Bedeutung und Wahrheit, als man den Sinn einer Aussage verstanden haben muß, bevor man ernsthaft an ihre Verifikation denken kann. Mit der Auffassung, daß uns im Hinblick auf den jeweils verfolgten Zweck die Wahl zwischen verschiedenen Darstellungssystemen offen steht, hat Carnap vermutlich Nelson Goodmans (* 1906) pluralistischer Sicht in Ways of Worldmaking den Weg geebnet, dergemäß es keine von einem Darstellungssystem unabhängige Wirklichkeit gibt. Wir können die Welt auf vielfältige Weisen beschreiben, von denen sich keine als die ›wahre‹ auszeichnen läßt, denn die Verwendung eines Sprachsystems hat weniger eine Abbildung von gegebenen Sachverhalten zum Inhalt als vielmehr ein aktives Ergreifen, Auswählen, Organisieren, Klassifizieren und Konstruieren, wodurch die sogenannte Wirklichkeit erst konstituiert wird. Im Wiener Kreis bestanden Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der idealen Sprache. Wegen der Forderung nach einer Letztbegründung, die die Gewißheit der Erkenntnis verbürgen sollte, neigte man zunächst zu einem System phänomenalistischer Art, weil man Sätze, die nur auf unmittelbare Erlebnisse zurückgehen, für unkorrigierbar hielt. Als sich die Kontroverse über Beobachtungsterme und die besondere Natur der sogenannten Protokoll- oder Basissätze als unentwirrbar enthüllte, entschied man sich mehr und mehr zugunsten einer physikalistischen Haltung, wie sie später in ihrer reinsten Form durch Quine verkörpert wurde. Diese schließt allerdings einen Verzicht auf absolute Sicherheit ein, so daß man letztlich die grundsätzliche Revidierbarkeit aller Sätze, also auch der Beobachtungssätze, einräumen mußte. Dadurch wurde der Abbildtheorie, wie sie dem frühen Wittgenstein vorschwebte, der Todesstoß versetzt — zugleich aber auch das Verifikationsprinzip gefährdet. Denn ohne Voraussetzung von objektiven Sachverhalten, deren logische Struktur zwar durch die Sprache widergespiegelt wird, die aber doch unabhängig von ihr gegeben sind, läßt sich nicht einsehen, wie die Bedeutung eines Satzes aufgrund seiner Wahrheitsbedingungen ausgemacht werden soll. In diesem Zusammenhang gewinnt Otto Neuraths (1882—1945) berühmte Metapher vom Erkenntnistheoretiker
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als eines Schiffers, der auf offener See sein Boot flott hält, ohne die Aussicht zu haben, es je ans trockene Ufer zu bringen, insofern ihre volle Geltung, als es nun natürlich erschien, die Aufmerksamkeit auf die Planken des treibenden Gefährts selbst — im wesentlichen also auf die Sprache — zu richten. In dieser Weise gelangte man dazu, die Rolle des Philosophen zu vertauschen, indem er nunmehr seine Tätigkeit — statt auf das ohnehin unerkennbare Wesen der Wirklichkeit — auf die Erforschung des begrifflichen Instrumentariums verlegt, dessen wir bedürfen, wenn wir eine wahre Beschreibung der Welt anstreben. Im besonderen wird es sich darum handeln, die Konventionen, d. h. das komplexe System von Regeln, genauer zu untersuchen, die diesem zugrundeliegen, um sie nötigenfalls mittels der neuentwickelten Techniken der mathematischen Logik zu verbessern. Seine spezifische Aufgabe als eines Grundlagenforschers unterscheidet sich somit von derjenigen des Wissenschaftlers darin, daß er die begrifflichen Rahmen analysiert, innerhalb von welchen über die Wahrheit oder Falschheit theoretischer Aussagen befunden wird. — Kennzeichnend für das Programm der Sprachanalyse bleibt die allgemeine Überzeugung, daß einzelne Wörter, Sätze oder sprachliche Systeme einen objektiv bestimmbaren Gehalt in Form einer festen Bedeutung besitzen, der aufgrund von Untersuchungen spezifisch philosophischer Natur freigelegt werden kann. Dabei scheint sich die Ansicht verbreitet zu haben, daß die sprachlichen Gebilde selbst nicht zur Welt gehören und entsprechend auch nicht der den Gegenständen der Wissenschaften eigentümlichen Relativität unterworfen sind. Solch einer idyllischen Vorstellung setzte jedoch Quine als konseq uenter Empirist ein Ende, indem er im Zusammenhang mit seiner Lehre von der ontologischen Relativität die umstrittene These der Unbestimmtheit der Übersetzung (s. Art. 73) und in ihrem Gefolge diejenige der Unerforschlichkeit der Referenz in die Diskussion warf. Mit Genugtuung stellt er fest, daß Philosophie nach Verbreitung seiner Einsicht nie mehr ganz das sein wird, was sie früher war.
2.
Sprache und Logik
2.1. Wahrheit und Bedeutung 2.1.1. Seit 1879, dem Veröffentlichungsjahr von Freges Begriffsschrift, haben sich unzählige logische Systeme verschiedenster Art in
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unüberblickbarer Weise entfaltet (s. Art. 111). Freges syntaktische Darstellung oder Kalkülisierung der Aussagen- und Prädikatenlogik wurde zunächst von Russell und Whitehead in den Principia Mathematica systematisch entwickelt und darauf u. a. durch Autoren wie Emil Leon Post (1897—1954), Leopold Löwenheim (1878—1957), Leon Henkin (* 1921) und Tarski mit einer formalen Semantik versehen, während Alonzo Church (* 1903) und Kurt Gödel (1906—1978) eine lange Reihe von metalogischen Untersuchungen eingeleitet haben. Daneben wurden immer mehr sogenannte ›abweichende Logiken‹ entworfen (s. Art. 75). Solche intensive Tätigkeit ist im Lager der analytischen Philosophen nicht nur auf reges Interesse gestoßen, sondern hat auch einen nachhaltigen Einfluß auf die spezifisch philosophischen Auseinandersetzungen ausgeübt, zum Beispiel auf den Streit um die Deutung des ‘wenn — dann’ als materiale Implikation oder Konditional, oder auf die bekannte, zwischen Quine und Ruth Barcan Marcus (* 1921) ausgefochtene Debatte über eine objektbezogene oder eine substitutionelle Interpretation der Quantoren. In der Sprachphilosophie geht es wesentlich darum, die den sprachlichen Systemen zugrundeliegenden Regeln kritisch zu beurteilen. Für die Zwecke einer allgemeinen Bedeutungstheorie (s. Art. 68), d. h. für eine Erklärung der logischen — im Gegensatz zu den psychologischen — Mechanismen, die das Verstehen von sprachlichen Ausdrücken bedingen, haben sich die Techniken der formalen Semantik als nützlich erwiesen, weil sie es uns erlauben, das dem Sprechverhalten zugrundeliegende Sprachsystem mit Hilfe von präzisen Begriffen zu analysieren (s. Art. 55). Indem sie eine exakt formulierte Wahrheitstheorie (s. Art. 69) anbietet, erhellt sie die referentielle Funktion der sprachlichen Gebilde, d. h. ihre Beziehung zu den Gegenständen in der wirklichen Welt. Die wahrheitsfunktionale Definition der satzlogischen Junktoren sowie die Behandlung von Quantifikationen durch die Einführung von Individuenvariablen und Quantoren fängt in der Tat die wesentliche Funktion der analogen Terme in der natürlichen Sprache ein. Dabei handelt es sich nicht um eine bloße Kurzschrift, die Zeit erspart, sondern um das Aufdecken eines strukturellen Zusammenhanges, der relevante Folgebeziehungen zum Ausdruck bringt. Wie wenig die logische Tiefenstruktur gewisser Sätze durch die Oberflächengrammatik widergespiegelt wird, ließe
III. Positionen
sich an Davidsons Analyse der Handlungssätze illustrieren, in welcher er zur Einsicht gelangt, daß wir, wenn wir z. B. einen Satz wie ‘Hans spaziert im Regen’ in der kanonischen Notation wiedergeben wollen, nicht darum herumkommen, über Ereignisse zu q uantifizieren. Denn nur eine Übersetzung in der Form ‘∨ x (John spaziert x und x geschieht im Regen)’ garantiert den intuitiv zwingenden Schluß auf ‘∨ x (John spaziert x)’. Es mag zwar sein, daß Davidson damit das Ziel einer idealen formalen Darstellung verfehlt. Die Unnatürlichkeit der Paraphrase — alltagssprachlich wirkt sie widerborstig — darf jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß sie, aus Quinescher Perspektive betrachtet, einen wichtigen ontologischen Zug derartiger Aussagen ans Licht fördert. — Den Adepten künstlicher Sprachen schwebt im allgemeinen der Gedanke vor, daß allein eine formale Wahrheitstheorie den Schlüssel zu einer angemessenen Erklärung von Bedeutung liefern kann. Denn die Fähigkeit, noch nie gehörte Sätze zu verstehen, muß irgendwie von der Beherrschung eines mehr oder weniger bewußt angewendeten Systems von rekursiven Regeln abhängen, die es erlauben, den Wahrheitswert komplexer Aussagen aufgrund der Wahrheitswerte der in ihnen enthaltenen elementaren Sätze zu bestimmen. Der Bezug auf die Welt wird dadurch hergestellt, daß man den singularen und allgemeinen Termen eine Extension zuordnet. Der Nebel, in welchem die allzu vage formulierte Verifikationstheorie der Bedeutung verhüllt war, scheint sich zu lichten: um z. B. die Wahrheit von ‘Elektronen haben eine negative Ladung’ sicherzustellen, haben wir — im Kontext einer empirischen Theorie, nämlich der Atomphysik — mit Hilfe von experimentellen Verfahren zu prüfen, ob auf alle Objekte im Wertbereich der Variablen, die das Prädikat ‘ist ein Elektron’ erfüllen, auch das Prädikat ‘hat eine negative Ladung’ zutrifft, während es für die Einsicht in die Wahrheit von ‘Junggesellen sind unverheiratete Männer’ keiner empirischen Ermittlung bedarf. Die Tatsache, daß der letztere Satz analytisch gilt, wird so gedeutet, daß die beiden allgemeinen Terme notwendig die gleiche Extension haben, d. h. daß sie synonym sind. — In seinem klassischen Aufsatz Two Dogmas of Empiricism wendet Quine ein, daß eine solche Auffassung trotz ihrer verführerischen Einfachheit unhaltbar sei. Die Dogmen, auf die er abzielt, sind einerseits die These des Reduktionismus, wonach jeder sinnvolle Satz
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie
mit einem logisch rekonstruierten Gegenstück, das nur mehr sich auf unmittelbare Wahrnehmungen beziehende Terme enthält, äq uivalent sein soll, und andererseits die nach ihm ungerechtfertigte Annahme von allein aufgrund der Bedeutung der in ihnen vorkommenden Wörter als wahr zu geltenden Sätzen. Die explizite Version der Verifikationstheorie setzt die Möglichkeit einer strikten Unterscheidung zwischen analytischer und synthetischer Wahrheit voraus; denn ohne sie ließe sich der Begriff der Synonymität nicht definieren und entsprechend auch nicht jedem synthetischen Satz einzeln eine auf unmittelbare Erfahrungen beruhende Bedeutung zuordnen (s. Art. 86). Indem er diesen Pfeiler untergräbt, beabsichtigt Quine allerdings nicht, dem Empirismus jegliche Grundlage zu entziehen; er will ihn vielmehr auf eine methodisch besser gesicherte, d. h. von zweifelhaften Dogmen bereinigte Basis stellen. 2.1.2. Die Unterscheidung zwischen notwendigen und kontingenten Wahrheiten ist metaphysischer, diejenige zwischen apriorischen und aposteriorischen Wahrheiten erkenntnistheoretischer Natur. Während Immanuel Kant (1724—1804) glaubte, daß echte Erkenntnis aus synthetischen Urteilen a priori, d. h. aus empirisch nicht inhaltsleeren, aber trotzdem streng allgemeingültigen Sätzen bestehen müsse, beharrt Saul Kripke (* 1940) in Naming and Necessity darauf, daß es notwendig wahre Sätze a posteriori gibt. Seit Frege werden andererseits analytische Sätze als solche bestimmt, die entweder logisch wahr sind oder sich aufgrund von Definitionen (x ist ein Junggeselle ⇋ x ist ein unverheirateter Mann) auf logische Wahrheit zurückführen lassen. Wegen seiner Skepsis Intensionen gegenüber weigert sich Quine, logische Wahrheit mit Hilfe von modalen Begriffen, wie sie in der Mögliche-Welten-Semantik (s. Art. 88) verwendet werden, zu definieren. Nach ihm charakterisiert man sie am besten durch die Tatsache, daß in ihr außer den logischen Konstanten alle Terme leer vorkommen, d. h. daß der Satz bei beliebigen Substitutionen für Ausdrücke aus dem deskriptiven Vokabular wahr bleibt. Der Absicht der Neopositivisten gemäß sollte nun der Begriff der Analytizität (s. Art. 86) der Erklärung dienen, wie es überhaupt dazu kommt, daß wir die Wahrheit von gewissen Propositionen völlig unabhängig von empirischen Sachverhalten zu erfassen vermögen. Auf den Einwand, daß Bedeutun-
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gen von Wörtern sich ändern und daß deshalb ein analytischer Satz sich in einen synthetischen verwandeln könne, wurde entgegnet, daß er in einem solchen Falle nicht mehr die ursprüngliche Proposition ausdrücke. Quine weist jedoch das Argument zurück, weil er sich als Empirist weigert, Propositionen als intensionale Objekte anzuerkennen. Bedeutungen als abstrakte Ausstellungsstücke in einem platonischen Museum bleiben der Beobachtung unzugänglich; andererseits erweisen sie sich, behavioristisch erklärt, als indeterminiert, wie die Untersuchungen, die zur Einsicht in die Unbestimmtheit der Übersetzung geführt haben, zeigen (s. Art. 73). — In Two Dogmas of Empiricism bemüht sich Quine im wesentlichen um den Nachweis, daß alle bisherigen Versuche, Analytizität mit Hilfe von Synonymität (im Sinne der Ersetzbarkeit salva veritate), von Definitionen oder von semantischen Regeln zu erklären, letztlich in einen Zirkel einmünden; in späteren Arbeiten, besonders in Word and Object, führt er die näheren Gründe aus, weshalb es nicht gelingt, aus dem Kreis dieser unklaren intensionalen Begriffe auszubrechen. Quines Angriffe gegen die Dichotomie beruhen letztlich auf einer Form von semantischem Holismus, demgemäß — mit Ausnahme der Beobachtungssätze, die als einzige bis zu einem gewissen Grade über einen eigenständigen empirischen Gehalt verfügen — alle Sätze, einschließlich derjenigen der Logik, ihre Bedeutung erst aufgrund der komplexen Relationen empfangen, die sie unter sich innerhalb des Begriffsnetzes der Gesamttheorie aufweisen. Als integrierender Bestandteil der Theorie werden sie nicht einzeln, sondern zusammen mit allen anderen Sätzen einer Prüfung unterzogen. Im Falle eines Mißerfolges könnte man — gestützt auf das methodische Prinzip, diejenige Korrektur vorzunehmen, die, im ganzen betrachtet, am wenigsten Störungen verursacht — durchaus auch eine Revision der Logik in Erwägung ziehen. Daß dies in der Praxis äußerst selten geschieht, liegt allein an der Tatsache, daß gewöhnlich Änderungen an den allgemeinsten Sätzen sehr weitläufige und unabsehbare Folgen haben. Daher will sich Quine vorläufig auch nicht bereit erklären, die bewährte klassische Quantifikationstheorie aufzugeben. Was er somit anbietet, ist eigentlich eine Art von organischer Verifikationstheorie, die — im Gegensatz zu der atomistischen der Vorgänger — die Möglichkeit einer isolierten, gleichsam ›absoluten‹ Bedeutung einzelner Ausdrücke ausschließt. Seine
