»Spiritus intus agit«: Die Patronagepolitik der Anna von Österreich 1643–1666. Inszenierungsstrategie, Hofhaltungspraxis, Freundschaftsrhetorik 9783110415476, 9783110415186

The prevailing misconceptions about Anne of Austria paint her as politically inept, naïve, lazy, and extravagant. In thi

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Inhaltsverzeichnis
Dank
1. Einleitung
1.1 Themenstellung
1.2 Forschungsstand
1.3 Quellenlage
1.4 Begrifflich-methodischer Ansatz
1.5 Aufbau der Arbeit und Fragestellung
2. Herrschaft und Repräsentation
2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrscha?
2.1.1 Die Sehnsucht nach Moral und Beständigkeit
2.1.2 Die »femme forte«: moralische und politische Stärke
2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone
2.2.1 Die Regentschaft und der Übergang von der passiven zur aktiven Inszenierung
2.2.2 Kritische Stimmen in Krisenzeiten
2.2.3 Machtfragen und Gottvertrauen
2.2.4 Tod und Nachruhm
2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit
2.3.1 Frömmigkeit über alles
2.3.2 ZumWohle des Volkes
2.3.3 Der langeWeg einer Friedenssti?erin
2.3.4 Tendenzen einer ›medialen‹ Inszenierung?
2.4 Resümee: Der schmale Grat zwischen Aufrichtigkeit und Bigotterie
3. Hofstaat und Hofhaltung
3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe
3.1.1 Vom ›strengen‹ zum ›heiligen‹ Hof?
3.1.2 Hofhaltung, Zeremoniell und Feste als Ausdruck königlicher Macht
3.1.3 Salonkultur, Preziösentum und der Zirkel der Königin
3.1.4 Das Metier des Höflings
3.1.5 Ein Tag im Leben einer Königin
3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin
3.2.1 Herrin im eigenen Haus?
3.2.2 Amtsträgerinnen
3.2.3 Geben und Nehmen
3.2.4 Der Weg zur Gunst
3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger
3.3.1 Standesbewusstsein und Amtsdünkel
3.3.2 »Chef du conseil et surintendant«
3.3.3 »Dame d’honneur«
3.3.4 »Grand aumônier«
3.4 Resümee: Eine für alle und alle für eine
4. Freundschaft und Zuneigung
4.1 »Que d’égalité pour ses amis«: symmetrische Freundschaftsbeziehungen
4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundscha?sbeziehungen
4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft
4.3.1 Nähe
4.3.2 Rhetorik
4.3.3 Gesten
4.3.4 Gaben
4.4 Resümee: Kann eine Königin Freundin sein?
5. Schlussbetrachtung
5.1 Herrschaft und Repräsentation
5.2 Hofstaat und Hofhaltung
5.3 Freundschaft und Zuneigung
Abkürzungsverzeichnis
Archive und Bibliotheken
Sonstiges
Abbildungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Manuskripte
Gedruckte Quellen
Literaturverzeichnis
Personenregister
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»Spiritus intus agit«: Die Patronagepolitik der Anna von Österreich 1643–1666. Inszenierungsstrategie, Hofhaltungspraxis, Freundschaftsrhetorik
 9783110415476, 9783110415186

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Oliver Mallick »Spiritus intus agit«

Pariser Historische Studien Herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut Paris

Band 106

Oliver Mallick

»Spiritus intus agit« Die Patronagepolitik der Anna von Österreich 1643–1666 Inszenierungsstrategie, Hofhaltungspraxis, Freundschaftsrhetorik

Pariser Historische Studien Herausgeber: Prof. Dr. Thomas Maissen Redaktionsleitung: Dr. Stefan Martens Redaktion: Veronika Vollmer Anschrift: Deutsches Historisches Institut (Institut historique allemand) Hôtel Duret-de-Chevry, 8, rue du Parc-Royal, F-75003 Paris Zugl. überarb. Fassung von: Freiburg, Br., Univ., Diss., 2013 u. d. T.: Mallick, Oliver: »›Spiritus intus agit‹. Die Patronagepolitik der Anna von Österreich. Untersuchungen zur Inszenierungsstrategie, Hofhaltungspraxis und Freundschaftsrhetorik einer Königin (1643–1666)« Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen Lektorat: Dr. Ulrike Voigt, Stuttgart Umschlagabbildung: Philippe de Champaigne, »La Présentation d’Anne d’Autriche, de Louis XIV et Philippe d’Orléans à la Sainte Trinité par Saint Benoît et Sainte Scholastique«, 1646, Öl auf Leinwand 106 × 138 cm, Versailles (bpk/RMN/Grand Palais [Versailles, châteaux de Versailles et de Trianon, Inv.-Nr.: MV–3440]/Gérard Blot). Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com ISBN 978-3-11-041518-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-041547-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-041567-4 ISSN 0479-5997

Meiner Mutter und meiner Großmutter

Inhaltsverzeichnis Dank

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1. Einleitung

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1.1

Themenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.2

Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.4

Begrifflich-methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . .

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1.5

Aufbau der Arbeit und Fragestellung . . . . . . . . . . . .

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2. Herrschaft und Repräsentation

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2.1

»Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Die Sehnsucht nach Moral und Beständigkeit . . . . . . . . 2.1.2 Die »femme forte«: moralische und politische Stärke . . . . 2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone 2.2.1 Die Regentschaft und der Übergang von der passiven zur aktiven Inszenierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Kritische Stimmen in Krisenzeiten . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Machtfragen und Gottvertrauen . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Tod und Nachruhm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4

»Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . Frömmigkeit über alles . . . . . . . . . . . . . . Zum Wohle des Volkes . . . . . . . . . . . . . . Der lange Weg einer Friedensstifterin . . . . . . Tendenzen einer ›medialen‹ Inszenierung? . . .

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Resümee: Der schmale Grat zwischen Aufrichtigkeit und Bigotterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Hofstaat und Hofhaltung 3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe . . . . . . 3.1.1 Vom ›strengen‹ zum ›heiligen‹ Hof? . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Hofhaltung, Zeremoniell und Feste als Ausdruck königlicher Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Salonkultur, Preziösentum und der Zirkel der Königin . . . 3.1.4 Das Metier des Höflings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 Ein Tag im Leben einer Königin . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.4

Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin . Herrin im eigenen Haus? . . . . . . . . . . . . . . . . Amtsträgerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geben und Nehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Weg zur Gunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Standesbewusstsein und Amtsdünkel . . . . . . . . . »Chef du conseil et surintendant« . . . . . . . . . . . »Dame d’honneur« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Grand aumônier« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resümee: Eine für alle und alle für eine . . . . . . . .

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4. Freundschaft und Zuneigung 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4

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»Que d’égalité pour ses amis«: symmetrische Freundschaftsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rhetorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resümee: Kann eine Königin Freundin sein? . . . . . .

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5. Schlussbetrachtung

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5.1 Herrschaft und Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Hofstaat und Hofhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Freundschaft und Zuneigung . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis

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Archive und Bibliotheken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Quellenverzeichnis . . Manuskripte . . . . Gedruckte Quellen Literaturverzeichnis . Personenregister

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Dank Eine Dissertation ist naturgemäß ein groß angelegtes und zeitintensives Unterfangen; dies vor allem, wenn sie im Rahmen eines binationalen cotutelle-Verfahrens durchgeführt wird. Dementsprechend gilt mein ganz besonderer Dank meinen beiden Betreuern, den Professoren Ronald G. Asch von der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität und Lucien Bély von der Universität Paris-Sorbonne, die stets für Fragen und Rücksprachen zur Verfügung standen und insbesondere in der von administrativen Unwägbarkeiten geprägten Endphase zum reibungslosen Ablauf und Gelingen der Promotion beigetragen haben. Außerdem danke ich den Professoren Mark Greengrass und Gérald Chaix, die sich bereit erklärt hatten, als Zweitgutachter und -prüfer bei der Verteidigung der Dissertation zu fungieren. Die adäquate Durchführung des Promotionsvorhabens und die damit verbundenen Forschungs- und Archivaufenthalte wären ohne die Hilfe von Stipendien nicht ohne Weiteres möglich gewesen. Daher gilt mein großer Dank zum einen dem Deutschen Historischen Institut Paris, das mir unter der Leitung von Professor Gudrun Gersmann zu Beginn meiner Projektarbeit im Jahr 2009 ein mehrwöchiges Forschungsstipendium genehmigte. Zum anderen danke ich dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten und interdisziplinär ausgerichteten Graduiertenkolleg 1288 »Freunde, Gönner und Getreue« für die Gewährung eines Stipendiums in den Jahren 2009 bis 2012, das eine unerlässliche Hilfe und Unterstützung darstellte. In diesem Zusammenhang richtet sich mein herzlicher Dank auch an Nora Münz (»le Stør«) für ihren unermüdlichen Einsatz beim Korrekturlesen der äußerst umfangreichen Erstfassung. Darüber hinaus danke ich dem derzeitigen Direktor des DHIP, Professor Thomas Maissen, sowie Professor Rainer Babel für die Aufnahme des Buches in die Reihe Pariser Historische Studien sowie die Übernahme der Druckkosten. Durch den Publikationsprozess begleiteten mich mit großer Professionalität und hilfreichen Ratschlägen Veronika Vollmer M.A. und Dr. Ulrike Voigt. Zu guter Letzt danke ich meiner Familie für ihre uneingeschränkte Unterstützung während der gesamten Promotionsphase – von der Themenfindung an über die ersten Recherchen bis hin zur Verteidigung und Drucklegung der Arbeit. Franzburg, im Januar 2016

Oliver Mallick

1. Einleitung Le Marteau Architecte fameux infatigable Ouvriere Travaillant chaque iour sur nouvelle matiere. Aux Siecles à venir pour le bien des Mortels Ie laisse de mes soins de celebres exemples Et de la méme main dont ie ruine les Temples I’éleve au Souverain de superbes Autels1 .

1.1 Themenstellung »Spiritus intus agit«2 – wohl kaum eine im Emblembuch von Léonard de Chaumelz verwendete Devise unterstreicht den unausgesprochenen Leitgedanken von Anna von Österreich in Bezug auf ihr Leben und ihre Regentschaft besser (Abb. 1)3 . Wie ein Herrscherporträt beinhaltete auch eine solche Devise eine »ethisch-moralische Ebene«4 und erlaubte eine entsprechende allegorische Überhöhung der Person der Königin. Und in der Tat sollten mit dem Ausspruch »Spiritus intus agit« die absolute Glaubensstärke und das bedingungslose Gottvertrauen der Königin zum Ausdruck gebracht werden, denen sie alles andere unterordnete, sich also in ihrem Denken und Handeln einzig von Gott leiten ließ, als dessen »Werkzeug« sie sich verstand5 . Diese Vorstel1 2

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Léonard de C, Devises panegyriqves povr Anne d’Avstriche, Reine de France, Bordeaux 1667, S. 112. Obwohl eine genaue Übertragung derartiger Sinnsprüche ins Deutsche durchaus schwierig ist, lässt sich »Spiritus intus agit« in etwa mit »Ein Geist treibt mich an« übersetzen. Gemeint ist die göttliche Führung, repräsentiert durch den Heiligen Geist. Der Begriff »Geist« umfasst hier mit Blick auf Anna von Österreich zugleich aber noch eine weitere Interpretationsebene, nämlich die – geschlechtsunabhängige – Befähigung, die Regierungsgeschäfte und damit den Staat zu lenken. Siehe ibid., S. 97–99. Vgl. dazu 1 Kor. 3,16: »Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?«. C, Devises, S. 94. Vgl. auch Françoise Bertaut, dame de M, Portrait de la reine Anne d’Autriche (1658), in: D., Mémoires de Mme de Motteville, hg. v. ClaudeBernard P, 5 Bde., Paris 1824, Bd. 1, S. 319–329, hier S. 322: »Elle a une confiance extraordinaire en Dieu; et cette confiance lui a sans doute attiré beaucoup de grâces et de bénédictions«. Kirsten A, Exempla Virtutis. Zum Stellenwert der Devisen im druckgraphischen Herrscherporträt des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, in: Peter B (Hg.), Graphische Porträts in Büchern des 15. bis 19. Jahrhunderts, Wiesbaden 1995, S. 61–71, hier S. 64. Gabriel M, Cy gist le racourcy de tovtes les grandevrs mortelles, s.l. 1666, S. 1: »L’Amour qu’elle avoit pour Dieu a conduit toutes ses veuës & ses Actions«; Charles P, Oraison fvnebre de la Reyne Anne Marie Mavricette d’Avstriche, Metz 1666,

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1. Einleitung

Abbildung 1: Kupferstich aus »Devises panegyriqves povr Anne d’Avstriche« von Léonard de Chaumelz (1667).

1.1 Themenstellung

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lung war nicht nur zu ihren Lebzeiten verbreitet, sondern wurde insbesondere auch unmittelbar nach ihrem Tod in einigen Leichenpredigten aufgegriffen: Nicolas Lefèvre d’Ormesson meinte etwa, die Königin habe durch den Geist Gottes stets die Kraft gefunden, jeder Bedrohung zu widerstehen und so den Staat zu stützen6 . Antoine Furion wiederum merkte an: Et persuadée qu’elle estoit que les grandeurs du monde passeroient auec la vie, & que nous ne sommes sur la terre, que pour acquerir les grandeurs du Ciel, elle s’est estudiée à la pratique de toutes les vertus Chrestiennes, dans tous les Estats de sa vie, pour rendre sa mort sainte & precieuse deuant Dieu: Elle n’a pas regné dans le monde, que pour faire regner Iesvs-Christ, non seulement en elle mesme, mais dans le cœur de tous les subjets & de tous les enfan[t]s de l’Eglise7 .

Und der Geistliche Charles Pesciony verkündete: »[Dieu] va se seruir de la conjoncture d’vn Roy jeune, & de la Regence d’vne femme, afin que toute la terre soit vn jour persuadée, que c’est du Ciel, & de la conduite de Dieu seul, & non point de la prudence, ou de la force des hommes, que la France reçeu tout son bon-heur & toute sa gloire«8 . Indem Chaumelz die »Spiritus intus agit«-Devise mit der Idee vom Staatsschiff verband, wurde eine weitere Bedeutungsebene erreicht, die der ganzen Aussageabsicht zusätzlich Gewicht verlieh9 . Denn »[c’]est sur sa foy que le Pilote prend toutes ses hauteurs & ses longitudes«10 . Die Thematik der Gleichsetzung von Herrscher und Reich mit dem Steuermann eines Schiffes hatte eine lange Tradition und war seit der Antike eine beliebte Metapher11 , daran hatte sich in der Frühen Neuzeit nichts

S. 22: »[L]a Mere de nostre Monarque [. . . ] que Dieu veut remplir de son esprit«; François V, Oraison fvnebre de Madame Anne Mavrice d’Avstriche, Arles 1666, S. 79: »[C]e qu[’]elle auoit fait de son Thrône pendant toute sa vie: C’est à dire vn Theatre de constance, & de resignation aux ordres de Dieu«. Siehe auch Françoise Bertaut, dame de M, Mémoires, pour servir à l’histoire d’Anne d’Autriche, épouse de Louis XIII, roi de France, 5 Bde., Amsterdam 1723, Bd. 2, S. 568: »[F]ortifiée d’une ame qui ne se laissoit pas troubler aisément«. Vgl. Lena O, »Gespräche« über Herrschaft. Herrscherkritik bei Elisabeth I. von England (1558–1603), Husum 2014, S. 82. 6 Nicolas Lefèvre d’O, Oraison fvnebre de la tres-chrestienne, tres-pvissante, & tousjours Auguste Princesse Anne d’Avstriche, [Paris] 1667, S. 67. Siehe ibid., S. 18, 68– 74, 96. 7 Antoine F, La Reyne tres-chrestienne. Discovrs fvnebre svr la vie et la mort de tresHaute, tres-Puissante & tres-Auguste Princesse Anne d’Avstriche, Paris 1666, S. 8 [Hervorh. im Orig.]. 8 P, Oraison, S. 25. 9 Siehe auch AN, Mss., L 1036, Nr. 24, Jules M, Oraison funebre D’Anne Maurice D’Austriche Reyne de France et de Navarre, prononcée dans l’Eglize des Peres de l’oratoire le 4e mars 1666 (1666), S. 1–59, hier S. 36: »Mais comme le Pilote elle eust tousjours la main sur le timon, l’œil sur la boussole & sur la carte«. 10 C, Devises, S. 98. 11 Heinz B, Die Metaphern und Allegorien vom Staatsschiff, Staatskörper und Staatsgebäude in der römischen Literatur der ausgehenden Republik und frühen Kaiserzeit, in: Jan B, Ladislav V (Hg.), Antiquitas graeco-romana ac Tempora nostra, Prag 1968, S. 95–105.

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1. Einleitung

geändert12 . Schon die Elogenschreiber um Maria von Medici hatten sich dieser Symbolik bedient13 . Für gewöhnlich stand das Meer als Sinnbild für Bedrohung, während das Schiff den Staat symbolisierte, der eines weisen Lenkers bedurfte, um die Gefahren der Realpolitik zu umgehen14 . Es ging also um die Vermittlung einer gesellschaftlich-politischen Ordnung und möglicher äußerer und innerer Bedrohungen15 . Allerdings war die Verwendung der Staatsschiff-Metapher in jedem Fall situations- und kontextgebunden16 . So auch bei Chaumelz, wo das Schiff für den Staat und damit im übertragenen Sinn für Anna von Österreich selbst stand. Als Lenker des Schiffes fungierten aber eben nicht nur der Wille Gottes, sondern auch die Tugenden, die er der Königin verliehen hat: Chaque partie de cet Ammiral du Monde [= das Staatsschiff] receut l’impression & le mouvement de quelcune de ses Vertus, elle mit toute sa force aux Rames son Esperance aux Voiles sa retenuë aux Cordages sa Prudence au Gouvernail sa Fermeté aux Ancres sa Raison & son courage par tout; [. . . ] le calme ne luy donna jamais trop de Confiance ny la tempeste trop de Crainte [. . . ]. Enfin cet esprit vniversel qui meritoit d’estre servy de tout le monde s’assujetit au service de la Boussole & à la conduite de ce grand Vaisseau qui portoit la France & sa Fortune, toutes les affaires estrangeres & publiques devindrent les siennes propres, l’interest de la Religion la grandeur de l’Etat l’education du Roy le repos des Peuples le bien general & le particulier fut son Etoile du Nord17 .

Nur auf diese Weise, so zumindest die landläufige Meinung der Zeit, war es möglich, nicht Schiffbruch zu erleiden18 . Eingedenk des damals elementaren Stellenwerts der Religion überrascht es nicht, dass Anna von Österreich, die sich ganz dem Willen Gottes ergeben und auf diese Weise die politischen Erfolge während der Regentschaft herbeigeführt zu haben schien, von vielen als »Wunder« des Jahrhunderts und »Zierde« des weiblichen Geschlechts ange-

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François de F, Traicté des droicts de la Monarchie, maison, estat et couronne de France. Discovrs I, Nîmes 1636, S. 2. Yann R, Marie de Médicis et les représentations symboliques d’une reine de paix ou le »faire voir, faire croire« de la régence (1610–1617), in: Europa moderna 2 (2011), S. 63–88, hier S. 77–80. Siehe BNF, Mss., Dupuy 754, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (25.02.1651), fol. 159r–160r, hier fol. 159v: »[S]auuer du Naufrage vn vaisseau battu de tous costez et si furieusement agite de la Tempeste«. Eckart S, Das Staatsschiff. Zur Präzision eines Topos, in: Peter J (Hg.), Toposforschung. Eine Dokumentation, Frankfurt a.M. 1972, S. 259–292, hier S. 260f., 270, 292. Siehe B, Metaphern und Allegorien vom Staatsschiff, S. 97, 105. C, Devises, S. 101f. Vgl. [A], Panegyrique de la Reyne Mere dv Roy, Paris 1663, S. 8f.: »La Pieté, la Iustice, la Clémence & la Liberalité sont les regles immuables & certaines que la Reyne a toujours suiuies, & dans la moins importante & [dans] la plus secrete de ses actions, elle a constamment écouté ces fidelles & diuines conseillers«. [A], Discovrs svr le Govvernement de la Reyne depvis sa regence, Paris 1649, S. 3–7.

1.1 Themenstellung

15

sehen wurde19 . Indem sie ihre Krone angeblich als »Krone aus Schlamm«20 bezeichnete, wurde einmal mehr die Wirkungsmacht der Propaganda deutlich, die sie für Zeitgenossen und Nachwelt zum Idealbild einer Königin stilisieren sollte, deren ganzes Streben nicht irdischer Macht, Ruhm, Tand oder Genüssen verpflichtet war, sondern einzig ihrem Seelenheil, das sie durch tiefe Gläubigkeit und Demut vor Gott zu erreichen suchte. Hiermit werden die panegyrischen Höhen verlassen, damit die Untersuchung sich den prosaischeren Stereotypen im Hinblick auf den Charakter der Königin zuwenden kann, die allerdings nicht minder hartnäckig bis heute die Vorstellung von der Person Anna von Österreich prägen. Zwar galt und gilt sie vielen als äußerst fromm, aber dazu gesellten sich weitere Eigenschaften, die ihre Apologeten (angeblich) verschwiegen21 . Denn aller Gottesfürchtigkeit zum Trotz wurde sie einerseits, unter anderem von Mlle de Montpensier22 , Anne de Gonzague23 , Kardinal de Retz24 oder SaintSimon25 , als eine Frau charakterisiert, die faul26 , inkompetent, ängstlich sowie dümmlich-naiv gewesen sei und ihre Macht einfach ihrem Ersten Minister, Kardinal Mazarin, übertragen habe. Abgesehen von persönlichen Animositäten und antispanischen Vorurteilen, die hier hineinspielten und eine objektive Sicht erschwerten, waren die Auswirkungen dieser negativen Einschätzung nicht unerheblich27 . Die misogyne Historiographie des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts griff derartige Beschreibungen nur allzu bereitwillig auf28 .

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Jean P   S, Le Portrait de la Reyne, Paris 1644, S. 241. M, Mémoires, Bd. 5, S. 404, 498. Vgl. auch V, Oraison, S. 7–20. Vgl. dazu Laurent A, Les deux reines. Anne d’Autriche au miroir de son temps, in: Chantal G (Hg.), Anne d’Autriche. Infante d’Espagne et reine de France, Paris u. a. 2009, S. 323–347. Anne Marie Louise d’Orléans, duchesse de M, Mémoires de Mlle de Montpensier, hg. v. Adolphe C, 4 Bde., Paris 1858–1859, Bd. 1, S. 82. Anne de G, Mémoires d’Anne de Gonzague, princesse palatine, hg. v. Gabriel Sénac de M, London, Paris 2 1789, S. 112. Jean-François Paul de Gondi, cardinal de R, Mémoires du cardinal de Retz, hg. v. Alphonse F, Paris 1866, S. 198. Vgl. Michel P, Le cardinal de Retz, historien de la Fronde, in: Revue d’histoire littéraire de la France 89/1 (1989), S. 4–18. Louis de Rouvroy, duc de S-S, Mémoires complets et authentiques du duc de Saint-Simon sur le siècle de Louis XIV et la Régence, hg. v. Adolphe C, 20 Bde., Paris 1856–1858, Bd. 12, S. 250. M, Mémoires, Bd. 1, S. 140, stimmte dem zu: »[La reine] qui de son naturel étoit paresseuse«. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts hatte z. B. Mme de Genlis die negative Beurteilung der Königin in den Quellen scharf kritisiert. Siehe Stéphanie-Félicité Du Crest, comtesse de G, De l’influence des femmes sur la littérature française, Paris 1811, S. 56. Ein dezidiertes Resümee der Forschungsgenese bietet Chantal G, Anne d’Autriche et ses juges, in: D. (Hg.), Anne d’Autriche, S. 349–389. Vgl. auch Ernest L, Deux portraits d’Anne d’Autriche, in: La revue de Paris, 1. Juni 1903, S. 523–538, hier S. 525, 531, 537f.; Charles de M, Anne d’Autriche, in: Les Émaux de Petitot du Musée

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1. Einleitung

Andererseits wurde die Königin insbesondere in der medialen und populärhistorischen Auseinandersetzung in die Rolle des frommen und gutmütigen Opfers gedrängt, das den Verdächtigungen ihres Gemahls und den Intrigen Kardinal Richelieus hilflos ausgeliefert war29 . Die Abenteuer der Musketiere in den Romanen Alexandre Dumas’, die in zahllosen Verfilmungen verarbeitet wurden, stellen dafür sicherlich eine der einflussreichsten Grundlagen dar30 . Allerdings tangieren sich misogyne und populärhistorische Betrachtungen an einem Punkt, nämlich, wenn es darum geht, Anna von Österreich Gefühle für andere Männer bzw. Affären zu unterstellen31 . Das betrifft einmal die in Dumas’ Musketierromanen geschilderte angebliche Liebe zwischen ihr und dem englischen Gesandten, dem Herzog von Buckingham. Daran knüpfte später etwa Charlotte Birch-Pfeiffer an, die, basierend auf Dumas Roman, ein Schauspiel veröffentlichte, in dem sie den Schwerpunkt auf das berühmte Diamantenkollier sowie Richelieus Versuche, die Königin zu diskreditieren, legt. Birch-Pfeiffer bedient sich der üblichen Klischees über die Königin, indem sie historische Fakten – der geheime Briefwechsel der Königin mit ihrer Vertrauten Marie de Rohan-Montbazon, Duchesse de Chevreuse, und ihren spanischen Verwandten – mit Spekulationen vermischt, nämlich Richelieus Intrigen aufgrund seiner unerfüllten Liebe zur Königin, die nur Augen für Buckingham gehabt habe32 . Abgesehen davon finden die angeblich amourösen Eskapaden der Königin auch einen Niederschlag in der Filmindustrie, wie im französischen Fernsehfilm »La Reine et le Cardinal« (2009), in dem die seit jeher gern kolportierte Liaison der Königin mit Mazarin im Zentrum steht und szenisch umgesetzt wird, damit auch beim letzten Zuschauer kein Zweifel an der Authentizität dieses vermeintlich historischen Faktums aufkommen soll. Eine der absurdes-

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impérial du Louvre. Portraits de personnes historiques et de femmes célèbres du siècle de Louis XIV, 2 Bde., Paris 1862–1864, Bd. 1, S. 1–11, hier S. 10. Als exemplarisch für die Betonung dieser Opferrolle sei der historische Roman »CinqMars« (1826) von Alfred de Vigny genannt. Siehe Alfred de V, Cinq-Mars, hg. v. Annie P, Saint-Amand 2003 [EA 1826], hier S. 259–275, bes. S. 266. Alexandre D, Les trois mousquetaires, 8 Bde., Paris 1844; D., Vingt ans après, ou les trois mousquetaires sous Mazarin, New York 1845. Aufgrund historischer Fakten geht etwa Claude Dulong davon aus, dass einige Schilderungen von Dumas durchaus der Wahrheit entsprochen haben könnten, was sie überspitzt in einem Artikel über die berühmte Halsbandaffäre veranschaulicht hat. Siehe Claude D, Alexandre Dumas n’a rien inventé. L’affaire des ferrets a eu lieu, in: Historama 33 (1986), S. 24–30. Siehe G, Anne d’Autriche et ses juges, S. 373–387. Charlotte B-P, Anna von Österreich. Intrigenstück in fünf Akten und einem Nachspiel, in: Jahrbuch deutscher Bühnenspiele 29 (1850), S. 217–314, bes. S. 220–226, 254–256, 284–294. Das Stück ist jedoch von einer schlechten dramaturgischen Qualität und erinnert an ähnlich dilettantische Theaterstücke, die im 19. Jahrhundert auch über Königin Marie-Antoinette verfasst wurden. Vgl. etwa Gordon H, Marie Antoinette. A Tragedy in Five Acts, Chicago 1893.

1.1 Themenstellung

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ten Formen der Geschichts(ver)fälschung findet sich jedoch im einige Jahre zuvor entstandenen Film »Der Mann in der eisernen Maske« (1998), in dem Ludwig XIV. als Sohn Annas von Österreich und des Musketiers d’Artagnan33 ausgegeben wird34 . Das bedeutet nicht, dass Anna von Österreich frei von Schwächen war, aber weder eine überschäumend positive noch eine abgrundtief vernichtende oder fiktiv-verfälschende Beurteilung kann ihr wirklich gerecht werden35 . Wie sooft bedarf es – an erster Stelle von der Geschichtswissenschaft – einer ausgewogenen Sichtweise, die die Leistungen der Königin nicht schmälert, aber auch ihren eigenen Beitrag an dem positiv gefärbten Bild berücksichtigt. Wie schon Pierre Sabbah konstatiert, zeigt sich im Umgang mit der Person Anna von Österreich einmal mehr der Unwille, ihre Fähigkeiten und politischen Leistungen anzuerkennen36 . Tatsächlich war sie, wie zumindest einige Historiker – etwa Guy Chaussinand-Nogaret oder Klaus Malettke – zu Recht betonen, keineswegs die unfähige und unerfahrene Monarchin, als die sie gern dargestellt wird37 . Gleichwohl waren und sind derartige Äußerungen bisher nur allgemein gehalten und primär auf die Zeit zu Beginn der Regentschaft bezogen geblieben, ohne dass dies mit detaillierten Untersuchungen unterfüttert worden wäre38 . Obwohl die Königin keine dezidierte Erziehung in Staatskunde oder Diplomatie erhalten hatte und von Ludwig XIII. von den Staatsgeschäften ferngehalten worden war, hatte sie stets sehr wohl verstanden, was um sie herum geschah, und war keineswegs intellektuell unbedarft39 : Elle a beaucoup d’esprit: ce qu’elle en a est tout-à-fait naturel. [. . . ] Elle juge toujours des choses sérieuses selon la raison et le bon sens, et dans les affaires elle prend toujours par lumières le parti de l’équité et de la justice; mais elle est paresseuse, elle n’a point lu: cela toutefois ne la délustre point, parce que le grand commerce que la Reine a eu avec les pre33

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Der historisch verbürgte Charles de Batz-Castelmore d’Artagnan war seit 1667 Hauptmann der Musketiere und 1672 für einige Monate Gouverneur von Lille. Er fiel im Holländischen Krieg (1672–1678). Siehe auch Sylvia J-F, Herrinnen des Louvre. Frankreichs Regentinnen Maria de’ Medici und Anne d’Autriche, Gernsbach 2005, S. 399f. Vgl. M, Mémoires: Préface, Bd. 1, s.p.: »Je ne prétends pas que la Reine Anne d’Autriche [. . . ] n’ait eu aucun défaut. Elle étoit née, comme nous, avec les foiblesses auxquelles la Nature Humaine est sujette. [E]lle ne s’est pas cruë parfaite; mais elle [. . . ] s’est trop défiée de son Esprit & de sa Raison« [Hervorh. im Orig.]. Pierre S, La galerie des illustres dans les »Mémoires« du cardinal de Retz, SaintÉtienne 2000, S. 50. Guy C-N, La vie quotidienne des femmes du roi: d’Agnès Sorel à Marie-Antoinette, [Paris] 1990, S. 121f.; Klaus M, Die Bourbonen, Bd. 1: Von Heinrich IV. bis zu Ludwig XIV. 1589–1715, Stuttgart 2008, S. 132. Jean-François D, Anne d’Autriche, reine de France: mise en perspective et bilan politique du règne (1615–1666), in: G (Hg.), Anne d’Autriche, S. 41–109; Anka M, Königinnen auf Zeit. Katharina von Medici, Maria von Medici, Anna von Österreich, Frankfurt a.M. 2005, S. 223, 259f. María José del R B, Enfance et éducation d’Anne d’Autriche à la cour d’Espagne (1601–1615), in: G (Hg.), Anne d’Autriche, S. 11–39, hier S. 24.

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1. Einleitung

miers de son siècle, la grande connoissance qu’elle a du monde, et la longue expérience des affaires et des intrigues de la cour, ont tout-à-fait réparé ce qui pouvoit lui manquer du côté des livres40 .

Sie verfügte über ausreichend Intelligenz und Urteilsfähigkeit, um den Staat zu lenken, den Hof zu führen und ihr eigenes Bild öffentlichkeitswirksam zu propagieren41 . Und dabei war sie zum Teil so geschickt, dass es tatsächlich den Anschein hatte, die »Spiritus intus agit«-Devise sei ihr ureigener Wahlspruch und illustriere jede ihrer Handlungen. Ausgehend von diesem Leitmotiv ist die folgende Arbeit daher bemüht, sich einem bisher noch nicht näher erforschtem Gegenstand der Geschichtswissenschaft zuzuwenden, und zwar der Patronagepolitik42 von Anna von Österreich in ihren verschiedenen Ausformungen. Es gilt dabei erstens zu prüfen, wie sich ihre Inszenierungsstrategie, also die Patronage, in eigener Sache gestaltet hat; zweitens, wie sie ihren Hof in der Praxis geführt, gezielt Amtsträger protegiert und eine eigene Klientel aufgebaut hat; und drittens, welche Rolle dabei der Freundschaftsrhetorik als Teil ihrer Patronage zukam bzw. inwieweit die Königin gleichermaßen als Patronin und Freundin agieren konnte. Dabei wird einmal mehr deutlich, dass über die Königin keineswegs schon alles gesagt ist, geschweige denn wesentliche Schlüsseldokumente ausgewertet worden sind43 . Wie alle adligen Frauen haben auch die Königinnen eigene Kontaktnetze aufgebaut und gepflegt, gerade wenn sie konkrete politische Machtfunktionen ausübten. Es war wichtig, am Hofe und darüber hinaus Bindungen in Form von Patronagebeziehungen aufrechtzuerhalten, also über »soziale Netzwerke [zu verfügen], die im Bedarfsfall aktiviert und instrumentalisiert werden konnten«44 . Katrin Keller weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf

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M, Portrait de la reine, S. 324f. Der venezianische Gesandte in Spanien, Francesco Priuli, attestierte ihr bereits im Alter von sieben Jahren eine überdurchschnittliche Auffassungsgabe. Siehe Armand B, Le roi chez la reine, ou Histoire secrète du mariage de Louis XIII et d’Anne d’Autriche d’après le »Journal de la vie privée du Roi«, les dépêches du nonce et des ambassadeurs et autres pièces d’État, Paris 2 1866, S. 119. Siehe dazu Antoine F, Dictionnaire universel, 2 Bde., Den Haag, Rotterdam 2 1702, Bd. 2, S. 473, (Art.) »Patron«: »Patron, se dit aussi à la Cour, d’un Seigneur sous la protection duquel on se met pour avancer sa fortune. Tout homme qui veut suivre la Cour, doit avoir un Patron, il n’y sera rien sans un Patron qui fasse valoir ses services« [Hervorh. im Orig.]; Pierre R, Dictionnaire françois contenant les mots et les choses, Genf 1680, Teil 2, S. 137, (Art.) »Patron«: »Patron. Protecteur, défenseur. Celui qui s’interesse dans notre fortune, & qui tâche à la pousser. [Quand on n’a ni grands biens, ni grande naissance on ne fait rien dans le monde sans patron]« [Hervorh. im Orig.]. Vgl. auch F, Dictionnaire, Bd. 1, S. 430, (Art.) »Client«. Vgl. eine ähnliche Argumentation bei Chantal G, Introduction, in: D. (Hg.), Anne d’Autriche, S. 1–3, hier S. 1. Katrin K, Mit den Mitteln einer Frau: Handlungsspielräume adliger Frauen in Politik und Diplomatie, in: Hillard von T, Christian W (Hg.), Akteure der

1.1 Themenstellung

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hin, dass dies gerade in adligen Kreisen geschlechtsunabhängig umgesetzt wurde, denn viele Frauen nutzten die mit den relativen Freiheiten, die ihr Stand mit sich brachte, verbundenen Handlungsspielräume, um zum Teil auch unabhängig von ihrem Ehemann Kontakte zu wahren und neue, vom Geschlecht unabhängige Beziehungen einzugehen45 . Anna von Österreich hielt gerade in der Zeit, als ihre Ehe wenig ermutigend verlief und der erhoffte Erbe immer noch nicht geboren war, den Kontakt zu ihren spanischen Verwandten aufrecht, obwohl sie sich darüber im Klaren war, dass dem König das missfiel. Erst mit der Regentschaft veränderte sich ihr Blick und sie passte ihre Patronage den neuen Umständen an. Entsprechend diesen Überlegungen wurde auch der Untersuchungszeitraum gewählt. Als Ausgangspunkt dient das Jahr 1643, als Anna von Österreich die Regentschaft antrat. In der Zeit zuvor hatte sie aber, wie zu zeigen sein wird, auch schon Patronage betrieben sowie Kontakt- und Freundschaftsbeziehungen unterhalten, war allerdings größtenteils von Ludwig XIII. und insbesondere von Kardinal Richelieu abhängig, die immer wieder Eingriffe in ihrem Haushalt vornahmen. Sie spielte folglich eine eher untergeordnete Rolle am Hofe46 . Ein Zeitgenosse spricht etwas übertrieben, aber letztlich nicht unzutreffend, von ihrem »versteckten und unbekannten« Dasein in dieser Lebensphase47 . Erst der Tod Ludwigs XIII. brachte die Wende, weil die Königin nun an die Spitze des Patronagesystems vorrückte und darüber hinaus sowohl über die Art und Weise ihrer Klientelpolitik als auch über ihre künftige Inszenierung selbst bestimmen konnte48 . Ein weiterer Grund, der die Wahl dieses Jahres sinnvoll erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass Anna von Österreichs neue Machtfunktion zugleich Auswirkungen auf die Art ihrer Patronagepolitik hatte. Zum einen stellte sie nun andere Anforderungen an ihre Klienten. So erwartete sie vor allem, dass ihre (politischen) Entscheidungen, zuerst die Fortsetzung des Kurses der Vorgängerregierung sowie die Wahl Mazarins zum

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Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, Köln, Weimar, Wien 2010, S. 219–244, hier S. 230. Ibid. Siehe auch Nadine N. A, Birgit H (Hg.), The Politics of Female Households. Ladies-in-Waiting across Europe, Leiden 2013. B, Le roi chez la reine, S. 290f.; Adélaïde C, Les Reines de France, Paris 4 1860, S. 547. P   S, Le Portrait de la Reyne, S. 232. G, Mémoires, S. 58: »Le Roi s’affoiblissoit de jour en jour, & la Cour de la Reine devenoit plus nombreuse. Les regards étoient fixés sur elle. Tous ceux qui avoient souffert pour ses intérêts, tous ceux qui étoient méconten[t]s du gouvernement actuel, croyoient avoir des titres à la faveur, sous un nouveau règne«.

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1. Einleitung

Ersten Minister, nicht infrage gestellt wurden49 . Zum anderen erforderte auch ihr neuer Status eine veränderte Inszenierung. Als Endpunkt für den Untersuchungszeitraum wurde das Jahr 1666 gewählt, in dem die Königin auch verstorben ist. Denn trotz des bereits 1651 erfolgten offiziellen Endes ihrer Regentschaft und dem Ausschluss aus dem Kronrat 1661 blieb sie weiterhin einflussreich und übte eine nicht unerhebliche Machtfunktion aus. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht somit darin, am konkreten Beispiel von Anna von Österreich einen grundsätzlichen Beitrag zur Rolle der französischen Königinnen bzw. Regentinnen im Patronagesystem der Frühen Neuzeit zu leisten und weiblicher Patronage als solcher nachzugehen. Ausgehend von der hier erstmals umfassend durchgeführten Untersuchung zur Patronagepolitik der Königin sollen einerseits nicht nur die damit verbundenen generellen Aspekte zu ihrer Selbstdarstellung, etwa bei der Ausgestaltung ihrer Gemächer, zu ihrem Hof, im Hinblick auf seinen Aufbau und seine Zusammensetzung, und zum Freundschaftsverständnis der Epoche einbezogen werden. Andererseits ist in diesem Kontext auch das überkommene Bild von Anna von Österreich als einer naiv-frommen, politisch unfähigen, wahllos Wohltaten verteilenden Monarchin, die völlig von ihrem Ersten Minister abhängig und nach 1661 einflusslos war, teils zu relativieren und teils als falsch zurückzuweisen. Sodann kann ihre staatspolitische und höfische Bedeutung neu bewertet werden50 . Es gilt zu belegen, dass Anna von Österreich eine taktisch-klug agierende Patronin war, die nicht nur konsequent ihr Selbstbild forcierte, indem sie ihre Frömmigkeit instrumentalisierte, sondern die auch ihren Hof gekonnt führte und durch eine gezielte Freundschaftsrhetorik Verwandte und andere Monarchen, Adel und Klerus, Staatsdiener und Amtsträger, also Freunde und Klienten, gleichermaßen erfolgreich an sich zu binden wusste.

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Guy J, Mémoires de Guy Joly, Paris 1825, S. 7: »[L]a régence fut donnée à la Reine, cette joie fut extrêmement augmentée par l’espérance qu’on eut d’un changement avantageux, et que la Reine, qui avoit elle-même beaucoup souffert des violences du cardinal de Richelieu, prendroit une conduite opposée à celle de ce ministre, d’autant plus que jusqu’alors Sa Majesté avoit toujours paru, fort sensible à la misère des peuples et aux disgrâces des particuliers. Mais comme on remarqua bientôt après que la Reine, en changeant d’état, avoit aussi changé d’humeur et de sentiment«. Vgl. Matthias S, Weibliche Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Einige Beobachtungen aus verfassungs- und politikgeschichtlicher Sicht, in: zeitenblicke 8/2 (2009), URL: http://www.zeitenblicke.de/2009/2/schnettger/index_html [abgerufen: 15.06.2015], Absatz 33: »Dennoch stellt gerade ihre Patronage ein zentrales Argument für die Neubewertung von Fürstinnen und ihrer Rolle in der Geschichte des frühmodernen Staates dar«.

1.2 Forschungsstand

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1.2 Forschungsstand Bei der Betrachtung des Forschungsstandes müssen vor allem drei Aspekte unterschieden werden: die allgemeine Forschung zur Patronage, die Forschung zu Anna von Österreich und die Forschung, die sich mit der Patronage von Königinnen bzw. Regentinnen beschäftigt. Dementsprechend wird auch untersucht, inwieweit zu diesen drei Aspekten Studien vorliegen und welchen Beitrag diese leisten können. Die Patronageforschung hat generell in den letzten vier Jahrzehnten an Relevanz gewonnen, was zu einer prinzipiellen Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Patronage für das gesellschaftliche Miteinander geführt hat. So sind mittlerweile zahlreiche Monographien und Sammelbände entstanden, die sich umfassend, aber auch anhand von konkreten Fallbeispielen mit der Entwicklung und Ausformung von Klientelverhältnissen in der Frühen Neuzeit beschäftigen51 . Das ist auch insofern wichtig, als sich – ähnlich wie beim politischen Phänomen des Absolutismus oder der kulturellen Erscheinung des Barock – zwar grundlegende Muster überall wiederfinden, es aber dennoch zu spezifischen Ausprägungen kam, die länder-, zeit- und kontextgebunden waren52 . Einen Überblick über die jüngere Forschungsgeschichte der Patronage bieten etwa Heiko Droste und Birgit Emich53 . Heiko Droste weist zwar auf den bedeutsamen Stellenwert der Patronage in der Frühen Neuzeit hin. Im Gegensatz zu Birgit Emich, deren Betrachtung weitaus plausibler gestaltet ist, wartet er aber mit zum Teil abenteuerlichen Vermutungen auf54 . Das betrifft nicht nur die pauschale Unterstellung, Patron-Klient-Verhältnisse seien von Manipulation und Falschheit bestimmt gewesen, weil sich die zeitgenössische Rhetorik inhaltsleerer Floskeln bediente, nur um die Beziehungen zwischen einem mächtigen Patron und einem abhängigen Klienten aufrechtzuerhalten, letztlich seien sie aber nur ein Ausdruck des gegenseitigen Misstrauens und

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Siehe z. B. Ronald G. A, Der Hof Karls I. von England: Politik, Provinz und Patronage 1625–1640, Köln 1993; D., Adolf M. B (Hg.), Princes, Patronage, and the Nobility. The Court at the Beginning of the Modern Age c. 1450–1650, Oxford 1991; Yves D (Hg.), Hommage à Roland Mousnier. Clientèles et fidélités en Europe à l’époque moderne, Paris 1981; Antonio F, Kingship and Favoritism in the Spain of Philip III, 1598–1621, Cambridge 2000; Kristen B. N, Word of Honor. Interpreting Noble Culture in Sixteenth-Century France, Ithaca, London 1989. Siehe dazu Antoni M (Hg.), Klientelsysteme im Europa der frühen Neuzeit, München 1988. Heiko D, Patronage in der Frühen Neuzeit – Institution und Kulturform, in: Zeitschrift für Historische Forschung 30/4 (2003), S. 555–590; Birgit E u. a., Stand und Perspektiven der Patronageforschung. Zugleich eine Antwort auf Heiko Droste, in: Zeitschrift für Historische Forschung 32/2 (2005), S. 233–265. In beiden Aufsätzen finden sich zahlreiche weiterführende Literaturangaben. D, Patronage in der Frühen Neuzeit, S. 556f., 574f.

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1. Einleitung

der Täuschung55 . Noch abwegiger mutet jedoch der Rückschluss an, Fürsten seien keine Patrone56 . Dieser Einwand wurde von Birgit Emich zu Recht zurückgewiesen57 . Auch ein Blick auf die Quellen zeigt, dass Monarchen bzw. Fürsten, entgegen Heiko Drostes Behauptung, sehr wohl als Patrone agierten und als solche auch von den Zeitgenossen wahrgenommen wurden58 . Des Weiteren konnte von der Forschung deutlich herausgearbeitet werden, dass die Patronage in der Form, wie sie in der Frühen Neuzeit vorherrschte, in gewisser Weise als Erbe des mittelalterlichen Prinzips des Feudalismus anzusehen ist, was die gegenseitige Verpflichtung zu Hilfe und Unterstützung zwischen Patron und Klient betraf: Im Übrigen gestaltete sie sich weitaus informeller und freizügiger, da es keine eidliche Huldigung mehr gab und es auch nicht zu einem Austausch von Lehen kam59 . Mit anderen Worten: Es lag kein rechtsverbindliches Verhältnis vor. In einer zeitgenössischen Definition heißt es dazu: [Eine Person,] welche im Stand ist, einem andern zu helfen, sich auch desselbigen annimmt, und sein bestes zu befördern suchet. Derjenige, der sich in den Schutz eines Patrons begiebet, pflegt ein Client genennet zu werden [. . . ]. Die Pflicht, die ein Patron gegen seinen Clienten auf sich hat, ist nur eine Pflicht der Gefälligkeit, die sich darauf gründet, daß weil Gott aller Menschen Glückseligkeit intendiret, so ist billig, daß ein mächtiger und reicher dem Schwächern und armen beystehet; indem es aber eine Pflicht der Gefälligkeit [ist], so hat sie nur eine unvollkommene Verbindlichkeit, welche dem Clienten kein Recht in die Hände giebt, den Patron zu etwas zu zwingen. Solche Gefälligkeiten können sonderlich auf zweyerley Arten erwiesen werden, als durch Dienstfertigkeit und durch Wohltaten. Jene geschiehet, wenn man seine Dienste zu des andern Nutzen ohne Entgeld anwendet, indem wir ihn etwa guten Rath ertheilen, oder mit einer Recommendation an die Hand geben; wofern wir ihn aber etwas von unsern Vermögen schencken, so heisst dieses eine Wohltat. Ein Patron muss nicht nur können, sondern auch wollen dem andern helfen60 .

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Ibid., S. 558–563. Ibid., S. 585, sowie ibid., Anm. 110. Auch Drostes Ablehnung der Unterscheidung zwischen Patron und broker ist unverständlich (ibid., S. 586). Sharon Kettering hat nachgewiesen, dass es Personen gab, die als Mittler fungierten und Kontakte zum Monarchen herstellten und dafür eine Gegenleistung erhielten. Siehe Sharon K, Brokerage at the Court of Louis XIV, in: The Historical Journal 36/1 (1993), S. 69–87. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 255. Siehe etwa Le Dictionnaire de l’Académie françoise, hg. von der Académie Française, 2 Bde., Paris 1694, Bd. 2, S. 200, (Art.) »Patron«: »Patron. Se dit aussi en parlant d’un Prince, d’un Ministre, d’un grand Seigneur auquel on s’attache, & sous la protection duquel on se met pour faire sa fortune, pour avoir de l’appuy« [Hervorh. im Orig.]. J. Russel M, The Crown and the Aristocracy in Renaissance France, in: The American Historical Review 69/3 (1964), S. 631–645; Roland M, Les institutions de la France sous la monarchie absolue, 1589–1789, Paris 2005 [EA 1974–1980], Teil 1, S. 85–93. Johann Heinrich Z, Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, 64 Bde., Halle, Leipzig 1732–1751, Bd. 26, Sp. 1401, (Art.) »Patron«. Vgl. auch ibid., Bd. 6, Sp. 411–413, (Art.) »Cliens«.

1.2 Forschungsstand

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Einerseits waren damit die Wahl des Herren bzw. des Patrons und die Gegenleistungen, die der Klient zu erbringen hatte, frei61 . Andererseits spielte natürlich das strategische Kalkül eine bedeutsame Rolle, denn je einflussreicher ein Patron war, umso attraktiver war er für einen potentiellen Klienten62 . Dieser konnte wiederum durch einen mächtigen Patron seinen eigenen Status aufwerten und dann selbst für andere an Bedeutung gewinnen, die sich um seine Mittlerdienste bemühten. Umgekehrt war aber auch ein gut vernetzter Klient attraktiv für einen potentiellen Patron, der auf diese Weise seine Einflusssphären weiter ausbauen und auf die Mittlerfunktion des betreffenden Klienten zurückgreifen konnte63 . Damit bestätigt sich zugleich die bereits von Sharon Kettering herausgearbeitete Ansicht, wonach Patrone und Klienten aufgrund ihrer jeweiligen Kontakte und Mittlerdienste (brokerage) füreinander oftmals eben nicht nur auf die ausschließliche Funktion als großzügiger und hilfreicher Patron bzw. als ergebener und loyaler Klient reduziert blieben64 . Ein anderer, nicht minder wichtiger Punkt ist die auf gesamtstaatlicher Ebene im 16. Jahrhundert beginnende und im 17. Jahrhundert stetig voranschreitende Zurückdrängung adliger Partikularinteressen zugunsten eines starken monarchischen Machtmonopols und des damit einhergehenden Bedeutungszuwachses des Hofes als Zentrum königlicher Gunst. In Bezug auf die Patronage hat etwa Aloys Winterling einmal am Beispiel der Entwicklung der Herrschafts- und Machtstrukturen vom republikanischen zum kaiserzeitlichen Rom bemerkt: Die überragende Position des Kaisers – die nicht auf Freundschaft oder Klientel, sondern auf der Monopolisierung militärischer Gewaltmittel beruhte –, seine fast unbegrenzten Möglichkeiten, Reichtum, Macht und Ehre zu vergeben, führten zu einem qualitativen Strukturwandel der interpersonalen Beziehungen. Egalitäre freundschaftliche Beziehungen mit der Spitze verschwanden, da dem Kaiser niemand gleich war. [. . . ] Reziproke amicitia wandelte sich so durch die neue kaiserliche Machtposition zu hierarchisch strukturierter Gunst, die einseitig von oben nach unten vergeben oder verweigert wurde, die von unten nach oben utilitaristisch angestrebt wurde65 . 61 62

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Sharon K, Gift-Giving and Patronage in Early Modern France, in: French History 2/2 (1988), S. 131–151, hier S. 135–137. Arthur L. H, The Language of Fidelity in Early Modern France, in: Journal of Modern History 67/1 (1995), S. 1–24, hier S. 10. Siehe Jay M. S, No More Language Games: Words, Beliefs, and the Political Culture of Early Modern France, in: The American Historical Review 102/5 (1997), S. 1413–1440, hier S. 1426. Siehe dazu die umfassende Studie von Sharon K, Patrons, Brokers, and Clients in Seventeenth-Century France, New York, Oxford 1986. D., The Historical Development of Political Clientelism, in: Journal of Interdisciplinary History 18/3 (1988), S. 419–447, hier S. 426: »Brokerage is a role that can be played by someone who is simultaneously a patron, broker, or client«. Vgl. Daniel D, Petrarkistischer Diskurs und höfische Kommunikation im Wandel. Strategien schottischer Dichter, 1580–1625, Heidelberg 2012, S. 186f. Aloys W, Freundschaft und Klientel im kaiserzeitlichen Rom, in: Historia 57/3 (2008), S. 298–316, hier S. 309 [Hervorh. im Orig.]. Siehe auch ibid., S. 314: »Je weniger

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1. Einleitung

Im Gegensatz dazu stellten gerade die großen Adelsfamilien Frankreichs in der Frühen Neuzeit natürlich weiterhin sehr wohl einen konkreten Machtfaktor dar, der auf ihren Klientelstrukturen insbesondere in der Provinz beruhte, wo sie nach wie vor einflussreich blieben und ein gewisses Maß an Prachtentfaltung pflegten. Gleichwohl lässt sich nicht leugnen, dass der grundsätzliche Einfluss des Adels in der Provinz im Laufe des 17. Jahrhunderts zumindest nicht mehr von der Dominanz war wie noch im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert. Außerdem vollzog sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der generellen Wahrnehmung vieler Zeitgenossen, aber auch späterer Generationen, ein Wandel weg vom adligen Individualismus hin zu einer größeren Unterordnung unter die Macht der Krone, repräsentiert durch Ludwig XIV.66 Denn Tatsache ist, dass der Adel zunehmend gezwungen war, sich an den Hof zu begeben, um sich durch die Nähe zum Herrscher weiterhin Einflusssphären zu sichern und für die eigene Klientel ›attraktiv‹ zu bleiben67 . Für den Staatsbildungsprozess einer nach umfassenden Einfluss strebenden und zentralistisch organisierten Monarchie spielte die Patronage demnach eine äußerst bedeutsame Rolle, weil die Aussicht auf materiellen Gewinn und Aufstiegschancen weitaus stärker als bisher am Hof des Herrschers gebündelt wurden: Patronage wurde erstens identifiziert als zentraler Katalysator der Staatsbildung; damit entpuppte sie sich zweitens als Herrschaftsmittel der Mächtigen sowohl des Zentrums (der fürstlichen Dynastie und ihrer ersten Diener) als auch der Peripherie, der lokalen Eliten; sie kann also drittens als selbstverständliches Medium der Realisierung kollektiver und individueller Interessen gelten68 .

Es besteht kein Zweifel, dass gerade die Fürsten ihre Macht besonders gut durch Beziehungsnetzwerke und den breit gefächerten Kontakt zu verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen wie Adel, Beamte, Militärs oder Klerus gewinnen und erhalten konnten. So wurde zum Beispiel für die Entwicklung des englischen Hofes aufgezeigt, dass sich dort im Verlauf des 17. Jahrhunderts die

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aristokratischer Status mit eigenständiger politischer Macht einherging, desto wichtiger und unverzichtbarer wurde die symbolische Bedeutung von Freundschafts- und Klientelbeziehungen und ihre Inszenierung für die Aufrechterhaltung der sozialen Stellung der Aristokratie«. Siehe Leonhard H, Hof und Absolutismus. Was bleibt von Norbert Elias’ Theorie?, in: Lothar S (Hg.), Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept? Eine deutsch-französische Bilanz, München 2008, S. 143–171, bes. S. 159–161; Katia B, Höfe abseits des Hofes: Adelige Prachtentfaltung im Reich Ludwigs XIV., in: Werner P (Hg.), Luxus und Integration. Materielle Hofkultur Westeuropas vom 12. bis zum 18. Jahrhundert, München 2010, S. 53–63. Vgl. dazu D, Petrarkistischer Diskurs, S. 144, 210–212; K, The Historical Development of Political Clientelism, S. 426f., 437. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 257f. Siehe auch Arlette J, (Art.) »Clientèles«, in: Lucien B (Hg.), Dictionnaire de l’Ancien Régime, Paris 2006, S. 268–270, hier S. 269.

1.2 Forschungsstand

25

wachsende Möglichkeit hinsichtlich des Zugangs zum Monarchen (und auch ein gewisses Maß an Vertrautheit mit ihm) ergab, was wiederum nicht nur für den Adel und dessen Macht- und Einflusschancen wichtig war, sondern zugleich auch dessen eigene Bedeutung und die seiner Patronagebeziehungen und Kontaktnetze aufwertete69 . Eine vergleichbare Tendenz lässt sich ebenfalls für den französischen Hof nachweisen, weshalb etwa Jeroen Duindam zu Recht darauf hingewiesen hat, dass durch Norbert Elias’ Betrachtungen zu Ludwig XIV. dessen vermeintliche Allmacht und die totale Abhängigkeit der Höflinge zu sehr zum Modell geworden und dadurch die tatsächliche Bedeutung der Patronage- und Klientelbeziehungen vernachlässigt worden seien, obwohl die Höflinge erwiesenermaßen erheblich vom Aufenthalt am Hofe profitierten (Chargen, Titel, Pensionen, Gaben) und sich die Wissenschaft daher weniger dem Kampf von Schwert- und Amtsadel als vielmehr dem Verhältnis zwischen Patronen – wie etwa dem König und der Königin – auf der einen und den Klienten auf der anderen Seite widmen sollte70 . Aus diesem Grund kommt deshalb gerade der Regentschaft von Anna von Österreich in doppelter Weise eine nicht zu unterschätzende Bedeutung als Übergangszeit zu, nämlich hinsichtlich des Staatsbildungsprozesses und der königlich-höfischen Patronage. Zum einen wurde von ihr der bisherige Weg hin zu einer starken Zentralgewalt der Krone unablässig vorangetrieben, weil sie entgegen vieler Erwartungen nicht mit dem politischen Kurs von Ludwig XIII. und Richelieu brach. Und zum anderen hatte dies natürlich zur Folge, dass der Hof als entscheidendes Zentrum der Macht mit der Aussicht auf Vorteile für den Adel, die sich durch die dort praktizierte Patronage der Königin ergaben, weiter stark an Bedeutung gewann, woran auch Ludwig XIV. später weiter konsequent anknüpfte71 . Eine unmittelbare Folge dieser Entwicklung war die Tatsache, dass (hohe) Adlige zwar nach wie vor selbst auch als Patrone agierten und eigene Klientelnetze unterhielten, aber dennoch in der Ausübung ihrer Patronage zunehmend eingeschränkt waren, weil die fortschreitende Konzentration militärischer Macht in den Händen des Monarchen ihnen ein wichtiges Druckmittel nahm, einen entsprechenden Rückgang ihrer politischen Macht evozierte, wodurch sie weniger Klienten mobilisieren konnten; daher erschien es sowohl dem Adel als auch dessen (potentiellen) Klienten sinnvoller 69

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71

Kevin S, The Image of Virtue: The Court and Household of Charles I, 1625–1642, in: David S (Hg.), The English Court: From the Wars of the Roses to the Civil War, London 1987, S. 229–248. Jeroen D, Myths of Power. Norbert Elias and the Early Modern European Court, Amsterdam 1995, S. 189, 193. Vgl. Norbert E, Die höfische Gesellschaft, Frankfurt a.M. 6 1992, S. 330f. Siehe Sharon K, The Decline of Great Noble Clientage during the Reign of Louis XIV, in: Canadian Journal of History 24/2 (1989), S. 157–177, bes. S. 158–163, 172– 175.

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1. Einleitung

und lohnender, sich in die Welt der höfischen Patronage zu integrieren72 . Infolgedessen blieb es ebenfalls nicht aus, dass der Adel sich oftmals stärker als zuvor um die Gunst des Monarchen, aber auch um das Wohlwollen von Ministern und Amtsträgern in den königlichen Haushalten bemühen musste und folglich seinerseits den Status eines Mittlers und Klienten einnahm. Ein Zeichen dieser Übergangszeit war nicht nur ein stetiger Anstieg von Verwaltungspersonal, sondern noch eine relative Durchlässigkeit für den Amtsadel (und dessen Angehörige), was den Kontakt mit der und den Zugang zur Königin sowie die Aufnahme in ihren Haushalt betraf. Das zeigte sich zum Beispiel bei den Hofdamen, die spätestens ab 1661, also nach der Konsolidierung der Krone und der inneren Befriedung im Land, (fast) ausschließlich aus dem (Hoch-)Adel rekrutiert wurden. Wird nun der Forschungsstand zu Anna von Österreich betrachtet, lässt sich eine ähnliche Entwicklung konstatieren. In den letzten Jahrzehnten sind etliche biographische Abhandlungen erschienen, die das gewachsene Interesse an ihrer Person scheinbar belegen. Tatsächlich ist dies wohl eher einem Zusammenspiel aus ökonomischer Rentabilität seitens Autoren und Verlagen sowie dem Interesse einer breiten Öffentlichkeit am 17. Jahrhundert geschuldet73 . Und dieses erklärt wiederum, weshalb sich die zahlreichen Biographien zum Teil kaum voneinander unterscheiden. Das Leben von Anna von Österreich dient dabei meist nur als Folie, um die politische Geschichte Frankreichs und die ersten Lebensabschnitte Ludwigs XIV. mehr oder weniger fundiert nachzuzeichnen. Oftmals weisen die Bücher, wie schon Ruth Kleinman bemängelt hat, wenig Substanz auf und sind eher anekdotenhaft gehalten, wozu exemplarisch an das Werk von Evelyn Anthony erinnert sei74 . Anthonys Darstellung bleibt nämlich wie die der meisten Biographen vielfach auf die politische Nacherzählung – vornehmlich der Ära Richelieus und der Fronde – reduziert, während sie aber kaum oder gar nicht auf andere Aspekte wie die Inszenierung oder den Hof eingeht. Zudem scheinen viele Autoren die Gelegenheit zu nutzen, um neben Anna von Österreich zugleich einen biographischen Abriss anderer Persönlichkeiten mit einfließen zu lassen, allen voran von Mazarin, sodass das Hauptunterscheidungsmerkmal dieser Bücher meist nur in der Bewertung des Verhältnisses zwischen ihm und der Königin besteht75 . Abgesehen von einigen wenigen sehr positiv gefärbten Büchern (Capefigue)76 waren die Biographien über Anna von Ös-

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Ibid., S. 175, 177. Jonathan D, Politics and Personality in Seventeenth-Century France, in: French Historical Studies 16/4 (1990), S. 893–908, hier S. 894. Ruth K, Anne d’Autriche, Paris 1993, S. 11, 410f. Siehe Evelyn A, Anne of Austria, London 1968. Vgl. dazu Kap. 4.2. Jean-Baptiste C, Anne d’Autriche, reine-régente et la minorité de Louis XIV, Paris 1861, bes. S. V–VII.

1.2 Forschungsstand

27

terreich von einer subjektiven Darstellung geprägt77 . Infolgedessen kam eine objektive Einschätzung kaum zustande und es wurden die üblichen Stereotype der faulen, unfähigen und von Mazarin abhängigen Monarchin wiederholt (Loiseleur, Noël)78 . Derartig voreingenommene Betrachtungen setzten sich noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts fort und waren dann entweder detailreich mit bisweilen melodramatischen Zügen und euphemistischen Beschreibungen der Königin angereichert (Buchanan, La Varende)79 oder hatten oftmals den Charakter eines historischen Romans (Lorenz, Saint-Félix)80 . Es gab zwar immer wieder Autoren, die eine ausgewogene Betrachtungsweise anstrebten, aber sie blieben noch die Ausnahme (Herbillon)81 . Erst in den Biographien der letzten drei Jahrzehnte hat sich langsam ein deutlich modifizierteres Bild der Königin herauskristallisiert, das stärker der Objektivität verpflichtet ist und auch ihren (politischen) Leistungen Rechnung trägt (Dulong, Muhlstein)82 . Dennoch erscheinen einige dieser Bücher, was die Person Anna von Österreich angeht, oft eher als eine ausschließlich historische Erörterung des 17. Jahrhunderts (Kleinman, Minella, Vignal-Souleyreau)83 . Oder aber sie neigen bei aller grundsätzlichen Objektivität hinsichtlich der charakterlichen Einschätzung zu einer sehr einseitig wirkenden Glorifizierung (Jurewitz-Freischmidt)84 . Erfreulich differenziert und fundiert erscheint hingegen ein 2009 veröffentlichter Sammelband (herausgegeben von Grell), der sich mit verschiedenen Aspekten der Person, Herrschaft sowie den Wirkungsmöglichkeiten von Anna von Österreich auseinandersetzt85 . Während somit im Bereich der Biographien, insgesamt betrachtet und im Vergleich zum 19. Jahrhundert, durchaus erhebliche Fortschritte erzielt werden konnten, fehlt es immer noch an umfassenden wissenschaftlichen Studien zur Patronage von Anna von Österreich, wie auch überhaupt lange Zeit das Phänomen der Patronage (adliger) Frauen in der Frühen Neuzeit eher ver77 78

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Siehe Caroline  K, Catherine de Médicis et sa maison. La fonction politique de l’hôtel de la reine au XVIe siècle, Diss. Universität Paris 8 (2006), S. 27–31. Jules L, Problèmes historiques: Mazarin a-t-il épousé Anne d’Autriche? Gabrielle d’Estrées est-elle morte empoisonnée?, Paris 1867, S. 162; Auguste N, Les reines de France nées Espagnoles, Paris 1858, S. 178f. Meriel B, Anne of Austria, the Infanta Queen, London 1937; Jean de L V, Anne d’Autriche, femme de Louis XIII (1601–1666), Paris 1954, bes. S. 9, 231. Paul L, Le roman d’Anne d’Autriche, Lyon 1945; Tomy S-F, La reine stérile, Paris 1958. Émile E. H, Anne d’Autriche. Reine – mère – régente, Paris 1939. D, Politics and Personality, S. 896. Siehe Claude D, Anne d’Autriche, mère de Louis XIV, Paris 4 2000; J-F, Herrinnen des Louvre; M, Königinnen auf Zeit. K, Anne d’Autriche; Alain-Gilles M, Pour l’amour de l’enfant roi. Anne d’Autriche – Jules Mazarin, Paris 2008; Marie-Catherine V-S, Anne d’Autriche. La jeunesse d’une souveraine, Paris 2006. J-F, Herrinnen des Louvre, S. 363. Siehe ibid., S. 242f. G (Hg.), Anne d’Autriche.

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1. Einleitung

nachlässigt wurde86 . Es handelte sich dabei, wie auch bei der Patronage von (adligen) Männern, um eine genauso entscheidende Form sozialer Interaktion, die für das eigene und familiäre Fortkommen in der Gesellschaft und am Hofe unerlässlich gewesen ist; adligen und fürstlichen Frauen kam eine wichtige Rolle als Patroninnen und Mittlerinnen zu87 . Katrin Keller hat dies sehr treffend zusammengefasst: [Frauen] wirkten im Sinne familiärer Interessen innerhalb von Verwandtschaft und Nachbarschaft, bauten zu diesem Zweck eigene Verbindungen auf und nutzten Ämter in diesem Sinne. Aber sie konnten das aufgrund ihrer rechtlichen und herrschaftspolitischen Stellung [. . . ] nach unserer Auffassung nur in Ausnahmefällen wie etwa als Regentinnen im engeren Sinne als ›Patroninnen‹ tun. In einer viel größeren Zahl von Fällen traten sie als Maklerinnen von fürstlicher Gnade, als Fürsprecherinnen bei Ehemann oder – im Falle der Amtsträgerinnen – bei Fürst und Fürstin, durch Aufbau und Pflege sozialer Verbindungen in Erscheinung88 .

Patronage umfasste aber eben nicht nur das höfische Milieu, dazu gehörte etwa auch die Unterstützung im Bereich der Wohltätigkeit oder die Förderung von Künstlern. So wird zwar mitunter darauf hingewiesen, dass Anna von Österreich Arme, Kranke, Ordensgemeinschaften sowie Künstler und Schriftsteller gefördert habe89 . Aber es bleibt lediglich bei dieser oberflächlichen Feststellung, ohne näher auf Einzelheiten ihrer Förderungspraxis einzugehen. Obwohl in dieser Hinsicht lange Zeit keine fundierten Untersuchungen angestellt wurden, hat dank der Gender-Forschung zumindest im Bereich der grundsätzlichen Auseinandersetzung zur Bedeutung und zu den Einflussmöglichkeiten (adliger) Frauen und Fürstinnen in der Frühen Neuzeit ein Umdenken stattgefunden90 . Neben allgemeinen und länderspezifischen Überblicksdarstellungen (Böhm und Zimmermann, Beauvalet-Boutouyrie, Daybell, Duchêne, Harris, Mears, Monter, Poutrin und Schaub)91 liegen 86 87

88 89 90 91

Dem will die vorliegende Studie abhelfen. Sara C, Patronage as Family Economy: The Role of Women in the Patron–Client Network of the Phélypeaux de Pontchartrain Family, 1670–1715, in: French Historical Studies 24/1 (2001), S. 11–35; Sharon K, The Patronage Power of Early Modern French Noblewomen, in: The Historical Journal 32/4 (1989), S. 817–841, hier S. 841. Siehe D., Strategies of Power: Favorites and Women Household Clients at Louis XIII’s Court, in: French Historical Studies 33/2 (2010), S. 177–200, hier S. 182. Katrin K, Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts, Wien u. a. 2005, S. 182. Christian B, Les reines de France. Dictionnaire chronologique, Paris 2007, S. 295. Eine diesbezüglich prägnante Einschätzung trifft S, Weibliche Herrschaft, passim. Roswitha B, Margarete Z (Hg.), Französische Frauen der Frühen Neuzeit. Dichterinnen, Malerinnen, Mäzeninnen, Darmstadt 1999; Scarlett BB, Les femmes à l’époque moderne (XVIe –XVIIIe siècle), Paris 2003; James D (Hg.), Women and Politics in Early Modern England, 1450–1700, Aldershot 2004; Roger D, Être femme au temps de Louis XIV, Paris 2004; Barbara J. H, English Aristocratic Women, 1450–1550: Marriage and Family, Property and Careers, Oxford 2002; Natalie M, Queenship and Political Discourse in the Elizabethan

1.2 Forschungsstand

29

inzwischen auch weiterführende Untersuchungen zur Rolle von Frauen am Hofe und zur höfischen Patronage von Frauen bzw. Fürstinnen vor (Calvi und Chabot, Fagnart und L’Estrange, Keller, Kettering)92 . Zugleich gibt es diesbezüglich einige Spezialstudien für Frankreich, wie etwa für Margarete von Navarra (Stephenson)93 , Katharina von Medici (zum Kolk)94 , Henrietta Maria von Frankreich (Wolfson)95 , Maria Leszczyńska (Rogister)96 sowie zur Rolle adliger Frauen und Amtsträger(innen) am englischen (Croft, Harris, Mears, Payne)97 und am Wiener Hof (Keller)98 . Der Vorteil gerade der letztgenannten Werke besteht darin, dass sie über den rein deskriptiven Akt der Lebensbeschreibung hinausgehen und sich nicht nur einer objektiven Darstellung der Charaktereigenschaften von Fürstinnen widmen, sondern auch gezielt auf deren Möglichkeiten der Machtausübung, Selbstdarstellung und Repräsentationsfähigkeiten eingehen99 . Zu den verschiedenen Aus-

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Realms, Cambridge 2005; William M, The Rise of Female Kings in Europe, 1300– 1800, New Haven 2012; Isabelle P, Marie-Karine S (Hg.), Femmes et pouvoir politique. Les princesses d’Europe, XVIe –XVIIIe siècle, Rosny-sous-Bois 2007. Giulia C, Isabelle C (Hg.), Moving Elites: Women and Culture Transfers in the European Court System, Fiesole 2010; Laure F, Elizabeth L’E (Hg.), Le mécénat féminin en France et en Bourgogne, XIVe –XVIe siècle, in: Le Moyen Âge. Revue d’histoire et de philologie 117/3–4 (2011), S. 467–602; Katrin K, Frauen und Politik in der höfischen Gesellschaft des Alten Reiches zwischen 1550 und 1750, in: zeitenblicke 8/2 (2009), URL: http://www.zeitenblicke.de/2009/2/keller/index_html [abgerufen: 15.06.2015]; K, The Patronage Power, S. 817–841, bes. S. 818f. Barbara S, The Power and Patronage of Marguerite de Navarre, Aldershot 2004.  K, Catherine de Médicis, passim. Sara J. W, Aristocratic Women of the Household and Court of Queen Henrietta Maria, 1625–1659, Diss. Universität Durham (2010). John R, Queen Marie Leszczyńska and Faction at the French Court, 1725–1768, in: Clarissa C O (Hg.), Queenship in Europe 1660–1815. The Role of the Consort, Cambridge 2004, S. 186–218. Pauline C, Mildred, Lady Burghley: The Matriarch, in: D. (Hg.), Patronage, Culture and Power: The Early Cecils, 1558–1612, New Haven 2002, S. 283–300; Barbara J. H, Women and Politics in Early Tudor England, in: The Historical Journal 33 (1990), S. 259–281; Natalie M, Politics in the Elizabethan Privy Chamber: Mary Sidney and Kat Ashley, in: D (Hg.), Women and Politics, S. 67–82; Helen P, Aristocratic Women, Power, Patronage and Family Networks at the Jacobean Court, 1603–25, in: D (Hg.), Women and Politics, S. 164–180; Helen P, The Cecil Women at Court, in: C (Hg.), Patronage, Culture and Power, S. 265–281. Vgl. auch K, The Patronage Power, S. 818. K, Hofdamen, bes. S. 9–15. Siehe etwa Lucien B, La société des princes, XVIe –XVIIIe siècle, Paris 1999; Giulia C (Hg.), Women Rulers in Europe: Agency, Practice and the Representation of Political Powers (XII–XVIII), Fiesole 2008, bes. S. 13–15 (weiterführende Literatur); C O (Hg.), Queenship in Europe; Fanny C, La reine de France. Symbole et pouvoir, XVIe –XVIIIe siècle, Paris 2000; Sharon L. J, Debating Women, Politics, and Power in Early Modern Europe, New York 2008; P, S (Hg.), Femmes et pouvoir politique; Regina S (Hg.), Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500, Frankfurt a.M., New York

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1. Einleitung

formungen der Patronage liegen also durchaus ergiebige wissenschaftliche Erörterungen vor, die auch für die vorliegende Untersuchung als Grundlage herangezogen werden können. Das betrifft zunächst einmal den Bereich der Inszenierung. Obwohl hier speziell für Frankreich im 17. Jahrhundert immer noch Maria von Medici besondere Aufmerksamkeit erfährt, gibt es dennoch erste vergleichende Studien zur Innengestaltung der Gemächer von Anna von Österreich (Bisch, Rotmil)100 . Eine vergleichbare Entwicklung lässt sich für die Hofhaltung feststellen. Neben allgemeinen Betrachtungen zum Hof, bei denen auch die Königinnen und ihre Haushalte berücksichtigt werden, oder zur Rolle der Frau am Hofe (Duindam, Hirschbiegel und Paravicini, zum Kolk, Laverny)101 haben sich einige Historiker mit konkreten Einzelaspekten zum Hofstaat bzw. zum Haushalt von Anna von Österreich auseinandergesetzt. Dazu gehören vor allem Darstellungen zur Einflussnahme auf ihren Haushalt vor 1643 durch Ludwig XIII. und Richelieu (Kettering)102 . Des Weiteren gibt es eine Untersuchung über den Haushalt der Königin, einschließlich eines Überblickes über seine Zusammensetzung und die Besetzungspolitik, ohne dass jedoch ausführlicher auf die Zeit nach 1643, das Verhältnis der Amtsträger zur Königin sowie deren aktive Einflussnahme eingegangen wird (Da Vinha)103 . Ansonsten liegen inzwischen erste Betrachtungen speziell zu Anna von Österreichs Amtsträgerinnen und weiterführende Studien zu ihrem Haushalt vor (Chichkine, Mallick)104 . Ein etwas genauerer Blick wurde ebenfalls auf 2002; Heide W (Hg.), Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht, Berlin 2002; Natalie Z-D, Frauen, Politik und Macht, in: Georges D, Michelle P (Hg), Geschichte der Frauen, Bd. 3: Frühe Neuzeit, hg. v. Arlette F, Natalie Z-D, Frankfurt a.M., New York, Paris 1994, S. 189–206;  K, Catherine de Médicis, S. 33f. 100 Nathalie B, L’iconographie des appartements des reines de France: de Marie de Médicis à Anne d’Autriche (1600–1666), 2 Bde., Diss. Universität Bordeaux 3 (2007); LisaAnne R, The Artistic Patronage of Anne of Austria (1601–1666): Image-Making at the French Court, Diss. Universität New York (2000). 101 Jeroen D, Vienna and Versailles. The Courts of Europe’s Dynastic Rivals, 1550– 1780, Cambridge 2003; Caroline  K, The Household of the Queen of France in the Sixteenth Century, in: The Court Historian 14/1 (2009), S. 3–22; Jan H, Werner P (Hg.), Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Stuttgart 2000. Siehe aber auch Jacqueline B, L’évolution de la maison du roi: des derniers Valois aux premiers Bourbons, in: Dix-septième siècle 34/4 (1982), S. 359–379; Mathieu D V, Les valets de chambre de Louis XIV, Paris 2004. 102 Sharon K, Household Appointments and Dismissals at the Court of Louis XIII, in: French History 21/3 (2007), S. 269–288; D., Strategies of Power, S. 177–200. 103 Mathieu D V, La maison d’Anne d’Autriche, in: G (Hg.), Anne d’Autriche, S. 155–185. 104 Vladimir C, La cour féminine d’Anne d’Autriche dans la lutte politique en France dans les années 1630–1640, in: Idéologie et politique dans l’histoire antique et médiévale, Barnaoul 1995, S. 132–141 [auf Russisch]; Oliver M, Clients

1.2 Forschungsstand

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den gesellschaftlichen Hintergrund ihrer Hofdamen und Ehrenfräulein gelegt (Kleinman)105 . Abgesehen von einer auf der Korrespondenz der Königin beruhenden Betrachtung zu ihrer Freundschaftspolitik (Mallick) fehlt es auch in diesem Bereich an weiterführenden Untersuchungen zu den Freundschaftsbeziehungen von Anna von Österreich und der Bedeutung eines entsprechenden Diskurses106 . Zwar hat das Interesse an der frühneuzeitlichen Freundschaftsthematik zugenommen; so liegt etwa eine erste umfassendere und grundsätzliche Studie zur Adelsfreundschaft am französischen Hof vor (Kühner)107 . Aber dennoch wird das Thema Freundschaft gerade in Bezug auf die Fürsten oftmals kaum oder gar nicht als Bestandteil des jeweiligen Patronagesystems ausgewiesen und berücksichtigt108 . Das ist umso überraschender, als auch für adlige Frauen und Fürstinnen keineswegs eine deutliche Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre vorlag, sodass sie oft kraft ihres Ranges über (politische) Einflussmöglichkeiten verfügten, was in der Forschung mittlerweile allerdings mehr anerkannt wird109 . Matthias Schnettger hat darum völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die Frauen- bzw. Geschlechterforschung geholfen habe, die Bedeutung weiblicher Patronage am Hofe deutlicher herauszustellen; denn außer adligen Frauen haben auch andere weibliche Mitglieder der Königshäuser Klientelnetze aufgebaut und sind oft als Mittlerinnen in Erscheinung getreten, indem sie für Angehörige, Klienten, Freunde oder andere Personen den Zugang zum Hof ermöglichten und den Kontakt zu hohen Staatsdienern, Amtsträgern oder Mitgliedern der königlichen Familie, bis hin zum König selbst, herstellten und um Gunstbeweise ersuchten110 . Und so

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and Friends: The Ladies-in-Waiting at the Court of Anne of Austria (1615–1666), in: A, H (Hg.), The Politics of Female Households, S. 231–264. Ruth K, Social Dynamics at the French Court: The Household of Anne of Austria, in: French Historical Studies 16/3 (1990), S. 517–535. Oliver M, Gönnerin oder Freundin? Anna von Österreich im Spiegel ihrer Korrespondenz, in: discussions 8 (2013), URL: http://www.perspectivia.net/content/ publikationen/discussions/8-2013/mallick_freundin/?searchterm=Oliver Mallick [abgerufen: 15.06.2015]. Vgl. auch allgemein dazu Eva L (Hg.), Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte weiblicher Kommunikation, Köln, Weimar, Wien 2009. Christian K, Politische Freundschaft bei Hofe. Repräsentation und Praxis einer sozialen Beziehung im französischen Adel des 17. Jahrhunderts, Göttingen 2013. Siehe etwa Mark G, Noble Affinities in Early Modern France: The Case of Henri I de Montmorency, Constable of France, in: European History Quarterly 16/3 (1986), S. 275–311. Zwar merkt K, Politische Freundschaft, S. 17, an, dass Freundschaft oft nur als Randerscheinung der Patronage betrachtet wird. Gleichwohl widmet auch er sich der fürstlichen Freundschaft nur kurz und eher oberflächlich (ibid., S. 122– 126). K, Hofdamen, S. 10f. Vgl. dazu D, Petrarkistischer Diskurs, S. 215; K, Politische Freundschaft, S. 67f., 74. Linda Levy P, Court Patronage and Corruption in Early Stuart England, London

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1. Einleitung

wie der König als oberster Patron agierte, galt dies konsequenterweise auch für Königinnen. Sie haben nämlich entweder indirekt, etwa aufgrund ihrer Nähe zur Macht als Königsgemahlin bzw. als Mitglied der königlichen Familie, oder direkt, etwa aufgrund der Machtausübung als regierende Königin oder Regentin, Patronage betrieben – und das eben nicht nur auf kulturellkünstlerischer Ebene, sondern durch die gezielte Förderung von Klienten111 . Adlige Frauen nahmen auf diese Weise als Patroninnen und Mittlerinnen ihrerseits eine essentielle Funktion ein. Gerade hieran offenbart sich einmal mehr, dass Patronage von geschlechtsunspezifischen Aspekten charakterisiert war, wenn es um ihre praktische Ausübung ging, weil Männer und Frauen hierbei in vergleichbarer Weise agierten.

1.3 Quellenlage Die Quellenlage für den Untersuchungsgegenstand ist äußerst ergiebig. Gleichwohl wurden die zeitgenössischen Quellen in Bezug auf Anna von Österreich – abgesehen von einigen immer wieder gern zitierten Standardaussagen, etwa aus den Memoiren von Mme de Motteville oder von Kardinal de Retz – bisher nur unzureichend ausgewertet. Im Folgenden sollen deshalb drei wesentliche Quellengruppen auf ihre Bedeutung und Eignung für die vorliegende Untersuchung hin betrachtet werden. Als erstes seien die Ego-Dokumente angeführt, etwa Briefe. Hierbei geht es aber nicht nur um den gut dokumentierten Briefwechsel der Minister wie Richelieu, Mazarin oder Colbert, sondern es wurden auch alle Briefe von Amtsträgern der Königin herangezogen, soweit diese ausfindig gemacht werden konnten. Obwohl deren Zahl teilweise sehr gering ausfällt, überzeugen sie inhaltlich vor allem in Bezug auf die Beziehungen der Amtsträger untereinander oder zu hochgestellten Vertretern der Regierung. Bei der Korrespondenz der Königin stellt sich die Lage etwas differenzierter dar. Auch wenn ihr Briefwechsel mit Mazarin schon seit jeher einer genaueren Prüfung unterzogen und im Zusammenhang ihrer Beziehung zueinander ausgewertet worden ist, fehlt bislang eine vergleichbare Betrachtung für ihren darüber hinausgehenden Schriftverkehr112 . Daher wurden hier zum ersten Mal alle erhaltenen Briefe von Anna von Österreich, die ausfindig gemacht werden konnten, eingesehen und ausgewertet. Abgesehen von den Briefen an Mazarin sind nämlich viele ihrer Briefe bisher unveröffentlicht geblieben oder

111 112

1990, S. 40; S, Weibliche Herrschaft, Absätze 29–33. Siehe auch K, Frauen und Politik, Absätze 8–13. Siehe K, Frauen und Politik, Absätze 16–19, 26. Claude D, Les signes cryptiques dans la correspondance d’Anne d’Autriche avec Mazarin, contribution à l’emblématique du XVIIe siècle, in: Bibliothèque de l’École des chartes 140/1 (1982), S. 61–83.

1.3 Quellenlage

33

wurden noch nie im konkreten Kontext ihrer Patronage analysiert. Das hat vor allem zwei Ursachen. Zum einen sind die Briefe auf verschiedene Bestände in der Pariser Nationalbibliothek sowie in den Nationalarchiven von London und Wien verteilt und lassen eine Einsicht offensichtlich vielfach mühsam erscheinen. Zum anderen ist die Anzahl der Briefe, verglichen mit der erhaltenen Korrespondenz etwa von Katharina von Medici oder Marie-Antoinette, äußerst gering; schätzungsweise existieren lediglich mehrere Dutzend Briefe, von denen die meisten als Kopien oder vorgefertigte Schreiben vorliegen, die lediglich die Signatur der Königin tragen; handschriftliche Briefe der Königin bilden hingegen die große Ausnahme113 . Die erhaltenen Briefe lassen sich im Wesentlichen in drei Gruppen einteilen. Bei einem Großteil handelt es sich um Begleitschreiben zu Anordnungen oder Instruktionen, die Ludwig XIV. während der Regentschaft an Geistliche, Provinzgouverneure oder militärische Befehlshaber geschickt hat. Auf diese Weise wurden diese Befehle zwar de jure auf den jungen Monarchen zurückgeführt, während sie aber de facto durch Anna von Österreichs Machtposition als Regentin gestützt und abgesichert worden sind. Denn abgesehen von einigen ergänzenden Erläuterungen, Hinweisen oder Ermahnungen seitens der Königin gleichen ihre Begleitschreiben in Bezug auf den Wortlaut völlig den Briefen des Königs. Trotzdem sind diese Schriftstücke für die vorliegende Untersuchung fast komplett irrelevant, da sich der Inhalt primär auf die Provinz- oder Militärpolitik bezieht. Weitaus aufschlussreicher sind hingegen die Briefe der Königin an Höflinge, Staatsdiener, Adlige oder Geistliche, in denen Anliegen ihrer Klienten im Vordergrund stehen, sowie ihr Briefwechsel mit anderen Monarchen zum Ausbau und zur Festigung der jeweiligen bilateralen Beziehungen. Gerade die umfassendere Auswertung dieser beiden letztgenannten Gruppen erlaubt eine bessere Einsicht in die Art der Patronage der Königin und die dabei verwendete (Freundschafts-)Rhetorik, die ebenfalls noch immer zu wenig Beachtung findet114 . Neben den Briefen sind in diesem Zusammenhang noch Memoiren, Tagebücher sowie Reise- und Gesandtschaftsberichte anzusehen, die weitere Hintergrundinformationen zu den verschiedenen Bereichen der Patronage der Königin liefern. Der Vorteil dieser Dokumente liegt nicht zuletzt darin, dass sie ihrerseits dazu beitragen können, bestimmte Fragestellungen besser ein113

114

Vgl. etwa [A  Ö], Lettres inédites d’Anne d’Autriche conservées à la Bibliothèque nationale de Russie à Saint-Pétersbourg, hg. v. Vladimir C, in: Srednie veka 60 (1997), S. 426–431. Siehe Ronald G. A, Freundschaft und Patronage zwischen alteuropäischer Tradition und Moderne: Frühneuzeitliche Fragestellungen und Befunde, in: Bernadette D, Eric A. H, Caroline K (Hg.), Varieties of Friendship. Interdisciplinary Perspectives on Social Relationships, Göttingen 2011, S. 265–286, hier S. 274; Reinhard B, Rhetorik und empirische Kulturwissenschaft, in: Heinrich F. P (Hg.), Rhetorik. Kritische Positionen zum Stand der Forschung, München 1977, S. 187–203, hier S. 191. Vgl. auch N, Word of Honor, S. X.

34

1. Einleitung

zugrenzen, Widersprüche aufzudecken, überkommene Annahmen zu stützen oder gänzlich in Frage zu stellen. Eine weitere Quellengruppe stellen die Hofstaatslisten dar, also Personalund Gehaltslisten. Die 1912 von Eugène Griselle basierend auf Manuskripten veröffentlichte Kompilation stellt hierbei eine Gesamtschau der Amtsträger dar, die zwischen 1615 und 1665 im Haushalt von Anna von Österreich gedient haben115 . Allerdings muss beachtet werden, dass diese Aufstellung unvollständig ist, weil nicht alle Chargen verzeichnet und auch einige Namensangaben ungenau oder falsch sind116 . Für ein vollständigeres Bild müssen daher weitere Listen herangezogen werden, die als Manuskript oder in gedruckter Form vorliegen. Zusammen mit einigen erhaltenen Rechnungsbüchern und vereinzelten Ausgabenbelegen bilden sie vor allem für die Patronage am Hofe eine wichtige Grundlage. Denn obwohl diese Dokumente im Fall von Anna von Österreich nur lückenhaft überliefert sind, erlauben sie immer noch genügend Rückschlüsse, um das Bild über ihren Hof und ihre Amtsträger weiter zu vervollständigen. Mit ihnen lässt sich zumindest ein ungefähres Bild vom Umfang, der Zusammensetzung und den Gehaltsstrukturen im Haushalt der Königin zeichnen. Dies ist für ihre Patronage insofern von Bedeutung, als damit geprüft werden kann, in welchem Maße etwa Gratifikations- und Pensionszahlungen eine Rolle spielten und ob es mit der Übernahme der Regentschaft zu spürbaren Änderungen in ihrem Haushalt und am Hofe kam. Die letzte große Quellengruppe bilden schließlich normative Schriften, beispielsweise rechtstheoretische, (moral-)philosophische und religionsspezifische Abhandlungen wie auch literarische Werke. Darüber hinaus wird ein besonderes Augenmerk auf eine äußerst wichtige Quellenform gelegt, die noch immer viel zu selten in historischen Studien zum 17. Jahrhundert herangezogen wird, nämlich die zeitgenössischen Zeitungen, wie die »Gazette de France«, der »Mercure galant«, die »Muze historique«, die »Muze royale« oder die »Muse de la cour«, die aufgrund der häufigen Berichterstattung über alltägliche Handlungen und Wohltaten der Königin sehr aufschlussreich sind. Als nicht minder bedeutsam erweisen sich auch die Leichenpredigten auf die Königin, von denen eine große Zahl erhalten ist und die, bei genauerer Prüfung, mitunter über den üblichen Kanon posthumer Elogen hinausgehen, indem sie an Anna von Österreich die Idealvorstellungen einer tugendhaften Frau, Mutter und Witwe im Allgemeinen und einer vollkommenen Königin im Besonderen aufzeigen, zugleich aber auch konkrete Rückschlüsse auf die

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116

Eugène G (Hg.), État de la maison du roi Louis XIII; de celles de sa mère, Marie de Médicis; de ses sœurs, Chrestienne, Élisabeth et Henriette de France; de son frère, Gaston d’Orléans; de sa femme, Anne d’Autriche; de ses fils, le dauphin (Louis XIV) et Philippe d’Orléans, Paris 1912, S. V–VII. K, Social Dynamics, S. 523, 526.

1.3 Quellenlage

35

Wohltätigkeit, die Freundschaftsbeziehungen und die politischen Leistungen der Königin erlauben. Zu den wichtigsten Archiven und Bibliotheken, in denen die genannten Quellengruppen ausfindig gemacht werden konnten, zählen primär die Archives nationales und die Bibliothèque nationale in Paris (Briefwechsel, Hofstaatslisten, Druckschriften, Zeitungen, Leichenpredigten), das Archiv des Außenministeriums in La Courneuve sowie das Schlossarchiv von Chantilly (Briefwechsel); besondere Erwähnung sollen außerdem das Nationalarchiv in London und das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien finden, weil beide Institutionen jeweils über Quellensammlungen (Briefwechsel, Instruktionen für Botschafter) verfügen, die für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand insgesamt, aber speziell auch für die (freundschaftlichen) Beziehungen zu anderen Höfen und Fürsten bedeutsam sind117 . Die Vielfalt des vorhandenen Materials erlaubt es somit, sich der Patronagepolitik von Anna von Österreich aus mehreren Blickwinkeln zuzuwenden, verschiedene Aspekte zu berücksichtigen und den unterschiedlichen Ausformungen ihrer Patronage und der Komplexität des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes Rechnung zu tragen. Gleichwohl ergibt sich bezüglich der drei Teile der Arbeit bisweilen eine unterschiedliche Wertigkeit, was das Verhältnis der einzelnen Quellensorten untereinander betrifft. Für den ersten Teil der Arbeit über die Inszenierung der Königin spielen zunächst einmal normative Quellen in Bezug auf die grundsätzliche Sicht zur Stellung der Frau sowie zur Rolle einer Königin und Regentin eine wesentliche Rolle. Für die Inszenierung selbst erweisen sich neben literarischen Werken vor allem zeitgenössische Beschreibungen, etwa der königlichen Residenzen, Elogen und Leichenpredigten auf Anna von Österreich als nützlich. Zusätzlich untermauern lassen sich die Befunde mitunter durch Gesandtschaftsberichte und vereinzelte Briefe. Im zweiten Teil über den Hof nehmen zwangsläufig die Hofstaatslisten, aber eben auch die Briefe der Königin eine wichtige Stellung ein, weil sie nicht nur Auskunft über den Rang, sondern auch über die Gunst einzelner Amtsträger und Höflinge geben. Mit anderen Worten: Diese Dokumente ermöglichen eine eingehendere Betrachtung der königlichen Klientelpolitik und ihrer Förderungspraxis. Für den dritten Teil über die Freundschaftsbeziehungen der Königin als Teil ihres Patronagenetzwerkes erweisen sich ihre Briefe erneut als besonders aufschlussreich, denn die Rhetorik ihrer Korrespondenz war stets ein wichtiger Indikator, sei es auf offizieller Ebene für Frankreichs Verhältnis zu anderen Staaten oder zwischen Anna von Österreich und hohen adligen sowie geistlichen Würdenträgern, sei es auf inoffizieller Ebene zwischen der Königin und

117

Eine Auflistung aller konsultierten Archive und Bibliotheken und der dafür jeweils verwendeten Abkürzungen findet sich im Abkürzungsverzeichnis.

36

1. Einleitung

persönlichen Klienten-Freunden in ihrem Haushalt, am Hofe oder aus dem gesellschaftlichen und religiösen Umfeld des Hofes. Aufschlussreich für alle behandelten Themenkomplexe sind jedoch grundsätzlich auch die Memoiren, Tagebücher und Berichte zahlreicher Zeitgenossen sowie die Zeitungen, denn sie decken, wenn auch in unterschiedlichem Maße, zumeist den gesamten Untersuchungszeitraum ab und erlauben unterschiedliche Perspektiven und Einblicke in Anna von Österreichs Lebenswirklichkeit.

1.4 Begrifflich-methodischer Ansatz Die unterschiedlichen Ausformungen von Anna von Österreichs Patronagepolitik machen einen besonderen Ansatz erforderlich. Dabei ist es wichtig, sich den bedeutsamen Stellenwert der Patronage im Untersuchungszeitraum zu vergegenwärtigen. Es handelte sich um einen elementaren Bestandteil der frühneuzeitlichen Gesellschaft118 . Birgit Emich beschreibt Patronage daher »als eine Form sozialer Beziehungen, die auf Gabentausch beruhte und deren Leistung insbesondere im Aufbau vertrauensvoller Bindungen lag« und »ein die gesamte Gesellschaft umfassendes Phänomen gewesen zu sein« schien119 . Sharon Kettering, die sich in zahlreichen Studien insbesondere mit der Patronage in Frankreich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auseinandergesetzt hat, definiert ein Patron-Klient-Verhältnis wiederum so: Clientage was the loyal service that a client owed in exchange, sometimes disguised as voluntary assistance. [. . . ] [This] exchange created a personal relationship that might or might not develop into the emotional bond of loyalty [. . . ]. The obligatory reciprocity of the exchange created a personal bond in which the loyalty implicit in service and patronage was based on mutual interest. Over the time this personal tie might deepen into an emotional bond, but that did not happen in every relationship. [. . . ] A client declared his loyalty, affection, respect and esteem, and desire to render zealous and obedient service, and humbly requested a patron’s friendship and protection. A patron in turn assured a client of his esteem and protection, gratitude for services and intention to reward them generously120 .

Patronage erscheint folglich als eine interpersonale Beziehung formellen oder informellen Charakters, bei der eine Partei etwa Schutz gewährt, während die andere Treue leistet121 . Die Grundlage der Beziehung waren demnach die zur 118 119 120

121

Sharon K, Patronage and Politics during the Fronde, in: French Historical Studies 14/3 (1986), S. 409–441, hier S. 409; P, Court Patronage, S. 12–29. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 263. Zur großen Bedeutung des Gabentausches vgl. auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 103–203. K, Gift-Giving, S. 132f. Siehe auch Wolfgang R, Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie von Patronage-Klientel-Beziehungen, in: Freiburger Universitätsblätter 139 (1998), S. 127–141, hier S. 136, 141. Siehe Rolf P, Beiträge zur Theorie von Patronage und Klientel, Diss. Universität Graz (1972), passim. Vgl. auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 154, 188.

1.4 Begrifflich-methodischer Ansatz

37

Verfügung stehenden bzw. zur Verfügung gestellten Ressourcen, die zumeist auf Einfluss, Macht, Geld oder Kontakten beruhten122 . Die Differenzierung zwischen formell und informell sei hier verstanden als die Unterscheidung zwischen einer offiziellen, durch eine eidliche Verpflichtung eingegangenen Bindung (formell), wie beim Antritt einer Charge im Haushalt der Königin, und einer losen Bindung im eher stummen Einvernehmen zu gegenseitigen Verpflichtungen (informell), wie etwa bei der Ausübung von Mittlerfunktionen123 , beim Erweisen einer Gefälligkeit oder bei der gezielten Unterstützung, beispielsweise im Rahmen einer künstlerischen Patronage. Gleichwohl konnte aus einer informellen Patronage durchaus eine stabile Patron-Klient-Verbindung hervorgehen, die ebenfalls auf einem konkreten Treue- und Abhängigkeitsverhältnis beruhte124 . In jedem Fall, wie Sharon Kettering anmerkt, war Patronage eine Form der Machtausübung, weil die Klienten durch die Aussicht auf Geld, Titel oder sonstige Unterstützung zu Gehorsam und Dienst animiert wurden, bei Ungehorsam aber mit einer Bestrafung rechnen mussten, die im schlimmsten Fall das Ende der Beziehung zum Patron bedeutete125 . Obwohl eine solche Patron-Klient-Beziehung formal-juristisch nicht institutionalisiert war und daher auf ungeschriebenen Normen beruhte, die diese Beziehung definierten und stützten, war sie de facto sehr wohl ritualisiert126 . Diese Ritualisierung bestand zum einen in den besagten gegenseitigen Verpflichtungen, denen sich keine Seite ohne Weiteres zu entziehen vermochte: Der Patron hatte Schutz und Hilfe zu gewähren sowie treue Dienste zu belohnen, während der Klient seinerseits zu Loyalität angehalten war, unter Umständen aber auch selbst mit eigenen Kontaktnetzen seinem Patron zusätzliche Unterstützung zukommen lassen konnte127 . Zum anderen war es üblich, diese Beziehung durch schriftliche und/oder mündliche Treuebekundungen sowie durch Gaben zu pflegen und aufrechtzuerhalten128 . Der

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K, Patronage and Politics, S. 410, 430–433. Siehe auch Jeanice B, Courtly Song in Late Sixteenth-Century France, Chicago, London 2000, S. 115, die von einem »social contract as well as an economic one« spricht. Zur Bedeutung von Mittlern siehe K, Patrons, Brokers, and Clients, S. 14. Siehe dazu Verena B-T, The Patronage System – Theoretical Remarks, Basel 1976, S. 7f.; Shmuel N. E, Louis R, Patron-Client Relations as a Model of Structuring Social Exchange, in: Comparative Studies in Society and History 22/1 (1980), S. 42–77, hier S. 49f. K, Patronage and Politics, S. 411. Siehe D, Petrarkistischer Diskurs, S. 145. Siehe auch D, Patronage in der Frühen Neuzeit, S. 579. Vgl. etwa Pierre L M, De l’art de régner, Paris 1665, Teil 3, S. 499f., wo es darum geht, »[q]ue le Seruice et le Merité doiuent auoir la premiere part aux Bienfaits du Prince«. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 154, 183–200, 209–211; E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 241–243. Vgl. auch Barbara S-

38

1. Einleitung

Treuefaktor stellte dabei ohne Zweifel die wichtigste Komponente dar129 . Aus diesem Grund konnte Misstrauen – meist von Seiten des Patrons – den Abbruch der Beziehung und damit das Ende des Patron-Klient-Verhältnisses rechtfertigen. Erst eine anhaltende und wenn möglich offen demonstrierte Loyalität des Klienten machte diesen für (s)einen Patron vertrauenswürdig130 . Allerdings implizierte dies von Seiten des Klienten stets die Erwartungshaltung, dass Treue und Gehorsam von seinem Patron in Form von Geld, Posten oder sonstigen Gefälligkeiten sowie mit Unterstützung bei einem etwaigen gesellschaftlichen Aufstieg vergolten würden131 . Der Faktor der Gegenseitigkeit (réciprocité) war demnach ausschlaggebend für das dauerhafte Funktionieren eines solchen Beziehungsgeflechts132 . Zudem barg das Erfüllen der Verpflichtungen einen weiteren großen Vorteil in sich: Kam ein Patron den Erwartungen, die an ihn gestellt wurden, nach, war er auch für andere potentielle Klienten attraktiv; umgekehrt war ein Klient, der sich durch Treue auszeichnete, für andere als Mittler interessant, die den Kontakt zu dessen Patron suchten, sodass sich für den jeweiligen Klienten die Möglichkeit ergab, weitere Gewinne einzustreichen und seine eigenen Kontaktnetze auszubauen133 . Dadurch konnte der Klient gegenüber seinem Patron zusätzlich an Bedeutung gewinnen und dessen Interesse, diesen Klienten zu halten und sich seiner Kontakte zu bedienen, nachhaltig steigern. Da es sich bei der Patronage gleichwohl um ein weite Teile der frühneuzeitlichen Gesellschaft durchdringendes Konzept handelte, muss diesem Umstand besonders Rechnung getragen werden. Zunächst gilt es, auf begrifflicher Ebene einen gewissen Abstand zwischen Patronage und Mäzenatentum zu wahren, auch wenn der Übergang von einem zum anderen mitunter recht fließend sein konnte134 . Der Begriff »Mäzenatentum« sollte dennoch nicht unbedacht und zu pauschal verwendet werden wie etwa bei Alain Mérot135 . Dies umso mehr, wenn jemand als Mäzen verstanden wird (wie es auch hier geschieht), der Künstler und Literaten zwar auch aus dem Grund förderte,

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R, Zur moralischen Ökonomie des Schenkens bei Hof (17.–18. Jahrhundert), in: P (Hg.), Luxus und Integration, S. 188–202; Natalie Z-D, The Gift in Sixteenth-Century France, London 2000, passim. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 144f., 188; K, The Patronage Power, S. 841. Siehe auch E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 260, 263. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 242. Jean-Pierre G, Domestiques et serviteurs dans la France d’Ancien Régime, Paris 1981, S. 17f. Siehe dazu D, Petrarkistischer Diskurs, S. 145, 154, 194, 196, 198, 205, 209f.; H, The Language of Fidelity, S. 20; J, (Art.)»Clientèles«, S. 268. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 154, 186f., 209f. Christian J, Hélène M, Mécènes, patrons et clients. Les médiations textuelles comme pratiques clientélaires au XVIIe siècle, in: Terrain 21 (1993), S. 47–62. Alain M, Anne d’Autriche et les arts, in: G (Hg.), Anne d’Autriche, S. 243–263, hier S. 243.

1.4 Begrifflich-methodischer Ansatz

39

weil sie ihm durch eine Form der Dankesschuld verpflichtet waren und ihm durch ihre Werke huldigen sollten; dem es aber primär um das Prinzip »ars gratia artis« ging, zu dem er mit der Förderung der Künste einen langfristigen kulturellen Beitrag zu leisten versuchte136 . Dies entsprach auch weitaus mehr dem damaligen Verständnis von Mäzenatentum und Patronage: Ein Mäzen galt, ganz nach antikem Vorbild, vor allem als Förderer von Literaten137 . Im Gegensatz dazu wurde in Bezug auf die Förderung von Kunst und Architektur sowie hinsichtlich der gesellschaftlichen Verpflichtungen gegenüber Angehörigen oder Klienten der Patronagebegriff verwendet138 . In Anbetracht der Tatsache, dass sich der vorliegende Untersuchungsgegenstand unterschiedlichen Formen der Patronage – Inszenierung, Hof, Freundschaft – am Beispiel von Anna von Österreich widmet, scheint, wie es auch in Sharon Ketterings zitierter Definition anklingt, eine zu enge Eingrenzung des begrifflichen, aber auch des methodischen Rahmens unangemessen; verhindert diese doch die gewünschte umfassendere Betrachtung. Aus diesem Grund ist beispielsweise die Netzwerkanalyse als methodischer Ansatz ungeeignet. Zwar kann sie, basierend auf empirischen Erkenntnissen, bei der Betrachtung sozialer Interaktion zwischen Personen und Personengruppen helfen, den Grad und den Umfang dieser Interaktion zu definieren und zu veranschaulichen. Im vorliegenden Kontext bietet sie sich jedoch nicht an, weil ihre Anwendung auf das »immer nur fragmentarisch[e] Datenmaterial nur die Illusion von Pseudogenauigkeit erzeugen würde«139 . Zum anderen geht es konkret um die Patronage von Anna von Österreich, das heißt, ihre Verbindungen zu den (exemplarisch) aufgeführten Personen sind ohnehin evident. Des Weiteren ist es aufgrund der unterschiedlichen Aussagekraft des vorhandenen Quellenmaterials nicht immer möglich, eine genaue Einschätzung über die Qualität und Intensität einzelner Nahbeziehungen zwischen der Königin und ihren Klienten-Freunden zu treffen, sodass sich die Netzwerkanalyse auch in dieser Hinsicht als wenig zielführend erweist; stattdessen lohnt es sich mehr, einzelne Fallbeispiele in den Fokus zu rücken. Dementsprechend bietet sich als Ansatz eine Methodik an, die auf die Vielfältigkeit der Patronage der Königin in den verschiedenen Bereichen so136 137

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139

Lucien B, (Art.) »Mécénat«, in: D. (Hg.), Dictionnaire de l’Ancien Régime, S. 809. Vgl. auch F, Dictionnaire, Bd. 2, S. 226, (Art.) »Mecenas«. Ibid.: »Nom propre d’un Chevalier Romain [. . . ] qui aimoit les gens de lettres, & qui leur faisoit du bien, sur tout aux Poëtes. On s’est servi depuis de ce nom pour honorer tous les grands Seigneurs qui favorisent les sciences, & les Auteurs, & qui les protegent«. Dietrich E, (Art.) »Mäzen«, in: Friedrich J (Hg.), Enzyklopädie der Neuzeit, 16 Bde., Stuttgart 2005–2012, Bd. 8, Sp. 182. Gerade bei der Patronage im Kultursektor handelte es sich nämlich oft um Auftragsarbeiten, die vertraglich geregelt waren, und eine langfristige Unterstützung des ausführenden Künstlers, etwa in Form einer Pension, keineswegs voraussetzten, sondern, wenn überhaupt, eher Resultat einer wiederholten Beschäftigung und damit Anerkennung der bisherigen Leistungen sein konnten. R, Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie, S. 130. Siehe auch K, Politische Freundschaft, S. 66.

40

1. Einleitung

zialer Nahbeziehungen Anwendung finden kann und somit unterschiedliche historische Perspektiven wie Politik-, Hof-, Kultur- und Frauengeschichte in sich zu vereinen vermag140 . Dabei wird von vielen die Bedeutung der Patronage als gesamtgesellschaftliches Phänomen anerkannt. Heiko Droste spricht von ihr als »Kulturform wie soziale Institution«141 , Katrin Keller bezeichnet sie als »sozial und kulturell akzeptierte Möglichkeit der Umsetzung von Eigeninteressen über umfassende soziale Beziehungen«142 . Und genau das impliziert nun wiederum die Vermischung mit anderen Formen sozialer Interaktion und Beziehungstypen. So weisen einige Historiker wie etwa Sharon Kettering, Wolfgang Reinhard, Hillard von Thiessen oder Francis Wooten, ausdrücklich auf die fließenden Übergänge zwischen Verwandtschafts-, Freundschafts- und Patronagebeziehungen hin143 . Auch Robert Harding unterscheidet zwar zwischen militärischer, politischer und häuslicher Patronage, betont aber, dass diese Formen trotzdem stets dem gleichen Grundschema von Hilfe und Unterstützung folgten144 . All diese »Beziehungstypen [stellen] keine sich gegenseitig ausschließenden Möglichkeiten dar, sondern überlagern und durchdringen sich im Einzelfall«145 . Infolgedessen waren die Kontakt- und Beziehungsgeflechte der Königin gegenüber Künstlern, die sie gezielt für ihre Propaganda und Selbstinszenierung einsetzte, gegenüber Höflingen und Amtsträgern in ihrem Haushalt ebenso wie gegenüber (hohen) Repräsentanten aus den Bereichen Kirche, Heer, Staatsdienst und Justiz, die sich ihrerseits als wichtige Exekutivorgane und Mittler königlicher Interessen und unter Umständen gar als Vertraute erweisen konnten, von großer Bedeutung beim Ausbau von Macht- und Einflusssphären. Darüber hinaus waren aber auch Nahbeziehungen wie Verwandtschaft und besonders Freundschaft von typischen

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Vgl. auch Ute F, Frauengeschichte – Männergeschichte – Geschlechtergeschichte, in: Lynn B u. a. (Hg.), Feministische Perspektiven in der Wissenschaft, Zürich 1993, S. 23–40, hier S. 27. D, Patronage in der Frühen Neuzeit, S. 557. K, Hofdamen, S. 180. Sharon K, Friendship and Clientage in Early Modern France, in: French History 6/2 (1992), S. 139–158, hier S. 141; R, Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie, S. 127–141, bes. S. 128, 133f.; Hillard von T, (Art.) »Klientel«, in: J (Hg.), Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6, Sp. 780–786, hier Sp. 782; David W, Francis Bacon: Your Flexible Friend, in: Laurence W. B. B, John H. E (Hg.), The World of the Favourite, London, New Haven 1999, S. 184–204, hier S. 188. Siehe auch H, The Language of Fidelity, S. 9f.; K, Politische Freundschaft, S. 133. Robert R. H, Anatomy of a Power Elite. The Provincial Governors of Early Modern France, London, New Haven 1978, S. 21, 36. Wolfgang R, Freunde und Kreaturen. »Verflechtung« als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600, München 1979, S. 40. Siehe auch ibid., S. 60; K, Hofdamen, S. 180f.

1.4 Begrifflich-methodischer Ansatz

41

Charakteristika der Patronage geprägt146 . Peter Burke hat daher zu Recht angemerkt, dass Freundschaft in der Frühen Neuzeit zwar von einer emotionalen Komponente getragen sein konnte, diese aber – im Gegensatz zu späteren Epochen – keineswegs losgelöst von anderen Formen der Nahbeziehung zu betrachten sei, weil der Freundschaftsbegriff nicht nur Anwendung im Kontext verwandtschaftlicher Beziehungen fand, sondern auch im Bereich der Patronage147 . Dies wird zusätzlich durch die Freundschaftsrhetorik in den zwischen Patronen und Klienten ebenso wie durch die zwischen Verwandten ausgetauschten Briefen deutlich belegt, denn die »soziale Institution Patronage [. . . ] kam praktisch nicht isoliert vor, weil kaum jemand nur Patron oder Klient war. Man hatte verschiedene Rollen zu spielen, die zudem ineinander überzugehen pflegten und nicht immer miteinander zu harmonisieren waren«148 . Es war üblich, Klienten wie auch (entfernten) Angehörigen Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, sofern jemand über ausreichende Ressourcen verfügte oder sie aufgrund seiner Beziehungen zu einem einflussreichen Patron direkt oder zumindest indirekt über Mittler abrufen konnte149 . Das galt im gleichen Maße für Freundschaften, zumal sie in noch größerem Umfang Bestandteil einer Patron-Klient-Beziehung waren150 . Oftmals konnten Freundschaften aus einem anfänglich reinen Patron-Klient-Verhältnis hervorgehen, wie Ursula Nötzoldt-Linden resümiert: Das Vorherrschen starrer Traditionen und Ordnungsschemata erübrigte freie Wahlbeziehungen in weiten Bevölkerungsteilen. [. . . ] Freundschaftsverständnis und Freundschaftsform stehen in unmittelbarer Wechselwirkung mit Art und Grad gesellschaftlicher Komplexität und Differenzierung. [. . . ] Jede Epoche ruft die Freundschaftsausprägungen hervor, die ihren sozialen Erfordernissen am ehesten entsprechen151 .

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150

151

Siehe auch W, Francis Bacon, S. 184–204. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 188. Peter B, Humanism and Friendship in Sixteenth-Century Europe, in: Julian H (Hg.), Friendship in Medieval Europe, Stroud 1999, S. 262–274, bes. S. 263. Siehe auch H, The Language of Fidelity, S. 22. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 253. Siehe auch ibid., S. 248. Vgl. etwa Armand-Jean du Plessis, duc de R, Mémoires du cardinal de Richelieu, hg. v. Charles-Prosper-Maurice H  B u. a., 10 Bde., Paris 1908– 1931, Bd. 3, S. 190: »[Le duc de Luynes] n’avoit qu’une seule vertu qu’on puisse opposer à toutes ses mauvaises qualités, c’est qu’il fit du bien à tous ses parents et à tous ses serviteurs, estimant une partie de ses richesses consister en celles de ceux qui lui appartenoient«. Charles d’Albert, Duc de Luynes, war ein Favorit Ludwigs XIII. A, Freundschaft und Patronage, S. 265–286, bes. S. 272f.; Jan H, Zur theoretischen Konstruktion der Figur des Günstlings, in: D., Werner P (Hg.), Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, Ostfildern 2004, S. 23–39, hier S. 33. Vgl. Gerhard V, Verwandtschaft, Freundschaft und die Gesellschaft der Fremden. Grundlagen menschlichen Zusammenlebens, Darmstadt 1995. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 188. Ursula N-L, Freundschaftsbeziehungen versus Familienbeziehungen.

42

1. Einleitung

Das ist eine völlig zutreffende Einschätzung. Freundschaft unterlag gerade im 17. Jahrhundert nicht immer einer »rein subjektiven Wahl bzw. Kontrolle« und war darum nicht völlig »losgelöst vom komplexen Einflussbereich sozialer und ökonomischer Felder«152 . Freundschaften und mit ihnen jegliche affektive Bindung spielten eine wichtige Rolle im Patronagesystem der Zeit, nicht zuletzt im politischen Alltag153 . Freundschaften als Form der Patronage konnten natürlich auf Zuneigung beruhen, allerdings war diese Zuneigung keine Voraussetzung, weil als ausschlaggebender Faktor die erwähnte Gegenseitigkeit von Bedeutung war und die damit verbundenen Nützlichkeitserwägungen, die beiden Seiten, dem Patron-Freund ebenso wie dem KlientenFreund, Vorteile brachten. Diese ließen das Eingehen einer solchen Nahbeziehung überhaupt erst sinnvoll erscheinen154 . Tatsächlich bestand der Aufbau von Patronageverbindungen in der Akkumulation »sozialen Kapitals«155 durch strategische, vertrauensbildende Maßnahmen156 . Dieses soziale Kapital, das heißt der Aufbau möglichst vieler und guter Kontakte zu verschiedenen Personen(-kreisen), bedingte einerseits ein Abhängigkeitsverhältnis, das Patron und Klient gleichermaßen zu Leistungen und Gegenleistungen anhielt, das andererseits beiden Seiten aber auch Vorteile brachte: Wie schon angesprochen, steigerte ein Patron sein Renommee und seine soziale Attraktivität durch ein möglichst großes Reservoir an Klienten, während die Klienten eines mächtigen Patrons ihrerseits für andere Personen als möglicher Mittler infrage kamen und damit selbst an Bedeutung gewannen und zusätzliches Kapital daraus schlagen konnten, indem sie für ihre Mittlerdienste entsprechende Gegenleistungen, vor allem Geschenke oder Geld, erhielten157 .

152 153 154 155

156 157

Versuch einer Begriffsbestimmung zur »Freundschaft«, in: Ethik und Sozialwissenschaften 8/2 (1997), S. 3–12, hier S. 4. D., Freundschaft. Zur Thematisierung einer vernachlässigten soziologischen Kategorie, s.l. 1994, S. 154. H, The Language of Fidelity, S. 9f. Nicolas L R, La faveur du roi. Mignons et courtisans au temps des derniers Valois (vers 1547–vers 1589), Seyssel 2000, S. 28f. Paul D. ML, The Art of the Network. Strategic Interaction and Patronage in Renaissance Florence, Durham 2007, S. 8, definiert soziales Kapital als »a web of cooperative and trusting social relationships that provide individual with emotional and/or material support and opportunities«. Siehe auch Pierre B, The Forms of Capital, in: John G. R (Hg.), Handbook of Theory and Research for the Sociology of Education, New York 1986, S. 241–258, bes. S. 249. ML, The Art of the Network, S. 6, 226. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 204, 207. K, Brokerage at the Court, S. 78. Als Sonderform des Mittlers (broker) definiert sie außerdem noch den so genannten go-between, der keine Gegenleistung für seine Vermittlungsdienste erwartete bzw. annahm (ibid., S. 80f.). Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 154, 186f., 210f.

1.4 Begrifflich-methodischer Ansatz

43

Im Idealfall profitierten dann Patron und Klient gleichermaßen158 . In Bezug auf Anna von Österreich heißt das, dass sie als Patronin eine breite Basis an Klienten gewinnen wollte, die ihr treu ergeben waren, auf deren Kontakte sie bei Bedarf zurückgreifen und in deren Kreis sie Vertraute finden konnte; die Klienten selbst profitierten von der Nähe zur Königin einerseits, indem diese ihnen Kontakte vermitteln, Informationen liefern, Geschenke machen sowie Pensionen oder Posten verschaffen konnte, andererseits war bereits die Tatsache lohnenswert, sich im engeren Umfeld der Königin aufzuhalten, weil die Klienten zusätzliche Kontakte zu anderen wichtigen Personen (aus dem Staatsdienst, der Kirche, dem Militär oder allgemein dem höfischen Milieu) knüpfen konnten159 . Ganz abgesehen davon implizierte die Tatsache, Klient der Königin zu sein, an sich bereits ein gewisses Maß an Exklusivität und stellte bei einer anhaltenden Aufrechterhaltung ihrer Patronage auch eine gewisse Form von (materieller) Sicherheit und sozialem Prestige dar. Da aber nicht alle Klienten ständig im Umkreis der Königin weilten, wurde der Kontakt zu Personen in größerer Distanz über Briefe aufrechterhalten. Nicht nur bei konkreten Bitten fand ein Austausch statt, sondern auch besondere Anlässe wie Hochzeiten, Taufen oder Todesfälle wurden genutzt, um Anteilnahme zu bekunden und auf diese Weise die bestehende Patron-KlientVerbindung zu pflegen160 . Das erklärt außerdem, warum die oft verwendete Freundschaftsrhetorik eine so große Rolle spielte161 . Aber dennoch bedeutete es nicht, dass sich damit automatisch eine enge persönliche Nahbeziehung einstellte, die auf echter (gewachsener) Zuneigung beruhte – natürlich kam dies auch vor und half, die gegenseitige Bindung zu stärken, war aber keine zwingende Voraussetzung162 . Ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang beachtet werden muss, ist die Frage der Gleichrangigkeit. Patronageverhältnisse konnten sich durchaus zwischen (mehr oder weniger) ebenbürtigen Personen etablieren, etwa indem Fürsten anderen Fürsten bzw. deren Klienten halfen oder indem sich hohe Adlige einem Fürsten anschlossen. Gerade im letztgenannten Fall versprachen sich Adlige, die selbst über einen hohen sozialen Status, Macht und Vermögen verfügten, davon eine nachhaltige Steigerung dieser Ressourcen und ihrer Einflussmöglichkeiten und waren daher bereit, sich dem Patron – sei es nun ein anderer hoher Adliger oder eben der König bzw. die Königin – anzuschließen, ihm zu dienen und die eigene Klientel sowie Ressourcen einzubringen, weshalb Sharon Kettering die Personen innerhalb dieser eher symmetrischen Patronageform als »allies« bezeichnet163 . Und natürlich war 158 159 160 161 162 163

Siehe auch D, Myths of Power, S. 177. Siehe W, Francis Bacon, S. 185. ML, The Art of the Network, S. 51–57. K, Brokerage at the Court, S. 72: »Brokerage as a mode of distribution was an aspect of patronage, and the language of friendship was used«. Vgl. auch ibid., S. 78. Sharon K, Power and Reputation at the Court of Louis XIII. The Career of

44

1. Einleitung

es in solchen Konstellationen auch grundsätzlich leichter, Freundschaften zu schließen, weil ähnliche, also symmetrische, Ausgangsfaktoren vorlagen wie gleiche Werte, gemeinsame Interessen und Rangzugehörigkeit164 . Aber selbst wenn Patron und Klient in der Mehrheit der Fälle sozial und hierarchisch unterschiedlich aufgestellt waren, sich also in einem asymmetrischen Verhältnis befanden, schuf die Tatsache, dass beide in gewisser Form aufeinander angewiesen waren, durchaus eine Form der Annäherung, weshalb selbst ein Monarch einige seiner Klienten als Freunde bezeichnete, unabhängig davon, ob er ihnen überhaupt schon einmal begegnet war: [Lorsque les liens de clientèle] s’établissaient entre un inférieur et un supérieur, ils maintenaient entre eux une relative égalité, dans la mesure où ils comportaient une réciprocité; si l’inférieur avait suffisamment de pouvoir et d’autonomie pour offrir un concours dont le supérieur avait besoin, tous les deux trouvaient un égal profit dans l’opération165 .

Folglich ist diese Form der Annäherung durchaus als Freundschaft anzusehen166 . Das Freundschaftsverständnis der Epoche war durchaus von einer gewissen Form der Abhängigkeit und Dankesschuld für erwiesene Gefälligkeiten geprägt – und das betraf sowohl Freundschaften, die auf Augenhöhe geschlossen wurden, als auch jene, die im Rahmen einer Klientelbeziehung erwuchsen167 . Deshalb ist Sharon Ketterings Argumentation zurückzuweisen, wonach die Frage nach der Unterstützung freiwillig war und es keine Verpflichtung zu einer Gegenleistung gegeben habe168 , zumal sie an anderer Stelle selbst einräumt, dass sich Patronage und Freundschaft überlagern konnten169 . So wie der Patron gegenüber dem Klienten in der Pflicht stand, geleistete Dienste und Loyalität über kurz oder lang zu belohnen, so war der Klient verpflichtet, nach der erfolgten Anerkennung seiner Dienste umso mehr und nachhaltiger seine Treue zu bekunden170 . Daniel Dornhofer folgert deshalb nicht zu Unrecht, dass gerade eine asymmetrische Beziehung »auf einem deutlichen Machtgefälle zwischen den Parteien« beruhte, gleichzeitig

164 165

166 167

168 169 170

Charles d’Albert, duc de Luynes (1578–1621), Manchester, New York 2008, S. 149–161, hier bes. S. 149. D., Friendship and Clientage, S. 147. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 204f. Arlette J, Le devoir de révolte. La noblesse française et la gestion de l’État moderne, 1559–1661, Paris 1989, S. 67. Vgl. auch W, Freundschaft und Klientel, S. 298–316, bes. S. 300f. J, Le devoir de révolte, S. 66. D., Des réseaux d’amitié aux clientèles centralisées: les provinces et la cour (France, XVIe –XVIIe siècle), in: Charles G-D, Roger M (Hg.), Patronages et clientélismes 1550–1750 (France, Angleterre, Espagne, Italie), London, Villeneuved’Ascq 1995, S. 21–38, hier S. 22, 27f. Siehe auch K, Friendship and Clientage, S. 145. Ibid., S. 145f., 158. Ibid., S. 147, 149f. Ibid., S. 152, 157; D, Petrarkistischer Diskurs, S. 144f., 154, 186f.

1.5 Aufbau der Arbeit und Fragestellung

45

aber »Abhängigkeit und Ausbeutung durch Betonung von Freiwilligkeit und Reziprozität überdeckt« wurden171 . Das dauerhafte Funktionieren einer (Freundschafts- und) Patronagebeziehung wurde aber noch von zwei anderen wichtigen Faktoren bedingt, nämlich Präsenz und Kommunikation, was Rudolf Schlögl als »Vergesellschaftung unter Anwesenden« beschreibt172 . Erst das Zusammentreffen von Patron-Freund und Klient-Freund ermöglichte eine angemessene Annäherung durch das Bitten um und das Gewähren von Gefälligkeiten. Zugleich konnte der Klient-Freund aus dem Verhalten, der Mimik und Gestik und den Worten des Patron-Freundes Rückschlüsse über den aktuellen Stand ihrer Nahbeziehung ziehen. Im Falle der Abwesenheit ersetzte der Briefwechsel das Gespräch als Kommunikationsmittel zur Fortsetzung und Aufrechterhaltung des bestehenden Beziehungsgeflechts bzw. es wurde auf die zusätzliche Hilfe von Boten oder anderer Klienten zurückgegriffen, die dann entsprechend als Mittler auftraten. In jedem Fall erfolgte die mündliche wie schriftliche Kommunikation unter Anwendung eines entsprechenden Diskurses, der sich einer Freundschafts- und Liebesrhetorik bediente, die die oben erwähnte Freiwilligkeit und Reziprozität zu suggerieren und mögliche hierarchische Unterschiede – zumindest partiell – auszugleichen half173 . Bei der Betrachtung der Patronagepolitik Annas von Österreich muss also ein begrifflich-methodischer Ansatz zugrunde gelegt werden, der die damalige Vielschichtigkeit und Interdependenz der Nahbeziehungen berücksichtigt. Denn es hat sich gezeigt, dass sowohl Patron-Klient-Verhältnisse als auch verwandtschaftliche und freundschaftliche Verhältnisse grundsätzlich, und unabhängig vom Faktor der persönlichen Zuneigung, von den gleichen Aspekten im gegenseitigen Umgang geprägt waren, was Erwartungshaltungen, Abhängigkeiten und Loyalitätsbindungen betraf.

1.5 Aufbau der Arbeit und Fragestellung Obwohl die Patronage der Königin so umfassend wie möglich skizziert werden soll, ist es nicht möglich, die Gesamtheit ihrer Klientelverbindungen zu erfassen, insbesondere aufgrund der oben genannten Verquickung mit anderen Formen der Nahbeziehung wie Verwandtschaft und Freundschaft. Bei der Untersuchung von Annas Patronagepolitik wird, wie aus dem Untertitel der Arbeit hervorgeht, zwischen drei Aspekten – Inszenierung, 171 172

173

Ibid., S. 144f., siehe auch ibid., S. 188. Rudolf S, Kommunikation und Vergesellschaftung unter Anwesenden. Formen des Sozialen und ihre Transformation in der Frühen Neuzeit, in: Geschichte und Gesellschaft 34/2 (2008), S. 155–224. Siehe auch W, Freundschaft und Klientel, S. 307f. Siehe dazu Kap. 4.1 und Kap. 4.2. Vgl. auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 110–120, 145, 188f.

46

1. Einleitung

Hof, Freundschaft – differenziert werden, die zum Teil aufeinander aufbauen. Denn die Art, wie sich die Königin durch ihr eigenes Auftreten und politisches Agieren inszenierte bzw. sich durch die geschickte Patronage in den Bereichen Kultur, Wohltätigkeit und Kirche inszenieren ließ, hatte ja durchaus eine Rückwirkung auf ihre Hofhaltung, die Personalauswahl und ihre diesbezügliche Förderungspraxis. Gleichwohl zeichnen sich die drei genannten Aspekte durch eine gewisse Eigenständigkeit aus, indem sie über die jeweiligen Überlegungen zur Patronage hinausgehen und bisher gar nicht oder nur unzureichend vorgenommene Betrachtungen zur Inszenierung, zur Hofhaltung und zu den Freundschaftsbeziehungen der Königin erlauben. Die sich daraus ergebenden Ergebnisse sollen wiederum helfen, der oben erwähnten Zielsetzung dieser Studie näher zu kommen, nämlich das vorherrschende Bild der Königin auf den Prüfstand zu stellen, grundlegend zu relativieren und, wo nötig, zu modifizieren. Jeder dieser drei Teile ist wiederum in drei Kapitel unterteilt, die ihrerseits eine unterschiedliche Zahl von Unterkapiteln aufweisen. Am Ende jedes der drei Teile folgt ein Resümee, in dem die wesentlichen Erkenntnisse noch einmal aufgeführt werden. Auf diese Weise bietet sich unter Berücksichtigung neuester Forschungsergebnisse die Möglichkeit, durch eine erstmals konsequent vorgenommene Auswertung von Quellen eine ausführliche Sicht auf die Patronage und die Person der Königin zu gewinnen, wovon verschiedene historische Disziplinen – ob nun Patronage-, Politik-, Kultur-, Hof-, Gender- oder Freundschaftsforschung, die sich mit Frankreich in der Frühen Neuzeit beschäftigen – gleichermaßen zu profitieren vermögen. Im ersten Teil der Arbeit, »Herrschaft und Repräsentation«, wird es um die Inszenierungsstrategie der Königin gehen, das heißt die Patronage in eigener Sache. Basierend auf der Annahme, dass Anna von Österreich erst mit der Regentschaft, also ab 1643, in der Lage war, eine wirklich eigenständige Propaganda zu betreiben, gilt es zum einen aufzuzeigen, dass sie auch erst ab diesem Zeitpunkt überhaupt ein verstärktes Interesse zeigte, gezielt künstlerische Patronage zu praktizieren, während etwa Maria von Medici schon vor ihrer Regentschaft, also vor 1610, die Künste unterstützte174 . Anna von Österreich sah in der Kunst vielmehr ein Mittel zum Zweck, sich öffentlichkeitswirksam zu inszenieren, weshalb sie auch weniger als Mäzenin denn als Patronin anzusehen ist175 . Zum anderen gilt es zu prüfen, welcher Strategie sie während und nach der Regentschaft gefolgt ist und inwiefern sie sich dabei von vorherigen Regentinnen unterschieden hat. Patronage ist hierbei nicht nur als mittelfristige 174

175

Géraldine A. J, Imaging Images of Powerful Women. Maria de’ Medici’s Patronage of Art and Architecture, in: Cynthia L (Hg.), Women and Art in Early Modern Europe. Patrons, Collectors, and Connoisseurs, University Park 1997, S. 126– 153, hier S. 153. René P, Nouvelle histoire de Paris. Paris sous les premiers Bourbons, 1594– 1661, Paris 1988, S. 249f.

1.5 Aufbau der Arbeit und Fragestellung

47

Inszenierung vor Dritten zur Steigerung des eigenen Sozialprestiges in Form von Ansehen und Anerkennung zu verstehen, sondern auch als langfristig angelegtes Programm zur dauerhaften Festigung des eigenen Nachruhmes. Auch Katharina176 oder Maria177 von Medici pflegten von sich das Bild der frommen, tugendhaften und wohltätigen Königin. Anna von Österreich aber wusste ihre Person weitaus geschickter und nachhaltiger zu propagieren als ihre Vorgängerinnen. Zwar haben französische Königinnen seit jeher gerade im Zuge einer Regentschaft versucht, ihr Bild in der Öffentlichkeit selbstständig zu forcieren und dem traditionellen und allgemeingültigen Ideal einer glaubensstarken und gütigen Königin gerecht zu werden. Zugleich waren sie jedoch immer bemüht, sich von ihren Vorgängerinnen abzugrenzen, teils deutlich, teils nuanciert178 . Die Repräsentation war damit zugleich »Teil des Kommunikationsprozesses über Herrschaft«179 , das heißt, sie eröffnete Anna von Österreich die Möglichkeit, sich selbst, ihre Regentschaft und ihre Leistungen vor Zeitgenossen und Nachwelt zu präsentieren und zu legitimieren. Und indem sie dabei weitestgehend die Deutungshoheit behauptete und entsprechende Leitlinien vorgab, war sie imstande, das von ihr gewünschte Bild einer breiten Öffentlichkeit über verschiedene ›Kommunikationskanäle‹ – z. B. Architektur, Kunst, Literatur, Hofhaltung, Wohltätigkeit – zu vermitteln. Um überhaupt ein grundsätzliches Verständnis für die zeitgenössische Sicht zur Stellung der Frau im Allgemeinen und der Königinnen bzw. Regentinnen im Besonderen und damit auch für die diesbezüglichen Handlungsweisen von Anna von Österreich zu bekommen, erscheint es sinnvoll, zunächst kurz den (kultur-)historischen Hintergrund, vor dem die Königin lebte und wirkte, zu skizzieren (Kap. 2.1)180 . Anschließend geht es zum einen darum, welche Rolle die Übernahme der Regentschaft 1643 für Anna von Österreichs öffentlichkeitswirksame Inszenierung als vorbildliche Monarchin gespielt hat und in welchem Maße dieses sorgsam gepflegte Bild gerade in Krisenzeiten, also während der Fronde, überhaupt aufrechterhalten werden konnte. Zum anderen soll geprüft werden, welche Folgen das Ende der Regentschaft (1651) und ihr Ausschluss aus dem Kronrat (1661) für ihre 176

177 178

179 180

Siehe z. B. Sheila , The Ideal Queen Patron of the Renaissance: Catherine de’ Medici Defining Herself or Defined by Others?, in: L (Hg.), Women and Art, S. 99–110. J, Imaging Images, S. 126–153. Thomas T, Status of Independence: Women Regents as Patrons of the Visual Arts in Renaissance France, in: Renaissance Studies 10/2 (1996), S. 237–258, hier S. 240–242. Vgl. auch Patricia Francis C, Women and the Politics of Self-Representation in Seventeenth-Century France, London, Newark 2000: Introduction, S. 19–44, die dieses Prinzip auch für textuelle Selbstdarstellung nachweist. O, »Gespräche« über Herrschaft, S. 43. Als Grundlage dienen die Erkenntnisse meiner Magisterarbeit. Siehe Oliver M, »La chance d’être femme?« Die adlige Frau im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Alte Erwartungen und Restriktionen, neue Hoffnungen und Möglichkeiten, Magisterarbeit Universität Rostock (2008).

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1. Einleitung

höfisch-machtpolitische Stellung hatten (Kap. 2.2). Damit stellt sich nicht nur die Frage, mit welchen medialen Mittel sie welche Zielgruppen ansprechen wollte, sondern auch, inwieweit das von ihr propagierte Bild tatsächlich mit der Realität übereinstimmte, und welche Wirkung – vor allem am Ende ihres Lebens und über ihren Tod hinaus – es auf ihre öffentliche Wahrnehmung zu entfalten vermochte (Kap. 2.3)181 . Schon John B. Wolf hat in seiner Biographie über Ludwig XIV. Anna von Österreich als »show-woman« bezeichnet, was er auf ihre scheinbar stoische Gelassenheit angesichts ihrer letzten Krankheit und des bevorstehenden Todes zurückführt und als Mittel interpretiert, sich selbst gekonnt in Szene zu setzen182 . Aber so zutreffend diese Einschätzung auch sein mag, muss doch gefragt werden, ob diese Sicht nicht zu kurz gegriffen ist und das »show-woman«-Verhalten nicht vielmehr schon seit Beginn der Regentschaft ein konstitutives Element ihrer Selbstdarstellung bildete. Der zweite Teil der Studie, unter dem Titel »Hofstaat und Hofhaltung«, ist der höfischen Patronage gewidmet, womit ein weiteres wichtiges Feld abgedeckt wird, das Rückschlüsse über die Beziehungsgeflechte der Königin erlaubt183 . Auch hier wird die Prämisse zugrunde gelegt, dass die Königin erst ab 1643 in der Lage war, die Hofhaltung und damit die Patronage gegenüber Höflingen und Amtsträgern maßgeblich selbst zu koordinieren. Bis dahin war diese Patronage zumeist fremdbestimmt, sei es durch ihre Schwiegermutter und den König, sei es durch deren jeweilige Favoriten. Zunächst soll deshalb die Art und Weise der Hofhaltung betrachtet werden, mit der die Königin versuchte, ihre im Rahmen der Inszenierung zur Schau gestellte moralische Vorbildfunktion als Königin und Mutter mit einzubringen, um ihren Hof zu einem »Tugendtempel« zu formen. Dabei stellt sich die Frage, mit welchem Erfolg ihr das gelungen ist, aber auch welche Rolle Feste und das höfische Zeremoniell als Teil des Herrschaftsinstrumentariums spielten. Zwar haben neuere Untersuchungen gezeigt, dass eine vom jeweiligen Hof abhängige und grundsätzliche Verallgemeinerung nicht möglich ist184 . Aber gerade für die Regentschaft scheint sich hierbei dennoch die Gültigkeit einer »politische[n] Funktionalität«185 nachweisen zu lassen. Ferner soll auch geprüft werden, welche Vorteile sich für die Höflinge durch die Anwesenheit am Hof ergeben haben, wie sich der Zugang zur Königin gestaltete und welche Rolle ihr Tagesablauf als Taktgeber für das Vorbringen von Gesuchen spielte (Kap. 3.1)186 . 181 182

183 184

185 186

Dieser Aspekt wird auch noch ausführlicher in Kap. 2.4 thematisiert. John B. W, Louis XIV, New York 1968, S. 296: »Anne knew well that a Christian death both edified those who saw it and guaranteed the dying person salvation. She was too good a show-woman not to see its advantages«. Vgl. K, Social Dynamics, S. 519. Andreas P, Das Hofzeremoniell als Herrschaftstechnik? Kritische Einwände und methodische Überlegungen am Beispiel des Kaiserhofes in Wien (1660–1740), in: H, P (Hg.), Der Fall des Günstlings, S. 381–404, hier S. 382f. Ibid., S. 383. Vgl. Ronald G. A, »The Politics of Access«. Hofstruktur und Herrschaft in England

1.5 Aufbau der Arbeit und Fragestellung

49

Im Anschluss daran wird es konkret um den Haushalt von Anna von Österreich gehen sowie um die Patronage gegenüber ihren Amtsträgern, die an sie gestellten Erwartungen als Patronin und die Vorteile einer Hofcharge (Kap. 3.2). Da aber viele Amtsträger aufgrund der Quellenlage gar nicht oder nur unzureichend erfasst sind, werden die grundsätzlichen Aspekte zum Haushalt der Königin anhand von Einzelbeispielen näher untersucht. In einem nächsten Schritt sollen dann speziell die hohen Amtsträger der Königin eingehender betrachtet werden, weil diese aufgrund ihrer zumeist (hoch-)adligen familiären Herkunft prosopographisch besser erfasst werden können; in Anbetracht der Tatsache, dass sie eine hohe Charge ausübten, haben sie mehr verwertbare Spuren in den zur Verfügung stehenden Quellen hinterlassen187 . Die Betrachtung der hohen Amtsträger erfolgt dabei sowohl hinsichtlich der Befugnisse und Vorteile, die sich mit der Ausübung ihrer Chargen ergaben, als auch bezüglich ihres familiären Umfeldes, der (verwandtschaftlichen) Hintergründe für die Erlangung ihrer Chargen, ihrer Vernetzung untereinander, ihres Verhältnisses zur und ihrer Abhängigkeit von der Königin; ihrer Möglichkeiten, für sich (und ihre Familien) die Präsenz am Hofe und die Gunst der Königin nutzbar zu machen, ihrer eigenen und zum Teil vom höfischen Milieu unabhängig betriebenen Klientelverbindungen, etwa in der Provinz, und ihres Daseins nach dem Ende ihrer Tätigkeit, sofern sie die Königin überlebten (Kap. 3.3)188 . In diesem Kontext sind noch zwei weitere Punkte zu berücksichtigen. Erstens haben sich die Amtsträger trotz aller Abhängigkeit nicht einzig und allein auf die Königin verlassen, sondern sich bewusst um zusätzliche Kontakte bemüht wie zu anderen sowohl hoch- als auch niedrig gestellten Amtsträgern, Ministern oder bedeutenden Adligen, um sich eine möglichst breite und sichere Basis an Informanten, Vertrauten und Unterstützern aufzubauen, mit deren Hilfe etwa Bittgesuchen bei der Königin mehr Gewicht verliehen werden konnte. Zweitens spielte dabei vor allem Mazarin in seiner Funktion als Erster Minister und Oberintendant im Haushalt der Königin eine entscheidende Rolle. Schon Sharon Kettering hat angemerkt, dass es notwendig sei, Mazarins diesbezügliche Bedeutung stärker herauszuarbeiten und aufzuzeigen, wie sich das Verhältnis zwischen ihm und den Amtsträgern in den königlichen Haushalten, vor allem natürlich in dem der Königin, gestaltet und inwiefern er sich ihrer bedient hat189 .

187

188 189

unter den frühen Stuarts 1603–1642, in: Werner P (Hg.), Alltag bei Hofe, Sigmaringen 1995, S. 243–266. Vgl. auch Leonhard H, »Such a great advantage for my son«: Office-holding and Career Mechanisms at the Court of France, 1661 to 1789, in: The Court Historian 8/2 (2003), S. 125–175, hier S. 128–131. Vgl. K, Hofdamen, S. 12. K, Strategies of Power, S. 200.

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1. Einleitung

Auch hierzu fehlt es an entsprechenden Untersuchungen, da sich die bisherigen Studien vornehmlich dem Haushalt der Königin vor 1643 gewidmet haben. Darum soll im Rahmen der Patronage der Königin in ihrem Haushalt ebenfalls aufgezeigt werden, dass sich ihre (hohen) Amtsträger meist gezielt um ein Einvernehmen mit Mazarin bemühten, um die eigene Stellung nicht zu gefährden. Gleichwohl gilt es nachzuweisen, dass Mazarin keineswegs so omnipotent war wie gemeinhin behauptet wird, und er selbst nach der Volljährigkeitserklärung Ludwigs XIV. (1651) bzw. nach dem Ende der Fronde (1653) keineswegs einfach über den Kopf der Königin hinweg Entscheidungen treffen konnte. Auch er war letztlich immer auf ihre Zustimmung angewiesen und musste mitunter zurückstecken, wenn die Königin, etwa bei der Besetzung vakanter Posten, andere Pläne verfolgte. Darüber hinaus sollen vor allem die Amtsträgerinnen besonders berücksichtigt werden, bei den allgemeinen Betrachtungen sowohl zu den Amtsträgern als auch zu den hohen Inhabern höfischer Chargen. Abgesehen davon, dass es gerade zu den Frauen am Hofe Annas von Österreich noch immer an grundlegenden Studien zu deren Einfluss- und Karrieremöglichkeiten mangelt, soll zugleich die Frage nach den geschlechtsspezifischen und -unspezifischen Aspekten gestellt werden: In welchem Maße war das Geschlecht für den Zugang und die Nähe zur Königin von Bedeutung? Agierten Frauen am Hofe bzw. bei der Ausübung einer Charge, bei der Bildung und Aufrechterhaltung eigener Klientelverbindungen und beim Einsatz für familiäre Interessen genauso wie männliche Höflinge und Amtsträger190 ? Und auf welche Kontakte und Beziehungsgeflechte griffen die Amtsträgerinnen zurück, um ihre Ziele zu erreichen? Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die diesbezüglichen Betrachtungen die jeweiligen Ehepartner in der Regel aussparen bzw. diese nur erwähnen, wenn es für den weiteren Zusammenhang notwendig erscheint. Vor allem die Frauen der hohen Amtsträger waren meist nur bei wichtigen zeremoniellen Anlässen am Hofe zugegen und hielten sich ansonsten oft am Stammsitz ihres Gemahls auf, während die meisten Amtsträgerinnen bei Antritt der Charge nicht selten verwitwet waren oder ihre Ehemänner, sofern sie verheiratet waren, eine Tätigkeit im Staatsdienst ausübten, die eine Präsenz am Hofe nicht erforderte bzw. aufgrund der mit der Tätigkeit verbundenen Verpflichtungen (Armee, Diplomatie, Verwaltung) nicht oder nur selten ermöglichte. Im dritten und letzten Teil zum Thema »Freundschaft und Zuneigung« steht die Frage im Vordergrund, welche Bedeutung eine Rhetorik der Freundschaft innerhalb von Patronagebeziehungen hatte und in welchem Maße speziell die Königin mit ihren Klienten einen freundschaftlichen Umgang pflegte. Wie bereits erläutert wurde, hat die Forschung gerade für die Frühe 190

D., The Household Service of Early Modern French Noblewomen, in: French Historical Studies 20/1 (1997), S. 55–85, hier S. 55f. Vgl. auch H, »Such a great advantage«, S. 125–175; K, Hofdamen, S. 188.

1.5 Aufbau der Arbeit und Fragestellung

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Neuzeit fließende Übergänge zwischen Verwandtschafts-, Freundschafts- und Patronageverhältnissen festgestellt191 . Das Ziel des dritten Teils besteht deshalb darin, noch einmal deutlich herauszustellen, dass der Freundschaftsbegriff unter der Prämisse des zeitgenössischen Verständnisses in weitaus größerem Maße Gültigkeit bei der Beschreibung von Nahbeziehungen, Abhängigkeits- und Kommunikationsverhältnissen – und somit auch über Standesgrenzen hinweg – beanspruchte, als gemeinhin angenommen wird. Dabei stehen zunächst symmetrische Freundschaftsbeziehungen im Fokus, das heißt das Verhältnis der Königin zu Verwandten und anderen Herrscherhäusern und infolgedessen zu Personen, die sich mit ihr gesellschaftlich auf einer Hierarchieebene befanden (Kap. 4.1). Wie vermochte sie den Kontakt zu diesen Personen mithilfe der besagten Freundschaftsrhetorik zusätzlich zu stärken, inwieweit wurden Verwandte und Klienten anderer Fürsten unter Umständen auch von ihr unterstützt? Dabei erscheint es lohnenswert, sich sowohl der Rolle zuzuwenden, die gerade den weiblichen Mitgliedern der Herrscherhäuser bei der Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Staaten zukam, als auch zu prüfen, in welchem Maße familiärinterdynastische Kontakte als Teil der Patronagepolitik in einer Zeit, die vom allmählichen Übergang zu mehr Bürokratisierung und einer steigenden Bedeutung der Staatsräson gekennzeichnet war, trotzdem noch nichts von ihrer Relevanz eingebüßt hatten192 . Dann werden die asymmetrischen Freundschaftsverhältnisse der Königin zu rangniederen Personen, wie Adligen, Staatsdienern und Geistlichen in den Fokus genommen (Kap. 4.2). Im Anschluss daran erfolgt anhand der Nahbeziehung der Königin zu Frauen aus ihrem höfischen und religiösen Umfeld eine Analyse der verschiedenen Ausdrucksformen dieser Freundschaftsbeziehungen unter besonderer Berücksichtigung der Faktoren Nähe, Rhetorik, Gesten und Gaben (Kap. 4.3). Hier geht es darum, inwieweit Anna von Österreich in ihrer Stellung als Königin gegenüber solchen Personen tatsächlich als Freundin auftrat und in welchem Maße zwischen einem Freundschafts- und Patronageverhältnis unterschieden werden konnte. Infolge des begrenzten Quellenmaterials fällt der Umfang des dritten Teils jedoch geringer aus, wenngleich das nichts an der Relevanz von Freundschaft als Bestandteil des Patronagesystems der Königin ändert. Im Schlusskapitel folgt dann eine Gesamteinschätzung, die wesentliche Ergebnisse der drei Teile der Arbeit noch einmal resümiert und aufzeigt, dass diese Ergebnisse nicht nur zu einem veränderten Blick auf Anna von Österreich beitragen, sondern diesen auch erforderlich machen.

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Siehe z. B. K, Friendship and Clientage, S. 139–158; Klaus O (Hg.), Freundschaft oder »amitié«? Ein politisch-soziales Konzept der Vormoderne im zwischensprachlichen Vergleich (15.–17. Jahrhundert), Berlin 2007. Vgl. auch K, The Historical Development of Political Clientelism, S. 422, 426f.

2. Herrschaft und Repräsentation 2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft La Lune éclipsée La Terre a couvert mon Soleil Et sous vn funeste appareil Ma Lumiere a gemy de ce voile obscurcie Mais le Monde est témoin de cette verité Que bien loin d’en estre noircie Ie me suis faite voir avec plus de clarté1 .

In einer Eloge auf Anna von Österreich bezeichnet der Verfasser Charles Magnien die Königin als »cette Reine des Reines sur terre, cette Mere des Meres la plus prudente & la plus aymable, cette Femme forte genereuse, gratieuse, & craignant Dieu«2 . Diese vermeintlichen Vorzüge – als Königin und Regentin, als Mutter und Christin – entsprachen ganz dem Weiblichkeitsideal ihrer Zeit und ließen die Königin zum Inbegriff der starken Frau schlechthin avancieren3 . Dass dem so war, lag nicht nur an ihrer Sozialisation am spanischen und französischen Hof4 . Sie setzte die herrschenden Normen gezielt für ihre Zwecke ein, indem sie den an eine Königin gestellten Erwartungen gerecht wurde und damit schon vor der Regentschaft 1643 ein positives Bild von sich in der Öffentlichkeit entwarf. Aber erst, als sie als Regentin auch aktiv die Geschicke des Landes lenkte, kam es mehr als zuvor darauf an, dieses Renommee einer moralisch starken Frau zu pflegen, zugleich aber politische Stärke zu demonstrieren, ohne die Geschlechtergrenze allzu deutlich zu überschreiten, was wiederum eine Inszenierung erforderte, die diesen Zielsetzungen Rechnung trug. In Frankreich waren Frauen von der Thronfolge ausgeschlossen, sodass lediglich eine Regentschaft die Möglichkeit einer weitestgehend akzeptierten und offiziellen Partizipation an der Macht für die Dauer der Unmündigkeit des jeweiligen Königs bot; begünstigt wurde die Akzeptanz dieser Form weib1 2

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4

C, Devises, S. 62. Charles M, Panegyrique et Oraison funebre d’Anne Mavrice d’Avtriche, Paris 1666, S. 11. Siehe Guillaume L B, Contribution à l’historiographie d’Anne d’Autriche: Oraison funèbre de la reine, prononcée au Val-de-Grâce le 9 février 1666 par Guillaume Le Boux, évêque de Dax, hg. v. Raymond D, Aire-sur-l’Adour 1966, S. 11: »[U]ne chrétienne parfaite, [. . . ] une mère accomplie, [. . . ] une Reine incomparable«. Siehe etwa François S, Oraison fvnebre de Tres-haute, Tres-excellente & Trespuissante Princesse Anne d’Avstriche, Paris 1666 [Hervorh. im Orig.]. Er konzentriert sich ausschließlich auf den Aspekt der Tugendhaftigkeit. R B, Enfance et éducation, S. 11–39.

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2. Herrschaft und Repräsentation

licher Herrschaft durch das höfische und gesellschaftliche Klima, das seit dem Spätmittelalter – trotz anhaltender misogyner Tendenzen – eine positivere Sicht auf die Frau, ihre Bildung und ihre Bedeutung in der Gesellschaft ermöglichte5 . Um vor diesem Hintergrund weibliche Herrschaft und Repräsentation sowie die Inszenierungsstrategie und die damit einhergehende Patronage in eigener Sache im Fall der Anna von Österreich besser nachvollziehen zu können, erscheint es sinnvoll, zunächst einen Schritt zurückzutreten und den historischen Kontext näher zu beleuchten, vor dem die Königin lebte und wirkte, zumal dieser nicht nur für das konkrete Verständnis der Inszenierung der Königin wichtig ist, sondern ebenso bei den daran anschließenden Erörterungen zu ihrer Patronage am Hofe und ihren Freundschaftsbeziehungen. Die nun folgenden Ausführungen zum historischen Kontext bieten daher weniger eine übliche Skizzierung der politischen Ereignisse als vielmehr eine auf die kulturellen und gesellschaftlichen Aspekte ausgerichtete Betrachtung – und somit Blickwinkel, denen in solchen Zusammenhängen stets eine zu geringe Beachtung zukommt. Dabei soll zugleich noch einmal der bedeutsame Zäsurcharakter unterstrichen werden, den das 17. Jahrhundert – nicht zuletzt infolge der Regentschaften zweier Königinnen – für die allgemeine gesellschaftliche Rolle der Frau in Frankreich spielte6 . 2.1.1 Die Sehnsucht nach Moral und Beständigkeit Michel de Montaigne hatte in seinem Essay »De l’utile et de l’honneste« (1588) deutlich gemacht, dass die Menschen schlechte Eigenschaften an den Tag legten, was zu einer unvollkommenen Gesellschaft führe7 . Gemeint waren der im Zuge der Religionskriege deutlich gewordene moralische Werteverfall und das Unvermögen der Regierung, dem entschlossen entgegenzutreten. Die Bevölkerung hoffte auf eine starke Staatsmacht, wie sie sich dann tatsächlich durch eine Stärkung der monarchischen Gewalt unter Zurückdrängung adliger Einflüsse einstellte. Diese Entwicklung wurde unter Heinrich IV., vor allem aber unter der Ägide Ludwigs XIII. und Richelieus konsequent vorangetrieben. Der Absolutheitsanspruch der Krone und die Konsolidierung des katholischen Glaubens bewirkten eine nachhaltige Betonung ethischer und moralischer Werte8 . Dies implizierte eine stärkere Fokussierung alter Ideale 5 6 7 8

Siehe dazu Éliane V, La France, les femmes et le pouvoir, Bd. 1: L’invention de la loi salique (Ve –XVIe siècle), Paris 2006. Das folgende Kapitel entspricht einer gekürzten und überarbeiteten Version meiner Magisterarbeit, siehe M, »La chance d’être femme?«. Michel de M, Les Essais, hg. v. Pierre V, 3 Bde., s.l. 1992 [EA 1580]: De l’utile et de l’honneste, Bd. 3, S. 790f. Vgl. [A], Recueil d’Édits. Histoire de l’Édit de Nantes, hg. v. Élie B, Bd. 2, Delft 1693, S. 94, Art. II; S. 96, Art. VII.

2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft

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und Ansprüche im Hinblick auf die Frau sowie eine veränderte Definition der Weiblichkeit, denn den Frauen wurden nun umfassendere intellektuelle Fähigkeiten attestiert9 . Gerade in Frankreich gewann diese Erkenntnis im Laufe des 17. Jahrhunderts immer mehr an Boden, nicht zuletzt auch im Zuge der Fronde, die diesbezüglich eine nicht unerhebliche soziale und geistesgeschichtliche Zäsur darstellte10 . Die Ideale von adligem Heroismus und Individualität gerieten gegenüber der von der Krone und am Hofe gezielt geförderten honnêteté mondaine zusehends ins Hintertreffen. Das hatte zugleich eine erhebliche Aufwertung der Sicht auf die Frau zur Folge, deren Beitrag zur zivilisatorischen Formung der Männer als entscheidend angesehen wurde11 . Voraussetzung dafür, dass Frauen diesen Beitrag auch leisten konnten, war aber, dass zumindest in gesellschaftlicher Hinsicht die Ebenbürtigkeit mit den Männern zugestanden und eine Verbesserung der Bildungs- bzw. Erziehungsgrundlagen geschaffen wurde, um ein adäquates aristokratisch-höfisches Benehmen zu entwickeln und dieses dann den Männern zu vermitteln12 . Zudem leisteten die Regentschaften von Katharina und Maria von Medici sowie von Anna von Österreich13 ebenfalls einen Beitrag dazu, einen Wandel des Frauenbildes in Zusammenhang mit dem neuen und veränderten Selbstverständnis der Frauen herbeizuführen14 . Alle drei Frauen haben über längere Zeit die Staatsgeschäfte geleitet. Das führte zur Publikation zahlreicher Traktate, die bemüht waren aufzuzeigen, dass Frauen Männern in allen Lebensbereichen ebenbürtig waren, indem historische und mythologische Beispiele herangezogen wurden15 . Diese Vorstellung von den »starken Frauen« hat im 17. Jahrhundert Pierre Le Moyne in seiner »Gallerie des Femmes 9 10 11

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Siehe dazu Maxime G, Les inspirations et les sources de l’œuvre d’Honoré d’Urfé, Saint-Étienne 1977, S. 282f., 431f. Linda T, L’accès des femmes à la culture sous l’Ancien Régime, Paris 2 2005, S. 319. François D, Le Theatre de la noblesse françoise, 2 Bde., La Rochelle 1648, Bd. 1, S. 361–365, meint darum, dass die Männer genauso an die Keuschheit gewöhnt werden müssten. Siehe auch Michel N, La France au XVIIe siècle. Société, politique, cultures, Paris 2006, S. 246. Siehe Danielle H-D, Intellectuelles, femmes d’esprit et femmes savantes au XVIIe siècle, in: Clio. Histoire, femmes et sociétés 13 (2001), S. 43–67. Georges de S, Le Cabinet de Monsieur de Scudéry, hg. v. Christian B, Dominique M’, Paris 1991 [EA 1646]: Le Portrait de la Reine, S. 95, Nr. 9. Vgl. Pierre L M, La Gallerie des Femmes fortes, Paris 4 1663: Epistre panegyrique, s.p., sowie ibid.: Ode a la Reyne sur les heureux succez de sa Regence, s.p. Siehe Christa S, Der Typus der Amazone und das Frauenideal im 17. Jahrhundert. Zur Selbstdarstellung der Grande Mademoiselle, in: Romanistisches Jahrbuch 29 (1978), S. 77–99, hier S. 79f.; Z-D, Frauen, Politik und Macht, S. 192–195. Vgl. Jürgen G, Französische Literaturgeschichte, Stuttgart, Weimar 4 1999, S. 141; Myriam M, Les précieuses. Naissance des femmes de lettres en France au XVIIe siècle, Paris 1999, S. 135–139, 151.

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2. Herrschaft und Repräsentation

fortes« (1647)16 besonders geprägt17 . Davon inspiriert, folgten schon bald viele weitere Werke, die sich einer ähnlichen Intention verpflichtet fühlten18 . Allerdings muss beachtet werden, dass solche Schriften zwar eine Form der Schmeichelei darstellten, aber dennoch einer übergeordneten Zielsetzung verhaftet waren19 . Le Moyne ging es darum, den Glauben und die Kirche zu verteidigen und auf diese Weise seinen Teil zur Stabilität des Königreichs beizutragen20 . Abgesehen von der Ausbildung absolutistischer Tendenzen in der Politik und den weiblichen Regentschaften muss auch die religiöse Konsolidierung von Staat und Gesellschaft im Zuge der Gegenreformation berücksichtigt werden. Ganz konkret bedeutete das eine nachhaltigere Indoktrination der Anerkennung der patriarchalischen Ordnungsstrukturen in Familie, Ehe und Staat sowie einen anhaltenden Rigorismus in moralischen Fragen. Die Kirche erkannte, dass ein Ausbau des weiblichen Bildungsprogramms unerlässlich war – ein Programm, das den Glauben ins Zentrum stellte, aber gleichzeitig die Anforderungen des adligen Lebensalltags stärker berücksichtigte21 . Le Moyne versuchte, die Vereinbarkeit moralischen Verhaltens und richtigen gesellschaftlichen Agierens aufzuzeigen, wobei er zugleich auf den Gehorsam der Frauen gegenüber ihrem Souverän als oberste Tugend und Erwartung verwies22 . Religiöse Erziehung und politisches Bewusstsein gingen Hand in Hand23 . Aus diesem Grund dienten insbesondere als gebildet bekannte Frauen als Beispiel, weil deren moralische Größe als Produkt ihrer

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Roswitha B, Margarete Z, Eine neue Galerie der Starken Frauen, in: D. (Hg.), Französische Frauen der Frühen Neuzeit, S. 9–17. Pierre L M, Les œuvres poétiques du P. Le Moyne, Paris 1671: La Gallerie des Femmes fortes, S. 426. Dazu zählen u. a. folgende Werke (in chronologischer Reihenfolge): Jean de M, De la bonté et mauvaistié des femmes, hg. v. Richard A. C, Paris 2000 [EA 1564], bes. S. 36, 132; Suzanne de N, Apologie en faveur des femmes (1642), in: [A], Œuvres spirituelles et morales, Paris 1642, S. 83–92; [A], La femme genereuse qui monstre que son sexe est plus noble, meilleur politique, plus vaillant, plus sçavant, plus vertueux, et plus œconome que celuy des hommes, Paris 1643; François Du Soucy, sieur de G, Le Triomphe des dames, Paris 1646; Gabriel G, Panégyrique des dames, dédié à Mademoiselle, Paris 1650; S-G, Le Mérite des dames, Paris 1655; Jacquette G, Les dames illustres, ou par bonnes et fortes raisons il se prouve que le sexe féminin surpasse en toutes sortes de genres le sexe masculin, Paris 1665. Henri C, Étude sur la vie et les œuvres du P. Le Moyne (1602–1671), Genf 1971 [EA 1887], S. 152. Zum Aspekt der Schmeichelei siehe T, L’accès des femmes, S. 276f., 284. C, Étude, S. 162. M, »La chance d’être femme?«, S. 44. C, Étude, S. 182. L M, La Gallerie des Femmes fortes: Préface, s.p., sowie ibid., Teil 1, S. 82f. Vgl. explizit Jacques D B, La Femme heroïque, 2 Bde., Paris 1645, Bd. 2, S. 442–445.

2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft

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intellektuellen Fähigkeiten angesehen wurde24 . Das galt in gleichem Maße für den Typus der Amazone und der ihr innewohnenden Stärke, versinnbildlicht durch die »amazonenhafte Verteidigung ihrer Unschuld«25 . Obwohl nun ein größerer Wissenserwerb für die Frauen eingefordert wurde, wurde das traditionelle Frauenbild dennoch als Maßstab gesetzt; die Erwartung herrschte vor, dass Frauen »ihre Schwäche annehmen« sollten und sich ihre Stärke in »Geduld und Opferbereitschaft« offenbaren müsse26 . Im Mittelalter hatte etwa Christine de Pizan die Vorstellung der »femme forte« zu jener der »femme prévoyante« in Beziehung gesetzt: Die Frau sollte sich um den Haushalt kümmern, gleichzeitig aber moralische Vorbildfunktionen erfüllen27 . Dabei schien der Begriff »Amazone« zweckdienlich zu sein, beschrieb er doch eine dem Mann ebenbürtige Frau, die trotzdem die patriarchalische Gesellschaftsordnung nicht infrage stellte; zugleich war dies der entscheidende Unterschied zwischen dem Verständnis einer Amazone in Frankreich im 17. Jahrhundert und der antiken Vorstellung von der kriegerischen, das Patriarchat ad absurdum führenden Amazone28 . Le Moyne hatte außerdem ab 1640 die »Peintures morales« veröffentlicht, in denen er erklärte, jedwede Gefühlsregung könne durch den Verstand im Zaum gehalten werden29 . Auch Jacques Du Bosc hatte in »L’Honneste femme« (1632) und »La Femme heroïque« (1645) eine solche Ansicht vertreten30 . Beide gestanden den Frauen zwar die Fähigkeit zu, in allen Bereichen erfolgreich 24

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T, L’accès des femmes, S. 272–275. Es sei z. B. erinnert an Marguerite B, Nouvelles Observations sur la langue françoise. Avec les Éloges des illustres sçavantes tant anciennes que modernes, Paris 1668; Gilles M, Historia mulierum philosopharum, Lyon 1690. Renate K, Von der Heerführerin zur Leidensheldin. Die Domestizierung der »femme forte«, in: Bettina B, Silvia N (Hg.), Die Galerie der Starken Frauen. Die Heldin in der französischen und italienischen Kunst des 17. Jahrhunderts [Ausstellungskatalog], Düsseldorf 1995, S. 51–63, hier S. 60. Renate B, Heroinen der Literatur. Die französische Salonkultur im 17. Jahrhundert, in: B, N (Hg.), Die Galerie der Starken Frauen, S. 34–50, hier S. 35. Christine de P, La Cité des dames (1405), hg. v. Thérèse M, Eric H, Paris 1992, Teil 1, S. 117, § XLIV. Siehe auch K, Von der Heerführerin, S. 58–60. Joan DJ, Amazones et femmes de lettres: pouvoirs politiques et littéraires à l’âge classique, in: Danielle H-D, Éliane V (Hg.), Femmes et pouvoirs sous l’Ancien Régime, Paris 1991, S. 153–174, hier S. 157. Vgl. auch Nicole P, L’androgyne au XVIe siècle: pour une relecture des savoirs, in: H-D, V (Hg.), Femmes et pouvoirs, S. 11–48. Pierre L M, Les Peintvres morales. De la doctrine des passions, Bd. 1, Paris 2 1645, S. 307f., 364–366, 382, 696–727, hier S. 382: »Ceux qui disent [. . . ] que la Raison est trop foible pour [. . . ] retenir [les passions], rendent tout d’vn coup les Vices necessaires, les Vertus impossibles, & les Loix inutiles & iniustes«. Siehe auch C, Étude, S. 159. Siehe Bettina B, Die Tugendheldin als Symbol kirchlicher und staatlicher Macht, in: D., N (Hg.), Die Galerie der Starken Frauen, S. 140–348, hier S. 170–176; C, Étude, S. 152. Vgl. Jacques D B, L’Honneste femme, Paris 1632, S. 32, 43–46.

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2. Herrschaft und Repräsentation

zu sein. Aber während Du Bosc meinte, adlige Frauen sollten sich nicht mit den niederen Tätigkeiten der Haushaltsführung befassen, sondern sich ausschließlich intellektuellen Aktivitäten hingeben31 , warb Le Moyne dafür, den Haushalt trotz allem nicht völlig zu vernachlässigen32 . Obwohl Le Moyne die Notwendigkeit von Verbesserungen bei der Mädchenerziehung anerkannte – bereits vor François Poullain de la Barre erklärte er, der Verstand habe kein Geschlecht –33 , sollten die Mädchen und Frauen ihren durch die Natur und die Gesellschaft vorgeschriebenen, untergeordneten Platz nicht verlassen, um die von Gott gewollte Ordnung nicht zu unterminieren34 . Akzeptierten die Frauen dies und wurden sie den Erwartungen gerecht, konnten sie trotzdem (oder gerade deshalb) Einfluss auf die Salons, den Hof und die Aristokratie insgesamt nehmen, indem sie »die mondäne Welt moralisieren«35 . Die mit der veränderten Auffassung von Weiblichkeit verbundenen Normen bildeten das Ideal, dem eine Frau zu entsprechen hatte und welches einen Widerhall in der Erziehung fand36 . Le Moyne negierte – wie Martin Cureau de La Chambre oder Jean-François Senault –37 keineswegs die Macht der Leidenschaften, sah aber die Vernunft, entsprechend der Lehre René Descartes’, als höherwertig und überlegen an38 . Was folgte, war eine Synthese aus aristotelischer und stoischer Lehre plus christlicher Doktrin: Dem Verstand wurde, wie in der stoischen Lehre, eine dominante Rolle eingeräumt, aber wie in der aristotelischen Lehre wurde eine völlige Loslösung von den Emotionen für unrealistisch und als nicht wünschenswert erachtet; gemäß der christlichen Vorstellung konnte der wahre Glaube helfen, die Gefühle 31 32 33

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Ibid., S. 177. L M, La Gallerie des Femmes fortes, S. 46–50. Siehe D B, L’Honneste femme, S. 403. L M, La Gallerie des Femmes fortes, S. 42f., sowie D., Les Peintvres morales, Bd. 1, S. 204. Siehe auch Barbara G, Macht-Wechsel oder die Übergabe der Regentschaft, in: B, N (Hg.), Die Galerie der Starken Frauen, S. 64– 78, hier S. 78. L M, La Gallerie des Femmes fortes, S. 212. Vgl. C, Étude, S. 184, 196–200. T, L’accès des femmes, S. 296; vgl. auch L M, Les œuvres poétiques: La Femme forte – Ode premiere, S. 365. Außer den Werken von Le Moyne und Du Bosc vgl. auch Nicolas C, Les femmes, ses vertus et ses défauts, hg. v. Batild B, Paris 1864. Marin C  L C, L’art de connoistre les hommes, Amsterdam 1660, S. 147; Jean-François S, De l’usage des passions, hg. v. Christiane F, Tours 1987 [EA 1641], Teil 1, S. 108–111, 113. Pierre L M, Les Peintvres morales. De la doctrine des passions, Bde. 2–4, Paris 2 1669, Bd. 2, S. 269, 302, 314f., hier S. 302: »Il y a donc en nous quelque puissance souueraine qui n’est pas dans les bestes: nos passions ne sont pas sans chefs ny sans Loy comme les leurs: elles ont vn Magistrat [= die Vernunft] qui sçait bien se faire obeyr quand il commande serieusement«. Siehe René D, Œuvres et lettres, hg. v. André B, Brügge 1992: Les Passions de l’âme, S. 718, Art. XLVI. Vgl. Antoine O, Cvriositez françoises, povr svpplement aux Dictionnaires, Paris 1640, S. 468: »Raison fait maison .i. [sic] la raison establit toutes les choses« [Hervorh. im Orig.].

2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft

59

durch den Verstand zu kontrollieren, um ein tugendhaftes Leben zu führen39 . Dieses Vernunftkonzept fand außer bei Gelehrten und Moralisten auch bei den Frauen selbst Gehör, die darin Verhaltensvorgaben und die Möglichkeit erhielten, überkommene Werte neu zu reflektieren und daraus entsprechende Forderungen abzuleiten40 . Einmal mehr wird deutlich, dass der Akt der Sozialdisziplinierung, die Gerhard Oestreich treffend als »Fundamentalvorgang«41 bezeichnet, auch in Erziehung und Gesellschaft eine bedeutsame »geistig-moralische und psychologische Strukturveränderung«42 nach sich zog. Das Erstarken der Königsmacht führte zur Übertragung der politischen Werte auf die moralischen Ansprüche. Das Prinzip dieser neuen Ordnung war die raison bzw. eine vernunftgeleitete Betrachtung, die die honnêtes gens zur Selbstbeherrschung anhielt. Es galt, die wahren Gefühle zu unterdrücken und souverän aufzutreten43 ; es wurde erwartet, Gefühle und das eigene Verhalten völlig zu disziplinieren, sich selbst zu entindividualisieren, um einer einheitlichen gesellschaftlichen Norm zu entsprechen, die sich an idealtypischen Verhaltens- und Sprachvorgaben orientierte44 . Diese Norm war als Verpflichtung zur Selbstdisziplin zu verstehen, als eine Verpflichtung vor sich selbst, vor der Familie, vor dem eigenen Stand und damit letztlich vor der Gesellschaft insgesamt45 . 39

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Siehe dazu Colette H. W (Hg.), Protestations et revendications féminines. Textes oubliés et inédits sur l’éducation féminine (XVIe –XVIIe siècle), Paris 2002, S. 33; Susan J, Reason, the Passions and the Good Life, in: Michael A, Daniel G (Hg.), The Cambridge History of Seventeenth-Century Philosophy, Bd. 2, Cambridge 1998, S. 1358–1396, hier S. 1361, 1368–1373. René D, Œuvres de Descartes, hg. v. Victor C, 11 Bde., Paris 1824–1826: Discours de la méthode, Bd. 1, S. 210f. Vgl. Jürgen G, Französische Klassik, Stuttgart, Weimar 2005, S. 101. Gerhard O, Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, in: D. (Hg.), Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, Berlin 1969, S. 179–197, hier S. 187. Siehe auch Marshall B. J, Elizabeth R, Behavioral Contagion and the Rise of Convent Education in France, in: Journal of Interdisciplinary History 31/4 (2001), S. 489–521. O, Strukturprobleme, S. 188. Madeleine de Souvré, Marquise de S, Maximes de Mme de Sablé, in: François de L R, Réflexions ou Sentences et Maximes morales, hg. v. Jean L, Paris 1976 [EA 1678], S. 227–247, hier S. 237, Maxime 35. Siehe Dominique P, L’honnête homme et l’idéal moral du XVIIe et du XVIIIe siècle, in: Revue pédagogique 78 (1921), S. 79–99, hier S. 82–87, 95f.; O, Strukturprobleme, S. 193. Siehe Jean-Pierre D, L’honnête homme et la critique du goût. Esthétique et société au XVIIe siècle, Lexington 1981, S. 14, 88–92, 138; P, L’honnête homme, S. 82– 87, 95f.; Christoph S, Rhétorique de la conversation. Sa dimension littéraire et linguistique dans la société française du XVIIe siècle, Paris 1994, S. 157–160, 237f. Vgl. D, Œuvres de Descartes, Bd. 1, S. 134–137, 146–156; D., Règles pour la direction de l’esprit [ca. 1628], Paris 2007, S. 75–78, Règle 1; S. 100f., Règle 6; S. 131–139, Règle 12. C  L C, L’art de connoistre, S. 152: »[N]ous sommes nez pour la societé, & que la societé se considere comme un tout, dont chacun fait partie«; D-

60

2. Herrschaft und Repräsentation

Nicht nur Le Moynes und Du Boscs Überlegungen haben gezeigt, dass die neue Erkenntnis darin bestand, Bildung als wichtigste Grundlage für Moral anzuerkennen, anstatt wie bisher von den Mädchen und Frauen einfach nur zu erwarten, dass sie tugendhaft waren46 . Und hier setzte auch die Argumentation gegen all jene an, die sich dem widersetzten. Denn im Zuge der »Querelle des femmes« gab es nach wie vor Widerstand gegen die Forderungen nach einer gesellschaftlichen und pädagogischen Egalität der Frauen, weil ihnen weiterhin unterstellt wurde, anfälliger für moralische Korruption zu sein47 . Dem wurde aber zu Recht entgegengehalten, dass von Mädchen bzw. Frauen nicht verlangt werden könne, moralisch zu leben, wenn sie nicht zwischen Moral und Sünde zu unterscheiden vermochten48 . Aus diesem Grund leiteten im ausgehenden 16. sowie im 17. Jahrhundert eine Vielzahl gelehrter und schriftstellerisch tätiger Frauen – z. B. Catherine und Madeleine Des Roches49 , Louise Labé50 , Marie de Beaulieu51 , Charlotte de Brachart52 , Marie Le Gendre53 , Marie de Gournay54 , Anna Maria von

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49 50 51 52

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, Œuvres de Descartes, Bd. 1, S. 134–137, 146–156; D., Règles, S. 75–78, Règle 1; S. 100f., Règle 6; S. 131–139, Règle 12. Vgl. dazu D, L’honnête homme, S. 92; Jill K, Conceptions of Moral Philosophy, in: A, G (Hg.), The Cambridge History of Seventeenth-Century Philosophy, Bd. 2, S. 1279–1316, hier S. 1279, 1287, 1303. Es sei erinnert an François de G, L’honnête fille, hg. v. Alain V, Paris 2003 [EA 1639–1640]; A, Préface, in: D B, L’Honneste femme, s.p. Siehe auch Joan K, Early Feminist Theory and the »Querelle des Femmes«, 1400– 1789, in: Signs 8/1 (1982), S. 4–28. G, L’honnête fille, S. 219, 229, 297f.; G, Les dames illustres, Teil 2, S. 197. Vgl. René B, L’esprit de cour, ou Les conversations galantes, Brüssel 1664, S. 263, Conversation LXXVII; Marie L G, L’exercice de l’âme vertueuse, hg. v. Colette H. W, Paris 2001 [EA 1597], S. 76f. Catherine D R, Madeleine D R, Les secondes œuvres, hg. v. Anne R. L, Genf 1998 [EA 1585]: Dialogue de Placide, et Severe, S. 194. Louise L, Œuvres complètes, hg. v. Enzo G, Genf 1981, S. 17f. Marie de B, L’histoire de la Chiaramonte, Paris 1603, fol. 79r–80r, 100v–101v, 214v–221r. Charlotte de B, Harengve [. . . ] qui s’adresse aux hommes qui veuillent deffendre la science aux femmes, Chalon-sur-Saône 1604, S. 2, 7. Vgl. auch Thomas A, Discours contre la mesdisance. Si l’on peut dire que la vertu est plus rigoureusement punie que le vice, dialogue. Qu’il est bien séant que les filles soyent sçavantes, discours, Paris 1600. Marie L G, Cabinet des saines affections, Paris 1595. Marie de G, Égalité des hommes et des femmes. Grief des dames. Proumenoir de Monsieur de Montaigne, hg. v. Constant V, Genf 1993 [EA 1622], S. 44, 49, 56. Siehe Michel D, Cartésianisme(s) et féminisme(s), in: Europe 56 (1978), S. 73–86; Lula MD R, The Forerunners of Feminism in French Literature of the Renaissance, Paris 1929, S. 164. Vgl. auch Jean P, Discours sur la bienséance avec des maximes et des réflexions très importantes pour réduire cette vertu en usage, Den Haag 1689, S. 193f.

2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft

61

Schürmann55 , Madeleine de Scudéry56 , Jacquette Guillaume57 , Gabrielle Suchon58 oder Jeanne-Michelle de Pringy59 – aus der Überzeugung von der Gleichwertigkeit der Frau eine pädagogische Emanzipation ab60 . Auf dieser Grundlage sollte dann die Misogynität abgebaut werden61 . Eine Umwälzung der gesellschaftlichen Ordnung war jedoch nicht beabsichtigt, wie schon Christine de Pizan im 14. Jahrhundert betonte62 . Vielmehr sollte innerhalb der Grenzen des bestehenden gesellschaftlichen Systems ein geistiges Umdenken zu mehr Bildungsfreiheiten für die (adligen) Frauen führen63 . Sie sollten begreifen, dass sie nicht nur über die gleichen Fähigkeiten verfügten wie die Männer, sondern auch die gleichen moralischen Erwartungen erfüllen mussten64 . Folglich kam dem devoir-Motiv65 eine wichtige Funktion zu66 . Die Grundlagen dafür wurden bereits im Zuge von Humanismus und Gegenreformation geschaffen, als beständig die Funktion der Frau als Hüterin der gesellschaftlichen und religiösen Ordnung postuliert wurde67 . Das betraf 55 56

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Anna Maria von S, Qvestion celebre, s’il est necessaire ov non, que les Filles soient sçauantes, Paris 1646, S. 7–11. Sie hat in ihren Werken immer wieder das Recht der Frauen auf Bildung postuliert. Siehe Madeleine de S, Artamène, ou le Grand Cyrus, 10 Bde., Genf 1972 [EA 1649– 1653]: Histoire de Sapho, Bd. 10, S. 328–330; D., Les Femmes illustres, ou les Harangues héroïques, Vorwort v. Claude M, Paris 1991 [EA 1642]: Dialogue de Sapho et Erinna, S. 155f. G, Les dames illustres, Teil 2, S. 197. Gabrielle S, Traité de la morale et de la politique (1693), in: W (Hg.), Protestations et revendications féminines, S. 183–216, hier S. 185, 200f. Jeanne-Michelle de P, Les différens caracteres des femmes du siecle avec la description de l’amour propre, hg. v. Constant V, Paris 2002 [EA 1685]: Préface, S. 68. Siehe auch Madeleine L, Femmes, littérature, culture au XVIe siècle en France, in: H-D, V (Hg.), Femmes et pouvoirs, S. 101–119. François de B, Le fort inexpugnable du sexe féminin, Paris 1555, Teil 1, fol. 7v; P, La Cité des dames, Teil 1, S. 42, § III; Teil 3, S. 275, § XIX. Vgl. Charles P, Dialogue de l’amour et de l’amitié, Paris 1665, S. 29f. P, La Cité des dames, Teil 1, S. 51, § VIII; S. 55, § IX; S. 91f., § XXVII; S. 115, § XLIII; Teil 2, S. 178, § XXXVI. Claude B, Examen des préjugez vulgaires, pour disposer l’esprit à juger sainement de tout, Paris 1704, S. 64; Jean-Baptiste Morvan de B, Lettres curieuses de littérature et de morale, Paris 1702, S. 256f.; Hilarion de C, Les Éloges et les vies des Reynes, des princesses, et des dames illvstres en pieté, en Courage & en Doctrine, 2 Bde., Paris 1647: Av Lectevr, Bd. 1, s.p. D B, L’Honneste femme, S. 179. Siehe T, L’accès des femmes, S. 292– 303, 315. Vgl. R, Dictionnaire, Teil 1, S. 240, (Art.) »Devoir«: »Ce qu’on est obligë de faire par bienseance, par civilité, ou par obligation. [S’]aquiter de son devoir envers tout le monde«. T, L’accès des femmes, S. 288. Siehe Bonnie S. A, Judith Z, Eine eigene Geschichte. Frauen in Europa. Verschüttete Spuren. Frühgeschichte bis 18. Jahrhundert, 2 Bde., Frankfurt a.M. 1995, Bd. 1, S. 103–107; T, L’accès des femmes, S. 284, 286. Vgl. auch Simone de

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2. Herrschaft und Repräsentation

primär ihre Rolle in Ehe und Familie68 . Jean Bodin hatte ja die Unterordnung der Frau als legitim anerkannt, aber gefordert, dass sie nicht schlecht behandelt werden dürfe, sei sie doch eine wichtige Stütze und Gefährtin des Mannes innerhalb der göttlichen Ordnung69 . Seit dem Mittelalter, und dann vor allem in Kriegszeiten, waren es schließlich die Frauen, die die Güter verwalteten und den Fortbestand der politischen Macht ihrer Ehemänner gewährleisteten, indem sie das politische System des Feudalismus stützten70 . Das erklärt, warum Nicolas Caussin in der guten Lebensführung der Frauen den eigentlichen Faktor für die Stabilität des Christentums zu sehen glaubte: Führten sie ein moralisch integres Leben, erzogen sie ihre Kinder nach diesen Grundsätzen und lebten sie in der Öffentlichkeit Werte wie Nächstenliebe oder Fürsorge aus, erfüllten sie eine Vorbildfunktion, die zur Nachahmung anrege71 . Die von Montaigne kritisierte gesellschaftliche Verderbtheit war deshalb ein wichtiges Moment für die theoretische Betrachtung der Frauenfrage und für die praktischen Forderungen an die Frau. Die Versuche seit Heinrich IV., das höfische Leben und den Glanz des aristokratischen Standes wieder neu zu beleben, waren dazu ein erster Schritt, während literarische Werke72 , die Salonkultur und die theologische Debatte um eine moralischintellektuelle Gleichheit den theoretischen Rahmen zur neuen Weiblichkeit des 17. Jahrhunderts bildeten73 .

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B, Le deuxième sexe, 2 Bde., Paris 2006 [EA 1949], Bd. 1, Teil 2, S. 209–222; François de S  L M F, Éducation des filles, Paris 1687, S. 5; Z-D, Frauen, Politik und Macht, S. 189f. Siehe L M, La Gallerie des Femmes fortes, S. 269–271; M, Les Essais: De l’amitié, Bd. 1, S. 190; De l’utile et de l’honneste, Bd. 3, S. 803. Vgl. P. con. praec. 8; 11; 20; 34. Jean B, Les six livres de la République, Lyon 1579, S. 14–17. Siehe auch Pierre D, Mythologie de la femme dans l’Ancienne France, Paris 1983, bes. S. 17–32, 53–73; Claudia O, Männliche Souveränität, weibliche Subordination? Staatsbildung, Adelsherrschaft und Geschlechterordnung in Jean Bodins »Six Livres de la République«, in: Ronald G. A, Dagmar F (Hg.), Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, Köln, Weimar, Wien 2005, S. 291–319, hier S. 318. A, Z, Eine eigene Geschichte, Bd. 1, S. 348, 353–356, 367–370; T, L’accès des femmes, S. 312f. C, Les femmes, S. 36, 38. Vgl. B, Le fort inexpugnable du sexe féminin, Teil 1, fol. 1v: »[S]ans la Femme aucune maison & chose domestique ne peult auoir durée«. Allen voran die vielbändigen heroisch-galanten Romane von Honoré d’Urfé, Gautier de Coste de La Calprenède und Madeleine de Scudéry. Diese Ansicht vertritt auch T, L’accès des femmes, S. 303. Siehe Carolyn C. L, »Le Paradis des Femmes«. Women, Salons and Social Stratifications in Seventeenth-Century France, Princeton 1976, S. 11–40; G, Französische Klassik, S. 219. Vgl. etwa S, Artamène: Histoire de Sapho, Bd. 10, S. 328–330; D., Les Femmes illustres: Préface, S. 8, sowie ibid., S. 16, 21, 155f.

2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft

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Das in dieser Zeit stark ausgeprägte Interesse der aristokratischen Gesellschaft an der Kultur war auch ein Reflex der historischen Entwicklung74 . Die zunehmende Verdrängung aus der Politik kompensierte der Adel durch eine Hinwendung zur Salonkultur, eine Modifizierung der Etikette und durch die Ausbildung einer »Suprematie des adligen Kulturbewußtseins«75 , die dazu führte, sich nur um so stärker von der übrigen Bevölkerung durch einen klar definierten Wertekodex und neu formulierte ästhetische Normen abzugrenzen76 . Das führte zu einer ideologisch gefärbten Besinnung auf das eigene Standesbewusstsein und die Verpflichtungen, die der Status des Adels mit sich brachte77 . Die Definition adliger Werte speiste sich im Gegensatz zum 16. Jahrhundert nicht mehr primär aus militärischen Idealen, sondern die Aristokratie sah in der adligen Geburt selbst den existentiellen Ausgangspunkt für Standesprivilegien und verfeinertes Gebaren78 . Damit ging nicht nur eine starke Tendenz im Hinblick auf die Forderung nach einer umfangreicheren Erziehung von Mädchen und Frauen einher, sondern es wurden weitere Postulate aufgestellt. Das betraf in erster Linie die Zubilligung einer Gleichrangigkeit von Mann und Frau auf gesellschaftlicher Ebene, wofür die höfische Welt schon seit Längerem ein Beispiel war und die nun in der sich seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts entwickelnden Salonkultur einen noch nachhaltigeren Ausdruck suchte. Die Frauen erfuhren somit zwar einerseits eine Aufwertung, eine größere Anerkennung ihrer Leistungen und mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Zuge der steigenden Bedeutung der Salons und deren Beeinflussung des gesellschaftlichen Lebens sowie des höfischen Verhaltens und Geschmacks, andererseits waren sie nun aber umso enger in ein Korsett aus realistischen Erwartungen, galantem Idealismus und aristokratischen Distinktionen geschnürt79 . 74 75

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Johannes K, Absolutismus, Göttingen 2 1999, S. 68f. Vgl. E, Die höfische Gesellschaft, S. 330–335; G, Französische Literaturgeschichte, S. 143. Oskar R, Die Gesellschaft der »honnêtes gens«. Zur sozialethischen Grundlegung des »honnêteté«-Ideals bei La Rochefoucauld, Heidelberg 1981, S. 252f., 274–277; Roger L, Quelques remarques sur la réédition de l’Astrée en 1678, in: Jean J u. a. (Hg.), Mélanges offerts à Georges Couton, Lyon 1981, S. 129–136; Henning S, Höfische Konvention und die Aufklärung. Wandlungen des »honnête-homme«Ideals im 17. und 18. Jahrhundert, Bonn 1980, S. 74. Vgl. B, Heroinen, S. 38–41. Siehe dazu Ellery S, The Appearance and Reality of Nobility in France during the Wars of Religion: An Example of How Collective Attitudes Can Change, in: Journal of Modern History 48/1 (1978), S. 19–31, bes. S. 24–27. Mary V, Watteau’s Painted Conversations, London, New Haven 1992, S. 78. Vgl. dazu François de L M L V, Œuvres complètes, 7 Bde., Dresden 1756: De la Noblesse, Bd. 2, Teil 2.3, S. 418: »[L]a Noblesse nous porte à une civilité de mœurs qui s’est toûjours fait remarquer, & qui paroît sur tout lorsqu’on l’oppose aux rudes façons de faire d’un peuple grossier«. Siehe Helje P, De la femme savante à l’épouse soumise. Les idées de l’Abbé Du Bosc, de Mademoiselle de Scudéry et de Madame de Maintenon sur la femme comme lectrice,

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2. Herrschaft und Repräsentation

2.1.2 Die »femme forte«: moralische und politische Stärke Angesichts dieser Entwicklungslinien überrascht es nicht, dass das Ideal der »femme forte« in Frankreich vor allem zu Beginn und in der Mitte des 17. Jahrhunderts eine besondere Ausprägung erfuhr. So hat Saint-Gabriel in seiner Schrift »Le Mérite des dames« (1655) die objektive Frage aufgeworfen, warum Frauen aus Bereichen wie Wissenschaft oder Politik ausgeschlossen seien, obwohl es viele Beispiele für auf diesen Gebieten erfolgreiche Frauen gebe80 . Wer den Haushalt leiten und alles in Ordnung bringen könne, sei auch imstande, den Staat zu lenken81 . Es handelte sich natürlich nur um eine rhetorisch überspitzte Argumentation, aber genau das macht SaintGabriel zu einem geistigen Vorläufer all jener, die zumindest im Rahmen einer Regentschaft die Herrschaft einer Frau durchaus für legitim erachteten – sein Buch war schließlich Anna von Österreich gewidmet82 . Die Regentschaftsperioden regten in der Tat zu einer Auseinandersetzung mit den Fähigkeiten des weiblichen Geschlechts an83 . Hatte Le Moyne konstatiert, der Verstand habe kein Geschlecht84 , so attestierten Du Bosc und Pesciony, in Anlehnung an Plutarch, auch der Tugend Geschlechtslosigkeit85 . Zugleich wurde der Begriff »femme forte« damit zu einer gängigen Bezeichnung für all jene Frauen, die sich zwar nicht grundsätzlich gegen gesellschaftliche Normen auflehnten, aber deren Stärke sich in selbstbewusstem Auftreten und Handeln manifestierte – weibliche Stärke ging mit moralischer Größe einher, die sich im Verhalten gegenüber Ehemann, Kindern und allgemein gegenüber der Gesellschaft zeigte86 . Daher ist die pauschale Darstellung der »femme forte« als eine von maskulinen Eigenschaften und Handlungsweisen geleitete Frau, wie sie gern von der Gender-Forschung suggeriert wird, in dieser Form nicht zulässig. Ohne Zweifel trifft dies auf einige militant anmutende und agierende Frauen, bei-

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83 84 85 86

in: Isabelle B-A (Hg.), Lectrices d’Ancien Régime, Rennes 2003, S. 567– 573; Ernst von S, Fénelon und die Literatur der weiblichen Bildung in Frankreich, Langensalza 1886, S. 95f.; T, L’accès des femmes, S. 244. S-G, Le Mérite des dames, Teil 3, S. 218f. Ibid., S. 229. Siehe dazu auch François P  L B, »Die Gleichheit der Geschlechter« und »Die Erziehung der Frauen«, hg. v. Irmgard H, Frankfurt a.M. 1993 [EA 1673– 1674]: Die Gleichheit der Geschlechter, bes. S. 93–98, 115–129, 139–155, 162–166. Siehe auch Ian M, Woman Triumphant. Feminism in French Literature, 1610– 1652, Oxford 1977, S. 64–86, bes. S. 76f.; M, Les précieuses, S. 135, 139. L M, La Gallerie des Femmes fortes, S. 42f. D B, La Femme heroïque: Frontispice, Bd. 1, s.p.; P, Oraison, S. 21. Siehe Jean-Baptiste B, Oraison fvnebre d’Anne d’Avstriche, Aix-en-Provence 1666, S. 3: »[Anne d’Autriche] a été cette Femme Forte de laquelle parle le Sage dans ces Prouerbes, dont la vertu a été si rare, qu’elle a passé pour un prodige«, sowie ibid., S. 21; François F, Oraison fvnebre de la Reyne Mere dv Roy, Paris 1666, S. 17. Vgl. Sprüche Salomos 31,10–31.

2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft

65

spielsweise während des Dreißigjährigen Krieges oder der Fronde, zu – es sei etwa an die lothringische Adlige Alberte-Barbe de Saint-Baslemont oder an Mlle de Montpensier, Anna von Österreichs Nichte, erinnert87 . Allerdings handelte es sich dabei nur um eine Handvoll (hoch-)adliger Damen. Tatsache ist aber, dass das gängige Bild einer »femme forte« im 17. Jahrhundert das Bild einer moralisch vorbildlichen und frommen Frau war, weshalb es nicht zuletzt als Folie für Königinnen und Regentinnen geeignet schien, an die seit jeher hohe moralische Ansprüche gestellt wurden und denen ein Vorbildcharakter zugestanden wurde88 . Dies umso mehr, wenn es für sie darauf ankam, im Rahmen einer zeitweiligen Machtausübung die eigene Herrschaft und deren Rechtmäßigkeit mithilfe eines ikonographischen Programms nachhaltig zu legitimieren. Das heißt, das Ideal der starken Frau war eben nicht ein simples Phänomen, das durch »Tugendtraktate der Kirche« gekennzeichnet war, »in denen im neuen Gewand der femme forte das Gebot der Keuschheit als die eigentliche Stärke der mulier domestica die Geschlechterpolarität« fortsetzte, wie Bettina Baumgärtel meint89 . Ein solcher Rückschluss erscheint umso befremdlicher, zumal es hier um eine Epoche geht, in der Kirche und Gesellschaft aufs Engste miteinander verwoben waren, sodass scheinbar rein kirchliche Denkmuster oft von übergreifender Relevanz waren und die Reflexionen einen breiten gesellschaftlichen Konsens im Hinblick auf die Moral und Tugend einer Frau widerspiegelten. Bei der Präsentation vorbildlicher Frauen griffen Autoren wie Le Moyne oft auf die »Galerie des femmes fortes« des Malers Claude Vignon zurück und boten dem interessierten Leser neben Beispielen aus der griechisch-römischen Geschichte auch Vorbilder aus biblischen Erzählungen90 . Im Gegensatz zu bedeutenden Männern, deren Taten einen individuellen Ausdruck ihres Charakters implizierten, fällt auf, dass Frauen eher im Rahmen ihrer Lebensphasen – Jungfräulichkeit, Ehe, Witwenstand – und gemäß den Kardinaltugenden in Kategorien eingeordnet wurden, um auf diese Weise zugleich eine »Progression der Zeitalter von Heiden-, Juden- und Christentum« zu schaffen und sie »für universalgeschichtliche Zusammenhänge und ethische Leitmuster« zu instrumentalisieren91 . Zugleich war dieses Vorgehen aber ein wichtiges Ele87 88

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Siehe Micheline C, La dernière des Amazones: Madame de Saint-Baslemont, Nancy 1992, passim; S, Der Typus der Amazone, S. 84–92, 97f. Renate K, »Femme forte«: Sozialtypus und imaginierte Existenz in der französischen Kultur des 17. Jahrhunderts, in: Papers on French Seventeenth-Century Literature 19/36 (1992), S. 71–95, hier S. 86–88. Bettina B, Zum Bilderstreit um die Frau im 17. Jahrhundert. Inszenierungen französischer Regentinnen, in: Querelles. Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung 2 (1997), S. 147– 182, hier S. 150 [Hervorh. im Orig.]. Siehe dazu Patrick R, Une source d’inspiration du XVIIe siècle: »la Galerie des femmes fortes«, de Claude Vignon, in: Bulletin des Amis du musée de Rennes 4 (1980), S. 19–26, bes. S. 19. Michael W, Heldinnengalerie – Schönheitengalerie. Studien zu Genese und Funktion weiblicher Bildnisgalerien 1470–1715, Diss. Universität Heidelberg (2001), S. 43f.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Abbildung 2: Kupferstich aus »Emblèmes divers« von Jean Baudoin (1638–1639).

2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft

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ment der »proto-feministischen« Literatur, das half, das gängige Frauenbild positiv zu beeinflussen, denn die Stärke einer Frau wurde, den überkommenen Vorstellungen entsprechend, als charakterliche Schwäche ausgelegt, weil dies nicht dem ›typisch‹ Weiblichen ihres Wesens entspreche92 . Diese Vorstellung hielt sich noch bis ins 18. Jahrhundert; in der Schrift »Portrait de la femme forte et vertueuse« (1729) zählte der Autor die Eigenschaften einer »femme forte« auf: Sie pflege einen tugendhaften Lebenswandel, habe stets ihr Seelenheil im Auge, unterstütze ihren Mann, sorge für eine christliche Erziehung der Kinder, behandele ihre Diener gut, fröne keinen Lastern und sei wohltätig93 . Schon Fénelon hatte einen ähnlichen Wertekatalog aufgestellt94 . Eine wahrhaftig starke Frau zeichnete sich folglich dadurch aus, dass sie Anteil an der religiösen Gestaltung der Gesellschaft nahm95 . Derartige Vorstellungen gingen auf die biblische Darstellung starker Frauen zurück96 . Jean Baudoin hat dazu in seinen »Emblèmes divers« (1638–1639) ein ähnlich prägnantes Beispiel geliefert97 : Eines der Embleme zeigt eine Frau – Pallas Athene – in einem griechischen Gewand, die einen Helm, einen Schild sowie eine Lanze trägt und der sich ein Ungeheuer nähert98 (Abb. 2). Die Abbildung steht unter dem Motto: »Qu’il faut auoir soing de la Pudicité des Filles«. Es geht also um die Sittsamkeit junger Mädchen und Frauen; demnach könnten sie ihre Tugend nur wahren, wenn sie stets wachsam sind und sich allen Versuchungen, für die der Drache symbolhaft steht, kämpferisch entgegenstellen99 . Und obwohl das Emblem auf die Gefahren verweist, 92 93 94

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Vgl. dazu Catherine P, La tradition des »femmes illustres« aux XVIe et XVIIe siècles, Diss. Universität Montpellier 3 (2001). [A], Portrait de la femme forte et vertueuse. Tiré de l’Écriture Sainte, Paris 1729, passim. Siehe dazu Sprüche Salomos 31,10–31. François de S  L M F, Portrait de la femme forte, in: Vincent B (Hg.), Économie domestique et rurale chez Xénophon, Grenoble 1863, S. 101–103. Jean-Joseph S, Correspondance, hg. v. Michel de C, Brügge 1966: Introduction, S. 65. L M, La Gallerie des Femmes fortes: La Femme forte – Ode seconde, S. 366f. In der lateinischen Fassung der Bibel findet sich denn auch die Bezeichnung der »mulier fortis«, zit. n. Sprüche Salomos 31,10. Die Stärke biblischer Frauen bezieht sich natürlich auf Tugendhaftigkeit und Glaubenskraft, die sie in jeder Lebenssituation bzw. gerade in Krisenzeiten an den Tag legten; zu den bekanntesten Beispielen aus dem Alten und Neuen Testament gehören etwa Debora, Judith, Esther, Maria (und ihre in apokryphen Schriften erwähnte Mutter Anna). Jean B, Emblèmes divers, 2 Bde., Paris 1989 [EA 1638–1639]: Qu’il faut auoir soing de la Pudicité des Filles. Discovrs XLII, Bd. 1, S. 442–444. Eine solche Beschreibung der wehrhaften Athene findet sich bereits bei H. Il. V, 736– 741. Siehe dazu Georg F. D, (Art.) »Athena«, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft 2/2 (1896), Sp. 1941–2020, hier Sp. 1944; M, »La chance d’être femme?«, S. 66f. B, Emblèmes divers: Qu’il faut auoir soing de la Pudicité des Filles. Discovrs XLII,

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2. Herrschaft und Repräsentation

denen junge Frauen ausgesetzt sein konnten, ist es doch positiv konnotiert, weil die Tugend und damit die Stärke der Frauen, sich moralischen Verfehlungen zu widersetzen, verherrlicht werden100 . Diesen Topos hat auch Suzanne de Nervèze in ihrer Schrift »Les generevx movvemens d’vne dame heroïque & pieuse« (1644) aufgegriffen; sie vergleicht Anna von Österreich mit der Göttin Diana, die ihre Tugend stets verteidigte101 . Aus diesem Grund muss die in der Forschung ebenfalls immer wieder vorgebrachte Interpretation zurückgewiesen werden, es handele sich bei derartigen Darstellungen um gezielt androgyne, virile Frauengestalten oder gar um emanzipatorische Postulate, als die sie in der Rückschau gern gesehen werden. Derartige Auslegungen sind in dieser Form nicht zutreffend und müssen stattdessen vor dem historischen Hintergrund interpretiert werden102 . Dem Ideal der starken Frau lag, wie oben angemerkt, im Gegensatz zu Renate Krolls Behauptung nicht das klassische, antike Bild der Amazone zugrunde103 . Dieses Bild diente nur als Mittel zum Zweck: Die wehrhafte Aufmachung, mit der die starke Frau dargestellt wurde, diente nämlich, ganz so wie von Baudoin erklärt, der Verteidigung weiblicher Tugend und Moral, die für jede Frau einen individuellen Kampf darstellte104 . Das Ziel bestand darin, eine Annäherung zwischen traditionellen Sichtweisen zur Weiblichkeit und den Forderungen der mondänen Welt herbeizuführen105 . Unter diesem Blickwinkel sind entsprechende amazonenhafte Darstellungen bestimmter adliger und königlicher Frauen zu verstehen106 . Ein weiterer Beleg für diese AnnahBd. 1, S. 442f. Siehe Jean-Baptiste de C, Les hevrevx avgvres dv triomphe de Lovis Qvatorsiesme Roy de France et de Navarre sur tous les Rois du Monde, Paris 1665, S. 111f. 100 Bei D, Le Theatre de la noblesse, Bd. 2, S. 36, heißt es: »Au reste ie puis bien dire, que les femmes son[t]s armées comme des Pallas, & que le rusé Cupidon ne peut les blesser de ses fleches, quand elles possedent la science«. Eine vergleichbare Darstellung findet sich schon bei Giovanni B, Dames de renom, Lyon 1551, S. 33f. Siehe außerdem L M, Les œuvres poétiques: La Femme forte – Ode premiere, S. 365. 101 Suzanne de N, Les generevx movvemens d’vne dame heroïque & pieuse, Paris 1644, S. 44f. 102 Vgl. Abby Wettan K, The War Against the Amazons, New York u. a. 1983. Sie weist darauf hin, dass der Mythos der Amazonen im Hinblick auf ihre Eigenschaften als tapfere Heerführerinnen und Kämpferinnen im Frankreich des 17. Jahrhunderts ganz offensichtlich keine Bedeutung mehr hatte. 103 K, »Femme forte«, S. 79. Vgl. auch C, Devises, S. 109. 104 Siehe auch M, Les précieuses, S. 137. 105 Vgl. T, L’accès des femmes, S. 328. Zugleich ermöglichten es derartige Ausgleichsbemühungen, jeden Vorwurf des Subversiven zu entkräften, siehe ibid., S. 338. 106 Vgl. auch Mélanie A, Les mémoires de Madame de Motteville: du dévouement à la dévotion, Nancy 2003, S. 71; B, L’iconographie, Bd. 1, S. 218. Eine Ausnahme bildete – wenn überhaupt – die Fronde-Zeit, als das amazonenhafte Auftreten einiger adliger Damen für eine (sehr) kurze Zeit tatsächlich mit einem konkreten militärischen Agieren assoziiert wurde. Siehe François de P, Philippe de V, Journal du voyage de deux jeunes Hollandais à Paris en 1656–1658, hg. v. Armand-Prosper F, Léon M, Paris 1899, S. 280, Eintrag v. 18.09.1657.

2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft

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me findet sich in Jean Puget de la Serres 1644 erschienener Schrift »Le Portrait de la Reyne«107 . Am Beispiel von Anna von Österreich hat er noch einmal ganz explizit die moralische Wertigkeit der »femme forte« betont, auf ihren biblischen Ursprung hingewiesen und damit den Interpretationsrahmen unmissverständlich abgesteckt: [C]e sexe, qui ne peut s’éleuer au dessus de son te[m]perament, tire sa force de sa vertu plûtôt que de sa nature, & c’est ce qui oblige le sage sans doute à mettre vne femme forte au rang des merueilles du monde. [La femme forte] paroît aux yeux de toute la terre sous le visage de nôtre Auguste Reyne, comme la plus Genereuse, & la plus Magnanime qui fut jamais. Ouy c’est céte femme forte de l’Escriture que le Sage auoit cherchée inutilement, dans tous les siecles108 .

Es ging also nicht zuletzt um die Stärke, irdischen Genüssen und Lastern zu widerstehen, was nur durch unerschütterliches Gottvertrauen und Gottesfurcht möglich zu sein schien. Mit dem Ideal der »femme forte« assoziierten die Zeitgenossen letztlich all jene christlich-moralischen Eigenschaften, die Anna von Österreich in einer idealtypischen Form zugeschrieben wurden109 . Daher verwundert es nicht, dass die »femme forte«-Metaphorik nicht nur für die grundsätzliche Beschreibung der Frauen herangezogen wurde, sondern insbesondere eine wiederkehrende Rolle im Rahmen der Verherrlichung der Königin im Zuge aktiver politischer Machtausübung spielte, indem ihre Stärke beständig thematisiert wurde110 . Werden die verschiedenen Lobschriften und Nachrufe auf Anna von Österreich betrachtet, sticht dies in der Tat immer wieder hervor. Infolge der – wenn auch nur vorübergehenden – Teilhabe an der Macht hatten die Königinnen bekanntlich Zugriff auf eine Herrschertugend, die in Frankreich eigentlich nur den Königen vorbehalten war. Galt somit für die gewöhnliche (adlige) Frau als einziger Maßstab, moralische Stärke zu haben, so war für die Königinnen in ihrer Eigenschaft als Regentinnen eine Verknüpfung moralischer mit politischer Stärke nur ein konsequenter Schritt – über Anna von Österreich heißt es dazu: »[P]our l’administration de son [= der König] État, il faut que la fermeté du cœur d’une régente s’élève au-dessus de la faiblesse ordinaire d’une femme«111 . Und der Schriftsteller Gerzan ergänzte: »[L]a 107 108 109

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Eine erste Ausgabe war bereits 1634 erschienen. P   S, Le Portrait de la Reyne, S. 112f. Charles M, La bien-venve de Monseignevr le Davphin. À la Reine Mere, Paris 1662, S. 49: »Puis donc qu’il a eu la bonté de nous donner Vostre M[ajesté], plus genereuse que les Amazones, plus misericordieuse que Iudith & Hester, vraye imitatrice de Sainte Anne, son ayeule, en pieté & devotion«. Siehe z. B. L M, La Gallerie des Femmes fortes: Epistre, s.p.; V, Oraison, S. 46. Vgl. Sharon L. J, The Monstrous Regiment of Women. Female Rulers in Early Modern Europe, New York 2002, passim. L B, Oraison, S. 22. Siehe auch Louis V, Eloge fvnebre de la feve Reine Mere Anne Marie d’Avstriche, Blois 1666, S. 24: »Notre Reine admirable gouvernoit l’état pendant sa Regence, avec toute la sagesse que peut apporter vne femme forte«.

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2. Herrschaft und Repräsentation

prudence112 de cette illustre Princesse nous faict voir dans son heureux gouuernement, que le sexe des femmes ne doit point ceder à celuy des hommes, en cette vertu de la Politique, non plus qu’en toutes les autres«113 . Natürlich dienten derartige Lobeshymnen nicht nur dazu, der Königin zu schmeicheln, sondern leisteten auch einen Beitrag zur Festigung ihrer Machtposition. Die reale Machtausübung einer Frau war auch weiterhin nicht völlig unproblematisch. Die Zurückdrängung der Frau aus der politischen Sphäre resultierte aus der klar definierten Einteilung in männliche und weibliche Aufgabenbereiche114 . Schließlich wurde auch von einer Königin erwartet, ein tugendhaftes Leben zu führen und einen Thronfolger zu gebären115 . Sie wurde außer mit dem Status einer keuschen Frau gleichsam mit den Attributen der Frömmigkeit und Barmherzigkeit versehen, also mit den christlichen Werten, die eine Frau im Allgemeinen und eine Königin im Besonderen auszeichnen sollten, weshalb, anders als von Katherine Crawford behauptet, gerade im Falle einer Regentin keineswegs ein Widerspruch bestand zwischen der Verherrlichung als starker Frau und der Inszenierung als treu sorgender Mutter116 . Zwar war der hohe Status der Königin seit dem 16. Jahrhundert auch ein Ergebnis der Bedeutungssteigerung des Hofes und des gewachsenen Kultes um den König117 . Aber dies war auch der Tatsache geschuldet, dass die Königinnen als Regentinnen immer wieder aufgrund der Abwesenheit oder der Unmündigkeit des Königs die Staatsgeschäfte leiteten118 . Als Frauen mussten 112

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Die prudence wurde zum Maßstab weiblicher Herrschaft: »Les histoires sont pleines de femmes qui ont gouverné des empires avec une singulière prudence, qui ont acquis de la gloire en commandant des armées, et qui se sont fait admirer par leur capacité. La politique n’a point de secrets qu’Isabelle de Castille, Isabeau d’Angleterre, la duchesse de Parme, et Catherine de Médicis, dans notre dernier siècle, n’aient sus et pratiqués«, zit. n. Anne Marie Louise d’Orléans, duchesse de M, Lettres de Mademoiselle de Montpensier, de Mesdames de Motteville et de Montmorenci, de Mademoiselle Du Pré, et de Madame la Marquise de Lambert, Paris 1806, S. 41, Brief v. Mme de Motteville an Mlle de Montpensier (s.d. [Mai 1660?]). François Du Soucy, sieur de G, La Science des Sages et le Triomphe des Dames, Paris 1647, S. 197f. [Hervorh. im Orig.]. Antoine L, Institutes coutumières, hg. v. André-Marie-Jean-Jacques D, Édouard L, 2 Bde., Paris 1846 [EA 1607]: Livre préliminaire, Bd. 1, S. 3, Titre 2, Nr. 1. Siehe Anja Victorine H, Zwischen Geschlechterordnung und politischer Ordnung. Herrscherinnen und Regentinnen in der Frühen Neuzeit, in: Johannes A, Ronald G. A, Matthias S (Hg.), Die frühneuzeitliche Monarchie und ihr Erbe, Münster 2003, S. 135–152, hier S. 137f. Siehe Monique C, (Art.) »Reines de France«, in: B (Hg.), Dictionnaire de l’Ancien Régime, S. 1074–1077, hier S. 1074, 1077; Gerd T, Die französischen Königinnen, Wiesbaden 2001: Einleitung, S. 16f. Katherine C, Perilous Performances. Gender and Regency in Early Modern France, Cambridge, London 2004, S. 101. B-B, Les femmes à l’époque moderne, S. 89–92; T, Die französischen Königinnen, S. 20. Étienne C  S-M, Oraison fvnebre d’Anne d’Avstriche, Paris 1666, S. 9. Siehe auch BNF, Mss., Mélanges Colbert 54, G, Oraison funebre [d’Anne

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sie sich allerdings umso mehr durch Intelligenz und Stärke auszeichnen, um ihre Ziele umzusetzen und Anerkennung zu finden119 . Trotz des Umdenkens im Hinblick auf die Stellung der Frau und ihrer Fähigkeiten gab es nach wie vor kritische Stimmen120 . Mit der Festigung der Monarchie im Mittelalter wurde das Salische Recht und damit der Ausschluss der Frauen von der Thronfolge zum Bestandteil der französischen Rechtsordnung121 . Claude Malingre führte diese Entwicklung nicht nur auf die Primogenitur in Frankreich zurück, sondern auf die traditionelle Sicht der Frau als zartes Geschlecht und der daraus angeblich resultierenden intellektuellen Unfähigkeit zur Ausübung der Regierungsgeschäfte122 . Allerdings sind derartige Äußerungen trotzdem meist weniger als rein misogyne Tendenzen zu verstehen, sondern eher als das Ergebnis einer überkommenen moralischen Entwicklungstradition. Wie Malingre begründete etwa auch Cardin Le Bret die Unfähigkeit der Frau zum Herrschen mit ihrer körperlichen und geistigen Unterlegenheit123 . Eine Ausnahme bildete der Rechtsgelehrte Cornelius Jansen, der zu dem Schluss kommt, dass sich das Salische Recht keineswegs auf die Kronrechte beziehe und es sich dabei vielmehr um ein Produkt des Gewohnheitsrechtes handele124 . Darin sieht der Schriftsteller Brantôme jedoch eine juristische Korrumpierung, und die Dichterin Jacqueline de Miremont spricht gar von Betrug am weiblichen Geschlecht125 .

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d’Autriche], prononcée à Rome dans l’église de St. Louis (1666), fol. 302r–317r, hier fol. 308r; Pierre D, Traité de la majorité de nos rois et des régences du royaume, 2 Bde., Amsterdam 1722 [EA 1655], Bd. 2, S. 329. L M, Les œuvres poétiques: La Gallerie des Femmes fortes – Anne d’Autriche, XXIIe sonnet, S. 431: »Et pour faire fleurir vn Etat sous mes loix, / Si je n’ay le sexe des Rois, / J’en ay receu du Ciel, l’Esprit & le Courage«. Vgl. Paul S, Œuvres, 7 Bde., Genf 1970 [EA 1786]: À la Reine-Mère, Bd. 7, S. 52. Vgl. Gustave R, La femme au XVIIe siècle, ses ennemis et ses défenseurs, Paris 1929, bes. S. 30–63. Siehe Fanny C, Isabelle P, Monarchies espagnole et française, 1550– 1714, Neuilly 2001, S. 179–183; Paul V, Comment les femmes ont été exclues en France de la succession à la couronne, Paris 1893. Claude M, Traicté de la loy Salique, Paris 1614, fol. 44r–44v, 50v–51r, 56v–58r. Siehe auch Jacques-Bénigne B, Politique tirée des propres paroles de l’Écriture sainte, hg. v. Jacques L B, Genf 1967 [EA 1709], S. 58f., Art. I, Proposition XI; Gratien du P, Les controverses des sexes masculin et féminin, Toulouse 1534, fol. LXXVv. Cardin L B, De la Sovveraineté dv Roy, in: D. (Hg.), Les Œuvres de Messire C. Le Bret, Paris 2 1643, S. 1–354, hier S. 16. Selbst eine Königin habe sich deshalb nur um den königlichen Haushalt zu kümmern (ibid., S. 22f.). Cornelius J, Le Mars françois, ou La guerre de France, s.l. 3 1637, S. 128f., 131f. Pierre de Bourdeilles de B, Recueil des Dames, poésies et tombeaux, hg. v. Étienne V, Paris 1991, Teil 1, S. 140; Jacqueline de M, Apologie pour les dames (1642), in: W (Hg.), Protestations et revendications féminines, S. 68–141, hier S. 109, V. 1026f. Siehe dazu D, Le Theatre de la noblesse, Bd. 2, S. 7; N, Apologie en faveurs des femmes, S. 83–92; S, Traité de la morale et de la politique, S. 184, 204f.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Abgesehen von Jansen, Brantôme und Miremont oder den Engländern John Leslie126 und Nahum Tate127 gab es kaum jemanden, der das Salische Erbrecht derart deutlich als klare Fehlinterpretation auswies. Gleichwohl blieben derartige Reflexionen meist ungehört bzw. stießen eher auf Ablehnung, weil viele darin eine potentielle Bedrohung der überkommenen Ordnung sahen128 . Vielmehr bestand bei vielen keinerlei Zweifel, dass das Salische Gesetz auf den angeblich ersten französischen König, Pharamond, zurückging129 . In Frankreich war somit eine Machtausübung der Königin nur möglich, wenn der Thronfolger beim Tod seines Vorgängers unmündig war, also das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. De jure herrschten die Königinnen zwar während der Minorität des Dauphins nur in seinem Namen, aber de facto lagen die Entscheidungsgewalt und damit die Machtkompetenzen bei ihnen130 . In Bezug auf eine Regentin schwang aber neben der Infragestellung ihrer politischen Führungskompetenz immer auch der Vorwurf mit, die Interessen ihres Geburtslandes über diejenigen Frankreichs zu stellen. In diesem Sinne ist ein Gerichtsbeschluss vom 23. Juni 1593 zu verstehen, wonach es ausländischen Prinzen und Prinzessinnen verboten war, durch die Ehe mit einem Mitglied der französischen Königsfamilie rechtliche Ansprüche auf die Krone geltend zu machen131 . Zugleich mussten diese Personen ihrerseits auf Erbansprüche in ihrem Heimatland verzichten132 . Tatsächlich sah sich auch Anna von Österreich nach dem Regentschaftsantritt dem Vorwurf ausgesetzt, nun die spanischen Interessen zu begünstigen und etwa die (noch) andauernden Kriegshandlungen bald einzustellen. Jedoch zeigte sich sehr schnell, dass derartige Vorwürfe unbegründet waren. Vielmehr trat die Königin vehement für 126

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John L, A defence of the honour of the highe, mightye and noble Princesse Marie Quene of Scotlande and dowager of France, London 1569, fol. 136v, 137r; D., De illvstrium fœminarvm in Repvb. administranda, ac ferendis legibus authoritate, Libellus, Reims 1580, fol. 2v, 7r. Nahum T, A present for the Ladies: Being an Historical Account of Several Illustrious Persons of the Female Sex, London 1693, bes. S. 96–101. L B, De la Sovveraineté dv Roy, S. 17. Gautier de Coste de L C, Faramond, ou l’Histoire de France, 12 Bde., Paris 1664–1670: Epistre, Bd. 8, S. 5f.; Bd. 12, Teil 12, S. 375; François Eudes de M, Abrégé chronologique de l’histoire de France, 6 Bde., Amsterdam 1696, Bd. 1, Teil 1, S. 15. Mit dem lit de justice übertrug der junge König seine Autorität offiziell, wenn auch temporär, auf seine Mutter. Siehe G, Macht-Wechsel, S. 65–67; T, Die französischen Königinnen, S. 19, 21f. Parlement de Paris, Arrest de la covr de Parlement de Paris, contre l’establissement d’vn Prince ou Princesse Estrangers, Paris 1593, S. 5. Vgl. Fanny C, Europäische Konstruktion oder Familienstrategien? Die Heiratspolitik der französischen Herrscher, in: Klaus B, Elke Anna W (Hg.), Europa im 17. Jahrhundert. Ein politischer Mythos und seine Bilder, Stuttgart 2004, S. 323–332, hier S. 324–326. Siehe Monique V, Les contrats de mariages dans la famille royale en France au XVIIe siècle, Paris 1953, S. 98–108.

2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft

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die französischen Interessen ein133 . Sie suchte jeglichen Verdacht der Parteilichkeit zugunsten ihrer Familie zu zerstreuen, weil ihr einziges Ziel darin bestand, Thron und Reich für ihren Sohn zu sichern134 . So erklärte Mazarin dem Stadtrat von Barcelona: »[Q]uoy qu’elle soit du sang d’Austriche, ie puis asseurer nos Seigneuries qu’elle n’en a retenu sinon la Noblesse Et que toutes ses passions uont à la gloire du Roy son fils, et au bien de ses Estats«135 . Trotz des Salischen Erbrechts in Frankreich bestand für Königinnen folglich zumindest die Möglichkeit einer vorübergehenden Amtsausübung in Form einer Regentschaft für einen noch minderjährigen König136 . Dies wurde primär mit der natürlichen Mutter-Kind-Beziehung in Verbindung gebracht, da die Mutter nur das Beste für ihren Sohn wünschte und meist uneigennütziger handelte als ein männlicher Angehöriger137 . Gleichwohl wurde der Machtumfang, den eine Regentin erhielt, im Vorfeld von ihrem Gemahl bestimmt. Zwar hatte Karl VI. einst festgelegt, dass der Regentin ein Rat zur Seite gestellt werden sollte138 . Offen blieb aber, ob und inwieweit sie an die Entscheidungen eines solchen Rates gebunden war. Ludwig XIII. hatte daher – nicht zuletzt aufgrund seines tiefen Misstrauens gegenüber Anna von Österreich – ausdrücklich die Besetzung des Rates und die Anzahl der Ratsmitglieder vorgeschrieben und verfügt, dass gerade bei weitreichenden Entscheidungen, wie über Krieg und Frieden, mit Stimmenmehrheit Beschlüsse gefasst werden sollten, um zu verhindern, dass sich die gesamte Regierungsmacht in den Händen der Königin konzentrierte. Sie und der Bruder des Königs, Gaston de Bourbon, Duc d’Orléans, mussten sich überdies mit einem Eid verpflichten, diese Entscheidung zu akzeptieren139 . Nachdem der König gestorben war, fühlte sich Anna von Österreich nicht mehr an ihren Eid gebunden. Eine Regentschaft stellte nun einmal eine 133

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M, Panegyrique et Oraison, S. 12, versucht, diese Vorwürfe auszuräumen und die Leistungen der Königin für Frankreich und Ludwig XIV. zu würdigen, indem er sie als »la Consolatrice des Princes & Princesses, la Mediatrice de la Cour, l’Azyle de toute la Chrestienté, & la Protectrice de la France« bezeichnet. Leopold von R, Französische Geschichte, hg. v. Willy A, 2 Bde., Essen [2002], Bd. 2, S. 114. BNF, Mss., Dupuy 598, Brief v. Mazarin an den Stadtrat von Barcelona (13.07.1643), fol. 120r. Siehe Brigitte H, (Art.) »Anna (»Anne d’Autriche«)«, in: D. (Hg.), Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, München 3 1988, S. 58f., hier S. 59. Vgl. Fanny C, De lance en quenouille. La place de la reine dans l’État moderne (XVIe –XVIIe siècle), in: Annales. Histoire, sciences sociales 52/4 (1997), S. 799–820. René C, Œuvres, Bd. 2: Traité dv domaine de la Covronne de France, Paris 1662, S. 379, Titre 5, Nr. 3; D, Traité de la majorité, Bd. 1, S. 43, 49f.; Journal des sçavans, April 1712, S. 220. Siehe auch F, Oraison fvnebre d’Anne d’Avtriche, Paris 1666, S. 20. Vgl. Sophie V, De la guerre civile comme vecteur d’émancipation féminine: l’exemple des aristocrates frondeuses (France, 1648–1653), in: Genre & Histoire 6 (2010), URL: http://genrehistoire.revues.org/index932.html [abgerufen: 15.06.2015], Absatz 5;  K, Catherine de Médicis, S. 90f. D, Traité de la majorité, Bd. 1, S. 26, 35f., 306. Ibid., Bd. 2, S. 337–340. Diese »Déclaration« wurde im April 1643 erlassen.

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2. Herrschaft und Repräsentation

konkrete Machtkompetenz dar, da sie im Namen des minderjährigen Königs herrschte140 . Daher kam es auch 1643 sogleich zu Verhandlungen mit dem obersten Gerichtshof (parlement) und zur schnellen Einberufung eines lit de justice, in dessen Verlauf der Königin die umfassende Herrschaftsgewalt für die Dauer der Regentschaft zugesprochen wurde, denn dies erschien sicherer als eine Machtteilung im Rahmen eines Rates, dem nun lediglich die Rolle eines Beratungsgremiums zukam. Damit setzte sich Anna von Österreich über den letzten Willen des Königs hinweg und sicherte sich die alleinige Entscheidungsgewalt – sie als politisch unbedarft einzuschätzen, wäre folglich falsch141 . Sie war sich nämlich sehr wohl darüber im Klaren, dass sie in Anbetracht der verschiedenen Fraktionen am Hofe schnell und entschlossen handeln musste, um ein Machtvakuum zu vermeiden und die Stellung der Krone zu stärken142 . Das energische und zugleich moralisch integre, nach christlichen Werten ausgerichtete Vorgehen von Anna von Österreich als Regentin brachte ihr eine hohe Reputation ein und belegt grundsätzlich die gewachsene Akzeptanz gegenüber einer weiblichen Regentschaft143 :

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Ibid., Bd. 1, S. 21f.: »Car le mot de Régent est demeuré avec l’autorité [. . . ] que les Régen[t]s gouvernoient en leur nom, les Rois n’étant point sacrez qu’en majorité, & à peine leur doit on le nom de Roi. Ce qui est aujourd’hui établi en France, est que quand un Roi est en bas âge, c’est-à-dire avant qu’il soit entré en la quatorziéme année de son âge, on a de coûtume de lui pourvoir d’une personne pour avoir un soin particulier de sa personne, & de son éducation. L’on a donné ordinairement cette charge aux meres, pour avoir été jugées plus propres qu’aucuns autres, comme plus intéressées en la conservation de leurs enfan[t]s«. Siehe auch ibid., Bd. 1, S. 6–8, 22, 305f.; Bd. 2, S. 268. Vgl. C, P, Monarchies, S. 181; V, Les contrats de mariages, S. 40. Sie verfügte bereits über erste politische Erfahrungen: Bis 1625 nahm sie immer wieder an Ratssitzungen teil; in den Jahren 1618, 1620, 1622 und 1636 leitete sie in Abwesenheit des Königs, der sich auf längeren Reisen oder Feldzügen befand, die Regierungsgeschäfte. Dabei nahm sie das Ganze sehr ernst und führte gewissenhaft alle Aufgaben aus, wie die Unterzeichnung und Siegelung wichtiger Dokumente oder den Empfang von Abgesandten. Siehe BNF, Mss., Mélanges Colbert 54, G, Oraison, fol. 304v– 305r; C-N, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 120; Philippe D, Anne d’Autriche. Épouse de Louis XIII, mère de Louis XIV, Paris 1999, S. 91; L XIII., Declaration du Roy par laquelle S. M. a fait estably la Reyne, son espouse, gouvernante de sa bonne ville de Paris, Paris 1636, S. 1; Mathieu M, Mémoires de Mathieu Molé, hg. v. Aimé C-F, 4 Bde., Paris 1855–1857, Bd. 2, S. 356, Brief v. Ludwig XIII. an Molé (01.09.1636); Éliane V, La France, les femmes et le pouvoir, Bd. 2: Les résistances de la société (XVIIe –XVIIIe siècle), Paris 2008, S. 16. F, Oraison, S. 20. Vgl. z. B. Tania L, Jeux de pouvoir: des coulisses à l’avantscène: les reines de France Marie de Médicis et Anne d’Autriche, Masterarbeit Universität Montreal (2008). Siehe etwa AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre d’Anne d’Autriche Reine de France Et de Navarre Espouse de Louis 13 Et Mere de N[ot]re Incomparable Monarque. Prononcee dans l’Eglise de St Seurin A Paris le 24 de Feurier 1666 (1666), S. 1–54, hier S. 8, 24. Vgl. G, Macht-Wechsel, S. 75.

2.1 »Femme forte«: Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Herrschaft

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[J’]ose dire que c’est vne erreur assez vulgaire de borner les conseils & la capacité des femmes à l’œconomie domestique, & à d’autres affaires de peu d’importance. Le Saint Esprit de qui les sentimen[t]s doiuent estre la regle des nostres, donne des mesures bien plus longues à la prudence de ce sexe, par les loüanges dont il honore certaines Dames illustres, Debora, Esther, Iudith & Abigail, d’auoir pris & suggeré de bons conseils pour le salut, & la conseruation du peuple de Dieu contre ses ennemis, dans les conjonctures les plus importantes [. . . ]. Les femmes estans donc capables de donner de bons conseils pour le gouuernement des Estats, que reste-t-il à conclure, sinon qu’elles sont dignes, non seulement des Regences, mais mesme de posseder en proprieté & souueraineté des Royaumes & des Monarchies, s’il n’y a loy particuliere qui les exclue144 .

Der Geistliche Pesciony äußerte sich ähnlich:»La France ne t’estonne point de te voir sous vn Roy Mineur, & régie par vne femme. La vertu n’a point de sexe: le bras de Dieu est tousiours le mesme«145 . Und auch Fernier, der Erzdiakon von Auxerre in der Bourgogne, kritisiert in seiner Leichenpredigt auf die Königin die Voreingenommenheit der aristotelischen Lehre von der geistigen Unterlegenheit der Frau und ihrer Beschränkung auf die häusliche Sphäre. Er argumentiert, dass Frauen mit Blick auf die jeweilige landesrechtliche Situation sehr wohl befähigt seien, politisch zu agieren, und eine rein geschlechtsspezifische Diskriminierung in diesem Kontext einer rationalen Grundlage entbehre. Die Metapher vom Lenker des Staatsschiffes dient auch ihm als Motor seiner Darlegungen; bei der Führung eines Staates komme es darum weniger auf das Geschlecht als vielmehr auf die geistige Veranlagung und Urteilsfähigkeit an, ganz abgesehen davon, dass in Frankreich zwar die weibliche Erbfolge gesetzlich untersagt sei, nicht aber die Regentschaft einer Königin146 . Ähnlich wie bei Paschal Rapine de Sainte-Marie wurde hierbei erneut das Ideal der »femme forte« aufgegriffen147 . Der Vergleich zwischen der Regentschaft einer Frau und der Herrschaft eines Königs ermöglichte demzufolge eine Anwendung männlicher Herrschertugenden auf die Regentin. Einerseits wurde Anna von Österreich etwa attestiert, sie verfüge über die Stärke Achills, die Weisheit Nestors und die Tugend Judiths148 ; andererseits sei sie so weise wie David, Salomon und Alexander der Große, gerade weil sie sich bei Entscheidungen auf Ratgeber stütze149 . Ähnlich argumentiert auch Fromentières, der den Tugenden der 144 145 146 147

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L, La France en deuil, eloge funebre d’Anne Mavrice d’Avstriche, Paris 1666, S. 29 u. 31. Siehe auch D B, La Femme heroïque: Epistre, Bd. 1, s.p. P, Oraison, S. 21. F, Oraison, S. 15f. In diesem Sinne äußert sich auch C, Devises, S. 99. F, Oraison, S. 21; Paschal R  S-M, Oraison fvnebre d’Anne d’Avstriche, Paris 1666, S. 53. Siehe auch Jérôme L, Oraison fvnebre povr la feve Reyne Mere, Anne d’Avstriche, Bordeaux 1666, S. 5; M, Panegyrique et Oraison, S. 7. Christophe H, Panegyricus Annae Avstriacae Reginae Avgvstissimae Galliarvm Regenti Dictvs, Paris 1644, S. 2f. Siehe auch D B, La Femme heroïque: Epistre, Bd. 1, s.p.; François L C, Oraison fvnebre d’Anne d’Avstriche, Paris 1666, S. 16. Charles M, Reflexions consciencievses des bons François svr la Regence de la Reine, Paris 1649, S. 5f. Siehe auch L C, Oraison, S. 16.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Moral und Intelligenz den Vorrang vor jedweder Frage nach dem Geschlecht eines Herrschers einräumt150 . Lalane, Fernier, Rapine de Sainte-Marie oder Fromentières gehören damit zu den wenigen Gelehrten, die ihre Ansichten derart deutlich zum Ausdruck gebracht und nicht nur die Tugenden und die Frömmigkeit der Königin hervorgehoben haben, sondern auch explizit die geistigen und machtpolitischen Aspekte unterstrichen, die sie ebenfalls als »femme forte« auszeichneten151 . Die Königin übte somit eine reale (männlich konnotierte) machtpolitische Funktion aus, ohne aber ihre Weiblichkeit zu schmälern oder gar zu opfern. Stattdessen blieb sie den geschlechtsspezifischen Konventionen verhaftet, indem sie gekonnt moralische und politische Stärke vereinte und so dem im 17. Jahrhundert gültigen Ideal einer starken Frau entsprach: On ne vit point la Reyne en habit de guerriere à la teste des troupes à l’exemple des Thomiris ou les Amalazonthes, ny chercher comme fit autrefois la celebre Semiramis, la punition & la mort des mal-heureux qui estoient inconsiderement sortis de leur deuoir: ses inclinations plus douces & plus modestes luy firent prendre des resolutions auec autant de promptitude & autant de generosité, mais qui estoient plus conformes à son sexe & à sa moderation naturelle152 .

Folglich ermöglichten diese an ihrem Geschlecht orientierten Vorgehensweisen und die mit dem weiblichen Geschlecht verbundenen Verpflichtungen eine weitaus größere und vor allem nachhaltigere Anerkennung, als es durch ein martialisches Erscheinen je möglich gewesen wäre. Wenn es also entsprechende Darstellungen von kämpfenden Frauen im ikonographischen Programm von Anna von Österreich gab, dienten diese lediglich der symbolischen Untermalung, und das – im Gegensatz zu Joëlle Chevés Behauptung153 – sowohl zu Zeiten als Königsgemahlin als auch während und nach der Regentschaft. Der Geistliche Honoré Bontemps hat ganz in diesem Sinne seine Leichenpredigt auf die Königin später unter das Motto gestellt »La Force & la Beauté sont les vestemen[t]s de la femme forte«154 . Demnach habe Anna von Österreich in jeder Hinsicht die Vorstellung vom Wesen einer »femme forte« durch die ihr innewohnende Stärke erfüllt: als Christin, die dem Wort Gottes Folge leiste; als Ehefrau, die sich ihrem Mann unterordne; als Mutter, die sich aufopferungsvoll um ihre Kinder kümmere; als Königin, die Kirche und Glauben kraft ihrer hohen Stellung unterstütze; als Regentin, die mit Mut und Entschlossenheit regiere und bereit sei, ihre Macht abzugeben, wenn es an der Zeit sei; und als Untertanin, die in Ludwig XIV. nicht nur ihren Sohn, sondern im-

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F, Oraison fvnebre d’Anne d’Avtriche, Paris 1666, S. 5–7. M, Panegyrique et Oraison, S. 7. Siehe auch F, Oraison, S. 21; L, Oraison, S. 5. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 34f. Siehe auch Daniel-Albert J, Oraison fvnebre de l’Avgvste Anne D’Avtriche, Lisieux 1666, S. 17f. Joëlle C, Marie-Thérèse d’Autriche, épouse de Louis XIV, Paris 2008, S. 505. Honoré B, Oraison fvnebre d’Anne d’Avstriche, Paris 1666, S. 1.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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mer auch ihren Souverän anerkenne und verehre155 . Diese Überlegungen hat auch der Bischof von Dax bzw. Périgueux in Aquitanien, Guillaume Le Boux, in seiner Leichenrede aufgegriffen und betont, dass sich gerade eine Königin durch diese Stärke, die Stärke einer wahren »femme forte«, von den gewöhnlichen und schwachen Frauen und Müttern unterscheide, womit er Anna von Österreichs Befähigung ausdrücken wollte, die Staatsgeschäfte während der Regentschaft angemessen geführt und zugleich den jungen König adäquat auf seine künftige Rolle vorbereitet zu haben156 . All dies machte die Königin in den Augen vieler schon zeitlebens zu einem immer wieder gepriesenen Modell der Vollkommenheit. Dass das aber eben nicht nur ihrer charakterlichen Einstellung entsprach, sondern sich dahinter eine gezielte Strategie verbarg, um die Wahrnehmung ihrer Person in der Öffentlichkeit sowie im kollektiven Gedächtnis nachhaltig zu beeinflussen, gilt es in den folgenden Kapiteln aufzuzeigen.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone La pleine Lune Plvs heureuse par moy que par la Renommée D’vn méme esprit constamment animée Ie roule également & mes nuits & mes iours Et quoy qu’en dise le Vulgaire Ie reviens sur mes mémes tours Sans recevoir en moy de figure contraire157 .

Kurze Zeit nach dem Tod Annas von Österreich im Januar 1666 verfasste Mlle de Scudéry unter dem Titel »Sur la mort d’Anne d’Autriche« einen poetischen Nachruf und stellte darin noch einmal den Vorbildcharakter der Königin heraus158 : Anne, dont les vertus, l’éclat et la grandeur Ont rempli l’univers de leur vive splendeur, Dans la nuit du tombeau conserve encor[e] sa gloire, Et la France à jamais aimera sa mémoire. Elle sut mépriser les caprices du sort, Regarder sans horreurs les horreurs de la mort, 155 156

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Ibid., S. 3, 8, 25–28, 33, 48. L B, Oraison, S. 22. Ähnlich urteilt V, Eloge fvnebre, S. 24. Vgl. außerdem C, Devises, S. 82–84; François F, Louis le Grand. Panégyrique, Paris 1680, S. 21. C, Devises, S. 206. M, Mémoires, Bd. 5, S. 497: »[Mlle de Scudéry] fit ses Vers à sa loüange, qui méritent d’être conservez à la Postérité«.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Affermir un grand trône et le quitter sans peine; Et pour tout dire enfin, vivre et mourir en Reine159 .

Diese Sicht war ein Resultat der geschickten Inszenierung der Königin, die das Idealbild einer königlichen Witwe, Mutter und Regentin gekonnt zu propagieren wusste. Infolge der Regentschaft verfügte Anna von Österreich nämlich über die Möglichkeiten und die finanziellen Mittel, sich erstmals intensiv ihrer Selbstdarstellung zu widmen. Anders als ihre Schwiegermutter hat sie sich aber (insbesondere nach 1643) weitaus stärker als Französin geriert und allzu deutliche Verweise auf ihre Herkunft eher vermieden als befördert160 . Das war auch nicht nötig, denn als Mitglied eines Geschlechts von Königen und Kaisern war ihre dynastische Legitimität mehr als gesichert161 . Maria von Medici wurde stattdessen gern als Bankierstochter diffamiert162 . Anna von Österreich erweckte hingegen den Eindruck, subtiler vorgehen und aus der Defensive heraus agieren zu wollen, nicht zuletzt, weil sie bemüht war, die Kontinuität zwischen der vergangenen und künftigen (Herrscher-)Generation herzustellen, indem sie als intermediäre Instanz erschien, sich eher zurücknahm und weniger machtbewusst auftrat als einst die beiden MediciRegentinnen, um dafür aber mit umso größerem Nachdruck ihre Leistungen zu verherrlichen163 . In diesem Kapitel steht daher ihre grundsätzliche Selbstdarstellung als Königin und Regentin im Rahmen ihrer dynastischen Repräsentation im Vordergrund. Dabei hing die Art der Inszenierung von dem Personenkreis ab, an den sie gerichtet war: Zeremonielle Anlässe, wie etwa ein lit de justice, sollten möglichst vielen Personen kundgetan werden, weshalb vornehmlich Gedenkmedaillen geprägt, Kupferstiche angefertigt und mitunter auch Bücher gedruckt wurden. Das galt auch für Krisenzeiten, in denen vor allem wenige Seiten umfassende und einfach formulierte, leicht und schnell zu druckende Pamphlete besonders geeignet waren, um viele Menschen anzusprechen – wobei sich natürlich auch die Gegner der Königin dieses Mittels 159

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Edmé-Jacques-Benoît R, Mademoiselle de Scudéry. Sa vie et sa correspondance, avec un choix de ses poésies, Genf 1971 [EA 1873], S. 519f. Vgl. auch Dominique B, La manière de bien penser dans les ouvrages d’esprit. Dialogues, Paris 1687, S. 105, der insbesondere die letzten vier Verse als »unvergleichlich« gelungen bezeichnet. Siehe Elisabeth O-M, Repräsentation als Selbstbehauptung: Das dynastische Selbstverständnis der Maria de’ Medici am Beispiel der Ausstattung ihres Audienzzimmers im Palais du Luxembourg, in: zeitenblicke 8/2 (2009), URL: http:// www.zeitenblicke.de/2009/2/oy-marra/dippArticle.pdf [abgerufen: 15.06.2015]. H, L’Evrope en devil povr la mort de Lovis le Ivste XIII, Paris 1643, S. 11; M, Cy gist le racourcy, S. 1. Fanny C, Représenter une reine de France. Marie de Médicis et le cycle de Rubens au palais du Luxembourg, in: Clio. Histoire, femmes et sociétés 19 (2004), S. 63–83, hier S. 63. Siehe auch Arlette L, Les régentes ou le royaume en quenouille, in: Les Collections de l’Histoire 34 (2007), S. 42–45, hier S. 45.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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bedienten, um sie in ihrer Stellung als Königin und Regentin zu diskreditieren. Dieser Aspekt der Kritik an der Königin soll auch deshalb etwas ausführlicher beleuchtet werden, weil er noch einmal deutlich macht, dass dem Erfolg der Propaganda durchaus Grenzen gesetzt waren, die gerade in wirtschaftlich und politisch unruhigen Zeiten durchbrochen wurden. Aber es gilt in diesem Zusammenhang ebenso zu prüfen, welchen nachhaltigen Einfluss diese Stimmen überhaupt auszuüben vermochten und inwieweit es der Königin gelang, derartige Missklänge auch wieder umzukehren. Im Gegensatz dazu richtete sich die Königin bei der Umsetzung ihrer Selbstdarstellung in den königlichen Schlössern an einen eher begrenzten Personenkreis, da der Zugang zu ihren Gemächern vornehmlich den Höflingen bzw. dem Adel und ausländischen Gesandten vorbehalten war. Da das Zielpublikum somit einer vergleichsweise gebildeteren Schicht entsprang, waren die Repräsentationsmuster entsprechend ausgefeilter und oft von einer elaborierten allegorischen Motivwahl gekennzeichnet. Und auch am Ende ihres Lebens, selbst noch über den Tod hinaus, erfüllte Anna von Österreich eine wichtige Funktion im dynastischen Inszenierungskanon. Gleichwohl hatte sie darauf insofern Einfluss, als die posthume Vereinnahmung ihrer Person Inszenierungsmuster aufgriff und rezipierte, für die sie zwischen 1643 und 1666 bereits die Grundlagen geschaffen hatte. 2.2.1 Die Regentschaft und der Übergang von der passiven zur aktiven Inszenierung Erste Hinweise auf eine Verherrlichung lassen sich bereits mit der Eheschließung von Anna von Österreich, dieser »Nymphe des Tajo«164 , nachweisen: Von der Hochzeit in procurationem am 18. Oktober 1615 in Burgos über den feierlichen Einzug in Bordeaux am 21. November bis hin zu der am 25. November in der dortigen Kathedrale Saint-André erfolgten Trauung sollte die nachhaltige Besiegelung des Friedens zwischen Frankreich und Spanien ausgedrückt werden165 . So hatte Anna von Österreich schon bei der am 9. November vollzogenen Übergabezeremonie auf der Fasaneninsel im Bidassoa symbolisch ihr spanisches Erbe durch den Wechsel ihrer Kleidung abgelegt, um zumindest die äußerliche Anpassung an die neue Heimat herauszustreichen166 . Viele hofften nun auf ein »goldenes Zeitalter«, das Frieden, 164 165

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Honorat de Bueil de R, Œuvres complètes de Racan, hg. v. Jean-Baptiste Tenant de L, 2 Bde., Paris 1857: Ode pour le Roy, Bd. 1, S. 7. Théodore G, L’ordre et cérémonies observées avx mariages de France et d’Espagne, Paris 1627, S. 154f., 160, 172–180. Vgl. auch [A], Contract dv mariage de Louys treizieme, s.l. s.d., S. 13. Siehe C, Europäische Konstruktion, S. 323, 329; Regina S, Der Körper der Königin – konzeptionelle Annäherungen, in: D. (Hg.), Der Körper der Königin, S. 11–23, hier S. 15. Vgl. auch allgemein Christiane C, Crossing Boundaries and

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2. Herrschaft und Repräsentation

Wohlstand und Glück verhieß167 . Entsprechend prächtig gestalteten sich die zahlreichen Feierlichkeiten beim offiziellen Einzug in Paris168 . Solche Formen der Inszenierung waren ein elementarer Bestandteil des politischen Machtanspruchs. Gleich einer »Synthese der Künste«, wie Françoise Bardon es nennt, wurden unterschiedliche Mittel – wie der feierliche Einzug in eine Stadt, Ballett- und Theateraufführungen, Kupferstiche, Gemälde, Münzen, Medaillen, Gedichte, Bücher oder Buchillustrationen – eingesetzt, um die Institution der Monarchie und ihr Fortbestehen zu sichern und im Bewusstsein des Adels, aber auch beim Volk zu verankern. Dabei wurden neben machtpolitischen Ansprüchen der Würde, dem Glanz und den Tugenden der Dynastie und des jeweiligen Herrschers (und seiner Familie) Ausdruck verliehen169 . Es galt, die imaginäre und die emotionale Kraft des Betrachters anzusprechen. Und dies gelang primär durch eine einfache und verständliche Vermittlung der Aussageabsicht, wie durch einen Rekurs auf ewig gültige Mythen und mythologische Anspielungen170 . Die Fiktion der Vergangenheit wurde genutzt, um die Realität der Gegenwart zu erklären und auf das Ideal der Zukunft zu verweisen171 . So hat der Historiograph Guillet de SaintGeorges im »Discours sur le portrait du Roi« am Beispiel von Darstellungen Ludwigs XIV. im mythologischen Gewand explizit darauf hingewiesen, dass das Ziel solcher Porträts darin bestehe, die »moralischen und politischen Tu-

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Traversing Space. The Voyage of the Bride in Early Modern Europe, in: C, C (Hg.), Moving Elites, S. 9–20. BNF, Mss., Fonds français 12616, Recueil de chansons, Bd. 1 (1389–1648), S. 294. Siehe auch [A], Tres-hvmble remerciement dv bon pevple françois, À La Tres-chrestienne Royne Anne d’Avstriche. Sur la Resolution de la Paix, Paris 1616, S. 4; MarieClaude C-G, L’équivoque d’une célébration: les fêtes du mariage de Louis XIII et d’Anne d’Autriche à Bordeaux (1615), in: Dix-septième siècle 222/1 (2004), S. 3–24, hier S. 11–15; D, Anne d’Autriche, S. 61; François de M, Œuvres, hg. v. Antoine A, Dijon 1971: Sur le mariage du Roi et de la Reine, S. 126f. Jacques F, La France consolée, épithalame pour les nopces du tres-chrestien Lovys XIII Roy de France et de Nauarre, et d’Anne d’Austriche, Infante d’Espagne, Paris s.d., S. 78, 96f. Siehe auch C-G, L’équivoque d’une célébration, S. 24. Françoise B, Le portrait mythologique à la cour de France sous Henri IV et Louis XIII. Mythologie et politique, Paris 1974, S. 287. Siehe explizit [A], Treshvmble remerciement; Guillaume B, Inscriptions, emblemes, et devises, mises ès portes de la ville de Reims, à la bien-heureuse Arriuée que Madame Anne d’Avstriche Royne de France & de Nauarre, y a faict le 6. Octobre 1620, Reims s.d.; Guillaume C, Les Hevrevx amovrs, de [. . . ] Lovis XIII. [. . . ] Et [. . . ] Anne d’Autriche, Paris 1616; Jean P   S, Les amours du Roy, et de la Reine sous le nom de Jupiter & de Junon, Paris 1625; Jean-Philippe V, Le Grand Ivbilé de joye donné à la France. Povr le tres-hevrevx mariage & arriuée de Lovys XIII. Auec la Serenissime Princesse Infante d’Espagne Anne d’Avstriche, Paris 1621. Vgl. auch Lawrence M. B, The King and the City in the Parisian Royal Entry Ceremony: Politics, Ritual, and the Art in the Renaissance, Genf 1986. Siehe B, Le portrait mythologique, S. 288. Vgl. auch C, P, Monarchies, S. 287.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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genden« des Porträtierten zu veranschaulichen172 . Françoise Bardon spricht darum völlig zu Recht von einer »Kunst der Propaganda und des Prestiges«173 . In diesem Sinne sind auch Darstellung und Inszenierung von Anna von Österreich zu verstehen. Durch ihre Heirat erfuhr ihre Person mit dem Status als französische Königin eine erhebliche Aufwertung174 . Wie vielen Königinnen vor ihr blieb Anna von Österreich zu Lebzeiten ihres Ehemannes allerdings eine »eigenständige Repräsentation versagt«175 . Erst mit der Übernahme der Regentschaft war es ihr möglich, ein selbstbestimmtes Bildprogramm umzusetzen, was der Statuswandel von der ›passiven Königin‹ zur ›aktiven Regentin‹ ohnehin notwendig machte176 . Denn auch wenn es inzwischen üblich war, dass die Mutter des noch nicht volljährigen Königs die Regentschaft übernahm, handelte es sich keineswegs um ein juristisch fixiertes Vorgehen, sodass die Königin »unter [dem] ständigen Druck [stand], ihre Autorität und damit ihre Legitimität unter Beweis stellen zu müssen«177 . Folglich war eine dezidierte Inszenierung notwendig, um dieser Legitimation im Rahmen der Regentschaftsübernahme Rechnung zu tragen und sich darüber hinaus einen festen Platz im historischen Gedächtnis zu sichern. Dabei folgte Anna von Österreich einer ganz eigenen Strategie: Zwar griff sie auf bewährte, also vor allem mythologische Motive zurück, wie schon Katharina und Maria von Medici vor ihr. Im Gegensatz zu diesen betonte sie aber die christliche Symbolik weitaus stärker und baute sie zu einem wesentlichen Faktor ihrer Selbstdarstellung aus, indem sie beständig auf ihre Frömmigkeit rekurrieren ließ. Sie war bemüht, ihren Herrschaftsanspruch deutlich zu ma-

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Louis-Étienne D (Hg.), Mémoires inédits sur la vie et les ouvrages des membres de l’Académie royale de peinture et de sculpture, 2 Bde., Paris 1854: Discours sur le portrait du Roi, Bd. 1, S. 229–238, hier S. 236. B, Le portrait mythologique, S. 287. Vgl. auch Peter B, Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs, Frankfurt a.M. 1995. Marc de V  L C, Les portraits des hommes illvstres françois, Qui sont peints dans la Galerie du Palais Cardinal de Richelieu, Paris 1668, S. 336: »Elle fut ravie de quitter les titres pompeux de tant de Royaumes qui sont dans la maison de ses Ancestres, pour prendre la qualité de Reyne de France, qui comprend en un seul mot toute la Maiesté des Puissances humaines«. Andreas T, Pariser Witwensitze. Zur architektonischen Repräsentation von Frauen in der Frühen Neuzeit, in: Anne-Marie B, Barbara S (Hg.), Frauen in der Frühen Neuzeit. Lebensentwürfe in Kunst und Literatur, Köln, Weimar, Wien 2004, S. 189–212, hier S. 189. Siehe auch D, Anne d’Autriche, S. 135; M, Pour l’amour de l’enfant roi, S. 274f. Siehe Annette D, Women Who Ruled: Queens, Goddesses, Amazons 1500–1650. A Thematic Overview, in: D. (Hg.), Women Who Ruled. Queens, Goddesses, Amazons in Renaissance and Baroque Art, London 2002, S. 119–178, hier S. 121, 123. Vgl. auch B, L’iconographie, Bd. 1, S. 15, 311. Barbara G, La Hyres »Autorité« von 1648. Ein Beitrag zur Regentschaftsikonographie der Anna von Österreich, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 38 (1998), S. 173–193, hier S. 173.

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2. Herrschaft und Repräsentation Abbildung 3: »La Régence«, Silbermedaille (Revers) von Joseph Roëttiers (1643).

chen, zugleich aber ihren Status als Witwe und Mutter zu betonen178 . Es ging um die richtige Balance: Sie durfte weder zu schwach und damit zu weiblich erscheinen, wollte es aber gleichzeitig vermeiden, allzu machtbewusst aufzutreten, um von vornherein jeden Vergleich mit den Medici-Regentinnen zu umgehen179 . Eine erste Gelegenheit bot sich bei der Übernahme der Regentschaft im Mai 1643180 . Dazu wurde eine Medaille geprägt, die den offiziellen Akt festhielt181 (Abb. 3). Die Königin befand sich während der Zeremonie direkt neben dem König; dies entsprach in Anbetracht der Tatsache, dass ihr de facto die alleinige Machtkompetenz zugesprochen wurde – weil der König diese erst bei seiner Volljährigkeit erhalten würde –, ihrer neuen Stellung182 . Gleichwohl wurde der Umstand, dass der König de jure trotz allem an der Spitze des Staates stand, berücksichtigt, indem darauf verwiesen wurde, dass er selbst das Zepter in Händen halte und seine Mutter es lediglich stütze183 . Um aber im Anschluss an solche Zeremonien den Status als rechtmäßige Inhaberin der Macht aufrechtzuerhalten, gab es weitere ikonographische, architektonische und schriftstellerische Repräsentationsprogramme184 . Einerseits wurden die Regentinnen als Witwen in Szene gesetzt, die das Andenken des verstorbenen Königs aufrechterhielten, andererseits als liebende 178 179 180 181

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Siehe auch ibid., S. 184, 192. Vgl. H, Zwischen Geschlechterordnung und politischer Ordnung, S. 142f. Vgl. dazu Sarah H, Le lit de justice des rois de France, Mayenne 1991, S. 275–283. Nicolas B, Œuvres complètes de Boileau, hg. v. Charles-Antoine G, 4 Bde., Paris 1870–1873: Descriptions ou explications de médailles, Bd. 3, S. 269–285, hier S. 271f. Vgl. V, Le siècle de Louis XIV, 3 Bde., Frankfurt a.M. 1753, Bd. 1, S. 56. Siehe D, Traité de la majorité, Bd. 2, S. 268. Nicola C, A Garden and a Gallery at Fontainebleau: Imagery of Rule for Medici Queens, in: The Court Historian 10/1 (2005), S. 55–83, bes. S. 67–72 (Katharina von Medici), 80–82 (Maria von Medici, Anna von Österreich). Vgl. auch B, Die Tugendheldin, S. 150–155; Silvia N, Regentinnen und Amazonen, in: D., B (Hg.), Die Galerie der Starken Frauen, S. 98–139, hier S. 99–101.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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und fromme Mütter, aber eben auch als charakterlich und geistig qualifizierte Frauen, die imstande waren, das Staatsschiff zu lenken185 . In diesem Kontext fungierte der Rekurs auf den ehemaligen und aktuellen König, also auf Ehemann und Sohn, als ausschlaggebendes Element zur »Legitimation ihrer politischen Ansprüche«186 , womit der Regentin die – zeitlich begrenzte – Funktion eines dynastischen Bindegliedes zukam187 . Es ist somit nicht überraschend, dass der Typus der Amazone ebenfalls im visuellen Programm der Königinnen Aufnahme fand, wobei sich dies, wie bereits im vorherigen Kapitel angemerkt, lediglich auf eine symbolische Ebene im Sinne der »femme forte« bezog188 . Eine gewisse androgyne Komponente war dabei sehr wohl beabsichtigt; sie sollte suggerieren, dass die Regentin, wenn notwendig, auch die typisch maskulinen Eigenschaften in sich zu vereinen und den Staat angemessen zu regieren wusste189 . Obwohl es aus rechtlicher Sicht keine weibliche Herrschaft in Frankreich gab und geben konnte, da die Macht des verstorbenen Königs unmittelbar auf seinen männlichen Erben überging, haben die Regentinnen dennoch »erfolgreich die bildende Kunst eingesetzt, um eine fiktive Bildwirklichkeit zu schaffen, welche die Realität ersetzte«190 . Nur so war es möglich, sich vor einer breiten Öffentlichkeit zu legitimieren, Akzeptanz und Anerkennung zu finden191 .

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Siehe H, Zwischen Geschlechterordnung und politischer Ordnung, S. 145; Christa S, Die Glorifizierung der Barockfürstin als »Femme Forte«, in: August B (Hg.), Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert, 3 Bde., Hamburg 1981, Bd. 2, S. 113–122, hier S. 116–118. Vgl. C, Perilous Performances, S. 27, 30–39. Barbara G, L’»Artémise« de Gérard van Honthorst ou les deux corps de la reine, in: Revue de l’art 109 (1995), S. 13–25, hier S. 15: »L’acte d’amour posthume accompli en public devient donc une cérémonie par laquelle la veuve affiche la légitimité des ses revendications politiques«. Siehe Sarah R. C, Ruben’s France: Gender and Personification in the Marie de Médicis Cycle, in: The Art Bulletin 85/3 (2003), S. 490–522, hier S. 490, 509; C, La reine de France, S. 328f. C, Ruben’s France, S. 498f., 516. Vgl. auch S, Der Typus der Amazone, S. 81–83; W, Heldinnengalerie, S. 92f. Besonders Maria von Medici sah sich dieser Sichtweise ausgesetzt. Siehe C, Ruben’s France, S. 516. Da sie Ausländerin war, bestand bei vielen die Angst vor einer Abkehr von der traditionellen Politik. Ibid., S. 495; G, Macht-Wechsel, S. 78. Die einzige andere Möglichkeit für eine Königin, pro forma Macht auszuüben, war die Übertragung der Regentschaft während der vorübergehenden Abwesenheit des Königs. Solche Perioden zeichneten sich durch eine reale Machtkompetenz der Königin aus, auch wenn sie stets mit den Ministern interagierte. Siehe dazu Bernard B, La régence de Marie-Thérèse (23 avril–31 juillet 1672), in: D., Jean-Pierre P, Alain T (Hg.), Pouvoirs, contestations et comportements dans l’Europe moderne, Paris 2005, S. 313–325, hier bes. S. 316f., 324; B-B, Les femmes à l’époque moderne, S. 73, 92.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Eine wesentliche Rolle spielte dabei die teleologische Auffassung von der Bedeutung des Körpers des Königs und der Königin192 . Mit dem König, der auch als »mystischer Gemahl der Krone«193 bezeichnet wurde, wurde die Zweikörperlehre in Zusammenhang gebracht194 . Diese Lehre fand durchaus auch Anwendung auf die Königin; wie beim König wurde bei ihr zwischen einem politischen und einem natürlichen Körper unterschieden, die als »untrennbar miteinander verwoben«195 angesehen wurden. Allerdings muss hier erneut die politische und rechtliche Situation in Frankreich beachtet werden, wo Frauen infolge des Ausschlusses von der Regierung grundsätzlich nicht aus eigener Machtvollkommenheit heraus handeln konnten196 . Die Königin teilte zwar die ›äußerlichen‹ Ehren (z. B. Ehrerbietung, Huldigungen) mit dem König, nicht aber die Würde und die Macht des Amtes (maiestas), die allein auf seiner Person ruhten197 . Dies zeigte sich zum einen anhand der Unterschiede zwischen der Salbung und Krönung; denn bei der Königin erfolgte beides, wenn überhaupt, in modifizierter und weniger ritualisierter Form198 . Zum anderen spiegelte es sich bei der Beerdigung der Königin wider, denn dabei waren etwa auf dem Überwurf für den Sarg die Machtsymbole Zepter und main de justice nicht abgebildet199 . Infolgedessen befanden sich der politische und natürliche Körper der französischen Königin in einem Ungleichgewicht, ganz so, als würde die politische Strahlkraft dieses besonderen Körpers immer wieder auf seine »natürliche« zurückverwiesen, auf seine besondere geschlechtliche Dimension, als sei es die Weiblichkeit, die die Politikfähigkeit des Körpers der Königin in seine Schranken verweist.

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In Bezug auf den König war die Idee von der Unsterblichkeit des politischen Körpers und die nahtlose Übergabe der Macht an seinen Nachfolger eine wichtige systemstabilisierende und psychologische Konstante dynastischer Kontinuität. Siehe dazu Ernst H. K, The King’s Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology, Princeton 2 1966, S. 314–336, 411–418, 438f. C, Œuvres, S. 382, Titre 5, Nr. 6. Vgl. auch Hélène M, Fables of the »Mystical Body« in Seventeenth-Century France, in: Yale French Studies 86 (1994), S. 126– 142. Siehe auch M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 663f. S, Der Körper der Königin, S. 13. Rachel W, Der königliche Leib, sein Geschlecht und die Konstruktion der Monarchie, in: S (Hg.), Der Körper der Königin, S. 99–111, hier bes. S. 101, 111. Guy C, Institvtion av droict des François, Paris 1642, S. 4; L B, De la Sovveraineté dv Roy, S. 22–24; L, Institutes coutumières: Livre préliminaire, Bd. 1, S. 3, Titre 2, Nr. 1. Siehe dazu Françoise B, La reine de France, Paris 1964, S. 98, 287; H, Zwischen Geschlechterordnung und politischer Ordnung, S. 137f.; M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 664f. Das führte zu einer weiteren und stärkeren Akzentuierung der Leiblichkeit. Siehe C, Marie-Thérèse, S. 492–495; C, P, Monarchies, S. 236f.; Dominique G, Les femmes dans la société française, 16e –18e siècle, Paris 2003, S. 85;  K, Catherine de Médicis, S. 94f. BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes fvnebres d’Anne d’Autriche (1666), fol. 1r– 35v, hier fol. 3r. Siehe dazu auch ibid., fol. 28r–29r.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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Seine politische Kraft scheint der Nähe zu einem männlichen Körper zu bedürfen – als Gemahlin des Königs, als Mutter zukünftiger Herrscher, als Witwe und Hüterin königlichen oder dynastischen Erbes200 .

Aus diesem Grund fand die Körperlehre in Bezug auf die Königin eine weniger explizite Anwendung. Stattdessen wurden eher mythologische Themen bedient, sei es in Form von Göttinnen oder, gerade auch in Bezug auf eine Regentin, im Darstellungsprinzip der »femme forte«. Die Zeit einer Regentschaft speiste ihre Legitimation aus solchen Bildprogrammen. Ansonsten war die Bedeutung der französischen Königin im Augenblick der Geburt des Thronfolgers beendet; sie war also primär auf ihre Leiblichkeit beschränkt und es fehlte die »göttliche Dimension«201 , wie sie dem König zugeschrieben wurde202 . Im Fall von Anna von Österreich wurde dies dann bewusst in Szene gesetzt, neben den politischen Attributen gab es stets einen Verweis auf ihren »mütterlichen Körper«203 , ein Mittel der Inszenierung, das Sympathien wecken sollte, indem machtpolitische Aspekte eher ausgeblendet wurden und primär auf die Fürsorge(-pflicht) gegenüber dem Thronfolger verwiesen wurde204 . Der politische Körper, der für die Kontinuität der Dynastie durch die Zeugung und die spätere Übertragung der Macht auf den Nachfolger sorgte, versinnbildlichte Männlichkeit und Unsterblichkeit, während der natürliche Körper der Königin die Eigenschaften von Empfängnis und Sterblichkeit in sich barg205 . Allerdings wäre es falsch, daraus nun den Rückschluss zu ziehen, die Körperlehre fände in Bezug auf die Königin gar keine Anwendung und ihr könne nur ein natürlicher Körper attestiert werden206 . Trotz allem war auch ihr politischer Körper zumindest latent vorhanden, da eine Regentschaft nie 200

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S, Der Körper der Königin, S. 11. Siehe auch Abby E. Z, Scenes from the Marriage of Louis XIV. Nuptial Fictions and the Making of Absolutist Power, Stanford 1997, S. 159. D., Making Sweat: Sex and the Gender of National Reproduction in the Marriage of Louis XIII, in: Yale French Studies 86 (1994), S. 187–205, hier S. 195. Siehe S, Der Körper der Königin, S. 16. Ibid., S. 20. Vgl. Kap. 4.1, S. 341, Anm. 74 (Philipp IV.) und S. 344 (Henrietta Maria). Siehe auch C, Perilous Performances, S. 19–23. B, Oraison, S. 10: »[L]a gloire des Reynes est indispensablement attaché à leur fecondité«; Jean-Baptiste M, Histoire de Lovys XIII Roy de France et de Navarre, in: Pierre M (Hg.), Histoire de Henry III Roy de France et de Navarre, Bd. 2, Paris 1631, S. 1–166, hier S. 1: »Le Roy ne meurt point, son dernier souspir met la Coronne sur la teste de son Successeur«. Siehe Abby E. Z, Was der König im Bauch des Tieres sah oder: Wie der Löwe in die Königin kam. Allegorien der Fortpflanzung beim Einzug in Lyon 1622, in: S (Hg.), Der Körper der Königin, S. 115–134, hier S. 115f., 119–124. Diesen falschen Rückschluss ziehen etwa Peter-André A, Der Tod der Königin. Frauenopfer und politische Souveränität im Trauerspiel des 17. Jahrhunderts, Berlin, New York 2004, S. 18–29, sowie Stanis P, Regards endeuillés: la mort et le corps d’Anne d’Autriche en perspective, in: Papers on French Seventeenth-Century Literature 35/69 (2009), S. 643–656.

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2. Herrschaft und Repräsentation

völlig ausgeschlossen werden konnte, was wiederum eine Ausnahme in der traditionellen Geschlechterhierarchie darstellte und deshalb die Betonung des politischen Körpers der Königin rechtfertigte, eben weil sie für die Dauer der Minderjährigkeit ihres Sohnes politisch aktiv war207 . Das wurde bereits bei der Regentschaftserklärung von Anna von Österreich deutlich: »La Reine donc vsant de son authorité, changea l’Ordre estably par le deffunct Roy, & se reseuant la disposition absoluë des affaires, establit vn Conseil, de l’aduis duquel, elle les resout toutes«208 . Die Kunst bestand letztlich darin, diese Machtfunktion auszufüllen, ohne den Eindruck zu erwecken, den politischen Körper des Königs entwertet zu haben, denn »Kennzeichen der propagierten Witwenschaft ist gerade das Festhalten am Körper des Königs als dem eigentlichen Staatskörper«209 . Mit anderen Worten: Bei der Regentin fand nicht so sehr eine »Trennung des ›politischen‹ Körpers vom ›natürlichen‹ statt« als vielmehr »eine Vermischung und Überschneidung des Weiblichen mit dem Politischen«210 . In diesem Kontext stellte der schon angesprochene lit de justice am 18. Mai 1643 ein wichtiges Ereignis dar211 . Der dort gefasste Beschluss, der Königin einen Rat zur Seite zu stellen, in dem sie das letzte Wort hatte und demnach nicht an die Entscheidungen und Weisungen des Rates gebunden war – der somit auf die Funktion eines Vorschlaggremiums reduziert blieb –, stellte nur scheinbar eine offene Missachtung der Entscheidung Ludwigs XIII. dar. Denn, und das wird in der Forschung häufig übersehen, im Hinblick auf die gewohnheitsrechtliche Verfassung des Reiches, wie Roland Mousnier völlig zu Recht betont, konnte und musste der aktuelle ›Regierungschef‹ – sei es nun ein König oder ein Regent – die alleinige Herrschaftsgewalt ausüben212 . Beim lit de justice wurde darum der Beschluss, einzig der Königin alle Kompetenzen zu 207

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Siehe dazu Bettina B, Is the King Genderless? The Staging of the Female Regent as »Minerva Pacifera«, in: D (Hg.), Women Who Ruled, S. 97–110, hier S. 99; Jean-François D, Le corps de la reine, objet politique: Marie de Médicis, in: P, S (Hg.), Femmes et pouvoir politique, S. 235–266, hier S. 235. Jean P   M, Estat de la France, Comme elle estoit gouvernée en l’An MDCXLVIII, Paris 1649, S. 106: »La Reine donc vsant de son authorité, changea l’Ordre estably par le deffunct Roy, & se reseuant la disposition absoluë des affaires, establit vn Conseil, de l’aduis duquel, elle les resout toutes«. Eine Regentschaft bewirkte somit eine Aufwertung des politischen Status der Königin. Siehe Fanny C, La blancheur de nos lys. La reine de France au cœur de l’État royal, in: Revue d’histoire moderne et contemporaine 44/3 (1997), S. 388–403; D., De lance en quenouille, S. 799–820. B, Zum Bilderstreit um die Frau, S. 153. Ibid. Vgl. auch Martin K, Die zwei Frauen des Königs. Zum politischen Handlungsspielraum von Fürstinnen im europäischen Spätmittelalter, in: H, P (Hg.), Das Frauenzimmer, S. 377–398. Siehe auch Jean-Louis H, (Art.) »Lit de justice«, in: B (Hg.), Dictionnaire de l’Ancien Régime, S. 746–748, hier S. 748. Vgl. Victor C, Des carnets autographes du cardinal Mazarin, conservés à la Bibliothèque impériale, in: Journal des savants, Dezember 1854, S. 753–773. M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 675.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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übertragen, als eigentlicher Wille Ludwigs XIII. ausgelegt, worauf auch die Königin in ihrer Ansprache noch einmal hinwies213 . Außerdem erklärte sie: Et quoy que les affaires du Royaume desirent vn soin continuel, pour satisfaire au-dedans, & pouruoir au dehors, mon affliction a esté si grande, qu’elle m’a osté toutes sortes de pensées de ce que i’auois à faire, iusques à ce qu’au dernier iour vous Deputez ayans salüé le Roy, Monsieur mon fils, & fait les protestations de leur fidelité & obeyssance, [. . . ] [et] pour témoigner à cette Compagnie, qu’en toutes sortes d’occasions ie feray bien aise de me seruir de vos conseils, que ie vous prie de donner au Roy Monsieur mon fils, & à moy, tels que vous iugerez en vos consciences pour le bien de l’Estat214 .

Diese Rede offenbart noch einmal sehr gut das kalkulierte Vorgehen der Königin, da sie um ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen natürlichem und politischem Körper bemüht war und weder zu machtbewusst noch zu weiblich auftrat: Zunächst bezog sie sich auf den Verlust ihres Gemahls und auf ihren Witwenstand. Dann leitete sie auf ihren Sohn, den neuen König, über, womit sie noch einmal die temporäre Ausübung ihrer Macht als Regentin hervorhob. Trotzdem nahm sie sich auch hier wieder zurück: Sie schwächte ihre künftige Ausübung der Herrschaftsgewalt dahingehend ab, indem sie erklärte, sich stets der wohlmeinenden Ratschläge der Abgeordneten zu bedienen. Sie lenkte also von der Tatsache ab, dass sie über unumschränkte Macht verfügen würde, indem sie darauf verwies, als Frau auf die Ratschläge politisch kundiger Männer zurückgreifen zu wollen215 . Sobald Geschlecht und Macht in einem so konkreten Zusammenhang aufeinander trafen und Gegenstand einer öffentlichen Betrachtung waren, bemühten sich viele Fürstinnen, ihren tatsächlichen Einfluss zu relativieren216 . Das war trotz aller Fortschritte ein Reflex der immer noch vorhandenen Skepsis bis hin zur offenen Ablehnung gegenüber weiblicher Machtausübung. Anna von Österreich hatte darum bereits einige Tage zuvor in ihrem Brief an die Bischöfe und Städtevertretungen des Landes darauf hingewiesen, dass sie, gestützt auf Gottes Hilfe, alles für die Größe und den Ruhm der französischen Krone unternehmen wolle – ganz im Sinne der »Spiritus intus agit«213

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215 216

D, Traité de la majorité, Bd. 2, S. 377: »[L]a Reine a dit [. . . ] que cette Déclaration étoit contraire aux lois fondamentales du Royaume, & qu’elle bornoit le pouvoir absolu qu’elle devoit avoir en qualité de Régente, elle entendoit avoir une autorité libre & absoluë; & pour cet effet avoit fait assembler la Compagnie«. Théodore G, Le Cérémonial françois, 2 Bde., Paris 1649, Bd. 2, S. 637. Siehe auch ibid., S. 638, 640–642; D, Traité de la majorité, Bd. 2, S. 364f., 371–376, hier bes. S. 371: »[L]e titre auguste de Régente, duquel elle prend aujourd’hui possession toute libre pour le bien de l’Estat, pour maintenir par autorité l’union dans le Royaume, [pour] effacer toute sorte de jalousie, de factions & de partis, qui naissent facilement quand la puissance est divisée«. Vgl. außerdem C, Perilous Performances, S. 106f. Vgl. O, »Gespräche« über Herrschaft, S. 45–48. Dies hat etwa Corinna B, Kammerdame und diplomatische Akteurin: Die Princesse des Ursins am Hof Philipps V. von Spanien (1701–1714), in: T, W (Hg.), Akteure der Außenbeziehungen, S. 261–276, hier S. 273–275, anschaulich am Beispiel von Mme des Ursins und Mme de Maintenon aufgezeigt.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Idee217 . Mit der Übertragung der Macht wurden jegliche Streitigkeiten um diese Macht vermieden, die Kontinuität in der Herrschaftsausübung konnte garantiert und die Stabilität des Reiches gewahrt werden. Daher entsprach die Annullierung des Beschlusses Ludwigs XIII. ohne Zweifel dem Machtkalkül und -bewusstsein der Königin, war aber gleichsam eine Reaktion auf die realpolitischen Umstände218 . Gestützt auf diese Erfolge, begann die Königin in der Folgezeit – nicht zuletzt dank der außenpolitischen Erfolge der französischen Armee im noch andauernden Dreißigjährigen Krieg – mit einem facettenreichen Bild- und Inszenierungsprogramm ihre Person, ihre Regierung und ihre Wohltaten zu verherrlichen. Das setzte sich auch nach dem offiziellen Ende der Regentschaft 1651 fort und belegt erneut, dass selbst im Nachhinein eine gewisse Form der Rechtfertigung nicht nur opportun erschien, sondern als notwendig erachtet wurde. Und sowohl während als auch nach der Regentschaft spielte die Witwen- und Mutter-Thematik und die damit einhergehende Kontinuität der Monarchie durch Verweise auf den Vater und Vorgänger Ludwigs XIV. eine zentrale Rolle219 . So ließ Anna von Österreich in der bereits 1641 vollendeten Jesuitenkirche in Paris eine Gedenktafel anbringen, mit der sie an die Frömmigkeit ihres verstorbenen Gemahls erinnerte, zugleich aber auch eine für alle Welt sichtbare Ehrung Ludwigs XIII. vornahm, indem sie ihre Zuneigung für ihn demonstrierte220 . Neben solch sakralen Huldigungen wurden im profanen Bereich ebenfalls alle Register gezogen221 . Das betraf natürlich in besonderem Maße die Ausgestaltung ihrer Gemächer in den verschiedenen Schlössern, von denen im Folgenden die drei wichtigsten angeführt werden sollen – Fontainebleau, das Palais-Royal und der Louvre. Grundsätzlich diente die prachtvolle Ausgestaltung natürlich dazu, den Besucher bzw. den Gast zu beeindrucken und 217

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BNF, Mss., Fonds français 4168, Brief v. Anna von Österreich an die französischen Bischöfe (15.05.1643), fol. 16v–17r: »Mais comme dieu a paruint ce funeste accident, J’espere de sa bonté qu[’]il me donnera des forces pour le supporter, Et qu[’]il m[’]assistera de sorte pour la conduitte [sic] et administration de ce Royaume que chacun recognoistra que Ie n[’]obmitteray rien de ce qui sera possible pour la grandeur Et la gloire de cette co[u]ronne«. Vgl. BNF, Mss., Cinq Cents Colbert 109, Brief v. Anna von Österreich an Marschall Jean-Baptiste Budes de Guébriant (14.05.1643), fol. 93r. Vittorio S, Anecdotes du Ministère du Cardinal de Richelieu, et du règne de Louis XIII. Avec quelques particularitez du commencement de la Régence d’Anne d’Autriche, 2 Bde., Amsterdam 1717, Bd. 2, S. 360: »Il déplaisoit fort à la Reine que son autorité, contre l’exemple des Régences passées, eût été rétrainte [= restreinte] & bornée par cette Declaration du feu Roi son Mari; elle auroit bien voulu qu’on l’eut renduë absoluë & indépendante, dans lequel desir les deux premiers Princes du Sang concouroient aisément, parce qu’ils y rencontroient leurs propres avantages«. Das zeigte sich zum Beispiel in Form von (verschlungenen) Monogrammen der Königin und Ludwigs XIII., die Wandvertäfelungen oder Parkettböden zierten. Germain B, Nouvelle Description de la ville de Paris, et de tout ce qu’elle contient de plus remarquable, 4 Bde., Paris 8 1725, Bd. 2, S. 175–177. Siehe B, Le portrait mythologique, S. 288.

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die Tugenden und Herrscherqualitäten der Königin herauszustreichen222 . Im Mittelpunkt standen aber trotzdem erneut Gattenliebe und Fürsorge für die Kinder. Auf diese Weise gelang es, trotz stereotyper und sich wiederholender Motive, gewisse individuelle Spielräume zu sichern und sich von anderen Königinnen bzw. Regentinnen abzugrenzen223 . Fontainebleau

Die Anordnung der Räume folgte hier jenem Schema, das konstitutiv für die meisten Gemächer in den einzelnen Schlössern war und das sich bereits unter dem Einfluss von Katharina von Medici zu etablieren begann: Gardesaal (salle des gardes), Vorzimmer (antichambre), Kabinettzimmer (petit/grand cabinet) und Schlafzimmer (chambre à coucher)224 . Diese Aneinanderreihung verlieh dem Zentrum der Gemächer, dem Schlafraum, der zudem für Audienzen genutzt wurde, einen wichtigen Stellenwert, zumal das Bett vom übrigen Raum nochmals durch eine kleine Balustrade getrennt war. Oft gehörte zu den Gemächern noch ein Gebetsraum (oratoire)225 . Auch in Fontainebleau begann der Reigen des appartement de la reine mit der salle des gardes226 . Dort ist neben den Attributen der französischen Monarchie und kriegerischen Motiven, die den Charakter des Gardesaals betonen, besonders auf ein Gemälde von Jean Dubois d.Ä. über dem Kamin hinzuweisen, das Anna von Österreich sitzend und umgeben von ihren Söhnen zeigte227 . In ihrer Hand hielt sie einen für gewöhnlich als Äskulapstab bezeichneten Gegenstand – der Rekurs auf die Antike war bewusst gewählt und bildete einen Kontrast zur kriegerischen Darstellungsweise im Rest des Raumes. Allerdings ist die Bezeichnung »Äskulapstab« hier irreführend; vielmehr handelte es sich um den Heroldstab, das so genannte Kerykeion228 . Da der Stab seinem Träger Schutz bot, wurde er seit jeher auch als Symbol des Frie222

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B, Die Tugendheldin, S. 152; Nicolas M, Romanelli à Paris: entre la galerie Farnèse et Versailles, in: Olivier B (Hg.), L’idéal classique, les échanges artistiques entre Rome et Paris au temps de Bellori (1640–1700), Paris 2002, S. 279–298, hier S. 295. Vgl. B, L’iconographie, Bd. 1, S. 291. Siehe ibid., S. 313f. Siehe C, P, Monarchies, S. 286. Unter Heinrich II. war das königliche Gemach von einem Vor- und Kabinettzimmer umschlossen; unter Karl IX. befand sich noch ein Gardesaal davor. Einen solchen Gebetsraum gab es u. a. in Saint-Germain-en-Laye, Vincennes, dem Palais-Royal und dem Louvre. Siehe Irénée D P, Oraison fvnebre de la Reyne Mere Anne d’Avstriche, Paris 1666, S. 19. Pierre G, Description historique de château, bourg et forest de Fontainebleau, 2 Bde., Marseille 1978 [EA 1731], Bd. 1, S. 149f. Vgl. Henri V, Le palais de Fontainebleau. Histoire et description, Fontainebleau 1889, S. 63. Zum Dekor in den Gemächern der Königin in Fontainebleau siehe auch B, L’iconographie, Bd. 1, S. 102– 106. G, Description historique, Bd. 1, S. 150f. Laut antiker Mythologie erhielt Hermes diesen Stab, eine geflügelte Weidenrute, von Apoll. Und als Hermes dann einmal zwei Schlangen miteinander kämpfen sah, warf er

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2. Herrschaft und Repräsentation

dens betrachtet, was die Verwendung in diesem Kontext erklärt: Anna von Österreich wurde hier als Friedenswahrerin in Szene gesetzt und das Kerykeion war Symbol ihrer Herrschaft. Auch in schwierigen bzw. kriegerischen Zeiten war sie entschlossen zu handeln, hat aber zugleich stets auf den Frieden hingearbeitet. Auch dieses an der griechischen Mythologie orientierte Bild veranschaulichte sehr gut, was bei vielen Darstellungen der Königin (aber auch anderer hochgestellter Personen) zum Tragen kam: dass solche Porträts weniger eine direkte Reproduktion des jeweiligen Auftraggebers waren, sondern vielmehr ein Ausdruck des politischen Bewusstseins, das dieser Person zugeschrieben wurde. Es wurde also weniger die Person selbst dargestellt, sondern vielmehr ihre Persönlichkeit gemäß ihrer sozialen und politischen Rolle, Funktion und Bedeutung innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung229 . Im nächsten Raum, der antichambre, setzte sich dieses Grunddekor fort, wurde allerdings immer wieder von goldenen Initialen Ludwigs XIII. und Annas von Österreich durchbrochen. In diesem Vorzimmer wurde der feminine Charakter zusätzlich noch durch florale Muster, in erster Linie Rosen, bereichert230 . Darüber hinaus tauchte neben dem Symbol des Kerykeions nun auch verstärkt das Pelikan-Motiv231 auf, das in der chambre de la reine in noch größerem Umfang aufgenommen und fortgeführt wurde, unter anderem mit einer Darstellung über dem Kamin. Die Aufnahme dieses Motivs war zugleich ein weiterer Beleg für das aktive Eingreifen der Königin in die Gestaltung ihrer Gemächer232 . Wie aus den »Comptes des bâtiments du palais de Fontainebleau« für die Jahre 1639 bis 1642 hervorgeht, war noch 1642 ein Gemälde über dem Kamin angebracht worden, das eine Allegorie der Glückseligkeit zeigte. Das vordergründigste Detail, das auf die königliche Bewohnerin des Raumes anspielte, war auch hier das Kerykeion, während das Gemälde im Übrigen, nicht zuletzt durch die Landschaft im Hintergrund, eine eher unpolitische Aussage beinhaltete233 . Nathalie Bisch weist in ihrer Studie über die Ikonographie in den Gemächern von Maria von Medici und Anna von Österreich ebenfalls darauf hin, dass dieses Gemälde bereits 1642 dort angebracht worden ist, meint aber fälschlicherweise, es spiele auf die Regentschaft Annas von Österreich

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233

ihnen die Rute zu, um die sie sich wanden, weshalb die Rute stets mit Schlangenmotiven dargestellt wird. Siehe H. Hymn. IV, 529–532. B, Le portrait mythologique, S. 289. Vgl. Félix H, L’ancien Fontainebleau. Histoire de la ville, rues, maisons, habitants au XVIIe siècle, Paris 2008 [EA 1912], S. 399. G, Description historique, Bd. 1, S. 151. Jean-Aymar P  L F, Description de Paris, de Versailles, de Marly, de Meudon, de S. Cloud, de Fontainebleau, et de toutes les autres belles Maisons & Châteaux des Environs de Paris, 8 Bde., Paris 1742, Bd. 8, S. 133. Émile M, Eugène M, Le château de Fontainebleau au XVIIe siècle d’après des documents inédits, Paris 1886, S. 101.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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an234 . Tatsächlich hatte die Königin dieses Gemälde gleich zu Beginn der Regentschaft gegen eine Pelikan-Darstellung austauschen lassen235 . Der große Sinngehalt dieses Motivs lag also nicht zuletzt in den vielfältigen Interpretationsebenen, die es eröffnete236 : Der Pelikan opfert sich für seine Jungen auf, wie es Jesus für seine Jünger tat. Er stellte im übertragenen Sinne ein Symbol für Anna von Österreich dar, die sich ebenfalls zum Wohl ihrer Kinder eingesetzt hat237 . Darüber hinaus war der Pelikan Bestandteil der Mariensymbolik, stand aber auch sinnbildlich für die Liebe des Fürsten für seine Untertanen238 . Dabei war die Anspielung besonders treffend, weil Anna von Österreich als Mutterfigur im eigentlichen (als Mutter Ludwigs XIV. und seines Bruders Philippe) und im übertragenen Sinn (Landesmutter für die Untertanen) auftrat. Das an die chambre de la reine angrenzende cabinet de la reine wurde noch zu Lebzeiten Ludwigs XIII. umgestaltet. Hier fanden sich zahlreiche Monogramme Ludwigs XIII. und Annas von Österreich239 . Und auf acht Gemälden von Ambroise Dubois wurde die Geschichte Tankreds und Clorindes aus Torquato Tassos berühmtem Werk »La Gerusalemme liberata« (1575), das zur Zeit der Kreuzzüge spielt, dargestellt240 . Da hier der Kampf um den einen, wahren Glauben glorifiziert wurde, gab es keinen Anlass, diesen Teil der Dekoration nach 1643 auszutauschen241 . Besondere Bedeutung kam noch dem Deckengemälde zu, bei dem der Aspekt der weltlichen Macht mittels der Attribute »Zepter« und »Adler« noch stärker betont wurde. Dies geschah mit einem Rückgriff auf personifizierte Tugenden, die das Herrschaftsprogramm der Monarchin widerspiegelten242 :

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B, L’iconographie, Bd. 1, S. 42, 211f. G, Description historique, Bd. 1, S. 161. Siehe auch Félix H, Le château de Fontainebleau. Les appartements – les cours – le parc – les jardins, Paris 1937, S. 397. Lucienne P, Le Pélican. Histoire d’un symbole, Mayenne 1984, bes. S. 43f. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 25f. Siehe Karl K, Ikonographie der christlichen Kunst, 2 Bde., Freiburg i.Br. 1926–1928, Bd. 1, S. 123. Victor E. G, The Pelican as Image and Symbol, in: Revue de littérature comparée 37/2 (1962), S. 235–243, hier S. 239. Siehe Aglaüs B, Les monogrammes historiques d’après les monuments originaux, Paris 1870, S. 13, 16. H, L’ancien Fontainebleau, S. 402f. Daher wurde dieses Kabinett auch als cabinet de Clorinde bezeichnet. Siehe G, Description historique, Bd. 1, S. 161–167. Vgl. auch Nicolas B, Inventaires des collections de la Couronne. Inventaire des tableaux du Roy, rédigé en 1709 et 1710, hg. v. Fernand E, Paris 1899, S. 331– 334. Zudem fanden sich auf sieben großen und sieben kleinen Gemälden Darstellungen biblischer Sujets, primär von der Jungfrau Maria und Jesus. Allerdings gab es u. a. auch ein Portrait von Johanna von Aragón, der Königin von Neapel und Sizilien, die als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit galt, ein Attribut, das auch Anwendung auf Anna von Österreich fand. Siehe G, Description historique, Bd. 1, S. 153–159.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Au milieu du Plafond d’une très belle menuiserie dorée en plein, est le Portrait sur bois d’Anne d’Autriche assise, ayant un sceptre dans une main & un aigle sur l’autre, & au tour sont huit Vertus morales, telles que la Charité, la Prudence, la Religion, l’Esperance, la Miséricorde, la Force, la Justice & la Liberalité, qui étaient les attributs de cette Reine243 .

Während sie diese Gemächer bis zum Tod Ludwigs XIII. bewohnte, erfolgte mit der Regentschaft, spätestens aber mit der Hochzeit ihres Sohnes, der endgültige Umzug ins appartement des reines mères244 . Daher ließ die Königin die dortigen Räume äußerst prachtvoll aus- und umgestalten245 . Gemäß dem nach ihrem Tod angefertigten Inventar belief sich allein der Wert der Möbel und Einrichtungsgegenstände auf 28 865 l.t.246 Bei der Ausgestaltung griff sie nicht nur auf die Darstellung ihres Monogramms und jenes von Ludwig XIII. zurück, sondern ließ wieder konsequent die Devise des aufopferungsvollen Pelikans anbringen. Auch bei der Wahl der Gemälde wurde nichts dem Zufall überlassen. So fanden sich in der chambre de la reine mère Porträts von Ludwig XIV. im königlichen Ornat und seiner Gemahlin als Ausdruck für zwei bedeutende, durch Anna von Österreich bewirkte Ereignisse247 : die Geburt des Königs und seine Ehe mit Maria Theresia. Ebenfalls bedeutsam waren im grand cabinet die Anspielungen auf die Regentschaft und die erfolgreich überwundene Fronde auf zahlreichen vergoldeten Camaïeuen248 . Dieses Bildprogramm wurde schließlich im petit appartement fortgesetzt und durch zahlreiche dekorative Ausschmückungen ergänzt249 .

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Ibid., S. 152. Siehe H, L’ancien Fontainebleau, S. 391. Bereits Katharina von Medici hatte hier bei ihren Aufenthalten in Fontainebleau gewohnt. Francesco G, Compendio dei dispacci di Francia di Francesco Giustinian ambasciatore ordinario a Luigi XIV dall’anno 1655 all’anno 1659, in: Nicolò B, Guglielmo B (Hg.), Relazioni degli Stati Europei. Lette al Senato dagli Ambasciatori Veneti nel secolo decimosettimo, Serie II. – Francia, 3 Bde., Venedig 1857–1859, Bd. 3, S. 3–17, hier S. 10. Anna von Österreich ließ sich für das appartement de la reine mère neue Möbel anfertigen. Zur Gestaltung ihrer Gemächer vgl. Jean C, Le mobilier d’Anne d’Autriche au château de Fontainebleau, in: Annales de la Société historique et archéologique du Gâtinais 42/3 (1934), S. 190–196. Ibid., S. 196. G, Description historique, Bd. 2, S. 5f. Ibid., S. 9: »[O]n voit Bellone Déesse de la guerre précédée de Nemesis Déesse de la vangeance, qui étoit particuliérement [sic] occupée à punir ceux qui abusoient de leur fortune«. Ibid., S. 11: »Les Chiffres de la Reine Anne d’Autriche que l’on voit en différen[t]s endroits de cet appartement, prouvent assés que cette Reine le fit autrefois orner de plusieurs Camaieux historiés qui avoient rapport à sa Régence«. Ein Feuer zerstörte 1686 die dortige Dekoration, die aber wiederhergestellt wurde.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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Palais-Royal

Richelieu hatte 1636 Teile seiner Kunstsammlung sowie sein Stadtpalais dem König testamentarisch vermacht250 . Anna von Österreich, die die Gemächer im Louvre als zu unbequem empfand, fasste schon kurz nach der Regentschaftsübernahme den Entschluss, in das Palais Richelieu überzusiedeln251 . Der Umzug erfolgte noch im November 1643, weshalb das Palais Richelieu nun die Bezeichnung »Palais-Royal« erhielt252 . Während der König Richelieus ehemalige Gemächer bezog, zogen die Königin und ihr jüngerer Sohn Philippe in den neu errichteten Ostflügel ein253 . Aus dem dortigen grand cabinet machte sie ihren Audienzsaal. Die Gemächer verfügten über ein Vorzimmer, ein Schlafzimmer, ein kleines Kabinettzimmer, einen Baderaum254 und eine kleine Galerie255 . Außer dem großen Kabinettzimmer waren alle Säle durch den Tod Richelieus unvollendet geblieben. Die Königin ließ nun entsprechende Umbauten vornehmen: L’appartement de la Reine est de beaucoup plus grand, plus commode, plus galant & plus superbe que celui du Roi. Cette longue suite de salles, de chambres, de cabinets [. . . ] font croire que dans toute l’Europe il ne se peut rien voir de plus ample, de si accompli, ni de si majestueux. [Richelieu] ne lui donna pas l’étendue que nous admirons: ce fut la Regente qui s’avisa de l’agrandir256 .

In das Edelholzparkett waren reich verzierte und aus Zinn gefertigte Rosen- und Liliendarstellungen eingelassen. Die Gemächer befanden sich, wie üblich, in der ersten Etage. Um vom Garten zu profitieren, ließ die Königin von Jacques Lemercier einen Balkon anfügen, dessen leichte, schmiedeeiserne Konstruktion mit Blumen- und Linienornamenten ein Novum der Dekorationskunst darstellte257 . Mit der künstlerischen Innengestaltung beauftragte sie Simon Vouet258 . Die christliche Thematik beschränkte sich 250 251

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BNF, Mss., Fonds français 18552, Contrat de donation du Palais Cardinal (06.06.1636), fol. 52r–54v. M, Mémoires, Bd. 1, S. 207f. Das Palais-Royal war von 1643 bis 1650/1652 offizielle Hauptresidenz der Königin, wo sie bis zur Flucht aus Paris am 6. Januar 1649 lebte. Nach Verhandlungen kehrte die königliche Familie zurück und blieb dort bis Januar 1650, um das Palais dann, von zahlreichen Aufenthalten im ganzen Land unterbrochen, nur noch selten zu nutzen. Siehe Jean V, Histoire du Palais-Royal, Paris 1830, S. 17–56. Françoise B, Lizzie B, Le »Palais-Royal« de Richelieu aux Orléans, in: Le Palais-Royal. Catalogue de l’exposition au musée Carnavalet (9 mai–4 septembre 1988), Paris 1988, S. 11–51, hier S. 19. Siehe auch B, L’iconographie, Bd. 1, S. 49–52. Hier ließ Anna von Österreich bereits 1644 unter der Leitung des Malers Louis Testelin Aus- und Umgestaltungen vornehmen. Siehe D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 216f. B, B, Le »Palais-Royal«, S. 19, Anm. 18. Henri S, Histoire et recherches des antiquités de Paris, 3 Bde., Paris 1724, Bd. 2, S. 168. Siehe ibid., S. 171. Von Vouet stammte z. B. das Gemälde mit dem Thema der Auferstehung Marias im Ge-

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2. Herrschaft und Repräsentation

primär auf den Gebetsraum, in dem die Marienthematik dominierte, weshalb sie außer Vouet die renommierten und auf christliche Motive spezialisierten Künstler Philippe de Champaigne und Jacques Stella beschäftigte259 . Jedem Besucher erschlossen sich schnell »die Größe und die Schönheit«260 dieser Gemächer261 . Zur Grundausstattung aller Räume gehörten erhebliche Vergoldungen an den Stuck- und Ornamentalelementen, teilweise auch an Türen und Fenstern, sowie Verzierungen mit floralen Elementen (Rosen, Lilien) und den Initialen der Königin262 . Für das Schlafgemach fertigte Vouet zwei Gemälde mit den Titeln »La Providence entourée de nombreux enfants« (an der Decke) und »Prudence ramenant le Monde à l’obéissance« (über dem Kamin) an263 . Beide Sujets standen nicht nur thematisch in Beziehung zueinander, sondern natürlich auch in einem direkten Bezug zur Regentschaft, zumal dieser Raum ebenfalls für Audienzen genutzt wurde und deshalb eine gezielte Wirkung auf den Betrachter entfalten sollte und musste264 . Des Weiteren kündeten die drei ovalen Bilder oberhalb der Türen von den Taten »illustrer Frauen«265 , ebenso wie die Deckengemälde im Bereich des Alkovens. Einen ebenso wichtigen Platz nahm die Gestaltung der kleinen Galerie, die als Verbindungsgang zwischen den Gemächern des Königs und seiner Mutter diente, ein, in der drei Gemälde die Stärken der Seele preisen sollten: »la Volonté«, »l’Intellect« und »la Mémoire«266 . Aber aufgrund der Fronde war es nicht möglich, ein umfassendes Bildprogramm umzusetzen, obwohl die bis dahin fertig gestellten Räume sehr prachtvoll geworden waren267 . Außerdem hatte sich das Palais-Royal als ein in Krisenzeiten zu unsicheres Gebäude erwiesen, das kaum Schutz bot. Daher zog die königliche Familie wieder in den Louvre um, nachdem sich die Unruhen wieder gelegt hatten.

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betsraum der Königin. Siehe dazu Mary A, Richard B, Two altarpieces by Philippe de Champaigne: their history and technique, in: The Burlington Magazine 131/1035 (1989), S. 395–406, hier S. 395. Lorenzo P, Two Paintings for Anne of Austria’s Oratory at the Palais-Royal, Paris: Philippe de Champaigne’s »Annunciation« and Jacques Stella’s »Birth of the Virgin«, in: The Burlington Magazine 147/1225 (2005), S. 244–248, hier S. 247f. B, Nouvelle Description, Bd. 1, S. 234. Siehe z. B. John E, Diary and Correspondence of John Evelyn, hg. v. William B, 4 Bde., London 1854, Bd. 1, S. 66, Eintrag v. 06.04.1644. Siehe Roger-Armand W, Deux marchés passés par Simon Vouet pour les décorations de l’appartement d’Anne d’Autriche au Palais-Royal (1645), in: Bulletin de la Société de l’histoire de l’art français (1951), S. 101–105. Ansonsten gab es vor allem Landschaftsansichten. Vgl. B, B, Le »Palais-Royal«, S. 19. W, Deux marchés, S. 102. Ibid., S. 102f. Ibid., S. 104. Siehe Victor C, G.-Roger S, Le Palais-Royal d’après des documents inédits (1629–1900), Bd. 1: Du Cardinal Richelieu à la Révolution, Paris 1900, S. 113.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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Louvre

Bereits 1559 wurde eigens ein Flügel mit Gemächern für die Königin konzipiert, die durch ein Kabinettzimmer mit den Räumlichkeiten des Königs verbunden waren268 . Als Anna von Österreich und Ludwig XIV. dann 1653 nach der Fronde in den Louvre zurückkehrten, waren Renovierungen unumgänglich geworden269 . Mit der Durchführung der Arbeiten, die von 1655 bis 1658 andauerten270 , war zunächst der schon erwähnte Lemercier betraut worden271 . Nach dessen Tod 1654 setzte Louis Le Vau272 die Arbeiten fort. Mit der Innendekoration wurden wieder die Maler Stella und Vouet sowie der Bildhauer Michel Anguier beauftragt273 . Bei der Gestaltung wurden keine Kosten gescheut. Olivier Meslay spricht in Bezug auf das Dekor in den Gemächern der Königin im Louvre von einem der »prunkvollsten in Frankreich im 17. Jahrhundert«274 , was nicht zuletzt dem großen Einsatz von Blattgold geschuldet war275 . Hieran zeigt sich das Statusbewusstsein der Königin276 . Die lange Vernachlässigung des Louvre erklärt die Renovierungsarbeiten, nicht aber die komplette Umgestaltung der Gemächer, die gerade einmal 30 Jahre zuvor von Maria von Medici neu konzipiert worden waren277 . Der eigentliche

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Christiane A, Histoire du palais et du musée du Louvre, Bd. 7: Le pavillon du roi. Les appartements de la reine, Paris 1958, S. 14f. Vgl. auch Mary Baine C, The Apartments of Anne d’Autriche in the Louvre, Magisterarbeit Northwestern Universität (1978). A, Histoire du palais, Bd. 7, S. 42. Eine ausführliche Übersicht zur Ausgestaltung der Räume bietet auch Louis H, Anne d’Autriche au château du Louvre, in: Revue des deux mondes 32 (1926), S. 400–425. Olivier M, À propos du cabinet du bord de l’eau d’Anne d’Autriche au Louvre et de quelques découvertes au palais du Luxembourg, in: Bulletin de la Société de l’histoire de l’art français (1994), S. 49–66, hier S. 49. Lemercier wurde 1639 Hofarchitekt und war auch am Bau von Val-de-Grâce beteiligt. Le Vau war ein französischer Baumeister, der nach dem Tod Lemerciers nicht nur dessen Arbeiten am Louvre, sondern auch an den Tuilerien fortsetzte. Später wirkte er an der Ausgestaltung von Versailles mit. C, Marie-Thérèse, S. 505; D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 439f., 455–457. M, À propos du cabinet du bord de l’eau, S. 49. Zwar war das Gros der Arbeiten 1658 abgeschlossen, aber die endgültige Ausgestaltung nahm noch zwei weitere Jahre in Anspruch. S, Histoire, Bd. 2, S. 34. Christiane A, Histoire du palais et du musée du Louvre, Bd. 5: La Petite Galerie. L’appartement d’Anne d’Autriche. Salles romaines, Paris 1955, S. 15: »La régente était une princesse raffinée, aimant ses aises; sensible à la beauté, elle appréciait le luxe et eut le goût de s’entourer d’objets rares. Dès son arrivée au Louvre elle fit aménager, selon l’esthétique en vogue, l’appartement que la tradition assignait aux reines mères, celui qu’avait habité avant elle Catherine de Médicis, et que Marie de Médicis fit décorer en 1613«. Ibid.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Grund war, dass Anna von Österreich ein eigenständiges, wohl durchdachtes Programm umsetzen wollte278 . Ähnlich wie in den anderen Schlössern gab es auch im Louvre separate Räume für die Königinmutter, die hier zusätzlich noch in Sommer- und Wintergemächer unterteilt waren279 . Die Sommergemächer waren im Erdgeschoss, in der kleinen Galerie, untergebracht, die der Gartenseite zugewandt war280 . Auch hier zeigte sich, dass der Königin ein sehr prunkvoller Rahmen wichtig war, der nicht an einem überkommenen Geschmack festhielt, sondern gezielt den aktuellen Zeitgeist aufzunehmen vermochte281 . Die seit der Renaissance bestehenden Kassettendecken mit Holzschnitzereien wurden nun durch mit Stuck und Goldmalereien verzierte Gewölbedecken ersetzt282 . Zugleich stellt sich die Frage, welche Rolle hierbei ein bestimmtes Bildprogramm gespielt hat, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Königin den Status der Regentin in den 1650er Jahren offiziell abgelegt hatte. Die Galerie, in der die Gemächer untergebracht werden sollten, wurde mit Zwischenwänden versehen, sodass sich nun in der Mitte ein Vestibül befand, das als Eingang fungierte und sich sowohl zur Hof- als auch zur Gartenseite öffnete; mit dem Vestibül erfolgte gleichzeitig eine Zweiteilung der Gemächer der Königin. Zur Flussseite hin befanden sich das große Kabinett, das Schlafzimmer und das so genannte petit cabinet du bord de l’eau; auf der Hofseite waren ein Vorzimmer, ein Empfangssaal sowie ein von Le Vau hinzugefügter salon en rotonde untergebracht283 . Außerdem verfügte die Königin über ein kleines, mit goldenen Ornamenten versehenes Gebetszimmer284 , ein Badezimmer und ein Garderobenzimmer, die alle auf die Hofseite hinausgin-

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B, L’iconographie, Bd. 1, S. 146: »Peu de temps après la Fronde, la reine fit manifestement réaliser ce programme dans le but de réaffirmer son pouvoir [. . . ], son prestige et sa suprématie en tant que régente du royaume. Bref, de faire passer un message chargé de servir les besoins de la propagande royale. Les thèmes ne sont donc pas choisis au hasard, mais participent clairement à l’apologie et au panégyrique de la reine«. Siehe auch ibid., S. 190. Vgl. ibid., S. 53–56, 97–101, 136–161. A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 15f. Siehe auch S, Histoire, Bd. 2, S. 35. Solche Gewölbedecken waren schon im 16. Jahrhundert verbreitet, allerdings primär in Italien. A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 20f. Hier befand sich u. a. ein Gemälde des Malers Michel Dorigny »représentant une Vierge tenant l’enfant Jésus sur ses genoux, saint Joseph accompagné d’anges, sous des palmiers«, zit. n. B, Inventaires, S. 350. In der Kapelle der Königin waren zwei Gemälde von Charles Le Brun zu sehen; das eine stellte die Jungfrau Maria dar, das andere die Auferstehung Christi (ibid., S. 326).

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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gen285 . Für die Innengestaltung war der bekannte italienische Maler Giovanni Francesco Romanelli verantwortlich, der die Arbeiten 1658 abschloss286 . Die einzelnen Räume wurden nach einem bestimmten Thema ausgestaltet, das sich in der Gewölbedecke, auf den Bildern an den Wänden, der Wandverkleidung und zum Teil selbst auf den Malereien auf den Türen wieder fand287 . Dabei bedienten sich die Künstler primär mythologischer, historischer und zeitgenössisch-allegorisierender Themenfelder, um mehr oder weniger starke Bezüge und Anspielungen auf die Königin zu evozieren. Der Rundgang führte vom offiziellen zum privaten Bereich. Die Raumfolge begann mit der prächtigen antichambre, auch salle des saisons genannt288 , die den Besucher mittels der Darstellungen zur Geduld aufrief, während er auf die Audienz bei der Königin wartete, weshalb die Malereien und Skulpturen ganz auf das Thema »Zeit« ausgerichtet waren289 . Im Anschluss an die antichambre folgte das Vestibül, das die Bezeichnung Friedenssaal (salle de paix) erhielt, da die Malereien mit den Vorbereitungen für den Pyrenäenfrieden zusammenfielen290 . Die Königin konnte so ihren Anspruch auf ihren persönlichen Einsatz für den Frieden zwischen Spanien und Frankreich und damit zwischen der Dynastie, der sie entstammte, und jener, der sie seit 1615 aufgrund ihrer Eheschließung angehörte, demonstrieren. Das Dekor diente aber auch als Ausdruck des durch den Frieden erfolgten Wohlstandes. An der Decke befanden sich drei Darstellungen: In einem großen ovalen Medaillon war der Friede dargestellt; Mars, Minerva und Merkur hielten jeweils eine Lilie in der Hand und stützten dabei den Rückenschild von Frankreich; über ihnen trugen drei Genien eine Königskrone. In einem weiteren Medaillon war die Personifizierung des »Überflusses« zu sehen, die Früchte verteilte, während Neptun im Hintergrund als Repräsentant des Überseehandels in Erscheinung trat. Dem gegenüber befand sich im dritten

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A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 32. Nachdem ein Feuer 1661 Zerstörungen im Louvre verursacht hatte, nutzte die Königin die Renovierungsarbeiten und ließ sich von Le Vau ein weiteres Zimmer bauen. Romanelli war ein italienischer Maler, der u. a. für Karl I. von England, Papst Urban VIII. und Mazarin tätig war. Letzterer empfahl ihn für die Umgestaltung des Louvre. Siehe auch Giovanni-Francesco R, La Regia habitazione dell’augustissima Anna d’Austria regina cristianissima, Paris 1657. A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 22. Siehe B, L’iconographie, Bd. 1, S. 286–288. Allerdings vernachlässigt sie bei der Beschreibung und Interpretation der dortigen Ausgestaltung den Hauptzweck dieses Saals, der als Warteraum diente. Dazu gehörten Darstellungen von Apoll und Diana als Sinnbilder für Tag und Nacht, der Schlaf des Endymion, die vier Jahreszeiten, die vier Elemente bzw. die zwölf Tierkreiszeichen als Inbegriff des Jahresverlaufs; die Wandvertäfelungen, Stuckgirlanden, Bilderrahmen und weitere Zierelemente waren durchgehend vergoldet; von der Möblierung sind vier Kabinettschränke überliefert, von denen zwei im chinesischen Stil gehalten waren. Siehe A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 22f. Ibid., S. 23.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Medaillon der personifizierte »Friede«, eine Frauengestalt, die einen Olivenzweig hielt und mit der anderen Hand zu einem Haufen aufgetürmte Waffen entzündete; um sie herum befanden sich ausgestreckte Gefangene und eine Frau, die eine Inschrift meißelte. Abgesehen davon sei noch auf die Porträts über den drei Türen hingewiesen, von Heinrich IV., Maria von Medici und Ludwig XIII.291 : Mit Heinrich IV. sollte der Begründer der noch jungen Bourbonendynastie verherrlicht werden; mit Maria von Medici wurde auf die Stifterin der Ehe zwischen Ludwig XIII. und Anna von Österreich und zugleich auf eine weitere Regentin Bezug genommen; das Porträt Ludwigs XIII. demonstrierte, dass sie sein Andenken nach wie vor pflegte und ihm über den Tod hinaus ehrenvoll verbunden war. Auf das Vestibül folgte das grand cabinet 292 . Dieser Raum war als Arbeitszimmer (etwa für die Zusammenkünfte mit Mazarin) gedacht. Das Dekor enthielt sicher nicht ohne Grund Anspielungen auf Italien. So fand sich im Deckengewölbe eine allegorische Szene, in der die »Poesie« und die »Geschichte« die großen Ereignisse der römischen Geschichte feierten. Die »Geschichte« zeigte der ebenfalls personifizierten »Zeit« den Geist der »Unsterblichkeit«, während das »Renommee« die Triumphe des kriegerischen Roms verherrlichte, das vom Genius des Ruhmes gekrönt wurde. In den vier übrigen, kleineren Deckenwölbungen waren weitere Szenen aus der römischen Geschichte dargestellt293 , von denen jene des Lucius Quinctius Cincinnatus hervorzuheben ist, da sein vorbildlicher Charakter und sein Verhalten eine Parallele zu Anna von Österreich in ihrem Verhältnis zur Macht veranschaulichen sollte: Als Rom 458 v. Chr. von feindlichen Stämmen bedroht war, trug der Senat Cincinnatus die Alleinherrschaft an, um den Staat zu retten. Nachdem er diese Aufgabe erfüllt hatte, zerstreute er sogleich Befürchtungen, er würde an der Macht festhalten, und zog sich wieder auf seine Güter zurück – ein Verhalten, für das er allseits große Achtung erfuhr294 . Erneut wurde hier der Gegensatz 291 292 293

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Vgl. B, Inventaires, S. 277. Das Porträt Ludwigs XIII. ließ Ludwig XIV. später nach Versailles bringen. A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 25f. Dazu gehörten die folgenden vier Darstellungen: (1) Publius Cornelius Scipio Africanus, dem nach der Einnahme von Cartagena (209 v. Chr.) eine schöne Frau als Kriegsbeute angeboten wurde, die er aber, nachdem er erfahren hatte, dass sie verheiratet war, samt dem von ihren Eltern gesandten Lösegeld zu ihrem Gemahl zurückschickte (L XXVI, 50); (2) der Raub der Sabinerinnen (ibid., I, 9–13); (3) Gaius Mucius Scaevola, der vor dem etruskischen König Lars Porsenna seine Hand ins Feuer hielt und damit seine Standhaftigkeit unter Beweis stellte (ibid., II, 12); (4) Cincinnatus, der gerade seine Felder bestellte, als ihm Abgesandte des Senats das Amt des Diktators antrugen (ibid., III, 26). Siehe C. fin. II, 12; C. parad. VI, 46; L. III, 26–29. Vgl. Dante A, Dante Alighieri’s prosaische Schriften mit Ausnahme der Vita nuova, 2 Bde., Leipzig 1845: Über die Monarchie, Bd. 2, S. 38: »Hinterließ uns nicht Cincinnatus ein hochheiliges Vorbild, indem er, der vom Pfluge zur Diktatur berufen wurde, nach vollendetem Geschäfte seine Würde freiwillig niederlegte, wie Livius erzählt? Und nach dem Siege, nach

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zwischen Anna von Österreich, die ebenfalls die Macht niederlegte, als es an der Zeit war, und Maria von Medici sinnfällig, die auch nach der Volljährigkeit ihres Sohnes mit allen Mitteln versuchte, auf die Staatsgeschäfte einzuwirken, weshalb Anna von Österreich sogar mit Karl V. verglichen wurde, weil sie sich wie er eben nicht an die Macht geklammert habe295 . Gleichwohl sollte der Bezug zwischen Italien und Mazarin nicht überbewertet werden; auch lässt sich darin keine ultimative Antwort auf die mazarinades der Fronde-Zeit sehen, wie die Überlegungen von Nathalie Bisch oder Madeleine Laurain-Portemer suggerieren296 . Wie das Motiv des Cincinnatus belegt, beinhalteten derartige Anspielungen vielmehr einen direkten Bezug zu Anna von Österreich. Im Anschluss an das große Kabinett folgte das Schlafzimmer297 : Das Deckengemälde deutete auf die Frömmigkeit der Monarchin hin; die Personifikation der »Religion« mit einem weißen Schleier dominierte die Gruppe der drei göttlichen Tugenden298 . In den Giebelfeldern über den Türen waren Darstellungen von Judith und Holofernes sowie von Esther und Ahasveros angebracht, offenkundig eine neuerliche Betonung von Anna von Österreich als »femme forte« und »femme pieuse«. Auch auf den Türflügeln waren berühmte Frauen dargestellt, von denen aber nur noch Kleopatra VII. und Calpurnia, Caesars vierte Gattin, identifiziert werden können. Hier vereinte sich abermals ein bildlicher Vergleich, indem mit Kleopatra auf eine machtbewusste Herrscherin und mit Calpurnia auf den Inbegriff einer treuen und fürsorglichen Gemahlin verwiesen wurde. Auf den halbkreisförmigen Giebelfeldern waren allegorische Tugenden zu sehen: Die »Voraussicht« (»Prévoyance«) hielt der »Vorsicht« (»Prudence«) einen symbolischen Spiegel vor; die eine Lilie als Zeichen der Offenherzigkeit in der Hand haltende »Tugend« (»Vertu«) verteidigte die von der »Liebe« (»Amour«) überraschte »Enthaltsamkeit« (»Continence«) und verjagte Amor; die »Gerechtigkeit« (»Justice«) stützte sich auf einen Gesetzeskodex und leistete dem »Überfluss« (»Abondance«) Gesellschaft; und die »Entsagung/Mäßigung« (»Tempérance«) weilte beim »Frieden« (»Paix«). Eine ganz besondere Bedeutung kam erneut den Darstellungen oberhalb der Türen zu, weil sie die Eigenschaften der Königin versinnbildlichten: In der ersten Darstellung war der »Überfluss« (»Abondance«) zu sehen, von Reich-

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dem Triumphe lieferte er den Feldherrenstab den Consulen wieder aus und kehrte zur Pflugsterze hinter seine Ochsen zurück«. F, Oraison, S. 39f.: »[I]mitant la moderation et la sagesse de l’empereur CharlesQuint, son bisaïeul, qui, sans attendre la mort, dépouilla volontairement d’une couronne chargée de lauriers, pour la mettre sur la tête de Philippe II, son fils«. B, L’iconographie, Bd. 1, S. 272–279; Madeleine L-P, Études Mazarines, Paris 1981, S. 388. A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 27. An den Seiten des Deckengemäldes fanden sich vier geflügelte Figurinen, von denen zwei auf Wolken saßen und die Waffen der Königin trugen, während die anderen beiden in der Luft schwebten und die Königskrone sowie Palmzweige und ein Füllhorn hielten.

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tümern umgeben und bereit, sie zu verteilen – auch die Königin, die allein aufgrund ihres Ranges über ein großes Vermögen verfügte, war bereit, dieses für Wohltaten gegenüber dem Volk und der Kirche einzusetzen. Die zweite Darstellung zeigte die »königliche Majestät« (»Majesté royale«), die sich durch Zepter und Adler von den anderen unterschied; die dritte Darstellung repräsentierte die »Glücksseligkeit« (»Félicité«), die, gekrönt von Blumen, ein Kerykeion und ein Blumengebinde in den Händen hielt; die vierte Figur zeigte schließlich die »Prachtentfaltung« (»Magnificence«), die Baupläne in der Hand hielt, die sich bei näherer Betrachtung als die Pläne für Val-de-Grâce erwiesen, das Kloster also, das die Königin zum Ruhme Gottes – und zu ihrem eigenen – zeitgleich in Paris errichten ließ. Des Weiteren hatte der Maler Eustache Le Sueur unter Heranziehung epischer Motive aus der griechischen und römischen Literatur verschiedene Darstellungen der Juno in das Gesamtensemble eingefügt, was eine höchstmögliche Form der Stilisierung eröffnete299 . Alle diese Darstellungen regten also neben göttlichen Vergleichen vor allem zu einer moralischen Überhöhung der Person der Königin an. Besonders gelungen waren die genannten variationsreichen Bezüge zur Göttin Juno, insbesondere der bildhafte Verweis auf die Geschichte von Keyx und Alkyone, von der Ovid in seinen »Metamorphosen« berichtet: Juno entsandte Iris zu Morpheus, damit dieser Alkyone im Schlaf als Geist ihres verstorbenen Gemahls Keyx erscheinen und über sein Schicksal berichten möge300 . Dem kundigen Betrachter entging natürlich nicht die Intention: Es handelte sich um eine weitere Allusion auf den Witwenstand der Königin und ihre Trauer um den Verlust Ludwigs XIII. und damit um Liebe und Treue über den Tod hinaus301 . Überdies sei noch auf die Delphin-Darstellungen hingewiesen, die auf den Thronfolger und die damit verbundene Erfüllung der wichtigsten Aufgabe der Königin, nämlich einen Nachfolger zur Welt zu bringen, aufmerksam machten302 . Das Bett befand sich auf einem Podest und war durch eine kleine Balustrade vom übrigen Raum getrennt. Als nächstes sei der Baderaum, das so genannte cabinet des bains, erwähnt, das wie der Gebetsraum auf ausdrücklichen Wunsch der Königin – wie schon im Palais-Royal303 – direkt an das Schlafzimmer angrenzte304 . Dieser Raum 299 300 301 302

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D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 155f. O. met. XI, 410–748. Siehe Gabriel R, Eustache Le Sueur, Paris 1923, S. 44. Vgl. dazu B, Le portrait mythologique, S. 288. Oberhalb der Türen waren wieder Porträts Ludwigs XIII. und der Königin angebracht. Siehe B, Inventaires, S. 365f. Der ausführende Künstler war in beiden Fällen Jean Nocret. Siehe dazu Michel D, Livre de diverses grotesqves peintes dans le cabinet et bains de la Reyne Regente au Palais-Royal par Simon Vouet, peintre du Roy et gravees par Michel Dorigny, Paris 1647. Siehe H, Anne d’Autriche, S. 412.

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wurde von vielen Besuchern gelobt und wie die übrigen Räume als einer Königin würdig empfunden305 . Anna von Österreich beauftragte neben dem Bildhauer Louis Lerambert, der eine Amor-Figur anfertigte306 , erneut Le Sueur mit der Ausgestaltung des Raumes307 . Außerdem gab sie bei Jean Nocret Portraits von sich und dem König (sowie später noch von Maria Theresia) in Auftrag. Und Le Sueur fertigte für sie noch mehrere Gemälde an, die ihre Tugenden und die königliche Autorität sinnfällig machen sollten308 . Eines dieser Gemälde stellte etwa die Göttin Juno dar, die die antike Stadt Karthago mit Wohltaten überhäufte und über Troja eine Feuersbrunst hereinbrechen ließ – damit ließ Anna von Österreich bildgewaltig zum Ausdruck bringen, dass sie die Treue von Klienten bzw. Freunden zu belohnen wusste, potentielle Gegner aber ihre Bestrafung fürchten mussten309 . Abgesehen davon fanden sich hier aber auch Porträts von Mitgliedern ihrer Familie. Erneut zeigt sich der Unterschied zu Maria von Medici, denn Anna von Österreich nahm eine weniger offensive Verherrlichung ihrer Vorfahren vor als ihre Vorgängerin310 . Das war nicht nur dem damals noch andauernden Krieg mit Spanien geschuldet, sondern sollte erneut unterstreichen, dass sie eine französische Königin war, für die nur die Interessen Frankreichs zählten, auch wenn sie ihre Herkunft nicht vergessen hatte. Vom Schlafzimmer aus erreichte der Besucher schließlich den letzten großen Raum der Gemächer, das petit cabinet du bord de l’eau311 . Hier zeigte das Deckengemälde Minerva, die auf einem Trophäenhaufen aus Waffen saß; in ihrem Gefolge traten die Göttinnen des Renommees und des Sieges auf, die ihr

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B, Nouvelle Description, Bd. 1, S. 60: »Les colonnes de marbre avec leurs chapiteaux de bronze doré, les balustrades de même, le plafond enrichi de sujets peints de lapis en camajeu [sic] sur des fonds d’or par les plus excellen[t]s maîtres, & mille autres choses, rendent ce lieu d’une richesse extraordinaire«. Vgl. auch H, Anne d’Autriche, S. 413. D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 334. Ibid., S. 156f. Siehe auch R, Eustache Le Sueur, S. 45f. Das Dekor im cabinet des bains fiel in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Umbauarbeiten zum Opfer. B, Inventaires, S. 327: »Un tableau représentant la Magnificence royale sous la figure d’une femme assise sur un nuage, vestue richement, ayant une couronne sur la teste et un sceptre à la main, accompagnée de deux enfan[t]s, dont l’un tient une corne d’abondance d’où sort des couronnes de fleurs et des médailles; [. . . ] les Vertus royales sous les figures de quatre femmes et deux enfan[t]s sur un nuage, dont un a une couronne sur la teste et un sceptre à la main et l’autre tient un miroir«. Die übrigen Bilder waren insbesondere durch Kinderdarstellungen und florale Elemente gekennzeichnet. Siehe ibid., S. 328. Siehe auch R, Eustache Le Sueur, S. 44. B, L’iconographie, Bd. 1, S. 192. A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 28f. Das petit cabinet ist der einzige Raum aus der Zeit von Anna von Österreich, von dem Teile der Dekoration noch erhalten geblieben sind, die sich heute in verschiedenen Gebäuden in Paris befinden. Siehe dazu M, À propos du cabinet du bord de l’eau, S. 51–61.

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einen Palmzweig und Kronen darreichten312 . Dem religiösen Charakter der Königin trugen sieben verschieden große Gemälde Romanellis Rechnung, die der Moses-Thematik gewidmet waren313 . Ungefähr zur Zeit der Entstehung dieses Zyklus (um 1656/1657) fand sich eine entsprechende Anspielung auf die Königin und Moses in der wöchentlich erschienenen »Muze royale«: Anne la Sage Majesté Qui nous charmes par sa bonté Car on ne veid [sic] jamais de Reyne Qui fait de meilleure Souveraine Comme vn Moïse feminin Vers l’Eternel doux et benin, Sans cesse éleve ses Mains blanches Tant Iours ouvrables que Dimanches, Pour sur les Peuples & son Fils Attirer des biens infinis314 .

Es ist also durchaus möglich, dass es sich hierbei um eine direkte Anspielung auf die Bilderserie im neu gestalten Raum des Louvre handelte. Im Übrigen bestach dieser Raum durch eine ausgesprochen aufwendige Parkettverarbeitung, bei der der Künstler den ganzen Boden mit dem Monogramm der Königin verzieren ließ, sodass das petit cabinet du bord de l’eau einen pompösen Abschluss der Zimmerfolge bildete315 . Die Bedeutung des Monogramms sollte keinesfalls unterschätzt werden. Viele Königinnen bedienten sich einer Darstellung ihres Monogramms, aber seit Katharina von Medici war Anna von Österreich die Erste, die über ihrer Initiale, dem ›A‹, wieder eine Krone abbilden ließ316 . Es handelte sich erneut um einen gleichermaßen dezenten wie nachdrücklichen Verweis auf die Auftraggeberin. Als Verbindungszimmer folgte dem petit cabinet du bord de l’eau noch der salon en rotonde. Erneut waren Medaillons mit den Waffen und der Devise Annas von Österreich zu sehen sowie das Pelikan-Motiv, ein im Gegensatz zu Fontainebleau im großen Umfang in allen Räumen der Königin im Louvre wiederkehrendes Motiv317 . Von den diversen Schlössern lässt sich daher gerade im Fall des Louvre ein besonders umfassendes künstlerisches Gesamten-

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Zu diesem Deckengemälde siehe N, Regentinnen, S. 108f. Vgl. R, Marie de Médicis, S. 67–70. B, Inventaires, S. 336f.: Dargestellt sind (1) der Segen in der Wüste, (2) Moses und Aaron in der Wüste, (3) Moses schlägt auf den Felsen, (4) die Durchquerung des Roten Meeres, (5) die Anbetung des Goldenen Kalbes, (6) Moses Errettung aus dem Wasser und (7) die Töchter Jitros, des Priesters von Midian, Moses Schwiegervater. Siehe ibid., S. 337–340. Vgl. A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 28. Muze royale, 3. Januar 1657, S. 1. A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 29. Maurice M, About Monograms, in: The Art Journal 4 (1878), S. 36–42, hier S. 39. Siehe B, Nouvelle Description, Bd. 1, S. 61.

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semble nachweisen, das der Selbstdarstellung der Königin Rechnung trug318 . Ein englischer Reisender sprach etwa vom »herrlichen Wohnraum der Königinmutter«319 . Und zwei junge holländische Besucher hoben ihrerseits den unvergleichlichen Pomp hervor320 . Zum einen war diese Prachtentfaltung ein Ausdruck des königlichen Status und ihrer Autorität; zum anderen auch eine Demonstration ihrer Macht im Hinblick auf den Sieg über die Aufständischen, der zugleich einen Sieg des von Ludwig XIII. und Richelieu eingeschlagenen politischen Kurses darstellte321 . Die Verwendung von edlen Hölzern, Marmor und Vergoldungen sollte diese Aussageabsicht zusätzlich befördern322 . Des Weiteren griff die Königin bei der Innenausstattung auf eine besonders in Spanien gängige Mode zurück, deren Verbreitung in Frankreich bis dahin vor allem auf das 16. Jahrhundert beschränkt geblieben war und sich keineswegs erst mit dem Umzug des Hofes

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Siehe Alexandre C, Mazarin et le »grand dessein« du Louvre, in: Bibliothèque de l’École des chartes 161/1 (2003), S. 133–219, hier S. 141; Jean C, Le mobilier d’Anne d’Autriche au Louvre, in: Le Correspondant, 25. Oktober 1931, S. 253–265, hier S. 257–264: Zur Ausstattung gehörten u. a. zwei mit Diamanten verzierte Sonnen, die jeweils von zwei vergoldeten und mit Emailleflügeln ausgestatteten Engelfiguren gehalten wurden; ein großes Kristallkreuz, das mit emailliertem Gold und Rubinen verziert war; eine mit Gold und Silber geschmückte Kristalltruhe; weitere Truhen aus Edelhölzern; eine Krippe auf einem Marmorsockel, die von zwei Engeln aus Silber getragen wurde; eine silberne Figur der Maria; 14 vergoldete Emaillefiguren von Jesus, den Aposteln und Johannes dem Täufer; 15 Stoffgarnituren an Bezügen für Betten, Tische, Stühle und Sessel; ein Bett mit 84 blauen und weißen Schmuckfedern; eine Toilettengarnitur, bestehend aus 17 Teilen aus Gold und Emaille sowie Möbel im orientalischen und chinesischen Stil (z. B. Truhen, Sessel). Stephen W (Hg.), Parentalia, or Memoirs of the Family of the Wrens, London 1750, S. 261f., hier S. 261, »Mr. Wren’s Account of his Journey to France in a Letter to his Friend« (s.d.) [Hervorh. im Orig.]. P, V, Journal, S. 212f., Eintrag v. 13.07.1657: »[I]l ne se peut rien voir de plus magnifique. La dorure, la peinture et tous les riches embellissements y estaient avec profusion tout ce qu’ils ont de plus beau et de plus pretieux en la chambre où elle couche: il y a au bout un cabinet si parfaitement orné et paré de tout ce que la sumptuosité [sic] des Roys peut faire inventer de plus rare, qu’on n’y peut rien souhaiter pour en rehausser l’esclat et la pompe. On y voit un cabinet de cornaline et d’agathe; il y a entre autres une pièce tout à fait admirable où l’on voit un aigle assis sur un tronc d’arbre, représenté si au naturel qu’un peintre ne le sçauroit mieux faire. Le petit lict de repos et les sièges sont d’un riche et superbe brocart. La table, les guerindons et le bois des sièges sont d’un très bel esmail bleu avec quantité de petites fleurs de toute sorte de couleurs. Le plancher est de marqueterie, mais d’un bois si odoriférant, que quand on y entre on est tout parfumé. La Reyne en fait faire un [appartement] d’esté, auquel nous vismes travailler, qui sera encore plus beau que celuy dont nous venons de parler, à ce que l’on nous en a dit«. Hinweise auf die prächtige Raumausgestaltung finden sich im Inventar des königlichen Mobiliars. Siehe Jules G (Hg.), Inventaire général du mobilier de la couronne sous Louis XIV (1663–1715), 2 Bde., Paris 1885–1886, Bd. 1, S. 5, Nr. 78f.; S. 20, Nr. 409; Bd. 2, S. 8, Nr. 40; S. 10, Nr. 43; S. 48, Nr. 164f. Vgl. Albert B, Le Louvre et son histoire, Paris 1895, S. 149f.

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nach Versailles (1682) etablieren sollte: Silbermöbel und -gegenstände323 . Die Königin hatte bereits im Palais-Royal324 viel Silber verarbeiten lassen, auch für den Louvre gab sie etliche Gegenstände in Silber in Auftrag, unter anderem eine Balustrade vor ihrem Bett, Tische, Kandelaber, Spiegelrahmen, Vasen sowie zahlreiche Utensilien für die Morgentoilette325 . Sie hat damit eine Form der Innenausstattung gefördert und zugleich den Geschmack Ludwigs XIV. (und mit ihm den zahlreicher Höflinge und Adliger) in dieser Richtung beeinflusst326 . Die Ausstattung zeichnete sich durch Glanz und Detailfülle aus und stellte die Gemächer des Königs in den Schatten, denen eine solche bis dahin (noch) fehlte327 . Im Gegensatz zu Ludwig XIII. erwies sich Anna von Österreich nicht nur als Liebhaberin raffinierter Innenausstattung und Unterstützerin von Neuerungen dekorativen Raumdekors, sondern sie setzte sie gezielt als Ausdruck der Stärke und der Pracht ihrer Herrschaft ein328 . Gleichzeitig achtete sie jedoch darauf, dass dieser Ausdruck stets ihren Status als Königin und Frau unterstrich, das Erhaben-Weibliche also nicht ins Martialisch-Männliche abglitt329 . Aber es gab noch einen weiteren Grund, der aus Sicht der Königin einen derartigen Prunk notwendig erscheinen ließ. So erklärt Albert Babeau völlig zu Recht, dass sie die Prachtentfaltung ihres Hofstaates auch dann noch aufrechtzuerhalten wünschte, wenn eine neue Königin an den Hof kommen und ihren Rang als erste Frau des Staates übernehmen sollte330 . Eine ausgeprägte Form der eigenen Statusorientiertheit darf für Anna von Österreich ohne Zweifel konstatiert werden, denn »so fromm sie auch war, Anna von Ös-

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Frances B, Silver Furnishings at the Court of France 1643–1670, in: The Burlington Magazine 131/1034 (1989), S. 328–336. Schon die Könige Ludwig XII., Franz I. und Heinrich II. hatten sich Möbel aus Silber anfertigen lassen. P, Two Paintings, S. 245. B, Silver Furnishings, S. 330f., 333. Paul M, Filigranes d’or et d’argent du Grand Siècle, in: L’Estampille. L’objet d’art 381 (2003), S. 66–73, hier S. 68. Einen guten Überblick über die Innendekoration sowie über die edlen Einrichtungsgegenstände ihrer Gemächer in den verschiedenen Schlössern bietet Patrick M, Le cadre de vie d’une reine de France au XVIIe siècle: Anne d’Autriche dans ses meubles, in: G (Hg.), Anne d’Autriche, S. 265–293, bes. S. 286–290. Siehe Daniel A, Le triomphe des arts décoratifs au temps de Louis XIII, in: L’Estampille. L’objet d’art 369 (2002), S. 30–41, hier S. 38; Bernard C (Hg.), Anne d’Autriche. La dernière régente, s.l. 2011, S. 70–83. Vgl. auch Marianne C-L B, La notion d’»atticisme français« à l’épreuve de la perspective, in: D., Marisa D E, Pascal D G (Hg.), L’artiste et l’œuvre à l’épreuve de la perspective, Rom 2006, S. 431–448. Vgl. Paul F  C, Journal du voyage du cavalier Bernin en France, hg. v. Ludovic L, Paris 1885, S. 138, Eintrag v. 06.09.1665: »[C]es propretés de cabinets et de cristaux s’étaient introduites dans la Régence, qui était un gouvernement de femme; que Monsieur le Cardinal Mazarin les avait cultivées pour entretenir et divertir le Roi«. B, Le Louvre, S. 150.

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terreich liebte das Raffinement und die Feinheiten des Luxus«331 . In der Tat musste auch und gerade eine Königin viel Wert auf die Zurschaustellung ihrer Wohnräume legen. Ein ausgefeiltes Konzept für ein Bildprogramm, edle Materialien, der Gebrauch verschiedener Kunstformen (Medaillons, Skulpturen, Gemälde, Fresken etc.) und der Rückgriff auf renommierte Künstler, kurzum die Zurschaustellung eines »demonstrativen Konsums«332 , war ein wichtiger Indikator für die eigene gesellschaftliche Position und die damit verbundenen Macht- und Einflusssphären – als Königin und damit auch als Patronin333 . Neben den Gestaltungsprinzipien in den Gemächern diente natürlich insbesondere innerhalb der Malerei die Gattung des Staatsporträts der repräsentativen Verherrlichung der Königin. Die meisten Porträts und Kupferstiche stammten allerdings aus der Zeit nach 1643. Obwohl es bei der Darstellung regierender Königinnen seit Mitte des 16. Jahrhunderts üblich war, sie in prächtiger Aufmachung und mit den Attributen der Macht wie Krone oder Zepter darstellen zu lassen, passte die Königin auch die Porträts ihrer Inszenierungsstrategie an. Es gab natürlich aufwendige Darstellungen anlässlich offizieller Ereignisse (Friedensschlüsse, lits de justice, Hochzeiten), auf denen die Machtfunktion anhand der genannten Attribute visualisiert wurde (Abb. 4). Aber die Mehrzahl der Bilder aus der Zeit der Regentschaft und danach zeigen sie in weniger aufwendigen Kleidern, zusammen mit ihren Kindern und fast immer in Witwentracht (Abb. 5): Ähnlich wie beispielsweise Isabella von Kastilien, die für ihren verfeinerten Geschmack und aufwendigen Lebensstil bekannt war, ließ sich auch Anna von Österreich im Rahmen ihrer Propaganda in eher schlichter Weise malen, wobei gerade die Witwentracht dem ganzen Erscheinungsbild einen religiösen, fast nonnenhaften Habitus verlieh334 . Das wichtigste Merkmal, das dabei auf ihren Status verwies, waren die Perlen, die bei weiblichen Herrscherporträts quasi als Äquivalent zu den Ordensabzeichen männlicher Potentaten anzusehen sind335 . Anna von Ös331 332 333

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Ibid., S. 148. W, Heldinnengalerie, S. 46. Nach dem Tod der Königin erfolgte eine Inventur all ihrer Möbel und Einrichtungsgegenstände in den verschiedenen Schlössern. Der Gesamtwert belief sich auf exakt 1 779 379 l.t., zit. n. C, Le mobilier d’Anne d’Autriche au Louvre, S. 254. Siehe auch Arthur de M, Anne d’Autriche. Ses Bijoux et son Mobilier, in: D. (Hg.), Varia, 1891–1893, Compiègne s.d., S. 25–30. Marvin L, The Royal Image: Symbol and Paradigm in Portraits of Early Modern Female Sovereigns and Regents, in: Gazette des beaux-arts 123 (1981), S. 157–162, hier bes. S. 158. Vgl. auch Hans O, Anna von Österreich und Elisabeth von Frankreich. Zu einigen Porträts von Franz Pourbus d.J., Peter Paul Rubens und Cornelis de Vos, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 37 (2000), S. 57–80. L, The Royal Image, S. 159. Siehe auch Elise G, Minerva Revivified: Mademoiselle de Montpensier, in: Mediterranean Studies 15 (2006), S. 79–166, hier S. 82.