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Auffassung zieht allerdings Konseq uenzen nach sich, die mir bedenklich erscheinen und auf die ich ausführlicher zurückkommen werde. Indem sie nämlich eine scharfe Trennung zwischen Theorie und Sprache vereitelt, macht sie die meines Erachtens wichtige, bereits in Carnaps Ansatz angelegte Unterscheidung zwischen der Revision einer Theorie oder empirischen Hypothese innerhalb eines vorgegebenen Begriffssystems und dem Aufgeben des begrifflichen Rahmens selbst unmöglich. — Die Philosophen, die den Gebrauch von formalen Sprachen fordern, bauen ihre Position auf der Zuversicht auf, daß die Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken mit Hilfe der Logik in präziser Weise erklärt werden kann. Ihrer Auffassung nach hängt Interpretation wesentlich von einer Wahrheitstheorie ab, die in systematischer und exakter Weise die unserem intuitiven Sprachverstehen zugrundeliegenden Regeln widerspiegelt. Die konnotativen Nuancen der natürlichen Sprache, die bei einem derartigen Rekonstruktions- und Reglementierungsvorgang verlorengehen, werden als bloß emotionale Begleiterscheinungen, auf die es in der Wissenschaft nicht ankommt, beiseitegeschoben. Einer radikal extensionalen Einstellung, wie sie einigen vorschwebt, stehen allerdings Hindernisse im Weg. Schon Frege, der Urheber des Unternehmens, hat darauf hingewiesen, daß singulare und allgemeine Tenne, aber auch Sätze, sowohl einen Sinn wie auch eine Bedeutung haben (s. Art. 81). Falls man, wie das in historisch nicht ganz getreuer Weise häufig geschieht, seine Terminologie so deutet, daß Bedeutung mit Extension und Sinn mit Intension gleichgesetzt ist, so darf man sagen, daß singulare Terme das einzige durch sie bezeichnete Ding, Prädikate die Menge der Objekte, auf die sie zutreffen, und Sätze einen Wahrheitswert als Extension haben, während ihre respektiven Intensionen in einem Individualbegriff, einem allgemeinen Begriff und einer Proposition (dem durch den Satz ausgedrückten ›Gedanken‹) bestehen. Wenn nun in einem Satz ein sogenannter leerer singularer Term, wie z. B. ‘Pegasus’, Russells ‘Der gegenwärtige König von Frankreich’ (s. Art. 78) etc., oder ein indexikalischer Ausdruck (Personal- und Demonstrativpronomen) vorkommt, geraten wir hinsichtlich seiner Wahrheitsbestimmung insofern in Schwierigkeiten, als der Satz im ersten Fall überhaupt keinen Wahrheitswert und somit auch keine mögliche Bedeutung zu haben scheint, während im zweiten Falle sich der Wahrheitswert mit
III. Positionen
wechselndem Kontext verändern müßte. Diese mißliche Lage betrachtet Strawson (1950 b) als ein ernsthaftes Indiz für die Undurchführbarkeit des formalsprachlichen Programms, das ja wesentlich danach ausgerichtet ist, die Frage nach den Wahrheitsbedingungen von den Umständen der Äußerung freizuhalten. — Eine weitere Schwierigkeit schaffen die von Quine ‘opak’, d. h. referentiell undurchsichtig, genannten Kontexte wie diejenigen der Anführung, der Modalitäten und der propositionalen Einstellungen (propositional attitudes) (s. Art. 80), weil in ihnen das Prinzip der Ersetzbarkeit salva veritate von äq uivalenten Ausdrücken versagt. Wenn wir nämlich in ‘‘Bern’ hat vier Buchstaben’, ‘notwendig (9 > 7)’ und ‘Hans weiß, daß Dr. Blau Augenarzt ist’ für die singularen Terme ‘Bern’ und ‘9’ sowie für den allgemeinen Term ‘Augenarzt’ extensional qä uivalente Ausdrücke wie ‘Die Hauptstadt der Schweiz’, ‘Die Anzahl der Planeten’ oder ‘Ophtalmologe’ substituieren, haben wir keine Gewähr dafür, daß der Wahrheitswert erhalten bleibt. In den beiden ersten Beispielen verwandeln wir den ursprünglichen wahren Satz offensichtlich in einen falschen; daß es neun Planeten gibt, ist eine kontingente Tatsache, da es rein logisch denkbar wäre, daß wir weitere derartige Himmelskörper entdecken werden. Frege, der das Problem gesehen hat, schlägt eine Lösung vor, die den Eindruck einer ad-hoc-Maßnahme hinterläßt. In ›ungeraden‹ Kontexten, wie er opake Kontexte nennt, soll der Wahrheitswert nicht mehr eine Funktion der Referenz, sondern des Sinnes (in seiner Terminologie) sein, was im übrigen die Annahme einer endlosen Hierarchie abstrakter Gegenstände in Form des Sinnes eines Sinnes etc. nach sich zieht. Sein Vorschlag erweist sich ferner in bezug auf singulare Terme, die nichts bezeichnen, als problematisch, weil im Falle etwa von ‘Pegasus ist ein geflügeltes Pferd’, wo kein intensionaler Kontext vorliegt, nicht einzusehen ist, wie das Referenzobjekt die Wahrheit bestimmen sollte. Frege, der die Abwesenheit eines solchen in der wirklichen Welt zugibt, greift zur Ausflucht, daß er ein durch (willkürliche) Konvention als zu der Extension des Prädikates ‘ist ein geflügeltes Pferd’ gehöriges Ding postuliert, das er durch einen Stern, ‘*’, markiert. — Angesichts der geschilderten Situation ist es nicht erstaunlich, daß Quine, der die Nützlichkeit der formalen Semantik im rekursiven Charakter der Wahrheitstheorie ansetzt, grundsätzlich vor Intensionen zurückscheut. Da ›objektive‹ Bedeu-
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie
tungen der Art, wie Frege sie annimmt, keine möglichen Gegenstände einer empirischen Theorie sein können, hat man sie von einem empiristischen, d. h. in seinem Falle behavioristischen Standpunkt aus zu verwerfen. Seine Skepsis begründet er nicht allein durch das Fehlen eines brauchbaren Identitätskriteriums für Intensionen; abgesehen davon, daß ihre Einführung das Problem der opaken Kontexte keineswegs löst, argumentiert er, seinen nominalistischen Neigungen gemäß, daß die Ontologie durch die Aufnahme von Individualbegriffen, Eigenschaften und Propositionen nur unnütz aufgebläht wird. Eine wirklich brauchbare Erklärung der Sprache verspricht er sich allein aus einer Methode, die konkrete Ausdrucksformen mit dem Sprechverhalten der Menschen in Beziehung bringt. Man hat ihm vorgeworfen, daß er damit unfähig bleibt, in der Umgangssprache geläufige und scheinbar klare Ausdrucksweisen wie diejenigen der propositionalen Einstellungen, der Modalitäten etc. in sein philosophisches Konzept einzubeziehen. Daß der Vorwurf jedoch nicht zutrifft, beweisen unter anderem die Arbeiten von Davidson, in welchen dieser versucht, Handlungssätze der kanonischen Notation zugänglich zu machen. 2.2. Logische Regeln 2.2.1. Eine Formalisierung darf nicht mit einer bloßen Stenographie verwechselt werden. Sofern Logik es — unter Mißachtung der rhetorischen Aspekte — mit der Beurteilung von Argumentationsformen, im besonderen der Korrektheit von Schlußweisen zu tun hat, greift sie normierend in die Schaffung von Kunstsprachen ein. Der Begriff der Rationalität, mit welchem man operiert, hängt weitgehend von der jeweiligen Wahl der logischen Regeln ab. Eine gültige deduktive Folgerung wird allgemein dadurch charakterisiert, daß sie von wahren Prämissen immer zu einer wahren Konklusion führt. Dabei unterscheidet man in bezug auf ein gegebenes formales System den syntaktischen Begriff der Ableitbarkeit vom semantischen Begriff der logischen Wahrheit bzw. Folgerung. Syntaktische Gültigkeit wird so erklärt, daß P1, ..., Pn, K in L dann und nur dann gilt, wenn K aus P1, ..., Pnund den Axiomen von L (wenn das System solche enthält) aufgrund der Ableitungsregeln von L herleitbar ist: P1, ..., Pn L K Semantische Gültigkeit andererseits wird so bestimmt, daß P1, ..., Pn, K in L genau dann
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gilt, wenn K in allen Interpretationen, in denen P1, ..., Pnwahr sind, auch wahr ist: P1, ..., Pn L K Entsprechend nennt man ein System semantisch korrekt (sound), wenn alle seine Thesen (= Axiome und/oder Theoreme) wahr sind, und semantisch vollständig (complete), wenn umgekehrt jeder seiner wahren Sätze eine These ist. Von einem Formalismus wird man idealerweise erwarten, daß beides zutrifft, d. h. daß die Mengen der ableitbaren und der wahren Formeln zusammenfallen, was jedoch für umfassendere Systeme wie etwa die Arithmetik nicht der Fall ist, wie man seit Gödels Nachweis, daß es in ihr einen wahren Satz gibt, der weder beweisbar noch widerlegbar ist, weiß (Gödel 1931). Für den Philosophen erhebt sich die Frage, welcher Zusammenhang zwischen einer streng formalen Erklärung von Gültigkeit und einer Beurteilung der Korrektheit von Argumenten in der außersystematischen Alltagssprache besteht. Zweifellos spielen intuitive Überlegungen über die Akzeptierbarkeit von gewissen Schlüssen beim Entwerfen von logischen Systemen eine Rolle. Dasjenige, zu dessen Verwendung man sich in der Praxis entschließt, ist normalerweise das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen fest verankerten Intuitionen und Erwägungen systematischmethodologischer Art; denn es kommen — wie die Erfahrungen eines Lernenden bestätigen — auch Fälle vor, wo die Einfachheit oder die Wirkungskraft einer Regel uns dazu bewegen, gewohnte Anschauungen zu opfern. So hat sich vermutlich die klassische Quantorenlogik deshalb in weiten Kreisen durchgesetzt, weil sie einen für die Zwecke der Präzisierung, Verallgemeinerung und Vereinfachung annehmbaren Kompromiß zwischen dem alltäglich lockeren und dem mathematisch engen Gebrauch der logischen Partikel darstellt. Sie erlaubt es, die relevante Struktur freizulegen, ohne allzu stark von der gewöhnlichen Bedeutung abzuweichen. Da die Korrektheit eines Argumentes, wie man etwas vage zu sagen pflegt, allein von seiner Form abhängt, ist es in der Tat wichtig, die strukturellen Eigenschaften, auf die es ankommt, herauszuarbeiten. Dabei ist nicht zu erwarten, daß der Logiker sämtliche Nuancen mit einfängt, die den logischen Konstanten in natürlichen Sprachen anhaften. Der Verlust an ›Natürlichkeit‹ wird im Falle der Junktoren durch den in bezug auf Systematik entscheidenden Vorteil wettgemacht, daß die wahrheitsfunktionale Fassung der Aussagenlogik
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ein mechanisches Entscheidungsverfahren ermöglicht. Mit einem Blick auf das verfolgte Ziel, zum Beispiel die q uantorenlogische Analyse eines gegebenen Idioms, wird man einschränkend die Verwendung der Wörter ‘nicht’, ‘oder’, ‘und’, ‘wenn — dann’, ‘für alle’, ‘es gibt’ etc. so reglementieren, daß sie der Definition von ‘~’, ‘∨’, ‘⋀’, ‘→’, ‘⋀ x’, ‘∨ x’ etc. im formalen System entsprechen. Um die Gültigkeit eines natürlichsprachlichen Argumentes zu prüfen, ist im übrigen beim Übersetzen in die künstliche Sprache darauf zu achten, daß man mindestens so viel — idealerweise, nach Quines Maxime „where it doesn’t itch, don’t scratch“ (Quine 1960, 160), genau so viel — Struktur aufzudecken hat, wie für die Gewinnung der Konklusion erforderlich ist. Wenn man etwa die Gültigkeit des Schlusses von P auf K P: Alle Hunde sind Tiere K: Alle, die Hunde q uälen, q uälen Tiere aufzeigen will, genügt es nicht, die Prämisse P mit ‘p’ und die Konklusion K mit ‘q → r’ zu symbolisieren, da ‘p → (q → r)’ keine allgemeingültige Formel der Aussagenlogik ist. Ebensowenig führt die Einsetzung von ‘Fx’ für ‘x ist ein Hund’, ‘Gx’ für ‘x ist ein Tier’, ‘Hx’ für ‘x q uält einen Hund’ und ‘Mx’ für ‘x q uält ein Tier’ zum Erfolg, denn auch ‘⋀ x (Fx → Gx) → ⋀ x (Hx → Mx)’ ist kein allgemeingültiger Satz der Prädikatenlogik. Um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen, ist es erforderlich, das zweistellige Prädikat ‘Hxy’ (‘x q uält y’) einzuführen: ⋀ x (Fx → Gx) ⋀ x [Vy (Fy ⋀ Hxy) → ∨ y (Gy ⋀ Hxy)] In dieser Form nun läßt sich der Schluß tatsächlich ableiten, wodurch die Korrektheit unserer Intuition formal belegt wird. 2.2.2. Frege hat die in der traditionellen Grammatik übliche Subjekt-Prädikat-Struktur eines Satzes durch die Unterscheidung zwischen Funktion und Argument ersetzt, was es ihm erlaubt, auch Relationen, d. h. mehrstellige Prädikate, in die Quantorenlogik mit einzubeziehen. Die Satzfunktion ‘x liegt zwischen y und z’ [‘Fxyz’] wird z. B. durch das geordnete Tripel 〈Lyss, Bern, Biel〉, nicht aber durch 〈Lausanne, Vevey, Montreux〉 erfüllt. Diese Erweiterung ist insofern wichtig, als eine ganze Reihe von gültigen Schlüssen erst unter ihrer Voraussetzung zu gewinnen sind, wie das Beispiel mit den Tierq uälern verdeutlicht. — Mit Hilfe der Quantoren und der Identität können beliebige Zahlwörter der
III. Positionen
natürlichen Sprache formalsprachlich ersetzt werden: ∨ x Fx ⋀ x ⋀ y (Fy ↔ x = y) ∨ x ⋀ y (Fy ↔ x = y) ∨ x ∨ y ⋀ z (Fz ↔ (x = z v y = z))
Es gibt mindestens ein F. Es gibt höchstens ein F. Es gibt genau ein F. Es gibt genau zwei F.
etc. Vagere q uantitative Ausdrücke wie etwa ‘viele’ oder ‘wenige’ wären entsprechend als ‘mindestens n’ oder als ‘höchstens n’ wiederzugeben. Wenn ein endlicher Bereich gewählt wird, kann man ohne Quantoren auskommen, weil dann ‘⋀ x Fx’ mit ‘Fa ⋀ Fb ⋀ Fc ⋀ ...’ und ‘∨ x Fx’ mit ‘Fa ∨ Fb ∨ Fc ∨ ...’ äq uivalent sind, was jedoch im Falle eines Universums mit unendlich vielen Elementen nicht effektiv formulierbar ist. Wie ich am Anfang des Kapitels bereits angedeutet habe, sind für die Quantoren verschiedene Interpretationen vorgeschlagen worden. Quine und Davidson treten mit einer Mehrheit von Philosophen für die objektbezogene Deutung ein, Barcan Marcus plädiert für die substitutionelle Deutung, während Charles Dacre Parsons (* 1933), Kripke und andere für beide Versionen Verwendung finden. Die Kontroverse betrifft im wesentlichen die Frage, ob die Quantoren über Objekte oder über Namen als deren sprachliche Vertreter laufen. Im ersten Falle werden ‘⋀ x Fx’ und ‘∨ x Fx’ als ‘für ein beliebiges Objekt x im Wertbereich D der Variablen gilt, daß x ein F ist’ und ‘für mindestens ein Objekt in D gilt, daß x ein F ist’ interpretiert, während sie im zweiten als ‘alle Substitutionsinstanzen [‘Fa, ‘Fb’, ‘Fc’, ...] von ‘Fx’ sind wahr’ und ‘mindestens eine Substitutionsinstanz von ‘Fx’ ist wahr’ gelesen werden. Die Unterscheidung ist nach Quine besonders deshalb nicht belanglos, weil sie Folgen hinsichtlich der Ontologie hat: mit der objektbezogenen Interpretation verpflichten wir uns, wenn wir die Wahrheit eines Satzes behaupten, zur Annahme der Existenz all der Gegenstände, über die wir in diesem Satz q uantifizieren. Falls wir Quantoren wie ‘⋀ F’, ‘∨ G’ oder ‘⋀ p’, ‘∨ q’ einführen, kommen wir nicht darum herum, intensionale Entitäten in Form von Eigenschaften oder Propositionen in unsere Ontologie aufzunehmen. Da solche aber dem Grundsatz ›keine Entität ohne Identität‹ nicht genügen, verwirft er aufgrund des ontologi-
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schen Kriteriums ›zu sein heißt, der Wert einer (gebundenen) Variable zu sein‹ die Quantorenlogik höherer Stufen, in welcher über nach ihm unidentifizierbare Dinge q uantifiziert wird. Das ist der Grund, weshalb Quine sich in seiner kanonischen Notation auf Individuenvariablen beschränkt, die allerdings nicht im Sinne der zur Zeit seiner Zusammenarbeit mit Goodman vertretenen streng nominalistischen Doktrin ausschließlich für konkrete Gegenstände stehen (Goodman/Quine 1947); denn Klassen, für die es ein genaues Identitätskriterium gibt, sind als abstrakte Objekte ebenfalls zulässig, während Bedeutungen wegen der Unklarheit der für sie herangezogenen intensionalen Bestimmungen verbannt werden. Es ist zu beachten, daß das Quinesche Konzept wesentlich auf der Voraussetzung beruht, daß das ontische Gewicht nicht in den singulären Termen liegen kann, weil diese ohne Schaden aus der Sprache eliminierbar sind. Das geschieht so, daß man zunächst Eigennamen, beispielsweise ‘a’, durch Konstruktion eines künstlichen Prädikates, ‘= a’, in eine Kennzeichnung ‘(ιx)(x = a)’ verwandelt; mit Russells Theorie wird dann ein Satz wie ‘F (ιx)(x = a)’ durch den rein q uantifikatorischen Ausdruck ‘∨ x (⋀ y (y = a ↔ x = y) ⋀ Fx)’ ersetzt, der mit ∨ x ((x = a) ⋀ Fx) äq uivalent ist und mit ‘F’ für ‘kahl’ und ‘a’ für ‘Sokrates’ einfach besagt: ‘Sokrates (= das einzige unter diesem Namen in der Antike bekannte Individuum) ist kahl’. Da im Universum tatsächlich ein Objekt vorkommt, das die Funktion, über die sich der Existenzq uantor erstreckt, erfüllt, gilt der Satz als wahr.
3.