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Abbildung 4: »Anne d’Autriche représentée en grand costume royal«, Gemälde von Charles u. Henri Beaubrun, Jean Nocret (um 1650).

terreichs Kollier bestand aus überdurchschnittlich großen Perlen und war damit ein umso deutlicheres »Symbol ihrer Größe«336 . Die Königin strebte einen Mittelweg an: Aufwendig und statusorientiert, wenn es der Anlass erforderte, ansonsten bescheiden und zurückhaltend. Eine weitere und nicht minder wichtige Form innerhalb der Porträtmalerei bildeten mythologisch-allegorisierende Darstellungen337 . Der Vorteil solcher Gemälde lag in den mehrdeutigen Interpretationen, die sie erlaubten. Auf die336 337

C, Marie-Thérèse, S. 264. Vgl. Arthur F, Das literarische Porträt in Frankreich im Zeitalter Richelieus und Mazarins, Diss. Universität Leipzig (1905), S. 29–34.

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Abbildung 5: »Anne d’Autriche, reine de France«, Gemälde aus dem Atelier von Charles u. Henri Beaubrun (ca. Mitte 17. Jh.).

se Weise war es möglich, eine prachtvollere Ausschmückung zuzulassen, ohne einen wirklichen Widerspruch zu den sonst eher schlichten Porträts hervorzurufen, bei denen die Königin den Akzent auf Witwenstand und Mutterqualitäten setzte. Die göttlichen Allegorien eigneten sich daher besonders gut, um den eigenen Statusanspruch zu transportieren und weibliche Herrschaftsqualitäten bzw. -tugenden hervorzuheben, ohne sich allzu schnell dem Vorwurf der Eitelkeit auszusetzen.

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2.2.2 Kritische Stimmen in Krisenzeiten Es zeigte sich allerdings schon wenige Jahre nach der Übernahme der Regentschaft, dass derartige Propagandaversuche schnell an ihre Grenzen stoßen konnten. Auch eine noch so ausgeklügelte Inszenierungsstrategie vermochte nichts gegen den weit verbreiteten Unmut über die Regierung, finanzielle Engpässe, die Nöte der Bevölkerung und den Krieg auszurichten. Da die Regentschaft einer Frau ohnehin von vielen als Zeit der politischen Schwäche gesehen und ausgenutzt wurde, stellte sich bereits 1643 bei einigen Adligen aufgrund der Fortsetzung der bisherigen Politik und des Krieges sowie der Berufung Mazarins zum Ersten Minister großer Groll ein338 . Denn die Königin ging, »nachdem sie Regentin geworden war, von der Opposition, der sie angehört hatte, zu dem Systeme Richelieu über«339 , wie schon Leopold von Ranke angemerkt hat. Für sie und Mazarin war aber gerade die Beibehaltung der politischen Leitlinien essentiell, um die Macht der Krone weiter zu festigen und auszubauen, wie Letzterer notierte: »Dans le temps d’une régence, parmi tant de mauvaises intentions du peuple, des grands, des parlements, et quand la France a sur les bras la plus grande guerre qu’elle ait jamais soutenue, un gouvernement fort est absolument nécessaire«340 . Die Königin kämpfte nicht zuletzt um das Erbe ihres Sohnes341 . Als der Unmut gegen diese Politik in der so genannten »cabale des importants« mündete, bei der Richelieus frühere Feinde gegen den Kurs der Königin und ihres Ministers aufbegehrten, wurde diese Opposition bekämpft; die Beteiligten wurden mit Gefängnisstrafen oder Exil bestraft342 . Aber erst mit dem Ausbruch der Fronde 1648 sah sich die Königin über einen Zeitraum von mehreren Jahren zunehmender und heftiger Kritik ausgesetzt, die erst mit dem endgültigen Sieg der Monarchie über die Aufständischen 1653 weitgehend zum Schweigen gebracht werden konnte343 . Es hatte sich allerdings gezeigt, welche bedeutsame Wirkung die Presse zu entfalten vermochte – insbesondere die Schmähschriften. Ähnlich wie im Fall von Königin Marie-Antoinette, vor und während der Französischen Revolution, dienten die Pamphlete – nicht zuletzt pornogra338

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J, Mémoires, S. 7f. Vgl. auch Christian B, Louis XIV et la famille royale, Paris 2009, S. 45; Maurice M, La politesse mondaine et les théories de l’honnêteté, en France au XVIIe siècle, de 1600 à 1660, 2 Bde., Genf 1993 [EA 1925], Bd. 2, S. 476. R, Französische Geschichte, Bd. 2, S. 115. C, Des carnets, Januar 1855, S. 41. L B, Oraison, S. 22: »Mais il faut qu’elle lui conserve l’héritage de ses pères et, s’il se peut qu’elle étude les bornes de l’empire auquel il doit succéder«. Siehe auch B, La reine de France, S. 400, 402. Olivier Lefèvre d’O, Journal d’Olivier Lefèvre d’Ormesson et extraits des mémoires d’André Lefèvre d’Ormesson, hg. v. Adolphe C, 2 Bde., Paris 1860–1861, Bd. 1, S. 104, Eintrag v. 05.09.1643. Vgl. Hubert C, Le pamphlet et l’événement pendant la Fronde: un courant à double sens, in: Roger D, Pierre R (Hg.), La Fronde en questions, Aix-enProvence 1989, S. 131–141.

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phische Schriften – dazu, die aktuellen politischen Zustände nachhaltig zu diskreditieren, um so insbesondere die moralische Legitimierung der Monarchie zu untergraben und deren Auswüchse anzuprangern; der Inhalt dieser libelli sollte zwar zum Teil die Sensationslust befriedigen und den Unmut der Bevölkerung an dem, was sich in der Oberschicht abspielte, ausdrücken, war aber eindeutig politisch motiviert344 . Oder, wie die Comtesse de Genlis anmerkte: »Dans les temps de troubles et de révolutions les libelles se multiplient; c’est ainsi que les tempêtes et la pluie produisent la fange et la boue«345 . In diesem Kontext offenbart sich erneut die Bedeutung der Zweikörperlehre. Abby Zanger hat aufgezeigt, dass der natürliche und der sterbliche Körper der Monarchie mit der Königin, in diesem Fall Maria Theresia, gleichgesetzt wurde, was indirekt die Bedeutung des politischen Körpers des Königs erhöhte und dessen Machtfülle unterstrich346 . Im Gegensatz dazu hat Lynn Hunt am Beispiel von Marie-Antoinette nachgewiesen, wie der Körper der Königin als Zielscheibe für jede Art der Kritik an der Institution der Monarchie eingespannt wurde347 . Beide Theorien erscheinen in ihrer Deutung allerdings zu einseitig. Abby Zanger ist insoweit zuzustimmen, dass im Grunde zwar ein sehr positives Bild vom Körper der Königin vorherrschte, aber die Königin dadurch nicht frei von Kritik blieb. Auch Lynn Hunts Argumentation ist nur bedingt richtig, denn es muss stets der zeitgenössische Hintergrund berücksichtigt werden. Der natürliche Körper der Königin stellte nicht zwangsläufig eine Angriffsfläche dar; gerade im Fall von Marie-Antoinette spielten die gesellschaftlichen Umstände eine erhebliche Rolle. Die Frage, ob der natürliche Körper der Königin per se positiv oder negativ konnotiert wurde, hing somit vom historischen Kontext ab348 . Besonders in Krisenzeiten glich der natürliche Körper einem Kaleidoskop, das alle Fehler und Schwächen, die jeder Frau nachgesagt wurden, aufzeigte und, da es sich um eine Königin handelte, noch größere Kritik hervorrief. Einer solchen Entwicklung sah sich nun auch Anna von Österreich ausgesetzt349 . In den ersten Jahren der Regentschaft war ihr eine Fülle von Elogen zuteil geworden, womit zugleich eine allgemeine Lobpreisung der Frau ein344

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Lynn H, Pornography and the French Revolution, in: D. (Hg.), The Invention of Pornography. Obscenity and Origins of Modernity, 1500–1800, New York 1993, S. 301– 339, hier S. 301, 308. Stéphanie-Félicité Du Crest, comtesse de G, Dictionnaire critique et raisonné des étiquettes de la Cour, et des usages du monde, 2 Bde., Paris 1818, Bd. 1, S. 316, (Art.) »Libelles«. Z, Scenes from the Marriage of Louis XIV, passim. Lynn H, The Many Bodies of Marie Antoinette: Political Pornography and the Problem of the Feminine in the French Revolution, in: D. (Hg.), Eroticism and the Body Politic, Baltimore, London 1991, S. 108–130. Ein Blick nach England bestätigt dies; dort spielte im 16. Jahrhundert v.a. die Konfessionsfrage bei der Kritik an Elisabeth I. eine große Rolle. Siehe O, »Gespräche« über Herrschaft, passim. J, Mémoires, S. 53: »[L]a Reine étoit tombée dans un mépris si général, que le menu

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herging350 . Daher überraschte die Vehemenz, mit der alsbald wieder die üblichen Verdächtigungen und klischeehaften Vorwürfe gegen einen weiblichen Potentaten hervorgebracht wurden, indem etwa die politische Macht (einer Frau) mit amouröser Macht gleichgesetzt wurde, wonach die Königin ihrem Geliebten verfallen sei und ihm die Regierung und damit die Macht überlasse351 . Aufgrund der juristischen Lage fehlte der Königin eben jenes Mystische, das den politischen Körper des Königs so bedeutungsschwer erscheinen ließ. Der natürliche Körper der Ehefrau bzw. der Witwe und Mutter verschmolz mit dem politischen Körper der Regentin und erfüllte eine Stellvertreterfunktion für die allgemeine Unzufriedenheit im Land352 . Ein Beispiel dafür bildet etwa die Schrift »Censeur du Temps« (1652)353 . In der Reaktion der Gegenseite wurde auf die wahren Motive der Konflikte im Land und auf die Kritik an der Königin verwiesen: La plus glorieuse Regence qui fut iamais parce qu’on ny auroit leû que des Victoires contre les Estrangers & vne tranquil[l]ité parmy les sujects, mais comme le bon-heur dont nous jouyssons depuis tant d’années a commencé de prendre fin en la cinquiesme de la Regence par la vicissitude des choses de ce monde, l’on s’escrie contre la Regente, on conuertit ses loüange[s] en libelles, & on veut rendre sa Majesté (toute pieuse, & bien intentionnée qu[’]elle est)

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peuple ne la nommoit plus que madame Anne«. Siehe auch C, Perilous Performances, S. 126–131. Vgl. etwa G, Panegyrique des dames; S, Les Femmes illustres; S, Le Cabinet de Monsieur de Scudéry. M, Woman Triumphant, S. 193; Fanny M, La figure d’Anne d’Autriche à travers les Mazarinades, Masterarbeit Universität Paris 1 (2005–2006), S. 33–64. Die Anhänger der Krone reagierten mit Gegenschriften. Diesen war aber aufgrund der Masse an kritischen Pamphleten nur ein geringer Erfolg beschieden. Siehe z. B. Paul B  P-P, Remarqves des signalez bien-faits rendvs à l’Estat par Sa tres-avgvste maiesté Anne d’Austriche, Paris 1649, passim; M, Reflexions consciencievses: Epistre, s.p.: »Depuis quelque temps, la malice de certains, & le libertinage des autres, se sont renduës si grandes, que sans aucune consideration d’honneur & de respect aux Majestés, on a injustement calomnié les actions & la Regence de cette tresvertueuse & tres-auguste Princesse: C’est, Monseignevr [= Hugues de Lionne], ce qui m’a contraint par devoir de conscience, de fidelité, & de recognoissance, de publier a tout le monde les vertus qui je sçay, pour les auoir veuës ou appris auec certitude, contraires aux mensonges & calomnies des méchants & fermer la bouche aux malicieux (s’il est poßible [sic]) au moins d’empescher qu’on les croye si legerement«. Michael D. S, »The Mirror Which Flatters Not«: Anne of Austria and Representations of the Regency during the Fronde, in: Proceedings of the Western Society for French History 24 (1997), S. 451–461, hier S. 451–453. Vgl. V, Le siècle de Louis XIV, Bd. 1, S. 76f.: »La Reine ne pouvoit paroître en public sans être outragée; on ne l’appeloit que Dame Anne; & si on y ajoutoit quelque titre, c’étoit un opprobre. Le peuple lui reprochoit avec fureur de sacrifier l’Etat à son amitié pour Mazarin; & ce qu’il y avoit de plus insupportable, elle entendoit de tous côtés ces chansons et ces vaudevilles, monumen[t]s de plaisanterie & de malignité, qui sembloient devoir éterniser le doute où l’on affectoit d’être de sa vertu« [Hervorh. im Orig.]. S, La Seconde Partie dv Censevr dv Temps et dv Monde, Paris 1652, bes. S. 23f., 33f., 40f. Sowohl die Prinzen von Geblüt als auch die Königinnen betrachtete er als ungeeignet für eine Regentschaft.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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coupable de tous ces mal-heurs, c’est vn[e] erreur commune mais qui se sied bien qu’aux ignoran[t]s354 .

Etwas deutlicher ging der Geistliche Charles Magnien auf die Lehre vom natürlichen und politischen Körper ein. Der Königin gebühre Respekt in ihrer Funktion als Regentin und Mutter des Königs – jeder Affront gegen sie sei letztlich ein Affront gegen ihn355 . Tatsächlich war die Fronde in erster Linie ein Aufschrei gegen Mazarin und seine Politik356 . Der König und die Königin blieben zunächst verschont357 . Die meisten Schriften, die ab 1649 erschienen, warnten vor dem schädlichen Einfluss des Favoriten auf ihre Entscheidungen358 . So hatte beispielsweise auch Cyrano de Bergerac die Schuld für die innenpolitischen Missstände noch einzig auf Mazarin geschoben359 . Dass die Königin aber trotz der anhaltenden Forderungen nach Mazarins Rücktritt, die 1649 sogar in einem offiziellen Erlass des Pariser Gerichtshofes gipfelten360 , zunächst starr an ihrem Ersten Minister festhielt, führte immer mehr dazu, dass sie selbst in den Fokus der Schmähschriften geriet361 . Sie ließ sich davon jedoch nicht beirren, wusste sie doch genau, dass Mazarins Fähigkeiten für den Staat zu wichtig waren, um ihn fallen zu lassen – denn die anderen halbwegs fähigen Männer, die in Frage kamen, gehörten der Fraktion des Prince de Condé oder des Duc d’Orléans an, womit einer der beiden

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Henry d’Audiguier du M, Le Censevr censvré. Dedié au Sieur de Sandricourt, [Paris] 1652, S. 15f. Sandricourt reagierte seinerseits mit einer Gegenschrift, siehe S, La Response de Sandricourt, svr la these covchée en la 2. Partie du Censeur du Temps & du Monde. À sçavoir que les Regences des Royaumes ne doivent jamais estre deferées aux Reynes Meres, ny aux Princes du Sang, Paris 1652. Vgl. auch B  P-P, Remarqves des signalez bien-faits, S. 12f., 27–30. [A], Discovrs svr le Govvernement, S. 3f.; M, Reflexions consciencievses, S. 34f. BNF, Mss., Fonds français 12617, Recueil de chansons, Bd. 2 (1648–1666), S. 418. Siehe V, De la guerre civile, Absätze 3, 6; V, La France, les femmes et le pouvoir, Bd. 2, S. 170, 174–178. Roger de B-R, Mémoires secrets de M. le comte de Bussy Rabutin, 2 Bde., Amsterdam 1768 [EA 1698], Bd. 1, S. 220. [A], Chronologie des Reynes malhevrevses par l’insolence de levrs favoris, dediée à la Reyne Regente, pour luy seruir d’exemple & de miroir, Paris 1649, S. 5f.; D T, L C, Très-humble remonstrance du Parlement au Roy et à la Reyne Regente, Paris 1649, passim. Savinien C  B, Œuvres complètes, hg. v. Madeleine A u. a., 3 Bde., Paris 2000–2001: Remontrance de la noblesse, Bd. 2, S. 469–474, hier S. 471. Siehe auch M, Reflexions consciencievses, S. 13f. François-André I u. a. (Hg.), Recueil général des anciennes lois françaises, depuis l’an 420 jusqu’à la Révolution de 1789, 29 Bde., Paris 1821–1833, Bd. 17, S. 115, Nr. 123. Siehe M, Mémoires, Bd. 1, S. 350f.; Bd. 2, S. 207. Vgl. C, Europäische Konstruktion, S. 331.

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2. Herrschaft und Repräsentation

unweigerlich zur dominierenden Figur aufgestiegen wäre362 . Aus Sicht ihrer Apologeten bewies die Königin hier erneut politisches Geschick363 . Eine nicht unwesentliche Rolle für den Unmut gegenüber Mazarin spielte aber auch die Tatsache, dass er Ausländer, genauer gesagt Italiener war, weil das die Erinnerung an Concino Concini wachrief, den verhassten Günstling von Maria von Medici364 . Zudem bestand der Vorwurf, dass Mazarin als Ausländer gar nicht genug mit den Eigenheiten des Landes vertraut sein könne, um ein solch hohes Amt auszuüben365 . Ein am frühen Morgen des 31. August 1650 an einem der Pfeiler der Pont Neuf angeschlagenes Plakat endete beispielsweise mit den Worten, Mazarin sei »un Ministre insolent, qui abuse depuis longtemps du nom, de l’autorité, et des armées de sa Maiesté pour la dissipation de ses finances pour l’oppression des Princes de son sang et de tous ses peuples, et pour la désolation entiere de son Estat«366 . Und der Pariser Gerichtshof erließ eigens eine Erklärung, wonach es künftig untersagt sein sollte, Kardinälen Zutritt zum Kronrat zu gewähren367 . Darüber hinaus war im Zuge des Prozesses und der Hinrichtung Karls I. in England erneut eine Debatte über die Autorität der Monarchen und das Recht auf Widerstand losgetreten worden368 . Wie ein spöttisches Sonett aus der Zeit der Fronde belegt, drohte auch in Frankreich die Gefahr, dass sich der Unmut über die politische Führung letztlich gegen den jungen Monarchen richtete; die Frondeure griffen dieses latente Szenario bewusst auf, um auf die Durchsetzung ihrer Forderungen zu drängen369 . Das Gros der Pam362 363

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M, Mémoires, Bd. 2, S. 519. J, Oraison, S. 13: »Tous ces coups & de la rébellion & de la calomnie venoient fondre comme des orages violen[t]s contre le cœur de nostre Reyne affligée; mais ils se brisoient & se fondoient en écume contre ce rocher de force & d’vne patience invincible«. Siehe O, Journal, Bd. 1, S. 117f., Eintrag v. 22.10.1643; Guy P, Lettres de Gui Patin, hg. v. Joseph-Henri R-P, 3 Bde., Paris 1846, Bd. 1, S. 106, Brief v. Patin an Belin (12.08.1643). Concini hatte bis zu seinem gewaltsamen Sturz und Tod 1617 ein großes Vermögen angehäuft. Vgl. dazu den fiktiven Dialog bei David F, Gespräche in dem Reiche derer Todten, 14 Bde., Leipzig 1718–1740: 61. Entrevüe zwischen Anna von Österreich und einem französischen Grafen N., Bd. 4, S. 948f., in dem der Graf Anna von Österreichs und Maria von Medicis Regierungsweise kritisiert. Vgl. J. K. H, Bemerkungen über die Geschichte der Fronde, in: Geschichte und Politik 2 (1800), S. 305–341, hier S. 324. BNF, Mss., Fonds français 6883, Pamphlet (1650), fol. 303r. I (Hg.), Recueil général des anciennes lois, Bd. 17, S. 243, Nr. 212. Siehe Andreas P, Zwischen Gottesebenbildlichkeit und Höllensturz. Das Bild des französischen Königs in Zeiten der Fronde, in: Andreas P, Kai T (Hg.), Die Bibel als politisches Argument. Voraussetzungen und Folgen biblizistischer Herrschaftslegitimation in der Vormoderne, München 2007, S. 333–348, bes. S. 334. Vgl. auch Luise S-S, Obrigkeitskritik und Widerstandsrecht. Die »politica christiana« als Legitimationsgrundlage, in: D. (Hg.), Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts: Politische Theologie – ResPublica-Verständnis – konsensgestützte Herrschaft, München 2004, S. 195–232. NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/116, À Messieurs du Con.el d’en haut (s.d.), fol. 112r. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 2, S. 501. Vgl. [A], La vérité des

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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phlete blieb jedoch gegen Mazarin und die Königin gerichtet und offenbart deren Prestigeverlust370 . Auch Anna von Österreich musste sich nun ihre ausländische Herkunft vorwerfen lassen371 : Mais c’est nostre malheur qu’une femme sans esprit et violente, qui est espagnole, et son conseiller principal le cardinal Mazarin qui est italien, l’ung et l’aultre suivant l’inclination de leur nation, qui sont les maximes de régner en verge de fer, et non par douceur, qui est pourtant la vraye maxime des Roys de France qui n’ont jamais usé de sévérité contre leurs subjetz de leur mouvement [. . . ] et ont toujours plutost agi en pere commung de leurs peuples [que] par sévérité372 .

Ein weiteres Argument bildete die von den Gegnern der Krone geschürte Gefahr, Anna von Österreich werde nach der Regentschaft die Macht nicht aus der Hand geben. Als Beleg dafür wurde gern auf die Beispiele von Katharina373 und Maria374 von Medici verwiesen375 . Hier zeigt sich erneut das alte Vorurteil von der politischen Unfähigkeit der Frauen, denen allein aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen waren, Charakterdefizite attestiert wurden376 .

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proverbes de tovs les grands de la covr, s.l. 1652, s.p.: »Le Roy à son Conseil. Marchand qui perd ne peut rire« [Hervorh. im Orig.]. Siehe C, P, Monarchies, S. 80, 209f.; Madeleine S-R T, La jeunesse du grand roi. Louis XIV et Anne d’Autriche, Paris 1945, S. 52. Vgl. [A], Entretien familier du Roy et de la Reyne, sa mère, sur les affaires du temps (1649), in: Félix D (Hg.), Archives curieuses de l’histoire de France depuis Louis XI jusqu’à Louis XVIII, 12 Bde., Paris 1837–1840, Bd. 7, S. 451–463, hier S. 460; BNF, Mss., Fonds français 12617, Recueil de chansons, Bd. 2, S. 353, 405. So berichtete François-Nicolas Baudot D-A, Journal des guerres civiles de Dubuisson-Aubenay, 1648–1652, hg. v. Gustave S, 2 Bde., Paris 1883–1885, Bd. 1, S. 352, Eintrag v. 23.–24.12.1650, von dem Plakat »Avis aux Parisiens«, das mit dem Aufruf endete: »Criez donc tous! Vive le Roy et point de Mazarin«. AN, Mss., K 118, Nr. 1, Discours sur L[’]Employ des Estrangers Aux charges & dignités du Royaume (1649), fol. 1r–21v; BNF, Mss., Fonds français 12617, Recueil de chansons, Bd. 2, S. 345. Siehe dazu Katherine C, Constructing Evil Foreign Queens, in: Journal of Medieval and Early Modern Studies 37/2 (2007), S. 393–418. Vgl. JeanFrançois D, María José del R B, La présence étrangère autour d’Anne d’Autriche, in: G (Hg.), Anne d’Autriche, S. 111–153, hier S. 130–136. Oudard C, Mémoires de Oudard Coquault, bourgeois de Reims (1649–1668), hg. v. Charles L, 2 Bde., Reims 1875, Bd. 1, S. 148, Eintrag v. 24.09.1650. Henri E, Discours merveilleux de la vie, actions & déportemens de Catherine de Médicis, s.l. 1575. Vgl.  K, Catherine de Médicis, S. 22f., 75, 210. [A], Les singeries des femmes de ce temps descouvertes, Paris 1623, passim. Vgl. Nicholas P. S, Finding the Bible in Seventeenth-Century French Politics: An Examination of Pamphlets from the Regency Crisis of Marie de Médicis and Anne of Austria, Buffalo 1999. Siehe dazu Jean-François D  R, Mémoires historiques, critiques, et anecdotes des reines et régentes de France, 6 Bde., Amsterdam 1776, Bd. 4, S. 347–451; François de S  L M F, Œuvres, hg. v. Jacques L B, 2 Bde., Paris 1983: Dialogues des morts, LXXII – La reine Marie de Médicis et le cardinal Richelieu, Bd. 1, S. 482. Vgl. Peter H, A Survey of the Estate of France and of some of the adjoyning Islands, London 1656, S. 215.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Anna von Österreich war hingegen darum bemüht, ihre Entschlossenheit gegenüber den französischen Interessen zu demonstrieren, mitunter sprach sie gar von der »Hinterlist und Eitelkeit der Minister des spanischen Königs«377 . Trotzdem wurden sie und Mazarin während der Fronde verdächtigt, Frankreich an den Rand des Ruins zu treiben und den Frieden mit Spanien verschleppt zu haben378 . Dieser Vorwurf entbehrte jedoch jeglicher Grundlage. Wie Richard Bonney zu Recht anmerkt, wäre ein übereilter und damit womöglich für Frankreich unvorteilhafter Friedensschluss mit Spanien beiden ebenfalls angelastet worden (und hätte sich vor allem langfristig nur noch nachteiliger ausgewirkt)379 . Auffallend ist: Die Königinnen bzw. Regentinnen, die machtpolitisch hervortraten und sich also in gewisser Weise maskulin verhielten wie die beiden Medici-Königinnen, waren Kritik ebenso ausgesetzt wie eine Königin, die wie Anna von Österreich eher die weiblichen Aspekte einer Mutter und Witwe betonte. Das fehlende machtbewusste Auftreten wurde dann als typisch weibliche Schwäche interpretiert und es hieß, Anna von Österreichs Liebe zu Mazarin hindere sie daran, zum Wohle des Landes zu handeln und den Forderungen von Adel und Volk endlich nachzugeben380 . Und als sie dem Druck schließlich nachgab und Mazarin ins Exil schickte, um dem Land vorläufig wieder mehr Ruhe zu geben, wurde dies gleichsam als Schwäche ausgelegt, weil die Königin sich aus Sicht ihrer Gegner erpressbar gemacht und nachgegeben hatte. Die Fürsprecher weiblicher Herrschaft sahen das jedoch anders. Der Geistliche Le Moyne veröffentlichte 1649 seine »Devises héroïques et morales«, in denen er nochmals die Idee propagierte: »Rex animo non sexu«381 . In einer Devise, die unter dem Motto »Il est roi de courage, et non de sexe« stand, 377

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BNF, Mss., Fonds français 4175, Brief v. Anna von Österreich an den Marquis de Mercurin (07.06.1647), fol. 423r–423v, hier fol. 423r. In der Zitadelle von Casal war es zu einer Meuterei gekommen, für die die Spanier verantwortlich gemacht wurden. Die Königin bedankte sich nun in dem Schreiben für Mercurins umsichtiges und loyales Vorgehen in dieser Affäre und versicherte ihn ihres anhaltenden Wohlwollens. [A], La France et les Royavmes rvinez par les favoris et les Reines amovreuses, s.l. s.d., S. 3. Richard B, Cardinal Mazarin and his Critics: The Remonstrances of 1652, in: Journal of European Studies 10 (1980), S. 15–31, hier S. 23–25. BNF, Mss., Fonds français 12617, Recueil de chansons, Bd. 2, S. 40, 233, 353, 355, 379, 417; Charles-Auguste de L F, Mémoires et réflexions sur les principaux événements du Règne de Louis XIV, Rotterdam 1716, S. 24. Siehe [A], Lettre de reproche de la Reyne au Cardinal Mazarin, Sur le repentir qu[’]elle a de l’auoir aymé, [Paris] 1649; Jules M, Lettres du Cardinal Mazarin à la Reine, à la Princesse Palatine, etc., écrites pendant sa retraite hors de France, en 1651 et 1652, hg. v. Jules R, Paris 1836, S. 292, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (26.09.1651). Vgl. auch CN, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 218; Jeffrey M, The Cardinal and the Queen: Sexual and Political Disorders in the Mazarinades, in: French Historical Studies 18/3 (1994), S. 667–699, bes. S. 687f. Pierre L M, Devises heroiqves et morales, Paris 1649, S. 8. Vgl. auch BNF, Mss.,

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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schob er die Geschlechterfrage noch einmal beiseite und hob stattdessen die Bedeutung intellektueller Fähigkeiten und Tugenden wie den Mut hervor382 . In einer anderen Devise wurde anhand des Beispiels von Sonne und Mond (»Iam Sola Solem Æqvat«) implizit darauf hingewiesen, dass die Königin die Regentschaft rechtmäßig übernommen habe und lediglich als Bewahrerin der königlichen Macht und Autorität diene; sie repräsentiere im übertragenen Sinn den Mond (la lune), der zwischen Sonnenuntergang (Tod Ludwigs XIII.) und Sonnenaufgang (Volljährigkeit Ludwigs XIV.) scheine383 . Zwar konnten derartig geistvolle Reflexionen keinen nachhaltigen Eindruck auf den allgemeinen Unmut entfalten, aber sie machen doch noch einmal deutlich, wie schwer es letztlich – gerade in Krisenzeiten – immer noch war, weibliche Herrschaft zu rechtfertigen und zu legitimieren, da weder ein zu selbstbewusstes noch ein zu »weibliches« Verhalten opportun erschien und Gegner in jedem Fall auf den Plan gerufen wurden384 . Ungeachtet aller Kritik hielt Mazarin auch von seinem Exil aus ständigen Kontakt zur Königin, die in enger Absprache mit ihm das weitere Vorgehen plante385 . Schließlich gelang es ihnen und den erfolgreichen königstreuen Truppen, die Frondeure zu schlagen. Ein wesentlicher Grund dafür war allerdings auch der mangelnde Zusammenhalt und die Zerstrittenheit der politischen und militärischen Anführer auf Seiten der Frondeure, was nicht zuletzt aufgrund von deren Eigeninteressen dazu geführt hatte, dass sich der Kampf gegen die Krone in eine Niederlage verwandelte, wie später der Bischof François Faure resümierte386 . Die Königin aber ging gestärkt aus der Krise hervor, und schon bald setzte eine neue und offensive Propagierung ihrer Leistungen ein. So wurde zum Beispiel der frühere Vorwurf, gegen jeden vernünftigen Grund an Mazarin festgehalten zu haben, nun gerade als entscheidend für den Fortbestand der Monarchie und des Reiches ausgelegt. Und obgleich bestimmte Stereotypen in Bezug auf ihr Verhältnis zum Ersten Minister auch weiterhin auftauchten und sich später noch vielfach in den Meinungen (populär-)wissenschaftlicher Reflexionen wiederfinden sollten, so blieben harsche Kritiken gegenüber An-

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Fonds français 6883, Brief v. La Vrillière an Pichon (10.08.1650), fol. 318v–319v, hier fol. 319r. L M, Devises heroiqves, S. 9. Ibid., S. 10. Siehe auch [A], Discovrs svr le Govvernement, S. 3f., 6f.; M, Reflexions consciencievses, S. 32. Vgl. J-F, Herrinnen des Louvre, S. 242f. Vgl. V, Le siècle de Louis XIV, Bd. 1, S. 68. Vgl. M, Lettres du Cardinal Mazarin à la Reine, S. 38–64, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (12.05.1651). Zit. n. Ferdinand P, Histoire de François Faure, évêque d’Amiens, prédicateur de la reine Anne d’Autriche et des cours de Louis XIII et de Louis XIV, conseiller d’État, etc. D’après divers documents inédits. 1612–1687, Amiens 1876, S. 80. Siehe auch [A], Discovrs svr le Govvernement, S. 3f.; H, Bemerkungen über die Geschichte der Fronde, S. 328–332.

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2. Herrschaft und Repräsentation

na von Österreich wie während der Fronde oder später noch einmal im Zuge der Französischen Revolution und deren Generalabrechnung mit dem Ancien Régime in ihrem Umfang und ihrer Tragweite singuläre Ereignisse387 . Die Pamphlete konnten keine dauerhafte Wirkung entfalten, sodass das strahlende Bild, das die Königin so geschickt zu forcieren suchte, sich von der Kritik nicht verdunkeln ließ. 2.2.3 Machtfragen und Gottvertrauen Als mit der Volljährigkeitserklärung Ludwigs XIV. die Regentschaft ihren formalen Abschluss fand, wurde auch dieses Ereignis wirkungsmächtig eingesetzt, um allen vor Augen zu führen, dass die Königin – entgegen anderslautenden Behauptungen – ohne zu zögern die Machtbefugnisse an ihren Sohn abtrat. In der Erklärung vom 2. Oktober 1651 heißt es388 : [L]adite Dame Reine a dit au Roi: »Voici la neuviéme année que par la volonté du Roi defunt [. . . ] j’ai pris le soin de vôtre éducation, & du gouvernement de vôtre Estat: Dieu par sa bonté a donné benediction à mon travail, & a conservé vôtre personne, [. . . ] je vous remets avec grande satisfaction la puissance qui m’avoit esté donnée pour le gouvernement«. [. . . ] Et ensuite s’étant inclinée vers ledit Seigneur, il s’est levé & l’a embrassée; & [. . . ] lui a dit: »Madame, [. . . ] Je vous prie de continuër à me donner vos bons avis. Je desire qu’après moi vous soyez le chef dans mon Conseil«389 .

Das Ende der Regentschaft wurde ebenfalls mit der Prägung einer Medaille festgehalten (Abb. 6). Beim lit de justice befand sich die Königin nun nicht mehr versetzt hinter, sondern unterhalb des Königs stehend. Jedoch muss beachtet werden, dass die Volljährigkeitserklärung auch aufgrund der noch immer andauernden Fronde von Vorteil war, um fortan jede Kampfhandlung gegen die Krone als direkten Angriff auf den König zu werten390 . Die Königin hatte nun zwar offiziell keinen Anteil mehr an den Regierungsgeschäften, da sie aber weiterhin im 387

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[A], Histoire des princes du sang français et des reines de France. L’an II de la liberté, Paris 1790, S. 54f.: »L’opiniatreté avec laquelle Anne d’Autriche soutint le Cardinal Mazarin contre le vœu de tout le royaume et les maux que causa à la France cet entetement poussé a un excès qui fit soupçonner la nature de leurs liaisons, sont trop connus pour que j’insiste sur la vie de cette reine, née étrangere et très-malheureuse avec son mari; elle préféra le vain orgueil de soutenir l’étranger au bonheur de plaire aux français [. . . ], et d’assurer la paix du royaume, et fut cause de tous les troubles de la Fronde, et en mariant son fils avec une Espagnole, prépara à l’ambition de Louis XIV un prétexte qu’il ne manqua pas de saisir, et qui arma contre lui toute l’Europe«. Siehe auch ibid., S. 25, 33f., 47f., 61f., wo v.a. weitere Regentinnen, etwa die Medici-Königinnen, geschmäht werden. Siehe René de C, Discovrs svr le sacre dv Roy, Paris 1654. Vgl. auch H, Le lit de justice, S. 199–201; Richard A. J, Vivat Rex. Histoire des sacres et couronnements en France 1264–1825, Paris 1984, passim. D, Traité de la majorité, Bd. 2, S. 389f. Siehe M, Mémoires, Bd. 4, S. 267. B, Œuvres: Descriptions ou explications de médailles, Bd. 3, S. 275f.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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Abbildung 6: »La Majorité du Roi«, Silbermedaille (Revers) von Michel Molart (1651).

Kronrat (bis März 1661) blieb, war ihre Machtstellung de facto natürlich dennoch nicht zu Ende391 . Sie agierte aber primär im Hintergrund; nach außen regierte Ludwig XIV. mit Mazarin, dem »weisen Lotsen«392 des Staates. Und als Ludwig XIV. nach dem Tod Mazarins Anna von Österreich aus dem Kronrat ausschloss, war auch das keine Herabsetzung ihrer Person, sondern es ging ihm in erster Linie darum, seine Eigenständigkeit bei der Leitung der Regierungsgeschäfte zu demonstrieren393 . Indem seine Mutter diese Entscheidung trotz einigen Unmuts akzeptierte und keine eigenen Machtambitionen an den Tag legte, gewann sie zusätzlich an Prestige394 . Im Übrigen sollte all das keinesfalls zu dem Fehlschluss verleiten, Anna von Österreich habe nach 1661 keinen politischen Einfluss mehr ausgeübt und ihr Dasein habe sich nur noch auf ihr Seelenheil und den Familienfrieden konzentriert, wie einige Historiker glauben machen wollen395 . 391

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[A], Panegyrique de la Reyne, S. 44. Siehe dazu B, Les reines de France, S. 294; Robert D, Christian J, La France du premier XVIIe siècle, 1594– 1661, Paris 1996, S. 121; Klaus M, Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung, Göttingen 1994, S. 54f. Muze royale, 3. Januar 1657, S. 2. Vgl. BNF, Mss., Baluze 149, Brief v. (?) an Nicolas Fouquet (22.04.1661), S. 111f., hier S. 111: »[Le roi entra] fort brusquement dans sa chambre[.] Il luy fit reproche de ce qu[’]elle auoit prié M[onsieu]r de Brien[n]e de quelque affaire & qu’il luy dit en propres termes, & fort en colere, Madame ne faites plus de pareilles chose sans m’en parler, qu’a [sic] cela la Reine ne repondit rien & ne fit que rougir«. Kurioserweise geht etwa Dessert in seiner Studie über die Machtergreifung Ludwigs XIV. nicht weiter auf diese Thematik ein. Vgl. Daniel D, 1661. Louis XIV prend le pouvoir: naissance d’un mythe?, Paris 2000. L XIV., Mémoires de Louis XIV. Écrits par lui-même, composés pour le GrandDauphin, son fils, et adressés à ce Prince, Paris 2005 [EA 1806], S. 52; M, Mémoires, Bd. 5, S. 180, 182. Siehe auch L B, Oraison, S. 23f.; D, Anne d’Autriche, S. 43, 101–103; M, Königinnen auf Zeit, S. 282f. Lucien B, La France au XVIIe siècle. Puissance de l’État, contrôle de la société, Paris 2009, S. 560; C, Reines et favorites, S. 140; D, Anne d’Autriche, S. 293f., 301; J-F, Herrinnen des Louvre, S. 326; Sophie de L, Les Domestiques commensaux du roi de France au XVIIe siècle, Paris 2002, S. 448f.; Eugène-

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2. Herrschaft und Repräsentation

Sie beabsichtigte auch keineswegs, sich vom Hof zurückzuziehen, etwa in die Spanischen Niederlande, wie der Prager Erzbischof Kardinal Ernst Adalbert von Harrach kolportiert396 . Im Gegenteil: Sie war sehr wohl daran interessiert, weiterhin am Hof zu bleiben und Einfluss auszuüben – und tat es auch. Daran änderte der formale Ausschluss von den Regierungsgeschäften nichts. Selbst Mme de Motteville räumte das ein, auch wenn sie die reale Bedeutung und die Ambitionen der Königin zu relativieren versucht und mit dem vermeintlich altruistischen Bemühen einer Mutter argumentiert, die lediglich ihrem Sohn behilflich sein möchte: La Reine sa Mere, qui avoit senti l’incommodité du joug qu’elle s’étoit imposé, ne vouloit plus se soumettre à d’autre Puissance qu’à celle du Roi son Fils; si bien qu’elle souhaitoit qu’il voulût travailler lui-même pour lui-même. Elle n’étoit ambitieuse; mais, elle étoit assez bonne Mere, pour vouloir lui aider en tout ce qu’elle pourroit397 .

Ludwig XIV. hatte ohnehin nicht die Absicht, auf die Erfahrungen, Ratschläge und Kontaktnetze seiner Mutter zu verzichten398 . Wie aus einem Memorandum Colberts von 1663 eindeutig hervorgeht, hatte Anna von Österreich offenbar keinen vollständigen Einblick mehr in alle Staatspapiere, aber doch in die meisten und nahm zumindest inoffiziell weiterhin Ratgeber- und Einflussfunktionen wahr und stellte im Hintergrund einen nicht unerheblichen Macht- und Autoritätsfaktor dar399 . Der spanische König Philipp IV. ließ beispielsweise wichtige Schriftstücke dem König wie auch Anna von Österreich zukommen, während diese sich aktiv für den Erhalt des Friedens einsetzte400 .

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Gabriel L, (Art.) »5. Anne d’Autriche«, in: Jules B u. a. (Hg.), Dictionnaire de biographie française, Bd. 2, Paris 1936, Sp. 1309–1320, hier Sp. 1319; M, Die Bourbonen, S. 247. Vgl. G, De l’influence des femmes, S. 54. Ernst Adalbert von H, Die Diarien und Tagzettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598–1667), hg. v. Alessandro C, Katrin K, 7 Bde., Wien u. a. 2010, Bd. 7, S. 310, Eintrag v. 10.02.1663: »Ein artliche zeitung gehet herumb, alß wan die alte Khönigin in Franckhreich sich etwas disgustirt uber das jezige governo erweisen thäte, und disen nächsten früheling sich in Niderlandt retiriren wollte«. M, Mémoires, Bd. 5, S. 164. Vgl. auch ibid., S. 157. Siehe dazu [A], Les Pourtraicts de la cour pour le present: c’est a dire du Roy, des Princes, & des Ministres d’Estat & autres, Köln 1667, S. 29f.: »[E]lle retient encor[e] aujourd’huy cette aymable authorité sur l’Esprit d’un puissant Roy«; Daniel de C, Mémoires de Daniel de Cosnac, archevêque d’Aix, hg. v. Jules de C, 2 Bde., Paris 1852, Bd. 2, S. 55: »Cette union de la mère et du fils étoit à ce point, qu’ils étoient dans une étroite confidence et ne se cachoient de rien«. Vgl. auch S-S, Mémoires, Bd. 2, S. 372; Bd. 4, S. 197. BNF, Mss., Fonds français 10249, Mémoire de Colbert pour Louis XIV (28.08.1663), fol. 16r–17r, hier fol. 16r. Siehe Adolphe C, Mémoires sur la vie publique et privé de Fouquet, surintendant des finances d’après ses lettres et des pièces inédites, 2 Bde., Paris 1862, Bd. 2, S. 122f., sowie ibid., S. 130, Brief v. (?) an Nicolas Fouquet (22.04.1661); Georges D, Nouvelle histoire de Paris. Paris au temps de Louis XIV, 1660–1715, Paris 1990, S. 52. L XIV., Œuvres de Louis XIV, 6 Bde., Paris 1806, Bd. 5, S. 148f., Brief v. Ludwig XIV. an Philipp IV. (30.07.1663); M, Mémoires, Bd. 5, S. 429f.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

119

Und der englische König Karl II. wies wiederum gegenüber seinem Gesandten in Paris explizit auf ihre wichtige Funktion für die anglo-französischen Beziehungen hin401 . Er bat sie auch direkt, sich für die englischen Interessen und die Freundschaft beider Nationen einzusetzen402 . Anna von Österreich blieb ein nicht zu unterschätzendes »dynastisches Bindeglied« und hatte »die Möglichkeit der Einflußnahme, auch wenn ihr diese Rolle offiziell nicht zuerkannt« wurde403 . Außerdem übernahm sie in Abwesenheit des Königs weiterhin die Regierungsaufgaben, etwa 1663, als Ludwig XIV. die Pariser Stadträte anwies, sich bei dringenden Angelegenheiten an seine Mutter zu wenden404 . Kardinal Chigi hat daher die Lage richtig eingeschätzt, als er meinte, Ludwig XIV. behalte sich zwar stets die Entscheidungshoheit vor, die Staatsgeschäfte vertraue er aber nach wie vor seiner Mutter an und bespreche sich mit ihr405 . Die machtpolitische Bedeutung von Anna von Österreich war somit nach 1661 keineswegs geschwunden. Erst ihr Tod stellte eine entscheidende Zäsur und eine Stärkung des Alleinherrschaftsanspruchs Ludwigs XIV. dar, weil er nun weitaus befreiter agieren konnte als zuvor – das galt nicht zuletzt für sein Ruhmstreben, weshalb viele Zeitgenossen im In- und Ausland den

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NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/117, K II., Instructions to John Trever Esq:[uir]e going in quality of Envoye to my deare Brother the most Christian King (17.02.1663), fol. 32r–33v, hier fol. 33v: »But more especially ye [= the] Queen Mother [. . . ] upon whom I especially depend to maintaine ye good correspondence w[hi]ch is betwe[en] My good Brother ye most Christian King & myselfe«. NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/116, Brief v. Karl II. an Anna von Österreich (s.d. [um 1662]), fol. 111r: »[J]e uous supplie d[’]en estre persuadee et de contribuer a faire bien entendre mes intentions en cette oc[c]asion ne desirant rien plus fortement que de conseruer la parfaite amitie du Roy mon frere en son entier et de uous donner de preuues de combien ie cheris l[’]honneur de la uostre«; NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/117, Brief v. Karl II. an Anna von Österreich (s.d. [um 1663]), fol. 295r: »Je depesche à la fin le Mylord Holles Baron &c. En qualité de mon Ambassadeur Extraordinaire au Roy Monsieur mon frere pour renouueller les anciennes alliances et traittes d’vne plus estroitte amitié entre nous, et com[m]e je suis assez persuadé de v[ot]re bonne Volonté d’y contribuer, J’ay com[m]andé a mon dit Ambassadeur de Vous en parler au fonds, et les occasions le requérant d’en demander Vos bons advis et offices«. C, Europäische Konstruktion, S. 329. NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/117, Report from Paris (25.08.1663), fol. 136r–137r, hier fol. 137r. Es war durchaus üblich, eher der erfahrenen Königinmutter als der jungen und unerfahrenen Königin die Regentschaft im Falle der Abwesenheit zu übertragen. Siehe D, Anne d’Autriche, S. 45. Flavio C, Relation et observation sur le royaume de France par le cardinal Chigi, légat (1664), hg. v. Emmanuel R, in: Revue d’histoire diplomatique 8/2 (1894), S. 269–279, hier S. 274.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Tod der Königin – zu Recht – als so folgenschwer betrachteten406 . Kaiser Leopold I. konstatierte etwa: Eben heut bei der Post schreiben Marques de la Fuente407 [,] dass die regina madre den 20. jungsthin gestorben sei; requiescat in pace. Vor unser Haus war wohl besser gewesen, wann sie annoch ein etliche Jahrl gelebt hatt[e]. Sed sicut domino placuit, ita factum est. Jetzt wird der Konig in Frankreich handlen konnen, wie er wird wollen408 .

Abgesehen vom Ausschluss aus dem Kronrat verlor Anna von Österreich infolge der Vermählung Ludwigs XIV. mit Maria Theresia von Spanien 1660 de jure auch ihren Status als erste Frau am Hofe, weil nun deutlich zwischen Königin und Königinmutter unterschieden wurde409 . Die Privilegien der Königin gingen automatisch auf ihre Nachfolgerin über410 . Dieser zeremonielle Statuswechsel ging mit einem Wechsel innerhalb des monarchischen Inszenierungskanons einher: Konnte Anna von Österreich vor allem während ihrer Ehe etwa auch mit Juno verglichen werden, war dies als Witwe seltener der

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C, Mémoires, Bd. 2, S. 476, Eintrag v. August 1665: »Chacun appréhende sa mort, estant dame fort vertueuse et à laquelle le Roy défère tout respect, et croit-on qu’elle arreste de son aucthorité maternelle beaucoup de traictz de forte jeunesse qui pourroit affliger le peuple et mesme apporter dom[m]age à l’Estat. Le Seigneur, de sa miséricorde, luy veuille continuer et allonger sa vie, si pour la gloire de son sainct nom elle est encore nécessaire à son pauvre peuple«. Siehe auch AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre, S. 3; AN, Mss., L 1036, Nr. 24, M, Oraison, S. 59; BNF, Mss., Rothschild 356, André C, Oraison fvnebre prononcée dans l’église collegiale de Beaulne, povr la tres-chrestienne Reyne de France et de Navarre Anne d’Avtriche Mere dv Roy, Beaune [1666], S. 1–37, hier S. 2; B  R, Les larmes pvbliqves à la mort d’Anne d’Austriche, Reyne de France & de Nauarre en l’année 1666, Paris [1666], S. 5; C, Devises, S. 344f.; Le Grand Condé et le Duc d’Enghien. Lettres inédites à Marie-Louise de Gonzague, reine de Pologne, sur la cour de Louis XIV (1660–1667), hg. v. Émile M, Paris 1920, S. 120f., Brief v. Duc d’Enghien an Luisa Maria Gonzaga (Ende Dezember 1664); L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 24. Januar 1666, Sp. 637, V. 93f.; L B, Oraison, S. 33; M, La bien-venve, S. 59f.; François de Paule de Clermont, Marquis de M, Mémoires de François de Paule de Clermont, Marquis de Montglat, 3 Bde., Paris 1825–1826, Bd. 3, S. 136; Muse de la cour, 25. Januar 1666, XI. Semaine, V. 97–120; O, Journal, Bd. 2, S. 439, Eintrag v. 20.01.1666; P, Lettres, Bd. 3, S. 440, Brief v. Patin an André Falconet (19.06.1663); Jean-François S, Oraison fvnebre d’Anne Infante d’Espagne, Reine de France, Paris 1666: Epistre, s.p.; V, Eloge fvnebre, S. 1. Don Gaspar de Teves y Tello de Guzmán, Marqués de la Fuente und Conde de Benazuza, war Diplomat und Mitglied des Kronrates. Von 1656 bis 1661 diente er als spanischer Botschafter am Wiener Hof. L I., Privatbriefe Kaiser Leopold I. an den Grafen F. E. Pötting 1662–1673, hg. v. Alfred F. P, Moriz L  P, 2 Bde., Wien 1903–1904, Bd. 1, S. 202f., Brief v. Leopold I. an Franz Eusebius Graf von Pötting (07.02.1666). Vgl. ibid., S. 101, Brief v. Leopold I. an Franz Eusebius Graf von Pötting (21.01.1665). C, Œuvres, S. 382, Titre 5, Nr. 6. Vgl.  K, Catherine de Médicis, S. 186. V, Les contrats de mariages, S. 59, 61. Vgl. L B, De la Sovveraineté dv Roy, S. 47; C, Œuvres, S. 382, Titre 5, Nr. 6.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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Abbildung 7: »Anne d’Autriche et Marie Thérèse d’Autriche«, Gemälde von Simon Renard de Saint-André (1664).

Fall, sodass sich erneut die Verherrlichung als Minerva anbot – ähnlich wie einst bei Maria von Medici411 . Aber wie schon im Fall der politischen Mitsprache sollten auch dieser Statusverlust und der mythologische Wandel nicht überbewertet werden, gerade weil Anna von Österreich ihre neue Rolle akzeptierte und ausgesprochen gute Beziehungen zu ihrer Nichte und Schwiegertochter Maria Theresia unterhielt (Abb. 7)412 . Entgegen der Behauptung von Abby Zanger, Anna von Österreich habe Probleme gehabt, sich mit der neuen Situation abzufinden, lässt sich vielmehr eine Gleichrangigkeit in der Verehrung gegenüber den beiden Königinnen feststellen413 : Sie hätten sich letztlich, so Furion, den »Glanz des Purpurs« ge411

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Muze historique, 10. Januar 1665, Livre XVI, Lettre II, V. 125. Siehe B, L’iconographie, Bd. 1, S. 207–210; Francis H. D, French Portraits of Ladies as Minerva, in: Gazette des beaux-arts 45 (1955), S. 261–286, hier S. 265f.; W, Heldinnengalerie, S. 62. Obwohl Minerva auch als Symbol für den Krieg diente, nutzte Anna von Österreich primär die ebenso geläufige Assoziation mit Weisheit und Frieden. Vgl. auch G, Minerva Revivified, S. 79–166; R, Marie de Médicis, S. 67–70. Das war ein entscheidender Unterschied zum Verhältnis zwischen Maria von Medici und Anna von Österreich. Siehe B, Les reines de France, S. 298; C, P, Monarchies, S. 238. Abby E. Z, Fashioning the Body Politic: Imaging the Queen in the Marriage of

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2. Herrschaft und Repräsentation

teilt414 . Mlle de Scudéry bezeichnete die beiden gar als die beiden größten Königinnen, die Frankreich je hatte415 . Und Gabriel Guéret verwies auf die bei ihnen so ausgeprägte Tugendhaftigkeit416 . Die Nutzung von Superlativen und Hyperbeln war eine beliebte Form der Huldigung gegenüber den aktuellen Herrschern, indem die Einzigartigkeit der jeweiligen Person nicht nur akzentuiert, sondern diese gleichsam über alle bisherigen Menschen gestellt wurde417 . So wurde Anna von Österreich etwa als »die frommste Königin«418 , als »die erhabenste und heiligste aller unserer Königinnen«419 , als die »größte und beste Königin, die es jemals gab«420 oder gar als »die größte Fürstin des Universums«421 gepriesen. Die Gleichrangigkeit beider Königinnen fand aber einen noch konkreteren Ausdruck in einer bis heute kaum beachteten Gedichtsammlung. Anlässlich der Geburt des Thronfolgers erschienen 1661 vier Sonette, die außer dem Dauphin Ludwig, seiner Gouvernante, der Duchesse de Montausier422 , und der Königin ebenfalls Anna von Österreich ehrten423 . Mehr noch: An der Geburt wurde ihr ein ebenso wichtiger Anteil zugebilligt wie der Königin selbst. Dieser Anteil an einem Erfolg der Dynastie wurde – wie schon während der Regentschaft – vor allem auf ihre Gebete zurückgeführt, was vor dem Hintergrund der Frömmigkeit der Epoche ein nicht zu unterschätzender Faktor war (Abb. 8): Anne, pour qui nos vœux incessamment souspirent, Que vos Vœux tout-puissan[t]s nous ont sauué de fois; Et que de fois le Ciel est rangé sous vos loix, Pour vous suiure par tout ou vos desirs aspirent! Qui peut nombrer les biens que ces Vœux nous attirent? Ils ont forcé le Ciel à nous donner des Rois;

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Louis XIV, in: Louise Olga F (Hg.), Woman and Sovereignty, Edinburgh 1992, S. 101–120, hier S. 107. F, La Reyne tres-chrestienne, S. 6. R, Mademoiselle de Scudéry: Lettre de remercîment (Oktober 1663), S. 288. Gabriel G, La carte de la covr, Paris 1663, S. 5. Siehe auch O, Oraison, S. 92–95. Vgl. zum hyperbolischen Porträt auch F, Das literarische Porträt, S. 18–21. [A], Remonstrance à la Reine svr le sviet d’vn Mont de pieté, s.l. s.d., S. 1. [A], Oraison fvnebre de la reyne mere Anne d’Avstriche, Paris 1666, S. 5. Vgl. ibid., S. 24. F, Oraison, S. 2. F, Oraison, S. 6; P, Oraison, S. 45; V, Oraison, S. 25. Julie d’Angennes, Tochter der berühmten Pariser Salonière Catherine de Vivonne, Marquise de Rambouillet, hatte 1645 ihren langjährigen Verehrer Charles de Sainte-Maure, Duc de Montausier, geheiratet, der 1668 seinerseits zum Gouverneur des Dauphins ernannt wurde. [A], À la Reyne Mere, svr l’admirable et freqvent effect de ses vœux. Sonnet, s.l. [1661]; [A], À la Reyne svr son titre le plvs Avgvste de Reyne de Paix. Sonnet, s.l. [1661]; [A], À Madame de Montavsier Govvernante de Monseignevr le Davphin. Sonnet, s.l. [1661]; [A], À Monseignevr le Davphin. Sonnet, s.l. [1661].

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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Abbildung 8: »Anne d’Autriche, Marie Thérèse et le Dauphin«, anonymes Gemälde (nach 1661).

La Grace & la Nature ont entendu leur Vois; Leur pouuoir s’est soûmis à tout ce qu’ils desirent. Vous donnez à la France vne Reyne de Paix: La Paix qui l’accompagne est vn de vos Bienfai[t]s: Mais vn, plus grand que tous, tous les autres couronne: C’est ce rare Dauphin qui vient de Toutes-deux: Il est d’Elle & de Vous, chacune nous le donne: C’est le fruit de son ventre, & celuy de vos Vœux424 .

Letztlich ermöglichte es nur eine derartige Gleichsetzung, weder den Status der aktuellen Königin noch die Leistungen und die Würde der Königinmutter zu schmälern. Anna von Österreich wurde immer noch hoch geachtet und verehrt. Sie drängte Maria Theresia aber keineswegs beiseite und gewährte ihr – anders als einst ihre eigene Schwiegermutter Maria von Medici – den ersten Platz, blieb aber de facto weiterhin dominierend425 . So wurde Maria Theresia 424

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[A], À la Reyne Mere, s.p. Vgl. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 51; BNF, Mss., Mélanges Colbert 37, Charles P, Ode sur le mariage du Roi (s.d. [um 1660]), fol. 219v–223v, hier fol. 222v; Jean de L F, Œuvres, hg. v. Henri R, 9 Bde., Paris 1892: Lettre X. À M. Foucquet, Bd. 9, S. 340; M, La bienvenve, S. 11, 22f. Siehe D, Anne d’Autriche, S. 100; C, Marie-Thérèse, S. 419.

124

2. Herrschaft und Repräsentation

explizit dazu aufgefordert, sich ihre Schwiegermutter zum Vorbild zu nehmen426 . Tatsächlich manifestierte sich die Dominanz der Königinmutter gerade in den Details bei öffentlichen Auftritten und zeugte damit einmal mehr davon, dass sie trotz des propagandistischen Gleichrangigkeitsgebarens ihren Status seit der Hochzeit des Königs immer noch fest im Blick hatte und nicht gewillt war, repräsentative Einbußen hinzunehmen, sondern stattdessen subtil das Prinzip »prima inter pares«427 verfolgte. Ein Kommentar aus dem Protokoll des französischen Hofzeremoniells belegt dies sehr eindringlich: Je ne dois pas obmettre vne particularité qui peut seruir de regle pour decider du rang entre vne Reyne mere et vne Reyne Regnante. La veille du mariage du Roy il y eut comédie joüée par les Comediens Espagnols: la Reyne mere se rendit la premiere à la salle. Elle vit qu’on auoit placé son fauteüil à la gauche de celuy du Roy, Elle le fit oster, et le fit mettre à la droite, disant qu’Elle se souuenoit bien que Marie de Medicis estoit à droite du Roy, et Elle toûjours à gauche. J’ay veu la Reyne mere en tous lieux tenant le même rang entr’Elle et Marie Therese soit dans toutes les ceremonies, soit à table aux repas ordinaires, et extraordinaires428 .

Wenngleich sie also insgesamt zurückhaltender vorging, was die Ausübung von Macht und Einfluss nach dem Ende der Regentschaft anbelangte, machte diese Begebenheit noch einmal deutlich, dass sich Anna von Österreich ansonsten in ihrem zeremoniellen Anspruchs- und Rangdenken nicht wesentlich von ihrer Medici-Vorgängerin unterschieden hat. Aber auch Ludwig XIV. räumte seiner Mutter nach wie vor eine eminente Stellung im höfischen Zeremoniell ein429 . Das war nicht zuletzt ein Ausdruck des Dankes für ihre politische Leistung in den zum Teil schwierigen Jahren der Regentschaft. Daneben war es aber zugleich eine Ehrung gegenüber ihrem Status als Königinmutter. Der Respekt und der Umgang mit ihr – wie 426

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René de C, Éloge d’Anne d’Avstriche. À la Reine, Paris 1661: Épître, s.p. Siehe auch Esprit F, Oraisons funèbres de Fléchier avec les notes de tous les commentateurs, précédées d’un Discours sur l’oraison funèbre, hg. v. Jean-Joseph D, Paris 1829: Oraison funèbre de Marie-Thérèse d’Autriche, reine de France et de Navarre (14.11.1683), S. 251: »Sous la conduite d’une reine qui lui servoit de mère par sa tendresse et de guide par son expérience«; F, La Reyne tres-chrestienne: Epistre, s.p.: »Madame, vous estes l’heritiere de ses vertus, aussi bien que de sa Couronne« [Hervorh. im Orig.]. Vgl. Jacques-Bénigne B, Oraisons funèbres, hg. v. Jacques T, Paris 1994: Oraison funèbre de Marie-Thérèse d’Autriche (01.09.1683), S. 234; L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 24. Januar 1666, Sp. 637, V. 102–104; Benedetta C, Reines et favorites. Le pouvoir des femmes, Paris 2007, S. 157. Vgl. Marie-Madeleine Pioche de La Vergne, comtesse de L F, Histoire d’Henriette d’Angleterre, eingeleitet v. Anatole F, Paris 1882, S. 14: »La Reine mère, par son rang, tenoit la première place dans la maison royale, et, selon les apparances [sic], elle devoit la tenir par son crédit«. BNF, Mss., Fonds français 14119, Entreueües Des Roys de France et d’Espagne Et mariage du Roy auec Marie Therese en 1660 (s.d.), fol. 155r–178r, hier fol. 177v–178r. Vgl. C, Marie-Thérèse, S. 266; S-R T, La Jeunesse du Grand Roi, S. 274.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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auch die mythologischen Darstellungen bezeugen – halfen nämlich zugleich, die Person des Königs zu überhöhen: als vorbildlichen Sohn und großen Monarchen. Während seines Besuchs in Frankreich 1664 notierte Kardinal Chigi des Weiteren: Le roi son fils lui porte beaucoup de respect, non seulement comme à une mère, mais comme à une personne remplie de sagesse – précieux avantage dans le cas où elle lui donnerait des conseils430 . Il lui confie bien les affaires de l’Etat, mais en se réservant le pouvoir de les diriger. Il lui accorde les plus grands honneurs dans les cérémonies publiques. J’ai été témoin oculaire de l’une d’entre elles: la distribution du pain bénit. [. . . ] Pendant la messe, après que l’officiant a communié, le cardinal Antonio [Barberini]431 prend les pains bénits, et les présente au roi qui refuse d’en accepter aucun, avant la reine-mère; celle-ci en choisit, puis le roi et chacun des princes du sang432 .

Diese Verehrung gegenüber Anna von Österreich sowie ihre eigene Inszenierung speiste sich somit nicht zuletzt aus der im Rahmen der Regentschaft gefestigten Reputation, aber darüber hinaus auch aus ihrer Wohltätigkeit und dem Einsatz für religiöse Belange. Deshalb war Anna von Österreich zusätzlich bestrebt, ein Monument zu schaffen, das ihren Ruhm manifestieren und ein beständiger Ausdruck ihrer Taten sein sollte. Die Medici-Regentinnen ließen die Tuilerien und den Palais du Luxembourg er- bzw. umbauen. Jedoch handelte es sich dabei um Profanbauten. Anna von Österreich wollte hingegen einen sakralen Bau errichten lassen: Val-de-Grâce433 . Damit verband sich natürlich ein nicht unerheblicher Selbstzweck, denn so religiös die Motivation für den Bau gewesen sein mochte, bildete er doch ein ideales Propagandaforum, um künftigen Generationen einen Beweis ihrer Gottesliebe und Glaubensstärke zu hinterlassen434 . Dass diese Absicht ihr Ziel nicht verfehlte, belegt eine Aussage des Architekten André Félibien, der in Val-de-Grâce ein ewiges Zeugnis von der Frömmigkeit und Prachtentfaltung der Königin verwirklicht sah435 . Mit dem Kauf des Grundstücks für die neue Kirche und das Kloster Val-deGrâce folgte sie der Tradition anderer französischer Königinnen, die sich als Gründerinnen von Klöstern hervorgetan hatten, wie Maria von Medici, die

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Giovanni S, Relazione di Francia di Giovanni Sagredo ambasciatore ordinario a Luigi XIV dall’anno 1652 al 1655, in: B, B (Hg.), Relazioni degli Stati Europei, Bd. 2, S. 525–555, hier S. 548: »La madre tiene sopra di lui un dominio dispotico, ed egli ha per lei un rispetto ed un amore passionatissimo«. Siehe Kap. 4.2, S. 359, Anm. 196. C, Relation et observation, S. 274f. M, La bien-venve, S. 56f. Siehe dazu C, P, Monarchies, S. 284, mit Anm. 24. Vgl. zur architektonischen Gestaltung von Val-de-Grâce auch Allan B, Mansart Studies I: The Val de Grâce, in: The Burlington Magazine 105/725 (1963), S. 351–363. André F, Entretiens sur les vies et sur les ouvrages des plus excellens peintres anciens et modernes; avec la vie des architectes, 8 Bde., Trévoux 1725, Bd. 1, S. 72.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Abbildung 9: »Fondation de Val-de-Grâce«, Goldmedaille (Avers und Revers) von Jean Warin (1645).

der Abtei Port-Royal ein Haus in Paris verschaffte436 . Anna von Österreich verfügte aber erst infolge der Regentschaft über ausreichend finanzielle Mittel437 , um den Neubau von Val-de-Grâce voranzutreiben und gleichzeitig ihr Versprechen einzulösen, im Falle der Geburt eines Sohnes eine Dankeskirche und ein Kloster für die Benediktinerinnen zu errichten, denen sie schon 1621 ein Haus im Pariser Viertel Saint-Jacques zugewiesen hatte438 . Die Grundsteinlegung der Kirche erfolgte am 1. April 1645 durch Ludwig XIV., wobei eine Goldmedaille eingeschlossen wurde, die den König in den Armen seiner Mutter zeigt439 (Abb. 9). Der Geistliche Claude Fleury, der diesen Festakt beschrieben hat, unterstrich das dabei aufgebotene Inszenierungspotential: On avoit tapissé richement les fossez des fondations & les degrez pour y descendre: les tambours & les trompettes sonnoient, & la musique du roy chanta les prieres ecclesiastiques. L’archevêque de Paris officia pontificalement: l’architecte François Mansard presenta au roy la truelle & le marteau d’argent. Les religieuses virent la ceremonie de leurs fenêtres, où la reine les avoit fait mettre, & plusieurs mesme ne les ouvrirent pas; en sorte qu’on peut 436 437

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S, Le Val-de-Grâce. Histoire du monastère et de l’hôpital militaire, Paris 1888, S. 7. Zwar hatte sie zuvor immer wieder, zum Teil mit Unterstützung des Königs, Geldbeträge zur Verfügung gestellt, die sich aber im Vergleich zu den hohen Summen während der Regentschaft fast bescheiden ausnahmen. Vgl. etwa AN, Mss., L 1036, Nr. 10, Ordonnance de la Reyne (26.03.1625), s.p. Siehe AN, Mss., L 1036, Nr. 9bis , Lettres patentes de la Translation de l[’]abbaye du val de grace au fauxbourg Sainct Jacques (04.03.1621), s.p.; B, Nouvelle Description, Bd. 3, S. 108. Vgl. Victor R-R, L’église et le monastère du Val-de-Grâce, 1645–1665, Paris 1875. B, Nouvelle Description, Bd. 3, S. 108f. Vgl. Claude M, Le Val-de-Grâce, Paris 1994, S. 33f.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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recon[n]oître que c’estoit plûtost l’ordre de la reine, que leur curiosité, qui les y avoit attirées440 .

Der Bruder des Königs legte 1655 wiederum den Grundstein für die Klosteranlage; zeitgleich entstanden im Nordostflügel die Gemächer der Königin441 . Sie nutzte die Räume jedoch nur für kurze Aufenthalte442 . In ihren Gemächern hatte sie, wie aus einem Inventar von 1790 hervorgeht, neben verzierten Holzvertäfelungen zahlreiche Reliquien und wertvolle, mit Edelsteinen verzierte goldene und silberne Reliquienschreine, einen Betstuhl und eine Witwenuhr443 . Und ähnlich wie im Louvre gab sie auch einen Gemäldezyklus bedeutender, ruhmreicher und zum Teil als Heilige verehrter Königinnen und Kaiserinnen in Auftrag444 . Für Anna von Österreich erfüllte diese Porträtreihe eine identitätsstiftende Funktion, weil sie dadurch abermals eine Rückwirkung auf ihre eigene Person erreichen konnte. Für den Bau und die Ausgestaltung der Anlage wurden kaum Kosten445 gescheut, einige der renommiertesten Künstler der Zeit verpflichtet und die besten Materialien verwendet, sodass bis hin zu den Fensterverglasungen alles von höchster Qualität gestaltet war446 . Die Kirche, ein Ausdruck der Dankbarkeit für die Geburt des ersehnten Thronfolgers, war der Geburt Jesu und der Jungfrau Maria geweiht447 . Gleichwohl implizierte dies einen Bezug zur 440 441 442 443 444

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Claude F, La vie de la vénérable mère Marguerite d’Arbouze, Paris 1684, S. 272f. Charles P, Les hommes illustres qui ont paru en France pendant le XVII. siècle, 2 Bde., Den Haag 1736, Bd. 1, S. 186. Siehe auch Gabriel V, Anne d’Autriche et l’église de Val-de-Grâce, Paris 1916, S. 14. B, Nouvelle Description, Bd. 3, S. 123; S, Le Val-de-Grâce, S. 41f. Den Auftrag erhielt 1656 der Maler Philippe de Champaigne. Siehe B, L’iconographie, Bd. 2, S. 276. Vgl. auch Christa S, »Les plus belles femmes de la cour«. Reale und fiktive Schönheitengalerien in der Ära Ludwigs XIV., in: Bernhard K, Jutta L (Hg.), Gestaltung – Umgestaltung. Beiträge zur Geschichte der romanistischen Literaturen, Tübingen 1990, S. 321–353, hier S. 322, 332. Für die Zeit zwischen 1643 und 1651 beliefen sich die Ausgaben auf nicht weniger als 2 075 284 l.t., zit. n. BNF, Mss., Fonds français 10413, Dépenses pour Val-deGrâce (1643–1651), fol. 1r–320r. Allein die vier Marmorsäulen des Baldachins kosteten 40 000 l.t. Siehe B, Nouvelle Description, Bd. 3, S. 114. Vgl. Journal des sçavans, Oktober 1774, S. 675. Dennoch: Aufgrund der Kosten, des Wechsels der Architekten und des Baustopps während der Fronde konnten die Arbeiten am Kloster erst 1662 und an der Kirche nicht vor 1667 abgeschlossen werden. In Anwesenheit der Königin lasen der Erzbischof von Paris, Hardouin de Péréfixe de Beaumont, und der Bischof von Amiens, François Faure, 1665 die ersten Messen. Die Königin selbst hatte Val-de-Grâce – vornehmlich an hohen Festtagen – zwischen 1643 und 1666 insgesamt 537 Mal besucht, davon hatte sie wiederum 143 Mal die Nacht dort verbracht. Siehe B, Nouvelle Description, Bd. 3, S. 125; F, La vie de la vénérable mère Marguerite, S. 258; S, Le Val-de-Grâce, S. 33, 53. Davon kündet bereits die Inschrift auf dem Fries über dem Eingangsportal: »Jesu Nascenti, Virginique Matri«. Siehe B, Nouvelle Description, Bd. 3, S. 111; M, Le Val-de-Grâce, S. 94.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Königin und Ludwig XIV., wie auch das Altarbild, das die Geburt Jesu darstellt448 . Der Baldachin über dem Altar, ohne Zweifel am Petersdom orientiert, symbolisiert dabei den Stall, in dem Jesus geboren wurde, weist zusätzlich noch Medaillons auf, die an die Tugenden der Jungfrau Maria erinnern, und soll durch edle Materialien und reiche Verzierungen auf das himmlische Jerusalem verweisen449 . Am Altar, mit dessen Ausgestaltung die Königin den italienischen Bildhauer Bernini beauftragte, wurden mit weißem Marmor die Initialen ›L‹ und ›A‹ eingefügt; die sie umgebenden Palm- und Lorbeerzweige deuten auf die militärischen Siege und die friedlichen Bemühungen der Königin und Ludwigs XIV. – mit dem Beinamen »Dieudonné« – hin450 . Mit den Fresken in der Kuppel wurde Pierre Mignard beauftragt, den die Königin bis zu ihrem Tod förderte451 . Eine Inschrift auf dem Fries, der die Kuppel umgibt, bezieht sich ebenfalls noch einmal ausdrücklich auf die Auftraggeberin: Anna Austria, D. G. Francorum Regina, Regniq Rectrix, cui subjecit Deus omnes Hostes, ut conderet Domum in nomine suo, Ecc. A. M. D. C. L452 .

Ein weiterer Verweis auf die Erbauerin der Kirche ist mit der Kapelle der heiligen Anna realisiert, in der später das Herz der Königin beigesetzt wurde453 : Die Namenspatronin der Königin stand als Vorbild für eine christliche Ehe in ihrer höchsten Vollkommenheit an Reinheit und Glück. Allein der Name stand für Anmut und Liebreiz, für Gnade und Barmherzigkeit454 . Die heilige Anna war aber auch eine ideale Projektionsfläche für Glaubensstärke, denn sie galt als Patronin der Frauen, der Ehe, des Kindersegens und einer glücklichen Geburt, der Mütter, der Witwen sowie der Armen und unter anderem der Bre-

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Siehe S, Le Val-de-Grâce, S. 19. Zudem wurde am Altar eine Skulpturengruppe aus Marmor aufgestellt, die Maria, Josef und Jesus in der Krippe zeigt. Vgl. B, Nouvelle Description, Bd. 3, S. 115. V, Anne d’Autriche, S. 3. Vgl. B, Nouvelle Description, Bd. 3, S. 124. Dieser erhielt für die Ausmalung der Kuppel 35 000 l.t. Nach Annas Tod fand er in ihrem Sohn Philippe einen Gönner, der ihn u. a. bei der Ausgestaltung von Saint-Cloud beschäftigte. Siehe Peter B, Les stratégies de la gloire, Paris 2007 [EA 1995], S. 75. B, Nouvelle Description, Bd. 3, S. 119. Ibid., S. 120: »[U]ne chapelle tendue de noir, fermée d’une grande grille de fer [. . . ]. Il s’éleve au milieu un lit de velours noir sur une estrade de quelques piés, garni de crépines & de galons d’argent, avec une representation couverte d’un poli bordé d’hermines, sur lequel est une Croix de toile d’argent. C’est où repose le cœur de la reine Anne d’Autriche« [Hervorh. im Orig.]. Vgl. M, Mémoires, Bd. 5, S. 286; V, Anne d’Autriche, S. 5. Siehe F, La Reyne tres-chrestienne, S. 12.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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tagne, der Provinz also, der die Königin als Gouverneurin vorstand und aus der sie nicht unerhebliche Einkünfte bezog455 . Zu erwähnen sind hier auch die reich mit religiösen und allegorischen Motiven verzierten Arkaden, über denen sich Medaillons mit Tugenddarstellungen befinden456 : Die »Arcade de la grille« spielt auf die Festigkeit im Glauben und die Liebe zu Gott an; die »Arcade en l’honneur de saint Joachim et de sainte Anne« dient als Beispiel für eine idealtypische christliche Ehe – womit zugleich Anna von Österreichs Ehe stilisiert werden sollte – und exemplifiziert auch die Reinheit im Herzen sowie die inbrünstige christliche Liebe und Demut457 . Daran und an die weiteren Kapitel aus dem Leben des Heiligenpaares Joachim und Anna knüpfen die dritte und vierte Arkade an. Die letzte Arkade, die »Grande Arcade du Chœur des Dames«, nimmt wiederum Bezug auf Jesus und seine Botschaft von Liebe und Frieden, zugleich wird auf die Macht des Gebets und auf die Reinheit der Seele verwiesen, die notwendig sei, um Gott zu schauen458 . Die Wahl der heiligen Anna für das Bildprogramm eröffnet aber noch weitere Interpretationsebenen. Wie bei anderen Heiligen wird durch die ihr zuteil werdende Verehrung erwartet, als Fürsprecherin des Gläubigen vor Gott aufzutreten459 . Weitaus wichtiger ist jedoch die dem Annakult innewohnende moralisch-erzieherische Komponente. Die Heilige gilt als Exempel weiblicher Tugend und Treue sowie als eine standhafte, auch in Krisenzeiten an Ehemann und Gott festhaltende Frau460 . Dies war entscheidend: Anna ist weniger durch Wunder hervorgetreten als durch ihren vorbildlichen Lebenswandel, der auch die Jungfrau Maria entscheidend prägte. Ihre Verehrung beinhaltete somit eine lebensnahe, weil nachahmenswerte Komponente, denn »tugendsame Eltern wirken nicht allein durch Gebote und Verbote, sondern vor allem durch ihr Beispiel«461 ; Anna wird so zu einer Identifikationsfigur, zu einer Norm für das richtige Verhalten einer (Ehe-)Frau und Mutter462 . 455

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C, P, Monarchies, S. 141f., 145f., 148f.; Hervé A, La Chambre des comptes de Bretagne au temps de la Fronde, in: Annales de Bretagne et des pays de l’Ouest 108/4 (2001), S. 137–158, hier S. 151f. Als Gouverneurin stand ihr ein Jahresgehalt von 100 000 l.t. zu. Siehe Joël C, Histoire de la Bretagne et des Bretons, Bd. 1: Des âges obscurs au règne de Louis XIV, Paris 2005, S. 536. Vgl. Adolphe-Napoléon D, Iconographie des quatre vertus cardinales, in: Annales archéologiques 20 (1860), S. 40–56, 65–79, hier S. 41; D., Iconographie des trois vertus théologales, in: Annales archéologiques 20 (1860), S. 150–163, 196–207, 237–250, 293–306, hier S. 150. Für eine eingehendere Erläuterung der verschiedenen Motive und ›Hieroglyphen‹ siehe AN, Mss., L 1037, Nr. 16, Description de Val-de-Grâce (s.d.), fol. 1r–13v. V, Anne d’Autriche, S. 5–9. Siehe auch M, Le Val-de-Grâce, S. 98f. Vgl. Angelika D-D, Die Verehrung der heiligen Anna in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Göttingen 1992, S. 117. Siehe ibid., S. 189f., 205f. Ibid., S. 220. Ibid., S. 253. Vgl. auch ibid., S. 221f., 259.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Abgesehen davon gilt Anna auch als Schutzpatronin des weiblichen Geschlechts und weiblicher Ordens- und Wohltätigkeitseinrichtungen463 . Diese Ausrichtung wurde allerdings erst im Zuge der Gegenreformation und des Barock konstitutiv und war für Anna von Österreich, die ihrerseits Missionierungen und die Armenfürsorge unterstützte, von erheblicher Relevanz. Die Gesamtaussage des ikonographischen Programms der Kirche besteht somit darin, auf die große Bedeutung der Glaubensstärke hinzuweisen: Geduld, Gottvertrauen und Gebete würden helfen, Leiden zu überwinden und im Jenseits Erlösung zu erfahren. Der kundige Betrachter sah deutliche Parallelen zur Königin, die trotz langer Sterilität die Hoffnung nicht aufgab und schließlich mit einem Kind belohnt wurde. Aber es waren rückblickend auch Anspielungen auf eine Königin, die der Krankheit in ihren letzten Jahren mutig entgegentrat und schließlich im Tod Erlösung fand. 2.2.4 Tod und Nachruhm Im April 1665 erlitt Anna von Österreich einen derart schweren Schub ihrer Krebserkrankung464 , dass mit ihrem baldigen Tod gerechnet wurde465 . Zunächst erholte sie sich aber wieder. Dennoch waren ihre letzten Monate nun ganz von ihrem Krebsleiden gekennzeichnet: Rückfälle und Genesungsphasen, Konsultationen von Ärzten und Wunderheilern, Hoffen und Bangen lösten sich ab466 . Am Mittwoch, den 20. Januar 1666 gegen sechs Uhr morgens verstarb die Königin schließlich467 . Das Ausmaß der Trauer um sie offenbarte, dass es um mehr ging als um das gewöhnliche »Abbild eines legitimen und 463 464

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Ibid., S. 100. Spätestens 1664 zeichnete sich ab, dass es sich um Krebs handelte. Siehe C, Lettres, S. 96, Brief v. Prince de Condé an Luisa Maria Gonzaga (14.11.1664); M, Mémoires, Bd. 5, S. 353f. Im November 1664 war ein Komet als böses Omen für ihren baldigen Tod interpretiert worden. Siehe M, Mémoires, Bd. 4, S. 15; Vincent J. P, La Grande Mademoiselle at the Court of France, Baltimore, London 2000, S. 174. Vgl. C, Lettres, S. 127, Brief v. Duc d’Enghien an Luisa Maria Gonzaga (16.01.1665); S. 188, Brief v. Duc d’Enghien an Luisa Maria Gonzaga (05.07.1665); S. 240, Brief v. Duc d’Enghien an Luisa Maria Gonzaga (07.01.1666); sowie ibid., S. 201f., Brief v. Prince de Condé an Luisa Maria Gonzaga (14.08.1665); S. 203, Brief v. Prince de Condé an Luisa Maria Gonzaga (20.08. u. 28.08.1665); S. 225, Brief v. Prince de Condé an Luisa Maria Gonzaga (13.11.1665); Marie D B, Mémoires de Marie Du Bois, hg. v. Louis de G, Vendôme 1936, S. 397, Eintrag v. 21.05.1665; M, Mémoires, Bd. 5, S. 354–358, 389f., 417f., 437f.; P, Lettres, Bd. 3, S. 494, Brief v. Patin an André Falconet (21.11.1664); S. 526, Brief. v. Patin an André Falconet (28.04.1665); S. 537, Brief v. Patin an André Falconet (09.06.1665); S. 547, Brief v. Patin an André Falconet (04.08.1665). C, Lettres, S. 245, Brief v. Duc d’Enghien an Luisa Maria Gonzaga (21.01.1666). Offizielle Trauergottesdienste wurden 1666 in Saint-Denis (29. Januar, 12. Februar), Valde-Grâce (9. Februar) und Notre-Dame (23. Februar) abgehalten. Siehe ibid., S. 250, Brief v. Duc d’Enghien an Luisa Maria Gonzaga (27.01.1666); S. 256, Brief v. Prince de

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ehrwürdigen Schmerzes«468 angesichts des Verlustes einer geliebten Person. Zugleich war sie ihrem Status als Königin und ihrem Charakter einer »femme forte« gerecht geblieben469 . Die Grundlagen dafür hatte sie aber schon zuvor gelegt, weil sie durch Worte und Taten (Beichte, Gebete, Messbesuche) den sie umgebenden Menschen vermittelte, weder den Tod noch das Sterben zu fürchten, sondern es, ganz Christin, als Teil des göttlichen Plans zu verstehen und zu akzeptieren470 . Diese aus Sicht der Zeitgenossen beispielhafte Einstellung fand einen Widerhall in den zahlreichen Leichenpredigten mit der ihnen innewohnenden Verklärung471 . Dabei erfolgte stets eine an den Geschlechterrollen orientierte Darstellung durch die Betonung der religiösen Aspekte472 . Das letzte Bild, das von der Verstorbenen gezeichnet wurde, sollte nämlich nicht nur all ihre Taten gegenüber der Trauergemeinde in Erinnerung rufen, sondern zugleich der Nachwelt als Zeugnis des vorbildlichen Verhaltens dienen, was daher oft zur Drucklegung der Predigten führte473 . Wie Jill Bepler anhand der Leichenpredigten protestantischer Fürstinnen der Frühen Neuzeit nachgewiesen hat, lässt sich nämlich seit dem 17. Jahrhundert eine zunehmende inhaltliche Schwerpunktsetzung dahingehend feststellen, dass die Verstorbene durch ihr Verhalten im Leben und Sterben ein Beispiel für andere an Frömmigkeit, Nächstenliebe oder Missionierungsbereitschaft darbot474 . Diese Tendenz findet sich in den Leichenpredigten auf Anna von Österreich ebenfalls wieder. Das heißt, es lässt sich an dieser Stelle eine konfessionsübergreifende und die Frauen im Allgemeinen betreffende Entwicklung konstatieren, die darauf ausgelegt war, die moralische und religiöse Sicht zu veranschaulichen. Aus diesem Grund war es so wichtig, wie jemand starb, wie

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Condé an Luisa Maria Gonzaga (19.02.1666); BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes fvnebres d’Anne d’Autriche, fol. 14r–35v. G, Dictionnaire, Bd. 1, S. 128, (Art.) »Deuils«. D  R, Mémoires, Bd. 6, S. 255: »Elle donna même dans les derniers jours de sa maladie des preuves d’une fermeté vraiment héroïque, je veux dire chrétienne«. Siehe auch C, Lettres, S. 247, Brief v. Prince de Condé an Luisa Maria Gonzaga (23.01.1666). M, Portrait de la reine, S. 329: »[E]lle pense seulement, suivant le conseil de l’Evangile et l’avis des philosophes, à passer sa journée, goûtant avec douceur le bien qu’elle y trouve, sans se plaindre du mal qu’elle y rencontre. La pensée de la mort ne l’étonne point: elle la regarde venir, sans murmurer contre sa fatale puissance; et il est à croire qu’[. . . ] elle recevra cette affreuse ennemie des hommes avec une grande paix«. Siehe etwa V, Eloge fvnebre, S. 45–78, der den zweiten Teil seiner Predigt ausschließlich dem Verhalten der Königin während ihrer Krankheit und im Angesicht des nahenden Todes widmet. Jill B, Die Fürstin im Spiegel der protestantischen Funeralwerke der Frühen Neuzeit, in: S (Hg.), Der Körper der Königin, S. 135–161, hier S. 137. Siehe dazu Gérard B, Les Oraisons funèbres de Bossuet: scénographie du langage et de la mort à l’âge classique, in: Études françaises 37/1 (2001), S. 23–32, hier S. 24. B, Die Fürstin, S. 139–141. Vgl. A, Les mémoires de Madame de Motteville, S. 189–201.

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2. Herrschaft und Repräsentation

sich eine Person verhielt, die Krankheit und Schmerz erlitt475 . Auch hier verwiesen die Geistlichen mit großer Bewunderung auf Anna von Österreich, die der sich zwei Jahre hinziehenden Brustkrebserkrankung mit Geduld und Willensstärke begegnete476 . Die Krankheit war mehr als nur ein Vorbote des Todes, sie war vielmehr ein letzter Schritt und eine letzte Prüfung auf dem Weg zum Seelenheil477 . Für viele erfüllte sie nämlich aufgrund ihres Verhaltens im Sterben eine wichtige Vorbildfunktion478 . Daher zielte die in der Mehrheit der Lobeshymnen bezüglich ihrer Erkrankung enthaltene Botschaft darauf ab, dass ein solch geduldiges und willensstarkes Verhalten im Jenseits immer belohnt werden würde479 . Der Abbé de Grammont, der in Rom in der Kirche San Luigi dei Francesi480 am 11. Oktober 1666 eine Leichenpredigt auf die Königin hielt, griff einen Auszug aus Psalm 82,6–7 (»Wohl habe ich gesagt: Ihr seid Götter; aber ihr werdet sterben wie Menschen«)481 als Leitmotiv auf, um darauf hinzuweisen, dass sich jeder, unabhängig von seinem Stand, des Todes gewahr sein müsse – auch Könige482 . Und gerade Anna von Österreich habe sich diesem Gedanken nie verschlossen483 . 475 476

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B, Die Fürstin, S. 139, vgl. ibid., S. 142. Einen ausführlichen Bericht über den Krankheitsverlauf und den Tod der Königin bietet M, Mémoires, Bd. 5, S. 293–486. Siehe auch Jean-Baptiste C, Lettres, instructions et mémoires de Colbert, hg. v. Pierre C, 7 Bde., Paris 1861–1873: Particularités secrètes de la vie de Louis XIV par M. Colbert (14.10.1663), Bd. 6, S. 470; Gazette de France, 5. Mai 1663, S. 417. Vgl. dazu G. A, Anne of Austria (1601–1666), queen of France: died of breast cancer, in: Journal of Balkan Union of Oncology 10/2 (2005), S. 285–290, hier S. 285; Claude P, Les médecins et le sein d’Anne d’Autriche, in: Historama 6 (1984), S. 40–45. F, La Reyne tres-chrestienne, S. 6. Vgl. W, Louis XIV, S. 296. Siehe auch Wendy P, The Presentation of Illness in the Memoirs of Mme de Motteville and of Bussy-Rabutin, in: Seventeenth-Century French Studies 12 (1990), S. 26– 37, hier S. 35f. Außerdem wurde auch in der Lateranbasilika ein Gedenkgottesdienst abgehalten. Siehe Ignazio B, Anna Austriaca christianissima Galliarum, et Navarrae regina sapiens laudata inter solemnes exequias in basilica lateranensi, Rom 1666. Zur prächtigen Trauerdekoration in der Basilika siehe [A], Apparato dell’esequie celebrate alla Christianissima regina di Francia Anna Maria d’Austria, Rom 1667. Es handelt sich hierbei um eine Ellipse; die vollständige Zeile lautet: »Wohl habe ich gesagt: Ihr seid Götter und allzumal Kinder des Höchsten; aber ihr werdet sterben wie Menschen und wie ein Tyrann zugrunde gehen«. Muse de la cour, 11. November 1666, V. 224–233, hier V. 230–233. Zur dortigen Trauerdekoration siehe Elpidio B, Il Mondo piangente, et il cielo festeggiante, nel fvnerale apparato dell’essequie celebrate in Roma nella chiesa di San Lvigi de Francesi alla gloriosa memoria di Anna d’Avstria, Regina di Francia, Rom 1666. Vgl. auch Martine B, Funérailles féminines dans la Rome baroque, in: Bernard D (Hg.), Les cérémonies extraordinaires du catholicisme baroque, Clermont-Ferrand 2009, S. 389–421, hier S. 407–412. BNF, Mss., Mélanges Colbert 54, G, Oraison, fol. 302v, 316v. Vgl. dazu V, Anne d’Autriche, S. 8. Siehe auch Jacques-Bénigne B, Œuvres complètes

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Zudem muss in diesem Kontext noch eine Besonderheit des katholischen Glaubens berücksichtigt werden. Die körperlichen Leiden wurden als Buße für die Sünden betrachtet, beispielsweise für die Eitelkeit, eine Eigenschaft, der sich gerade eine Fürstin selten entziehen konnte – Krankheit und Schmerz wurden dem religiösen Verständnis nach zwar als göttliche Strafe gesehen, aber auch als Möglichkeit, diese Strafe durch einen angemessenen Umgang im Angesicht des bevorstehenden Todes zu sühnen und sein Schicksal anzunehmen484 . Als Ludwig XIV. die französischen Bischöfe in einem Schreiben über den Tod seiner Mutter informierte, meinte er darum, Gott habe der Königin durch ihre langen Leiden Gelegenheit gegeben, ihre Seele zu reinigen, denn vor Gott verschwänden die Rangunterschiede485 . Alles, was zähle, seien Demut und Buße486 . Damit war es der Königin möglich, sich auf den Tod vorzubereiten und eine nützliche und moralische Funktion zu übernehmen, indem andere an die eigene Sterblichkeit und an ihre religiösen Verpflichtungen erinnert wurden487 . In einer von zwei Nonnen verfassten Flugschrift über den Tod der Königin hieß es in diesem Sinne, sie sei aufgrund ihres ganzen Lebenswandels ein »ewiges Beispiel für alle künftigen Königinnen« – und mehr noch: Da sie nicht nur mit der »Gelassenheit eines Märtyrers« gestorben sei, sondern ihre Leiden länger ertragen habe als die meisten Heiligen, sei sie zugleich ein Vorbild für alle Christen488 . Gott, der um ihre Stärke wisse, habe ihre Leidensfähigkeit, wie bei Hiob, zeitlebens durch verschiedene Prüfungen – die lange Kinderlosigkeit, die Fronde, Verleumdungen und Krankheit – auf die Probe gestellt489 . Diese Leiden seien letztlich ein Beweis für die Liebe Gottes ihr gegenüber490 . An diese Vorstellungen anknüpfend, hatte der Franziskaner Basile Beguey in seiner Leichenpredigt den Schwerpunkt auf die Gleichsetzung der Königin

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de Bossuet, hg. v. François L, 31 Bde., Paris 1862–1875: Autre conclusion du second sermon pour la Fête de la Purification de la Sainte Vierge (1666), Bd. 11.4, S. 285– 289. M, Mémoires, Bd. 5, S. 384. AN, Mss., O1 6, Brief v. Ludwig XIV. an die französischen Bischöfe (31.01.1666), fol. 63r– 64r, hier fol. 63v. Vgl. L XIV., Œuvres, Bd. 5, S. 355, Brief v. Ludwig XIV. an Papst Alexander VII. (21.01.1666): »Elle a fini comme elle a vécu, dans la pureté de la foi, dans le zèle de la religion et dans les actes les plus parfaits de résignation chrétienne«. Siehe Ruth K, Facing Cancer in the Seventeenth Century: The Last Illness of Anne of Austria, 1664–1666, in: Advances in Thanatology 4/1 (1977), S. 37–55, hier S. 37, 40, 49–51. J, Oraison, S. 15. Siehe auch AN, Mss., L 1036, Nr. 32, Sur la pompe funebre de la Reyne Anne d’Autriche à S.[ain]t Denis (s.d.), s.p. Vgl. K, Facing Cancer, S. 45– 51. BNF, Mss., Clairambault 1093, Flugblatt zum Tod von Anna von Österreich (1666), fol. 157r. Verfasst wurde diese Schrift von den Karmelitinnen Françoise und Thérèse aus dem Kloster in der Rue Bouloy in Paris. Siehe Hyacinthe S, Oraison fvnebre [. . . ] pour la Reyne Mere du Roy, Paris 1666, S. 21f., 30. P, Oraison, S. 46, 50; S, Oraison, S. 6. BNF, Mss., Rothschild 356, C, Oraison, S. 16.

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2. Herrschaft und Repräsentation

mit einer Heiligen gelegt491 . Und auch Hyacinthe Serroni meinte, dass ihr Tod zwar eine Königin gefordert, aber dafür eine Heilige geschaffen habe492 . Das kam einer besonderen Überhöhung gleich, wurde doch gemeinhin angenommen, dass der vollkommene Märtyrertod nur für Männer galt493 . Noch einen Schritt weiter ging Magnien in seinen Ausführungen, indem er gar eine Gleichsetzung mit den Leiden Christi vornahm494 . Bartolomé Bennassar und Jean-Pierre Dedieu wollen in dieser Leidensfähigkeit Annas und ihrer Bereitschaft, den nahenden Tod anzunehmen, einen Reflex ihrer strengen religiösen Erziehung am spanischen Hof und die im spanischen Kulturkreis des 17. Jahrhunderts verbreitete Auseinandersetzung mit den Themen Tod und Sterben sehen495 . Ohne Zweifel waren diese Erfahrungen prägend für die Königin, aber sie spiegelten keinen singulären spanischen Trend wider. Der Wandel im Verhältnis der Menschen zum Sterben, der sich in den Leichenpredigten anhand der Verschiebung von der Idee eines schönen hin zur Verherrlichung des guten (christlichen) Todes wiederfand, entsprach vielmehr der in Europa verbreiteten, konfessionsübergreifenden und geschlechtsunspezifischen Entwicklung, die für Frankreich etwa seit dem Ende des 15. Jahrhunderts nachweisbar ist. So legten die Verfasser der Funeralwerke für die französischen Könige seither einen immer stärkeren Akzent auf die Art und Weise, wie sich ein(e) König(in) im Sterben verhalten hat496 . Allerdings erschöpfte sich zumindest die geschlechtsunspezifische Darstellung darauf. Im Übrigen lag der Schwerpunkt der Predigten bei den Königinnen weiterhin auf eher typisch weiblichen Eigenschaften: schönes Aussehen, Gattenliebe und -treue sowie die Fürsorge für die Kinder. Auch Anna von Österreich wurde für gewöhnlich auf diese Eigenschaften festgelegt; ihr politisches Agieren wurde stets mit Gebeten und Messbesuchen assoziiert, worauf nach Meinung der Geistlichen die Erfolge ihrer Regent-

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Basile B, Discours fvnebre svr le sviet de la mort de la Serenissime Princesse Anne Marie D’Avstriche, Angers 1666, S. 1. Das Motto seiner Predigt lautete: »Seine Ruhe wird Ehre sein« (Jes. 11,10). Siehe auch L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 24. Januar 1666, Sp. 637, V. 61f. S, Oraison, S. 28. Siehe auch ibid., S. 23–27. Peter B, Male Death – Female Death. On the Anthropology of Martyrdom in the Early Modern Period, in: Jürgen B, Albrecht B (Hg.), Confessional Sanctity (c. 1500–c. 1800), Mainz 2003, S. 93–112, hier S. 103. M, Panegyrique et Oraison, S. 40. Siehe auch S, Oraison, S. 6. Bartolomé B, Jean-Pierre D, Réflexions à propos de la mort d’Anne d’Autriche: le thème des vanités et fins dernières dans l’Espagne du XVIIe siècle, in: Charles M (Hg.), L’âge d’or de l’influence espagnole. La France et l’Espagne à l’époque d’Anne d’Autriche 1615–1666, Mont-de-Marsan 1991, S. 101–112, hier S. 105– 107. Hélène G-R, Exemplaire et singulière: la mort du roi (de Charles VIII à Louis XIII), in: Bibliothèque d’humanisme et Renaissance 60/3 (1998), S. 673–706.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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schaft beruht hätten497 . Aus all diesen Aspekten konstituierte sich das soziale Gedächtnis: Die majestätische Größe und Schönheit der Königin werde als so beispielhaft empfunden, weil sie sich in ihrer Physis, in ihrem Charakter und in ihren Taten widerspiegelten498 . Auffallend ist außerdem die große Anzahl der überlieferten Leichenpredigten499 : Für den Zeitraum zwischen 1666 und 1667 lassen sich insgesamt (mindestens) 49 Predigten nachweisen500 . (Die Predigten liegen größtenteils als Druckschriften vor, einige jedoch nur als Manuskripte501 , und wieder andere liegen sowohl in gedruckter als auch in Manuskriptform vor502 .) Das ist beachtlich, vor allem wenn berücksichtigt 497 498 499

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Vgl. Paul G, Das literarische Porträt in Frankreich im 17. Jahrhundert, Diss. Universität Heidelberg (1939), S. 99f. Diese Analogie von der Schönheit des Körpers und der Seele entsprach einem Rückgriff auf konventionelle Erklärungsmuster des Neoplatonismus. Vgl. P. enn. IV, 3, 20–23. C, Marie-Thérèse, S. 419, meint, die Leichenpredigten auf Anna von Österreich seien im Gegensatz zu denen auf Maria Theresia weniger spontan und stärker von Stereotypen geprägt gewesen. Tatsächlich muss aber beachtet werden, dass jeder König bzw. jede Königin in den Leichenpredigten so dargestellt wurde, als hätte es nie eine(n) bessere(n) und vorbildlichere(n) gegeben. Vgl. ibid., S. 420–423. Die Aufzählung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern spiegelt lediglich die Zahl der Leichenpredigten wider, die im Rahmen der Recherchen für diese Studie ausfindig gemacht werden konnten. Heute sind noch 45 (davon 40 auf Französisch, drei auf Latein und zwei auf Italienisch) erhalten. Die übrigen vier Leichenpredigten sind nicht mehr erhalten bzw. konnten nicht lokalisiert werden: Das betrifft, erstens, eine von Bossuet am 18. Februar 1667 im Karmelitinnenkloster in Paris gehaltene Predigt. Siehe Raymond D, Les relations d’Anne d’Autriche et de Bossuet (1643–1666), in: Jean-Pierre C, Thérèse G (Hg.), Journées Bossuet. La prédication au XVIIe siècle, Paris 1980, S. 141– 164, hier S. 158f.; R, Lettre en vers à Madame, 23. Januar 1667, Sp. 621f., V. 177–218. Zweitens sind drei gedruckte Predigten betroffen: (1) Claude C, Oraison fvnebre de la reine Anne d’Avstriche, Vannes 1666; (2) D, Oraison fvnebre d’Anne d’Avstriche, Lyon 1667; (3) Claude-François M, Discours funebre aux obsèques de la très-chrétienne Reine-mère Anne d’Autriche, Aix-en-Provence 1667. Die Existenz dieser drei Druckschriften ist nachgewiesen bei Jacques L, Bibliothèque historique de la France, contenant Le Catalogue des Ouvrages, imprimés & manuscrits, qui traitent de l’Histoire de ce Royaume, ou qui y ont rapport, hg. v. Charles-Marie Fevret de F, Jean-Louis Barbeau de L B, 5 Bde., Paris 1768–1778, Bd. 2, S. 656. Dazu gehören die folgenden Werke: AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre, S. 1–54; AN, Mss., L 1036, Nr. 26, [A], Oraison Funebre À la Memoire de tres haute, tres Puissante, & tres Excellente Princesse Anne d’Austriche. Reyne de France (1666), S. 1–103; BMB, Mss., Ms. 1017, [A], Éloge funèbre d’Anne d’Autriche, reine de France (1666), fol. 33r–81r; BNF, Mss., Mélanges Colbert 54, G, Oraison, fol. 302r–317r; BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 1827, L, Oraison funebre D’Anne Maurice d’Autriche Reine de France (s.d. [um 1666/1667]), fol. 46r–56v. Das gilt für die Predigten von Mascaron und Le Boux. Siehe AN, Mss., L 1036, Nr. 24, M, Oraison, S. 1–59, sowie BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 22144, Jules M, Oraison funebre D’Anne Maurice D’Austriche Reyne de France et de Navarre, prononcée dans l’Eglize des Peres de l’oratoire (1666), fol. 63r–90v; BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 22144, [Guillaume L B], Eloge funebre D’Anne

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2. Herrschaft und Repräsentation

wird, dass etwa für Heinrich IV. 40 und für Ludwig XIII. 45 Predigten überliefert sind503 . Die hohe Anzahl der Predigten zeugt somit von dem eminenten Stellenwert, der Anna von Österreich eingeräumt wurde504 . Diese hatte ihre tiefe Religiosität auch testamentarisch formuliert. So hinterließ sie viele ihrer religiösen Kleinodien aus dem Louvre dem Kloster Valde-Grâce505 . Darüber hinaus vermachte sie dem Kloster 200 000 l.t. und ordnete an, anlässlich ihres Todes dort 10 000 Messen lesen zu lassen sowie künftig eine an jedem Tag506 . Ludwig XIV. kam diesem Wunsch nach und erließ im September 1666 eine entsprechende Anweisung507 . Gemäß ihrem letzten Willen wurde ihr Herz in der Annenkapelle von Val-de-Grâce beigesetzt508 . Damit begründete sie eine Tradition, der viele Familienmitglieder und Nachkommen folgten, allen voran Maria Theresia (1683), Mlle de Montpensier (1693) und Philippe d’Orléans (1701)509 .

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Infante D[’]espagne espouse De Louis 13. Roy de france (s.d. [um 1666/1667]), fol. 1r– 45v. Mascarons Predigt lag mir nur in ihrer Manuskriptform vor. Jacques H, Les oraisons funèbres de Henri IV et de Louis XIII: manifestations du mécénat, in: Jean M (Hg.), L’âge d’or du mécénat (1598–1661), Paris 1985, S. 329–340, hier S. 329. Neben den Trauerfeiern in Paris und Umgebung fanden natürlich auch in zahlreichen anderen Städten des Landes Gedenkgottesdienste statt. Siehe dazu BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes fvnebres d’Anne d’Autriche, fol. 14r–30r (Saint-Denis), 33r–35v (Notre-Dame); BNF, Mss., Fonds français 18536, Le Service solennel fait dans l’Eglise des Feüillans de la rüe Saint Honoré, pour la Reyne Mére [sic] du Roy (12.02.1666), fol. 425r– 430v; BNF, Mss., Fonds français 18536, Les Services faits povr la Reyne Mère, en l’Eglise de Notre-Dame, & en celles de plusieurs autres villes (05.03.1666), fol. 431r–437v; BNF, Mss., Fonds français 18536, La svite des services faits povr la Reyne Mère (12.03.1666), fol. 419r–424v. Vgl. auch [A], Panegyrique de la Reyne, S. 60; H, Les oraisons funèbres, S. 332. AN, Mss., L 1037, Nr. 15, Dons (s.d.), s.p., sowie AN, Mss., Z1a 513, Nr. 52, Inventaire de plusieurs choses qui ont esté données par Le Roy Louis 14. et par La Reyne sa Mere Anne d’Austriche 3. du nom fondatrice de cette Abbaye (s.d.), s.p.; BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament d’Anne d’Autriche (13.08.1665), fol. 242r–243r, hier fol. 243r. Siehe auch C, Le mobilier d’Anne d’Autriche au Louvre, S. 258; V, Anne d’Autriche, S. 9–12. BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament d’Anne d’Autriche, fol. 242r, 243r. Siehe auch C, Le mobilier d’Anne d’Autriche au Louvre, S. 253. AN, Mss., L 1037, Nr. 3, Contract (02.09.1666), s.p. BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes fvnebres d’Anne d’Autriche, fol. 5v–6r; BNF, Mss., Fonds français 18536, Ce qvi s’est passé en la Maladie, & à la Mort d’Anne d’Autriche, Mère du Roy: avec la Cérémonie du transport de son Cœur au Val-de-Grace (29.01.1666), fol. 399v–406r. BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes funebres de Marie Therese (1683), fol. 239r– 316v, hier fol. 249v, 315r; Gazette de France, 13. August 1683, S. 412; Gazette de France, 18. April 1693, S. 190f.; Gazette de France, 18. Juni 1701, S. 288. Siehe auch Kap. 4.3.4, S. 390, Anm. 405; AN, Mss., L 1036, Nr. 27, Eloges Funèbres d’Anne-Maurice d’Autriche (s.d.), s.p.; AN, Mss., L 1036, Nr. 27, Sur le Cœur d’Anne d’Autriche Reine de France, deposé au Val-de-Grace. Sonnet (s.d.), s.p.; R, Lettre en vers à Madame, 24. Januar 1666, Sp. 648, V. 277–284; S, Le Val-de-Grâce, S. 37–40. Im Gegensatz zu

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Guillaume Le Boux nahm dies zum Anlass, um bei seiner Leichenpredigt in Val-de-Grâce am 9. Februar 1666 die Thematik der Herz-Symbolik aufzunehmen510 . Basierend auf Psalm 45,14 (»Die Königstochter ist mit Perlen geschmückt«) definierte er das Herz eines Menschen als Quelle des Ruhmes und der wahren Größe511 . Daher wies Le Boux außer auf die konstante Frömmigkeit und Mildtätigkeit der Königin gegenüber Armen, Kranken und Schwachen mit Nachdruck darauf hin, dass das Herz der Königin immer nur von drei Variationen der Liebe erfüllt gewesen sei: der Liebe zu Gott, der Liebe zum König und der Liebe zu Frankreich512 . Damit kennzeichnete er die drei Säulen der Gesellschaft, nämlich Kirche, Familie und Staat. Und mehr noch: Der Prediger Beguey sah genau darin die Ursache ihrer letzten Krankheit, die damit neben der Mahnung an die Sterblichkeit und dem Büßen durch Leiden einen weiteren, ja göttlichen Sinngehalt erhielt: »Le Sauueur du monde voulut que sa poitrine fust ouuerte en mourant, afin que les Anges, les hommes, & vniversellement toutes les creatures, vissent son cœur comme le centre de l’amour qui estoit la cause de leur reparation«513 . Le Boux’ Predigt fungierte als Brückenschlag: Indem er die Verstorbene mit Blanka von Kastilien und Isabella von Aragón verglich, unterstrich er ihre tiefe Religiosität und stellte eine Parallele zu anderen spanischstämmigen Königinnen von Frankreich her514 . Ludwig XIV. zögerte nicht, diesem Anspruch gerecht zu werden. Fortan fand jährlich am Todestag der Königin ein Gedenkgottesdienst statt515 . Außerdem setzte der König die finanzielle Unterstützung für Val-de-Grâce gemäß dem Wunsch seiner Mutter fort516 . Und ihre Gemächer im Louvre wurden weiterhin instand gehalten517 . Das alles geschah natürlich nicht nur aus Verehrung ihr gegenüber, sondern auch im Bewusstsein eines Ahnenkultes. Dieser Kult sollte nicht unterschätzt werden, da solche Formen des Gedenkens Bestandteil der Herrschaftslegitimierung waren. Anna von Öster-

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den Herzen von Anna von Österreich und ihrem Sohn Philippe wurden die der anderen Familienmitglieder nicht in der Kapelle, sondern im Kellergewölbe beigesetzt. Augustin-Jean H, Les orateurs sacrés à la cour de Louis XIV, 2 Bde., Genf 1971 [EA 1872], Bd. 1, S. 108; L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 14. Februar 1666, Sp. 691, V. 213–216. H, Les orateurs sacrés, Bd. 2, S. 300. Ibid., S. 301, vgl. S. 302, 306. B, Discours fvnebre, S. 28. Siehe auch S, Oraison, S. 23. Siehe D  R, Mémoires, Bd. 3, S. 6f., 69; H, Les orateurs sacrés, Bd. 2, S. 305. Vgl.  K, Catherine de Médicis, S. 20. D, Nouvelle histoire de Paris, S. 169. Vgl. z. B. Gazette de France, 28. Januar 1668, S. 99. BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament d’Anne d’Autriche, fol. 243r; C, Lettres: Dépenses Val-de-Grâce (1666–1683), Bd. 5, S. 579; Gabriel P (Hg.), Documents authentiques et détails curieux sur les dépenses de Louis XIV, Paris 1827, S. 18. AN, Mss., K 1723, Nr. 189, Quittance pour François Bellocq (05.01.1664), s.p.; B, Nouvelle Description, Bd. 1, S. 159; D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 157.

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2. Herrschaft und Repräsentation

reich erfüllte somit durch ihren Tod und noch darüber hinaus eine wichtige Funktion in der königlichen Propagandapolitik518 . Einmal wurde ihr Tod konkret für das Inszenierungsprogramm ihres Sohnes instrumentalisiert. Der Beistand des Königs für seine Mutter, als diese 1663 schwer erkrankte und man allgemein mit ihrem Ableben rechnete, bildete den Auftakt und einen wichtigen Bestandteil der immer wiederkehrenden Lobpreisung dieser Mutter-Sohn-Beziehung, wie etwa in einer Elegie des holländischen Schriftstellers Nikolaes Heinsius d.Ä.519 Auch Jean Donneau de Visé ging darauf in seinen zwischen 1697 und 1703 veröffentlichten »Mémoires pour servir à l’histoire de Louis le Grand« ein520 . Dies sollte – in einer ansonsten rein politischen und militärischen Abhandlung und angesichts neuer Kriege – ohne Zweifel die Sympathien für den König erhöhen, indem seine charakterlichen Qualitäten mit dem Verweis auf das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, zusätzlich herausgestrichen wurden521 . Zum anderen erfüllte der Tod der Königin eine essentielle Funktion im Inszenierungsprogramm der Dynastie insgesamt. Trotz der Annäherung zwischen Frankreich und Spanien infolge der Hochzeit Annas von Österreich haben die Franzosen ihre Überlegenheit immer wieder zur Schau gestellt. Daran hatte sich auch bei der Hochzeit Ludwigs XIV. nichts geändert522 . Neben einer glanzvollen Hofhaltung boten gerade feierliche Zeremonien wie Hochzeiten oder Beerdigungen eine willkommene Gelegenheit, die eigene dynastische Überlegenheit zu demonstrieren523 . Nachdem Philipp IV. 1665 gestorben war und die Spanier in Rom einen kostspieligen Gedenkgottesdienst veranstaltetet hatten, wollten die Franzosen in nichts nachstehen. Der Tod der Königin war daher besonders geeignet, in Rom, dem Zentrum der Christenheit, Spanien und aller Welt aufs Neue Frankreichs überlegene 518

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Vgl. Christine MC P, Le Pouvoir des sens: une exploration des poésies de Madeleine de Scudéry, in: Delphine D, Anne-Élisabeth S (Hg.), Madeleine de Scudéry: une femme de lettres au XVIIe siècle. Actes du colloque international de Paris, 28–30 juin 2001, Arras 2002, S. 93–104, hier S. 98f. Jean C, Les lettres authentiques à Nicolas Heinsius (1649–1672), hg. v. Bernard B, Paris 2005, S. 395f., Brief v. Chapelain an Nicolas Heinsius (26.10.1663). Siehe auch Georges C, Jean Chapelain, 1595–1674. Étude historique et littéraire d’après des documents inédits, Paris 1912, S. 389–417. Vgl. auch Louis M, Das Porträt des Königs, Berlin 2005, S. 67–150, bes. S. 72, 112f. Jean D  V, Mémoires pour servir à l’histoire de Louis le Grand, 10 Bde., [Paris] 1697–1703, Bd. 1, S. 46–50. Vgl. auch François-Timoléon de C, Histoire de l’Église, 11 Bde., Paris 1703–1723, Bd. 11, S. 39; L XIV., Mémoires, S. 49–51; M, Mémoires, Bd. 4, S. 473; Bd. 5, S. 21, 296f. Siehe M, La politesse, Bd. 2, S. 495. Die Kosten für die Beerdigungsfeierlichkeiten beliefen sich auf 365 239 l.t. Bei Maria Theresia war es später weniger, lediglich 315 278 l.t., zit. n. BNF, Mss., Clairambault 814, Depense des obseques de la Reyne (s.d.), S. 277, 279. Siehe auch Jean-Marie L G, Le mythe de saint Denis: entre Renaissance et Révolution, Paris 2007, S. 390, der die Kosten für die Beisetzung Anna von Österreich auf mindestens 350 000 l.t. schätzt. Vgl. D  V, Mémoires, Bd. 1, S. 49.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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Prachtentfaltung und machtpolitische Hegemonie in Europa vor Augen zu führen524 . Die mit großer Pracht und Aufwand im In- und Ausland durchgeführten Trauerfeierlichkeiten für Anna von Österreich sowie die Gedenkgottesdienste im Pariser Karmelitinnenkloster525 , in Val-de-Grâce526 und in Saint-Denis527 zu ihrem ersten Todestag waren somit ein elementarer Bestandteil dynastischer und herrschaftlicher Repräsentation528 . Der Glanz solcher Zeremonien sollte auf die Monarchie zurückstrahlen und auf diese Weise ihre machtpolitische Größe und sakrale Aura unterstreichen529 . Dies galt auch für andere posthume Ehrungen wie die Darstellung Annas von Österreich als Kybele auf dem Gemälde »L’Olympe royal« (um 1670) von Nocret (Abb. 10). Sie befindet sich im Zentrum des Bildes, womit noch einmal auf ihre zu Lebzeiten zentrale Stellung innerhalb der königlichen Familie, aber in gewisser Weise auch am Hofe, verwiesen wird530 . Während ein gezähmtes Raubtier neben ihr auf die Befriedung des Reiches und die Festigung der königlichen Herrschaft während der Regentschaft verweist, deutet der Globus auf ihren Knien, den sie durch eine leichte Drehung ihrer Sitzposition in Richtung des 524

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Maria Antonietta V, Les cérémonies comme compétition politique entre les monarchies française et espagnole à Rome, au XVIIe siècle, in: D (Hg.), Les cérémonies extraordinaires, S. 365–388, hier S. 365, 385–387. Siehe auch B, Funérailles féminines, S. 391, 420. Maria Theresia initiierte diesen Gottesdienst am 18. Januar 1667. Die Predigt hielt Bossuet. Siehe Kap. 2.2.4, S. 135, Anm. 500; BNF, Mss., Fonds français 16633, Seruices du bout de l’an d’Anne d’Autriche (1667), fol. 37r–40r, hier fol. 37r. Bereits 1666 hatte Maria Theresia dort einen Gottesdienst angeordnet. Siehe R, Lettre en vers à Madame, 28. Februar 1666, Sp. 720f., V. 19–46. Diese Trauerfeier ließ der Bruder des Königs am 19. Januar 1667 ausrichten. Siehe François Mallet de Grainville de D, Oraison fvnebre d’Anne d’Avstriche, Paris 1667. Vgl. BNF, Mss., Fonds français 16633, Seruices du bout de l’an d’Anne d’Autriche, fol. 37r; R, Lettre en vers à Madame, 23. Januar 1667, Sp. 621f., V. 177–218. Auf Anordnung Ludwigs XIV. fand am 20. Januar 1667 der offizielle Gedenkgottesdienst in Saint-Denis statt. Siehe BNF, Mss., Fonds français 16633, Seruices du bout de l’an d’Anne d’Autriche, fol. 37v–40r; C, Lettres, S. 322, Brief v. Duc d’Enghien an Luisa Maria Gonzaga (21.01.1667). Siehe auch Charles B, Henriette-Anne d’Angleterre, duchesse d’Orléans. Sa vie et sa correspondance avec son frère Charles II, Paris 1886, S. 256f.; Françoise H, La double mort du roi Louis XIII, Paris 2007, S. 271. Cédric C, Les deux morts de Louis XIII, in: Revue d’histoire moderne et contemporaine 55/1 (2008), S. 50–73, hier S. 63–65, 72. Siehe auch Anne P, Les décors des pompes funèbres en France 1643–1683: naissance d’un genre, in: Actes du Ve congrès national d’archéologie et d’histoire de l’art, Bordeaux 1999, URL: http:// inha.revues.org/2467 [abgerufen: 15.06.2015], bes. Absatz 19. Vgl. außerdem ClaudeFrançois M, Des décorations funèbres, où il est amplement traité des tentures, des lumières, des mausolées, catafalques, inscriptions et autres ornemens funèbres, Paris 1683, S. 15, 38. Vgl. L F, Histoire d’Henriette d’Angleterre, S. 14.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Abbildung 10: »L’Olympe royal«, Gemälde von Jean Nocret (1670).

Königs hält, die machtpolitischen Möglichkeiten an, die den Bourbonen noch offen stehen. Anna von Österreich tritt dem Betrachter hier im Sinne einer »Magna mater«, einer Ur- bzw. Allmutter, entgegen531 . Ganz neu war dieser Topos allerdings nicht. Bereits anlässlich der Hochzeit Ludwigs XIV. wurde sie in einem Poem als »Mutter der Götter« bezeichnet532 . Die junge Dynastie der Bourbonen erlebte mit der Fronde eine ernsthafte Bedrohung, die dank ihrer Umsicht abgewendet werden konnte, indem der Thronanspruch erneut und dauerhaft gefestigt wurde. So sprach etwa Mazarin davon, dass die unglaub-

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Jean-Pierre N, L’olympe du Roi-Soleil. Mythologie et idéologie royale au Grand Siècle, Paris 1986, S. 103. Schon viele Jahre zuvor wurde dieser Vergleich zwischen Anna von Österreich und der fruchtbaren Ur- bzw. Erdmutter auf einem Gemälde angelegt, das die königliche Familie auf einem Triumphwagen zeigte und für die Repräsentationsräume im Schloss Richelieu bestimmt war. Siehe B, L’iconographie, Bd. 1, S. 258. Auch Maria von Medici war auf dem Titelkupfer eines Buches, das ihre Rückkehr nach Frankreich propagierte, als Kybele dargestellt worden. Siehe Mathieu de M, Diverses pièces pour la défence de la royne mère du roy très chrestien Louys XIII, Anvers 1637: Frontispice, s.p. Vgl. Anna W, Mère, déesse, reine: Marie de Médicis en Cybèle, in: Atlantis 19/1 (1993), S. 134–145. BNF, Mss., Mélanges Colbert 37, Poeme Sur le mariage de leurs Majestez dedié à Mademoiselle de Beauvais (s.d. [um 1660]), fol. 224r–231v, hier fol. 224v.

2.2 »Reine des reines«: Selbstdarstellung im Dienste der Krone

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liche Entschlossenheit der Königin den Staat vor einer der größten Gefahren gerettet habe, der er je ausgesetzt gewesen sei533 . Außer der Inanspruchnahme innerhalb dynastisch-königlicher Bildprogramme fand Anna von Österreich zumindest in der Zeit unmittelbar nach ihrem Tod noch Aufnahme in einige literarische Werke. Dabei sei zunächst auf eine bisher wenig beachtete Theateraufführung am Jesuitenkolleg in Toulouse verwiesen. Das Stück mit dem Titel »Astrée ov L’Apotheose d’Anne d’Avstriche« (1666)534 suggeriert eine ultimative Form der Verherrlichung durch die Gleichsetzung Annas von Österreich mit der Göttin Astreia535 . Ausgehend von der griechischen Mythologie, in der diese Tochter des Zeus für Gerechtigkeit steht, wurde sie in der christlichen Glaubenslehre als Friedens- und Heilsbringerin angesehen536 . Das heißt, eines Tages käme sie auf die Erde zurück und würde das Reich Gottes durch die Besinnung auf den wahren, ursprünglichen Glauben einläuten537 . Die mythologische Ummantelung des Themas war der bienséance geschuldet, um eine zu offensichtliche Lobhudelei zu vermeiden538 . Ein weiterer Vorteil dieser mythologischen Aufbereitung lag darin, dass das Lob auf die Königin durch die räumliche und zeitliche Loslösung vom konkreten historischen Hintergrund, der den Anlass für das Stück bildete, eine Form der ewigen Gültigkeit beanspruchen konnte539 . Ein Jahr später erschien mit den »Devises panegyriqves povr Anne d’Avstriche« des Bordelaiser Juristen Chaumelz eine letzte große Lobschrift zu ihren Ehren, in der der Autor das Leben der Königin anhand von 40 Emblemen nachzeichnete und sie zum – unerreichten – Vorbild für Tugend und

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BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament de Mazarin (März 1661), fol. 233r–240v, hier fol. 233r. BMAU, Mss., Ms. 60, [A], Astrée ov L’Apotheose d’Anne d’Avstriche, espovse de Lovis le Ivste, et Reyne Mere dv Roy. Drame. Representé par les Ecoliers du College de Toulouse de la Compagnie de Iesvs, Toulouse 1666, S. 1–31/fol. 200r–215r, hier S. 9/ fol. 204r. Schon Maria von Medici hatte sich auf Rubens’ Gemälde »Die Glückseligkeit der Regierung« als »wiedergekehrte Astreia« darstellen lassen. Siehe N, Regentinnen, S. 120. Siehe BMAU, Mss., Ms. 60, [A], Astrée, S. 8/fol. 203v. Zur antiken und christlichen Deutung des Stoffes siehe Frances A. Y, Astraea. The Imperial Theme in Sixteenth-Century, Boston, London 1975, S. 29–38. Auch Elisabeth I. und Katharina von Medici ließen solche Vergleiche vornehmen (ibid., S. 60, 133). Auf Darstellungen wurde die Göttin mit einem Füllhorn abgebildet, um den Anbruch dieses goldenen Zeitalters noch besser zu versinnbildlichen. François D, Allégorie et actualité sur les tréteaux des Jésuites, in: Jean J (Hg.), Dramaturgie et société. Rapports entre l’œuvre théâtrale, son interprétation et son public aux XVIe et XVIIe siècles, 2 Bde., Paris 1968, Bd. 2, S. 433–443. Vgl. dazu Jennifer M, The Painted Enigma and French Seventeenth-Century Art, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 31 (1968), S. 307–335, bes. S. 307–309.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Gottesfurcht deklarierte540 . Embleme haben gegenüber Devisen den Vorteil, dass sie neben einer von einem kurzen Sinnspruch (inscriptio) begleiteten Darstellung (pictura) zusätzlich noch über eine ausführlichere Beschreibung und Auslegung des Ganzen in Prosaform (subscriptio) verfügen541 . Und während Devisen auf eine Person ausgelegt sind, vermitteln Embleme allgemeingültigere Werte und Normen. Chaumelz’ Buch geht somit über eine rein biographische Skizze hinaus, weil die Lebensbeschreibung der Königin zugleich eine Vorbild- und Erziehungsfunktion erfüllen soll, indem aufgezeigt wird, wie sich ein moralisch vollkommener Mensch zu verhalten hat542 . Gleichwohl blieben umfassendere Elogen spätestens seit den 1670er Jahren aus. Das lag in der Natur der Sache. Die Königin und ihre Leistungen waren gewiss nicht vergessen, aber für weitergehende Verherrlichungen war kein Platz mehr an einem Hof, an dem alles dem Ruhm des Sonnenkönigs unterworfen war543 . Vielleicht war das einer der Gründe, warum Corneille, gealtert und ohne Fürsprecher am Hofe, mit nostalgischem Blick noch einmal die erfolgreichen Jahre der Regentschaft Revue passieren ließ, als er Anna von Österreich 1672 in seinem Stück »Pulchérie« indirekt ehrte544 . Darin, wie schon in seinem Werk »Don Sanche« von 1649, geht es nämlich um eine Königin, die den von Feinden bedrohten Staat lenken muss und dabei Unterstützung von einem treuen Ratgeber erhält545 . Und in der Tat hatte dies stets einer der Zielsetzungen von Anna von Österreich entsprochen, nämlich dem kollektiven Gedächtnis als eine Königin in Erinnerung zu bleiben, die sich aufopferungsvoll um ihren Sohn, ihr Volk und ihr Land gekümmert hat. In einem bereits 1620 veröffentlichten Fürstenspiegel heißt es ganz in diesem Sinne: »Les Roys, les Grands qui veulent estre aimez, bien conseillez & seruis, doivent seruir à Dieu, se conseiller à luy, ne dire, faire & entreprendre que les choses iustes, estre fontaines publiques de540

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C, Devises. Vgl. Daniel R, M. de Montplaisir and his Emblems, in: Neophilologus 67/4 (1983), S. 503–516. Nach dem Tod Ludwigs XIV. erschien ein ähnliches Werk, in dem allerdings nur auf wenigen Seiten und anhand von zehn Emblemen eine kurze Biographie des Königs vorgelegt wurde. Siehe Gabriel-François L J, Ludovici Magni vita symbolis heroicis designata, Paris 1715. Dominique B, Les entretiens d’Ariste et d’Eugène, Paris 2 1671, S. 361, 387, 421f., 475. Zu den Bestandteilen eines Emblems und seiner Deutung siehe Albrecht S, Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, München 1968, bes. S. 18–25. R, M. de Montplaisir, S. 513. Siehe etwa B, Ludwig XIV.; Orest R, Artisans of Glory: Writers and Historical Thought in Seventeenth-Century France, Chapel Hill 1980. Marie de Rabutin-Chantal, Marquise de S, Lettres de Madame de Sévigné, de sa famille et de ses amis, hg. v. Louis-Jean-Nicolas M, 14 Bde., Paris 1862–1868, Bd. 1, S. 470, Brief v. Mme de Sévigné an Mme de Grignan (15.01.1672). Pierre C, Œuvres complètes, hg. v. André S, Tours 1997: Pulchérie – Au lecteur, S. 778f. Siehe dazu Alain N, Corneille et Anne d’Autriche, in: D. (Hg.), Pierre Corneille. Actes du colloque tenu à Rouen (2–6 octobre 1984), Paris 1985, S. 189–195, hier S. 195; Marie-Odile S, Les femmes et le pouvoir dans le théâtre cornélien, in: ibid., S. 605–614.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

143

coulantes la rosee du Ciel, pour en faire puiser & boire à tous en abondance [. . . ]: il faut sçauoir se bien gouuerner, premier que gouverner les autres«546 . Ob die Königin diese Schrift gelesen hat, ist ungewiss. Allerdings kann mit Sicherheit gesagt werden, dass sie die dahinter stehende Maxime sehr wohl verinnerlicht hatte.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit La Lune cachée Sovs ce moite Crepe voilée De la Region étoilée L’épanche sur le Monde vn Monde de Tresors Et quoy que ie ne sois pas veuë Ie fais autant de bien cachée sous la nuë Que lors que ie me montre éclatante au dehors547 .

Dass es Anna von Österreich bei ihrer Inszenierung wichtig war, sich als mustergültige Königin und Regentin zu präsentieren, kam nicht von ungefähr. Kurz vor der Übernahme der Regentschaft erhielt sie ein Memorandum mit Hinweisen für ihr künftiges Vorgehen: [E]lle se doibt proposer que toutes ses actions, sa conduite et ses pensées seront maintenant considerées et de la france et de toutte l’Europe en g[é]n[ér]al, et selon les commencemen[t]s qu’Elle donnera a son auctorité, vn chacun fera Jugement de ce que l’on deura esperer de son gouuernement qui n[’]est pas vne regence d’vne couple d’années mais vn Regne entier548 .

Die Art und Weise, wie sie die Regentschaft beginnen und sich in Szene setzen würde, war demnach entscheidend für ihr Ansehen inner- und außerhalb Frankreichs549 . Dass der erste Eindruck tatsächlich positiv war, belegt auch 546

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Charles C, Les personnes qve les Roys et Princes doivent appeler et choisir pour leurs commensaux, domestiques, seruiteurs, conseillers de leurs maisons, & Ministres de leurs Estats, Paris 1620, S. 29. Vgl. dazu Anne Marie Louise d’Orléans, duchesse de M, Recveil des portraits et éloges en vers et prose, dedié à son altesse royalle Mademoiselle, Paris 1659: Portrait de la Reyne par Madame la contesse de Bregy (s.d.), S. 34: »Son cœur est aussi noble que sa naissance, & la faisant trouuer plus grande que toutes choses, dans les plus contraires elle ne parust iamais abbatuë; & dans les plus fauorables, elle conserue tant de moderation que dans l’vne & l’autre fortune elle ne paroist pas seulement Reyne des autres, mais d’elle mesme aussi«. Ähnlich äußerten sich auch F, Oraison, S. 7, und M, Portrait de la reine, S. 327. C, Devises, S. 214. BNF, Mss., Fonds français 3445, Avis donné à la Reyne quelques iours auant la mort du Roy Louis XIII (s.d. [1643]), fol. 120r–129v, hier fol. 120v. Siehe dazu V, Eloge fvnebre, S. 12. Vgl. außerdem A, Der Tod der Königin, S. 132; O, »Gespräche« über Herrschaft, S. 43f. BNF, Mss., Fonds français 6642, La Reyne fera telle consideration qu[’]il plaira a sa

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2. Herrschaft und Repräsentation

ein Bericht der venezianischen Gesandten Contarini und Grimani aus dem Jahr 1643 bei ihrer Einschätzung der aktuellen Lage550 . Die Strategie der Königin erschöpfte sich deshalb keineswegs darin, sich als tugendhafte Monarchin auf (Staats-)Porträts und Kupferstichen abbilden zu lassen oder ihre Gemächer mit allegorischen Darstellungen zu schmücken. Vielmehr war sie bemüht, ihre Inszenierungsstrategie über den höfisch-zeremoniellen Kosmos hinaus zu verbreiten und dem Bild einer frommen Königin auch praktisch durch Wohltaten und Friedensbemühungen im ganzen Land Ausdruck zu verleihen, damit sie allen so erschien, wie es der Verfasser einer späteren Leichenpredigt formuliert hat: »[C]et Ange visible dont la douceur et la Majesté faisoient l[’]admiration des estrangers, le bonheur de la France, la tranquil[l]ité de l[’]Europe, l[’]ornement de toute la terre, l[’]Exemple de la Cour, la gloire de son sexe, et la joye de tous les peuples«551 . Es stellt sich die Frage, wie diese praxisorientierte Propaganda konkret aussah, welcher Mittel die Königin sich bediente und inwieweit sich dabei Uneigennützigkeit und strategisches Kalkül überhaupt voneinander abgrenzen lassen. 2.3.1 Frömmigkeit über alles Schon zu Lebzeiten galt Anna von Österreich als Inbegriff einer Frau und Königin, die der Religion stets den ersten Platz einräumte552 . Als »älteste Tochter der Kirche« war sie für viele die »Hüterin des (wahren) Glaubens«553 , die sich mit großer Inbrunst geistlicher Belange annahm554 . Das war entscheidend: Die Religion war das Fundament des politischen Gefüges einer Zeit, in der

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Ma[jes]te sur les pensées suiuantes d’vn seruiteur sur ce qu[’]il luy est rap[p]orté de l’estat auquel est le Roy (s.d. [1643]), S. 260–265, hier S. 262. Angelo C, Giovanni G, Relazione dell’ambasceria straordinaria in Francia di Angelo Contarini e Giovanni Grimani invitati a Luigi XIV per rallegrarsi della sua assunzione al trono nell’anno 1643, in: B, B (Hg.), Relazioni degli Stati Europei, Bd. 2, S. 389–421, hier S. 406: »La regina madre è reggente del regno durante la minorità del figliuolo che finirà all’ingresso dei quattordici anni in circa, di natura molto benigna, liberale e religiosa, né saprebbe far male a persona se non per necessità o per giustizia. Il suo principal[e] interesse è di condor la reggenza felicemente sino al fine, allevar bene i figliuoli, mantener la pace interna, e procurare l’esterna coll’unione del cognato e di Condè, ai quali perciò Sua Maestà rende ogni onore, e cerca di tenerli bene affetti e contenti, per levar loro ogni pretesto di alienazione e di moti nel regno«. AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre, S. 2. P   S, Le Portrait de la Reyne, S. 19: »La Pieté est la vertu des Roys, parce que comme ils representent en quelque sorte dans leur puissance absoluë, l’infinie de celuy dont ils releuent«. Siehe auch Philippe A, Béatrix de l’A, Pour mon fils, pour mon roi. La reine Anne, mère de Louis XIV, Paris 2009, S. 208; S, Oraison, S. 13f. Isidore L R, Oraison fvnebre d’Anne d’Avtriche, Tours 1666, S. 12, 40. Jacques-Bénigne B, Correspondance de Bossuet, hg. v. Charles U, Eugène L, 15 Bde., Paris 1909–1925, Bd. 1, S. 24, Brief v. Bossuet an Vincent de Paul

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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die Idee vom Gottesgnadentum den Machtanspruch der Monarchen stützte und legitimierte; der Glaubensstärke wurde eine so essentielle Rolle zugestanden, weil sie, so Le Moyne, allein schon aus Gründen der Staatsräson gepflegt werden müsse555 . Anna von Österreichs ausgeprägte Frömmigkeit wurde vor allem auf ihre Erziehung556 am spanischen Hof zurückgeführt557 . Dabei spielten aber nicht nur Glaubensaspekte und Spiritualität eine Rolle. Sowohl die Habsburger in Spanien als auch in Österreich hatten nämlich die pietas infolge der Gegenreformation mehr als zuvor zu der zentralen Herrschertugend stilisiert, denn »Religiosität und christliche Tugenden seien die Grundfesten der Herrschaft«558 und jeder Fürst sollte bestrebt sein, den Untertanen mit Frömmigkeit zum Vorbild zu gereichen559 . Das kam auch in einem zeitgenössischen literarischen Porträt zum Ausdruck: »[Elle] a voulu de tous les moyens choisir son seul exemple pour porter ses sujets à toutes les vertus«560 . Wenn es also etwas gab, was Anna von Österreich ihr ganzes Leben lang begleiten und beeinflussen sollte, dann war es dieses Erbe habsburgischer Frömmigkeit, die sich mit der Seelengröße des französischen Königshauses vereinte und das sie, wie René Rapin erklärt, zu einer »vollendeten Fürstin« werden ließ561 . Bereits unmittelbar nach ihrer Ankunft in Frankreich bat sie unter dem Eindruck der durch ihre Ehe erfolgten Annäherung Frankreichs und Spaniens um Reliquien des heiligen Orentius, eines gebürtigen Spaniers und des späteren Erzbischofs im französischen Auch562 . Derartige Handlungen trugen dazu bei, dass gerade die geistlichen Gelehrten ihre Frömmigkeit stets

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(02.03.1658): »Je prie Dieu qu’il bénisse les saintes intentions de cette pieuse princesse, qui embrasse avec tant d’ardeur les intérêts de la religion«. L M, De l’art de régner, Teil 2, S. 62. Siehe dazu Rudolf S, Politik beobachten. Öffentlichkeit und Medien in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 35/4 (2008), S. 581–616, hier S. 590. Einen guten Einblick in die Kindheit und Erziehung der Königin bietet R B, Enfance et éducation, S. 11–39. Vgl. Frank J. S, Les enfants rebelles. Ordre de naissance, dynamique familiale, vie créatrice, Paris 1999, S. 231. Ihr Vater Philipp III. und ihre Mutter Margarete von Österreich galten weithin als überaus fromm. Siehe BNF, Mss., Rothschild 356, C, Oraison, S. 9; C, Les Éloges et les vies des Reynes, Bd. 2, S. 254. Vgl. außerdem [A], Le panegyrique royal, S. 5; L M, De l’art de régner, Teil 2, S. 85; L R, Oraison, S. 16; O, Oraison, S. 49–51. Anna C, Pietas Austriaca. Ursprung und Entwicklung barocker Frömmigkeit in Österreich, Wien 1959, S. 9. Vgl. S, The Power and Patronage, S. 183. L M, De l’art de régner, Teil 2, S. 48–76, 106–123; Teil 3, S. 357–371. Siehe auch Georges L-G, L’éducation politique de Louis XIV, Paris 1898, S. 126. M, Recveil des portraits: Portrait de la Reyne par Madame la contesse de Bregy, S. 34. René R, Mémoires du P. René Rapin de la Compagnie de Jésus, hg. v. Léon A, 3 Bde., Farnborough 1972 [EA 1865], Bd. 3, S. 354. Siehe auch F, La Reyne tres-chrestienne, S. 12f.; L B, Oraison, S. 13; L, Oraison, S. 9; M, Panegyrique et Oraison, S. 17, 21. Armand-Jean du Plessis, duc de R, Lettres, instructions diplomatiques et papiers d’État du cardinal de Richelieu, hg. v. Denis-Louis-Martial A, 8 Bde., Paris

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2. Herrschaft und Repräsentation

hervorhoben563 . Gleichwohl waren solche Äußerungen zum Teil reine Beschönigungen, die suggerierten, die Königin hätte bereits seit frühester Jugend den höfischen Genüssen abgeschworen und sich einzig in den Dienst Gottes gestellt564 . Tatsächlich blieb sie jedoch den Freuden des Hoflebens zeitlebens zugetan. In den Augen der Öffentlichkeit wollte sie allerdings ihre Religiosität weitaus stärker akzentuiert wissen, indem sie als Förderin von Kirche und Glauben auftrat und hoffte, sich dem kollektiven Gedächtnis noch nachhaltiger einzuprägen als so viele Königinnen vor ihr565 . Dies war aber, entgegen einiger fälschlicher Behauptungen566 , sehr wohl bereits vor (und auch nach) der Regentschaft der Fall567 . Ab 1643 konnte sie dem Ganzen lediglich mehr Nachdruck verleihen. Im ersten Jahr der Regentschaft besuchte sie demonstrativ alle Pariser Kirchen568 . Ein effektives Mittel war auch ihre Kleidung. Wie viele Königinnen vor ihr trug sie über das offizielle Ende der Trauerzeit hinaus fast ausschließlich die Farbe Schwarz569 . Und natürlich folgte sie der Tradition und ließ an jedem Todestag Ludwigs XIII. einen Gedenkgottesdienst abhalten570 . So wollte sie der Erwartungshaltung an die Witwe eines Königs gerecht werden571 . Die damit einhergehende Würde und moralische Integrität unterstrich sie durch regelmäßige Messbesuche und Gebete – das

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1853–1877, Bd. 1, S. 175, Brief v. Richelieu an Léonard de Trappes, Erzbischof von Auch (08.08.1616). S, Oraison, S. 7: »[La] Reyne dont les prieres enuers Dieu, n’estoient que pour la conseruation de ses sujets, dont les demandes auprés [sic] du Roy estoient pour l’establissement de leurs familles, dont les richesses estoient distribuées au profit de son peuple, dont les liberalitez n’eclattoient que pour recompenser le merite & la vertu«. Siehe auch M, Panegyrique et Oraison, S. 27f. Ibid., S. 17. B, Discours fvnebre, S. 17: »[P]rotectrice du Clergé de France«; F, La Reyne tres-chrestienne, S. 20: »[P]rotectrice de la foy, & du Christianisme«. Vgl. B, Les entretiens d’Ariste et d’Eugène, S. 462: »La pieté exemplaire d’une Princesse par une étoille [sic] du Firmament, Cælo hæret, terris lucet« [Hervorh. im Orig.]. T, Pariser Witwensitze, S. 206. Darauf weist etwa Joseph A. B, Anne d’Autriche et les dévots, in: G (Hg.), Anne d’Autriche, S. 187–207, hier S. 190–196, zu Recht hin. M, Mémoires, Bd. 1, S. 82. Vgl. Sheila , Catherine de’ Medici as Artemisia: Figuring the Powerful Widow, in: Margaret M. F, Maureen Q, Nancy J. V (Hg.), Rewriting the Renaissance. The Discourses of Sexual Difference in Early Modern Europe, Chicago, London 1986, S. 227–241, hier S. 228. Siehe D-A, Journal, Bd. 2, S. 65f., Eintrag v. 13.05.1651; Muze historique, 15. Mai 1660, Livre XI, Lettre XIX, V. 26–30. Siehe z. B. Claude D, La vraye vevve, ov l’idee de la perfection en l’estat de vidvité, Paris 1650, bes. Teil 1, S. 1–7; John S, The Illustrious History of Women, London 1684, S. 157f.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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fand sowohl bei Zeitgenossen572 wie auch posthum573 viel Anerkennung. Aufgrund der verwischenden Grenzen zwischen privater und öffentlicher Sphäre stand die Königin ohnehin im Fokus des Hofes und damit der Gesellschaft insgesamt574 . Dies war aber nur die halbe Wahrheit. Das Ganze sollte nämlich auch ihrem nächsten Umfeld ihre Gläubigkeit vor Augen führen und helfen, dieses positive Bild im ganzen Land zu verbreiten575 . Folglich wurden viele ihrer Handlungen überhöht dargestellt, weil ihnen immer auch eine den Staat betreffende Bedeutung zukam. Dazu gehörte zum Beispiel die Fußwaschung armer Leute am Gründonnerstag576 . Ebenso wichtig waren Gebete, insbesondere für die Geburt des Thronfolgers, später dann für dessen Genesung bei Krankheiten oder für die Befriedung seines Reiches577 . Die Königin nutzte auch ihre zahlreichen Reisen in verschiedene Städte des Landes, wie etwa 1659 und 1660, als der Hof auf dem Weg an die spanische Grenze war und sie Klöster in Arles und Aix aufsuchte578 . Eine solche Entscheidung war immer auch eine politische, wie Joëlle Chevé zu Recht hervorhebt, weil derartige Besuche zugleich symbolhaft der Stärkung der Monarchie dienten579 . Das Gleiche galt für finanzielle Zuwendungen nach der Fronde, als in vielen Gotteshäusern Reparaturen vorgenommen oder gestohlenes Inventar ersetzt werden mussten580 . Aber bereits zuvor hatte sich die Königin engagiert: Sie förderte die Kirche und das Kloster der Augustiner in Camp des Loges bei Saint-Germain-en-Laye (1644) sowie den Weiterbau der dortigen Augustinerkirche Notre-Dame-des-Victoires (1656)581 ; der Kathedrale von

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Z. B. Michele M, Relazione di Francia di Michele Morosini ambasciatore ordinario a Luigi XIV dall’anno 1648 al 1653, in: B, B (Hg.), Relazioni degli Stati Europei, Bd. 2, S. 473–523, hier S. 511; Giovanni Battista N, Relazione di Francia di Giovanni Battista Nani ambasciatore ordinario a Luigi XIV dall’anno 1644 al 1648, in: ibid., S. 423–472, hier S. 440. Z. B. AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre, S. 41; O, Oraison, S. 53f. Muze historique, 22. März 1653, Livre IV, Lettre XII, V. 111–116. Zur grundsätzlichen Problematik von »privat« und »öffentlich« siehe Peter von M, Die Begriffe »öffentlich« und »privat« in der Geschichte und bei Historikern, in: Saeculum 49/1 (1998), S. 161–192. Vgl. K, Politische Freundschaft, S. 67f., 74. Siehe Joseph S, Anne d’Autriche et Sainte Radegonde. Aperçus sur la vie spirituelle d’Anne d’Autriche, in: Bulletin de la Société des antiquaires de l’Ouest et des musées de Poitiers 7 (1964), S. 331–343, hier S. 332. Muze historique, 11. April 1654, Livre V, Lettre XIV, V. 101–111. Ibid., 6. November 1655, Livre VI, Lettre XLIV, V. 115–119. Siehe , The Ideal Queen Patron, S. 101, 105f.; S, Anne d’Autriche, S. 341. Gazette de France, 20. Januar 1660, S. 105 (Karmelitinnen- und Benediktinerinnenklöster in Arles); 27. Januar 1660, S. 129 (Augustinerkloster in Aix-en-Provence). C, Marie-Thérèse, S. 427. F, Louis le Grand, S. 24f. BSG, Mss., Ms. 3245, Brief v. Anna von Österreich an M. de Beaumont (13.03.1654), fol. 21r; P, Nouvelle histoire de Paris, S. 562.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Amiens stiftete sie ein Altarbild für die Kapelle des heiligen Sebastian582 ; in Paris initiierte sie den Neubau der Kirche Saint-Sulpice (1646)583 ; sie legte den Grundstein584 für die Kirche des Prämonstratenserordens (1661)585 und für Kloster und Kapelle der Filles de la Madeleine de Traisnel (1664)586 ; sie förderte das Dominikanerkloster nahe der Pfarrkirche Saint-Roch587 ; sie unterstützte unter anderem die Feuillantinnen588 , die Karmelitinnen589 , die Hospitalières de la charité des femmes (Augustinerinnen)590 , die Ursulinerinnen591 , die Ordensbrüder der Compagnie de Jésus (Jesuiten), die Compagnie du Saint-Sacrement (Abendmahlvereinigung)592 und eine Niederlassung irischer Geistlicher in Bordeaux593 ; sie folgte der Tradition fast aller französischen Könige und Königinnen, indem sie der königlichen Abteikirche Sainte-Geneviève du Mont reiche Geschenke machte594 . Außerdem stiftete sie der Kirche Saint-Eustache nahe dem Palais-Royal einen wertvollen, mit

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Jean B, Description de l’église cathédrale Notre-Dame d’Amiens, hg. v. Edmond S, Amiens 1900, S. 168. Auf dem Gemälde von Quentin Varin, das nicht mehr erhalten ist, war die Kreuzabnahme zu sehen, unmittelbar daneben fanden sich Darstellungen Ludwigs XIII., der Königin und des Thronfolgers. Journal des sçavans, Januar 1756, S. 26f. Die Grundsteinlegung der Kirche erfolgte erst 1655. Siehe Jean-François B, Architecture françoise, 4 Bde., Paris 1752–1756, Bd. 2, S. 37. Die Grundsteinlegung von Kirchen und Klöstern gehörte auch vor 1643 zu ihrem religiösen Engagement, z. B. beim Kapuzinerkloster in Lyon 1624 oder bei der Kirche des Ordens der heiligen Elisabeth in Paris 1628. Siehe BNF, Mss., Fonds français 5176, Brief v. Anna von Österreich an Kardinal Denis-Simon de Marquemont, Erzbischof von Lyon (18.12.1624), fol. 243r; B, Nouvelle Description, Bd. 2, S. 76. Georges-Louis L R, Curiosités de Paris, de Versailles, Marly, Vincennes, SaintCloud, et des environs, 2 Bde., Paris 1778, Bd. 2, S. 98f. Ibid., Bd. 1, S. 340f. Die Königin stiftete 9000 l.t. für den Bau. Ibid., S. 193. B, Nouvelle Description, Bd. 3, S. 88. Ibid., S. 425. L R, Curiosités de Paris, Bd. 1, S. 329. Sie unterstützte sie bereits seit 1629. Hyacinthe D, Histoire de la ville d’Amiens depuis les Gaulois jusqu’en 1830, 2 Bde., Amiens 1832, Bd. 2, S. 9. Bei einem Besuch in Amiens hatte sie deren Konvent dort 1000 Écus, also ca. 3000 l.t., gespendet, sodass die Nonnen ihre Kirche weiter ausschmücken konnten. Die Ordensbrüder beider Vereinigungen konnten stets mit der Hilfe der Königin rechnen, weshalb sie als Dank am 16. Februar 1666 einen Gedenkgottesdienst in der Kirche Saint-Sauveur in Paris ausrichten ließen. Siehe F, La Reyne tres-chrestienne: Epistre, s.p.: »[T]outes les années elle n’a pas manqué de donner les plus grands tesmoignages de sa piété & libéralité envers le saint Nom de Iesus«. Antoine Louis B, Histoire des séminaires de Bordeaux et de Bazas, 3 Bde., Bordeaux 1894, Bd. 1, S. 346–352; BNF, Mss., Clairambault 579, Brief v. Anna von Österreich an Godefroi d’Estrades (23.05.1654), fol. 373r. L R, Curiosités de Paris, Bd. 1, S. 413f. Bereits Maria von Medici hatte eine Krone aus Diamanten über dem Reliquienschrein anbringen lassen, Anna von Österreich ließ nun noch einen kostbaren Strauß aus Diamanten anfertigen.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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Perlen und Edelsteinen besetzten Baldachin595 ; der Kirche Saint-Germain l’Auxerrois beim Louvre übergab sie wiederum edles gold- und silberdurchwirktes Tuch, um daraus Altartücher, Vorhänge, Chorhemden und Tuniken anfertigen zu lassen596 ; der von Maria von Medici errichteten Kapelle für den heiligen Hyazinth von Polen schenkte sie Reliquien des Heiligen und eine silberne Schatulle zur Aufbewahrung597 ; und der Kathedrale in Bordeaux finanzierte sie einen Reliquienschrein für den heiligen Martial von Limoges598 . Das sind nur einige Beispiele, die den groß angelegten Einsatz und die Unterstützung der Königin für Kirchen und Klöster in und um Paris sowie im übrigen Land belegen. Sehr aufschlussreich ist daher das noch erhaltene Rechnungsbuch für das Jahr 1653: Die Königin ließ insgesamt 11 736 l.t. an Almosen an verschiedene Klöster verteilen, wobei die Zahlungen von 50 bis zu 3000 l.t. reichten599 . Sie ging dabei äußerst geschickt vor, indem sie oft recht geringe Beträge zahlte, diese aber an zahlreiche (männliche und weibliche) Orden verteilte – etwa in Alençon, Argonne, Arras, Caen, Compiègne, Doullens, La Fère, Metz, Orléans, Paris, Rennes und Soissons600 . Infolgedessen mehrte sie landesweit ihr Renommee. Abgesehen davon spielten auch Kirchenfeste eine wichtige Rolle, wie der Festtag des heiligen Ludwig601 . Besondere Aufmerksamkeit widmete sie jedoch naturgemäß dem Fest der heiligen Anna. Nachdem es 1568 abgeschafft worden war, hatte Papst Gregor XIII. es 1584 wieder eingeführt; in Rom, wo dieser Festtag seit 1642 obligatorisch war, war er alsbald ebenso populär wie in Frankreich602 . So lange die Königin lebte, blieben dieser und andere Festtage unangetastet; es ist sicher kein Zufall, dass Colbert und der Pariser Erzbischof erst 1666 eine Reduzierung dieser Feste durchsetzten: Ersterer, weil er die Wirtschaftsleistung gefährdet sah, und Letzterer, weil er den Missbrauch der Festtage verhindern wollte, an denen die Leute sich lieber dem Spiel oder dem Alkoholgenuss hingaben als dem Gebet603 . 595 596 597 598

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B, Nouvelle Description, Bd. 1, S. 444. Ibid., S. 184f. Ibid., S. 263f. Charles M, Description de l’église Saint-André de Bordeaux, Bordeaux 1861, S. 118. Dafür stiftete sie 600 l.t. Der Schrein wurde jedoch erst nach ihrem Tod fertig gestellt. Vgl. BNF, Mss., Thoisy 1, Brief des Domkapitels der Kathedrale von Bordeaux an Anna von Österreich (s.d. [um 1659/1660]), fol. 160r–161r. BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 1r–104v, hier fol. 38r–89r (passim). Ibid. Gazette de France, 27. August 1644, S. 703f. Siehe auch D B, Mémoires, S. 214, Eintrag v. 08.06.1651. J. Maarten U, The Suppression of »Fêtes« in France, 1666, in: The Catholic Historical Review 62/2 (1976), S. 181–199, hier S. 186. Siehe dazu S, Histoire: Lettre touchant la suppression des fêtes (15.11.1666), Bd. 2, S. 624–627, hier S. 627. U, The Suppression of »Fêtes«, S. 186.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Zwar hatte Anna von Österreich bereits vor der Regentschaft zum Teil in kirchlichen Belangen interveniert604 , aber erst ab 1643 konnte sie nun auch direkt auf die Besetzung von Kirchenämtern Einfluss nehmen605 . Jedoch vermied sie es dabei, den Eindruck zu erwecken, willkürlich Entscheidungen zu treffen. Stattdessen bewies sie Geschick, indem sie einen Rat, den so genannten Conseil de conscience, ins Leben rief, um sich zumindest formal mit Vertretern des Klerus über Ämter, mögliche Kandidaten, aber auch über das zur Verbreitung des katholischen Glaubens nötige Vorgehen zu beraten606 . Der Rat diente also primär der Koordinierung ihrer kirchlichen Patronage, obwohl politische Überlegungen immer eine Rolle spielten, vor allem, wenn Mitglieder einflussreicher Familien ein Kirchenamt anstrebten607 . Nach außen war der Rat in jedem Fall popularitätsfördernd, weil es den Anschein hatte, dass gerade bei geistlichen Ämtern die persönliche Qualifikation der Bewerber Vorrang hatte608 . Darüber hinaus ermöglichte es ihr die Regentschaft ebenfalls, finanzielle Ressourcen in größerem Umfang für geistliche Einrichtungen bereitzustellen. Zum einen betraf das die Kirchen. Für die Kapelle in Saint-Denis, die Grablege der französischen Könige, gab Anna von Österreich bei den Künstlern Gabriel Le Duc und Michel Anguier einen monumentalen Hochaltar in Auftrag, auf dem der heilige Dionysius dargestellt ist, der sich von seinen Ketten befreit, um die Kommunion aus den Händen Christi zu empfangen609 . Im Jahr 1662 stiftete sie 800 l.t., um dort täglich eine stille Messe zu begründen als Dank für die Genesung Ludwigs XIV. nach seiner schweren Erkrankung 1658. Jean-Marie Le Gall will darin die Geste einer Mutter und weniger die einer Königin sehen610 . Eine solche Trennung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit ließ sich aber, wie bereits angemerkt, nicht wirklich vornehmen,

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Sie setzte sich z. B. 1623 beim Pariser Gerichtspräsidenten für die Registrierung der Gründungsurkunde der Filles de l’Annonciation ein. Siehe M, Mémoires, Bd. 1, S. 287, Brief v. Anna von Österreich an Molé (05.01.1623). Vgl. dazu BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 9576, Brief v. Anna von Österreich an Kanzler Pierre Séguier (20.03.1649), fol. 298r. Vgl. L, (Art.) »5. Anne d’Autriche«, Sp. 1317f. Unter Ludwig XIV. verlor der Conseil de conscience ab 1661 jedoch zunehmend an Bedeutung, weil sich der König als alleiniger Entscheidungsträger in Szene setzen wollte. Siehe Joseph A. B, »Pour avoir un évêque à son souhait«. Le recrutement de l’épiscopat au temps d’Henri IV et de Louis XIII, in: Revue de l’histoire de l’Église de France 81 (1995), S. 413–431; Olivier P, (Art.) »Bénéfices ecclésiastiques«, in: B (Hg.), Dictionnaire de l’Ancien Régime, S. 151–155, hier S. 154. B, Anne d’Autriche et les dévots, S. 199–202. Gazette de France, 6. Juni 1643, S. 471f. Siehe C, Des carnets, Januar 1855, S. 20. D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 446, 461f.; L G, Le mythe de saint Denis, S. 68. Vgl. auch BNF, Mss., Clairambault 1093, Flugblatt zum Tod von Anna von Österreich, fol. 157r: »Ses statuës à jamais durables, sont les Autels & les lieux saints qu’elle a éleve ou soustenus par ses bienfaits«. L G, Le mythe de saint Denis, S. 509.

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zumal eine Handlung wie diese nie völlig selbstlos, sondern stets Bestandteil der Selbstinszenierung war. Zum anderen unterstützte die Königin bestehende Klostergemeinschaften, um ihnen durch finanzielle Unabhängigkeit und eine sichere Versorgung wieder mehr Raum zu geben, sich verstärkt auf die ursprünglichen Regeln und Lebensweisen ihres jeweiligen Ordens zu besinnen611 . Als ein Ausgangspunkt diente ihr vor allem die Geburt des Thronfolgers, in der sie ohne Zweifel eine göttliche Fügung sah612 . Wie bereits angesprochen wurde, blieb der natürliche Körper der Königin primär auf die Funktion reduziert, einen Erben zu gebären. Hier setzte nun eine Verquickung dieser dynastischen Funktion mit den Wohltaten auf religiöser Ebene ein613 . Gerade die Kinderlosigkeit war ein Prüfstein ihrer Glaubensstärke gewesen, die ihren Ausdruck in Gebeten und guten Taten für die Kirche finden sollte. Als ihr etwa ein Priester der Augustiner-Barfüßer sagte, sie würde einen Sohn gebären, versprach sie, diesen Zweig des Augustiner-Ordens zu unterstützen, sollte sich diese Prophezeiung erfüllen; im Jahr 1656 erklärte sie sich schließlich zur Patronin des Ordens614 . Doch im Zusammenhang mit der Geburt615 des ersehnten Thronfolgers galt ihre bedeutendste Förderung dem schon erwähnten Benediktinerinnenkloster Val-de-Grâce616 . Laut Magnien nahm sie dafür auch Einschnitte bei ihren persönlichen Ausgaben hin617 . Außerdem bot ein Sakralbau eine weitaus geeignetere Möglichkeit, ihren Status als fromme Fürstin zu unterstreichen618 . Gleichwohl hatte die Königin bereits lange vor der Regentschaft den Plan gefasst, Val-de-Grâce zu einem einmaligen Manifest ihres Glaubens (und ihres Renommees) umzugestalten, obwohl sie erst ab 1643 die nötigen Mittel

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L B, Oraison, S. 13f. BNF, Mss., Baluze 168, Brief v. Anna von Österreich an Claude de Mesmes, Comte d’Avaux (12.11.1638), fol. 278r: »Je veux croire que dieu a donné cet enfant a la chrestienté pour en appaiser les troubles et y apporter la benediction de la Paix de laquelle J[’]aurois encore cette part.[iculi]ere satisfaction«. Vgl. Nicolas H, Les mémoires et recherches de la dévotion, piété et charité des illustres roynes de France, Paris 1586, passim. L R, Curiosités de Paris, Bd. 1, S. 207–209. Den Bau der Kirche führte Ludwig XIV. später aus. Angeblich war ihr bereits fünf Jahre vor der Geburt Ludwigs XIV. prophezeit worden, dass sie zwei Söhne gebären würde. Siehe BNF, Mss., Fonds français 10436, Anecdotes tirées d’un manuscrit de M[onsieu]r le président Bouhier (s.d.), S. 1–449, hier S. 172, Nr. 177. Hier wohnte die Königin v.a. an hohen Festtagen dem Gottesdienst bei und blieb oft mehrere Tage im Kloster. Vgl. z. B. BNF, Mss., Fonds français 20546, Brief v. Mme de Senecey an Roger de Saint-Lary, Duc de Bellegarde (24.12.1627), fol. 77r; Gazette de France, 2. April 1661, S. 307; 29. März 1664, S. 304. M, La bien-venve, S. 56. Siehe dazu Alexandre G, Anne d’Autriche et Paris, in: G (Hg.), Anne d’Autriche, S. 295–321, hier S. 295, 305–308, 313–317. Vgl. L B, Oraison, S. 16; , The Ideal Queen Patron, S. 110.

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2. Herrschaft und Repräsentation

hatte, um ein dezidiertes architektonisches und künstlerisches Patronageprogramm umzusetzen619 . Das Kloster sollte ein Ort der Erinnerung sein, an dem der Kult um ihre Person die Zeit überdauern würde620 . Dass ihr die Selbstinszenierung stets wichtiger war als die religiöse Kontemplation, zeigte sich etwa, als sie die Einwände der Äbtissin Marguerite de Véni d’Arbouze ignorierte, die sich für mehr Schlichtheit aussprach, weil es sich um ein Kloster und eben nicht um einen Palast handelte621 . Wie die Königin sah etwa auch der Geistliche Fleury keinen Widerspruch darin, die eigene Frömmigkeit durch Prachtentfaltung zur Schau zu stellen622 . Das entsprach der Einstellung vieler adliger Förderinnen von Klöstern: Aufgrund ihrer Spenden glaubten sie, bestimmte Vorrechte beanspruchen zu können, wie zum Beispiel die Einrichtung komfortabler und luxuriöser Gemächer623 . Ihr Porträt, das die Königin den Nonnen schenkte, ist daher als Ausdruck dieser Patronage zu verstehen624 . Val-de-Grâce wurde somit gleichermaßen zum Inbegriff ihrer Frömmigkeit als Königin und zum Symbol ihrer Macht als Regentin, denn die Innenausstattung, vor allem aber die Kapelle der heiligen Anna und die Kuppel, machten unmissverständlich klar, wer tatsächlich verherrlicht wurde625 . Zudem war der Bezug zur Jungfrau Maria als himmlischer Königin unverfänglicher und weniger kontrovers als eine bewusste Verbindung zu einer irdischen Herrscherin, erlaubte aber dennoch eine Parallelisierung zu Anna von Österreich und ihrer Dankbarkeit für die Geburt Ludwigs XIV.

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L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 31. Januar 1666, Sp. 661, V. 45–47. Vgl. AN, Mss., L 1036, Nr. 28, Povr la Reyne Mere, Svr le Val de Grace. Sonnet (s.d.), s.p. Vgl. T, Pariser Witwensitze, S. 205. M, Œuvres complètes, Tours 2002: La Gloire du Val-de-Grâce (1669), S. 665, V. 7– 10: »Fais briller à jamais, dans ta noble richesse, / La splendeur du saint vœu d’une grande princesse, / Et porte un témoignage à la postérité / De sa magnificence et de sa piété«. Bis zur Französischen Revolution blieben z. B. ihre Gemächer im ursprünglichen Zustand erhalten. Siehe S, Le Val-de-Grâce, S. 41f. F, La vie de la vénérable mère Marguerite, S. 271f. Nur für die Außenfassaden der Gemächer der Königin hielt die Äbtissin zusätzliche Ornamente für gerechtfertigt. Siehe M, Le Val-de-Grâce, S. 93. F, La vie de la vénérable mère Marguerite, S. 1. Barbara B. D, Contradictions of the Century of Saints: Aristocratic Patronage and the Convents of Counter-Reformation in Paris, in: French Historical Studies 24/3 (2001), S. 469–499, hier S. 479, 484. BNF, Mss., Fonds français 10414, Peintures. Appartement de La Royne (s.d.), fol. 205r– 235r, hier fol. 220r–220v. Der Auftrag für das Bild, das einen Wert von 450 l.t. hatte, wurde am 15. April 1656 erteilt. Jennifer G. G, The Val-de-Grâce as a Portrait of Anne of Austria: Queen, Queen Regent, Queen Mother, in: Helen H (Hg.), Architecture and the Politics of Gender in Early Modern Europe, Aldershot, Burlington 2003, S. 47–61, hier S. 47–54, 56. Siehe auch R, The Artistic Patronage of Anne of Austria, die den Fokus auf Val-de-Grâce als zentralen Bestandteil der Selbstinszenierung der Königin legt.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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Welche zentrale Rolle gerade der Bezug zur Jungfrau Maria für Anna von Österreich spielte, verdeutlicht auch ihr Entschluss, für die berühmte Pilgerkirche Santa Casa di Loretto626 in Italien 1639 eine Figurengruppe bei dem Bildhauer Jacques Sarazin in Auftrag zu geben: Diese bestand aus einer großen Skulptur der Jungfrau Maria sowie, dieser zugewandt, eines silbernen Engels, der eine goldene Figur, ein Sinnbild des Dauphins, trug; die Inschrift verwies auf die Auftraggeberin: »De vous je l’ai eu, à vous je le rends«627 . Wie bei Valde-Grâce kam die Königin also auch hier einem Versprechen nach, das, nachdem sie sich 1638 zum wiederholten Male mit der Bitte um die Geburt eines Thronfolgers an die in Loretto verehrte Jungfrau gewandt hatte, endlich in Erfüllung gegangen war628 . Ebenso wichtig war aber auch die Patronage von Ordensgemeinschaften629 . Allein zwischen 1643 und 1666 investierte die Königin ungefähr 3 Mio. l.t. für die Benediktinerinnen von Val-de-Grâce und finanzierte eine Stiftung für zwölf junge Mädchen, die dem Kloster später als Nonnen beitreten sollten630 . Sie richtete ihre Aufmerksamkeit aber auch auf andere Orden. So hatte Mazarin 1644 Mönche des Theatinerordens aus Rom kommen lassen und ihnen in Paris ein Gebäude zur Verfügung gestellt, das alsbald in »Sainte-Anne-laRoyale« umbenannt wurde und damit fortan dem Schutz der Königin unterstellt war631 . Abgesehen davon hatte die Königin noch einen eigenen Orden ins Leben gerufen, der ganz auf sie als Patronin ausgerichtet war: Im Jahr 1645 begründete sie den fünfzig Mädchen umfassenden dominikanischen Orden des Collier céleste du Saint-Rosaire632 . Die Mädchen waren angehalten, dem moralisch626

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Lorettos Ruf als Pilgerstätte basiert darauf, dass die Mauern der Kirche angeblich von dem Haus stammen sollen, in dem die Jungfrau Maria in Nazareth die Verkündung ihrer Niederkunft erfahren hatte. Ludwig XIII. und Anna von Österreich waren schon in den 1620er und 1630er Jahren immer wieder mit dem Wunsch um einen Thronfolger an die in Loretto verehrte Marienfigur herangetreten. Siehe Yves-Marie B, Lorette aux XVIe et XVIIe siècles. Histoire du plus grand pèlerinage des Temps modernes, Paris 2011, S. 278–301. S   P, Mémoires et lettres de voyage, hg. v. Dirk van der C, Paris 1990, S. 95f. Siehe auch S, Anne d’Autriche, S. 334. D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 118. Beim Einmarsch der napoleonischen Truppen in Italien 1797 wurden die Skulpturen als Kriegskontribution eingezogen und eingeschmolzen. Siehe B, Lorette, S. 301. Vgl. BNF, Mss., Baluze 325, Brief v. Anna von Österreich an Pierre de Marca, Erzbischof von Toulouse (04.03.1659), fol. 134r. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 22153, Extrait de la fondation de la Reine Anne d’Autriche en faueur de douze D.[emoise]lles de qualité (1689), fol. 101r–101v; M, Le Val-de-Grâce, S. 65. B, Histoire des séminaires de Bordeaux, Bd. 1, S. 348, Anm. 2. Der Theatinerorden war im 16. Jahrhundert in Italien begründet worden und erhielt im Laufe des 17. Jahrhunderts in verschiedenen europäischen Städten Niederlassungen, neben Paris u. a. auch in Prag und Wien. Das Eintrittsalter lag bei 10 Jahren; adlige Mädchen wurden bevorzugt. Siehe François

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2. Herrschaft und Repräsentation

christlichen Vorbild der Königin Folge zu leisten633 . Diese fungierte offiziell als chef souveraine et grande intendante des Ordens, ließ sich aber von einer dame intendante vertreten, die für die Gründung und Organisation des Ordens sowie für die Aufsicht über die Mädchen verantwortlich war und auch die rituelle Aufnahmezeremonie vollzog634 . Der Königin wurde ja aufgrund ihrer Gebete ein Beitrag zu den militärischen Erfolgen der Armee zugestanden635 . Genau darin lag auch eine wesentliche Zielsetzung des Ordens. Indem die Ordensschwestern nämlich der Königin nacheiferten, sollten sie »mit den Waffen des Gebets die Feinde der Kirche und Frankreichs bekämpfen«636 . Die Wahl der Rosenkranzsymbolik war daher mit Bedacht gewählt: Les rozes de ce riche Collier sont entrelacées des chiffres ou lettres capitales de l’Ave, & du nom tres-illustre de nostre grande Reyne Anne, pour marquer de la douce correspondance & intelligence de ces deux puissantes Reynes, qui s’vnissans par ensemble; [. . . ] Anne, la Reyne du Ciel & celle de la terre, par vn amour si ardent que des flam[m]es & les boüillons de feu en sortent de tous les costez, pour rejallir sur tous les Chrestiens, & particulierement dans les cœurs des cinquantes filles deuotes637 .

Ihr religiöser Eifer veranlasste die Königin, sich als Verteidigerin des Glaubens zu gerieren, gewissermaßen als »heilige Pallas«638 , die sich für das spirituelle Wohl und Seelenheil ihrer Untertanen einsetzte639 . Bereits zu Beginn ihrer Regentschaft war sie dazu aufgerufen worden – nicht ohne auf den Ruhm hinzuweisen, den sie sich dadurch erwarb640 . So bekämpfte sie mit Mazarin die Jansenisten641 . Die Königin sah in ihnen eine religiöse und politische Gefahr, da sie verdächtigt wurden, die Gegner der Fronde unterstützt zu haben642 . Sie hatte schon 1643 versucht, gegenzusteuern, und protegierte verstärkt die Je-

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A, Institution de l’ordre dv Collier celeste dv sacre Rozaire par la Reyne régente mère du Roy, avec l’instruction pour les cinquante filles dévotes et pour toutes les âmes vertueuses, Lyon 1647, S. 252f. Ibid., S. 285. Ibid., S. 268f. Zum Ablauf der Aufnahmezeremonie siehe ibid., S. 277–279. S, Oraison, S. 15. A, Institution de l’ordre dv Collier celeste, S. 211. Ibid., S. 220f. [Hervorh. im Orig.]. B, Discours fvnebre, S. 15. [A], Le panegyrique royal, S. 4–7. Siehe O, Oraison, S. 54f. Y  P, Tres-hvmble remonstrance faite à la Reyne, s.l. 1644, S. 20: »[Q]u’il ne soit pas dit dans les Pays estrangers, & dans les siecles à venir, que la Religion Chrestienne ait souffert quelques deschet sous le Gouuernement d’vne Reyne la plus obligee de toutes à la Prouidence, & tres Catholique«. BNF, Mss., Fonds français 24982, Brief v. der Princesse de Conti an den Prince de Conti (09.07.1657), fol. 101v; S, Lettres, Bd. 6, S. 449, Brief v. Mme de Sévigné an Mme de Grignan (12.06.1680). Siehe auch C, Des carnets, Januar 1855, S. 22; M, Mémoires, Bd. 1, S. 438. Antoine A, Histoire de la littérature française au XVIIe siecle, 5 Bde., Paris 1962– 1968, Bd. 2, S. 209f.; R, Mémoires, Bd. 2, S. 517.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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suiten643 . Zum Dank widmeten sie ihr die »Apologie povr les Religieux de la Compagnie de Iesvs« (1644)644 . Unterstützt wurde sie dabei von Vincent de Paul645 , einem ihrer wichtigsten Vertrauten und Ratgeber in geistlichen Belangen, allen voran bei der Vergabe von Pfründen und Ämtern, weshalb sie ihn zum Mitglied des Conseil de conscience ernannte646 . Vincent de Paul setzte sich beim Papst auch für ein Verbot der jansenistischen Thesen ein647 . Die Sorge vor deren Einfluss war nicht unbegründet. Nach dem Scheitern der Fronde erkoren viele Gegner der Krone den Jansenismus zu einem Ersatz für den offenen politischen Widerstand, der nun auf einer religiös-moralischen Ebene ausgetragen wurde648 . Die Gefahr dieser Strömung hat Richard Golden zu Recht darauf zurückgeführt, dass nicht nur Port-Royal als ein zentraler Treffpunkt galt, sondern zahlreiche Pfarrer überall im Land und in Paris diesem neuen Geist durchaus aufgeschlossen gegenüberstanden649 . Die Krone befürchtete 643 644 645

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Robert B, The Jesuits and the Thirty Years War. Kings, Courts, and Confessors, Cambridge 2003, S. 198. Nicolas C, Apologie povr les Religieux de la Compagnie de Iesvs. À la Reyne Regente, Paris 1644: Epistre, s.p. Pierre C, La vie de St. Vincent de Paul, Instituteur de la Congrégation de la Mission, & des Filles de la Charité, 2 Bde., Nancy 1748, Bd. 1, S. 31, 467. Die Königin bat den Papst, Vincent de Paul auch zum Vorsteher der 1617 gegründeten Dames de la charité und der 1633 ins Leben gerufenen Filles de la charité zu ernennen, die sich der Armen- und Krankenpflege widmeten. Siehe S V  P, Correspondance, entretiens, documents, hg. v. Pierre C, 15 Bde., Paris 1920–1970: Supplique de la reine Anne d’Autriche au pape (1647), Bd. 13, S. 566f. P, Les hommes illustres, Bd. 2, S. 23: »[L]a Reine Mere ayant connu son merite & sa pieté, le mit dans son Conseil de conscience, où il a demeuré dix ans, toûjours avec le même humilité, & sans se servir de son credit, qu’à faire obtenir des graces à ceux qu’il en jugeoit dignes, n’ayant jamais rien demandé ni pour ses paren[t]s, ni même pour sa Congregation, qu’il a laissée pauvre & endettée«; P, Oraison, S. 42: »[La reine] n’a point donné d’Euesché que de l’aduis de [lui]«. Siehe Raymond D, L’action charitable d’une reine de France: Anne d’Autriche, in: Dix-septième siècle 90–91 (1971), S. 111–125, hier S. 119; L, (Art.) »5. Anne d’Autriche«, Sp. 1317f. Mindestens einmal im Jahr trafen sich beide. Vgl. M, Mémoires, Bd. 1, S. 215–217; S V  P, Correspondance, Bd. 6, S. 130, Brief v. Vincent de Paul an den Marquis de Fabert (15.11.1656). Charles-Augustin S-B, Port-Royal, 6 Bde., Paris 4 1878, Bd. 3, S. 12. Siehe auch ibid., S. 160–166. Nachdem Papst Urban VIII. bereits 1642 mit der Bulle »In eminenti« Jansenius’ Thesen verurteilt hatte, erneuerte Innozenz X. die Vorwürfe und die Kritik 1653 in der Bulle »Cum occasione«. Tatsächlich lehnten die Jansenisten die päpstliche Autorität strikt ab und erklärten, dass kein Sünder Einfluss auf sein Seelenheil nehmen könnte – etwa durch gute Taten –, sondern einzig und allein von der Gnade Gottes abhänge. Vgl. dazu R, Mémoires, Bd. 1, S. 37; Bd. 3, S. 324. Richard M. G, The Mentality of Opposition: The Jansenism of the Parisian »Curés« during the Religious »Fronde«, in: The Catholic Historical Review 64/4 (1978), S. 565–580, hier S. 567; Ernest L, Histoire de France. Depuis les origines jusqu’à la Révolution, Bde. 7.1–2, Paris 1911, Bd. 7.1, S. 108. Die Beteuerungen der dortigen Äbtissin, Angélique Arnaud, konnten das Misstrauen

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2. Herrschaft und Repräsentation

neuerliche Unruhen in Paris und einen destabilisierenden Einfluss des Jansenismus auf Kirche und Glauben650 . Deshalb plädierte etwa ein Domherr von Notre-Dame in Paris dafür, künftig detailliertere Erkundigungen über all jene einzuholen, die sich um geistliche Pfründe bemühten651 . Ein weiteres Augenmerk der Königin galt gegenreformatorischen Bestrebungen652 . Das betraf etwa die individuelle Förderung von Personen, die zum katholischen Glauben konvertierten, wie im Fall einer gewissen Mme de Flavacourt, die jährlich 1500 l.t. für ihren Lebensunterhalt erhielt, womit ausdrücklich ihr Religionswechsel gewürdigt werden sollte653 . Eines der bekanntesten Beispiele ist jedoch Henriette de Coligny, Comtesse de La Suze, aus einer der bedeutendsten protestantischen Familien des Landes. Als ihre Mutter 1651 starb, hoffte sie, sich durch eine Konversion654 leichter von ihrem Mann trennen zu können und dem Exil, in das er wegen seiner Beteiligung an der Fronde geschickt worden war, zu entgehen655 . Und sie hatte Erfolg: Die Königin nahm nicht nur an ihrem Glaubensübertritt 1653 teil, sondern gab ihr sogar einen Posten als Hofdame in ihrem Haushalt656 . Grundsätzlich folgten die Königin und Mazarin dennoch den Leitlinien der vorigen Regierung, indem sie das Edikt von Nantes (1598) wiederholt bestätigten, was mit dazu beigetragen hat, dass sich gerade die Protestanten während der Fronde relativ ruhig verhielten657 . Und noch im Juli 1656 folgte eine offizielle Erklärung, wonach fortan zwei Kommissare darüber wachen sollten, dass sich Krone und Protestanten gleichermaßen an die Zugeständnisse des Ediktes hielten658 . Die Autorität der Krone sollte primär durch gewaltlosen Druck auf die Protestanten ausgeweitet werden, um langfristig das Ende

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der Königin nicht völlig zerstreuen. Vgl. BMAZ, Mss., Ms. 4551, Nr. II/17, Brief v. Angélique Arnaud an Anna von Österreich (s.d. [um 1660/1661]), S. 1–4, hier S. 2; R, Mémoires, Bd. 2, S. 480; Bd. 3, S. 97. G, The Mentality of Opposition, S. 569f. Siehe auch M, Les précieuses, S. 504–507. BNF, Mss., Thoisy 1, Brief v. Duc de Ventadour an Anna von Österreich (26.11.1659), fol. 162r–162v, hier fol. 162v. Vgl. G, Les femmes dans la société française, S. 105–113. BNF, Mss., Fonds français 10412, Despence de la Royne (1645), fol. 157r–163r, hier fol. 158v–159r; BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 34r. Schon ihr Vater, Gaspard III. de Coligny, hatte im Mai 1643 dem Protestantismus abgeschworen und in Anerkennung seiner Leistungen den Herzogstitel erhalten. Siehe C, Des carnets, November 1854, S. 697. Mariette C-L, Henriette de Coligny, comtesse de La Suze (1618–1673), in: Bulletin de la Société Belfortaine d’émulation 94 (2003), S. 77–89, hier S. 82, 85. Vgl. auch Émile M, Madame de la Suze et la Société précieuse, Paris 1908. G, État de la maison, S. 91, Nr. 3430; Muze historique, 26. Juli 1653, Livre IV, Lettre XXVII, V. 9–44, bes. V. 31–38. Siehe auch M, Les précieuses, S. 163. K, Anne d’Autriche, S. 431f. I (Hg.), Recueil général des anciennes lois, Bd. 17, S. 335, Nr. 287.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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dieser »vermeintlichen Religion« herbeizuführen659 . Dafür eigneten sich in erster Linie Missionierungsprojekte wie in Metz, die darauf ausgelegt waren, die protestantischen Bürger einer Stadt durch den gezielten Einsatz von Flugschriften sowie durch Gespräche und die Einrichtung von Priesterseminaren zur Konversion zu bewegen660 . Um das Projekt in Metz dauerhaft zu fördern, erwarb die Königin mehrere Gebäude und stiftete zusätzliche Gelder, woraufhin das dort entstehende Seminar den Namen Sainte-Anne erhielt661 . Wie so oft war Vincent de Paul auch in dieses Vorhaben eingebunden662 . Er schien dafür prädestiniert zu sein, hatte er doch allein in Frankreich fast 30 Missionshäuser gegründet; hinzu kamen Niederlassungen in Savoyen, Genua, Rom, Polen, Nordafrika und Madagaskar663 . Während die Königin darauf achtete, das Fortkommen und den Einfluss von Geistlichen zu beschränken, die sich von den Dogmen der katholischen Kirche entfernten664 , hatte Vincent de Pauls Missionsbewegung eine nicht unerhebliche Rückwirkung auf sie, indem sie sich bei der Verbreitung des Katholizismus nicht nur auf Frankreich beschränkte, sondern auch Missionen im Ausland förderte665 . Dazu gehörte etwa der Freikauf von Christen aus den Händen der Türken666 . Sie setzte sich überdies für die Missionstätigkeit der Kapuziner in Sidon (im heutigen Libanon) ein, wofür sie von Kardinal Orsini Unterstützung erbat667 . Für die französische Kolonie in Kanada stiftete sie 100 000 Écus, 659 660

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C, Des carnets, November 1854, S. 708–710. P, Oraison, S. 41f. Vgl. S V  P, Correspondance, Bd. 6, S. 630, Anm. 3. Zu den Bemühungen in Metz siehe z. B. Estelle W, Objet de convoitise en raison de la pluralité confessionnelle: le cas des nouvelles converties à Metz au XVIIe siècle, in: Annales de l’Est 51/1 (2007), S. 327–342, hier S. 327–331: Zwischen 1657 und 1680 konvertierten 349 Personen zum katholischen Glauben, wobei junge Mädchen und Frauen im Alter zwischen 10 und 19 Jahren mit 79,1 Prozent den größten Anteil ausmachten (ibid., S. 331). Daneben richtete sich die Missionierung aber auch auf die jüdischen Bewohner der Stadt (ibid., S. 329f.). S V  P, Correspondance, Bd. 8, S. 11f., Brief v. Vincent de Paul an Thomas Berthe (09.07.1659), sowie ibid., S. 11, Anm. 1. Siehe auch BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 16313, Brief v. Vincent de Paul an Anna von Österreich (14.05.1660), fol. 98r. Siehe S V  P, Correspondance, Bd. 7, S. 92, Brief v. Vincent de Paul an Charles Ozenne (01.03.1658). Die Koordinierung und Organisation der Missionierung oblag wiederum dem auch von Anna von Österreich hochgeschätzten Bossuet. Siehe BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 16313, Brief v. Bossuet an Vincent de Paul (12.01.1658), fol. 99r–99v. Vgl. D, L’action charitable, S. 120f. C, La vie de St. Vincent de Paul, Bd. 2, S. 325–510; Gazette de France, 2. Oktober 1660, S. 931; P, Les hommes illustres, Bd. 2, S. 22f. Siehe etwa BNF, Mss., Baluze 325, Brief v. Anna von Österreich an Pierre de Marca, Erzbischof von Toulouse (16.08.1656), fol. 130r; S V  P, Correspondance, Bd. 4, S. 471f., Brief v. Vincent de Paul an Anna von Österreich (05.09.1652). P, Oraison, S. 30. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 45. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 22140, Brief v. Anna von Österreich an Kardinal Virginio Orsini (27.12.1647), fol. 203r.

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2. Herrschaft und Repräsentation

also ungefähr 300 000 l.t.668 , worin ihr viele adlige Frauen nacheiferten669 . Außerdem nutzte sie die Gelegenheit, als 1639 einige Schiffe mit Missionarinnen gen Kanada aufbrachen, einer von ihnen den Auftrag zu erteilen, die dort zu gründende Kapelle der heiligen Anna zu widmen670 . Noch kurz vor ihrem Tod investierte sie hohe Summen in die 1664 gegründete Compagnie des Indes orientales, um die neu entstehenden überseeischen Handelsbeziehungen für die Verbreitung des Glaubens zu nutzen; diesem Vorbild folgten weitere Mitglieder der königlichen Familie sowie Vertreter des Adels und des Bürgertums671 . Anna von Österreich stand damit sinnbildlich für eine »fromme Idealpolitik«672 , die durch große Gläubigkeit, Großzügigkeit gegenüber Klöstern, Seminaren und Missionen, die Gegnerschaft zu Protestanten und Jansenisten sowie den Einsatz für den Frieden im In- und Ausland gekennzeichnet war673 . Davon lieferte Jean Leduc ein besonders anschauliches Bild in seiner nach dem Tod der Königin Ludwig XIV. und Maria Theresia gewidmeten Schrift, in der er einen Vergleich zwischen Anna von Österreich und der heiligen Äbtissin Aldegundis aus dem merowingischen Königshaus vornahm, die berühmt für ihre inbrünstige Fürsorge gegenüber Armen und Kranken war674 . Dabei wies er auf das Verhältnis der Königin zur Kirche hin und verknüpfte dies mit dem Witwenstand, der für eine Frau besonders geeignet sei, sich intensiver mit religiösen Belangen zu beschäftigen, und pries dann ihre Fürsorge für die Untertanen, die einen weiteren Aspekt der öffentlichen Propaganda darstellte675 .

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Alfred de B-A, La duchesse d’Aiguillon, nièce du cardinal de Richelieu. Sa vie et ses œuvres charitables 1604–1675, Paris 1879, S. 334. Siehe auch Auguste G, La Mission du Canada avant Mgr de Laval (1615–1659), Évreux 1909, S. 30. G, Les femmes dans la société française, S. 108. Gazette de France, Extraordinaire, 1. Juni 1639, S. 286f. Anna von Österreich und Maria Theresia investierten jeweils 60 000 l.t. Siehe BNF, Mss., Clairambault 873, Investitions dans la Compagnie des Indes Orientales (s.d. [um 1664/1665]), fol. 202r–202v, 204r; C, Lettres, Bd. 2, S. 428f., Brief v. Colbert an die königlichen Schatzmeister (20.11.1664). L G, Le mythe de saint Denis, S. 509. F, Oraison, passim. Siehe dazu Journal des sçavans, 11. Dezember 1690, S. 495. Vgl. auch L G, Le mythe de saint Denis, S. 506f. Aldegundis gilt in der katholischen Kirche als Nothelferin bei Krankheit und Todesgefahr. Jean L, Les excellentes conformitez de tres-havte, tres-pvissante et tres-pievse princesse Anne d’Avtriche Reine Mere dv Roy avec Sainte Aldegonde, Paris 1666, S. 5f., 9f. Siehe auch B, Correspondance, Bd. 6, S. 431, Brief v. Bossuet an Mme Cornuau (19.10.1694): »[L]es vierges honorent par leur état la pureté de l’Église; les femmes mariées sa fécondité; les veuves sa viduité, qui est l’état où Jésus-Christ l’a laissée en se retirant. [. . . ] N’être que pour son mari, c’est son ornement tout entier«.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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2.3.2 Zum Wohle des Volkes Tatsächlich wurde der Königin, etwa von Mme de Motteville, auch in Bezug auf ihre Nächstenliebe und Wohltätigkeit seit frühester Jugend eine ausgeprägte Inbrunst attestiert676 . So berichtete ihr Beichtvater von den Almosen, die sie unablässig verteilen ließ677 . Neben der Geburt eines Thronfolgers galt dies nämlich als wesentlicher Daseinszweck einer Königin: Les Reynes n’ont esté mises au monde que pour estre les Meres des peuples [. . . ], quel chastiment pour nous d’auoir perdu vne Mere, vne Reyne qui nourrissoit ses peuples par ses bienfaits, les necessiteux par ses aumosnes; qui protegeoit la veufue & l’orfelin; qui assistoit le malade & l’affligé; qui releuoit le miserable & l’oppressé; & qui en vn mot, comme imitatrice de saint Paul, estoit toute à tous678 .

Dies mache aus ihr eine wahrhafte »Mutter der Armen«679 . Und mehr noch: Elle diminuë tous les jours la dépence de sa Maison, pour n’estre pas contrainte d’augmenter les imposts sur son peuple [. . . ]; Et ce qui est plus considerable encore, c’est que de la rente de ses menus plaisirs, elle en fait auiourd’huy celle des Hospitaux; & des Cloistres, employant de céte sorte le reuenu de ses petites necessitez à soulager les grandes de beaucoup de familles estrangeres, dont la noblesse à force de ho[n]te, leur oste le courage & la liberté de mandier680 .

Anna von Österreich hatte das Gebot der Nächstenliebe verinnerlicht und sich, wie Raymond Darricau gezeigt hat, mit aufrichtigem Interesse der Armenfürsorge gewidmet681 . Allerdings geschah dies immer auch aus einem gewissen Selbstzweck heraus, denn jede Wohltat fand ihr Echo in der öffentlichen Wahrnehmung682 . Erneut erwies sich die Bekanntschaft mit Vincent de 676 677

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M, Portrait de la reine, S. 321f. BNF, Mss., Fonds français 17397, Brief v. Philippe Le Roy an Kanzler Pierre Séguier (03.02.1660), fol. 43r–44r. Zur Rolle Le Roys am Hofe siehe auch Oliver M, »Spiritus intus agit«. Die Patronagepolitik der Anna von Österreich. Untersuchungen zur Inszenierungsstrategie, Hofhaltungspraxis und Freundschaftsrhetorik einer Königin (1643–1666), Diss., 2 Bde., Universität Freiburg u. Universität Paris 4 (2012–2013), Bd. 1, S. 587–591. S, Oraison, S. 7. Siehe auch [A], Panegyrique de la Reyne, S. 53; [A], Remonstrance à la Reine, S. 16; L M, De l’art de régner, Teil 1, S. 20–30. [A], Remonstrance à la Reine, S. 16. P   S, Le Portrait de la Reyne, S. 104f., siehe auch S. 32. D, L’action charitable, S. 111–125. Siehe auch B, Discours fvnebre, S. 25; Charles C, Le devoir general de l’homme en tovtes conditions, envers Diev, le Roy, le public, son prochain & soy-mesme, Paris 1617, S. 145: »Dieu nous recommande de les [= die Armen] assister, les secourir, leur subuenir [. . . ]. Ainsi faisons aumosne de nos biens, honorons-le de nostre substance, des fruicts de nostre revenu«. Vgl. Claude D, La vie quotidienne des femmes au Grand-Siècle, Paris 1984, S. 264–294; M, Mémoires, Bd. 2, S. 211f. Bertrand M, Recueil curieux d’un grand nombre d’actions fort édifiantes des Saints et d’autres personnes distinguées qui ont vécu dans ces derniers deux siècles, Lüttich 1696, S. 371. Vgl. auch AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre, S. 19; V, Oraison, S. 79.

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Paul für beide als gewinnbringend. Er suchte die Königin beständig auf, um für Bedürftige Geld zu sammeln; im Gegenzug konnte sie, trotz ihrer (vermeintlichen) Forderung nach Diskretion, sicher sein, dass er die Kunde von ihren Freigiebigkeit publik machen würde683 . Und in der Tat war der Bedarf an Hilfe für die Bevölkerung lebensnotwendig. Cyrano de Bergerac hatte in einem seiner libelli die verschiedenen Missstände aus Sicht der drei Stände formuliert. In den Ausführungen des Klerus wurde besonders auf die Nöte der Untertanen infolge des Krieges und der Kämpfe während der Fronde hingewiesen, auf die der König bzw. die Königin und Mazarin nicht reagieren würden, was Cyrano de Bergerac darauf zurückführte, dass sie nur unzureichend über das Elend der einfachen Bevölkerung informiert seien684 . Nicht minder provokativ war eine anonyme Schrift aus dem Jahr 1648: V[otre] M[ajesté] scait bien que ce sont Les peuples qui font les Roys, et non pas les Roys Les Peuples Et que Dieu les a donnés les vns aux autres pour se maintenir respectiuement par l’obeissance [. . . ], vous tenes la place du Roy comme Sa mere dans vne Regence et nous deues tenir [la] place de Pere pour luy dans vostre administration685 .

Hier zeigt sich der übliche symbolische Vergleich zwischen Staat und Familie: Während der Minderjährigkeit des Königs, dem Kind, tragen seine Eltern die Verantwortung; die Königin als Mutter und Regentin und das Volk in der väterlichen Funktion als Ratgeber686 . Angesichts der überkommenen Geschlechterordnung müsste Anna von Österreich dem Wunsch des Volkes, dem Vater, Rechnung tragen, indem sie den Krieg beendet und der vermeintlichen Misswirtschaft Mazarins, dem indirekt die Rolle des unliebsamen Hausfreundes zuerkannt wird, ein Ende setzt, um die Ruhe und Ordnung im Haus, dem Staat, wiederherzustellen687 . Obwohl die Königin sich von solchen Ratschlägen nicht beeindrucken, geschweige denn einschüchtern ließ, besteht ebenso wenig ein Zweifel daran, dass sie über die Probleme der Bevölkerung natürlich Bescheid wusste, zumal sie vor, aber vor allem während der Fronde viel im Land herumgereist war688 . 683

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C, La vie de St. Vincent de Paul, Bd. 2, S. 171. Siehe auch Louis-Émile B, Histoire de Saint Vincent de Paul. Fondateur de la Congrégation des Prêtres de la mission et des Filles de la Charité, 2 Bde., Paris 1889, Bd. 2, S. 47–49. C  B, Œuvres: Remontrance du clergé, Bd. 2, S. 468. Vgl. ibid.: Remontrance de la noblesse, S. 469–474, bes. S. 470; Remontrance du peuple, S. 474–478. BNF, Mss., Dupuy 689, Discours d’estat et de religion. À la Reyne (Juli 1648), fol. 84r– 92v, hier fol. 90r–90v. Das war bereits im 16. Jahrhundert eine Rechtfertigung vieler Kritiker Elisabeths I., die ihr Ratschläge erteilten. Siehe O, »Gespräche« über Herrschaft, passim. Vgl. auch BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 1207, Divers écrits du Comte de Tillières relatifs à la Reine Anne d’Autriche (1643–1644), S. 54–154. Der Comte de Tillières sprach sich zwar gegen Mazarin, aber sehr wohl für die Fortsetzung der von Richelieu initiierten Politik aus. Siehe auch Karl B, Der Sonnenkönig. Das Leben Ludwigs XIV., Berlin 1935, S. 32.

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Auch in Paris wurde sie immer wieder auf die große Not hingewiesen689 . Aber die finanziellen Engpässe machten eine Unterstützung schwierig690 . Die Königin versuchte ihrer ›Fürsorgepflicht‹ dennoch nachzukommen691 . Dabei war sie bemüht, alles, was ihrem Ruf abträglich war, zu vermeiden. Als ein Regiment, das ihren Namen trug, 1646 auf seinem Weg von der Normandie in die Provinz Guyenne durch Gewalttätigkeiten und Plünderungen auffiel, ließ sie die Hauptverantwortlichen exemplarisch bestrafen, damit ihr Name nicht mit solchen Verbrechen assoziiert würde692 . Die Besinnung auf Werte wie Nächstenliebe und Wohltätigkeit erfuhr während der Erneuerung des katholischen Glaubens im 16. und 17. Jahrhundert mit der Gegenreformation ohnehin eine Aufwertung, was sich nicht zuletzt in dem starken Engagement wohlhabender (adliger) Frauen manifestierte693 . Die Vermittlung dieser Werte war nicht nur fester Bestandteil des Erziehungsprogramms, sondern bildete, wie erwähnt, auch eines der wesentlichen Merkmale der »femme forte«. Und in der Tat haben sich Wohltätigkeit und Armenfürsorge als äußerst beständige Merkmale des kollektiven Gedächtnisses erwiesen. Wie aus dem Rechnungsbuch von 1653 ebenfalls hervorgeht, unterstützte die Königin unter anderem Waisenkinder, kinderreiche Familien, aber auch verarmte Edelleute in der Provinz694 . Dabei fällt auf, dass darüber hinaus besonders ihre Hilfe für verwundete Soldaten, Kranke und Konvertierte sowie für die Erziehung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen immer wieder hervorgehoben wird695 . So war die Königin Schirmherrin der Vereinigung der Filles de la providence, die 1630 von Marie Lumagne ins Leben gerufen 689

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Im November 1645 wurde die Königin auf dem Weg zur Kirche Sainte-Catherine von 300 Frauen wegen der Steuerlast um Hilfe gebeten. Siehe O, Journal, Bd. 1, S. 332f., Eintrag v. 25.11.1645. Mathieu de M, Les Œvvres de Monsievr de Montrevil, Paris 1666: Stances. Durant la guerre Ciuile, S. 448f. Zur allgemeinen Verelendung im Land vgl. Alphonse F, La misère au temps de la Fronde et saint Vincent de Paul, Paris 5 1886. Vgl. C  B, Œuvres: Remontrance du peuple, Bd. 2, S. 476. BNF, Mss., Fonds français 4173, Brief v. Anna von Österreich an den Comte de Maugiron (17.02.1646), fol. 82r–83r, hier bes. fol. 82r–82v. Siehe auch John A. L, How War Fed War: The Tax of Violence and Contributions during the »Grand Siècle«, in: Journal of Modern History 65/2 (1993), S. 286–310. Barbara B. D, From Penitence to Charity. Pious Women and Catholic Reformation in Paris, Oxford 2004, bes. S. 140, 231. Zwischen 1604 und 1649 wurden in Frankreich 47 Frauenklöster gegründet, von denen 17 karitative Aufgaben wahrnahmen. Siehe Jean de V, Une forme nouvelle de vie consacrée: enseignantes et hospitalières en France aux XVIIe et XVIIIe siècles, in: H D, V (Hg.), Femmes et pouvoirs, S. 175–195. BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 46v–47r, 49v, 52v, 54v. Vgl. zu ihrer Wohltätigkeit in der Provinz auch [A], Oraison fvnebre de la reyne mere, S. 16. Siehe dazu Susan E. D, Motivations for Charity in Early Modern France, in: Thomas Max S (Hg.), The Reformation of Charity. The Secular and the Religious in Early

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2. Herrschaft und Repräsentation

worden war und so genannten gefallenen Mädchen eine neue Heimat bieten sollte696 . Die Königin erwarb 1651 ein großes Haus für die Einrichtung, das 1652 bezugsfertig war697 . Zugleich unterstützte sie Gefängnisse und Einrichtungen, die Geld sammelten, um notwendige Ausgaben für Lebensmittel und die medizinische Versorgung von Gefangenen zu gewährleisten698 . Auf derartige Fürsorgemaßnahmen wurde beständig hingewiesen, während die Prachtentfaltung der Königin, die daneben ebenfalls existierte, in geringerem Maße thematisiert wurde – darauf legte sie auch großen Wert699 . Zu dem Zauberwort, das wie kaum ein anderes mit Anna von Österreich assoziiert wurde, wurde ihre schier grenzenlose Güte (bonté) deklariert700 . Immer wieder spendete sie große Summen bei Hungersnöten. So ließ sie 1644 für 1 Mio. l.t. Korn aus Danzig importieren701 . Und als die Versorgungslage 1652 in Paris erneut prekär wurde, veranlasste sie mit dem König weitere Getreidelieferungen702 . Außerdem unterstützte sie zwei Einrichtungen für Findelkinder jährlich mit 12 000 l.t.703 Ferner besuchte und förderte sie Krankenhäuser im ganzen Land, wobei sie vor den schlimmsten Krankheiten und Entstellungen nicht zurückschreckte704 . Dazu gehörte etwa das Hôpital de la Croix für arme und kranke Frauen, das der Verwaltung des Hôtel-Dieu unterstellt war705 . Ferner gründete sie in Paris die Krankenhäuser Charité de NotreDame (1629) und Sainte-Anne (1651)706 . Schon 1646 hatte sie in Fontainebleau ein Hospital errichten lassen und ein Haus gekauft, das als

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Modern Poor Relief, Boston, Leiden 2003, S. 176–192. Vgl. B  R, Les larmes pvbliqves, S. 17; C, Devises, S. 119, 144f., 219. Vgl. Victor F, La lvmiere cachée sovs le mvid mise av jovr, Paris 1659: Epistre, s.p. B, Histoire des séminaires de Bordeaux, Bd. 1, S. 348, Anm. 3. BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 56r–56v. O, Oraison, S. 10, 78f. Der Dichter Scarron spricht von ihren »ineffables bontés«, zit. n. S, Œuvres: À la Reine-Mère, Bd. 7, S. 52. Siehe zur bonté-Thematik außerdem C, Apologie povr les Religieux, S. 2; Anne Marie Louise d’Orléans, duchesse de M, Divers portraits, s.l. 1659: Portrait de la Reyne, par Madame la Comtesse de Brienne la mere (s.d.), S. 226; M, Mémoires, Bd. 1, S. 229, sowie D., Portrait de la reine, S. 328; P   S, Le Portrait de la Reyne, S. 69. Vgl. R, Mémoires, S. 69, der spitz kommentierte: »[O]n donnait tout, on ne refusait rien«. B  P-P, Remarqves des signalez bien-faits, S. 15. Siehe auch D, L’action charitable, S. 115f. S V  P, Correspondance, Bd. 4, S. 429f., Brief v. Vincent de Paul an Anna von Österreich (Sommer 1652). P, Nouvelle histoire de Paris, S. 522. Die Einrichtungen unterstanden Vincent de Paul. B, Discours fvnebre, S. 23; M, Mémoires, Bd. 1, S. 452f.; Bd. 5, S. 352. Siehe D, L’action charitable, S. 117f., 122, 124. Vgl. K, Politische Freundschaft, S. 253. P, Nouvelle histoire de Paris, S. 515. B, Nouvelle Description, Bd. 2, S. 50, 224; L R, Curiosités de Paris, Bd. 1, S. 329. Speziell zum Krankenhaus Sainte-Anne siehe auch Michel M, Collection

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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Mädchenschule dienen sollte und ebenfalls der Leitung von Vincent de Paul unterstand707 . Des Weiteren gründete sie zusammen mit dem jungen Monarchen noch im ersten Jahr ihrer Regentschaft eine Ausbildungseinrichtung unter dem Namen »La Famille chrétienne« in Paris, die einen doppelten Zweck erfüllte: Erstens sollten Kinder beiderlei Geschlechts aus verarmten Adelsfamilien, aber auch Waisenkinder aus Familien verdienter Amtsträger aus dem Staats- oder Hofdienst eine angemessene Erziehung und Ausbildung erhalten, sei es nun im weltlichen oder im geistlichen Dienst708 . Zweitens wurden durch diese Einrichtung, die als Vorbild für weitere im übrigen Land dienen sollte, Verdienstmöglichkeiten für arbeitslose Geistliche, Präzeptoren, Schreiber, Pagen, Kutscher oder Köche (etc.) geschaffen709 . Auf diese Weise sollte auch Nachwuchs für andere Wohltätigkeits- und Erziehungseinrichtungen im Land gewonnen werden710 . Das waren hehre Ziele. Doch letztlich handelte es sich nur um religiöse Umerziehungsanstalten, denn protestantische Kinder waren bei der Auswahl zu bevorzugen711 . Wohltätigkeits- und Missionierungsbestrebungen gingen hier Hand in Hand. Außerdem setzte die Königin auch versöhnliche Zeichen712 . Sie rief viele Personen aus dem Exil zurück und veranlasste die Entlassung etlicher Gefangener, die meist Opfer von Richelieu geworden waren, der sie aus (teilweise berechtigter) Vorsicht hatte inhaftieren lassen713 . Die »Gazette de France« glorifizierte daher die Regentschaft so nachdrücklich, weil die Königin derart gütig auftrat714 . Die Hoffnung auf ein »goldenes Zeitalter«715 beruhte auf ih-

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de documents pour servir à l’histoire des hôpitaux de Paris, 4 Bde., Paris 1881–1887, Bd. 1, S. 179f., 393; Bd. 2, S. 203. G, Description historique, Bd. 2, S. 134f.; H, L’ancien Fontainebleau, S. 378–382. Alexandre C  P-M, La famille chrestienne sovs la condvite de S. Ioseph. Fondée à Paris par le Roy & la Reyne Regente, Paris 1644, S. 213–215, 220, 231. Ibid., S. 215f. Ibid., S. 222. Ibid., S. 209. BNF, Mss., Fonds français 6883, Brief v. La Vrillière an Pichon (10.08.1650), fol. 319r: »[L]eurs Ma.[jes]tez ne perdent point d[’]occasion d’vser de clemence quand elles le peuuent, et qu[’]elles ne laissent agir la justice que quand elles ne peuuent pas s’en deffendre«. Zur clémence-Thematik siehe auch P   S, Le Portrait de la Reyne, S. 51–68. S-R T, La Jeunesse du Grand Roi, S. 26. Siehe auch B-R, Mémoires, Bd. 1, S. 168. Gazette de France, 6. Juni 1643, S. 471. Siehe auch Jean-Louis Guez de B, Œuvres, hg. v. Valentin C, 2 Bde., Genf 1971 [EA 1665]: Dissertation VI – Discovrs à la Reine svr sa Regence, Bd. 2, S. 469–471; G, Le Cérémonial françois, Bd. 2, S. 637–639. François O, Oraison fvnebre de Lovis XIII Roy de France et de Navarre, Paris 1643, S. 46; I. D. S. R, Les esperances de la France sovs la Regence de la Reyne Mere dv Roy Lovys XIV, Paris 1643, S. 6. Siehe auch V, Oraison, S. 54.

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2. Herrschaft und Repräsentation

ren Qualitäten und der Ansicht, dass sie Ludwig XIV. ihre Werte vermitteln und sich seine Herrschaft eines Tages ebenfalls durch Milde und Wohltätigkeit auszeichnen würde716 . Viele sahen deshalb in der Königin die Verkörperung einer Friedens- und Heilsbringerin717 . Anna von Österreich zeigte sich ebenfalls großzügig, wenn es darum ging, Pensionen, Pfründen und Ämter zu verteilen, was jedoch eine Belastung des Staatshaushaltes nach sich zog718 . Gerüchte kursierten, sie hätte bereits innerhalb ihres ersten Monats als Regentin 6 Mio. l.t. ausgegeben719 . Das mag übertrieben sein, aber Kritiker warfen ihr vor, die Wohltaten auf zu viele zu verteilen und die finanzielle Schieflage des Staates und die Bedrückungen für das Volk nur weiter zu verschärfen und dessen Unmut zu provozieren720 . Die Parteigänger der Monarchin wandten ein, dass sie gerade durch ihr mildes und mildtätiges Vorgehen Unruhen verhindere und das Staatsschiff auf Kurs halte, was Maria von Medici trotz des Friedens mit Spanien und voller Staatskassen nicht gelungen sei721 . Schließlich gebe es doch keine schöneren Schulden als die durch Almosen entstandenen722 . Anna von Österreichs Bemühungen waren allerdings nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Mathieu Molé, Präsident des Pariser Gerichtshofes, sah besonders im Rückruf der Exilanten eine wesentliche Ursache für die Fronde. Denn, so Molé, indem sie die Politik Ludwigs XIII. fortsetze, zugleich aber Personen gestatte, an den Hof zurückzukehren, obwohl deren Antipathien gegen diese Politik bekannt seien, untergrabe sie ihre Autorität723 . Die Königin hielt trotzdem an ihrem Vorgehen fest, während seitens der Parteigänger der Krone gebetsmühlenartig darauf hingewiesen wurde, dass niemand das Recht habe, sie zu verleumden, stattdessen sollten sich alle Untertanen an ihre Gehorsamspflicht gegenüber ihrem Souverän erinnern724 . Gleichzeitig nutzte Anna von Österreich die Fronde, um ihre Güte erneut unter Beweis zu stellen. So veräußerte sie etwa ein »sehr wertvolles Perlenkollier«725 und kostbare Ohrringe und stiftete den Erlös den Armen in Paris726 . Sie unterstützte Kriegsversehr716 717 718 719 720 721

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G, Le Cérémonial françois, Bd. 2, S. 639f. B-R, Mémoires, Bd. 1, S. 168f.; R, Les esperances de la France, S. 8. Omer T, Mémoires d’Omer Talon, 4 Bde., Paris 1827–1828, Bd. 2, S. 268, 345f. P, Lettres, Bd. 1, S. 291f., Brief v. Patin an Charles Spon (19.06.1643). J, Mémoires, S. 8. Vgl. auch M, Mémoires, Bd. 2, S. 134, 152f. [A], Discovrs svr le Govvernement, S. 5. Vgl. auch BNF, Mss., Fonds français 18552, Memoire de M[onseigneu]r. le Chancelier pour les Domaines que l’on doibt assigner à la Reyne pour le remplacement de ses deniers dotaux (1643), fol. 49r. C, Les personnes qve les Roys et Princes doivent appeler et choisir, S. 22. M, Mémoires, Bd. 3, S. 393f. B  P-P, Remarqves des signalez bien-faits, S. 3f., 7–12. Siehe auch M, Reflexions consciencievses, S. 29f. P, Oraison, S. 45. Den genauen Wert nannte er jedoch nicht. B, Discours fvnebre, S. 23. Der Wert der Ohrringe betrug angeblich 16 000 l.t. Siehe dazu BNF, Mss., Rothschild 356, C, Oraison, S. 33; M, Mémoires, Bd. 2, S. 538.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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te und Personen, die während des Bürgerkriegs materielle Verluste erlitten hatten727 . Der Geistliche Serroni berichtet, dass sie während der Fronde ihre Reise durch das ganze Land dazu genutzt habe, 50 000 Écus, also etwa 150 000 l.t., an die Armen verteilen zu lassen728 . In propagandistischer Hinsicht zahlte sich dieses Vorgehen langfristig in jedem Fall aus729 . Allerdings verbesserte sich die finanzielle Lage nur sehr langsam, sodass die vielen Aufwendungen der Königin weiterhin hohe Kosten verursachten. Davon ließ sie sich jedoch nicht beirren, vielmehr arbeitete sie weiter daran, als »Quelle des öffentlichen Wohls«730 und »Mutter des Volkes«731 wahrgenommen zu werden. Und tatsächlich wiesen nach ihrem Tod etliche Lobschriften noch einmal auf ihre Verdienste für die Bevölkerung hin; so forderte AdrienThomas Perdou de Subligny die Untertanen auf, sich zu vergegenwärtigen, was sie Anna von Österreich alles zu verdanken hätten732 . Und Furion kam zu dem Schluss: Son amour pour le prochain [. . . ] embrassoit toutes les personnes sans en excepter vne seule, de quelque estat & condition quelle peust estre. [L]a charité estoit son Diademe, [. . . ] elle estoit la mere des pauures & des orphelins [. . . ]. Combien de fois a-[t-]elle fait distribuer aux pauures les sommes qui luy estoient assignees pour ses menus plaisirs, pour des ballets, ou pour des diuertissements? [P]ersuadé de cette verité chrestienne, que le superflu des grands, & des riches est le patrimoine des pauures733 .

2.3.3 Der lange Weg einer Friedensstifterin Wohltaten allein reichten aber nicht aus. Nur ein Ende des Krieges konnte mittelfristig ein Ende der Bedrückungen herbeiführen734 . In einem Brief an 727

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BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 39r–89r (passim). Vgl. François F, L’Esprit de paix, Paris 1652, S. 3. S, Oraison, S. 19. M, Portrait de la reine, S. 327: »Ceux pour qui elle a de la bonne volonté trouvent en sa douceur de la consolation; et ses oreilles paroissent si attentives au soulagement des misérables, qu’il semble que son cœur, tout indifférent qu’il est, y prend aussi quelque part«. R, Lettres panegyriques avx plvs grandes Reines dv monde, avx princesses dv sang de France, Autres Princesses, & Illustres Dames de la Cour, Paris 1650: Epistre, s.p. B  R, Les larmes pvbliqves, S. 2. Vgl. F, Traicté des droicts de la Monarchie, S. 10: »La Republique est [. . . ] vne maison, en laquelle le Prince est le pere de famille«; L M, De l’art de régner, Teil 4, S. 587; es geht hier darum, »[q]ue le Prince doit ménager les Biens de ses Sujets comme leur sang: Qu’il les doit traiter comme ses Enfan[t]s«. Muse de la cour, 25. Januar 1666, XI. semaine, V. 97–120. Siehe auch Z-D, The Gift, S. 30. F, La Reyne tres-chrestienne, S. 22f. P, Lettres, Bd. 1, S. 147, Brief v. Patin an Belin d.J. (27.03.1649). Siehe B, Œuvres: Discovrs à la Reine svr sa Regence, Bd. 2, S. 466–477; F, L’Esprit de paix, S. 7.

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2. Herrschaft und Repräsentation

den Erzbischof von Rouen hatte die Königin diesen 1638 gebeten, in seiner Diözese und in Sahurs, wo sie sich damals selbst gerade aufhielt, Gebete für den Frieden sprechen zu lassen und sich darum zu kümmern, dass ein von ihr gesandtes Bildnis in der dortigen Kapelle Notre-Dame-de-la-Paix aufgestellt würde735 . Es ist sicher kein Zufall, dass der Brief, nach einer ersten Veröffentlichung 1639, im Jahr 1643 erneut gedruckt wurde: Er sollte einem breiteren Publikum verdeutlichen, dass der Frieden zu den politischen Zielen Annas von Österreich gehören würde736 . Denn auch das Bemühen, dem Volk Wohlstand durch Frieden zu bringen, gehörte zu den Herrscherpflichten737 . Gleichwohl sollte bis dahin noch viel Zeit vergehen und die drückende Steuerlast zur Fortsetzung des als legitim betrachteten Krieges blieb bestehen738 . In der Propaganda der Krone wurde stets darauf verwiesen, dass die Königin den steigenden Abgaben nur deshalb zustimmte, weil es eben unerlässlich war, um den Bestand des Reiches zu sichern, das Geld aber keineswegs für ihren persönlichen Luxus bestimmt sei739 . Sie wollte aber nicht einfach nur Mutter des Volkes, sondern auch »Mutter des Vaterlandes«740 sein: Comme apres la gloire de Dieu ie n’ay rien eu devant les yeux depuis le temps de ma regence que le bien de cet Estat, j’ay aussi continuellement appliqué mon esprit à rechercher les moyens qui pouvoient contribuer non seulement à affermir les progres faits soubs le regne du feu Roy [. . . ], [m]ais encores à les pousser plus avant741 .

Es ging also darum, aus einer Position der Stärke heraus den Frieden zu schließen742 . Und da sich in den ersten Jahren der Regentschaft ja durchaus etliche

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[A  Ö], Vœu de la Reine à Nostre-Dame de la Paix, Gaillon 1643, S. 3, Brief v. Anna von Österreich an François de Harlay, Erzbischof von Rouen (21.04.1638): »Le grand desir que i’ay de voir vn accommodement aux affaires de la Chrestienté pour l’establissement que i’espere auec l’ayde de nostre Seigneur, qui s’ensuiura d’vne bonne & durable Paix«. Ibid.; vgl. Jean L P, Le Vœv de la Reyne, ov la Fondation de la chappelle de Nostre Dame de la Paix size à Sahvrs, Rouen 1639, S. 26f. Siehe auch V, Eloge fvnebre, S. 36. Vgl. dazu S, Politik beobachten, S. 612. L M, De l’art de régner, Teil 1, S. 30–34. Das betraf zunächst den Dreißigjährigen Krieg und später dann den noch andauernden militärischen Konflikt mit Spanien. AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre, S. 37; P   S, Le Portrait de la Reyne, S. 243. Siehe auch B  P-P, Remarqves des signalez bien-faits, S. 9–12. AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre, S. 2. NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/111, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (15.03.1646), fol. 314r–315r, hier fol. 314r. Vgl. BCH, Mss., Série M, Bd. 32, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (15.03.1646), fol. 485r– 486r. HHStA, Mss., Staatenabteilung (Frankreich), Varia, Karton 5, Konvolut »Frankreich Varia 1642–1645«, Brief v. d’Estrades an (?) (25.02.1645), fol. 71r–72r, hier fol. 71v; M, Reflexions consciencievses, S. 39; O, Oraison, S. 19, 45f. Siehe auch B, La France au XVIIe siècle, S. 273.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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militärische Erfolge einstellten, war das Lob an dieser Haltung groß743 . Der Dreißigjährige Krieg konnte schließlich mit einem für Frankreich lohnenden Friedensabkommen beendet werden744 . Nur der Konflikt mit Spanien dauerte an. Bevor aber an eine Beilegung der Kampfhandlungen zu denken war, musste zunächst einmal das innenpolitische Fronde-Problem gelöst werden745 . Hierbei erwies sich die Königin erneut als nachsichtig gegenüber jenen, die sich der Krone widersetzt hatten, und wollte, soweit es ging, unnötiges Blutvergießen vermeiden746 . Ihre Panegyriker sahen darin eine größere Leistung als die einst von Kaiser Augustus initiierte Pax Augusta, da dieser seine Feinde bestraft habe747 . Hierin spiegelte sich auch ein Gefühl der Überlegenheit christlicher Nächstenliebe gegenüber heidnischen Rachegefühlen wider748 . Und abermals wurde dieses Verhalten der Königin mit dem Charakter einer »femme forte« zusammengebracht, der sie von den gewöhnlichen Frauen unterscheide749 . Was aber gern verschwiegen wurde, war, dass dieses Verhalten der Königin, wenn überhaupt, primär auf die Zeit nach der Fronde zutraf. Zu Beginn der Fronde, im Jahr 1648, als die parlements der Krone selbstbewusst und mit diversen Forderungen gegenübertraten, verspürte sie sehr wohl ein Bedürfnis, sich zu rächen750 . Und auch während des Bürgerkrieges war sie bemüht, Unruhestifter, und sei es nur für kurze Zeit, ins Exil zu schicken und eine rigorose Bestrafung all jener durchzusetzen, die sich der Autorität des Königs 743

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L, La France en deuil, S. 22f.: »Dresser des monuments eternels à l’honneur de cette Princesse, en luy esleuant des Statuës de Marbre & de Iaspe couronnées de Guirlandes de Lauriers aussi bien que de Fleurs de Lys, auec cette inscription. Anne La Victorieuse, Anne La Triomphante« [Hervorh. im Orig.]. Vgl. BNF, Mss., Fonds français 5132, Sur la clémence de la Reyne. Sonnet (1648), S. 913. [A], Reqveste bvrlesqve, presentée à la Reine par les chapons dv Mans, depvtez des Manseavx: svr les desordres faits par les Gens de Guerre en leur Province, s.l. s.d., S. 6. BNF, Mss., Fonds français 6882, Brief v. Mazarin an Michel Le Tellier (13.04.1650), fol. 245r–248r, hier fol. 245r. Die Gegenseite verbreitete hingegen das Gerücht, die Königin würde sich an den Bewohnern von Paris rächen. Siehe [A], Nouveau siècle de Louis XIV, ou Poésies-anecdotes du règne et de la cour de ce prince, 4 Bde., Paris 1793, Bd. 1, S. 263f.; M, Mémoires, Bd. 2, S. 428. Vgl. dazu BNF, Mss., Mélanges Colbert 54, G, Oraison, fol. 310v; L M, De l’art de régner, Teil 3, S. 403–419. Vgl. C, Devises, S. 154–156, 170–172; F, Oraison, S. 24; L XIV., Mémoires, S. 50; S, Oraison, S. 18. Siehe G, De l’influence des femmes, S. 52, 54; K, Patronage and Politics during the Fronde, S. 419f. V, Eloge fvnebre, S. 26: »Vn cœur moins genereux & moins spirituel que le sien; vn cœur feminin auroit changé sa colere en indignation, [. . . ] elle épouvante les vns par des menaces, qu’elle ne pretendoit pas executer, n’ayant point d’autre dessein que de les r’amener à leur devoir; elle verse vn peu de pluge d’or par ses liberalités pour gagner les autres; & par vne prudence qui passe la femme, elle [. . . ] met l’Estat en seureté«. Siehe auch ibid., S. 38; V, Oraison, S. 56–58. M, Mémoires, Bd. 2, S. 184f. Vgl. auch ibid., S. 291; D., Portrait de la reine, S. 327.

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2. Herrschaft und Repräsentation

und damit der göttlichen Ordnung widersetzten751 . Der Frieden mit Spanien wurde herbeigesehnt, weil er die Hoffnung auf den Eintritt in eine friedliche Phase versprach752 . Als sich in den 1650er Jahren abzuzeichnen begann, dass Spanien aufgrund finanzieller Engpässe und seiner militärischen Schwäche den Krieg nicht gewinnen würde, stiegen die diplomatischen Bemühungen753 . Schließlich wurde 1659 der Pyrenäenfrieden besiegelt. In seiner Fastenpredigt im Jahr 1660 bezog sich Bossuet auf die göttliche Fügung, die sich im Friedensschluss und, ganz im Sinne der »Spiritus intus agit«-Idee, in den Handlungsweisen der Königin widerspiegelten: Qui ne voit la main de Dieu dans cet ouvrage? Que notre grande reine ait travaillé à la paix de toute sa force, quoique ce soit une action toute divine, j’avoue que je ne m’en étonne pas: car que lui pouvait inspirer cette tendre piété qui l’embrase, et cet esprit pacifique dont elle est remplie? Nous savons, nous savons il y a longtemps [qu’elle] a toujours imité Dieu, dont elle porte sur le front le caractère; elle a toujours pensé des pensées de paix754 .

Der Friedensschluss und die damit einhergehende Eheschließung Ludwigs XIV. mit der spanischen Infantin bildeten den Höhepunkt im politischen Leben der Königin755 . Natürlich hatte Mazarin durch sein geschicktes diplomatisches Vorgehen entscheidend dazu beigetragen, aber da er nicht losgelöst von der Krone agierte, sondern nur die Anweisungen Ludwigs XIV., vor allem aber natürlich der Königin, befolgte, wurden diese Erfolge in letzter Konsequenz ihr allein zugeschrieben756 . Der Abbé de Grammont verglich

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M, Mémoires, Bd. 4, S. 371, Brief v. Mazarin an Michel Le Tellier (16.02.1650); S. 379f., Brief v. Anna von Österreich an (?) (22.03.1650). Siehe auch BNF, Mss., Cinq Cents Colbert 363, Brief v. Étienne Gueffier an Anna von Österreich (24.03.1659), fol. 1871r–1871v, hier fol. 1871v. Gueffier war zu dieser Zeit französischer Gesandter in Rom. Siehe Simone B, La guerre des images: gravures satiriques anti-espagnoles, in: M (Hg.), L’âge d’or de l’influence espagnole, S. 147–184, hier S. 180. Jacques-Bénigne B, Œuvres oratoires de Bossuet, hg. v. Joseph L, 6 Bde., Lille, Paris 1890–1897: Carême des Minimes. Premier sermon. Sur les démons (15.02.1660), Bd. 3, S. 233. Siehe auch Simon F, Svr la Mort d’Anne d’Avtriche, Paris 1666, bes. S. 15–18; M, Cy gist le racourcy, S. 4. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 22220, Fragment d’un panégyrique de la reine Anne d’Autriche (s.d.), fol. 130r–142r, hier fol. 131r: »[L]a paix Et le Mariage sont L’ouurage D’Anne d’Austriche et le fruict de son amour pour L’Estat et pour les peuples«; C, Histoire de l’Église, Bd. 10, S. 458: »La Reine-mère qui vouloit absolument la paix & le mariage [de Louis XIV avec l’infante d’Espagne]«; O, Oraison, S. 91. Siehe L, Histoire de France, Bd. 7.1, S. 70. Vgl. M, Mémoires, Bd. 1, S. 319. Nicolas B, L’Estat de la France, Paris 1661, Teil 1, S. 220; BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 15683, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (12.07.1659), fol. 4r–5r, hier fol. 4v; L, La France en deuil, S. 39; M, Mémoires, Bd. 2, S. 343; Muze historique, 17. Juli 1660, Livre XI, Lettre XXVIII, V. 42–46. Siehe auch L B, Oraison, S. 27f.; Charles de L R, In fvnere Christianissimæ Reginæ Annæ Avstriacæ Carmen. Recitatum in aula Collegii Claramontani Societatis Iesv, XVII. Kal. April. M.DC.LXVI, Paris 1666, S. 21f.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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Anna von Österreich gar mit der von Noah ausgesandten Taube, die bei ihrer Rückkehr einen Olivenzweig im Schnabel hielt (1 Mose 8,11) und die Verheißung des Friedens in sich barg757 . Der Schriftsteller Gomberville feierte diesen Triumph in dem Sonett »À la Reine-mère, sur sa Régence«: Illustre sang des dieux, délices de notre âge, Princesse, dont la gloire est l’objet de mes vers, Anne, sauve l’Europe, et montre à l’univers, Qu’il n’appartien[t] qu’à toi d’empêcher son naufrage. Désarme les démons de la Seine et du Tage; Romps le bandeau fatal dont leurs yeux son couverts, Et n’inspirant qu’une ame à cent peuples divers, Compose un siècle d’or des jours de ton veuvage. Je sais tous les combats qu’a faits Sémiramis, Qu’elle a vu mille rois à ses armes soumis, Et que de ses lauriers les histoires sont pleines: Mais sans porter envie à ses fameux exploits, Souviens-toi que la paix est la gloire des reines, Comme on dit que la guerre est la gloire des rois758 .

Innenpolitisch hatte sich Anna von Österreich stets um eine Annäherung (und Aussöhnung) zwischen Mazarin und dem hohem Adel bemüht759 . Dennoch war es vor allem die Außenpolitik – worauf Gomberville ja indirekt anspielt –, in der das Ideal der »femme forte« Anwendung fand, denn die Königin trug ihren Anteil zum Frieden in Form von Gebeten bei und schwang sich nicht zur Anführerin des Heeres auf; sie führte die Truppen spirituell und nicht militärisch an760 . Anlässlich des Pyrenäenfriedens fand dies auch in einer Ode von Perrault einen Niederschlag sowie in François Vavasseurs Poem »Ad Reginam Matrem« (um 1659/1660), das Corneille ins Französische übertrug761 . Der Frieden, als deren Initiatorin sie auch hier angesehen wurde, verlieh ihrer Stellung als Landesmutter zusätzliches Gewicht. Die Bezeichnungen »mère du peuple« bzw. »mère commune« oder »mère de la patrie« – vergleichbar mit

757 758

759 760 761

BNF, Mss., Mélanges Colbert 54, G, Oraison, fol. 315r. [A], Nouveau siècle de Louis XIV, Bd. 1, S. 33. Schon Maria von Medici ließ sich nach dem Frieden mit Spanien zu Beginn ihrer Regentschaft als »reine de la paix« verherrlichen, so z. B. auf Rubens’ Gemälde »Die Glückseligkeit der Regierung«. Siehe N, Regentinnen, S. 120; R, Marie de Médicis, S. 66–77. Siehe Henri S, Galanteries des Rois de France, 2 Bde., Paris 1738, Bd. 2, S. 49. R  S-M, Oraison, S. 49f.; S, Oraison, S. 16f.; V, Oraison, S. 72–77. BNF, Mss., Mélanges Colbert 37, Charles P, Ode sur la Paix (s.d. [um 1660]), fol. 214r–219r, hier fol. 218r; François V, Opera omnia antehac edita, theologica et philologica, Amsterdam 1709, S. 648f., Nr. 33f. Zu Corneilles Übersetzung siehe Gilles B, Corneille et les Jésuites: un poème inédit, in: Dix-septième siècle 53/3 (2001), S. 545–549, hier S. 547f.

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2. Herrschaft und Repräsentation

dem antiken Titel »pater patriae« – waren eine Anerkennung ihrer Wohltätigkeit und Friedensbemühungen762 : Et vous prefererez [. . . ] le nom de Mere de la Patrie, à celuy de Mere des Armées. Ce dernier nom me semble avoir quelque chose de farouche, & estre peu convenable à vn sexe, dans lequel les Amazones sont considerées par la Morale comme des Monstres de la Police: L’autre nom, Madame, est plus digne de l’ambition de vostre Majesté, & s’accorde mieux avec la modestie d’vne bonne Reine763 .

Dabei stand die Titulierung als Mutter des Volkes bzw. des Vaterlandes in direkter Beziehung zu der politischen Verantwortung als Regentin764 . Aber im Gegensatz zu Katharina von Medici, die auch den Titel einer Mutter des Volkes für sich beanspruchte765 , gelang es Anna von Österreich – aller militärischen Verwicklungen während und nach der Regentschaft zum Trotz – dank ihrer beständig demonstrierten und letztlich erfolgreichen Friedenspolitik, tatsächlich als versöhnliche und fürsorgliche Monarchin im Gedächtnis zu bleiben: Cette Reine par son adresse, Par son esprit & sa sagesse, A fait ce qui se peut pour ne mourir jamais, S’estant par tout ouvert le Temple de Mémoire: Car lors qu’elle a trouvé le secret de la Paix, Elle a trouvé celuy d’une immortelle gloire766 .

Diesem Verständnis der Königin als Friedensfürstin trug auch noch einmal ein großes Bild auf einem der Triumphbögen anlässlich des feierlichen Einzugs Ludwigs XIV. und Maria Theresias in Paris im August 1660 Rechnung, auf dem Anna von Österreich als Juno dargestellt war, welcher von Merkur und Iris die Porträts des jungen Königspaares präsentiert wurden, dessen Ehe sie ja gestiftet hatte767 . In diesem Kontext stellt sich damit zugleich die Frage, 762

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766 767

L B, Oraison, S. 27: »Le nom de père de la Patrie et celui de Souverain ne se séparent jamais, et celui qui a l’autorité suprême doit regarder son Etat comme sa famille et ses sujets comme des enfants. C’est le véritable nom que cette princesse mérite [. . . ], elle a été la véritable mère de la Patrie et elle a eu, dans son cœur, des sentiments de mère pour l’Etat et pour ses sujets«. Insbesondere den Titel einer »mère commune« habe sie für ihre beständige Hilfe für Witwen und Waisen erhalten (ibid., S. 33). B, Œuvres: Discovrs à la Reine svr sa Regence, Bd. 2, S. 469f. [Hervorh. im Orig.]. Siehe dazu auch ibid., S. 466–477; AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre, S. 2; BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 22220, Fragment d’un panégyrique de la reine Anne d’Autriche, fol. 130v; BNF, Mss., Rothschild 356, C, Oraison, S. 2; O, Oraison, S. 25, 76f. Vgl. B, Louis XIV, S. 122f.; M, Woman Triumphant, S. 220–222. L C, Oraison, S. 30, bezeichnete sie deshalb als »la Consolatrice des Affligez, la Protectrice des Oppressez, & la Nourrice de Pauures«. K  M, Lettres de Catherine de Médicis, hg. v. Hector de L F, Gustave de B  P, 11 Bde., Paris 1880–1943, Bd. 6, S. 255, Brief v. Katharina von Medici an Heinrich III. (08.–09.02.1579). Charles P, In stirpem regiam epigrammata – Devises et emblèmes de la maison royale, [Paris] 1660, S. 10. Siehe auch N, Regentinnen, S. 100f. D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 144; Gazette de France, La magnifiqve et svperbe

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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in welchem Maße die Königin auf die ihr zur Verfügung stehenden ›Medien‹ zurückgegriffen und diese im Rahmen ihrer Inszenierungsstrategie gezielt eingesetzt und gesteuert hat. 2.3.4 Tendenzen einer ›medialen‹ Inszenierung? Mit den bisherigen Ausführungen der Kapitel 2.2 und 2.3 ist ein Aspekt sehr deutlich geworden: Ein umfassender Einsatz der zur Verfügung stehenden Medien war essentiell, um den dauerhaften Ruhm der Königin zu gewährleisten768 . Rudolf Schlögl hat mit Recht darauf hingewiesen, dass im Rahmen politischer Herrschaft das Wissen, beobachtet zu werden, einen nicht unwesentlichen Einflussfaktor darstellen konnte769 . Dieses Wissen war folglich entscheidend für den Umgang und die Nutzung medialer Kommunikationsmittel. Das Memorandum, das Anna von Österreich kurz vor der Regentschaftsübernahme erhielt und in dem sie unter anderem daran erinnert wurde, dass künftig jede ihrer Handlungen einer genauen Beobachtung unterzogen werde, hat dies sehr deutlich gemacht770 . Sie war sich darüber im Klaren, dass die Wahrnehmung ihrer politischen Entscheidungen, aber eben auch ihres allgemeinen gesellschaftlichen und sozialen Engagements von einer breiten Öffentlichkeit – Hof, Volk, Ausland, Nachwelt – aufmerksam verfolgt und interpretiert werden würde, und das selbstverständlich über die Zeit der Regentschaft hinaus. Dementsprechend kam es bei der Inszenierung darauf an, die Medien nicht nur angemessen einzusetzen, sondern bei Bedarf auch gezielt zu steuern, um möglichst das Bild von sich selbst zu entwerfen und dauerhaft zu wahren, das ihrer Vorstellung entsprach. In vielen Beschreibungen wurde Anna dann etwa auch mit bedeutenden biblischen und historischen Frauengestalten gleichgesetzt und als vollkommen dargestellt, da sie deren beste Eigenschaften in sich vereinte771 . So hoben etwa Du Pré sowie ein anonymer Verfasser in ihren Leichenpredigten jeweils die Vorbildlichkeit der Königin in allen Lebensphasen hervor, denn sie gleiche den biblischen Gestalten der Anna, der Mutter des Propheten Samuel, Anna,

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Entrée dv Roy et de la Reyne en la ville de Paris, 3. September 1660, S. 805–836, hier S. 809. Das Gemälde war Teil des Dekorums für den Triumphbogen am Pont NotreDame, mit dessen Ausführungen die Künstler Henri und Charles Beaubrun beauftragt waren. Siehe dazu Karl M, Zeremoniell und monumentale Poesie. Die Entrée solennelle Ludwigs XIV. 1660 in Paris, Berlin 1983, S. 102. Siehe S, Politik beobachten, S. 611f. Ibid., S. 590, 614f. BNF, Mss., Fonds français 3445, Avis donné à la Reyne, fol. 120v. Jean P   S, L’Histoire des impératrices, des reynes et des illustres princesses, Paris 1648: Epistre, s.p. So hieß es etwa auch: »Car il falloit que tout ce que la France, l’Allemagne & l’Espagne ont eu de plus excellent, se rassemblast en cette grande Princesse, afin d’en faire la plus illustre Reyne de la terre«, zit. n. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 11. Siehe auch ibid., S. 9f.; V, Oraison, S. 17f.

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2. Herrschaft und Repräsentation

der Mutter des Tobias, und Anna, einer Witwe und Prophetin772 . Luigi Strozzi meinte wiederum, sie habe die »Frömmigkeit von Blanka [von Kastilien], die Weisheit von Katharina von Medici und die Heiligkeit von Chrodechild«773 , sodass sie durch ihren Einsatz für Staat, Kirche und Volk zu Recht als erfolgreiche Regentin und Königinmutter wahrgenommen werde774 . Ein wesentliches Instrument einer kontrollierten und damit zensurorientierten Propaganda und Informationssteuerung bildete auch die Unterstützung von Zeitungen775 . Das galt insbesondere für die »Gazette de France«, die seit den 1630er Jahren über Vorkommnisse in der Gesellschaft und am Hofe sowie über politische, militärische und diplomatische Ereignisse informierte. Während die Königin vor 1643 eher sporadisch oder nur im Rahmen wichtiger Ereignisse am Hofe Erwähnung fand, setzte ab 1643 eine allwöchentliche und ausführlichere Berichterstattung über ihre Aktivitäten ein, wie regelmäßige Kirchen- und Klosterbesuche oder Spenden, die ihr Image als mustergültige Herrscherin nachhaltig konsolidieren sollten776 . In ähnlicher Weise berichtete seit 1650 auch die »Muze historique«, deren Herausgeber und Verfasser, Jean Loret, von der Königin finanziell unterstützt wurde777 . Insgesamt lässt sich mit dem Beginn der Regentschaft ein vergleichsweise freierer Umgang mit der Drucklegung von Schriften feststellen als unter der Ägide Richelieus, der weitaus rigorosere Zensurbeschränkungen erlassen hatte778 . Die Königin und Mazarin betrieben zunächst auch deshalb keine strenge Pressepolitik, weil sie nicht genauso autoritär und repressiv erscheinen wollten wie Richelieu. Dass Anna von Österreich Richelieus politischen Kurs fortsetzte, wurde in der Propaganda entsprechend gepriesen, da sie das 772 773

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AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre, S. 7; [A], Oraison fvnebre de la reyne mere, S. 9. Vgl. dazu 1 Sam. 1; Tob. 1,9; Luk. 2,36. Chrodechild, die zweite Ehefrau des Frankenkönigs Chlodwigs I., soll an seiner Entscheidung, zum Christentum überzutreten, beteiligt gewesen sein. Außerdem unterstützte und begründete sie zahlreiche Kirchen und Klöster. Luigi S, Delle lodi d’Anna Maria Mavrizia d’Avstria Regina di Francia, Orazione Fvnerale, Florenz 1666, S. 31. Vgl. auch Luigi R, Esequvie d’Anna Maria Mavrizia d’Avstria cristianissima Regina di Francia, Florenz 1666, S. 40–47, 55. Michèle F, Les cérémonies de l’information dans la France du XVIe au milieu du XVIIIe siècle, Paris 1989, S. 74–76. Siehe auch A, Histoire de la littérature française, Bd. 3, S. 44. Howard M. S, Public Welfare, Science, and Propaganda in Seventeenth-Century France: the Innovations of Théophraste Renaudot, Princeton 1972, S. 130. Siehe auch C, Marie-Thérèse, S. 427. Muze historique, 22. Mai 1655, Livre VI, Lettre XX, V. 227–234; 29. Mai 1655, Livre VI, Lettre XXI, V. 219–238. Nach eigenem Bekunden schickte Loret der Königin jede Woche persönlich ein Exemplar zu. Siehe ibid., 30. Oktober 1655, Livre VI, Lettre XLIII, V. 270– 272. Georges de Scudéry hatte schon 1637 in einem Widmungsbrief über die Monarchin geschrieben: »[J]e n’ignore point aussi, que sa bonté luy faict souuent approuuer en apparence, ce que son iugement condamne en effect«, zit. n. Georges de S, L’amant libéral, Paris 1638: Epistre, s.p.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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Wohl Frankreichs und den Ruhm des Königs über eigene Befindlichkeiten gegenüber einem Mann stellte, der ihr einst das Leben schwer gemacht hatte779 . In diesem Zusammenhang bemühte sich die Königin öffentlich zu demonstrieren, dass sie trotz dieser Fortführung von Richelieus Politik keineswegs seine Feindschaften fortführte. Ein markantes Beispiel ist der Fall von Henri II. Duc de Montmorency, der 1632 wegen seiner Beteiligung an einer Verschwörung hingerichtet worden war. In der Folge hatte Richelieu in monarchischen Propagandaschriften immer wieder die Effizienz des Urteils loben lassen. Simon Ducros, der einst in den Diensten des Herzogs gestanden hatte, verfasste schon bald dessen Lebensgeschichte und widmete sie der Schwester des Verstorbenen, Charlotte Marguerite de Montmorency, Princesse de Condé780 . Vor 1643 wäre die Veröffentlichung unmöglich gewesen, weil Ducros ein Loblied auf seinen Herrn singt und die Härte des Urteils kritisiert. Anna von Österreich erlaubte ihm nun die Drucklegung und das Buch erschien noch 1643781 . Ähnlich großzügig zeigte sie sich viele Jahre später, als ihr langjähriger Buchhändler Antoine Bertier sie um ihre Zustimmung bat, in seinem Verlag die von Antoine Aubery verfasste Lebensgeschichte Richelieus veröffentlichen zu dürfen782 . Für die Königin war dies erneut eine willkommene Gelegenheit, sich als unparteiische Hüterin von Tugend und Wahrheit zu präsentieren: Bertier luy representoit qu’ayant recüeilly avec beaucoup de soin les vrays Memoires du Cardinal de Richelieu, il n’osoit les imprimer sans une autorité & une protection particuliere de Sa Majesté, parce qu’il y avoit plusieurs personnes qui s’estoient bien remis en Cour, dont la conduite passée n’ayant pas esté reguliere, & estant marquée fort desavantageusement pour eux dans ces Memoires, ne manqueroient pas de luy susciter des affaires fascheuses. Allez, luy dit la Reine, travaillez sans crainte, & faites tant de honte au vice, qu’il ne reste que de la vertu en France783 .

Ein weiterer Grund für den anfänglich zurückhaltenderen Umgang mit Kritikern war die Tatsache, dass die Regentschaft für viele die Hoffnung auf ein Ende der Bedrückungen durch Krieg und Abgaben symbolisierte, was eine Welle von Elogen auf das neue Regime nach sich zog784 . Kritische und satiri779 780 781

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784

BNF, Mss., Rothschild 356, C, Oraison, S. 21. Simon D, Histoire de la vie de Henry, dernier duc de Mont-Morency, contenant tout ce qu’il a fait de plus remarquable depuis sa naissance jusques à sa mort, Paris 1643. Marie-Claude C-G, La Grâce, ou les derniers jours d’un révolte: L’histoire de la vie de Henry, dernier duc de Montmorency, in: Seventeenth-Century French Studies 21 (1999), S. 133–143, hier S. 134, 140. Antoine A, Mémoires pour l’histoire du cardinal duc de Richelieu, 2 Bde., Paris 1660. Vgl. dazu Journal des sçavans, März 1695, S. 123–127, bes. S. 125f. Jean de L C, Histoire de l’imprimerie et de la librairie, Où l’on voit son origine & son progrès, jusqu’en 1689, Paris 1689, S. 285f. [Hervorh. im Orig.]. Siehe auch D  R, Mémoires, Bd. 6, S. 259f. Vgl. C, Des carnets, August 1854, S. 468f.; September 1854, S. 525f.; Giuliano F, Autour de la Bibliothèque du Roi: la littérature clandestine d’opposition sous la régence d’Anne d’Autriche, in: Revue de la Saintonge et de l’Aunis 26 (2000), S. 45–52.

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2. Herrschaft und Repräsentation

sche Schriften vor der Fronde befassten sich in erster Linie mit dem Elend im Land und dem Nepotismus am Hofe785 . Erst während der Fronde richteten sie sich immer stärker gegen die Regierung, die Königin und ihre Politik. Damit war dann aber ihre Toleranzschwelle erreicht. Als ab Mitte der 1640er Jahre die Schmähschriften immer weiter zunahmen und jeder Misserfolg der Regierung angelastet wurde, sah die Königin keinen Grund mehr, allzu zimperlich mit Spöttern und Verleumdern umzugehen. So kam es infolge der großen Verluste in der Schlacht bei Orbetello in der Toskana (1646) und der Niederlage der Franzosen gegen die Spanier bei der erfolglosen Belagerung von Llerida in Katalonien (1647) zu einem wahren Pamphletsturm, woraufhin die Königin mit Nachdruck forderte, die Verfasser ausfindig zu machen786 . Im Januar 1649 trat (erneut) ein Erlass in Kraft, wonach es fortan bei Strafe verboten war, Schriften ohne Nennung des Verfassers, Herausgebers und Erscheinungsortes zu veröffentlichen oder zu vertreiben787 . Beschuldigte wurden alsbald ausgemacht, wie der Dichter Jean-François Sarasin, der den Befehl erhielt, sich wegen regimekritischer Schriften auf eine Insel vor der bretonischen Küste zurückzuziehen788 . Ein weiterer Fall ereignete sich 1649, als die Witwe eines Buchhändlers und ihre beiden Kinder wegen Besitzes (und offensichtlich auch Verbreitung) obszöner Schriften gegen die Königin verhaftet, zu einer Geldbuße verurteilt, der Folter unterzogen und anschließend gehängt wurden789 . Ein anderer Delinquent, der Verleger und Drucksetzer Morlot, entging der Todesstrafe für sein obszönes Pamphlet »La Custode du lit de la reine« nur, weil er am Schafott von einer aufgebrachten Menge befreit wurde790 . Während der Fronde war eine konsequente Strafverfolgung gegen die zahllosen Kritiker nur schwer möglich791 . Erst Mazarins Rückkehr (1652) und das Ende der Fronde (1653) erlaubten eine stärkere Zensierung, was einen deutlichen, wenn auch keinen vollständigen Rückgang der Pamphlete bewirkte792 . Das neuerliche strenge Durchgreifen betraf neben schriftlichen auch mündliche Verleumdungen gegen die Königin793 . Anna 785 786 787 788

789 790 791 792 793

Ibid., S. 50. Albert M, Jean-François Sarasin’s Leben und Werke, seine Zeit und Gesellschaft, 2 Bde., Halle 1902–1904, Bd. 1, S. 265f. I (Hg.), Recueil général des anciennes lois, Bd. 17, S. 147, Nr. 138. Bereits 1643 war ein entsprechendes Gesetz erlassen worden. Vgl. ibid., S. 34, Nr. 12. O, Journal, Bd. 1, S. 386, Eintrag v. 07.07.1647; Gédéon T  R, Les historiettes de Tallemant des Réaux, hg. v. Louis-Jean-Nicolas M u. a., 6 Bde., Paris 1834–1835, Bd. 4, S. 175. Siehe dazu M, Jean-François Sarasin, Bd. 1, S. 265–269. O, Journal, Bd. 1, S. 747, Eintrag v. 22.06.1649. P, Lettres, Bd. 1, S. 157, Brief v. Patin an Belin d.J. (21.07.1649); O, Journal, Bd. 1, S. 754f., Eintrag v. 20.07.1649; T, Mémoires, Bd. 2, S. 479. Christian J, Mazarinades: la Fronde des mots, Paris 1985, S. 158. B, Cardinal Mazarin and his Critics, S. 27; F, Les cérémonies, S. 224. Vgl. auch D, L’action charitable, S. 114. C, Lettres, Bd. 1, S. 132, Brief v. Colbert an Mazarin (05.06.1658).

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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von Österreich wurde jedoch für gewöhnlich nicht direkt mit den Zensurbemühungen, geschweige denn der Bestrafung all jener, die Schriften über sie verfassten, druckten oder verbreiteten, in Verbindung gebracht794 . Die Königin unterstützte sehr wohl eine staatlich gelenkte Presse und hatte ohne Zweifel Kenntnis von Todesurteilen. Da aber die Umsetzung einer verschärften Zensur Mazarin oblag, erschien sie selbst vielen weiterhin als gütig und vergebend. Trotzdem waren weder Mazarin noch die Königin allzu zaudernd bei der Bestrafung überführter Verleger, Drucksetzer oder Kupferstecher795 . Die Fronde offenbarte einmal mehr die Wirkungsmacht von Hetz- und Spottschriften796 . Dass die Zensur erst gegen Ende der Fronde zunahm, war folglich ein weiteres Symptom für die sich konsolidierende Macht der Krone. Die Königin wollte aus einer Position der Stärke heraus gegen die Feinde an Schreibpult und Druckerpresse vorgehen. Mit der Zensur allein war es aber nicht getan, da eine völlige Unterdrückung kritischer Schriften nie zu erreichen gewesen wäre. Deshalb forcierte die Königin auch die Verbreitung pro-monarchischer Werke797 . Besonders in den Monaten vor der Volljährigkeitserklärung Ludwigs XIV. im September 1651 sollte an die Pflichten der Untertanen, die Bedeutung des Königs und die bisherigen Erfolge der Königin erinnert werden798 . Abgesehen von einer solchen propagandistischen Förderung stellte sich Anna von Österreich in eine Reihe mit Vertretern des Adels und anderen Königinnen, die die Literatur als solche gefördert haben799 . Sie hatte etwa Paul Scarron800 , Vincent Voiture801 , Jean Mairet802 oder Marie de Gournay803 jeweils eine Pension zuerkannt. Weniger Erfolg hatte Pierre Corneille. Er widmete ihr die 1643 erschienene christliche Tragödie »Polyeucte«, offenbar in der Hoffnung auf Förderung und nicht ohne den religiösen Charakter des Themas hervor794

795

796 797 798 799 800 801 802 803

P, V, Journal, S. 368f., Eintrag v. 03.12.1657: »[La reine] n’a iamais fait mourir aucun de ceux qui ont mal parlé d’elle: aussi si elle l’eust voulu faire, elle auroit estendu sa vengeance sur une bonne partie de cette ville et de ce royaume où pendant sa régence et mesme après on a escrit et chanté d’estranges choses d’elle et du cardinal«. C, Lettres, Bd. 1, S. 276, Brief v. Mazarin an Colbert (s.d. [Juli 1657]): »[Parlez] fortement à toutes les personnes qu’il faudra pour faire la guerre aux imprimeurs et pour tascher de punir quelqu’un de ces faiseurs de libelles; car autrement cette escarmouche durera longtemps, et il n’y a rien qui débauche tant les esprits que ces écrits factieux«. A, Histoire de la littérature française, Bd. 3, S. 44f. Siehe F, Les cérémonies, S. 224; M, Les précieuses, S. 345f. F, Les cérémonies, S. 52–55. G, De l’influence des femmes, bes. S. 25f., 44, 55, 75–77. D  R, Mémoires, Bd. 6, S. 344. Siehe Alain G, Poétique du loisir mondain, de Voiture à La Fontaine, Paris 1997, S. 75. Eugène A, Notice sur Vincent Voiture, Paris 1855, S. 10. Vgl. M, Mémoires, Bd. 1, S. 235f. D  R, Mémoires, Bd. 6, S. 260f. Sie widmete der Königin ihre Schrift »Égalité des hommes et des femmes« (1622). Siehe Renate K, Marie de Gournay (1565–1645), in: B, Z (Hg.), Französische Frauen der Frühen Neuzeit, S. 127–142, hier S. 133.

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2. Herrschaft und Repräsentation

zuheben, der eine Königin wie Anna von Österreich besonders ansprechen würde. Corneille hatte sich, um ihre Vergebung für die lange Zeit bittend, in der er ihr nichts gewidmet hatte, damit entschuldigt, dass erst dieses Thema ihrer würdig sei804 . Jahre später huldigte er ihr abermals im Prolog seiner 1660 erschienenen Tragödie »La Conquête de la Toison d’or«805 . Eine Pension blieb zwar aus, aber er stand nach wir vor in regem Kontakt mit der Königin, die ihn animierte, weitere Kapitel des Werkes »De imitatione Christi«806 ins Französische zu übersetzen und herauszugeben807 . Im Gegensatz dazu war Suzanne de Nervèze mehr Glück beschieden. Aufgrund ihrer Elogen, gerade während der Fronde808 , erwies sie sich der Patronage der Königin und Mazarins als besonders würdig809 . Das galt ebenso für den Dichter Isaac de Benserade810 . Das beste Beispiel ist sein 1653 zur Aufführung gebrachtes »Ballet royal de la nuit«; in dieser »allegorischen Verherrlichung des Endes der Fronde«811 stand der König im Vordergrund, aber Benserade pries auch die Königin und ihren Sieg über die Feinde der Krone812 . 804

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C, Œuvres: Polyeucte – À la Reine Régente, S. 289. Diese Begründung war jedoch nur eine Schutzbehauptung. Er hatte »Polyeucte« vermutlich zwischen 1637 und 1641 verfasst, aber erst 1643 in den Druck gebracht. Ursprünglich wollte er das Stück nämlich Ludwig XIII. widmen; da dieser aber im Mai 1643 gestorben und die Drucklegung erst im Oktober abgeschlossen war, nutzte Corneille die Gelegenheit, um sich nun bei der neuen Inhaberin der Macht beliebt zu machen. Siehe N, Corneille et Anne d’Autriche, S. 190. C, Œuvres: La Conquête de la Toison d’or, S. 594, Prolog, Sz. III, V. 89–93. Seine folgenden Stücke waren dann bereits den neuen Zeitumständen angepasst: »Othon« (1664), »Agésilas« (1666) und »Attila« (1667) verherrlichen allesamt Ludwig XIV. Vgl. N, Corneille et Anne d’Autriche, S. 194. Thomas von K, De imitatione Christi [1418], hg. v. Fernand M, Paris 1936. Es handelt sich um ein Andachtsbuch zur Orientierung für ein christliches Leben. Siehe A, Histoire de la littérature française, Bd. 4, S. 201; C, Œuvres, S. 905. Siehe etwa Suzanne de N, Discours héroïque présenté à la Reyne régente, pour la paix, Paris 1649; D., Le plus heureux jour de l’année, par le retour de Leurs Majestés dans leur bonne ville de Paris, Paris 1649; D., Le Te Deum des dames de la cour et de la ville en action des grâces de la paix et l’heureuse arrivée de LL. MM. dans leur bonne ville de Paris. Présentée à la Reyne, Paris 1649. M, Les précieuses, S. 703. Schon 1644 hatte sie ein Loblied auf die Tugend der Königin gesungen. Siehe N, Les generevx movvemens: Epistre, s.p. [A], Nouveau siècle de Louis XIV, Bd. 1, S. 11f. Die Pension belief sich auf 1000 Écus, also ca. 3000 l.t., während Richelieu ihm einst 600 l.t. gezahlt hatte. Siehe Charles I. S, Benserade and his »Ballets de Cour«, Baltimore 1940, S. 46f., 97–100. Georgia C. C, The Triumph of Pleasures. Louis XIV and the Politics of Spectacle, Chicago 2008, S. 19. Isaac de B, Ballet Royal »De la Nuict«. Diuisée en quatre Parties, ou quatre Veilles. Et dansé par sa Majesté le 23. Féurier 1653, Paris 1653: Ouverture – Récit – ›Les Heures‹, hier S. 2f.: »Vous [= die Nacht] poussez le Soleil à bout, / Et vous pourriez regner par tout; / Mais vne Reine & ses Vertus celebres / Détruisent vos tenebres: / Son diuin lustre efface vos flambeaux, / De tous les yeux sont les plus beaux, / Et de toutes les mains ses mains sont les premieres: / Nuict, pouuez-vous durer parmy tant de lumieres?« [Hervorh. im Orig.].

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

177

Vor allem der Fall von Corneille macht aber noch einmal sehr gut deutlich, dass die Königin nicht immer zwangsläufig die Initiative ergreifen musste. Mit ihrem Machtantritt setzte sich von selbst eine Propagandamaschinerie im literarischen Milieu in Gang, weil viele Autoren hofften, durch bestimmte Sujets oder Verweise auf die Regentin auf sich aufmerksam zu machen und eine entsprechende Unterstützung von ihr zu erfahren813 . Es entstanden etwa Werke, die sich mit weiblicher Herrschaft auseinandersetzten und ein breites Publikum erreichten814 . Der Abbé d’Aubignac thematisierte zum Beispiel 1647 in dem Stück »Zénobie«, das ein großer Erfolg am Hofe und in Paris wurde, die Fähigkeit der Frau zum Regieren815 . Andere Autoren, wie Gillet de La Tessonerie mit »Sigismond« (1646)816 oder Gabriel Gilbert mit »Sémiramis« (1647)817 , verfolgten in ihren Stücken ähnliche Intentionen. Ein anderes beliebtes Mittel, die Aufmerksamkeit der Königin zu gewinnen oder Dankbarkeit für bereits erwiesene Gefälligkeiten zu demonstrieren, waren Widmungsbriefe818 in Elogen auf sie, in Lobschriften auf Frauen im Allgemeinen oder in religiösen Traktaten und Ratgebern819 . Einige Schriftsteller wiesen zudem noch explizit darauf hin, dass die Königin das jeweilige Buch ebenfalls las, um das Prestige des Werkes zusätzlich zu erhöhen820 . 813 814

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Siehe M, Woman Triumphant, S. 240f., 268. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 155, 186. Vgl. dazu Maurice B, The Stateswoman in Seventeenth-Century French Tragedy, in: Modern Language Notes 53/5 (1938), S. 319–327; M, Woman Triumphant, S. 192f. François Hédelin d’A, Zénobie, tragédie, Paris 1647, bes. S. 90–102, Akt IV, Sz. III. Siehe V, La France, les femmes et le pouvoir, Bd. 2, S. 172f. Gillet de L T, Sigismond, dvc de Varsav, tragi-comédie dédiée à la Reyne, Paris 1646, S. 99–102, Akt V, Sz. I. Gabriel G, Sémiramis, tragédie, Paris 1647, S. 114f., Akt V, Sz. IV. Vgl. Jean-Philippe B, Hannah F, »Les interests du sexe«: dédicataires féminins et réseaux de sociabilité chez Marie de Gournay, in: Renaissance et Réforme 28/1 (2004), S. 47–59, hier S. 50f.; Yves D, Clientèles et fidélités dans les temps et dans l’espace, in: D. (Hg.), Hommage à Roland Mousnier, S. 3–24, hier S. 6. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 198–200. Siehe z. B. (in chronologischer Reihenfolge): [A], La femme genereuse (1643); Jean G, IIII. livres de l’imitation de Iesvs Christ, Paris 1643; Nicolas L’E, Les Felicités de la France, Paris 1643; C, Apologie povr les Religieux (1644); D B, Le Prince sçavant. À la Reyne Regente, Paris 1644; H, Panegyricus Annae Avstriacae (1644); N, Les generevx movvemens (1644); Sébastien de S, Epistres morales, Troyes 1645; C, Les Éloges et les vies des Reynes (Bd. 1, 1647); L M, La Gallerie des Femmes fortes (1647); S-G, Le Mérite des dames (1655). Vgl. auch H, The Language of Fidelity, S. 18; M, Woman Triumphant, S. 76f.; M, Les précieuses, S. 351–357; Z-D, The Gift, S. 36f., 77;  K, Catherine de Médicis, S. 21. Siehe z. B. BMAZ, Mss., Ms. 1261, C, Le triomphe de l’Amour Diuin en la mort De Jesus Christ et L’ame penitente au pied de la Croix De Iesus Christ. À la Reyne Regente (s.d.), fol. 1r–163v, hier fol. 3r–3v; G, IIII. livres de l’imitation de Iesvs Christ: Epistre, s.p.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Abbildung 11: Frontispiz aus »Le Portrait de la Reyne« von Jean Puget de la Serre (1644).

Ihre machtvolle Stellung ließ sie somit für viele Schriftsteller als potentielle Gönnerin interessant erscheinen. Es ist bereits erwähnt worden, dass in diesem Zusammenhang der Vergleich zwischen Anna von Österreich (und Ludwig XIV.) und der mittelalterlichen Königin Blanka von Kastilien (und Ludwig IX.)821 besonders beliebt war822 . Gleiches galt für Puget de la Serres Buch über bedeutende Frauen mit dem Vornamen Anna823 . Wie Nathan 821

822 823

Charles de Combault d’A, Blanche Infante de Castille, mere de St. Lovis, Reyne et Regente de France, Paris 1644: Epistre, s.p. Das Buch war Anna von Österreich gewidmet. Nathan E, Attitudes of Seventeenth-Century France towards the Middle Ages, New York 1946, S. 237, vgl. auch ibid., S. 85f. P   S, L’Histoire des impératrices, passim. Vgl. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 9–11; Jean Desmarets de S-S, Les ievx de cartes des roys de France, des reines renommées, de la géographie et des fables, Paris 1664; V, Oraison, S. 17f.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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Edelman aber zu Recht anmerkt, hatte dieses Vorgehen nur dann Erfolg, wenn das Renommee – wie im Fall von Blanka von Kastilien – der jeweiligen Person immer noch allgemein anerkannt war und sie einen Vorbildcharakter genoss824 . Durch die Stilisierung der Tugenden wurden die Frauen ihrem jeweiligen historischen Kontext entrückt und einem Zustand der Überzeitlichkeit zugeführt, sodass sie, um Bettina Baumgärtels These zuzustimmen, der allgemeingültigen Erwartungshaltung an die Frauen entsprachen825 . Grundsätzlich dienten solche Bücher dazu, dem Leser den Vorbildcharakter und die Perfektion der Königin vor Augen zu führen826 . Einen Höhepunkt bildete ohne Zweifel Puget de la Serres »Portrait de la Reyne« (1644), dessen Frontispiz Anna von Österreich in einen Spiegel blickend zeigt, den eine Tugendpersonifikation hält827 (Abb. 11). Darüber hinaus gibt es noch weitere Belege dafür, dass Anna von Österreich aktiv Propaganda in eigener Sache betrieben hat. Ein erster Ansatz dazu findet sich bereits in den 1620er Jahren. Nach dem Tod der Äbtissin Marguerite de Véni d’Arbouze verfasste der im Haushalt der Königin als Prediger beschäftigte Jacques Ferraige 1628 ein Buch über sie828 . Auf dem Titelkupfer des Buches ist die Königin mit der Äbtissin kniend an einem Altar dargestellt829 . Die Gleichsetzung der Königin mit einer ehrwürdigen Äbtissin war eine gelungene Propagandaschau. Und auch im Fall der Memoiren von Mme de Motteville war die Königin zuvor von dem Projekt unterrichtet worden und billigte es ausdrücklich830 .

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E, Attitudes of Seventeenth-Century France, S. 86f. B, Die Tugendheldin, S. 142. Vgl. D, Iconographie des quatre vertus cardinales, S. 54: »Le miroir est une espèce de livre où l’âme humaine apprend à se voir, comme le livre est une sorte de miroir où elle apprend à se connaître«. P   S, Le Portrait de la Reyne: Frontispice, s.p. Siehe M, Divers portraits: Portrait de la Reyne, par Madame la Comtesse de Brienne la mere, S. 226: »[E]lle est seule semblable à elle-mesme«; O, Oraison, S. 25f. Jean-Claude P, Patrimoine littéraire européen. Anthologie en langue française, Bd. 13, Brüssel 2000, S. 377, (Art.) »Ferraige (Jacques)«. Im Übrigen fungierte Ferraige zu Lebzeiten von Marguerite d’Arbouze auch als deren spiritueller Führer und Berater bei der Reform des Klosters Val-de-Grâce. Jacques F, La vie admirable, et digne d’vne fidele imitation, de la B. Mère Margverite d’Arbovze, ditte de Saincte Gertrvde. Dediee a sa Maiesté, Paris 1628: Epistre, s.p. Zugleich war das Buch ein Zeichen des Dankes für die Wohltaten der Königin gegenüber dem Benediktinerorden, dem sowohl Ferraige als auch die Nonnen in Val-deGrâce angehörten. M, Mémoires: Préface, Bd. 1, s.p. Siehe auch Françoise W, Le moi et l’histoire dans les »Mémoires« de Mme de Motteville, Mme de Guette et Mlle de Montpensier, in: Papers on French Seventeenth-Century Literature 18/34 (1991), S. 141–156, hier S. 143, 145; Oliver M, »Rien n’est permanent sous le ciel«. Mme de Motteville am französischen Hof (1622–1666), in: Zeitsprünge 18/3 (2014), S. 257–312, hier S. 286–289, 310f.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Um ihre Frömmigkeit zusätzlich zu unterstreichen, ließ die Königin außerdem 1644 ein Gebetbuch veröffentlichen, mit dem sie abermals verdeutlichen wollte, dass sie im Alltag stets dem Dienst an Gott oberste Priorität einräumte831 . Die Königin hatte auch die Nonne Marguerite Parigot du SaintSacrement vom Karmelitinnenorden in Beaune verehrt, die durch ihren Lebenswandel, Visionen und die Prophezeiung, die Königin würde einen Thronfolger gebären, bekannt geworden war832 . Das Buch, das ihren Lebensweg nachzeichnet, ist der Königin gewidmet und ging ebenfalls auf deren direkte Initiative zurück833 . Ein weiteres Beispiel stellt der schon erwähnte Orden des Collier céleste du Saint-Rosaire dar. Sie gab dem Dominikanermönch François Arnoul den Auftrag, ein Buch über den Orden zu veröffentlichen, den sie mit den Ritterorden gleichgesetzt wissen wollte834 : Car comme les Roys ont instituez des Ordres de Cheuallerie, pour estre assistez dans les combats de leurs plus fidelles & genereux sujets, & pour les rendre compagnons de la gloire de leurs victoires, [. . . ] sa Majesté a voulu (à leur exemple) eriger l’Ordre tres-Auguste de ses cinquantes Filles deuotes du Cordon celeste, [. . . ] afin que combattant sous les Estandarts de vostre pieté de ces armes spirituelles les ennemis inuisible[s] de cette Monarchie835 .

Diese thematische Aufbereitung in Arnouls Buch diente also nicht so sehr der Verbreitung des Ruhmes des Ordens als vielmehr dem der Königin. Das Frontispiz soll ihre Demut belegen und aufzeigen, dass ihr der Glauben wichtiger war als jedwede irdische Macht: Anna von Österreich ist dem Betrachter zugewandt, ihre Hände sind zum Gebet gefaltet und halten einen Rosenkranz, die Jungfrau Maria reicht aus einer Wolke das Ordensband und legt es ihr um den Hals, zu Füßen der Königin ruht ihre Krone auf einem Kissen836 . Die Verbindung von Schrift und Bild war eine willkommene Möglichkeit, dem Leser bereits zu Beginn die Aussageabsicht des ganzen Werkes mittels

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Jean-Jospeh de L, Les Heures et prieres de la reyne tres-chrétienne, Anne d’Austriche, regente en France. Données au public du commandement de Sa Maiesté, Paris 1644. Vgl. Jill B, »zu meinem und aller dehrer die sich’s gebrauchen wollen, nutzen, trost undt frommen«. Lektüre, Schrift und Gebet im Leben der fürstlichen Witwen in der Frühen Neuzeit, in: Martina S (Hg.), Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, Leipzig 2003, S. 303–320. Denis A, La vie de sœvr Margverite dv S. Sacrement, religievse carmelite dv monastere de Beaune, Paris 1654, bes. S. 257–263, 558–565. Ibid.: Ivgement de Monseignevr l’Euesque d’Autun (s.d.), s.p. Siehe auch BNF, Mss., Fonds français 3922, Brief v. Anna von Österreich an Louis II. Doni d’Attichy, Bischof von Autun (23.08.1653), fol. 45v–46r. A, Institution de l’ordre dv Collier celeste, S. 222. Ibid.: Epistre, s.p. So wurden die eroberten Standarten feindlicher Heere immer wieder quasi als Opfer an den Altären in den verschiedenen Kirchen des Landes dargebracht. Ibid.: Frontispice, s.p. Darunter ist zu lesen: »Commerce de grande valeur, / Gage d’insigne pieté / La Vierge presente sa fleur / Et la Reyne sa Royauté«.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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Abbildung 12: Frontispiz aus »La Gallerie des Femmes fortes« von Pierre Le Moyne (1663).

einer entsprechenden Darstellung zu vermitteln837 . So hat etwa Le Moyne die Königin auf dem Titelbild seiner »Gallerie des Femmes fortes« verewigen lassen (Abb. 12). Ein anderes gutes Beispiel ist Puget de la Serres schon erwähntes Werk »L’Histoire des impératrices«: Im Zentrum des Titelkupfers (Abb. 13) ist die Göttin Minerva auf einem Sockel zu sehen mit Helm, Schwert und einem Schild, auf dem das Konterfei der Königin zu erkennen ist838 . Dies war eine 837

838

Vgl. Sébastien de S, Seconde Partie dv Flambeav dv Ivste ou se voyent ses rudes Aduersitez, ses vertus sublimes et sa Paix Inesbranlable, Paris 1643: Frontispice, s.p.: Der König befindet sich in der Bildmitte und erhält von einem Heiligen die Fackel; Anna von Österreich steht in Nonnenkleidung hinter ihm. Derval C, In the Beginning was the Image: Feminist Iconography and the Frontispiece in the 1640s, in: Seventeenth-Century French Studies 23 (2001), S. 27–42, hier S. 31f.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Abbildung 13: Frontispiz aus »Histoire des impératrices, des reynes et des illustres princesses« von Jean Puget de la Serre (1648).

ungemein hohe Lobpreisung. Üblicherweise war auf dem Schild der Göttin das Gorgonenhaupt abgebildet, dessen grauenhafter Anblick jeden Angreifer abschrecken sollte. In ihrer Funktion als Beschützerin der Tugend trug Minerva nun das Bildnis der Königin auf ihrem Schild, womit symbolisch ausgedrückt werden sollte, dass deren Tugendhaftigkeit derart stark war, dass Minerva jeden Gegner ohne Weiteres abzuwehren vermochte839 . Und anläss-

839

Siehe auch B, Zum Bilderstreit um die Frau, S. 156f.; N, Regentinnen, S. 102f.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

183

lich der Krönung Ludwigs XIV. gab es einige Jahre später erneut eine ähnliche Darstellung (Abb. 14)840 . Während der Fronde entstanden ebenfalls zahlreiche Lobeshymnen auf die Königin als Antwort auf die vielen kritischen Pamphlete. Es ist ungewiss, ob und inwieweit die Königin auch hier als Auftraggeberin in Frage kommt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass sie einige der Projekte absegnete oder zumindest Kenntnis von ihnen hatte, wie im Fall eines Werkes von Nicolas L’Escalopier, der als Almosenier im Haushalt Ludwigs XIV. diente und daher Zugang zur Königin hatte; in seiner Schrift verteidigte er die Königin, hob ihre Verdienste für Frankreich hervor und forderte den ihr gebührenden Gehorsam seitens der Untertanen als elementaren Ordnungsfaktor des Staates ein841 . Abgesehen von gedruckten Werken nutzte die Königin natürlich noch andere bildliche Darstellungsformen, wie Malerei, Drucke, Kupferstiche oder Münzen, da diese eine leicht verständliche und ein großes Publikum erreichende Wirkung entfalten konnten842 . Gerade die Bedeutung von mit religiösen Anspielungen und Motiven unterlegten Sujets, wie zum Beispiel Porträts, auf denen die Königin in schlichter, nonnenhafter Kleidung dargestellt wurde, sollten nicht unterschätzt werden, da derartige Bilder doch stets dazu beigetragen haben, das Bild, das sich Zeitgenossen und Nachwelt von einer Fürstin machen, entscheidend zu prägen843 . Überdies erfüllten solche Darstellungen zugleich eine wichtige politische Aussageabsicht durch den Hinweis, ihre Machtfunktion allein in den Dienst des Reiches und ihres Sohnes zu stellen, sich dabei aber ganz von ihrem Gottvertrauen leiten zu lassen. Daher verwundert es nicht, dass Anna von Österreich im Gegensatz zu Maria von Medici oder Christine von Schweden auf Reiterporträts eher verzichtete844 . Eine solch offensive Zurschaustellung weiblichen Macht- und Selbstbewusstseins – als Pendant zu den männlichen Herrschaftsporträts – wäre ihrer Intention diametral entgegengelaufen. Nicht minder wichtig war deshalb die Einbindung des Königs bzw. der königlichen Familie und die Zurschaustellung von deren Frömmigkeit. 840

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Nicolas L’E, Dovze tableavx dv Roy tres-chrestien Lovis XIV. Avgvste, de la Reine Anne d’Avtriche, de Monsievr frere vniqve dv Roy, Philippes dvc d’Aniov, de l’Eminentissime Cardinal Ivles Mazarin, exposez svr des arcs de triomphe, Apres le Sacre de sa Maiesté, Paris 1655, s.p. Die Bildunterschrift lautet: »C’est vostre Pieté qui vous rend Inuincible«. D., Les Felicités de la France, S. 21–28. Einen Überblick zur Entwicklungsgeschichte und Aussageabsicht der Porträts der Königin bietet Barbara G, Les portraits d’Anne d’Autriche. L’image royale au service de la politique, in: G (Hg.), Anne d’Autriche, S. 209–241, bes. S. 227–239. Siehe auch C, Perilous Performances, S. 103. Vgl. etwa Allison L, Imposing Pictures. Widow Portraiture as Memorial Strategy in Early Modern Florence, in: S (Hg.), Witwenschaft in der Frühen Neuzeit, S. 321–344. Siehe dazu B, Zum Bilderstreit um die Frau, S. 153f.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Abbildung 14: Kupferstich aus »Dovze tableavx dv Roy tres-chrestien Lovis XIV« von Nicolas L’Escalopier (1655).

Dazu zählt etwa das Bild »La Présentation d’Anne d’Autriche, de Louis XIV et Philippe d’Orléans à la Sainte Trinité par Saint Benoît et Sainte Scholastique«, das für die Gemächer der Königin in Val-de-Grâce gestaltet wurde845 .

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Dieses Bild ziert auch den Buchdeckel dieser Studie. Siehe A, Der Tod der Königin, S. 40; B, L’iconographie, Bd. 2, S. 276.

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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Abbildung 15: »Louis XIV dédie sa couronne et son sceptre à Sainte Vierge Marie en présence de sa mère et de son frère«, Gemälde von Philippe de Champaigne (um 1650).

Zudem vernachlässigte die Königin auch nicht konkrete machtpolitische Aussagen, wie auf den schon erwähnten Gemälden in ihren Repräsentationsräumen im Louvre. Raum für politische Propaganda bot auch die Krönung Ludwigs XIV. im Jahr 1654 (Abb. 15)846 . Zu diesem Anlass wurden zwölf Bil846

Vgl. C, Mémoires, Bd. 2, S. 288, Eintrag v. 07.06.1654: »Je vis aussy la Reine, sa mère, en ce point du sacre, tendre les mains et les yeux au ciel par action de grace que Dieu luy faisoit de voir sacrer son filz, nonobstant tous les obstacles qui luy ont esté apportez, et que dans Paris des factieux disoient haultement que le sacre estoit inutile«.

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2. Herrschaft und Repräsentation

der mit emblematischen Motiven angefertigt847 . Eine der Darstellungen zu Ehren der Königin zeigt eine Hand, die einen Schiffsanker hält, der mit seiner Spitze einen von Sturm und Wellen gepeitschten Felsen mitten im Meer berührt; die darunter liegende Inschrift besagt mit Rückblick auf die Unruhen im Land: »Sous la faveur du Ciel je me ris des tempêtes«848 (Abb. 16). Die Motivwahl unterstreicht die Intention, dass Gott die Monarchie schütze und dass jede Erhebung gegen diese Ordnung zum Scheitern verurteilt sei, zumal eine Regentin an der Macht war, die so entschlossen für die Sache ihres Sohnes eintrat und sich dank ihrer Gebete und Gottesfürchtigkeit stets auf die himmlische Führung verlassen konnte. Ein weiteres Propagandainstrument waren Kupferstiche und Medaillen849 . Es ist darauf hingewiesen worden, dass Medaillen etwa anlässlich des Beginns und des Endes der Regentschaft oder bei der Grundsteinlegung von Val-deGrâce geprägt worden waren. Louis Marin bezeichnet sie auch als »königliche Hostien«850 , weil sie aufgrund der Beständigkeit des Materials eine große Nachwirkung entfalteten und durch die hohe Prägezahl ein großes Publikum erreichten. Schon der Gelehrte Pierre Antoine de Rascas de Bagarris hatte sich erfolgreich bei Heinrich IV. dafür eingesetzt, Medaillen verstärkt als Propagandamittel der Krone zu nutzen, weil sie dem dauerhaften Ruhm eines Fürsten besonders zuträglich seien851 . Auch auf den zahlreichen Kupferstichen von Anna von Österreich überwogen Motive mit religiösen Sujets: Vor allem zu Beginn der Regentschaft sollten sie veranschaulichen, dass die Königin als Stütze des Königs agierte, weshalb sie auf Darstellungen meist sehr schlicht gekleidet war und sich hinter oder versetzt neben ihm befand, während der junge Monarch die Mitte dominierte und in vollem Herrschaftsornat zu sehen war (Abb. 17)852 . 847 848

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L’E, Dovze tableavx. Vgl. dazu Alison S, The Seventeenth-Century French Emblem. A Study in Diversity, Genf 2000, S. 247–304. L’E, Dovze tableavx, S. 8 u. 10: »[L]es flots representent les peuples, ainsi que par l’Escriture Sainte, & que leurs mouuemens sont aussi incertains & dangereux que ceux des eaux irritees [. . . ], la Monarchie comme le rocher, peut estre agitee par le sousleuement des peuples; mais l’anchre qui est l’authorité Royalle que de Dieu establit dans les personnes sacrees, est soustenuë de la mesme main de Dieu«. Auch C, Devises, S. 78–84, führt eine ähnliche Devise unter dem Titel »Batuë non pas abatuë« an, zu der ein Felsen im stürmischen Meer dargestellt ist. Kupferstiche als mediales Instrument zur Betonung der eigenen Frömmigkeit spielten bereits unter Ludwig XIII. eine maßgebliche Rolle. Siehe dazu M, Le Val-de-Grâce, S. 27. M, Das Porträt des Königs, S. 197–224, hier S. 207. Pierre Antoine de R  B, Discovrs qvi monstre la necessite de restablir l’vsage tres-ancien des parfaites Medailles, dans toutes les Monoyes (1602), in: D. (Hg.), La necessité de l’vsage des medailles dans les monoyes, Paris 1611, S. 9–26, hier S. 14. BNF, Mss., Clairambault 1235, Portraits gravés de Louis XIV et d’Anne d’Autriche (s.d. [1641–1654]), fol. 8r–10r, 14r–19r, 22r–25r, 28r–30r, 36r, 38r, 39r, 46r, 48r, 49r, 70r–75r, 108r–109r, hier bes. fol. 15r, 16r, 19r. Siehe dazu B, Louis XIV, S. 49; C,

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Abbildung 16: Kupferstich aus »Dovze tableavx dv Roy tres-chrestien Lovis XIV« von Nicolas L’Escalopier (1655).

Um diese Aussageabsicht endgültig zu festigen, waren zusätzlich noch entsprechende Titel- und Textzeilen unter der Abbildung eingefügt worden. Erst hier trat Anna von Österreich deutlicher als vorbildliche Königin in Erscheinung, weil sie sich bei ihrer Regentschaft immer auch auf die spirituelle Führung der Mutter Gottes verließ853 . Die Intention bestand darin, der Öf-

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Pietas Austriaca, S. 45–47; C, Perilous Performances, S. 109; G, La Hyres »Autorité«, S. 182–184; V, Les cérémonies, S. 376–378. Ein Kupferstich trägt etwa den Titel: »Le dépot de la Régence du Royaume de France fait par la Reine Mère Régente entre les mains de la Reine de Paix Mère de Dieu«, zit. n. BNF, Mss., Clairambault 1235, Portraits gravés de Louis XIV et d’Anne d’Autriche, fol. 16r.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Abbildung 17: »Portrait gravé de Louis XIV et d’Anne d’Autriche«, anonymer Kupferstich (um 1643).

fentlichkeit zu demonstrieren, dass der König auch während der Regentschaft und in Bezug auf die Würde des Amtes der Souverän war und blieb, während seine Mutter die eigentliche Macht ausübte854 . Der Marienverehrung kam hier ein hoher Stellenwert zu855 . Die Mutter-Kind-Thematik ermöglichte eine Assoziation zwischen Anna von Österreich und Ludwig XIV. mit der Jungfrau Maria und Christus – ob nun im architektonischen Raum, wie in Val-de-Grâce, oder eben auf bildlichen Darstellungen. Daneben gab es natürlich noch konkretere politische Darstellungen. Anlässlich des Pyrenäenfriedens gab die Königin etwa 1661 einen Kupferstich mit dem Titel »Almanach de la cour« in Auftrag (Abb. 18). Sie befindet sich darauf zwar wieder in diskreter Pose hinter dem König, der Widmungstext, der ihre bedeutende Initiative herausstellt, lässt jedoch keinen Zweifel daran aufkommen, dass ihr dieser Friede zu verdanken ist856 . 854 855 856

B, Louis XIV, S. 49; C, Perilous Performances, S. 109; G, La Hyres »Autorité«, S. 184. Siehe C, Pietas Austriaca, S. 45–47; V, Les cérémonies, S. 376–378. BNF, Estampes et photographie, Qb 5, Coll. Histoire de France, Série 2 (1661–1675), Bd. 2, Almanach de la cour (1661), s.p.: »Dedié a Nostre grande et Auguste Reyne Anne d’Austriche [. . . ] qui contient l’Vnion de la France et de l’Espagne, [. . . ] Accordée aux

2.3 »Mère du peuple«: Sein und Schein moralischer Vollkommenheit

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Indem Anna von Österreich dem König vor und während der Fronde, nach der Regentschaft, beim Friedensschluss mit Spanien und darüber hinaus als Ratgeberin zur Seite stand und ihn auf Reisen begleitete, wurde sein Ruhm auch zu ihrem857 . Damit stellte sich zugleich ein bedeutsamer Wandel ein: Noch zu Beginn der Regentschaft wurde Blanka von Kastilien von vielen als Prototyp einer idealen Mutter, Königin und Regentin angesehen858 . Inzwischen trat Anna von Österreich an ihre Stelle und nahm nun selbst diese Vorbildfunktion859 ein – ein Vorbild, das zugleich neue Maßstäbe setzte, weil es unerreicht zu sein schien860 . Denn durch ihr umsichtiges Verhalten und Auftreten habe sie, so etwa der Geistliche Michel Félibien, nicht nur eine Modellfunktion für künftige Königinnen eingenommen, sondern das Amt der Königin schlechthin geehrt861 . Der Königin zu unterstellen, sie hätte keinerlei Interesse für Literatur und Kunst an den Tag gelegt, wie Ruth Kleinman behauptet, ist somit falsch862 . Gleichwohl kann aber auch nicht von einer umfassenden »Begünstigung der Kunst« die Rede sein, wie schon Leopold von Ranke zu Recht konstatiert hat863 . Anna von Österreich wusste aber die ihr zur Verfügung stehenden Propagandainstrumente gekonnt zu nutzen, damit so viele Menschen wie möglich von ihrem Engagement für Land und Volk erfuhren. Überdies konnte sie sich auch auf die Eigendynamik der Mundpropaganda verlassen. Vor allem die Geistlichen waren dabei sehr nützlich. Da die Königin gezielt Ordensgemeinschaften und Kirchen überall im Land förderte, konnte sie davon

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vœux de Nostre Inuincible Monarque et de Nostre Pieuse Reyne, Moyennée par son Eminence et par Don Louis d’Aro [. . . ]. [L]e tout offert et Presenté a [sic] la Reyne, en suite de ses Ordres«. Siehe dazu Roger-Armand W, Inventaire du fonds français, graveurs du XVIIe siècle, Bd. 5, Paris 1968, S. 615, (Art.) »Joron (La Vve)«. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 45. Zu diesem Schluss kommt auch Jacques B, Oraison fvnebre d’Anne d’Avstriche, Paris 1666, S. 20: »[E]n remettant le Sceptre entre les mains de son fils, elle se reserue le soin d’en acheuer la gloire, & de joindre l’oliue à ses lauriers, & à ces lys dont elle l’auoit orné«. O, Oraison: Epistre, s.p.; V, Oraison, S. 7. Vgl. N, Regentinnen, S. 100. BNF, Mss., Clairambault 1093, Flugblatt zum Tod von Anna von Österreich, fol. 157r: »Anne d’Avstriche Reine de France, l’exemple eternel de toutes les Reines à venir« [Hervorh. im Orig.]. C, Devises, S. 328, vergleicht die Königin mit einer Perle, weil sie nur sich selbst gleiche und somit für andere Menschen zwar ein nachahmenswertes Vorbild sei, letztlich aber unerreicht bleibe. Siehe auch ibid., S. 332: »Anne d’Austriche est la Perle des Reynes comme la Perle est la Reyne des pierres & nous pouvons dire encore qu’Elle est la Reyne entre les Perles, non pas parce qu’Elle n’a point de pareille qui est vn droit commun à toutes les Perles, mais parce qu’Elle comprend en Elle seule tous les avantages que chaque Perle possede en son propre«. Michel F, Histoire de l’abbaye royale de Saint-Denys en France, Paris 1706, S. 504f. Siehe auch B, Oraison, S. 3f.; F, Oraison, S. 4; F, La Reyne tres-chrestienne, S. 8. K, Facing Cancer, S. 38. R, Französische Geschichte, Bd. 2, S. 111.

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2. Herrschaft und Repräsentation

Abbildung 18: »Almanach de la Cour«, anonymer Kupferstich (1661).

2.4 Resümee: Der schmale Grat zwischen Aufrichtigkeit und Bigotterie

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ausgehen, wohlwollend in den Gottesdiensten Erwähnung zu finden. Neben dem Einsatz von Druckschriften und bildlichen Darstellungsformen war das eine weitere und zugleich ebenso effektive wie kostengünstige Möglichkeit der Imagepflege.

2.4 Resümee: Der schmale Grat zwischen Aufrichtigkeit und Bigotterie Le Cedre Ie soutie[n]s ma grandeur da[n]s la Sphere des Cieux Et par vn soin misterieux Ie m’éleue d’effort au dessus du bas Monde Ie porte en ce lieu là tous mes plus purs esprits Et ma racine plus profonde Me redonne en hauteur plus qu’elle ne m’a pris864 .

Zu Beginn der 1660er Jahre verfasste eine der Hofdamen der Königin ein literarisches Porträt über ihre Herrin, wonach deren Frömmigkeit so groß sei, dass es den Anschein habe, sie trete vor Gott als Fürsprecherin ihres ganzen Volkes auf865 . Und in einem anderen Porträt heißt es: Elle est magnifique, sans luxe, & fait gloire de son origine et de son alliance. Elle à [sic] une pieté exemplaire, & ses devotions frequentes ne s’entent rien d’affecté ny de sévère, Elle monstre sa vertu sans deguisement, & prend plaisir à faire du bien de la bonne sorte, afin d’attirer tout le monde à la vertu par son exemple866 .

Zwar konnte (und sollte) die damit einhergehende Schmeichelei nie ganz vermieden werden, aber, wie in diesem Fall, erfüllten die Porträts den an sie gerichteten Anspruch, nämlich das Wesen einer Person so getreu wie möglich wiederzugeben867 . Anders als von Paul Ganter behauptet, erlaubte es die auf diese Weise zustande gekommene »Nebeneinanderstellung von Einzelzügen« sehr wohl, der hohen Erwartung an die physische und charakterliche Vollkommenheit der porträtierten Person gerecht zu werden868 . Auf diese Weise 864 865 866

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C, Devises, S. 10. M, Recveil des portraits: Portrait de la Reyne par Madame la contesse de Bregy, S. 37. [A], Les Pourtraicts de la cour, S. 28f. Vgl. [A], Les portraits de la cour – Le caractère ou le portrait de la Reine mère (s.d.), in: D (Hg.), Archives curieuses, Bd. 8, S. 381–383, hier S. 383. Siehe dazu Jean-Daniel L, Les techniques du portrait dans le »Recueil des portraits et éloges« de 1659, in: Cahiers de l’Association internationale des études françaises 18 (1966), S. 139–148, hier S. 142f. G, Das literarische Porträt, S. 30f. Vgl. P   S, Le portrait de la Reyne: Préface, s.p.: »Elle peut ce me semble arrester innocent les yeux sur cét [sic] ouurage, de méme que sur vn miroir, puis qu’elle n’y verra dedans que les vertus qu’elle a déjà mises

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2. Herrschaft und Repräsentation

wurde, wie oben zitiert, die Frömmigkeit als eine hervorstechende Eigenschaft der Königin beleuchtet, die aber erst mit ihren anderen Charakterzügen zu einer Einheit verschmelzen musste, damit man sie zu einer idealen Frau und Monarchin stilisieren konnte. An der grundsätzlichen Aufrichtigkeit ihres Glaubens bestand (und besteht) gewiss kein Zweifel869 . Anders sah es jedoch mit der Art und Weise aus, wie sie ihre Frömmigkeit zur Propagierung ihrer Person in der öffentlichen Wahrnehmung instrumentalisierte870 . Das spürten auch ihre Kritiker, wie ein satirisch-fiktiver Dialog aus der Zeit der Fronde belegt: Le Roy. – Ma bonne maman, pourquoy communie vous si souvent et allez par toutes les églises de Paris et n’aimez pas les gens de bien? La Reyne. – Mon fils, Monsieur le cardinal Mazarin dit qu’il me faut faire ainsi par maxime d’Estat, afin que l’on me tienne pour dévote et bonne Reyne871 .

In Anbetracht der vorangegangenen Untersuchungen stellt sich daher die Frage, inwieweit die Bilder, die die Königin von sich als Witwe, Wohltäterin und Gläubige zeichnete bzw. zeichnen ließ, der Realität entsprachen und in welchem Maße sie bewusst beschönigt und mit idealtypischen Vorstellungen versetzt wurden und damit den Blick auf Anna von Österreich als kühle Strategin freigeben, die sehr genau wusste, dass scheinbar selbstlose Gesten und Handlungen fast immer bekannt würden – wie im Fall einer Frau, die sich ihren Lebensunterhalt durch das Vortragen von Schmähliedern auf die Königin verdiente und der die Königin scheinbar selbstlos Unterstützung zuteil werden ließ872 . Anna von Österreich, die Witwe

Der Tod Ludwigs XIII. stellte eine erste Zäsur dar. Obwohl Anna von Österreich den höfischen Freuden zugetan war, sollte kein Zweifel an ihrer Trauer aufkommen. Deshalb besuchte sie Theaterveranstaltungen zunächst nur heimlich – den Schein zu wahren, war entscheidend873 . Zugleich belegt

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en pratique. Ses paroles & ses actio[n]s m’ont seruy en ce dessein, & de couleur & de pinceau, ayant redit les vnes apres elle; pour en eterniser le souuenir«. Siehe etwa L B, Oraison, S. 14; Antonia F, Les femmes dans la vie de Louis XIV, Paris 2007, S. 107. Vgl. Jean de L B, Les caractères, ou les mœurs de ce siècle, hg. v. Antoine A, Paris 2005 [EA 1688]: Des femmes, S. 69: »La dévotion vient à quelques-uns, et surtout aux femmes, comme une passion, ou comme le faible d’un certain âge, ou comme une mode qu’il faut suivre«. [A], Entretien familier du Roy et de la Reyne, S. 453. M, Mémoires, Bd. 4, S. 301f. Vgl. auch BNF, Mss., Rothschild 356, C, Oraison, S. 33. Margaret MG, La fonction des fêtes dans la vie de cour au XVIIe siècle, in: Noémie H (Hg.), La cour au miroir des mémorialistes, 1530–1682. Actes du colloque du Centre de philologie et de littérature romanes de Strasbourg (16–18 novembre 1989), Paris 1991, S. 27–41, hier S. 33.

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dies aber ebenfalls, wie es um die Aufrichtigkeit ihrer Trauer bestellt war874 . Auch die scheinbare Missachtung des traditionellen vierzigtägigen Trauerzeremoniells – wie einst schon bei Maria von Medici – war den Umständen geschuldet: Die Nachfolgefrage musste unverzüglich geregelt werden, um ein Machtvakuum zu vermeiden und die Autorität der Königin von Anfang an zu legitimieren875 . Ferner wurde die Erinnerung an den verstorbenen König durch die alljährlichen Zeremonien an seinem Sterbetag wach gehalten, während die schwarze Kleidung ein ideales Mittel war, sich als aufrichtig trauernde Witwe zu präsentieren876 . Schon Katharina von Medici hatte mit der Witwentracht Assoziationen an bedeutende Fürsten, wie Karl V., aber auch ganz allgemein an Gelehrte oder Juristen hergestellt877 . Daneben gab es natürlich noch die religiöse Komponente, denn Schwarz galt auch als Farbe strenggläubiger Katholiken. Indem Anna von Österreich mitunter sogar einen Schleier trug, erfolgte zusätzlich die Gleichsetzung mit einer Nonne – letztlich war der Anspruch an eine Witwe ähnlich dem an eine Ordensschwester: Keuschheit und Religion wurden zu bestimmenden Faktoren878 . In der öffentlichen Wahrnehmung blieb der Erfolg nicht aus: [L]a religieuse conduite de vostre vie, specialement depuis vingt-trois ans de vostre veuvage, fait aßés [sic] connoistre que vous estes heritiere des vertus de cette sainte Veuve [= Anna], comme de son nom & de sa condition; car vos délices, sont les visites des Temples, où vous priés avec tant de ferveur, que vostre exemple touche les cœurs les plus endurcis879 .

Dazu gehörte es auch, dass die Königin sich grundsätzlich schlicht kleidete, nicht schminkte und keinen exzessiven Schönheitskult pflegte880 . Aus diesem Grund ließ sie sich später, wie viele andere adlige und königliche Frauen auch, in einer Nonnentracht beisetzen881 . 874

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Offenbar hatte die Königin zunächst Skrupel, aber die räumte der Abbé de Beaumont aus dem Weg, indem er auf die Bedeutung von Aufführungen als Teil herrschaftlicher Repräsentation verwies. Siehe V, Le siècle de Louis XIV, Bd. 2, S. 254f. Vgl. auch M, La politesse, Bd. 2, S. 475, 481. C, P, Monarchies, S. 377, 379; H, La double mort, S. 258; Jennifer W, Funeral rituals in the French Renaissance, in: Renaissance Studies 9/4 (1995), S. 385–394, hier S. 393. Trotz der politischen Notwendigkeit war das ein Bruch im traditionellen Zeremoniell. Siehe Ralph E. G, Cérémonial et puissance souveraine. France, XVIe –XVIIe siècle, Paris 1987, S. 33–47. Nicole P, Le sexe du crêpe. Costumes du veuvage dans la France d’Ancien Régime, in: D., Colette H. W (Hg.), Veufs, veuves et veuvage dans la France d’Ancien Régime. Actes du colloque de Poitiers (11–12 juin 1998), Paris 2003, S. 219–245, hier S. 231. , Catherine de’ Medici as Artemisia, S. 241. Siehe etwa D, Iconographie des trois vertus théologales, S. 197. M, La bien-venve, S. 54f. Der Schönheitskult wurde besonders den Frauen der Oberschicht immer wieder zum Vorwurf gemacht. Siehe Louis de B, Miroir de la vanité des femmes mondaines, Namur 1675, S. 30–55, 79f. BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes fvnebres d’Anne d’Autriche, fol. 2r. Sie wählte

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2. Herrschaft und Repräsentation

Anna von Österreich, die Wohltäterin

Auch der Umstand, dass die Königin gerade in der Anfangszeit als Regentin viel Geld und zahlreiche Posten verteilte, sollte nicht als Naivität oder gar Dummheit ausgelegt werden. Sie mag sich bisweilen als zu freigiebig erwiesen haben, aber es war wichtig, ihren Einfluss zu festigen und Loyalitätsbindungen zu sichern882 . Damit kam sie zugleich einer weiteren wichtigen Herrschertugend nach: der Großzügigkeit (largesse)883 . Infolgedessen war es oft möglich, einen – im Grunde mehr vorgetäuschten als tatsächlich immer vorhandenen – Reichtum zu suggerieren und damit wiederum politische Stärke und Macht zu demonstrieren884 . Der Abbé de Grammont verglich sie darum mit König Salomon, der im Prunk lebte, aber die Bedürfnisse der Bevölkerung nicht vergaß885 . In der offiziellen Deutung entsprach dies dem freigiebigen Charakter einer vollkommenen Landesmutter und Patronin: »[E]lle est persuadée [. . . ] qu’elle est simplement dépositaire des biens qu’elle possede, & qu’elle ne les a receus de la Prouidence diuine, qu’afin de les répandre à pleines mains sur les particuliers«886 . Der Geistliche Magnien urteilte ähnlich: Vostre Clemence, vostre Liberalité, & vostre Constance, ont plus captivé d’esprits & gaigné de cœurs, que n’auroit fait la force de toutes les armes des plus vaillans Guerriers de la terre. [. . . ] C’est ce qui a fait connoistre clairement que Vostre Majesté n’a toûjours eu en veuë que la gloire de Dieu, la conservation de l’authorité Royale, & la protection de vos Sujets887 .

Was andere verschwenderisch nannten, war in seinen Augen legitim, denn die Königin gab kein Geld für unnützen Luxus oder profane Bauten aus, sondern das Geld, das ihr an Steuern zukam, ging letztlich zum Teil an das Volk in Form von Wohltaten und Almosen zurück, während ein ebenfalls bedeutsamer Teil für die Armee und damit den Schutz des Volkes und des Landes verwen-

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dazu das Gewand der Klarissen, die als besonders demütig, bescheiden und gottgefällig galten. Siehe auch Adolphe C, Histoire de France pendant la minorité de Louis XIV, 4 Bde., Paris 1879–1880, Bd. 1, S. 120f.; Z-D, The Gift, S. 51, 75. BNF, Mss., Mélanges Colbert 54, G, Oraison, fol. 311r; V, Oraison, S. 36f. Siehe D, L’action charitable, S. 123–125. Siehe auch Christa S, »De la Magnificence et de la Magnanimité«. Zur Verherrlichung Ludwigs XIV. in Literatur und bildender Kunst, in: Romanistisches Jahrbuch 30 (1979), S. 83–99, bes. S. 86. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 210– 212; L, Les Domestiques commensaux, S. 390. BNF, Mss., Mélanges Colbert 54, G, Oraison, fol. 311v. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 58. Siehe auch Z-D, The Gift, S. 11. M, La bien-venve, S. 15f. [Hervorh. im Orig.]. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 5, S. 180: »La Reine-Mere, par sa vertueuse conduite, avoit acquis tout nouvellement une grande réputation: elle étoit aimée & reverée de tous par sa douceur & ses honnêtes manieres; & elle faisoit le bonheur des grands & des petits, par sa bonté. Elle étoit la consolation des miserables, par sa vertu & par la constance de sa vertu & de sa pieté étant devenuë la protectrice des gens de bien, on pouvoit dire qu’elle étoit cause des bonnes œuvres qui se faisoient en toute la France«. Vgl. M, Königinnen auf Zeit, S. 282f.

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det werde888 . Diese Sicht ist eine sehr euphemistische, zumal am Unterhalt der königlichen Haushalte und an den Freuden des Hoflebens nicht gespart wurde. Trotzdem ließ sich diese Großzügigkeit nie von der Propaganda trennen: »C’est assez de dire, qu’au lieu de depenser ses richesses en bombances, luxes, & plaisirs du monde, ou de faire amas de thresors, ou bâtir des Palais somptueux, & superbes edifices de plaisance; elle les employe en liberalitez & aumosnes, pour en acquerir vn precieux thresors dans le Ciel«889 . Anna von Österreich, die Gläubige

Damit war nun auch das langfristige Ziel vorgegeben: Der Einzug ins Himmelreich sollte durch Wohltaten erworben und in eine offen zur Schau getragene Frömmigkeit eingebettet werden890 . Diese Überzeugung war nicht unberechtigt, war doch später auch Maria Theresia aufgrund ihrer regelmäßigen Kloster- und Kirchenbesuche hoch geachtet891 . Anna von Österreich hatte dies sehr wohl erkannt und machte aus der Tugend der Frömmigkeit spätestens ab 1643 eine Notwendigkeit892 . Das blieb auch den unkritischeren Zeitgenossen nicht verborgen. Mazarin sah jedoch gerade zu Beginn der Regentschaft die Häufigkeit der Kirch- und Klostergänge als problematisch an893 . Er forderte sie auf, zumindest nach außen mehr Engagement für die Staatsgeschäfte zu demonstrieren894 . Mazarins Überlegungen waren zwar nicht ganz uneigennützig, weil er wusste, dass seine Gegner die Klosteraufenthalte der Königin nutzten, um gegen ihn zu opponieren und seinen Sturz 888 889 890 891 892

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Siehe M, Reflexions consciencievses, S. 36, 38. Ibid., S. 26. Ibid. Sebastiano L, Voyage de France. Mœurs et coutumes françaises (1664–1665), Paris 1905, S. 179; R, Lettre en vers à Madame, 26. Januar 1669, Sp. 452, V. 91–97. Vgl. M, Portrait de la reine, S. 322: »Elle est exacte à l’observation des jours de jeûne, et je lui ai souvent ouï dire sur ce sujet que les rois doivent obéir aux commandemen[t]s de Dieu et de l’Eglise plus ponctuellement que les autres chrétiens, parce qu’ils étoient obligés de servir d’example à leurs peuples«. Siehe auch V, Eloge fvnebre, S. 12. Gabriel-Jules de C, Mazarin et Colbert, 2 Bde., Paris 1892, Bd. 1, S. 17. Siehe auch Marc F, La confidente et la reine: Madame de Motteville et Anne d’Autriche, in: Revue des sciences humaines 115 (1964), S. 265–278, hier S. 273. C, Des carnets, Januar 1855, S. 41f.: »Tout Paris murmure de ces perpétuelles démonstrations publiques, et on s’en moque. [. . . ] Dieu est partout, et la reine peut le prier dans son oratoire [. . . ]. Il serait bon que de temps en temps elle tint des conseils extraordinaires pour faire croire qu’elle s’occupe de ses affaires. [C’]est un grand point que le public soit convaincu que le véritable objet de la reine est le bien de l’État«. Ähnlich gestaltete sich auch der Ratschlag in einem zeitgleich verfassten Memorandum: »[T]enir soigneusement aduertis Monsieur le Duc d’Orleans son beau-frere, et Monsieur Le Prince de Conde des conseilz qu’elle vouldra tenir Pour les affaires d’Estat, Guerre, ou finances, Ceste assistance Luy [sera] Important pour la reputation de sa conduicte comme vniuersellement ap[p]rouuée«, zit. n. BNF, Mss., Fonds français 6642, La Reyne fera telle consideration qu[’]il plaira a sa Ma[jes]te sur les pensées suiuantes, S. 262. Vgl. M, Mémoires, Bd. 2, S. 14f.

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zu befördern895 . Aber seine Äußerungen machen doch auch deutlich, dass für die Öffentlichkeit die aktive Regierungsverantwortung Annas von Österreich als Regentin bisweilen (ge)wichtiger war als die Frömmigkeit der Königin. Andere Zeitgenossen begnügten sich nicht damit, dieses Verhalten der Königin mit Spott abzutun, sondern kritisierten es frei heraus als Bigotterie896 : [F]emme réduitte par Louis XIII son mari à ne se mesler que de vivre et de se parer durant son regne, elle s’est avisée à la dévotion, à aller promener par les villes du royaume aux lieux de pelerinage, entrer des 3 et 4 jours en des couventz de religieuses, faire dire des messes, s’habiller simplement, et le simple peuple qui se repaist de ces hipocrisies la reputoit comme une petitte saincte. Mais les hon[n]eurs et la puissance l’ont bien changée; ils ne s’agist plus de tout cela: on se donne bon temps, on promene le Roy son filz de province en aultre suivant l’exigence des cas897 .

In diese Kerbe schlug auch der junge Dichter und Pamphletist Claude Le Petit898 . Er verfasste unter dem Titel »La Chronique scandaleuse« einen satirischen Spaziergang durch Paris. Dazu beschrieb er die wichtigsten ›Sehenswürdigkeiten‹ und enthüllte an ihnen vermeintliche oder tatsächliche Laster der Personen, die mit dem jeweiligen Gebäude assoziiert wurden. Im Fall von Anna von Österreich war das natürlich Val-de-Grâce: La Maman de nostre Loüis Veut, par des excez inoüis, Immortaliser ses sottises, Et monstrer aux Saints triomphan[t]s, Qu’elle sçait faire des Eglises Aussi riches que des enfan[t]s899 .

Er bezeichnet ihren Umgang mit dem Glauben, versinnbildlicht durch die Klosteranlage, als dumm, merkte aber trotzdem mit bitterer Ironie an, dass dies ihrem Renommee überhaupt keinen Abbruch tue, vielmehr sei ihr die Lobpreisung des Klerus für immer sicher900 . Tatsächlich sah die Geistlichkeit gerade in diesem Verhalten der Königin einen entscheidenden Faktor für das Wohl des Landes und keineswegs Bigotterie901 : Während sich ein König mit dem Schwert in der Hand als erfolgreicher 895 896

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C, Des carnets, Januar 1855, S. 41. BIS, Mss., Fonds Richelieu 145/2, Les Amours d’Anne d’Autriche (s.d.), S. 1–111, hier S. 109: »[E]lle devint une parfaicte bigote en matière de plaisir, comme elle l’avait été en matiere de religion«; R, Mémoires, S. 198: »[E]lle avait [. . . ] plus d’intention de piété que de piété«. C, Mémoires, Bd. 1, S. 90f., Eintrag v. Juni 1650. Er wurde wegen Majestätsbeleidigung und Blasphemie am 1. September 1662 auf der Place de Grève hingerichtet. Siehe A, Histoire de la littérature française, Bd. 3, S. 45f.; Claude L P, Sonnets luxurieux & La Chronique scandaleuse, Nachwort v. Patrice B, Villeurbanne 2002 [EA 1668]: Postface, S. 97. L P, Sonnets luxurieux, S. 87, Nr. 115f. Ibid. F, Oraison, S. 7: »Apprendre d’vne femme la science admirable d’adorer Dieu, de gouuerner vos sujets & de vous posseder vous mémes [sic]: venés apprendre

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Feldherr profilierte, erreichte die Königin dies mit Gebeten. Auf diese Weise habe sie nicht nur die Geburt des Thronfolgers erwirkt, sondern auch ihren Beitrag zu den militärischen Erfolgen der Regentschaft geleistet902 . In einer Zeit, in der die Religion ein derart allgegenwärtiger und mächtiger Bestandteil der Gesellschaft war, sollten solche Äußerungen deshalb nicht vorschnell abgetan und unterschätzt werden903 . Anna von Österreich spielte ihre Rolle bis zuletzt. Was konnte eine bessere Möglichkeit sein, sich vor der Öffentlichkeit und vor Gott als Musterbeispiel einer frommen und leidensfähigen Königin und Frau zu präsentieren, als die stoische Gelassenheit, mit der sie am Ende ihres Lebens den Tod erwartete, und die heroische Geduld, mit der sie die bis dahin zu erleidenden Schmerzen ertrug. Es ist sicherlich richtig, dass, wie etwa Stanis Perez anmerkt, die Königin der Krone damit einen einmaligen propagandistischen Dienst erwies, indem die negativen Erinnerungen an die zurückliegende Fronde ausgelöscht und die ganze Würde, Bedeutung und Vorbildfunktion der Monarchie unterstrichen werden konnten904 . So zutreffend diese Überlegung auch ist, unterschlägt sie doch einen wesentlichen Aspekt, weil die Königin dadurch in eine zu passive Rolle gedrängt wird. Sie war sich sehr wohl bewusst, welche Auswirkung ein »guter Tod« auf Zeitgenossen und künftige Generationen entfalten konnte, sodass sie auch aktiv durch ihre entschlossene Duldsamkeit im Angesicht von Krankheit und Tod ein letztes Mal Propaganda in eigener Sache betrieb. Anna von Österreich, die Strategin

Die Königin wusste also sehr genau um die Wirkung ihres Verhaltens. Caroline zum Kolk hat am Beispiel Katharina von Medicis gezeigt, dass eine Königin, die aus einem Land stammte, das von vielen Franzosen als Gegner angesehen wurde, verschiedene Register ziehen musste, um den bestehenden Unmut einzudämmen; dazu waren gute Sprachkenntnisse, französische Kleidung und ein tadelloser Lebensstil die wichtigsten Mittel905 . Anna von Österreich griff ihrerseits darauf zurück906 . Aber erst infolge der Regentschaft konnte sie erfolgreich demonstrieren, dass Frankreich ihre wahre Heimat war

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d’une Reine à estre pieux sans hypocrisie, à estre pruden[t]s sans interest, à estre courageux sans foiblesse«. Vgl. ibid., S. 9. L B, Oraison, S. 27f.; M, Reflexions consciencievses, S. 23, 25; O, Oraison, S. 80–91. Siehe etwa BNF, Mss., Rothschild 356, C, Oraison, S. 28: »[L]es victoires de nôtre Reyne nous ont confirmé, que la Religion & la pieté, sont l’ame de la prudence politique, & que celles la [= celles-là] produisent les effects, que celle cy conseille«. P, Regards endeuillés, S. 650. Clarisse B, La femme française dans les temps modernes, Paris 2 1885, S. 356;  K, Catherine de Médicis, S. 79f. In einem Brief aus dem Jahr 1637 schrieb die Königin: »Je suis française [sic] et ne veut être autre«, zit. n. S, Anne d’Autriche, S. 342.

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2. Herrschaft und Repräsentation

und sie ganz dessen Interessen verfolgte. Noch im 18. Jahrhundert ließ David Fassmann die Königin in einem fiktiven Gespräch auf die Frage, wieso sie als spanische Prinzessin den Krieg gegen ihre Heimat als Regentin fortgesetzt habe, antworten, dass durch die Ehe mit Ludwig XIII. die Interessen seines Staates auch zu den ihren geworden seien907 . Dass es sich hierbei keineswegs um eine singulär-anachronistische Einschätzung handelte, belegt die zeitgenössische Bewertung von Mme de Motteville: »Chargée du soin de gouverner un grand Roiaume, elle étoit obligée de se dépouiller de ses inclinations particuliéres, pour ne songer qu’au bien public, & de n’avoir plus d’autres interêts que ceux de l’Etat, qui étoient tout à fait opposez à ceux qu’elle avoit eu quand elle n’avoit point d’Enfan[t]s«908 . Am Bemühen von Anna von Österreich, als französische und damit allerchristlichste Königin zu erscheinen, die, wie Corneille im Widmungsbrief seiner Tragödie »Polyeucte« (1643) schreibt, »dies mehr noch durch ihre Taten als dem Namen nach ist«909 , bestand weder bei den meisten Zeitgenossen noch bei späteren Betrachtern Uneinigkeit910 . Caroline zum Kolk hat das im Fall von Katharina von Medici dahingehend erklärt, dass die Anpassung an das neue Heimatland zwar als Kalkül ausgelegt werden könnte, letztlich aber notwendig gewesen sei, um überhaupt am Hofe und im Volk Akzeptanz zu finden911 . Gewiss ist davon auszugehen, dass der Wunsch, den Bedürftigen zu helfen, oder die praktizierte Frömmigkeit dem Wesen beider Frauen entsprachen. Allerdings wurde diese Frömmigkeit bewusst in Szene gesetzt und diente dem langfristigen strategischen Bemühen, als mustergültige Monarchin in Erinnerung zu bleiben: [T]ous les bons François la combleront de loüange & de benedictions, d’avoir éteint une guerre scandaleuse, qu’elle n’a point allumée, & d’avoir rendu au Roy son fils, lors qu’il sera majeur, un Royaume plus grand, plus paisible, plus riche, & une authorité aussi souveraine qu’elle étoit auparavant; & ainsi quittant glorieusement la qualité de Regente, elle s’acquerra le titre immortel de Princesse de la paix & de Reyne absoluë des cœurs & des affections de tous les humains912 .

Anna von Österreich trat somit als eine Monarchin in Erscheinung, die trotz ihres Status und ihrer zeitweisen Machtausübung dem geltenden Ideal einer (Ehe-)Frau, Mutter, Witwe, Königin, Regentin und Christin verpflichtet blieb und der gesellschaftlichen Erwartungshaltung gerecht zu werden suchte. Bei 907 908 909 910 911 912

F, Gespräche: 60. Entrevüe zwischen Anna von Österreich und einem französischen Grafen N., Bd. 4, S. 924. M, Mémoires, Bd. 1, S. 195. Siehe B, Oraison, S. 7: »Lors qu’vne Reyne espouse vn Souuerain, elle espouse en mesme temps son Estat«. C, Œuvres: Polyeucte – À la Reine Régente, S. 289f. F, La Reyne tres-chrestienne: Epistre, s.p. Siehe auch ibid., S. 18, 40f.  K, Catherine de Médicis, S. 87. V  L C, Les portraits des hommes illvstres, S. 362. Siehe C, Les hevrevx avgvres, S. 109: »[La reine] est vne Arche Sainte, qui non contente d’auoir sauué mille fois la France du naufrage dont elle est menacée, luy a donné deux Princes incomparables pour la rendre à iamais glorieuse«.

2.4 Resümee: Der schmale Grat zwischen Aufrichtigkeit und Bigotterie

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der Inszenierung fehlte es nie an Verweisen, dass sie die »typisch männlichen« Fähigkeiten eines Herrschers in sich vereinte; in der Realität bzw. im Alltag sollten hingegen die »typisch weiblichen« Eigenschaften zur Schau gestellt und die Wahrung der Geschlechtergrenzen demonstriert werden913 . Den jungen König bei Kirchbesuchen, auf Reisen im Land oder beim Einzug in eine Stadt mitzuführen, sollte dem Volk gerade in Krisenzeiten seine Gehorsamspflicht in Erinnerung rufen914 . Diese starke Akzentuierung des sakrosankten Charakters und der omnipotenten Stellung des Monarchen war auch von ihrer spanischen Erziehung beeinflusst, die sie nun ihrem Sohn vermittelte, mit allen dazugehörigen moralisch-religiösen Werten915 . Die Königin befolgte hier geschickt einen Ratschlag, der ihr kurz vor dem Ableben Ludwigs XIII. gemacht worden war, wonach das Volk ein natürliches Bedürfnis verspüre, seinen König zu sehen916 . Und da sie Ludwig XIV. bei solchen Gelegenheiten sowie im ikonographischen Programm stets ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte, würdigte sie nicht nur seinen Rang, sondern erhöhte indirekt ihr eigenes Ansehen917 : Indem sie sich ostentativ zurücknahm, entsprach sie dem traditionellen Frauenbild und trat als uneigennützige, weil scheinbar nicht nach Macht und Ruhm strebende Königin auf918 . Noch vor der Regentschaft hatte sie einen Erziehungsratgeber für ihren Sohn in Auftrag gegeben919 . Darin wurde auf ihre große Verantwortung hingewiesen, da sie

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Siehe auch A, Der Tod der Königin, S. 110; O, »Gespräche« über Herrschaft, S. 117. D-A, Journal, Bd. 1, S. 25, Eintrag v. 04.06.1648; M, Mémoires, Bd. 2, S. 107. Siehe dazu Brice B, Les Harangues de maitre Brice Bauderon, Mâcon 1685: De l’encens, et des louanges du Roy (20.12.1654), S. 244: »La Majesté des Roys doit être considerée comme l’image visible de celle de Dieu, duquel ils tiénent [sic] la place sur la terre [. . . ]. C’est la raison qui nous oblige, par une consequence necessaire, à les élever au dessus du reste des hommes; & les faire participants, des hom[m]ages qui se rendent à la Divinité«. Zur Bedeutung solcher Einzüge in eine Stadt siehe z. B. C, Europäische Konstruktion, S. 329; Daniel V, Marie-France W, Le Roi dans la ville. Anthologie des entrées royales dans les villes françaises de province (1615–1660), Paris 2001, S. 47–60. D P, Oraison, S. 16. Siehe C, Perilous Performances, S. 134; JeanFrédéric S, La France espagnole. Les racines hispaniques de l’absolutisme français, Paris 2003, S. 262–275. BNF, Mss., Fonds français 3445, Avis donné à la Reyne, fol. 129r. Vgl. Stanis P, Les rides d’Apollon: l’évolution des portraits de Louis XIV, in: Revue d’histoire moderne et contemporaine 50/3 (2003), S. 62–95; Fanny C, Puissance maternelle et pouvoir politique. La régence des reines mères, in: Clio. Histoire, femmes et sociétés 21 (2005), S. 69–90. B, Zum Bilderstreit um die Frau, S. 154. Siehe auch [A], Oraison fvnebre de la reyne mere, S. 14; M, Divers portraits: Portrait dv Roy. Par Mademoiselle (s.d.), S. 269. Einige allgemeine Hinweise dazu bieten z. B. C, Europäische Konstruktion, S. 331; D., P, Monarchies, S. 214f.; M, Relazione di Francia, S. 511. BNF, Mss., Fonds français 19043, V, Maximes D’Education et Direction Puerile. Des

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2. Herrschaft und Repräsentation

nicht nur einfach ihren Sohn erziehe, sondern den künftigen König, weshalb sie einen entscheidenden Dienst für das Königreich leiste920 . Ein ähnliches Prinzip verfolgte sie, wenn sie den König auf Feldzügen begleitete. Sie befand sich in Reichweite der Armee, hielt sich aber, anders als einst Katharina von Medici, nicht in unmittelbarer Nähe der Kampfschauplätze auf921 . Anna von Österreich konnte so ihre Entschlossenheit bekunden, das heißt den wahren »Mut einer ›femme forte‹«, für die Monarchie zu kämpfen, ohne die »bienséance« zu verletzen, indem sie sich als (androgyne) »Kriegerkönigin« aufgeführt hätte922 . Deutlichere Parallelen etwa zwischen Katharina von Medici und Anna gab es jedoch hinsichtlich ihres grundsätzlichen Verhaltens gegenüber Heinrich III. bzw. Ludwig XIV., insbesondere nach dem offiziellen Ende der Regentschaft: Assister ce fils en son gouvernement est un exercice particulièrement épineux car la reine mère doit faire coexister trois positions qui peuvent entrer en concurrence: en tant que mère du roi, elle représente l’autorité parentale et les intérêts familiaux; en tant que sujet du roi, elle doit respecter l’autorité de son fils; en tant que femme politique, elle peut être amenée à être la conseillère privilégiée de son fils, à condition de négocier ce statut avec doigté923 .

Nur dadurch, dass die Königin alles unterließ, was beim König den Eindruck erwecken könnte, sie wolle ihm seine Macht und sein Ansehen in der Bevölkerung streitig machen, war es möglich, das Verhältnis zu ihm nicht dauerhaft zu schädigen924 . Des Weiteren betonten beide, Anna von Österreich und Katharina von Medici, ihre Frömmigkeit, erschienen als Wohltäterinnen gegenüber Kirche und Volk sowie gegenüber Künstlern im Rahmen ihrer Selbstinszenierung; beide erklärten den inneren und äußeren Frieden zum wichtigsten Punkt ihrer Agenda; beide trugen ihre Trauer als Witwe durch die beständige Ehrung des verstorbenen Gemahls und ihre Kleidung öffentlich zur Schau; beide hoben ihre Mutterqualitäten hervor; beide ließen, als es an der Zeit war – zumindest vor den Augen der Öffentlichkeit –, der neuen Königin den Vortritt925 . Katharina von Medici gelang es zwar im Gegensatz zu Maria von Medici, das Verhältnis zu ihrem Sohn intakt zu halten926 , aber beide mischten sich auch nach ihrer Regentschaft allzu offensichtlich in die Politik ein und stellten

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deuotions, meurs, actions, occupations, diuertissemens, Jeux et petit Estude de Monseigneur le Daufin Iusques a laage de sept ans (s.d. [vor 1643]), fol. 1r–175r, hier fol. 2r. Ibid., fol. 4r. Siehe auch BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 1827, L, Oraison, fol. 52r; Jean-Louis Guez de B, Les Entretiens de fev Monsieur de Balzac, Paris 1660, S. 374–376; M, Mémoires, Bd. 1, S. 357f. Siehe  K, Catherine de Médicis, S. 238–240. M, Des décorations funèbres, S. 65f. Vgl. P, L’androgyne au XVIe siècle, S. 16f., 32f.  K, Catherine de Médicis, S. 241 [Hervorh. im Orig.], vgl. S. 211. Siehe ibid., S. 241. Siehe auch ibid., S. 89, 92f. M, Königinnen auf Zeit, S. 195, 262f.;  K, Catherine de Médicis, S. 241.

2.4 Resümee: Der schmale Grat zwischen Aufrichtigkeit und Bigotterie

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ihre Leistungen in einer sehr offensiven Art und Weise zur Schau927 . Deshalb wurde ihnen schnell Machtgier unterstellt928 . Im Fall von Katharina von Medici wurde ihr Ruf überdies noch im Zuge der Religionskriege dauerhaft beschädigt929 . Zwar sah sich Anna von Österreich während der Fronde einer Phase der Diffamierung ausgesetzt, ging aber vergleichsweise unbeschadet daraus hervor und konnte ihren Ruf in den Folgejahren nachhaltig konsolidieren. Wenn also etwa Peter-André Alt feststellt, dass Anna von Österreich im »Unterschied zu den Medici-Königinnen, die ausgeprägtes Machtbewußtsein entfalteten«, ihr eigenes »Selbstbild allein aus der dienenden Funktion, die den politischen Raum für die Zukunft des Kronprätendenten öffnete«, begründet habe, entspricht das zwar dem, was die Königin mit ihrer Inszenierung bezweckte. Alt verkennt aber, ebenso wie Sylvia Jurewitz-Freischmidt930 , dass diese in Wirklichkeit natürlich ein ebenso ausgeprägtes Machtbewusstsein besaß wie die Medici-Königinnen und genauso die politische Macht in Händen hielt931 . Anna von Österreich ist es jedoch gelungen, die vorübergehende Machtausübung auch tatsächlich als eine solche erscheinen zu lassen und geschickter vorzugehen als ihre Vorgängerinnen932 : »Rougissez icy Bru927

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Es sei v.a. an den Gemäldezyklus von Rubens erinnert, den Maria von Medici bei ihm in Auftrag gegeben hatte und auf dem sie als ideale Königin und Regentin dargestellt und verherrlicht wird, während Ludwig XIII. wie ein Nebendarsteller erscheint. Und Tallemant des Réaux verweist auf ihre angeblich gezielten Bemühungen, Ludwig XIII. zu beherrschen und ihn nicht in die Lage zu versetzen, selbst die Regierungsgeschäfte zu leiten. Siehe Sigrid R, Maria von Medici (1573–1642), in: B, Z (Hg.), Französische Frauen der Frühen Neuzeit, S. 145–156, hier S. 149f.; T  R, Les historiettes, Bd. 1, S. 353. Vgl. C, Perilous Performances, S. 72– 74, 79–88. Nicolas Bricaire de L D, La sibylle gauloise, ou La France telle qu’elle fut, et telle est à peu près qu’elle pourra être, Paris 1775, S. 185f. (Katharina von Medici), 202f. (Maria von Medici). E, Discours merveilleux. Siehe dazu Julie D, Pourquoi fut-elle si détestée? Entretien avec Denis Crouzet, in: L’Histoire 314 (2006), S. 50–57. Vgl. auch  K, Catherine de Medicis, S. 22f., 75, 210. J-F, Herrinnen des Louvre, S. 363. A, Der Tod der Königin, S. 34. BNF, Mss., Clairambault 634, Abregé de la vie et des actions glorievses de la tres-illvstre et tres-auguste Reyne Anne d’Austriche, Femme du Roy Louis XIII. Mere & Regente du Roy Louis XIV. surnommé Dieu-donné (s.d.), fol. 91r–92v, hier fol. 92v: »Nous verrons vn iour qu’elle sera reueree & presque adoree de tous les peuples de la terre: & que tous les bons François la combleront de loüanges & de benedictions d’auoir esteint vne guerre scandaleuse qu’elle n’a point allumee. Et d’auoir rendu au Roy son fils, lors qu’il sera majeur vn Royaume plus grand, plus paisible, plus riche, & vne authorité aussi souueraine qu’elle estoit auparauant; & ainsi quit[t]ant glorieusement la qualité de Regente, elle s’acquerra le tiltre immortel de Princesse [. . . ] & Reyne absolüe des cœurs«. Vgl. Richard B, Absolutism: What’s in a name?, in: French History 1/1 (1987), S. 93–105, hier S. 105; C, P, Monarchies, S. 238, 381; K, Anne d’Autriche, S. 507.

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2. Herrschaft und Repräsentation

nehauds, Catherines & Maries de Medicis, & tant de Reynes remuantes d’avoir embrasé la France par les feux de vostre colere, & qui avez si souvent enveloppé dans ceux de vostre vengeance les innocen[t]s & les coupables«933 . Die Rezeptions- und Konzeptionsmuster, derer sich die Königin bediente, unterschieden sich zwar kaum von denen ihrer Vorgängerinnen, denn sie agierte im Rahmen ihres Standes und der damit verknüpften Erwartungen. Aber was letztendlich die Wirkung dieser Inszenierung betraf, war sie imstande, sich von anderen Königinnen und Regentinnen teils nuancenreich, teils deutlich abzugrenzen934 . Der beste Beleg ist die feine Linie zwischen scheinbarer Machtlosigkeit und realer Machtfülle. In der Realität hielt Anna von Österreich natürlich auch nach der Volljährigkeitserklärung Ludwigs XIV. im Jahr 1651 und selbst nach 1661 noch die Zügel in der Hand935 . Da dies aber praktisch und ikonographisch in einem diskreteren Licht geschah als bei ihren beiden Vorgängerinnen, erntete sie viel Anerkennung936 . Folglich stand Anna von Österreich den Medici-Regentinnen in nichts nach, was ihren Machtanspruch betraf937 . Während der Fronde sprach sie beispielsweise in einem Brief explizit davon, dass sich die Gegner der Krone gegen den König und gegen ihre Autorität stellten938 . Einmal mehr offenbart sich die Komplexität der juristischen und realpolitischen Situation: Die Autorität der Regentin war de jure sehr wohl gegeben und legitim; da aber in der Auffassung vieler diese Autorität de facto, wenn überhaupt, von der Regentin nur ›verwahrt‹ wurde, war die volle Anerkennung weiblicher Autorität und die Verpflichtung zum Gehorsam ihr gegenüber nicht von der gleichen Tragweite939 . Den Regentinnen war dies sehr wohl bewusst, weshalb auch die Medici-Königinnen versuchten, diese machtpolitische Realität zu verbergen. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen ist Anna von Österreich der Balanceakt, sich – das heißt ihren Machtanspruch – im Hintergrund zu halten und mit einer geschickten Inszenierung und Propaganda dezent ihren Anteil an den militärischen und diplomatischen Erfolgen zu vermitteln, weitaus besser gelungen940 . Alle Charaktervorzüge und politischen Erfolge Ludwigs XIV. 933

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[A], Oraison fvnebre de la reyne mere, S. 12. Siehe auch M, Portrait de la reine, S. 325: »La Reine est de même fort indifférente pour la grandeur et la domination. [. . . ] et jamais les défauts de Catherine de Médicis ne seront les siens«. Vgl. C, Women and the Politics of Self-Representation, S. 19–44. Vgl. Katherine C, Catherine de Médicis and the Performance of Political Motherhood, in: Sixteenth Century Journal 31/1 (2000), S. 643–673, hier S. 667;  K, Catherine de Médicis, S. 93. B, Œuvres complètes: Autre conclusion du second sermon pour la Fête de la Purification de la Sainte Vierge, Bd. 11.4, S. 287; L B, Oraison, S. 24. Vgl. B, La reine de France, S. 400, 402. Siehe auch M, Die Bourbonen, S. 243. BNF, Mss., Baluze 328, Brief v. Anna von Österreich an Mazarin (14.03.1651), fol. 110r– 110v. M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 675. C, Perilous Performances, S. 98, 103. Siehe auch ibid., S. 24, 27, 57–60, 71. Vgl. C, A Garden and a Gallery at Fontainebleau, S. 55–83.

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wurden als Ergebnis ihres positiven Einflusses und ihrer Erziehung gewertet, wofür ihr ganz Frankreich Dank schulde941 . Nicht nur die Kirche, wie Le Petit spöttisch konstatiert, liebte die Königin, auch das Volk942 . Als sie im April 1663 schwer erkrankte und befürchtet wurde, sie könnte sterben, zeugte die Anteilnahme der Bevölkerung von der großen Verehrung ihr gegenüber943 . Mme de Motteville erklärt, Anna von Österreich werde von den Armen und Schwachen als Mutter und Patronin betrachtet944 . Der Gewissheit, dass sie nicht mehr lange leben würde, konnte sich jedoch bald niemand mehr entziehen945 . Und als sich dann die Nachricht ihres Todes verbreitete, wurde sie allgemein betrauert946 . Viele Menschen defilierten an ihrem offenen Sarg, der bis zur Überführung nach Saint-Denis im Louvre aufgebahrt war947 . Die Zeit, als sie offener und vehementer Kritik ausgesetzt war, schien nun fast unwirklich. Ihr Ansehen überstieg bei Weitem den Stand, den sie vor und während der ersten Jahre der Regentschaft genoss948 . Ein gutes Beispiel dafür ist ein Kommentar des Reimser Bürgers Oudard Coquault: Hatte er die Königin während der Fronde noch als »Medea Frankreichs«949 bezeichnet, relativierte er nun seine frühere Meinung mit der simplen Behauptung, damals habe schließlich jeder so gedacht; als Grund für den Stimmungswandel bei ihm und im übrigen Land führt er das wohlwollende Verhalten der Königin gegenüber den Untertanen an950 . Kurzum: Sie hatte jede Form eines möglichen Machtmissbrauches vermieden, indem sie sich trotz der absoluten Autorität, über die sie als Regentin verfügte, grundsätzlich nicht einfach über geltendes Recht hinwegsetzte, wie es ein Tyrann getan hätte951 . Die Kritik an der Königin kann somit auch als eine Form der Kommunikation über 941

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B, Les Harangues: À la Reyne (20.03.1650), S. 436f.; Jean P   S, Le Portrait dv Roy presenté à la Reine Mere. Enrichy des Portraits de leurs Maiestés, Paris 2 1669: Epistre, s.p.; D., Le Portrait de la Reyne, S. 162f., 232. AN, Mss., L 1036, Nr. 23, D P, Eloge Funebre, S. 21. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 4f., 8f., 62. M, Mémoires, Bd. 5, S. 301. B, Œuvres oratoires: Esquisse du Panégyrique de Saint-Sulpice (19.01.1664), Bd. 4, S. 463. Ibid.: Carême de Saint-Germain (02.02.1666), Bd. 5, S. 23; B-R, Mémoires, Bd. 2, S. 149; D  R, Mémoires, Bd. 6, S. 256; F, La Reyne tres-chrestienne, S. 3. Muse de la cour, 25. Januar 1666, XI. Semaine, V. 147–151; O, Journal, Bd. 2, S. 439, Eintrag v. 20.01.1666; S. 444, Eintrag v. 28.01.1666. B-R, Mémoires, Bd. 2, S. 149f.; R, Le Temple de l’honnevr, Avx illvstres Dames dv siecle. Septiesme partie des Lettres Heroïques, Paris 1654: Epistre, s.p. C, Mémoires, Bd. 1, S. 49f., Eintrag v. Mai 1649. Ibid., Bd. 2, S. 484f., Eintrag v. Januar 1666. P   S, Le Portrait de la Reyne, S. 162f.: »Que peut-on voir de plus admirable sur la terre qu’vn Monarque [= die Königin] tout puissant armé de son authorité absoluë, sans la mettre iamais en vsage, que pour suiure les conseils de la raison, comme si son Sceptre ne luy seruoit que de compas pour regler ses actions, aussi bien que ses

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2. Herrschaft und Repräsentation

Herrschaft verstanden werden, so wie Lena Oetzel dies sehr anschaulich am Beispiel von Elisabeth I. nachgewiesen hat952 . Anna von Österreichs Antwort auf die Kritik bestand nämlich darin, mit ihrem Handeln – politische Zurückhaltung, Repräsentation, Wohltaten – direkt darauf zu reagieren, um nicht nur kurzfristig die kritischen Gegenstimmen klein zu halten oder gar gänzlich zum Verstummen zu bringen, sondern um vor allem mittel- bis langfristig Akzeptanz und Anerkennung zu finden. Dieses Ziel hatte die Königin nachweislich erreicht, sie wurde allseits verehrt953 . Dafür war sie, wie sich zeigte, seit dem Beginn ihrer Regentschaft einer konkreten Inszenierungsstrategie gefolgt, die darauf ausgelegt war, »ihre eigene Rolle in der Geschichte durch Kunstwerke zu erklären«954 und sie damit zugleich vor Zeitgenossen und Nachwelt zu legitimieren und zu konsolidieren. Aber das Bild einer frommen und tugendhaften (Ehe-)Frau, Mutter, Witwe, Königin, Regentin und Christin, das Anna von Österreich von Literaten, Künstlern und Architekten im Rahmen ihrer »kulturellen Patronage«955 und gemäß der gesellschaftlichen Erwartungen gestalten ließ, war dabei nur ein erster Schritt gewesen956 . Der zweite und bedeutendere Schritt baute darauf auf, dass sie nicht nur gegenüber Höflingen und Adligen Wohltaten verteilen ließ, sondern verstärkt auch gegenüber Klerus und Volk, und auf diese Weise versuchte, das propagierte und stilisierte Idealbild ihrer Person durch an die realen Bedürfnisse – fehlende Mittel zur Renovierung von Kirchen und Klöstern, Armut, Hunger, Krankheiten – angepasste Handlungen zu unterfüttern und ihre Glaubwürdigkeit gegenüber einer breiten Öffentlichkeit zu erhöhen. Ihr demonstrativer Einsatz für Frieden und Wohlstand, der sich unter ihrer viel gerühmten bonté subsumieren lässt, wurde somit zu einer entscheidenden Prämisse beim Buhlen um die Gunst des gesamten Untertanenverbandes957 .

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pensées?«, sowie ibid., S. 232: »[E]lle ne veut estre absoluë, sur nous, que pour nous faire obeir à la raison, apres nous l’auoir presuadé par son exemple«. O, »Gespräche« über Herrschaft. Vgl. dazu Luise S-S (Hg.), Aspekte der politischen Kommunikation. Siehe B-R, Mémoires, Bd. 2, S. 151; V, Le siècle de Louis XIV, Bd. 1, S. 70. Vgl. B, Henriette-Anne d’Angleterre, S. 258; D, L’action charitable, S. 114. G, Macht-Wechsel, S. 78. D, Myths of Power, S. 195. Gleichwohl betrieb die Königin keine systematische Kulturpolitik, sondern erteilte nur bei konkreten Anlässen Werkaufträge. Siehe D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 453. Vgl. C, Europäische Konstruktion, S. 330; Gérard S, Ikonographische Programme und Legitimation der königlichen Autorität in Frankreich im 17. Jahrhundert, in: H, P (Hg.), Der Fall des Günstlings, S. 255– 289, hier S. 256f.; Jürgen V, Mäzenatentum und Ansätze systematischer Kulturpolitik im Frankreich Ludwigs XIV., in: B (Hg.), Europäische Hofkultur, Bd. 2, S. 123–132, hier S. 123f., 127. In seiner Muze historique, 22. März 1664, Livre XV, Lettre XII, V. 103, bezeichnete Loret sie als »parfait Miroir de Bonté«. Vgl. dazu L M, De l’art de régner, Teil 3, S. 441– 464.