Wahrheitstheorien
3.1. Korrespondenz-, Kohärenz- und Redundanztheorie Die diversen bekannten Theorien erfordern zum Teil verschiedenartige Dinge wie Glaubensinhalte, Sätze, Propositionen etc. als Träger der (Eigenschaft der) Wahrheit. Welches die beste Wahl ist, läßt sich nur durch Argumente entscheiden, die sich auf die relative Brauchbarkeit der entwickelten Begriffsapparatur beziehen. Russell (1903) hatte geltend gemacht, daß man zwischen einer Definition der Wahrheit, die eine Explikation des Wortes liefert, und einem Kriterium, das ein Verfahren zur Prüfung von einzelnen Sätzen an die Hand gibt, zu unterscheiden habe. Im Unter-
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schied zu Russell halten die Pragmatisten jedoch daran fest, daß die Bedeutung eines Terms überhaupt erst durch die Bedingungen seiner Anwendung fixiert wird. Andere wiederum sind der Auffassung, daß die Korrespondenztheorie die Definition, die Kohärenztheorie hingegen das Kriterium liefere. Die Diskussion der diversen Wahrheitsbegriffe wird zeigen, daß die kohärenztheoretischen sowie die pragmatischen Ansätze ein erkenntnistheoretisches Moment aufweisen, das in der semantischen Konzeption Tarskis und seiner Nachfolger fehlt (s. Art. 69). — Die von Aristoteles beeinflußte Korrespondenztheorie, die am ehesten den gewöhnlichen Vorstellungen von Wahrheit entspricht, erhielt in bezug auf die formale ›Idealsprache‹ in Russells früher Lehre des logischen Atomismus und in Wittgensteins Tractatus ihre bekanntesten Formulierungen. Sie besagt im wesentlichen, daß Wahrheit in der Übereinstimmung zwischen einer Proposition und einem Sachverhalt bestehe. Wittgenstein erklärt den vagen Begriff der Korrespondenz mittels desjenigen der strukturellen Isomorphie, indem er die Wahrheit von komplexen Propositionen funktional von der Wahrheit der Atomsätze, die die elementaren Tatsachen der Welt widerspiegeln, abhängen läßt. In Russells Version gelten Sinnesdaten als die einzigen unmittelbar bekannten Gegenstände (objects of acq uaintance), denen — in die Bedeutung der entsprechenden Propositionen eingehende — Namen zugeordnet werden. Abgesehen von den problematischen Fragen nach der Individuierung von Sachverhalten oder nach der Interpretation der Negation (entspricht eine negierte Proposition einer negativen Tatsache?) scheint die Auffassung wegen der schier unüberwindbaren Schwierigkeit, die in der isomorphen Abbildung involvierten Elemente und Relationen genau zu bestimmen, zum Scheitern verurteilt. Auch spätere Versuche, das Unternehmen im Zusammenhang mit der natürlichen Sprache zu retten, wie etwa derjenige von Austin (1950), ermutigen nicht, weitere Anstrengungen in dieser Richtung vorzunehmen. — Die Kohärenztheorie hat nicht nur unter Idealisten wie etwa dem englischen Hegelianer Francis Herbert Bradley (1846—1924), sondern auch im Wiener Kreis in der Person von Neurath und später mit Nicholas Rescher (* 1928) (1973) ihre Anhänger gefunden. Die logischen Empiristen, Carnap voran, waren an der Verifikation von Sätzen und daher an einem Kriterium erkenntnistheoretischer Art interes-
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siert. Das Verfahren stützte sich auf Sätze, die wegen ihres angeblich rein wahrnehmungsmäßigen Gehaltes unmittelbar die Gewähr für ihre Übereinstimmung mit Tatsachen liefern. Neurath, der nicht allein die Fragwürdigkeit der Unkorrigierbarkeit von Protokollsätzen, sondern auch die Unerheblichkeit von bloß subjektiven Erlebnisberichten für die Wissenschaft erkannt hatte, zweifelte grundsätzlich daran, daß der Behauptung einer Übereinstimmung zwischen toto coelo verschiedenartigen Gebilden wie Tatsachen und Ausdrükken überhaupt ein einsichtiger Sinn abzugewinnen sei. Die Überzeugung, daß Sätze nur mit anderen Sätzen verglichen, d. h. auf ihre logischen Beziehungen hin geprüft werden können, führte ihn dazu, sich für eine kohärentistische Konzeption zu entscheiden. Indem er Wahrheit als wesentlich durch die Konsistenz der Totalität unserer Glaubensinhalte bedingt erachtet, beschreibt er den Vorgang ihrer Sicherung bei fortschreitendem Wissen als ein ständiges Wiederherstellen des logischen Gleichgewichtes durch Auswählen der neu hinzukommenden Sätze oder durch Revidierung von bereits aufgenommenen Sätzen. Ein Echo dieser Auffassung, die in bedenklicher Weise vom Empirismus wegführt, findet man in Quines semantischem Holismus. Rescher nimmt den Gedanken wieder auf, indem er die erkenntnistheoretische Rolle von Kohärenzüberlegungen beim Prüfen von Wahrheit im Detail untersucht. Er schlägt ein Verfahren vor, um aus der Menge der miteinander unvereinbaren Daten eine maximale widerspruchsfreie Unterklasse von verbürgten Glaubensinhalten auszuwählen. Dem Einwand, daß es vermutlich in jeder Situation zahlreiche solche gibt und daß die Methode es nicht erlaubt, eine kohärente wissenschaftliche Theorie einem konsistenten Mythos gegenüber auszuzeichnen, begegnet er dadurch, daß er einen Filter einbaut, durch den die Daten nach ihrer anfänglichen Plausibilität geschieden werden. Dadurch wird aber das ursprüngliche Problem nur hinausgeschoben, da die Schwierigkeit bezüglich der Frage nach einem präzisen Kriterium für Glaubwürdigkeit derjenigen nach der Unkorrigierbarkeit von Basissätzen kaum nachstehen dürfte. — Die Pragmatisten, Charles Sanders Peirce (1839—1914) (s. Art. 32), William James (1842—1910), John Dewey (1859—1952) und Ferdinand Canning Scott Schiller (1864— 1937), um nur die bekanntesten zu erwähnen, betrachten Wahrheit als das Ziel einer jeden
III. Positionen
wissenschaftlichen Tätigkeit. Allein eine auf die Wirklichkeit orientierte Methode erlaubt es uns, stabile Glaubensinhalte zu erlangen, auf die sich die Gemeinschaft mit der Zeit einigt, weil wir aufgrund ihrer erfolgreich unsere praktischen Aufgaben bewältigen. Das könnte nicht der Fall sein, wenn die Sätze, an die wir glauben, widerspruchsvoll wären oder nicht mit der Realität übereinstimmen würden. Wahre Überzeugungen sind letztlich solche, die uns vor widerwärtigen Erfahrungen bewahren. Im anwachsenden Kumulationsprozeß der Erkenntnis passen wir die neuen Einsichten jeweils so an, daß sie sich mit einem minimalen Aufwand an Eingriffen in den bestehenden Korpus einfügen lassen. Quine, der in Two Dogmas of Empiricism feststellt, daß ein widerlegendes Experiment nichts darüber besagt, wo wir mit der Revision anzusetzen haben, wurde von dieser Seite her beeinflußt, als er sein Prinzip des methodischen Konservativismus formulierte, demgemäß diejenige Änderung vorzunehmen sei — eventuell sogar eine Korrektur an der Logik —, die im ganzen gesehen die geringste Störung verursacht. Damit geht zweifellos auch ein gewisses kohärentistisches Moment in den Begriff der Verifikation ein. Während jedoch die genannten klassischen Pragmatisten zu allgemeinen Äußerungen des Inhalts neigen, daß Wahrheit sich ändere, gemacht werde, nützlich sei, etc., hält Quine an einer Konzeption fest, die — Tarskis Definition sich zunutzemachend — einer genaueren Formulierung fähig ist als etwa Deweys vager Begriff der gerechtfertigten Behauptbarkeit (warranted assertability; Dewey 1938). — Die Redundanztheorie, die in verschiedenster Form von Autoren wie Arthur Norman Prior (1914—1969), John Leslie Mackie (1917— 1981), Nuel Dinsmore Belnap (* 1930) und Strawson ins Auge gefaßt worden ist, stammt von Frank Plumpton Ramsey (1903—1930) (1927). Im wesentlichen besagt sie, daß die Prädikate ‘wahr’ oder ‘falsch’, die wir aus Beq uemlichkeitsgründen verwenden, insofern überflüssig sind, als sie sich ohne Sinnverlust aus allen Kontexten eliminieren lassen. Denn nach Ramsey bedeutet ‘es ist wahr/falsch, daß p’,dasselbe wie ‘p/~p’, und ‘Alles, was NN sagt, ist wahr’, dasselbe wie ‘⋀ p (NN sagt, daß p → p)’. Damit entfernen wir uns am meisten von der üblich akzeptierten Korrespondenzauffassung, da nun scheinbar überhaupt nicht mehr von einem Vergleich mit irgendwelchen Tatsachen die Rede ist. Sofern Wahrheit nicht als ein semantisches Prädikat,
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das sich auf eine Eigenschaft eines Satzes bezieht, betrachtet wird, entfällt auch die ominöse Frage nach den Trägern, d. h. nach der Art von Dingen, auf die es zutrifft. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Einführung von Quantoren wie ‘⋀ p’ oder ‘∨ p’ entweder, wenn objektbezogen interpretiert, Entitäten einer entsprechenden Gattung im Wertbereich der Variablen erheischt oder aber, wenn substitutionell interpretiert, den Term ‘wahr’ nicht aus der Explikation wegschafft. Zudem würde wegen des Wegfallens der Unterscheidung zwischen Objekt- und Metasprache die Gefahr der Bildung von Paradoxien bestehen — z. B. wenn ich selbst behaupten wollte, daß alles, was ich sage, falsch sei; denn falls ‘⋀ p (ich sage, daß p → p)’ eine zulässige Konstruktion wäre, würde das System tatsächlich einen Widerspruch enthalten, da der zitierte Satz mit zur Menge meiner Aussagen gehören müßte. — Den wichtigsten Hinderungsgrund für die Adoptierung einer Redundanztheorie erblickt Quine in der Tatsache, daß wir oft in die Lage geraten, über unendlich viele Sätze — z. B. über alle Thesen eines logischen oder mathematischen Systems — sprechen zu müssen (1970 c, 11). Wenn wir es immer nur mit vereinzelten Sätzen zu tun hätten, könnten wir unmittelbar über die Welt sprechend auf das semantische Aufsteigen (semantic ascent) und damit auch auf das Wahrheitsprädikat verzichten. Da wir jedoch darauf angewiesen sind, allgemeine Aussagen der Art, daß alle Sätze, die die logische Form des Gesetzes vom verbotenen Widerspruch haben, wahr sind, und da es aus den bereits erläuterten Gründen nicht angebracht ist, über Satzvariablen zu q uantifizieren, kommen wir nach ihm nicht darum herum, ein semantisches Prädikat im Tarskischen Sinne einzuführen, das im übrigen, wie er sinnigerweise bemerkt, nichts mit einer Korrespondenztheorie zu tun hat. 3.2. Tarskis Definition Tarskis semantische Theorie (1935; 1944), die eine weite Verbreitung gefunden hat, führt zunächst die Bedingungen an, die jede Wahrheitsdefinition zu erfüllen hat, um überhaupt als richtig gelten zu dürfen. Ihren Erfolg verdankt sie in erster Linie den streng exakten Verfahrensweisen, die der Verfasser in seinen Arbeiten entwickelt, während andererseits die von diesem selbst eingeräumte Fragwürdigkeit einer möglichen Anwendung auf natürliche Sprachen ernsthafte Zweifel an ihrer philosophischen Fruchtbarkeit geweckt hat. Von
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einer brauchbaren Bestimmung des Begriffes verlangt Tarski, daß sie sich sowohl hinsichtlich ihres Inhalts, also material, als adäq uat wie auch hinsichtlich ihrer Form, also formal, als korrekt erweist. Um die erste der Bedingungen zu erfüllen, hat eine Definition sämtliche Einsetzungsinstanzen des Schemas (T) S ist wahr dann und nur dann, wenn p zu implizieren, wo ‘S’ für den Namen eines beliebigen Satzes und ‘p’ für diesen Satz selbst steht. Als Beispiel führt er an: ‘Schnee ist weiß’ ist wahr dann und nur dann, wenn Schnee weiß ist. Mit der Konvention (T) wird somit die Extension des Prädikates bestimmt: wie auch der Wahrheitsbegriff intensional sonst beschaffen sein mag, er muß, sofern er material adäq uat sein soll, alle Instanzen von (T) zur Folge haben. Die Bedingung für formale Korrektheit betrifft ihrerseits die Frage nach der Struktur, die eine Sprache aufzuweisen hat, damit die Definition in ihr gegeben werden kann. Für die bekannten Antinomien, die in ›semantisch geschlossenen‹ sprachlichen Systemen auftauchen, macht Tarski die Tatsache verantwortlich, daß solche neben den üblichen Termen noch Ausdrücke, um diese zu erwähnen, sowie semantische Prädikate wie ‘wahr’ und ‘falsch’ enthalten. Er fordert deshalb, daß man die Objektsprache L, für die man Wahrheit definieren will, von derartigen Ausdrücken freihält und sie erst auf der Stufe der Metasprache M, in welcher über L gesprochen wird, einführt. Dank der vorgenommenen Relativierung gelingt es, die Gefahr der semantischen Paradoxien abzuwenden, denn — einmal ihrer Selbstbezüglichkeit entledigt (s. Art. 79) — verwandelt sich z. B. die Lügnerantinomie Der auf Zeile 40 f von Seite 837 b dieses Artikels stehende Satz ist falsch in den metasprachlichen Satz Der auf Zeile 43 f von Seite 837 b dieses Artikels stehende Satz ist falsch-in-L. Da sich jedoch an der angegebenen Stelle gar kein Satz aus L, sondern nur ein Satz der Metasprache M befindet, haben wir das Entstehen eines Widerspruchs vermieden. Es ist zu beachten, daß die Tarskische Konzeption insofern eine Hierarchie von Metasprachen involviert, als wir darauf angewiesen sind, auf der noch höheren Stufe MM die Konstruktionsvorschriften für M zu formulieren. Weil in den von (T) implizierten Äq uivalenzaussagen jeweils auf der linken Seite Namen von Sätzen aus L und auf der rechten Seite diese Sätze selbst oder Übersetzungen von ihnen
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vorkommen, muß M wesentlich reicher mit Ausdrucksmitteln ausgestattet sein als L. — Wie läßt sich nun mit Rücksicht auf die genannten Bedingungen eine Definition gewinnen? Man könnte zunächst verlockt sein, aufgrund einer Quantifizierung zu verallgemeinern: ⋀ p (‘p’ ist wahr genau dann, wenn p). Wir haben jedoch gesehen, daß Anführungskontexte referentiell undurchsichtig sind und daß wir deshalb, sobald wir in sie hineinq uantifizieren, unsinnige Gebilde erzeugen; denn ‘⋀ p (‘p’ ist wahr)’ ist syntaktisch genauso unzulässig wie z. B. die offensichtlich unsinnige Quantifikation über ‘x’ in ‘⋀ x (Sex ualverkehr mit Minderjährigen ist verboten)’. Tarski wählt den Umweg über den Begriff der Erfüllung, den er rekursiv definiert. Satzfunktionen — ›offene Sätze‹ in Quines Terminologie — sind im Gegensatz zu (geschlossenen) Sätzen nicht wahr oder falsch, sondern werden durch bestimmte geordnete n-Tupel (n 1) von Individuen erfüllt oder nicht. Entsprechend definiert er Erfüllung als eine Relation zwischen offenen Sätzen mit einer beliebigen Anzahl freier Variablen, ‘Fx1, x2, ..., xn xn + 1, ...,’ und unendlichen Folgen von Objekten, 〈a1, a2, ..., an, an + 1, ...〉, wobei konventionell festgelegt wird, daß ein n-stelliger offener Satz als erfüllt gilt, wenn die n ersten Glieder der Seq uenz ihn erfüllen (die übrigen werden als unerheblich ignoriert). Wählen wir die Prädikatenlogik erster Stufe als Objektsprache, so ergibt sich in einer Tarskis Vorschlag gemäß eingerichteten Metasprache der folgende (Quines kanonischer Notation entsprechende) formale Aufbau: (1) Vokabular von L: Individuenvariablen: x1, x2, x3, ... Prädikatbuchstaben (jeder mit einer bestimmten Anzahl von Argumenten): F1, F2, F3, ... Satzjunktoren: ~, ∨ Quantor: ∨ xi. (2) Syntaktische Regeln: (a) Alle atomaren Sätze, bestehend aus einem n-stelligen Prädikat gefolgt von n Variablen, sind syntaktisch korrekt gebildete Ausdrücke; (b) wenn Φ ein korrekt gebildeter Ausdruck ist, dann ist es auch Φ ~ Φ; (c) wenn Φ und Ψ korrekt gebildete Ausdrücke sind, dann ist es auch Φ ∨ Ψ; (e) wenn Φ ein korrekt gebildeter Ausdruck ist, dann ist es auch ∨ x Φ.
III. Positionen
(3) Definition der Erfüllungsrelation: Wir richten ML, die Metasprache von L, so ein, daß den Variablen ‘x1’, ‘x2’, ... in L die metasprachlichen Variablen ‘α1’, ‘α2’, ... und den Prädikaten ‘F1’, ‘F2’, ... die metasprachlichen Konstanten ‘R1’, ‘R2’, ... entsprechen. Neben der Übersetzung eines jeden zu L gehörigen Ausdrucks verfügen wir in MLüber Namen, ‘vi’, für die Individuenvariablen von L dermaßen, daß v1 = ‘x1’, v2 = ‘x2’ etc. Des weiteren führen wir Namen, ‘Pi’, für Prädikate in L ein derart, daß P1, = ‘F1’, P2 = ‘F2’ etc. Φ, Ψ, ... sind Variablen, die über (offene oder geschlossene) Sätze von L laufen; an ihrer Stelle kann man also Namen objektsprachlicher Sätze einsetzen. Mit Hilfe von Quasianführungszeichen (Quine Corners), ‘’, ‘’, bilden wir die Namen zusammengesetzter Ausdrücke aus L: so steht etwa ~P1v3v5 für ‘~ F1’ x3x5’, d. h. ist Name eines Ausdrucks, der sich aus den Zeichen ‘~’, ‘F1’, ‘x3’ und ‘x5’ (in dieser Reihenfolge!) zusammensetzt, oder (P1v1 ∨ P2V1) für ‘F1x1 ∨ F2x1’, d. h. ist Name des Ausdrucks, der durch die Zusammenstellung der Zeichen ‘(‘, ‘F1’, ‘x1,’, ‘∨’, ‘F2’, ‘x1,’ und’)’ entsteht. Damit haben wir die Mittel bereitgestellt, um für jeden Ausdruck in L den entsprechenden Namen in ML zu bilden. Wir müssen schließlich noch Variablen einführen, die für aus Elementen des Universums U bestehende Folgen stehen: f′, f″, f‴ ... Wir definieren dann den Begriff der Erfüllbarkeit von offenen Sätzen aus L im Sachbereich G = 〈U, R1, ..., Rk〉 bei der Interpretation I, die dem Prädikat Pi in L die zu G gehörende Relation Rizuordnet, indem wir zunächst die Erfüllbarkeit von atomaren Sätzen festlegen und dann rekursiv diejenigen von molekularen Ausdrücken bestimmen: (1) Eine unendliche Folge f erfüllt in G den Ausdruck Pjvi1, ..., vin bei der Interpretation I genau dann, wenn Rj αi1, ..., αin. (2 a) f erfüllt ∼ ϕ genau dann, wenn f nicht ϕ erfüllt. (2 b) f erfüllt ϕ ∨ ψ genau dann, wenn f ϕ erfüllt oder wenn f ψ erfüllt. (3) f erfüllt ∨ vi ϕ genau dann, wenn es mindestens ein α ∈ U gibt derart, daß ϕ erfüllt (wo ‘ ’ eine Folge bezeichnet, die dadurch entsteht, daß in f das i-te Glied, nämlich αi, durch α ersetzt wird).
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie
Da die Erfüllbarkeit eines gegebenen offenen Satzes durch eine bestimmte Folge nur von denjenigen Gliedern der Folge abhängt, die den freien Variablen des betreffenden Satzes zugeordnet sind, kann man im übrigen Tarskis Formulierung vereinfachen, indem man kurzerhand sagt, daß ein Gegenstand αi einen Ausdruck mit der freien Variable vi oder daß ein geordnetes n-Tupel, 〈α1, ..., αn〉, einen offenen Satz mit den freien Variablen v1, ..., vn erfüllt. Mit Hilfe des Erfüllbarkeitsbegriffes definieren wir endlich denjenigen der Wahrheit: Ein geschlossener Satz Φ von L ist wahr im Bereich G bei der Interpretation I dann und nur dann, wenn jede Folge von Objekten, die zu U gehören, Φ erfüllt. Um zu verstehen, daß ein geschlossener Satz von allen Folgen erfüllt wird oder aber von keiner, muß man eingesehen haben, warum in diesem besonderen Fall (wo keine Variablen frei vorkommen), die Erfüllung eine Alles-oder-Nichts-Frage ist. Wir erinnern daran, daß eine eineindeutige Zuordnung zwischen den Gliedern einer unendlichen Folge und den Individuenvariablen vorgenommen wird: f2, f3, f4, ... f = f1, | | | | x1, x2, x3, x4, ... Entsprechend erfüllt f z. B. den offenen Satz ‘F1x3x7’ genau dann, wenn f3 und f7 in der Relation ‘F1’ zueinander stehen. Allgemein, d. h. für offene Sätze mit einer beliebigen Anzahl von freien Variablen, gilt somit: (1) Wenn die unendliche Folge f den offenen Satz Φ erfüllt und wenn ‘xk’ eine freie Variable in Φ ist, so daß für eine unendliche Folge f′ für alle k gilt: fk = f′k, dann erfüllt auch f′ den offenen Satz Φ. Aus (1) folgt für den Fall, wo keine freien Variablen vorkommen: (2) Wenn Φ ein geschlossener Satz ist, der wenigstens von einer unendlichen Folge erfüllt wird, dann erfüllt jede unendliche Folge Φ. Denn die einzigen relevanten Elemente einer unendlichen Folge f sind diejenigen, deren Position in f der Position einer freien Variable in Φ entspricht. (1) hat nun die folgende satzlogische Struktur: (p ⋀ (q → r)) → s Da s erste Glied der Konjunktion ist wahr, während das Vorderglied des Konditionals im anderen Teil der Konjunktion falsch ist (es
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gibt keine freien Variablen!). Damit erweist sich die Konjunktion selbst als wahr, und f′ kann folglich beliebig sein, da es in diesem Fall für die Wahrheit von (1) irrelevant ist, ob wir f′k = fk, f″k = fkoder f‴k = fketc. haben. Also wird Φ, wenn überhaupt durch eine Folge erfüllt, durch jede beliebige Folge erfüllt. — Tarski weist nach, daß seine Definition die beiden Bedingungen der materialen Adäq uatheit und der formalen Korrektheit befriedigt. Da aus ihr folgt, daß dann, wenn von zwei Sätzen der eine die Negation des anderen bildet, genau einer der beiden wahr sein muß, schließt sie eo ipso mehrwertige Theorien aus. Ferner wäre zu beachten, daß ein Rückgreifen auf den Erfüllungsbegriff nur im Zusammenhang mit der objektbezogenen Interpretation einen Sinn hat, da ja bei substitutioneller Deutung die Quantoren bereits mit Hilfe des Wahrheitsbegriffes erklärt werden. Die Neutralität von Tarskis Theorie metaphysischen oder erkenntnistheoretischen Positionen gegenüber fällt als einer ihrer bemerkenswertesten Züge auf. Es scheint deshalb verfehlt, wenn Karl Raimund Popper (* 1902) ihrem Schöpfer nachrühmt, durch seine präzise formale Explikation die Korrespondenztheorie von ihren früheren Mängeln erlöst zu haben. Seine Auslegung, wonach sich die linke Seite auf die Sprache, die rechte dagegen auf Tatsachen — er verbessert gelegentlich Tarskis eigene Formulierung durch Hinzufügung des Wortes ‘indeed’ (Popper 1963) — beziehen soll, mutet eher naiv an. Denn wir finden bei genauerer Betrachtung in der Instanz ‘‘Schnee ist weiß’ ist wahr dann und nur dann, wenn Schnee weiß ist’ keine Tatsache, sondern nur zwei Sätze (einen angeführten in der Objektsprache und einen in der Metasprache). Da die Definition sämtliche Wahrheiten erfaßt, dürften im übrigen nach Poppers Deutung auch die Sätze der Logik nur dann wahr sein, wenn sie mit den Tatsachen übereinstimmen — eine merkwürdige Konseq uenz, die gegen eine solche Auffassung spricht — und das um so mehr, als Tarski selbst keine erkenntnistheoretischen Ansprüche erhebt und sich ausdrücklich gegen die Mißdeutung verwahrt, ein Kriterium oder Prüfungsverfahren vorgelegt zu haben. 3.3. Wahrheit und ontologische Relativität 3.3.1. Nach Quine ist die Referenztheorie, die Fragen der Denotation und der Extension betrifft, relativ klar zu erfassen, während die Bedeutungstheorie, die es mit Konnotation und Intension zu tun hat, theoretisch un-
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fruchtbar bleibt, weil die in ihr verwendeten Begriffe keine effektive Erklärungskraft haben (s. Art. 78). Tarskis Wahrheitstheorie hatte er vorerst der konseq uent extensionalistischen Haltung ihres Autors wegen begrüßt. Seit seiner Einsicht in die Relativität der Ontologie ist er vorsichtiger geworden, obschon er weiterhin auf der Ansicht beharrt, daß die Referenztheorie gewaltige Vorteile vorzuweisen hat. Die semantische Konzeption reicht insofern über die unsichere Vorstellung einer Übereinstimmung zwischen Aussagen und Sachverhalten hinaus, als sie Wahrheit in exakter Weise von der Bezeichnungsfunktion gewisser Satzteile abhängig macht. Jaakko Hintikka (* 1929) (1971) hebt hervor, daß in einer extensionalen Sprache die Wahrheitsbedingungen von Quantifikationen in entscheidender Weise von den Referenzobjekten der singularen Terme und von der Extension der Prädikate abhängen. Carnap hatte schon in Meaning and Necessity auf die wichtige Rolle, die Designationsregeln in der Semantik spielen, hingewiesen: in formalen Systemen werden sie durch Stipulation festgelegt, während sie in natürlichen Sprachen durch empirische Untersuchungen ermittelt werden können. Nach ihm beruht die Fähigkeit, Aussagen zu verstehen oder sie in andere Sprachen zu übersetzen, ganz wesentlich auf der Beherrschung derartiger semantischer Regeln. Wenn aber die Verifikation eines Satzes dermaßen eng mit der Spezifizierung der Objekte, die das Universum ausmachen, verq uickt ist, so droht wegen der Unerforschlichkeit der Referenz eine völlige Relativierung des Wahrheitsbegriffes. Quine zieht deshalb im Zusammenhang mit dem, was er die Situation der radikalen Übersetzung nennt, einen nicht weiter analysierbaren Wahrheitsbegriff vor, der rein behavioristisch von der Zustimmung oder Ablehnung der eingeborenen Sprecher abhängt. Denn Bejahung und Verneinung sind nicht von der Willkür betroffen, die bei der Ausarbeitung eines vollständigen Systems von Übersetzungsanweisungen (translation manual) mit seinen Hypothesen über Wortarten und grammatische Konstruktionen etc. herrscht. — Quine, der jegliche Berufung auf absolute Wahrheit oder Realität abweist, sieht eine nützliche Verwendung von Tarskis Verfahren nur innerhalb einer gegebenen — vorläufig als der besten akzeptierten — Theorie: „Where it makes sense to apply ‘true’ is to a sentence couched in the terms of a given theory and seen from within the theory, complete with its posited reality“ (Quine 1960, 24).