2.4 Resümee: Der schmale Grat zwischen Aufrichtigkeit und Bigotterie

205

In diesem Kontext bestätigt sich einmal mehr, dass das Ideal der »femme forte«, also der mildtätigen und glaubensstarken Frau, nicht nur der Inszenierungsabsicht der Königin weitaus näher kam als die nur bedingt wirksame Adaption des Typus der Amazone, sondern dass sich dieses Bild, gemäß dem Verständnis der Zeit von den Tugenden und Pflichten einer Königin und Mutter des Vaterlandes bzw. des Volkes, nur schwer mit dem viril-androgynen bis kriegerischen und damit amazonenhaften Auftreten antiker Couleur hätte vereinen lassen. Für ihre Apologeten war die Königin nunmehr unsterblich geworden958 . Wenn also John B. Wolf Anna von Österreich angesichts ihres Verhaltens während ihrer letzten Krankheit und des bevorstehenden Todes als taktisch klug agierende »show-woman«959 bezeichnet, ist dem ohne Zweifel zuzustimmen, wenngleich diese Sicht trotzdem zu kurz gegriffen ist. Denn die schon in der Einleitung vorgebrachte Vermutung, dass dieses »show-woman«-Verhalten eben nicht erst gegen Ende ihres Lebens zum Tragen kam, sondern vielmehr schon seit 1643 ein konstitutives Element ihrer Selbstdarstellung bildete, konnte hier eindeutig nachgewiesen werden960 . Daher hat auch Joseph Bergin nur bedingt Recht, wenn er darauf hinweist, dass Anna von Österreich gerade nach ihrem Tod als Inbegriff einer frommen Monarchin stilisiert wurde, während dafür andere Aspekte ausgeblendet worden seien wie ihre aktive Partizipation am gesellschaftlichen und höfischen Leben, die einer so ausschließlichen Huldigung eigentlich im Wege gestanden hätten, weil sie sich den weltlichen Genüssen so weit wie möglich hätte verschließen müssen961 . Abgesehen davon, dass gerade in der posthum gepriesenen Frömmigkeit der Königin eine elementare Vorbildfunktion für andere Fürsten und Fürstinnen – allen voran im höfischen Alltag – gesehen wurde, darf ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden, dass ein völliger Rückzug oder zumindest eine Distanzierung vom Hofe wie etwa in Spanien innerhalb der französischen Hofkultur ohnehin nicht so einfach zu realisieren gewesen wäre. Deshalb bemühte sich die Königin zeitlebens, ihre Frömmigkeit mit den höfischen Freuden in Einklang zu bringen. Gerade als Regentin konnte sie sich nämlich weder dem Hof noch der damit verbundenen höfischen Patronage ohne Weiteres entziehen – und sie hatte auch nie die Absicht, dies zu tun.

958

959 960 961

[A], Recueil de vers choisis, Paris 1693, S. 25; B, Discours fvnebre, S. 32; M, Cy gist le racourcy, S. 3; P, Oraison, S. 2; O, Oraison, S. 97f.; R  S-M, Oraison, S. 10, 59f.; V, Oraison, S. 38. Vgl. Beatrix B, Herrschaft und Gedächtnis. Zur »Inszenierung« der »Witwe«, in: S (Hg.), Witwenschaft in der Frühen Neuzeit, S. 281–302. W, Louis XIV, S. 296. Vgl. R, Artisans of Glory, bes. S. 148–168. B, Anne d’Autriche et les dévots, S. 205f.

3. Hofstaat und Hofhaltung 3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe La Grenade Sans regret & sans choix ie m’ouvre Pour le Village & pour le Louvre Et ie verse pour tous les thresors de mon sein Ie n’exclus point de sexe & n’enconduis personne Ie donne l’Ecorce & le Grein Et ne me garde pour moy que la seule Couronne1 .

Bei ihrer Inszenierung legte Anna von Österreich geschickt den Schwerpunkt auf ihre Religiosität, ohne dabei ihre königliche Machtstellung zu vernachlässigen. Gleiches lässt sich für ihre Hofhaltung konstatieren. Um dem Hofleben neuen Glanz einzuhauchen, war mehr Aufwand notwendig. Bereits einen Monat nach dem Regentschaftsantritt multiplizierten sich die Ausgaben. Nicolas de Bailleul, Kanzler im Haushalt der Königin und von ihr 1643 zum neuen Oberintendanten der Finanzen ernannt, sprach von »zahllosen Ausgaben«2 . Sowohl damals als auch später wurde immer wieder die vermeintliche Verschwendung der Königin angeprangert. Allerdings, und darauf sei explizit hingewiesen, muss diese Behauptung relativiert werden. Es ist unbestritten, dass die Ausgaben zunächst stiegen, was auch damit zusammenhing, dass das Hofleben durch Feste und andere Veranstaltungen wieder an Bedeutung gewann und dass viele Personen Pensionen erhielten. Primär betraf dies die ersten drei Jahre, spätestens ab 1647 pendelten sich die Ausgaben des Hofes3 ein und gingen sogar wieder zurück: Lagen die Ausgaben für den Hof 1642 noch bei 8,5 Mio. l.t., stiegen sie bereits 1643 auf 10,8 Mio. l.t. an und sanken erst 1647 wieder auf 8,6 Mio. l.t. ab4 . Damit bleibt der Zeitraum erhöhter Hofausgaben auf die Jahre 1643 bis 1646 beschränkt, während im Vergleich zur Regentschaft Marias von Medici (und noch nach dem Sturz ihres Günstlings Concini 1617) die Ausgaben, abgesehen von wenigen Jahren, fast zwei Jahrzehnte bei (mehr als) 10 Mio. l.t. lagen. Erst ab 1630 setzte ein Rückgang bei den Ausgaben ein, an den Anna von Österreich also 1 2 3

4

C, Devises, S. 158. BNF, Mss., Mélanges Colbert 116, Brief v. Nicolas de Bailleul an Marschall Jean-Baptiste Budes de Guébriant (16.06.1643), S. 171. Diese Ausgaben umfassten die Kosten für die kompletten königlichen Haushalte (inklusive Stallungen, Leibgarde, Musikkapelle, Küchen) sowie für Gehälter, Pensionen und Geschenke aller Art. Françoise B, Le monde des financiers au XVIIe siècle, Paris 1988, S. 32, 34.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

nach wenigen Jahren der Kostensteigerung wieder anknüpfen konnte. Gemessen am Anteil an den Gesamtausgaben des Staates, die in den 1640er und 1650er Jahren kontinuierlich anstiegen, waren die höfischen Ausgaben während der Regentschaft von Anna von Österreich im Vergleich zur Regentschaft ihrer Schwiegermutter bzw. der Regierungszeit Ludwigs XIII. eher niedrig. In Bezug auf die Heeresausgaben lässt sich hingegen kein signifikanter Unterschied zu den vorigen Regierungen feststellen, was wiederum auf die seit 1635 anhaltenden Kriegshandlungen und die damit verbundenen hohen Kosten für die Armee sowie für außerordentliche Ausgaben zurückzuführen war5 . Die Tatsache, dass die Ausgaben bereits 1647 wieder sanken, erlaubt den Rückschluss, dass die Regentschaft von Anna von Österreich offenbar keineswegs so schwach war, wie gern behauptet wird, oder dass sich die Königin unablässig gezwungen gesehen hätte, alle zu kaufen. Der Hauptgrund für Frankreichs Schulden, die seit 1643 stetig anstiegen, waren weniger die angeblich hohen Hofkosten als vielmehr die immensen Kriegsausgaben sowie die während der Frondekämpfe mehr oder weniger zum Erliegen gekommene Steuereintreibung, die ohnehin äußerst ineffizient war6 . Ein gewisser Aufwand bei der Gestaltung des Hoflebens war in jedem Fall notwendig, ebenso Belohnungen in Form von Geschenken, Gratifikationen oder Pensionen, um viele Personen an den Hof zu ziehen und sie dort auch zu halten – dieses Prinzip galt für Anna von Österreich ebenso wie einst für Maria von Medici7 . Aber im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin verließ sich Anna von Österreich nicht allein darauf, viel Geld auszugeben. Entsprechend ihrer Inszenierungsstrategie dachte sie auch hier weiter. Der Hof sollte eben nicht nur ein Ort der Sinnesfreuden, sondern auch der Tugend sein, indem – gemäß ihrem Selbstverständnis – sittsame Menschen, allen voran die Frauen, von Anna von Österreichs moralischer Vorbildfunktion angezogen würden, während all jene, denen es an charakterlicher Stärke und Vollkommenheit fehlte, in ihr ein nachahmenswertes Vorbild fänden8 . In einem Nachruf heißt es etwa, die Königin habe immer am Hofe gelebt, sei dabei aber ganz Gott ergeben gewesen9 . Mme de Motteville ergänzt, dass die Königin gehofft habe, diese 5 6

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Siehe ibid., S. 43f. Die enorm hohen Ausgaben führten seit 1635 zu einer Verschärfung der Lage, was vermehrt Unruhen und Aufstände nach sich zog. Richard B, The King’s Debts. Finance and Politics in France 1589–1661, Oxford 1981, S. 247, 272. Diese Ineffizienz beruhte nicht zuletzt auf den unterschiedlichen Besteuerungsmodellen in den Provinzen. Jean-François S, La cour de France, Paris 1987, S. 225. Siehe auch SR, Zur moralischen Ökonomie des Schenkens, S. 192. [A], Oraison fvnebre de la Reyne Mere, S. 20; M, Reflexions consciencievses, S. 2; S, Oraison, S. 4: »[S]i elle ne commence par soy-mesme, elle ne reüssira pas sur les autres«. BNF, Mss., Clairambault 1093, Flugblatt zum Tod von Anna von Österreich, fol. 157r: »[La reine] vescut toûjours à la Cour; mais toute à Dieu«; D P, Oraison, S. 20: »Montrez à toutes les Dames de la Cour qui ont tant de complaisances pour leurs corps les instrumen[t]s de sa penitence, les ceintures de crin qu’elle a portées, les disciplines qui sont

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

209

Strahlkraft der Tugend werde letztlich nicht nur ihr Umfeld und den Hof, sondern ganz Frankreich erreichen10 . Im Folgenden soll nun untersucht werden, inwieweit die von der Königin gewünschte Verquickung von Glanz und Glaube an ihrem Hof eine praktische Umsetzung erfuhr. Es gilt also zu prüfen, wie sich ihr Hof von dem Ludwigs XIII. unterschied, welchen Einfluss sie auf das höfische Zeremoniell nahm, welche Bedeutung dem von ihr initiierten Zirkel zukam, wie sich ihr Alltag sowie der Zugang zu ihr gestalteten und in welchem Maße die Höflinge letztlich von der höfischen Patronage der Königin profitieren konnten. 3.1.1 Vom ›strengen‹ zum ›heiligen‹ Hof? Caussin hatte bereits 1624 in seinem Buch »La cour sainte« versucht, Höflingen einen Ratgeber für ein adäquates Verhalten und eine angemessene Lebensweise an die Hand zu geben und sie vor möglichen Lastern und Gefahren des Zusammenlebens von Männern und Frauen am Hofe zu warnen. Er sah im tugendhaften Verhalten der Frauen nicht nur eine essentielle Stütze des Christentums, sondern auch einen wichtigen Faktor am Hofe, um den Männern als Vorbild zu dienen. Für diese Frauen wiederum sollte das Verhalten der Königin der Maßstab sein11 . Letztere konnte dabei auch aus ihrem Witwenstand Kapital schlagen, denn für eine Witwe verschwamm die Grenze zwischen weltlicher und spiritueller Sphäre: »Les vrayes veufues [. . . ] demeurent dans le monde pour l’exemple du monde, pour la conduite de leurs enfan[t]s & de leur maison, mais elles prennent aussi part à la vie des Religieuses, lorsqu’elles ont desia le cœur tout à Dieu«12 . Seit der Ankunft von Anna von Österreich in Frankreich 1615 bis in die 1620er Jahre hinein war das Leben am Hofe durchaus von Festlichkeiten, Balletten oder Jagdgesellschaften gekennzeichnet, und in Maßen natürlich auch noch bis zum Tod des Monarchen. Doch aufgrund seines einzelgängerischen, melancholischen Charakters und seiner kränklichen Natur glich der Hof oft weniger einem Ort der Vergnügungen als der Klause eines Frömmlers13 . Lediglich die Geburt des Thronfolgers bewirkte zumindest temporär einen encore toutes teintes de son sang; & dites leur que tous ces illustres monumen[t]s de pieté seront la condamnation éternelle de leur delicatesse & de leur idolâtrie«. Siehe F, Oraison, S. 31f.; R  S-M, Oraison, S. 32. 10 M, Portrait de la reine, S. 321: »Elle a certainement un grand respect pour la loi de Dieu, et son désir seroit de la voir bien établie dans le cœur de tous les Français«. 11 Nicolas C, La covr sainte, 6 Bde., Paris 10 1664, Bd. 5, bes. S. 6, 56, 72. 12 Ibid.: Instruction pour les Veufues, Bd. 1, S. 609f. 13 Jean-François S, (Art.) »Fêtes et divertissements de cour«, in: B (Hg.), Dictionnaire de l’Ancien Régime, S. 545–548, hier S. 545f. Eine Ausnahme bildeten z. B. die »Ballets de Nation«, die während des Krieges politischen Absichten durch das Karikieren vermeintlicher Eigenschaften der gegnerischen Nationen – allen voran der Spanier – dienten. Siehe Marie-Claude C-G, Dance and ritual: the »Ballet des nations«

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3. Hofstaat und Hofhaltung

spontanen Anstieg der Festlichkeiten. Abgesehen davon fehlte dem Monarchen jedoch auch weiterhin ein Gespür für die Notwendigkeit entsprechender ›Unterhaltungsangebote‹. So hat der Abbé de Choisy später über den Beginn der 1620er Jahre mit spitzer Zunge angemerkt, dass die Höflinge die Verschwendungssucht Annas von Österreich dem Geiz Ludwigs XIII. bei weitem vorzögen14 . Aber erst die Regentschaft brachte den erhofften Wandel15 : J[’]ai vû le temps de la bonne Régence; Temps où régnoit une heureuse abondance, Temps où la Ville aussi-bien que la Cour Ne respiroient que les jeux & l’amour16 .

Dass bei der Königin der Nachholbedarf groß war, zeigte sich – zumindest inoffiziell – daran, dass sie sich, wie schon erwähnt, nicht einmal von der vierzigtägigen Trauerzeit abhalten ließ und inkognito Theateraufführungen besuchte17 . Um aber ganz sicher zu gehen, ließ sie sich von Theologen bestätigen, dass dies nicht verwerflich sei, da auch Monarchen der Zerstreuung bedürften18 . Nach außen achtete sie daher darauf, eine gewisse Indifferenz gegenüber den profanen höfischen Vergnügungen zu demonstrieren, um die Würde und Raison als Witwe und Regentin zu unterstreichen19 . Wie hoch die Ausgaben für die menus plaisirs der Königin, also für zeremonielle Akte, Feste und andere Spektakel, waren bzw. ob sich während der Regentschaft ein spürbarer Anstieg feststellen lässt, ist mangels erhaltener Aufzeichnungen nicht genau zu ermitteln. Allerdings geht aus einem für das Jahr 1653 erhal-

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at the court of Louis XIII, in: Renaissance Studies 9/4 (1995), S. 395–403, hier S. 395–397, 402f. C, Histoire de l’Église, Bd. 10, S. 250. M, Mémoires, Bd. 1, S. 227: »La Reine alors n’avoit pas renoncé à tous les plaisirs qui lui avoient plû autrefois, & qu’elle croioit innocen[t]s. Elle avoit aimé le bal. Elle en avoit perdu le goût avec la jeunesse; mais, elle alloit à la Comédie«. Charles de Marguetel de Saint-Denis, Seigneur de S-É, Œuvres de M. de Saint-Évremond, 9 Bde., s.l. 1753, Bd. 3, S. 294, »Sur les premières années de la Régence« (s.d.). Siehe auch B, Louis XIV, S. 51, 67f.; M, La politesse, Bd. 2, S. 476– 478. M, Mémoires, Bd. 1, S. 227: »[E]lle alloit à la Comédie, à demie cachée par une de nous, qu’elle faisoit asseoir auprès d’elle dans une Tribune où elle se mettoit, ne voulant pas pendant son deuil paroitre publiquement à la place qu’elle devoit occuper dans un autre tem[p]s. Ce divertissement ne lui étoit pas desagréable«. Siehe Kap. 2.4; D, Anne d’Autriche, S. 242f. L M, De l’art de régner, Teil 4, S. 636–638; M, Mémoires, Bd. 1, S. 410– 412. Siehe dazu BNF, Mss., Fonds français 19043, V, Maximes D’Education, fol. 80r– 85r; Samuel C, Le théâtre françois, Lyon 1674, S. 12f., 21f.; François de G, Les Plaisirs des Dames, Paris 1641, S. 208, 278f., 333f.; Pierre L M, La Dévotion aisée, Paris 1652, S. 96f., 101. Vgl. M, Pour l’amour de l’enfant roi, S. 299–301. M, Portrait de la reine, S. 325: »Ses inclinations sont conformes à la raison, et la complaisance lui fait faire sur ce chapitre beaucoup de choses qu’elle ne feroit pas si elle suivoit ses sentimen[t]s«. Das bestätigt auch O, Oraison, S. 12.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

211

tenen Rechnungsbuch hervor, dass monatlich 3000 l.t. für ihre menus plaisirs veranschlagt wurden, also 36 000 l.t. pro Jahr20 . Anna von Österreich ging – anders als später etwa Maria Theresia – ganz in der höfischen Welt auf21 . Mit der Regentschaft folgte eine Zeit der Vergnügungen, wie es sie schon lange nicht mehr gegeben hatte22 . Nach dem Ableben des Königs kehrten tatsächlich viele von ihm und Richelieu ins Exil verbannte oder ins Gefängnis geworfene Personen auf ausdrücklichen Wunsch der Königin zurück23 . Die Zahl der Höflinge stieg stetig an, natürlich nicht nur, weil der Hof aufgrund der Feste nun wieder an Reiz gewonnen hatte, sondern auch weil sich viele etwas davon versprachen, dort zu erscheinen und neue Kontakte zu knüpfen24 . Zugleich wurde damit die grundsätzliche Anziehungskraft des Hofes als Zentrum für die Aussicht auf materiellen Gewinn und Prestige deutlich. Durch die zentralistisch ausgerichtete Politik nahm er nach und nach an Bedeutung zu und verdrängte den Stellenwert provinzialer adliger Machtausübung zwar nicht völlig, schmälerte ihn jedoch zusehends. Die Königin versuchte daher, sich so großzügig wie möglich zu zeigen und die Wohltaten wohlüberlegt an eine breite, potentiell gehorsame Klientelbasis zu verteilen, anstatt sie nur einigen wenigen Familien zukommen zu lassen25 . Die Etablierung solcher Bindungen war zu Beginn der Regentschaft essentiell, um oppositionelle Bestrebungen zu verhindern. Wie aber die »cabale des importants« noch im Sommer 1643 vor Augen führte, war die Königin in dieser Hinsicht mit ihrem Vorhaben zunächst teilweise gescheitert und musste einsehen, dass es schwierig war, möglichst vielen gerecht zu werden26 . Konsequenterweise war die Entfernung vom Hofe bzw. die Exilierung der an der Kabale Beteiligten nur der nächste logische Schritt. 20 21 22 23 24 25

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BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 97v. C, Marie-Thérèse, S. 23–25. H, La double mort, S. 283. Siehe dazu ibid., S. 257. Henri-Auguste de Loménie, comte de B, Mémoires du comte de Brienne, 2 Bde., Paris 1824, Bd. 2, S. 80. L M, De l’art de régner, Teil 3, S. 496: »Il faut encore qu’il [= der Fürst] choisisse les mains où il les met: & qu’il ne souffre pas que ses Graces se presentent indifféremment à toutes les portes«, sowie ibid., S. 497: »[C]omme les graces du Prince ne doiuent pas estre communes, aussi ne les doit-il pas renfermer dans vne seule maison: & les rétreindre à vn petit nombre de personnes, qui luy pourroient plaire par son inclination plustost que par leur merite. Qu’il se represente donc souuent, qu’vn Prince est la bonne Fortune de tous ses Suiets: qu’il est la commune possession de tout le Royaume, & non pas le Patrimoine singulier d’vne Famille«. Vgl. auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 210–212. Vgl. Z, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 26, Sp. 1401, (Art.) »Patron«: »Nach der Klugheit hat ein Patron dahin zu sehen, daß er nicht alle und jede ohne Unterschied, die sich bey ihm melden, in seinen Schutz nehme, indem vielmals ungeschickte und undanckbare Leute mit unterlaufen[,] von denen man beym Ausgang nichts als Verdruß hat, weswegen man sich vorher um die Umstände eines solchen Menschen genau zu bekümmern hat«.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Damit sollten aber nicht nur weitere Unruhen verhindert werden. Der Hof als Abbild der gesellschaftlichen Strukturen durfte keine Infragestellung der königlichen Autorität zulassen oder gar als schwach gegenüber Intriganten erscheinen. Folglich erfüllten auch Feste und Bälle mehr als nur einen reinen Unterhaltungswert27 . Sie demonstrierten mittels einer bewusst zur Schau gestellten Prachtentfaltung die Stärke, die Größe und den Reichtum der Monarchie und suggerierten eine hohe Anziehungskraft auf potentielle Klienten: Nicht nur in Friedens-, sondern gerade in Kriegs- und Krisenzeiten war das wichtig, um zu zeigen, dass die finanziellen Ressourcen noch lange nicht erschöpft waren. Daran offenbart sich einmal mehr die politische Dimension einer prächtigen Hofhaltung28 . Bei aller Prachtentfaltung wollte Anna von Österreich ihren Hof aber auch als fromm, ja als heilig präsentieren. Die Betonung ihrer Religiosität, die bei ihrer Selbstinszenierung eine so tragende Rolle spielte, musste, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, im höfischen Alltag natürlich eine adäquate Umsetzung finden29 . Davor, besonders aber in den 1620er Jahren, war die Königin aufgrund ihres Alters nicht weniger genusssüchtig und lebenslustig gewesen als ihre Hofdamen30 . In diesem Umfeld wurde nicht nur der Lektüre schlüpfriger Texte gefrönt, sondern einige ihrer Hofdamen und Amtsträgerinnen, allen voran die Duchesse de Chevreuse, unterhielten auch Affären31 . Erst die Entfernung vieler dieser Frauen und die Nicht- bzw. Neubesetzung wichtiger Chargen führte zu einem Rückgang dieses unbeschwerten Lebensstils. Aber vor allem die Geburt des Thronfolgers führte 1638 bei der Königin zu einer stärker ausgeprägten sittlichen und moralischen Charakterfestigkeit, die nun umso deutlicher nach außen gezeigt werden sollte; schließlich durfte an der Tugend des künftigen Königs kein Zweifel aufkommen. Das geschah am Hofe auf zwei Wegen: Durch eine gelebte Frömmigkeit und durch eine Modifizierung und fortschreitende Kodifizierung der Etikette. Anna von Österreich war bemüht, ihren Hof zu einem Vorzeigemodell zu machen, wo Glanz und Glaube sich nicht ausschlossen wie unter der Ägide Ludwigs XIII., sondern gleichberechtigt ihren Platz behaupteten – auch an ei27

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Siehe etwa D, Vienna and Versailles; F, Les cérémonies; S, La cour de France; V, W, Le Roi dans la ville. Vgl. auch Kirsten D u. a. (Hg.), Soziale und ästhetische Praxis der höfischen Festkultur im 16. und 17. Jahrhundert, Wiesbaden 2009; Elizabeth G, J. R. M (Hg.), Court Festivals of the European Renaissance: Art, Politics and Performance, Aldershot 2002. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 248: »In der politischen Kultur der Frühen Neuzeit bemaß sich die Macht des Patrons per definitionem auch an der Masse seiner Klienten. Ein großer Klientelverband vermochte seinen Zugriff auf Informationen und Ressourcen zu erweitern, und vor allem steigerte sich mit der Reputation des Patrons auch die seiner Klienten«. Siehe auch B, La France au XVIIe siècle, S. 694. R B, Enfance et éducation, S. 32. Siehe A, Histoire de la littérature française, Bd. 3, S. 295. S, La cour de France, S. 191.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

213

nem Ort der Pracht und des Luxus sollten christliche Werte gepflegt werden32 . Frömmigkeit und Nächstenliebe der Königin sollten auf die Höflinge zurückstrahlen. Durch Gebete und regelmäßige Besuche in Klöstern, Armen- und Krankenhäusern mit ihrem Gefolge wollte sie dies erreichen. Und da sie ebenfalls Wert auf einfache Kleidung legte, versuchte sie, sich auch in dieser Hinsicht zum Vorbild zu deklarieren, jedoch zusätzlich gestützt auf gesetzliche Regelungen, die vor allem die Frauen dazu anhalten sollten, auf einen allzu prächtigen Aufputz zu verzichten33 . Zudem widmete sie sich der Handarbeit, was weitere propagandistische Vorteile in sich barg: Elle se plaisoit au travail manuel convenable aux grandes Dames qui font profession de Vertu non par avarice, mais pour éviter l’oisiveté, & pour en donner le profit aux Eglises & aux pauvres, y adjoustant les deniers de ses menus plaisirs, sans prejudice des autres grosses sommes34 .

Wieder andere Apologeten teilten diese Sicht, verhehlten aber nicht, dass vorübergehende ›Auszeiten‹ vom Hofe aufgrund der Genüsse und der Eitelkeiten dennoch notwendig seien, um Kraft zu schöpfen und den Glauben aufs Neue zu stärken35 . So sprach ein Zeitgenosse in Bezug auf die banalen bis hin zu den intriganten und heuchlerischen Gesprächsinhalten gar von der »ansteckenden Konversation der Höflinge«36 . Um dem zumindest zeitweise zu entgehen, gewissermaßen als Gegengift vor den süßen Verlockungen höfischer Freuden, nutzte die Königin ihre Aufenthalte in Val-de-Grâce, gleich einer Biene, die für einige Zeit ihren Stock verlässt, wie Le Boux es nannte, um anschließend mit gestärkter spiritueller Kraft an den Hofe zurückzukehren37 . Tatsächlich wurde 32

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F, Oraison, S. 11: »[D]ans le plus haut éclat de la majesté Royale, & parmy les seruiles soûmissions, & les complaisances estudiées des Courtisans, [elle] n’oublia jamais qu’elle estoit seruante de Iesus-Christ« [Hervorh. im Orig.]; S-G, Le Mérite des dames: Epistre, s.p.: »Parmy les grandeurs & les delices de sa cour, elle conserue vne ame si exempte des vaines impressions qui s’y forment, que la plus esleuées partie du monde ne l’est pas plus des exhalaisons de la terre & des nuages de l’air«. Siehe auch M, Les précieuses, S. 139. V, Oraison, S. 22f. Eine solche Verordnung war bereits im Mai 1644 erlassen worden. Weitere folgten beispielsweise 1656 und 1660. Siehe I (Hg.), Recueil général des anciennes lois, Bd. 17, S. 41, Nr. 28; S. 335, Nr. 290; S. 382, Nr. 357. M, Panegyrique et Oraison, S. 34. Siehe auch [A], Le panegyrique royal, S. 4–7; BNF, Mss., Rothschild 356, C, Oraison, S. 16f.; S, Oraison, S. 11. Ibid.; J, Oraison, S. 6. Ibid. Le Boux, Oraison, S. 18f.: »[P]ersuadée que le séjour perpétuel de la cour est aussi dangereux à une âme véritablement chrétienne que le serait à l’abeille sa ruche si elle y demeurait toujours, persuadée que les délices que l’on y goûte par quelques sortes de nécessité inévitable sont aussi dangereuse[s] que le serait à l’abeille la douceur de son miel si elle ne s’en séparait jamais, en abandonnant le Louvre pour avoir dans ce monastère prenait (s’il est permis de parler ainsi) l’essor et son vol pour s’éloigner, pour se détacher et pour se priver au moins pendant quelque temps de toutes choses. C’est dans ce lieu où elle venait recueillir, par la pratique de plusieurs mortifications, ces sucs amers pour ser-

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3. Hofstaat und Hofhaltung

ihrer Anwesenheit am Hofe große Bedeutung beigemessen, weil sie den Lastern aufgrund ihrer Tugenden entgegenwirken und Vorbildfunktion erlangen konnte38 . Es hieß, die Königin habe die christliche Frömmigkeit im Louvre wiederbelebt und ihn zu einem beispielhaften und heiligen Ort gemacht39 . Andere priesen den Louvre gar als »neuen Olymp«40 . In diesem Lob steckt mehr Wahrheit als vermutet. Denn wie die Götter des Olymps durch positive und negative Eigenschaften gekennzeichnet waren, so waren es natürlich auch die Höflinge. Die Heiligkeit des Hofes anzustreben, war ein löbliches Ziel, aber letztlich nur ein Kampf gegen Windmühlen. Caussins »cour sainte« blieb eine Utopie41 . Laut Mme de Motteville war die Königin trotzdem der Meinung, dass ein redliches Zusammenleben von Männern und Frauen am Hofe möglich sei, denn die Männer, beseelt vom Wunsch, den Frauen zu gefallen, würden lernen, geistvoll aufzutreten und weitere Tugenden erwerben42 . Dies war mehr als nur ein frommer Wunschglaube und entsprach durchaus der Realität. Aber ebenso entsprach es der Realität, dass der Hof weiterhin ein Ort war und blieb, an dem Sünden, Intrigen, Lügen und Skandale ihren Platz behaupteten43 . Daran konnten die Bemühungen der Königin nicht viel ändern, weshalb die Behauptung, »[que la reine] renouuella dans le Louure l’exercice de la pieté Chrestienne, & depuis ce Palais a esté vn lieu d’exemple & de sainteté«44 , primär im Rahmen der üblichen Propaganda zu sehen ist. Mit dem Ausbruch der Fronde kam das Hofleben jedoch teilweise zum Erliegen und geriet wieder stärker in den Fokus öffentlicher Kritik. So wurde moniert, der Hof sei nur von Luxus, Korruption, Wollust und Egoismus geprägt und von Caussins gepriesener und geforderter Heiligkeit sei nichts zu

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vir d’antidote contre le poison des délices de sa Cour [. . . ]. Mais c’est ici pour mieux dire que cette abeille recueilli la rosée et le miel qu’elle portait après dans sa ruche, d’ici elle retournait au Louvre avec de nouvelles ferveurs et de nouveaux désirs d’y faire connaître et adorer Dieu, d’étendre son règne partout«. Siehe ebenfalls J, Oraison, S. 6; V, Oraison, S. 42. BNF, Mss., Rothschild 356, C, Oraison, S. 16: »Dieu le vouloit, qu’elle fut quelquefois au Louure pour esclairer par ses rares exemples, toute la Cour & tout le Royaume«. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 13. Siehe  K, Catherine de Médicis, S. 72. P   S, Le Portrait de la Reyne, S. 122. Louise G  D, L’art de plaire chez les dames de la cour au temps de la régence d’Anne d’Autriche, in: H (Hg.), La cour au miroir des mémorialistes, S. 147– 161, hier S. 160. M, Mémoires, Bd. 1, S. 14: »Elle étoit persuadée que les hommes pouvoient sans crime avoir des sentimen[t]s tendres pour les femmes, que le desir de leur plaire les portoit aux plus grandes & plus belles actions, leur donnoit de l’esprit & leur inspiroit de la liberalité & toutes sortes de vertus; mais que d’un autre côté les femmes, qui étoient l’ornement du monde & étoient faites pour être servies & adorées des hommes, ne devoient souffrir que leurs respects«. M, Les précieuses, S. 215, 435. [A], Panegyrique de la Reyne, S. 13. Siehe  K, Catherine de Médicis, S. 72.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

215

erkennen45 . Mit dem Ende der Fronde nahm diese Kritik zwar wieder ab, nicht aber die angeprangerten Übel. Anna von Österreich waren zwar vereinzelt Erfolge vergönnt, wie die Wiederherstellung des Ehefriedens ihres Höflings Des Marets46 . Als sie aber Ende der 1650er Jahre dem Comte de Guiche, der für sein unanständiges Verhalten bekannt war, den Umgang mit ihren Söhnen verbieten und ihn vom Hof entfernen wollte, scheiterte sie, da Ludwig XIV. und sein Bruder ihm trotz allem sehr zugetan waren47 . Dieser Vorfall offenbarte zugleich die sich teilweise anbahnende Emanzipation des Königs von seiner Mutter: Nach dem Frieden mit Spanien, den Eheschließungen ihrer Kinder und durch den Ausschluss aus dem Kronrat wandte sich Anna von Österreich noch stärker der Religion zu. Sie wollte Ludwig XIV. zu einem mustergültigen christlichen König formen – allerdings ohne den gewünschten Erfolg, denn bekanntlich vermochte sie seine außerehelichen Abenteuer nicht zu unterbinden48 . Stattdessen zeichnete sich seit 1660/1661 eine immer größere Kluft zwischen dem alten und dem jungen Hof ab49 . Um Anna von Österreich und Maria Theresia scharten sich die älteren Höflinge und alle Frömmler, der so genannte »parti dévot«50 , dem es beispielsweise gelang, Molières »Tartuffe« verbieten zu lassen; auch hatten sie dem Jansenismus den Kampf angesagt51 . Deshalb wurden beide Königinnen von Seiten der Gottesfürchtigen glorifiziert, weil sie einen positiven Einfluss auf den Hof ausübten und zugleich den an sie gerichteten Erwartungen gerecht wurden52 . Im Gegensatz dazu bildeten im Umfeld Ludwigs XIV. und seiner Schwägerin Henrietta Anna von England die jungen und lebenslustigen Höflinge das Gefolge, wobei sich der Umgang untereinander naturgemäß weitaus ga-

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Siehe auch Moshe S, La mobilisation des saints dans la Fronde parisienne d’après les Mazarinades, in: Annales. Histoire, sciences sociales 54/2 (1999), S. 353–374, hier S. 357. BCH, Mss., Ms. 909, Brief v. Anna von Österreich an die Comtesse Des Marets (22.07.1661), s.p. P, V, Journal, S. 416f., Eintrag v. 27.01.1658. Siehe auch Jean R, Armand de Gramont, comte de Guiche (1637–1673), Paris 1960. Vgl. M, Mémoires, Bd. 4, S. 486f. D, Les relations d’Anne d’Autriche et de Bossuet, S. 155. Vgl. F, La confidente et la reine, S. 277. Vgl. dazu W, Aristocratic Women, S. 207–252. David M, Culture and Society in Seventeenth-Century France, London 1970, S. 178, 189; S, La cour de France, S. 285. Siehe auch A, Histoire de la littérature française, Bd. 3, S. 294f.; Bd. 5, S. 133; Pierre B, Rolle und Entwicklung des Theaters am Hofe Ludwigs XIV., in: B (Hg.), Europäische Hofkultur, Bd. 2, S. 319–327, hier S. 321–323. M, Mémoires, Bd. 5, S. 183: »La vertu & la pieté y [= am Hofe] regnoient, par celle dont les Reines faisoient profession. Elles s’occupoient en prieres plus que le Roi, pour satisfaire pleinement au Titre glorieux que l’on a donné à notre Sexe, en l’appelant dévot«.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

lanter, also freizügiger gestaltete als am »alten Hof«53 . Es stellte sich zeitweise sogar eine regelrechte Konkurrenz zwischen beiden Parteiungen ein, in deren Verlauf Mitglieder des Gefolges Ludwigs XIV. versuchten, den Einfluss seiner Mutter und der Frömmler zurückzudrängen, indem sie diese beim König in Misskredit bringen wollten – dies ging jedoch selbst dem König zu weit, sodass derartige Versuche erfolglos blieben54 . Allerdings machte diese Opposition deutlich, wie sehr der Einfluss des »alten Hofes« als bedrohlich empfunden wurde. Denn der junge, umtriebige Hof gab immer wieder Anlass zu Gerüchten und Skandalen, was entsprechende Spottschriften nach sich zog55 . Die bekannten Satiren von Bussy-Rabutin sind sicher das beste Beispiel für die vermeintliche Dekadenz dieser vergnügungssüchtigen und lasziven Elite in den frühen Jahren am Hofe des Sonnenkönigs56 . Aber erst mit dem Tod von Anna von Österreich schwand der Einfluss der Frömmler nachhaltig57 . Gleichwohl sollte die Entwicklung am Hofe Ludwigs XIV. in den folgenden Jahren zeigen, dass Anna von Österreich durchaus imstande gewesen war, einen gewissen Vorbildcharakter zu erlangen58 . Die Frömmigkeit und Erhabenheit, mit der sie ihren Hof beeinflusste, war zum Teil auf die Würde ihrer spanischen Herkunft zurückzuführen, die sich nun durch ihren langen Aufenthalt in Frankreich mit der französischen Leichtigkeit vereinte, sodass der Hof weder die schwere Strenge des spanischen Hofzeremoniells oder die ermüdende Monotonie der Ära Ludwigs XIII. atmete noch Gefahr lief, komplett in einen Sündenpfuhl abzugleiten59 . Mme de Motteville merkte dazu an, dass dies für Anna von Österreich die wesentliche Motivation gewesen sei, auch nach 1661 noch am Hofe zu bleiben60 . Trotz des stilisierenden Impetus ihrer Aussage und der Tatsache, dass die Königin natürlich auch aus politischen Gründen am Hofe blieb, besteht dennoch kein Zweifel, dass sie mit ihrer bloßen Präsenz dem König ebenso wie den meisten Höflingen mehr Zurückhal53 54 55 56

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Siehe A, Histoire de la littérature française, Bd. 3, S. 24–31; Bd. 4, S. 186. M, Mémoires, Bd. 5, S. 33. A, Histoire de la littérature française, Bd. 3, S. 45f. Roger de B-R, Histoire amoureuse de Gaule. Suivie des romans historicosatiriques du XVIIe siècle, hg. v. Paul B, Charles-Louis L, 4 Bde., Paris 1856– 1876. Siehe dazu Allen G. W, Bussy Rabutin’s Satires on the Court, in: The Court Historian 9/2 (2004), S. 119–127. Vgl. Jean-Michel P, Amour précieux, amour galant (1654–1675), Paris 1980, S. 220–224. Siehe auch S-B, Port-Royal, Bd. 3, S. 281. Zum Vorbildcharakter des französischen Hofes siehe auch B, Recueil des Dames, Teil 2, S. 360. S, Relazione di Francia, S. 548: »Le virtù di questa gran dama consistono in una esemplarissima divozione [sic], in una grande affabilità e cortesia nelle quale spogliandosi della seriosità spagnola si è interamente vestita della famigliarità francese«. M, Mémoires, Bd. 5, S. 259: »[M]algré l’envie qu’elle avoit de se retirer de la Cour, [elle] se croyoit obligée d’y demeurer, non pas tant pour en souvenir la grandeur & la majesté, que pour y maintenir la vertu & la pieté, empêchant que la volupté ne se rendit la Maitresse sous un jeune Roi qui avoit une grande tendresse pour elle«. Siehe auch ibid., S. 183.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

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tung bei jeglicher Art von Ausschweifung abverlangte als es nach ihrem Tod der Fall war61 . Das musste auch Ludwig XIV. (an)erkennen: Als in den 1670er und 1680er Jahren am Hofe und in einigen Haushalten von Mitgliedern der königlichen Familie die Sittenlosigkeit immer stärker die Oberhand zu gewinnen schien, bat der König – allerdings vergebens – eine ehemalige Kammerdame seiner Mutter, als Obersthofmeisterin bei seiner Schwiegertochter, der Dauphine Maria Anna von Bayern, wieder für Ordnung unter den Hofdamen und -fräulein zu sorgen62 . Das geschah jedoch stets unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich sexuelle Ausschweifungen am Königshof, wo Menschen verschiedenen Alters, Standes und Geschlechts aufeinander trafen, nie wirklich vermeiden ließen – und das war den Herrschern durchaus bewusst. Die Bitte Ludwigs XIV. an eine ehemalige Amtsträgerin seiner Mutter bezeugt somit sehr deutlich, dass Anna von Österreich der Propagandacoup gelungen ist, ihren Hof tatsächlich als einen heiligen Ort zu prägen, weil sie ihren diesbezüglichen Anspruch zumindest bedingt in die Praxis umzusetzen vermochte63 . 3.1.2 Hofhaltung, Zeremoniell und Feste als Ausdruck königlicher Macht Im Vergleich zum Kult um die Heiligkeit des Hofes waren die Bemühungen der Königin im Hinblick auf die Hofhaltung weitaus erfolgreicher und entfalteten überdies einen größeren und nachhaltigeren Eindruck. Schon Katharina von Medici hatte der französischen Etikette Elemente der italienischen zugeführt, wie das Kratzen anstelle des Klopfens an den Türen64 . Auch Anna von Österreich ergänzte die Etikette mit Elementen des strengen spanischen Hof61 62

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Siehe Kap. 2.2.3, S. 118, Anm. 398. [A], La vie de Marie de Hautefort, Duchesse de Schomberg, Dame d’Atours de la Reine, Anne-Marie-Mauricette, D’Autriche, s.l. 1799, S. 61, Brief v. Ludwig XIV. an Mme de Hautefort (31.05.1684); S. 62, Brief v. Ludwig XIV. an Mme de Hautefort (09.06.1684). Mme de Hautefort lehnte mit dem Hinweis auf ihr fortgeschrittenes Alter ab. In Wahrheit fürchtete sie jedoch im Fall der Erfolglosigkeit ihres Wirkens eine Verbannung vom Hofe, die sie während der Regentschaft aufgrund ihrer ständigen Kritik an Mazarin bereits einmal erlebt hatte. B, Œuvres oratoires: Sermon pour la vêture de Mademoiselle de Beauvais« (22.11.1667), Bd. 5, S. 272: »[C]ette cour chrétienne, si sainte, si religieuse«; L F, Mémoires, S. 57: »[E]lle sçavoit ce qui s’appelle tenir une Cour, mieux que personne du monde, & quoi-que vertueuse, souffroit même avec plaisir cet air de galanterie qui doit y etre pour la rendre agréable, & y maintenir la politesse dont en ce tem[p]s-là tout le monde faisoit cas [. . . ]. On étoit plus délicat les uns des autres. La bonne compagnie étoit plus séparée de la mauvaise. Les gens qui entroient dans le monde avoient plus d’égard pour ceux qui y avoient quelque acquis, & n’étoient pas si aisément admis en toutes sortes de compagnies«. Siehe D, L’art de plaire, S. 156. Uwe S, Versailles. Die Sonne Frankreichs, München 2002, S. 85.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

zeremoniells65 . Das betraf in erster Linie ein erhaben-würdevolles Auftreten und eine gewisse Form des Ernstes und Gleichmuts beim Gebaren in der Öffentlichkeit66 . Und sie führte den von Ludwig XIII. und Richelieu beförderten Respekt gegenüber dem König bzw. der Königin fort, womit sie die spätere Hofhaltung Ludwigs XIV. maßgeblich beeinflusste67 . Viele sahen den Einfluss ausländischer Prinzessinnen ohnehin als äußerst förderlich an: [L]a Reine-Mère, qui sans préjudice des bonnes qualités d’esprit et des grandes vertus qu’on connait en elle, a le goût des Espagnols, qui est de n’aimer que le poli, et ce qu’ils appellent lindo [= joli] [. . . ]; que ce que nous avons de plus considérable en France nous vient de Catherine de Médicis et de Marie, toutes deux Italiennes et de Florence où il y a d’assez belles choses68 .

Eine prächtige Hofhaltung mit einem ausgefeilten Zeremoniell69 erfüllte zwei wesentliche Funktionen. Zum einen war sie Bestandteil der dynastischen und persönlichen Repräsentation. Das heißt, sie war ein Ausdruck der Macht und Würde des Monarchen, während das Zeremoniell ein verfeinertes Abbild der gesellschaftlichen Hierarchien der Monarchie im Allgemeinen und der höfischen Hierarchie im Besonderen darstellte; das Festhalten daran spiegelte im weitesten Sinne die Aufrechterhaltung der Ordnung wider70 . Das primäre Ziel des Zeremoniells bestand darin, Rangunterschiede zwischen all jenen, die Zugang zum Hofe hatten – einfache Besucher, ausländische Gesandte, Minister, Höflinge, Vertreter des Hochadels und Amtsträger in den königlichen Haushalten –, zu verdeutlichen und der Gesellschaftsordnung einen sichtba65

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R B, Enfance et éducation, S. 13f., 18. Siehe B, La France au XVIIe siècle, S. 276;  K, Catherine de Médicis, S. 61. Zu den spanischen Einflüssen auf den französischen Hof siehe Gérard S, Margarita T (Hg.), ¿Louis XIV espagnol?: Madrid et Versailles, images et modèles, Paris, Versailles 2009. M, Portrait de la reine, S. 328: »Une des plus belles qualités que j’aie reconnues en la Reine, c’est la fermeté de son ame: elle ne s’étonne point des grands périls; les choses les plus douloureuses, et qui ont le plus agité son ame, n’ont pu apporter du trouble sur son visage, et ne lui ont jamais fait manquer à cette gravité qui sied si bien aux personnes qui portent la couronne«. Siehe B, Les stratégies de la gloire, S. 64; C, Europäische Konstruktion, S. 330f. Siehe dazu F, Les femmes dans la vie de Louis XIV, S. 35–50, 127; Orest R, Courtesy, Absolutism, and the Rise of the French State, 1630–1660, in: Journal of Modern History 52/3 (1980), S. 426–451. C, Journal, S. 214, Eintrag v. 08.10.1665 [Hervorh. im Orig.]. Zur Definition von »Zeremoniell« siehe P, Das Hofzeremoniell, S. 384f., der das »Hofzeremoniell als Ordnungssystem« versteht, »das Handlungen am Fürstenhof einen spezifischen, genau bestimmten Symbolwert zuweist, der auf den Rang der beteiligten Personen bezogen ist. Damit wird die soziale Ordnung am Hof hergestellt und für alle Beteiligten sichtbar und erkennbar gemacht«. Richard A, Karl S, Das große Welttheater. Die Epoche der höfischen Feste in Dokument und Deutung, Hamburg 1959, S. 48–70; D, Myths of Power, S. 192f. Siehe auch Hubert C. E, Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. und 18. Jahrhundert, München 1980, S. 126–132; L, Les Domestiques commensaux, S. 388–393; M, Les précieuses, S. 178–187.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

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ren Ausdruck zu verleihen71 . Es ist gewiss kein Zufall, dass gerade in den 1640er Jahren immer wieder Bücher gedruckt wurden, die sich mit zeremoniellen Fragen befassen. Denn sie sollten diese Hierarchien deutlich machen, auf deren Einhaltung es ja gerade während einer Regentschaft unbedingt ankam, um die Stabilität, Kontinuität und Legitimation der Herrschaft zu demonstrieren72 . Aber auch für die Höflinge nahm die Repräsentation einen nicht minder wichtigen Stellenwert ein. Wie Hubert Ehalt zutreffend konstatiert, hielt im »Alltag des Hoflebens das Prestige- und Statusbedürfnis der einen das der anderen wach«73 , denn aus dem »System der Prärogative konnte und wollte niemand ausbrechen, obwohl es von jedem der in die Hofgesellschaft integrierten Adeligen ein hohes Maß an Anpassung, Gehorsam und Unterordnung forderte. Jede Kritik, jeder Ausbruch hätte zugleich an den Grundfesten der eigenen sozialen Existenz gerührt«74 . Zum anderen waren Hofhaltung und Zeremoniell Bestandteil des Herrschaftsinstrumentariums75 . Der hohe Symbolgehalt und die prächtige Inszenierung, die dem Zeremoniell innewohnten, sollten keineswegs nur die Wirkung auf Außenstehende verstärken76 . Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass Anna von Österreich während der Regentschaft und bis zu ihrem Tod vor allem das Palais-Royal bzw. später dann den Louvre zu ihrer Hauptresidenz erkoren hatte, weshalb dort ein besonders ausgefeiltes Inszenierungsprogramm zu finden war. Infolge dieser Beständigkeit bei der Residenzwahl war es leicht möglich, den Abläufen am Hofe mehr Regelmäßigkeit zu geben, die Hofhaltung auszudehnen und damit das Zeremoniell selbst stärker in den Vordergrund zu rücken77 . Erst vor diesem Hintergrund kann deshalb in Bezug auf Hofhaltung und Zeremoniell von einem Herrschaftsinstrument gesprochen werden, weil die zentralen politischen Entscheidungen nun während des Großteils des Jahres von der Königin in ihren Ratsversammlungen an einem festen Platz getroffen wurden78 . Das erhöhte zugleich die Anziehungskraft des Hofes in seiner 71

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Hubert C. E, Zur Funktion des Zeremoniells im Absolutismus, in: B (Hg.), Europäische Hofkultur, Bd. 2, S. 411–419, hier S. 412f. Vgl. auch C, P, Monarchies, S. 267f.; P, Das Hofzeremoniell, S. 388–392. R, Courtesy, S. 428. Einen wenn auch sehr kurzen Einblick ins Zeremoniell am Hofe Annas von Österreich bietet Vladimir C, La cour d’Anne d’Autriche et son cérémonial, in: Bulletin d’Association des médiévistes de Russie 7 (1997), S. 12f. [auf Russisch]. E, Zur Funktion des Zeremoniells, S. 412. Ibid. Vgl. P, Das Hofzeremoniell, S. 396–400. Siehe auch ibid., S. 382f., 386–388, 401f. Vgl. außerdem Barbara S-R, Zeremoniell, Ritual, Symbol: Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 27/3 (2000), S. 389–405. E, Zur Funktion des Zeremoniells, S. 413. Vgl. S, Ikonographische Programme, S. 272–275. Siehe auch ibid., S. 276f.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Funktion als Schalt- und Anlaufstelle von Macht, Einfluss und Informationen. Die ostentative Zurschaustellung von Wohlstand ließ die Königin als Patronin ungemein attraktiv erscheinen und war – neben aller Selbstdarstellung und Förderung des Prestiges der Monarchin – darauf ausgelegt, einen großen Personenkreis anzuziehen79 . Hier griff dann das Zeremoniell, das einem jeden, je nach Geburtsrang und Status, in der staatlichen bzw. höfischen Ämterhierarchie einen festen Platz zuwies und die Zugangsberechtigung zum Herrscher und damit in den inneren Zirkel der Macht definierte80 . Wie das Zeremoniell war auch die Festkultur nicht nur Bestandteil der höfischen Ordnung, sondern politischer Leitlinien. Infolge der Reanimierung des Hoflebens nach dem Regentschaftsantritt wurde den Hoffesten wieder ein wesentlicher Stellenwert eingeräumt81 . Der Sieg über die Frondeure sorgte seit 1653 abermals für viele Feste, die immer auch politisch-symbolische Implikationen aufwiesen; dazu zählten auch Hochzeiten, wie die Ehe von Armand de Bourbon, Prince de Conti, einem ehemaligen Frondeur und Bruder des Prince de Condé, mit Anna Maria Martinozzi, einer Nichte von Kardinal Mazarin82 . Im übertragenen und konkreten Sinn verdeutlichten Feste also die Überlegenheit der Krone und den Willen des Adels, sich deren Machtanspruch endgültig zu unterwerfen – und, wie im Fall des Prince de Conti, dafür dann auch von dieser Nähe zur Macht zu profitieren. Bei großen Bällen, zu denen gleichermaßen Schwert- und Amtsadel geladen waren, war die Teilnahme zwar eine Ehre und Ausdruck der gesellschaftlichen Bedeutung. Dennoch drückten sich die hierarchischen Unterschiede in der Platzierung, der Kleidung, den Gesten und der Haltung aus, sodass die soziale Rangordnung stets gewahrt blieb: Les femmes y parurent aussi dans un esclat extraordinaire; mais celles qui estoient purement de la ville et des gens de robbe [sic], y estoient aisement remarquées par la difference qu’il paroissoit aux yeux les moins delicats, qu’il y avoit entre elles et celles de la Cour. On eust dit à leur port et à leur air qu’elles n’en estoient que les filles de chambre. La femme du marquis Nicolaï83 , fut de celles qu’on remarqua n’avoir pas encore acquis ce ie ne sçay quoy de grace et d’entregent que donne la Cour et le grand monde84 .

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K, Gift-Giving, S. 138, subsumiert dies unter dem Begriff »largesse«. Siehe dazu auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 210f. Siehe dazu Fanny C, Les préséances à la cour des reines de France, in: P, S (Hg.), Femmes et pouvoir politique, S. 267–278, hier S. 272; Karl M, Das Fest als Darstellung der Harmonie im Staate am Beispiel der Entrée solennelle Ludwigs XIV. 1660 in Paris, in: B (Hg.), Europäische Hofkultur, Bd. 2, S. 421–431, hier S. 421f., 424f. V, Le siècle de Louis XIV, Bd. 2, S. 254. B, Le Louvre, S. 141f. Er war zu der Zeit Präsident der Pariser Chambre des comptes. P, V, Journal, S. 431, Eintrag v. 09.03.1658 über einen Ball bei Kanzler Séguier.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

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Je nach Anlass und Status der geladenen Gäste konnte die Teilnahme an einer Festivität also gleichsam ein Indikator für bestehende oder wechselnde Gunstverhältnisse sein. Auch dies erhöhte die Notwendigkeit einer regelmäßigen Präsenz am Hofe, da die Einbindung in das königliche bzw. höfische Patronagesystem ein größerer Garant für die Sicherung des eigenen (und damit zugleich des familiären) Status war85 . Während der König in seinen Gemächern vor allem Ballette veranstaltete, bot die Königin bei sich Speisen mit Früchten und erlesenen Konfitüren sowie Tanzvergnügungen an86 . Noch 1664 wusste der Prince de Condé zu berichten: La Reine mère donne mardi un bal au Louvre, où tout le monde sera en masque; la Reine mère elle-même se masquera; elle nous a nommé d’hommes, MM. de Gramont87 , de Turenne88 , l’ambassadeur d’Espagne89 et moi, et de femmes, Mmes de Montausier90 , de Fleix91 et de Noailles92 pour avoir l’honneur d’être de sa troupe93 .

Musik spielte dabei selbstredend eine wichtige Rolle94 . Seit Maria von Medici wurden bevorzugt italienische Kompositionen gefördert95 . Auch Mazarin hatte in erster Linie italienische Sänger und Komödianten zur Unterhaltung der Königin nach Paris kommen lassen und die italienische Lebensart am Hofe weiter gefördert96 . Die Darbietungen waren allerdings oft sehr lang

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Ronald G. A, (Art.) »Hof«, in: J (Hg.), Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 5, Sp. 564–574, hier Sp. 565. B, Le Louvre, S. 143. Erst unter Ludwig XIV. wurde die politische Intention der Ballette noch konsequenter eingesetzt. Siehe B, Rolle und Entwicklung des Theaters, S. 320. Antoine II. comte (später duc) de Guiche. Henri de La Tour d’Auvergne, Vicomte de Turenne, war Marschall von Frankreich. Don Gaspar de Teves y Tello de Guzmán, Marqués de la Fuente und Conde de Benazuza. Siehe Kap. 2.2.3, S. 120, Anm. 407. Zu Mme de Montausier siehe Kap. 2.2.3, S. 122, Anm. 422. Die Comtesse de Fleix war die Tochter von Anna von Österreichs Obersthofmeisterin, Mme de Senecey, und unterstützte diese bei der Amtsführung. Siehe M, »Spiritus intus agit«, Bd. 1, S. 513–520. Die Duchesse de Noailles war Kammerdame Annas von Österreich. Siehe ibid., S. 532– 535. C, Lettres, S. 8f., Brief v. Prince de Condé an Luisa Maria Gonzaga (22.02.1664). Vgl. BNF, Mss., Fonds français 19043, V, Maximes D’Education, fol. 74r–79v. So besuchten Ludwig XIV. und seine Mutter etwa zu Weihnachten stets die Messe in der Schlosskapelle des Louvre. Siehe B, Le Louvre, S. 147f. Jean-François D, La France italienne (XVIe –XVIIe siècle), Mayenne 1997, S. 66– 69, 308–329. Guy B, Les comédiens italiens à Paris au temps de Louis XIV, in: Revue d’histoire moderne et contemporaine 26/3 (1979), S. 422–438, bes. S. 422–426; D, R B, La présence étrangère, S. 141–143. Siehe auch Simone B, Les reines de France au temps des Bourbons. Les deux régentes, Paris 1996, S. 408–410; M, Pour l’amour de l’enfant roi, S. 301–305; M, Mémoires, Bd. 1, S. 353; S, La cour de France, S. 252f.; V, Le siècle de Louis XIV, Bd. 2, S. 255.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

und sprachen die Zuschauer nicht wirklich an, wie Mme de Motteville feststellt97 . Trotz der mangelnden Qualität waren solche Aufführungen jedoch ein wichtiges Element des Zusammenlebens. Gerade in adligen und königlichen Haushalten dienten sie oft weniger dem Zeitvertreib als vielmehr der Repräsentation und dem Prestige. Zudem regte die Regentschaft durch die Förderung von Festen, Musik und Tanz nicht nur zu deren nachhaltigeren Verankerung im höfischen Milieu an, sondern legte zugleich die Grundlage für die spätere Entwicklung hin zu einer eigenständigen französischen Fest-, Musik- und Tanzkultur, die dann ihrerseits Vorbildfunktion im übrigen Europa erlangen sollte98 . Welchen hohen Stellenwert die höfischen Feste und Veranstaltungen während und nach der Regentschaft wieder einnahmen und welch wichtigen Bestandteil Ludwig XIV. darin für seine eigene Herrschaftsausübung sah, wurde Anfang des Jahres 1666 noch einmal deutlich, als Anna von Österreich bereits im Sterben lag und sich der Krieg gegen England abzuzeichnen begann. Der höfische Festalltag setzte sich trotz allem unvermindert fort, was der König mit der Anwesenheit ausländischer Gesandter rechtfertigte, worin seine Schwägerin, die Duchesse d’Orléans, aber nur einen Vorwand sah99 . Und auch der Tod der Königin sorgte nur für eine vorübergehende Aussetzung der Feste100 . Es gab lediglich einige Einschränkungen aufgrund der Trauerzeit101 . Wie einst seine Mutter während der Trauerzeit für Ludwig XIII. konnte (und wollte) auch Ludwig XIV. den höfischen Genüssen nicht völlig entsagen102 . 3.1.3 Salonkultur, Preziösentum und der Zirkel der Königin Anna von Österreich war aber nicht nur bestrebt, durch Festlichkeiten aufzufallen und ihrem Hof – nominell – einen Nimbus von Heiligkeit zu verleihen. Sie wollte ebenfalls eine Vorbildfunktion erfüllen, was Sprachduktus und

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M, Mémoires, Bd. 1, S. 353. Siehe auch D, R B, La présence étrangère, S. 140f. Vgl. auch Ingrid B, Der Höfische Tanz. Darstellende Kunst und Höfische Repräsentation, in: B (Hg.), Europäische Hofkultur, Bd. 2, S. 379–394. B, Henriette-Anne d’Angleterre, S. 254f., Brief v. Henrietta Anna an Karl II. (15.01.1666). Siehe auch M, Mémoires, Bd. 5, S. 435–437. O, Oraison, S. 113: »[T]oute la Cour est interdite«. Siehe auch B, Les reines de France, S. 497; Edmond R, Profils de Reines, Paris 1926, S. 106. C, Lettres, S. 284, Brief v. Duc d’Enghien an Luisa Maria Gonzaga (26.06.1666): »La Reine donna une collation magnifique dans le parc [de Fontainebleau] à toutes les dames, où on ne se divertit pourtant pas trop parce que les violons et les comédies sont interdits à cause de la mort de la Reine mère«; L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 14. März 1666, Sp. 739f., V. 1–10. B, Henriette-Anne d’Angleterre, S. 254f. Siehe auch P, Das Hofzeremoniell, S. 401f.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

223

Konversation, Benehmen und Auftreten betraf; als erster Frau des Staates und des Hofes gebührte ihr auch hier der Vorrang: »[Le Moyne] a exprimé l’avantage qu’a la Reine sur toutes les autres dames de sa Cour, par une Lune au milieu des étoiles, Præstat tot millibus una«103 . In ähnlicher Weise wurde das von Saint-Gabriel in seiner Schrift »Le Mérite des dames«104 aufgegriffen, in der er die Königin pries, dabei aber den Vergleich mit der Sonne vorzog: »Beauté maiestueuse & diuine. Soleil du Ciel qui donne la lumiere à tous ses autres astres«105 . Es ist bereits auf die verschwimmenden Grenzen zwischen privater und öffentlicher Sphäre bei Witwen hingewiesen worden. Auf diese Weise war es möglich, verschiedene Gesellschaftsbereiche zu vereinen. Die Königin empfing am Hofe Frauen des Hochadels, aber auch Salondamen. Durch ihre Besuche in Klöstern lernte sie Nonnen und andere fromme Frauen kennen. Dadurch konnte ein spiritueller und zum Teil auch intellektueller Austausch zweier scheinbar unterschiedlicher Lebenswelten stattfinden106 . Zugleich war es Anna von Österreich möglich, einen weiteren Propagandabeitrag zu leisten. Auffallend ist, dass gerade die Damen in ihrem Umfeld, nicht zuletzt die Amtsträgerinnen, als besonders tugendhaft galten und damit der Monarchin ähnelten107 . Dies war ein wichtiger Faktor. Caroline zum Kolk hat darauf hingewiesen, dass die Reputation einer Königin infolge des schlechten Verhaltens ihrer Damen durchaus leiden konnte108 . Darum war Anna von Österreich bemüht, sich mit Frauen zu umgeben, die einen tadel-

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Dominique B, Les entretiens d’Ariste et d’Eugène, hg. v. Bernard B, Paris 2003, S. 390 [EA 1687, Hervorh. im Orig.]. Vgl. Pierre L M, De l’art des devises, Paris 1666, S. 121. Zusammen mit der Königin wurden auch 100 Damen ihres Hofes geehrt. Wann die Schrift das erste Mal erschienen ist, ist unklar. Die früheste erhaltene Ausgabe ist die dritte Auflage aus dem Jahr 1640. S-G, Le Mérite des dames, S. 289 [Hervorh. im Orig.]. Ein solcher Vergleich fand später in noch konsequenterem Maße auch Anwendung auf Ludwig XIV. Siehe M, Œuvres: Les amants magnifiques – VIe intermède, 5e entrée de ballet, Pour le Roi, représentant le Soleil, S. 504: »Je suis la source des clartés, / Et les astres les plus vantés, / Dont le beau cercle m’environne, / Ne sont brillants et respectés / Que par l’éclat que je leur donne«. G, De l’influence des femmes, S. 55: »Anne joignit à la piété la plus exemplaire le goût des beaux-arts et de la littérature«. Vgl. Renate K, Geschriebenes Leben als Ort des Kulturtransfers: Baudonivia, Marie de Chatteris und die Salondamen des 17. Jahrhunderts, in: Gesa S, Margarete Z (Hg.), Höfe – Salons – Akademien. Kulturtransfer und Gender im Europa der Frühen Neuzeit, Hildesheim 2007, S. 341–361. S-G, Le Mérite des dames: Epistre, s.p.  K, Catherine de Médicis, S. 218. Wurden die Hofdamen und -fräulein den Erwartungen nicht gerecht, kam es durchaus vor, dass Katharina von Medici sie mit Peitschenhieben bestrafte (ibid., S. 219).

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3. Hofstaat und Hofhaltung

losen Ruf genossen, weil das immer eine positive Rückwirkung auf sie hatte109 . Zudem waren viele Vorgängerinnen der Königin als Förderinnen von Wissenschaft, Kunst und Literatur hervorgetreten110 . Maria von Medici unterhielt etwa einen galanten Kreis mit ihren Hofdamen, in dem es Tanz, Musik und Kostümierungen in antikisierender Manier gab, und auch Anna von Österreich hatte bereits 1620 eine kleine Gesprächsrunde eingerichtet111 . Selbst während der Fronde hielt sie, soweit es möglich war, daran fest112 . Dies geschah nicht ohne Selbstzweck: Die Aufrechterhaltung des Zirkels und ihre scheinbare Gelassenheit sollten ihre Beunruhigung über die Lage im Land verbergen und suggerieren, dass alles zum Besten stünde. Mme de Motteville sagt, sie habe als enge Vertraute der Königin einzig an deren Blick erkennen können, wie besorgt diese wirklich war113 . Inhaltlich versuchte die Königin wiederum, ihren Zirkel den in Paris herrschenden Strömungen der Salonkultur und des Preziösentums anzupassen und zu einem intellektuell-galanten Gesprächskreis auszubauen114 . Tatsächlich sollten die Intelligenz der Königin und ihre Vorliebe für anspruchsvolle Konversationen nicht unterschätzt werden115 . Zeitweise korrespondierte sie sogar mit der holländischen Gelehrten Anna Maria von Schürmann116 . Schon Richelieu hat in seinem Bemühen, die Zentralgewalt zu stärken, versucht, den Einfluss der Salons zurückzudrängen und dem französischen Hof eine stilbildende Vorreiterrolle zuzuerkennen117 . In diesem Kontext ist auch Anna von Österreichs Zirkel zu sehen118 . An den regelmäßigen Treffen – Gesprächsrunden, Kartenspiele, Bälle, Feste und Promenaden – mit ihren Hofdamen

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Über ihre Hofdame Mme de Motteville hieß es: »La Precieuse Motteville / Aussi, Dame des plus habiles, / Qui fait leçon à maint sçavant / Est au Monastere souvent: / Et puis au sortir du Saint Temple / À la Cour vient servir d’exemple«, zit. n. Muze royale, 3. Januar 1657, S. 3 [Hervorh. im Orig.]. T, Die französischen Königinnen, S. 22. Siehe auch M, Les précieuses, S. 147, 151f. M, La politesse, Bd. 2, S. 478, 480f. Siehe auch Christian B, La duchesse de Chevreuse. L’indomptable et voluptueuse adversaire de Louis XIII, Paris 2002, S. 31. M, Mémoires, Bd. 2, S. 320. Siehe auch ibid., S. 356. K, Strategies of Power, S. 185; M, Les précieuses, S. 151–156; R, La femme au XVIIe siècle, S. 65. Vgl. auch S, Z (Hg.), Höfe – Salons – Akademien. Bulletin 2: Anne d’Autriche et Mazarin, hg. von der Société d’histoire générale et d’histoire diplomatique, Paris 1922, S. 4. Anna Maria von S, Correspondance, hg. v. Constant V, Paris 2004, S. 94, 166–169. Siehe dazu Margot K, Sprachlich-literarische Aspekte der höfischen »jeux de conversation« in Italien und Frankreich, in: B (Hg.), Europäische Hofkultur, Bd. 2, S. 33–40, bes. S. 33. Siehe dazu D, Anne d’Autriche, S. 241.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

225

nahmen auch ausgewählte Höflinge teil119 . Dabei führte die Königin, die Somaize als »gute Göttin«120 bezeichnet, die Preziösen des Hofes an121 . Auch einige Teilnehmerinnen des Zirkels fanden (mit ihrem jeweiligen Pseudonym) Eingang in Somaizes »Dictionnaire des précieueses« (1660). Es lassen sich hierbei vier Frauengruppen ausmachen: 1. Mitglieder der königlichen Familie und Verwandte, wie Mlle de Montpensier (»Cassandane«)122 , die Nichte der Königin, oder Anna Maria Martinozzi, Princesse de Conti (»Cassandride«)123 , die im Übrigen eine Charge im Haushalt der Königin innehatte124 . Mitunter nahmen auch hohe ausländische Gäste, die Frankreich bereisten, an dem Zirkel teil, wie etwa 1657 Königin Christine von Schweden oder 1659 Anna von Österreichs Schwägerin, Christina von Frankreich, Herzogin von Savoyen, mit ihren Töchtern125 . 2. Amtsträgerinnen der Königin, wie Mmes de Hautefort (»Hermione«)126 und de Motteville (»Melise«)127 , die Comtesses de Brégy (»Belarmis«)128 und de Brancas (»Belinde«)129 , die Duchesses de Noailles (»Noziane«)130 und de Navailles131 .

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Vgl. etwa Louis-Henri de Loménie, comte de B, Mémoires de Louis-Henri de Loménie, comte de Brienne, dit le Jeune Brienne, hg. v. Paul B, 3 Bde., Paris 1916–1919, Bd. 1, S. 329–347, den die Königin einlud, von seinen Botschaftsreisen zu berichten. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 3, S. 192. Antoine Baudeau de S, Le dictionnaire des précieuses, hg. v. Charles-Louis L, 2 Bde., Paris 1856 [EA 1660], Bd. 1, S. 56. Siehe auch ibid., S. 277, 284. M, Les précieuses, S. 147, 151f. S, Qvestion celebre: Epistre – À la Duchesse de Montpensier, s.p.; S, Le dictionnaire des précieuses, Bd. 1, S. 52; Bd. 2, S. 282. S, Le dictionnaire des précieuses, Bd. 2, S. 213. BSG, Mss., Ms. 848, Estat (1661), fol. 284r; G, État de la maison, S. 104, Nr. 3821. BNF, Mss., Fonds français 14119, Reception de Christine de Suede en 1657 (s.d.), fol. 122r–144v, hier fol. 142r; BNF, Mss., Fonds français 14119, Reception de Madame la Duchesse de Savoye Et de M. le Duc de Savoye à Lion en 1659 (s.d.), fol. 146r–153v, hier fol. 149v. S, Le dictionnaire des précieuses, Bd. 1, S. 113; Bd. 2, S. 254. Sie war Kammerdame. Siehe M, »Spiritus intus agit«, Bd. 1, S. 521–531. S, Le dictionnaire des précieuses, Bd. 1, S. 161; Bd. 2, S. 307f. Sie fungierte als einfache Hofdame. Siehe M, »Rien n’est permanent sous le ciel«, S. 257–312. S, Le dictionnaire des précieuses, Bd. 1, S. 38; Bd. 2, S. 180f. Sie diente als dame du lit. Siehe M, »Spiritus intus agit«, Bd. 1, S. 593–599. S, Le dictionnaire des précieuses, Bd. 1, S. 31; Bd. 2, S. 177f. Sie selbst übte keine Charge aus, soll aber als Ehefrau des chevalier d’honneur von Anna von Österreich dennoch dazugezählt werden. Ibid., Bd. 1, S. 290; Bd. 2, S. 310. Sie folgte Mme de Hautefort 1657 als Kammerdame nach. C, Marie-Thérèse, S. 217. Sie war seit 1660 Maria Theresias Obersthofmeisterin. Siehe AN, Mss., Z1a 511, État du payement des gages des officiers Domestiq.[u]e[s] de la maison de la Reyne (20.01.1661), fol. 182r–223v, hier fol. 182v.

226

3. Hofstaat und Hofhaltung

3. Damen der Pariser und höfischen Gesellschaft, wie die Salonière Mme de La Suze (»Doralise«)132 , sowie Vertreterinnen des Hochadels133 , wie die Duchesses d’Aiguillon134 , eine Nichte Richelieus, und de Montbazon135 . 4. Ehefrauen von hohen Vertretern des Amtsadels, wie Mme Le Tellier, die Ehefrau des Kriegsministers136 , Mme de Brienne, die Ehefrau des Außenministers137 , Mme Fouquet, die Mutter des Oberintendanten der Finanzen138 , Mme de Lionne, die Ehefrau des Diplomaten und Ministers de Lionne139 , Mme de Choisy, die Enkelin des bedeutenden Staatsmannes Michel de L’Hospital140 , Mme de Bailleul, die Ehefrau des Pariser Gerichtspräsidenten141 und ihre Tochter, Mme d’Huxelles142 . Anna von Österreichs Zirkel erinnerte zugleich an eine höfisch-kulturelle Erscheinung, wie sie zuletzt im 16. Jahrhundert unter Heinrich III. mit der von ihm angeführten »académie du palais« aufgetreten war – auch dort ging es darum, akademisch-anspruchsvolle mit salonartig-unterhaltsamen Gesprächen zu verbinden, indem Musik, Literatur und andere den höfischen Kosmos betreffende Themen im Vordergrund standen143 . Gerade im 17. Jahrhundert erfüllten solche Gesprächsrunden darüber hinaus stets auch den pragmatischen Zweck, die Hofdamen besser zu kontrollieren und positiv zu beeinflussen. Die Königin nahm diesbezüglich eine Art Ordnungs- und Aufsichtsfunktion ein144 . Im Nachruf auf Maria Theresia heißt es: »Elle sçavoit qu’il falloit occuper la Cour, qui hors de sa présence pouvoit s’attacher 132

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S, Le dictionnaire des précieuses, Bd. 1, S. 66f.; Bd. 2, S. 377–379. Zudem war sie seit 1658 Hofdame der Königin. Siehe Kap. 2.3.1, S. 156; G, État de la maison, S. 91, Nr. 3430. Vgl. M, Mémoires, Bd. 1, S. 509. Joseph A, Les Grandes Dames du Palais-Royal (1635–1870), Paris s.d., S. 52. R, Lettres panegyriques, S. 66. Ibid., S. 129f. Élisabeth Turpin hatte 1629 Michel Le Tellier geheiratet. Ibid., S. 123. Louise de Béon du Massés, Comtesse de Brienne, war mit Henri-Auguste de Loménie, Comte de Brienne, seit 1623 verheiratet. D., Le Temple de l’honnevr, s.p. Marie de Maupéou, die einer einflussreichen Familie von Staatsbeamten entstammte, hatte 1610 François de Fouquet geheiratet. Ibid., s.p. Paule Payen war die Gemahlin von Hugues de Lionne. Dieser war von 1647 bis 1654 secrétaire des commandements von Anna von Österreich gewesen. Siehe G, État de la maison, S. 116, Nr. 4242. 1663 erfolgte seine Ernennung zum Außenminister. R, Lettres panegyriques, S. 131. Jeanne-Olympe Hurault de L’Hospital, Dame de Choisy, galt als sehr tugendhaft und stand überdies in engem Kontakt mit der polnischen Königin Luisa Maria Gonzaga. Ibid., S. 109. Élisabeth Marie Mallier du Houssay hatte Nicolas de Bailleul 1621 geheiratet. Er war von 1630 bis 1652 Kanzler im Haushalt der Königin. Siehe G, État de la maison, S. 104, Nr. 3824. Auch im Staatsdienst stieg er später noch zum Oberintendanten der Finanzen auf (1643–1647). R, Le Temple de l’honnevr, s.p. Marie de Bailleul hatte 1645 in zweiter Ehe Louis Châlon du Blé, Marquis d’Huxelles, geehelicht. Siehe Erica H, Cartesian Women, in: Yale French Studies 80 (1991), S. 146–164, hier S. 146. Siehe dazu C, Les préséances, S. 268.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

227

à des divertissemen[t]s dangereux. C’est ce qui l’obligeoit à tenir Cercle«145 . Anna von Österreich war ebenfalls dieser Intention verpflichtet. Aber anders als Maria Theresia verfolgte sie mit ihrem Zirkel noch weitergehende Ziele, indem sie ihre Stellung nutzte, um Einfluss auf die Damen ihres Umfeldes und zusammen mit diesen Einfluss auf den Hof als Ganzes (und durch dessen Vorbildfunktion womöglich sogar auf weitere Teile der Gesellschaft) auszuüben. Hierbei lassen sich vier Ziele ausmachen: 1. Die Konversationen sollten anspruchsvoll, aber nicht ermüdend, geistig erbauend, aber nicht pedantisch sein. Im Gegensatz zur Zeit der Valois zielte Anna von Österreich mit ihrem Zirkel mehr auf »amusement« als auf »instruction« ab146 . Moralisch-spirituelles Gedankengut sollte sich mit dem galant-preziösen vereinen und die Frauen befähigen, sittsam und empfänglich für feingeistige Gespräche und Literatur zu sein147 . Diesem Ideal entsprach Anna von Österreich, deren Konversation sich laut Mme de Motteville gleichermaßen durch Ernst, Heiterkeit und Galanterie auszeichnete148 . 2. Sprache und Literatur sollten beeinflusst werden149 . Bereits seit Margarete von Valois wurde der gebildete Teil des Hofes zur Lektüre spanischer und italienischer Werke ermuntert; daran knüpften auch Maria von Medici und Anna von Österreich an, indem sie dazu beitrugen, die italienische bzw. spanische Literatur – trotz aller grundsätzlichen Vorurteile gegen diese Länder – im wahrsten Sinne des Wortes salonfähig zu machen150 . Bereits nach Anna von Österreichs Ankunft in Frankreich setzte eine Hinwendung zum spanischen Kulturkreis ein. Viele wollten nun Spanisch lernen; ein Trend, der erst mit der Kriegserklärung gegen Spanien 1635 abebbte151 . Einige Traditionalisten meinten jedoch, dass adlige Frauen weder Spanisch noch Italienisch sprechen 145 146

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Mercure galant, August 1683, S. 69f. R, La femme au XVIIe siècle, S. 65. Vgl. L B, Les caractères: De la société et de la conversation, S. 102: »L’esprit de la conversation consiste bien moins à en montrer beaucoup qu’à en faire trouver aux autres; celui qui sort de votre entretien content de soi & de son esprit l’est de vous parfaitement: les hommes n’aiment point à vous admirer, ils veulent plaire; ils cherchent moins à être instruits & même réjouis, qu’à être goûtés & applaudis; et le plaisir le plus délicat est de faire celui d’autrui«. Siehe auch A, Les Grandes Dames du Palais-Royal, S. 104f.; M, Königinnen auf Zeit, S. 225; R, Französische Geschichte, Bd. 2, S. 111. B, La France au XVIIe siècle, S. 706; M, La politesse, Bd. 2, S. 565f. M, Mémoires, Bd. 1, S. 228: »Cette Princesse avoit l’esprit aisé, commode, & agréable. Sa conversation étoit sérieuse & libre tout ensemble«, vgl. ibid., Bd. 2, S. 99f.; D., Portrait de la reine, S. 323f.: »Elle a l’esprit galant; et [. . . ] elle goûteroit fort cette belle galanterie qui, sans blesser la vertu, est capable d’embellir la cour. [. . . ] Elle parle bien: sa conversation est agréable, elle entend raillerie, ne prend jamais rien de travers, et les conversations délicates et spirituelles lui donnent du plaisir«. Siehe Claude Favre de V, Remarques sur la langue françoise, Paris 1647. Édouard de B, Madame de Longueville. Études sur les femmes illustres et la société du XVIIe siècle. La jeunesse de Madame de Longueville, Paris 4 1859, S. 125. Sabina C S, L’étude de l’Espagnol en France à l’époque d’Anne d’Autriche, in: M (Hg.), L’âge d’or de l’influence espagnole, S. 39–51. Spätestens mit der

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3. Hofstaat und Hofhaltung

sollten, weil das nur zur Lektüre amouröser (Roman-)Literatur führe; lediglich, wenn sie im Dienst einer Königin stünden, die aus Spanien oder Italien stamme, sei es nützlich, diese Sprachen zu beherrschen152 . 3. Eine weitere Intention bestand darin, den ebenfalls seit Beginn des 17. Jahrhunderts durch Salons, Preziösentum und weibliche Regentinnen gestärkten positiven Einfluss der Frauen auf die Männer weiter auszubauen – und das nicht nur in Bezug auf Kunst oder Literatur, sondern vor allem im täglichen Umgang mit den Damen des Hofes bzw. der Gesellschaft, denen mit Respekt und höflichem Auftreten begegnet werden sollte und wozu sie selbst durch die Kenntnis der Feinheiten der politesse mondaine beitragen konnten153 . 4. Die Königin nutzte den Zirkel auch zum Informationsaustausch, indem sie den Teilnehmer(inne)n Gelegenheit gab, Bitten vorzubringen, Neuigkeiten zu erfahren und auch untereinander Kontaktnetze aufzubauen. Viele von ihnen waren deshalb von Opportunismus geleitet154 . Das lag auch in der Absicht der Königin. Denn die Aussicht auf ihre Nähe und Gunst machte für viele eine Teilnahme noch erstrebens- und lohnenswerter, weil bestehende Loyalitätsbindungen gestärkt und neue geknüpft werden konnten. Dabei erwies es sich als kluge und vorausschauende Entscheidung, dass der Zugang zum Zirkel nicht restriktiv auf (hoch-)adlige Frauen beschränkt blieb. So fanden sich neben Amtsträgerinnen oder Angehörigen hoch im Kurs stehender Klienten, wie Mazarins Nichten155 , zu den Treffen auch Schriftstellerinnen und Preziösen, wie Mme de La Fayette, ein156 , ebenso wie – hierarchisch niedriger stehende – Personen des Amtsadels, etwa Charlotte Melsons, Dame de Le Camus, deren Vater Übersetzer in Diensten der Königin war und deren Gemahl an der cour des aides als Generalanwalt und königlicher Rat tätig war157 , oder die schon erwähnte Mme de Motteville, deren Mutter als enge Vertraute der Königin galt, während ihr Vater als Sekretär im Haushalt Ludwigs XIII. arbei-

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Ankunft von Maria Theresia in Frankreich im Jahr 1660 gewann dieser ›Trend‹ dann von Neuem an Bedeutung. F, Éducation des filles, S. 244f. Madeleine de S, Conversations nouvelles sur divers sujets, 2 Bde., Paris 1684: De la Politesse, Bd. 1, S. 119–187, hier S. 181f.: »[Les gens de qualité] se servent les uns les autres, pour acquerir la politesse. Ceux qui naissent à la Cour, ont l’avantage de l’avoir veuë en naissant. Ceux qui y viennent s’y conforment, & deviennent ce que les autres sont, sur tout quand le Prince luy-mesme a de la politesse, & qu’il y a dans une Cour des Dames qui sçavent se faire rendre le respect qu’on leur doit; qui sçavent, dis-je, loüer ceux qui en ont, & distinguer la veritable Politesse, & la pratiquer elles-mesmes«. Siehe auch Roger D, De la chambre au salon: réalités et représentations, in: Roger M (Hg.), Vie des salons et activités littéraires, de Marguerite de Valois à Mme de Staël. Actes du colloque international de Nancy (6–8 octobre 1999), Nancy 2001, S. 21–28. M, Les précieuses, S. 164. Ibid., S. 720. Vgl. auch Kap. 3.3.2, S. 290, Anm. 577. M, Les précieuses, S. 682. Ibid., S. 688.

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tete und ihr Onkel einst als Erster Almosenier bei Maria von Medici gedient hatte158 . Es waren folglich verschiedene Milieus vertreten159 . Diese relative Heterogenität belegt einmal mehr die zu dieser Zeit übliche ›Durchlässigkeit‹ beim Zugang zum Hofe und – dank guter Kontakte – bis in das unmittelbare Umfeld der Königin160 . Die Frage nach den mittel- bis langfristigen Erfolgen dieser Gesprächsrunden muss trotz der Bemühungen Annas von Österreich und der Langlebigkeit ihres Zirkels – der mindestens bis 1660/1661 regelmäßig stattfand – teilweise kritisch gesehen werden. Leopold von Ranke konstatiert nicht ganz zu Unrecht: [I]hr Wunsch wäre gewesen, einen heiteren geselligen Kreis von sittlicher Haltung und doch lebendiger Anregung, von Religion und Bildung um sich zu versammeln, nach der Weise ihres Bruders in Spanien, wie das ihrer Tante Isabella in den Niederlanden gelungen war. In den tumultuarischen Schwankungen des französischen Hofes fanden sich die Elemente einer solchen Gesellschaft [. . . ] nicht zusammen, da sich die Literatur und der Staat eben in neue Formen warf: alles war Unruhe, Parteiung und gehässiger Verdacht161 .

Was den inhaltlichen Anspruch ihres Zirkels betraf, konnte die Königin in der Tat keine wirkliche Erfolgsgeschichte schreiben. Die meisten Gesprächsinhalte waren banal, zumal die intellektuellen Kapazitäten der Teilnehmerinnen aufgrund der nach wie vor unzureichenden Ausbildung der Frauen stark variierten162 . Darüber hinaus dürfen die galanten und preziösen Elemente nicht überbewertet werden. Es ging nämlich primär um den Wunsch, gehobene Gespräche zu führen, aber der Zirkel war keineswegs ein vom »Wunsch nach Autonomie«163 beseelter pro-feministischer Raum, zumal die gesellschaftliche Ordnung und die hierarchisch-patriarchalischen Strukturen auch von den meisten Salons nicht infrage gestellt wurden164 . Dies wäre im Zirkel der Königin allein aufgrund der Verquickung galanter Ideale mit moralisch-frommen Überzeugungen ohnehin nicht möglich gewesen165 . 158 159 160

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Ibid., S. 702. Siehe auch M, »Rien n’est permanent sous le ciel«, S. 260–264. M, Les précieuses, S. 177. Siehe auch ibid., S. 132, 151f., 163f., 177. Das war ein Unterschied zum englischen Hof, wo der Zugang zur Königin, ähnlich wie zur Kaiserin in Wien, weitaus strenger reglementiert war. Siehe W, Aristocratic Women, S. 90–95. R, Französische Geschichte, Bd. 2, S. 111. Siehe auch M, La politesse, Bd. 2, S. 566. K, Geschriebenes Leben, S. 356. Oliver M, »Le héros de toutes les saisons«: Herrscherlob und politische Reflexionen in Madeleine de Scudérys Roman »La Promenade de Versailles« (1669), in: Zeitschrift für Historische Forschung 41/4 (2014), S. 619–686, hier S. 627f. Mme de Motteville, eine der Teilnehmerinnen, legte darüber in einer kleinen Schrift ein beredtes Zeugnis ab: »Je suis d’vn sexe qui a pour partage l’ignorance et la simplicité, par cette voye quand Elle est accompagnée de fidelité et de bons desirs, on arriue plus seurement à la foy que par la Connoissance des lettres parceque c[’]est dieu qui la donne et qui en est plus liberal à ceux qui la luy demandent humblement, [. . . ] Dieu n’a pas deffendu neantmoins de se seruir des lumieres de nostre Esprit et de nostre raison pour le

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Im Gegensatz dazu war der Erfolg in Bezug auf die Umgangsformen weitaus größer. Als ein Beleg dafür mag das allgemein als unangemessen empfundene Auftreten der schwedischen Königin Christine dienen, deren vulgäres Vokabular gar nicht mehr den mittlerweile am Hofe herrschenden Konventionen entsprach166 . Und tatsächlich lehnte Anna von Österreich den bisweilen immer noch rauen Umgang entschieden ab, der selbst in den höchsten Kreisen vorkam167 . Gleichwohl gab es nach wie vor Adlige, die der Unterweisung der Männer am Hofe durch Frauen skeptisch gegenüberstanden, wie Louis de Pontis, der seine Sozialisation noch im 16. Jahrhundert empfangen und jahrzehntelang in der französischen Armee gedient hatte. In einem Brief an den Erzieher zweier junger Edelleute, der ihn um einige Ratschläge gebeten hat, merkte er an, dass viele glaubten, der Umgang mit tugendhaften Frauen gereiche dem Geist und dem Benehmen junger Männer zum Vorteil, dabei steige jedoch nur die Gefahr unmoralischen Verhaltens168 . Er vertrat hier antiquierte Ansichten, die kaum noch Nachahmer fanden. Das am Hofe, in der Literatur sowie im Zirkel bzw. im Umfeld der Königin beförderte Höflichkeitsgebaren, das positive Bild der Frau und die Forderung nach vollendetem Verhalten der Männer übte einen nicht unerheblichen Einfluss aus, dem sich die Adligen nicht mehr zu entziehen vermochten, wenn sie sich am Hofe bewegen wollten169 . Dass die ›Ausbildung‹ zum honnête homme so

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connoistre«, zit. n. BNF, Mss., Fonds français 6265, Françoise Bertaut, dame de M, Recueil de tout ce que j’ay trouué dans la sainte Ecriture et ailleurs qui peut nous prouuer la Diuinité de Jesuschrist, et la vertu de la Religion Chretienne (s.d.): Préface, fol. 4r–159r, hier fol. 6v–7r. B, Mémoires de Louis-Henri, Bd. 2, S. 303f. Siehe dazu Madeleine de S, Conversations sur divers sujets, 2 Bde., Paris 1680: De la Conversation, Bd. 1, S. 1–45, hier S. 38f.: »La regle principale [. . . ] est de ne dire jamais rien qui choque le jugement. [L]e secret est de parler toûjours noblement des choses basses, assez simplement des choses élevées, & fort galamment des choses galantes, sans empressement, & sans affectation«. Vgl. auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 205, 207. M, Portrait de la reine, S. 323: »Elle désapprouve infiniment la manière rude et incivile du temps présent; et si les jeunes gens de ce siècle suivoient ses maximes, ils seroient plus gens de bien et plus polis qu’ils ne sont«. Siehe auch R, Französische Geschichte, Bd. 2, S. 111f. Louis de P, Mémoires du sieur de Pontis, in: François de B, Mémoires du maréchal de Bassompierre, hg. v. Joseph-François M, Jean-Joseph-François P, Paris 1837, S. 439–674, hier S. 672. Diese Bedeutung der Frauen hatte der Pädagoge Pelletier bereits 1604 herausgestellt: »[Il est désireux] de voir quelquefois les dames, qui faisans professions de vertu & d’honneur, leur compagnie ne peut estre à vn ieune Gentilhomme qu’vne tres belle eschole qui luy anime le courage de se rendre tousiours plus propre à la conuersation«, zit. n. Thomas P, La Nourriture de la noblesse, Paris 1604, fol. 54r. Ähnlich äußerten sich auch Baldassare C, Le Courtisan, hg. v. Merlin de S G, Paris 2 1538, Teil 1, fol. XIIIv; Teil 3, fol. IVv; D, Le Theatre de la noblesse, Bd. 2, S. 3; Nicolas F, L’honneste homme, ou L’art de plaire à la cour, Paris 1630, S. 220f., 228, 239. Vgl. G, Les inspirations, S. 276.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

231

maßgeblich vorangetrieben wurde, sollte sich als prägend für Ludwig XIV. erweisen170 : La conversation de sa Mère & des Dames de cour ne contribuèrent pas peu à lui faire goûter cette fleur d’esprit, & à le former a [sic] cette politesse singuliere, qui començoit dès-alors a caractériser la cour. Anne d’Autriche y avoit apporté une certaine galanterie noble & fiére, qui tenoit du génie espagnol [. . . ] & y avoit joint les grâces, la douceur & une liberté décente, qui n’étoient qu’en France171 .

Am Hofe und im Zirkel von Anna von Österreich wurden also bestehende Tendenzen der politesse mondaine aufgegriffen und erweitert, die dann den Weg zu der ausgeklügelten Hofhaltung ebneten, die unter Ludwig XIV. ihren Zenit erreichen sollte172 . Aber so vollendet der Hof Ludwigs XIV., was Etikette, Zeremoniell und Festkultur betraf, auch gewesen sein mochte, herrschte nicht ganz zu Unrecht die Meinung vor, der Hof seiner Mutter habe eine weitaus größere Ausgewogenheit zwischen Tugend und Galanterie aufgewiesen, weil er eben nicht dazu neigte, in Extreme zu verfallen173 . 3.1.4 Das Metier des Höflings Die Teilnahme am höfischen Leben stand grundsätzlich allen Adligen und hohen Würdenträgern offen, die durch sporadische, häufige oder permanente Aufenthalte am Hof den Status eines Höflings erwarben. Allerdings war der Hof gerade während der Regentschaft und der Zeit nach der Fronde noch in einer Übergangsphase begriffen. Im Gegensatz zur Ära Ludwigs XIV. war ständige Anwesenheit noch keine absolut zwingende Voraussetzung, um überhaupt in den Genuss königlicher Wohltaten zu kommen, und erforderte 170 171

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Siehe F, Les femmes dans la vie de Louis XIV, S. 35–50, 127; M, La politesse, Bd. 2, S. 487. V, Le siècle de Louis XIV, Bd. 2, S. 250f. Vgl. auch Maryann T, Speaking of Woman: Molière and Conversation at the Court of Louis XIV, in: Modern Language Studies 29/2 (1999), S. 189–207. S-S, Mémoires, Bd. 3, S. 169: »[Louis XIV] avait appris et bien retenu de la reine sa mère l’art de la [= den Hof] tenir«. Ähnlich urteilte später Mme de Genlis: »[Anne d’Autriche] acheva, par le bon goût de son ton et de ses manières, de polir la cour de France, et de donner à la nation cette politesse et cette élégance de mœurs, qui furent portées dans ce siécle au plus haut point de perfection«, zit. n. G, De l’influence des femmes, S. 53. Siehe B, Rolle und Entwicklung des Theaters, S. 323; M, La politesse, Bd. 2, S. 514f. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 209–214. B  R, Les larmes pvbliqves, S. 14: »[E]lle a encore banny de la Cour les vices les plus odieux, puis qu’elle y a changé l’antipat[h]ie en vnion, l’ambition en zele, l’auersion en amitié, la discorde en paix, la desolation en ioye & en des regales continuelles«; D  R, Mémoires, Bd. 6, S. 257: »C’étoit alors un mérite que d’avoir de l’esprit, un air galant, un génie orné & délicat. Tout ce mérite disparut presque avec la reine, & fut traité de ton précieux & insipide. C’est ce qu’en dit le marquis de la Fare, qui regrette cet heureux temps« [Hervorh. im Orig.]. Siehe auch C, Éloge d’Anne d’Avstriche, S. 19; L F, Mémoires, S. 57; R  S-M, Oraison, S. 32.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

auch keine bedingungslose Unterwerfung174 . Natürlich erwies sich eine regelmäßige Präsenz auch zurzeit von Anna von Österreich als vorteilhaft, weil sie die Chance maximierte, Kontakte zu anderen Höflingen oder Amtsträgern in den königlichen Haushalten zu knüpfen oder gar die Aufmerksamkeit der Königin selbst zu erregen175 . Darauf basierte die große Anziehungskraft des Hofes, dem Ausgangspunkt für die Verteilung von Wohltaten176 . Für die Höflinge war das Erscheinen am Hofe immer auch eine persönliche Demonstration und Bestätigung der fortgesetzten Treue und Loyalität gegenüber dem Souverän und die Bereitschaft, sich (weiterhin) in den Dienst der Krone zu stellen. Dafür wurden als Gegenleistung berufliche Förderung, Privilegien und Gunstbeweise erwartet. Hier setzte sich im Grunde das schon im Mittelalter praktizierte Prinzip »Tausch von Gefolgschaft gegen Gunst«177 fort: »Combien de courtisans y a-t-il qui vont cent fois l’année en la chambre du prince sans espérance de lui parler, mais seulement pour être vus de lui et rendre leur devoir«?178 Wie auch aus einigen Reiseberichten der Zeit hervorgeht, war der Zugang zur Königin kein unüberwindbares Hindernis. Zwar waren Audienzen nur über eine sehr gute Vermittlung möglich, aber es war mitunter recht einfach, ins Schloss und in die Repräsentationsräume zu gelangen oder offiziellen Anlässen beizuwohnen179 . Je besser der Kontakt zu einem Höfling oder Amtsträger – und sei es nur ein Türwächter – war, umso leichter war der Zutritt zu den Gemächern zu verwirklichen. Vor allem die Vorzimmer, die die Königin auf ihrem Weg zur Kapelle, zur Kutsche oder in die Gärten durchquerte, boten vielen eine willkommene Gelegenheit, sich zu zeigen, womöglich – als besondere Auszeichnung vor anderen – von ihr angesprochen zu werden oder

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Ezechiel S, Relation de la cour de France en 1690, hg. v. Charles S, Paris 1882, S. 148. Siehe auch  K, Catherine de Médicis, S. 273. B, Les Harangues, S. 514, Brief v. Bauderon an Jean de Lingendes, Bischof von Mâcon (11.08.1651). Ulf Christian E, Jan H, Nur Verschwendung? Zur sozialen Funktion der demonstrativen Zurschaustellung höfischen Güterverbrauchs, in: P (Hg.), Luxus und Integration, S. 105–121, hier S. 111. Siehe auch ibid., S. 110, 113. François de S, Voyez les courtisans, in: Cahiers sur l’oraison. Supplément aux numéros 223–224 (Januar–April 1989), S. 47f., hier S. 48. Als Schwiegersohn des englischen Botschafters Richard Browne hatte etwa der Reisende John Evelyn Zugang zu den Schlössern, nahm an Festlichkeiten teil und wurde sogar von der Königin empfangen. Siehe E, Diary, S. 66, Eintrag v. 06.04.1644; S. 254f., Eintrag v. 18.10.1649; S. 265, Einträge v. 06.05. u. 11.05.1651; S. 269f., Eintrag v. 15.09.1651. Auch die Holländer François de Potshoek und Philippe de Villers besuchten die Repräsentationsräume in Palais-Royal und Louvre und konnten an Audienzen teilnehmen. Siehe P, V, Journal, S. 79, Eintrag v. 17.02.1657; S. 125f., Eintrag v. 12.04.1657; S. 212f., Eintrag v. 13.07.1657; S. 298, Eintrag v. 01.10.1657; S. 437, Eintrag v. 21.02.1658. Vgl. P, Das Hofzeremoniell, S. 389–391.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

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ein Bittgesuch vorzubringen180 . So schrieb Louise de Marillac an eine Delegation ihrer Ordensschwestern, die sich zur Königin begaben181 : »Si sa Majesté veut vous parler, n’en faites point de difficultés, quoique le respect que vous lui devez vous donne crainte de l’approcher; sa bonté et sa charité lui font donner confiance aux plus petits de lui dire leurs besoins«182 . In einer günstigen Ausgangslage waren somit all jene, die, wie Louise de Marillac, auf bestehende Kontakte zur Königin zurückgreifen konnten. Eine regelmäßige Präsenz war aber auch für Angehörige von Staatsbediensteten wichtig, um die Bindung an die Königin zu stärken. So pflegten die Mutter und die Schwester von Frankreichs Kanzler Séguier gute Beziehungen zur Monarchin183 . Und auch die Eltern von Fouquet, die für ihre Wohltätigkeit sowie für ihren Kampf für den katholischen Glauben in Frankreich und den überseeischen Kolonien bekannt waren, hatten die Aufmerksamkeit der Königin erregt184 . Von da aus war es nur ein kleiner Schritt ins engere Umfeld der Königin. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass Mme de Fouquet ihre Stellung nutzte, um bei Anna von Österreich die Karriere ihres Sohnes voranzutreiben. Denn, wie Mazarin selbst sagt, war die Ernennung Fouquets zum Intendanten der Nordarmee (1646) auf ausdrücklichen Wunsch der Königin hin erfolgt185 . Fouquet zeigte sich sehr dankbar und blieb auch während der Fronde ein loyaler Parteigänger der Krone, was ihm das dauerhafte Wohlwollen der Königin und Mazarins einbrachte und seinem Aufstieg zum Oberintendanten der Finanzen den Weg ebnete186 . Außerdem war sein Bruder, Basile Fouquet, während der Fronde als Chef von Mazarins Geheimpolizei sowie als dessen Agent tätig und half ihm, geheime Botschaften mit der Königin auszutauschen187 . Fouquet wusste nach dem Tod Mazarins, dass seine Feinde versuchten, ihn zu diskreditieren. Deshalb setzte er verstärkt auf die Unterstützung der Königin und bemühte sich stets, die Zahlungen an sie zügig auszuschütten188 .

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BNF, Mss., Mélanges Colbert 54, G, Oraison, fol. 311r. Siehe auch P, Court Patronage, S. 36f.; R, Courtesy, S. 431. Louise de Marillac hatte zusammen mit Vincent de Paul in Paris 1633 die Compagnie des filles de la charité gegründet, der sie bis zu ihrem Tod vorstand. Ziele waren Armenfürsorge und Krankenpflege. Louise de M, S V  P, Conférences de Saint Vincent de Paul aux Filles de la Charité, suivies d’avis et d’extraits de lettres de Saint Vincent de Paul et de la vénérable Louise de Marillac, Paris 1902, S. 697, Brief v. Louise de Marillac an die Filles de la Charité (s.d.). Vgl. M, Portrait de la reine, S. 328: »Elle n’est jamais incommodée de ceux qui lui demandent du secours dans leur nécessité, et ce qu’elle leur donne elle le donne avec joie«. Siehe auch D, L’art de plaire, S. 160. Vgl. M, Mémoires, Bd. 5, S. 29. Daniel D, Fouquet, Paris 1987, S. 47, 50, 319f. Ibid., S. 70. Jean-Christian P, Fouquet, Paris 1998, S. 105. C, Mémoires, Bd. 1, S. 205. P, Fouquet, S. 291, 293.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Stabile Beziehungen zur Königin waren somit auch notwendig, um Konfliktsituationen zu vermeiden, nicht in Ungnade zu fallen oder zumindest sicherzustellen, dass sich der Unmut nicht auf weitere Familienmitglieder erstreckte. Hierbei war es förderlich, eine wichtige oder gar schwer zu ersetzende Funktion einzunehmen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Marschall und Höfling Henri de La Tour d’Auvergne, Vicomte de Turenne: Nachdem sein älterer Bruder, der Duc de Bouillon189 , ohne Erlaubnis der Königin das Land verlassen hatte, um sein Glück im Ausland zu suchen, versicherte die Königin Turenne sogleich, dass er weiterhin in ihrer Gunst stehe und sie wisse, dass er keinen Anteil an dem Fehlverhalten seines Bruders habe190 . Damit wollte sie zeigen, dass Ungnade nicht automatisch auf die gesamte Familie zurückwirkte. Zugleich war dies aber auch notwendig, weil Turenne ein wichtiger General war, den sie nicht einfach hätte fallen lassen können. Ihr Schreiben war folglich eine Rückversicherung für Turenne, um sich weiterhin am Hofe bewegen und gegenüber anderen Höflingen (und damit potentiellen Konkurrenten) im Kampf um zu verteilende Gunstbeweise entschlossen auftreten zu können. Neben guten Kontakten spielten bei der Vergabe von Wohltaten auch charakterliche Vorzüge und schon geleistete Dienste eine Rolle. Bereits im 16. Jahrhundert hatte Pierre de Dampmartin die Höflinge ermahnt, sich mit Bedacht am Hofe zu bewegen: [À] la Cour, où il est plus de besoin de prendre garde à sa conduite qu’en aucun lieu du monde [. . . ], il ne faut point s’étonner si elle a des orages lors que les autres endroits demeurent paisible. [I]l faut se representer, que toutes les choses du Monde participent à la corruption qui leur est naturelle [. . . ], tellement que pour arriuer à quelque bien, il est necessaire de passer par l’espreuue de quelque trauail191 .

Es kam darauf an zu gefallen (plaire) und die Regeln der Wohlgefälligkeit (bienséance) einzuhalten, das heißt Respekt gegenüber der Königin und der herrschenden höfischen Hierarchie sowie Loyalität zu zeigen192 . Das galt für Männer und Frauen gleichermaßen193 . Der Aufbau guter Kontakte war für die Höflinge eminent wichtig, denn der Hof war immer auch ein Ort des Informationsaustausches. Hier erfuhren sie – sofern sie gut vernetzt waren – als Erste von vakanten Posten und zu vergebenden Pfründen. Die Regentschaft führte zu einem sprunghaften An189

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Frédéric-Maurice de La Tour d’Auvergne, duc de Bouillon, war 1642 wegen einer Verschwörung gegen Richelieu verhaftet und eingekerkert worden. Als er 1644 freikam, ging er nach Rom und wurde Befehlshaber der päpstlichen Armee. 1649 kehrte er nach Frankreich zurück und schloss sich der Fronde an. BNF, Mss., Fonds français 4169, Brief v. Anna von Österreich an Henri de La Tour d’Auvergne, Vicomte de Turenne (13.04.1644), fol. 94r–95r. Pierre de D, Discovrs svr qvelqves particularitez, touchant les Intrigues de la Cour, Paris 1651, S. 1–3. R, Courtesy, S. 444–446; D, L’art de plaire, S. 154. Ibid., S. 157.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

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stieg der Bittgesuche. Nun konnte die Königin nicht mehr nur Personen aus ihrem Haushalt fördern, sondern vielmehr als Verwahrerin der königlichen Macht Wohltaten und Ämter auf einen großen Personenkreis verteilen194 . Das Streben, von der neuen Regierung zu profitieren, war symptomatisch für das Verhalten vieler Höflinge, wie René Rapin feststellt195 . Mme de Motteville betrachtete den Hof ebenfalls unter christlich-moralischen Gesichtspunkten, war aber bei ihrer Beurteilung deutlicher und bezeichnet die Höflinge als unterwürfig, ignorant, eitel, korrumpiert, verlogen und amoralisch196 . Wie den meisten Monarchen war dies auch der Königin bewusst, aber es konnte und durfte für sie keine allzu große Rolle spielen197 . Denn sie beabsichtigte, frühere Klientelbeziehungen zu erneuern, bestehende zu erhalten und neue zu schaffen. Darum ging es ihr während der Regentschaft und nach der Fronde. Nichts wäre strategisch verfehlter gewesen als eine ›Kreuzzugspolitik‹ gegen die (einstigen) Feinde der Krone. Es war viel klüger, sie an den Hof zu binden, wo sie beobachtet und durch Gunstbeweise umso nachhaltiger zu Treue animiert werden konnten198 . Anna von Österreich versuchte daher, sich gegenüber so vielen wie möglich großzügig zu zeigen, aber natürlich konnte sie nicht alle in dem gleichen Maße zufriedenstellen. Ehrgeiz, Hoffnung, Überheblichkeit, Enttäuschung und Feindseligkeit wechselten sich ab. Exemplarisch sei auf den Duc de Vendôme199 und seinen Sohn François, Duc de Beaufort, verwiesen. Ersterer beanspruchte nicht nur seinen früheren Posten als Gouverneur der Bretagne, von dem ihn Richelieu verdrängt hatte, sondern nach dem Tod von Jean Armand de Maillé, Duc de Fronsac und Marquis de Brézé, auch den des Admirals von Frankreich, den aber wiederum Condé als Erbe seiner Frau einforderte, weil diese mit Richelieu verwandt war. Um weder eine von diesen beiden bedeutenden Familien zu sehr zu bevorzugen noch durch die Vergabe des Postens an Mazarin den Unmut gegen diesen weiter zu verschärfen, übernahm die Königin kurzerhand beide Ämter selbst200 . Taktisch war das sinnvoll, weil auf diese

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198

199 200

Siehe  K, Catherine de Médicis, S. 185. R, Mémoires, Bd. 1, S. 112. A, Les mémoires de Madame de Motteville, S. 66–70. In den Elogen hieß es, die Königin sei ohnehin »immun« gegen Laster, höfische Freuden und Schmeicheleien. Siehe etwa F, Oraison, S. 11. Vgl. L P, Sonnets luxurieux, S. 42, Nr. 8. BNF, Mss., Mélanges Colbert 54, G, Oraison, fol. 310v–311r: »[La reine] vouloit encore regagner leur cœur et leur amitié, et comme par sa bonté elle les auoit conserués dans le monde, elle vouloit par sa prudence en faire des creatures pour la deffence de ses Estatz«. César de Bourbon, Duc de Vendôme, war ein unehelicher Sohn Heinrichs IV. und seiner Mätresse Gabrielle d’Estrées. C, Des carnets, November 1854, S. 688. Natürlich handelte es sich primär um eine nominelle Übernahme. Als ihr Stellvertreter und Weisungsberechtigter fungierte Charles de La Porte, Marquis de La Meilleraye, ein Verwandter Richelieus.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Weise einem eventuellen Missbrauch vorgebeugt wurde, denn dem Inhaber des Admiralpostens unterstanden alle Häfen und Festungen an den Küsten. Ähnlich verhielt es sich mit dem Duc de Beaufort. Die Königin hatte ihm nach dem Tod Ludwigs XIII. den Schutz ihrer Kinder übertragen. Darauf bildete er sich viel ein und verhielt sich fortan äußerst hochmütig. Als ihm die Charge des »grand écuyer« im Haushalt des Königs angeboten wurde, schlug er das Angebot in der Hoffnung auf eine noch größere Machtposition einfach aus; da diese aber ausblieb, sah er in Mazarin den Hauptgrund für sein Scheitern und schloss sich ebenfalls der »cabale des importants« an, weshalb er schließlich den Hof verlassen musste201 . Die Unzufriedenen rechtfertigten ihre oppositionelle Haltung damit, dass die Königin aus ihrer Sicht ihrer Verantwortung als Patronin nicht gerecht würde. Auf lange Sicht schadeten sie sich damit aber nur selbst. Unabhängig von den jeweils tatsächlich zur Verfügung stehenden Ressourcen, wie Chargen oder materielle Güter, lag es ja immer im Interesse der Königin, Höflingen und damit potentiellen Klienten für deren Treue und Gehorsam Unterstützung zukommen zu lassen, sobald sich eine Gelegenheit bot202 . Und wie sich gezeigt hat, wusste das Gros der Höflinge dieses Interesse sehr wohl zu nutzen. Es galt, sich bei der Königin sehen zu lassen, Bittschreiben abzugeben oder sich eine Audienz zu verschaffen. Ihr klar strukturierter Tagesablauf bot dazu mannigfaltige Gelegenheiten203 . 3.1.5 Ein Tag im Leben einer Königin Für gewöhnlich bestimmten der Charakter, die Vorlieben und die Aufgaben eines Monarchen seinen Tagesablauf und damit den Rhythmus des Lebens am Hofe204 . Eine feste Struktur und Wiederholungen in den täglichen Abläufen erfüllten den konkreten Zweck, den Höflingen Anhaltspunkte zu geben, zu welchem Zeitpunkt die Königin sich wo befand und ob es dann möglich war, sich ihr zu nähern und eventuell mit einer Bitte an sie oder zumindest 201 202

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Siehe ibid., S. 689f. M, Das Porträt des Königs, S. 355: »Die legitime Macht hat also eine ganz besondere Verpflichtung gegenüber ihren Untertanen, die ihr treu bleiben: die Unterordnung unter die Macht ist institutionell, also arbiträr, und die Unterwerfung der Untertanen unter den König schafft bei diesem eine Schuldigkeit von Dankbarkeit und ›Zärtlichkeit‹« [Hervorh. im Orig.]. M, Portrait de la reine, S. 328: »Elle est toujours égale en toutes les actions de sa vie; toutes ses années et ses journées se ressemblent: elle observe continuellement une même règle, et nous l’avons toujours vue faire les mêmes choses, soit dans ce qu’elle rend à Dieu par devoir, ou ce qu’elle donne au monde par complaisance«. Siehe dazu auch L B, Oraison, S. 13, 18; V, Eloge fvnebre, S. 29. Zum Tagesablauf adliger bzw. fürstlicher Damen siehe D, La vie quotidienne des femmes, S. 187–191. Vgl. den Tagesablauf von Katharina von Medici bei  K, Catherine de Médicis, S. 226f.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

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an eine ihrer Begleitpersonen heranzutreten205 . Nicht minder bedeutsam war, dass ein geregelter Tagesablauf durch seinen sich scheinbar ewig gleich vollziehenden Rhythmus »das Vergängliche der fürstlichen Macht« verdeckte, wie Hubert Ehalt konstatiert206 . Außerdem half eine strikte Reglementierung, beständig den Respekt und damit die Autorität gegenüber dem Herrscher einzufordern, weil ohne klare Vorgaben, wann und wie sich jemand an die Königin wenden konnte, die Standes- und Statusgrenzen zu leicht überschritten würden207 . Allerdings fällt auf, dass neben einigen signifikanten Unterschieden, die ihrem Alter und ihrer Stellung als Regentin geschuldet waren, der Tagesablauf der Königin dem vieler adliger Frauen und Fürstinnen ihrer Zeit entsprach und zudem eine Perpetuierung des Alltags ihrer Kindheit und frühen Jugend in Spanien zu sein schien, der von Gebeten, Lektüren, Besuchen von Kirchen, Klöstern, Kranken- und Armenhäusern, Nähen und Sticken geprägt war208 . Der Vormittag

Die Königin stand meist zwischen zehn und elf Uhr auf, bei besonderen Kirchfesten auch schon einmal um neun Uhr209 . Das war nicht ungewöhnlich; aufgrund der etablierten Festkultur hatte sich beim Adel ohnehin ein Tages- und Nachtrhythmus eingestellt, der sich von dem des gemeinen Volkes unterschied und seinerseits als Ausdruck sozialer Distinktion diente210 . Frühes Aufstehen wurde mit der Notwendigkeit, einer Beschäftigung nachzugehen, assoziiert, während spätes Zubettgehen und langes Schlafen noch als Vorrecht der Elite galten – ganz im Sinne der Maxime, »mit Vergnügen zu leben«211 . Nachdem die Königin wach war und die Vorhänge ihres Bettes zurückgezogen waren, traten der König und sein Bruder ein, um sie zu begrüßen212 . Sogleich reichte ihr der König – zumindest bis zu seinem siebenten Lebens205 206 207

208 209 210 211

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Vgl. auch A, »The Politics of Access«, S. 244f. E, Zur Funktion des Zeremoniells, S. 416. Siehe auch K, Hofdamen, S. 124, 202. Siehe H, Anne d’Autriche, S. 214; Martha W F, The Regency of Anne of Austria, Queen Regent of France, Mother of Louis XIV, 2 Bde., London 1866, Bd. 1, S. 68f. R B, Enfance et éducation, S. 23. A, Les Grandes Dames du Palais-Royal, S. 111; J-F, Herrinnen des Louvre, S. 281; M, Mémoires, Bd. 1, S. 219. Birgit E, Zwischen Disziplin und Distinktion: Der Schlaf in der Frühen Neuzeit, in: WerkstattGeschichte 34 (2003), S. 53–75, hier S. 68, 71. O, Journal, Bd. 1, S. 182, Eintrag v. 26.05.1644: »La reyne fait estat d’aller à Ruel, et l’on me dit que l’on avoit tascher à l’obliger de venir au conseil pour empescher que M. le Prince n’y prist toute l’autorité, mais qu’elle n’avoit pu se résoudre de se lever matin pour cela, aimant à vivre avec plaisir«. A, Les Grandes Dames du Palais-Royal, S. 111; J-F, Herrinnen des Louvre, S. 281; M, Mémoires, Bd. 1, S. 220.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

jahr – ein Hemd und umarmte sie; dann sprach sie ein kurzes Gebet, nahm ein üppiges Frühstück ein und hörte die Messe213 . Das anschließende Frisieren und Ankleiden waren ein Vergnügen für sich, wie Mme de Motteville berichtet214 . Die Königin legte viel Wert auf Sauberkeit und Wohlgeruch, weshalb ihre Bettwäsche und ihre Hemden mit Duftessenzen gewaschen werden mussten215 . Für die Luxusgütererzeugung wie die Parfümerie war die dadurch entstehende Nachfrage äußerst lukrativ, da viele Adlige der Königin nacheiferten216 . Denn bei aller Frömmigkeit – und entgegen anderslautender, vor allem posthumer Behauptungen217 – lässt sich nicht leugnen, dass die Monarchin sehr wohl eine Vorliebe für die angenehmen und erlesenen Dinge des Lebens hatte und diese folglich einen wichtigen Stellenwert für sie einnahmen218 . So gab sie etwa im Jahr 1653, für das vollständige Ausgabenbelege vorliegen, insgesamt 67 820 l.t. für persönliche Belange aus, davon unter anderem 12 780 l.t. für Schmuck sowie 3531 l.t. für Goldschmiedearbeiten und Medaillen, 2253 l.t. für Stoffe und Kleidung, 4160 l.t. für Feinkost und 60 l.t. für Blumen219 . Trotz allem, so Mme de Motteville weiter, habe die Königin jedoch stets schlichte Kleidung bevorzugt, sei nie eine »Sklavin der Mode« gewesen oder habe in dieser Hinsicht ein solch exzessives Verhalten an den Tag gelegt wie manche Frauen der Pariser Gesellschaft220 . Unmittelbar nach dem Ankleiden 213 214 215

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A, Les Grandes Dames du Palais-Royal, S. 111f.; D, Anne d’Autriche, S. 240; M, Mémoires, Bd. 1, S. 220. Ibid., S. 220f.: »Il y avoit alors un plaisir non pareil à la voir coiffer & habiller. Elle étoit adroitte [sic], & ses belles mains en cet emploi faisoient admirer toute leur perfection«. AN, Mss., KK 203, [Depenses de l’]Argenterie de la chambre. Quartier d’octobre Nouembre et decembre (1642), s.p. Hier wurden 216 l.t. für Parfumstoffe veranschlagt. Das war durchaus üblich. Im Oktober 1663 wurden z. B. 250 l.t. für Parfum ausgegeben. Siehe BNF, Mss., Fonds français 10414, La Despence faicte en L[’]argenterie de la dame Reyne durant le quartier d[’]octobre de Lad[it]e annee de ce compte mil six cents soixante trois (31.12.1663), fol. 1r–64r, hier fol. 15r–15v. Vgl. D, Anne d’Autriche, S. 76, 238f. Mai D V, Gantiers et parfumeurs à la Cour de France au temps de Marie de Médicis et d’Anne d’Autriche: un métier du luxe dans la première moitié du XVIIe siècle, Masterarbeit Universität Paris 12 (2004), bes. S. 25f., 58; Alfred F, La vie privée d’autrefois. Les Parisiens. XVIIe et XVIIIe siècles, hg. v. Arlette F, Paris 1973, S. 215f. So hatte etwa Boyer des Roches in seiner Apologie auf die Königin betont: »Ses diuertissements ont esté serieux, ses habits modestes, sa table frugale, & il n’y a eu chez elle iamais d’excez ny de profusion que dans ces liberalitez«, zit. n. B  R, Les larmes pvbliqves, S. 12. Vgl. F, La Reyne tres-chrestienne, S. 32. BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 39v–104r (passim). Zum Schmuck gehörten beispielsweise ein Paar Diamantohrringe im Wert von 3600 l.t. sowie ein Perlenkollier für 8000 l.t. (ibid., fol. 52r [Ohrringe], 70v [Kollier]). M, Portrait de la reine, S. 321: »Elle n’est pas esclave de la mode, mais elle s’habille bien. Elle est propre et fort nette: on peut dire même qu’elle est curieuse des

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

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empfing Anna von Österreich dann bereits wichtige Amtsträger, sprach mit diversen Damen und Herren über Wohltätigkeitsbelange, nahm Bittgesuche entgegen oder verteilte Gunstbeweise221 . Dass sie möglichst vielen gefallen wollte, sah Mazarin zumindest anfänglich als problematisch an: Tout le monde entre chez S[a]. M[ajesté]. lorsqu’elle est au lit; il ne devrait entrer alors que trois ou quatre personnes. S. M., en voulant être agréable à tout le monde, fera que personne ne la considérera. – Il n’est pas besoin de se presser de faire des grâces; il faut les faire aller une à une; de cette manière elle satisfera mieux, elle sera plus comptée, on fera plus de cas de ses faveurs; les accorder si vite ne sert qu’à mettre ceux qui les reçoivent en état d’en demander d’autres. – Tout le monde perd le respect qui lui est dû et parle haut en sa présence. [. . . ] que S. M. y fasse attention222 .

Um sich über die aktuelle Lage der Armen in Paris informieren zu lassen und gegebenenfalls ihre Wohltaten danach auszurichten, empfing sie – zumindest während ihrer Zeit im Palais-Royal – einmal täglich eine ihrer Kammerfrauen oder einen Geistlichen, etwa Vincent de Paul, in ihrem Gebetsraum223 . Die Bedeutung ihres Oratoriums sollte keineswegs unterschätzt werden; sie traf sich dort immer wieder für Absprachen und vertrauliche Vieraugengespräche mit Vertretern der Kirche, des Staates, Amtsträgern der königlichen Haushalte, Höflingen und anderen Personen des Gesellschaftslebens224 . Danach besuchte sie die Messe, wenn sie es nicht schon zuvor getan hatte225 . Es folgten Ratssitzungen und Besprechungen mit Mazarin226 . Dies sollte vor der Öffentlichkeit den Eindruck festigen, sie würde sich zum Wohle des Landes mit Hingabe dem politischen Tagesgeschäft widmen: Sa Majesté n’espargne en rien son repos, sa santé & sa vie, pour cognoistre les affaires du Royaume, donnant audience à toute sorte de personnes, grandes & petites, pauures & riches, & à toute heure se priuant de plus souuent de ses diuertissemen[t]s quoy qu’honnestes, & necessaires à sa santé227 .

Der Nachmittag

Am frühen Nachmittag verbrachte sie Zeit mit ihren Söhnen und aß zwischen ein und zwei Uhr zu Mittag. Sie speiste, wie auch am Abend, bevorzugt al-

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belles choses, et c’est sans affection extraordinaire; et beaucoup de dames dans Paris font plus de dépense que la Reine n’en fait«. Siehe B, Les reines de France, S. 394, 402. M, Mémoires, Bd. 1, S. 219f. Siehe J-F, Herrinnen des Louvre, S. 281. C, Des carnets, Oktober 1854, S. 602. Siehe Colquhoun G, Queen and Cardinal. A Memoir of Anne of Austria and of her Relations with Cardinal Mazarin, London 1906, S. 94f.; M, Mémoires, Bd. 1, S. 227; Tony S, L’appartement de la reine au Palais-Royal, in: Bulletin de la Société de l’histoire de l’art français (1968), S. 65–79, hier S. 78. Siehe M, Mémoires, Bde. 1–5, passim; D., Portrait de la reine, S. 322: »Son oratoire est le lieu où elle se plaît le plus: elle y passe beaucoup d’heures du jour«. S, Oraison, S. 11. M, Mémoires, Bd. 1, S. 223. M, Reflexions consciencievses, S. 9f.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

lein oder im familiären Kreis in ihrem Kabinettzimmer228 . Manchmal nahm auch Mazarin am Essen teil229 . Abgesehen vom lever bot dieser eher intime Rahmen insbesondere den Amtsträgern der königlichen Haushalte aufgrund ihres privilegierten Zugangs eine günstige Gelegenheit, mit einer Bitte an die Königin heranzutreten, wie ein Kammerdiener des Königs erläutert230 . Der restliche Nachmittag gestaltete sich unterschiedlich. So waren die Montag- und Donnerstagnachmittage weiteren Ratssitzungen vorbehalten und einmal in der Woche fand noch das Treffen ihres Gesprächszirkels statt231 . Ansonsten verbrachte die Königin die Zeit nach dem Mittagessen oft mit ihren Hofdamen, mit denen sie bei Plaudereien typisch weiblichen Freizeitbeschäftigungen wie dem Sticken und Nähen nachging232 . Oft unternahmen sie und ihr Gefolge zudem Promenaden, Ausflüge in die Stadt oder in nahegelegene Wälder oder es folgten Besuche von Kirchen und Klöstern, von Verwandten und Freunden. Dabei demonstrierte sie Bescheidenheit, indem sie mit geringerem Aufwand erschien und oftmals nur eine Sänfte nutzte233 . Die Einbettung der Frömmigkeit in ihr Tagesprogramm durch Kirchgänge und den Rückzug in den Gebetsraum war auch Bestandteil ihres Strebens nach dem heiligen Hof und war deshalb eng am Kirchenjahr ausgerichtet234 . Zumindest was ihre Person betraf, konnte sie das gewünschte Idealbild aufrechterhalten; ein Zeitgenosse nannte ihren Gebetsraum deshalb den eigentlichen Louvre235 . Der Abend

Der Abend war Festen, Theaterbesuchen, Bällen oder Balletten vorbehalten, die den Höflingen erneut zahlreiche Gelegenheiten boten, der Königin nahezukommen236 . Vor allem in den Jahren nach der Regentschaft widmete sie 228

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D B, Mémoires, S. 209, Eintrag v. 09.04.1651; S. 214, Eintrag v. 28.05.1651; M, Mémoires, Bd. 1, S. 222. Siehe auch H, Anne d’Autriche, S. 213; J-F, Herrinnen des Louvre, S. 282. Gazette de France, 2. August 1653, S. 780. Ludwig XIV. nahm später eine striktere Reglementierung der öffentlichen Einnahme der Mahlzeiten vor und machte sie zum festen Bestandteil der Etikette. Vgl. S, Höfische Konvention, S. 33f. D B, Mémoires, S. 252, Eintrag v. April–Juni 1653: »[J’]allay au lever de la Reyne, comme j’ay toujours acoustumé de faire le plus souvent que je l’ay peu [= pu] (et à son disner, et à son souper particullièrement, quy est le meilleur pour faire sa cour, à cause qu’elle mange en particullier [sic])«. Siehe auch D, Anne d’Autriche, S. 241. M, Mémoires, Bd. 1, S. 222, 225. D B, Mémoires, S. 18, Eintrag v. 03.06.1647. Diese Handarbeiten waren oft für Kirchen bzw. Altäre bestimmt. M, Mémoires, Bd. 1, S. 222; Muze historique, 23. November 1652, Livre III, Lettre XLVI, V. 15–26; V, Oraison, S. 21. Siehe B, Les reines de France, S. 400f. Vgl. auch K, Hofdamen, S. 127–133. M, La bien-venve, S. 55. Vgl. A, Histoire du palais, Bd. 5, S. 32; L F, Œuvres, Bd. 9, S. 343, »Lettre XI. À M. Maucroix«.

3.1 Zwischen Glanz und Glaube: das Leben am Hofe

241

sich außerdem bevorzugt dem Karten- und Brettspiel237 . Im Anschluss an etwaige Festivitäten und Spiele zog sie sich für ungefähr eine Stunde mit Gebeten in ihr Oratorium zurück; gegen elf Uhr nahm sie dann ihr Abendessen ein und unterhielt sich danach für gewöhnlich mit einigen ausgewählten Damen, bis sie sich zwischen Mitternacht und zwei Uhr früh zurückzog und zu Bett ging238 . Obwohl die Königin stets im Fokus der Öffentlichkeit stand, gelang es ihr, sich täglich Momente der Abgeschiedenheit zu schaffen, wie bei der Einnahme der Mahlzeiten oder den Aufenthalten im Gebetsraum. Damit bot sich ihr zugleich die Möglichkeit, vertrauliche Gespräche zu führen, sei es nun mit Angehörigen, Bekannten, Amtsträgern oder mit Klienten. Obwohl Anna von Österreich nicht imstande war, ihren Hof zu einem Hort der moralischen Heiligkeit zu machen, umgab sie sich mit frommen und wohltätigen Menschen, um zumindest auf diese Weise eine gewisse Vorbildfunktion auszuüben. Gleichwohl vermochte sie es, den Hof zu kultivieren und neuen Glanz zu verleihen. Dazu nutzte sie Feste und eine ausgefeilte Etikette und forcierte bessere Umgangsformen. Diesbezüglich erfüllte die sich infolge der Regentschaft ergebende Lobpreisung des weiblichen Geschlechts eine ebenso wichtige Funktion239 . Die Apologeten sprachen alsbald vom französischen Hof als der Perle unter Europas Höfen240 . Bei aller Lobhudelei erscheint das nicht unzutreffend. Es besteht nämlich kein Zweifel, dass die Königin durch ihre Hofhaltung maßgeblich Ludwig XIV. und damit die weitere Entwicklung des französischen Hofes im 17. Jahrhundert beeinflusst hat241 . Für alle, die die Aufmerksamkeit und das Wohlwollen der Königin zu gewinnen trachteten, war die Anpassung an diese Entwicklung – das heißt, den Hof sowohl als ultimatives Zentrum von Macht, Einfluss und zur Verteilung von Wohltaten zu begreifen als auch den Regeln der Etikette und der gültigen Umgangsformen zu folgen – die beste Chance, ans Ziel zu gelangen. Das richtige Verhalten und Auftreten, gepaart mit guten Kontakten und Informationen, wurde so zu einem (fast) sicheren Erfolgsgaranten. Le Petit bezeichnete die Höflinge daher nicht ganz zu Unrecht als »ehrenwerte Spione« und »Pensionsfänger«242 . Im Idealfall gelang es ihnen sogar, eine Charge im königlichen Haushalt zu erhalten, wodurch die Bedachten selbst zu einem festen 237

238 239 240 241 242

M, Portrait de la reine, S. 325: »Elle aime présentement [= 1658] le jeu, et y donne quelques heures du jour. Ceux qui ont l’honneur de jouer avec elle disent qu’elle joue en Reine, sans passion et sans empressement pour le gain«. D., Mémoires, Bd. 1, S. 225. Siehe auch D, Anne d’Autriche, S. 240–242; J-F, Herrinnen des Louvre, S. 282. [A], Nouveau siècle de Louis XIV, Bd. 2, S. 56f. Muze royale, 16. April 1657, S. 1. L XIV., Mémoires, S. 347. Siehe auch F, Les femmes dans la vie de Louis XIV, S. 35–50, 127. L P, Sonnets luxurieux, S. 41, Nr. 8.

242

3. Hofstaat und Hofhaltung

Bestandteil des Mikrokosmos Hof wurden. Damit waren sie zwar noch mehr als die gewöhnlichen Höflinge dem Fürsten und seinem Tagesablauf untergeordnet, profitierten aber auch in noch größerem Maße von der Nähe zu ihm. Dabei achtete jeder zugleich peinlich genau auf sein eigenes Verhalten, auf seinen Rang und den der anderen innerhalb der höfischen und Ämterhierarchie. Auf diese Weise überwachten sich Höflinge und Amtsträger gegenseitig, weil niemand zulassen wollte, dass sich ein anderer durch einen Verstoß gegen die Regeln bzw. gegen die Etikette Privilegien herausnahm, die ihm gar nicht zustanden. Wie Anna von Österreich gelang es später auch Ludwig XIV., mithilfe von Etikette, höfischen Festen und zeremoniellen Akten den von Norbert Elias nachgewiesenen Konflikt zwischen Adel und König hinsichtlich der Machtkompetenzen weiter aufzulösen243 . Dies geschah durch eine zunehmend ausgefeilte »künstliche Differenzierung und Hierarchisierung der Oberschicht«244 sowie durch deren Integration in den Tagesablauf des Monarchen. Schließlich hatte kaum jemand bessere Ausgangsbedingungen für eine mittel- bis langfristige Sicherung der eigenen und familiären gesellschaftlichen Stellung und der Gunst der Königin als die Amtsträger ihres Haushaltes, um die es im nächsten Abschnitt gehen soll.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin L’Ocean Riche Dispensateur des biens vniversels Nourrissier de tous les mortels Ie m’échape à moy méme & toûjours ie m’épache Sans m’apauvrir ie leur verse mon sein Ie me donne par tout sans que ie me retranche Ie me reprends toûjours & ie suis toûjours plein245 .

Wie das vorige Kapitel gezeigt hat, war der Hof ein Ort, an dem die Königin Einfluss ausüben konnte und an dem die Höflinge die Möglichkeit hatten, Kontakte zu pflegen und die Gunst der Königin zu erlangen246 . Letzteres war dabei eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Ziel. Die Königin brachte ihre Gunst zum Beispiel in Form einer öffentlichen Auszeichnung

243 244 245 246

E, Die höfische Gesellschaft, S. 201–362. Bernd W, Hof und Verwaltung im 17. Jahrhundert, in: B (Hg.), Europäische Hofkultur, Bd. 2, S. 199–204, hier S. 199. C, Devises, S. 190. Siehe auch Roland M, La vénalité des offices sous Henri IV et Louis XIII, Paris 2 1971, S. 531f.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

243

zum Ausdruck, indem sie das Wort an jemanden richtete, zur Teilnahme an ihrem Zirkel einlud oder gar den Zutritt zu ihrer Theaterloge gewährte247 : [Elle menait] des personnes qu’elle vouloit bien traiter [à sa loge], soit par la considération de leur qualité, soit par la faveur. Nous recevions ces graces avec plaisir, parce-que ceux qui ont l’honneur d’approcher des Rois familiérement [sic] ne sçauroient s’empêcher de regarder ces bagatelles comme des choses fort importantes, d’autant qu’elles sont comptées pour beaucoup à l’égard du Public248 .

Noch vorteilhafter und begehrter als der Höflingsstatus war jedoch die Ausübung einer Charge im königlichen Haushalt, obwohl viele gar nicht die nötigen Voraussetzungen erfüllten249 . Allerdings war das ohnehin keine (entscheidende) Prämisse, weil es der Königin »darauf an[kam], wichtige Leute zufrieden zu stellen und Positionen mit Leuten zu besetzen, deren Vernetzung ihre Loyalität garantierte«, denn von »Freunden und Klienten wurde mehr loyale als kompetente Amtsführung erwartet«250 . Folglich waren Amtsträger zugleich auch Klienten des Oberhaupts des jeweiligen Haushalts251 . Was die Chargen so begehrt machte, waren die damit verbundenen Privilegien252 . Die Vorteile wogen meist die Nachteile auf253 : Denn trotz der eher niedrigen Gehälter und der mit dem Aufenthalt am Hofe verbundenen Repräsentationskosten boten die Chargen die Nähe zur Königin und ihrer Familie, Kontakte zu hochrangigen Personen, Steuerbefreiung und Pensionen sowie freie Kost und Logis254 . Um den eigenen Einfluss möglichst lange aufrechtzuerhalten und sich gegen Neider zu schützen, reichte es aber nicht aus, Treue und Diensteifer 247 248 249

250 251 252

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254

G, Queen and Cardinal, S. 117. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 195. M, Mémoires, Bd. 1, S. 411. François de G, La mode, ov Charactere de la religion, de la vie, de la conuersation, de la solitude, des compliments, des habits, et du style du temps, Paris 1642, S. 232. R, Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie, S. 139f. Vgl. K, Politische Freundschaft, S. 60f. K, The Household Service, S. 68. Charles L, Cinq livres dv droict des offices, Paris 2 1613, S. 414–430, hier bes. S. 426f. Siehe auch C, P, Monarchies, S. 233; Albert C, Der Strukturwandel des Hofes in der Frühen Neuzeit, in: Rudolf V (Hg.), Frühe Neuzeit – Frühe Moderne? Forschungen zur Vielschichtigkeit von Übergangsprozessen, Göttingen 1992, S. 75–89, hier S. 84. K, The Household Service, S. 78f.: »The disadvantages included personal subservience, disagreeable domestic duties, separation from family, a lack of privacy and freedom, cramped living quarters, and a tense daily atmosphere. The tension was caused by competition between household members for advancement, family strife, conflicting demands of household relationships, and clashes between the low status of members, their ambitions, and the familiarity of daily life«. B, La reine de France, S. 236f. Siehe auch C, P, Monarchies, S. 233, 373; K, The Household Service, S. 75; D., Strategies of Power, S. 182; Jean-François L, (Art.) »Maison du roi«, in: B (Hg.), Dictionnaire de l’Ancien Régime, S. 777–782, hier S. 777.

244

3. Hofstaat und Hofhaltung

bei der Ausübung seiner Tätigkeit zu demonstrieren. Es war ebenfalls sehr hilfreich, sich die Zuneigung des Königs bzw. der Königin zu sichern255 . Zum Teil waren natürlich persönliche Gründe wie Dankbarkeit oder Anerkennung des Herrschers bei der Ämtervergabe von Bedeutung. Zudem konnten verschiedene Adelsfamilien gegeneinander ausgespielt werden. Die Patronage am Hofe und in den königlichen Haushalten war immer auch ein elementarer Bestandteil von Beziehungsgeflechten und der Ausübung von »Macht und Autorität«, nicht zuletzt auch hier aufgrund der uneindeutigen Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre256 . Grundsätzlich ging es einem Monarchen meist darum, »die Zentralregierung zu stärken und konkurrierende Interessengruppen zu schwächen«257 , indem die höfische die eigenmächtige aristokratische Patronage soweit wie möglich zu verdrängen suchte. Potentielle Klienten sollten erkennen, dass ihre größte Aussicht auf Erfolg und königliche Gunst sich nur durch die Präsenz am Hofe realisieren ließ258 . Und nichts war dem zuträglicher als eine Charge259 . Aus diesem Grund wäre es falsch, lediglich die Ausübung einer Charge im Haushalt des Königs als Nonplusultra anzusehen260 . Natürlich war das der höchstmögliche Karrieresprung261 . Dennoch war es erstrebenswert, überhaupt in einem der königlichen Haushalte einen Platz zu finden wie etwa in dem der Königin, zumal eine Charge den großen Vorteil in sich barg, die Nachfolge für einen Angehörigen zu sichern262 . Dies war, wie etwa Leonhard Horowski zu Recht anmerkt, eine der wichtigsten Möglichkeiten für viele Amtsträger, die Familie durch Einnahmen und Einfluss mittel- bis langfristig abzusichern263 . Zu dieser Familienstrategie gehörte es auch, den Aufenthalt am Hofe als Heiratsmarkt zu begreifen, der vor allem den Ehrenfräulein Gelegenheit gab, einen Mann zu finden und auf diese Weise die Kontakt- und Einflusssphären ihrer Familien zusätzlich zu erweitern264 .

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W, Hof und Verwaltung, S. 200. Vgl. dazu L, Les Domestiques commensaux, S. 407–419, 459–499. Antoni M, From Aristocratic Household to Princely Court. Reconstructing Patronage in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, in: A, B (Hg.), Princes, Patronage, and the Nobility, S. 315–327, hier S. 316. Siehe auch K, Politische Freundschaft, S. 67f., 74. M, From Aristocratic Household to Princely Court, S. 319: »[T]o buttress central government and to weaken rival factions«. Ibid., S. 317, 319. Siehe dazu Leonhard H, Die Belagerung des Thrones. Machtstrukturen und Karrieremechanismen am Hof von Frankreich 1661–1789, Ostfildern 2012. So betont etwa H, »Such a great advantage«, S. 132, etwas zu stark, eine Charge im Haushalt des Königs sei das einzig Wahre gewesen. Zum Karrierebegriff siehe auch Kap. 3.3, S. 278f. Siehe auch H, »Such a great advantage«, S. 137–144. Ibid., S. 144. K, Household Appointments, S. 271; L, Les Domestiques commensaux, S. 205.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

245

Als Anna von Österreich 1643 die Regentschaft antrat, bedeutete dies nicht nur eine Erweiterung der Patronage in ihrem Haushalt und am Hofe, sondern auch auf den Staat selbst – die höfische Patronage der Königin erfuhr eine noch politischere Dimension, war sie nun doch selbst zur Quelle aller Gunst geworden, da sie auch über zu besetzende Posten im Haushalt des Königs und seines Bruders entschied265 . Im Folgenden gilt es dementsprechend zu prüfen, welche Einflussmöglichkeiten die Königin auf ihren Haushalt vor, während und nach der Regentschaft hatte, welche Rolle ihren Amtsträgerinnen zukam, welche Erwartungen die Königin an ihre Amtsträger stellte, wie sie sie protegierte und wie die Amtsträger ihrerseits agierten, um erfolgreich eine Gunst zu erbitten. 3.2.1 Herrin im eigenen Haus? Was die Besetzung, die Anzahl der Chargen oder die Ausstellung der survivance im Haushalt266 der Königin anging, lag die endgültige Entscheidungsgewalt beim König267 . Und Ludwig XIII. machte von seinem Vorrecht regen Gebrauch. Das war nicht ungewöhnlich, denn es sollte kein Gegenhof entstehen268 . In Bezug auf Anna von Österreich war das Vertrauen, das Ludwig XIII. ihr entgegenbrachte, immer gering269 . Das hing insbesondere mit ihrem spanischen Personal zusammen, das sie bei ihrer Ankunft in Frankreich mitführte und von dessen Präsenz sie profitierte270 . Es erleichterte ihr nämlich die Eingewöhnung am Hofe271 . Außerdem verfügte sie mit den spanischen Amtsträgern über eine treue Klientelbasis. Als Anna von Österreich 1615 in Frankreich ankam, war sie zwar offiziell die erste Frau am Hofe, aber ihr Einfluss war äußerst begrenzt, da vor allem 265

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Vgl. Aloys W, »Hof«. Versuch einer idealtypischen Bestimmung anhand der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte, in: D. (Hg.), Zwischen »Haus« und »Staat«. Antike Höfe im Vergleich, München 1997, S. 11–25, hier S. 14;  K, Catherine de Médicis, S. 8f., 199. Zum Aufbau, zur Größe und zu den Kosten von Anna von Österreichs Haushalt siehe Oliver M, Au service de la reine. Anne d’Autriche et sa maison (1616–1666), in: www.cour-de-france.fr, URL: http://cour-de-france.fr/article4211.html [abgerufen: 04.01.2016]; D., »Spiritus intus agit«, Bd. 1, S. 338–376; Bd. 2, S. 123–188. L, Les Domestiques commensaux, S. 24. Vgl. W, Aristocratic Women, S. 73–79. Vgl. Sarah B, The Duchess’ Court in Sixteenth-Century Italy: A Comparison of Female Experience, in: C, C (Hg.), Moving Elites, S. 127–139; K, Frauen und Politik, Absatz 23. Siehe Françoise H, Richelieu, Paris 2004, S. 146–158; K, Household Appointments, S. 286. Alain H, Au service du roi catholique. »Honorables ambassadeurs« et »divins espions«. Représentation diplomatique et service secret dans les relations hispano-françaises de 1598–1635, Madrid 2004, S. 60. Siehe  K, Catherine de Médicis, S. 165f.

246

3. Hofstaat und Hofhaltung

Maria von Medici weder bereit war, auf ihre machtvolle politische Stellung zu verzichten, noch ihre Stellung als erste Frau am Hofe aufzugeben272 . Maria von Medici stand bekanntlich unter dem Einfluss ihres Favoriten Concini und dessen Frau Leonora Galigaï273 . Mit deren Hilfe kontrollierte sie die königlichen Haushalte. Concini war einer der »premiers gentilhommes de la chambre« bei Ludwig XIII. und Leonora war Marias Kammerdame274 . Um kein Risiko einzugehen, betraute Maria Leonora mit der Organisation des Haushalts von Anna von Österreich275 . Es sollten möglichst viele Personen dort eine Charge erhalten, die Maria treu ergeben waren, wie Richelieu, der den Posten des Großalmoseniers bekam276 . Anna von Österreichs spanisches Gefolge am französischen Hof umfasste Geistliche, Ärzte, Küchenpersonal, Diener, Hofdamen und -fräulein, Gouvernanten, Kammerfrauen, eine Kammerdame und eine Obersthofmeisterin277 . Zudem wies Philipp III. sie an, sich primär an ihr spanisches Personal zu halten und den Kontakt zu ihren französischen Amtsträgern möglichst zu begrenzen278 . Und um eine direkte Verbindung über die Vorkommnisse in ihrem Haushalt zu erhalten, hatte der Favorit Philipps III., der Herzog von Lerma, seine Kusine, die Gräfin de la Torre, als Obersthofmeisterin mitgeschickt279 . Der spanische Botschafter in Frankreich, Héctor Pignatelli, Herzog von Monteleón280 , diente als Majordomus und hatte ebenfalls Zugang zu den 272 273

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D, Anne d’Autriche, S. 71f. Concino Concini und Leonora Galigaï häuften während der Regentschaft ein großes Vermögen an (bis zu 15 Mio. l.t.). Nach dem Sturz und der Ermordung Concinis wurde auch Leonora hingerichtet. Siehe Inès de K, Léonora Galigaï, Paris 2007, bes. S. 153–169, 183–213. G, État de la maison, S. 10, Nr. 405; R B, Enfance et éducation, S. 32. BNF, Mss., Fonds français 24979, Estat du paiement des Gages des Officiers domestiques (1616), fol. 280r–283v. Siehe D, Anne d’Autriche, S. 66; Laura O S, Retour souhaité ou expulsion réfléchie? La maison espagnole d’Anne d’Autriche quitte Paris (1616–1622), in: C, C (Hg.), Moving Elites, S. 21–31, hier S. 26. Vgl. auch W, Aristocratic Women, S. 37f. G, État de la maison, S. 96, Nr. 3577; H, Richelieu, S. 63f. Später wechselte er in Maria von Medicis Haushalt, wo er von 1619 bis 1626 verschiedene Ämter ausübte. Siehe G, État de la maison, S. 60, Nr. 2414 (Großalmosenier); S. 67, Nr. 2646 (Oberintendant, Ratsvorsitzender, Finanzaufseher). Das spanische Personal umfasste 1615 57 Personen, darunter 22 Frauen. Siehe D, R B, La présence étrangère, S. 114f. Vgl. auch D V, La maison d’Anne d’Autriche, S. 158–160. François-Tommy P, Les mariages espagnols sous le règne de Henri IV et la régence de Marie de Médicis (1602–1615), Paris s.d., S. 560. Siehe auch R B, Enfance et éducation, S. 32. D, R B, La présence étrangère, S. 114f. Schon 1603 hatte Lerma seine Schwester als Gouvernante in Anna von Österreichs Haushalt eingesetzt. Siehe R B, Enfance et éducation, S. 20f. Monteleón war ein enger Vertrauter von Philipp III. und Vizekönig von Katalonien. Den Posten als Botschafter in Paris übte er bis 1620 aus. Siehe auch H, Au service du roi catholique, S. 186–193.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

247

Privaträumen der Königin, sodass er Philipp III. auf dem Laufenden halten konnte281 . Das führte jedoch zu Spannungen – nicht nur zwischen den französischen und spanischen Amtsträgern, sondern auch zwischen den Höfen in Paris und Madrid282 . Letztlich wurde ein Kompromiss erzielt: Aus Sicht Marias von Medici war die Zahl des spanischen Gefolges, anders als im Ehevertrag vereinbart, ohnehin zu groß, weshalb der spanische Hof zustimmte, als der französische Hof im Frühjahr 1616 fünf spanische Hofdamen wieder zurückschickte283 . Im Gegenzug willigte der französische Hof ein, dass Anna von Österreichs Haushalt von einer spanischen und einer französischen Obersthofmeisterin geführt wurde284 . Da die Konflikte zwischen spanischen und französischen Amtsträgern aufgrund protokollarischer Fragen, konkreter Einflussmöglichkeiten und des Zugriffs auf Ressourcen (Gratifikationen, Pensionen) anhielten, folgten bald weitere Entlassungen des spanischen Personals. Das französische Personal befürchtete nämlich, die spanischen Kollegen würden sich soviel sichern, dass für sie nichts mehr übrig bliebe285 . Für weitere Verärgerung sorgte der Umstand, dass das französische Gefolge der Schwester von Ludwig XIII. in Spanien – aus Sicht des französischen Hofes – nicht mit dem gleichen Respekt behandelt wurde wie die spanischen Amtsträger Annas von Österreich in Frankreich286 . Diese Kritik blieb ohne Erfolg, sodass Ludwig XIII. schließlich im März 1617 den Großteil des spanischen Gefolges nach Spanien zurückschickte287 . Die Gräfin de la Torre ließ er jedoch vorläufig im Amt, weil er keine diplomatische Krise provozieren wollte288 . Nur kurze Zeit nach der Ausweisung überschlugen sich die Ereignisse in Frankreich: Der König nahm die – wohl mindestens mit seinem Einvernehmen durchgeführte – Ermordung Conci-

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O S, Retour souhaité, S. 23f. Vgl. W, Aristocratic Women, S. 19–21, 25–34. H, Au service du roi catholique, S. 188f.; O S, Retour souhaité, S. 23–25. G, État de la maison, S. 89, Nr. 3344f. D, R B, La présence étrangère, S. 117f.; O S, Retour souhaité, S. 26f. BNF, Mss., Fonds français 16116, Memoire des officiers, dames, dam.[oise]lles et femmes de chambre Espagnols que le Roy et la Royne Mere de sa Ma.[jes]té veullent et entendent demeurer aupres de la Royne pour la seruir (1615), fol. 465r–466r; BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 5244, Brief v. Maria von Medici an den Marquis de Senecey (21.07.1616), fol. 18r–18v, hier fol. 18r; Brief v. Maria von Medici an den Marquis de Senecey (30.09.1616), fol. 20r–20v, hier fol. 20r. Es blieben neun Frauen und zehn Männer. Siehe D, R B, La présence étrangère, S. 119. Vgl. R, Lettres, Bd. 1, S. 339, Brief v. Ludwig XIII. an den Marquis de Senecey (23.01.1617). O S, Retour souhaité, S. 21f., 27f.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

nis zum Anlass, endlich selbst die Herrschaft zu übernehmen289 . Nachdem ein Jahr später der Favorit Philipps III., der Herzog von Lerma, ebenfalls gestürzt war, konnte sich Ludwig XIII. ungehindert den spanischen Amtsträgern seiner Frau zuwenden, die er zwischen 1617 und 1622 nach und nach alle aus ihrem Haushalt entfernte290 . Dieses Vorgehen entsprach seiner Antipathie gegen Spanien, war aber auch ein deutliches Zeichen gegenüber der Politik seiner Mutter, die die Ehe initiiert und zusammen mit ihrem Günstling Concini die Spanier am Hofe, zumindest aus seiner Sicht, immer wieder allzu versöhnlich behandelt hatte291 . Für Anna von Österreich hatten die Ausweisungen zwar den praktischen Nutzen, dass sie sich noch schneller und erfolgreicher an die französischen Sitten anpasste und sich Kontakte innerhalb ihres französischen Gefolges und am Hofe suchte292 . Aber die Ausweisungen machten doch auch ihren begrenzten Einfluss deutlich. Alles, was sie durchsetzen konnte, war, dass eine von ihr hoch geschätzte spanische Kammerfrau, Doña Estefanía de Villaquirán, bleiben durfte293 . Das galt auch für ihre beiden spanischen Beichtväter und ihren Apotheker Michel Danse294 . Darüber hinaus gestattete der König seiner Frau lediglich eine Neubesetzung mit einem Amtsträger spanischer Herkunft; es handelte sich um den Arzt Miguel Rivera, der bis 1625 im Amt blieb, dann aber vom König seinerseits entfernt wurde295 . In Anbetracht der starken Reduzierung des spanischen Personals kam dem seit 1620 amtierenden neuen spanischen Botschafter in Frankreich, Antonio de Zúñiga y Dávila, Marqués de Mirabel, eine entscheidende Funktion zu296 . Wie sein Vorgänger war Mirabel Majordomus im Haushalt von Anna von Ös289 290

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D, Anne d’Autriche, S. 74f. D, R B, La présence étrangère, S. 119f.; G, État de la maison, S. 89, 92; H, Au service du roi catholique, S. 60; O S, Retour souhaité, S. 29f. Vgl. B, Le roi chez la reine, S. 321; F, La confidente et la reine, S. 266f.; K, Household Appointments, S. 286; W, Aristocratic Women, S. 63. D, R B, La présence étrangère, S. 120; R B, Enfance et éducation, S. 25–31. D, Anne d’Autriche, S. 70. Siehe auch R B, Enfance et éducation, S. 29. M, Mémoires, Bd. 1, S. 10: »Il ne lui resta qu’une nommée Dona Estefania, qu’elle aimoit tendrement, à cause qu’elle l’avoit élevée, & qui étoit auprès d’elle comme on dit en France sa premiere Femme de Chambre«. Siehe G, État de la maison, S. 95, Nr. 3563. D, R B, La présence étrangère, S. 125. Bei den Beichtvätern handelte es sich um Francisco de Arriba, der noch bis 1622 im Amt blieb und dann nach Spanien zurückkehrte, und um Francisco Fernández, der Arriba als Beichtvater nachfolgte und das Amt bis zu seinem Tod 1653 ausübte. Siehe G, État de la maison, S. 97, Nr. 3614f. Zu Fernández siehe auch M, »Spiritus intus agit«, Bd. 1, S. 584–586. Robert Arnaud d’A, Journal inédit d’Arnauld d’Andilly, hg. v. Eugène H, 6 Bde., Paris 1888–1909, Bd. 2, S. 37, Eintrag v. 16.07.1625. Vgl. G, État de la maison, S. 127, Nr. 4722. Mirabel war von 1620 bis 1632 Botschafter in Frankreich.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

249

terreich297 . Er hielt den Kontakt zwischen der Königin und der spanischen Krone aufrecht, wozu er auf ein großes Informantennetz zurückgriff298 . Um die Bereitschaft von Anna von Österreich zur Zusammenarbeit zu befördern, gewährte ihr der spanische König regelmäßige Geldzahlungen299 . Ludwig XIII. hatte inzwischen seinem Günstling Charles d’Albert, Duc de Luynes, die Verantwortung für die Neubesetzung wichtiger Chargen bei der Königin übertragen, um zugleich ein zuverlässiges Informantennetz aufzubauen300 . Luynes Frau, Marie de Rohan-Montbazon, Duchesse de Luynes (später Duchesse de Chevreuse), wurde zur Oberintendantin ernannt und seine Schwester, Antoinette d’Albert de Luynes, Dame du Vernet, erhielt die Charge der Kammerdame301 . Aber bei Luynes Tod wurden seine Klienten so schnell wieder vom Hofe entfernt, wie sie gekommen waren, so auch seine Frau302 . Mit dem Aufstieg Richelieus kam es dann erneut zu Änderungen unter den Amtsträgern303 . Dazu hatte Richelieu etwa erfolgreich den Beichtvater des Königs, Nicolas Caussin304 , aus dem Amt gedrängt, nachdem es ihm weder gelungen war, ihn für sich zu gewinnen, noch ihn von seiner Kritik am politischen bzw. am anti-spanischen Kurs Frankreichs abzubringen305 . Überdies hat sich Caussin für eine Rückkehr der im Exil lebenden Maria von Medici ausgesprochen und sich in ungewohnt scharfen Worten für Anna von Österreich eingesetzt:

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H, Au service du roi catholique, S. 240. Ibid., S. 193–201, 208. Ibid., S. 267. Siehe dazu K, Power and reputation, S. 58, 126–135, hier bes. S. 127; D., Strategies of Power, S. 180–184. Vgl. auch W, Aristocratic Women, S. 30, 40–42. G, État de la maison, S. 89, Nr. 3349 (Antoinette de Luynes); S. 103, Nr. 3814 (Marie de Rohan). Erstere übte ihre Charge von 1619 bis 1626 aus, Letztere von 1619 bis 1624. Siehe B, La duchesse de Chevreuse, S. 22, 26; K, Household Appointments, S. 276; D., Strategies of Power, S. 186–188. François de B, Journal de ma vie. Mémoires du maréchal de Bassompierre, hg. v. Audoin de C, 4 Bde., Paris 1870–1877, Bd. 3, S. 15f., Eintrag v. März 1622. Siehe auch B, La duchesse de Chevreuse, S. 29–32, 40–42, 64–137; D V, La maison d’Anne d’Autriche, S. 161–166. [Raymond] B, Louis XIII d’après sa correspondance avec le cardinal de Richelieu, Paris 1902, S. 24. Vgl. Klaus M, The Crown, »Ministériat«, and Nobility at the Court of Louis XIII, in: A, B (Hg.), Princes, Patronage, and the Nobility, S. 415–439. Siehe G, État de la maison, S. 3, Nr. 64. In der Hofstaatsliste wurde sein Name irrtümlich »Crassin« geschrieben. Tatsächlich übte Caussin das Amt lediglich von März bis Dezember 1637 aus. B, The Jesuits, S. 185–189; Henri G, Histoire du règne de Louis XIII, roi de France et de Navarre, 3 Bde., Paris 1758, Bd. 3, S. 16, 102, 111, 120f. Siehe auch H, Richelieu, S. 406–408; Georges M, (Art.) »Confesseur du roi«, in: B (Hg.), Dictionnaire de l’Ancien Régime, S. 313f., hier S. 314.

250

3. Hofstaat und Hofhaltung

L’estime que tout le monde a de son affection est si haute, que son nom ne semble pas aujourd’hui le nom d’une femme et d’une reine, mais celui de la bonté même. Et cependant, que n’a-t-elle pas enduré, et que n’endure-t-elle pas encore tous les jours par vos rigueurs? Elle est persécutée dans sa Maison qu’on veut extirper, en ses proches qu’on traite avec toutes les hostilités possible306 .

Wie im Haushalt des Königs verfolgte Richelieu also auch im Haushalt der Königin sowie in jenem von Maria von Medici im Rahmen mehrerer ›Säuberungsaktionen‹ in den Jahren 1626, 1630/1631 und 1638/1639 das Ziel, ihm nicht von vornherein ergebene Personen zu entfernen und unter den verbliebenen bzw. neuen Amtsträgern Informanten zu gewinnen307 . Richelieu versuchte auch, die Hofdamen oder Ehrenfräulein der Königin durch Bestechung für seine Zwecke einzuspannen. So erklärte sich das Ehrenfräulein Mlle de Chémerault bereit, die Korrespondenz der Königin auszuspionieren308 . Wie Luynes ging es Richelieu darum, eigene Verwandte oder Vertraute einzusetzen, um die Königin effektiver kontrollieren zu können309 . Und laut der Untersuchung von Sharon Kettering hat Richelieu innerhalb von zehn Jahren Dreiviertel der wichtigsten Chargen neu besetzt bzw. unbesetzt gelassen310 . Als der König 1630 plötzlich erkrankte und mit seinem Ableben gerechnet wurde, schien sich für Anna von Österreich noch einmal die Möglichkeit zu ergeben, ihn für sich zu gewinnen und wieder mehr Einfluss über ihren Haushalt zu bekommen311 . Da sich der König aber erholte und Richelieu im November 1630 erneut und endgültig als Ersten Minister bestätigte, wurden die restriktiven Maßnahmen ihr gegenüber wieder verschärft, nachdem sie beim letzten (und erfolglosen) Versuch ihrer Schwiegermutter, Richelieu aus dem Amt zu drängen, Partei für diese ergriffen hatte312 . Praktisch die 306

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Eugène G, Louis XIII et Richelieu. Lettres et pièces diplomatiques, Genf 1974 [EA 1911], S. 53f., Brief v. Caussin an Richelieu (s.d.). Vgl. auch BNF, Mss., Fonds français 3745, Mescontentement de la Reine Regnante contre Monsieur le Cardinal (s.d.), fol. 54r–60r, hier fol. 55r–58v; Nicolas C, Fragments inédits des Mémoires et des lettres du P. Caussin, hg. v. Louis R, Paris 1915, S. 15, Brief v. Caussin an Sublet de Noyers (s.d.): »[Richelieu] a trahi et persécuté la reyne mère, abbaissé la reyne régnante«. G, Mémoires, S. 29; G, Histoire du règne de Louis XIII, Bd. 3, S. 5. Siehe D V, La maison d’Anne d’Autriche, S. 169; K, Household Appointments, S. 282, 287; D., Strategies of Power, S. 180, 183, 189–197; K, Social Dynamics, S. 520. Vgl. V, Cinq-Mars, S. 82. G, Histoire du règne de Louis XIII, Bd. 3, S. 41. Françoise de Barbezières, Demoiselle de Chémerault, war von 1632 bis 1640 Ehrenfräulein der Königin. Siehe G, État de la maison, S. 93, Nr. 3485. K, Household Appointments, S. 274, 277; D., Strategies of Power, S. 179f., 189–191. D., Household Appointments, S. 282. B, Mémoires d’Henri-Auguste, Bd. 2, S. 10. Ibid., S. 11–24, bes. S. 20f. Siehe D V, La maison d’Anne d’Autriche, S. 168f.; H, Richelieu, S. 224–238, 242f. Beide Frauen einte der Unmut gegen Richelieu. Denn noch in den Jahren zuvor habe Maria von Medici, so Mme de Motteville, alles ver-

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

251

ganzen 1630er Jahre hindurch verfügte Anna von Österreich nun über keine Hofdamen und Verwaltungsbeamten mehr313 . Außerdem blieb der Posten des Oberintendanten von 1633 bis zum Herbst 1638 unbesetzt314 . Da Ludwig XIII. den Einfluss der Königin auf seinen Haushalt unbedingt vermeiden wollte, untersagte er die sonst nicht unübliche Praxis der Eheschließung zwischen Mitgliedern seines Haushalts und dem der Königin315 . Jeden suspekten Amtsträger ließ er überwachen, was auch zur Abberufung Mirabels führte316 . Mitunter genügte es, wenn sich jemand, wie Patrocle Séguin317 , ungebührlich benahm oder gegen Richelieu wetterte318 . Und seit der Kriegserklärung gegen Spanien im Jahr 1635 war der König noch misstrauischer. Er vermutete – zu Recht –, dass sich seine Frau Mittelsmännern, wie ihres Dieners La Porte, bediente319 , um mit ihrem Bruder Philipp IV. und anderen Verwandten Kontakt zu halten320 . Anna von Österreich wollte sich dadurch die Unterstützung ihrer Angehörigen sichern, falls der Thronerbe ausbleiben oder Ludwig XIII. sie wie seine Mutter fortschicken sollte321 . Erst mit der Geburt des ersehnten Thronfolgers 1638 besserte sich das Verhältnis des königlichen Paares, wenngleich die Vorbehalte des Königs bestehen blieben322 . Aus diesem Grund wollte er den Posten der Gouvernante für

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sucht, um die Beziehung zwischen Ludwig XIII. und Anna von Österreich zu stören, weil sie um ihren Einfluss auf ihn fürchtete. Siehe M, Mémoires, Bd. 1, S. 12, 24, 57f. M, »Spiritus intus agit«, Bd. 2, Anhang, S. 175f., Tabellen V.2–3; S. 183f., Diagramme I.3–4. Siehe auch L, Les Domestiques commensaux, S. 152. G, État de la maison, S. 104, Nr. 3818, gibt an, die Charge sei erst 1640 mit dem Comte de Brassac besetzt worden, aber B, Journal, Bd. 4, S. 289, Eintrag v. November 1638, weist darauf hin, dass dieser den Posten bereits im November 1638 angetreten habe. Vgl. dazu Mathieu D V, Les Nyert, exemple d’une ascension sociale dans la Maison du Roi au XVIIe siècle, in: Dix-septième siècle 54/1 (2002), S. 15–34, hier S. 21f. H, Au service du roi catholique, S. 240, 338. Vgl. auch ibid., S. 161. Ab 1618 war er »einfacher« Stallmeister (écuyer), wurde aber 1627 zum »gewöhnlichen« Stallmeister (écuyer ordinaire) befördert. Siehe G, État de la maison, S. 103, Nr. 3796 (écuyer), Nr. 3804 (écuyer ordinaire). B, Louis XIII, S. 316, Brief v. Ludwig XIII. an Richelieu (16.08.1637). Vgl. Paul-Martin B, L’affaire du Val-de-Grâce (août 1637). Les documents de la cassette de Richelieu, in: Bibliothèque de l’École des chartes 83 (1922), S. 111–165, hier S. 122f. Pierre de L P, Mémoires de M. de La Porte, premier valet de chambre de Louis XIV, Genf 1755, S. 98–100, 115f., 144. Siehe Mercure galant, August 1680, S. 219. Vgl. auch B, L’affaire du Val-de-Grâce, S. 117–121. B, Journal, Bd. 4, S. 238, Eintrag v. November 1637; B, Louis XIII, S. 318, Brief v. Ludwig XIII. an Richelieu (21.08.1637). Siehe auch L P, Mémoires, S. 136–162, 170–186. G, Histoire du règne de Louis XIII, Bd. 3, S. 39–60, bes. S. 41, 53f. Siehe JF, Herrinnen des Louvre, S. 225. Vgl. auch  K, Catherine de Médicis, S. 148–151. Angelo C, Relazione di Francia d’Angelo Correr ambasciatore ordinario a Luigi XIII dall’anno 1638 al 1641, in: B, B (Hg.), Relazioni degli Stati

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3. Hofstaat und Hofhaltung

den Dauphin mit einer vertrauenswürdigen Person besetzen. Die Wahl fiel auf Mme de Lansac, eine Verwandte Richelieus323 . Richelieu wusste sehr genau, dass Anna von Österreich mit dieser Wahl unzufrieden war324 . In einem Memorandum für Mme de Lansac gab Richelieu ihr Hinweise für den Umgang mit der Königin; so sollte sie etwa versuchen, sich mit Mme de Hautefort und deren Großmutter, Mme de La Flotte, die gemeinsam das Amt der Kammerdame325 ausübten, gut zu stellen326 . Außer mit Mme de Lansac musste sich Anna von Österreich noch mit deren Enkeltochter, Marie de Lusignan de Saint-Gelais, abfinden, die ihr Richelieu als Ehrenfräulein zuteilte327 . Ähnlich verhielt es sich bei der Stelle der sous-gouvernante. Die Königin setzte sich für ihre Kammerfrau Mme Du Tot ein328 . Ludwig XIII. entschied sich jedoch für Louise de Taverny, Dame de La Chesnaye, die Witwe seines einstigen Ersten Kammerdieners329 . Die Geburt des Thronfolgers steigerte das Ansehen der Königin erheblich330 . Aber schon zwei Jahre später bahnte sich der nächste Konflikt an, als Ludwig XIII. die Hofdamen der Königin dafür verantwortlich machte, dass sein Sohn immer zu schreien begann, wenn er sich ihm näherte, weshalb er überlegte, ihn der Obhut der Königin zu entziehen331 . Nachdem Mme de Lansac eine Besserung des Vater-Sohn-Verhältnisses erreicht hatte, nahm

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Europei, Bd. 2, S. 311–362, hier S. 337. Vgl. F, Gespräche: 17. Entrevüe zwischen Kardinal Richelieu und Mazarin, Bd. 2, S. 39f. Siehe auch D V, La maison d’Anne d’Autriche, S. 169f. Françoise de Souvré, Dame de Saint-Gelais, Marquise de Lansac, war einst Obersthofmeisterin bei Königin Margarete von Valois, der ersten Ehefrau Heinrichs IV., hatte aber nie im Haushalt von Maria von Medici oder Anna von Österreich gedient, was ihr das Vertrauen Ludwigs XIII. sicherte. Vgl. B, Louis XIII, S. 379; G, État de la maison, S. 166, Nr. 6369. HHStA, Mss., Staatenabteilung (Frankreich), Varia, Karton 5, Konvolut »Frankreich Varia 1642–1643«, Extrait d[’]une lettre de Paris du IX. de decembre (s.d. [1638]), fol. 1r. B, Journal, Bd. 4, S. 131, Eintrag v. 23.02.1631; Gazette de France, 27. März 1638, S. 156; G, État de la maison, S. 89, Nr. 3352f.; M, Mémoires, Bd. 1, S. 63. R, Lettres, Bd. 6, S. 73–75, »Mémoire pour Madame de Lansac« (25.07.1638). G, État de la maison, S. 94, Nr. 3495. Sie übte die Charge jedoch nur von 1639 bis 1640 aus. Opportune Oudé, genannt Mme Du Tot, war 1603 Erste Amme von Elisabeth, der Schwester Ludwigs XIII., seit 1623 diente sie als Kammerfrau bei Anna von Österreich. Diesen Posten hatte sie noch bis 1658 inne. Siehe G, État de la maison, S. 56, Nr. 2289 (Amme); S. 95, Nr. 3541 (Kammerfrau). B, Louis XIII, S. 335, Brief v. Ludwig XIII. an Richelieu (30.01.1638); Gazette de France, 28. August 1638, S. 476; G, État de la maison, S. 166, Nr. 6370. Vgl. BNF, Mss., Clairambault 1020, La Fayette. Intrigue du Cabinet. Poème (s.d.), S. 1– 170, hier S. 163: »[E]lle ua [= va] desormais auoir tout le credict / Que merite une Reyne à qui plus rien ne manque«. B, Louis XIII, S. 378, Brief v. Ludwig XIII. an Richelieu (09.09.1640); S. 379, Brief v. Ludwig XIII. an Richelieu (13.09.1640). Siehe auch M, Mémoires, Bd. 1, S. 88f.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

253

der König von seinen Plänen Abstand332 . Da Richelieu sich für sie eingesetzt hatte, war die Königin ihm sehr dankbar333 . Fortan unterließ sie alles, was das Misstrauen Ludwigs XIII. und Richelieus wecken könnte334 . In einem Brief an ihren Bruder betonte sie daher explizit, dass sie nunmehr ganz zur Französin geworden sei335 . Sie hatte dazu gelernt, ihr politisches Profil geschärft und ging deutlich kalkulierter vor. Das zahlte sich aus. Nach der Geburt des zweiten Sohnes (1640) durfte sie endlich wieder Hofdamen und -fräulein in ihrem Haushalt aufnehmen336 . So zogen sich dann die noch verbleibenden Jahre bis zum Tod des Königs hin337 . Erst Witwenschaft und Regentschaft ermöglichten es ihr, selbstständig über ihren Haushalt zu bestimmen338 . Das Gros der Amtsträger beließ sie jedoch im Amt; lediglich die von Richelieu oktroyierte Obersthofmeisterin musste gehen339 . Ihre neue Stellung ermöglichte es Anna auch, in den Haushalt des jungen Königs einzugreifen, wo sie dessen von Ludwig XIII. eingesetzte Gouvernante ebenfalls durch eine Vertraute ersetzte340 . Dennoch ging die Königin insgesamt zurückhaltend bei der Um- oder Neubesetzung von Chargen in ihrem Haushalt vor, nicht zuletzt auch wegen der begrenz-

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B, Louis XIII, S. 380, Brief v. Ludwig XIII. an Richelieu (14.09.1640). BIS, Mss., Fonds Victor Cousin 2, Brief v. Anna von Österreich an Richelieu (Oktober 1642), fol. 8r: »[L]es asseurances de la sincere affection que Je vous porte«; R, Lettres, Bd. 6, S. 927f., Brief v. Jean Gallard de Béarn, Comte de Brassac, an Richelieu (15.06.1642). Vgl. K, Strategies of Power, S. 192. B, L’affaire du Val-de-Grâce, S. 121; D, Anne d’Autriche, S. 200; Martha W F, The Married Life of Anne of Austria, Queen of France, Mother of Louis XIV, and Don Sebastian, King of Portugal. Historical Studies, 2 Bde., London 1864, Bd. 2, S. 269f.; M, Königinnen auf Zeit, S. 241–243. L V, Anne d’Autriche, S. 239. Siehe dazu auch H, L’Evrope en devil, S. 11: »[U]ne Princesse, qui tenant le corps de l’Espagne n’a iamais eu de cœur que pour la France«. Auch während der Fronde waren die Gegner der Krone noch einmal auf diesen Umstand hingewiesen worden. Siehe [A], Discovrs svr le Govvernement, S. 6. K, Strategies of Power, S. 198. Vgl. zum Einfluss der Königin auch BNF, Mss., Fonds français 5158, Brief v. Anna von Österreich an Michel Le Tellier (23.12.1641), fol. 75v–76r. M, Mémoires, Bd. 1, S. 72: »La Reine s’accoutuma à cette solitude du mieux qu’elle put, menant une vie dévote & particuliére, & ne vivant que de quelques Nouvelles que ses créatures & ses amies lui faisoient savoir«. D V, La maison d’Anne d’Autriche, S. 171. Vgl. Julie H, Widowhood and Patriarchy in Seventeenth-Century France, in: Journal of Social History 26/1 (1992), S. 133–148;  K, Catherine de Médicis, S. 187. Sie berief ihre frühere Obersthofmeisterin, Mme de Senecey, auf den Posten. Siehe Gazette de France, 6. Juni 1643, S. 471; G, État de la maison, S. 89, Nr. 3346; M, Mémoires, Bd. 1, S. 162f.; O, Journal, Bd. 1, S. 59f., Eintrag v. 02.06.1643. Auch diese Charge ging an Mme de Senecey. Siehe AN, Mss., O1 9, Lettres de prouision de gouuernante du Roy pour Madame de Senecey (1643), fol. 22v–24r; M, Mémoires, Bd. 1, S. 162f.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

ten Anzahl341 . Aus diesem Grund vergab sie vermehrt Chargen im Haushalt des Königs, weil dort ohnehin mehr Posten zu besetzen waren und es ihr dadurch gelang, ein doppeltes Abhängigkeits- bzw. Klientelverhältnis zu schaffen. Denn die Amtsträger waren dem König durch die Charge zu Treue verpflichtet, zugleich aber auch ihr, da sie ihnen die Posten verschafft hatte. Gerade zu Beginn der Regentschaft wäre es ohnehin nicht sinnvoll gewesen, selbst scheinbar überflüssige Posten zu streichen. Vielmehr sollten so viele Personen wie möglich aufgenommen werden, denn, wie Sophie de Laverny zu Recht anmerkt, die Krone nahm durch den Verkauf der Chargen zusätzliches Geld ein; dafür waren unvergütete Ehrenposten besonders geeignet, da zumindest keine zusätzlichen Gehaltskosten entstanden, aber die Inhaber, die auf das mit dem Erwerb einer solchen Charge verbundene Prestige aus waren, als Klienten gewonnen werden konnten342 . Tatsächlich ist für die Zeit der Regentschaft nur ein Fall überliefert, bei dem Ludwig XIV. aktiv in den Haushalt seiner Mutter eingegriffen hat. Als er ihrer Kammerfrau Mlle de Noiron343 anvertraute, dass es ihn traurig stimmen würde, Frankreich in so desolatem Zustand zu sehen, hat die es der Königin berichtet, was den König so verärgerte, dass er ihre sofortige Entlassung forderte344 . Spätestens mit Mazarins Tod und der Entscheidung des Königs, allein zu regieren, stand Anna von Österreich wieder in einem stärkeren Abhängigkeitsverhältnis zum Monarchen345 . Wie einst Ludwig XIII. machte auch Ludwig XIV. von seinen Vorrechten Gebrauch. Als Reaktion auf die Not im Land und die hohen Hofausgaben erließ er am 30. Mai 1664 ein Edikt, das vorsah, die königlichen Haushalte zu verkleinern und Einsparungen vorzunehmen346 . Ein solcher Schritt war leicht zu vollziehen, da die Krone inzwischen völlig gefestigt war und es nicht mehr zwingend notwendig war, die königlichen Haushalte durch die Aufnahme zahlloser Amtsträger, die als 341 342

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Siehe D V, La maison d’Anne d’Autriche, S. 173; K, Household Appointments, S. 272f.;  K, Catherine de Médicis, S. 156. L, Les Domestiques commensaux, S. 142f. Das erklärt auch den großen Personalanstieg im Haushalt des Königs vor und während der Fronde: 1645 waren dort mehr als 1600 Personen beschäftigt und bis 1650 fast 2000. Erst danach ging die Zahl der Amtsträger wieder leicht zurück und pendelte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bei 1100–1200 ein. Siehe D, Vienna and Versailles, S. 53f. Marie Le Carron Beaurepas, Demoiselle de Noiron, war von 1620 bis 1654 Kammerfrau der Königin. Siehe G, État de la maison, S. 95, Nr. 3534. R, Mademoiselle de Scudéry, S. 221, Brief v. Mlle de Scudéry an Antoine Godeau, Bischof von Vence (28.09.1650). Die Königin kam der Forderung ihres Sohnes nach, sorgte allerdings für das Auskommen ihrer Kammerfrau und verheiratete sie mit einem ihrer Hofärzte. Siehe Muze historique, 1. Oktober 1650, Livre I, Lettre XX, V. 145–152. L.-A. M, Les apanages en France du XVIe au XVIIe siècle, Diss. Universität Paris (1900), S. 8. I (Hg.), Recueil général des anciennes lois, Bd. 18, S. 37, Nr. 433. Siehe auch L, Les Domestiques commensaux, S. 143f., 153.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

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Klienten gebunden werden sollten, aufzublähen. Für Anna von Österreichs Haushalt hatte diese Anordnung nun konkret zur Folge, dass neben ihrem Verwaltungspersonal die Ehrenfräulein reduziert bzw. komplett abgeschafft wurden347 . Allerdings wurde in der Propaganda diese Anordnung des Königs später zu einer selbstlosen Entscheidung der Königin umgedeutet: [E]lle retranche quelque chose de son éclat, elle apprend que la veüe des Damoiselles qui marchoient à sa suitte éstoit funeste à ceux de sa Cour, elle ayme mieux dérober quelque chose à sa Magnificence, que de dérober des ames à Jesus-Christ, elle se defait de ses Damoiselles348 .

Insgesamt lassen sich sechs Phasen der Einflussnahme auf Anna von Österreichs Haushalt ausmachen349 : In der ersten Phase intervenierten Maria von Medici (mit Concini) und Ludwig XIII. (1615–1617), in der zweiten Ludwig XIII. und der Duc de Luynes (1617–1621), in der dritten primär der König (1621–1630), in der vierten Richelieu und der König (1630–1642); erst in der fünften Phase konnte die Königin selbst Einfluss nehmen (1643–1661), den sie aber in der sechsten und letzten Phase an Ludwig XIV. verlor (1661–1666)350 . Wie Katharina von Medici vor ihr war auch Anna von Österreich zu Lebzeiten ihres Gemahls bei Personalentscheidungen und bei der Patronage gegenüber Amtsträgern nur eingeschränkt handlungsfähig, da wesentliche Chargen mit Günstlingen des Königs besetzt wurden bzw. diese eigene Klienten in ihrem Haushalt unterbrachten351 . In den Jahren vor 1643 sammelte sie aber im Umgang mit Klienten erste Erfahrungen – indem sie Eheschließungen unterstützte, bei der Vergabe von Pensionen oder Pfründen half oder bei Rechtsdisputen als Mittlerin fungierte –, auf die sie als Regentin zurückgreifen konnte352 .

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D V, La maison d’Anne d’Autriche, S. 173. Obwohl die Königin bei ihrem Tod 1666 keine Ehrenfräulein mehr hatte, sollten alle, die sie bis 1665 noch beschäftigt hatte, auch nach 1666 ihre Gehälter ausbezahlt bekommen. Siehe BNF, Mss., Clairambault 814, Estat general des officiers de la maison de la feue Reyne Anne d’Austriche mere du Roy que sa Ma[jes].té veut et ordonne jouir des privileges de ses commensaux leur vie durant (20.06.1666), fol. 83r–115r, hier fol. 84r. L F, Oraison fvnebre d’Anne d’Austriche, s.l. s.d., S. 8. Siehe auch Nicolas B, L’Estat de la France, 2 Bde., Paris 1663, Bd. 1, Teil 2, S. 259: »La Reine-Mére [sic] ne veut plus avoir ses Filles d’hon[n]eur«. Siehe auch  K, Catherine de Médicis, S. 153, 160. M, Clients and Friends, S. 243–253. Siehe C, Marie-Thérèse, S. 217; K, Social Dynamics, S. 531. Vgl. auch Vladimir C, Anne d’Autriche et la lutte politique en France (1615–43), in: Problèmes d’histoire et de culture, Moskau 1993, S. 20–27 [auf Russisch]. Dieses Prinzip galt z. B. auch am englischen Hof. Siehe W, Aristocratic Women, S. 73–79. Siehe C, Les préséances, S. 274;  K, Catherine de Médicis, S. 198, 202– 211, 274f.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

3.2.2 Amtsträgerinnen Da Anna von Österreich wie jedes weibliche Mitglied der königlichen Familie über Amtsträgerinnen in ihrem Haushalt verfügte, erscheint es sinnvoll, sich diesen noch einmal gesondert zuzuwenden, da sie mitunter erhebliche Einflussmöglichkeiten entfalten konnten353 . Die Grundlage dafür bildete die »Einbeziehung in familiäre Netzwerke«354 , denn so wie es Fürstinnen erlaubt war, an der Macht zu partizipieren bzw. Macht als Regentin auszuüben, konnten auch Frauen am Hofe eine bedeutende Stellung als Favoritinnen, Mätressen oder eben auch als Amtsträgerinnen einnehmen. Katrin Keller macht vier Gründe aus, die für Frauen bei der Entscheidung, ein Hofamt zu übernehmen, eine Rolle spielten: Erstens bot der Hof die Möglichkeit einer standesgemäßen Ausbildung; zweitens war die Aussicht groß, einen geeigneten Ehepartner zu finden; drittens bot die »Amtsinhabe von Frauen sowohl für diese wie für ihre Familien eine Gelegenheit, Ehre und soziales Kapital zu erwerben, Rang, Ehre und Ansehen der Person wie der Familie zu fördern«; und viertens war es ihnen aufgrund der Nähe zum Fürsten möglich, als »Verbindungsglied familiärer und höfischer Netzwerke zu agieren und damit den Aufstieg der Familie zu unterstützen, Amtsübernahmen Verwandter zu fördern oder eine eigene Karriere zu gestalten«355 . Was Katrin Keller hier für den Wiener Hof aufzeigt, gilt genauso für den französischen. Allerdings ist es fraglich, ob dies tatsächlich so geschlechtsspezifisch ist wie sie konstatiert. Ohne Zweifel war eine höfische Karriere für Frauen nur in den Haushalten weiblicher Mitglieder der Königsfamilie möglich. Aber dort agierten sie ebenso wie ihre männlichen Kollegen, denn auch diese konnten ihre Erziehung verfeinern, geeignete Heiratskandidatinnen ausmachen, Pensionen anhäufen, Kontaktnetze aufbauen, als Patrone auftreten und Angehörige sowie Klienten unterstützen. Für Männer und Frauen war der bei Amtsantritt geleistete Eid gegenüber der Königin gleichermaßen verbindlich356 . Es ging nämlich nicht so sehr um die Frage, ob eine Charge von einem Mann oder einer Frau ausgeübt wurde, als um die Distinktion hinsichtlich des Ranges, den die Charge in der Ämterhierarchie einnahm, und des damit verbundenen Einflusses.

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Zur Bedeutung von Amtsträgerinnen und zum Hintergrund einer höfischen Karriere siehe auch K, The Household Service, S. 55–85, bes. S. 69–77; M, Clients and Friends, S. 231–264, bes. S. 263f. Vgl. K, Hofdamen, S. 200f. Ibid., S. 11. Ibid., S. 200. Vgl. auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 280f.; W, Aristocratic Women, S. 117–157. Das Ablegen eines Amtseides gab es z. B. auch am englischen Hof. Siehe ibid., S. 97. In Wien legten die Hofdamen hingegen keinen solchen Eid ab, siehe K, Hofdamen, S. 38f.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

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Und anders als etwa am spanischen Hof konnten in Frankreich nicht nur ledige und verwitwete, sondern auch verheiratete Frauen ein Amt ausüben357 . Aufgrund der begrenzten Plätze und der großen Nachfrage war jedoch rechtzeitiges Planen unerlässlich, um weibliche Verwandte oder Bekannte am Hofe unterzubringen, wie ein Kammerdiener Ludwigs XIV. bemerkte358 . Wenn es nämlich keine männlichen Angehörigen gab, die über eine Charge in einem der königlichen Haushalte verfügten, stellten Frauen oft die wichtigste bzw. einzige Verbindung zur Königin dar359 . Im Alltag wurde dies zusätzlich durch die räumliche Nähe gestärkt360 . Das garantierte ihnen einen (fast) permanenten Zugang zur Monarchin und erleichterte die Pflege der Nahbeziehung sowie das Vorbringen etwaiger Bittgesuche361 . Als Amtsträgerinnen erfüllten die Frauen folglich eine nicht minder bedeutsame Rolle in der Patronagepolitik der Zeit als die Männer362 . Der Vorteil für die Königin lag wiederum darin, dass sie innerhalb des weiblichen Personals Vertraute fand, mit denen sie sich austauschen und eigene Klientelnetze aufbauen konnte363 . Außerdem war es gerade in Zeiten einer Regentschaft für weibliche Angehörige des niederen Adels oder des Amtsadels noch vergleichsweise leicht, Zugang ins direkte Umfeld der Königin zu finden364 . Wie Ruth Kleinman am Beispiel der Ehrendamen und -fräulein nachgewiesen hat, entstammte die Mehrzahl von ihnen ebenfalls dem mittleren bis niederen Adel. Ihre Aufnahme in den Haushalt verdankten sie vor allem der Verwandtschaft mit Angehörigen des militärischen Apparats; dabei war es nun auch vermehrt Angehörigen des Amtsadels möglich, weibliche Verwandte bei der Königin unterzubringen365 . Dazu gehörten etwa Mme de Motteville, die Witwe des

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M, Mémoires, Bd. 5, S. 51, Brief v. François Bertaut an Mme de Motteville (21.10.1659). D B, Mémoires, S. 136f., Eintrag v. 18.09.1648. Siehe auch L F, Mémoires, S. 24: »Ce fut donc un tem[p]s de licences, d’intrigues de Cour, & de Galanterie que tout le tem[p]s de cette Regence: car la Reine elle-même étoit Galante, & les Femmes avoient beaucoup de part aux affaires«. In Fontainebleau etwa, wo der König und die Königin die erste Etage bewohnten, lagen die Räume der Amtsträgerinnen direkt in der Etage über bzw. unter den Gemächern der Königin. Siehe dazu Pierre D, Le Trésor des merveilles de la maison royale de Fontainebleau, Paris 1642, S. 146. Dies galt auch an anderen Höfen. Siehe z. B. W, Aristocratic Women, S. 114– 116, 133–135.  K, Catherine de Médicis, S. 276; K, Hofdamen, S. 204f. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 144. Siehe K, Social Dynamics, S. 522. So z. B. für Jeanne Séguier, die Schwester des Kanzlers von Frankreich, Pierre Séguier, oder für die Ehefrau des Außenministers Henri-Auguste de Loménie, Comte de Brienne, die beide enge Vertraute der Königin waren. Siehe dazu A, A, Pour mon fils, S. 206; BSG, Mss., Ms. 848, Estat (1639–1640), fol. 279r–279v; M, Mémoires, Bd. 4, S. 301. K, Social Dynamics, S. 526–535, bes. S. 533.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Gerichtspräsidenten von Rouen366 ; Marie de Bailleul, Marquise d’Huxelles, die Tochter von Anna von Österreichs Kanzler Nicolas de Bailleul367 ; dessen Schwester Marie de Bailleul, Dame de Chaumont368 ; sowie Mme Séguin, die Frau des Leibarztes der Königin369 . Der wachsende Anteil der Frauen im Haushalt der Königin war zwar ein Ausdruck der gestiegenen Pracht des Hofes370 . Aber er führte seit dem 16. Jahrhundert auch immer wieder zu Kritik, weil befürchtet wurde, dies könnte sich nachteilig auf die Sitten auswirken – vor allem stand die Tugend der jungen Mädchen auf dem Spiel und damit der Ruf ihrer Familien371 . Mit Gouvernanten und Ratgebern wurde versucht, Abhilfe zu schaffen372 . Während Amtsträgerinnen im Haushalt junger männlicher Mitglieder der königlichen Familie als Gouvernanten, Kammerfrauen oder Ammen tätig waren, konnten sie bei den älteren Jungen (sobald diese das siebente Lebensjahr erreichten) wenn überhaupt nur als Wäscherinnen dienen373 . Im Haushalt der weiblichen Mitglieder bzw. speziell im Fall der Königin sah das jedoch ganz anders aus. Katrin Keller hat nachgewiesen, dass der Anteil von Amtsträgerinnen in den Haushalten der Frauen der Kaiserfamilie in Wien im 17. Jahrhundert bis zu 50 Prozent ausmachen konnte374 . Derartig hohe Werte erreichte der Haushalt der französischen Königinnen nicht, weil er ein Abbild des Haushalts des Königs war, daher auf Eigenständigkeit ausgerichtet wurde und ebenfalls administratives Personal aufwies375 .

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Siehe Jean P   M, La France triomphante. Comme elle est en la presente Année 1658. [. . . ] Ensemble les Estats des Maisons du Roy, de la Reyne, de M. le Duc d’Anjou, & de M. le Duc d’Orléans, Paris 1658, S. 255. Siehe Édouard de B, La Marquise d’Huxelles et ses amis, Paris 1881, S. 1f.; Gazette de France, 20. Juli 1647, S. 600; 24. August 1652, S. 791f. G, État de la maison, S. 90, Nr. 3377. Siehe auch AN, Mss., Z1a 511, État général des officiers de la maison Ecurie Et musique de la Reine (1649), fol. 20r–81r, hier fol. 20v. Siehe AN, Mss., Z1a 511, État général des officiers de la maison Ecurie Et musique de la Reine (1649), fol. 20v–21r; G, État de la maison, S. 91, Nr. 3398; P   M, La France triomphante, S. 255. Anna-Manis M, Funktion der »dames et damoiselles d’honneur« im Gefolge französischer Königinnen und Herzoginnen (14.–15. Jh.), in: H, P (Hg.), Das Frauenzimmer, S. 339–354, hier S. 345, 349.  K, Catherine de Médicis, S. 215f. Siehe auch K, Hofdamen, S. 107. Siehe etwa G, État de la maison, S. 45, Nr. 1975–1978. K, Hofdamen, S. 200. Gilbert Saulnier D V, Le vray Estat de la France. Comme elle est gouuernée à présent. Où il est traitté des principaux points du Gouuernement de ce Royaume. Nouuelle édition, Paris 1654, S. 160: »La Reine, & les fils & filles de France ont les mesmes especes d’Officiers que le Roy, mais non pas en si grand nombre, sinon les principaux Officiers, tels que sont le Chancellier, le Chambellan, l’Escuyer, les Secretaires, &c. Mais il est à remarquer qu’il n’y a point de Grand, que chez le Roy & la Reine« [Hervorh. im Orig.]. Siehe auch ibid., S. 151.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

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Dessen ungeachtet gab es in Bezug auf den Anteil der Amtsträgerinnen einen Entwicklungsrückgang: Bei Katharina von Medici machte der Anteil der Frauen durchschnittlich 25 Prozent am Gesamtpersonal aus, bei Louise de Lorraine lag er hingegen nur noch bei 20 Prozent376 . Dieser Rückgang setzte sich im 17. Jahrhundert fort. Sophie de Laverny beziffert ihn für den Haushalt von Maria von Medici auf durchschnittlich 6,7 Prozent, für Anna von Österreich auf 7,5 Prozent und für Maria Theresia auf 10 Prozent377 . Allerdings ist der Wert, den sie für Anna von Österreich angibt, zu niedrig; tatsächlich ergibt sich für ihr weibliches Personal ein Mittelwert von 8,8 Prozent, das heißt, die Königin beschäftigte pro Jahr im Schnitt 47 Amtsträgerinnen378 . Dass das weibliche Personal bei Katharina von Medici fast ein Viertel des Gesamtpersonals ausmachte, muss auch vor dem Hintergrund der politischen Konfliktsituationen ihrer Zeit gesehen werden. Durch die Integration möglichst vieler Frauen aus den großen Familien des Landes in ihren Haushalt sollten potentielle Klienten gewonnen werden, die unter Umständen auch als Mittler der Interessen der Krone bei ihren Familien fungieren konnten379 . Im Fall von Maria von Medici sank der Anteil des weiblichen Personals aufgrund der Einsparungen Heinrichs IV., während Anna von Österreich später wieder über mehr Hofdamen verfügte380 . Gleichwohl darf der vermeintliche prozentuale Rückgang von Amtsträgerinnen im 17. Jahrhundert nicht überbewertet werden, denn zeitgleich stieg ja, wie im Fall von Anna von Österreich, das Gesamtpersonal im Vergleich zum vorherigen Jahrhundert deutlich an. Und da das Gesamtpersonal zur Zeit Maria Theresias wieder sank, der Anteil der Amtsträgerinnen aber gleichzeitig konstant blieb bzw. zum Teil leicht anstieg, erhöhte sich auch der prozentuale Anteil des weiblichen Personals und machte nun ungefähr 10 Prozent aus. Die folgende Tabelle illustriert noch einmal die Gesamtentwicklung im Haushalt der französischen Königinnen381 : 376 377 378 379 380 381

D, Vienna and Versailles, S. 59; L, (Art.) »Maison du roi«, S. 779. L, Les Domestiques commensaux, S. 150, 152, 154. M, »Spiritus intus agit«, Bd. 2, Anhang, S. 176, Tabelle V.3. Vgl. A, Freundschaft und Patronage, S. 278. L, Les Domestiques commensaux, S. 155f. Es sei darauf hingewiesen, dass sich diese Durchschnittswerte ausschließlich auf das Personal des Haushalts, also die maison de la reine, beziehen und das Personal der Stallungen, der Musikkapelle und der Leibgarden nicht inbegriffen sind, da deren Zahl recht konstant geblieben ist und somit auf die grundsätzliche Aussage der Personalstärke keinen relevanten Einfluss gehabt hätte (außer, dass sich die Gesamtzahl jeweils proportional erhöht hätte). Zu Anne de Bretagne, Claude de France, Eleonore von Österreich, Maria Stuart, Elisabeth von Österreich und Louise de Lorraine siehe  K, The Household of the Queen of France, S. 12; zu Katharina von Medici siehe D., Catherine de Médicis, S. 108–110; zu Maria von Medici siehe G, Domestiques et serviteurs, S. 33; zu Anna von Österreich siehe M, »Spiritus intus agit«, Bd. 2, Anhang, S. 174, Tabelle V.1; zu Maria Theresia siehe die stichprobenartig entnommenen Angaben aus AN, Mss., Z1a 511, État du payement des gages des officiers Domestiq.[u]e[s] de la maison de la Reyne (20.01.1661), fol. 182r–223v; B, L’Estat de la France (1663), Bd. 1, Teil 2, S. 307–345; D., L’Estat de la France, 2 Bde., Paris 1674, Bd. 1,

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Tabelle 1: Haushalte der Königinnen 1491–1789 Königin

Durchschnittliche Gesamtzahl der Amtsträger

Anne de Bretagne Claude de France Eleonore von Österreich Katharina von Medici Maria Stuart Elisabeth von Österreich Louise de Lorraine Maria von Medici Anna von Österreich Maria Theresia Maria Leszczyńska Marie-Antoinette

212 285 290 362 289 370 342 464 535 431 430 500

Das weibliche Kernpersonal blieb jedoch auch bei Anna von Österreich unverändert: Es gab eine Obersthofmeisterin, eine Kammerdame, eine Erste Kammerfrau, eine Gouvernante für die Ehrenfräulein, eine Stellvertreterin der Gouvernante sowie eine Wäscherin und Dienerinnen der Ehrenfräulein. Im Gegensatz dazu schwankten die Zahlen der einfachen Kammerfrauen, der Ehrenfräulein und vor allem der Hofdamen382 . Da die Hofdamen, wie die Obersthofmeisterin, auch als »dames d’honneur« bezeichnet wurden383 , kam es mitunter vor, dass die Obersthofmeisterin, um sie von den einfachen Hofdamen abzugrenzen, »première dame d’honneur« genannt wurde384 . Des Weiteren muss bei den Hofdamen differenziert werden zwischen denen, die tatsächlich ein Amt ausübten und daher ständig bei der Königin weilten und jenen, denen es meist selbst überlassen blieb, wann sie erschienen385 . Bei den Hof- oder Ehrendamen handelte es sich um Ehrenposten, die vor allem einen repräsentativen Zweck erfüllten und durch eine gewisse Anzahl der Stellung der Königin zusätzlichen Glanz verleihen sollten, indem sie bei

382

383

384 385

Teil 2, S. 344–399; D., L’Estat de la France, 2 Bde., Paris 1683, Bd. 1, Teil 2, S. 411– 464; D, Vienna and Versailles, S. 58; zu Maria Leszczyńska und Marie-Antoinette siehe ibid., S. 58, Anm. 43. In Maria Theresias Haushalt wurden später weitere Chargen eingeführt wie die dames du palais oder die coiffeuse perruquière. Siehe L, Les Domestiques commensaux, S. 156. Carl G. R. H, Damen Conversationslexikon, 10 Bde., Leipzig u. a. 1834– 1838, Bd. 3, S. 278, (Art.) »Ehrendame«; Z, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 8, Sp. 429, (Art.) »Ehren-Dame« [Hervorh. im Orig.]. F, Dictionnaire, Bd. 1, S. 594, (Art.) »Dame«. Vgl. W, Aristocratic Women, S. 14, 67;  K, Catherine de Médicis, S. 126.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

261

alltäglichen wie offiziellen Anlässen ihr Gefolge bildeten386 . Obwohl einige Hofstaatslisten erhalten sind, die entsprechende Gehaltszahlungen belegen, war das eher die Ausnahme. Für gewöhnlich erhielten diese Frauen nämlich kein reguläres Gehalt, sondern allenfalls eine Pension, wenn die Königin es wünschte, wie im Fall von Mme de Motteville, um ihr die Möglichkeit zu geben, weiterhin am Hofe leben zu können387 . Solche Pensionen hingen also auch von der finanziellen Situation der jeweiligen Inhaberin ab388 . Da es sich um Ehrenposten handelte, konnte die Zahl beliebig erhöht oder gesenkt werden. Zwischen 1494 und 1598 waren im Schnitt 54 Hofdamen und Ehrenfräulein in den Haushalten der Königinnen zugegen, während im Mittelalter nur um die 20 Damen präsent gewesen waren389 . Spitzenwerte wurden etwa 1583 im Haushalt von Katharina von Medici erreicht, als sie über 113 Damen und Fräulein verfügte, oder 1589, als sich deren Zahl bei Louise de Lorraine auf 99 belief390 . Anna von Österreich beschäftigte hingegen im Schnitt 24 Hofdamen und Ehrenfräulein pro Jahr und erreichte ihren persönlichen ›Rekord‹, als sie 1630 insgesamt über 34 Hofdamen und 12 Ehrenfräulein verfügte391 . Die Aufgabe der Ehrendamen bestand in erster Linie darin, der Königin als Gesellschafterinnen zu dienen. Sie waren also Gesprächspartnerinnen oder Partnerinnen bei Karten- und Brettspielen und begleiteten sie bei ihren täglichen Aktivitäten wie Promenaden, Feste, Kirchgänge, Besuche in Klöstern, Kranken- und Armenhäusern392 . Darüber hinaus ergaben sich zum Teil ganz konkrete, mit der Charge verbundene Ehrendienste. So ließ sich die Königin bei ihren Mahlzeiten im familiären Kreis meist von den Hofdamen bedienen. Hatte die Königin ihr Mahl beendet, durften diese die übrig geblieben Speisen zu sich nehmen393 . Wenn die Königin ihre Anwesenheit nicht ausdrücklich wünschte, stand es ihnen frei, wann und für wie lange sie an den Hof kamen394 . Viele zogen es jedoch vor, häufig präsent zu sein, sowohl wegen der Nähe zur Königin als auch um auf dem Laufenden zu sein, etwa über vakante Posten oder in der Hoffnung, für Angehörige oder Freunde eine Gunst zu erlangen. Überdies bestanden Kontakte zwischen den Hofdamen der einzelnen Haushalte der weiblichen Mitglieder der Königsfamilie. Es fanden häufi386 387 388

389 390 391 392 393 394

Siehe auch K, Hofdamen, S. 105; W, Aristocratic Women, S. 111f. BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 51v. M, Mémoires, Bd. 2, S. 458, schrieb über sich: »[U]ne Veuve qui n’étoit pas riche, n’étoit pas en état de s’aller exposer aux necessités qui devoient incommoder les plus grands Seigneurs de la Cour«. Vgl. auch W, Aristocratic Women, S. 131.  K, Catherine de Médicis, S. 214, 271. Ibid., S. 214. M, »Spiritus intus agit«, Bd. 2, Anhang, S. 176, Tabelle V.3. Siehe auch B, La reine de France, S. 225. S-R T, La jeunesse du grand roi, S. 23. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 1, S. 225; Bd. 2, S. 447f. Vgl. auch W, Aristocratic Women, S. 108f.

262

3. Hofstaat und Hofhaltung

ge Treffen statt, bei denen die Kommunikation weniger der netten Plauderei diente als vielmehr auf einen konkreten Informationsaustausch ausgelegt war. Mlle de Montpensier, die Kusine Ludwigs XIV., veranstaltete etwa seit Beginn der 1660er Jahre regelmäßig Treffen, an denen ihre Hofdamen sowie jene von Maria Theresia und Anna von Österreich teilnahmen395 . So verband Mlle de Montpensier nach eigenem Bekunden ein freundschaftliches Verhältnis mit der Obersthofmeisterin und mit der Kammerdame von Anna von Österreich396 . Aber auch für Anna von Österreich waren die Hofdamen sehr nützlich, denn sie konnte auf diese als Überbringerinnen von Botschaften, als Informantinnen oder bei der Durchführung inoffizieller bzw. vertraulicher Missionen zurückgreifen. Als zum Beispiel die Schwester Ludwigs XIII., die englische Königin Henrietta Maria, 1644 in Frankreich eintraf, schickte Anna von Österreich Mme de Motteville zu ihr, damit diese ihre Schwägerin im informellen Rahmen begrüßte397 . Wie die Ehrendamen profitierten auch die Ehrenfräulein, deren Zahl sich meist auf sechs belief, von ihrer Präsenz am Hofe, zumal sie noch ein reguläres Jahresgehalt von 200 l.t. bekamen und im Fall einer Hochzeit zusätzlich eine Mitgift in Höhe von 12 000 l.t.398 Unter den Ehrenfräulein waren aber nicht nur adlige Mädchen399 . So fanden die Verwandten einiger Minister Aufnahme im Haushalt, wie die Schwester von Claude de Bouthillier, die Großnichte von Jacques-Auguste de Thou oder die Töchter von Abel Servien und HenriAuguste de Loménie de Brienne sowie die Töchter von Amtsträgern wie Nicolas de Bailleul oder Nicolas Le Gras400 . Bei der Auswahl spielten natürlich auch Aussehen und Anmut eine Rolle401 . 395 396 397

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401

L, Voyage de France, S. 165. M, Mémoires, Bd. 3, S. 112. Christian B, Henriette-Anne d’Angleterre. Belle-sœur de Louis XIV, Paris 2006, S. 37. Es gelang Mme de Motteville, auch zu Henrietta Maria ein langlebiges Patronage- und Vertrauensverhältnis aufzubauen. Siehe dazu M, »Rien n’est permanent sous le ciel«, S. 273–275, 294. D V, Le vray Estat, S. 152; G, État de la maison, S. 92. Sie erhielten auch Geld für Bekleidung. Siehe AN, Mss., KK 203, [Dépenses de l’]Argenterie de la chambre. Quartier de Januier (1642), s.p. K, Social Dynamics, S. 522, 530. G, État de la maison, S. 93, Nr. 3471 (Charlotte de Thou), Nr. 3491 (Charlotte de Bouthillier); S. 94, Nr. 3494 (Marie de Loménie), Nr. 3496 (Élisabeth de Bailleul), Nr. 3502 (Anne Le Gras), Nr. 3503 (Mlle Servien). De Thou war Diplomat und Staatsmann. Bouthillier war Anwalt und stieg bis zum Außen- (1629–1632) und Finanzminister (1632–1643) auf. Loménie de Brienne war u. a. als Außenminister tätig. Bailleul war, wie erwähnt, Kanzler im Haushalt von Anna von Österreich, während Le Gras dort als secrétaire des commandements (1624–1647) und intendant de la maison et général des finances (1640–1644) diente. Servien war als Diplomat sowie im Staatsdienst tätig und wirkte von 1653 bis 1659 außerdem noch als Oberintendant der Finanzen. Muze historique, 30. Januar 1655, Livre VI, Lettre V, V. 197–200: »Les Filles de la Reine, mesmes, / Dignes de plaire aux Diadesmes, / Tant l’on void briller de beauté / Dans leur

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

263

Mit der Königin verband die Mädchen ebenfalls ein enges Verhältnis. Als diese 1620 von einer schweren Krankheit genesen war, gaben sie eine kleine, elogenreiche Dankesschrift in Auftrag402 . Sie selbst sollten ihre Zeit am Hofe nutzen und sich im Hinblick auf ihre Umgangsformen, die höfische Etikette, das Führen eine Konversation und das Tanzen schulen lassen. Um sicherzustellen, dass sie ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllten und die Regeln des Anstands befolgten, standen ihnen eine Gouvernante und deren Stellvertreterin zur Seite403 . Der Hof sollte ja, so zumindest die Theorie, eine Vorbildfunktion erfüllen, weshalb das Verhalten der Frauen und Mädchen über jeden Zweifel erhaben sein musste404 . Es ging also letztlich darum, sie soweit wie möglich vor sexuellen Verfehlungen zu schützen, da das Zusammenleben von Männern und Frauen nun einmal gewisse Regeln erforderte. Auch deshalb nahmen Umgangsformen, Sozialdisziplinierung und Affektkontrolle einen so eminenten Stellenwert am Hofe ein405 . Denn das, was für einen jungen Höfling eine galante Eroberung darstellte, bedeutete für eine junge Frau Ehrverlust und für ihre Familie Rufschädigung. Statt sich leichtsinnig auf ein Liebesabenteuer einzulassen, galt es vielmehr, tugendhaft zu bleiben und einen passenden Mann zu finden406 . War das geglückt, benötigten die Mädchen die Zustimmung der Königin, die hier unabhängig vom König Einfluss ausübte. Diese Zustimmung war ganz offensichtlich auch dann noch notwendig, wenn, wie im Fall von Virginie de Maugiron, das Ehrenfräulein

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406

chére [sic] Communauté«. Siehe auch Isaac de B, Les œuvres de Monsieur de Benserade, 2 Bde., Paris 1697, Bd. 1, S. 108; Muze royale, 3. Januar 1657, S. 3. François-Hugues de M, La Reiovissance et les sovhaits des filles de la Reyne, pour le recouurement de sa santé, Paris 1620, S. 11: »[N]ous pouuons asseurer que toutes les rares merueilles qui se rencontrent en toutes celles de vostre sexe sont aussi accomplies en vous que l’on les sçauroit desirer: car soit que l’on veuille admirer la chasteté, nous n’auons plus de besoin d’aller emprunter celle de Diane pour exemple, veu que la vostre est encore plus admirable, [. . . ] soit que l’on prenne garde à la grandeur de vostre courage, ou à celle de vostre esprit. La comparaison de Minerue est indigne de vous [. . . ] [et] toutes les loüanges sont trop inferieures à vostre merite«. Vgl. dazu Antoine de N, Action de graces à Diev, Et priere, pour la conualescence de la Reyne, Paris 1620, bes. S. 3–9. Wie  K, Catherine de Médicis, S. 124, zu Recht anmerkt, dürfen diese Gouvernanten nicht mit den gouvernantes des enfants de France verwechselt werden, die ausschließlich mit der Betreuung und Erziehung der königlichen Nachkommen beschäftigt waren. Vgl. Pascale M, Devenir prince. L’école du pouvoir en France XVIIe –XVIIIe siècle, Paris 2009; M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 587– 595. M, Funktion der »dames et damoiselles d’honneur«, S. 352. Norbert E, Über den Prozeß der Zivilisation, 2 Bde., Frankfurt a.M. 20 1997, Bd. 2, S. 380–407; O, Strukturprobleme, S. 179–197. Vgl. auch K, Hofdamen, S. 201. Vgl. dazu D, Le corps de la reine, S. 239.

264

3. Hofstaat und Hofhaltung

nicht mehr am Hofe Dienst tat407 ; dazu wandte sich die Königin dann an den Vater des Mädchens, um ihre Entscheidung bekannt zu geben408 . Die Ehrenfräulein profitierten in diesem Zusammenhang aber noch in anderer Hinsicht. Wer ihnen nämlich ein Eheversprechen gegeben hatte, konnte sich anschließend nicht einfach wieder dieser Verantwortung entziehen. Nachdem sich etwa der wohlhabende, aber in die Jahre gekommene Duc d’Amville in Catherine de Manneville409 verliebt und 1661 um ihre Hand angehalten hatte, überlegte er es sich plötzlich wieder anders und wollte sein Versprechen lösen, woraufhin Anna von Österreich und Ludwig XIV. intervenierten und ihn unmissverständlich aufforderten, sein Versprechen zu halten – der Duc d’Amville entging der bevorstehenden Ehe nur deshalb, weil er kurz zuvor verstarb410 . Dennoch zeigt sich hieran, dass auch die Königin neben den Eltern eine wichtige, weil einflussreiche Schutz- und Aufsichtsfunktion gegenüber ihren Ehrenfräulein erfüllte und für deren Belange eintrat. Die Aufgaben der Ehrenfräulein entsprachen weitestgehend denen der Ehrendamen. Sie leisteten der Königin Gesellschaft und waren Teil ihres Gefolges; sie nahmen etwa am zeremoniellen Akt des An- und Auskleidens der Monarchin teil411 . Je nach Anlass waren entweder alle Ehrenfräulein zugegen, etwa bei einem Hofball, oder nur einige, wie bei Ausflügen412 . Ferner erfüllten sie repräsentative Pflichten, indem sie die Königin bei offiziellen Anlässen wie Audienzen oder Reisen begleiteten413 . Insgesamt schienen sich die Aufgaben der Mädchen jedoch in Grenzen gehalten zu haben, wie eine Spottschrift besagt: »Pour les filles de la Reyne sont toutes diuersses en leurs desirs, les vnes veulent trauailler en toille, en rubans & faire des galands, les autres tapisseries, & les autres feront des tours de licts, mais la plus part souhaite auoir vn bon maistre pour apprendre à escrire sur le perchemin«414 . Dessen ungeachtet griff die Königin ebenfalls gern auf sie als Mittlerinnen für persönliche bzw. geheime Aufträge zurück. Richelieu verdächtigte Anna von Österreich in den 1630er Jahren nicht zu Unrecht, über die Äbtissin von Val-de-Grâce, Louise de Milley, in Kontakt mit ihren spanischen Verwandten zu stehen, wobei ei407 408

409 410 411 412 413 414

BSG, Mss., Ms. 848, Estat (1616), fol. 272r. Später trat sie dem Haushalt der Königin erneut bei, und zwar als Hofdame. Siehe BSG, Mss., Ms. 848, Estat (1644), fol. 280v. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 2775, Brief v. Anna von Österreich an M. de Maugiron (11.02.1622), fol. 15r. Siehe auch AN, Mss., O1 5, Autre [acquit] a la Chambre portant veriffication expedié pour l’vne des filles de la Reyne en faueur de mariage (s.d.), fol. 6v–7r. Vgl. K, Strategies of Power, S. 183; L, Les Domestiques commensaux, S. 193. G, État de la maison, S. 94, Nr. 3509. Sie hatte das Amt von 1654 bis 1662 inne. M, Mémoires, Bd. 5, S. 236. Vgl. dazu C, La vie de St. Vincent de Paul, Bd. 1, S. 470. Muze royale, 4. März 1657, S. 2. Siehe z. B. BNF, Mss., Fonds français 14120, Ordre De la Ceremonie touchant la Majorité du Roy en 1651 (s.d.), fol. 369r–380r, hier fol. 375v. [A], Les Mestiers de la Covr, s.l. s.d., S. 4f.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

265

nes der Ehrenfräulein der Königin die Äbtissin über alles auf dem Laufenden hielt und als Botin zwischen der Königin und dieser fungierte415 . Das war für Richelieu nur ein weiterer Grund, die Posten der Ehrenfräulein über mehrere Jahre unbesetzt zu lassen416 . Und auch Mazarin wusste um den Einfluss der Frauen im Umfeld der Königin. Gerade zu Beginn der Regentschaft bemühte er sich, ihre Zuneigung zu gewinnen, um zu verhindern, dass sie Partei gegen ihn ergreifen und die Königin gegen ihn aufbringen könnten; dazu griff er vor allem auf Geld, Geschenke und das Versprechen auf weitere Beweise seiner Gunst zurück, sollte er seine machtvolle Stellung als Erster Minister behaupten können417 . Er nutzte seine guten Kontakte zu den Ehrenfräulein, um sich über alle Vorgänge bei der Königin auf dem Laufenden zu halten, aber auch, um bei ihr stets Fürsprecherinnen zu haben. Dass es sehr lohnenswert sein konnte, Mazarin zu unterstützen, zeigt der Fall von Suzanne de Beaudéan-Parabère, Demoiselle de Neuillan. Wie ihre Schwester Angélique war sie Ehrenfräulein der Königin418 . In dieser Funktion gewann Suzanne alsbald das Vertrauen der Königin und Mazarins419 . Gerade während der Fronde sollte sie sich als äußerst nützlich erweisen, zumal sie am 20. Februar 1651 den Duc de Navailles geheiratet hatte, der seinerseits als enger Vertrauter Mazarins galt420 . Als Zeichen der königlichen Gunst erhielt Mme de Navailles später sogar den Posten der Obersthofmeisterin bei Maria Theresia421 . Mazarins Vorgehen belegt einmal mehr die große Bedeutung der Amtsträgerinnen, die ihren männlichen Kollegen in nichts nachstanden. Die Frauen stellten ihrerseits eine entscheidende Verbindung zwischen der Königin, den Höflingen und anderen Amtsträgern dar und waren dadurch ein wichtiger

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F, La vie de la vénérable mère Marguerite, S. 259–261. Vgl. dazu B, L’affaire du Val-de-Grâce, S. 111–165; Vladimir C, L’affaire du Val-de-Grâce: Anne d’Autriche en 1637, in: O. V (Hg.), L’Homme devant la justice, Sankt-Petersburg 2001, s.p. [auf Russisch]; M, Les précieuses, S. 155. M, »Spiritus intus agit«, Bd. 2, Anhang, S. 176, Tabelle V.3; S. 184, Diagramm I.4. Henri de C, Mémoires de Henri de Campion (1613–1663), hg. v. Marc F, Paris 1990, S. 152. G, État de la maison, S. 94, Nr. 3498, erwähnt nur Angélique, die von 1644 bis 1657 als Ehrenfräulein diente. Zu Suzannes Tätigkeit als Ehrenfräulein siehe M, Mémoires, Bd. 4, S. 5; Aymar de C, Philippe II. de MontautBénac, duc de N, Mémoires du Marquis de Chouppes, lieutenant général des armées du roi, suivis des mémoires du duc de Navailles et de la Valette, hg. v. Célestin M, Paris 1861, S. 52. M, Mémoires, Bd. 4, S. 5; C, N, Mémoires, S. 65. Siehe auch Édouard de B, Madame de Sablé. Nouvelles études sur les femmes illustres et la société du XVIIe siècle, Paris 5 1882, S. 325. M, Mémoires, Bd. 4, S. 66, 134, 322; C, N, Mémoires, S. 61, sowie ibid., Anm. 4. AN, Mss., Z1a 511, État du payement des gages des officiers Domestiq.[u]e[s] de la maison de la Reyne (20.01.1661), fol. 182v.

266

3. Hofstaat und Hofhaltung

Faktor innerhalb der Patronagepolitik der Zeit im Allgemeinen und ihrer Familien, Freunde und Klienten im Besonderen. 3.2.3 Geben und Nehmen Das Verhältnis der Amtsträger zur Königin, der Patronin, war geprägt von gegenseitigen Verpflichtungen. Die Amtsträger mussten sich loyal verhalten und ihren Dienst effektiv verrichten; die Königin war ihrerseits verpflichtet, Treue und Effizienz zu belohnen422 . Dafür nahmen es die Untergebenen in Kauf, dass es mitunter lange dauern konnte, bis diese Gegenleistung erfolgte; wichtig war lediglich das Wissen, dass es über kurz oder lang eine Anerkennung geben würde – nur so ist zu erklären, warum viele bereit waren, an den Hof zu kommen und sich um ein Amt zu bemühen423 . Ganz abgesehen von den weiteren Vorteilen: Tous ses Domestiques[,] dans vne parfaite intelligence, tenoient un rang plus ou moins considerable, selon que leurs Charges leur donnoient plus ou moins d’accés aupres d’Elle; tous cependant respiroient également à l’ombre de sa Couronne; tous estoient également protegez par sa puissance [. . . ] & les bontez qu’elle leur faisoit ressentir, estoient pour eux des sources de consolation & de douceur424 .

Die Aufnahme in den königlichen Haushalt bedeutete für einige Amtsträger, zum Beispiel die Kammerdiener, oft auch einen konkreten sozialen Aufstieg durch die damit verbundene Erhebung in den Adelsstand425 . Gerade für den Amtsadel war eine Hofcharge deshalb ein wichtiges Zeichen der ›Arriviertheit‹426 . Ein gutes Beispiel ist der Präsident der Chambre des comptes, Jacques Tubeuf427 , der durch Finanzgeschäfte reich geworden war und seit Mitte der 1640er Jahre als Intendant der Königin diente428 . Er versuchte, diesen Prestigegewinn auch durch Geschenke429 oder das Ausrichten von Festen430 als 422 423 424 425 426 427 428 429

430

Siehe L M, De l’art de régner, Teil 3, S. 494–500. Vgl. S-R, Zur moralischen Ökonomie des Schenkens, S. 192–196; W, Aristocratic Women, S. 156. L C, Oraison, S. 32. Nicolas B, L’Estat de la France, 2 Bde., Paris 1678, Bd. 1, Teil 1, S. 363. Vgl. D V, Les valets de chambre, S. 114–119. Siehe  K, Catherine de Médicis, S. 200. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 3622, Abschnitt »Tubeuf« (s.d.), s.p., Nr. 8888. Siehe auch Kap. 3.3.2, S. 286. AD, Mss., Mémoires et Documents (France) 264, Brief v. Mazarin an Jacques Tubeuf (13.07.1649), fol. 385v–386r, hier fol. 385v. In diesem Fall hatte Tubeuf der Königin Orangen zukommen lassen. Muze historique, 13. August 1651, Livre II, Lettre XXXII, V. 53–64; 5. Juli 1653, Livre IV, Lettre XXIV, V. 27–112; 21. April 1657, Livre VIII, Lettre XV, V. 263–268; 22. Januar 1661, Livre XII, Lettre IV, V. 101–114; 20. September 1664, Livre XV, Lettre XXXVII, V. 83–98.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

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informellen Ausdruck des bestehenden Patron-Klient-Verhältnisses aufrechtzuerhalten431 . Eine Hofcharge stellte somit sowohl für den Amts- als auch für den Schwertadel eine Möglichkeit dar, sich der königlichen Gunst zu versichern und von der erworbenen Stellung aus das eigene Fortkommen oder das von Familienmitgliedern am Hofe, und womöglich darüber hinaus, im geistlichen oder militärischen Bereich zu begünstigen432 . Um nun aber die Attraktivität der Chargen dauerhaft zu festigen und die Loyalität der Inhaber zu befördern, war die Sicherung der Privilegien von elementarer Bedeutung433 . Auch Anna von Österreich ließ 1645 noch einmal eine Sammlung der wichtigsten Erlasse bezüglich des Hofpersonals, seiner Rechte und Privilegien veröffentlichen – allen voran die Steuerbefreiung434 . Darüber hinaus gab es weitere Vergünstigungen. So gab es für fast alle Amtsträger wie schon erwähnt freie Kost und Logis bzw. bekamen sie das Geld dafür erstattet, und vor allem den niederen Inhabern wurden Kleidung, Uniformen oder Livreen zur Verfügung gestellt435 . Damit überwogen zwar die Vorteile, aber es gab auch einige Nachteile, etwa die finanzielle Situation. Die Befreiung von Steuern und Abgaben war zwar sehr hilfreich, die Gehälter waren jedoch nicht sehr hoch und stagnierten bis auf wenige Ausnahmen. Zum einen dienten die unterschiedlichen Gehaltsstufen primär der Distinktion unter den Amtsträgern und spiegelten das mit dem jeweiligen Amt verbundene Prestige wider436 . Zum anderen waren die Gehälter nicht zwangsläufig dafür vorgesehen, den Lebensunterhalt zu sichern. Viele Amtsträger waren deshalb auf zusätzliche Einkünfte aus ihren Ländereien oder

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K, Gift-Giving, S. 146f. Formell konnte eine solche Bindung nicht sein, da es keinen offiziellen Akt gab, der das Eingehen eines derartigen Beziehungsgeflechts begründete. So hat sich die Königin etwa dafür eingesetzt, dass Rubentel, einer ihrer maîtres d’hôtel, durch Vermittlung des Prince de Condé als Adjutant beim Marschall de Grammont eine Anstellung fand. Zugleich äußerte sie die Bitte, »de le fauoriser dans les occasions ou uous verrez lieu de luy procurer quelque aduantage«, zit. n. BCH, Mss., Série P, Bd. 2, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (13.05.1648), fol. 67r. Rubentel beendete seinen Dienst 1657. Siehe G, État de la maison, S. 101, Nr. 3724. Siehe L, Les Domestiques commensaux, S. 116–123, 134. Jean P   M, Les privileges anciens et novveaux, des Officiers Domestiques & Commençaux de la Maison du Roy, de la Royne, Enfans de France, & autres, Paris 1645. Siehe auch D., Estat dv Payement des Gages que la Reyne Regente Mere du Roy veut & entend estre fait, in: D. (Hg.), Estat general des Officiers Domestiques & Commençaux de la Maison du Roy, de la Reine, & de Monsieur le Duc d’Anjou, Paris 1653, S. 35–40, hier S. 40. Vgl. auch B, L’évolution de la maison du roi, S. 362f. Siehe L, Les Domestiques commensaux, S. 21, 111, 129–133, 190f. Vgl. auch BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 38r–92v (passim). Diese Praxis war auch am englischen Hof üblich, wie W, Aristocratic Women, S. 138, nachgewiesen hat.  K, Catherine de Médicis, S. 138.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Zuwendungen ihrer Familie angewiesen. Außerdem wurden die Gehälter oft nur unregelmäßig ausgezahlt437 . Dieser Umstand sollte nicht unterschätzt werden, denn sobald Gehaltszahlungen und Versorgungsleistungen ausblieben, sank die Bereitschaft des Personals, Dienst- und Treueverpflichtungen nachzukommen, wie etwa während der Fronde438 . Aber schon in der Zeit davor kam es immer wieder zu Engpässen, sodass Mazarin, der damalige Oberintendant der Königin, von Loret in dessen »Requête des seigneurs, dames, et demoiselles du petit coucher de la Reine« (1647) aufgefordert wurde, den Missständen entgegenzuwirken439 . Folglich war die Vergabe von Pensionen und Gratifikationen essentiell440 . Aus Sicht der Krone war dies ohnehin vorteilhafter, als einfach nur die Gehälter zu erhöhen. Es sollte nämlich weniger wichtig sein, was die Königin gab, sondern dass sie etwas gab. Der Akt der Gabe stellte eine Hervorhebung gegenüber anderen Amtsträgern dar und war Kennzeichen des – aktuellen – Wohlwollens441 . Einerseits konnte sie sich noch deutlicher als Wohltäterin präsentieren und demonstrieren, dass sie den Erwartungen einer Patronin gerecht wurde442 . Andererseits wurden die so Ausgezeichneten aus der Masse herausgehoben, dies aber – im Gegensatz zu einem ständig ausgezahlten hohen Gehalt – nur für den Moment. Sie waren also motiviert und angespornt, die bestehende Gunst weiterhin aufrechtzuerhalten443 . Überdies sollte sichergestellt werden, dass die jeweils begünstigte Person ausreichend Mittel erhielt, um am Hofe leben zu können. Für 1645 und 1653 sind Unterhaltszahlungen für mehrere hohe Amtsträger überliefert444 . Vor 437 438

439 440 441 442 443

444

Vgl. z. B. P, V, Journal, S. 170f., Eintrag v. 12.05.1657. M, Mémoires, Bd. 3, S. 159: »La Maison du Roi étoit plus véritablement encore en pitoiable état: elle étoit mal entretenuë, sa Table étoit souvent renversée, une partie des Pierreries de la Couronne étoient en gage [. . . ]. Les grands & les petits Officiers sans gage, ne vouloient plus servir, & les Pages de la Chambre étoient renvoiés chez leurs paren[t]s, parceque les prémiers [sic] Gentilshommes de la Chambre n’avoient pas de quoi les entretenir«. Jean L, Poesies bvrlesqves, contenant plusieurs épistres à diverses personnes de la Cour, et autres œuvres en ce genre d’escrire, Paris 1647, S. 13–15. K, Gift-Giving, S. 141; L, Les Domestiques commensaux, S. 106, 495f. D V, Les valets de chambre, S. 252; S-R, Zur moralischen Ökonomie des Schenkens, S. 191. Siehe auch W, Aristocratic Women, S. 125. B, Courtly Song, S. 111–113. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 210f. Siehe L, Les Domestiques commensaux, S. 189, 194–199, 206. Vgl. auch Leonhard H, Der Preis des Erfolgs. Gunst, Kapital und Patrimonialisierung am Hof von Versailles (1661–1789), in: Zeitschrift für Historische Forschung 36/1 (2009), S. 71– 91, hier S. 77. So erhielt etwa Pierre Séguin, der premier médecin von Anna von Österreich, immer wieder größere Pensionen. Siehe BNF, Mss., Mélanges Colbert 319, Officiers des Maisons de la Reyne de Monseigneur Le Dauphin & de Monsieur (s.d.), fol. 1r–14r, hier fol. 12v–13r: 6000 l.t. (je 1626, 1634), 4500 l.t. (je 1642, 1644, 1648). BNF, Mss., Fonds français 10412, Despence de la Royne (1645), fol. 159r–163r; BNF,

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

269

allem für die niederen Chargeninhaber waren diese Zahlungen von großer Bedeutung445 . Solche Zuschüsse waren auch notwendig, wenn sich außerordentliche Ausgaben ergaben, wie die mit großen Kosten verbundenen Reisen des Hofes446 . Das war aber keine Garantie: Der Beichtvater der Königin musste etwa bei der Reise des Hofes an die spanische Grenze anlässlich der Hochzeit Ludwigs XIV. alle Unkosten selbst tragen. Weil die Königin wusste, dass er von Kanzler Séguier regelmäßig Geld erhielt, konnte er zumindest in diesem Fall nicht mit ihrer Hilfe rechnen: [J’]ose prendre La liberté d’escrire a vostre excellence sur la confiance qu’elle a bien voulu me donner d’auoir recours a elle dans mes besoins. jls [sic] ne furent jamais plus grands, monseigneur, depuis que i[’]ay l[’]honneur d[’]estre a la Royne, a cause de la despense extraordinaire qu’il m[’]a fallu faire dans vn si long voyage, et qu’ayant passé par mon païs ie n’ay pu me dispenser de faire des charités a de mes pauures paren[t]s au dela de ce que ie pouuois[.] Ce n’est pas, Monseigneur, que sa Magesté n’eust la bonté d’y pouruoir si ie les luy manifestois, mais comme ie sçay L’estat de ses affaires et qu’outre ses debtes qu’elle accumule de iour a autre [. . . ] et que d’ailleurs elle n’ignore pas les gratifications que i[’]ay receuës annuellement de vostre excellence, qui a tant de veneration pour elle, et tant de bonté pour tous ceux qui luy appartiennent agreable La tres humble requeste que ie Luy fais de me vouloir continuer ses aumosnes comme elle a faict au passé447 .

Ein anderer Vorteil einer Charge bestand in der Versorgung ehemaliger Bediensteter sowie in der Absicherung und Unterstützung für deren Witwen448 . Umgekehrt unterstützte die Königin aber auch Amtsträgerinnen, die während ihrer Dienstzeit zu Witwen wurden449 . Ob die Zahlungen tatsächlich erfolgten, hing wie an anderen Höfen auch von der ökonomischen Gesamtlage ab, und es konnte mitunter Jahre dauern, bis Amtsträger ihr Geld bekamen450 . Infolge von Zahlungsausfällen während der Fronde musste Anna von Österreich 1653, als sich die Lage wieder be-

445 446 447 448

449 450

Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 35r–35v, 52r–52v, 54r, 66r–66v, 74r. BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 39r, 43r, 46r–46v, 56v–57r, 59v–61v, 62v, 63v, 65r–65v. Siehe z. B. BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 53r, 55r. Vgl.  K, Catherine de Médicis, S. 138. BNF, Mss., Fonds français 17397, Brief v. Philippe Le Roy an Kanzler Pierre Séguier (03.02.1660), fol. 43r–44r. P   M, Les privileges anciens et novveaux, S. 3. Siehe z. B. BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 48r, 69r. Siehe BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 67r. Siehe z. B. AN, Mss., Z1a 511, Etat des officiers de la feüe Reine Marie de Medicis Année 1647 (25.05.1647), fol. 1r–18v; Jean P   M, Estat des Officiers de la feve Reyne Marie de Medicis Ayeule, in: D. (Hg.), Estat general des Officiers, S. 41– 48. Vgl. auch K, Hofdamen, S. 160f.

270

3. Hofstaat und Hofhaltung

ruhigt hatte, einige ausstehende Gehaltszahlungen der Jahre 1649 bis 1652 leisten – dabei handelte es sich (mindestens) um 31 016 l.t.451 Anna von Österreich konnte ihren Amtsträgern vor allem während der Regentschaft eine umfassende Patronage angedeihen lassen. Trotzdem war es ihr auch davor und danach möglich, zugunsten ihrer hoch- und niedriggestellten Amtsträger einzugreifen452 : »Ses feruentes, & frequétes prieres enuers le ciel, ses largesse ses aumônes & ses presens dont elle recompense tous ceux qui luy rendent quelque seruice, & gratifie tous ceux qui le meritent, sont des pressants témoignages de son bon naturel«453 . Und Mme de Motteville ergänzte noch: Elle est douce, affable et familière avec tous ceux qui l’approchent, et qui ont l’honneur de la servir. Sa bonté la convie de souffrir les petits comme les grands; et, sans manquer de discernement, cette bonté est cause qu’elle entre en conversation avec beaucoup de personnes fort indignes de son entretien454 .

So intervenierte die Königin etwa zugunsten einer ehemaligen spanischen Kammerfrau, obwohl diese Frankreich schon fünfzehn Jahre zuvor verlassen hatte455 . Sie bat den französischen Botschafter in Madrid, diskret einen Angehörigen dieser Kammerfrau, die sie sehr schätzte, bei einem Erbschaftsstreit zu unterstützen456 . Und nach der Regentschaftsübernahme rief Anna von Österreich auch ihren ehemaligen Getreuen Henri de Beringhen zurück, der auf Betreiben Ludwigs XIII. den Hof 1639 verlassen musste, weil der König den Eindruck hatte, Beringhen wäre ihm gegenüber weniger loyal als gegenüber der Königin457 . Mangelndes Vertrauen des Herrn war immer ein 451 452

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BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 75v–92r. AN, Mss., KK 203, [Dépenses de l’]Argenterie de la chambre. Quartier de Januier (1642), s.p.; BCH, Mss., Série M, Bd. 17, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (31.08.1639), fol. 286r; BNF, Mss., Fonds français 10414, La Despence faicte en L[’]argenterie de la dame Reyne durant le quartier d[’]octobre de Lad[it]e annee de ce compte mil six cents soixante trois (31.12.1663), fol. 16v–17v; BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 4533, Brief v. Anna von Österreich an den Vicomte de Turenne (10.07.1652), S. 287; M, Mémoires, Bd. 1, S. 278f., Brief v. Anna von Österreich an Molé (11.10.1622); Bd. 4, S. 51f., Brief v. Anna von Österreich an Molé (25.05.1649). A, Institution de l’ordre dv Collier celeste, S. 216f. Der Geistliche Le Boux meinte daher, die Königin »liebe ihre Diener«, zit. n. L B, Oraison, S. 30. Vgl. auch D, Anne d’Autriche, S. 68; F, La Reyne tres-chrestienne, S. 33. M, Portrait de la reine, S. 323f. Doña Catalina de Castro war von 1615 bis 1619 Kammerfrau bei Anna von Österreich. Siehe G, État de la maison, S. 96, Nr. 3567. BNF, Mss., Fonds français 22334, Brief v. Anna von Österreich an Antoine Joubert, Comte de Barrault (10.10.1634), fol. 1r–2r, hier fol. 2r: »Vous me ferez plaisir de proteger de vostre auctorité et bienueillance autant que la Iustice le permettra ledict don Fran[cis]co que I[’]affectionne par le souuenir et la memoire de la bonne femme qui m[’]a pendant sa vie donne tout suject de l[’]aymer«. Beringhen war seinem Vater 1620 als Erster Kammerdiener Ludwigs XIII. nachgefolgt und übte den Posten bis zu seiner Entlassung 1639 aus. Siehe G, État de la maison, S. 35, Nr. 1601.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

271

Risikofaktor458 . Während der Regentschaft ernannte Anna von Österreich Beringhen deshalb in Anerkennung seiner Treue und seiner Dienste zum Oberstallmeister Ludwigs XIV.459 Ließ die Loyalität der Amtsträger allerdings nach, schien sie ganz auszubleiben oder gab jemand – aus Sicht der Königin – Anlass zu Misstrauen, wurde die Gunst entzogen, was im schlimmsten Fall den Verlust der Charge bedeuten konnte. Auch hier ein Beispiel: Der »porte-manteau« der Königin, Pierre de La Porte, war wegen seiner angeblichen Beteiligung an Hofkabalen und wegen der vermeintlichen Komplizenschaft beim geheimen Briefwechsel der Königin mit ihren Verwandten mehrfach vom Hof entfernt worden460 . Aus Dankbarkeit und als Belohnung für seine Diskretion – er hatte 1637 sogar unter Anwendung der Folter Stillschweigen bewahrt – und als Entschädigung für seine Inhaftierung rief die Königin ihn noch im Mai 1643 zurück und ernannte ihn zum Ersten Kammerdiener des Königs461 . Aber wegen seiner beständigen Kritik und offenen Gegnerschaft zu Mazarin – worin die Königin auch einen Affront gegen eine von ihr getroffene Entscheidung sah – wurde er 1653 endgültig vom Hofe verbannt462 . Von einer Exilierung waren natürlich auch Hofdamen nicht ausgenommen, die zu sehr gegen Mazarin opponierten und versuchten, politischen Einfluss auf die Königin zu nehmen wie die Kammerdame Mme de Hautefort463 . Dies traf ebenfalls auf Marie Lambert zu, eine der Kammerfrauen464 . Sie hatte während der Fronde gegenüber der Königin 458

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D B, Mémoires, S. 136, Eintrag v. 18.09.1648: »[I]l fault tâcher à ne donner jamais jalousie à son mestre [= maître], dont la plupart ne veille point que les affections soient partagées. Ils veillent que l’on soit tout à eux«. Gazette de France, 12. August 1645, S. 718. Zudem gelang es Beringhen, seine Verbindung zum Haushalt der Königin durch die Ehe mit Anne du Blé zu festigen, der Schwester des Marquis d’Huxelles, dem Schwiegersohn von Anna von Österreichs Kanzler Bailleul. Siehe ibid., 13. Januar 1646, S. 44. Siehe auch H, Richelieu, S. 404–406. Die Königin und Ludwig XIV. waren auch Paten seines Sohnes, der auf den Namen Louis getauft wurde. Siehe Gazette de France, 13. Januar 1646, S. 44. L P, Mémoires, S. 226, 236f.; D V, Les Nyert, S. 24; L, Les Domestiques commensaux, S. 371f. B, Oraison, S. 12f.: »Ceux qui avoient déja quelque accez auprès d’elle se pressoient de se servir du temps par diverses inventions, & ceux qui n’eut estoient pas connus, cherchoient à s’en faire connoistre [. . . ] pour paroistre necessaires au gouvernement, & pour avoir leur part, ou de l’authorité ou des Finances. Mais la force d’esprit dont nostre Princesse avoit esté favorisé du Ciel, la deffendoit de toutes ces surprises. [. . . ] Anne d’Austriche munit son esprit de cette force inflexible, qui luy fait resister genereusement aux vns & aux autres, choisir vn conseil propre à ses resolutions, renoncer à quel façon à soy-mesme, pour ne pas employer ceux de ses plus anciens serviteurs, pour qui elle avoit plus d’inclination & de bonté, ne les connoissants pas assez forts pour soustenir le poids des affaires, & en esloigner avec plus de soin les autres, qui s’intriguoient auprès d’elle«. Vgl. Jules M, Lettres du Cardinal Mazarin pendant son ministère, hg. v. Georges d’A, Adolphe C, 9 Bde., Paris 1872–1906, Bd. 4, S. 401f., Brief v. Mazarin an Colbert (28.08.1651). Sie hatte Michel Danse, einen der Apotheker der Königin, geheiratet. Später durfte sie

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3. Hofstaat und Hofhaltung

erwähnt, der Duc d’Elbeuf habe ihr gesagt, wenn Mazarin Frankreich verließe, würde das zu mehr Ruhe in Paris und zum Ende der Kämpfe führen. Die Königin war nicht nur über diese Äußerung sehr verärgert, sondern auch, dass ein Mitglied ihres Haushalts ganz offensichtlich Kontakte zu den »Feinden der Krone« unterhielt465 . In der Folge musste Marie Lambert ihre Charge aufgeben und den Hof verlassen466 . Sie hatte als Amtsträgerin und Klientin versagt, weil sie aus Sicht der Königin das in sie gesetzte Vertrauen nicht erfüllte467 . Nicht weniger problematisch konnte es sein, wenn sich ein Amtsträger vom Hofe entfernte468 , zumal ein solcher Rückzug immer die Gefahr in sich barg, dass sich das Verhältnis zur Königin bei längerer Abwesenheit abkühlte469 . Dies musste immer einkalkuliert werden. Eine regelmäßige, am besten aber ständige Präsenz half, die Erfolgsaussichten zu maximieren. Letztlich war es ein gewisser Balanceakt, wenn es darum ging, die Gunst der Königin zu bewahren. Unabhängig von ihrem Status als Regentin hat sie sich jedoch zeitlebens für die Belange treuer Amtsträger eingesetzt. In ihrem Testament hatte sie deshalb nicht nur einige der hohen Amtsträger mit Geld bedacht, sondern auch verfügt, 300 000 l.t. an die Inhaber der niederen Chargen verteilen zu lassen470 : On fit en ce fatal moment, Lecture de son Testament, Et l’on n’y trouva que des gages Et de célébres [sic] témoignages De son illustre Charité, Et reconnessence & bonté, Par des Legs beaux & magnifiques Aux Officiers & Domestiques, Des plus grands jusqu’aux plus petits, Qui sont auprés d’Elle vieillis471 .

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470 471

ihre Arbeit aber wieder aufnehmen. Siehe BNF, Mss., Clairambault 814, Estat general des officiers de la maison de la feue Reyne (20.06.1666), fol. 84r. C, La vie de St. Vincent de Paul, Bd. 1, S. 470. P, Lettres, Bd. 1, S. 405, Brief v. Patin an Charles Spon (27.01.1649). Siehe dazu K, Gift-Giving, S. 144: »Patrons refused protection and support when clients lacked the potential for useful service, or were no longer providing it. A lack of reciprocity destroyed the emotional bond in a patron-client relationship, and eventually the relationship itself«. Vgl. auch L, Les Domestiques commensaux, S. 397–399. M, Mémoires, Bd. 4, S. 303: »J’attendis paisiblement que la Paix fût faite, pour revenir à la Cour. [P]ar cette raison je me privai moi-même de la presence de la Reine, qui faisoit toûjours toute ma joye. J’ai lieu de croire qu’en la quittant, je perdis aussi ce favorable moment de la fortune, qui ne revient presque jamais, quand on est assez malheureux pour le laisser échapper«. BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament d’Anne d’Autriche, fol. 242r. R, Lettre en vers à Madame, 24. Januar 1666, Sp. 644, V. 103–112. Siehe auch J, Oraison, S. 15: »Tandis que l’excez de sa maladie fait fondre en larmes tous les assistan[t]s, les soins de son amour pour ses officiers qu’elle fait rembourser de leurs

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

273

Außerdem bat sie den König noch einmal ausdrücklich, weiterhin für alle Sorge zu tragen: »[L]adite Dame Royne supplie cher le Roy de vouloir se seruir de la recommandation qu’elle luy a faite en faueur des principaux officiers de sa maison et de vouloir honorer de sa protection tous ses autres domestiques«472 . Diese Fürsorge bezog sich jedoch primär auf eine materielle Unterstützung, da es sehr unwahrscheinlich war, dass die Amtsträger in einem anderen Haushalt Aufnahme finden würden, denn abgesehen davon, dass keine Neugründungen von Haushalten anstanden, hatten nur die Amtsträger des Königs einen rechtlichen Anspruch auf eine solche Übernahme473 . Überdies stellten der Leichenzug und die Aufbahrung des Sarges in SaintDenis am 28. Januar 1666, eine große Messe am 29. Januar sowie die Trauerfeier und die Beisetzung der Königin am 12. Februar und schließlich der ein Jahr später dort ebenfalls abgehaltene Gedenkgottesdienst die einzigen Anlässe dar, bei denen eine zeremonielle Einbindung sämtlicher Amtsträger stattfand, da der Haushalt als Ganzes betroffen war und hohe wie niedere Amtsträger ihrer Herrin ein letztes Mal ihren Respekt erwiesen und ihre Verbundenheit demonstrierten474 . Und zusätzlich zu diesen offiziellen Trauerfeierlichkeiten gab es in der Kirche Saint-Eustache in Paris noch eigens einen Gedenkgottesdienst, an dem ausschließlich die Mitglieder ihres Haushalts teilnahmen475 . Das Band zwischen der Königin und ihren Amtsträgern entsprach somit eindeutig einem Patron-Klient-Verhältnis. Die Amtsträger profitierten infolgedessen noch mehr und noch besser von der Nähe zu ihr (und mitunter sogar von ihrer persönlichen Zuneigung) als die Höflinge, was sich als besonders hilfreich beim Vorbringen eines Bittgesuches erweisen konnte. Ein Garant dafür, dass das Gesuch auch gewährt wurde, war das jedoch nicht. Andere Aspekte, wie die zur Verfügung stehenden Ressourcen an Geld und Ämtern oder Forderungen weiterer Personen, mussten ebenfalls berücksichtigt werden. Es gilt daher als Nächstes zu prüfen, inwieweit das Vorbringen eines Gesuchs einer taktischen Planung bedurfte.

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charges, remplissent mille familles de ioye«; O, Oraison, S. 113: »[L]a Maison de la Reine n’est plus qu’vne image de douleur«. BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament d’Anne d’Autriche, fol. 243r. L, Cinq livres dv droict des offices, S. 430. Siehe K, Hofdamen, S. 67. BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes fvnebres d’Anne d’Autriche, fol. 7v–30r; BNF, Mss., Fonds français 16633, Seruices du bout de l’an d’Anne d’Autriche, fol. 37v–40r, bes. fol. 39v; F, Histoire de l’abbaye royale de Saint-Denys, S. 505f. Siehe auch BNF, Mss., Fonds français 18536, La Pompe dv convoy d’Anne d’Avtriche, Mere du Roy, en l’Eglise de Saint Denys (05.02.1666), fol. 408v–412v; BNF, Mss., Fonds français 18536, La Pompe fvnebre faite en l’Eglise de Saint Denys, pour la Reyne Mere (26.02.1666), fol. 413r–418r. Vgl. dazu Kap. 2.2.4, S. 136, Anm. 504; D, Clientèles et fidélités, S. 6; K, Facing Cancer, S. 50f. S, Oraison. U. a. veröffentlichte auch einer ihrer Amtsträger, ein Mundschenk, eine kleine Gedenkschrift. Siehe M, Cy gist le racourcy. Vgl. G, État de la maison, S. 102, Nr. 3774.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

3.2.4 Der Weg zur Gunst Wenn es darum ging, mit einem Gesuch an die Königin heranzutreten, kam es darauf an, sich richtig zu verhalten476 . Es war folglich ratsam, sich nicht nur auf ihre Versprechen zu verlassen, sondern darüber hinaus Kontakte zu anderen Amtsträgern zu pflegen. Ein umsichtiges Agieren war deshalb so wichtig, weil der Hof zwar eine gute Informationsquelle darstellte, aber die Informationen verbreiteten sich naturgemäß sehr schnell und es musste damit gerechnet werden, dass andere Amtsträger ihrerseits – berechtigte(re) – Ansprüche stellen würden477 . Dann war es oft ausschlaggebend, die Königin auf seiner Seite zu haben, wie im Fall eines ihrer Boten, der Güter erhielt, für die ein Jahr später ein anderer ebenfalls eine Besitzurkunde ausgestellt bekam. Daraufhin wandte sich die Königin an den Kanzler und bat ihn, zugunsten ihres Boten zu intervenieren. Als Begründung verwies sie auf seine langen und treuen Dienste, aber auch darauf, dass sein Kontrahent weder für sie noch für den König jemals tätig gewesen sei478 . Als exemplarisch für das Vorgehen und Taktieren – vom Vorbringen bis hin zur Gewährung eines Gesuchs – mögen im Folgenden die Fälle von Louis de Pontis und Marie Du Bois dienen, weil sie sich dabei teilweise deutlich voneinander unterschieden haben. Zunächst zu Louis de Pontis. Er hatte viele Jahre als Offizier in der königlichen Armee gedient und war aufgrund seiner Erziehung und Ausbildung im 16. Jahrhundert noch ganz den ritterlich-individualistischen Idealen des Adels verpflichtet, was im 17. Jahrhundert der neuen Generation des gefügigen Höflings entgegenstand. Infolge seiner häufigen Beteiligungen an Feldzügen war er ohnehin nicht mit dem Wandel der höfischen Gepflogenheiten vertraut. Im Jahr 1645 machte er sich auf den Rückweg nach Frankreich, um sich seine Auslagen erstatten und eine angemessene Pension für seine langen und treuen Dienste auszahlen zu lassen. Er musste jedoch verärgert feststellen, dass eine vermeintliche Fürsprecherin ihrer Verpflichtung, seine Angelegenheit vorab bei der Königin vorzubringen, nicht nachgekommen war479 . Aus diesem Grund beabsichtigte er, persönlich bei Anna von Österreich vorzusprechen. Die Königin versicherte ihm, sich um sein Anliegen zu kümmern; nachdem Pontis aber zwei Monate am Hofe in Fontainebleau zugebracht und nach eigenem Bekunden unnötig viel Geld ausgegeben hatte, wurde er des Wartens überdrüssig und legte der Königin abermals sein Pensionsgesuch vor480 . Diese 476 477

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Vgl. C, Mémoires, S. 152f. D B, Mémoires, S. 65, Eintrag v. 21.02.1648: »[I]l ne fault jamais presser les grands, particulierement lorsque l’on sait bien n’avoir pas sy bon droit qu’un autre, veu qu’ils se piquent de jeustice«. Siehe auch ibid., S. 266f., Eintrag v. April–Juni 1655. BIF, Mss., Godefroy 274, Brief v. Anna von Österreich an Kanzler Pierre Séguier (31.10.1653), fol. 260r. P, Mémoires, S. 650f. Ibid., S. 651.

3.2 Vom Vorteil einer Charge: der Haushalt der Königin

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reagierte auf das erneute, drängende Vorbringen seiner Bitte mit Unmut, was ihn aber nicht davon abhielt, bald schon wieder bei ihr vorstellig zu werden, obwohl seine Freunde ihm davon abrieten. Die Königin war über seinen wiederholten Vorstoß sehr verärgert und wies ihn darauf hin, dass sie wisse, was ihm zustehe, aber kein Verständnis für sein ungebührliches Verhalten habe und er sich stattdessen in Geduld üben solle481 . Pontis blieb trotzdem am Hofe, und als er noch am gleichen Abend sah, wie eine Frau allein und nur mit einer Kerze in der Hand das Gemach der Königin verließ, ging er davon aus, es handele sich um Mme de Senecey, die Obersthofmeisterin der Monarchin, weshalb er sich ihr näherte, um sie zu bitten, bei der Königin ein gutes Wort für ihn einzulegen. Wie er dann aber erschrocken feststellen musste, handelte es sich um die Königin höchstselbst, die sich ob seines Verhaltens nun aber sehr nachsichtig zeigte482 : [M]ais elle acheva de me combler en ajoutant que je me trouvasse lorsqu’elle iroit à la comédie, et qu’elle parleroit pour moi à M. le cardinal. Je m’y rendis à l’heure précise; et Sa Majesté ayant en effet parlé à M. le cardinal en ma faveur, son Eminence m’appela ensuite, et me dit que la Reine s’étoit souvenue de moi, et lui en avoit parlé en bonne part: il ajouta que je le vinsse trouver le lendemain à son lever [. . . ]. Il est vrai que lorsque je vis ainsi les choses changées à mon avantage, je ne pus point m’empêcher de me railler un peu de mes amis, qui m’avoient déjà quitté la plupart, leur disant assez fièrement que leur service étoit apparemment plus utile aux autres qu’à moi, et que je m’étois toujours fort bien trouvé de solliciter mes affaires par moi-même, au lieu d’employer de mes amis comme eux. M’étant rendu le lendemain dès le matin chez M. le cardinal, son Eminence écrivit de sa propre main un billet par le moyen duquel je fus payé de ma pension483 .

Obwohl Pontis Genugtuung empfand, sein Ziel ohne Hilfe und entgegen den Rat seiner Freunde erreicht zu haben, hätte es angesichts der anfänglichen Reaktionen der Königin auch anders ausgehen können. Im Geiste seines adligen Individualismus setzte er auf Alleingänge und wandte sich direkt an die Königin, ohne zusätzlich die Mittlerdienste anderer in Anspruch zu nehmen. Er drängte auf eine schnelle Erfüllung seiner Bitte, anstatt sich zu gedulden. Ganz anders ging Marie Du Bois vor. Er war nacheinander Kammerdiener bei Ludwig XIII. und Ludwig XIV. und somit mit den höfischen Sitten bestens vertraut. In seinen Memoiren erklärt er, dass es darauf ankomme, einen günstigen Moment für das Vorbringen eines Gesuchs abzupassen und abzuwägen, inwieweit noch weitere Personen einzuspannen waren, um ans Ziel zu gelangen484 . Schon Vincent de Paul hatte die Rolle von Mittlern als entscheidend erachtet; gerade weil die Fürsten so viele Gesuche erhielten, sei es wichtig, sich

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Ibid., S. 651f. Ibid., S. 652. Ibid. Vgl. auch L, Les Domestiques commensaux, S. 368–371, 492f.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

und das eigene Anliegen über Kontaktpersonen aus ihrem Umfeld in Erinnerung zu rufen485 . Du Bois bat nun im Jahr 1647 um eine frei gewordene Leutnantstelle für einen seiner Söhne; als Amtsträger des Königs hatte er grundsätzlich auch Zugang zu den Gemächern der Königin, an die er, nachdem er sich zuvor schon mit den Ministern Mazarin und Le Tellier besprochen hatte, herantrat486 . Mazarin sprach sich für Du Bois aus, nicht zuletzt weil zwei Söhne Du Bois’ im Heer dienten und zwei seiner Brüder bereits im Kampf für die Krone gefallen waren. Le Tellier wies dennoch darauf hin, dass es noch einen anderen Aspiranten gebe, dem eigentlich der Vorrang gebühre. Da sein Dienstquartal bald endete, fürchtete Du Bois, seine Abwesenheit vom Hofe könnte sich negativ auf sein Anliegen auswirken. Mazarin beruhigte ihn und sagte, er solle sich bis zum Ende der anstehenden Ratssitzung gedulden, dann werde er die Entscheidung der Königin erfahren487 . Zwei Stunden später teilte Le Tellier ihm mit, dass seinem Gesuch entsprochen worden sei und er sich das Ernennungsschreiben abholen könne, woraufhin sich Du Bois unverzüglich bei allen Beteiligten bedankte488 . Kam es bei der Bitte um eine externe Charge, also bei einem geistlichen oder militärischen Posten wie in diesem Fall, darauf an, möglichst auch Minister auf seine Seite zu ziehen, so war es bei der Bitte um eine interne Charge, also eine Charge in den königlichen Haushalten, oft unerlässlich, sich mit anderen Amtsträgern auszutauschen und diese einzubeziehen. Auch für den letztgenannten Fall ist Du Bois ein gutes Beispiel. Nachdem ihm die besagte Leutnantstelle im Navarra-Regiment für seinen ältesten Sohn sowie eine weitere Stelle im Regiment der Champagne für seinen zweiten Sohn gewährt worden war, wollte er sich bei der Königin bedanken und die Gelegenheit sogleich nutzen, um nun noch seinem dritten Sohn die Nachfolge für seinen Posten als Kammerdiener zu sichern. Die survivance war tatsächlich vergleichsweise schneller und einfacher zu erreichen als externe Chargen wie die Leutnantstellen, bei denen politische Erwägungen mitunter eine bedeutendere Rolle spielten: [Monsieur] Le Conte489 , vallet de chambre de la Reine, mon voisin et mon amy, estoit là, je luy dis. Il me dit: »Vous l’avez beau, puisque personne n’entretient la Reine«. [J]e m’avance et fais une très grande révérance à la Reine et luy dit: »Madame, je remercie très humblement Votre Majesté de la grâce qu’elle m’a faicte de placer mon segond fils dans le régiment de Champagne«. [. . . ] Je repris la parole et luy dis: »Madame, j’ose encore dire à Vostre Majesté que j’ay acheté ma charge de vallet de chambre et que je vieillis dans le service de Vos

485 486 487 488 489

S V  P, Correspondance, Bd. 6, S. 597f., Brief v. Vincent de Paul an Guillaume Delville (10.11.1657). D B, Mémoires, S. 20, Eintrag v. 06.06.1647. Ibid., S. 20f., Eintrag v. 06.06.1647. Ibid., S. 21, Eintrag v. 06.06.1647; S. 24f., Eintrag v. 14.06.1647. Pierre Le Comte gehörte von 1638 bis 1664 ebenfalls zu den Kammerdienern der Königin. Siehe G, État de la maison, S. 126, Nr. 4684.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

277

Majestés, où j’espère mourir comme les miens: c’est pourquoy je supplie Vostre Majesté de m’accorder la survivance de ma charge pour mon troisième fils«. La Reine me dit: »Je le veux bien«. Je luy dis: »Madame, les parolles [sic] de Vostre Majesté sont semblables à celles de Dieu, tost ou tard l’on les tr[o]uve véritables. Le lendemain de la mort du dé[funt] Roy, le soir, Vostre Majesté [. . . ] me fit l’honneur de me dire qu’Elle auroit soing de ma fortune et qu’Elle me feroit du bien. En voilà des effets quy m’obligent plus particulièrement à prier Dieu qu’Il La comble de ses grâces et de ses bénédictions, Elle et sa royale Maison«. Achevant par ces paroles, je luy baise le bas de sa robe et la remercie avecque heumilité490 .

Letztlich war das Ersuchen um eine Gunst also von drei Etappen geprägt: Bitten, Warten, Danken. Vor allem die Anerkennung gegenüber all jenen, die zur Erfüllung des Gesuchs beigetragen haben, war von essentieller Bedeutung, wollte der Bittsteller nicht als undankbar erscheinen und sich damit möglicherweise die Gunst seiner Helfer bei künftigen Gesuchen verspielen491 . Wie die Beispiele von Pontis und Du Bois zeigen, zahlten sich ein kalkuliertes Vorgehen und die zusätzliche Einbeziehung von Kontaktpersonen eher aus als ungeduldiges, häufiges Nachfragen oder Alleingänge. Die Vorgehensweise von Du Bois ist deshalb durchaus als repräsentativ für das ›richtige‹ Vorbringen von Gesuchen im 17. Jahrhundert anzusehen. Zudem wird deutlich, worauf schon eingangs hingewiesen wurde, nämlich dass Hofchargen zu Recht begehrt waren, weil sie es den Inhabern ermöglichten, sich mit den Feinheiten des richtigen Auftretens und Agierens im höfischen Milieu vertraut zu machen. Außerdem boten sie mannigfaltige Möglichkeiten, von der Nähe zur Macht, den Kontakt- und Klientelstrukturen sowie von den am Hofe zusammenlaufenden Einfluss- und Informationskanälen zu profitieren.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger Le Soleil sans ombre L’Ombre jalouse en vain du grand jour qui me suit Ce triste Portrait de la nuit N’offusque point les corps que i’environne Tous mes Rayons sont droits, mes regar[d]s innocen[t]s Ie porte le bonheur par tout où ie descends Ie fais du bien à tous & ne nuis à personne492 .

In diesem Kapitel geht es ausführlicher um die hohen Chargen. Inwieweit haben die Inhaber von ihrer jeweiligen Stellung profitiert? In welchem Maße spielte die Förderung seitens der Königin eine Rolle? Und inwiefern 490 491 492

D B, Mémoires, S. 24f., Eintrag v. 14.06.1647. Ibid., S. 252, Eintrag v. April–Juni 1653: »Ce que [= sich bedanken] je fis avecque soing, ayant toujours eu grand peur de passer pour ung ingrat«. C, Devises, S. 70.

278

3. Hofstaat und Hofhaltung

waren weitere, unabhängigere Kontaktnetze für die Amtsträger von Bedeutung? Damit stellt sich zugleich die Frage nach dem Karriereaspekt. In ihrer Betrachtung zum Wiener Hofstaat plädiert Katrin Keller für eine geschlechtsspezifische Unterscheidung zwischen Karrieren männlicher und weiblicher Amtsträger und damit zwischen Männer- und Frauenhofstaaten; sie definiert die Karriere von Frauen dabei primär als Statusgewinn, das heißt, als Zuwachs an Sozialprestige493 . Allerdings ist fraglich, ob es wirklich sinnvoll erscheint, darin ein geschlechtsspezifisches Unterscheidungsmerkmal zu sehen. Natürlich weist Katrin Keller zu Recht darauf hin, dass Männer einen anders gestalteten cursus honorum durchliefen, weil sie die Möglichkeit hatten, umfassender am Hof, in Verwaltung, Armee oder Kirche aufzusteigen, während Frauen durch ihre Ämter zwar nicht von Ehre, Macht und Geld ausgeschlossen waren, aber der Zugang für sie doch begrenzter war494 . Aufgrund der herrschenden Geschlechterordnung waren die Aufstiegschancen der Männer also am Hofe für gewöhnlich weitaus größer und vielfältiger, während die Frauen im Gegensatz dazu nur einen überschaubaren Ämterweg beschreiten konnten, indem sie innerhalb eines Haushalts oder – was eher seltener vorkam – von einem in einen anderen Haushalt eines weiblichen Mitglieds der Fürstenfamilie wechselten bzw. aufstiegen495 . Aber selbst Männer konnten nicht einfach etwa vom Haushalt der Königin in den des Königs wechseln, vor allem wenn es sich um hohe Chargen handelte, da diese oft von einer Familie über Generationen ausgeübt wurden und jeder König beim Regierungsantritt (und im Gegensatz zu anderen Mitgliedern seiner Familie) den Haushalt seines Vorgängers und damit dessen Amtsträger übernahm, auch wenn er anschließend beliebige Änderungen vornehmen konnte496 . Das heißt, dass Art und Umfang hinsichtlich des Aufstiegs in der Ämterhierarchie den eigentlichen Unterschied zwischen den Karriereoptionen von Männern und Frauen darstellten. Die übrigen relevanten Faktoren waren hingegen weitaus geschlechtsunspezifischer: Bereits die Entscheidung über die Besetzung einer Charge hing davon ab, ob überhaupt freie Stellen zur Verfügung standen bzw. ob ein anderer Amtsträger bereit war (oder gezwungen werden konnte), sein Amt zur Verfügung zu stellen497 . War das der Fall, erfolgte die Berufung auf einen vakanten Posten, was aber nur den Ausgangspunkt der Karriere bildete. Was Katrin Keller dazu feststellt, dass die Aufnahme in den fürstlichen Haushalt für Frauen »noch nicht wirklich als eigenständige[r] Karriereschritt«498 be493 494 495 496 497 498

K, Hofdamen, S. 185. Ibid., S. 185, 197. Zu den Karrierechancen von Amtsträgerinnen am Wiener Hof siehe ibid., S. 185–198. Siehe Kap. 3.2.3, S. 267. Vgl. auch K, Hofdamen, S. 191, 193f. Ibid., S. 186.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

279

zeichnet werden kann, ist zutreffend, gilt aber ebenso für die Männer. Die Entscheidung, einem Mann oder einer Frau ein Hofamt zu geben, war meist ein Akt der Anerkennung für die geleisteten Dienste der jeweiligen Familie bzw. eines Angehörigen. Die Tatsache, ein Hofamt auszuüben, war zwar ein Prestigefaktor, aber zugleich mussten sich die Inhaber nun als würdig erweisen, denn die »Basis dieser Karrieren war für Frauen wie für Männer die erfolgreiche Erfüllung ihrer Pflichten«499 . Legten die Amtsträger und Amtsträgerinnen einen angemessenen Lebenswandel an den Tag und zeichneten sich durch Loyalität aus, dann konnten nicht nur ihr Prestige (und das ihrer Familie) und ihre Einflussmöglichkeiten weiter gesteigert werden, sondern sie sicherten sich auch durch ein geschicktes Ausspielen ihrer Fähigkeiten und das Nutzen von Chancen konkrete Vorteile wie Gratifikationen, Pensionen, den Aufstieg in und die Akkumulation von anderen bzw. höheren Ämtern, die Sicherung der survivance für einen Angehörigen oder den Erwerb von Ämtern außerhalb des Hofes. Infolgedessen erscheint das Sozialprestige als Unterscheidungskriterium zwischen männlicher und weiblicher Karriere bei Hofe eher ungeeignet, weil nämlich sowohl Männer als auch Frauen dieses Prestige in gleichem Maße durch die Ausübung eines Amtes gewinnen konnten. Dementsprechend geht der Karrierebegriff, der für die folgende Betrachtung zugrunde gelegt werden soll, davon aus, dass Karriere sowohl für männliche als auch weibliche Amtsträger gerade nicht nur darin bestand, von einem Amt in ein höheres zu wechseln. Sondern sie zeichnete sich zuerst durch ein hohes Sozialprestige aus und bot etliche Möglichkeiten, aus der Charge für sich und die eigenen Angehörigen Nutzen zu ziehen. 3.3.1 Standesbewusstsein und Amtsdünkel Jede Charge im Haushalt der Königin war mit der Erfüllung festgelegter Aufgaben, aber auch entsprechenden Vorrechten verbunden. Bei wichtigen Anlässen konnte es jedoch zu einer Verschiebung der Aufgabenverteilung kommen; das heißt, alltägliche Pflichten, die sonst von niederen Amtsträgern ausgeführt wurden, übernahmen jetzt die hohen Amtsträger. Bei einer Audienz brachte dann eben nicht ein Kammerdiener den Stuhl zur Königin, sondern die Obersthofmeisterin500 . Die seit dem 16. Jahrhundert gewachsene Bedeutung der Monarchie und damit die der königlichen Haushalte manifestierte sich in der zunehmenden Präsenz höfischer Amtsträger bei hochoffiziellen, ursprünglich jedoch rein juristisch begründeten Anlässen, 499 500

Ibid., S. 185. Siehe z. B. BIS, Mss., Fonds Victor Cousin 25, Brief v. Mme de Motteville an die Duchesse de Montausier (04.06.1660), fol. 50r–51v, hier fol. 50v. Vgl. L, Les Domestiques commensaux, S. 394.

280

3. Hofstaat und Hofhaltung

wie etwa einem lit de justice501 . Dieser Bedeutungszuwachs führte zu einer Steigerung des Einflusses der Inhaber hoher Chargen, denen mehr Möglichkeiten hinsichtlich der Besetzung der niederen Ämter bzw. des ihnen untergebenen Personals zugestanden wurden, auch wenn es dabei natürlich immer der Rücksprache mit dem König bzw. der Königin bedurfte502 . Wenn hier nun von den hohen Chargen die Rede ist, dann sind damit die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Ämter im Zeitraum von 1643 bis 1666 gemeint: Tabelle 2: Hohe Amtsträger des Haushalts von Anna von Österreich 1643–1666 Charge

Chef du conseil et surintendant

Gehalt pro Jahr (in l.t.) 6000– 8800

Inhaber Anzahl

Name

Dienstzeit

3

Jean Gallard de Béarn, Comte de Brancas Kardinal Jules Mazarin Anna Maria Martinozzi, Princesse de Conti

Nov. 1638– März 1645 März 1645– März 1661 März 1661– Jan. 1666

Chevalier d’honneur

1200

3

Emmanuel I. de Crussol, Duc d’Uzès François de Crussol, Duc d’Uzès Charles de Brancas, Comte de Villars

Herbst 1616– Juni 1656 Juni 1656– 1661 1661– Jan. 1666

Premier écuyer

800

1

François de Béthune, Comte d’Orval

Dez. 1627– Jan. 1666

Dame d’honneur

1200

3

Catherine de Saint-Maure de Montpensier, Comtesse de Brassac Marie-Catherine de La Rochefoucauld, Marquise de Senecey Marie-Claire de Bauffremont, Comtesse de Fleix (survivance)

Nov. 1638– Juni 1643

501 502

Juni 1643– Jan. 1666 Dez. 1655– Jan. 1666

F, Les cérémonies, S. 191. Siehe M, La vénalité des offices, S. 309–311. Vgl. auch K, Hofdamen, S. 203.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger Charge

Dame d’atour

Première femme de chambre

Grand aumônier

Premier aumônier

Confesseur

Gehalt pro Jahr (in l.t.) 600

300

300

200

180

281

Inhaber Anzahl

Name

Dienstzeit

3

Catherine Le Voyer de Lignerolles du Bellay, Baronne de La FlotteHauterive Marie de Hautefort, Duchesse de Schomberg Louise Boyer de SainteGenviève-des-Bois, Duchesse de Noailles Marie Chesneau, Dame de Filandre

Feb. 1631– Frühjahr 1657

Catherine-Henriette Bellier, Dame de Beauvais

Juli 1646– Jan. 1666

Augustin Potier de Blancmesnil, Bischof von Beauvais Kardinal Antonio Barberini, Herzog von Urbino Henri de La MotheHoudancourt, Bischof von Reims

1624– Juni 1650

Henri Cauchon de Maupas du Tour, Bischof von Évreux Hyacinthe Serroni, Erzbischof von Albi

1634–1661

Francisco Fernández Philippe Le Roy

1622–1653 1653– Frühjahr 1665 Frühjahr– Herbst 1665 Herbst 1665– Jan. 1666

2

3

2

4

Jean-Baptiste de Soria Nicolas Lozanne

März 1638– Mai 1657 Mai 1657– Jan. 1666 1636– Juli 1646

1651–1653

1653– Jan. 1666

1661– Jan. 1666

282

3. Hofstaat und Hofhaltung

Die jeweils geringe Anzahl der Inhaber weist darauf hin, dass es für den mehr als 20 Jahre umfassenden Untersuchungszeitraum keine relevanten Schwankungen gab503 . Vielmehr lässt sich konstatieren, dass die durchschnittliche Ausübung einer Charge von Dauer war. Das bot den Amtsträgern eine gute Ausgangsbasis, um die Gunst der Königin zu gewinnen, von ihren Verbindungen zu den führenden Familien des Landes und hohen staatlichen Würdenträgern zu profitieren und eigene Klientelnetze auf- und auszubauen504 . Die hohen Amtsträger der Königin rekrutierten sich vornehmlich aus dem alteingesessenen Schwertadel und den pairs de France, wohingegen die niederen Amtsträger naturgemäß dem niederen Adel, dem Amtsadel bzw. dem Bürgertum entstammten505 . Mittels der survivance war es oft möglich, und wie aus den erhaltenen Hofstaatslisten eindeutig hervorgeht, Chargen über zwei, drei oder mehr Generationen in einer Familie zu halten, was die Bindung zur Königin bzw. auf lange Sicht zur Dynastie insgesamt erheblich stärkte506 . Denn in einem Patron-Klient-Verhältnis bzw. zwischen Herrin und Amtsträgern bildete das soziale Kapital des Vertrauens einen elementaren Bestandteil, das sich in politisches oder ökonomisches Kapital konvertieren ließ – Treue wurde also belohnt507 . Bereits der bei Amtsantritt geleistete Eid legte den Grundstein für die enge Bindung an die Königin508 . Wie in der Gesellschaft definierten sich auch das Ansehen und die Privilegien eines jeden Chargeninhabers über seinen Rang in der Ämterhierarchie509 . Den Dreh- und Angelpunkt bildete für die hohen Amtsträger die Nähe zur Königin als Indikator ihres gesellschaftlichen Status510 . Einerseits betraf das die konkrete physische Nähe im Alltag, die sich durch die räumliche Zuteilung der Gemächer ergab511 . Andererseits betraf es die zeremonielle 503 504 505 506 507

508

509 510 511

Siehe L, (Art.) »Maison du roi«, S. 778. Siehe K, Friendship and Clientage, S. 140f.; D., Patrons, Brokers, and Clients, S. 16. Siehe auch K, Hofdamen, S. 60–62. M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 696–698; L, (Art.) »Maison du roi«, S. 777. Ute F, Vertrauen – eine historische Spurensuche, in: D. (Hg.), Vertrauen. Historische Annäherungen, Göttingen 2003, S. 7–66, hier S. 9. Siehe auch D, Clientèles et fidélités, S. 3, 22; J, Le devoir de révolte, S. 77f.; ML, The Art of the Network, S. 8. Die hohen Amtsträger leisteten den Eid direkt bei der Königin und nahmen ihn selbst von dem ihnen untergebenen Personal entgegen. Vgl. M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 698. Vgl. F, Les cérémonies, S. 93; K, Hofdamen, S. 135. Siehe auch E, Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft, S. 118–120. C, Lettres, Bd. 5, S. 255, »Mémoire au cavalier Bernin. Observations à faire sur les appartements nécessaires dans le nouveau bastiment du Louvre« (1664): »À costé et proche de l’appartement de la Reyne mère, il est nécessaire de loger: Le capitaine de ses gardes, quatre pièces comme au capitaine de la porte; la surintendante, cinq pièces; sa dame d’honneur, cinq pièces; son chevalier d’honneur, trois pièces; sa dame d’atours, quatre pièces; sa première femme de chambre avec sa garde-robe, cinq ou six pièces;

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

283

Nähe, die wie die Zuteilung der Räume zwar festgelegt war, aber dennoch immer wieder Anlass zu Reibereien gab, und das meist unabhängig davon, ob Präzedenzfälle vorlagen oder nicht512 . Als Beispiel bietet sich die Schilderung anlässlich der Beisetzung der Königin an513 . Bereits hier wird ersichtlich, dass Obersthofmeisterin, Kammerdame, chevalier d’honneur, Oberstallmeister und Großalmosenier besonders bedeutsam waren. Die übrigen Chargen spielten bei solchen offiziellen Anlässen keine oder nur eine untergeordnete Rolle, die sich wie in diesem Fall in der repräsentativen Aufgabe erschöpfte, am Gedenkgottesdienst teilzunehmen514 . Zwischen den hohen Amtsträgern gab es hingegen Spannungen, was Platz und Vorrang im Zeremoniell betraf, etwa bei der Aufbahrung der Königin im Louvre: Der Großalmosenier der Königin beanspruchte für die Leichenwache einen Lehnstuhl, was eine Gleichsetzung gegenüber den Geistlichen des Haushalts des Königs darstellte515 . Die Obersthofmeisterin und die Kammerdame befanden sich wiederum auf der anderen Seite des Podests, auf dem der Leichnam der Königin aufgebahrt war, ebenfalls in der ersten Reihe und damit in der zeremoniellen Hierarchie auf Augenhöhe mit dem Großalmosenier516 . Der Oberstallmeister und der chevalier d’honneur saßen hingegen hinter ihnen517 . Letzterer geriet jedoch mit der Kammerdame hinsichtlich dieser Platzierung bei der Totenwache in Streit, den am Ende der König schlichten musste518 . Ludwig XIV. entschied nun, dass sich Kammerdame und chevalier d’honneur auf dem Platz neben der Obersthofmeisterin abwechselten. Auf diese Weise konnte die Situation entschärft werden – zumal Präzedenzfälle für beide Chargen

512 513 514

515 516 517 518

son apothicaire, trois pièces. Tous ces logemen[t]s doivent estre mis au plan terrain. On peut loger au troisième étage: son premier médecin; son premier chirurgien; la femme de chambre qui a soin de Mesdemoiselles; trois ou quatre autres chambres, pour des femmes de chambre; les filles damoiselles, leur gouvernante et sous-gouvernante, quatre ou cinq pièces, un peu grandes«. Vgl. auch Monique C, Les logis des femmes à la cour des derniers Valois, in: H, P (Hg.), Das Frauenzimmer, S. 175–192, hier S. 180–182; K, Hofdamen, S. 117, Anm. 106. Vgl. auch K, Hofdamen, S. 99f. BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes fvnebres d’Anne d’Autriche, fol. 1r–35v. Während die damalige Oberintendantin des Haushalts in der besagten Beschreibung der Beisetzung ebenso wenig erwähnt wurde wie der Beichtvater, so beschränkte sich die Funktion der Ersten Kammerfrau und der übrigen Kammerfrauen auf die Vorbereitung des Leichnams für die öffentliche Aufbahrung. BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes fvnebres d’Anne d’Autriche, fol. 3r–3v. Ihre Plätze in der ersten Reihe mussten sie nur räumen, wenn Prinzessinnen von Geblüt die Totenwache vornahmen. Siehe ibid., fol. 3v–4r. Ibid., fol. 3v. Ibid., fol. 4r–4v: »[Le chevalier d’honneur] disoit que c’estoit a [sic] Luy a faire les honneurs du conuoy qu[’]il en estoit le chef et que dans la maison de la Reine il n’y auoit que deux charges celle de la dame d’honneur et la sienne dont toutes les autres dependoient[.] La dame d’atour disoit de son costé qu’elle n’estoit Iamais separée de la dame d’honneur qu’elle auoit toujours aux audiances sa place proche d’elle«.

284

3. Hofstaat und Hofhaltung

vorlagen –, zugleich wurde eine öffentliche Zurücksetzung einer der beiden Kontrahenten vermieden. Ein anderer Konflikt entzündete sich bei der Gedenkmesse in Saint-Denis, als die Ehefrauen von Anna von Österreichs Hauptmann der Leibgarde und ihres chevalier d’honneur bei den Hochstühlen Platz nehmen wollten, was aber nur Amtsträgerinnen aus dem Haushalt der Königin gestattet war519 . Das Ansinnen der Ehefrauen belegt jedoch noch einmal sehr gut, wie sehr die Aura der Chargen selbst auf die Angehörigen der Inhaber zurückzustrahlen schien520 . Hieran offenbart sich einmal mehr die große Bedeutung der »Sichtbarkeit« (visibilité), also der Gesten und des einem jeden zugewiesenen Platzes521 . Nach diesen Vorüberlegungen werden in den nun folgenden Kapiteln drei der wichtigsten Ämter aus den Bereichen der hohen männlichen, weiblichen und geistlichen Chargen mit den dazugehörigen Aufgaben und Privilegien sowie jeweils exemplarisch ein Amtsträger, dessen Werdegang und Vernetzung am Hofe (und darüber hinaus) vorgestellt522 . 3.3.2 »Chef du conseil et surintendant« Das Amt des Oberintendanten war die einzige Charge im Haushalt der Königin, die sowohl von einem Mann als auch von einer Frau ausgeübt werden konnte. Als Vorläufer ist das Amt der superintendante anzusehen, das bereits im 16. Jahrhundert existierte523 . Auch im Haushalt von Maria von Medici gab es zunächst die Charge einer Superintendantin, die aber nach dem Tod der Inhaberin 1607 nicht mehr neu besetzt wurde524 . Bei Anna von Österreich gab es keine »Superintendantin«. Stattdessen wurde 1619, also erst vier Jahre nach ihrer Ankunft in Frankreich, für die Frau 519 520 521

522

523 524

Ibid., fol. 14r, 20r, 23r. Vgl. auch C, Les préséances, S. 270, 272. M, Les précieuses, S. 440: »Dans une société de cour, la posture et le geste de chacun prennent une signification [. . . ]. Le rang a une signification politique et sociale, qui passe d’abord par sa visibilité spatiale. Hauteur, antériorité, proximité (par rapport au roi ou à la personne dont le rang est le plus élevé dans le cercle) sont ainsi les principaux registres sémantiques de la syntaxe des corps. Rester debout, s’asseoir sur un fauteuil, une chaise, un tabouret, un ›carreau‹ ou son manteau, se mettre à genoux, ôter ou garder son chapeau, précéder, marcher du même pas ou suivre son interlocuteur sont des gestes qui ne sont jamais laissés au hasard«. Vgl. dazu S-R, Zeremoniell, S. 389– 405. Eine vollständige biographische Erschließung und Darstellung des Werdegangs aller in Tabelle B aufgeführten Amtsträger findet sich in der unveröffentlichen Fassung meiner Dissertation. Siehe M, »Spiritus intus agit«, Bd. 1, S. 442–599.  K, Catherine de Médicis, S. 195, Brief v. G. Dolphin an Pasquale Cicogna, Doge von Venedig (08.05.1586). Siehe ibid., S. 196, Anm. 898. G, État de la maison, S. 57, Nr. 2323. Die Inhaberin war die aus Italien stammende Anna d’Este, Duchesse de Nemours.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

285

des damaligen Günstlings des Königs, des Duc de Luynes, der Posten einer Oberintendantin geschaffen525 . Dass Saint-Simon schreibt, erst Mazarin habe dieses Amt eingeführt, um seine Nichten am Hofe unterzubringen, ist als falsch zurückzuweisen526 . Grundsätzlich hatte der jeweilige Inhaber der Charge des Oberintendanten, der seinen Eid direkt bei der Königin leistete, die Gesamtaufsicht über das Personal und übte die Leitung der Verwaltung des Haushalts der Königin aus, womit er einige Aufgaben übernahm, die sich bis dahin vornehmlich die Obersthofmeisterin und der chevalier d’honneur geteilt hatten527 . So stand der Oberintendant einem Rat vor, in dem die Belange des Haushalts erörtert wurden. Dabei ging es primär um die Ausgaben, die Einhaltung des Budgets, Einsparungen, die Verhinderung von Missbrauch der Gelder sowie die Ausfertigung und Überprüfung der Hofstaatslisten. Der Ratsvorsitz war allerdings nur ein Ehrentitel, der den Oberintendanten zur Teilnahme am Rat berechtigte, wenn ihn die Königin einberief528 . Mehr als nur nominell waren hingegen die anderen Aufgaben. Der Oberintendant hatte neben einem Mitspracherecht bei den Ausgaben die Oberaufsicht über die Gemächer und das gesamte Kammerpersonal529 . Ferner nahm er vom Personal beim Amtsantritt den Eid entgegen530 . Und er konnte, wie die Obersthofmeisterin, Amtsträgern bei Dienstverletzung Verweise erteilen oder sie suspendieren – lediglich die Königin war berechtigt, dies dann wieder rückgängig zu machen531 . Auf diesen Befugnissen beruhte die vollständige Amtsbezeichnung: chef du conseil et surintendant de la maison et des finances. Wurde die Charge von einer Frau ausgeübt, hatte diese weitere Vorrechte: Beim Ankleiden reichte sie der Königin, sofern keine Prinzessin von Geblüt anwesend war, das Hemd und teilte sich folglich dieses Vorrecht mit der Obersthofmeisterin; bei Tisch gab sie ihr die Serviette; bei Näharbeiten hielt sie das Nadelkissen532 . War ausreichend Platz in der Kutsche der Königin, durfte sie dort Platz nehmen; bei Reisen des Hofes oder Residenzwechseln 525

526 527 528 529

530 531

532

Siehe BSG, Mss., Ms. 848, Estat (1619), fol. 275v. Zeitgleich wurde der Posten auch im Haushalt von Maria von Medici etabliert und von Richelieu ausgeübt. Siehe G, État de la maison, S. 67, Nr. 2646. S-S, Mémoires, Bd. 4, S. 7. Siehe auch ibid., S. 197. B, La reine de France, S. 233; F, Dictionnaire, Bd. 2, S. 918, (Art.) »Surintendance«. B, La reine de France, S. 233. Ibid. Barry unterschlägt aber, dass der Posten bereits unter Anna von Österreich existierte und nicht erst später geschaffen wurde. Siehe auch B, La duchesse de Chevreuse, S. 23f. B, La reine de France, S. 234f. Ibid., S. 224. Dieses Prinzip galt auch beim König und belegt erneut die relative Unabhängigkeit des Haushalts der Königin bzw. eine gewisse Gleichrangigkeit zwischen ihrem Haushalt und dem des Monarchen. Siehe dazu L, Cinq livres dv droict des offices, S. 429. B, La duchesse de Chevreuse, S. 24.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

bezog sie Räume in der Nähe der Königin bzw. durfte sich eines aussuchen, wenn mehr als ein Gemach zur Verfügung stand (stand jedoch nur eines zur Verfügung, gebührte der Obersthofmeisterin der Vorrang)533 . Die Oberintendantin begleitete die Monarchin ebenfalls bei offiziellen Anlässen, etwa einem lit de justice534 . Dadurch ergaben sich aber Überschneidungen mit den Aufgaben der Obersthofmeisterin. Darum wurde nach einem Ausgleich gesucht. Als repräsentativ mag eine Anordnung Ludwigs XIV. angesehen werden, die er 1661 erlassen hat, nachdem es zwischen der Oberintendantin und der Obersthofmeisterin von Maria Theresia zu Rangstreitigkeiten gekommen war; sein Erlass bezog sich nämlich im Kern auf die Aufgabenverteilung und Vorrechte zwischen beiden Amtsträgerinnen, wie sie nach der Schaffung der Charge im Haushalt von Anna von Österreich geregelt waren535 . Die der Oberintendantin zugewiesenen Aufgaben übernahm die Obersthofmeisterin somit nur dann, wenn die Oberintendantin nicht am Hofe weilte536 . Außerdem muss noch ein weiterer Aspekt berücksichtigt werden: Im Jahr 1647 war Mazarin durch seine Funktion als Erster Minister und die Regierungsgeschäfte so sehr in Anspruch genommen, dass er einige der mit dem Amt des Oberintendanten verbundenen Befugnisse abtrat, womit eine neue Charge geschaffen wurde, das Amt des surintendant des finances, domaines et affaires537 . Den Posten übernahm Jacques Tubeuf, der bereits seit 1645 als Intendant der Gebäude und Gärten der Königin in ihrem Haushalt tätig war538 . Tubeuf übte beide Chargen bis zum Tod der Königin aus539 . Und als Verwalter ihrer Finanzen war er nur ihr Rechenschaft schuldig und gab auch die Aufstellungen der Einnahmen und Ausgaben in Auftrag, weshalb er seinen Eid nicht beim Oberintendanten ablegte, sondern wie dieser direkt bei der Königin540 . Diese war offensichtlich sehr zufrieden mit Tubeuf, denn er erhielt

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B, La reine de France, S. 224; M, Mémoires, Bd. 5, S. 194. M, Mémoires, Bd. 2, S. 152. Beim lit de justice am 12. August 1632 erschien Anna von Österreich beispielsweise in Begleitung ihrer Oberintendantin und ihrer Kammerdame. AN, Mss., K 1712, Nr. 9, Reglement entre la Dame d’honneur Et surIntendante de la maison de la Reine (05.05.1661), s.p. Zu den einzelnen Aufgaben der Obersthofmeisterin siehe auch unten S. 299–301. AN, Mss., K 1712, Nr. 9, Reglement entre la Dame d’honneur Et surIntendante de la maison de la Reine, s.p.; M, Mémoires, Bd. 5, S. 189–195, bes. S. 194. Siehe auch C, Marie-Thérèse, S. 217. AN, Mss., O1 273, Lettres patentes pour M. Tubeuf (08.05.1647), fol. 16r–17v, hier fol. 16r. M, Mémoires, Bd. 1, S. 226. Folglich war er v.a. mit dem Bau von Val-deGrâce befasst. Siehe Kap. 3.2.3, S. 266f. Allein mit diesen beiden Chargen nahm Tubeuf 12 000 l.t. pro Jahr ein. Siehe AN, Mss., O1 273, Lettres patentes pour M. Tubeuf, fol. 16v. B, La reine de France, S. 233.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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regelmäßige Pensionszahlungen541 . Die Charge des surintendant des finances, domaines et affaires bestand nach Mazarins Tod unabhängig weiter, die damit einhergehenden Befugnisse wurden folglich nicht wieder mit denen des Oberintendanten vereint. Kardinal Jules Mazarin, Duc de Mayenne, de Nivernais, de Donziois, de Rethélois, pair de France (1602–1661)

Als Klient der italienischen Familie Barberini, der Papst Urban VIII. angehörte und die sehr gute Beziehungen nach Frankreich unterhielt, führte der Weg Mazarin542 bis an den französischen Hof543 . Dort fiel er durch seine Intelligenz und sein diplomatisches Geschick bald Richelieu auf, dessen »Kreatur«544 er wurde und der ihn später Ludwig XIII. empfahl545 . Nach Richelieus Tod ernannte dieser Mazarin zum Minister und Vorsitzenden seines Rates (Dezember 1642)546 . Der König schien sehr zufrieden mit Mazarin gewesen zu sein, denn er wählte ihn nicht nur stellvertretend für den Papst zum Taufpaten seines Sohnes, sondern wollte ihm auch eine wichtige Rolle bei der künftigen Regentschaft seiner Frau zugestanden wissen547 . Als die Königin Mazarin noch am Abend des 18. Mai 1643, im Anschluss an den lit de justice zur Regentschaftserklärung, zum Ersten Minister ernannte, geschah das jedoch zur allgemeinen Überraschung548 . Aber entgegen der Behauptung Mme de La Fayettes hatte das nichts mit dem Unwillen Annas von Österreich zu tun, die Bürde der Staatsgeschäfte auf sich zu nehmen und stattdessen ihre ganze Autorität einfach auf Mazarin zu übertragen549 . Es war vielmehr ein Zugeständnis der Königin an die Komplexität der Staatspolitik, die mehr qualifiziertes Personal erforderte, sowie ein Eingeständnis ihrer eigenen noch zu

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So bekam er z. B. 1647 3000 l.t. und 1653 weitere 6000 l.t. Außerdem vermachte sie ihm später noch einmal 100 000 l.t. Siehe AN, Mss., O1 273, Pension pour Tubeuf (30.04.1647), fol. 15r–16r; BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 37r; BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament d’Anne d’Autriche, fol. 242r. Eine vergleichsweise objektive Biographie bietet Simone B, Mazarin. Le maître du jeu, Paris 2007. R, Freunde und Kreaturen. »Verflechtung«, S. 70. Siehe auch Christophe L, Ducs et pairs et duchés-pairies laïques à l’époque moderne, Paris 1996, S. 750. C, Mémoires, S. 149. HHStA, Mss., Staatenabteilung (Frankreich), Varia, Karton 5, Konvolut »Frankreich Varia 1642–1645«, Relation des particularités de la mort du Cardinal de Richelieu (1642), fol. 32r–33v, hier fol. 33r. Siehe auch H, Richelieu, S. 485. L, Ducs et pairs, S. 750. M, Mémoires, Bd. 2, S. 207f.; T  R, Les historiettes, Bd. 2, S. 86. Siehe auch J-F, Herrinnen des Louvre, S. 255. G, Mémoires, S. 58; L P, Mémoires, S. 220. Siehe B, La France au XVIIe siècle, S. 267; C, Histoire de France, Bd. 1, S. 68. L F, Histoire d’Henriette d’Angleterre, S. 9f.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

großen politischen Unerfahrenheit550 . Ihre Entscheidung beruhte somit vorrangig auf Mazarins Fähigkeiten551 . Es gab aber noch zwei andere Gründe, ihn zu wählen: Als Ausländer hatte er weder familiäre Anbindungen552 an Frankreich noch verfügte er bisher über relevante Kontaktnetze, sodass er gänzlich von der Königin abhängig war553 . Und als ehemaliger Parteigänger Richelieus war er mit dessen politischen Leitlinien, die die Königin fortzusetzen gedachte, bestens vertraut554 . Daraus ergab sich der vorteilhafte Nebeneffekt, dass die Getreuen Richelieus, indem sie zum Teil in Amt und Würden blieben, als umso loyalere Klientel gewonnen werden konnten555 . So schrieb Richelieus Nichte, die Duchesse d’Aiguillon, dass nichts für Richelieus Familie besser sei als die Zuneigung, die Mazarin ihr entgegenbringe556 . Allerdings war Mazarin zu Beginn der Regentschaft in seiner Stellung noch keineswegs gefestigt, wie er selbst eingestand, denn die Königin hörte alle Parteien an, um dann ihre endgültigen Entscheidungen zu treffen557 . So gelang es ihm nicht, seinen Vertrauten, den Comte de Chavigny, im Amt des Außenministers zu belassen558 . Gleichwohl schaffte es Mazarin in den nächsten Wochen und Monaten, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und sich 550

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M, Relazione di Francia, S. 484f.; N, Relazione di Francia, S. 440f.; R, Mémoires, Bd. 1, S. 6f. Siehe C, Histoire de France, Bd. 1, S. 36; L, (Art.) »5. Anne d’Autriche«, Sp. 1318; R B, Enfance et éducation, S. 24. Claude D, Sans Anne d’Autriche, Mazarin n’aurait rien pu, in: Historama 23 (1986), S. 65–67; M, Mémoires, Bd. 1, S. 142f.; R, Mémoires, S. 84. Vgl. C, Mazarin et Colbert, Bd. 1, S. 478: »[Louis XIV] savait que c’était par la volonté de sa mère que le cardinal exerçait le pouvoir«. Laut Cosnac war das ein Grund dafür, dass Ludwig XIV. diese ›Vormundschaft‹ akzeptierte. Im Herbst 1643 wurde ihm das französische Bürgerrecht verliehen. Siehe BIF, Mss., Godefroy 310, Lettres de naturalité (Oktober 1643), fol. 356r. Philippe E, Ludwig XIV. Das Leben des Sonnenkönigs, Augsburg 1996 [EA 1976], S. 38; J-F, Herrinnen des Louvre, S. 272; M, Die Bourbonen, S. 133; T, Die französischen Königinnen, S. 284. François de L R, Mémoires de la minorité de Louis XIV, 2 Bde., Trévoux 1754 [EA 1662], Bd. 1, S. 240. Siehe B, Les reines de France, S. 377– 379; R, Französische Geschichte, Bd. 2, S. 112. Siehe B-A, La duchesse d’Aiguillon, S. 331. Vgl. C, Des carnets, Oktober 1854, S. 604–614. BIS, Mss., Fonds Victor Cousin 2, Brief v. der Duchesse d’Aiguillon an Mazarin (12.01.1652), fol. 59r–59v, hier fol. 59v. Zit. n. C, Des carnets, Januar 1855, S. 41: »Cependant la reine chancelle, elle hésite entre tous les partis, elle écoute tout le monde, et, tandis qu’elle communique à ses confidents les conseils que je lui donne, elle ne me dit rien de ceux que lui donnent mes ennemis«. Siehe D., Des carnets, September 1855, S. 526–530; G, Mémoires, S. 62. J-F, Herrinnen des Louvre, S. 273. Als früherer Klient Richelieus und Sekretär Gastons d’Orléans’, zu dem er noch Kontakt hatte, misstraute ihm die Königin. Chavigny wurde fortan v.a. mit Gesandtschaften betraut; während der Fronde opponierte er aber gegen die Krone und fiel endgültig in Ungnade.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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das Vertrauen und die Zuneigung der Königin zu sichern559 . Die Duchesse d’Aiguillon sprach von seiner »autorité«560 , die er bei der Königin genoss, und der Marquis de La Meilleraye, seinerseits ein Angehöriger Richelieus, hob seinen »crédit«561 hervor562 . Mazarin vereinte gleich mehrere wichtige Positionen und Funktionen563 : Er war Minister, Ratgeber, Freund und Vertrauter – wenn also ein Klient und Amtsträger der Königin als Favorit564 bezeichnet werden konnte, dann war er es565 . Für die Königin barg das den Vorteil in sich, dass »das monarchische Selbstbild der Unparteilichkeit, eben des desinteresse, gewahrt« blieb, »zugleich fungierte der Günstling als (indirekter) Adressat jeder Kritik am Monarchen«566 . Im Jahr 1645 übernahm Mazarin schließlich noch das Amt des Oberintendanten im Haushalt der Königin, nachdem der bisherige Inhaber, der Comte de Brassac, gestorben war567 . Obwohl dieser ein Parteigänger Richelieus gewesen war, hatte die Königin ihn auch nach der Regentschaftsübernahme auf dem Posten belassen, weil sie mit ihm und

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In seinen »Carnets« bemerkte er dazu: »Je ne devrais plus avoir aucun doute depuis que la reine, dans un excès de bonté, m’a dit que rien ne pourrait m’ôter le poste qu’elle m’a fait la grâce de me donner auprès d’elle«, zit. n. C, Des carnets, November 1855, S. 706. Siehe auch M, Portrait de la reine, S. 326: »La mort du Roi son mari lui ayant donné, par sa régence, un sceptre à soutenir, elle a été obligée de donner son amitié à une personne dont la capacité la pût soutenir, et dans laquelle elle pût rencontrer le conseil avec la fidélité, et les services avec la douceur de la confiance«. Zit. n. C, Mazarin et Colbert, Bd. 1, S. 326f., Brief v. der Duchesse d’Aiguillon an Mazarin (13.11.1652). Zit. n. ibid., Bd. 2, S. 184, Brief v. Marquis de La Meilleraye an Mazarin (09.05.1658). Vgl. P, Lettres, Bd. 1, S. 106, Brief v. Patin an Belin (12.08.1643). Siehe auch B-R, Mémoires, Bd. 2, S. 151; C, Des carnets, Oktober 1854, S. 601; A. Lloyd M, Richelieu as Chief Minister. A Comparative Study of the Favourite in Early Seventeenth-Century Politics, in: Joseph B, Laurence W. B. B (Hg.), Richelieu and his Age, Oxford 1992, S. 13–43, hier S. 19. Dieser »crédit« ermöglichte den Zugriff auf Ressourcen (Ämter, Titel, Pfründe). Siehe S, No More Language Games, S. 1429–1432. J, Mémoires, S. 8; M, Relazione di Francia, S. 514. Zum zeitgenössischen Verständnis des Favoriten-Begriffs siehe L M, De l’art de régner, Teil 2, S. 176–179, der neben Tugend, einer edlen Herkunft, einem wohlgefälligen Auftreten und Esprit primär die Fähigkeit des Favoriten anführt, seinem Herrn zu gefallen. Siehe auch K, Strategies of Power, S. 178f. Vgl. Ronald G. A, »Lumine solis«. Der Favorit und die politische Kultur des Hofes in Westeuropa, in: Michael K, Andreas P (Hg.), Der zweite Mann im Staat. Oberste Amtsträger und Favoriten im Umkreis der Reichsfürsten in der Frühen Neuzeit, Berlin 2003, S. 21–38, hier S. 24f., 29f.; Leonhard H, Das Erbe des Favoriten. Minister, Mätressen und Günstlinge am Hof Ludwigs XIV., in: H, P (Hg.), Der Fall des Günstlings, S. 77–125, hier S. 83, 87. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 256 [Hervorh. im Orig.]. Gazette de France, 18. März 1645, S. 213. Siehe T  R, Les historiettes, Bd. 3, S. 363; T, Die französischen Königinnen, S. 284.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

seinen Diensten zufrieden war568 . Mazarin profitierte von einem praktisch unbegrenzten Zugang zur Königin, der allein wegen der politischen Notwendigkeit, jederzeit über Staatsgeschäfte zu sprechen, eine Rechtfertigung bot569 . Er nutzte jede Gelegenheit, ihr seine Dankbarkeit zu bekunden. So bemühte er sich, sie mit Festlichkeiten oder Theaterstücken zu zerstreuen570 . Für den Geburtstag des Königs ließ er beim Palais-Royal ein aufwendiges Feuerwerk veranstalten, das zugleich eine Huldigung an seine Gönnerin war, indem er die Worte »Regente Minerva« illuminieren ließ571 . Und da er auch Zeitungen wie die »Muze historique« unterstützte, konnte er sicher sein, dass eine breitere Öffentlichkeit von seinen Ehrbezeugungen gegenüber der Monarchin erfuhr572 . Die Königin versäumte es ihrerseits nicht, Mazarins Fähigkeiten und Ergebenheit zu belohnen und seine privilegierte Stellung für alle sichtbar zum Ausdruck zu bringen573 : Er durfte in Gegenwart der Königin auf einem tabouret Platz nehmen, was Kardinälen bis dahin nicht erlaubt war574 ; er erhielt das Recht, eine Leibgarde aufzubauen, der es auch in den königlichen Schlössern gestattet war, Feuerwaffen zu tragen575 ; als Minister und Repräsentant der Krone empfing er auch Botschafter, weshalb er in seinem Paradeschlafzimmer im Louvre eine Balustrade vor dem Bett errichten lassen durfte576 . Zudem unterstützte die Königin seine Ambitionen, seine Nichten in die großen Adelsfamilien einheiraten zu lassen, weil das eine engere Bindung dieser Familien an die Krone zur Folge hatte – gerade nach der Fronde577 .

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K, Strategies of Power, S. 199; C, Des carnets, Februar 1855, S. 97; D V, La maison d’Anne d’Autriche, S. 171. Siehe auch Girolamo G, Compendio dei dispacci di Francia di Girolamo Giustinian ambasciatore ordinario a Luigi XIV dall’anno 1641 all’anno 1644, in: B, B (Hg.), Relazioni degli Stati Europei, Bd. 2, S. 363–388, hier S. 388; M, Mémoires, Bd. 1, S. 143, 150. Vgl. auch Kap. 3.1.2, S. 221f. Gazette de France, 17. September 1644, S. 788. Muze historique, 23. August 1653, Livre IV, Lettre XXXI, V. 57–98. Siehe auch ibid., 3. Januar 1660, Livre XI, Lettre I, V. 229, wo Loret Mazarin als seinen »bienfaiteur« preist. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 187f. H, Zur theoretischen Konstruktion der Figur des Günstlings, S. 23–39. Henri B, À la cour de Louis XIV. Le rang et l’étiquette sous l’Ancien Régime, Paris 1934, S. 27, 29. Vgl. BNF, Mss., Clairambault 718, Élégie sur la jalousie des culs de la cour (1649), S. 159. BNF, Mss., Fonds français 4222, Breuet portant permission a M. le Card.[in]al Mazarinj de leuer vne comp.[agni]e de Gardes pour la Seureté de sa personne, lesquels porteront des armes a feu dans les maisons royales et en presence de sa Ma.[jest]e (15.02.1648), fol. 57v–59r. Zit. n. C, Mazarin et Colbert, Bd. 1, S. 449, »Brevet pour permettre qu’il y ait une balustrade autour du lit de M. le cardinal Mazarin dans sa chambre au Louvre« (04.02.1654). C, Histoire de l’Église, Bd. 10, S. 465; M, Mémoires, Bd. 1, S. 502–505; Bd. 4, S. 401, 407. Siehe Amédée R, Les Nièces de Mazarin, Paris 2 1856, S. 107, 109f.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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Darüber hinaus manifestierte sich sein Aufstieg in einer gewissen Prachtentfaltung, die er in seinen Gemächern zur Schau stellte. Und er demonstrierte ständig seine Ergebenheit gegenüber der königlichen Familie, allen voran Anna von Österreich578 . In Vincennes waren etwa die vier Türpfeiler seines Gemachs mit den Porträts des Königs, dessen Bruder, der Königinmutter und Gaston d’Orléans geschmückt579 . Zudem fand sich im Vorzimmer noch ein großer Gobelin, den die Initialen von Anna von Österreich zierten580 . Aber so herausragend Mazarins Stellung auch war, musste er doch immer gewahr sein, diese Gunst unter Umständen wieder zu verlieren. Der Faktor der räumlichen Nähe spielte dabei erneut eine wesentliche Rolle. Pierre de Dampmartin merkte diesbezüglich an: [P]lus l’on est en faueur, plus l’on est en seruitude. Il faut que le fauory estouffe entierement tous ses desirs particuliers, & exerce vne extreme violence sur ses inclinations pour les rendre co[n]formes à celles de son Maistre. Il ne l’oseroit abandonner d’vne heure, de peur qu’il ne croye qu’il ma[n]que d’affection & que les faueurs qui estoie[n]t reseruées pour luy ne s’estendent sur d’autres581 .

Das erklärt Mazarins stetige Sorge, wenn er sich fern vom Hof aufhielt582 . Befand er sich auf einer diplomatischen Mission, wie 1659/1660, als er den Pyrenäenfrieden aushandelte, war der ständige Kontakt zur Königin (und zum König) ein Ausdruck dieser Furcht – die zahlreichen Briefe dienten neben der Berichterstattung über den Verhandlungsverlauf primär der beständigen Versicherung seiner Loyalität583 . Als Erster Minister bemühte er sich zugleich, auf allen Ebenen Klienten im Adel, im Klerus, in der Justiz und in der Administration zu finden584 . Und als Oberintendant der Königin versuchte er wiederum, seinen Einfluss durch die Kontrolle ihres Haushalts und des Zugangs zu ihr zu nutzen, um unter den Amtsträgern Informanten zu gewinnen, die ihm über

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Siehe Martial Pradel de L, Le château de Vincennes, Paris 1950, S. 121–124. Ibid., S. 120. Ibid., S. 122. D, Discovrs, S. 90f., siehe auch S. 94f. Vgl. H, Zur theoretischen Konstruktion der Figur des Günstlings, S. 29. Siehe z. B. BNF, Mss., Fonds français 4308, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (14.07.1659), fol. 273r: »[V]os lettres sont remplies de tant de termes, et si obligean[t]s et precies pour m’assurer de l’honneur de vostre bien veillance, que je ne sçay plus comment vous tesmoigner ma reconnoissance Elle sera Eternelle«; BNF, Mss., Fonds français 4308, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (16.07.1659), fol. 274r: »[J]e vous supplie de croire que rien au monde ne peut empescher que je ne sois jusque au dernier moment de ma vie, le plus veritable de tous vos seruiteurs«; BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 15683, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (12.07.1659), fol. 4v: »Au reste ie ne songe a [sic] autre chose qu’au temps dans lequel J’auray l’honneur de vous reuoir et le confident [= Ludwig XIV.]. [E]t ie vous proteste que iamais ie ne l[’]ay souhaité auec plus de passion«. Siehe auch C, Des carnets, Oktober 1855, S. 622–637.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

alles Bericht erstatteten585 . Dazu waren Geschenke und Geldzahlungen ein übliches Mittel. Tatsächlich handelte Mazarin nicht anders als die Oberintendanten vor ihm, weil sich eine solche Position, abgesehen natürlich von der Gunst der Königin, nur so dauerhaft behaupten ließ586 . Mazarin nahm sich eine Maxime zu Herzen, die den Höflingen schon im 16. Jahrhundert nahegelegt worden war, nämlich sich auch in höchsten Würden und Ämtern so zu verhalten wie auf dem Weg dorthin; das heißt, sich allen gegenüber gefällig und freundlich zu erweisen und zumindest zu versuchen, jedem gerecht zu werden – eine schwierige Aufgabe, die ständige Wachsamkeit erforderte587 . Die wichtigsten Amtsträger, die es zu gewinnen galt, waren die Hofdamen, weil sie ständig in der Nähe der Königin weilten588 . Mazarin war bestrebt, sie als Klienten für sich einzunehmen, sie zu kontrollieren, ihren Einfluss auf die Königin zu lenken und, wenn nötig, zu beschränken589 . Er bemühte sich um alle Amtsträgerinnen, das schloss auch einfache Kammerfrauen ein590 . Sein Hauptaugenmerk galt aber den Inhaberinnen hoher Chargen, auch wenn er nicht immer Erfolg hatte: Mmes de Beauvais und de Brégy konnte er auf seine Seite ziehen, während sich etwa Mme de Hautefort offen gegen ihn aussprach. In solchen Fällen zögerte Mazarin nicht und versuchte, sie vom Hofe zu entfernen591 . Im Umgang mit potentiellen Gegnern unterschied sich Mazarin aber von seinem Vorgänger. Hatte jemand Partei gegen Richelieu ergriffen, fiel die Person in Ungnade und brauchte nicht mehr auf Vergebung zu hoffen592 . Mazarin versuchte zwar auch, Gegner vom Hofe zu entfernen und vergaß keinesfalls, 585 586 587

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Siehe B, Mazarin, S. 236f.; K, Strategies of Power, S. 177f. Vgl. A, »The Politics of Access«, S. 259; C, Des carnets, Februar 1855, S. 85f. K, Social Dynamics, S. 520f. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 143. D, Discovrs, S. 90, 94f., hier bes. S. 94: »[U]n fauory a pourtant beaucoup de peine [. . . ] à se faire mo[n]strer officieux enuers quantité de pretendan[t]s qu’il doit feindre d’aymer, quoy qu’il sçache qu’ils le haïssent, & qu’ils ne tascher qu’à le debusquer. Il doit aussi prendre autant de soin de contenter ceux qui ne sont pas de la Cour comme ceux qui en sont, afin que l’enuie & la calomnie qui s’attache d’ordinaire à ce qui est de plus esleué, ne vomissent point leur rage contre luy, [. . . ] il faut se donner des inquietudes nompareilles, & au bout delà que gagne-t’on sinon de faire continuer son supplice ou son esclauage, estant maintenu dans la place que l’on possede où jamais l’on ne peut avoir un parfait repos«. Siehe B, Mazarin, S. 236f.; D, L’art de plaire, S. 154. S-R T, La Jeunesse du Grand Roi, S. 206. Vgl. AD, Mss., Mémoires et Documents (France) 279, Brief v. Mazarin an Marguerite Hébert (25.08.1658), fol. 135v. BIS, Mss., Fonds Victor Cousin 13, Disgrâce de Mme de Hautefort (17.04.[1644]), fol. 100r–100v, hier fol. 100r; M, Lettres du Cardinal Mazarin pendant son ministère, Bd. 1, S. 667, Brief v. Mazarin an Henri de Beringhen (16.04.1644); M, Mémoires, Bd. 1, S. 174f., 209f. Siehe Z, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 19, Sp. 2458, (Art.) »Mazarini (Julius)«. Vgl. K, Strategies of Power, S. 192f.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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wenn sich jemand gegen ihn gestellt hatte, aber er ließ sich nicht von Rachegefühlen leiten593 . Stattdessen bemühte er sich langfristig, Gegner durch Gefälligkeiten an sich zu binden. Darin ähnelte er eher dem Duc de Luynes, dem früheren Favoriten Ludwigs XIII., da er wie dieser versuchte, Amtsträger mithilfe von »Belohnungen zu manipulieren und zu beeinflussen«594 . Mazarin gewann damit zwar nicht zwangsläufig einen Klienten, konnte aber oft eine dauerhafte Feindschaft vermeiden wie im Fall der Frömmler, die zum Gefolge der Königin gehörten und die er als potentielle Gegner betrachtete595 . Mazarin war natürlich auch bemüht, selbst als Patron aufzutreten und eigene Kontakte aufzubauen, sodass diese Klienten dann ihm und weniger der Königin verpflichtet waren596 : »[C’]est l’ordinaire des Grands de vouloir avoir sous eux des officiers qui tiennent leur charge d’eux«597 . Das bedeutete aber keineswegs, dass Mazarin völlig unabhängig von der Königin agieren und Bittgesuchen ohne Rücksprache nachkommen konnte598 . Wenn also etwa der Marquis de Montglat, Mme de Motteville, die Duchesse de Nemours und Saint-Simon meinen, die Königin sei ihm ganz unterworfen gewesen599 , oder Fénelon Mazarin Jahre später in seinen fiktiven »Dialogues des morts« (1712) behaupten lässt, er sei der wahre Herrscher gewesen, so ist das falsch600 . Derartige Äußerungen entsprachen nicht der Realität, sondern den üblichen Vorurteilen und Antipathien601 . Ohne Zweifel hatte Mazarin eine bedeutsame Stellung eingenommen, aber er blieb von der Königin abhängig – sowohl während als auch nach der Regentschaft602 . Trotz aller Kritik räumte ja selbst

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M, Mémoires, Bd. 1, S. 463f.: »Il ne faisoit du mal, que par necessité à ceux qui lui déplaisoient. Pour l’ordinaire, il se contentoit de s’en plaindre, & ses plaintes produisoient toûjours des éclaircissemen[t]s, qui lui redonnoient aisément l’amitié de ceux qui lui manquoient de fidélité, ou qui prétendoient se pouvoir plaindre de lui«. K, Strategies of Power, S. 199. Diese Ansicht teilt auch B, Mazarin, S. 632. Siehe außerdem B-R, Mémoires, Bd. 2, S. 29: »[Mazarin] n’avoit ni haine ni amitié, & il ne témoignoit ni l’un ni l’autre, qu’autant que son intérêt l’obligeoit à le faire. Si ceux qui l’avoient servi lui étoient encore utiles, il les récompensoit fort bien; sinon, il ne faisoit pas grand cas de la reconnoissance«. C, Des carnets, Januar 1855, S. 41f. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 273f.; W, Francis Bacon, S. 185;  K, Catherine de Médicis, S. 157. P, V, Journal, S. 35, Eintrag v. 29.12.1656. Diesen Standpunkt vertritt z. B. auch M, Die Bourbonen, S. 139, 163. M, Mémoires, Bd. 3, S. 111; M, Mémoires, Bd. 5, S. 22–24, 32; Marie d’Orléans, duchesse de N, Mémoires de Madame la Duchesse de Nemours, Amsterdam 1718, S. 1; S-S, Mémoires, Bd. 12, S. 170. F, Œuvres: Dialogues des morts, LXXII – Les cardinaux de Richelieu et Mazarin, Bd. 1, S. 490f. Diese fragwürdige Ansicht vertritt auch B, Mazarin, S. 595, 629. Darauf hat z.B. auch C, Reines et favorites, S. 140, zu Recht hingewiesen. B-R, Mémoires, Bd. 2, S. 150: »Elle n’eut ni à souffrir du Roi son fils, devenu majeur, ni à se reprocher du choix qu’elle avoit fait du premier Ministre. L’un lui fut soumis, l’autre toujours dévoué: tous deux ne décidèrent rien sans la consulter«.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Saint-Simon an anderer Stelle in seinen Memoiren ein, dass Mazarin alles einzig der Königin verdanke603 . In Anbetracht der zahlreichen Gesuche, die er erhielt, galt es stets, das Gleichgewicht zu finden zwischen Versprechungen, ihrer Erfüllung und dem Hinhalten, wenn er ihnen nicht gleich nachkommen konnte604 . So musste Mazarin einen Adligen, der sich Hoffnungen auf eine Charge für seinen Sohn im zu gründenden Haushalt des Bruders des Königs machte, vertrösten, da die Königin damit noch warten wollte605 . Und als Colbert um eine Abtei für seinen Bruder ersuchte, erteilte Mazarin auch ihm eine Absage, da die Königin die Abtei ihrem Leibarzt versprochen hatte; gleichwohl versicherte Mazarin Colbert, seinem Bruder bei nächster Gelegenheit behilflich zu sein606 . Mazarin nutzte also seine Stellung, seinen Einfluss und seine Kontakte, um daraus Kapital zu schlagen. Dieses Kapital ›investierte‹ er in einen aufwendigen Lebensstil, der, für alle sichtbar, von seiner Gunst bei der Königin kündete, sowie in die Aufrechterhaltung seiner Informations- und Klientelnetze. Zunächst einmal verfügte er infolge von Ämterhäufung, Pfründen und Schenkungen über beträchtliche Einnahmen und Vermögenswerte607 . Mazarin wurde in Bezug auf die großen Reichtümer, die er anhäufte, oft Gier nachgesagt608 . Dass er sich auch persönlich bereicherte, ist unbestritten609 . Allerdings scheint die alleinige Festlegung darauf zu kurz gegriffen zu sein. Vielmehr muss dies in einem größeren Kontext gesehen werden. Taniko Yoshida hat überzeugend dargelegt, dass Mazarins finanzielles Verhalten

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S-S, Mémoires, Bd. 4, S. 197: »[L]a reine mère avec laquelle il avoit toujours été si uni, à qui il devoit tout«. L F, Mémoires, S. 27: »[L]a Cour lui fut entierement soumise; mais comme il avoit eu besoin de tout le monde, il ménagea le mieux qu’il pût & les uns & les autres: Il promit beaucoup & ne tint gueres, gouverna le monde plus par l’esperance que par la crainte«; M, Mémoires, Bd. 1, S. 170f.: »Le Cardinal, d’un esprit doux & adroit, alloit travaillant à se gagner les uns & les autres. [. . . ] Ce fut ce qui sauva ce Ministre, au milieu de tant de perils & qui fit faire naufrage à ceux qui paroissoient devoir être les Maitres, & qui éflez [sic] de présomption refusérent son Amitié & la mepriserent«. Vgl. ibid., S. 463–467; Z, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 26, Sp. 1401f., (Art.) »Patron«. Siehe außerdem W, Jugements sur la cour, S. 130. AD, Mss., Mémoires et Documents (France) 264, Brief v. Mazarin an den Comte de Béthune (19.06.1648), fol. 115r–116r. C, Lettres, Bd. 1, S. 221, Brief v. Colbert an Mazarin (18.07.1654); S. 222, Brief v. Mazarin an Colbert (24.07.1654). Ämter, Pensionen und Ländereien brachten ihm jährlich mehr als 2 Mio. l.t. ein. Siehe dazu Joseph A. B, Cardinal Mazarin and his Benefices, in: French History 1/1 (1987), S. 3–26; Daniel D, Pouvoir et finance au XVIIe siècle: la fortune du cardinal Mazarin, in: Revue d’histoire moderne et contemporaine 23/2 (1976), S. 161– 181, bes. S. 176f.; Claude D, Les »comptes bleus« du cardinal Mazarin, in: Revue d’histoire moderne et contemporaine 36/4 (1989), S. 537–558. M, Mémoires, Bd. 5, S. 138–140. Richard B, Cardinal Mazarin and the Great Nobility during the Fronde, in: The English Historical Review 96 (1981), S. 818–833, hier S. 821f., 831.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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eben nicht nur auf Bereicherung ausgelegt war610 . Dahinter stand eine konkrete politische Strategie: »Ein Minister wird vielmehr Klienten mobilisieren, Bündnisse knüpfen, Gegenleistungen zusagen. Dazu muss er reich sein – als Erster Minister möglichst der reichste Mann nach dem König. Anders hätte Mazarin nach der Fronde die Macht der Krone kaum wiederherstellen können«611 . Wie die Unterstützung im Einzelnen ausfiel, das heißt, ob Mazarin direkt intervenierte oder über Mittelsleute, hing von der Art des Gesuchs ab. So vermied er es etwa nach eigener Aussage, sich direkt in laufende Gerichtsverfahren einzumischen612 . Für Mazarins Klientelpolitik war das Amt des Oberintendanten bei der Königin folglich sehr wichtig, weil er dadurch als Mittler auftreten konnte. Und als Ludwig XIV. sieben Jahre alt wurde, ernannte die Königin Mazarin auch noch zu dessen Gouverneur613 . Mazarin hatte damit nicht nur die Aufsicht über die Erziehung des Königs, die er entgegen anders lautender Behauptungen durchaus sehr ernst nahm, sondern kontrollierte auch den Zugang zu ihm, wodurch er seinen Einfluss weiter steigern konnte614 . Neben der Sicherung seiner Position durch ein ausgeklügeltes Klientelsystem dachte Mazarin aber auch hier weiter. So protegierte er seine Angehörigen, denn Verwandtschaft zählte mehr als Verdienste. Mazarin wollte sichergehen, dass seine Familie über seinen Tod hinaus gesellschaftlichen Einfluss ausüben würde615 . Seinem Bruder Michel verschaffte er durch die Vermittlung der Königin 1644 das Erzbistum Aix-en-Provence und 1647 die Kardinalswürde mit der Titelkirche Santa Cecilia in Trastevere in Rom, wofür sich Anna von Österreich persönlich beim Papst eingesetzt hatte616 . 610 611 612 613

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Madeleine L-P, Taniko Y, Sur la fortune de Mazarin, in: Histoire, économie et société 9/4 (1990), S. 499–520. Mathias M, Das Zentrum der Macht, in: Geo Epoche 42 (2010), S. 40–57, hier S. 50. AD, Mss., Mémoires et Documents (France) 281, Briefe v. Mazarin an Mme de Brégy und an Colbert (20.12.1659), fol. 544r–544v. Guillaume C, À la Reyne. Svr la Svrintendance de la conduite & gouuernement du Roy, donné par sa Majesté à Monseigneur L’Eminentissime Cardinal Mazarin. Sonnet, s.l. s.d., S. 1; NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/111, Brief v. Anna von Österreich an (?) (15.03.1646), fol. 314r–315r. Siehe auch B, B, Le »PalaisRoyal«, S. 32; BNF, Mss., Fonds français 17319, Surintendance du gouuernement et de l’Education des Personnes du Roy et de M. le Duc d’Anjou, donnée à M. le Cardinal Mazarin (1646), fol. 58r–60v. B, Mazarin, S. 452, 636; B, Louis XIV, S. 50f.; L-G, L’éducation politique, S. 100–102, 152–191; M, Die Bourbonen, S. 139f., 169. Siehe BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 15683, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (27.08.1659), fol. 84r–86r, hier fol. 85r. Vgl. F, Gespräche: 17. Entrevüe zwischen Kardinal Richelieu und Mazarin, Bd. 2, S. 50: »Glücklich sind schließlich diejenigen, welche mir verwand[t] waren: denn ich machte sie gewaltig und reich«. BNF, Mss., Dupuy 775, Brief v. Anna von Österreich an Papst Innozenz X. (07.09.1647), fol. 81r. Auch Mazarin versäumte es nicht, sich beim Papst zu bedanken. Siehe M,

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Ein Jahr später wurde Michel Mazarin noch Vizekönig von Katalonien617 . Und Mazarins Neffe, Philippe Mancini, Duc de Nevers, erhielt später die Charge des Hauptmanns der Musketiere des Königs618 . Mazarin blieb jedoch nicht mehr viel Zeit, die Früchte seiner Erfolge zu genießen. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide, sodass er sein Testament aufsetzte. Darin kam er noch einmal seiner Pflicht als treuer Klient nach619 . Er dankte der Königin für ihre »unendliche Güte«620 und vermachte ihr den als »Englands Rose« bekannten Diamanten (14 Karat), einen weiteren Rohdiamanten (14 Karat) sowie wertvolle Kabinettschränke621 . Außerdem stiftete er mehrere Messen – unter anderem für Anna von Österreich, Ludwig XIV. und den (künftigen) Dauphin –, die auf Lebenszeit zelebriert werden sollten622 . Mazarin nutzte sein Testament auch, um seine Angehörigen und Klienten in Zukunft unter den Schutz von Anna von Österreich zu stellen623 . Seine Kritiker wünschten sich nur, dass nach den bisherigen Erfahrungen nicht noch ein dritter Kardinal-Minister auftauchen möge624 . Dieser Wunsch erfüllte sich, denn Ludwig XIV. entschloss sich bekanntlich, keinen Ersten Minister mehr zu ernennen625 . Der Geistliche Rapin wollte in dieser Entscheidung und dem damit einhergehenden Ausschluss Annas aus dem Kronrat einen letzten Akt des Undanks Mazarins gegenüber seiner einstigen Patronin sehen626 . Der Comte de Brienne und Mme de Motteville attestierten Mazarin ebenfalls

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Lettres du Cardinal Mazarin pendant son ministère, Bd. 2, S. 970, Brief v. Mazarin an Papst Innozenz X. (05.11.1647). C, Mazarin et Colbert, Bd. 2, S. 3. Siehe P   M, La France triomphante, S. 241. R, Mémoires, Bd. 1, S. 40: »Son application principale étoit de plaire à cette princesse, qui faisoit elle seule son élévation«. Siehe auch B, Cardinal Mazarin and the Great Nobility, S. 833. BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament de Mazarin, fol. 233r. Vgl. auch C, Mazarin et Colbert, Bd. 2, S. 441–479. BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament de Mazarin, fol. 240r. Siehe Motteville, Mémoires, Bd. 5, S. 152. Der Wert der Edelsteine und Schmuckstücke, die er der Königin vermachte, belief sich auf nicht weniger als 61 000 l.t., der Wert der Kabinettschränke auf 12 000 l.t. Siehe Dessert, Pouvoir et finance, S. 173. BNF, Mss., Thoisy 90, Brief v. Dencourt an Anna von Österreich (08.10.1661), fol. 323r– 324r. BNF, Mss., Français 4332, Testament de Mazarin, fol. 240r. Siehe M, Mémoires, Bd. 5, S. 148f. [A], Nouveau siècle de Louis XIV, Bd. 1, S. 413: »Ci gît l’Éminence deuxième / Dieu nous garde de la troisième«. Auch M, Mémoires, Bd. 5, S. 169, weiß von einem Spottgedicht zu berichten, das zu dieser Zeit kursierte: »Enfin le Cardinal a terminé son sort. / François, que dirons-nous de ce grand Personnage? / Il a fait la Paix, il est mort, / Il ne pouvoit pour nous rien faire davantage«. Siehe M, Mémoires, Bd. 5, S. 146, 164–166, 173. R, Mémoires, Bd. 3, S. 103.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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zunehmende Undankbarkeit gegenüber der Königin627 . Diese Vorwürfe erscheinen jedoch zu parteiisch. Der König sah im Ausschluss seiner Mutter den einzigen Weg, sich unabhängig zu machen, was ihn aber, wie sich gezeigt hat, nicht davon abhielt, ihr nach wie vor politischen Einfluss zuzugestehen und sich ihres Rates zu bedienen628 . Tatsächlich gestaltete sich das Verhältnis zwischen dem Kardinal und der Königin gegen Ende seines Lebens keineswegs so, wie Rapin, Brienne oder Motteville es darstellen. Das belegen nicht nur die ständigen Besuche der Königin vor Mazarins Tod629 und sein Testament, sondern vor allem die Zustimmung der Königin bezüglich der Nachfolgeregelung für seine Charge als Oberintendant630 . Er hatte sie gebeten, seine Nichte Anna Maria Martinozzi, Princesse de Conti, zu seiner Nachfolgerin zu ernennen, während seine Nichte Olympia Mancini, Comtesse de Soissons, als Oberintendantin bei Maria Theresia eingesetzt werden sollte – beiden Anliegen wurde entsprochen631 . Noch wenige Tage vor seinem Tod wurden in allen Pariser Kirchen 40 Stunden andauernde Gebete angeordnet, was üblicherweise nur den Königen vorbehalten war. So wurde das hohe Ansehen unterstrichen, in dem er nach wie vor bei Hofe stand632 . Mazarin starb im Schloss Vincennes am 9. März 1661633 . Der König ordnete sogleich Hoftrauer an, was eine weitere große Ehre gegenüber dem Verstorbenen darstellte, und stattete den Angehörigen anschließend zusammen mit Anna von Österreich Kondolenzbesuche ab634 . Damit demonstrierten sie die Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zu Mazarins Verwandten, auch wenn sich deren Trauer in Grenzen hielt; das galt auch für die meisten Höflinge und Adligen, die diesem »Emporkömmling« seinen Einfluss ohnehin stets geneidet hatten635 .

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B, Mémoires de Louis-Henri, Bd. 2, S. 6f., 9; M, Mémoires, Bd. 1, S. 161; Bd. 4, S. 484f.; Bd. 5, S. 140, 155. Siehe Kap. 2.2.3, S. 118f. Siehe C, Histoire de l’Église, Bd. 10, S. 463. Darauf hatten B, Mémoires de Louis-Henri, Bd. 3, S. 91, und M, Mémoires, Bd. 5, S. 143, 156, selbst hingewiesen. D, Pouvoir et finance, S. 168. Die Charge hatte bei seinem Tod einen Wert von 200 000 l.t. M, Mémoires, Bd. 5, S. 147. Siehe C, Mazarin et Colbert, Bd. 2, S. 448, 460. M, Mémoires, Bd. 5, S. 147. Ibid., S. 160. Siehe auch Angelo B, Relation précise des incidents qui se produisèrent pendant la dernière maladie et la mort du cardinal Mazarin survenue le [9] du mois de mars 1661, in: Raymond D, Madeleine L-P (Hg.), La mort du cardinal Mazarin, [Paris] 1960, S. 72–110. Antoine A, L’histoire du cardinal Mazarin, 2 Bde., Amsterdam 1730 [EA 1688], Bd. 2, S. 604; M, Mémoires, Bd. 5, S. 170. M, Mémoires, Bd. 3, S. 506: »[Mazarin] ne fut pas trop regretté, même de ceux qui lui avoient le plus d’obligation; c’est le sort des favoris. Le roi et la reine furent fâchés quelques jours; mais je crois que la longueur de sa maladie les y ayant préparés, ils

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3. Hofstaat und Hofhaltung

3.3.3 »Dame d’honneur« Die Charge der dame d’honneur war 1523 entstanden und löste die der première dame d’honneur ab636 . Die Obersthofmeisterin besaß ohne Zweifel eines der wichtigsten Ämter im Haushalt der Königin, weil sie nicht nur eine hohe Leitungs- und Aufsichtsfunktion ausübte, sondern auch Einfluss auf den Zugang zur Königin hatte und als Mittlerin eine entscheidende Rolle spielte637 . Mme de Motteville weist deshalb darauf hin, dass es sich um die höchste Charge handelte, die eine Adlige am Hofe einnehmen konnte638 . Über welchen Einfluss die Inhaberin verfügte und wie sie sich aufgrund ihrer Stellung bereichern konnte, zeigt ein Beispiel aus den ersten Jahren nach Anna von Österreichs Hochzeit, als neben einer französischen Obersthofmeisterin noch eine spanische in ihrem Haushalt diente, die für das aus Spanien mitgeführte Personal (insbesondere Hofdamen, Kammerfrauen und Ehrenfräulein) verantwortlich war639 . Die Gräfin de la Torre, die diese Charge innehatte, unterschlug Geld, das dem Haushalt der Königin zugeteilt war640 . Hierbei handelte es sich – soweit es ersichtlich ist – zwar um einen Einzelfall, der aber gut belegt, dass Amtsmissbrauch natürlich nicht völlig auszuschließen war. Im Übrigen war aber eine solche Doppelspitze von zwei Obersthofmeisterinnen nur von kurzer Dauer, da das ausländische Personal für gewöhnlich nach einiger Zeit ins Heimatland der jeweiligen Königin zurückkehrte. In jedem Fall übte die Obersthofmeisterin den Posten dauerhaft aus, was bedeu-

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sentirent cette douleur moins vivement«. Siehe M, Mémoires, Bd. 5, S. 172; S-S, Mémoires, Bd. 12, S. 250; Bd. 19, S. 379.  K, The Household of the Queen of France, S. 18. Zur Zeit von Louise de Lorraine gab es sogar zwei, von denen jede das Amt jeweils für sechs Monate ausübte. F, Dictionnaire, Bd. 1, S. 595, (Art.) »Dame«: »Dame, est encore un titre d’office chez la Reine & chez les Princesses. Dame d’honneur, est la premiere Dame de la maison & de la suite de la reine« [Hervorh. im Orig.]; H, Damen Conversationslexikon, Bd. 7, S. 466, (Art.) »Obersthofmeisterin«: »Obersthofmeisterin, die vornehmste Charge unter dem weiblichen Hofstaate einer Fürstin, mit dem Titel Excellenz. Sie führt die Oberaufsicht über das gesammte [sic] weibliche Dienstpersonale, sowohl in disciplinarischer als moralischer Hinsicht, ist das Organ der Befehle vom Hofmarschallamte und wacht über die Aufrechthaltung der Etiquette. Der Fürstin, welcher sie dient, zunächst stehend, übt sie selbst auf diese, vermöge ihres Amtes, einen nicht unbedeutenden Einfluß«; Z, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 25, Sp. 103f., (Art.) »Ober-Hofmeisterin«: »Ober-Hofmeisterin [. . . ] ist die erste und vornehmste Dame vom Range, unter den Hof-Damen und Cammer-Frauen, zu einer Kayserin, Königin oder Fürstin Bedienung bestimmet«, sowie ibid., Bd. 8, Sp. 429, (Art.) »Ehren-Dame«. Vgl. auch K, Hofdamen, S. 109–112, 137, 156, 202–204. M, Mémoires, Bd. 5, S. 192: »La Charge a été de toute ancienneté la plus belle qu’une Femme de Qualité puisse avoir à la Cour«. Vgl. Kap. 3.2.1, S. 246. Siehe B, Le roi chez la reine, S. 345; P, Les mariages espagnols, S. 563, Anm. 3. Vgl. auch W, Aristocratic Women, S. 70.

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tete, dass die jeweilige Inhaberin, obwohl sie meist über ein eigenes Haus in Paris verfügte, ständig am Hofe weilte und der Königin zu Diensten stand641 . So ist etwa für Mme de Senecey eine Zahlungsverpflichtung aus dem Jahr 1650 erhalten, auf der als ihr Wohnsitz das Palais-Royal, also der damalige Hauptwohnsitz der Königin, angegeben ist642 . Diese Präsenz erleichterte nicht nur die Bitte um Gunstbeweise für sich oder Angehörige, sondern war auch sehr hilfreich, um mit anderen Personen, die über Einfluss verfügten, bzw. mit wichtigen Entscheidungsträgern in Verbindung zu treten und Kontaktnetze aufzubauen und zu pflegen. Eine Abwesenheit vom Hofe war daher für gewöhnlich nur familiären Umständen oder gesundheitlichen Problemen geschuldet643 . Einzelheiten zur Ausübung der Charge wurden der Obersthofmeisterin oft bei Amtsantritt von der Königin selbst mitgeteilt644 . Die grundsätzlichen Aufgaben und Befugnisse, die mit der Charge verbunden waren, lassen sich zum Teil anhand des Ernennungsschreibens der Comtesse de Lannoy rekonstruieren645 : Die Obersthofmeisterin hatte, erstens, die Befehlsgewalt über alle Angelegenheiten, die den Haushalt und die Königin betrafen, sodass sie notwendige Anschaffungen vornehmen ließ bzw. über Untergebene, etwa die maîtres d’hôtel, mit Hoflieferanten verhandelte. Ihr oblag, zweitens, die Oberaufsicht und im Zweifelsfalle die Befehlsgewalt über das gesamte weibliche Personal, sie wachte also über Disziplin und Moral der Hofdamen, der Ehrenfräulein und ihrer Gouvernanten sowie der Kammerfrauen; und ebenso wie die Frauen im Haushalt der Königin waren ihr gegenüber auch die männlichen Amtsträger, angefangen beim chevalier d’honneur, ausdrücklich zu Respekt und Gehorsam verpflichtet646 . Sie verwaltete, drittens, die Ausgaben und den Haushalt der Königin. Viertens hatte sie die Aufsicht über die argenterie, also das gesamte Tafelsilber, und die damit verbundenen Anschaffungen und Ausgaben sowie über das Mobiliar, wozu ihr der so genannte gardemeuble de la chambre unterstand, der eine genaue Inventarliste führte647 . Und 641 642

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Vgl. L R, La faveur du Roi, S. 296. AN, Mss., MC, ET/XLII/68, Obligation de Mme de Senecey à l’égard de Monique Passart, veuve d’Etienne Marguenat, Seigneur de Courcelles, conseiller du Roi (21.07.1650), s.p. Vgl. K, Hofdamen, S. 115. Vgl. M, Mémoires, Bd. 5, S. 403. B, La reine de France, S. 224. AN, Mss., O1 9, Proui[si]on de la charge de la dame d[’]honneur de la Reyne (s.d. [um 1624]), fol. 106r–108v, hier fol. 106v. Charlotte de Villers-Saint-Paul, Comtesse de Lannoy, hatte die Schwester Ludwigs XIII., Elisabeth, 1615 anlässlich ihrer Vermählung mit dem späteren König Philipp IV. als Obersthofmeisterin nach Spanien begleitet. Einige Jahre nach ihrer Rückkehr trat sie 1624 das gleiche Amt bei Anna von Österreich an. Siehe G, État de la maison, S. 89, Nr. 3345. S-S, Mémoires, Bd. 2, S. 371. Vgl. auch H, Damen Conversationslexikon, Bd. 7, S. 466, (Art.) »Obersthofmeisterin«. Auch auf Reisen war er für das Mobiliar verantwortlich und überwachte den Transport. Siehe B, La reine de France, S. 230.