III. Positionen
Er hat somit erkannt, daß die Relativierung auf gegebene sprachliche Systeme jeglichen Versuch, eine bestimmte Theorie als die faktisch wahre auszuzeichnen, vereitelt. Das stimmt mit Tarskis Überzeugung überein, daß seine Definition ontologisch neutral sei, kommt aber auch Carnaps Anliegen entgegen, bei der Wahl von Rahmenwerken Toleranz walten zu lassen. Die Neutralität geht allerdings nicht so weit, wie der mit einer behavioristischen Methode gepaarte Holismus es erfordert. Denn der Erfüllungsbegriff setzt eine logisch-grammatikalische Analyse voraus, die mindestens die Identifizierung der satzlogischen Junktoren, der Quantoren, der Individuenvariablen sowie der Prädikate ermöglicht, so daß das Verfahren letztlich auf Informationen über die Sprache abstellt, für die es nach Quine keine objektive Garantie geben kann. — Um die Prädikate einer Objektsprache zu interpretieren, müssen wir zuvor ihre Ontologie bestimmen. Dies kann jedoch, wie Quine gezeigt hat, auf diverse Arten geschehen, ohne daß dadurch die Wahrheit berührt wird: für die Arithmetik zum Beispiel macht es keinen Unterschied, ob wir über Zahlen oder über Mengen q uantifizieren: in beiden Fällen erhalten wir die gleiche unendliche Klasse von wahren Sätzen. Indem wir die Bedeutung der logischen Konstanten beständig halten, können wir also bei entsprechender Uminterpretierung der Prädikate ohne Veränderung der Theorie den Wertbereich der Variablen verschieden wählen. Was mit Bezug auf Tarskis Definition ins Gewicht fällt, ist folglich nicht die Natur der Objekte selbst, sondern die Struktur, die ein Universum aufweisen muß, um als Modell (= wahre Interpretation) der Theorie zu gelten. Obschon sie deshalb weniger als die Referenz den durch die Relativität der Ontologie bedingten Ungewißheiten ausgesetzt ist, bleibt sie wegen der Indeterminiertheit der radikalen Übersetzung insofern doch relativ, als sie wesentlich von den objektiv nicht bestimmbaren Individuierungsmitteln der Sprache abhängt. Quine rechnet es ihr als Verdienst an, daß sie weder im intensionalen noch im extensionalen Sinne auf Bedeutungen angewiesen ist, indem sie Rücksicht nur auf strukturelle Eigenschaften der Referenzobjekte erfordert. Gerade die Tatsache, daß die formale Semantik kein Kapital aus ontologischen Unterscheidungen, wie derjenigen zwischen Zahlen und Mengen in der Arithmetik oder zwischen Sinnesdaten und physikalischen Gegenständen in der Erkenntnistheorie, schlägt, wurde ihr aber von
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seiten der Vertreter der natürlichen Sprache zum Vorwurf erhoben. Max Black (1909— 1988) z. B. deutet ihre Neutralität als Zeichen eines Mangels an philosophischer Relevanz (Black 1948, 260), während Quine in ihr die Bestätigung für seine These der Unerforschlichkeit der Referenz erblickt. 3.3.2. Die traditionelle Auffassung, wonach die Aufgabe der Philosophie sich auf Sprachanalyse beschränkt, wurde von der weitgehend geteilten Überzeugung getragen, daß man, um die Wahrheit eines Satzes auszumachen, zuvor die Bedeutung der in ihm vorkommenden Wörter kennen müsse. In dieser Ansicht wurden Autoren wie Carnap und andere durch Tarskis Konzeption, die Wahrheit zu einer Funktion der Referenz von Satzteilen macht, bestärkt. Auch spätere Kommentatoren oder Kritiker wie Hartry Field (1972, 351) sprechen im Rahmen der Modelltheorie der Wahl von Denotationen für die primitiven Terme eine entscheidende Rolle zu. Sie gehen von der Vorstellung aus, daß formale, d. h. rein syntaktische Systeme interpretiert werden, indem man den Bereich der Werte der Variablen und die Extensionen der Prädikate festlegt. Wenn dabei alle Theoreme im Formalismus wahr werden, haben wir ein sogenanntes Modell konstruiert. Quine jedoch hält das für eine verkürzte Sicht der Sache, weil eine vollständige Interpretation jeweils auf dem Boden einer umfassenden Theorie, in der wir schon über Objekte sprechen und Wahrheiten ausgemacht haben, stattfindet. Nach ihm bedeutet die Festlegung eines Bereiches nur, daß man diesen auf einen Teil des Universums der Hintergrundtheorie reduziert, und in entsprechender Weise werden auch bei der Wahrheitsbestimmung nur Sätze auf in dieser bereits akzeptierte Sätze zurückgeführt. Wenn wir also ein Modell schaffen, leisten wir nicht mehr, als daß wir die Prädikate des zu interpretierenden Systems mit denjenigen der umgreifenden Theorie so in Beziehung setzen, daß jede These des ersteren mit einer bereits anerkannten Wahrheit der letzteren übereinstimmt. Eine solchermaßen bloß als konventionelle Übertragung verstandene Interpretation taugt nach Quine jedoch nicht als absolute Grundlage für eine Erklärung der semantischen Begriffe. Da jede derartige Korrelierung des deskriptiven Vokabulars, bei welcher logische Struktur und Wahrheit bewahrt bleiben, als gleichwertig zu gelten hat, kann es schlechthin kein objektives Kriterium für die Auszeichnung einer Onto-
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logie geben. Der Vorgang verläuft in Wirklichkeit nicht in der Richtung, daß Erwägungen über Referenz den Begriff der Wahrheit erhellen, wie allgemein in der analytischen Tradition angenommen wird; es verhält sich vielmehr so, daß primär akzeptierte Wahrheiten uns bei der Gestaltung der Ontologie lenken. Diese Umkehrung des Verhältnisses zwischen grundlegenden Begriffen der Semantik ist das Ergebnis der Radikalisierung der Fragestellung, die Quine beim Untersuchen von Interpretationsvorgängen vornimmt. Da es überhaupt keine objektiv nachweisbare Beziehung zwischen Wörtern und Dingen gibt, ist auch jede kausale Referenztheorie im Sinne Kripkes von vornherein zum Scheitern verurteilt. — Quines verblüffende Ausführungen haben verschiedene Reaktionen ausgelöst; einige unter diesen bringen eine schlichte Ratlosigkeit zum Ausdruck. Es mag sein, daß die These weniger ungewöhnlich oder verwirrend wirkt, wenn man sich an die extrem naturalistische Sicht erinnert, aus welcher er seine Gedankengänge entwickelt. Wie vor allem in Word and Object (1960) aber auch später in Theories and Things (1981 a) ausführlicher erörtert, bewegt er sich im Rahmen einer allgemeinen physikalistischen Theorie, die wichtige Teile sowohl der Physiologie als auch der (behavioristischen) Psychologie enthält. Auf dieser Grundlage entfaltet er eine eigene semantische Doktrin, indem er mit einem ständigen Blick auf das Problem der radikalen Übersetzung den Begriff der Reizbedeutung (stimulus meaning) herausarbeitet. Dabei führt ihn die Einsicht in die Unmöglichkeit, empiristisch einwandfreie Begriffe zu finden, die den traditionellen ebenbürtig wären, zu der Formulierung der These der Unbestimmtheit der Übersetzung sowie der beiden mit ihr verwobenen Thesen der Unerforschlichkeit der Referenz und der Relativität der Ontologie. Quine insistiert: es handelt sich nicht um die bekannte Ansicht, wonach wir nicht in der Lage sind, aus unserer Sprache herauszutreten, um ihre Beziehung zur wirklichen Welt von einem absoluten neutralen Standpunkt aus zu beurteilen. Er stellt die wesentlich stärkere Behauptung auf, daß auch innerhalb der wissenschaftlichen Gesamttheorie, die wir als die vorläufig beste akzeptieren, die Rede von der Referenz der Wörter nur relativ zu einer weitgehend willkürlichen Übersetzung in die Hintergrundsprache überhaupt einen Sinn ergibt. Die Tatsache, daß Sprache nicht ein von der Theorie getrenntes Gerippe von objektiven
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Bedeutungen darstellt und daß die Referenz von Ausdrücken nicht in absoluter Weise festgelegt werden kann, zwingt uns jedoch keineswegs, auf Wahrheit zu verzichten, denn wir brauchen sie nicht, wie Tarskis Vorgehen das nahelegt, auf den angeblich ursprünglicheren Begriff der Denotation zurückzuführen. Wenn wir sie in behavioristischer Manier als allein durch die Konstanz der Zustimmung der Sprecher bestimmbar betrachten, gewinnen wir einen empirischen Begriff, der von den Schwankungen der Referenz unberührt bleibt. Erst nachdem wir uns — im Bewußtsein ihrer provinziellen Beschränktheit — für eine Ontologie entschieden haben, können wir für den Zweck einer formalen Definition den Begriff der Erfüllung einführen. Quine vollzieht somit eine radikale Wandlung gegenüber früheren Sprechweisen: „We are free to switch [ontology], without doing violence to any evidence. [...] But it is a confusion to suppose that we can stand aloof and recognize all the alternative ontologies as true in their several ways, all the envisaged worlds as real. It is a confusion of truth with evidential support. Truth is immanent, and there is no higher“ (Quine 1981 a, 21 f).
3.3.3. Wahrheit hat entsprechend als primärer Begriff zu gelten, der nicht von der Bedeutung der Wörter abhängt, sondern umgekehrt zu deren Erklärung herangezogen werden muß. Für die Richtigkeit dieser Auffassung zeugt nach ihm die Situation der radikalen Übersetzung, die sich an der Arbeit eines Ethnologen illustrieren ließe. Wenn dieser vor der Aufgabe steht, die Sprache eines ihm völlig unbekannten Volkes zu erforschen, so hat er für den Anfang keine andere Wahl, als aufgrund der verfügbaren empirischen Evidenz die Wahrheitsbedingungen der Sätze zu eruieren, denen die Eingeborenen zustimmen. Es wird ihm jedoch weiter nicht gelingen, auf ähnliche objektive Art die grammatische Struktur oder die Ontologie der fremden Sprache zu bestimmen, weil die analytischen Hypothesen, die dazu erforderlich sind, weitgehend willkürlich bleiben und ostensive Verfahren nicht hinreichen, um den Individuierungsapparat und damit auch die Referenz auszumachen, wie in Word and Object am Beispiel von ‘gavagai’ gezeigt wird. Darin liegt also der tiefere Grund, warum sich Tarskis Definition, so nützlich sie sich sonst für die Durchleuchtung der internen Struktur eines gegebenen sprachlichen Systems erweist, nicht als Grundlage für die philosophische
III. Positionen
Erklärung von Wahrheit eignet. — Davidson stützt sich auf die von Quine behauptete Priorität der Wahrheit, um eine empirische Bedeutungstheorie für natürliche Sprachen zu entwerfen. Entsprechend faßt er den Plan, Tarskis Methode so anzuwenden, daß Interpretation nicht vorausgesetzt, sondern aufgrund von vorgegebenen Wahrheiten erst erklärt wird. Für den Fall der radikalen Interpretation steht der Autor also vor der Aufgabe zu zeigen, wie man — ausgehend von empirischen Daten bezüglich der Wahrheitsbedingungen ganzer Sätze — zu einer Bedeutungstheorie für ein unbekanntes sprachliches System gelangt. Die Theorie muß zunächst der menschlichen Fähigkeit, nie gehörte Aussagen zu verstehen oder zu erzeugen, Rechnung tragen, indem sie die Abhängigkeit zwischen der Bedeutung von Sätzen und der Bedeutung von Wörtern erhellt. Denn nach Davidson ist das, was er ›semantische Produktivität‹ nennt, nur unter der Voraussetzung, daß zwischen diesen ein Zusammenhang besteht, erklärbar. Ähnlich wie Quine betrachtet er formale Systeme als Teile der natürlichen Sprache. Sie stellen diejenigen für die Wissenschaft relevanten Bruchstücke der natürlichen Sprache dar, deren Tiefenstruktur durch logische Techniken ans Licht gefördert worden ist und die deshalb in einer streng reglementierten Notation formulierbar sind. Mit seinem allgemeinen Programm wendet sich Davidson der nach Tarski undankbaren Beschäftigung zu, weitere Gebiete, die sich bisher einer Analyse entzogen haben, zu reformieren. Die Prädikatenlogik betrachtet er zusammen mit der semantischen Definition der Wahrheit als die für die Erreichung seines Zieles zweckmäßigen Instrumente; im wesentlichen schwebt ihm eine Version der Konvention ( T) vor, in welcher die Wahrheitsbedingungen für die Sätze der zu interpretierenden fremden Sprache mit solchen aus der Sprache des Interpreten korreliert werden: ‘Snow is white’ ist wahr dann und nur dann, wenn Schnee weiß ist. Dahinter steckt die Überlegung, daß die empirischen Belege für die Korrektheit der Übersetzung des auf der linken Seite des Bikonditionals erwähnten Satzes durch den Satz auf der rechten Seite eben darin zu finden sind, daß die Mitglieder der (englischen) Sprachgemeinschaft ‘Snow is white’ genau dann bejahen, wenn Schnee weiß ist. Dabei wird aufgrund eines Vertrauensprinzips (principle of charity) vorausgesetzt, daß die Vorstellungen der einheimischen Sprecher über die Welt mit
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie
den unsrigen übereinstimmen; andernfalls wäre eine Interpretation gar nicht möglich. Auf diese Weise wird das Unternehmen auf ein der Beobachtung zugängliches Sprachverhalten gestützt, so daß die Brauchbarkeit der ausgearbeiteten Theorie unter anderem davon abhängen wird, ob sie es erlaubt, korrekte Voraussagen über die Wahrheitsbedingungen von Aussagen in einer gegebenen Objektsprache zu machen. Dabei wird allgemein die Strategie befolgt, Wahrheitsbedingungen zu wählen, die das Fürwahrhalten eines Satzes durch die fremden Sprecher am besten rechtfertigen (sofern natürlich der Forscher selbst den entsprechenden Satz in seiner eigenen Sprache für wahr hält). Es ist zu beachten, daß Davidsons Verwendung der T-Sätze gegenüber derjenigen Tarskis in umgekehrter Richtung verläuft: die Äq uivalenzen ergeben sich nicht als eine logische Folge der Definition, sondern treten als überprüfbare Konseq uenzen einer empirischen Interpretationstheorie auf. In dieser werden also Erfüllung und Wahrheit als primitive Begriffe eingeführt — der letztere gewissermaßen als Beobachtungsterm, während der erstere als theoretischer Term spezifisch der Erklärung von Bedeutung dient. Dadurch wird auch dem Umstand Rechnung getragen, daß der Gebrauch einzelner Wörter nicht einseitig durch ostensive Verfahren, sondern weitgehend aufgrund der Einsicht in ihre grammatikalische Funktion innerhalb von Sätzen erlernt wird. Davidsons Auffassung kommt somit dem Quineschen Anliegen entgegen, Wahrheit nicht von Bedeutung abhängig zu machen, gewährt aber einen leichteren Zugang zu den Wahrheitsbedingungen isolierter Sätze, als das im semantischen Holismus der Fall ist. Da es nach ihr nicht wesentlich auf die Referenz ankommt, hat sie des weitern den Vorteil, daß sie nicht unmittelbar von der ontologischen Relativität betroffen wird, wie Quine selbst bestätigt: „[...] our primary concern belongs with the truth of sentences and with their truth conditions, rather than with the reference of terms. If we adopt this attitude, q uestions of reference and ontology become q uite incidental. Ontological stipulations can play a role in the truth conditions of theoretical sentences, but a role that could be played as well by any number of alternative ontological stipulations“ (Quine 1977, 190 f).
Hinter dem gesamten Konzept steht die Annahme einer Übereinstimmung unter den Beteiligten hinsichtlich dessen, was für wahr gehalten wird — eine Unterstellung, die, wenn
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nicht gerade naiv, so doch äußerst optimistisch anmutet. Insoweit Davidsons Theorie auf Glaubensinhalte abstellt, wird sie sich kaum in das karge Weltbild einer naturalistischen Philosophie einfügen. Er gibt zu, daß sie Begriffe erfordert, die sich nicht in einer rein extensional gehaltenen, physikalistischen Sprache ausdrücken lassen. Entsprechend fällt dem Analytiker auch eine von der üblichen wissenschaftlichen Tätigkeit abweichende Rolle zu, indem er selbst nicht unmittelbar an der Gestaltung und Verbesserung des Neurathschen Bootes arbeitet, sondern dieses als gegeben und für eine gewisse Dauer als fixiert voraussetzt, was allerdings nicht bedeutet, daß er auf festem Boden steht oder über einen archimedischen Punkt verfügt. Die Abhängigkeit von den Ergebnissen der Wissenschaft hat ganz im Gegenteil zur Folge, daß sich der Einsicht in die Unterbestimmtheit empirischer Theorien diejenige in die Unbestimmtheit der Übersetzung beigesellt (Quine 1969 b, 303). Durch seine Umkehrung des Verhältnisses zwischen Bedeutung und Wahrheit rückt Davidson die berühmt-berüchtigte These seines Vorgängers in ein helleres Licht. 3.3.4. Der Bruch mit korrespondenztheoretischen Anschauungen ist tiefgreifender, als man gemeinhin angenommen hat. Nicht nur stehen keine besonderen Objekte wie Tatsachen oder Sachverhalte zur Verfügung, die mit den Sätzen verglichen werden könnten; Davidson geht soweit, daß er ein drittes — und, wie er hofft, letztes — Dogma des Empirismus beseitigen möchte, nämlich die irrige Vorstellung, wonach wir in der Lage sind, streng zwischen Realität und dem begrifflichen Rahmen, in welchem diese eingefangen wird, zu unterscheiden. Um die Argumente eines extremen Kulturrelativismus, wie er im Anschluß an Kuhns These der Inkommensurabilität von Theorien etwa durch Feyerabend vertreten worden ist, zu widerlegen, führt er aus, daß eine genaue Trennung des Schemas vom Gehalt oder des organisierenden sprachlichen Systems von der zu organisierenden Wirklichkeit letztlich nicht aufrechtzuerhalten sei: „The trouble is that the notion of fitting the totality of experience, like the notion of fitting the facts, or of being true to the facts, adds nothing intelligible to the simple concept of being true. To speak of sensory experience rather than the evidence, or just the facts, expresses a view about the source or nature of evidence, but it does not add a new entity
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to the universe against which to test conceptual schemes. The totality of sensory evidence is what we want provided it is all the evidence there is; and all the evidence there is is just what it takes to make our sentences or theories true. Nothing, however, no thing, makes sentences and theories true: not experience, not surface irritations, not the world, can make a sentence true“ (Davidson 1974/ 1984 d, 193 f).
Indem nun hier die Sache auf die Spitze getrieben wird, scheint es, daß mit dem angeblichen Dogma gleich noch der Empirismus selbst über Bord geworfen wird. Die Methode, von extremen (um nicht zu sagen: fiktiven) Situationen auszugehen, ist meines Erachtens insofern unangemessen, als sie die Gefahr in sich birgt, das für die Wissenschaft unverzichtbare Anliegen einer ernsthaften experimentellen Kontrolle zu vereiteln. Es mag sein, daß — eine adäq uate Erklärung von Wahrheit durch die Konvention (T) einmal vorausgesetzt — ein Vergleich von rivalisierenden linguistischen Rahmenwerken wegen der Abhängigkeit des Begriffes der Wahrheit von der Übersetzung und der daraus resultierenden Ununterscheidbarkeit von Sprache und Theorie objektiv nicht durchführbar ist. Das trifft aber nur für den vom Verfasser ins Auge gefaßten Fall der radikalen Interpretation zu, den ein überzeugter Pragmatist eher als unerheblich vernachlässigen wird, weil er nicht von einer derart ›absolutistischen‹ Auffassung von Wahrheit ausgeht wie Davidson. Sogar Quine, der sonst dessen Unternehmen billigt, verweigert offenbar seine Zustimmung: „He rightly protests [...] that it is idle to say that true sentences are sentences that fit the facts, or match the world; also pernicious, in creating an illusion of explanation. [...] The proper role of experience or surface irritation is as a basis not for truth but for warranted belief. [...] Empiricism as a theory of truth [...] goes by the board, and good riddance. As a theory of evidence, however, empiricism remains with us. [...] The third purported dogma, understood now in relation not to truth but to warranted belief, remains intact. [...] It is what makes scientific method partly empirical rather than solely a q uest for internal coherence“ (Quine 1981 c, 39).
Die beiden Autoren sind sich charakteristischerweise in der von Neurath und Pierre Duhem (1861—1916) geerbten holistischen Haltung einig: Der Erfüllungsbegriff und die mit ihm verhafteten Referenzfragen spielen erst nach vollzogener Wahl einer semantischen Struktur und Ontologie, also nur theorieintern, eine Rolle. Wenn es jedoch um die
III. Positionen
Interpretation des gesamten Korpus unseres Wissens geht, bleibt uns nichts anderes übrig, als den auf geschlossene Sätze angewendeten, undefinierten Begriff der Wahrheit direkt mit menschlichen Handlungen und Absichten in Beziehung zu setzen. Es ist dann weiter nicht erstaunlich, daß ein Aufsatz Davidsons den höchst paradox anmutenden Titel Reality without Reference trägt. Ich meinerseits neige dazu, die Fiktion von derart radikalen Situationen als wirklichkeitsfern und daher als unfruchtbar abzuweisen. Quine behauptet zwar, daß die Unbestimmtheit schon in der eigenen Sprachgemeinschaft beginnt (at home), so daß die Spekulationen über die Arbeit des Ethnologen einen mehr illustrativen Zweck erfüllen. Nichtsdestoweniger halte ich es für methodologisch verfehlt, von Grenzfällen auszugehen, die schon voraussetzen, daß jede Sprechhandlung von unheilbaren Ungewißheiten infiziert sei. Denn wie wäre unter solchen Umständen die Annahme zu rechtfertigen, daß verschiedene Sprecher überhaupt dieselbe Sprache benützen und nicht einfach sinnlose Geräusche erzeugen? Es ist sicher richtig, daß allein eine empirisch überprüfbare Theorie die Bedeutung von Ausdrücken in natürlichen Sprachen in nicht zirkulärer Art zu erklären vermag und daß andere formale Theorien wie z. B. die Mögliche-Welten-Semantik dieser Forderung nicht gerecht werden. Damit ist aber der tatsächliche Erfolg der von den beiden Autoren vorgeschlagenen Vorgehensweise für ein genügend umfassendes Gebiet des Untersuchungsgegenstandes nicht erwiesen. Ich jedenfalls möchte mein Vertrauen eher in eine Methode setzen, die, auf Kontexte abstellend, den Gebrauch von Ausdrücken mitberücksichtigt und ihn als semantisches und ontologisches Kriterium verwendet. Wie auch Hilary Putnam (* 1926) (1975 b) annimmt, scheinen mir Quines und Davidsons mit äußerst subtilen Argumenten verteidigten Thesen das Anzeichen eines tiefliegenden Mangels methodologischer Natur zu sein (cf. Lauener 1985).
4.
Singulare Terme
4.1. Die deskriptive Theorie Zur Bildung von Einsetzungsinstanzen sind im Vokabular einer substitutionellen Interpretation der Quantorenlogik singulare Terme unerläßlich, während Quines objektbezogene Version nur Individuenvariablen erfordert. Die Verwendung von Eigennamen be-
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie
reitet, wie bereits erwähnt, im Zusammenhang mit sogenannten ›leeren Namen‹ Schwierigkeiten. Welches ist der Wahrheitswert z. B. des Satzes ‘Pegasus existiert nicht’, der in der kanonischen Notation durch ‘~ ∨ x (x = a)’ wiedergegeben wird? Wie ist es überhaupt möglich, wahre oder falsche Aussagen über Dinge zu machen, die es nicht gibt? Wie ist zu erklären, daß ‘Der Morgenstern = der Morgenstern’ eine schlichte Tautologie darstellt, während ‘Der Morgenstern = der Abendstern’ eine Information enthält, die auf einer empirischen Theorie, nämlich der Astronomie, beruht? Haben Eigennamen nur eine Denotation oder kommt ihnen auch ein deskriptiver Gehalt zu? Wie genau funktionieren Kennzeichnungen (Russells ›definite descriptions‹)? Das sind einige Muster aus dem Fragenkatalog, der sich bei fortschreitender Forschung in bezug auf singulare Terme ergeben hat (s. Art. 78). — Mill (s. Art. 30) hatte den Standpunkt vertreten, daß Eigennamen eine Denotation, aber im Gegensatz etwa zu Kennzeichnungen keine Konnotation, d. h. keinen deskriptiven Gehalt haben. Sofern sie in der Sprache bloß den Zweck erfüllen, ein bestimmtes Individuum zu bezeichnen, sind sie mit einem Etikett vergleichbar, das man einem Ding aufklebt. In Naming and Necessity beurteilt Kripke ihre Funktion in ähnlicher Weise, indem er sie für sogenannte feste Designatoren (rigid designators) ausgibt, d. h. für Terme, die in allen möglichen Welten dasselbe Objekt denotieren. So hat z. B. ‘Immanuel Kant’ in allen denkbaren Alternativen zur wirklichen Welt die gleiche Referenz, während ‘Der Verfasser der Kritik der reinen Vernunft’ sich nicht in allen möglichen Welten auf dieselbe Person beziehen muß, da (rein logisch) die Möglichkeit besteht, daß das betreffende Werk von einem anderen Autor stammt. Dabei setzt Kripke voraus, daß Individuen aufgrund eines ursprünglichen Taufaktes (original baptism) identifiziert werden. Um diesen zu vollziehen, können zwar deskriptive Mittel verwendet werden — z. B. das erste Kind männlichen Geschlechts, das in der Familie NN geboren wird, erhält den Vornamen seines Vaters; solche Beschreibungen bestimmen aber nicht den Sinn des Termes, denn statt des ‘Immanuel’ getauften Knaben hätte ein Mädchen das Licht der Welt erblikken können. Was ferner die Pragmatik betrifft, so schlägt er eine kausale Erklärung vor, wonach die Sprecher den Namen dann richtig verwenden, wenn ihr jeweiliger Ge-
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brauch durch eine ununterbrochene Kommunikationskette auf das durch den Taufakt fixierte Referenzobjekt zurückführt. Dieser Auffassung nach kann also jemand sich korrekt auf Cicero beziehen, auch wenn er von ihm nichts weiter weiß, als daß er ein römischer Redner war. Das hat zur Folge, daß alle Identitätsaussagen der Form ‘a = b’ mit festen Designatoren als Argumenten notwendig werden, weil sie, wenn sie wahr sind, in allen möglichen Welten wahr sein müssen. Da aber ‘Der Morgenstern = der Abendstern’ ein synthetischer Satz ist, können das semantische Prädikat ‘analytisch’, das erkenntnistheoretische Prädikat ‘a priori’ und das metaphysische Prädikat ‘notwendig’ nicht die gleiche Extension haben, und es muß entsprechend die Möglichkeit notwendiger Wahrheiten a posteriori eingeräumt werden. Dieser Analyse gemäß erübrigt sich also die heikle Frage nach dem Sinn von Eigennamen, den Frege einführt, um die Informationshaltigkeit derartiger Identitätsaussagen zu erklären, und den er mit dem Beschreibungsgehalt einer Kennzeichnung, die dasselbe Objekt bezeichnet, gleichsetzt. Kripkes Verfahren hat den Vorteil, daß es die Verwendung eines Namens von dem je nach Sprecher variierenden Individualbegriff unabhängig macht und so die Möglichkeit ausschließt, daß er verschiedene Bedeutungen haben kann (s. Art. 83). In seiner Periode des logischen Atomismus verändert Russell Freges Auffassung dahingehend, daß er mit Hilfe von Demonstrativpronomen wie ‘dieser’ oder ‘jener’ gebildete singulare Terme als die eigentlich referentiellen Ausdrücke auszeichnet, weil sie als einzige auf unmittelbar gegebene Wahrnehmungsinhalte (sense-data) verweisen. Andere Arten von singularen Termen haben insofern keinen Anspruch auf logische Ursprünglichkeit, als sie Objekte bezeichnen, mit denen wir nicht direkt vertraut sind, und deren Existenz wir erst erschließen. Physikalische Körper z. B. sind nach ihm keine Gegenstände unmittelbarer Erfahrung (objects of acq uaintance). — Um der mißlichen Konseq uenz einer subjektiv bedingten Wandelbarkeit zu entgehen, hat man erwogen, die Bedeutung von singularen Termen mit der Klasse aller auf den Träger zutreffenden Beschreibungen zu identifizieren. Der Vorschlag scheint jedoch nicht annehmbar, weil dann alle deskriptiven Aussagen über das betreffende Ding zu analytischen gemacht würden. Wittgenstein seinerseits weist in den Philosophischen Untersuchungen auf die Tatsache hin, daß Namen keine end-
III. Positionen
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gültig festgelegte Bedeutung besitzen und daß man sich deshalb mit einer lockeren Verbindung, d. h. mit einer Disjunktion von Deskriptionen begnügen könne. Die Vagheit einer solchen Konzeption erweckt unmittelbar Zweifel an ihrer Fruchtbarkeit, und man beginnt die Motive zu ahnen, die Quine bewegt haben, singulare Terme aus der reglementierten Sprache zu verbannen. Zu diesem Zweck kam ihm, wie schon früher angedeutet, Russells Theorie der Kennzeichnungen (Russell 1905) gelegen, nach welcher aufgrund einer sogenannten Kontextdefinition oder Explikation Sätze, die Kennzeichnungen enthalten, durch äq uivalente Sätze in rein q uantifikatorischer Form ersetzt werden können: (G (ιx Fx) ⇋ ∨ x (Fx ⋀ ⋀y (Fy → y = x) ⋀ Gx) oder kürzer: ⇋ ∨ x ⋀ y ((Fy ↔ x = y) ⋀ Gx) Mit ‘x ist der gegenwärtige König Frankreichs’ für ‘Fx’ und ‘x ist kahl’ für ‘Gx’ erhalten wir den Satz ‘Der gegenwärtige König Frankreichs ist kahl’, der falsch ist, weil es kein Ding gibt, das den offenen Satz ‘Fx’ erfüllt. Dank Russells Verfahren brauchen wir uns folglich nicht mit dem von Quine in On What There is (1948) fingierten Platonisten auseinanderzusetzen, der behauptet, daß es doch irgendein Ding geben müsse, dem wir Existenz absprechen; denn, wenn wir sagen, daß Pegasus nicht existiert, sprechen wir nicht über ein nicht-seiendes Objekt, sondern behaupten einfach die Wahrheit von ‘~ ∨ x (x = a)’, und zwar, wie Russell und Quine meinen, mit Recht, da es tatsächlich kein solches Ding gibt. Ihrer Analyse gemäß können wir uns also die Annahme von Meinongschen Entitäten wie die nicht-existierenden Gegenstände in unserer Ontologie ersparen. — Es ist daran zu erinnern, daß auch Frege mit seiner deskriptiven Theorie in bezug auf leere singulare Terme auf Schwierigkeiten stößt. Nach ihm hängt die Wahrheit eines Satzes von der Referenz der in ihm vorkommenden Ausdrücke ab. Da in ‘Pegasus ist ein geflügeltes Pferd’ der Name keine Referenz hat, dürfte der (nicht in einem opaken Kontext stehende) Satz eigentlich weder wahr noch falsch sein. Um die Einführung eines dritten Wahrheitswertes (etwa: unentschieden) zu vermeiden, postuliert er ad hoc das schon erwähnte, durch einen Stern symbolisierte Objekt, das durch Konvention als zur Extension des Prädikates gehörig erklärt wird.
4.2. Der modelltheoretische Ansatz 4.2.1. Die kurzen Hinweise auf all die komplexen Probleme, welche die Behandlung von singularen Termen in formalen Sprachen aufwirft, mögen vorläufig genügen (cf. Schwarz 1977). Gegen die deskriptive Theorie in ihren verschiedenen Varianten trägt Kripke in Naming and Necessity massive Argumente vor. Eine Lösung sollen die von ihm entwickelten modelltheoretischen Techniken bringen, die unter dem Titel Mögliche-Welten-Semantik bekannt geworden sind und die er vor allem für den Zweck einer formalen Interpretation der Modallogik einsetzt (s. Art. 88). Unter einer notwendigen Wahrheit versteht er eine solche, die in allen möglichen Welten gilt, während eine kontingente Wahrheit zwar für die wirkliche Welt gilt, in anderen möglichen Welten aber falsch sein kann. Systeme der Modallogik wurden zunächst als rein syntaktische Erweiterungen der klassischen Logik vorgeschlagen, indem neue Operatoren wie ‘’ [‘es ist notwendig, daß’], ‘♢’ [‘es ist möglich, daß ...’], ‘’ [‘... impliziert strikt ...’, d. h. Notwendigkeit der gewöhnlichen ‘wenn — dann’-Verknüpfung, der ›materialen Implikation‹] etc. und entsprechende Axiome und Regeln eingeführt wurden (modale Satzlogik axiomatisch erstmals in Lewis 1918, Einbeziehung der Prädikatenlogik in Barcan 1946; cf. auch Carnap 1947). Erst nachträglich haben Autoren wie Stig Kanger (1957), Barcan Marcus (1962), Hintikka (1969 b) und Kripke (1963) selbst eine formale Theorie ausgearbeitet, die es erlaubt, die Begriffe der Wahrheit und Validität exakt zu definieren und Beweise für Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit etc. zu liefern. In ähnlicher Weise wurden auch Systeme der epistemischen Logik mit einem Operator ‘K’ (‘... knows that ...’), der Glaubenslogik mit ‘B’, der deontischen Logik mit ‘O’ (‘es ist obligatorisch, daß ...’) und andere verwandte Gebiete behandelt. Für Clarence Irving Lewis (1883—1964) wurde im besonderen die Einsicht, daß das Konditional der Satzlogik, die ›materiale Implikation‹, das ‘wenn — dann’ der natürlichen Sprache nicht auf befriedigende Art wiedergibt, zum Anlaß für die Einführung von Modalbegriffen. Jene enthält Theoreme, die intuitiv anstößig sind und als Paradoxien der ›materialen Implikation‹ denunziert wurden: p → (q → p) ~ p → (p → q) Die Behauptungen, daß eine wahre Aussage durch eine beliebige andere ›material impli-
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ziert‹ wird oder daß eine falsche Aussage eine beliebige andere ›material impliziert‹, wirken in der Tat in bezug auf das gewöhnliche Denken störend. Es wurde allerdings bald bemerkt, daß es um den Begriff der strikten Implikation nicht besser bestellt ist, denn Lewis System enthält die ebenso paradoxen Theoreme p → (q p) ~ p → (p q), die besagen, daß ein notwendig wahrer Satz durch einen beliebigen anderen ›strikt impliziert‹ wird oder daß ein notwendig falscher Satz einen beliebigen anderen ›strikt impliziert‹, wobei strikte Implikation durch Notwendigkeit der materialen Implikation definiert ist: p q ⇋ (p → q). Verschiedene Autoren haben eine Reihe von Systemen der Modallogik entworfen, die sich durch die Stärke ihrer Axiome unterscheiden und die in komplexen, zum Teil hierarchischen Beziehungen zueinander stehen. Das schwache System T erhält man z. B. dadurch, daß man die Axiome ‘ (p → p)’ und ‘ (p → q) → ( p → q)’ sowie die Regel ‘Wenn Tφ, dann T φ’ dem Grundstock der Satzlogik hinzufügt, was die Herleitung von Theoremen mit iterierten Modaloperatoren der Form φ, φetc. ermöglicht (vgl. die ausführliche Darstellung der Modallogik bei Hughes/Cresswell 1968). — Angesichts der Tatsache, daß es zahlreiche, formal einwandfreie Systeme gibt, erhebt sich die Frage, ob die Modalbegriffe wirklich eine einsichtige Bedeutung haben und ob unter den rivalisierenden Systemen eines objektiv als das intuitiv richtige ausgezeichnet werden kann. Die modelltheoretische Interpretation, von der man erwartete, daß sie Quines anfängliche Skepsis verscheuchen würde, operiert mit dem Begriff eines Modells, das für die Satzlogik die Form einer geordneten Menge 〈W, M, R〉 annimmt. Kripke deutet dabei M als die Menge der möglichen Welten w1, w2, ...; W, ein Element von M, als die wirkliche Welt; und R als eine Zugänglichkeitsrelation unter möglichen Welten, die je nach System verschiedene Eigenschaften annimmt: um zu T zu gelangen, ist bloß Reflexivität erforderlich, für das Brouwer-System B zusätzlich Symmetrie, für S4 Reflexivität und Transitivität, während man das starke System S5 gewinnt, wenn R eine Äq uivalenzrelation ist. Ein q uantifikatorisches Modell wird dann als ein geordnetes Paar definiert, bestehend aus einem Tripel der eben geschilderten Art als erstem Glied, und einer Funktion D(w), die jedem
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w in M eine Menge von Individuen zuordnet, als zweitem Glied. Intuitiv gesehen stellt also D(wi) die Menge der Dinge dar, die in wi existieren. Indem man Bedingungen für die Bewertung von Formeln in jeder w von M formuliert, gelangt man schließlich zur Definition der Validität für die verschiedenen Systeme: eine Formel φ ist in einem System S dann und nur dann allgemeingültig, wenn die Bewertung von φ für alle w in M den Wert ‘wahr’ ergibt. Entsprechend gilt eine Formel, φ, genau dann als wahr, wenn φ in allen möglichen Welten wahr ist, und eine Formel ♢ φ, wenn φ mindestens in einer möglichen Welt wahr ist. — Vom formalen Standpunkt beurteilt ist das Verfahren sicher einwandfrei. Vermittelt es aber wirklich eine Einsicht in die Bedeutung der Wörter ‘notwendig’ und ‘möglich’? Das wäre nur der Fall, wenn die neu eingeführten Begriffe besser geklärt wären als diejenigen des alltäglichen Sprachgebrauchs. Was genau sind aber mögliche Welten? Unter den Anhängern scheint man sich über diese Frage nicht einig zu sein. David Kellogg Lewis’ (*1941) extreme Antwort (Lewis 1973), wonach mögliche Welten als von der Sprache völlig unabhängige Entitäten existieren, hat im Lager der Empiristen Bedenken ausgelöst. Einem erklärten Feind metaphysischer Ausschweifungen wird man in der Tat nicht zumuten können, daß er derartige Kamele schluckt. Kripke andererseits erläutert, daß sie nicht als ferne, mit einem geistigen Teleskop zu entdeckende platonische Gebilde zu betrachten sind, sondern als mögliche Alternativen zur wirklichen Welt, die bloß stipuliert werden und dadurch entstehen, daß wir uns vorstellen, wie gewisse Ereignisse hätten anders verlaufen können. Hintikka seinerseits deutet sie rein sprachlich als maximal konsistente Mengen von Sätzen und räumt im Gegensatz zu Kripke ein, daß das Problem der Identität von Individuen in verschiedenen Welten (transworld identity) ernsthafte Schwierigkeiten bereitet. 4.2.2. Man wird sich in der Tat fragen, was die Behauptung, daß Individuen aus verschiedenen möglichen Welten dasselbe Individuum sind, bedeuten soll. Stellen wir uns eine mögliche Welt vor, in welcher Zwillingsbrüder vorkommen, die den gleichen Lebenslauf haben wie Ronald Reagan, bis auf den Umstand, daß beide nicht zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden, sondern der eine seine Karriere als Schauspieler und der andere als Gewerkschaftsführer beendet.