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schließlich war sie, fünftens, für die alljährliche Erstellung, Abrechnung und Versendung der Personal- und Gehaltslisten an die Chambre des comptes zuständig648 . Als sichtbarer Ausdruck dieser machtvollen Position war sie im Besitz der Schlüssel für die Gemächer sowie für diverse Schränke und Truhen mit Wertgegenständen649 . Zur praktischen Ausübung ihrer Tätigkeit bekam sie noch Zuschüsse für die Anschaffung von Kleidung650 ; ihr wurde ein Wagen zur Verfügung gestellt651 und sie erhielt einen Sekretär, der ihr vornehmlich bei der Erstellung der Personallisten half, aber auch Botengänge übernahm und die Korrespondenz führte652 . An der Erstellung dieser Listen waren auch die maîtres d’hôtel beteiligt, die dem Personal bei Amtsantritt die Hausregeln vorlasen und die alltäglichen Aufgaben bei der Organisation des Haushalts übernahmen653 . Außerdem zeugten die zahlreichen zeremoniellen Vorrechte der Obersthofmeisterin von ihrer ständigen Präsenz bei alltäglichen (Aufstehen, Messbesuche, Mahlzeiten, Zubettgehen etc.) bis hin zu offiziellen (Audienzen, lits de justice, Taufen, Hochzeiten etc.) Anlässen: Am Morgen zog sie mitunter die Vorhänge am Bett zurück; beim Ankleiden reichte sie der Königin das Hemd von rechts, bei Anwesenheit der Kammerdame auch zusammen mit dieser (war eine Prinzessin von Geblüt zugegen, dann gebührte dieser das Vorrecht)654 . Außerdem kam es vor, dass die Obersthofmeisterin als Begleiterin der Königin an Ratssitzungen teilnahm655 . Ferner geleitete sie Besucher in die Gemächer und wies ihnen den von der Königin festgelegten Platz zu; sie kostete Speisen der Monarchin vor, brachte ihr jeweils das erste Gericht 648

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AN, Mss., O1 9, Proui[si]on de la charge de la dame d[’]honneur de la Reyne, fol. 107r– 107v. Siehe auch Anja K-K, Organisation der Frauenzimmer im Vergleich zu männlichen Höfen, in: H, P (Hg.), Das Frauenzimmer, S. 235–246, hier S. 239f.; V-S, Anne d’Autriche, S. 53. Siehe dazu M, Mémoires, Bd. 4, S. 28. Vgl. H, Damen Conversationslexikon, Bd. 5, S. 301, (Art.) »Hofstaat«: »An einigen Höfen trugen ehedem die Hofdamen auch vergoldete Schlüssel, wie die Kammerherren«. AN, Mss., KK 203, [Dépenses de l’]Argenterie de la chambre. Quartier de Januier (1642), s.p.; BNF, Mss., Fonds français 10414, La Despence faicte en L[’]argenterie de la dame Reyne durant le quartier d[’]octobre de Lad[it]e annee de ce compte mil six cents soixante trois (31.12.1663), fol. 1v–2r. Vgl. auch C, S, Le Palais-Royal, S. 112. BNF, Mss., Fonds français 10414, La despence ordinaire faicte en lad[ite]. escurie dura.[n]t le quartier d[’]octobre de lad[ite]. Annee de ce Compte mil six Cents soixante trois (31.12.1663), fol. 65r–102v, hier fol. 68v–69r. BNF, Mss., Fonds français 10414, La Despence faicte en L[’]argenterie de la dame Reyne durant le quartier d[’]octobre de Lad[it]e annee de ce compte mil six cents soixante trois (31.12.1663), fol. 10v–11r. G, Domestiques et serviteurs, S. 33. M, Mémoires, Bd. 1, S. 507. Siehe auch B, La reine de France, S. 225. M, Mémoires, Bd. 2, S. 364. Als Anna von Österreich am 25. September 1636 während der Abwesenheit des Königs eine Ratssitzung leitete, befand sich die Obersthofmeisterin hinter ihrem Sessel.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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an den Tisch und durfte als erste von den Amtsträgerinnen nach der Königin die Mahlzeit einnehmen656 . Zu ihren wichtigsten zeremoniellen Aufgaben gehörte es wiederum, die Schleppe der Königin zu tragen und in deren Kutsche mitzufahren657 . Zudem hatte die Obersthofmeisterin ein Anrecht auf von der Königin nicht mehr beanspruchte Möbelstücke. Stand auf Reisen oder bei Residenzwechseln nur eine Unterkunft in der Nähe der Königin zur Verfügung, gebührte der Obersthofmeisterin gegenüber der Oberintendantin der Vorrang; dieses Prinzip galt auch, wenn in der Kutsche der Königin nur ein weiterer Platz vorhanden war658 . Überdies übernahm die Obersthofmeisterin Stellvertreterfunktionen; in Abwesenheit der Oberintendantin übernahm sie deren Aufgaben, vor allem was die Entgegennahme des Amtseides anging659 . Und wenn der chevalier d’honneur ebenfalls nicht am Hofe war, vertrat sie auch ihn und gab den Türwächtern und maréchaux des logis entsprechende Anweisungen, was den Zutritt zu den Gemächern, die Zuteilung von Räumen oder deren Ausstattung betraf660 . Zu den letzten Ehrendiensten gehörte es, den Leichnam der Königin zusammen mit der Kammerdame in den Sarg zu legen und bis zur Überführung in die Grablege der Könige die Totenwache zu halten661 . All diese Faktoren machten die Charge der Obersthofmeisterin so begehrt, eben weil sie durch ihre Befugnisse, Vorrechte und die zeremonielle Eingebundenheit eine äußerst herausgehobene Stellung am Hof und damit letztlich auch in der Gesellschaft einnahm662 . Allerdings blieben Streitigkeiten nicht aus. Nach der Eheschließung Ludwigs XIV. war es 1661 zu den schon erwähnten Unstimmigkeiten über die Aufgaben und Vorrechte zwischen der Obersthofmeisterin und der Oberintendantin von Maria Theresia gekommen663 . Um

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 K, Catherine de Médicis, S. 123; D., The Household of the Queen of France, S. 18. Siehe z. B. BNF, Mss., Fonds français 14120, Reception Des ambassadeurs Polonois au mariage de la Princesse Marie de Gonzague auec Ladislas Sigismond IV Roy de Pologne en 1645 (s.d.), fol. 1r–12r, hier fol. 4v; BNF, Mss., Fonds français 14120, Ceremonie Du mariage de la Princesse Marie Louise de Gonzague de Mantoüe auec le Roy de Pologne en 1645 (s.d.), fol. 13r–65r, hier fol. 29r; BNF, Mss., Fonds français 14120, Ordre De la Ceremonie touchant la Majorité du Roy en 1651, fol. 372r. B, La reine de France, S. 224. Ibid.; M, Mémoires, Bd. 5, S. 194. B, La reine de France, S. 224. BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes fvnebres d’Anne d’Autriche, fol. 2r. Vgl. auch Barbara S-R, Much Ado about Nothing? Rituals of Politics in Early Modern Europe and Today, in: Bulletin of the German Historical Institute 48 (2011), S. 9–24, hier S. 11. C, Marie-Thérèse, S. 217: »On dira que les débats pour savoir qui aura l’honneur de passer la serviette ou la chemise à la reine, de recevoir le serment de ses officiers, de la servir à table et de monter dans son carrosse, ne sont que vétilles sans autre intérêt que domestique. Il n’en est rien. Ces dames ne se chamaillent pas pour le pur plaisir de passer les plats. C’est leur statut à la cour qui est en jeu. L’étiquette est le reflet de leur

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3. Hofstaat und Hofhaltung

den Streit beizulegen, erließ Ludwig XIV. einen Beschluss, aus dem hervorging, dass etwa die Erstellung der Personallisten von beiden Amtsträgerinnen auszuführen sei664 . Dazu Mme de Motteville: Le Roi, dont les intentions étoient droites, ayant écouté les raisons de part & d’autre, regla les Fonctions de la Sur-Intendante & de la Dame d’Honneur. Il donna à la premiere les Honneurs de presenter la Serviette, de tenir la Pelotte, & de donner la Chemise, avec le Commandement dans la Chambre; & les Sermen[t]s, & tout le reste, à la Dame d’Honneur, c’est-à-dire, servir à Table, la préference dans le Car[r]osse, & préference dans le Logement; bien entendu qu’en l’absence de la Sur-Intendante la Dame d’Honneur feroit toutes les Fonctions ensemble665 .

Da sich der Beschluss Ludwigs XIV. letztlich auch auf die Aufteilung der Amtsbefugnisse stützte, wie sie im Haushalt von Anna von Österreich zwischen den beiden Amtsträgerinnen vorgenommen wurde, kann demnach davon ausgegangen werden, dass das, was Mme de Motteville diesbezüglich berichtet, somit auch zuvor schon Gültigkeit hatte, wie etwa im Fall der Personallisten, die offensichtlich stets im Zuständigkeitsbereich von Oberintendant(in) und Obersthofmeisterin lagen. Auch für die übrigen Aufgaben und Vorrechte gab es demnach Präzedenzfälle. Gleichwohl lässt dies ebenfalls den Rückschluss zu, dass in der Zeit zwischen 1624 und 1661, als die Charge des Oberintendanten im Haushalt der Königin entweder gar nicht oder von einem Mann ausgeübt wurde, bestimmte Privilegien, die mit der Ausübung des Amtes verbunden waren, wie das rituelle Vorrecht, der Königin beim Ankleiden ihr Hemd zu reichen, konsequenterweise gänzlich von der Obersthofmeisterin übernommen wurden666 . Eine geschlechtsspezifische Unterscheidung der Aufgaben war folglich nur auf Tätigkeiten bezogen, die mit der Person, in diesem Fall also konkret mit dem ›Körper‹ der Königin verbunden waren, während die administrativen Aufgaben von der Obersthofmeisterin in Zusammenarbeit mit dem Inhaber der Charge des Oberintendanten ausgeübt wurden, unabhängig davon, ob nun ein Mann oder eine Frau dieses Amt innehatte.

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position sociale et aucune n’est plus élevée que celle de partager l’intimité de la reine et de commander dans sa maison«. Siehe dazu M, Mémoires, Bd. 5, S. 189–195. AN, Mss., K 1712, Nr. 9, Reglement entre la Dame d’honneur Et surIntendante de la maison de la Reine, s.p. M, Mémoires, Bd. 5, S. 194. Vgl. ibid., Bd. 1, S. 163.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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Marie-Catherine de La Rochefoucauld, Baronne de Luguet, Marquise de Senecey, Duchesse de Randan, pair de France (1588–1677)

Mme de Senecey war die Tochter von Jean Louis de La Rochefoucauld, Baron de Luguet und Comte de Randan, und Isabelle de La Rochefoucauld667 . Ihr Vater war Gouverneur und lieutenant général in der Haute- und BasseAuvergne sowie capitaine des cent hommes d’armes des Königs668 . Diese illustre Herkunft, auf die sich Mme de Senecey zeitlebens viel eingebildet hat, war laut Mme de Motteville auch die wesentliche Grundlage für all die ambitionierten Pläne, die sie für sich und ihre Angehörigen ersann: La Marquise de Senecey avoit beaucoup d’esprit, de vertu & de pieté, un cœur fort noble joint à un[e] amitié sincere, & de la chaleur pour les intérêts de ses Amis, mais elle étoit ambitieuse & trop sensible à la grandeur de ses proches: le nom de la Rochefoucault seulement à prononcer lui donnoit une joie extrême[;] son esprit alloit toûjours à l’extrêmité de toutes choses: il étoit plein d’emportement & d’impetueuse variété; de sorte que la moderation n’y avoit pas beaucoup de place: & ses deffauts se mêlent à ses bonnes qualités, on peut dire qu’elle n’étoit pas toute parfaite669 .

Im August 1607 heiratete sie Henri de Bauffremont, Marquis de Senecey, der unter anderem als lieutenant général des Königs in Mâcon, als Gouverneur von Auxonne, als Vogt und Hauptmann von Chalons-sur-Saône, und für fünf Jahre als außerordentlicher Botschafter in Spanien tätig war670 . Letztere Funktion erfüllte er zur vollen Zufriedenheit von Maria von Medici und konnte so die Stellung der Familie am Hofe weiter festigen671 . Mme de Senecey erhielt schließlich am 16. Juli 1625 die Charge der Kammerdame bei Anna von Österreich672 . Sie übte das Amt jedoch nicht sehr lange aus, denn nachdem die bisherige und hoch geachtete Inhaberin, Mme de Lannoy, im September 1626 gestorben war, wurde Mme de Senecey noch im Oktober des gleichen Jahres zu ihrer Nachfolgerin als Obersthofmeisterin 667

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Léopold N, Histoire de Sennecey et de ses seigneurs, Chalon-sur-Saône 1866, S. 472f. Nach dem frühen Tod ihres Vaters erhielt sie im Alter von zwei Jahren den Titel einer Comtesse de Randan. L, Ducs et pairs, S. 854. M, Mémoires, Bd. 1, S. 164. BNF, Mss., Clairambault 1133, Henri de Bauffremont, marquis de Senneçay (s.d.), fol. 32r; Gazette de France, 22. Juli 1633, S. 300; N, Histoire de Sennecey, S. 410, 458–472, 479–482. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Marie-Claire de Bauffremont, die spätere Comtesse de Fleix, sowie Charles-Roger und Jean-Louis de Bauffremont, die beide 1641 in der Schlacht von Sedan fielen. Dadurch starb das Haus Bauffremont-Senecey in direkter Linie aus, sodass die Ländereien infolge der Eheschließung von Marie-Claire an die Familie ihres Mannes fielen. Zu Mme de Fleix siehe M, »Spiritus intus agit«, Bd. 2, S. 513–520. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 5244, Brief v. Maria von Medici an den Marquis de Senecey (03.11.1616), fol. 23r–24r. Siehe auch N, Histoire de Sennecey, S. 468. A, Journal, Bd. 2, S. 37, Eintrag v. 16.07.1625.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

ernannt673 . Das war nicht nur eine große Ehre, sondern auch eine Bestätigung des großen Ansehens ihrer Familie, die sogar mit dem Königshaus verwandt war674 . Bereits zwei ihrer Vorfahren waren einst als Obersthofmeisterinnen tätig gewesen675 . Mme de Senecey konnte sich mehr als ein Jahrzehnt auf ihrem Posten halten. Ihr gutes Verhältnis zur Königin war dem König und auch Richelieu bekannt, die zunächst versuchten, sie mit Gunstbeweisen, allen voran mit Geld für ihre Schulden, auf ihre Seite zu ziehen und so als Informantin zu gewinnen676 . Dieses Vorhaben scheiterte aber, da Mme de Seneceys Loyalität stets größer war677 . Gestützt auf die Aussage eines der Ehrenfräulein der Königin bezichtigte Richelieu Mme de Senecey in einem Brief an den König der Beteiligung an verschiedenen Intrigen (auch gegen Richelieu selbst), was nun ihre Entfernung vom Hofe unerlässlich machen würde678 . Zudem verwies er auf eine mögliche Komplizenschaft Mme de Seneceys beim geheimen Briefwechsel zwischen Anna von Österreich und ihren spanischen Verwandten679 . So musste Mme de Senecey noch im November 1638 ihren Posten zugunsten der Comtesse de Brassac räumen und den Hof verlassen680 . Daher scheint

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G, État de la maison, S. 89, Nr. 3345f. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 1, S. 21. Éléonore de Roye, Comtesse de Roucy, die älteste Tochter von Mme de Seneceys Urgroßmutter väterlicherseits, hatte nämlich Louis I. de Bourbon, Prince de Condé, geheiratet. Dieser war wiederum der jüngere Bruder von Antoine de Bourbon, Duc de Vendôme und König von Navarra, dem Vater des späteren Heinrich IV. Siehe dazu Paul L, Extrait de la généalogie de la maison de Mailly, Paris 1757, S. 21, Anm. c. Ihre Urgroßmutter väterlicherseits, Madeleine de Mailly, Comtesse de Roye, war Obersthofmeisterin von Königin Eleonore von Kastilien, der Gemahlin von Franz I., gewesen. Siehe Mercure galant, August 1680, S. 118f. Und ihre Großmutter väterlicherseits, Fulvia Pic de La Mirandole, Comtesse de Randan, war einst Hofdame und später Obersthofmeisterin von Königin Louise de Lorraine, der Gemahlin Heinrichs III. Siehe Gazette de France, 13. Juni 1643, S. 500; Ghislain T, Louise de Lorraine (1553–1601). L’esprit et la lettre d’une reine de France, Magisterarbeit Universität Paris 4 (1999–2000), in: www.cour-de-france.fr, URL: http://cour-de-france.fr/article1582.html [abgerufen: 15.06.2015], S. 181f., »Annexe 1 – Maison de la Reine«. Im Mercure galant, August 1680, S. 116, heißt es hingegen, die Comtesse de Randan sei Obersthofmeisterin von Maria von Medici gewesen, wobei es sich aber ganz offensichtlich um eine Verwechslung handelt. R, Lettres, Bd. 4, S. 630, Brief v. Richelieu an Ludwig XIII. (17.10.1634). Siehe auch M, Mémoires, Bd. 1, S. 164. R, Lettres, Bd. 6, S. 235f., Brief v. Richelieu an Ludwig XIII. (08.11.1638). Siehe auch Pierre C, Le premier monastère de la Visitation de Paris 1619–1660, in: Revue des études historiques 95 (1929), S. 129–150, hier S. 135–145; K, Strategies of Power, S. 197. Bei dem besagten Ehrenfräulein handelte es sich um Mlle de Chémerault. Siehe Kap. 3.2.1, S. 250, Anm. 308. Siehe R, Mémoires, Bd. 1, S. 37. B, Journal, Bd. 4, S. 288, Eintrag v. November 1638; R, Mémoires, Bd. 1, S. 37. In den Hofstaatslisten erschien dieser Wechsel, zeitlich versetzt, erst 1639/1640. Siehe G, État de la maison, S. 89, Nr. 3347; K, Strategies of Power, S. 197f.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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die Vermutung, Mme de Senecey hätte für Richelieu spioniert, wenig glaubwürdig681 . Als ein weiterer Grund für die Entlassung Mme de Seneceys galt die Schwärmerei Ludwigs XIII. für Mlle de La Fayette, eine Verwandte von Mme de Senecey und Ehrenfräulein der Königin682 . Als sich Mlle de La Fayette nämlich entschloss, ins Kloster zu gehen, machte Ludwig XIII. Mme de Senecey dafür mitverantwortlich683 . Auf die Zuneigung der Königin für Mme de Senecey, die ihr so lange treu gedient hatte, hatte das jedoch keine Auswirkungen684 . Im Gegenteil: Anna von Österreich hielt über ihre Kammerdame Anne Andrieu, Dame de Varennes685 , den Kontakt zu Mme de Senecey, die ihr Exil auf ihrem Landsitz verbrachte, aufrecht686 . Und gleich nach der Übernahme der Regentschaft rief die Königin sie wieder an den Hof zurück und empfing sie mit großer Freude – ein Signal, das die übrigen Höflinge sehr wohl verstanden. Sie machten Mme de Senecey sogleich ihre Aufwartung, auch wenn das Gedränge bisweilen so groß war, dass es selbst Mme de Senecey zu viel wurde687 . Im Rückblick war ihre Verbannung vom Hofe ohnehin als »ungerecht«688 empfunden worden. Die »Gazette de France« pries daher ihre Rückkehr überschwänglich als Eintritt in ein »goldenes Zeitalter«689 . Überdies entsprach Mme de Senecey den Ansprüchen, die auch die Königin zu erfüllen suchte: Frömmigkeit, Tugendhaftigkeit, Wohltätigkeit gegenüber Armen, Bescheidenheit, schlichtes Auftreten – zugleich galt sie als Wächterin über die Einhaltung der Etikette am Hofe690 . Es waren dann 681

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Siehe BNF, Mss., Fonds français 3745, Mescontentement de la Reine Regnante contre Monsieur le Cardinal, fol. 58v. Und selbst falls Mme de Senecey für ihn spioniert haben sollte, hat sie dies dann ja offensichtlich nicht zu seiner Zufriedenheit getan bzw. informierte sie die Königin und sprach mit ihr ab, was sie Richelieu mitteilen sollte. G, État de la maison, S. 93, Nr. 3480. Sie übte das Amt zwischen 1629 und 1638 aus. Vgl. B, Louis XIII, S. 333, Brief v. Ludwig XIII. an Richelieu (27.12.1637): »Le voyage de la Reine chez la Tante [= Mme de Senecey] a été désapprouvé de tout le monde«; M, Mémoires, Bd. 1, S. 76. Richelieu sah in Mlle de La Fayette einen Störfaktor für sein Verhältnis zum König und bemühte sich, den Klostereintritt voranzutreiben. Siehe G, Histoire du règne de Louis XIII, Bd. 3, S. 12f., 101f. M, Mémoires, Bd. 1, S. 164: »Elle étoit très-bien dans l’esprit de la Reine«. Seit 1637 wurde sie als Kammerfrau in den Hofstaatslisten geführt, bei dem üblichen Jahresgehalt von 120 l.t. Diesen Posten bekleidete sie offenbar bis zum Tod der Königin. Siehe BNF, Mss., Clairambault 814, Estat general des officiers de la maison de la feue Reyne (20.06.1666), fol. 84r; G, État de la maison, S. 95, Nr. 3551. AD, Memoires et Documents (France) 833, Brief v. Anne Andrieu an Mme de Senecey (09.04.1639), fol. 95r–96v. M, Mémoires, Bd. 1, S. 133, 162, 165; O, Journal, Bd. 1, S. 59f., Eintrag v. 02.06.1643; P, Lettres, Bd. 1, S. 102, Brief v. Patin an Belin (02.06.1643); S-S, Mémoires, Bd. 4, S. 195. Siehe auch J-F, Herrinnen des Louvre, S. 275. S, Anecdotes du Ministere du Cardinal de Richelieu, S. 372. Gazette de France, 6. Juni 1643, S. 471. M, Mémoires, Bd. 2, S. 30: »Elle étoit dévote; elle avoit beaucoup d’esprit, &

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3. Hofstaat und Hofhaltung

auch diese Eigenschaften, die einen Niederschlag in Claude Decrets Schrift »La vraye vevve, ov l’idee de la perfection en l’estat de vidvité« (1650) fanden, die er Mme de Senecey widmete und in der er sie als Musterbeispiel einer frommen Frau und Witwe pries691 . In einer weiteren Instanz war das natürlich auch ein Lob auf die Königin, die sich mit einer solch herausragenden Person umgab692 . Zugleich wies Decret darauf hin, dass die Ämter, die ihr die Königin übertragen hatte, ein Ausdruck für die Wertschätzung und eine Belohnung für ihre Treue und das in sie gesetzte Vertrauen seien. Gleichwohl war Mme de Senecey keineswegs so selbstlos und unempfänglich für höfische Sinnenfreuden, Ehren und Titel, wie Decret glauben machen wollte: [C]omme elle étoit passionnée, & d’humeur inégale, elle avoit des moments où elle adoroit la faveur, & ses humiliations étoient aussi extrêmes que sa hauteur. J’ai toûjours remarqué en elle, & en beaucoup d’autres, combien le charme de l’ambition a de pouvoir sur nos ames, combien le desir des moindres faveurs qui nous conduisent à quelque élevation, a de pouvoir de nous rabaisser, & combien les agrémen[t]s que cette furieuse passion nous fait trouver dans les caresses des Rois nous sont dangereux: c’est pour cela aussi que nous les devons craindre693 .

Und so forderte Mme de Senecey, nachdem die Königin sie gebeten hatte, an den Hof zurückzukehren, nun beides: ihre alte Charge und das Amt der gouvernante des enfants de France694 . Bereits am 11. Juni 1643, also knapp zwei Wochen nach der Übernahme des Postens der Obersthofmeisterin, trat sie das Amt der Gouvernante an und ersetzte die von Richelieu oktroyierte Inhabe-

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même de belles qualitez qui sembloient l’élever au dessus de son sexe. Sa vertu avoit éclatté par un long veuvage, ayant donné toute sa vie des marques de sa modestie & de l’affection qu’elle avoit eue pour son Mary«. Siehe ibid., Bd. 1, S. 164; M, Lettres, S. 36f., Brief v. Mme de Motteville an Mlle de Montpensier (s.d. [Mai 1660?]). Vgl. N, Histoire de Sennecey, S. 473. D, La vraye vevve: Epistre, s.p. sowie Teil 1, S. 1–7. Ähnlich elogenreich war auch die Beschreibung, die ihr R, Lettres panegyriques, S. 112, zuteil werden ließ. Vgl. B, Herrschaft und Gedächtnis, S. 291–296. Vgl. auch M, Das Porträt des Königs, S. 175–194, hier bes. S. 177. M, Mémoires, Bd. 2, S. 30f. Siehe auch Muze historique, 29. Oktober 1651, Livre II, Lettre XLIII, V. 11f.: »Car, toute dévote qu’elle est, / La Cour extrémement luy plaist«. Vgl. C, Histoire de France, Bd. 1, S. 191, der sie zu Recht als »geschickt« und »ehrgeizig« bezeichnet; N, Histoire de Sennecey, S. 475; S-R T, La jeunesse du grand roi, S. 30. T  R, Les historiettes, Bd. 3, S. 365: »Madame de Senecey fit plus de bruit que toutes les autres ensemble. Elle avoit été assez adroite pour faire accroire à la Reine que ç’avoit été pour l’amour d’elle qu’on l’avoit chassée [. . . ]. On lui destine la place de madame de Lansac, gouvernante du Roi; mais elle [. . . ] dit qu’elle ne reviendroit point si on ne la rétablissoit dans sa charge. [. . . ] [La reine] se résout donc à donner congé à madame de Brassac, en lui disant qu’elle étoit très-contente d’elle, mais que madame de Senecey le vouloit«. Siehe Edme de L C, Mémoires du comte de La Châtre, in: François de Paule de M, Mémoires de Montglat, Bd. 3, Paris 1826, S. 163–256, hier S. 227; M, Mémoires, Bd. 1, S. 162f.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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rin Mme de Lansac695 . In der Ernennungsurkunde wurde neben der großen Bedeutung dieses Postens erneut darauf hingewiesen, dass sich Mme de Senecey diese hohe Ehre nicht zuletzt aufgrund ihrer langen und treuen Dienste verdient habe696 . Mit der Charge als Gouvernante des Königs vollzog Mme de Senecey einen deutlichen Karrieresprung, weil sie Einfluss in einer entscheidenden Entwicklungsphase des jungen Königs ausüben sowie ihre Position am Hofe nachhaltig festigen konnte697 . Zwar erhielt sie ein durchaus üppiges Jahresgehalt von 3600 l.t.698 Aber weitaus bedeutsamer waren die mit dem Amt verbundenen Funktionen. Zum einen im Alltag: Sie schlief im Zimmer des Königs, kontrollierte den Zugang zu ihm, hatte die Oberaufsicht über seinen Haushalt, nahm den Amtseid entgegen und gab die Erstellung der Personal- und Gehaltslisten in Auftrag699 . Zum anderen im Zeremoniell: Sie begleitete den König bei allen offiziellen Anlässen und nahm zum Beispiel bei Audienzen in seinem Namen die Komplimente der Botschafter entgegen700 . Als sie um das Gouvernantenamt ersuchte, konnte (und wollte) sich Mme de Senecey also keineswegs den Überlegungen entziehen, von denen alle Höflinge geleitet wurden, denn dieses Amt stellte eine ungemeine Statusaufwertung dar701 . Symbolisch dafür steht auch ein Gemälde, das sie in den 1640er 695

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Gazette de France, 13. Juni 1643, S. 500. Indem Anna von Österreich dieser Forderung nachkam, setzte sie sich zugleich über ein (höfisches) Gewohnheitsrecht hinweg, denn »par coutume, elle [= die Gouvernante] est inamovible«, zit. n. M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 588. Mme de Senecey übte das Amt bis 1645 aus, als der König in sein 7. Lebensjahr trat und der Wechsel von einem weiblichen hin zu einem ausschließlich von männlichen Erziehern dominierten Umfeld erfolgte. Nun war sie auch wieder in der Lage, ihren Verpflichtungen als Obersthofmeisterin der Königin in vollem Umfang nachzukommen. Siehe Gazette de France, 10. März 1645, S. 168; M, Mémoires, Bd. 1, S. 224. AN, Mss., O1 9, Lettres de prouision de gouuernante du Roy pour Madame de Senecey, fol. 23r. Erneut strömten unzählige Höflinge in ihr Pariser Stadthaus, um ihr Respekt zu zollen, aber auch, um ihre Freundschaft zu suchen und von ihrem Einfluss zu profitieren. Siehe G, Queen and Cardinal, S. 81. Vgl. K, Politische Freundschaft, S. 64f. Der Posten war in der Tat hoch angesehen, weshalb L-G, L’éducation politique, S. 4, zu Recht von einem »poste de confiance« spricht. M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 588, urteilt: »La gouvernante doit veiller sur la vie et sur la santé du futur souverain, former ses inclinations, lui donner les premiers enseignements et lui inculquer les premiers principes. Elle prête serment aux mains du roi [. . . ]. L’usage, c’est que le dauphin l’appelle ›maman‹«. Vgl. Nicolas B, L’Estat de la France, 2 Bde., Paris 1665, Bd. 1, Teil 2, S. 401. Ibid. Vgl. M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 588f. B, L’Estat de la France (1665), Bd. 1, Teil 2, S. 404; BNF, Mss., Fonds français 14119, Traitement fait au Prince Jean Cazimir apres son élargissement du château de Vincennes en 1640 (s.d.), fol. 53r–59v, hier fol. 57v; Mercure françois, Bd. 24 (April 1643), S. 1091; M, Mémoires, Bd. 1, S. 316. M, Les institutions de la France, Teil 2, S. 589: »La gouvernante du dauphin monte de droit dans le carrosse de la reine, a ses grandes entrées chez le roi. Elle est logée

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Jahren für ihr Landhaus in Conflans, nahe Paris, bei dem renommierten Maler Eustache Le Sueur in Auftrag gab und womit sie zugleich ihre Dankbarkeit gegenüber der Königin zum Ausdruck bringen wollte: Der junge König und sein Bruder befinden sich auf einem Streitwagen, der von einer Frau gezogen wird, die als Personifikation des Amtes der Gouvernante zu verstehen ist, während die Königin ihrerseits als Ruhmesgöttin dargestellt wird, die ihnen den Weg weist702 . Um ihre wiedererlangte Stellung am Hofe dauerhaft zu sichern, bedurfte es auch eines einvernehmlichen Verhältnisses zu Mazarin. Zwar war Mme de Senecey skeptisch aufgrund seines Einflusses auf die Königin und die Politik und wies die Königin darauf hin, dass die häufigen Treffen mit ihm als unangemessen betrachtet werden könnten703 . Ohne Zweifel sah sie in ihm einen Konkurrenten. Aber sie begriff sehr schnell, dass es keinen Sinn machte, sich ihm und damit dem Willen der Königin entgegenzustellen. Ihre eigene Verbannung vom Hofe lag nur wenige Jahre zurück und sie musste damit rechnen, dass sich dies wiederholen konnte, sollte sie sich nicht mit Mazarin abfinden704 . Daher arrangierte sie sich mit ihm und hoffte zugleich auf weitere Vorteile, die sich dadurch ergeben könnten705 . Gleichwohl blieb Mazarins Verhältnis ihr gegenüber zwiespältig. So vertraute er ihr etwa 1648 die Erziehung seiner Nichten an, die ein Jahr zuvor nach Frankreich gekommen waren706 . Aber nachdem Mme de Senecey ihrem Neffen, François de Rochechouart, Marquis de Chandenier, Zugang zum Hofe und die Charge eines Gardehauptmanns verschafft hatte, kam es zum Eklat, als sich dieser gegen Mazarin stellte und vom Hof verbannt wurde707 . Da Mazarin Mme de Seneceys Umgang mit seinen Nichten ohnehin missfiel und er vermutete, sie sei an seinem Sturz interessiert, nutzte er diese Gelegenheit, um sie 1649 vom Posten der Gouvernante seiner Nichten wieder zu entfernen708 .

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dans le palais et vit dans l’intimité de la famille royale. Elle reçoit de gros appointements, des pensions, des bijoux«. D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 168. Während der Fronde wurde ihr Haus allerdings geplündert und zerstört und mit ihm auch das Gemälde. Siehe DA, Journal, Bd. 1, S. 152, Eintrag v. 09.02.1649. Vgl. auch M, Mémoires, Bd. 2, S. 486. Siehe auch C, Des carnets, Februar 1855, S. 191; Februar 1856, S. 105–119, hier S. 110. Siehe auch D., Des carnets, Februar 1855, S. 191; Februar 1856, S. 110. R, Mémoires, Bd. 2, S. 199. D-A, Journal, Bd. 1, S. 82, Eintrag v. 31.10.1648; M, Mémoires, Bd. 2, S. 29. Vgl. auch [A], Les Mestiers de la Covr, S. 5; N, Histoire de Sennecey, S. 475. Siehe M, Mémoires, Bd. 2, S. 221–226. Ibid., S. 31. Vgl. C, Mazarin et Colbert, Bd. 1, S. 19.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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Mazarin bekundete zwar sein Bedauern, solche Mittel ergreifen zu müssen, ließ sich aber nicht von ihr umstimmen709 . Nicht viel besser erging es einem ihrer anderen Verwandten, dem Bischof von Limoges, François de La Fayette. Er war 17 Jahre lang Erster Almosenier der Königin und ab 1643 auch Mitglied im Conseil de conscience, aus dem ihn Mazarin verdrängte, weil er ihn als Konkurrenten betrachtete710 . Und obwohl aus einem Schreiben Mazarins an Mme de Senecey aus dem Jahr 1655 hervorgeht, dass sie sich ihm gegenüber loyal gezeigt zu haben schien und er von einem Freundschaftsverhältnis sprach711 , blieb er ihr gegenüber derart misstrauisch, dass er sie sogar ausspionieren ließ, ohne dass ihr aber Verbindungen zu ehemaligen Frondeuren nachgewiesen werden konnten712 . Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sich Mme de Senecey auch um gute Beziehungen zu anderen hochgestellten Personen bemühte wie zum Prince de Condé. In einem Schreiben, in dem sie seine Intervention zugunsten ihres Sohnes erbat, wies sie darauf hin, dass sie schon des Öfteren Unterstützung von ihm empfangen habe und daher weiterhin auf sein Wohlwollen zähle713 . Außerdem pflegte sie verschiedene Netzwerke außerhalb des Hofes, in denen sie selbst als Patronin auftrat, wie in der Auvergne, wo ihr Vater einst als Gouverneur tätig war. Ihr und ihrer Familie war es gelungen, die dort geknüpften Beziehungen gewissermaßen von einer Generation auf die nächste zu ›vererben‹. Durch ihre Stellung bei Hofe, ihre Kontakte in Paris und die Gunst der Königin fiel es ihr leicht, eine stabile und loyale Anhängerschaft in der Provinz zu gewinnen. Das wurde besonders im Zuge einer Rechtsstreitigkeit zwischen ihr und Anne Françoise du Quesnel, Dame de Jonchères, deutlich714 . Du Quesnel behauptete, die rechtmäßige Erbin zweier Ländereien in der Auvergne zu sein, auf die Mme de Senecey aufgrund einer Schenkung Anspruch erhob715 . Abgesehen von den juristischen Feinheiten sind hier vor allem die Vorwürfe gegenüber Mme de Senecey interessant, denn die Gegenseite unterstellte, dass der Prozess trotz rechtlicher Belege und Präzedenzfälle für ähnliche Situationen zu Gunsten von Mme de Senecey entschieden würde, weil sie 709 710 711 712 713 714 715

M, Mémoires, Bd. 2, S. 227; N, Histoire de Sennecey, S. 475. Siehe auch C, Des carnets, Februar 1855, S. 87. D, Anne d’Autriche, S. 299. Vgl. G, État de la maison, S. 96, Nr. 3583. AD, Memoires et Documents (France) 896, Brief v. Mazarin an Mme de Senecey (26.07.1655), fol. 131r. C, Lettres, Bd. 1, S. 381, Brief v. Colbert an Mazarin (01.10.1659). BCH, Mss., Série M, Bd. 10, Brief v. Mme de Senecey an den Prince de Condé (28.10.1636), fol. 396r–397r. Einige Anhaltspunkte in der Schrift deuten darauf hin, dass sich der Rechtsstreit wohl Mitte der 1650er Jahre zugetragen haben muss. [A], Factvm, Pour Dame Anne Françoise du Quesnel Dame de Ioncheres, ayant repris le procez au lieu de Messire Iacques de la Rochefoucault son tuteur, appellante & deffenderesse. Contre Dame Marie Claire de Beaufremont Comtesse de Fleix, ayant aussi repris au lieu de la Dame Marquise de Senecey, intimée & demanderesse, s.l. s.d., S. 1.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

sich beständig als Wohltäterin in der Region sowie als Fürsprecherin von juristischen Belangen der Einwohner an den Pariser Gerichten hervorgetan habe und sich die Menschen dort nunmehr in einer gewissen Dankesschuld befänden716 . Als weiteren Beleg für ihre Patronagepolitik und aktive Beeinflussung des Verfahrens verwies der Autor der Streitschrift darauf, dass sogar ihr Porträt im Rathaus angebracht worden sei717 . Auch in Mâcon gewann sie die Gunst der Einwohner, weil sie dafür sorgte, die Bedrückungen der Stadt durch das nach Italien ziehende Heer zu minimieren, wofür ihr der Stadtrat zum Dank 4000 l.t. schenkte718 . Nicht minder geschickt war sie, wenn es galt, die Zuneigung der Königin für sich auszuspielen. Zum einen betraf das religiöse Belange. Mme de Seneceys Einfluss erschöpfte sich nämlich keineswegs auf die Verteilung von Almosen im Auftrag der Königin719 . Sie galt als erbitterte Gegnerin von Protestantismus und Jansenismus720 . Dank ihrer guten Kontakte war Mme de Senecey stets über den Jansenismus informiert und konnte die Königin auf dem Laufenden halten721 . Mme de Senecey wurde so zu einer wichtigen Ratgeberin der Königin, wenn es um die Unterstützung religiöser Anliegen ging722 . Als sich etwa nach dem Tod des Bischofs von Rodez die finanzielle Situation in dessen Diözese ebenso verschlechterte wie die Moral zahlreicher Geistlicher, wandte sich der Bischof von Cahors in einem mahnenden Brief an Vincent de Paul und ersuchte ihn, sich bei der Königin für einen würdigen Nachfolger in Rodez einzusetzen723 . Wichtig ist in diesem Kontext, dass der Bischof ihn auch bat, sich mit Mme de Senecey in Verbindung zu setzen, die er in dieser Angelegenheit ebenfalls kontaktiert hatte, um sie um ihre Intervention bei der Königin zu ersuchen724 . Zum anderen nutzte Mme de Senecey ihr gutes Verhältnis zur Königin nicht nur, um an prestigeträchtige Ämter zu kommen und Gratifikationen für sich herauszuholen, sondern dachte auch hier weiter, indem sie sich für ihre 716 717 718 719 720

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Ibid., S. 1f., 15. Vgl. K, The Historical Development of Political Clientelism, S. 426. [A], Factvm, S. 15. Vgl. auch K, Hofdamen, S. 195. N, Histoire de Sennecey, S. 478. Ibid., S. 474f. R, Mémoires, Bd. 1, S. 37, 47–50, 64–66, 99, 112, 133, 137; Bd. 3, S. 324. Der Dichter Loret schrieb einmal: »La marquise de Seneçay, / Dame excellente comme on sçay, / Est la capitale ennemie / De secte [= Jansenismus] que je n’aime mie« [Hervorh. im Orig.], zit. n. S-B, Port-Royal, Bd. 3, S. 162, Anm. 1. R, Mémoires, Bd. 3, S. 279. Dies kommt auch auf einer Devise zum Ausdruck: Die pictura zeigt eine Blume, die von einem Händepaar, das aus einer Wolke ragt und einen Krug hält, gewässert wird. Und auf der inscriptio ist zu lesen: »Geminos manus ma rigabit«. Siehe BNF, Mss., Fonds français 5217, Devise de Mme de Senecey (s.d.), fol. 6r. S V  P, Correspondance, Bd. 3, S. 293–295, Brief v. Alain de Solminihac an Vincent de Paul (April 1648). Ibid.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

311

Angehörigen einsetzte725 . So verschaffte sie ihrer Tochter das Privileg, in Gegenwart der Königin auf einem tabouret Platz zu nehmen726 . Mme de Senecey ließ gleichzeitig nichts unversucht, dieses Vorrecht auch für sich zu beanspruchen, womit sie aber scheiterte, weil sie (noch) über keinen entsprechenden Herzogstitel verfügte bzw. im Gegensatz zu ihrer Tochter diesen auch nicht indirekt über die Verwandtschaft ihres Gemahls einfordern konnte727 . Ein weiterer Erfolg war ihr 1655 beschieden, als sie für ihre Tochter die survivance für die Charge der Obersthofmeisterin sichern konnte (allerdings erhielt diese kein gesondertes Gehalt)728 . Das war ein kluger Schachzug. In Anbetracht der Tatsache, dass sich Mme de Senecey in den folgenden Jahren aus gesundheitlichen Gründen immer mehr ins Privatleben zurückzog, stellte ihre Tochter weiterhin eine direkte Verbindung zur Monarchin dar. Mme de Senecey war dann zwar noch bei wichtigen Anlässen präsent, wie etwa 1651 bei der Volljährigkeitserklärung Ludwigs XIV729 . Und noch 1653 unterzeichnete sie die Abrechnungsbelege für den Haushalt der Königin730 . Aber spätestens ab Mitte der 1650 Jahre ließ sie sich immer öfter und schließlich dauerhaft von ihrer Tochter vertreten731 . Gleichwohl nahm sie nach wie vor eine geachtete und einflussreiche Stellung am Hofe ein. Dabei war ihr Einfluss nicht weniger maßgebend als ihre moralische Integrität, aufgrund derer sie mitunter auch Beratungsfunktionen erfüllte. So war sie zu Beginn der 1660er

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BNF, Mss., Mélanges Colbert 319, Officiers des Maisons de la Reyne de Monseigneur Le Dauphin & de Monsieur (s.d.), fol. 6v–7r: 3000 l.t. (1644), 4000 l.t. (1648); BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 37v: 6000 l.t. (1653). BNF, Mss., Clairambault 718, Élégie sur la jalousie des culs de la cour, S. 159; BNF, Mss., Fonds français 4222, Acte portant que Madame la Comtesse de Fle[i]x continûera sa seance sur vn Tabouret en presence de la Reyne, nonobst[ant] le breuet de reuocation du x.e octobre 1649 (22.11.1649), fol. 124r–125r; D-A, Journal, Bd. 1, S. 82, Eintrag v. 31.10.1648; S. 189, Eintrag v. 12.10.1649; M, Mémoires, Bd. 2, S. 414–416; Bd. 3, S. 257–294. Siehe auch BNF, Mss., Fonds français 12617, Recueil de chansons, Bd. 2, S. 420: »Faire la Maitresse d’Ecole, / Sur une esperance frivolle, / De voir sa fille au Tabouret / Luy faire oublier sa naissance, / Jouer toujours bien son rolet / Honny soit il, qui mal y pense«. Vgl. dazu BNF, Mss., Clairambault 718, Epigramme sur le mesme sujet (1649), S. 159; N, Histoire de Sennecey, S. 475f. M, Mémoires, Bd. 2, S. 418. Ibid., Bd. 4, S. 484f.; Muze historique, 6. November 1655, Livre VI, Lettre XLIV, V. 34–42. Den Eid legte Mme de Fleix aber erst im folgenden Jahr ab. Siehe Muze royale, 3. Januar 1656, S. 3. M, Mémoires, Bd. 4, S. 289. BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 29v–30v. Mercure galant, August 1680, S. 120. Vgl. auch M, Mémoires, Bd. 4, S. 373, 403. Dass Mme de Fleix tatsächlich bis 1666 die Aufgaben der Obersthofmeisterin wahrnahm, wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass sie und nicht ihre Mutter nach dem Tod der Königin die Schlüssel für deren Gemächer in einem symbolischen Akt dem König überreichte. Siehe M, Mémoires, Bd. 4, S. 28.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Jahre an der Auswahl eines der Ehrenfräulein beteiligt, die der Mutter von Karl II., die bereits 1660 nach England zurückgekehrt war, folgen sollten732 . Als sich 1661 abzuzeichnen begann, dass Mazarin bald sterben und die Charge des Oberintendanten im Haushalt der Königin nun frei würde, machte sich Mme de Senecey offensichtlich Hoffnungen, ihrer Tochter auch diesen Posten verschaffen zu können. Mazarin hatte aber bekanntlich eine seiner Nichten dafür vorgesehen, sodass Anna von Österreich als Kompensation für die ›verlorene‹ Charge den König dazu brachte, Mme de Seneceys Grafschaft Randan zur Duché-Pairie zu erheben, was dieser das Recht gab, den Herzogstitel zu führen und in Gegenwart der Königin auf einem tabouret Platz zu nehmen733 . Der König war schnell überzeugt, hatte er doch den tadellosen Lebenswandel und die Leistungen von Mme de Senecey im Zuge ihrer Tätigkeit als seine Gouvernante und Obersthofmeisterin seiner Mutter aus der Nähe erlebt. In den lettres patentes zur Übertragung der Duché-Pairie ist denn auch zu lesen, dass sie diese Ehre nicht nur verdienen würde, par les services extraordinaires qu’elle a rendus depuis trente-six ans en [la] charge [de dame d’honneur d’Anne d’Autriche], des grâces et des récompenses singulières, mais aussi pour ceux que [le roi a] recus d’elle pendant [son] enfance en [sa] propre personne, de laquelle elle avait alors le gouvernement et le soin, et dont il [. . . ] demeure [au roi] une entière satisfaction, sa naissance, ses alliances, sa piété, sa fermeté d’esprit, son habileté et toutes les autres rares qualitez qu’elle possède augmentan[t]s de beaucoup le poids et le mérite de ses services734 .

Für die Amtsträgerinnen galt letztlich das, was auch für ihre männlichen Kollegen galt: War von ihnen die Rede, wurden ihre Namen stets im selben Atemzug mit ihren Ämtern genannt, die sie ausgeführt hatten oder zum Zeitpunkt der Nennung noch ausübten. Das hohe Prestige, das ein Hofamt mit sich brachte, war folglich für Männer und Frauen gleichermaßen konstitutiv. Im Übrigen konnte Mme de Senecey von der Zuneigung des Königs profitieren, indem sie ihn bat, den Titel eines Duc de Randan auf ihren Enkel JeanBaptiste Gaston de Foix-Candale, den ältesten Sohn ihrer Tochter, übertragen zu lassen, um diesen dauerhaft für die Familie zu sichern735 . Nachdem dieser aber 1665 gestorben war, bekundeten der König und sein Bruder Mme de Senecey erneut ihre Gunst durch die Kondolenzbesuche, die sie ihr abstatteten736 . Da der Herzogstitel nun wieder an Mme de Senecey zurückgefallen

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BNF, Mss., Mélanges Colbert 109bis , Brief v. Jacques Tubeuf an Colbert (15.07.1662), fol. 823r; P, Lettres, Bd. 2, S. 470, Brief v. Patin an Charles Spon (14.07.1662). M, Mémoires, Bd. 5, S. 146f. Zit. n. L, Ducs et pairs, S. 855, Anm. 3. Siehe ibid., S. 601; N, Histoire de Sennecey, S. 485. Gazette de France, 19. Dezember 1665, S. 1233; L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 20. Dezember 1665, Sp. 506, V. 221–224. Vgl. Gazette de France, 15. Mai 1677, S. 396.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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war, übertrug sie ihn bereits 1666 ihrem zweiten Enkelsohn, Henri François de Foix-Candale737 . Mme de Senecey war inzwischen gesundheitlich sehr angeschlagen. Nachdem sie 1664 ernsthaft erkrankt war, rechneten viele mit ihrem Ableben738 . Sie erholte sich jedoch wieder und widmete sich fortan verstärkt religiösen und karitativen Belangen739 . Ihre Pflichten als Obersthofmeisterin übte sie erst wieder anlässlich des Todes der Königin aus, als sie zusammen mit ihrer Tochter den Leichnam vorbereitete und half, ihn in den Sarg zu legen740 . Außerdem nahm sie an der Totenwache im Louvre teil741 . Die Organisation der Trauerfeierlichkeiten selbst überließ sie hingegen wieder ganz ihrer Tochter742 . Und auch bei der Überführung des Leichnams nach Saint-Denis und dem dortigen Gottesdienst ließ sie sich offenbar von ihr vertreten; während nämlich Mme de Fleix’ Teilnahme ausdrücklich Erwähnung fand, ist Mme de Seneceys Präsenz nicht mehr belegt743 . Die Königin hatte ihrer treuen Gefährtin auch noch einmal testamentarisch ihre Zuneigung bekundet744 . Mme de Senecey erbte unter anderem 30 000 l.t. und das blaue Kissen aus Velours, auf dem die Königin in der Stunde ihres Todes ruhte, sowie Möbel und weitere Accessoires im Wert von 18 628 l.t.745 Mit dem Tod ihrer Gönnerin zog sich Mme de Senecey endgültig aus dem Gesellschaftsleben zurück, sodass nun auch der Einsatz für den guten und wahren Glauben am Hof zunehmend an Bedeutung verlor und die jansenistischen Tendenzen wieder stärker Fuss fassten746 . Sie starb hochbetagt und geachtet in ihrem Haus in Paris am 10. Mai 1677747 .

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Siehe L, Ducs et pairs, S. 602. Muze historique, 22. März 1664, Livre XV, Lettre XII, V. 73–100. Gazette de France, 15. Mai 1677, S. 396. R, Lettre en vers à Madame, 31. Januar 1666, Sp. 668, V. 51–55. L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 31. Januar 1666, Sp. 662, V. 81–84. AN, Mss., K 118, Nr. 131/2, Ordre de Louis XIV concernant les obsèques d’Anne d’Autriche (26.01.1666), s.p. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 5, S. 488. BNF, Mss., Fonds français 16633, Pompes fvnebres d’Anne d’Autriche, fol. 14r, 23r; R, Lettre en vers à Madame, 7. Februar 1666, Sp. 684, V. 215–217. Vgl. Muze historique, 22. März 1664, Livre XV, Lettre XII, V. 101f.: »Car je sçay de la Renommée / Qu’elle est dans la Cour fort aimée«. BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament d’Anne d’Autriche, fol. 242r; Emmanuel Henri G (Hg.), Inventaire après décès de la reine Anne d’Autriche (1666), in: Bulletin de la Société de l’histoire de Paris et de l’Île-de-France 18 (1891), S. 175–186, sowie ibid. 19 (1892), S. 7–27, hier S. 9; B, La reine de France, S. 506. R, Mémoires, Bd. 3, S. 408, 429f., hier bes. S. 429: »[A]près la mort de la reine-mère et après la retraite de la duchesse de Senecey, l’intérêt de la bonne doctrine fut presque abandonné«. Siehe auch M, Les précieuses, S. 514f. Gazette de France, 15. Mai 1677, S. 396: »Leurs Majestez l’ont honorée d’vne estime, d’vne bien veillance & d’vne considération tres-particuliére [sic]«.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

3.3.4 »Grand aumônier« Diese Charge wurde 1496 geschaffen und diente wie die des Oberstallmeisters dazu, den Haushalt der Königin weiter aufzuwerten748 . Der Großalmosenier legte bei Amtsantritt den Eid bei der Königin ab und nahm seinerseits von den übrigen geistlichen Amtsträgern den Eid entgegen749 . Zudem verwaltete er die Ausgaben für die Kapelle der Königin und verteilte in ihrem Auftrag ebenfalls Almosen, für die es keinen festen Fonds gab750 . Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben verfügte er über einen Sekretär, der auch bei der Vereidigung des Personals zugegen war751 . Der Großalmosenier erfüllte vor allem zwei wesentliche Aufgaben: Einerseits stand er der Königin im Alltag als Ratgeber zur Seite, sei es in religiösen Belangen wie dem Umgang mit der Kurie in Rom, oder in karitativen Angelegenheiten wie den Wohltaten gegenüber Kirchen und Klöstern. Andererseits sprach er Gebete mit ihr, zelebrierte Messen am Hof und nahm bei besonderen Anlässen, wie Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungsfeierlichkeiten, zeremonielle Funktionen wahr752 . Zur Ausübung seiner Tätigkeit war allerdings keine ständige Präsenz erforderlich753 . Das wäre auch gar nicht möglich gewesen, da der Inhaber dieser Charge stets als Bischof oder Erzbischof einer Diözese vorstand und sich auch um die dortigen Interessen kümmern musste. Im Falle der Abwesenheit ließ er sich deshalb stets vom Ersten Almosenier vertreten. Augustin Potier de Blancmesnil, Bischof von Beauvais (1591–1650)

Die Familie Potier war durch verschiedene Ämter in der Verwaltung und im geistlichen Stand vertreten754 . Augustin Potier erhielt bereits 1594 den Posten eines Kanonikus in der Diözese von Beauvais, wo sein Bruder René Bischof 748

749 750 751 752

753 754

 K, The Household of the Queen of France, S. 18. Im Haushalt des Königs gab es die Charge des Großalmoseniers schon im Mittelalter. Vgl. auch B, La reine de France, S. 222, die irrtümlich meint, der Posten sei erst unter Maria von Medici geschaffen worden. Vgl. R, Mémoires, Bd. 2, S. 134. Siehe auch Dictionnaire de l’Académie françoise, Bd. 1, S. 70, (Art.) »Aumosnier«; B, L’Estat de la France (1661), S. 46. B, La reine de France, S. 222. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 5, S. 450. Vgl. BNF, Mss., Fonds français 16633, Des fonctions des Euesques, officians aux seruices des Pompes funebres des Roys et des Reynes (s.d.), fol. 326v–336v, hier fol. 326v–327r. Dabei wurde er in der Regel von vier weiteren Bischöfen unterstützt: Die beiden ältesten assistierten dem Großalmosenier, während die beiden anderen die Funktionen eines Diakons und Subdiakons übernahmen. Vgl. Fernand Potier de L M, Augustin Potier, Évêque et comte de Beauvais, pair de France, Paris 1902, S. 115. Augustin Potiers Vater, Nicolas Potier, war etwa als Kanzler im Haushalt von Maria von Medici tätig gewesen. Siehe G, État de la maison, S. 67, Nr. 2642. Ein Nachfahre Augustin Potiers widmete ihm ein Buch, das allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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war755 ; im Jahr 1608 war Augustin Potier bereits Stadtrat in Paris und ein Jahr nach dem Tod seines Bruders trat er dessen Nachfolge als Bischof an756 . Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hat sich Augustin Potier in seiner Diözese sehr engagiert und versucht, das Elend zu lindern, von dem das Bistum Beauvais infolge der zahlreichen Kriege stark betroffen war757 . Die Charge als Großalmosenier bei Anna von Österreich erhielt er 1624758 . Zusätzlich zu seinem Gehalt bekam er noch eine Pension, die sich auf 3600 l.t. pro Jahr summierte759 . Angeblich ließ ihn Richelieu nur deshalb im Amt, weil er ihn so gering schätzte und für völlig unfähig hielt, eine echte Gefahr darzustellen760 . Potiers Einfluss schien allerdings mit der Regentschaftsübernahme zu wachsen. Da er »Klient und Vertrauter«761 der Königin war, wie es ein venezianischer Gesandter formulierte, war seine Berufung in den Staatsrat keine Überraschung762 . Dabei kam es ihm zugute, dass er über viele Kontakte zum Pariser Gerichtshof verfügte763 . Viele gingen davon aus, so auch Potier selbst, dass er zum Ersten Minister ernannt werden würde und Richelieus Politik rückgängig machen könnte – nicht wenige sahen darum in ihm einen »Konkurrenten«764 Mazarins. Allerdings gab es zwei Hindernisse: Zum einen beabsichtigte die Königin nicht, politisch umzuschwenken; und zum anderen war auch sie sich Potiers politischer Unfähigkeit bewusst765 . Weni-

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behandeln ist, da der Autor äußerst parteiisch zugunsten seines Ahnen auftritt. Siehe L M, Augustin Potier, S. 168. Laut L M, Augustin Potier, S. 104, war er ebenfalls Kanzler bei Maria von Medici; bei G, État de la maison, findet sich zwar kein entsprechender Eintrag, was eine Anstellung aber nicht ausschließen muss. L M, Augustin Potier, S. 9. Jean B, (Art.) »2. Beauvais (Diocèse)«, in: Alfred B u. a. (Hg.), Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques, 31 Bde., Louvain, Paris 1912–2011, Bd. 7, Sp. 289. Potier förderte z. B. talentierte Kinder, indem er ihnen aus eigenen Mitteln eine literarische Ausbildung ermöglichte, die sie zu einem späteren Dienst in der Kirche befähigen sollte. Siehe L M, Augustin Potier, S. 24–26, 31, 49f. G, État de la maison, S. 96, Nr. 3579. L M, Augustin Potier, S. 39, Anm. 2. Siehe L R, Mémoires, Bd. 1, S. 179. G, Compendio dei dispacci di Francia di Girolamo, S. 387. Siehe auch C, Des carnets, Oktober 1854, S. 612. B, Mémoires de Louis-Henri, Bd. 1, S. 74: »La Régence fut déférée à la Reine par les suffrages unanimes du Parlement de Paris, où l’évêque de Beauvais, son principal ministre alors, avoit beaucoup de parents et d’amis. C’est l’unique service que ce bon et vertueux prélat rendit à sa maîtresse«. Siehe ibid., S. 92f., 275–277; J, Mémoires, S. 7: »[Potier] à qui elle [= die Königin] avoit de grandes obligations, et qui étoit au moins un homme de bien«. C, N, Mémoires, S. 41. Vgl. M, Mémoires, Bd. 1, S. 130, 199f. B, Mémoires d’Henri-Auguste, Bd. 2, S. 101f.: »Ce prélat étoit un homme de bonnes mœurs, et propre à conduire un diocèse; mais il n’entendoit rien aux affaires d’Etat: et l’on peut juger de l’étendue de son esprit sur ce qu’il s’étoit vanté qu’il viendroit à bout de ces affaires aussi facilement que de gouverner ses curés«; B, Mémoires

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3. Hofstaat und Hofhaltung

ger diplomatisch war Kardinal de Retz, der Potier unumwunden einen Idioten nannte766 . Obwohl die Königin Potier schätzte und ihm vertraute, konnte sie als Regentin keine Rücksicht darauf nehmen. Als Erster Minister kam er nicht in Betracht767 : [Potier] avoit eu d’abord la nomination au Cardinalat, & parloit aux Ministres avec une hauteur qui marquoit son peu de genie. Il croyoit même se servir du Cardinal Mazarin comme d’un Commis; mais bien-tôt la Reine connut son incapacité pour les af[f]aires d’Etat, & l’envoya gouverner son Diocese: il étoit hom[m]e de bien. Elle avoit don[n]é toute sa confiance au Cardinal Mazarin, en disant que le feu Roi lui avoit recom[m]andé de se servir de lui, & qu’étant Etranger, & depuis lon[g]-tem[p]s at[t]aché à la France, il n’y avoit rien à craindre de son ministère768 .

Trotzdem blieb Anna von Österreich Potier vorerst gewogen. So berief sie ihn auch in den Conseil de conscience769 . Als Zeichen des Dankes für seine stetige Unterstützung und Loyalität in den schwierigen Zeiten vor der Regentschaft wollte sie ihm die Kardinalswürde verschaffen770 . Das war weder unüblich noch ein überaus großer Gunstbeweis. Tatsächlich setzte sie sich bei Geistlichen aus ihrem Haushalt häufig für solche Beförderungen ein771 . Urban VIII. war dem Ansinnen auch nicht abgeneigt, aber Mazarin, der in Potier einen potentiellen Rivalen sah, nutzte seine Kontakte zur Familie Barberini und zögerte eine Entscheidung hinaus772 . In Anbetracht der zahlreichen Eingaben, die sie und der König inzwischen beim Papst schon hatten, war die Königin darüber äußerst verärgert773 .

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de Louis-Henri, Bd. 1, S. 74: »[D]ans peu de temps son insuffisance lui fit perdre le rang qu’il occupa quelque temps«; C, N, Mémoires, S. 43: »[L’]évêque de Beauvois [sic] n’avoit point les talents nécessaires pour gouverner un État«; G, Mémoires, S. 59f.; L C, Mémoires, S. 202. Siehe auch René K, Le chancelier Pierre Séguier, second protecteur de l’Académie française. Études sur sa vie privée, politique et littéraire, et sur le groupe académique de ses familiers et commensaux, Paris 1874, S. 128. R, Mémoires, S. 58: »[P]lus idiot que tous les idiots«. Siehe C, Histoire de France, Bd. 1, S. 68; C, Des carnets, Januar 1856, S. 57f. Da die Entscheidung aber zunächst noch ausstand, glaubten viele an seine große Zukunft. Vgl. auch L M, Augustin Potier, S. 40, 163–165, 192f. C, Histoire de l’Église, Bd. 10, S. 394. Gazette de France, 6. Juni 1643, S. 471f. Siehe auch C, Des carnets, Januar 1855, S. 20. François Annibal d’E, Mémoires du maréchal d’Estrées sur la régence de Marie de Médicis (1610–1616) et sur celle d’Anne d’Autriche (1643–1650), hg. v. Paul B, Paris 1910, S. 184; M, Mémoires, Bd. 1, S. 138. Siehe auch L M, Augustin Potier, S. 180–182. Joseph A. B, Crown, Church and Episcopate under Louis XIV, London, New Haven 2004, S. 264. Vgl. C, Histoire de France, Bd. 1, S. 143f.; L M, Augustin Potier, S. 167–171, 235, 253; R, Mémoires, Bd. 2, S. 238. Zu den Empfehlungsschreiben siehe L M, Augustin Potier, S. 180–182, 236–243, 254–257. Darin wurden Potiers charakterliche, theologische und administrative Fähigkeiten herausgestellt.

3.3 Von Klienten und Karrieren: Macht und Einfluss der Amtsträger

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Wie sich gezeigt hat, stand auch Mme de Senecey Mazarin und seinem wachsenden Einfluss zunächst skeptisch gegenüber. Potier versuchte deshalb, sie auf seine Seite zu ziehen und dazu zu bringen, auf die Königin einzuwirken, Mazarin seltener zu empfangen774 . Seine Wahl fiel auf sie, weil er um ihre Gunst bei der Königin wusste und davon ausging, dass sie aufgrund ihrer Frömmigkeit daran interessiert sein würde, die Privatgespräche zwischen der Königin und Mazarin, die Anlass zu Gerüchten gaben, zu unterbinden und ihn vom Hofe zu vertreiben. Mme de Senecey hütete sich jedoch davor, gegen Mazarin zu opponieren, und arrangierte sich mit ihm. Potier konnte auch nicht auf die Unterstützung anderer Hofdamen zählen, waren diese doch Parteigänger Mazarins geworden oder hielten sich aus Sorge vor ihrer eigenen Zukunft ebenfalls zurück. Der Königin entging Potiers Vorgehen natürlich nicht, aber sie wartete zunächst noch ab und bekundete ihm gegenüber weiterhin öffentlich ihr Wohlwollen775 . Im Sommer 1643 zog sich Potier für einige Zeit in seine Diözese zurück, was sich als nachteilig erweisen sollte. Inzwischen hatte Mazarin weiter Fuß fassen können – und bestärkte die Königin in ihrer Meinung über Potiers Unfähigkeit776 . Es kristallisierte sich heraus, dass Mazarin der Favorit der Königin werden würde – und auch der Kompetentere von beiden war777 . Anna von Österreich hatte ihre Wahl bezüglich des Ersten Ministers getroffen. Das bedeutete aber nicht, dass Potier nun in Ungnade gefallen wäre. Im Gegenteil: Die Königin bemühte sich weiter um seine Kardinalswürde778 . Doch Mazarin blieb nicht untätig und vereitelte dieses Vorhaben erneut; seinem Freund und Vertrauten, dem päpstlichen Nuntius in Frankreich, Kardinal Alessandro Bichi, schrieb er: J’ai bien réfléchi à tout ce que Votre Éminence m’a écrit sur le sujet de M. de Beauvais, et, voyant que, malgré les avances que je lui ai faites pour obtenir son amitié et son affection et malgré les ordres réitérés que lui a données la reine de vivre bien avec moi, il fait tout le contraire et en termes pleins de malignité qui découlent de la croyance que j’occupe sa place et qu’il est le seul capable de bien gouverner ce royaume, j’ai été forcé de changer de manière d’être avec lui et de ne pas détromper la reine quand elle m’a fait des plaintes sur ledit évêque et qu’elle m’a déclaré qu’elle trouve bien différent de ce qu’elle l’avait cru779 .

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C, Des carnets, Januar 1855, S. 30; L M, Augustin Potier, S. 233f. L M, Augustin Potier, S. 235. Ibid., S. 243–247, 265–267. M, Mémoires, Bd. 1, S. 198: »[Potier] ne put pas tenir contre un Competiteur aussi puissant que l’étoit le Cardinal Mazarin. Le Chapeau, qu’on avoit demandé pour lui, fut contremandé; & il parut quitter la Cour sans regret, pour aller dans son Evêché de Beauvais la faire à un meilleur maitre que les plus grands & les meilleurs Rois du Monde ne le peuvent être, où il a vêcu sainement le reste de sa vie. Ce prélat étoit si peu habile, qu’il fut aisé à ses Ennemis de lui faire perdre l’estime de la Reine«. Siehe L M, Augustin Potier, S. 268. Zit. n. ibid., S. 275, Brief v. Mazarin an Kardinal Alessandro Bicchi (s.d.).

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Infolge dieser Entwicklungen schloss sich Potier Mazarins Gegnern an. Über seine Verstrickung in die »cabale des importants« zum Sturz Mazarins konnte und wollte die Königin dann allerdings nicht mehr hinwegsehen780 . Wäre sie ihm vorher schon nicht mehr gewogen gewesen, hätte sie sich wohl kaum immer wieder für seine Ernennung zum Kardinal eingesetzt – ihr also einfach nur Undankbarkeit zu unterstellen, wäre falsch. Aber, hier ist Fernand Potier de La Morandière durchaus zuzustimmen, Potiers offene Kritik an Mazarin und die schon erwähnten mehr oder weniger deutlichen Vorhaltungen gegenüber der Königin wegen ihrer häufigen privaten Unterredungen mit ihm taten ihr Übriges781 . Deshalb forderte die Königin Potier auf, den Hof zu verlassen und sich in seine Diözese zurückzuziehen782 . Sie wollte unbedingt weitere Unruhe am Hofe vermeiden783 . Die Verärgerung der Königin über Potiers Verhalten machte aber nicht bei der Verbannung vom Hofe halt. Nun setzte sie sich ihrerseits dafür ein, Potiers Ernennung zum Kardinal zu verhindern. Es wäre daher zu kurzsichtig, dahinter allein Mazarins Intrigenspiel zu sehen784 . Wenn beispielsweise Mme de Motteville Potier trotz allem in Schutz nahm, lag das vor allem an ihrer Abneigung gegenüber Mazarin785 . Die Königin ging gegen Potier vor, weil sie sich gleichermaßen als Patronin von ihrem Klienten und als Herrin von ihrem Amtsträger durch dessen illoyales und undankbares Verhalten getäuscht sah: [J]e ne veux plus que l’évesque de Beauvais soit honoré du cardinalat pour les raisons contenues en miennes de diverses dattes. Je me suis assez expliquée du subject qu’il m’a donné de changer la bonne volonté que j’avois eue pour luy, et il m’a esté sensible de m’estre mescontée comme j’avais faict. Car je n’ay point trouvé en luy aucune des choses que je m’étois imaginées. Mais j’ay ceste satisfaction d’avoir bientost réparé le mal que j’avois peu faire en l’eslevant et que l’Estat n’en a point pâty786 .

Für Potier spielte dies alles längst keine Rolle mehr. Gemäß der Anordnung der Königin hatte er den Hof verlassen. Er behielt aber seine Charge als Großalmosenier. Womöglich war dies, trotz allem, ein letztes Zugeständnis an seine 780 781 782 783

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Es besteht – trotz aller Beschönigungen seitens Fernand Potier de La Morandières – kein Zweifel daran, dass Potier in die Kabale verwickelt war. Siehe ibid., S. 287–289. Ibid., S. 290. Gazette de France, 12. September 1643, S. 796. Vgl. auch L M, Augustin Potier, S. 283–285. Ibid., S. 286, Brief v. Henri-Auguste de Loménie, Comte de Brienne, an M. de Meulles (12.09.1643): »[L]a reyne a mis ordre aux brouilleries de la cour, par la détention de M. le duc de Beaufort et par l’esloignement de M. l’évesque de Beauvais et de plusieurs autres qui avoient voulu se mesler de quelques intrigues que Sa Majesté a cogneuses préjudiciables à l’auctorité du roy et la sienne«. Siehe auch ibid., S. 287, Brief v. HenriAuguste de Loménie, Comte de Brienne, an M. des Hameaux (15.09.1643). Siehe ibid., S. 303f. Das übersah Potier de La Morandière, ibid., S. 312f. Siehe M, Mémoires, Bd. 1, S. 198. Zit. n. L M, Augustin Potier, S. 303, Brief v. Anna von Österreich an den Marquis de Fontenay (02.10.1643).

3.4 Resümee: Eine für alle und alle für eine

319

früheren Dienste. Zurück in seinem Bistum, widmete er sich wieder ganz seinen diözesalen Aufgaben787 . Sein Eifer schwächte ihn jedoch bereits 1645 so sehr, dass er seine Räume im bischöflichen Palais kaum noch verlassen konnte und von dort aus alle notwendigen Anweisungen erteilte788 . Auch die einst so gute Beziehung zur Krone schien nicht völlig abgebrochen zu sein. Sei es nun, dass er die Königin durch sein Verhalten bei der Leitung seiner Diözese beeindrucken konnte, oder sei es, dass er als Oppositionskraft keinerlei Rolle mehr spielte – wenige Monate vor seinem Tod hatte er jedenfalls die Genugtuung, dass sein Neffe, Nicolas Choart de Buzenval789 , zu seinem Nachfolger ernannt wurde und das Bistum Beauvais für die Familie Potier vorerst für eine weitere Generation gesichert war790 . Augustin Potier starb am 20. Juni 1650791 . In den folgenden Nachrufen wurde er im Wesentlichen zu Recht als vorbildlicher Bischof gepriesen, der seine Aufgaben stets ernst genommen habe – seine politische Unfähigkeit, seine gescheiterten Ambitionen und Intrigen gegen Mazarin waren nunmehr gänzlich bedeutungslos geworden792 .

3.4 Resümee: Eine für alle und alle für eine Le Soleil Habitan[t]s des Climats que ma lumiere fuit Tristes Victimes de la nuit Vous vous trouvez enfin à port de ma Carriere Sur vos testes enfin mon jour s’est répandu. Le bien en est plus grand, la joye plus entiere De ce que vous m’auez plus long-temps attendu793 .

Es ist deutlich geworden, dass der Hof für Anna von Österreichs Patronagepolitik nicht nur als Macht-, Entscheidungs- und Informationszentrum eine tra787

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793

Er nahm etliche Visitationen vor, kümmerte sich um die Armenfürsorge, gründete und förderte ein Priesterseminar sowie ein Krankenhaus. Er sorgte für die Instandhaltung von Kirchen sowie für die Reformierung und Neuordnung einiger Abteien. Siehe ibid., S. 320–341. Ibid., S. 332, 342. Seine Mutter, Madeleine Potier de Blancmesnil, war die Schwester von Augustin Potier. Als sein Onkel 1643 den Hof verlassen musste, bedeutete das auch das vorzeitige Aus von Nicolas’ Karriere, der gleichzeitig seinen Posten als Requetenmeister räumen musste. Ibid., S. 355f. Ibid., S. 356. Zu seinem Testament vom 27. September 1647 siehe ibid., S. 343–347. Gazette de France, 29. Juni 1650, S. 807: »La semaine passée, Messire Augustin Potier, évesque et comte de cette ville, mourut en son château de Bresles, fort regretté de ceux qui connaissoient les grands mérites de ce prélat, dont le corps ayant esté icy [= in Beauvais] apporté, a esté enterré dans nostre église cathédrale de Saint-Pierre«. Siehe auch L M, Augustin Potier, S. 355–363. C, Devises, S. 36.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

gende Rolle spielte. Mit ihr an der Spitze stellte er auch ganz grundsätzlich eine wichtige »Kontaktzone« dar, in der Höflinge und Amtsträger zusammentrafen und dabei einer ritualisierten Rhetorik und Etikette sowie klar definierten Verhaltensweisen folgten, mit deren Hilfe sie ihre Zugehörigkeit zum höfischen Milieu zum Ausdruck brachten, Kontakte zu gleich- und höhergestellten Personen und Personengruppen herstellten bzw. pflegten, um auf diese Weise am höfischen Patronagesystem zu partizipieren und entsprechend davon zu profitieren794 . Die Bedeutung des normativen Kodex, der ja auch von der Königin selbst stetig kultiviert und verfeinert wurde, bestand darin, dass er jedem eine geeignete Kommunikations- und Reaktionsgrundlage lieferte, um am Hofe und in ihrem Haushalt zu bestehen und auch Gehör zu finden795 . Mit der Regentschaft war es der Königin überhaupt erstmals möglich, selbstbestimmt über das Hofleben und ihren Haushalt zu entscheiden. Zwar bemühte sie sich, das Hofleben wieder stärker zum Anziehungspunkt für den Adel und damit für potentielle Klienten zu machen, indem sie Feste und Aufführungen beförderte und ihren allwöchentlichen Zirkel veranstaltete. Aber gemäß ihrer Inszenierungsstrategie, als gottesfürchtige und gütige Monarchin zu erscheinen, die ein Vorbild für andere darstellte, sollte der Hof gleichzeitig eine gewisse Aura der Frömmigkeit ausstrahlen. Dafür integrierte sie Gottesdienste sowie Besuche von Kirchen, Klöstern, Armen- und Krankenhäusern stärker in den höfischen Alltag. In ihrem Umfeld sowie in den hohen Chargen fanden sich daher bevorzugt Personen, die als tugendhaft galten und damit indirekt den Anspruch und das Renommee der Königin beförderten. Im Gegensatz dazu sind die »Umwälzungen« in ihrem Haushalt, was Personal und Gehälter betrifft, fast schon als minimal zu bezeichnen. Ab 1643 gab es kaum personelle Änderungen unter ihren hohen Amtsträgern. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die wesentlichen Einschnitte von Richelieu bzw. Ludwig XIII. vorgenommen wurden, lässt sich daran ablesen, dass die Königin selbst einen stabilen Haushalt hatte, der von gewachsenen Vertrauens- und Loyalitätsbindungen zeugte796 . Das Gros der männlichen wie weiblichen Amtsträger versah nämlich eine vergleichsweise lange Dienstzeit797 . Und obwohl die Königin Chargen mit Personen des niederen oder

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D, Petrarkistischer Diskurs, bes. S. 203–214. Das Prinzip der höfischen »Kontaktzone« hat er anschaulich am Beispiel des englischen und schottischen Hofes zwischen 1580 und 1625 dargelegt. Ibid., S. 203f. Siehe L R, La faveur du Roi, S. 62;  K, Catherine de Médicis, S. 177f., 196. K, Social Dynamics, S. 531: Von den Ehrendamen blieb zirka ein Drittel zwischen 5–10 Jahre im Haushalt; von den übrigen blieben 11 Prozent 10–15 Jahre, weitere 11 Prozent blieben 15–20 Jahre und 6 Prozent blieben mehr als 20 Jahre. Bei den Ehrenfräulein zeigt sich eine ähnliche Entwicklung: Ein Viertel blieb zwischen 5–10 Jahre im Dienst der Königin, 52 Prozent blieben 1–5 Jahre und 21 Prozent blieben 10–15 Jahre.

3.4 Resümee: Eine für alle und alle für eine

321

Amtsadels besetzte, blieben die hohen Chargen dem Schwertadel vorbehalten (woran sich auch bis zum Ende des Ancien Régime nichts änderte)798 . Um ihre Position am Hofe und im Staat dauerhaft zu festigen, musste sich die Königin eine möglichst breite Klientelbasis verschaffen – angefangen bei ihrem Haushalt. Über die dort gewonnenen Kontakte hatte sie Zugriff auf weitere Verbindungen, über die ihre Klienten und Amtsträger verfügten bzw. konnte sie diese Verbindungen zumindest indirekt nutzen799 . Zur Kontaktpflege bediente sich die Königin der üblichen Mittel der Patronagepolitik: die Vergabe von Ämtern, Pensionen, Geschenke oder die Stiftung von Ehen800 . Derartige Wohltaten waren ein elementarer Bestandteil eines Patron-KlientVerhältnisses, weil sie von der Anerkennung und Wertschätzung der Königin für treue Dienste zeugten, zugleich aber die Aussicht auf weitere Gunstbeweise und die Verpflichtung implizierten, sich dieser Anerkennung weiterhin als würdig zu erweisen801 . Folglich war der Akt der Gabe nur scheinbar »freiwillig und uneigennützig«, vielmehr handelte es sich um eine notwendige Reaktion auf geleistete Dienste802 . Diese Verpflichtung der Königin, ihre Klienten für Dienste über kurz oder lang zu belohnen, sollte nicht unterschätzt werden. Im Extremfall kam es vor, dass einer ihrer Klienten aus Unzufriedenheit über eine nicht erfolgte Kompensation ein indirektes Ende der Patron-Klient-Beziehung zumindest ernsthaft in Erwägung zog803 . 798 799

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803

Siehe Kap. 4.3; H, »Such a great advantage«, S. 147–150, 162–168, 174. K, Frauen und Politik, Absatz 24: »Um die juristisch immer wieder umstrittene Legitimität politischen Handelns abzusichern, brauchte es ein breites Netzwerk von Verbündeten beiderlei Geschlechts in der jeweiligen höfischen Gesellschaft, aber auch über diese hinaus. Soziale Netzwerke, die im Bedarfsfall aktiviert und instrumentalisiert werden konnten, stellten ein Potential dar, mit dessen Hilfe gegebenenfalls auch ohne direkten Rekurs auf Ehemann oder Familie Handlungsspielräume erschließbar waren«. Siehe auch J, Le devoir de révolte, S. 85; K, Mit den Mitteln einer Frau, S. 235f. K, Gift-Giving, S. 131. Siehe Z-D, The Gift, S. 51, 75. K, Gift-Giving, S. 132: »The euphemism of gift-giving made a patron’s bestowal of benefits seem voluntary and desinterested, but in reality it was obligatory and selfinterested: the loyal service of a client had to be rewarded, at least occasionally, for the relationship to continue. A client’s service was not a freely given gift because he had to provide the service a patron demanded if he wanted to receive future patronage«. Siehe auch ibid., S. 135. Siehe etwa C, N, Mémoires, S. 107: »Dans ce temps-là [= 1655] j’appris la mort de mon père, à qui la reine avoit fait l’honneur de donner des lettres de duc et pair. Cette grâce, qui m’avoit été la plus sensible que j’eusse reçue de la bonté de cette princesse dans toute ma fortune, me causa dans la suite beaucoup de déplaisir. Je croyois que M. le cardinal en considération des services continuels que je rendois au roi et à luimême en particulier, seroit bien aise de me conserver cette dignité [de duc et pair]; mais il y apporta tant de longueurs et de difficultés, que je pensai rompre avec lui. L’affaire s’accommoda; et j’eus enfin ce que je souhaitois«. Vgl. Z, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 26, Sp. 1401, (Art.) »Patron«: »[Der Patron] soll sich auch zu mehr nicht anheischig machen, als er würcklich zu erweisen im Stand ist; ja es ist rathsamer, daß man weniger verspricht, als man nachgehends in der That leistet. Denn wie

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Dem könnte entgegengehalten werden, dass die Aufkündigung umso heikler (und auch schwieriger) war, wenn es sich beim Patron um die Königin selbst handelte. Gleichwohl war eine Aufkündigung dennoch keineswegs völlig unwahrscheinlich, wenn Klienten sich etwa ausgeschlossen fühlten, was unter Umständen sogar ihre Bereitschaft zur Opposition stärkte804 . Für gewöhnlich war aber niemand – weder die Königin noch die Klienten – wirklich an einer solchen Entwicklung interessiert. Und wenn die Königin einmal nicht gleich behilflich sein konnte, dann bemühte sie sich doch zumindest, Versprechen für eine spätere Unterstützung zu geben. Der Hof musste genügend Anreize bieten, um für Höflinge und Amtsträger attraktiv zu bleiben, sodass ein Aufenthalt lohnend erschien und die Schattenseiten dauerhaft aufwog: [C]ar pour vivre à la Cour continuellement, il faut que le desir & l’esperance en soient le soutient: autrement, c’est y être sans plaisirs, & avec beaucoup de peine. Tout ce que peut la force de l’esprit humain en ceux qui ont réüssi à continuer leur ambition par les graces qu’ils y ont reçuës, est d’y souffrir courageusement le martire que leur raison, quand ils en ont, leur fait rencontrer, dans l’assujettissement des Charges. L’embarras des Rangs, le soutient de la Dignité, l’opposition des Envieux & des Ennemis, qu’on y trouve805 .

Umgekehrt bemühten sich die Klienten bzw. Amtsträger ihrerseits, nicht nur ihre Loyalität zu demonstrieren und ihre Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen, sondern ihre Dankbarkeit der seitens des Patrons geleisteten Wohltaten zu bekunden und zu zeigen, dass sie den an sie gestellten Erwartungen gerecht wurden806 . Kamen Patron und Klient ihren Verpflichtungen im gleichen Maße nach, konnte sich ein solches Verhältnis als äußerst langlebig erweisen und mitunter zu einer vertraulichen Nahbeziehung führen, sodass besonders verdiente Diener sogar im Testament bedacht wurden807 . Die Klienten bzw. Amtsträger hatten mit Respekt und Treue schon viel gewonnen808 . Zudem waren, wie schon Sharon Kettering richtig bemerkt hat, die Verpflichtungen sowie die Vor- und Nachteile, die sich dadurch ergaben, geschlechtsunspezifisch, also für Männer wie Frauen gleich relevant809 . Mit anderen Worten: Sie alle mussten flexibel und anpassungsfähig sein810 . Als Anna von Österreich den Status der Königsgemahlin ablegte und Regentin

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man auf solche Art dem Clienten mehrere Freud machet; also setzt man sich bey ihm in grössere Hochachtung«. Vgl. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 247f. M, Mémoires, Bd. 5, S. 260. Vgl. auch H, Zur theoretischen Konstruktion der Figur des Günstlings, S. 35. Siehe auch K, Gift-Giving, S. 145; Z-D, The Gift, S. 37: »[T]he whole patronage system was carried on under the rhetoric of gifts«. Vgl. D, Discovrs, S. 26. K, The Household Service, S. 82, 84f. M, Mémoires, Bd. 1, S. 298: »Les Cabinets des Rois sont des Theatres, où se jouent continuellement des Pieces qui occupent tout le monde: il y en a qui sont simplement comiques: il y en a aussi de tragiques, dont les plus grands évenemen[t]s sont toûjours causez par des bagatelles«. Vgl. P, Lettres, Bd. 1, S. 329, Brief v. Patin an

3.4 Resümee: Eine für alle und alle für eine

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wurde, hatte das Folgen für die Patronagepolitik gegenüber ihren Getreuen, weil sie nun andere Maßstäbe setzte und den Erwägungen der Staatsräson mehr Gewicht einräumen wollte und musste811 . Vermeintliche oder tatsächliche Illoyalität wurde deshalb bestraft, wie die Beispiele belegen, als Ludwig XIV. und Anna von Österreich die Kammerfrauen entließen, weil diese aus ihrer Sicht einen Vertrauensbruch begangen hatten812 . Gerade die Amtsträger waren der Königin (bzw. dem König) nicht einfach nur in ihrer informellen Eigenschaft als Klienten zu Treue verpflichtet, sondern insbesondere durch den formellen Akt des Amtseids, sodass etwaiges Fehlverhalten bzw. der bloße Verdacht der Illoyalität noch schwerer wog813 . Das betraf primär das Verhältnis der Amtsträger zu Mazarin. Inwieweit sich die Gunst des Einzelnen nun entwickelte, hing letztlich davon ab, ob er oder sie Mazarins Position nicht in Frage stellte; denn auch danach richtete die Königin ihre Klientelpolitik aus814 : [I]l fault regarder plus outre et se gouverner selon le temps où l’on est et la faveur que l’on a, mais d’ordinaire il se fault servir de la faveur d’autruy que l’on sait bien dans l’esprit du Roy ou de ceux quy peuvent faire réussir les choses que vous prétandez. C’est pourquoy il fault fortement travailler pour estre bien dans l’esprit des favoris, en ce que l’on a toujours besoing, ou pour soy ou pour ses amis, et à la cour il y a toujours lieu de faire quelque chose et il semble que l’on n’est là que pour cela815 .

Mazarin agierte als Erster Minister, aber auch in seiner Funktion als Favorit und Oberintendant des Haushalts der Königin nicht anders als seine Vorgänger Richelieu oder Luynes zur Zeit Ludwigs XIII., indem er versuchte, die wichtigsten Amtsträger der Königin, allen voran die Frauen, für sich zu gewinnen und sich über alle Vorgänge im Umfeld der Monarchin auf dem Laufenden zu halten. Gelang das nicht, setzte er alles daran, die jeweilige Person vom Hofe zu entfernen. Mit seinem Vorgehen hatte er durchaus Erfolg. Die Königin war zwar aufgrund von Zuneigung oder Dankbarkeit für geleistete Dienste bisweilen bereit, kritische Stimmen gegen Mazarin hinzunehmen, bemühte sich aber dauerhaft um ein Einvernehmen und um Akzeptanz für ihre Entscheidung. Irgendwann war ihre Toleranzschwelle erreicht – letztlich

811

812 813 814 815

Charles Spon (29.04.1644): »[L]es degrés du Palais-Royal sont aussi glissants qu’aient été ceux du Louvre«. D, L’art de plaire, S. 160. Vgl. Jean-Marie C, Amitié, système de relation et politique dans la noblesse française aux XVIe et XVIIe siècles, in: Françoise T (Hg.), Aux sources de la puissance: sociabilité et parenté, Mont-Saint-Aignan 1989, S. 145–153, hier S. 151. Siehe Kap. 3.2.1, S. 254 (Ludwig XIV.); Kap. 3.2.3, S. 271f. (Anna von Österreich). Vgl. K, Politische Freundschaft, S. 157f., 171–174, 210–212. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 254. M, Mémoires, Bd. 1, S. 156: »Elle témoigna librement à quelques uns [sic] de ses Serviteurs, qu’elle seroit bien aise qu’on s’accommodât à ses volontez«. D B, Mémoires, S. 137, Eintrag v. 18.09.1648. Ähnlich äußerte sich auch M, Mémoires, Bd. 5, S. 260.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

blieb sie, selbst bei großer freundschaftlicher Verbundenheit, die sie gegenüber einigen Amtsträger(inne)n empfand, immer Königin und Patronin816 . Nicht wenige, die nach ihrer Exilierung unter Richelieu gehofft hatten, nun endlich profitieren zu können, waren daher enttäuscht. Wollten sie sich aber am Hofe halten, mussten sie die veränderte Situation akzeptieren. Die Königin gestattete den Exilierten die Rückkehr und brachte einige wieder in ihrem Haushalt bzw. in dem des Königs unter oder zeigte ihre Dankbarkeit durch Gratifikationen. Nahmen die Personen diese Gunstbeweise an, erwartete die Königin Loyalität und duldete fortan weder Widerspruch noch politische Einmischung. Andernfalls zögerte sie nicht, erneut die Verbannung vom Hofe zu verhängen817 . Um am Hofe zu bestehen, war es eben notwendig, Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen – auch daran hatte sich seit dem 16. Jahrhundert nichts geändert. Vielmehr stieg der Drang, an den Hof zu gehen, infolge der Zentralisierungsbestrebungen der Krone sogar noch: D’ailleurs on ne void gueres de Courtisans qui se retirent volontairement de la Cour, mais le commun prouerbe veut qu’ils meurent entre deux coffres, & quand ils sont contraints de viure chez eux, ce ne sont que regrets qui les consument à veuë d’œil [. . . ] lors qu’ils sont hors de la foule de la Cour818 .

Die Aussicht auf materiellen Gewinn, sozialen Aufstieg und gesellschaftliches Prestige war meist zu verlockend, um sich nicht darauf einzulassen. Inwieweit sich diese Hoffnungen aber auszahlten, war, wie etwa Barbara Stollberg-Rilinger zu Recht betont, immer vom Einzelfall abhängig819 . Letztlich war ein jeder »gezwungen, seine Ausgaben nach den Erfordernissen seines aktuellen Ranges oder der Position zu richten, die er innerhalb der Hofgesellschaft einzunehmen wünschte. Dabei wurden häufig finanzielle Einbußen in Kauf genommen«820 . Viele handelten eben nicht nur für sich allein, sondern hatten auch die Interessen von Familienangehörigen, eigenen Klienten und Freunden im Blick und – vor dem Hintergrund damaliger Beziehungsgeflechte und 816

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818 819 820

Ibid., Bd. 1, S. 172f.: »Nous pouvons dire nos avis à nos Maistres & à nos Amis; mais quand ils se determinent à ne les pas suivre, nous devons plûtôt entrer dans leurs inclinations, que suivre les nôtres, quand nous n’y connoissons point de mal essentiel & que les choses par elles-mêmes sont indifferentes«. Siehe D, L’art de plaire, S. 158; K, The Household Service, S. 82: »Noble success in service meant maintaining a delicate balance between public deference and private comradeship«. Vgl. dazu Mariette C-L, L’expérience de la disgrâce sous Louis XIII et sous la Régence, in: H (Hg.), La cour au miroir des mémorialistes, S. 111–122. Vgl. M, Mémoires, Bd. 4, S. 395, Brief v. Colbert an Michel Le Tellier (08.08.1650): »[Mazarin] croyoit être nécessaire que vous parlassiez aussi avec rigueur à M. de Beaufort et à M[ada]me de Montbazon, qui se déclarent si ouvertement [contre la Reine et Mazarin]; leur faire honte de leur mauvaise conduite après avoir reçu tant de grâces de la Reine, et leur faire entendre qu’enfin ils lasseront sa bonté, après en avoir si souvent abusé«. D, Discovrs, S. 82f. S-R, Zur moralischen Ökonomie des Schenkens, S. 191f. E, Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft, S. 63.

3.4 Resümee: Eine für alle und alle für eine

325

der damit einhergehenden Verantwortung – mussten dies auch haben821 : »La Maison des Rois est comme un grand marché, où il faut nécessairement aller traficquer pour le soutien de la vie, & pour les interêts de ceux à qui nous sommes attachez par devoir, ou par amitié«822 . Je größer die Nähe zur Macht und je höher die Chargen am Hofe waren, umso größer waren die Erfolgsaussichten. Der Hof an sich eröffnete genügend Möglichkeiten, Kontakte mit Personen an den Schaltstellen in Politik, Armee, Justiz und Verwaltung zu knüpfen. Aus diesem Grund wäre es auch falsch, anzunehmen, der Haushalt der Königin habe keine langfristige Perspektive geboten, weil, wie im Fall der Regentschaft von Anna von Österreich, das Ende ihres Einflusses bereits vorgegeben war oder nur der Haushalt des Königs das einzige lohnende Ziel dargestellt habe. Wichtig war zunächst einmal, überhaupt einen Fuß in der Tür zu haben, schließlich konnte die jeweilige Stelle durchaus als Ausgangspunkt für einen Aufstieg innerhalb der höfischen Ämterhierarchie dienen. Zum einen im Haushalt von Anna von Österreich, indem sie sich beim König oder an anderer Stelle einsetzte, um weitere Vorteile herauszuschlagen. Zum anderen war es auch möglich, so schon Joëlle Chevé, den König auf sich aufmerksam zu machen823 . So hat das Beispiel von Mme de Hautefort gezeigt, dass die Art der Amts- und Lebensführung später entscheidend für die Bitte des Königs war, sie möge bei der Dauphine als Obersthofmeisterin tätig werden824 . Damit ist die Frage nach geschlechtsspezifischen und -unspezifischen Aspekten beim Erwerb und der Ausübung einer Charge aufgeworfen. Corinna Bastian, die die Rolle der Princesse des Ursins an den Höfen Ludwigs XIV. und Philipps V. untersucht hat, hat diesbezüglich aufgezeigt, dass Frauen »einerseits aufgrund ihres Geschlechts, andererseits unabhängig von ihrem Geschlecht verschiedene Handlungsoptionen« ausübten825 . Zunächst zu den geschlechtsspezifischen Aspekten: Während Männer in allen königlichen Haushalten dienen und aufsteigen konnten, standen den Frauen nur bestimmte Chargen in den Haushalten weiblicher Mitglieder der Königsfamilie offen, in denen sie im begrenzten Maße Aufstiegschancen hatten826 . Die Frage nach dem Karriereaspekt war insofern für männliche und weibliche Amtsträger gleich, als Karriere vornehmlich mit dem Prestige des 821 822 823 824 825

826

Siehe auch K, Strategies of Power, S. 182. M, Mémoires, Bd. 5, S. 259. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 207. C, Marie-Thérèse, S. 218. Siehe Kap. 3.1.1, S. 217, Anm. 62. B, Kammerdame und diplomatische Akteurin, S. 275f. Vgl. dazu Michaela H, Im Gestrüpp der Kategorien. Zum Gebrauch von »Geschlecht« in der Frühen Neuzeit, in: Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 2 (2002), S. 6–17, bes. S. 7. Eine Ausnahme bildeten lediglich die Chargen der Gouvernanten, Kammerdamen, Betreuerinnen und Wäscherinnen in den Haushalten junger männlicher Mitglieder der Königsfamilie bis zu deren 7. Lebensjahr; anschließend konnten dort nur noch Wäscherinnen tätig sein.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

Amtes gleichgesetzt wurde. Karriereoptionen im Sinne eines Aufstiegs in höhere Ämter waren für Frauen jedoch weitaus begrenzter als für Männer. Unter den Amtsträgerinnen von Anna von Österreich gab es nur wenige Fälle, bei denen die Inhaberin einer Charge von einem Haushalt in einen anderen wechselte bzw. innerhalb eines Haushalts befördert wurde; dies betraf nicht ausschließlich, aber doch primär die Inhaberinnen hoher Posten. Zum Beispiel stieg Mme de Senecey von der Kammerdame zur Obersthofmeisterin auf und konnte sich noch die Charge der Gouvernante bei Ludwig XIV. und seinem Bruder sichern. Für den Fall, dass der Haushalt eines weiblichen Mitglieds der Königsfamilie aufgelöst wurde, gab es hingegen keine Übernahmegarantie. Auch nach dem Tod der Königin wechselte ihr Gefolge daher nicht in einen anderen Haushalt, weil entweder keine Neugründungen anstanden oder in den bestehenden Haushalten keine Stellen zu besetzen waren. Das heißt, im Großen und Ganzen verblieben die Amtsträgerinnen auf dem einmal angetretenen Posten. Auch für ihre männlichen Kollegen gab es innerhalb des Haushalts der Königin keine wirklichen Aufstiegschancen. Allerdings war es vor allem für Amtsträger der mittleren Ebene – Mitglieder der Musikkapelle, Kammerdiener oder Ärzte – vergleichsweise leichter, in den Haushalt des Königs zu wechseln bzw. dort parallel weitere Chargen zu bekleiden, da viele Posten nur halb- oder vierteljährlich ausgeübt wurden. Über außerhöfische Posten verfügten hingegen meist nur die hohen Amtsträger. So standen ja oftmals die Geistlichen noch einem (Erz-)Bistum vor, während die hohen weltlichen Amtsinhaber wiederum als Gouverneur oder »lieutenant général« eine Provinz verwalteten oder in der Armee dienten. Katrin Keller hat für die Obersthofmeister der Fürstinnen am Wiener Hof zwei hauptsächliche Muster unterschieden: Entweder diente das Amt als Türöffner für einen späteren Aufstieg in den Haushalt des Kaisers, oder es war der Endpunkt einer Karriere827 . Im Fall von Anna von Österreichs Haushalt war hingegen alles darauf ausgelegt, dass sowohl Männer als auch Frauen, die dort ein Amt innehatten, dies auch langfristig ausüben sollten. Die Posten dienten also weder als unmittelbarer Ausgangspunkt für einen cursus honorum noch als Endpunkt für verdiente Adlige bzw. Staatsdiener. Vor allem für die Amtsträgerinnen stellte die Begrenzung auf die Haushalte weiblicher Mitglieder der Königsfamilie einen großen Vorteil dar, weil sie im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen kraft ihrer Chargen fast immer am Hofe weilten und, nicht zuletzt wegen der Unterbringung bei der Königin, über einen unbegrenzten Zugang zu dieser verfügten828 . Die räumliche Nähe der hohen Amtsträger 827 828

K, Hofdamen, S. 193. Siehe Fanny C, Honneur aux dames. Préséances au féminin et prééminence sociale dans la monarchie d’Ancien Régime (XVIe –XVIIe siècle), in: C, C (Hg.), Moving Elites, S. 65–75, hier S. 74f.; Caroline  K, Catherine de Médicis et l’espace: résidences, séjours et voyages, in: ibid., S. 51–61, hier S. 52.

3.4 Resümee: Eine für alle und alle für eine

327

zur Königin war zwar auch den mit den Posten verbundenen Aufgaben geschuldet, sie war aber zugleich ein Indikator für die (zeremonielle) Bedeutung dieser Chargen und des Einflusses ihrer Inhaber829 . Folglich konnten sich viele Amtsträgerinnen mit ihren Gesuchen direkt an die Königin wenden, ohne auf Vermittler angewiesen zu sein, während sie selbst aber für ihre Familie, Freunde, Klienten, andere Amtsträger und für Personen außerhalb des höfischen Milieus als Mittler große Bedeutung erlangten. Allen voran kam der Obersthofmeisterin eine besondere Rolle zu, weil sie Briefe und Bittschriften, die an die Königin gerichtet waren, an diese weiterleiten und Audienzen vermitteln konnte; sie kontrollierte also den Zugang zu Anna von Österreich und übte somit eine machtvolle Position aus830 . Da der Status der Königin infolge der Regentschaft wuchs, weil sie nun zur Quelle der zu verteilenden Ressourcen wurde, gewannen ihre Amtsträgerinnen proportional dazu weiter an Bedeutung: Als Vermittlerinnen königlicher Patronage wurden sie zu potentiellen Klienten und Informanten für andere einflussreiche Patrone wie Minister oder hohe Adlige. Die Bedeutung der Frauen am Hofe und im Haushalt der Königin sollte nicht unterschätzt werden. Wie an den Höfen in London831 oder Wien832 leisteten sie auch in Frankreich einen entscheidenden Beitrag innerhalb der höfischen Patronagepolitik und darüber hinaus: »Frauen nahmen am Hofzeremoniell teil, waren Teil des Geflechts von Klientelbeziehungen, gehörten Fraktionen an; sie baten um Posten, Pensionen und Pardon für Mitglieder ihrer Familien und ihre Klienten, genauso wie Männer«833 . Die Nähe zur Macht nutzten sie folglich nicht minder geschickt: Sie konnten Karrieren von Männern, Kindern, Geschwistern fördern, weil sie nicht nur direkt um Gnadenerweise bitten, sondern auch durch das Einschalten von Fürstin, Amtsgenossinnen oder anderer Amtsträger diese Bitte unterstützen und vorbereiten und als Hofmeisterin834 über den Zugang Dritter zu diesen Möglichkeiten mit entscheiden konnten835 .

Das traf aber natürlich ebenfalls auf männliche Amtsträger zu, weshalb es nun um die geschlechtsunspezifischen Aspekte gehen soll: Sowohl Männer als auch Frauen waren für die Erlangung einer Charge nämlich auf bereits be829 830

831 832 833

834 835

Kap. 3.3, S. 277–279. Siehe C, Les logis des femmes, S. 182. K, Hofdamen, S. 182f., 197; K, Brokerage at the Court, S. 70, 76f. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 144, 186f.; Helen G-M, Petticoats and Politics: Elisabeth Parr and Female Agency at the Early Elizabethan Court, in: A, H (Hg.), The Politics of Female Households, S. 31–50, bes. S. 47–49; W, »Hof«, S. 20f. P, Court Patronage, S. 68, 72. K, Hofdamen, S. 185–198. Z-D, Frauen, Politik und Macht, S. 196. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 280f.; K, Frauen und Politik, Absätze 16–19; D., Mit den Mitteln einer Frau, S. 242; K, Friendship and Clientage, S. 151. Vgl.  K, Catherine de Médicis, S. 224. Am französischen Hof galt dies natürlich auch für Amtsträgerinnen wie Kammerdamen und -frauen. K, Hofdamen, S. 204f. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 144.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

stehende Kontakte zum Hof angewiesen. Meist wurden diese Kontakte durch (enge) Angehörige hergestellt. Zwar handelte es sich dabei oft um männliche Verwandte (Vater, Bruder, Onkel, Ehemann), aber es kam auch vor, dass weibliche Verwandte (Mutter, Schwester, Tante, Großmutter) das Fundament für eine höfische Karriere ihrer Angehörigen legten. Die Erlangung einer Charge, meist in Form der »survivance«, war also oftmals weniger Ausdruck königlicher Gunst gegenüber dem designierten (männlichen oder weiblichen) Inhaber als vielmehr gegenüber dessen Familie. »Klientelnetze, die aus Verwandtschaftsbeziehungen, Gefälligkeiten und eben Geld gewoben sind«836 , waren deshalb für viele die Grundlage, um sich mittel- bis langfristig am Hofe zu halten. Die gesellschaftliche Statuserhöhung, die der Inhaber einer Charge erlangte, konnte ihrerseits dem Renommee der Familie zuträglich sein837 . Abgesehen von allen Vorteilen, die sich im Laufe der Zeit durch die Ausübung einer Charge ergeben konnten, war das Prestige, im Haushalt der Königin beschäftigt zu sein, bereits ein kapitaler Wert an sich, der Einflussmöglichkeiten versprach. Gleichwohl hing das Ausmaß des Einflusses primär von der Fähigkeit ab, sich den Gepflogenheiten des Hofes anzupassen, Ruf und Lebenshaltung rein zu halten und sich den Wünschen der Königin unterzuordnen838 . Genauso entscheidend für den Erfolg war der Faktor der Präsenz. Aloys Winterling differenziert zwischen einem »engen« und einem »weiten Hof«, also zwischen Personen, die ständig präsent waren wie die hohen Amtsträger, sowie Personen, die nur sporadisch am Hofe erschienen839 . Ständige Präsenz versprach größere Erfolgsaussichten, weil die Möglichkeit zu einer ununterbrochenen direkten Kommunikation mit der Königin gegeben war. 1. Als Befehlsempfänger der Königin sorgten die Amtsträger für die Ausführung ihrer Anordnungen und übten zugleich eine Kontrollfunktion hinsichtlich des direkten (Teilnahme an Veranstaltungen, Audienzen etc.) und indirekten (Briefe, Bittschriften etc.) Zugangs zu ihr aus und nahmen damit eine entsprechend machtvolle Position ein840 . 2. Sie bauten eigene Kontaktnetze auf, etwa zu anderen Amtsträgern, Höflingen oder Personen außerhalb des Hofes, wobei deren Geschlecht ebenfalls keine Rolle spielte, denn es kam nur auf deren realen Einfluss an841 . Außerdem 836 837 838 839 840

841

M, Das Zentrum der Macht, S. 50. Siehe W, »Hof«, S. 21f. Vgl. dazu C, Les préséances, S. 268. W, »Hof«, S. 15f. Siehe auch E, Zur Funktion des Zeremoniells, S. 412: »Außerdem eröffnete sich jedem Gehorchenden im gehorsamen Ausführen eines Befehls ein Spielraum eigener Herrschaft; denn in der Hofgesellschaft wurden die meisten Befehle erst etliche Male Stufe um Stufe nach unten weitergegeben, ehe sie endlich von den Menschen an der Basis der Rangpyramide ausgeführt wurden«. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 187, 210. Vgl. K, Hofdamen, S. 174.

3.4 Resümee: Eine für alle und alle für eine

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konnten sich zwischen Amtsträgern derselben Hierarchieebene freundschaftliche Beziehungen herausbilden, die sich beim Voranbringen eigener Interessen unter Umständen ebenfalls als hilfreich erwiesen842 . 3. Es war sinnvoll, neben der Königin weitere potentielle Patrone (oder zumindest broker) zu gewinnen, zum Beispiel hohe Adlige oder Staatsdiener wie den Ersten Minister, den Kanzler von Frankreich oder den Oberintendanten der Finanzen. Denn, wie Colbert einmal resümierte, die Autorität der Königin ließ sich nicht bei jeder Gelegenheit bzw. nicht für jede Angelegenheit unmittelbar nutzbar machen843 . 4. Die Amtsträger versuchten, Informationen vor allem über vakante Chargen am Hofe und darüber hinaus (Armee, Kirche, Verwaltung) zu erhalten. 5. Sie fungierten als Mittler königlicher Gunst für ihre Familien, Freunde und Klienten. Damit bestätigt sich noch einmal, dass, wie schon in der Einleitung angesprochen, eine Verquickung verschiedener Nahbeziehungen vorlag, die eben nicht unabhängig voneinander existierten. Vielmehr wurde von einem (männlichen wie weiblichen) Amtsträger erwartet, sich gegenüber Familie, Freunden und Klienten behilflich zu zeigen844 . 6. Amtsträger waren aber nicht nur als Klienten der Königin oder anderer Patrone und Mittler aktiv, sondern konnten selbst als Patrone-Mittler agieren mit eigenen, von der Königin unabhängigen Klienten-Mittlern, um die eigene Stellung zusätzlich zu festigen845 . Denn mit »zunehmender Größe eines Hofes kommt Gunst in sekundärer Form vor: als Gunst, in der man bei Personen steht, die ihrerseits in Gunst beim Herrscher stehen«846 . Das Geschlechtsunspezifische offenbart sich also gerade darin, dass männliche und weibliche Amtsträger aus dem Prestige ihrer Tätigkeit und ihrer Präsenz am Hofe Kapital schlagen und Einfluss ausüben konnten, weshalb es für jeden, der sich von der Königin einen Gefallen erhoffte, keine wirkliche Rolle spielte, ob nun ein Mann oder eine Frau einen Posten bekleidete847 . Ausschlaggebend für den Erfolg der Amtsträger war vielmehr die Nähe zur Königin – und damit die Nähe zu Macht, Einfluss und Informationen848 . Jedoch war es immer ratsam, sich der Hilfe von Mittlern zu bedienen, um für den Fall, dass andere Aspiranten ebenfalls Ansprüche geltend machten, im Vorteil zu sein bzw. um sicherzustellen, dass die Königin ein Gesuch, dem sie stattgegeben hatte, auch tatsächlich erfüllte; dabei konnte eine Intervention von ihr, 842 843 844 845 846 847

848

H, Der Preis des Erfolgs, S. 72. Siehe auch Kap. 3.2.4. C, Lettres, Bd. 1, S. 132, Brief v. Colbert an Mazarin (30.09.1651). Siehe auch E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 253. Vgl. dazu D, Petrarkistischer Diskurs, S. 143, 186f., 273f.; K, The Historical Development of Political Clientelism, S. 434. W, »Hof«, S. 16. Siehe auch  K, Catherine de Médicis, S. 208. Michail A. B, »Das Frauenzimmer« oder »die Frau bei Hofe«?, in: H, P (Hg.), Das Frauenzimmer, S. 328–337, hier S. 331. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 204, 209, 280f.; H, Das Erbe des Favoriten, S. 80–82. Siehe B, La France au XVIIe siècle, S. 709f.; K, Hofdamen, S. 174f.

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3. Hofstaat und Hofhaltung

zum Beispiel in Form einer handschriftlichen Anweisung, die Erfüllung eines Bittgesuchs erheblich beschleunigen849 . Der Hof und der königliche Haushalt blieben somit, was sie immer waren: Zentren bzw. Ausgangspunkte des gesamtgesellschaftlichen Phänomens der Patronage und damit zugleich Orte des ständigen Wettbewerbs um die Gunst der Monarchin850 . Hierbei kam es aber nicht zwangsläufig nur auf Herkunft, Reputation, Leistung und Loyalität an. Es konnte sich als klarer Wettbewerbsvorteil erweisen, wenn jemand aufgrund persönlicher Qualitäten oder infolge gemeinsamer Überzeugungen und Interessen, die er mit der Königin teilte, den eigenen Klientelstatus um die Komponente einer freundschaftlichen Beziehung zur Monarchin zu erweitern imstande war851 . Für Anna von Österreich nahm der Freundschaftsdiskus nämlich einen gewichtigen Platz innerhalb ihrer Patronagepolitik ein.

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Z. B. BNF, Mss., Cinq Cents Colbert 363, Brief v. Étienne Gueffier an Anna von Österreich (28.07.1659), fol. 1897r–1897v, hier fol. 1897v: »[S’]il plaisoit a [sic] V[otre] M[ajes]te d[’]en ecrire un mot, [. . . ] cet honneur la [= là] le pour[r]oit porter a une fauorable resolution«; BNF, Mss., Thoisy 90, Brief v. Dencourt an Anna von Österreich (08.10.1661), fol. 324r: »[Il faut] signer la l[ett]re de recomend.[atio]n cÿ jointe [. . . ] et s’elle y adjouctoit deux lignes de sa R.[oya]le main, elles rendroÿent la recomend[atio]n plus efficace«. Siehe dazu Giora S, Epistolary Ceremonial: Corresponding Status at the time of Louis XIV, in: Past & Present 204 (2009), S. 33–88, hier S. 73. Vgl. L, Les Domestiques commensaux, S. 494.  K, Catherine de Médicis, S. 62. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 207; D, Myths of Power, S. 195.

4. Freundschaft und Zuneigung

4.1 »Que d’égalité pour ses amis«: symmetrische Freundschaftsbeziehungen Le Grenadier Noble Plante Royal Arbuste Il ne porte rien que d’auguste, Tige, feüilles, branches, proveins Et ces fruits precieux que la Terre me donne Sont pour le bien du Monde autant de souverains Qui portent sur leur teste vne illustre Couronne1 .

Während Inszenierung und Hofhaltung von Anna von Österreich vielfach untersucht wurden, liegt zu ihren Freundschaftsbeziehungen bisher nur eine erste eingehende Studie vor2 . Ein Grund dafür ist die vergleichsweise überschaubare Quellenlage3 . Dennoch sollte die grundsätzliche Bedeutung des Freundschaftsaspektes nicht unterschätzt werden. Bei den interpersonalen Beziehungen kam es nämlich nicht zwangsläufig nur auf Herkunft, Reputation, Leistung und Loyalität an. Ebenso konnte der Faktor der Zuneigung der Königin eine bedeutsame Rolle spielen4 . Daher soll im nun folgenden und letzten Teil der Untersuchung der Frage nachgegangen werden, ob die Königin auch »Freundin« sein konnte. Denn Freundschaft und Patronage mussten sich keineswegs ausschließen5 . Vielmehr zeigt sich, dass auch Freundschaft bzw. ein Freundschaftsdiskurs Bestandteil der Patronagepolitik der Königin war6 . In einer Definition des Freundschaftsbegriffs aus dem Jahr 1644 heißt es: Amitié est vne certaine flamme laquelle la Nature allume en nos cœurs pour autruy, sur le tesmoignage de sa vertu. C’est le sel & la douceur de nostre vie, la nourrice & cõ[n]seruatrice de la societé humaine, & plus riche present que iamais le Ciel ait fait à la terre: Bien plus noble & puissante que la Iustice, attendu que cette-cy ne regle que nos actions exterieures,

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C, Devises, S. 2. Zitat in der Kapitelüberschrift: L B, Oraison, S. 28. M, Gönnerin oder Freundin? Gerade bei engeren Bindungen ist das nicht überraschend, da die Beteiligten sich häufig sahen und direkt miteinander sprechen konnten, was wiederum die Notwendigkeit, die Beziehung durch eine regelmäßige Korrespondenz zu pflegen, nicht zwingend erforderlich machte. Siehe K, Politische Freundschaft, S. 85. Siehe D, Myths of Power, S. 195. Siehe auch K, Politische Freundschaft, S. 90f. Vgl. ibid., S. 17.

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4. Freundschaft und Zuneigung

la langue & la main, & encores auec violence. Mais celle-là conduit & regle doucement les exterieures, & interieueres tout ensemble qui procedent du cœur7 .

Freundschaft war in der Tat ein wichtiges Element des sozialen Gefüges dieser Zeit, das keineswegs auf den privaten Bereich beschränkt blieb8 . In Frankreich zeigte sich gerade im 17. Jahrhundert »eine gewisse Dichotomie des Freundschaftsbegriffs«, denn im »literarischen und galanten Milieu wurde oft eine Gleichsetzung von Freundschaft und Liebe vorgenommen, was nicht zuletzt den ästhetischen Idealen der Salon- und damit auch der Romankultur geschuldet war«9 . Es gab somit einen fließenden Übergang, der auch von den Zeitgenossen als solcher wahrgenommen wurde10 . So beendete Ludwig XIII. einen Brief an Anna von Österreich 1615 anlässlich ihrer Ankunft in Frankreich mit den Worten »Euer teuerster Freund und Diener«11 . Und auch Ludwig XIV. sprach ihr gegenüber von seiner Freundschaft12 . Auf semantischer Ebene hatte sich an den Sprachfeldern Liebe und Freundschaft seit dem Mittelalter, als »Freundschaft [. . . ] zwar durchaus emotional aufgeladen sein konnte, eine emotionale Bindung aber nicht notwendig voraussetzte«13 , nicht viel geändert. Beide Begriffe fanden Anwendung auf verschiedene Bereiche personaler Interaktion wie etwa Patronagebeziehungen14 . Denn »die sprachliche Nähe zum Liebesdiskurs ergab sich schon daraus, dass auch der Klient stets die Position eines untergebenen, hoffenden, treuen und dankbaren Sprechers einnahm, der sich, ebenso wie der Liebende, an eine 7 8 9

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D. de J-B, Dictionnaire theologiqve, historiqve, poetiqve, cosmographiqve et chronologiqve, Paris 1644, Sp. 211, (Art.) »Amitié«. C, Amitié, S. 145, 149, 151. M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 5. Siehe D., »La chance d’être femme?«, S. 75–97. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 188f., 205; K, Politische Freundschaft, S. 183; M, La politesse, 2 Bde., passim. M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 5. Siehe F, Dictionnaire, Bd. 1, S. 85, (Art.) »Amitié«: »On le dit encore en matière d’amour«, sowie ibid., (Art.) »Amour«: »On dit aussi, Il aime d’amour, pour dire, d’une amitié violente«. Vgl. z. B. AD, Mss., Mémoires et Documents (France) 280, Brief v. Mazarin an Hortensia Mancini (23.09.1659), fol. 520v, der auch gegenüber seiner Nichte von amitié spricht. BNF, Mss., Fonds français 6144, Brief v. Ludwig XIII. an Anna von Österreich (s.d. [1615]), fol. 99v. Vgl. die Antwort in BNF, Mss., Fonds français 6144, Brief v. Anna von Österreich an Ludwig XIII. (s.d. [1615]), fol. 99v. L XIV., Œuvres, Bd. 5, S. 54, Brief v. Ludwig XIV. an Anna von Österreich (05.09.1661): »[À] l’instant je partirai avec une joie extrême de vous aller embrasser, et vous assurer moi-même de la continuation de mon amitié«; M, Lettres du Cardinal Mazarin pendant son ministère, Bd. 8, S. 28, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (14.07.1657): »[Le roi] est fort persuadé que vous l’aymez plus que toutes les choses du monde; aussy vous rend-il la pareille«. Vgl. Niklas L, Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität, Frankfurt a.M. 1994, bes. S. 49–122. Klaus van E, Freundschaft im (spät)mittelalterlichen Europa: Traditionen, Befunde und Perspektiven, in: O (Hg.), Freundschaft oder »amitié«?, S. 23–34, hier S. 33. B, Humanism and Friendship, S. 263.

4.1 »Que d’égalité pour ses amis«: symmetrische Freundschaftsbeziehungen

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deutlich höherstehende und dennoch mit ihm persönlich verbundene Person wandte«, wie Daniel Dornhofer anmerkt15 . Erst dadurch wird verständlich, weshalb sich Personen auch dann einer Freundschafts- und Liebesrhetorik bedienten, wenn sie sich kaum oder gar nicht kannten16 . Der Bedeutungsgehalt dieser Rhetorik sollte aus diesem Grund nicht unterschätzt werden17 . Abgesehen davon gab es aber noch eine weitere konkrete und alltagsbezogene Interpretation des Freundschaftsbegriffs, weil das Verständnis von Freundschaft auch »stets gegenseitige Hilfe und Unterstützung, etwa bei der Beschaffung von Geld, der Erlangung eines Postens oder der Einwirkung auf ein Gerichtsverfahren« implizierte18 . Auch hier ist folglich eine gewisse Durchlässigkeit zwischen Patronage- und Freundschaftsverhältnissen zu beobachten19 . Der Moralist Saint-Évremond spricht daher zu Recht – und nicht ohne Zynismus – von einem »Handel«20 . Die Erwartung, für eine Gefälligkeit oder ein Geschenk eine Gegenleistung zu erhalten, verlieh einem Patron-Klient- wie einem Freundschaftsverhältnis eine »mehr oder weniger marktähnliche unpersönliche ökonomische« Note21 . Zwar ging Saint-Évremond nicht so weit wie einst der antike Gelehrte Seneca, der dies strikt ablehnte und lediglich in der Freude des Beschenkten eine 15 16 17

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D, Petrarkistischer Diskurs, S. 145. Siehe auch ibid., S. 110–120, 188f., 203. Siehe auch H, The Language of Fidelity, S. 3, 22–24. A, Freundschaft und Patronage, S. 274: »Die Sprache der Freundschaft war auch deshalb mehr als bloße Rhetorik, weil Freundschafts- und Patronagebindungen gerade deshalb, weil sie nicht rechtlich zementiert waren, beständig durch symbolische Akte, durch zeichenhaftes Handeln, durch Rituale und eben auch durch verbale Ergebenheitsbekundungen gefestigt werden mußten. Daher werden zum Beispiel symbolische Gaben, aber auch das Medium des Briefwechsels extensiv für Bekundungen der Ergebenheit und der Freundschaft verwandt und können geradezu zu einem Ritual der Kommunikation werden. Man muß diese Rhetorik ebenso wie die Rituale der Freundschaft oder Loyalität zwischen Patron und Klient durchaus ernst nehmen«. Vgl. auch K, Politische Freundschaft, S. 179–222. M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 6. Siehe K, Politische Freundschaft, S. 89–91. R, Freunde und Kreaturen. »Verflechtung«, S. 40, 60. S-É, Œuvres: Maxime, Qu’on ne doit jamais à ses amis, Bd. 7, S. 271f.: »Est-il question de s’acquitter envers le bienfaicteur? personne n’avoue franchement la dette, & ne convient du prix du bienfait. Celui qui a donné, grossit les objets; celui qui a reçu, les diminue. Le monde est plein de fanfarons & d’hypocrites en amitié. Cependant il est certain que l’amitié est un commerce; le trafic en doit être honnête: mais enfin c’est un trafic. Celui qui y a mis le plus, en doit le plus retirer: il n’est pas permis de le rompre, sans venir à compte. Mais, où trouve-t-on des gens qui comptent de bonne foi, & qui ne mettent dans la balance le plus léger déplaisir, pour contre-peser le service du plus grand poids?«. Zu diesem ›Markt‹-Aspekt vgl. auch H, Der Preis des Erfolgs, S. 71–91. W, Freundschaft und Klientel, S. 315. Vgl. Ulf Christian E, Sozialer Tausch bei Hofe. Eine Skizze des Erklärungspotentials der Neuen Institutionenökonomik, in: Reinhardt B, Jan H, Dietmar W (Hg.), Hof und Theorie. Annäherungen an ein historisches Phänomen, Köln, Weimar, Wien 2004, S. 55– 75.

334

4. Freundschaft und Zuneigung

mehr als ausreichende Gegenleistung sah, aber dafür war ersterer der Meinung, dass gerade ein Freundschaftsverhältnis zumindest eine affektive Komponente beinhalten sollte22 . Diese war auch konstitutiv für Nahbeziehungen zwischen Personen des gleichen Standes, bei denen Faktoren wie eine vererbte Freundschaft oder die Verwandtschaft zu anderen Adelsgeschlechtern eine Rolle spielten. Der Bekundung von Zuneigung kam oft eine symbolische Bedeutung zu, wie etwa bei der ersten Begegnung von Anna von Österreich und Maria von Medici, bei der Letztere meinte, sie würde sie lieben wie eine Tochter23 . Ähnlich äußerte sich Anna von Österreich später selbst auch gegenüber ihrer Nichte Maria Theresia24 . Insgesamt setzte sich damit eine Entwicklung fort, die ebenfalls schon im Mittelalter konstitutiv war, nämlich, dass Blutsverwandtschaft per se Freundschaft implizierte25 . Im 17. Jahrhundert hatte sich auch daran nichts geändert26 . Der freundschaftliche Charakter solcher Beziehungen war dabei oftmals im gleichen Maße auf verwandtschaftliche und religionspolitische Gemeinsamkeiten zurückzuführen: Pour procurer et embrasser les moyens conuenables à La continuation de mutuelle amitié, et tres-bonne intelligence fondée sur L’alliance si estroicte de sang et des vertus, aynsi ils esperent qu’encor[e] Vostre Maiesté sera tousiours portée à contribuer la mesme bonne affection profitable à L’vnion de ces deux Couronnes pour le bonheur de la Religion, et com[m]un bien de la Chrestienté27 .

Ein Verwandtschaftsverhältnis unter Fürsten bildete oft die Grundlage für politische Allianzen, die wiederum durch einen freundschaftlichen Umgang (Rhetorik, Gesten, Gaben) verstärkt und durch Patronage in Form von gegenseitigen Gunstbeweisen vertieft werden sollten28 . Schon Bodin hatte in Bezug auf zwischenstaatliche Friedensabkommen oder Verträge darauf

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S. benef., passim. Vgl. W, Francis Bacon, S. 187. G, L’ordre et cérémonies, S. 51f. Siehe auch BCH, Mss., Série I, Bd. 8, Brief v. Maria von Medici an Anna von Österreich (13.05.1617), fol. 224r; BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 5244, Brief v. Maria von Medici an den Marquis de Senecey (18.12.1615), fol. 4r. M, Mémoires, Bd. 5, S. 77, Brief v. Anna von Österreich an Maria Theresia (24.03.1660). Reinhard S, Politische Freundschaft, in: Luigi C (Hg.), Der Begriff der Freundschaft in der Geschichte der Europäischen Kultur, Meran 1995, S. 372–387, hier S. 376. Siehe auch K, Politische Freundschaft, S. 105. S-É, Œuvres: De l’amitié, Bd. 9, S. 89: »La premiere Amitié qui naît dans le monde, est celle qui se forme dans le sein des familles. L’habitude continuelle d’être toujours ensemble, & de se considérer comme étant de même sang, les mêmes sentimen[t]s dans lesquels on est élevé, la conformité que l’on a les uns avec les autres, la communication des secrets, des affaires & des intérêts, toutes ces choses contribuent autant à sa naissance que la nature«. HHStA, Mss., Staatenabteilung (Frankreich), Notenwechsel, Karton 1, Konvolut »Diverse Noten 1621–1684«, Brief v. (?) an Anna von Österreich (s.d.), s.p. Siehe auch C, Amitié, S. 150.

4.1 »Que d’égalité pour ses amis«: symmetrische Freundschaftsbeziehungen

335

hingewiesen, dass die Komponente der Freundschaft oft eine nicht unwesentliche Rolle spielte, indem etwa ein Friedensvertrag den (freundschaftlichen) Neubeginn zweier bisher verfeindeter Staaten ermöglichte oder indem ein Vertrag ein bereits bestehendes (freundschaftliches) Verhältnis zweier Staaten festigte29 . Freundschaft stellte infolgedessen auch einen politischen Wert bzw. politisches Kapital dar30 . Ein regelmäßiger Kontakt war daher unerlässlich, um Beziehungen zu bilden, zu pflegen und aufrechtzuerhalten (oder eben wieder neu zu beleben), weshalb der Freundschaftsrhetorik in Briefen gerade zwischen den Herrscherhäusern eine wichtige, weil ergänzende Funktion zukam31 . Peter Miller hat erläutert, welche Bedeutung das Gespräch als bestimmender Faktor und gelebter Ausdruck einer Freundschaft hatte32 . Da die räumliche Nähe bei Verwandten der großen Dynastien und politisch Alliierten meist nicht oder nur selten gegeben war, bedurfte es einer Ersatzhandlung. Diese fand ihren Niederschlag in einer regelmäßigen Korrespondenz. Dabei kam auch und gerade Frauen wie Anna von Österreich eine essentielle Funktion zu, weil sie mit ihrer Korrespondenz gewissermaßen die alten Kontakte zu ihrer Heimat und ihrer Familie mit den neuen Kontakten in dem Land bzw. an dem Hof, wo sie seit ihrer Heirat lebten, verknüpften und als Mittlerinnen auftraten33 . Da Gespräche durch Unmittelbarkeit und persönliche Nähe Vertrauen schufen und Anliegen eindringlicher vorgebracht werden konnten, bedurften Briefe einer Strategie hinsichtlich ihres Aufbaus und der Rhetorik, um einen einigermaßen adäquaten Ausgleich zu schaffen, wenn es darum ging, eine Gunst zu erhalten – sich also der machtvollen Patronage und der Klienten eines Verwandten-Freundes zu bedienen – oder sich einfach nur in Erinnerung zu rufen34 :

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B, Les six livres de la République, S. 73f. Es handelt sich hierbei also zugleich um eine abstrakte Form der Freundschaft, eine Freundschaft zwischen »Kollektiven«, wie K, Politische Freundschaft, S. 130f., es nennt. Peter N. M, Friendship and Conversation in Seventeenth-Century Venice, in: Journal of Modern History 73/1 (2001), S. 1–31, hier S. 12; Wolfgang E. J. W, (Art.) »Amicitia«, in: J (Hg.), Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 1, Sp. 297–300, hier Sp. 297f. Siehe auch ML, The Art of the Network, S. 8. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 241–243; Klaus O, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund. Studien zum Spannungsfeld von Emotion und Institution, Köln, Weimar, Wien 2006, S. 255–263; S, Epistolary Ceremonial, S. 63. Vgl. ML, The Art of the Network, S. 51–57; Sophie R, »Das Pfand und Band aller Handlungen« – Der höfische Brief als Medium des kulturellen Austauschs, in: Dorothea N, Claudia O (Hg.), Grenzüberschreitende Familienbeziehungen. Akteure und Medien des Kulturtransfers in der Frühen Neuzeit, Köln, Weimar, Wien 2008, S. 211–223. M, Friendship and Conversation, S. 23. Vgl. L, Zur Einstimmung und zum Band, in: D. (Hg.), Schwestern und Freundinnen, S. 11–31, hier S. 15, 19. Siehe auch S, No More Language Games, S. 1413–1440, bes. S. 1418, 1420.

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4. Freundschaft und Zuneigung

[Indem] man sein Gegenüber sieht, in die mit Worten gar nicht auszudrückende Stimmungssphäre desselben eintaucht, die tausend Nuancen im Rhythmus und in der Betonung seiner Äußerungen fühlt, erfährt der logische oder gewollte Inhalt seiner Worte eine Bereicherung und Modifikation, für die der Brief nur äußerst dürftige Analogien bietet35 .

Das hatte zwei wesentliche Folgen: Das Vokabular wurde in den Briefen durch zahlreiche Bekundungen der Freundschaft, der Sympathie und der Zuneigung seit dem 16. Jahrhundert immer eindringlicher36 . Durch die gegenseitige Versicherung des Vertrauens sollten bestehende Bindungen gestärkt werden37 . Gleichwohl hat sich dabei sehr schnell ein Standardrepertoire an Formulierungen herausgebildet, wie ein Vergleich zahlreicher zeitgenössischer Briefe belegt38 . Das betraf einerseits die Anrede- und Schlussformeln, die aber dennoch je nach Adressat durchaus noch zusätzliche Formulierungen aufweisen konnten, um feinere Abstufungen vorzunehmen und die soziale Hierarchie oder eben auch die soziale Gleichrangigkeit zu reflektieren39 . Andererseits betraf die Verwendung eines Standardrepertoires die Art und Weise, wie eine Bitte vorgebracht und gewährt wurde40 . Darum waren Formulierungen der Freundschaft und Zuneigung nicht zwangsläufig ein Reflex der tatsächlichen Gefühle füreinander; es zählte also weniger, ob die Leute glaubten, was sie schrieben, als vielmehr der Kontext, in dem sie bestimmte Ausdrücke verwendeten41 . Dies war den Zeitgenossen sehr wohl bewusst. Die aus heutiger Sicht vermeintlich übertriebene Sprache erfüllte sehr wohl ihren Zweck, weil die benutzten Formulierungen zwar der sozialen Hierarchie Rechnung trugen, aber durch die Nutzung einer freundschaftlichen Rhetorik bei Bedarf zu einer Nivellierung dieser Hierarchie beitrugen, wenn nicht ohnehin schon eine Gleichrangigkeit von Absender und Adressat vorlag42 . Dennoch wollte kaum jemand auf den unmittelbaren Gesprächsakt verzichten, weshalb den Boten der Nachrichten eine ebenso bedeutsame Rolle zukam, weil sie den in den Briefen formulierten Wünschen und Gesuchen zusätzlich Nachdruck zu verleihen vermochten, Botschaften überbrachten, die im Brief – aus welchen Gründen auch immer – nicht erwähnt bzw. nur angedeutet wurden, und die persönliche Zuneigung des Absenders übermittel35 36 37 38 39 40 41

42

Georg S, Gesamtausgabe, hg. v. Otthein R, Bd. 8: Aufsätze und Abhandlungen, 1901–1908, Teil 2, Frankfurt a.M. 1993, S. 395. L R, La faveur du Roi, S. 280. Vgl. ibid., S. 281–286; R, Courtesy, S. 428. Siehe auch K, Gift-Giving, S. 132, 137. Vgl. S, Epistolary Ceremonial, S. 33–88, bes. S. 79f., 87f. Siehe auch Christophe B, Les masques épistolaires de Saint-Simon, Paris 2009. S, Epistolary Ceremonial, S. 43, 46, 54–60. Vgl. K, Power and Reputation, S. 149. K, Gift-Giving, S. 133, 136. Siehe dazu H, The Language of Fidelity, S. 1–24, bes. S. 6; S, The Power and Patronage, S. 187; O, Freundschaft und Nähe, S. 611. Vgl. auch  K, Catherine de Médicis, S. 62. Siehe B, Courtly Song, S. 110; K, Politische Freundschaft, S. 54, 203–208.

4.1 »Que d’égalité pour ses amis«: symmetrische Freundschaftsbeziehungen

337

ten43 . So ist auch ein Schreiben von Anna von Österreich überliefert, in dem sie – wenn auch nur an eine Hofdame – ganz konkret betonte: »[P]our des nouuelles de paris [sic] Je ne vous en dire point me remetent au porteur«44 . Briefe wurden infolgedessen zu einem elementaren Instrument der Kontaktpflege45 . Gesandte und Botschafter waren für die Herrschenden deshalb so wichtig, weil sie sie auf dem Laufenden hielten und neben den Briefen als Mittler dienten, um bei wichtigen offiziellen, freudigen oder traurigen Ereignissen mündlich ihre Anteilnahme ausrichten, ihre Freundschaft bekunden und Geschenke überreichen zu lassen46 . In einem solchen Schreiben wurde dieser Aspekt der »gegenseitigen Freundschaft« (mutuelle amitié) einmal wie folgt charakterisiert: »Estanz une coustume tres Louable, et frequentée que les Roys et grands Princes ne se pouuant par distance des lieux, ou autres empeschements en entrehanter personellement se complaisent de passer Les offices d’amitié, et d’affaires par Leurs Ambassadeurs ou Residents«47 . Die Pflege verwandtschaftlicher Kontakte entsprach somit der Pflege von Freundschaften und fügte sich in das jeweilige Patronagesystem ein – so auch im Fall von Anna von Österreich48 . Es ging aber nicht nur um die freiwillige gegenseitige Hilfe und Unterstützung der Fürsten für eigene Anliegen oder die ihrer Klienten. Das Bitten um bzw. das Gewähren von Gefälligkeiten implizierte auch unter Verwandten eine ebenso große Verpflichtung wie bei anderen Formen von Freundschafts- und Patron-Klient-Beziehungen der Zeit49 . Für Anna von Österreich war der Kontakt mit anderen Monarchen ein unerlässlicher Faktor der Politik und Diplomatie, weshalb ihre Briefe die oben erwähnten standardisierten Formulierungen aufwiesen, um durch persönliche Töne politische Nähe und Verbundenheit auszudrücken50 . Wandte sich die Königin an andere Monarchen, lautete die Anrede meist »Mein Bruder« 43

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J, Le devoir de révolte, S. 74. Siehe K, Gift-Giving, S. 140. Vgl. BCH, Mss., Série M, Bd. 2, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (01.09.1629), fol. 322r; Bd. 14, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (23.09.1638), fol. 282r; BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 4533, Brief v. Anna von Österreich an die Duchesse de Bouillon (11.09.1638), S. 279. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 5245, Brief v. Anna von Österreich an die Duchesse de la Valette (s.d.), fol. 170r. Katrin K, Kurfürstin Anna von Sachsen (1532–1585). Von Möglichkeiten und Grenzen einer »Landesmutter«, in: H, P (Hg.), Das Frauenzimmer, S. 263–285, hier S. 273–276. Vgl. S, The Power and Patronage, S. 45–77. C, P, Monarchies, S. 515. HHStA, Mss., Staatenabteilung (Frankreich), Notenwechsel, Karton 1, Konvolut »Diverse Noten 1621–1684«, Brief v. (?) an Ludwig XIII. (s.d.), s.p. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 15859, Brief v. Anna von Österreich an Maria Magdalena von Österreich, Großherzogin der Toskana (30.09.1617), fol. 6r. Siehe E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 250. Siehe auch K, Gift-Giving, S. 142–145. Dies lässt sich anhand der Vorlagen für die Anrede- und Schlussformulierungen belegen, derer sich die Königin bei ihrer Korrespondenz bediente. Siehe BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 66, Modèles pour la correspondance de la Reine (s.d.), fol. 25r–

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4. Freundschaft und Zuneigung

(Mon frère) bzw. »Meine Schwester« (Ma sœur)51 . Damit sollte nämlich ein Verwandtschaftsverhältnis suggeriert werden, unabhängig davon, ob es tatsächlich bestand, weil es wichtig war, die Gleichrangigkeit zwischen Absender und Empfänger zu betonen52 . Allerdings konnte die Anrede noch modifiziert und erweitert werden, um dem umfassenden Charakter einer solchen Beziehung unter Zuhilfenahme weiterer freundschaftlicher sowie politischdiplomatischer Formulierungen Rechnung zu tragen: Die schwedische Königin wandte sich etwa mit den Worten »Serenissima et Potentissima Princeps soror, consanguinea amica et Fœdera ta carissima«53 an Anna von Österreich. Und den König von Dänemark und Norwegen nannten Ludwig XIV. und seine Mutter »Frère, Cousin, Allié & Confédéré«54 . Diesbezüglich ist festzuhalten, dass auch der Kontakt zwischen den Königinnen eine nicht unerhebliche Rolle spielte, weil sich das zusätzlich positiv auf die Beziehungen zweier Länder auswirken konnte, wie zwischen der polnischen Königin und Anna von Österreich55 . Daher war die Wortwahl oftmals besonders herzlich, zumal sich diese Kommunikation auf eher semi-offizieller Ebene bewegte56 . Aber Freundschaftsbekundungen und -dienste blieben nicht nur auf die Monarchen beschränkt, sondern erstreckten sich auch auf deren Angehörige oder Klienten. So war es für Anna von Österreich eine Selbstverständlichkeit, der Schwester der polnischen Königin behilflich zu sein:

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33v. Vgl. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 250f.; R, Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie, S. 131. Ein Beispiel für den Aufbau eines solchen Schreibens ist der Brief an den polnischen König. Siehe BNF, Mss., Clairambault 391, Brief v. Anna von Österreich an Wladyslaw IV. (09.02.1644), fol. 316r–316v. Zur Analyse dieses Briefes siehe M, Gönnerin oder Freundin?, Absätze 11–14. Ibid., Absatz 10. Vgl. K, Power and Reputation, S. 149–161. BNF, Mss., Dupuy 739, Brief v. Christine von Schweden an Anna von Österreich (28.10.1647), fol. 173r–174v. NA, Mss., State Papers Foreign (German States) 81/53, Brief v. Ludwig XIV. und Anna von Österreich an Christian IV. (28.08.1643), fol. 306r–306v. Vgl. BCH, Mss., Série R, Bd. 8, Brief v. Anna von Österreich an Luisa Maria Gonzaga (26.02.1665), fol. 140r: »[J]e vous remercie des tesmoignages que uous m[’]auez donné en cette occasion [= die Krankheit von Maria Theresia] de uostre amitié et ie uous prie de croire que i[’]embrasseray auec joye toutes celles qui uous pourroient asseurer de la mienne que ie conserueray toute ma uie entière et inuiolable pour uous«. Siehe dazu Maciej S, Être une reine étrangère: deux Françaises en Pologne, in: P, S (Hg.), Femmes et pouvoir politique, S. 193–200, hier S. 194–196. L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 4. April 1666, Sp. 781f., V. 51–58; R, Lettre en vers à Madame, 4. April 1666, Sp. 787f., V. 25–38. Siehe BCH, Mss., Série R, Bd. 2, Brief v. Anna von Österreich an Luisa Maria Gonzaga (22.04.1646), fol. 69r–69v, hier fol. 69v: »[J]e ne veux pas finir celle cy sans vous sup[p]lier de baiser les mains de ma part au Roy vostre seigneur et l[’]asseurer de mon affection celle que J[’]ay pour vous«; BCH, Mss., Série R, Bd. 2, Brief v. Anna von Österreich an Luisa Maria Gonzaga (17.05.1650), fol. 215r–215v, hier fol. 215v: »Je vous coniure de m’aymer tousiours«.

4.1 »Que d’égalité pour ses amis«: symmetrische Freundschaftsbeziehungen

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Si i[’]ay rendu quelques bons offices a ma cousine La princesse palatine57 nostre sœur ie n[’]ay faict en cela que satisfaire a la consideration que ie dois auoir pour V[otre]. M[ajesté]. et a l[’]amitie que i[’]ay pour elle, vous deues estre persuadee que ie ne suis pas en estat de changer des sentiments si raisonnables et si conformes a mon jnclination et que vous et ma cousine la princesse palatine nostre sœur pouues compter en touttes [sic] occasions sur mon amitie58 .

Auch der Kaiser in Wien nutzte die guten Beziehungen nach Frankreich für Gefälligkeiten und bat beispielsweise das französische Königspaar um Unterstützung für einen seiner Getreuen59 . Im Fall der schwedischen Krone, die an der Seite Frankreichs im Dreißigjährigen Krieg stand, ließ Anna von Österreich wiederum der Frau des schwedischen Generals Lennart Torstensson Geschenke sowie Porträts von sich und Ludwig XIV. zukommen60 . Als der dänische Botschafter mit seiner Frau im Mai 1647 in Paris weilte, um der Königin für ihre Intervention zugunsten des dänisch-schwedischen Friedensschlusses zu danken, schenkte die Königin seiner Gemahlin eine mit Diamanten besetzte Uhr61 . Und als der französische Hof 1657 von der Geburt des Sohnes Philipps IV. erfuhr62 , wurde der die Nachricht überbringende Bote ebenfalls mit einem Diamanten beschenkt63 . Christian Kühner hat in seiner Studie zur höfischen Freundschaft in Frankreich im 17. Jahrhundert darauf hingewiesen, dass die Beteiligten in einer 57

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Anna Maria Gonzaga, die Schwester der polnischen Königin, hatte 1645 Eduard von der Pfalz geheiratet. Welchen Gefallen Anna von Österreich ihr getan hat, geht aus dem Brief nicht hervor. BCH, Mss., Série R, Bd. 6, Brief v. Anna von Österreich an Luisa Maria Gonzaga (23.12.1663), fol. 268r–268v, hier fol. 268r. Siehe BCH, Mss., Série R, Bd. 6, Brief v. Ludwig XIV. an Luisa Maria Gonzaga (18.11.1663), fol. 257r; BCH, Mss., Série R, Bd. 6, Brief v. Maria Theresia an Luisa Maria Gonzaga (19.11.1663), fol. 259r. Vgl. auch BNF, Mss., Fonds français 14119, Traitement fait au Prince Jean Cazimir apres son élargissement du château de Vincennes en 1640, fol. 59r–59v: »[Louis XIII] luy donna vne bague de grand prix qu’il tira de son doigt en signe d’amitié perpetuelle et lui enuoia vn enseigne de pierreries digne de sa magnificence«. HHStA, Mss., Staatenabteilung (Frankreich), Hofkorrespondenz, Karton 3, A–P, 1610– 1710, Konvolut »Anna Königin von Frankreich an Ferdinand II. 1620–1634«, Brief v. Anna von Österreich an Ferdinand II. (20.04.1622), fol. 5r. Siehe auch HHStA, Mss., Staatenabteilung (Frankreich), Hofkorrespondenz, Karton 3, A–P, 1610–1710, Konvolut »Anna Königin von Frankreich an Ferdinand II. 1620–1634«, Briefe v. Anna von Österreich an Ferdinand II. (12.01. u. 29.03.1620), fol. 1r–2v. BNF, Mss., Clairambault 398, Notte des hardes que la Reyne enuoye à Madame de Torstenson (09.04.1645), fol. 349r. Siehe auch M, Lettres du Cardinal Mazarin pendant son ministère, Bd. 2, S. 644, Brief v. Mazarin an den Sieur d’Avaugour (14.03.1645): »La France se montre dévouée à l’alliance avec la Suède et fait au delà même ce à quoi elle est obligée«. Vgl. S-R, Zur moralischen Ökonomie des Schenkens, S. 197– 201. M, Mémoires, Bd. 1, S. 462. Es handelte sich um Philipp Prosper von Spanien aus der Verbindung Philipps IV. mit seiner zweiten Frau, Maria Anna von Österreich. P, V, Journal, S. 371f., Eintrag v. 11.12.1657.

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4. Freundschaft und Zuneigung

Freundschaft stets auch ihre jeweiligen Familieninteressen im Auge hatten, es also sowohl Bindungen zwischen Einzelpersonen als auch Bündnisse zwischen Familien gab64 . Dies galt selbstverständlich im gleichen Maße für die Herrscherhäuser. Aber obwohl die interdynastischen Kontakte weiterhin ein wichtiges Element der zwischenstaatlichen Beziehungen darstellten, gaben dennoch realpolitische Erwägungen bei (außen-)politischen Entscheidungen immer mehr den Ausschlag, wenn es darum ging, sich gegenüber anderen Nationen zu profilieren65 . Eheschließungen oder ein freundschaftlicher Briefaustausch konnten jedoch helfen, mögliche Richtungen bei der Zusammenarbeit vorzugeben und bestehende Beziehungen zusätzlich zu stärken – wie etwa bei Frankreichs Allianzen mit Spanien und England. So setzte nämlich Spanien nach dem Tod Ludwigs XIII. auf die verwandtschaftliche Verbundenheit der Regentin zum spanischen König, während in Frankreich auf ein Ende des Krieges aufgrund der bedrückenden Lage im Land gehofft wurde66 . Philipp IV. hob daher in seinem Beileidsschreiben im Sommer 1643 noch einmal seine brüderliche Liebe für Anna von Österreich hervor67 . Doch die Königin setzte den Krieg fort und handelte damit, aus ihrer Sicht, ganz im Interesse Frankreichs und ihres Sohnes68 . In Spanien führte das zu kritischen Schriften, in denen ihr eben dieser Wandel vorgeworfen wurde, weil sie angeblich die Interessen ihres Heimatlandes verraten würde69 . Allerdings wurde alsbald deutlich, dass Spanien wirtschaftlich und militärisch immer stärker ins Hintertreffen geriet, was allmählich die Bereitschaft zum Frieden erhöhte70 . Im Zuge der Friedensverhandlungen 1659 wandte sich die Königin dann an ihren Bruder, seine Gemahlin und die Infantin71 . Im Briefentwurf für die spanische Königin ist beispielsweise zu lesen: »Il est bien juste 64 65

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K, Politische Freundschaft, S. 110f. Vgl. Anuschka T, Verwandtschaft als Faktor der französischen Außenpolitik: Auswirkungen und Grenzen dynastischer Politik im 17. Jahrhundert, in: N, O (Hg.), Grenzüberschreitende Familienbeziehungen, S. 39–53. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 2, S. 344f. Vgl. allgemein Sophie R, Verbündete Rivalen. Geschwisterbeziehungen im Hochadel des 17. Jahrhunderts, Köln 2006. BIF, Mss., Godefroy 496, Brief v. Philipp IV. an Anna von Österreich (27.06.1643), fol. 122r. Außerdem appellierte er an ihr Heimatgefühl: »Car je ne crois que Vôtre Majesté puisse oublier les murailles dans lesquelles elle est née«, zit. n. M, Mémoires, Bd. 1, S. 399. F, Les femmes dans la vie de Louis XIV, S. 53; K, Anne d’Autriche, S. 285– 311. Asensio G, La France et les Français dans la littérature espagnole. Un aspect de la xénophobie en Espagne (1598–1665), Saint-Étienne 1977, S. 351. Vgl. Daniel S, La paix des Pyrénées ou la paix du roi: le rôle méconnu de Philippe IV dans la restauration de la paix entre l’Espagne et la France, in: Revue d’histoire diplomatique 119/3 (2005), S. 243–261. Siehe BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 15683, Mémoire Enuoyé par Monsieur le Mareschal de Villeroy à saint Iean de Luz (16.09.1659), fol. 238r. Vgl. M, Lettres du Cardinal Mazarin pendant son ministère, Bd. 9, S. 850, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (16.09.1659).

4.1 »Que d’égalité pour ses amis«: symmetrische Freundschaftsbeziehungen

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que je me rejouisse auec Vostre Majesté de la conclusion de la paix, puis qu’elle rétablit dans nos maisons l’amitié, et l’union, qui est cy [= si] necessaire pour le repos de toute la Chrestienté, et pour le nostre particulier«72 . Und in einem anlässlich der Hochzeit Ludwigs XIV. verfassten Gedicht heißt es ganz in diesem Sinne: Anne et Philippe à l’ennuy se tesmoignent Qu’ils s’aymeront tousiours quoy qu’ils s’eloignent Et que malgré tant de sang respandu Tousjours le sang a fait ce qu’il a dû; De l’amitié la chaleur les embrase Et cependant l’Amour est en extase73 .

Die Blutsbande implizierten im Verständnis der Zeitgenossen, und wie eingangs beschrieben, also immer noch freundschaftliche Gefühle74 . So schenkte die Königin ihrem Bruder eine goldene Uhr von hohem Wert75 . Und bei der offiziellen Besiegelung des Friedens am 6. Juni 1660 schworen sich Ludwig XIV. und Philipp IV. »ewige Freundschaft«76 . Derartige Bekundungen waren jedoch keineswegs nur dem Augenblick geschuldet. In der Folgezeit setzte wieder ein umfangreicher Briefwechsel zwischen den Höfen in Madrid und Paris ein, um die neu belebten Beziehungen durch eine fortgesetzte Kommunikation und beständige Gesten der Anteilnahme zu pflegen. Im Gegensatz zu den Beziehungen Frankreichs mit Spanien waren jene mit England relativ stabil und konnten durch die Ehe der Schwester Lud72

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BNF, Mss., Fonds français 4308, Mémorandum et minute d’une lettre (16.09.1659), fol. 298v. Siehe auch O, Oraison, S. 90f.: »[P]our affermir le traité d’vne paix si auguste par vn lien indissoluble, Anne ménage vn agreable meslange du Sang de France avec le Sang d’Espagne« [Hervorh. im Orig.]. BNF, Mss., Mélanges Colbert 37, Poeme Sur le mariage de leurs Majestez dedié à Mademoiselle de Beauvais, fol. 227v. Anlässlich des Friedensschlusses und der Hochzeit traf Anna von Österreich ihren Bruder: »[À] son retour elle nous parut plus contente de ses [= Philipp IV.] intentions sur l’amitié, que de son extérieur«, zit. n. M, Mémoires, Bd. 5, S. 95. Zu dem Treffen siehe auch ibid., S. 93–100; BIS, Mss., Fonds Victor Cousin 25, Brief v. Mme de Motteville an die Duchesse de Montausier (04.06.1660), fol. 50r–51v; C, Mémoires, Bd. 1, S. 283f.; Bd. 2, S. 31f.; M, Mémoires, Bd. 3, S. 103. BIF, Mss., Godefroy 479, Relation de la remise de Marie-Thérèse à Anne d’Autriche et Louis XIV (08.06.1660), fol. 58r–59r, hier fol. 58r. Philipp IV. erhielt das Geschenk im Rahmen der Besiegelung des Friedensvertrages am 6. Juni. Laut M, Mémoires, Bd. 5, S. 118f., hat Anna von Österreich ihrem Bruder Mitte Juni, als der Hof auf dem Rückweg nach Paris war, eine mit Diamanten besetzte Tischuhr zukommen lassen. Ob es sich hierbei nun um ein weiteres Geschenk handelte oder ob Mme de Motteville sich einfach nur hinsichtlich des Zeitpunktes irrte, an dem Philipp IV. die Uhr erhielt, muss offen bleiben. M, Mémoires, Bd. 5, S. 102. Siehe dazu explizit BNF, Mss., Fonds français 14119, Entreueües Des Roys de France et d’Espagne Et mariage du Roy auec Marie Therese en 1660, fol. 163r: »[L]es deux Roys s’approcherent et s’embrasserent, ce qu’ils n’auoient pas fait à leur arriuée, se protestan[t]s de ne jamais violer le serment qu’ils venoient de faire«.

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4. Freundschaft und Zuneigung

wigs XIII., Henrietta Maria, mit Karl I. noch ausgebaut werden. Aus dieser Zeit belegen zahlreiche Briefe das gute Einvernehmen beider Länder77 . Gegenüber Karl I. betonte Anna von Österreich gar, dass die verwandtschaftlichen Beziehungen ihrer Dynastien sie erst recht zu einem freundschaftlichen Verhältnis verpflichte78 . Auch an anderer Stelle wies sie beständig auf die beiderseitige Freundschaft hin79 . Dafür nutzte sie bevorzugt Glückwunschschreiben wie anlässlich der Geburten der Söhne Karl (1630) und Heinrich (1640)80 . Zugleich war die englische Seite ihrerseits bemüht, durch Gesten der Anteilnahme die Beziehungen zu pflegen. So gab der englische Botschafter 1638 ein Porträt von Anna von Österreich in Auftrag, das er dann dem englischen Königspaar sandte81 . Anna von Österreich sollte im englischen Gefolge sogar einen langjährigen treuen Klienten finden: Walter Montagu. Er trat erstmals 1624 im Rahmen der Verhandlungen über die oben genannte Eheschließung zwischen der Schwester Ludwigs XIII. und Karl I. in Erscheinung. Er gewann Henrietta Marias Vertrauen und stieg zu ihrem Großalmosenier auf82 . Bei weiteren Aufenthalten in Frankreich sicherte er sich auch die Gunst Annas von Österreich83 . Als es 1627 zum Krieg zwischen Frankreich und England kam, stellte er sich als Bote von Nachrichten zwischen Anna von Österreich und ihrer Getreuen, der Duchesse de Chevreuse, die zeitweise im Exil in England lebte, zur Verfügung, was aber zu seiner Verhaftung und zeitweiligen Inhaftierung in der Bastille führte. Dass er dabei nichts über Anna von Österreichs Beteiligung an dem geheimen Briefwechsel verlautbaren ließ, brachte ihm ihre dauerhafte Sympathie ein. Als er dann zu Beginn der 1640er Jahre England wegen seiner Unterstützung für Karl I. verlassen musste, fand er Zuflucht in Frankreich und konnte seine Position dort ab 1643 ausbauen, als er zu einem Vertrauten der 77

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NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/73, Brief v. Anna von Österreich an Jakob I. (23.11.1624), fol. 305r: »[P]our affermir encor[e] plus particulierement la bonne amitié d[’]entre les deux Couronnes par le moien du Mariage«. NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/78, Brief v. Anna von Österreich an Karl I. (04.04.1626), fol. 172r. Siehe auch NA, Mss., State Papers Foreign (France), 78/79, Brief v. Anna von Österreich an Karl I. (22.08.1626), fol. 203r: »[L]a conseruation de la bonne Intelligence a [sic] laquelle la proximité d[’]alliance nous oblige encore plus estroitement«. NA, Mss., State Papers Foreign (France), 78/74, Brief v. Anna von Österreich an Karl I. (03.09.1625), fol. 152r; NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/80, Brief v. Anna von Österreich an Karl I. (05.10.1626), fol. 46r; NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/86, Brief v. Anna von Österreich an Karl I. (21.02.1630), fol. 105r; NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/107, Brief v. Anna von Österreich an Karl I. (15.02.1639), fol. 56r. Siehe z. B. NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/86, Brief v. Anna von Österreich an Karl I. (06.07.1630), fol. 387r; NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/110, Brief v. Anna von Österreich an Karl I. (02.09.1640), fol. 104r. D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 141. Vgl. L G  M, Lettre en vers et en prose au Roy, 29. September 1669, Sp. 967, V. 157–159. M, Mémoires, Bd. 5, S. 29: »[E]lle [l’]aimoit«, sowie ibid., S. 137: »[L’]amitié que la Reine Mere avoit pour lui«.

4.1 »Que d’égalité pour ses amis«: symmetrische Freundschaftsbeziehungen

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Königin aufstieg und sich zudem für Mazarin einsetzte84 . In den Augen der Königin hatte er sich aber ohnehin schon durch seine 1635 erfolgte Konversion zum Katholizismus verdient gemacht85 . Nachdem sich Montagu zwischen 1643 und 1649 erneut in England aufgehalten hatte, floh er anschließend wieder nach Frankreich und gesellte sich zum Exil-Hof der englischen Königin. Gleichzeitig bot er Anna von Österreich seine Dienste an. Während der Fronde griff sie auf ihn als weiteren Mittler ihrer geheimen Korrespondenz mit Mazarin zurück86 . Tatsächlich hatte Anna von Österreich bereits unmittelbar nach der Regentschaftsübernahme offen ihre Sympathien für die Sache des englischen Königs bekundet und forderte Schottland, seit jeher ein Verbündeter Frankreichs, ebenfalls zur Unterstützung auf87 . Nach der Hinrichtung Karls I. am 30. Januar 1649 riefen die Royalisten noch am gleichen Tag dessen Sohn als Karl II. zum neuen König aus, der auch von Ludwig XIV. und Anna von Österreich als solcher umgehend anerkannt und im Sommer 1649 offiziell empfangen wurde88 . Karl II. hoffte weiterhin auf eine Rückkehr nach England und die Unterstützung der Franzosen. In einem Brief an Ludwig XIV. äußerte er den Wunsch, die Beziehungen beider Länder weiterhin erfolgreich fortzuführen89 . Anna von Österreich hätte Karl II. gern unterstützt, was ihr aber durch die anhaltenden Fronde-Unruhen in Frankreich vorerst nicht möglich war: Les embarras de la Guerre Civile que la Reine avoit sur le bras, l’empêchoient de secourir le Roi d’Angleterre, à qui elle étoit obligée, & pour qui elle disoit qu’elle conservoit beaucoup d’amitié; mais à son extrême regret, une amitié infructueuse, & qui devoit donner de la confusion & de la douleur à une grande Reine comme la nôtre, dont la bonne volonté devoit être accompagnée de puissance, & paroitre par les effets plûtôt que par les paroles90 .

Die Königin war also nicht zuletzt betrübt, weil sie ihren Verpflichtungen als Alliierte und Freundin nicht nachkommen konnte – den Worten hätten eigentlich Taten folgen müssen.

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Ibid., Bd. 1, S. 142. Siehe auch J-F, Herrinnen des Louvre, S. 272f. Zu Montagu siehe auch D, R B, La présence étrangère, S. 128. Dafür erhielt Montagu später die französische Staatsbürgerschaft, eine Jahrespension von 12 000 l.t. sowie die Abtei Saint-Martin de Pontoise. Siehe ibid., S. 137. HHStA, Mss., Staatenabteilung (Frankreich), Varia, Karton 5, Konvolut »Frankreich Varia 1642–1643«, Extrait d’vne lettre de Paris (28.08.1643), fol. 13r–13v, hier fol. 13r: »La Reine se declare ouuertement pour le Roy d’Angleterre, et a donné vn beau diamant au Deputé d’Escosse sur la promesse qu’il a fait que luy et toutte [sic] la Noblesse Escossaise seruiront le Roy d’Angleterre«. Siehe M, Mémoires, Bd. 2, S. 562; Bd. 3, S. 160. LPL, Mss., Ms. 3152, Brief v. Karl II. an Ludwig XIV. (30.07.1649), fol. 47r; LPL, Mss., Ms. 3152, Brief v. Karl II. an Anna von Österreich (30.07.1649), fol. 48r. M, Mémoires, Bd. 2, S. 540f.

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4. Freundschaft und Zuneigung

Ungeachtet dessen hatte sie aber ihrer Schwägerin, der englischen Königin Henrietta Maria, seit deren Flucht nach Frankreich 1644 tatkräftige Unterstützung zukommen lassen, wie sie dem englischen König gleich zu Beginn der Regentschaft noch einmal versicherte91 : [J’]ay este bien aise de vous asseurer tousiours de la continuations de mon amitie et affection et que ce me sera vn contentement tres par[ticuliè]re de vous en faire receuoir des preuues en toutes occasions. Vous scauez ce que nous sommes, et combien la proximite qui est entre nous m[’]oblige d[’]autant plus [qu’]a rechercher les moiens de vous le faire cognoistre. Je croy que Madame ma sœur vous aura peu [= pu] escrire que sa presence m[’]est vne tres grande consolacion comme vne personne que j[’]estime et cheris92 .

Die beiden Frauen, die beständig als Mittlerinnen zwischen ihren Söhnen auftraten, sollte zeitlebens diese enge Freundschaft verbinden93 . So setzten sie sich 1660/1661 erfolgreich für die Vermählung des Bruders Ludwigs XIV., Philippe, mit Karls II. Schwester Henrietta Anna ein94 . Abermals zeigt sich die große Bedeutung weiblicher Angehöriger der Königsfamilien, denen es im Hintergrund oftmals leichter möglich war, dezent an der Aufrechterhaltung eines guten freundschaftlich-transnationalen Verhältnisses mitzuwirken; die Annäherung beider Häuser zog erneut einen regen Briefaustausch zur

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Als sie sich 1644 wiedersahen, zeugte die Herzlichkeit der Begegnung von der tiefen Freundschaft, wie M, Mémoires, Bd. 1, S. 295, berichtete: »Ces deux grandes Princesses s’embrassérent [sic] avec te[n]dresse et amitié, & se firent milles complimen[t]s«. Siehe auch Mercure françois, Bd. 25.2, Juli 1644, S. 166f. Henrietta Maria wusste das sehr zu schätzen: »[R]emercier [la reine] des tesmoignages qu’elle me donne de son affection«, zit. n. [H M  F], Lettres inédites de HenrietteMarie de France, reine d’Angleterre, hg. v. Charles de B, Paris 2 1884, Brief v. Henrietta Maria an Mazarin (28.05.1644), S. 166. NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/111, Brief v. Anna von Österreich an Karl I. (06.04.1645), fol. 307r. Als Zeichen der besonderen Wertschätzung gewährte Anna von Österreich Henrietta Maria u. a. das Privileg, rechts neben ihr zu gehen, sowie den Vortritt, wenn sie einen Raum betraten; Henrietta Marias Obersthofmeisterin, die Countess of Denbigh, erhielt das Recht auf einen tabouret und die englischen Ehrenfräulein hatten Vortritt vor den französischen. Siehe AN, Mss., KK 1446, Les ceremonies qui furent observées en la Reception d’Henriette de France, Reyne d’Angleterre, femme de Charles premier, Roy de la grande Bretagne en l’année 1644 (s.d.), fol. 5r–16v, hier fol. 9v–10r; Gazette de France, 1. Februar 1648, S. 172; M, Mémoires, Bd. 2, S. 98; Bd. 3, S. 193. Charles de B, Henriette-Marie de France, reine d’Angleterre. Étude historique, Paris 2 1884, S. 326, spricht von einer »étroite amitié« und nennt Anna von Österreich die »amie fidèle« der englischen Königin. Siehe auch B, Henriette-Anne d’Angleterre, S. 36, 38; M, Mémoires, Bd. 1, S. 239–242, 281, 295, 384; Bd. 2, S. 80f.; W, Aristocratic Women, S. 279–282, 285–288, 293f. Vgl. K, Politische Freundschaft, S. 299. M, Mémoires, Bd. 5, S. 176: »Le Roi n’avoit pas beaucoup d’inclination pour cette Alliance. Il dit lui-même, qu’il sentoit naturellement pour les Anglois l’Antipathie que l’on dit avoir été toujours entre les deux Nations; mais elle fut aisément effacée en lui par le Sang qui les engageoit à s’aimer«. Siehe auch ibid., S. 132, 178f.

4.1 »Que d’égalité pour ses amis«: symmetrische Freundschaftsbeziehungen

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Versicherung der gegenseitigen Zuneigung95 , Beileidsbezeugung96 und Anteilnahme97 nach sich und trug fürs Erste ebenfalls zur Konsolidierung der anglo-französischen Partnerschaft bei. Es ist daher nicht überraschend, dass die Reaktion auf den Tod Annas von Österreich in England die aufrichtige Trauer über den Verlust einer einflussreichen Person widerspiegelte98 . Ähnlich reagierten auch andere befreundete Staaten99 . In Spanien etwa, wo der offizielle Gedenkgottesdienst am 8. und 9. April 1666 in der Madrider Schlosskapelle stattfand100 , hatte die Regentin Maria Anna von Österreich ausdrücklich angeordnet, bei der Ausgestaltung der Schlosskapelle und der dort durchgeführten Zeremonie nach dem gleichen Muster vorzugehen wie einst bei der Trauerfeier für ihre Mutter, Kaiserin Maria Anna von Spanien, einer Schwester von Anna von Österreich101 . Anna von 95

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Siehe z. B. NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/116, Brief v. Anna von Österreich an Karl II. (s.d. [um 1662]), fol. 86r; NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/117, Brief v. Anna von Österreich an Karl II. (15.02.1663), fol. 30r; ibid., Brief v. Anna von Österreich an Karl II. (27.03.1663), fol. 56r; ibid., Brief v. Anna von Österreich an Karl II. (30.10.1663), fol. 174r–174v; ibid., Brief v. Anna von Österreich an Karl II. (16.11.1663), fol. 196r. Nachdem Anna von Österreichs Enkeltochter Anna Elisabeth gegen Ende des Jahres 1662 verstorben war, versäumte Karl II. es nicht, ihr sein Mitgefühl auszudrücken. Siehe NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/117, Brief v. Karl II. an Anna von Österreich (08.01.1663), fol. 4r. Als Ludwig XIV. 1663 erkrankte, erkundigte sich Karl II. umgehend nach dessen Befinden, wofür ihm die Königin ausdrücklich dankte. Siehe NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/117, Brief v. Anna von Österreich an Karl II. (16.06.1663), fol. 80r: »Il n[’]y a rien de plus obligeant que les soins que vous auez pris d[’]enuoyer scauoir des nouuelles de la santé du Roy Monsieur mon filz au premier bruit de sa malladie [sic] [.] Il ne me reste qu’a [sic] vous remercier de toutes Les amitiez que vous m[’]aues faictes en cette occasion et a vous asseurer que i[’]ay les mesmes sentiments pour vous«. E, Diary, Bd. 2, S. 2, Eintrag v. 29.01.1666: »The Court was now in deep mourning for the French Queen-Mother«. Vgl. dazu auch den kurzen Bericht anlässlich des Todes der Königin in der Oxford Gazette, 18.–22. Januar 1665, S. 1f. (Die Datumsangaben sind offenkundig fehlerhaft.) L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 4. April 1666, Sp. 782, V. 75–90: »Toute la Savoye & la Lor[r]aine, / Qui chérissoient bien cette Reine, / Alors qu’elles sceurent sa mort, / Firent prendre le deuil d’abort; / Suéde [sic], Danemarc, Hol[l]ande / Et Suisse, Ost-Frize & Zélande / Ont pris grand’part à nos tourmans, / Jusques mesmes aux Ot[t]omans / Enfin, aux quatre coins du Monde / Sur la terre comme sur l’Onde, / Où son beau renom avoit cours, / On a plaint la fin de ses jours; / Singuliérement [sic] en Espagne, / Et sans doute dans l’Al[l]emagne, / Les Princes & tous leurs Etats / Ont pleuré ce fâcheux trépas« [Hervorh. im Orig.]. Franz Eusebius Graf von P, Diario del conde de Pötting, embajador del Sacro Imperio en Madrid (1664–1674), hg. v. Miguel N N, 2 Bde., Madrid 1990–1993, Bd. 1, S. 193f., Eintrag v. 08.04.1666. AGP, Mss., Reinados, Carlos II, Caja 84/1, Brief v. Luis Guillén de Moncada y Aragón, Duque de Montalto, an Maria Anna von Österreich (22.03.1666), s.p.; ibid., Brief v. (?) an den Marqués de Malpica (29.04.1666), s.p.; ibid., Nomina de los gastos que han hecho en el tumulo Por la Christianissima reyna Madre de francia (18.03.1666), s.p.; ibid., Razon Pequena del Garbo Hecho en Las Visperas E Honras de la Christianissima Señora

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4. Freundschaft und Zuneigung

Österreich sollte gleichermaßen als Königin von Frankreich und als Mitglied der Habsburgerfamilie geehrt werden102 . Und auch in Wien fand am 21. März 1666 eine aufwendige Trauerfeier in der Hofkapelle statt103 . Der Höfling La Fare irrt daher, wenn er zu dem simplen Schluss kommt, Anna von Österreichs Tod habe keine Auswirkungen auf die Staatsgeschäfte gehabt, weil sie darin ohnehin nicht mehr involviert gewesen sei104 . Die Reaktionen auf ihren Tod kamen keineswegs von ungefähr, lag die Tragweite dieses Verlustes doch nicht zuletzt in dem Wissen vieler Franzosen und ausländischer Potentaten um das Hegemonialstreben Ludwigs XIV.105 Wie bereits im Kapitel »Machtfragen und Gottvertrauen« (2.2.3) gezeigt wurde, nahm Anna von Österreich auch nach 1661 noch eine wichtige politische Einflussfunktion und diplomatische Mittlerrolle ein, denn »nôtre grande Princesse se co[n]tente aujourd’huy de porter ce seul titre de Protectrice de l’Europe, employant tous ses soins à la mettre en repos pour le soulagement de ses peuples«106 . Genau aus diesem Grund war die Bestürzung über ihren Tod nicht nur im Inland sehr groß: »[E]lle empesche du mal et retient l’union dans la maison royale«107 , sondern auch im Ausland108 : »Cette auguste Princesse que

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Rey.[n]a de francia D.[oñ]a Anna de Austria en ocho Y en nuebe de Abrill del Año de 1666 (18.04.1666), s.p. Außerdem wurden die Kavallerie und die Kutsche des Königs für den symbolischen Leichenzug sowie die Königskrone für die Exequien in der Madrider Schlosskapelle eingesetzt. Siehe dazu ibid., Brief v. Luis Guillén de Moncada y Aragón, Duque de Montalto, an Maria Anna von Österreich (03.04.1666), s.p. Antonio Á-O A, La sacralización de la dinastía en el púlpito de la Capilla Real en tiempos de Carlos II, in: Criticón 84–85 (2002), S. 313–332, hier S. 315. HHStA, Mss., Obersthofmeisteramt, Ältere Zeremonialakten, Karton 7, Konvolut 21/2, Exequien für die Königin Anna von Frankreich (21.03.1666), fol. 302r–303r. L F, Mémoires, S. 57. Carmagnole sprach von einer »perte irreparable«, zit. n. BNF, Mss., Rothschild 356, C, Oraison, S. 2. Siehe außerdem AN, Mss., L 1036, Nr. 24, M, Oraison, S. 3; L I., Privatbriefe, Bd. 1, S. 202f., Brief v. Leopold I. an Franz Eusebius Graf von Pötting (07.02.1666); Paul P, Histoire de Louis XIV. depuis la mort du Cardinal Mazarin en 1661, jusqu’à la Paix de Nimegue en 1678, hg. v. JeanBaptiste L M, 3 Bde., Paris 1749, Bd. 2, S. 27f. Vgl. W, Louis XIV, S. 296. P   S, Le Portrait de la Reyne, S. 243. Siehe auch F, Svr la Mort d’Anne d’Avtriche, s.p.: »[L]a perte d’vne Reine qui n’a respiré que pour faire viure le calme & la prosperité dans ses Prouinces, qui seroit plûtost décenduë de son Thrône, que d’y refuser vne place à la paix«. O, Journal, Bd. 2, S. 348, Eintrag v. 24.04.1665. Siehe auch M, Cy gist le racourcy, S. 2: »L’Vnion de la Maison Royale dont Elle sera le Lien invisible & indissoluble«; M, Mémoires, Bd. 5, S. 259: »[Pour] entretenir l’union de la Famille Royale«; P, Lettres, Bd. 3, S. 440, Brief v. Patin an André Falconet (19.06.1663): »Ce seroit grand dommage que la reine mourût présentement, car elle est bien intentionnée, et a dessein de faire soulager le peuple de tant d’impôts qui ont été établis durant la guerre par toute la France; mais il arrive souvent que les princes meurent quand ils ont envie de bien faire«. AN, Mss., L 1036, Nr. 24, M, Oraison, S. 3: »Les estrangers mesme feront entendre leur voix de loin pour puplier [= publier] que la morte leur a fait perdre vne Princesse qui par sa Protection & affabilité leur faisoit trouuer dans la France toute la

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

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les Espagnes ont donné au monde pour en augmenter la gloire; que la France a receuë pour y regner, & dont tous les Souverains ont autant redouté la puissance, qu’ils en ont recherché l’amitié«109 . All das unterstreicht noch einmal sehr gut, wie förderlich ein Diskurs der Freundschaft innerhalb des Patronagesystems der Frühen Neuzeit sein konnte und welchen großen Nutzen die damit einhergehende Rhetorik über die regulären politisch-diplomatischen Kontakte hinaus erfüllte110 . Dies war selbstredend nicht nur für symmetrische Freundschaften konstitutiv. Anna von Österreichs Freundschaftsrhetorik innerhalb ihrer asymmetrischen Freundschaftsbeziehungen, die im Zentrum der Betrachtung des nächsten Kapitels stehen sollen, spielte eine nicht minder wichtige Rolle.