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Welcher von ihnen wäre mit dem wirklichen Mann zu identifizieren? Ich zweifle, daß die Frage überhaupt einen Sinn hat. Ist sie so zu verstehen, daß nicht-aktualisierte Entitäten postuliert werden, wovon die eine mit einem lebendigen Menschen identisch sein soll? Ein bloß mögliches Objekt kann insofern nicht mit einer konkreten Person identisch sein, als sie in bezug mindestens auf die Eigenschaften der Abstraktheit und Konkretheit radikal verschieden sind. Man könnte auf eine essentialistische Lösung sinnen, wonach zwei Dinge dann als gleich zu gelten hätten, wenn sie dieselben wesentlichen Eigenschaften aufweisen. Wie aber sollen wesentliche Eigenschaften bloß kontingenten gegenüber objektiv ausgezeichnet werden? — Die hoffnungslose Verwirrung, in die wir geraten, wenn wir uns auf derartige Probleme einlassen, hat Quine in überzeugender Weise geschildert. Als Empirist lehnt er die fragwürdigen metaphysischen Voraussetzungen ab, die der gesamten Konzeption zugrundeliegen. Wir lassen uns, wie er darlegt, erst dann ernsthaft auf Modalbegriffe ein, wenn wir Operatoren einführen, die sich auf offene Sätze erstrecken (Quine 1953 a). Erst durch das Hineinq uantifizieren in modale Kontexte — ‘∨ x Fx’ im Unterschied zu ‘ ∨ x Fx’ — konstruieren wir sogenannte de re Modalitäten, die wesentlich problematischer sind als die vergleichsweise harmlosen de dicto Fälle. Da modale Kontexte wegen des Versagens der Substitutionsregel als referentiell undurchsichtig zu gelten haben, schließt Quine Ausdrücke der Form ‘ Fx’ als offene Sätze aus. Nach ihm haben also Quantifikationen wie ‘∨ x Fx’ schlichtweg keinen Sinn. Anfänglich hatte er zwar in Anlehnung an Frege die Möglichkeit ins Auge gefaßt, für opake Kontexte die Substitutionsregel so einzuschränken, daß innerhalb von solchen nur synonyme Ausdrücke ausgetauscht werden dürfen (cf. Quine 1943). Wenn wir nämlich im früher angeführten Beispiel ‘9’ durch ‘32’ statt durch ‘die Zahl der Planeten’ ersetzen, erhalten wir den wahren Satz ‘ (32 > 7)’, so daß der Austausch salva veritate gewahrt bleibt. Später hat er jedoch erkannt, daß — abgesehen von der Schwierigkeit, Synonymität zu bestimmen — auch diese Lösung unbrauchbar ist, weil Variablen in einem Satz sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bereiches eines Modaloperators vorkommen können. Da sich die Variable ‘x’ in ‘∨ x (Fx ⋀ Gx)’ im Vorderglied der Matrix nicht auf dasselbe Objekt wie im Hinterglied beziehen kann, muß ein Satz dieser Form
III. Positionen
unverständlich bleiben. Ebensowenig würde es nützen, die Werte der Variablen auf Intensionen zu beschränken, weil jedes Ding, sogar eine Intension, sich auf kontingenterweise übereinstimmende Art spezifizieren läßt, wie Quine gegen einen diesbezüglichen Vorschlag Churchs geltend macht (Church 1943; Quine 1966 c, 181 f). Wenn man schließlich, um die referentielle Durchsichtigkeit modaler Kontexte zu gewährleisten, die Notwendigkeit von Identitätsaussagen dadurch erzwingen wollte, daß man ein Postulat aufstellt, wonach zwei Prädikate, die durch ein einziges und gleiches Objekt erfüllt werden, notwendig äq uivalent sein müssen, so würde man damit modale Unterscheidungen überhaupt aufheben. Denn aus den Prämissen ‘[⋀ x (Fx ↔ x = y) ⋀ ⋀x (Gx ↔ x = y)] → ⋀ x (Fx ↔ Gx)’ und ‘p’ folgt logisch ‘p’, wie in Word and Object gezeigt wird (Quine 1960, 197 f). Quines konseq uent von einem empiristischen Standpunkt vorgetragenen Einwände sind nicht unwidersprochen geblieben. Arthur Francis Smullyan (* 1912) äußert den Verdacht, daß er das unterschiedliche Funktionieren von Eigennamen und Kennzeichnungen übersehen habe. Letztere können nämlich in bezug auf die Reichweite des Jotaoperators zu Mehrdeutigkeiten (scope ambiguities) führen, indem ein Satz der Form ‘F (ιx Gxa)’ je nach dem Spielraum, den man dem Operator gewährt, entweder als (1) ‘ ∨ y [⋀ x (Fx ↔ x = y) ⋀ Gya]’ oder als (2) ‘∨ y [⋀ x (Fx ↔ x = y) ⋀ Gya]’ interpretiert werden kann. Nach Smullyan folgt jedoch im Beispiel mit ‘ (die Zahl der Planeten > 7)’ aus den Prämissen als Konklusion nicht, wie Quine offenbar annimmt, (1), sondern (2). Das sei aber durchaus in Ordnung, weil es tatsächlich ein Ding gibt, das die Zahl der Planeten ist, und weil es wahr ist, daß dieses notwendig größer als sieben ist. Das Argument trifft allerdings das Ziel nicht, denn (2) kann ja nach Quine insofern nicht die intendierte Schlußfolgerung sein, als der Satz wegen des Hineinq uantifizierens in einen opaken Kontext gar keinen Sinn ergibt. Quine bleibt unerschütterlich. Für ihn stellen die Fragen nach der Interpretation von modalen offenen Sätzen und der Bedeutung essentialistischer Aussagen dasselbe unlösbare Problem dar. Er hat seine Gegner immerhin so weit gebracht, daß sie sich öffentlich zum Essentialismus bekennen, wie Kripke das etwa tut:
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie
„If it [gemeint ist der Satz ‘The number of planets is necessarily odd’, H. L.] is interpreted de re, it asserts that the actual number of planets (nine) has the property of necessary oddness (essentialists like me take this to be true)“ (Kripke 1979 b, 9).
Hintikka räumt ein, daß die Frage nach der Identität von Individuen in verschiedenen möglichen Welten nur unter der Voraussetzung, daß man diesen wesentliche, d. h. sie einzig spezifizierende Eigenschaften, zugesteht, zu lösen ist, wobei er selbst auf die Zweifelhaftigkeit der Vermischung von Quantoren mit Modaloperatoren hinweist. Da Quine als Empirist jegliche Auszeichnung von besonderen Wesenszügen für hoffnungslos willkürlich hält, zieht er es vor zu verzichten (cf. Lauener 1982 II, 3). Der Verzicht fällt ihm umso leichter, als wir seinem Naturalismus gemäß der Modalbegriffe gar nicht bedürfen, weil wir in der reglementierten Sprache der Wissenschaft ohne sie auskommen. Man hat zwar behauptet, daß Dispositionsprädikate nicht ohne Rückgriff auf modale Ausdrücke zu erklären seien. ‘x ist wasserlöslich ⇋ x wird in Wasser getaucht ⋀ x löst sich auf ist offensichtlich keine brauchbare Definition, weil nach ihr Dinge, die nie in Wasser getaucht worden sind, wasserlöslich sein müßten. Als korrekte Analyse hat man deshalb den irrealen Konditionalsatz ‘Wenn x in Wasser getaucht würde, dann würde x sich auflösen’ vorgeschlagen, der mit den üblichen Mitteln der klassischen Logik nicht zu bewältigen ist und nach D. Lewis und anderen (Lewis 1973; Stalnaker 1968) eine modale Behandlung erfordert. Quine entgegnet, daß die wissenschaftliche Methode eben darin besteht, fragwürdige Ausdrucksweisen dieser Art zu eliminieren, indem man Dispositionsprädikate z. B. mittels der in der Chemie als relevant aufgedeckten physikalischen Struktur wasserlöslicher Substanzen zu erklären sucht (Quine 1969 a). Denn von einer Analyse mit Begriffen, deren Semantik mit den geschilderten Hypotheken belastet ist, wird man ohnehin nicht erwarten dürfen, daß sie fortschrittliche Einsichten ans Licht fördert.
5.
Sprache, Erfahrung und Ontologie
5.1. Übersetzung und Methode 5.1.1. Intensionen sind in der analytischen Philosophie zu verschiedenen Zwecken verwendet worden. Man hat unter anderem argumentiert, daß Übersetzung ohne Voraus-
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setzung von Propositionen nicht möglich wäre, da ein Satz nur dann als korrekte Übertragung gelten könne, wenn er die gleiche Bedeutung hat, d. h. dieselbe Proposition ausdrückt, wie die Vorlage. Quine verspricht sich von der Postulierung derart ätherischer Gebilde als Bedeutungskonstanten keinen theoretischen Gewinn; sie würde höchstens die irrige Vorstellung begünstigen, daß es überhaupt ein objektives Kriterium für die Korrektheit einer Übersetzung gibt. Nach ihm bleibt diese jedoch grundsätzlich unbestimmt, da jede Interpretierung im Hintergrund ein System von analytischen Hypothesen (translation manual) voraussetzt, dessen Richtigkeit nicht zu verbürgen ist, weil die empirischen Daten immer mit mehreren, untereinander unvereinbaren Varianten von solchen Systemen verträglich sind. Die Betrachtung radikaler Situationen hat dabei nach Quine den Vorteil, daß sie die grundlegenden Beziehungen zwischen Sprache und Erfahrung aufdeckt. Wenn etwa ein Eingeborener in Gegenwart eines Hasen das Wort oder den Kurzsatz ‘Gavagai’ ausspricht und wenn er in ähnlichen Reizsituationen auf Anfrage hin immer wieder bejahend reagiert, so kann der Feldforscher schließen, daß er das erfaßt hat, was Quine die (affirmative) Reizbedeutung des Ausdrucks nennt. Solche einfachen Beobachtungssätze, die an die Protokollsätze der logischen Empiristen erinnern, besitzen bis zu einem gewissen Grad eine eigenständige Bedeutung, d. h. einen vom gesamten Begriffsnetz unabhängigen empirischen Gehalt, denn sie sind diejenigen, die am wenigsten von unserem theoretischen Wissen über die Welt (collateral information) abhängen. Daraus darf man jedoch nicht schließen, daß es zwei streng trennbare Kategorien von Sätzen gibt, wovon die Wahrheit der einen allein aufgrund unmittelbarer Wahrnehmung auszumachen und diejenige der anderen rein sprachlich bedingt wäre. Es handelt sich bloß um eine graduelle Unterscheidung mit mehr oder weniger extremen Fällen in beide Richtungen. Nach Quine ist nun die Reizbedeutung der einzige empirische Beleg, über den wir für die Rechtfertigung des Anspruchs, korrekt übersetzt zu haben, verfügen. Denn Beobachtung allein gibt uns keinen Aufschluß über die subtilere innere Organisation der fremden Sprache, so daß wir nicht umhin können, unsere eigenen grammatikalischen Strukturvorstellungen in sie hineinzuprojizieren. Im besonderen erlaubt sie es uns nicht auszumachen, ob mit ‘Gavagai’ ‘Hier ein Hase’, ‘Hier ein Hasenteil’ ‘Hier eine Hasenweltlinie’ (im
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Sinne der Sprache der Physik mit dem vierdimensionalen Raum-Zeitkontinuum) etc. gemeint ist. Quine hat viel Mühe daran verwendet zu zeigen, daß wir sowohl die Ontologie als auch die Ideologie (Prädikatenstruktur) einer Theorie oder Sprache uminterpretieren können, ohne daß sich am Sprachverhalten etwas verändert. Die Unbestimmtheit der Übersetzung hängt mit der Unerforschlichkeit der Referenz zusammen, die sich allerdings im Rahmen des Alltags, intern betrachtet, insofern als harmlos erweist, als ‘Hase’ im Deutschen Hasen bezeichnet und es zwecklos wäre zu fragen: Hasen in welchem Sinne des Wortes? Nach Quine gibt es somit Sätze, deren Bejahung oder Verneinung weniger durch den Informationsstand bedingt sind, als das bei den mehr zentral gelegenen theoretischen Sätzen der Fall ist. Solche relativen Beobachtungssätze, die Terme wie ‘rot’, ‘Hase’ im Gegensatz zu ‘Junggeselle’, ‘Zyklotron’ etc. enthalten, sind jedoch kein vollwertiger Ersatz für die ›unkorrigierbaren‹ Basissätze, auf welche die Neopositivisten für die Durchführung ihres reduktionistischen Programms abstellen. Übersetzbar sind sie nur unter den landläufigen Ungewißheiten der Induktion. Reizbedeutung reicht keineswegs aus, um die analytischen Hypothesen objektiv zu bestimmen. Gegen Noam Chomsky (* 1928) beharrt er darauf, daß seine These der Unbestimmtheit nicht einfach als ein Anwendungsfall der weitgehend anerkannten Unterbestimmtheit empirischer Theorien auf die Linguistik zu verstehen sei: „Though linguistics is of course a part of the theory of nature, the indeterminacy of translation is not just inherited as a special case of the underdetermination of our theory of nature. It is parallel but additional“ (Quine 1969 b, 303).
Als Übersetzer tragen wir im Bewußtsein der Unterbestimmtheit unserer Theorie der Natur die Struktur dieser Theorie in die zu interpretierende Sprache hinein. Quine behauptet nun, daß es mehrere, logisch unverträgliche Arten gibt, diese Projektion vorzunehmen, ohne daß dadurch die Wahrheiten der Theorie selbst berührt würden: „The point about indeterminacy of translation is that it withstands even [...] the whole truth about nature. This is what I mean by saying that where indeterminacy of translation applies there is no real q uestion of right choice; there is no fact of the matter even within the acknowledged underdetermination of a theory of nature“ (Quine 1969 b, 303).
Naturalistisch gesehen hängt somit die Be-
III. Positionen
deutung, die wir Ausdrücken der fremden Sprache zuordnen, auf globale Art von den innerhalb unserer Theorie akzeptierten Wahrheiten ab: das gesamte System der analytischen Hypothesen beruht auf einer durch die vorläufig adoptierte Naturtheorie bedingten Sicht der Welt. Die Tätigkeit des Übersetzens könnte ohne Voraussetzung eines solchen Kerns von gefestigten Wahrheiten gar nicht erst einsetzen. Diese zunächst verblüffende Behauptung wird leichter verständlich, wenn man sich daran erinnert, daß für Quine die vom methodologischen Standpunkt als empirische Evidenz akzeptierten Daten nicht identisch sind mit den Wahrheitsbedingungen einzelner Sätze, die vom Gesichtspunkt der Semantik die Bedeutung der Terme bedingen. Sofern sich die Interpretation letztlich auf Davidsonsche T-Sätze von Beobachtungssätzen stützt, kann sie tatsächlich erst nach vollzogener Arbeit des Naturwissenschaftlers, d. h. nach Etablierung der theoretischen Wahrheiten, beginnen. Aus dieser Perspektive beurteilt erscheint uns die These der Indeterminiertheit der Übersetzung als weniger unglaubwürdig. 5.1.2. Vor Quine wurde allgemein angenommen, daß Wahrheitsfindung von einem vorhergehenden Verständnis der Sprache abhängt. Indem er das Verhältnis umkehrt, vollzieht er eine radikale Wendung, die gegen tief verankerte Vorstellungen verstößt. Trotz aller Offenheit für Neuerungen fällt es einem schwer, sich von der methodischen Richtigkeit des Ansatzes zu überzeugen. Es ist zu befürchten, daß eine Auffassung, die in systematischer Weise überlieferte Grenzen verwischt — im besonderen die Trennung zwischen Sprache und Theorie — letzten Endes zu einer unangemessenen Anschauung von Wissenschaft führen muß. Ein ständig vom Sturm gepeitschtes Boot, das nie zum Zwecke einer Überholung an Land gezogen werden könnte, würde — um Neuraths Metapher einmal anders zu verwenden — auf offener See verrotten und untergehen. Die empfindlichste Schwäche des naturalistisch-holistischen Weltbildes liegt meines Erachtens darin, daß in ihm die fundamentale Tätigkeit des aktiven Durchsetzens von Normen (nicht die Beschreibung von normativen Handlungen!) keinen Platz findet. Die postulierte — Philosophie, Psychologie, Physiologie usw. umfassende — Gesamttheorie liefert zwar deskriptive Erklärungen für das Zustandekommen von Entscheidungen, besagt aber nichts über
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die Ziele, die ich mir hic et nunc als moralisches Subjekt oder als wissenschaftlicher Forscher setzen soll. Indem wir Entschlüsse fassen, schaffen wir selbst im Erkenntnisprozeß die stabilisierenden Momente, die es uns erlauben, unser Wissen systematisch zu organisieren. In meiner offenen Transzendentalphilosophie, die ich dem Naturalismus entgegenhalte, trage ich dem Umstand Rechnung, daß wir aufgrund von bewußt oder unbewußt akzeptierten Konventionen — in der Wissenschaft meistens nach vorangegangener Diskussion und Einigung im Rahmen einer Forschungsgemeinschaft — selbst die apriorischen Elemente festlegen, die einem bestimmten Wissensgebiet als Grundlage dienen sollen. Zu diesen gehört in erster Linie die Sprache mit dem besonderen System der Logik, das je nach Bedarf in sie eingebaut wird. Es ist zu beachten, daß ein so konzipierter, relativer Begriff der Apriorität nichts mit dem metaphysischen Anliegen einer Letztbegründung, die absolute Gewißheit garantieren würde, zu tun hat (s. Art. 53). Wie Quine halte ich die Suche nach einem unveränderlichen Grundstock von Begriffen für illusorisch. Wie aber läßt sich die Überzeugung, daß alle Sätze — einschließlich derjenigen der Logik — grundsätzlich revidierbar bleiben, mit der Annahme apriorischer Wahrheiten vereinbaren? Es ist zunächst erforderlich, gegen Davidson und Quine die Machbarkeit einer Unterscheidung zwischen organisierendem Schema und organisierter Wirklichkeit, zwischen Sprache und Theorie und damit auch zwischen analytischer und synthetischer Wahrheit zu verteidigen. Der extreme Naturalist neigt dazu, die Rolle konventioneller Praktiken im Erkenntnisprozeß geringzuschätzen, wie Quines wiederholte Angriffe gegen das, was er ›legislative postulation‹ nennt, bezeugen. In den Aufsätzen Truth by Convention und Carnap and Logical Truth argumentiert er auf die ihm eigentümliche, subtile Art gegen das abschätzig ›truth by fiat‹ genannte Verfahren, wodurch bestimmte Wahrheiten mittels Konventionen festgesetzt werden: „How then are we to delimit the category of legislative postulation, short of including under it every new act of scientific hypothesis? The situation may seem to be saved, for ordinary hypotheses in natural science, by there being some indirect but eventual confrontation with empirical data. However, this confrontation can be remote; and, conversely, some such remote confrontation with experience may be claimed even for pure mathematics and elementary logic. The semblance of a difference
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in this respect is largely due to overemphasis of departmental boundaries“ (Quine 1966 a, 114).
Obschon ich das Ideal einer möglichst umfassenden Einheitstheorie nicht verleugne, glaube ich, daß gerade die im Zitat etwas leichthin abgefertigten Abgrenzungen einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung dieses anstrebungswürdigen Endziels leisten. Ich ziehe deshalb dem doktrinären Holismus einen methodologischen Pluralismus vor, der es uns erlaubt, stabile Teilgebiete in Form von spezifischen Theorien auszusondern, die wir mit ebenso genau abgegrenzten Rivalinnen in bezug auf ihre pragmatischen Vorzüge vergleichen und beurteilen. — Quine, der zwar die praktische Nützlichkeit von Grenzziehungen einräumt (cf. z. B. Quine 1960, 251), scheint nichtsdestoweniger ihren methodisch unabdingbaren Charakter zu verkennen. Wir haben es in Wirklichkeit, um das Neurathsche Bild ein letztes Mal zu bemühen, nicht mit einem einzigen Schiff zu tun, dessen einzelne Planken nach und nach ersetzt werden, sondern mit einer ganzen Flotte von verschiedenartigen mehr oder weniger seetüchtigen Booten, die auf mannigfaltige Art miteinander vertäut sind und unterschiedliche Funktionen übernehmen. Diese realistischere Sicht des Wissenschaftsbetriebs hat den Vorteil, daß sie die Auszeichnung von analytischen Sätzen ermöglicht, wobei allerdings das Prädikat auf bestimmte Sprachen relativiert wird. Wir führen in einer konkreten Situation — nicht in der fiktiven der radikalen Interpretation! — im Sinne Carnaps semantische Regeln ein, die uns dazu verpflichten, die Wahrheit gewisser Sätze nicht anzutasten, solange das betreffende sprachliche System in Kraft bleibt. Erst wenn dieses sich als für die vorgesehenen Zwecke untauglich erweist — sei es wegen mangelnder Ausdruckskraft oder aus anderen pragmatischen Gründen —, beschließen wir, die bisher verwendete Sprache zugunsten einer verbesserten aufzugeben. In dieser Weise wird die nützliche Unterscheidung zwischen einer internen Revision — z. B. der Wahl einer alternativen empirischen Hypothese im Rahmen einer gegebenen Theorie — und einer externen Revision gemacht, die im Sinne Kuhns die Ausarbeitung eines neuen, mit dem früheren inkommensurablen Begriffsapparates erfordert. Quine bezweifelt, daß ein solches Vorgehen strikt durchführbar ist und konzediert entsprechend nur einen graduellen Unterschied: „Viewed behavioristically and without reference to a metaphysical system, this contrast retains reality
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as a contrast between more and less firmly accepted statements; and it obtains antecedently to any post facto fashioning of conventions. There are statements which we choose to surrender last, if at all, in the course of revamping our sciences in the face of new discoveries; and among these there are some which we will not surrender at all, so basic are they to our whole conceptual scheme. Among the latter are to be counted the so-called truths of logic and mathematics, regardless of what further we may have to say of their status in the course of a subseq uent sophisticated philosophy. Now since these statements are destined to be maintained independently of our observations of the world, we may as well make use here of our techniq ue of conventional truth assignment and thereby forestall awkward metaphysical q uestions as to our a priori insight into necessary truths. On the other hand this purpose would not motivate extension of the truth-assignment process into the realm of erstwhile contingent statements. On such grounds, then, logic and mathematics may be held to be conventional while other fields are not; it may be held that it is philosophically important to circumscribe the logical and mathematical primitives by conventions of truth assignment but that it is idle elaboration to carry the process further“ (Quine 1966 d, 95).
Warum weigert sich Quine, diesen Schritt selbst zu vollziehen? Er zögert, weil er das Verfahren für letztlich willkürlich hält, weil es nach ihm keinen objektiven Grund dafür gibt, es nicht weiter z. B. auch auf die Gesetze der Naturwissenschaften anzuwenden. Zudem führt es zu einem nach ihm fatalen unendlichen Regreß, da jede Ableitung eines bestimmten wahren Satzes aus der allgemeinen Konvention schon die Logik voraussetzt. Mir erscheint dagegen der Regreß hier praktisch genauso harmlos wie derjenige, der in der klassischen Semantik beim Reglementierungsprozeß der Objektsprache durch eine Metasprache entsteht, so daß für einen Pragmatisten kein Anlaß besteht, davor zurückzuschrecken. Er stellt den Fall so dar, als hätten wir es bei der Rechtfertigung des Entschlusses, bei der Logik und der Mathematik halt zu machen, mit einer Sachfrage zu tun. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine methodologische Frage, die aufgrund von pragmatischen Kriterien wie Erfolg, Einfachheit, Eleganz etc. zu beurteilen ist. Um ein extremes Beispiel zu wählen, erschiene es als völlig unsinnig, die Regeln der Sprache so zu fassen, daß sämtliche, gewöhnlich als synthetisch betrachteten Sätze durch Konvention wahr und ihre Negationen entsprechend analytisch falsch gemacht würden. Obgleich eine solche Wahl an sich möglich wäre, rät trivia-
III. Positionen
lerweise die methodische Klugheit davon ab (cf. Lauener 1978, 80 ff). Wenn also Quine von Wahrheit durch fiat spricht, trifft er wörtlich das, was ich meine: Sätzen haftet nicht per se die Wesenseigenschaft an, analytisch oder synthetisch zu sein; es verhält sich vielmehr so, daß wir sie aus methodischen Gründen selbst zu solchen machen. Deshalb stimme ich auch der aus Two Dogmas of Empiricism gewonnenen Einsicht zu, daß jeder Versuch, eine nicht relative Definition von Analytizität zu finden, hoffnungslos bleibt. Im Unterschied zu ihm glaube ich aber nicht, daß eine solche überhaupt erforderlich ist, denn es genügt, mithilfe semantischer Postulate ein relatives Prädikat, ‘analytisch-in-Li’, so zu bestimmen, daß für die Dauer der Verwendung von Li alle durch Konvention für wahr ausgezeichneten Sätze rekursiv oder durch Auflistung festgelegt werden. Ich bin mir bewußt, daß ich damit keine tiefe, ›philosophisch hintergründige‹ Analyse des Terms vorlege. Eine solche kann es, wie Quine selbst überzeugend dargelegt hat, gar nicht geben. Methodologisch gesehen ist jedoch ein relativer Begriff der Analytizität für die Stabilisierung der Ausdrucksmittel unerläßlich (s. Art. 86). Er erweist sich nicht nur erkenntnistheoretisch, sondern auch im Hinblick auf die Organisation der Ontologie als fruchtbar, wie in den nächsten Abschnitten näher erörtert wird. 5.1.3. Die vorangehenden Überlegungen methodologischer Art geben nun einen Hinweis für eine adäq uate Beurteilung der Quineschen These der Unbestimmtheit der Übersetzung. Der Streit um ihre Wahrheit scheint mir letztlich auf einem Mißverständnis zu beruhen. Die Bedeutung, die man ihr beimißt, hängt entscheidend von der zugrundegelegten Konzeption von Philosophie ab. Aus einer Sicht, die Erkenntnistheorie mit empirischer Psychologie gleichsetzt und ganz allgemein Philosophie mit theoretischer Wissenschaft verschmilzt, folgt sie, wie Quine argumentiert, in ganz natürlicher Weise. Sie ist eine logische Konseq uenz der naturalistischen Grundhaltung, die ihren Niederschlag im semantischen Holismus und in der eng behavioristischen Methode findet. Meiner ganz anders gelagerten Auffassung von Philosophie gemäß handelt es sich dagegen nicht um eine Sachfrage, sondern um einen die praktische Zielsetzung betreffenden Beschluß. Da mein transzendentaler Standpunkt die Durchführbarkeit von strengen Grenzziehungen gewährleistet, brau-
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che ich nicht in holistischer Manier Metatheorie mit der Gesamttheorie zu verschmelzen. Demgemäß nimmt die Aufgabe des Philosophen einen wesentlich methodologischen Charakter an, indem sie vor allem auch normative Aspekte aufweist. Quine hat sich gegen den Vorwurf, sein Naturalismus bleibe unfähig, die Tätigkeit des Normierens zu erfassen, gewehrt. Da er sich aber nie auf die Frage eingelassen hat, wie normative Sätze aus einer deskriptiven Theorie folgen können, wirkt sein Protest nicht überzeugend. Die Möglichkeit einer Herleitung scheint umso fragwürdiger, als selbst Davidson bestreitet, daß sich intentionale Begriffe auf physikalische — seien es solche der Biologie, Physiologie oder Psychologie — zurückführen lassen. Die Beurteilung von methodisch klugen Verhaltensweisen, die von situationsbedingten Absichten abhängen, transzendiert ganz einfach die Beschreibung rein naturmäßiger, theoretisch erfaßbarer Phänomene und ist deshalb in einem naturalistischen Konzept nirgends unterzubringen. — Trotz der verschiedenen Auffassungen von Philosophie besteht eine gewisse Übereinstimmung. Ich gestehe Quine zu, daß im Kontext der radikalen Übersetzung nicht empirische Evidenz (matters of fact), sondern vom Standpunkt einer vorgängigen Theorie akzeptierte Wahrheiten die Wahl von analytischen Hypothesen (interpretational hypotheses) bestimmen und daß hier im Falle einer Unstimmigkeit objektiv nicht entscheidbar ist, ob sie von der Bedeutung der Wörter oder von der Ansicht über die Welt herrührt. Quine seinerseits räumt ein, daß dieser Umstand in der Praxis keine fatalen Folgen hat. In weniger extremen Situationen hat man sich meistens schon soweit über theoretische Fragen und über die Übersetzungsanleitungen (translation manual) geeinigt, daß keine ernsthaften Störungen auftreten: Die Unbestimmtheit läßt sich, wie er es ausdrückt, in der ›Hintergrundsprache‹ auffangen. Wenn man aber Radikalisierung zu einem methodischen Prinzip erhebt, belastet man sich mit unfruchtbaren Problemen. Welchen Status soll denn die Linguistik als eine empirische Wissenschaft erhalten, wenn semantische Analysen nur eine Beschäftigung mit Variationen der Notation darstellen, die keine theoretische Information vermittelt? Daß sie kein Wissen über die physikalische Natur vermittelt, wird nicht bestritten. Daß sie aber auch nichts empirisch Überprüfbares über die Art, wie wir diese begrifflich erfassen, besagen soll, scheint mir nicht zutreffend, weil ich nicht an die von
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Quine unterstellte erkenntnistheoretische Irrelevanz von sprachlichen Darstellungssystemen glaube. 5.2. Sprache und Ontologie 5.2.1. Die an der Logik orientierten Vertreter der analytischen Philosophie halten die natürliche Sprache für unzulänglich, um referentielle Fragen und die damit verbundenen ontischen Implikationen in klarer Weise zu erfassen. Zu diesem Zweck bedarf es nach ihnen einer mit Hilfe von exakten Techniken entwickelten kanonischen Notation. Quine optiert, wie wir gesehen haben, für ein karges, rein extensionales Sprachsystem: die Quantifikationstheorie erster Stufe. Er rechtfertigt seine Entscheidung unter anderem durch Überlegungen, die die Ontologie betreffen — eine Disziplin, der er als erster in der analytischen Tradition besondere Aufmerksamkeit zugewendet hat. Er wurde dabei mit Carnap in eine Kontroverse verwickelt, die letztlich erwiesen hat, daß man — entgegen dessen Befürchtung — ontologische Fragen behandeln kann, ohne in die alten Übel der Metaphysik zurückzufallen. Carnap äußert starkes Mißtrauen gegen Behauptungen des Inhalts, daß gewisse Dinge ›wirklich existieren‹, und er neigt entsprechend dazu, sämtliche Aussagen dieser Art als sinnlos zu verwerfen. Nach ihm hat die Verwendung von bestimmten Variablentypen nichts mit die empirische Welt betreffenden theoretischen Überzeugungen zu tun. Entsprechend leugnet er, daß wir uns einer Hypostasierung schuldig machen, wenn wir über Variablen, die für abstrakte Entitäten stehen, quantifizieren: „However, the concept of existence here [d. h. in Existenzq uantifikationen, H. L.] has nothing to do with the ontological concept of existence or reality“ (Carnap 1970, 43).
Er unterscheidet zwischen internen und externen Existenzfragen; während die letzteren grundsätzlich unbeantwortbar bleiben, folgen Aussagen der ersteren Art im Rahmen einer gegebenen Theorie entweder analytisch aus den Regeln der Sprache oder sind, wenn das nicht zutrifft, durch empirische Ermittlungen auszumachen. Falls jemand z. B. darauf beharrt, er wolle nicht wissen, ob die Existenz von Zahlen aus den Axiomen der Arithmetik herleitbar ist, sondern ob Zahlen wirklich existieren, so stellt er eine auf absolute Realität abzielende, unverständliche Frage. In Metaphysik werden wir also erst dann verwickelt, wenn wir die Sprache zur Formulierung der-
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artiger ›Pseudoaussagen‹ mißbrauchen. Indem er glaubt, in dieser Weise eine neutrale Haltung wahren zu können, gibt sich Carnap einer Illusion hin, denn praktische Entschlüsse haben durchaus ontologische Folgen, wie die weiteren Ausführungen zeigen sollen. — Quines kanonische Sprache erweist sich in der Tat als ein geeignetes Medium für die Formulierung eines klaren Kriteriums für ontische Annahmen, die mit der Verwendung einer Sprache oder Theorie verbunden sind. Nach ihm hat Ontologie — im Gegensatz zu der früheren ›Metaphysik des Seins‹ — als eine empirische Disziplin zu gelten, deren Aufgabe darin besteht zu bestimmen, was existiert (what there is). Um die Frage nach der Referenz von theoretischen Termen durchsichtig zu machen, sind wir in der Wissenschaft darauf angewiesen, nur solche Objekte zu setzen, die wir einwandfrei identifizieren können (›no entity without identity‹). Um festzulegen, welche ontischen Verpflichtungen wir mit einer Theorie eingehen, müssen wir sie in die Sprache der Quantorenlogik übersetzen; die Art von Entitäten, deren Existenz wir voraussetzen, sind dann genau diejenigen, die im Wertbereich der Variablen vorkommen müssen, damit die Theorie wahr wird: „To say that a given existential q uantification presupposes objects of a given kind is to say simply that the open sentence which follows the q uantifier is true of some objects of that kind and none not of that kind“ (Quine 1953 a, 131).
Zu sein heißt also, wie Quine das in der bekannten Kurzform ausdrückt, der Wert einer gebundenen Variable zu sein. Daß damit kein Anspruch auf Absolutheit erhoben wird, geht unmißverständlich aus dem Umstand hervor, daß die Existenzbehauptung nur unter Voraussetzung der Wahrheit der Theorie gilt. — Mit seinen sprachlichen Regelungen zielt Quine also darauf ab, die Bedeutung des Wortes ‘existieren’ so zu explizieren, daß sie nur von der Verwendung der Quantoren abhängt. In bezug auf ontische Entscheidungen (ontic decisions) fallen nach ihm die Erwägungen der gleichen Art ins Gewicht wie bei der Wahl von wissenschaftlichen Hypothesen, — im wesentlichen also methodische Überlegungen hinsichtlich der systematischen Fruchtbarkeit für die Erklärung der Vorgänge in der Natur. Die Setzung von Objekten erweist sich als überflüssig, wenn sie nichts zur Erklärungskraft der Theorie beiträgt. Entsprechend müssen wir darauf bedacht sein, unsere Ontologie in möglichst ökonomischer Weise so zu gestalten, daß wir eine einfache und wirksame
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Strukturierung unserer Erfahrung gewinnen. Dem Philosophen fällt im besonderen die Aufgabe zu, Reduktionsverfahren zu entwikkeln, die es erlauben, überflüssige Entitäten zu eliminieren (›to clear our ontological slums‹). Quine selbst beschränkt seinen naturalistischen Neigungen gemäß die Wahl auf physikalische Objekte und Mengen. Die letzteren als abstrakte Gebilde duldet er deshalb, weil er der Wissenschaft die Mathematik in ihrer Gesamtheit erhalten möchte und weil wir für sie über ein einwandfreies Identitätskriterium verfügen. Die Gefahr einer unnötigen Inflation wird durch ›Ockhams Prinzip‹ gebannt, wonach man nicht mehr Entitäten postulieren soll, als unbedingt erforderlich sind. Die praktischen Erfolge, die wir der Quantenmechanik verdanken, sind das beste und einzige Indiz für die Wirklichkeit der durch sie gesetzten, nicht unmittelbar beobachtbaren Elementarteilchen. Solange wir keine zwingenden Gründe haben, an der Wahrheit der Theorie zu zweifeln, brauchen wir auch nicht auf eine alternative Ontologie zu sinnen. Quine besteht darauf, daß z. B. der Ausschluß von mentalistischen Objekten die Rede über Geisteszustände nicht einfach zunichte macht, sondern sie bloß ›physikalisiert‹, indem z. B. eine Inspiration, ähnlich wie ein Fieberanfall, für den Zeitraum ihrer Dauer mit der Person als physiologisch-psychologischem Objekt identifiziert wird. — Wenn ich Quine soweit zustimme, daß wir mit der Wahl eines sprachlichen Systems ontologische Verpflichtungen eingehen, so scheint mir dagegen die von ihm zurückgewiesene Unterscheidung zwischen internen und externen Fragen methodisch unerläßlich zu sein. Denn allein aufgrund von ihr ist es möglich, die für meinen Pluralismus vitale Differenzierung zwischen ontologischen Annahmen in verschiedenen Kontexten vorzunehmen. Da ich zweifle, daß es überhaupt sinnvoll ist, sämtliche Entitäten, über die wir q uantifizieren, in einem einzigen, universalen Bereich zusammenzufassen, halte ich die Vorstellung einer Gesamttheorie, die alle Erkenntnisgebiete umfaßt, für unrealistisch. Eine Konzeption von Ontologie, die ‘Hamlet ist ein dänischer Prinz’ und ‘Hamlet ist der ältere Bruder Tolstois’ gleichermaßen zu falschen Sätzen macht, entspringt meines Erachtens einem methodisch verfehlten Ansatz. Denn es gibt einen empirisch vorweisbaren Kontext, nämlich das Theaterstück Shakespeares, in welchem der erste Satz wahr ist, was für den zweiten nicht der Fall ist. Meine pluralistische
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Auffassung, nach welcher wir es nicht mit einer einheitlichen Theorie/Sprache zu tun haben, trägt der Tatsache Rechnung, daß wir fähig sind, vielfältige sprachliche Systeme zu erfinden — und zwar auch solche, für die noch keine unmittelbare theoretische Verwendung in Aussicht steht. Derartige schöpferische Leistungen gehören genauso sehr zum beobachtbaren Verhalten des Menschen wie das Erlernen und Verwenden gegebener Sprachen. Daß das Schaffen von neuen Sprachen nicht nur die Rolle von notationellen Varianten für die Darstellung bestehender Wahrheiten spielt, wird durch die Tatsache belegt, daß sie die Entwicklung völlig neuer Theorien fördern kann, wie sich das etwa an der Entdeckung der nicht-euklidschen Geometrien veranschaulichen ließe. 5.2.2. Die Verbindung von Holismus und Physikalismus mit einer reduktionistischen Strategie führt zu einer Konseq uenz, die Quine selbst in Whither Physical Objects als ein ›Debakel‹ bezeichnet (Quine 1976 c). Da in der modernen Physik, d. h. in der vorläufig besten zur Verfügung stehenden Theorie, Raum-Zeitpunkte durch Quadrupel von reellen Zahlen dargestellt werden, löst sich die Ontologie letztlich in bloße Mengen von numerischen Koordinaten auf; die Welt müßte also der Doktrin gemäß ausschließlich mit abstrakten Entitäten bevölkert sein. Wie läßt sich eine solche für einen Pythagoräer zwar erfreuliche, für einen Naturalisten jedoch eher betrübliche Konse q uenz vermeiden? Ich glaube, daß allein eine Methodologie, die eine Abgrenzung zwischen heterogenen Kontexten zuläßt, die Situation zu retten vermag. Meinem offenen Transzendentalismus gemäß erscheint es als natürlich, daß in einer rein abstrakt formulierten physikalischen Theorie nur mathematische Objekte als Werte der Variablen benötigt werden, während wir andererseits im gewöhnlichen Alltag über konkrete Dinge oder in literarischen Werken sogar über fiktive Entitäten q uantifizieren. Das liegt daran, daß wir je nach Zweck Kontexte aussondern, die eine bestimmte ihnen eigentümliche Ontologie erfordern. Um der drohenden Trivialisierung von ontologischen Fragen zu entgehen, stellt Quine gewisse Forderungen auf, die eine echte Reduktion zu erfüllen hat. Wir haben zunächst auf die reduktive Stärke eines Programmes zu achten. Wenn wir etwa die in der mentalistischen Sprache als Objekte gesetzten Geisteszustände auf die von diesen völlig unab-
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hängig erkannten Objekte der Physiologie zurückführen, so nehmen wir eine radikalere Reduktion vor als im Falle, wo bereits akzeptierte Wahrheiten in einer alternativen, sparsameren Notation wiedergegeben werden, wie z. B. in Freges Eliminierung der Zahlen zugunsten von Klassen. Um die Sinnhaftigkeit des Unternehmens zu wahren, müssen wir verlangen, daß die Prädikatenstruktur erhalten bleibt und daß eine Vertreterfunktion (proxy-function) angegeben wird, die effektiv jedem Objekt der ursprünglichen Theorie ein solches der neuen zuordnet. Auf diese Weise wird vermieden, daß beliebige Ontologien auf die blanke Welt der Zahlen eingeschränkt werden können (cf. Quine 1966 a; 1981 a). Es zeigt sich dabei besonders deutlich die Abhängigkeit des Reduktionsverfahrens von einer Hintergrundtheorie, weil wir, wenn wir einen Bereich U′ in einen anderen U″ abbilden, eines umfassenden Universums U bedürfen, das beide, U′ und U″, enthält. Wegen der für die ontologische Relativität verantwortlichen Unverzichtbarkeit der Hintergrundtheorie wird allerdings fragwürdig, ob wir damit wirklich eine Einsparung erzielt haben. Wir können also nach Quine nur dann sagen, welche Dinge eine Theorie als existierend voraussetzt, wenn wir sie mit Hilfe einer anderen Theorie, die nicht mehr in Frage gestellt wird, interpretieren oder reinterpretieren. Quine argumentiert, daß dies nichts mit Carnaps Unterscheidung zwischen internen und externen Fragen zu tun hat, da wir ja nach ihm wegen der Unhaltbarkeit der Dichotomie ‘analytisch-synthetisch’ nicht in der Lage sind, die Theorie von der Sprache zu trennen. Wenn man hingegen wie ich die entscheidende Rolle von Konventionen anerkennt und entsprechend die normative Funktion des Begriffs der Analytizität einräumt, so kann man den pragmatischen Charakter der methodischen Entscheidungen aufrechterhalten, ohne deshalb auf strenge Abgrenzungen zu verzichten. Die Auffassung hat den Vorteil, daß sie die Aussonderung von Kontexten mit ungleichartigen ontologischen Verpflichtungen gestattet. Es ist dann auch nicht mehr von ›ontologischer Wahrheit‹, sondern von der praktischen Adäq uatheit eines Entschlusses mit Rücksicht auf ein gesetztes Ziel die Rede. Mit der Wahl eines sprachlichen Rahmens akzeptieren wir ganz im Sinne Quines die Existenz der entsprechenden Entitäten, deren Wirklichkeit letztlich durch die effektive Erklärungskraft der Theorie verbürgt wird. Die Relativität der Ontologie bleibt zwar beste-
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hen, sie beschränkt sich aber auf die Sprache und hat nicht mehr den radikalen, unglaubwürdigen Aspekt, den ihr die extremistische Doktrin der Unerforschlichkeit der Referenz verleiht. Mir scheint es natürlich, eine Sichtweise zu adoptieren, nach welcher Russen, Chinesen, Hopi-Indianer, Amerikaner und Europäer, wenn sie Quantenphysik betreiben, völlig unabhängig von ihrem sonstigen kulturellen Hintergrund, Elementarteilchen als wirklich betrachten, während in anderen Kontexten keine derartigen Objekte postuliert werden. Der Holist verlangt, daß wir die Gesamtheit der Wissenschaft in ihrem fortgeschrittensten Stadium als objektiv wahr betrachten; obschon auch ich ihr Wissen höher werte, glaube ich — abgesehen von der Frage, was denn überhaupt als dazugehörig zu gelten hat — nicht, daß eine globale Theorie, aus der alle unwissenschaftlichen Betrachtungen verbannt wären, in absoluter Weise ausgezeichnet werden kann. Die Tatsache, daß gewisse Objekte auf einer höheren Entwicklungsstufe nicht mehr erforderlich sind, bedeutet nicht, daß damit endgültig ihre Nichtexistenz erwiesen worden wäre. Obschon sich z. B. mentale Terme nicht auf physikalische reduzieren lassen und obschon wir möglicherweise in der Physiologie ihrer nicht bedürfen, gibt es doch praktisch unverzichtbare Kontexte, in welchen wir ohne sie nicht auskommen. Zur Illustration der Schwierigkeiten, in die der reduktionistische Holist gerät, mag das Beispiel genügen, wo jemand während der Dauer eines Fieberanfalles sich gleichzeitig niedergeschlagen fühlt; seiner Auffassung gemäß, müßte die erhöhte Körpertemperatur mit der Depression identisch sein, was eher unsinnig anmutet. Das Verschwinden der Alltagsdinge in Whither Physical Objects verrät im übrigen deutlich die Gefahr, die Quines mit Holismus gepaarter Reduktionismus in sich birgt. Da er die genaueren Beziehungen zwischen den Reduktionskriterien und den pragmatischen Prinzipien der allgemeinen Methodologie nicht klar herausstellt, bestehen zudem Zweifel hinsichtlich der Frage, wann wir es mit einer Explikation, wie bei der Zurückführung von Zahlen auf Mengen, zu tun haben und wann mit einer eigentlichen Eliminierung, wie im Falle der Bedeutungen, Propositionen, mentalen Zustände und anderer intensionaler Objekte. 5.3. Die Sprache der Fiktion 5.3.1. Am Entwurf einer Semantik für die fiktionale Rede möchte ich schließlich noch
III. Positionen
kurz aufzeigen, inwiefern sich eine pluralistische Konzeption der Ontologie für die Lösung nicht einseitig an den Bedürfnissen der Naturwissenschaften orientierter Aufgaben eignet. Mein Ziel besteht darin, es im Gegensatz zu Quine zu vermeiden, alle Sätze, die in einer Fiktion vorkommen, aus dem einzigen Grund, daß fiktive Entitäten nicht in der physikalischen Welt existieren, für falsch zu erklären. Eine Auffassung, die die Existenz von durch geistige Tätigkeiten geschaffenen Objekten zuläßt, hat den Vorteil, daß sie es erlaubt, der natürlichen Unterscheidung zwischen wirklichen Gegenständen und erfundenen Dingen, die wir selbst erzeugen, gerecht zu werden. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, Kontexte zu unterscheiden, die grundsätzlich andersartige Typen von Ontologien involvieren. Da Fiktionen ›unmögliche Welten‹ darstellen können, verstehe ich unter Kontexten etwas anderes als die möglichen Welten der Modallogiker. Als Teilaspekte der wirklichen Welt — nicht Alternativen zu ihr — werden sie in dieser durch die spezifische Verwendungsart einer Sprache in deskriptiver, fiktionaler oder anderer Absicht ausgesondert. Die sogenannten mentalen Kontexte — die privaten des Glaubens, Vorstellens, Wünschens usw., aber auch die öffentlichen der belletristischen Produktion — weisen dabei den eigentümlichen Zug auf, daß in ihnen Objekte eingeführt werden, die nicht in der physikalischen Wirklichkeit vorkommen. — Im wesentlichen werden Kontexte durch Beschreibung des verwendeten sprachlichen Systems sowie durch Angabe des Zweckes, für den es eingesetzt wird, individuiert. Je nach Bedarf sind diese Informationen durch weitere zu ergänzen — im Falle eines literarischen Textes z. B. durch Hinweise auf die Entstehung des Werkes, die (durch Dokumente belegten) Absichten des Verfassers etc. Eine Formalisierung könnte man vornehmen, indem man Kontextvariablen einführt und die komplexen Ausdrücke so konstruiert, daß sie für wirkliche Äußerungen stehen, wie das Richard Routley und Leonard Goddard in The Logic of Significance and Context tun (Routley/Goddard 1973). Um Widersprüchen vorzubeugen, die dadurch entstehen können, daß verschiedene Autoren einem gleichnamigen Objekt unvereinbare Eigenschaften zuschreiben, muß postuliert werden, daß jedes Individuum nur in einem Kontext existiert. Falls wirklich ein Dr. Faust gelebt hat, kann er also nicht mit all den von ihm inspirierten künstlerischen Gegenstücken identisch sein; aber auch die Gegenstücke müssen, wenn sie aus
59. Das Formalsprachenprogramm in der Analytischen Philosophie
verschiedenen Werken stammen, trotz des gleichen Namens verschiedene Individuen sein. Innerhalb einer Fiktion entscheidet allein der Autor über Wahrheit, indem er eigenmächtig festlegt, welche Prädikate seinen Kreaturen zukommen. Da die Homonymie zufällig sein könnte, bedürfen wir einer literaturwissenschaftlichen Hypothese, um von Fall zu Fall auszumachen, ob eine Gegenstückrelation besteht oder nicht. Es ist zu beachten, daß die literaturwissenschaftliche Theorie selbst nicht fiktive Entitäten beschreibt, sondern von deren Einführung im Text und ganz allgemein von den Intentionen, den Handlungen und den Erzeugnissen des Künstlers als einer wirklichen Person handelt. Der Wissenschaftler, der die Sprache deskriptiv verwendet, hat nicht die Kompetenz, Mr. Pickwick in einen ordinären Trunkenbold zu verwandeln, sofern Charles Dickens nachweislich mit der Niederschrift keine andere Absicht verfolgte, als zur Ergötzung der Leserschaft die Taten eines originellen Gentleman zu schildern. Kritik kann sich nicht gegen die Romanfigur als solche richten, sondern nur gegen den Verfasser, der möglicherweise sein Ziel verfehlt hat. — Meiner Auffassung der Ontologie gemäß sind also die unterschiedenen Bereiche jeweils mit einer einzigen Art von Dingen bevölkert: in der wirklichen Welt existieren nur empirische Gegenstände, in der Mathematik nur abstrakte Entitäten und im Kontext einer Fiktion ausschließlich fiktive Gebilde. Quine spekuliert unter Erweiterung des Prädikatenvorrates auf die Bildung eines einzigen, umfassenden Universums. Im Rahmen seines naturalistischen Weltbildes mag das angehen, weil uns nichts daran hindert, sämtliche Individuen der wirklichen Welt zu vereinigen. Von meiner pluralistischen Sicht aus betrachtet ist jedoch Vorsicht geboten, da ich die Möglichkeit ausschließe, daß wirkliche und fiktive Objekte zueinander in Beziehung gesetzt werden, und entsprechend darauf bedacht bin, meines Erachtens unsinnige Sätze wie ‘Kingsley Amis bewundert James Bond’ abzublocken. Wir können zwar die Vereinigungsmenge von ontologisch miteinander verträglichen Bereichen bilden, indem wir z. B. diejenigen der griechischen und römischen Mythologie vereinigen, um die Wahrheit von ∨ x ∨ y (x = Zeus ⋀ y = Jupiter ⋀ x = y) zu garantieren. Hingegen wäre schon das Zusammenwerfen aller fiktiven Entitäten nicht angängig, weil sich eine derart heterogene Totalität — soweit ich das absehe — nicht unter
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ein systematisches Konzept bringen ließe. — Quine betrachtet die Sprache gleichsam als ein universelles Medium, aus dem wir nicht heraustreten können, um es in neutraler Weise von außen zu betrachten. Im Gegensatz zu ihm gehe ich von einer instrumentalen Auffassung aus, die das Gewicht auf die Tatsache legt, daß wir selbst unterschiedliche sprachliche Systeme herstellen, um bestimmte Zwecke zu erreichen. Die Methode des Abgrenzens von Kontexten und der entsprechend breiteren Fächerung von Ontologie hat nun in der Tat die Konseq uenz, auf die von Anfang an abgezielt war: Sätze wie ‘Pegasus ist ein geflügeltes Pferd’ sind nicht mehr unterscheidungslos als falsch zu taxieren. Denn mit ‘KGM’ für ‘im Kontext der griechischen Mythologie’, mit ‘KEW’ für ‘im Kontext der empirischen Welt’, mit ‘a’ für ‘Pegasus’ und ‘F’ für ‘geflügeltes Pferd’ hat jetzt ‘KGM ∨ x (x = a ⋀ Fx)’ im Unterschied zu ‘KEW ∨ x (x = a ⋀ Fx)’ als wahr zu gelten, weil es im Kontext der griechischen Mythologie tatsächlich ein Ding gibt, das den Namen ‘Pegasus’ trägt und ein geflügeltes Pferd ist. In bezug auf die zwar aus der kanonischen Notation eliminierten, aber in natürlichen Sprachen vorfindlichen singulären Terme bedeutet das, daß Eigennamen immer ein Referenzobjekt haben: je nach Kontext bezeichnen sie eine konkrete, abstrakte oder fiktive Entität. Kennzeichnungen dagegen können leer sein, wie Russells Beispiel mit dem kahlen König von Frankreich belegt, da es in der (historischen) Gegenwart keinen französischen Monarchen gibt. 5.3.2. Ich habe mich bemüht, für meinen Entwurf einer Semantik eine möglichst einfache und systematisch wirksame Reglementierung zu finden. Im Gegensatz zu den Anhängern der Meinongschen Gegenstandslehre glaube ich nicht, daß die Wahrheit fiktionaler Aussagen uns die Ansicht aufzwingt, daß es Dinge gibt, die nicht existieren. Mein Vorgehen zielt eben darauf ab, unnötige Komplikationen wie die Einführung eines neutralen Quantors und eines Existenzprädikates zu vermeiden, so daß letztlich eine Notation, in welcher ‘a existiert’ durch ‘∨ x (x = a)’ wiedergegeben wird, genügt. Die skizzierte Kontexttheorie liefert eine adäq uate Erklärung für das, was wir in der Alltagssprache meinen, wenn wir sagen, daß Holmes nicht wirklich, sondern nur in Conan Doyles Romanen existiert; denn aufgrund von ihr können wir den Umstand erfassen, daß der Satz ‘Holmes ist ein Detektiv’ in der
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Objektsprache wahr ist, während — trotz der ähnlichen Oberflächenstruktur — der Satz ‘Holmes ist nicht wirklich ein Detektiv’ auf metasprachlicher Stufe besagt, daß der Name ‘Holmes’ in einem gegebenen Kontext eine fiktive Person bezeichnet. — Die hier nur in ihren allgemeinen Zügen vorgestellte Theorie beruht auf einer Kombination von Haltungen, die Kit Fine (1982 b, 92 f) als empiristisch, kontextualistisch und externalistisch kennzeichnet. Empiristisch, weil ich behaupte, daß fiktive Objekte durch beobachtbare Handlungen in der wirklichen Welt hervorgebracht werden — nämlich durch das Verwenden der Sprache in einer spezifischen Absicht, die in einem Buch z. B. durch den Untertitel ‘Roman’ angekündigt wird. Kontextualistisch, weil ich darauf beharre, daß sie nur in einem bestimmten Kontext existieren und genau die Eigenschaften aufweisen, die ihnen der Verfasser zuschreibt oder die aus den von ihm im Werk als gültig unterstellten logischen und naturwissenschaftlichen Gesetzen folgen. Externalistisch, weil ich abstreite, daß fiktive Entitäten durch ihre internen Eigenschaften zu individuieren sind und daran festhalte, daß ihre Identifizierung wesentlich von den äußeren Umständen ihrer Entstehung abhängt. — In natürlichen Sprachen unterscheiden sich fiktionale Aussagen durch keine syntaktischen Merkmale von anderen Verwendungsweisen von Sätzen. Da die Ambiguität vom verschiedenartigen Gebrauch, den wir von den betreffenden Sätzen machen, herrührt, wird, wie ich befürchte, jeglicher Versuch, sie durch Verwendung einer mehrwertigen Logik oder durch Änderung der Regeln für die singularen Terme zu beseitigen, erfolglos bleiben. Die der Sache angemessene Strategie muß vielmehr darin bestehen, daß wir in der reglementierten Sprache die jeweilige Gebrauchsweise mit Hilfe eines Kontextindikators anzeigen. Das hat u. a. John Woods (1974) versucht, indem er einen modal interpretierten Operator ‘O’ (vom lateinischen ‘olim’) einführt. Er räumt jedoch selbst ein, daß das Ergebnis seiner Bemühungen unbefriedigend ist; abgesehen von Unklarheiten erweist sich die zunehmende Aufblähung des benötigten Apparates als untragbar und Routley (1980, 548 ff) hat im übrigen gezeigt, daß sich die Trivialisierung seines Systems nicht vermeiden läßt, wenn in einem Text ein Satz, φ, zugleich mit seiner Negation, ~φ, vorkommt. Von meiner philosophischen Position aus gesehen, erweisen sich jedoch die Woodschen Komplikationen als überflüssig. Für die Behandlung der Semantik fiktionaler
III. Positionen
Sätze erfordert sie weiter nichts als die klassischen, von Tarski entwickelten Mittel. Denn ich erkläre die Kontextvariablen ‘K1’, ..., ‘Kn’ vermittelst der Begriffe des Modells und der Interpretation. Die Wahl eines geeigneten Wertbereichs der Variablen spielt nicht nur im Zusammenhang mit der Fiktion eine entscheidende Rolle, wie ein Beispiel aus der Arithmetik belegen mag: ‘∨ x (5 < x < 6)’ wird je nachdem, ob wir die Klasse der rationalen oder der natürlichen Zahlen als Universum wählen, wahr oder falsch. Die voll ausgeschriebene Erfüllungsbedingung für atomare Ausdrücke muß entsprechend lauten: Eine Folge f erfüllt im Modell M den Ausdruck Pi(vi1, ..., vin) bei der Interpretation I dann und nur dann, wenn Rj (ai1 ..., ain). Das Modell M = 〈D, R1, ..., RK, c1, ..., cm〉 setzt sich aus dem Bereich D, den unter den Elementen von D bestehenden Relationen R1, ..., RKund den zu D gehörigen Individuen c1, ..., cmzusammen. Wenn wir die üblichen Rekursionsregeln für die (klassischen) Satzjunktoren und Quantoren hinzunehmen, haben wir bereits alles, was man braucht, um die fiktionale Rede zu interpretieren. Im Kontext einer Fiktion treten in D nur die vom Autor eingeführten Individuen auf, denen primär genau die Eigenschaften oder Relationen zukommen, die dieser ihnen zuschreibt, und sekundär auch solche, die aufgrund einer literaturwissenschaftlichen Theorie zu erschließen sind. Im Rahmen eines realistischen Romanes zum Beispiel wird man annehmen, daß das Herz eines lebendigen Menschen schlägt, auch wenn das im Text selbst nicht ausdrücklich gesagt wird. Tarskis Definition entsprechend gilt ein fiktionaler Satz dann und nur dann als wahr, wenn er in 〈D, R1, ..., RK〉 bei der Zuordnung des Prädikates P1 zu R1, P2 zu R2 etc. durch beliebige Folgen von Objekten aus dem Bereich D erfüllt wird. Folglich wird etwa der Satz ‘KTS (Toby ist der Onkel von Tristram Shandy)’ als wahr durchgehen, weil im Roman von Lawrence Sterne das durch den N