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen Le Miroir Gardien impatient de ce que ie reçoy Ie remets tout de bonne foy Ie rends le bien sans qu’on souffre d’attente Et ne donne rien à celuy Lequel devant moy se presente Qui ne vaille autant comme luy111 .

Es ist deutlich geworden, dass Freundschaft am Hofe selten losgelöst von familiären oder politischen Interessen war, auch und gerade, wenn es um die königliche Familie und interdynastische Beziehungen ging. Freundschaft stellte immer eine Art Kapital dar112 . Das galt aber nicht nur für die familiären oder verwandtschaftlichen Beziehungen der Königin, also für Freundschaften auf

109 110 111 112

seureté & toutes les douceurs de leur patrie«; [A], Oraison fvnebre de la Reyne Mere, S. 6: »Mais tu n’es pas, ô France! moins malheureuse, pource que toute l’Europe est desolée«; J, Oraison, S. 1: »La fin de ses maux semble deuenir le commencement de nostre misere; & toute la France ensevelie dans les tenebres d’vn düeil public regrette avec la perte de sa Reyne celle de sa felicité. [. . . ] ou bien peut-estre auons nous quelque suject de croire que tous les maux dont l’Vniuers estoit menacé, sont rachetés par la perte commune que fait tout le monde, dans la mort d’vne Reyne en laquelle toute l’Europe est interessée«. O, Oraison, S. 5. Vgl. dazu T, Verwandtschaft, S. 52. C, Devises, S. 174. Zitat in der Kapitelüberschrift: L B, Oraison, S. 28. Anne F, Politique, théâtre et sentiment dans les »Mémoires« de quelques gentilshommes conspirateurs de la génération du »Cid«, in: Philippe C (Hg.), L’État et les aristocraties (France, Angleterre, Écosse) XVIIe –XVIIIe siècle, Paris 1989, S. 305– 333, hier S. 325f. Siehe auch C, Amitié, S. 151; R, Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie, S. 134.

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4. Freundschaft und Zuneigung

Augenhöhe, sondern auch für ihre Beziehungen zu adligen bzw. schwert- und amtsadligen Vertretern am Hof, in Staat, Gesellschaft und Kirche und demnach mit Klienten, was an sich schon eine hohe Auszeichnung darstellte und den Beteiligten durchaus ein Gefühl von Sicherheit bieten konnte: La Reine étoit aimable de sa personne: elle traitoit ses créatures comme des Amis; quoi qu’elle n’ait pas eu une assez grande application à faire du bien à ceux qu’elle consideroit, & pour qui elle avoit de la bonté. Les gens, quoique privez de ses bienfaits par l’avarice de son Ministre [Mazarin], ont eu du moins cette consolation, qu’elle les a distingués par son estime, & que si elle ne leur a pas fait beaucoup de graces elle ne les en a pas crû indignes. Il falloit donc se contenter du bon traitement de la Reine; & ce plaisir, qui contenoit en soi assez de gloire pour satisfaire un cœur fidele, étoit accompagné d’un grand repos113 .

Diese Einschätzung von Mme de Motteville, die von ihrer Antipathie gegenüber Mazarin geprägt ist, geht letztlich zu weit, denn Anna von Österreich kam ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Getreuen, wie es anhand verschiedener Beispiele bereits aufgezeigt wurde, sehr wohl nach. Und in diesen Fällen war die Patronage dann für gewöhnlich auch von Freundschaftsdiensten gekennzeichnet, wobei es sich abermals primär um eine »materielle Austauschbeziehung« handelte, bei der Geld, Ämter, Güter, Geschenke, juristische Hilfe und die Vermittlung von Gefallen, etwa bei der Karriereförderung, im Vordergrund standen114 . Grundsätzlich waren den Fürsten Freundschaften natürlich keineswegs untersagt115 . Allerdings sollten sie sich bei der Wahl ihrer Freunde nicht einseitig von ihren Gefühlen leiten lassen, sondern von der Vernunft, denn schließlich galt Freundschaft meistens lediglich als eine besondere Ausformung einer Patronagebeziehung und war wie diese nach Nützlichkeitserwägungen ausgerichtet116 . Durch eine entsprechende Mehrung des oben erwähnten Kapitals in Form von Treue, Anteilnahme oder Gunstbeweisen hofften die Beteiligten im Bedarfsfall auf ›Zinsen‹ in Form von Gefälligkeiten und Unterstützung, was durchaus der zeitgenössischen Definition von Freundschaft entsprach: »Amitie, [. . . ] Affection réciproque qu’on se témoigne pour de particulieres considérations. [. . . ] Ce qui peut faire naître l’amitié, c’est d’obliger, & de faire du bien«117 . Und der Verfasser eines anderen Wörterbuches ergänzte: »Amitié, signifie encore, Plaisir, bon office, Faites-moi cette amitié de recommander mon affaire«118 . Es handelte sich demnach um ein stummes Einvernehmen zwischen Patron und Klient, um einen ungeschriebenen Vertrag, und sobald der Patron dem Klienten seine Gunst entzog oder sich für dessen Treue und 113 114 115 116 117 118

M, Mémoires, Bd. 1, S. 348. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 187f., 204, 207; K, Politische Freundschaft, S. 49. Ibid., S. 265–302. L M, De l’art de régner, Teil 2, S. 173. Ibid. Siehe auch Z, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 26, Sp. 1401, (Art.) »Patron«. R, Dictionnaire, Teil 1, S. 28, (Art.) »Amitié« [Hervorh. im Orig.]. F, Dictionnaire, Bd. 1, S. 83, (Art.) »Amitié« [Hervorh. im Orig.].

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

349

Unterstützung nicht erkenntlich zeigte, konnte es zum »Vertragsbruch«119 kommen, woraufhin sich der Klient in einen Gegner verwandelte. Gemäß der Auffassung der Zeit schaffte deshalb vor allem Großzügigkeit (verlässliche) Freunde120 . Und das erklärt wiederum, weshalb Klienten oftmals auch als Freunde bezeichnet wurden121 . Aus diesem Grund ist Christian Kühners Behauptung, wonach ein PatronKlient-Verhältnis in erster Linie die Beziehung zwischen Angehörigen des Provinzadels oder einer hochgestellten Person am Hofe mit einem Vertreter des Provinzadels beschreibt, mehr als fraglich122 . Am Hofe bestanden sehr wohl ähnliche Strukturen, zumal es sich im Verhältnis zwischen Anna von Österreich und den Höflingen bzw. den Amtsträgern in ihrem Umfeld um eine vergleichbare Konstellation handelte wie zwischen einem Patron am Hofe und dessen Klienten in der Provinz. Ebenso zweifelhaft ist deshalb auch Kühners These, »in Beziehungen gerade zu Nichtadligen ist der Freundschaftsbegriff abwesend«123 , denn, wie zu zeigen sein wird, gab es etwa zwischen der Königin und Geistlichen sehr wohl einen Diskurs und Gesten der Freundschaft, wie er sich in ähnlicher Form auch zwischen Adligen offenbarte. Und so räumt selbst Kühner ein, dass die Asymmetrie, also der Rangunterschied zwischen Monarch und Untertan durch Freundschaft bzw. den Freundschaftsdiskurs überbrückt werden konnte124 . Anna von Österreich wurde nachgesagt, dass sie »ihre Freunde liebte«125 , sie gut und gerecht behandelte und treu zu ihnen stand126 . Als Gegenleistung erwartete sie Loyalität, Aufrichtigkeit und Beistand127 . Diese Getreuen standen infolgedessen in einer doppelten Verpflichtung, der Königin treu zur Seite zu stehen, nämlich als Klienten und Freunde128 . Auch bei »Beziehungen zwischen Personen, die in der gesellschaftlichen Hierarchie unterschiedlich aufgestellt waren« und sich daher in einem asymmetrischen, also »einem typischen Patron-Klient-Verhältnis befanden, war es nicht zwangsläufig der Fall, dass diese Beziehung[en] auf tatsächlicher Zuneigung« basierten129 . Zahlreiche zeitgenössische Briefe belegen, dass die Freundschaftsrhetorik primär dann an Bedeutung gewann, wenn der Patron das Vertrauensverhältnis und die Loyalitätsbindung des Klienten stärken wollte, oder als Folge der Unterstützung eines Klienten von einer deutlich 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129

F, Politique, théâtre et sentiment, S. 325. Z-D, The Gift, S. 19f., 27, 131. K, Friendship and Clientage, S. 139, 143. K, Politische Freundschaft, S. 62. Ibid., S. 96. Ibid., S. 124f. L B, Oraison, S. 30. Ibid., S. 29; F, Oraison, S. 45. B, Emblèmes divers: Des veritables Amis. Discovrs LI, Bd. 2, S. 383–385. G, La mode, S. 235f.; H, Les orateurs sacrés, Bd. 2, S. 306. M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 7.

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4. Freundschaft und Zuneigung

höhergestellten Person130 . Den Briefen kam als Ersatzhandlung eine große Bedeutung zu, wenn sich Personen, aufgrund welcher Umstände auch immer, nicht persönlich treffen konnten. Daher sollten die Formulierungen keinen Zweifel an der Treue des Absenders aufkommen lassen131 . Der Klient-Freund war bereit, sich gegenüber seinem Patron für eine erwiesene Gunst loyal zu zeigen und ihm bei Bedarf ebenfalls Unterstützung zu bieten. Dabei fand der Freundschaftsbegriff primär dann Anwendung, wenn der Patron den Erwartungen bereits gerecht geworden war. Wie von einem Verwandten wurde auch vom Patron- bzw. Klienten-Freund erwartet, Unterstützung zu leisten. Damit unterschied sich das Verständnis von Freundschaft im 17. Jahrhundert deutlich von dem der Folgezeit132 . Natürlich konnte die Nutzung des Freundschaftsbegriffs Ausdruck für eine mit der Zeit gewachsene Zuneigung sein133 . Freundschafts- und Treuebekundungen waren oft Teil der rhetorischen Konvention und der Erwartungshaltung zwischen Patronen und Klienten bzw. Freunden134 . Paul McLean hat anhand des Medici-Briefwechsels aus dem 15. Jahrhundert gezeigt, dass standardisierte Redewendungen dazu dienten, die eigene Loyalität gegenüber dem Patron herauszustellen135 . Folglich nahm die Inbrunst in Bezug auf die Wortwahl und den Hinweis auf die Verpflichtungen gegenüber Personen, die auch als Mittler (broker) fungierten, zu136 . Eine solche Entwicklung, das heißt die wachsende Kultivierung einer Rhetorik der Freundschaft, lässt sich auch in Frankreich nachweisen. Es besteht somit kein Zweifel, dass, wie im Fall von sozial gleichrangigen oder verwandten Personen, ein Patronageverhältnis auch zwischen sozial höher und niedriger gestellten Personen von Freundschaft geprägt sein konnte, wenn eine affektive Motivation von Seiten des Patrons vorlag oder wenn 130 131

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T, (Art.) »Klientel«, Sp. 783. L R, La faveur du Roi, S. 278f.: »La lettre est ainsi conçue comme un complément aux relations interpersonnelles reposant sur la présence physique des interactants. [. . . ] La lettre est ainsi destinée à fournir une reconnaissance du statut social des acteurs et de conforter leur identité. C’est pour ces raisons que les correspondances font un usage incessant du vocabulaire de l’amitié et de la courtoisie«. Siehe auch K, Politische Freundschaft, S. 217–222; S, No More Language Games, S. 1433. Im 18. Jahrhundert wurde eine deutlichere Trennung vorgenommen. Siehe Denis D, Encyclopédie, 5 Bde., New York 1969 [EA 1751–1780], Bd. 1, S. 115, (Art.) »Amitié«: »L’amitié n’est autre chose que l’habitude d’entretenir avec quelqu’un un commerce honnête et agréable« [Hervorh. im Orig.]; S. 116f., (Art.) »Amour«: »On ne le [= die Liebe] peut confondre avec l’amitié; car dans l’amitié, c’est l’esprit qui est organe du sentiment: ici ce sont les sens«. Siehe auch A, Freundschaft und Patronage, S. 270f.; C, Amitié, S. 145, 149, 151; K, Politische Freundschaft, S. 32, 34–37, 97– 133, 310–323. M, Gönnerin oder Freundin?, Absätze 7f. Vgl. R, Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie, S. 134. ML, The Art of the Network, S. 152. Ibid., S. 90–149, 224f., 227. Ibid., S. 106f. Siehe auch K, Politische Freundschaft, S. 295–298.

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

351

die niedriger stehende Person beispielsweise über bestimmte Einfluss- und Kontaktmöglichkeiten verfügte, derer sich der Patron-Freund bedienen wollte137 . Die affektive Komponente war allerdings nicht zwingend erforderlich. Sie spielte vor allem bei Personen eine Rolle, mit denen die Königin regelmäßig Kontakt hatte, während Freundschaftsverhältnisse zu Personen, die die Königin selten oder nie zu Gesicht bekam, unabhängig von jeder Form der Zuneigung begründet werden konnten. Folglich bediente sich die Königin wie gegenüber Verwandten und Angehörigen auch im Fall von Klienten in Gesprächen und Briefen einer Rhetorik der Freundschaft, um die jeweilige Person oder Personengruppe für sich zu gewinnen und in ihr Patronagesystem zu integrieren138 . Dabei stellte das Einvernehmen mit den großen Adelsfamilien sowie mit wichtigen Staatsdienern eine besonders wichtige und nützliche Voraussetzung dar, um im Land dauerhaft stabile Verhältnisse zu ermöglichen. Das geschah einerseits dadurch, dass die Königin bei der Übernahme der Regentschaft das Gros der Würdenträger im Amt beließ und auf diese Weise auf eine solide und gefestigte Klientelbasis zurückgreifen konnte139 . Und das geschah andererseits, indem sie, wann immer es ihr möglich war, Pensionen, Titel und Pfründe verteilte, um starke Bindungen zu schaffen – so vor allem während der Fronde. So kam es allein zwischen 1648 und 1653 zur Erhebung von 21 neuen Herzogtümern (duchés-pairies), wobei sich unter den Auserwählten sowohl Adlige als auch Vertreter des Amtsadels fanden, wie Kanzler Séguier, was eine Reaktion auf dessen gewachsene Bedeutung in Gesellschaft und Verwaltung darstellte. Zwischen 1651 und 1653 wurden auch neun Marschälle ernannt, womit die militärische Schlagkraft erhöht und möglichst viele Heerführer mitsamt ihren Truppenverbänden fester an die Krone gebunden werden sollten140 . Dieses Vorgehen war nicht ungewöhnlich. Schon Maria von Medici hatte während ihrer Regentschaft in besonders unruhigen Zeiten versucht, durch die Verteilung von Titeln, Würden und Pensionen insbesondere der Loyalität des Adels nachzuhelfen141 . Anna von Österreich war bemüht, bestehende Bindungen zu pflegen, was durch die Unterstützung bei möglichen Anliegen geschah, mit denen sich die Adligen oder Staatsdiener an sie wandten, oder durch einen regelmäßigen Briefkontakt142 . Trotz des oft förmlichen Tones war die Königin auch gegenüber staatlichen Würdenträgern bestrebt, eine Form der Nähe zu etablieren, indem sie immer wieder den Begriff der Zuneigung nutzte. So begann die Kö137 138 139

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K, Friendship and Clientage, S. 142; Z-D, The Gift, S. 20. Vgl.  K, Catherine de Médicis, S. 146, 184. Siehe dazu Kenneth M. D, Patronage and Power in Seventeenth-Century France: Richelieu’s Clients and the Estates of Brittany, in: Parliaments, Estates and Representation 1/1 (1981), S. 1–12, hier S. 5; H, Anatomy of a Power Elite, S. 221. D, Anne d’Autriche, S. 83f. Vgl. dazu M, Mémoires, Bd. 4, S. 44. Siehe Lionel A, Histoire des ducs d’Uzès, Paris 1887, S. 116. Vgl. auch M, Gönnerin oder Freundin?, Absätze 25–28.

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4. Freundschaft und Zuneigung

nigin etwa Briefe an den Kanzler von Frankreich mit einer förmlichen Anrede, endete aber mit den Worten »Eure gute Freundin« (Votre bonne amie)143 . In diesen Schreiben ging es in der Regel um Rechtsstreitigkeiten, in die vor allem Amtsträger aus ihrem Haushalt involviert waren. Die Königin intervenierte oft zu deren Gunsten und ersuchte den Kanzler, beim zuständigen Richter auf einen positiven Ausgang des Verfahrens hinzuwirken; mit dem Kanzler als intermediäre Instanz vermied sie es, sich selbst direkt in einen laufenden Prozess einzuschalten144 . Der Kanzler konnte hingegen seine Treue und Loyalität gegenüber der Königin demonstrieren, stets in der Erwartung, dass sie ihn ihrerseits bei etwaigen Anliegen unterstützen würde. Einmal bat sie ihn, zwei Pächtern auf ihren Gütern, die ihr oft Geld zur Verfügung gestellt hatten, bei deren Prozess am Pariser Gericht behilflich zu sein145 . Ein anderes Mal forderte sie einen Marschall auf, Amtsträger zu unterstützen, die eine Charge in ihrem Haushalt und Posten im Heer bekleideten146 . Auch gegenüber den Provinzgouverneuren zielte sie darauf ab, mit vertraulichen Worten Nähe zu schaffen147 . Ferner zeigte sie sich behilflich, wenn hohe Adlige sie um Unterstützung für einen Klienten baten148 . Ähnlich, aber weitaus deutlicher, war das Vorgehen bei adligen Personen: Die Königin nutzte meist die Anrede »Mein(e) Cousin(e)« oder andere affektive Formulierungen, um etwa gegenüber Mitgliedern bedeutender Adelsgeschlechter – wie die Familien Condé, Soissons, Vendôme oder Bouillon –, die Nähe zur ihr zu unterstreichen und deren Bindung an den Hof zu stärken149 . Briefe an adlige Frauen waren meist auf Glückwunsch-, Kondolenz- und Dankesschreiben beschränkt, wohingegen es in der Korrespondenz mit adligen Herren in ihrer Funktion als Militärbefehlshaber oder Inhaber von Gouverneursposten oft um konkrete Gunstbeweise für Mitglieder ihres Hofstaates oder ihnen nahestehende Personen ging150 . Besonders aufschlussreich ist hierfür der erhaltene Briefwechsel mit der Familie Condé. Anna von Österreich unterhielt bereits vor der Fronde gute

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Hier bestand ein Unterschied zwischen Krone und Adel, da es bei Letzterem eher unüblich war, einen Brief an einen Rangniederen in dieser Form zu beenden, siehe K, Politische Freundschaft, S. 195f. M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 27. BNF, Mss., Fonds français 18552, Brief v. Anna von Österreich an Kanzler Pierre Séguier (12.07.1654), fol. 110r. BCH, Mss., Série P, Bd. 2, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (13.05.1648), fol. 67r. Siehe auch S, The Power and Patronage, S. 62, 155. BNF, Mss., Fonds français 20571, Brief v. Anna von Österreich an den Duc d’Épernon (08.04.1653), fol. 57r. Vgl. J-F, Herrinnen des Louvre, S. 294; K, Friendship and Clientage, S. 143f.; K, Politische Freundschaft, S. 49. M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 25.

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

353

Beziehungen zum Prince de Condé und dessen Sohn, dem Duc d’Enghien151 . Dabei ging es meist um die Versicherung ihrer Zuneigung152 , die Gratulation zu militärischen Erfolgen153 oder Genesungswünsche154 . Gleich einem Kaleidoskop nahm sie Anteil an den verschiedenen Ereignissen in deren Leben. So kondolierte sie, als die Mutter des damaligen Prince de Condé, Charlotte Catherine de La Trémoille, starb, oder sandte ihre Glückwünsche zur Geburt seines zweiten Sohnes155 . Umgekehrt dankte sie ihm für sein Interesse an ihrem Befinden, für ein Kondolenzschreiben anlässlich des Todes ihres Neffen und für die Segenswünsche zur Geburt des Thronfolgers156 . Auf dieser Grundlage war es umso einfacher, sich im Bedarfsfall mit einer Bitte aneinander zu wenden. Zum Beispiel hatte Ludwig XIII. Anna von Österreich 1628 Gelder für ihren Eigenbedarf bewilligt; da diese aus der Provinz des Languedoc bezogen werden sollten, bedurfte es zuvor der Zustimmung des Gerichtshofes in Toulouse. Deshalb bat sie den Prince de Condé, seinen Einfluss zu nutzen und das Ganze zu beschleunigen – der Freund und Klient Condé übernahm also zugleich die Funktion eines Mittlers157 . Als nicht minder förderlich erwies sich die freundschaftliche Beziehung, die die Königin zu Condés Frau, Charlotte Marguerite de Montmorency, unterhielt und auf deren Unterstützung sich Anna von Österreich 1643 bei der Regentschaftsübernahme verlassen konnte, sodass Condés Zustimmung für die vollständige Übertragung der Regierungsverantwortung auf die Königin durch seine Frau zusätzlich erleichtert wurde, was noch einmal grundsätzlich die bedeutende 151 152

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Siehe z. B. BCH, Mss., Série M, Bd. 33, Brief v. Anna von Österreich an den Duc d’Enghien (03.06.1646), fol. 37r. BCH, Mss., Série M, Bd. 28, Brief v. Anna von Österreich an den Duc d’Enghien (30.04.1643), fol. 72r; ibid., Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (20.05.1643), fol. 114r. V.a. während der Fronde versuchte sie, sich durch Freundschaftsbekundungen seine Treue zu sichern. Siehe z. B. BCH, Mss., Série P, Bd. 10, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (10.02.1651), fol. 8r: »[L’]estime que Ie faictz de v[ot]re. Personne Et de ma bienueillance entiere pour vous, Et vous tesmoigner que I’ay beaucoup d’Impatience de Vous reuoir Et de Vous confirmer qu’elle est mon affection par les effectz«. BCH, Mss., Série M, Bd. 28, Brief v. Anna von Österreich an den Duc d’Enghien (26.05.1643), fol. 186r; BCH, Mss., Série P, Bd. 1, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (03.08.1647), fol. 354r–354v, hier fol. 354v. BCH, Mss., Série P, Bd. 2, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (12.09.1648), fol. 261r. BCH, Mss., Série M, Bd. 2, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (01.09.1629), fol. 322r; Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (12.10.1629), fol. 338r. BCH, Mss., Série M, Bd. 1, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (18.10.1625), fol. 179r; Bd. 3, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (30.09.1632), fol. 450r; Bd. 14, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (23.09.1638), fol. 282r. BCH, Mss., Série M, Bd. 2, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (04.05.1628), fol. 87r.

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4. Freundschaft und Zuneigung

Rolle der Frauen als Mittlerinnen im Hintergrund unterstreicht158 . Sowohl Condé als auch sein Sohn hielten der Krone dann zunächst ungebrochen ihre Treue, weil sie von diversen Wohltaten in Form von Geld, Titeln und Gütern profitierten. Erst als sie sich von Mazarin in ihrer Klientelpolitik zunehmend bedroht sahen, änderte sich die Lage159 . Das Ende solch guter Beziehungen wurde also spätestens dann eingeläutet, wenn sich die Klienten ihrer Verpflichtung entzogen. Im Gegensatz dazu sah Anna von Österreich in einer offenen Opposition eine Verletzung der Treue ihr gegenüber, weshalb sie es ihrerseits als legitim ansah, ihre Gunst zu entziehen – und dabei spielte es keine Rolle, wie nahe ihr jemand stand, wie das Beispiel ihrer Nichte, die Tochter des Duc d’Orléans, Mlle de Montpensier, zeigt, die während der Fronde gegen die königlichen Truppen kämpfte. In dieser Zeit hatte sich das Verhältnis zur Königin entsprechend abgekühlt, was einen sinnfälligen Ausdruck in der Korrespondenz mit ihrer Nichte fand: Üblicherweise stand in der Adresszeile »À ma Cousine d’Orléans«; nun aber ordnete die Königin ausdrücklich die weitaus distanziertere und förmlichere Anrede »À Mademoiselle fille ainée de M. le Duc d’Orléans« an, die zwar den Rang ihrer Nichte nicht schmälerte, aber dennoch im Vergleich zur bisherigen Anrede die Ungnade, in der sie nun stand, zum Ausdruck bringen sollte160 . Erst nach der Fronde, als die Krone wieder gefestigt war und es sinnvoll erschien, ehemalige Gegner an sie zu binden, befürwortete die Königin eine Annäherung ihrer Nichte an den Hof. Damit sollten zugleich eine mögliche künftige Opposition oder sonstige Ränkespiele von Seiten Mlle de Montpensiers vorgebeugt werden. Über die Versöhnung 1657 schrieb diese: Comme je fus proche du carrosse de la reine, ils firent halte et se mirent en escadron entre son carrosse et le mien; car je mis pied à terre & vingt pas de celui de la reine, à qui je baisai la robe et les mains. Elle me fit l’honneur de m’embrasser et de me dire qu’elle étoit bien aise de me voir; qu’elle m’avoit toujours aimée qu’il y avoit eu des temps où elle avoit été fâchée contre moi qu’elle ne m’avoit point su mauvais gré de l’affaire d’Orléans; mais que pour celle de la porte de Saint-Antoine, si elle m’avoit tenue elle m’auroit étranglée. Je lui dis que je méritois bien de l’être puisque je lui avois déplu; mais que c’étoit un effet de mon malheur de m’être trouvée avec des gens qui m’avoient engagée à des choses, où mon devoir m’obligeoit d’en user comme j’avois fait. Elle me dit: »J’ai voulu vous parler de cela d’abord, et vous dire tout ce que j’avois sur le cœur; mais j’ai tout oublié; il n’en faut plus parler, et soyez persuadée que je vous aimerai plus que je n’ai jamais fait«. Je lui baisai les mains elle m’embrassa161 .

Ein weiteres Beispiel in diesem Kontext bietet erneut die Familie Condé. Die Königin hatte dem Duc de Longueville, dem Schwager des Prince de Con-

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J-F, Herrinnen des Louvre, S. 263 und auch S. 294. C, P, Monarchies, S. 248f. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 66, Ordre de la Reine (1652), fol. Bv. M, Mémoires, Bd. 3, S. 111f. Siehe auch ibid., S. 121, 584f.; M, Mémoires, Bd. 4, S. 495–497, hier S. 497: »Mademoiselle à son retour fut bien reçûe de la Reine, & toutes les choses passée[s] parurent effacées à son égard«.

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

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dé, die Macht über die Normandie, wo dieser als Gouverneur eingesetzt war, wieder entzogen, nachdem auch er sich während der Fronde gegen sie gestellt hatte162 . Seine Verhaftung ebenso wie die des Prince de Condé und seines Bruders, des Prince de Conti, im Januar 1650 und die darauf folgende mehrmonatige Inhaftierung der drei waren ebenfalls Maßnahmen der Krone, um die Opposition einzudämmen163 . Zugleich offenbarte sich hierbei die Problematik von angemessener Bestrafung illoyalen Verhaltens und Dankesschuld für geleistete Dienste. Mlle de Scudéry, die mit dem Prince de Condé bekannt war, schrieb, dass seine Verhaftung nicht nur für Frankreich, sondern auch für die Königin, die ihm so viele Siege zu verdanken habe, eine Schande sei164 . Aus Sicht der Königin, der Patronin, zählten geleistete Dienste jedoch nur, wenn sie durch ein konstantes Treueverhältnis abgesichert wurden. Im Gegensatz zu ihren Nachkommen und deren Ehepartnern hielt die Princesse de Condé, die mit der Königin schon lange eine enge freundschaftliche Beziehung pflegte, dieser auch während der Fronde die Treue165 . Dies ist erneut ein Beispiel dafür, dass die vermeintliche oder tatsächliche Illoyalität von Klienten keineswegs negative Auswirkungen auf alle Mitglieder einer Familie haben musste. Charlotte Marguerite de Montmorency erhielt aufgrund dieses Verhaltens immer wieder von Mazarin Gratifikationen ausgezahlt, mit denen die Königin ihre Anerkennung und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen wollte166 . Während sich der Prince de Conti bereits unmittelbar nach der Fronde wieder dem Hof annäherte und die neuerlich guten Beziehungen durch die erwähnte Ehe mit einer Nichte Mazarins besiegelte, sollte sein Bruder, der Prince de Condé, erst im Zuge der Vermählung Ludwigs XIV. nach Frankreich und an den Hof zurückkehren167 . Diese Bereitschaft, sich wieder der Krone zu unterwerfen, wurde zumindest in der Öffentlichkeit von Anna von Österreich honoriert: »Il y a grande amitié a [sic] la cour entre le prince de Condé et la reine-mère; tout le monde s’en étonne et s’en réjouit comme un grand augure d’un bon temps; ce sont les effets de la paix«168 . Dieses Beispiel belegt sehr gut, dass trotz aller Animositäten ein Einvernehmen und der Wiedereintritt in ein Gunstverhältnis mit der Königin möglich waren, wenn der Klient seine Fehler eingestand und seine Loyalität erneut bekundete. Die Fähigkeit zu ver162 163 164 165

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P, Lettres, Bd. 1, S. 405, Brief v. Patin an Charles Spon (27.01.1649). M, Mémoires, Bd. 3, S. 375f. Zur Freilassung kam es im Februar 1651 (ibid., Bd. 4, S. 73). R, Mademoiselle de Scudéry, S. 236, Brief v. Mlle de Scudéry an Antoine Godeau, Bischof von Vence (18.11.1650). Siehe dazu BCH, Mss., Série M, Bd. 3, Brief v. Anna von Österreich an den Prince de Condé (05.05.1632), fol. 377r; M, Mémoires, Bd. 2, S. 482f.; Bd. 3, S. 366f., 544f. C, Des carnets, Oktober 1854, S. 625. M, Mémoires, Bd. 5, S. 63f. P, Lettres, Bd. 3, S. 247, Brief v. Patin an André Falconet (10.08.1660).

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4. Freundschaft und Zuneigung

zeihen entsprach zwar dem christlichen Selbstverständnis der Königin, war aber auch ein gezieltes politisches Instrument, um potentielle Gegner wieder an die Krone zu binden. Ähnliches wie bei Staatsdienern und Hochadel galt für den Umgang der Königin mit geistlichen Würdenträgern. Dabei bilden auch hier Briefe einen besonders anschaulichen Gradmesser für diese Beziehungen, zumal eine räumliche Nähe zur Monarchin selten oder gar nicht vorkam. Allein ihr unermüdlicher Einsatz für die Kirche machte Anna von Österreich gleichermaßen als Wohltäterin und Freundin sehr beliebt. Bereits nach dem Regentschaftsantritt erklärte Balzac, dass ihre tatsächliche Macht im Gebet liege: Vostre Majesté, Madame, est tres-esloignée de ces sentimen[t]s des Princes superbes. [. . . ] Elle se prosterne au pied des Autels, sur lesquels ils ont monté. Et nous ne craignons point de l’offenser, quand nous luy disons, qu’elle n’est pas assez puissante pour donner la Paix à la Chrestienté, mais qu’elle est assez bonne pour l’obtenir du Dieu des Chrestiens; que ce ne sera pas de son Throsne & en commandant, qu’elle fera pleuvoir cette benediction sur la Terre, mais que ce sera dans son Oratoire & en priant, qu’elle l’attirera d’vne religion plus eslevée169 .

Obwohl die Königin gerade während und nach der Regentschaft machtpolitischen Erwägungen folgte, prägte sich das Bild einer Königin, deren religiöser Eifer keine Grenzen kannte, nachhaltig in das kollektive Gedächtnis der Untertanen (und der Nachwelt) ein170 . Die Kirche wusste sehr wohl, welch großer Verlust ihr durch den Tod der Königin bevorstand171 . Anna von Österreichs Unterstützung von finanziell angeschlagenen Klöstern, die Beteiligung an Reparaturen von Kirchen, die Hilfe für Arme, Waisen, Kranke und Gefangene, die Förderung von Missionierungsbewegungen, aber auch die direkte Intervention zugunsten einzelner Geistlicher erklären, warum ihre Verherrlichung im religiösen Bereich von so großer Bedeutung war – und letztlich sogar noch eine Fortsetzung in der panegyrischen Darstellung ihres Sohnes fand, denn sie habe dem König früh die Bedeutung der Religion, dem »Fundament aller Tugenden«, aufgezeigt, die er als wichtiger ansehen müsse als seine königliche Würde, sein Reich oder sein Leben172 . Dass die Königin zur Lieblingstochter der Kirche avancierte, lag also nicht zuletzt an ihrer

169 170

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172

B, Œuvres: Dissertation VI – Discovrs à la Reine svr sa Regence, Bd. 2, S. 467 [Hervorh. im Orig.]. Das betraf natürlich v.a. den Krieg mit der katholischen Macht Spanien und den grundsätzlich eher moderaten Kurs Annas gegenüber den Protestanten in Frankreich – allen Missionierungsbestrebungen zum Trotz. BNF, Mss., Thoisy 51, Brief v. Pierre III. de Bertier, Bischof von Montauban, an Anna von Österreich (08.07.1663), fol. 204r–204v, hier fol. 204r: »[L’]Eglise estoit aux pieds de ses autels pour demander a [sic] Dieu qu’il deliurat par sa bonte & par sa iustice la meilleure des Reines & celle qui a fait de plus grands biens a la Religion d’vn mal qu’elle ne meritoit pas & dont elle estoit nea[nt]moins agitee, sans doutte [sic], pour nostre punition«. F, Louis le Grand, S. 23f.

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

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unerschütterlichen Treue, mit der sie die Kirche und deren Repräsentanten stets mit großer Freigiebigkeit unterstützte – und das oftmals trotz prekärer Staatsfinanzen. Sie schien die christlichen Werte von Nächstenliebe und Fürsorge mehr als jeder andere verinnerlicht zu haben und der Auffassung gefolgt zu sein, dass es keine schöneren Schulden gebe als die durch Großzügigkeit entstandenen173 . Ihre Maßnahmen zur Unterstützung von Kirche und Klerus trugen ihr Anerkennung und Wertschätzung sowie die Bereitschaft ein, ihr nur umso bereitwilliger zu helfen, sollte sie selbst eine Bitte vorbringen. Mit vertraulichen Worten in Gesprächen und Briefen versuchte die Königin auch im klerikalen Umfeld, Nähe zu schaffen und Kontakte zu pflegen174 . Umgekehrt waren sich aber auch die Geistlichen sehr wohl darüber im Klaren, dass sie sich aufgrund der tiefen Frömmigkeit Annas von Österreich gute Chancen ausrechnen konnten, ihre Bittgesuche bei der Königin vorbringen und durchsetzen zu können. Anna von Österreich stand regelmäßig in brieflichem Kontakt mit (hohen) geistlichen Würdenträgern, angefangen beim Papst über Erzbischöfe und Bischöfe bis hin zu Äbten und Äbtissinnen175 . Wandte sie sich an den Papst, waren ihre Schreiben »schon aufgrund seiner innerkirchlichen Stellung von einer formaleren und ehrerbietigen Art gekennzeichnet, was die rhetorischen Formulierungen betraf«176 . Der Papst verwendete ihr gegenüber meist die Anrede »Carissima«177 . Als strenggläubiger Katholikin war es der Königin naturgemäß ausgesprochen wichtig, mit dem jeweiligen Papst in einem guten Verhältnis zu stehen. Ein willkommener Nebeneffekt war, dass die Anerkennung ihrer Frömmigkeitsbezeugungen zum Einen immer auch ihrem Renommee zugute kam: »En 1620, le Pape Paul V, informé de la dévotion de la Reine Anne d’Autriche, pour cette Confrairie178 , dont elle avoit souhaité augmenter le nombre, de prendre le bâton, & d’y rendre le Pain-béni avec magnificence, lui envoya un des ossemen[t]s de Sainte Anne, dont elle fit un présent aux Orphévres [sic]«179 . Zum anderen war sie in der Lage, sich mit konkreten Gunstbeweisen an den Papst zu wenden. Sie ersuchte beispielsweise Urban VIII., einem Geistlichen ihres Haushalts ohne Kaufkosten das Bischofsamt zu übertragen180 . 173 174 175 176 177 178 179 180

C, Les personnes qve les Roys et Princes doivent appeler et choisir, S. 22. Vgl. S, The Power and Patronage, S. 62, 155. Vgl. M, Gönnerin oder Freundin?, Absätze 16–24. Ibid., Absatz 16. BNF, Mss., Thoisy 301, Brief v. Papst Alexander VII. an Anna von Österreich (15.04.1659), fol. 193r. Die Rede ist hier von den Bruderschaften Sainte-Anne und Saint-Marcel. Claude-Pierre G, Description historique des curiosités de l’Église de Paris, Paris 1763, S. 103. BNF, Mss., Fonds français 20636, Brief v. Anna von Österreich an Papst Urban VIII. (31.12.1641), fol. 28r.

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4. Freundschaft und Zuneigung

Auch wenn die Königin generell mit jedem Papst gute Beziehungen pflegte, waren sie doch nicht immer von der gleichen Intensität. So monierte sie, dass ihr Innozenz X. zum Jubeljahr 1650 lediglich 14 Ablassbriefe geschickt habe, während sein Vorgänger an Maria von Medici 1625 sogar 100 gesandt hatte181 . Allerdings war dieser Vorfall schnell vergessen, nachdem Anna von Österreich und Ludwig XIV. den französischen Botschafter angewiesen hatten, sich beim Papst für ein Verbot des Buches »Augustinus« von Cornelius Jansen einzusetzen, das als häretisch angesehen wurde182 . Als dann die Nachricht von der Bulle »Cum occasione« (1653) eintraf, mit der Innozenz X. die jansenistische Lehre in Frankreich verurteilte, war die Freude groß183 . Bereits zu Ostern 1649 hatte die Königin ganz deutlich gegenüber Pariser Juristen und Höflingen ihr Missfallen über den Jansenismus geäußert, dessen ketzerischen Gedanken sie eine erhebliche Mitschuld an den Unruhen im Land gab, weshalb die Fronde-Kämpfe am Hof auch als »Krieg der Jansenisten« bezeichnet wurden184 . Die Bulle des Papstes war folglich ein wichtiges Signal für die Politik der Königin und Mazarins. Der König und seine Mutter baten den Nuntius explizit, dem Papst ihren tiefen Dank für diese Entscheidung auszusprechen und ihm zu versichern, dass sie stets für den wahren Glauben eintreten wolle185 . Auch für den Papst spielte der Kontakt zur Königin eine wichtige Rolle, weil sie ihm ihrerseits als Mittlerin dienen konnte. Das traf vor allem auf Alexander VII. zu, der seinen Neffen, Kardinal Chigi, 1664 in einer offiziellen diplomatischen Mission nach Frankreich schickte186 . Zuvor hatte sich Chigi außer an Ludwig XIV. auch an Anna von Österreich gewandt; sie dankte ihm und betonte, dass es ihr sehr wichtig sei, dem Papst und seinen Angehörigen stets mit Wohlwollen zu begegnen und sie nach Kräften zu unterstützen187 . 181 182 183

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187

D-A, Journal, Bd. 1, S. 199, Eintrag v. 08.01.1650. R, Mémoires, Bd. 1, S. 383. Vgl. Cornelius J, Augustinus, sive doctrina Sti, 3 Bde., Löwen 1640. R, Mémoires, Bd. 2, S. 124. Papst Urban VIII. hatte bereits 1643 die Bulle »In eminenti« erlassen, um die Verbreitung der jansenistischen Lehre in den Spanischen Niederlanden zu verhindern. Ibid., Bd. 1, S. 271. Ibid., Bd. 2, S. 124f. AN, Mss., K 1719, Nr. 5, Entrée à Paris du Cardinal Chigi, légat en France (1664), s.p. Hintergrund war ein Vorfall aus dem Jahr 1662, als korsische Leibgardisten des Papstes den französischen Botschafter beleidigten, was zu Handgreiflichkeiten und unter den Franzosen zu mindestens einem Todesopfer führte. Daraufhin verwies Ludwig XIV. den päpstlichen Nuntius des Landes, besetzte Avignon, das den Status einer Exklave des Kirchenstaates hatte, und drohte mit dem Einmarsch seiner Truppen in Italien. Mit dem Vertrag von Pisa wurde der diplomatische Bruch abgewendet. So sollte Kardinal Chigi nach Frankreich reisen und sich dort offiziell und öffentlich entschuldigen. Siehe C, Histoire de l’Église, Bd. 11, S. 3–8. AN, Mss., O1 6, Brief v. Anna von Österreich an Kardinal Flavio Chigi (20.04.1664), fol. 22r–22v: »I[’]ay esté bien ayse du choix que Le Pape a faict de v[ot]re personne pour son Legat a [sic] Latere en France vers le Roy Monseigneur Et que vous soyez prest a

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Derartige Hinweise auf ihre potentielle Hilfe entsprachen aber keineswegs ihrer Verblendung gegenüber den tatsächlichen Machtverhältnissen am französischen Hof; denn wie sich gezeigt hat, verfügte die Königin nach ihrem Ausschluss aus dem Kronrat im Jahr 1661 weiterhin über eine durchaus machtvolle Position188 . Als Zeichen der Anerkennung und des Dankes für ihre positive Einflussnahme überreichte Chigi ihr während seines Aufenthaltes Reliquien der heiligen Felicitas189 . Es ist daher nicht verwunderlich, dass ihr Tod mit großer Anteilnahme vom Papst aufgenommen wurde190 . Zudem erhielt sie einen Gedenkgottesdienst in der Lateranbasilika, die der außerordentliche Botschafter Frankreichs in Rom ausrichtete191 . Auch die Beziehungsgeflechte der Königin mit anderen Würdenträgern des Klerus sollten nicht unterschätzt werden. Es ging darum, die Bindungen der (Erz-)Bistümer an die Krone zu stärken. Vor, aber insbesondere während und in den Jahren unmittelbar nach der Fronde wurden darum verstärkt Getreue zu Bischöfen ernannt, wobei nicht nur Vertreter des hohen und mittleren Adels eingeschlossen waren, sondern auch Mitglieder des niederen Adels sowie Personen amtsadliger und ausländischer Herkunft. Michel Mazarin, der Bruder des Ersten Ministers, erhielt 1644 das Erzbistum Aix-en-Provence192 ; Zongo Ondedei, ein enger Vertrauter Mazarins, bekam 1647 das Bistum Orange und 1658 jenes von Fréjus193 ; Pierre de Marca, ebenfalls ein Vertrauter Mazarins, wurde 1648 Bischof von Couserans und 1654 Erzbischof von Toulouse; dem Neffen von Anna von Österreichs Großalmosenier Auguste Potier wurde die Nachfolge für dessen Bistum Beauvais gewährt194 ; François Faure bekam 1651 das Bistum Glandèves und 1653 das von Amiens195 ; Antonio Barberini, Mittler französischer Interessen bei der Kurie in Rom sowie kurzzeitig Großalmosenier im Haushalt der Königin, später dann in dem des Königs, erhielt 1652 das Bistum Poitiers und 1657 das Erzbistum Reims196 ; und Michel Tubeuf, dessen Bruder Jacques Tubeuf im

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191 192 193 194 195 196

partir de Rome auec de sy bonnes Intentions que celles que vous me tesmoignez par v[ot]re lettre du 24 du mois passé[;] vous connoistrez Estant Icy combien I[’]ay estime et de respect pour sa saincteté, Et comme Ie souhaitte [sic] de pouuoir contribuer a tout ce qui sera pour le bien du s[ain]t siege, Et pour les auantages de la maison de sa saincteté«. Siehe Kap. 2.2.3, S. 117–119. Siehe V, Anne d’Autriche, S. 13. Die heilige Felicitas gilt als Schutzpatronin der Frauen und Mütter sowie der (männlichen) Nachkommen. L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 4. April 1666, Sp. 782, V. 63f.: »Aussi-tôt qu’on le sceut dans Rome, / Fort triste en parut le Saint-Homme«. Muse de la cour, 28. Oktober 1666, XXIII. Semaine, V. 101–134. Kap. 3.3.2, S. 295. M, Mémoires, Bd. 5, S. 73 (Randnotiz), nannte ihn eine »Créature du Cardinal Mazarin«. L M, Augustin Potier, S. 355f. P, Histoire de François Faure, S. 11–23. G, État de la maison, S. 96, Nr. 3580; Muze historique, 3. Mai 1653, Livre IV,

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4. Freundschaft und Zuneigung

Haushalt der Königin als Intendant tätig war, wurde 1653 zum Bischof von Saint-Pons erhoben197 . Für die Königin und die Krone zahlten sich diese Ernennungen in jedem Fall aus, denn die so gewonnenen (Erz-)Bischöfe sorgten für den loyalen Rückhalt ihrer jeweiligen Diözese und zeigten sich großzügiger, wenn es um die Bereitstellung des so genannten don gratuit ging, der freiwilligen Abgabe des Klerus an die Finanzen der Krone198 . Um die Bedeutung des Klerus zusätzlich zu unterstreichen, bediente sich die Königin auch hier in ihrer Korrespondenz einer entsprechenden Rhetorik, um die Geistlichen eben nicht einfach nur als ihre Klienten bzw. Kreaturen erscheinen zu lassen. Erneut setzte sie auf Formulierungen, die ein verwandtschaftliches Verhältnis suggerierten. In der Anrede wurde dies ebenfalls durch Formulierungen wie »Mein(e) Cousin(e)« (mon cousin/ma cousine) ausgedrückt, wodurch Nähe demonstriert, der Statusunterschied aber gewahrt blieb199 . Für gewöhnlich wandten sich die hohen geistlichen Würdenträger meist direkt an die Königin, ohne auf Mittler zurückzugreifen200 . So legte etwa eine Äbtissin einen Besetzungsvorschlag für einen Posten vor: Die Person, die sie für den Posten vorgesehen hatte, war jedoch noch zu jung, sodass die Königin keinen Dispens erhielt, weshalb sie sich für eine ältere Aspirantin entschied; gleichwohl war Anna von Österreich bemüht, der Äbtissin zu versichern, dass sie ihrer Bewerberin bei anderer Gelegenheit einen Posten verschaffen würde201 . Darüber hinaus setzte sich Anna von Österreich immer wieder mit Geistlichen in Verbindung, wenn diese ihr behilflich sein konnten, um ihren Klienten eine Gunst zu erfüllen. Zum Beispiel ersuchte sie einen Bischof, bei Gelegenheit einem Soldaten aus ihrer Leibgarde eine vakante Abtei zuzuteilen. Damit wollte sie dem Soldaten für sein loyales Verhalten während der Fronde ihren Dank bekunden202 . In einem anderen Fall wandte sie sich an einen Kardinal mit der Bitte, dem ältesten Sohn ihres Oberstallmeisters eine Bulle für die kostenlose Übertragung einer Abtei zukommen zu lassen203 .

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Lettre XV, V. 162–168; Olivier P, Antonio Barberini (1608–1671) et la papauté, in: Mélanges de l’École française de Rome. Italie et Méditerranée 108/1 (1996), S. 407– 442, hier S. 441. Zu Barberinis Tätigkeit als Anna von Österreichs Großalmosenier siehe M, »Spiritus intus agit«, Bd. 1, S. 561–565. D, Anne d’Autriche, S. 84. Ibid., S. 85. M, Gönnerin oder Freundin?, Absätze 17f. Vgl. auch Christophe B, Myriam T, Portraits épistolaires du cardinal de Retz. Lettres inédites, nouvelles lectures, Paris 2011, S. 112; K, Politische Freundschaft, S. 201–203. M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 18. BNF, Mss., Clairambault 389, Brief v. Anna von Österreich an Françoise de Foix, Äbtissin von Notre-Dame de Saintes (09.11.1643), fol. 289r–289v. BNF, Mss., Fonds français 3922, Brief v. Anna von Österreich an Louis II. Doni d’Attichy, Bischof von Autun (07.09.1652), fol. 29v–30r. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 25117, Brief v. Anna von Österreich an Kardinal Virginio Orsini (21.01.1648), fol. 3r.

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

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Ihre Begründung für dieses Engagement kann als exemplarisch angesehen werden: Sie verwies auf die lang anhaltend guten Dienste ihres Oberstallmeisters und ihre Zuneigung für ihn. Das heißt, neben der Anerkennung seiner Dienste und Loyalität war, zumindest in diesem Fall, die affektive Komponente nicht minder bedeutsam, als es darum ging, sich für ihn einzusetzen, denn sie betonte, dass derartige Empfehlungsschreiben eher die Ausnahme seien. Aufgrund der geringen Zahl der von ihr erhaltenen Briefe muss offen bleiben, ob diese Aussage der Realität entsprach oder ob es sich lediglich um einen rhetorischen Topos handelte. Allerdings deutet ein Kommentar von Mme de Motteville darauf hin, dass die Königin keineswegs übertrieben haben muss: »Elle étoit libérale par ses propres sentimen[t]s; car ce qu’elle donnoit, elle le donnoit de bonne grace: mais, elle manquoit de le faire souvent, faute de s’en aviser: il falloit trop s’aider auprès d’elle, pour obtenir ses bienfaits«204 . Zugleich kümmerte sich die Königin um das Fortkommen von Geistlichen, die ihr besonders am Herzen lagen, wie im Fall des schon erwähnten François Faure, der auch zu ihren engsten Beratern zählte. Im Winter 1636/1637 hatte er seine erste Messe vor der Königin zelebriert, um dann bereits am 29. Dezember 1639 zum Prediger in ihrem Haushalt ernannt zu werden, ein Amt, das er zehn Jahre ausübte, bis er in der gleichen Position in den Haushalt Ludwigs XIV. wechselte. Während der Fronde trat er als unermüdlicher Vermittler der gegnerischen Parteien auf und konnte 1653 aufgrund seiner rhetorischen Fähigkeiten und seines Vermittlungsgeschicks mit dazu beitragen, dass sich Bordeaux wieder der königlichen Autorität beugte. Anschließend wirkte er an den Vorbereitungen für den triumphalen Einzug des Königs in Paris mit, während er selbst bald darauf zum Bischof von Amiens ernannt wurde205 . Diese Wahl erwies sich als sehr klug, denn Faure nutzte die Einnahmen seiner Diözese neben der Verschönerung seines Bischofssitzes auch für die Einrichtung eines Priesterseminars und für die Armenfürsorge206 . Außerdem war er ein entschiedener Gegner aller Gruppierungen, die sich dem katholischen Dogma entgegenstellten, wie Jansenisten oder Protestanten, weshalb er sich ebenfalls für entsprechende Missionierungen in Amiens einsetzte207 . Der König schätzte ihn für seine Re-Katholisierungsbemühungen, und auch nach dem Tod der Königin konnte er mit Unterstützung am Hofe rechnen, weil er nach wie vor mit vielen Personen aus dem früheren Umfeld von Anna von Österreich in Kontakt stand208 .

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M, Mémoires, Bd. 1, S. 228. Mme de Motteville führt dieses Verhalten v.a. auf den schlechten Einfluss einiger Ratgeber – allen voran Mazarin – zurück. Siehe ibid., S. 348. P, Histoire de François Faure, S. 11–23. Ibid., S. 47f., 50. Ibid., S. 34f., 50, 55. Ibid., S. 81.

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4. Freundschaft und Zuneigung

Anna von Österreich hatte Faure aufgrund seiner Predigten, seines tadellosen Rufes, seiner diplomatischen Fähigkeiten und seines gewandten höfischen Auftretens sehr geachtet209 . Zudem bekundete er – zumindest nach außen –, dass er Mazarin als fähigen Mann betrachtete. Und dass sich Faure trotz seiner Tätigkeit in Amiens am Hofe halten konnte, lag nicht zuletzt daran, dass er immer wieder nach Paris fuhr, um Präsenz zu zeigen und seine Kontakte zu pflegen. Umgekehrt machte die Königin vor allem in den 1650er Jahren auf ihren Reisen immer wieder Station in Amiens, um Faure aufzusuchen. Dieser profitierte beispielsweise im Dezember 1654 von einer solchen Gelegenheit und zeigte ihr seine tiefe Dankbarkeit für ihre langjährige Unterstützung, indem er ihr einige Reliquienfragmente der heiligen Ulphia schenkte210 . Nach dem Tod der Königin demonstrierte Faure erneut seine Verbundenheit mit ihr, als er aus eigenen Mitteln eine chapelle ardente211 zu ihrem Gedenken einrichtete und in der Kathedrale von Amiens am 1. März 1666 eine Leichenpredigt auf sie hielt212 . Selbst wenn Anna von Österreich einen Geistlichen noch nicht näher kannte und erstmals Kontakt zu ihm aufnahm, war der Ton zwar förmlicher gehalten, was aber auch in solchen Fällen meist nur auf die Anrede beschränkt blieb. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Den Brief an eine Äbtissin begann die Königin mit den Worten »Madame l’Abbesse«, dann forderte sie sie auf, die Tochter eines Amtsträgers, der ihr und Ludwig XIV. treu gedient hatte, in ihrem Kloster aufzunehmen213 . Dabei wurde die lange Dienstzeit des Amtsträgers als ausschlaggebend für die Intervention angeführt. Das Entge209 210

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Faure stand etwa in Verbindung zu den führenden Salons der Zeit. Siehe ibid., S. 74f., 77, 88. Auguste J, La Légende de Sainte Ulphe, Amiens 1863, S. 58; P, Histoire de François Faure, S. 47, Anm. 2. Ulphias Gebeine wurden 1279 im Auftrag des Bischofs Guillaume de Mâcon in die Kathedrale von Amiens überführt und in einem silbernen Reliquienschrein am Altar aufbewahrt. Siehe J, La Légende de Sainte Ulphe, S. 57. Eine chapelle ardente ist ein Raum bzw. eine Kapelle, wo der Leichnam bis zur Beisetzung aufgebahrt wird. Das Wort ardente bezieht sich auf die durch die vielen Kerzen erzeugte Wärme. In diesem Fall hatte die chapelle ardente nur symbolischen Gehalt, da die Königin im Louvre aufgebahrt war. Louis-François D, Histoire de la ville d’Amiens, 2 Bde., Paris 1757, Bd. 1, S. 431. Die Kosten für den Trauerbehang wurden ihm später von der Stadtverwaltung erstattet. Jedoch war offenbar nicht jeder Zeitgenosse von seinen rhetorischen Fähigkeiten überzeugt, sodass auf die Häme für diese Predigt sogleich der Spott über deren geplante Drucklegung folgte: »Ce cordelier mitré qui promettoit merueilles, des hauts faits de la Roine[,] orateur Ennuieux, ne s’est point contenté de lasser nos oreilles il veut aussi lasser les yeux«, zit. n. BS, Mss., Ms. 300, Recueil de vers, poesies chansons & satires faittes sous le Regne de Louis 14., Bd. 3 (1662–1668), Sur L’oraison funebre de la Reine mere anne d’autriche par le P[ère] faure Cordelier Eueque d’amiens lorsqu[’]il la fit imprimer (s.d.), S. 87. AN, Mss., O1 6, Brief v. Anna von Österreich an Anne de Ragny, Äbtissin von NotreDame de Saint-Julien d’Auxerre (24.09.1656), fol. 177v–178r.

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

363

genkommen sollte sich für die Äbtissin auszahlen. Die Königin versprach ihr, darin einen Beweis ihrer Freundschaft sehen zu wollen und sich für sie bzw. ihre Klostergemeinschaft einzusetzen214 . In der Hoffnung, eine entsprechende Unterstützung zu empfangen, ergriffen einige aber auch gleich selbst die Initiative, wie Susanne de Brasseuse, die seit 1627 dem Zisterzienserorden in Amiens als Äbtissin vorstand. Sie gab 1648 ein Buch über die heilige Ulphia215 in Auftrag, das sie der Königin widmete216 . Die Gottesfürchtigkeit der Monarchin bot sich geradezu an, um einen Vergleich mit der Heiligen herzustellen: Mais auiourd’huy qu’elle [= Ulphia] apperçoit que vostre Majesté par l’exemple de ses rares vertus a rendu la Cour Saincte, elle y demande l’entrée sous sa faveur; [. . . ] elle conserve la saincteté dans les delices: l’humilité, dans les grandeurs: la liberté d’esprit dans le gouvernement d’vn estat; et la devotion parmy le bruit de la Cour, & dans le mani[e]ment des plus grandes affaires du monde217 .

Es ist nicht bekannt, ob der Plan der Äbtissin zum Erfolg führte, aber er veranschaulicht recht deutlich, welche Optionen manche Geistliche nutzten, um sich – in Ermangelung prominenter Fürsprecher – zumindest ins Gespräch zu bringen und vielleicht doch noch in den Dunstkreis einer königlichen Förderung zu gelangen. Der Geistliche Caussin attestierte Frauen nicht nur die Befähigung zur Freundschaft untereinander, sondern auch zu Männern218 . Das entsprach der gängigen Differenzierung zwischengeschlechtlicher Freundschaftsverhältnisse im 17. Jahrhundert. Allerdings konnte es sich schon im Mittelalter beim Freund (ami) einer Frau tatsächlich nur um einen Freund handeln, während die Freundin (amie) eines Mannes meist als seine Geliebte galt219 . Wie so oft spielten derartige definitorische Feinheiten für viele aber eine sekundäre Rolle, und ein freundschaftliches Verhältnis, wie im Fall von Anna von Österreich und Mazarin, führte schnell zu weiteren Spekulationen über die vermeintliche Art der Beziehung. Denn unter all den asymmetrischen Freundschaftsbeziehungen der Königin war gerade ihr Verhältnis zu Mazarin mehr als jedes andere von Kritik und Unterstellungen begleitet.

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Siehe auch M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 19. Ulphia hatte ihr Leben schon früh in den Dienst Gottes gestellt, zog sich in die Einsamkeit zurück und führte ein frommes Leben. Als sich ihr weitere Frauen anschlossen, gründete sie in Amiens ein Zisterzienserinnenkloster, das dem Heiligen Geist geweiht war und in dem sie selbst als Patronin verehrt wurde; zugleich galt sie als Schutzpatronin von Amiens. Siehe J, La Légende de Sainte Ulphe, S. 8–12, 51–53. Simon M, La vie de Sainte Vlphe, vierge, patrone de la celebre Abbaïe de NotreDame du Paraclit, au Diocese d’Amiens, Paris 1648, S. 94. Ibid.: Epistre, s.p. Diesen Widmungsbrief hatte Susanne de Brasseuse selbst verfasst. C, La covr sainte, Bd. 3, S. 41–43, »De l’Amitié entre les personnes de sexes differents«. Zudem würden die Frauen einen positiven Einfluss auf die Tugenden ihrer männlichen Freunde ausüben. Vgl. K, Politische Freundschaft, S. 177–179. O, Freundschaft und Nähe, S. 249f.

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4. Freundschaft und Zuneigung

Während der allgemeinen Korrespondenz von Anna von Österreich bis heute von der Forschung kaum Beachtung geschenkt wird, stand ihr Briefwechsel mit Mazarin seit dem 19. Jahrhundert immer wieder bei historischen oder biographischen Betrachtungen im Mittelpunkt und wurde aufgrund der emotionalen Sprache und einiger kryptischer Zeichen als Beweis für ein vermeintliches Liebesverhältnis interpretiert220 . Eine Betrachtung anderer Briefwechsel der Epoche zeigt jedoch, dass solch eine affektive Sprache für die Zeit typisch war und es darum abwegig ist, Mazarins Verhältnis zur Königin ohne andere, konkretere Beweise, lediglich auf den Briefwechsel gestützt, als Liebesverhältnis zu deuten221 . Als Erster Minister und Favorit der Königin rief Mazarin viele Neider auf den Plan222 . Es muss allerdings erneut ganz klar darauf hingewiesen werden, dass die Königin Mazarin zwar meist freie Hand ließ, wenn es um Patronage im Dienste der Krone oder um politische Entscheidungsprozesse ging, er aber dennoch stets von ihr abhängig blieb. Diese Faktoren spielten schon eine maßgebliche Rolle im Verhältnis zwischen Ludwig XIII. und dem Duc de Luynes223 . Und sie waren später nicht minder konstitutiv für die Beziehung Ludwigs XIII. zu Richelieu, denn Letzterer war, anders als von Mme de Motteville dargestellt, keineswegs der eigentliche Herr, dem der König quasi willenlos folgte224 . Auch hier lag eine Form der Abhängigkeit des Kardinals vom Monarchen vor225 . Ebenso gestaltete sich das Verhältnis zwischen Anna von Österreich und Mazarin, der seine Erfolge ab 1643 einzig der Königin schuldete und nur in Absprache mit ihr Entscheidungen treffen konnte – und das sowohl während als auch nach der Regentschaft226 . Die Königin war sich seiner Fähigkeiten sehr wohl bewusst, sonst hätte sie wohl kaum auch in schwierigen Zeiten so konsequent an ihm festgehalten227 . Außerdem konnte

220 221 222

223 224

225

226 227

Siehe D, Les signes cryptiques, S. 61–83. Vgl. G, Queen and Cardinal, S. 194–208. Vgl. auch Kap. 4.1, S. 331–333; D, Petrarkistischer Diskurs, S. 110–120. Siehe z. B. C  B, Œuvres: Le gazetier désintéressé, Bd. 2, S. 409f.: »Dans cette opinion criminelle, il [= Mazarin] n’a laissé au roi que le titre, et n’a laissé que l’ombre de la régence à la Reine; [. . . ] il a voulu faire le roi et le régent tout ensemble«. K, Power and Reputation, S. 161. M, Mémoires, Bd. 1, S. 71f. Diese Sicht wurde v.a. im 19. Jahrhundert rezipiert, und zwar nicht nur in der Geschichtsschreibung, sondern auch in der Literatur. Vgl. etwa V, Cinq-Mars, S. 243. Journal des savants, Dezember 1876, S. 733, 736, 743f.; Charles-Armand R, Louis XIII, un grand roi méconnu, 1601–1643, Paris 1934; Marius T, Louis XIII et Richelieu, étude historique accompagnée des lettres inédites du Roi au cardinal de Richelieu, Paris 1875. Diese Sicht findet sich mittlerweile auch in neueren Studien. Siehe z. B. H, Richelieu, S. 481; M, Die Bourbonen, S. 60–129. Darauf weist etwa auch Malettke völlig zu Recht hin, siehe ibid., S. 139, 163. Vgl. Charles de Marguetel de Saint-Denis, Seigneur de S-É, Lettres, hg. v. René T, 2 Bde., Paris 1967–1968, Bd. 1, S. 42, Brief v. Saint-Évremond an den Duc de Candale (Juli 1652).

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

365

sie sich »darauf berufen, dass der gewesene König ihn geschätzt hat« und er nicht bloß ein »Günstling von ihren Gnaden à la Concini« war228 . Die Kritiker interessierten sich kaum für solche Details. Das Motto »sex sells« war Trumpf. So listete noch Henry de Kock in seiner Darstellung untreuer Frauen auch Anna von Österreich auf229 . Seit den 1620er Jahren wurden der Königin immer wieder Liebeleien unterstellt230 : Zunächst war ihr eine amouröse Zuneigung für den englischen Gesandten, den Herzog von Buckingham, zugeschrieben worden231 . Später folgte die Unterstellung, Richelieu habe der Königin Avancen gemacht und sich bereit erklärt, einen Thronfolger mit ihr zu zeugen, weil er aufgrund der angeschlagenen Gesundheit des Königs davon ausging, dass dieser es nicht schaffe, und sich so absichern wollte, damit nicht der Bruder des Königs den Thron besteigen und seiner Macht ein Ende setzen würde – die Königin habe dieses Angebot jedoch ausgeschlagen232 . Andere Quellen unterstellten hingegen ganz konkret, Richelieu sei der eigentliche Vater Ludwigs XIV.233 Mit der Regentschaft und der engen Zusammenarbeit mit Mazarin war nun erneut ein Moment erreicht, der Raum für Spekulationen über eine intime Beziehung bot, die sich während der Fronde in zahlreichen Pamphleten niederschlug. Aber sie konnten nie auch nur annähernd von fundierten Beweisen untermauert werden. Daran hatten die Verfasser der Schmähschriften ohnehin gar kein Interesse. In der Annahme, Mazarin sei für den schlechten Zustand des Landes verantwortlich, ging es seinen Gegnern lediglich darum, ihn zu stürzen. Infolge dieses Widerstands intensivierte sich seine Beziehung zur Königin. Aber daraus nun ein Liebesverhältnis ableiten zu wollen, ginge eindeutig zu weit234 . Aufgrund seiner Stellung als Minister waren häufige Treffen und Gespräche mit der Königin unumgänglich. Für eine Freundschaft war es jedoch wichtig, dass sie nicht nur über Staatsgeschäfte mit ihm sprach. Das bemängelte er noch zu Beginn der Regentschaft: »Elle a fait plus d’une chose sans moi: cela est contraire à l’amitié. – L’amitié oblige à communiquer toutes choses, et c’est ainsi que je pourrai croire avoir gagné son cœur; cependant S[a]. M[ajesté].

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234

J-F, Herrinnen des Louvre, S. 362. Siehe P, Histoire de François Faure, S. 79f. Henry de K, Histoire des femmes infidèles célèbres, Paris s.d., S. 577–602. Vgl. S, Politik beobachten, S. 596. Siehe auch Jean-François L C, Dictionnaire historique portatif des femmes célèbres, 3 Bde., Paris 1769, Bd. 2, S. 166–176, hier S. 167f., (Art.) »Anne-Maurice d’Autriche«. Vgl. M, Mémoires, Bd. 1, S. 15–22, 35. T  R, Les historiettes, Bd. 1, S. 354f. Siehe auch ibid., S. 422. Vgl. dazu H, Richelieu, S. 131, 186. T  R, Les historiettes, Bd. 1, S. 350f. [A], Les Amours d’Anne d’Autriche, epouse de Louïs XIII. Avec Monsieur le C. D. R. le veritable Pere de Louïs XIV. aujourd’hui Roi de France, Köln 1693; BNF, Mss., Clairambault 1020, La Fayette. Intrigue du Cabinet. Poème, S. 163. Siehe D, Sans Anne d’Autriche, S. 66f.

366

4. Freundschaft und Zuneigung

ne me communique que les affaires d’État«235 . Folglich sah die Königin in Mazarin anfänglich nur einen getreuen Klienten und Amtsträger, einen erfahrenen Diplomaten und fähigen Staatsmann. Aber schon bald schätzte sie ihn auch persönlich. Die regelmäßigen Gespräche waren die Voraussetzung dafür, dass er zusehends ihr Vertrauen gewann und sich ihre Zuneigung für ihn verstärkte236 . Bald konnte sie tatsächlich über alles mit ihm sprechen – das Freundschaftsverhältnis war endgültig etabliert. Briefe waren vor allem in den Zeiten nötig, in denen Mazarin sich aus politischen oder militärischen Gründen zeitweise fern von der Königin aufhielt. Jede Abwesenheit stellte für ihn eine potentielle Bedrohung seiner Macht- und Einflussstellung dar. Deshalb war das Vokabular umso eindringlicher, wenn er seine aufrichtige Dankbarkeit und Treue der Königin gegenüber verbalisierte und sie seiner Wertschätzung und Freundschaft versicherte237 . Die Hinweise auf das Sich-Aufopfern für die Königin und für den Dienst an der Krone nahmen dabei eine zentrale Rolle ein; es waren Aspekte, die schon für das 16. Jahrhundert nachweisbar sind, als derartige Treuebeweise eine wichtige »symbolische Geste«238 darstellten. Mazarins Loyalitätsbekundungen waren daher oft vehementer formuliert als vergleichbare Äußerungen seiner eigenen Klienten ihm gegenüber239 . Solche Formulierungen suggerierten, dass der Klient-Freund sehr wohl wusste, dass er alles der königlichen Gunst zu verdanken hatte, ohne die er ebenso schnell wieder alles verlieren konnte240 . Und da Briefe oft nur eine Ersatzhandlung für das persönliche Gespräch darstellten, mussten die Worte umso deutlicher ausfallen: »Je vous rends mille graces tres humbles de toutes les bontez qu’il vous plaist me tesmoigner, mais ie voudrais bien me voir en Estat de les receuoir de viue voix et non pas lettres«241 . Oder: »[L]a cause de mes plaintes et de mes inquietudes, a esté toûjours, le doute de n’estre plus si bien dans vostre Esprit par la malice de ceux qui ne peuuent pas souffrir que je possede le bonheur de vostre amitié«242 . Dass Anna von Österreich in ihren Briefen unter anderem ein so genanntes »S enfermé«, also ein quer durchgestrichenes S, benutzte, hat etwa Claude 235 236 237 238 239

240 241 242

C, Des carnets, Oktober 1854, S. 602. Siehe auch L R, La faveur du Roi, S. 279f. M, Lettres du Cardinal Mazarin à la Reine, S. 93, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (21.06.1651). L R, La faveur du Roi, S. 287. Siehe z. B. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 15683, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (01.09.1659), fol. 166r–167r, hier fol. 166r: »Plust a [sic] Dieu que Ie vous pusse soulager en respandant tout mon sang, Car ie le ferois auec la plus grande Ioye du Monde«. L R, La faveur du Roi, S. 287f. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 15683, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (27.08.1659), fol. 85r. Siehe auch K, Mit den Mitteln einer Frau, S. 232. BNF, Mss., Fonds français 4308, Brief v. Mazarin an Anna von Österreich (26.08.1659), fol. 294r.

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

367

Dulong als Zeichen der Liebe zwischen ihr und Mazarin gedeutet243 . Das ist umso unwahrscheinlicher, weil dieses S, worauf sie übrigens selbst hinweist, primär ein Ausdruck für Treue war; und Anna von Österreich hatte es auch in Briefen an befreundete Hofdamen verwendet, wie etwa an die Duchesse de Chevreuse. Gerade der Gebrauch des S während und nach der Fronde in der Korrespondenz mit Mazarin war somit in erster Linie ein Ausdruck der gewachsenen Treue und unverrückbaren Verbundenheit in schwierigen Zeiten und darüber hinaus244 . Oder, wie es die Königin einmal formulierte: »Jamais il ni a este d’amitie plus veritable que la mienne [pour vous]. Je suis asseuree que vous series content ou vous series le plus ingrat seruant du monde«245 . Erneut zeigt sich das Wechselverhältnis von Freundschaft und Patronage. Die Königin sprach zwar von Freundschaft, hob aber die klare Hierarchie zwischen ihnen hervor, indem sie darauf hinwies, dass er zwar ihr Freund sei, aber stets ihr Klient bleibe246 . Mazarin war demzufolge bemüht, sich seiner Rolle als würdig zu erweisen, indem er ihre politischen Ziele umzusetzen versuchte247 . All jene Aussagen, die behaupteten, er habe die Königin beherrscht, nach und nach beiseite gedrängt und sie sei sehr unzufrieden mit ihm gewesen, müssen in dieser Tragweite als haltlos zurückgewiesen werden248 . Die Königin hätte sich dann wohl kaum so intensiv für seine Belange eingesetzt und etwa den Vermählungen seiner zahlreichen Nichten zugestimmt, zumal insbesondere die Hochzeit seiner Nichte Olympia Mancini mit dem Comte de Soissons sogar eine verwandtschaftliche Verbindung zur königlichen Familie und zu Anna von Österreich selbst herstellte249 .

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245 246 247

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D, Anne d’Autriche, S. 479. Auch C, Reines et favorites, S. 141f., folgt dieser Auffassung. Vgl. B, Mazarin, S. 404f. Siehe V. de C, Du prétendu mariage de la Reine Anne d’Autriche avec le Cardinal Mazarin, in: Le Correspondant, 25. Dezember 1857, S. 625–647, hier S. 640– 645, 647. BNF, Mss., Fonds français 10249, Brief v. Anna von Österreich an Mazarin (30.06.1660), fol. 10r–10v, hier fol. 10r. M, Mémoires, Bd. 5, S. 112, bezeichnet die Königin als Mazarins »veritable Maîtresse et Bienfactrice«. François-Timoléon de C, Mémoires pour servir à l’histoire de Louis XIV, 2 Bde., Clermont-Ferrand 2008 [EA 1727], Bd. 1, S. 189: »Le mariage du Roi avec l’infante d’Espagne [. . . ] lui aurait gagné le cœur de la Reine mère, si ce n’avait été une chose faite depuis longtemps«. P, Histoire de Louis XIV, Bd. 1, S. 11; T, Mémoires, Bd. 3, S. 217. Der Vater von Eugen Moritz von Savoyen-Carignan, Comte de Soissons, Thomas Franz von Savoyen-Carignan, war der Sohn von Katharina Michaela von Spanien, einer Halbschwester Philipps III., dem Vater von Anna von Österreich, und damit ihr Halbcousin. Eugen Moritz war folglich Anna von Österreichs Halbneffe zweiten Grades. Für diesen genealogischen Hinweis danke ich Leonhard Horowski. Vgl. auch M, Mémoires, Bd. 4, S. 468.

368

4. Freundschaft und Zuneigung

Wie seine Mutter hat auch Ludwig XIV. Mazarin als engen Freund, weil treuen Klienten, betrachtet250 . Dies hätte er gewiss nicht getan, wenn es eine Liebesbeziehung zwischen seiner Mutter und Mazarin gegeben hätte, die vor ihm unmöglich hätte verheimlicht werden können. Dem hätte im Übrigen die religiöse und moralische Einstellung der Königin entgegengestanden251 . Die Wertschätzung von Mutter und Sohn für ihren Freund Mazarin offenbarte sich ein letztes Mal bei dessen Tod, den beide sehr betrauerten, weil sie seine Loyalität und seine Leistungen für die Krone stets anerkannt hatten252 . Damit stellt sich die Frage, warum sich das Gerücht über eine Affäre so hartnäckig hielt (und hält), weshalb dieser Patronage-FreundschaftsBeziehung also weiterhin eine sexuelle Komponente zugeschrieben wurde (und wird). Und mehr noch: Die zweite Gemahlin des Bruders des Königs, Elisabeth Charlotte von der Pfalz, kolportierte selbst das Gerede um eine vermeintliche Ehe zwischen der Königin und ihrem Minister und präsentierte das Gerücht als unumstößliche Tatsache253 . Als Grund für die Thematisierung dieser Liebesbeziehung in den meisten Biographien führt Sylvia JurewitzFreischmidt an, dass »die Geschichte einer verbotenen Liebe, die unsägliche Schwierigkeiten meistert und sich eine heimliche Ehe erkämpft, [. . . ] sich leichter [erzählt] und [sich besser] verkauft [. . . ] als die einer effektiven Arbeitsgemeinschaft, die von einer tiefen Sympathie füreinander getragen«254 war, was berechtigte Zweifel an der Aussage der Duchesse d’Orléans zulässt. Abgesehen davon, dass sie die Beteiligten nie persönlich kennen gelernt hatte, verwundert die Überzeugung, mit der Elisabeth Charlotte von der Pfalz hier eine vermeintliche Tatsache präsentiert, wo sie doch selbst lange nicht einmal von der heimlichen Ehe Ludwigs XIV. mit Mme de Maintenon Kenntnis hatte255 . Darüber hinaus gab es noch einen weiteren Grund für die Gerüchte, der insbesondere im 17. Jahrhundert von Bedeutung war: nämlich die grundsätz250 251

252 253

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B-R, Mémoires, Bd. 1, S. 392. Das musste jedoch keineswegs die damals gängige Nutzung der Freundschafts- und Liebesrhetorik ausschließen. Der Comte de Brienne berichtet, die Königin habe seiner Mutter ihr Verhältnis zu Mazarin einmal wie folgt beschrieben: »Je t’avoue que je l’aime, et je te puis dire même tendrement; mais l’affection que je lui porte ne va pas jusqu’à l’amour, ou si elle y va sans que je le sache, mes sens n’y ont point de part et mon esprit seulement est charmé de la beauté de son esprit. Cela seroit-il criminel? Ne me flattes point et sois assurée que s’il y a, même dans cet amour, l’ombre du péché, j’y renonce dès maintenant devant Dieu et devant les saints dont les reliquaires reposent en cet oratoire«, zit. n. B, Mémoires de Louis-Henri, Bd. 2, S. 5. P, Lettres, Bd. 3, S. 306, Brief v. Patin an André Falconet (31.12.1660). Elisabeth Charlotte von der Pfalz, duchesse d’O, Correspondance complète de Madame, duchesse d’Orléans, née princesse palatine, mère du Régent, hg. v. G. B, 2 Bde., Paris [1855], Bd. 1, S. 287f., Brief v. der Duchesse d’Orléans an M. de Harling (03.01.1717). J-F, Herrinnen des Louvre, S. 366. Vgl. Kap. 3.3.2, S. 284–297. J-F, Herrinnen des Louvre, S. 365.

4.2 »Que de bonté pour ses amis«: asymmetrische Freundschaftsbeziehungen

369

liche Diskreditierung, der eine Frau ausgesetzt war, die aktiv eine Machtposition ausübte. Wie sehr die wenig fundierten, aber dafür umso sensationslüsternen Mutmaßungen Bestand hatten, offenbarte sich nicht zuletzt daran, dass sich entsprechende Schilderungen in den Biographien über Anna von Österreich vom (misogynen) 19. bis weit ins 20. Jahrhundert gehalten haben, wenngleich in unterschiedlicher Auslegung256 : Die einen sprechen von (platonischer) Liebe bzw. halten dies wenigstens für möglich257 ; andere meinen, es habe sich um Liebe gehandelt, die auch durch Intimitäten Ausdruck fand258 ; und wieder andere sind überzeugt, die beiden hätten sich nicht nur geliebt, sondern sogar heimlich geheiratet259 . Einige Autoren bleiben skeptischer und schließen zumindest eine Ehe kategorisch aus260 . Andere halten sowohl die Idee von Liebe und einer Affäre als auch die Vorstellung, die Königin hätte ihren Minister geheiratet, für völlig haltlos261 . Gleichwohl gehen einige sogar soweit, den Gerüchten aus dem 17. Jahrhundert bedingungslos Folge zu leisten und Mazarin nicht nur eine Affäre mit Anna von Österreich zuzuschreiben, sondern ihn auch zum Vater von Ludwig XIV. zu deklarieren262 . Letztlich gibt es keine stichhaltigen und objektiven Anhaltspunkte, die Liebe, eine Beziehung oder gar eine Ehe zwischen Anna von Österreich und Mazarin auch nur ansatzweise bestätigen würden263 . Es »existieren auch keinerlei 256 257

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262 263

Zu dieser Thematik siehe auch G, Anne d’Autriche et ses juges, S. 357–389. Z. B. B, La France au XVIIe siècle, S. 271; C, Reines et favorites, S. 139–142; F, Les femmes dans la vie de Louis XIV, S. 54; G, Queen and Cardinal, S. 131– 135, 265; H, Anne d’Autriche, S. 369; M, Pour l’amour de l’enfant roi, S. 284. Siehe auch Paul R, Le Cœur d’une reine. Anne d’Autriche, Louis XIII et Mazarin, Paris 1912. Z. B. D, Anne d’Autriche, S. 423–425; D., Sans Anne d’Autriche, S. 65f.; L, Problèmes historiques, S. 162; N, Les reines de France nées Espagnoles, S. 178f. Z. B. L V, Anne d’Autriche, S. 218, 222; L, Histoire de France, Bd. 7.1, S. 8, 113; D., Deux portraits d’Anne d’Autriche, S. 529; Jules M, Histoire de France au dix-septième siècle. Richelieu et la Fronde, Paris 1858, S. 289, 449; Victor M, Notice sur cette question historique: Anne d’Autriche et Mazarin étaient-ils secrètement mariés?, Paris 1887, S. 28; Bulletin 2: Anne d’Autriche et Mazarin, S. 8f., 11, 15; André W, Georges W, Anne d’Autriche, femme. . . de Mazarin. Le mystère d’une vie conjugale, Paris 1939, S. 145f., 150, 188f. Z. B. B, La France au XVIIe siècle, S. 271; C, Du prétendu mariage, S. 640–645, 647; C, Reines et favorites, S. 140f.; G, Queen and Cardinal, S. 133f.; L, Problèmes historiques, S. 162. Z. B. A, A, Pour mon fils, S. 358; A, Les Grandes Dames du Palais-Royal, S. 133f.; B, Mazarin, S. 226–228; C (Hg.), Anne d’Autriche, S. 51; D, Anne d’Autriche, S. 231–234; J-F, Herrinnen des Louvre, S. 309, 363–366; M, Die Bourbonen, S. 170; M, Königinnen auf Zeit, S. 217f.; R, Französische Geschichte, Bd. 2, S. 113. Anny H, Jean H, Louis XIII, Anne d’Autriche et leur mirifique et tardive primogéniture, Nancy 1984, S. 40f., 44f., 48. B, Les reines de France, S. 413–417; D, Anne d’Autriche, S. 231f.;

370

4. Freundschaft und Zuneigung

seriöse Quellenbelege«264 , ohne die alles in diesem Zusammenhang Gesagte und Geschriebene reine Spekulation bleibt und bleiben muss. Schon Philippe Erlanger hat deshalb zu Recht bemerkt, dass die immer wieder gern zitierten Briefe der Königin und Mazarins keine hinreichenden Beweise lieferten. Was noch wichtiger ist und bereits erwähnt wurde: Ludwig XIV. – wie übrigens auch den Amtsträgern und Höflingen – wäre ein solches Verhältnis unmöglich verborgen geblieben. Aufgrund seines Status- und Standesbewusstseins hätte er eine solche Verfehlung ohne Zweifel weder toleriert geschweige denn akzeptiert265 . Bei dem Verhältnis der Königin zu ihrem Ersten Minister handelte es sich somit um eine gängige Patron-Klient-Beziehung, die, wie auch im Falle einiger Personen am Hofe, in dessen Umfeld sowie in ihrem Haushalt infolge ihrer Zuneigung um den Status der Freundschaft erweitert war.

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft Les Balances Arbitre du plus & du moins I’occupe mon temps & mes soins À regler tout avec justesse Ie ne trêbuche point que de mon propre pois Et si ie tombe quelque fois. Ie m’éleve à l’instant autant que ie m’abaisse266 .

Für symmetrische wie asymmetrische Freundschaften galt gleichermaßen, dass ihnen durch mehr oder weniger stark kodifizierte Redewendungen, Gesten und Gaben in Form von Gunstbeweisen Ausdruck verliehen wurde. Im Folgenden soll dies nun eingehender am Beispiel der freundschaftlichen Beziehungen von Anna von Österreich gegenüber Frauen aus ihrem höfischen und religiösen Umfeld aufgezeigt werden. Anders als beim Gros der politischen, geistlichen und administrativen Akteure war das freundschaftliche Verhältnis der Königin insbesondere zu einigen Amtsträgerinnen in ihrem Haushalt sowie zu einigen Nonnen und Äbtissinnen durch eine besonders

264 265

266

D, Anne d’Autriche, S. 67; K, Anne d’Autriche, S. 307; L, (Art.) »5. Anne d’Autriche«, Sp. 1316f.; M, Pour l’amour de l’enfant roi, S. 280–283; R, Französische Geschichte, Bd. 2, S. 113. M, Die Bourbonen, S. 170. E, Ludwig XIV., S. 35f., 91f. Siehe dazu K, Anne d’Autriche, S. 307. Vgl. auch Louis B, Anne d’Autriche et Buckingham, in: La revue de Paris, 1. April 1913, S. 539–562, hier S. 543, 549–551, 557; C, Du prétendu mariage, S. 629, 632f., 646. C, Devises, S. 258. Zitat in der Kapitelüberschrift: L B, Oraison, S. 28.

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft

371

tiefe Zuneigung geprägt, ohne dass dabei aber auch hier die »hierarchischen Implikationen«267 zwischen der Königin auf der einen und den jeweiligen Frauen auf der anderen Seite eingeschränkt worden wären268 . Den Ausgangspunkt bildete der unmittelbare Kontakt zur Monarchin, was wiederum einen intensiveren rhetorischen Austausch nach sich zog und mitunter besondere Zeichen der Wertschätzung hervorrufen konnte, weshalb bei der Betrachtung zu den Ausdrucksformen der Freundschaft die Faktoren Nähe, Rhetorik, Gesten und Gaben im Mittelpunkt stehen. 4.3.1 Nähe Die wesentliche Voraussetzung für die Bildung eines von Zuneigung geprägten Verhältnisses war zunächst einmal die räumliche Nähe. Da die Amtsträgerinnen fast permanent ihren Dienst versahen bzw. ständig präsent sein mussten, waren sie in der unmittelbaren Umgebung der Königin untergebracht. Hinzu kam die lange Dienstzeit vieler Frauen, die dazu führte, dass sich die gegenseitigen Bindungen noch nachhaltiger festigen konnten – die räumliche Nähe wurde so zu einer zentralen Grundlage für emotionale Nähe. Aber aller freundschaftlichen Gefühle zum Trotz mussten alle gewahr sein, dass die langfristige Aufrechterhaltung der Beziehung zu Anna von Österreich von der Anpassung an ihre Wünsche und Absichten abhing269 . Eines der prominentesten Beispiele dafür, dass Uneinsichtigkeit, Unnachgiebigkeit und die Fehleinschätzung der politisch-höfischen Lage das Verhältnis zur Königin nachhaltig beschädigen konnten, bietet die Duchesse de Chevreuse, eine Jugendfreundin der Königin270 . In erster Ehe war sie mit dem Duc de Luynes vermählt und bereits ein Jahr nach seinem Tod heiratete sie Claude de Lorraine, Duc de Chevreuse271 . Zu Beginn der 1620er Jahre war sie dem Haushalt der Königin als Oberintendantin beigetreten272 . Ihr Mann, der Duc de Luynes, war damals der Favorit Ludwigs XIII. und wollte über seine Frau die Königin überwachen lassen273 . Anna von Österreich und die Duchesse de Chevreuse verstanden sich jedoch auf Anhieb sehr gut und wurden enge Vertraute274 . Die Duchesse de Chevreuse steckte Anna von Österreich mit ihrer 267 268 269 270

271 272 273 274

K, Hofdamen, S. 167. Siehe dazu W, »Hof«, S. 16. M, Mémoires, Bd. 1, S. 172f. Siehe K, Politische Freundschaft, S. 260f. Zum Leben und Wirken der Duchesse de Chevreuse siehe B, La duchesse de Chevreuse; Victor C, Madame de Chevreuse, Paris 2 1862. Siehe allgemein C, Des carnets, Mai 1855, S. 304–324; Juli 1855, S. 430–447. Vgl. z. B. auch BIS, Mss., Fonds Victor Cousin 2, Brief v. der Duchesse de Chevreuse an Anna von Österreich (26.08.1620), fol. 61r. L, Ducs et pairs, S. 519f. G, État de la maison, S. 103, Nr. 3814. Siehe auch Kap. 3.2.1, S. 249. L P, Mémoires, S. 46; M, Portrait de la reine, S. 325.

372

4. Freundschaft und Zuneigung

Lebensfreude an und hatte in kurzer Zeit einen nicht unerheblichen Einfluss auf die unbekümmerte und noch recht unerfahrene Königin275 . Da die Duchesse de Chevreuse jedoch immer wieder in Intrigen und Komplotte am Hofe verstrickt war, vor allem gegen Richelieu, und damit auch Ludwig XIII. immer mehr missfiel, wurde sie schließlich vom Hofe verbannt276 : [O]n ôta à la Reine Madame de Chevreuse, qu’elle aimoit toujours infiniment & qui dans le vrai étoit la seule cause de ses malheurs. Elle le sentit, par l’interêt de son plaisir, & par l’amitié qu’elle avoit pour elle. Cette Princesse ne connoissoit pas alors les dangers qui se rencontrent dans la societé des personnes remplies de passions & de vanité; cette ignorance eut le pouvoir de lui cacher combien l’absence de sa Favorite lui étoit avantageuse277 .

Trotzdem hielt die Königin den Kontakt zu ihr aufrecht und ging erst nach der Geburt des Thronfolgers auf Distanz, um Ludwig XIII. und Richelieu nicht weiter zu erzürnen. Wie sehr der König nämlich in der Duchesse nach wie vor eine unverbesserliche Intrigantin sah, wurde noch kurz vor seinem Tod deutlich, als er in dem im April 1643 erlassenen Edikt zur Regelung der Regentschaft ausdrücklich untersagte, sie wieder zurückzurufen278 . Dessen ungeachtet rief die Königin die Duchesse de Chevreuse zu sich – allerdings mit der Auflage, sie möge sich mit Mazarin arrangieren279 . Dass sie überhaupt zurückkehren durfte, ist dennoch weniger als Zeichen einer unverändert anhaltenden Zuneigung seitens der Königin zu werten, sondern eher als ein Akt der Wiedergutmachung, weil die Duchesse aufgrund ihrer Freundschaft zur Königin einst ins Exil geschickt worden war280 : Le Cardinal [Mazarin] craignant son esprit, prévint celui de la Reine contr’elle, & l’engagea de vivre avec elle d’une maniere plus réservée que par le passé; c’est pourquoi Sa Majesté étoit résoluë de m’envoyer au-devant d’elle pour lui dire qu’elle changeât d’humeur, parce qu’elle-même en avoit changé; [. . . ] Madame de Chevreuse se trouva aussi étonné que les autres; car elle ne trouva aucun reste de cette grande amitié du temps passé; ce qui lui fit prendre le parti des Importan[t]s281 .

La Porte stellt es so dar, als habe einzig Mazarin diesen Sinneswandel bei der Königin bewirkt. Damit verkennt er aber Anna von Österreichs Weitsicht. Sie hatte nicht vergessen, wie sehr es der Duchesse de Chevreuse gefiel, politische

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B, Mémoires de Louis-Henri, Bd. 1, S. 178; M, Mémoires, Bd. 1, S. 17, 24f., 33. Siehe auch B, La duchesse de Chevreuse, S. 24f.; D, Anne d’Autriche, S. 70, 91. Vgl. auch K, Politische Freundschaft, S. 258f. Siehe auch B, La duchesse de Chevreuse, S. 52–56. Vgl. Jean-Marie C, L’amitié: le moteur de la mobilisation politique dans la noblesse de la première moitié du XVIIe siècle, in: Dix-septième siècle 51/4 (1999), S. 593–608. M, Mémoires, Bd. 1, S. 33. I (Hg.), Recueil général des anciennes lois, Bd. 16, S. 555f., Nr. 363. Siehe auch L XIII., Declaration dv Roy, Sur la Regence de la Reyne, Paris 1643, S. 23. B-R, Mémoires, Bd. 2, S. 151. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 1, S. 138. J-F, Herrinnen des Louvre, S. 275f. L P, Mémoires, S. 234f.

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft

373

Einflussnahme zu betreiben, und fürchtete, dass sie es nun erneut versuchen könnte – womit sie auch Recht behielt282 . Anna von Österreich konnte und wollte ihren Freundschaften nicht mehr alles andere unterordnen. Sie war Regentin, das Wohl des Landes und die Zukunft ihres Sohnes hatten Vorrang. Daher erwartete sie, dass ihre Freunde ihren politischen Kurs akzeptierten283 . Jedenfalls empfing die Königin die Duchesse de Chevreuse durchaus freundlich am Hofe284 . Anna von Österreich war auch bereit, sie bei persönlichen Anliegen zu unterstützen, etwa als die Duchesse de Chevreuse um Hilfe für einen ihrer Diener ersuchte285 . Jedoch sorgte die Duchesse schon bald erneut für Unmut286 . Sie hoffte, Mazarin verdrängen, ihre alte einflussreiche Stellung wieder einnehmen, sich und ihre Freunde durch die Nähe zur Königin bereichern und an den Regierungsgeschäften beteiligen zu können287 . Aber sie musste realisieren, dass sie keine Charge mehr am Hofe erhielt und dass der politische Kurs Richelieus, der ja maßgeblich zu ihrer Exilierung und der vieler ihrer Freunde und Bekannten beigetragen hatte, unvermindert fortgesetzt wurde288 . Im Gegensatz zur Duchesse de Chevreuse hatte sich die Königin verändert und war charakterlich gereift289 . Die Duchesse de Chevreuse gab vor allem den Einflüsterungen Mazarins die Schuld an ihrer Situation290 . Deshalb trat sie in offene Opposition zu ihm291 : »[La reine] tomba insensiblement dans le mépris de la plupart des grands seigneurs et autres personnes de qualité, même de quelques-uns de ses amis particuliers, qu’elle sollicitoit fort inconsidérément de s’attacher à

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R, Mémoires, Bd. 1, S. 109f. Siehe J-F, Herrinnen des Louvre, S. 276. So war z. B. Mme de Motteville, die Mazarin nur wenig Sympathie entgegenbrachte, weitsichtig genug, sich zu fügen: »Je n’avois pas de part dans ces premiers jours [de la régence] à aucune Affaire, & j’étois résoluë de suivre doucement les resolutions de la Reine«, zit. n. M, Mémoires, Bd. 1, S. 173. Ibid., S. 167. AD, Mss., Mémoires et Documents (France) 848, Brief v. der Duchesse de Chevreuse an Anna von Österreich (20.11.1644), fol. 194r–195v. Siehe O, Journal, Bd. 1, S. 89–92, Einträge v. 05.–07.08.1643. Nicolas de Flécelles, comte de B, Mémoires de M. de ***. Pour servir à l’histoire du dix-septième siècle, 3 Bde., Amsterdam 1760, Bd. 1, S. 81. M, Mémoires, Bd. 1, S. 159, 165–167; S-S, Mémoires, Bd. 1, S. 70; Bd. 2, S. 152. M, Mémoires, Bd. 1, S. 166: »La Souveraine étoit devenue plus serieuse & plus devote; & la Favorite étoit demeurée dans les mêmes sentimen[t]s de galanterie & de vanité«. AD, Mss., Mémoires et Documents (France) 848, Brief v. der Duchesse de Chevreuse an den Earl of Pembroke (29.04.1645), fol. 293r. Siehe C, Histoire de France, Bd. 1, S. 165f.; J-F, Herrinnen des Louvre, S. 276–279. Zur Rückkehr der Duchesse de Chevreuse nach Frankreich, ihrer Opposition und erneuten Exilierung siehe C, Madame de Chevreuse, S. 197– 288.

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4. Freundschaft und Zuneigung

son nouveau favori«292 . Hinzu kam ihre fortwährende Kritik an der Politik der Königin, die Forderung nach Frieden mit Spanien und die Beteiligung an der »cabale des importants« zum Sturz Mazarins, sodass der Königin klar wurde, dass ein Einvernehmen zwischen der Duchesse de Chevreuse und Mazarin unmöglich erschien. Sie war aber auch nicht länger gewillt, sich dieses Verhalten bieten zu lassen293 . Der Duchesse wurde nahegelegt, den Hof erneut zu verlassen294 . Angeblich wurden ihr, um ihr den Entschluss, ins Exil zu gehen, schmackhaft zu machen, 200 000 l.t. angeboten, die sie bereitwillig annahm295 . Anschließend versuchte sie im Ausland Unterstützung im Kampf gegen Mazarin zu finden296 – vergeblich, denn auch dort wurde ihr negativer Einfluss wahrgenommen297 . In der Folgezeit wurde ihr trotzdem gestattet, nach Frankreich zurückzukehren, um sie besser im Auge zu behalten; aufgrund ihrer guten Kontakte sollte sie aber auch als Mittlerin zwischen der Krone und den Frondeuren dienen298 . Erneut trieb sie ein doppeltes Spiel und arbeitete mit der Gegenseite zusammen, der es schließlich gelang, Mazarins Exilierung zu bewirken299 . Trotzdem suchte er auch nach seiner Rückkehr 1653 wieder eine Annäherung mit der Duchesse de Chevreuse und dankte ihr in schmeichelhaften Worten für die Ehre, die sie ihm mit ihrer Freundschaft bereite300 . Die Versöhnung mit der Königin gestaltete sich hingegen schwieriger; von der einstigen Vertrautheit war nichts mehr zu spüren301 . Derartige Entwicklungen sollten deshalb nicht unterschätzt werden. Ab 1643 konnte sich Anna von Österreich bei der Besetzung von Ämtern ihrer Stellung als Regentin in keinem Fall entziehen, da jede (Aus-)Wahl, die sie traf, weniger ihr Sympathiegefühl befriedigen sollte, als den Anforderungen 292 293 294 295 296 297

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J, Mémoires, S. 8. B, Mémoires, Bd. 1, S. 81. Ibid., S. 80; M, Mémoires, Bd. 1, S. 201. Siehe auch J-F, Herrinnen des Louvre, S. 280. O, Journal, Bd. 1, S. 109, Eintrag v. 19.09.1643. B, La duchesse de Chevreuse, S. 144–153; C, Madame de Chevreuse, S. 289– 312. NA, Mss., State Papers Foreign (France) 78/111, Reasons & motiues to persuade the retaining here of the D[uchess]. of Cheureuse (Mai 1645), fol. 309r–309v, hier fol. 309r. Siehe auch W, Aristocratic Women, S. 184–193, 201f. B, La duchesse de Chevreuse, S. 173–183. Vgl. M, Mémoires, Bd. 3, S. 231; Bd. 4, S. 49f., 120, 269–275. B, La duchesse de Chevreuse, S. 191–193. Siehe auch Katia B, Changements de partis et opportunisme durant la Fronde (1648–1653). La mort de la politique ancienne?, in: Politix 56 (2001), S. 43–54. Vgl. M, Mémoires, Bd. 3, S. 360; Bd. 4, S. 312f., 411. M, Lettres du Cardinal Mazarin pendant son ministère, Bd. 6, S. 524, Brief v. Mazarin an die Duchesse de Chevreuse (28.10.1653); Bd. 8, S. 753, Brief v. Mazarin an die Duchesse de Chevreuse (14.07.1658). B, La duchesse de Chevreuse, S. 201f.; D V, Le vray Estat, S. 128f.; SS, Mémoires, Bd. 2, S. 155.

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft

375

ihrer öffentlichkeitswirksamen Inszenierungsabsicht Rechnung tragen musste. Mit anderen Worten: Die Frauen in ihrem engsten Umfeld sollten ihr in Bezug auf Charakter und Interessen ähneln, gemäß dem aristotelischen Verständnis, wonach die Tugend das entscheidende Verbindungsglied zwischen zwei Menschen bildet302 . Trotz der fließenden Übergänge von Patronage- und Freundschaftsbeziehungen gab es immer auch spezifische Ausprägungen, bei denen die Intensität der Zuneigung stärker dominierte als üblich. Das war vor allem dann der Fall, wenn die jeweilige Person die gleichen Überzeugungen und Interessen mit der Königin teilte, das Verhältnis von großer Sympathie getragen war und einen Ausdruck in gemeinsamen Aktivitäten fand, wie im Fall von Richelieus Nichte, der Duchesse d’Aiguillon303 . Ihre große Gunst wurde gleich zu Beginn der Regentschaft sichtbar, als der Duc de Vendôme der Duchesse d’Aiguillon das Gouverneursamt für Le Havre streitig machte, das sie für ihre unmündigen Neffen verwaltete; die Königin bestätigte jedoch sogleich die Ansprüche ihrer Freundin304 . Diese verkehrte nicht nur in den illustren Salons von Mme de Rambouillet und Mme de Sablé oder förderte Schriftsteller wie Corneille, Scarron, Voiture, Molière und Georges de Scudéry305 , sondern engagierte sich seit jeher für karitative Zwecke und die Verbreitung des katholischen Glaubens306 . Wie die Königin lehnte auch die Duchesse d’Aiguillon den Jansenismus, der in den 1650er Jahren immer stärker Fuß zu fassen begann, strikt

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A. NE, IX, 8–9. Siehe auch L R, La faveur du Roi, S. 29. Von 1619 bis 1621 war sie Ehrenfräulein bei Maria von Medici und von 1625 bis zu deren Exilierung 1631 ihre Kammerdame. Siehe G, État de la maison, S. 57, Nr. 2328 (Kammerdame); S. 59, Nr. 2367 (Ehrenfräulein); L, Ducs et pairs, S. 393f. Vgl. M, Mémoires, Bd. 3, S. 339; T  R, Les historiettes, Bd. 2, S. 25–34. Siehe auch K, Politische Freundschaft, S. 160, 256–258. M, Mémoires, Bd. 1, S. 151. Édouard de B, Les amis de la Marquise de Sablé. Recueil de lettres des principaux habitués de son salon, Paris 1865, S. 96; B-A, La duchesse d’Aiguillon, S. 223, 352. Gazette de France, 20. April 1675, S. 284. Siehe auch BNF, Mss., Thoisy 236, Testament de la Duchesse d’Aiguillon (29.07.1674) sowie Codicille (09.04.1675), fol. 459r–469r. Zu ihrem Engagement gehörten die Gründung eines Krankenhauses und einer Erziehungseinrichtung in Kanada, der Bau eines Krankenhauses für Galeerensklaven in Marseille, die Unterstützung christlicher Missionsarbeit in Tunis, Algier sowie in China und Indien, der Freikauf christlicher Sklaven im arabischen Raum, die Fürsoge für Arme und die Sammlung von Almosen in Frankreich. Sie war zudem Taufpatin eines 19-Jährigen, der von den Dominikanischen Inseln stammte und zum Katholizismus konvertierte. Für all das sprach ihr Papst Alexander VII. persönlich seine »besondere Zuneigung für solch herausragende Tugenden« aus und erteilte ihr seinen Segen. Siehe dazu BA, La duchesse d’Aiguillon, S. 231–235, 279, 288–291, 371, 377f., 413, 415, 422f.; Jacques-Charles B, Discours funebre pour Madame la duchesse d’Aiguillon, Paris 1675, S. 5; Gazette de France, 10. März 1645, S. 167; G, La Mission du Canada, S. 84.

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4. Freundschaft und Zuneigung

ab307 : »[La duchesse d’Aiguillon] fut avertie des premières de la condamnation des jansénistes, parce que la reyne, qui l’aymoit, luy fit dire que la bulle étoit venue«308 . Diese Wertvorstellungen waren auch maßgeblich für das freundschaftliche Verhältnis, das die Königin zu einigen ihrer hohen Amtsträgerinnen pflegte, allen voran Mme de Senecey. Als die Königin sie 1643 an den Hof zurückrief und wieder in ihre alte Stellung als Obersthofmeisterin einsetzte, tat sie dies als Patronin und Freundin – aus Dankbarkeit: [La reine] se piquait de reconnaissance, d’amitié et de toute sorte de considération pour Mme de Senecey qui avait été chassée pour elle étant sa dame d’honneur, qu’elle rappela et remit dans sa charge dès qu’elle fut la maîtresse, et en donna la survivance à sa fille309 .

Im Übrigen vereinte Anna von Österreich und Mme de Senecey ebenfalls der Einsatz für wohltätige Zwecke sowie die Abneigung gegen den Jansenismus. Zugleich nahm die Königin Anteil an den Schicksalsschlägen ihrer Freundin, wie etwa 1646, als Mme de Seneceys Schwiegersohn im Krieg fiel310 . Diese Zuneigung erstreckte sich auch auf Mme de Seneceys Tochter, Mme de Fleix: »La favorite de la reine-mère est la comtesse de Fleury [= Fleix]311 , sa dame d’honneur, âgée de cinquante ans, personne sage et prudente, dont les conseils sont appréciés de la reine-mère. Cette dame est aimée de toute la cour et même du roi qui la traite souvent«312 . Wie ihre Mutter fungierte also auch Mme de Fleix als Ratgeberin und Vertraute der Königin, die sie »liebte und schätzte«313 . Hinzu kam die tiefe Religiosität, die Anna von Österreich mit beiden Frauen verband, weshalb sie sie auch stets bei Klosterbesuchen begleiteten. Es ist darum sicher kein Zufall, dass Anna von Österreich ihre Stellung nutzte, um insbesondere weibliche Ordensgemeinschaften zu unterstützen. Allein 1653 hat sie nachweislich insgesamt 31 Klostergemeinschaften finanzielle Mittel zukommen lassen, von denen wiederum 20, also zwei Drittel, Frauenorden waren314 . Dabei genoss vor allem das Pariser Kloster Val-deGrâce die besondere Wertschätzung der Königin. Zugleich ermöglichten es

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B-A, La duchesse d’Aiguillon, S. 397. Vgl. R, Mémoires, Bd. 1, S. 112. R, Mémoires, Bd. 2, S. 126. Siehe auch M, Les précieuses, S. 657. S-S, Mémoires, Bd. 11, S. 48. Siehe auch ibid., Bd. 1, S. 70: »[P]our dédommagement, la comtesse de Fleix, sa fille, eut sa survivance«; M, Mémoires, Bd. 1, S. 162–165. Ibid., S. 379. Ganz offensichtlich handelt es sich hierbei nur um eine Namensverwechslung. C, Relation et observation, S. 275. M, Mémoires, Bd. 4, S. 485: »[La Reine] l’aimoit & estimoit«. BNF, Mss., Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 38r–89r (passim).

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft

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ihre häufigen Besuche den dortigen Nonnen und Äbtissinnen, eine vertrauensvolle Bindung zur Monarchin aufzubauen315 . Bereits unmittelbar nach der Übernahme der Regentschaft ordnete Anna von Österreich für Val-de-Grâce einen prunkvollen Neu- und Umbau von Kloster und Kirche an316 . Wie bereits deutlich geworden ist, handelte es sich dabei zwar um einen imposanten Ausdruck ihrer Frömmigkeit, aber es war mehr als eine reine Manifestation ihres Propagandawillens. Mit ihrer Unterstützung demonstrierte sie auch ihre tiefe Verbundenheit mit der Klostergemeinschaft – immerhin begleitete Anna von Österreich den Orden fast ihr ganzes Leben, von der Gründung des Klosters 1621 bis zu ihrem Tod, als sie die Tradition begründete, die Herzen von Mitgliedern der königlichen Familie dort beisetzen zu lassen und die Arbeiten an der Anlage langsam zum Abschluss kamen317 . Schon mit der ersten Äbtissin des Klosters, Marguerite de Véni d’Arbouze318 , verband die Königin eine tiefe Freundschaft319 . Sie hatte sie aufgrund ihrer Glaubensstrenge, Organisations- und Reformfähigkeit zur Äbtissin gewählt320 . Als diese jedoch 1626 unerwartet starb, war die Trauer groß, was der Geistliche Fleury jedoch als Triumph christlicher Glaubens- und Charakterstärke über unmäßige Gefühlsausbrüche stilisierte: Durch ihre Trauer über den Verlust erschien die Königin gütig und menschlich, aber dennoch gab sie sich der Trauer nicht einfach hin, sondern konnte sie überwinden, weil sie ihre Verantwortung gegenüber ihrer Freundin und deren Konvent erkannte: »[La reine] crut qu’elle feroit mieux paroître l’amitié qu’elle avoit euë pour la M[ère]. d’Arbouze en continuant aprés sa mort d’en donner des marques à ses filles & à sa maison«321 . Wie hoch diese Wertschätzung tatsächlich war, zeigte sich noch Jahrzehnte später, als sich die Königin 1664 erfolgreich dafür einsetzte, dass ein Neffe ihrer einstigen Freundin, Gilbert de Véni d’Arbouze, zum Bischof von Clermont ernannt wurde322 . Zu Marguerites Nachfolgerin wurde Louise de Milley ernannt, die insgesamt viermal hintereinander zur Äbtissin gewählt wurde und seit 1626 die Abtei leitete. Sie war ebenfalls eine enge Freundin der Königin. Dass sie 1637 ihren Posten räumen und Paris verlassen musste, war abermals dem tiefen Misstrauen Ludwigs XIII. geschuldet, der in Val-de-Grâce – zum Teil berechtigt – einen Hort der Konspiration für den geheimen Briefwechsel der Königin mit ihren spanischen Verwandten und in Louise de Milley eine treibende Kraft 315 316 317 318 319 320 321 322

L B, Oraison, S. 16–18. Siehe auch Kap. 2.2.3 sowie Kap. 2.3.1. Die Fertigstellung erfolgte 1668. Eine Kurzbiographie bietet etwa L C, Dictionnaire, Bd. 3, S. 93–95, (Art.) »Marguerite de Véni d’Arbouze«. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 1, S. 42. B, Nouvelle Description, Bd. 2, S. 272. F, La vie de la vénérable mère Marguerite, S. 244. B, Anne d’Autriche et les dévots, S. 205.

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4. Freundschaft und Zuneigung

dieser Verschwörung sah. Auf Anordnung des Königs durfte sich die Königin fortan nur nach vorheriger Genehmigung nach Val-de-Grâce begeben. Trotzdem riss ihr Kontakt zu Louise nie ganz ab, weil sie sehr zu schätzen wusste, was diese getan und auf sich genommen hatte, weshalb sie sie weiterhin mit Geld unterstützte323 . Nach dem Tod Ludwigs XIII. war die Königin endlich imstande, ihre Dankbarkeit nachhaltig auszudrücken, weil sie nun über die nötigen Mittel für den Bau der Kirche verfügte und auch Louise, deren frommen Lebenswandel sie so sehr schätzte, wieder zurückrufen konnte, damit diese wieder ihren alten Posten als Äbtissin und königliche Vertraute einzunehmen vermochte324 . Inzwischen war diese allerdings schon schwer krank. Die Königin beehrte sie immer wieder mit ihren Besuchen, bevor Louise schließlich noch im Juni 1643 verstarb325 . Zu ihrer Nachfolgerin ernannte die Königin Marie de Bruges: La reine [. . . ] prit en elle une entiere confiance. Elle luy [. . . ] communiqua le desir qu’elle avoit de se retirer de la cour, & de passer le reste de ses jours dans ce monastere. L’abbesse après s’estre excusée de dire son avis sur une affaire si importante, conseilla à la reine de demeurer dans le monde, pour y servir Dieu par son bon exemple & par sa charité à se secourir les miserables326 .

Allen übertrieben elogenreicher Äußerungen zum Trotz verdeutlichen die auffallend engen Freundschaftsbeziehungen der Königin zu den Äbtissinnen von Val-de-Grâce doch sehr gut, dass die Königin viele Nonnen lange genug kannte, um sie charakterlich einschätzen zu können und ihnen bei der Wahl zur Äbtissin Unterstützung zu gewähren. Für die Äbtissinnen war die Freundschaft der Königin natürlich nicht nur eine große Ehre und Auszeichnung, sondern sicherte längerfristig das Auskommen und den Erhalt ihres Klosters. 4.3.2 Rhetorik In den Kapiteln 4.1 und 4.2 wurde bereits auf die Bedeutung einer patronagebezogenen Freundschaftsrhetorik hingewiesen. Aber es gab natürlich noch weiter gehende Nuancen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Königin durch ihre tägliche Präsenz am Hofe und ihre regelmäßigen Aufenthalte in Klöstern wie Val-de-Grâce mit einigen Frauen immer wieder zusammentraf, intensivierte sich ihr sprachlicher Umgang mit ihnen. Hier liegt jedoch das Problem für die Forschung, da es für die Rhetorik in den von Anna von Österreich gepflegten Frauenfreundschaften kaum Belege gibt, denn durch den regelmäßigen Kontakt und die persönlichen Gespräche bestand natürlich keine 323 324

325 326

F, La vie de la vénérable mère Marguerite, S. 264. Dies war bereits bei der Gründung im Jahr 1621 eine Motivation gewesen, den Orden zu unterstützen. Die Königin setzte nämlich auf die Gebete und den geistlichen Beistand der Nonnen für ihren Kinderwunsch. Gazette de France, 27. Juni 1643, S. 547. Vgl. auch M, Le Val-de-Grâce, S. 28. F, La vie de la vénérable mère Marguerite, S. 269.

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft

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Notwendigkeit einer schriftlichen Fixierung; wenn überhaupt geschah dies bei einer (vorübergehenden) räumlichen Trennung. Dazu sei exemplarisch auf die Duchesse de la Valette327 verwiesen, weil einige handschriftliche Briefe der Königin an sie erhalten sind, die einen intimeren Blick auf die Freundin Anna von Österreich und die von ihr verwendete Rhetorik erlauben. Für den persönlichen Charakter solcher Schreiben spricht, dass die Königin nicht auf Sekretäre zurückgegriffen hat, sondern die Briefe selbst abfasste, was natürlich gleichermaßen ein Ausdruck ihrer Zuneigung war wie auch die symbolische und wirkliche Ehre für den Empfänger unterstrich328 . Die Königin betonte unter anderem: »Je vous jure que je ne saves plus viure esloignee de vous que J[’]ayme plus que tout ce qui est au monde et a [sic] qui je suis mille fois plus qu[’]a moi mesme[.] Je vous prie de faire mes recommandations a vostre mary«329 . An anderer Stelle verkündete sie: »Je ne puis plus durer esloignee de la person[n]e du monde que J[’]ayme le mieux et a qui Je suis mille fois plus qu’a moy mesme«, und ergänzte noch: »Je vous prie de tout mon cœur de depecher le plus tost que vous pouues les affaires qui vous obligent a [sic] demeurer la«330 . Und in einem weiteren Schreiben erklärte sie: Ma chere seur [= sœur] Ie ne veus pas lais[s]er partir le poure [= pauvre] sens [= sans] vous escrire et vous asseurer qu[’]il ni a rien au monde capable de m[’]enpecher de vous aymer mille fois plus que ma vie et Je vous Jure que quelque bon[n]e compagnie que Je voye m[’]annuye quan[d] Je ne vous vois pas[.] Je vous conjure de m[’]aymer autant que Je vous ayme car pour riene [sic] que cella [sic] soit Je seray contentente [sic] puis que vous estes la person[n]e du monde que J[’]ayme le mieus [= mieux][.] [. . . ] Je vous asseure que Je suis a [sic] vous plus qu[’]a moy mesme331 .

Eine ähnlich starke Rhetorik findet sich auch in der Korrespondenz mit Mme de Hautefort. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Königin ein freundschaftliches Verhältnis nicht nur mit der Obersthofmeisterin Mme de Senecey und deren Tochter verband, sondern auch mit ihren Kammer-

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Es handelt sich vermutlich um Élisabeth Jeanne Françoise Regnart, duchesse de la Valette. Es gab eine gleichnamige Hofdame im Haushalt der Königin. Siehe BSG, Mss., Ms. 848, Estat (1658), fol. 284r; G, État de la maison, S. 91, Nr. 3429 (hier allerdings in der Schreibung ›Villette‹). Siehe K, Politische Freundschaft, S. 153f., 205, 264. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 5245, Brief v. Anna von Österreich an die Duchesse de la Valette (s.d.), fol. 163r. BNF, Mss., Nouvelles acquisitions françaises 5245, Brief v. Anna von Österreich an die Duchesse de la Valette (s.d.), fol. 164r. Siehe auch ibid., Brief v. Anna von Österreich an die Duchesse de la Valette (s.d.), fol. 165v: »Je vous conjure seullement [sic] de m[’]aymer tousjours«; ibid., Brief v. Anna von Österreich an die Duchesse de la Valette (s.d.), fol. 167r: »[L]e contentement de vous voir et de vous asseurer moy mesme que Je suis plus a [sic] vous qu[’]a moy mesme«. Vgl. außerdem ibid., Brief v. Anna von Österreich an die Duchesse de la Valette (s.d.), fol. 168r–168v. Ibid., Brief v. Anna von Österreich an die Duchesse de la Valette (s.d.), fol. 170r.

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4. Freundschaft und Zuneigung

damen332 . Als Anna von Österreich 1643 auch Mme de Hautefort an den Hof zurückrief, schickte sie ihr einen kurzen, aber ebenfalls eigenhändig geschrieben Brief, den Mme de Hautefort umgehend verschiedenen Freunden und Höflingen zeigte, um ihre neuerliche Gunst gewissermaßen vor Zeugen zu dokumentieren, weil sie damit nun selbst wieder innerhalb der höfischen Gesellschaft an Bedeutung gewann333 : Madame de Hautefort étoit aussi revenuë, à qui la Reine avoit [. . . ] écrit de sa propre main qu’elle la prioit de revenir promptement; qu’elle ne pouvoit gouter de plaisir parfait si elle ne le goutoit avec elle; & ces mesmes mots, Venez, ma chere Amie: je meurs d’impatience de vous embrasser. Elle vient donc, la Lettre de la Reine à sa main, c’est-à-dire la montrant à ses Amis avec joie334 .

Die Besonderheit solcher Schreiben liegt also auch darin begründet, dass sie illustrieren, dass die eigentliche Patronagekorrespondenz »nur ein[en] Teil des gesamten Briefwechsels zwischen Dienstherr und Amtsträger«335 ausmachte. Als Patronin (und Dienstherrin) bediente sich die Königin zwar oftmals einer Rhetorik der Freundschaft, aber, wie in diesen Beispielen, bestand noch einmal ein deutlicher Unterschied zu einer auf gewachsener Zuneigung beruhenden freundschaftlichen Beziehung zu einem Mitglied ihres Haushalts bzw. des Hofes – zumindest auf Seiten der Königin336 . Allerdings blieben auch hierbei die Ranggrenzen stets gewahrt; so beendete Anna von Österreich einen Brief an Mme de Hautefort mit den Worten »votre bonne Amie et Maitresse«337 , was den fließenden Übergang zwischen Freundschaft und Patronage sehr gut verdeutlicht. Dessen ungeachtet stellte ein solcher Briefwechsel aber in jedem Fall »immer auch eine Art Stimmungstest und Rückversicherung [dar], ob die Gunst der Königin noch gegeben war«338 . Aus diesem Grund wurde den Antwortbriefen der Monarchin eine so hohe Bedeutung beigemessen, weil sie darin abermals auf ihre anhaltende Freundschaft und ihr künftiges Wohlwollen verwies.

332 333 334

335 336 337 338

Vgl. Victor C, Madame de Hautefort, Paris 1856, S. 10. Vgl. Kap. 3.4. M, Mémoires, Bd. 1, S. 168 [Hervorh. im Orig.]. Siehe auch [A], La vie de Marie de Hautefort, S. 75, Anm. X, Brief v. Anna von Österreich an Mme de Hautefort (17.05.1643): »Madame de Hautefort, je ne puis demeurer plus long-temps sans vous envoyer Cussi [= ein Bote?] pour vous conjurer de me trouver aussitôt qu’il vous aura donné celle-ci. Je ne vous dirai autre chose, l’état où je suis après la perte que j’ai faite, ne me permettant pas que de vous assurer de mon affection, laquelle je vous témoignerai toute ma vie, et que je suis votre bonne Amie et Maitresse. Anne«. E, Stand und Perspektiven der Patronageforschung, S. 243. Vgl. dazu K, Politische Freundschaft, S. 125, 179–222, bes. S. 184–196, 203–209, 212–215. [A], La vie de Marie de Hautefort, S. 75, Anm. X, Brief. v. Anna von Österreich an Mme de Hautefort (17.05.1643). M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 20.

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft

381

4.3.3 Gesten Neben freundlichen Worten in Gesprächen oder Briefen gab es noch eine weitere, höhere Stufe, um der persönlichen Verbundenheit Ausdruck zu verleihen – und zwar Gesten. Diese konnten ganz unterschiedliche, individuell zugeschnittene und auch situationsgebundene Formen – z. B. Besuche, ein Handkuss, das Tragen der Schleppe, das Halten der Hand, eine Einladung in die königliche Theaterloge, eine persönliche Audienz, Geschenke, Gefälligkeiten für einen Klienten oder gar eine »rituelle Verwandtschaft«339 in Form einer Patenschaft – annehmen, die von den übrigen Höflingen stets als Indikator für aktuelle Gunstverhältnisse analysiert und interpretiert wurden und nach denen sie dann ihr eigenes Verhalten gegenüber den von der Königin bevorzugten Personen ausrichteten340 . Gesten waren konsequenterweise ein probates Mittel der Königin, um Abstufungen vorzunehmen, die den Grad der Gunst der jeweiligen Person definierten und nach außen für alle sichtbar machten, wie das folgende Beispiel verdeutlichen mag: Anna von Österreich bot einer von ihr sehr geschätzten Äbtissin an, ihr eine Kutsche zu schicken, um sich mit ihr treffen zu können. Mme de Lansac, die die Nachricht übermittelte, unterstrich die Bedeutung dieser Offerte: »Vous ne deves pas refusé cette of[f]re là vous estant tres avantageuse pour beaucoup de considérations. La première c[’]est que le monde cognoistra la singuliere affection qu[’]elle a pour vous«341 . So erwies die Königin etwa der Duchesse d’Aiguillon immer wieder die Ehre, sie in ihrem Haus in Rueil, nahe Paris, zu besuchen342 . Es war auch die Duchesse d’Aiguillon, die Vincent de Paul am Hofe eingeführt hatte und auf dessen geistlichen Beistand sie ebenso wie die Königin gern zurückgriff343 . Folglich war die Stellung der Duchesse d’Aiguillon während der Regentschaft sehr gefestigt, sie suchte die Königin fast täglich auf344 . Sie leistete der Monarchin auch aktive Unterstützung; bei den finanziellen Engpässen der Krone 339

340

341

342 343 344

R, Freunde und Kreaturen. »Verflechtung«, S. 36. Hierbei stand folglich die Stärkung der Bindung zwischen der Königin und den Eltern im Vordergrund. Siehe D, Petrarkistischer Diskurs, S. 161f.; J-F, Herrinnen des Louvre, S. 255. K, Politische Freundschaft, S. 198–201, spricht deshalb auch von »Verstärkungszeichen der Freundschaft«. Siehe auch ibid., S. 223–265, bes. S. 246–254;  K, Catherine de Médicis, S. 69. Joseph-Adrien L R (Hg.), Lettres de la reine Anne d’Autriche, du président Molé, du père de La Chaise, de Madame de Montespan, d’Anne de Gonzague, princesse palatine, etc., écrites à l’occasion de la construction du Couvent des Annonciades de Meulan par Louis XIV, Versailles 1860, S. 40, Brief v. Mme de Lansac an Charlotte Dupuis (s.d.). Siehe dazu K, Politische Freundschaft, S. 89. M, Mémoires, Bd. 1, S. 234. Siehe auch B-A, La duchesse d’Aiguillon, S. 338, 372–374. B-A, La duchesse d’Aiguillon, S. 333f. Ibid., S. 392.

382

4. Freundschaft und Zuneigung

im Vorfeld der Fronde half sie sogar mit Geld aus345 . Aus diesen Gründen konnte sie sich problemlos für eigene Freunde bei Anna von Österreich verwenden, beispielsweise für Mme de Brienne, damit deren Sohn die survivance für den Posten seines Vaters als Außenminister erhielt346 . Und als die Königin ins Palais-Royal gezogen war, wurde durch die nun erfolgte Aufwertung des Gebäudes die bisherige Plakette mit der Aufschrift »Palais Cardinal« entfernt, aber auf Drängen der Duchesse d’Aiguillon wieder angebracht, weil diese bemüht war, die Erinnerung an ihren Onkel aufrechtzuerhalten347 . Die hohe Wertschätzung der Königin ihr gegenüber zeigte sich erneut vor aller Augen bei der Volljährigkeitserklärung des Königs 1651. Bei der Kavalkade auf dem Weg zum lit de justice saß die Duchesse d’Aiguillon in der Kutsche der Monarchin, während der Zeremonie ganz in ihrer Nähe348 . Zugleich nutzte sie ihren Einfluss am Hofe, um immer wieder Unterstützung für karitative Projekte zu erhalten349 . Das betraf vor allem die Wohltätigkeitsorganisation der Dames de la charité, in der sich die Duchesse d’Aiguillon unter der Leitung von Vincent de Paul engagierte; dort pflegte sie auch gute Kontakte zu Mme de Senecey, der Obersthofmeisterin der Königin350 . Außerdem zahlte sich die Gunst, in der die Duchesse d’Aiguillon bei Anna von Österreich stand, auch für ihre Freundin, die Duchesse de Montausier, aus, die 1661 zur Gouvernante des Dauphins ernannt wurde351 . Der Duchesse d’Aiguillon gelang es, sich das Wohlwollen der Königin bis zuletzt zu sichern, was bei jedem Besuch durch den herzlichen Empfang zum Ausdruck kam, den ihr die Königin bereitete352 . Besuche oder die aktive Unterstützung bei Anliegen ihrer Freundinnen zeugten also von der Gunst der Königin. Umgekehrt wurde der Entzug bestimmter Gesten als Zeichen des Missfallens seitens der Monarchin gewertet, wie das folgende Beispiel der Duchesse de Chevreuse belegt. Nach anfänglicher Parteinahme für die Fronde entschloss sie sich dazu, sich wieder der Krone anzunähern353 . Bereits im Sommer 1649 wurde ihr gestattet, wieder in Gnaden an den Hof zu kommen354 . Obwohl die Königin ihr verzieh, konnte, wie oben erwähnt, das einstige Einvernehmen nicht mehr hergestellt werden:

345 346 347 348 349 350 351 352 353

354

M, Mémoires, Bd. 2, S. 153. B-A, La duchesse d’Aiguillon, S. 392–394. L F, Description de Paris, Bd. 2, S. 220. B-A, La duchesse d’Aiguillon, S. 394; M, Mémoires, Bd. 4, S. 289. Vgl. K, Politische Freundschaft, S. 89. B, Discours funebre, S. 7; Gazette de France, 20. April 1675, S. 284. A, Les Grandes Dames du Palais-Royal, S. 58–60. B-A, La duchesse d’Aiguillon, S. 437. Ibid., S. 456. C, Lettres, Bd. 1, S. 35, Brief v. Colbert an Michel Le Tellier (28.08.1650). Vgl. [A], L’Amazone françoise, Au secours des Parisiens. Or L’approche des trovpes de Madame la Duchesse de Cheureuse, Paris 1649. M, Mémoires, Bd. 3, S. 98f., 158, 174–176. Siehe auch C, Madame de Chevreuse, S. 316–320.

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft

383

[La Duchesse de Chevreuse] en [= Kuss der Königin] fut privée, & la Reine lui voulut montrer qu’elle avoit senti ce qu’elle avoit fait contre elle. Cette Princesse sup[p]lia la Reine de lui pardonner tout le passé, & lui promit pour l’avenir une grande fidélité. Ses promesses furent reçuës avec douceur & sans reproches, mais avec un air bien différent des caresses qu’elle lui faisoit quand elle en étoit satisfaite355 .

Nicht nur das distanzierte Verhalten der Monarchin, sondern vor allem ihre Entscheidung, auf den freundschaftlichen Handkuss seitens der Duchesse de Chevreuse zu verzichten, waren ein deutliches Signal, das von den Anwesenden sehr wohl verstanden wurde356 . Wie wichtig gerade dieses Signal sein konnte, belegt auch der Fall von Mme de Hautefort, deren ablehnende Haltung gegenüber Mazarin die Freundschaft zur Königin auf eine harte Probe stellte. Dass der Königin viel an ihr lag, zeigte sich daran, dass sie die Kritik eine ganze Weile duldete und schließlich enge Vertraute von Mme de Hautefort aufforderte, auf sie einzuwirken, denn allmählich hatte die Königin genug von deren unablässigem Widerstand – sie fühlte sich gleichermaßen als Patronin und Freundin gekränkt357 . Schließlich folgte eine Aussprache und Mme de Hautefort lenkte – vorerst – ein; der Handkuss signalisierte dabei den übrigen Höflingen Mme de Hauteforts wiedergewonnene Bedeutung: Les larmes furent grandes du côté de l’accusée & les sentimen[t]s de même; mais enfin, aiant témoigné un grand desir de ne plus déplaire à celle à qui elle devoit toutes choses, elle lui dit tout ce qu’elle put pour justifier ses intentions & l’emportement qu’elle avoit eu d’abord; elle promit de suivre entierement les volontés de la Reine, en se faisant Amie du Cardinal. La Reine, qui étoit bonne & naturellement amiable, lui pardonna de bonne grâce, & lui donnant sa main à baiser lui dit en riant, pour apaiser son amertume, Il faut donc aussi, Madame, baiser le petit doigt, car c’est le doigt du cœur, afin que la paix soit parfaite entre nous358 .

Trotzdem war Mme de Hautefort nicht in der Lage, ihren Versprechungen Taten folgen zu lassen und ihren Verpflichtungen als Klientin, Amtsträgerin und Freundin nachzukommen, indem sie sich dem Willen der Königin beugte. Stattdessen wetterte sie schon bald wieder gegen Mazarin und fiel daraufhin in Ungnade359 . Mme de Motteville meint, dass die Freundschaft der beiden in diesen Jahren endgültig ihr Ende gefunden habe360 . Zu dieser Entfremdung trug auch der Umstand bei, dass Mme de Hautefort fortan die meiste Zeit mit ihrem Mann in Metz verbrachte, wo dieser das Gouverneursamt innehatte; die Charge der Kammerdame, die ihre Großmutter fortan bis zu ihrem Tod 1657

355 356 357 358 359 360

M, Mémoires, Bd. 3, S. 175. Zur rupture einer Freundschaft vgl. auch K, Politische Freundschaft, S. 237–242. Zur Bekundung des Missfallens durch Gesten vgl. auch O, »Gespräche« über Herrschaft, S. 19. M, Mémoires, Bd. 1, S. 172. Ibid., S. 175 [Hervorh. im Orig.]. Ibid. Siehe auch C, Madame de Hautefort, S. 96–148. M, Mémoires, Bd. 1, S. 507.

384

4. Freundschaft und Zuneigung

allein ausübte, verkaufte sie später361 . Erst als Anna von Österreich in den 1660er Jahren schwer erkrankte, stattete Mme de Hautefort ihr regelmäßige Besuche ab und beide bekundeten von Neuem ihre Zuneigung füreinander, eingedenk der großen Freundschaft, die sie einst verband362 . Letztlich gelang es Mme de Hautefort, wieder einen Platz im Herzen der Königin zu finden363 . Auch mit Mme de Hauteforts Nachfolgerin als Kammerdame, der Duchesse de Noailles, verband die Königin ebenfalls ein herzliches Einvernehmen. Und das nicht nur, weil diese eine angenehme Gesprächspartnerin war, sondern als äußerst tugendhaft und fromm galt364 . Eine ebenso einflussreiche Stellung nahm Mme de Brégy ein, die viele als enge Freundin und einige gar als Favoritin der Königin bezeichneten365 . Das kam durch verschiedene Gesten zum Ausdruck, die diesen Status betonten. Anna von Österreich hatte eigens für sie die Charge einer dame du lit eingerichtet366 . Außerdem räumte sie ihr bei besonderen Anlässen einen privilegierten Platz ein, wie zum Beispiel anlässlich des Dreikönigstages im Januar 1649, als die Königin den Kuchen mit Ludwig XIV., Mme de Motteville und ihr teilte367 . Da die Königin dafür bekannt war, ihre Mahlzeiten eher in kleinem Kreis einzunehmen, war diese Einladung eine umso größere Auszeichnung und Demonstration der Gunst, in der die dame du lit bei der Monarchin stand. Dass Mme de Brégy sich diese königliche Freundschaft aufgrund ihrer charakterlichen Qualitäten erwarb, tat der Schriftsteller Loret einem breiten Publikum in seinen »Poesies bvrlesqves« kund: Mais la plus infaillible preuue Des merites qu’en vous on treuue, Tant pour le corps, que pour l’esprit, C’est l’amitié dont vous cherit La plus charmante Souueraine 361 362 363

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365 366 367

Ibid., S. 509; G, État de la maison, S. 89, Nr. 3353; Mercure galant, August 1691, S. 247–252; Muze historique, 5. Mai 1657, Livre VIII, Lettre XVII, V. 109–118. C, Madame de Hautefort, S. 160. Vgl. dazu K, Politische Freundschaft, S. 251. Vgl. M, Mémoires, Bd. 1, S. 508: »[M]ais, cependant, sachez qu’il est difficile de rentrer dans mon cœur, quand une fois on en est sorti«. Siehe auch K, Politische Freundschaft, S. 237–242. Joseph de B, Recit abregé des vertus et de la mort de Madame la Duchesse Douairiere de Noailles, Châlons 1698, S. 11: »La plus précieuse partie de sa faveur, a été d’avoir sçû meriter l’amitié de la Reine sa Maîtresse, & l’estime du Roi. Combien d’illustres marques en a elle eu!«. Siehe auch S-S, Mémoires, Bd. 1, S. 196; S, Le dictionnaire des précieuses, Bd. 1, S. 290; Bd. 2, S. 310. Jean-Baptiste Primi Visconti Fassola de Rasa, comte de S-M, Mémoires sur la cour de Louis XIV (1673–1681), hg. v. Jean-François S, Paris 1988, S. 114. D-A, Journal, Bd. 1, S. 198, Eintrag v. 07.01.1650. Siehe dazu M, »Spiritus intus agit«, Bd. 1, S. 593–599. Georges M, Une précieuse: la comtesse de Brégy, in: La Revue de France, 1. September 1929, S. 36–66, hier S. 42. Siehe auch M, Mémoires, Bd. 2, S. 4, 447.

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft

385

Et la plus adorable Reine [. . . ] L’amitié donc qu’elle vous porte Est preuue suffisante & forte368 .

Während die einen sie als schöne Vertreterin der preziösen Kultur und treu ergebene Dienerin und Freundin der Königin beschrieben369 , glaubten andere in ihr nicht mehr als eine »eitle Kreatur« zu erkennen, die alles einzig ihren Schmeicheleien verdanken würde370 . In jedem Fall stand sie bei der Königin hoch genug in der Gunst, sodass selbst Mazarin gerade während der Fronde nur zu bereitwillig auf ihre Mittlerdienste zurückgriff und sich um ihre Freundschaft bemühte371 . 4.3.4 Gaben Eng verbunden mit den Gesten sind die Gaben372 . Sie erfüllten den vorrangigen Zweck, neue Bindungen einzugehen und bestehende zu konsolidieren: »Le don, c’était la manifestation par excellence de l’amitié et de l’amour; c’était aussi la meilleure façon d’exprimer sa supériorité et sa domination«373 . Auch hierbei gab es selbstverständlich verschiedene Abstufungen, denen ebenfalls immer dasselbe Prinzip zu Grunde lag: Die Königin demonstrierte nach außen sichtbar, das heißt öffentlich und symbolträchtig, ihre Gunst, indem sie jemanden Aufmerksamkeit schenkte. Das konnte die schon erwähnten Beispiele immaterieller Gaben umfassen, wie eine Audienz bei bzw. ein Gespräch mit der Königin. Oder es handelte sich um konkrete materielle Gaben, die natürlich nicht zwingend auf Geldgeschenke beschränkt waren. Dass die Königin unter anderem ihrer Obersthofmeisterin Mme de Fleix374 , ihrer dame

368 369

370 371 372

373

374

L, Poesies bvrlesqves, S. 123f. Roger de B-R, Dits et inédits, hg. v. Daniel-Henri V, Vincenette M, Quetigny 1993, S. 199. Siehe M, Une précieuse, S. 42; R, La femme au XVIIe siècle, S. 103. T  R, Les historiettes, Bd. 4, S. 254. AD, Mss., Mémoires et Documents (France) 268, Brief v. Mazarin an Mme de Brégy (19.05.1651), fol. 95r–95v. Gadi A, Valentin G, Bernhard J (Hg.), Negotiating the Gift. PreModern Figurations of Exchange, Göttingen 2003; Marcel M, Essai sur le don, Paris 2007 [EA 1925]. J, Le devoir de révolte, S. 86. Siehe außerdem K, Hofdamen, S. 165; R, Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie, S. 131; W, Francis Bacon, S. 185; Z-D, The Gift, S. 12–29. BNF, Mss., Fonds français 10414, Peintures. Appartement de La Royne, fol. 224r–225r. Das Bild im Wert von 300 l.t. wurde am 15. Mai 1657 im Atelier Beaubrun in Auftrag gegeben. Vgl. Kap. 4.3.1, S. 376; Kap. 4.3.4, S. 390.

386

4. Freundschaft und Zuneigung

du lit Mme de Brégy375 , ihrer Ersten Kammerfrau Mme de Beauvais376 , dem Kanzler ihres Haushalts, René de Longueil, Marquis de Maisons377 , oder dem von ihr protegierten Dichter Benserade378 Porträts von sich schenkte, kann zu Recht als besondere Gabe und Zeichen der tiefempfundenen Freundschaft gedeutet werden, weil dies neben der Anerkennung bereits geleisteter Dienste vor allem den bestehenden Bindungen gleichermaßen eine affektive und konsolidierende Note verlieh379 . Das galt zwar auch für Geldzahlungen, diese waren aber mitunter ganz einfach deshalb notwendig, weil es einigen Amtsträgern wie Mme de Motteville nur so möglich war, überhaupt am Hofe zu leben380 . Dabei spielte jedoch nicht nur das Präsent selbst, sondern auch die Art und Weise, wie es überreicht wurde, eine entscheidende Rolle, wie das folgende Beispiel vom Dezember 1665 verdeutlichen mag, als Anna von Österreich der Schwiegertochter ihres Schatzmeisters ein Geschenk machte. Während die Gabe der Anerkennung geleisteter Dienste entsprach, waren die begleitenden Worte ein Ausdruck der Freundschaft: On m’a dit que la Reyne-Mere, Pour temoigner à Barthillat 381 Combien elle faisoit d’estat Des bons services de son Pere382 ,

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380 381 382

BNF, Mss., Fonds français 10414, Peintures. Appartement de La Royne, fol. 218v–219r. Das Bild im Wert von 250 l.t. wurde am 28. August 1656 im Atelier Beaubrun in Auftrag gegeben. Vgl. Kap. 4.3.3, S. 384f.; Kap. 4.3.4, S. 390. BNF, Mss., Fonds français 10414, Peintures. Appartement de La Royne, fol. 225r–226r, hier bes. fol. 225v. Das Bild wurde am 11. Mai 1657 bei Nocret in Auftrag gegeben; ein genauer Wert ist nicht überliefert, da das Portrait zusammen mit sechs weiteren Gemälden für einen Gesamtpreis von 950 l.t. veranschlagt wurde. Zu Mme de Beauvais vgl. M, »Spiritus intus agit«, Bd. 1, S. 540–555. BNF, Mss., Fonds français 10414, Peintures. Appartement de La Royne, fol. 223r–224r. Das Bild im Wert von 340 l.t. wurde am 15. Mai 1657 im Atelier Beaubrun in Auftrag gegeben. Longueil übte das Amt des Kanzlers von 1652 bis zum Tod der Königin aus. Siehe BNF, Mss., Clairambault 814, Estat general des officiers de la maison de la feue Reyne (20.06.1666), fol. 89r; G, État de la maison, S. 104, Nr. 3825. BNF, Mss., Fonds français 10414, Peintures. Appartement de La Royne, fol. 226r–226v. Das Bild im Wert von 250 l.t. wurde am 6. Juli 1657 im Atelier Beaubrun in Auftrag gegeben. Vgl. Kap. 2.3.4, S. 176. K, Gift-Giving, S. 140: »When token gifts were exchanged, the more personal and individual the gift the better: the gift’s special nature reinforced the personal bond it helped to create«, sowie ibid., S. 147: »Gift-giving within a patron-client-relationship was part of an ongoing personal relationship«; K, Politische Freundschaft, S. 262– 264. Siehe auch Kap. 3.4. Vgl. S, »Les plus belles femmes«, S. 344. BNF, Fonds français 23945, Estat au vray de la Maison de la Reyne 1653 (06.12.1656), fol. 51v. Gemeint ist Bartillats Sohn, Nicolas Jehannot de Bartillat. Étienne Jehannot de Bartillat war von 1640 bis 1649 Sekretär und von 1639 bis 1666 Schatzmeister der Königin. Siehe G, État de la maison, S. 120, Nr. 4380 (Sekretär); S. 133, Nr. 4861 (Schatzmeister).

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft

387

Fit don d’un Diamant à sa belle Moitie383 , Qui valloit douze cen[t]s pistolles, Sans le don de son amitié Qu’elle luy fit encore en quatre ou cinq parolles384 .

In den Genuss besonderer Sympathiebezeugungen kamen jedoch nicht nur Hofdamen oder Verwandte von Amtsträgern, sondern auch Ordensfrauen. Aber wie der bereits erwähnte Fall von Susanne de Brasseuse gezeigt hat, war es ohne einen Mittler, der den Kontakt zur Königin herstellte, äußerst schwierig, überhaupt von ihr wahrgenommen zu werden. Deshalb wollten viele nicht auf ihn verzichten, wie zum Beispiel die Nonne Charlotte Dupuis, die dank ihrer guten Beziehungen mit der Königin in Kontakt treten, ihr Vertrauen und ihre Zuneigung gewinnen und auch mittelfristig aufrecht erhalten konnte. Ihr Fall ist zugleich ein Beleg dafür, dass Gaben der Freundschaft nicht nur von der Königin ausgingen, sondern natürlich auch aktiv vom jeweiligen KlientenFreund zur Beziehungspflege genutzt wurden. Charlotte stammte aus Montdidier in der Picardie, wo sie dem Orden der Tertiarinnen angehörte. Infolge des Krieges floh sie 1636 nach Paris und kam mit ihrer Familie bei Mathieu Molé, dem Präsidenten des Obersten Pariser Gerichtshofes, unter, der so beeindruckt von ihr war, dass er sie schon bald darauf der Königin vorstellte. Während ihres Aufenthaltes in Paris verließ Charlotte den Orden der Tertiarinnen und trat dem der Annuntiatinnen bei. Anna von Österreich lud sie oft nach Val-de-Grâce ein und betete vor allem zu Beginn ihrer Schwangerschaft zusammen mit ihr für einen Sohn; später war die Königin überzeugt, diese gemeinsamen Gebetsstunden hätten einen Anteil an der Geburt des Dauphins gehabt385 . Das war auch der Grund für sie, sich bei Ludwig XIII. für einen Erlass einzusetzen, der es den Annuntiatinnen erlaubte, eine Niederlassung ihres Ordens in Meulan, nahe Paris, einzurichten, wo Charlotte später sogar zur ersten Oberin aufsteigen sollte386 . Da die Königin als Gründerin des dortigen Klosters und der Kirche in Erscheinung treten wollte, finanzierte sie den Aufbau mit Mitteln aus ihrem eigenen Etat. Am 25. Juni 1639 erfolgte dann in ihrem Auftrag durch den Erzbischof von Rouen die Grundsteinlegung. Sogleich schrieb die Königin Charlotte, dass sie diese Unterstützung als Freundschaftsdienst gegenüber ihr 383 384

385 386

Anne-Louise Habert de Montmor war Bartillats Schwiegertochter. Muse de la cour, 27. Dezember 1665, VII. Semaine, V. 58–65 [Hervorh. im Orig.]. Ein anderes anschauliches Beispiel für die Bedeutung des Überreichens einer Gabe ist der Fall des Künstlers Charles Le Brun, der zu Beginn der 1660er Jahre im Auftrag der Königin das Gemälde »Crucifix aux anges« anfertigte. Und die Königin, »satisfaite de voir ses idées si bien exprimées, donna son portrait dans une boîte de diamants à M. le Brun, et voulut bien le lui attacher elle-même«, zit. n. D (Hg.), Mémoires, Bd. 1, S. 21. Zum Symbolgehalt solcher öffentlichen Gaben vgl. auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 195. Siehe dazu Émile R, Histoire de Melun, Melun 1868, S. 417–422. L R (Hg.), Lettres, S. 2–4.

388

4. Freundschaft und Zuneigung

und ihrem Orden verstehe387 . Als die Arbeiten ins Stocken gerieten, erließ sie, nunmehr Regentin, im Juli 1643 ein Dekret, das sie offiziell als Gründerin auswies388 . Aber auch während der Regentschaft kam der Bau nur schleppend voran, zumal die Fronde eine stabile Finanzierung schwierig machte. Vor ihrem Tod hatte Anna von Österreich deshalb Ludwig XIV. gebeten, ihr Werk zu vollenden389 . Dass die Königin in all den Jahren nie aufhörte, sich für Charlotte und ihre Ordensschwestern einzusetzen, lag sowohl an ihrem nicht nachlassenden Interesse als auch an der Tatsache, dass Charlotte von sich aus den bestehenden Kontakt beständig pflegte – mit Briefen und Geschenken. Sie übermittelte der Königin nicht nur Neujahrswünsche390 , sondern schickte ihr zusammen mit den Briefen beispielsweise auch Kleidungsstücke für den Dauphin391 . Das war keine unübliche Praxis in Freundschafts- und Patronageverhältnissen392 . Und die erhoffte Wirkung blieb nicht aus: Le présent que vous m’avez envoyé de la représentation de la chapelle de Nostre-Damede-la-Paix m’a esté si agreable que j’ay bien voullu [sic] vous faire cognoistre par celle-cy l’estime que je fais de vostre souvenir [. . . ] des effects de ma bonne volonté pour le bien et l’advancement de vostre maison393 .

Für gewöhnlich ließ die Königin ihren Dank aber durch Mme de Lansac ausrichten: »Je vous remersie pour Monseigneur le Daufin du chien que luy aves envoié. Je le fait voir a [sic] la Royne qui le trouve bien joly. Elle est bien aise d[’]estre dans le resouveny des personnes de vostre vertu et piesté«394 . Mitunter beauftragte die Königin auch Mathieu Molé, Charlottes Briefe zu beantworten, ihr zu danken und sie ihrer anhaltenden Gunst zu versichern395 .

387 388

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390 391 392

393 394 395

Ibid., S. 33, Brief v. Anna von Österreich an Charlotte Dupuis (31.07.1639). René R, Discours sur l’histoire des fondations royales et des établissements faits sous le règne de Louis-le-Grand (1695), in: D (Hg.), Archives curieuses, Bd. 11, S. 1–70, hier S. 22–26. Siehe auch L R (Hg.), Lettres, S. 4. Tatsächlich wurden die Arbeiten erst 1682 wieder aufgenommen und konnten schließlich 1688 abgeschlossen werden. Siehe L R (Hg.), Lettres, S. 5. Die Kosten beliefen sich auf 88 412 l.t. Außerdem gewährte der König dem Kloster eine jährliche Pension in Höhe von 5000 l.t. Ibid., S. 35, Briefe v. Anna von Österreich an Charlotte Dupuis (01.01.1643 u. 02.01.1644). Ibid., S. 39, Brief v. Mme de Lansac an Charlotte Dupuis (s.d.). K, Gift-Giving, S. 138: »Actual gifts sometimes accompanied patron-client letters. They were meant as tokens of promises and obligations. They were also tangible expressions of the courtesies and compliments in the accompanying letters, and were not entirely disinterested: they carried with them the hope of future return«. Siehe auch D, Petrarkistischer Diskurs, S. 195. L R (Hg.), Lettres, S. 34, Brief v. Anna von Österreich an Charlotte Dupuis (02.11.1640). Ibid., S. 39, Brief v. Mme de Lansac an Charlotte Dupuis (s.d.). Siehe weitere Briefe ibid., S. 40–43. Ibid., S. 37f., Briefe v. Mathieu Molé an Charlotte Dupuis (09.04. u. 16.10.1652).

4.3 »Que de fidélité pour ses amis«: Ausdrucksformen der Freundschaft

389

Charlotte griff ihrerseits gern auf einen Boten zurück, der nochmals mündlich ihre Freundschaftsbekundungen formulierte396 . Die Dankbarkeit, die die Königin für erhaltene Geschenke ausdrückte bzw. die offen bekundete Freude, mit der sie sie annahm, war ebenfalls Teil der ritualisierten Freundschaftspflege397 . So war beispielsweise in dem von ihr in Auftrag gegebenen Erziehungsratgeber für Ludwig XIV. explizit betont worden, dass ein Fürst in angemessener Weise auf den Erhalt von Gaben reagieren sollte, weil diese ja ein Zeichen der Zuneigung desjenigen waren, der sie darbrachte398 . Vor allem das Verschenken von Früchten war ein ganz besonderer Ausdruck dieses Wohlwollens, weil sie als Symbol galten, sich nicht nur für das (gesundheitliche) Wohl des Monarchen zu interessieren, sondern sich aktiv dafür einzusetzen399 . Das heißt, der symbolische Wert einer Gabe war mitunter ebenso wichtig wie oder gar bedeutsamer als ihr tatsächlicher materieller Wert400 . Eine derartige Vorgehensweise, wie sie Charlotte praktizierte, war aber auch deshalb erforderlich, um die Königin beständig, und gewissermaßen indirekt, an ihr Versprechen zum Bau von Kloster und Kirche zu erinnern. Da die räumliche Distanz einen regelmäßigen Kontakt oftmals erschwerte, waren Briefe, mündlich überbrachte Nachrichten durch einen Boten und Geschenke eine besonders geeignete, aber eben auch notwendige Alternative, um die Beziehung immer wieder neu zu beleben401 . Dennoch bestanden die wohl engsten Verbindungen von Anna von Österreich zum besagten Orden der Benediktinerinnen von Val-de-Grâce. Der Geistliche Fleury hat darauf hingewiesen, dass die Königin und die Äbtissin Marie de Bruges einen sehr familiären Umgang miteinander pflegten, was er als Zeichen für die tief empfundene Freundschaft beider Frauen interpretierte: Als Marie einmal aufgrund einer Erkrankung ihr Zimmer nicht verlassen konnte, verbrachte die Königin geraume Zeit an ihrem Bett402 . Der Einfluss, der sich durch diese Freundschaft ergab, ging über die Unterstützung für Valde-Grâce hinaus, da Marie de Bruges Anna von Österreich auch ganz grundsätzlich zu Wohltaten angehalten habe403 . 396

397 398 399 400 401 402 403

Ibid., S. 42, Brief v. Mme de Lansac an Charlotte Dupuis (s.d.): »J[’]ay mené vostre petit laqués [sic] à la Royne qui luy donné luy mesme vostre fruit et Monseigneur le Daufin luy a montré son petit agneau qui l[’]aime fort. – Sa Majesté m[’a] recommandé de vous remercier de sa part et vous as[s]uré qu[’]elle sera bien ayse de vous voir[;] elle vous prie de continué de prié Dieu pour le Roy et pour elle«. Vgl. dazu L R, La faveur du Roi, S. 278f.: »[Le] personnage qui [porte la lettre] est le véritable intermédiaire pour la transmission des informations. L’essentiel du discours utilise encore le canal de l’oralité«. L R (Hg.), Lettres, S. 35f., Brief v. Anna von Österreich an Charlotte Dupuis (02.01.1644). BNF, Mss., Fonds français 19043, V, Maximes D’Education, fol. 159r. BNF, Mss., Fonds français 19043, V, Maximes D’Education, fol. 159v–160r. Siehe K, Politische Freundschaft, S. 262–264. Vgl. dazu ibid., S. 261f. F, La vie de la vénérable mère Marguerite, S. 269. Ibid., S. 269f.

390

4. Freundschaft und Zuneigung

Nachdem sie aber Anfang des Jahres 1650 gestorben war, musste die Königin eine Nachfolgerin suchen. Ihre Wahl fiel auf Anne de Compans, die die Stellung noch im Februar 1650 antrat. Die große Zuneigung ihr gegenüber zeigte sich natürlich auch in Form von Gesten der Wertschätzung; die Königin gestattete ihr beispielsweise, bei Spaziergängen ihre Hand zu nehmen oder ihre Schleppe zu tragen404 . In einem ähnlichen, noch bedeutenderen Kontext ist jedoch der Wunsch der Königin zu interpretieren, ihr Herz in Val-deGrâce beisetzen zu lassen. Das war mehr als eine dynastische Entscheidung. Diese Gabe wurde als Unterpfand ihrer Freundschaft verstanden, das dem Kloster zusätzliches Prestige bescherte und über den Tod der Königin hinaus das gute Verhältnis der Königsfamilie zum Kloster sicherte, weil andere Mitglieder der Dynastie Anna von Österreichs Beispiel folgten405 . Tatsächlich bildete ihr Testament dann auch eine letzte Gelegenheit für die Königin, noch einmal ihre Gunst zu demonstrieren. Wie sich gezeigt hat, hinterließ sie den Nonnen in Val-de-Grâce neben 200 000 l.t. auch wertvolle religiöse Preziosen aus dem Louvre406 . Darüber hinaus profitierten natürlich vor allem einige von ihr besonders geschätzte Amtsträgerinnen ihres Haushalts; sie vermachte diesen Freundinnen außer Bargeld verschiedene private und Einrichtungsgegenstände: Die Obersthofmeisterin Mme de Senecey erhielt 30 000 l.t., das blaue Velourskissen, auf dem die Königin in der Stunde ihres Todes geruht hatte, sowie Möbel und persönliche Gegenstände von Anna im Wert von 18 528 l.t.; Mme de Fleix, ihre Tochter und Stellvertreterin, erhielt ebenfalls 30 000 l.t. sowie Möbel und persönliche Gegenstände im Wert von 700 l.t.; die Kammerdame Mme de Noailles bekam 15 000 l.t. sowie Möbel und persönliche Gegenstände im Wert von 5700 l.t.; die Erste Kammerfrau Mme de Beauvais durfte sich über 30 000 l.t., Möbel und persönliche Gegenstände im Wert von 3700 l.t. sowie einen kleinen, aus Ebenholz gefertigten Kabinettschrank aus Spanien mit einer Darstellung der Jungfrau Maria freuen, der sich in den Gemächern der Königin in Val-de-Grâce befand; die Hofdamen Mmes de Motteville und de Brégy erhielten ihrerseits jeweils 30 000 l.t.407 Auch hieran zeigt sich noch einmal ganz deutlich, welche große Bedeutung den Faktoren Nähe, Rhetorik, Gesten und Gaben zukam und in welchem Maße sie sich konkret auszahlen konnten. Allerdings war mit dem Testament der Königin dann auch der ultimative Höhepunkt erreicht, um von dieser Patro404 405

406 407

Ibid., S. 280. L G  M, Lettre en vers à Son Altesse Madame la Duchesse de Nemours, 24. Januar 1666, Sp. 639, V. 154–158: »Et qu’au Val-de-Grace on porta / Le Cœur de sa chére [sic] Princesse / À l’illustre & prudente Abbesse, / Qui le receut, non sans pitié. / Pour gage de son amitié« [Hervorh. im Orig.]. Siehe auch Kap. 2.2.4, S. 136, Anm. 508f. Siehe Kap. 2.2.4, S. 136. B, La reine de France, S. 506; BNF, Mss., Fonds français 4332, Testament d’Anne d’Autriche, fol. 242r; C, Le mobilier d’Anne d’Autriche au Louvre, S. 258; G (Hg.), Inventaire après décès de la reine Anne d’Autriche, S. 7–9; M, Mémoires, Bd. 5, S. 487, 501; V, Anne d’Autriche, S. 10.

4.4 Resümee: Kann eine Königin Freundin sein?

391

nagebeziehung zu profitieren; denn der Tod von Anna von Österreich stellte eine deutliche Zäsur dar. Die Frauen, die ihr in Freundschaft verbunden waren – ob nun in ihrem Haushalt, am Hofe oder aus dem religiösen Bereich –, verloren mit der Königin ihre wichtigste Förderin und Vertraute. Langfristig gesehen stellte deshalb das, was Anna von Österreich ihnen hinterlassen hatte, nur eine schwache materielle Kompensation all dessen dar, was ihnen das gesellschaftliche Prestige eröffnet hatte, das sich aus der Nähe zur Monarchin, aus der Freundschaft zu ihr sowie aus den unzähligen Kontakt-, Einfluss- und Informationsmöglichkeiten speiste, die die Gelegenheit, sich in ihrem Umfeld bewegen zu können, mit sich gebracht hatte.

4.4 Resümee: Kann eine Königin Freundin sein? La Torche Ie suis pour tout le Monde née Ma Lumiere n’est point bornée Mon Iour par tout se fait voir tout pareil Ie ne souffre point de partage Et ie suis toute en chaque Etage Comme dans celuy du Soleil408 .

Was Voltaire 1752 über den preußischen Hof schrieb, ist trotz der zynischen Implikationen durchaus als symptomatisch für die generelle Verquickung von Patronage und (fürstlicher) Freundschaft in der Frühen Neuzeit anzusehen: Je vais me faire, pour mon instruction, un petit dictionnaire à l’usage des rois. Mon ami signifie mon esclave. Mon cher ami veut dire, vous m’êtes plus qu’indifférent. Entendez par je vous rendrai heureux, je vous souffrirai tant que j’aurai besoin de vous409 .

Auch Zeitgenossen aus dem 17. Jahrhundert teilten diese Sicht, vor allem dann, wenn jemand den Eindruck hatte, nur einen ungenügenden Anteil an den mit der Freundschaft verbundenen Wohltaten zu empfangen: [J]e ne puis m’empêcher de remarquer cette différence si prodigieuse qui se trouve souvent entre l’amitié dont les grands du monde témoignent quelquefois qu’ils vous honorent, et celle qu’ont pour vous effectivement de simples particuliers, puisque en même temps que je me voyois abandonné et entièrement oublié de quelques seigneurs, qui étoient persuadés que je les avois servis souvent aux dépens de ma propre vie, un étranger, Hollandais, et un marchand, pour avoir eu soin seulement de son fils, me traita dans toute cette affaire avec un cœur plus digne d’un prince que d’une personne de sa condition410 .

408 409 410

C, Devises, S. 182. V, Œuvres complètes de Voltaire, 71 Bde., Basel 1784–1790, Bd. 59, S. 179, Brief v. Voltaire an Mme Denis (18.12.1752) [Hervorh. im Orig.]. P, Mémoires, S. 650f.

392

4. Freundschaft und Zuneigung

Fürstliche Freundschaften waren somit eine anerkannte, wenn auch spezielle Form sozialer Nah- und Patronagebeziehungen. Wie die vorangegangenen Betrachtungen gezeigt haben, bildeten Anna von Österreichs Beziehungsgeflechte dabei keine Ausnahme. Im Gegenteil: Nicht nur die gezielte Anwendung der Freundschaftsrhetorik innerhalb der Patronagebeziehungen, sondern auch deren Verbindung mit Freundschaftsverhältnissen ermöglichten es der Königin, stabile Nahbeziehungen aufzubauen, die sie gegenüber gleichrangigen ebenso wie gegenüber rangniederen Personen praktizierte. Vor allem bei Verwandten und anderen Fürsten war der freundschaftliche Umgangston dabei sehr wichtig, weil er half, politische Allianzen zusätzlich und nachhaltig zu stärken. Des Weiteren wurden noch zwei Ergebnisse deutlich. Zum einen spielten gerade Frauen bei der Aufrechterhaltung oder zumindest doch bei der zusätzlichen Unterstützung dynastischer Beziehungen eine wichtige Rolle, indem sie mal schlichtend, mal beratend eingriffen und auf diese Weise durchaus Einflussmöglichkeiten entfalten konnten. Zum anderen hat sich gezeigt, dass sich das Agieren der Staaten noch in einer Übergangsphase befand. Im Gegensatz zum Mittelalter hatte zwar eine grundsätzliche staatspolitische Entwicklung eingesetzt, die allmählich dazu führte, dass Staaten Allianzen einzugehen vermochten, ohne dass zwangsläufig ein freundschaftliches Einvernehmen zwischen den jeweiligen Regierungen bzw. Herrscherhäusern notwendig war, sondern real- bzw. tagespolitische Aspekte die bestimmenden Faktoren darstellten. Gleichwohl hatte aber eine völlige Loslösung noch nicht stattgefunden, sodass es nach wie vor opportun erschien, das zwischenstaatliche Verhältnis durch einen Freundschaftsdiskurs auf- und auszubauen, um mittel- bis langfristig möglichst stabile Verhältnisse und Bündnisse zu schaffen411 . In Bezug auf die Briefe der Königin und die von ihr verwendete Rhetorik lässt sich somit konstatieren, dass Anna von Österreich wie andere Monarchen und Adlige der Zeit als Patronin agierte. Die Konventionalisierung bestimmter Formulierungen, die sich nur geringfügig voneinander unterschieden, etwa bei der Gewährung einer Bitte, erfuhr hier eine Kontinuität und entsprach damit gewissermaßen einer Tradition innerhalb der Patronagerhetorik der Frühen Neuzeit. Daher betonte die Königin gegenüber jedem, den sie um einen Gefallen ersuchte, dass er bzw. sie ihr durch die Gewährung dieses Gefallens eine Freude (plaisir) bereite, sodass sie bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit ihre Dankbarkeit in angemessener Form zum Ausdruck bringen werde. Hieran offenbarte sich jedoch einmal mehr die Asymmetrie der Freundschaftsverhältnisse der Königin. Denn es war ihren Klienten nicht ohne Wei411

Es sei nur an die im 18. Jahrhundert von Kaiserin Maria Theresia im großen Stil praktizierte Ehepolitik unter dem Motto »bella gerant alii, tu, felix austria, nube« erinnert. Vgl. auch T, Verwandtschaft, S. 39–53, bes. S. 52.

4.4 Resümee: Kann eine Königin Freundin sein?

393

teres möglich, einem Gesuch von ihr nicht nachzukommen. Das heißt, die Königin befand sich in einer komfortablen, weil vorteilhaften Situation, denn ein Klient konnte unter Heranziehung rhetorischer Standardaussagen immer leicht behaupten, dass ihr seine ganze Zuneigung gehöre und er ihr stets zu Diensten sei. Aber das waren zunächst einmal nur Behauptungen. Was Pontis im oben erwähnten Zitat an fürstlichen Freundschaften im Rahmen einer Patronagebeziehung kritisierte, wurde etwa von Mme de Motteville weitaus objektiver beurteilt. Sie beschrieb den vermeintlich distanzierten Umgang von Anna von Österreich mit Freundschaften als wohlüberlegtes Handeln und Taktieren: Il me paroît qu’elle n’est pas assez touchée de l’amitié qu’on a pour elle; mais comme les rois entendent de tous un même langage, et qu’il est difficile de discerner la vérité d’avec le mensonge et l’artifice, il est assez excusable, et même selon la raison, de ne se pas laisser aisément persuader sur une chose qui de sa nature est fort trompeuse412 .

Sobald die Königin nämlich ein Gesuch an ihre Klienten richtete, mussten diese es erst einmal erfüllen und damit beweisen, dass sie erstens zu ihren bisherigen (rhetorischen) Freundschaftsbekundungen standen und sich damit zweitens auch weiterhin der Gunst der Königin als würdig erwiesen, wenn sie eines Tages selbst mit einer Bitte an sie herantreten sollten413 . Daher entsprach eine wohl formulierte Bitte der Königin letztlich nur einem verschlüsselten Befehl, den es auszuführen galt. Da die Königin den Gefallen, um den sie bat, stets mit dem Hinweis auf ihr anhaltendes Wohlwollen verknüpfte, vermochte sich der Klient dem Wunsch umso schwerer zu entziehen. Wenn er nämlich ihrer Bitte nachkam, sicherte er sich damit fürs Erste ihre Gunst. Der folgende Brief von Anna von Österreich an den Pariser Gerichtspräsidenten Mathieu Molé mag dies noch einmal veranschaulichen: Monsieur Mole, mon cousin le duc d’Uzes, mon chevalier d’honneur, m’ayant fait entendre qu’il a un proces au Parlement, au rapport du sieur Bouguier, je vous fais celle-ci en sa faveur, pour vous recommander ses interets en justice, me promettant que vous la lui rendrez si bonne et si prompte, qu’il aura sujet de se louer de mon entremise. Ce pendant, vous devez vous assurer que la protection que vous lui accorderez, en cette occasion, accreditera toujours de plus en plus la bonne volonte que j’ai pour vous et les votres, etc.414

Indem Molé ihrem Gesuch nachkam, war Anna von Österreich nicht nur imstande, die treuen Dienste ihres chevalier d’honneur zu belohnen, sondern sie blieb in dessen Augen auch weiterhin eine verlässliche Gönnerin bzw. Mittlerin, da sie einmal mehr ihren großen Einfluss geltend machte. Für Molé lag die Bedeutung, diesem Gesuch nachzukommen, wiederum darin, sich der anhaltenden Gunst der Königin zu versichern, die sich nach eigenem Bekunden im Bedarfsfall sowohl für ihn als auch für seine Angehörigen einsetzen würde. 412 413 414

M, Portrait de la reine, S. 327. Siehe H, The Language of Fidelity, S. 11. Vgl. A, Freundschaft und Patronage, S. 275f.; K, Politische Freundschaft, S. 154–158, 215. M, Mémoires, Bd. 4, S. 51f., Brief v. Anna von Österreich an Molé (25.05.1649).

394

4. Freundschaft und Zuneigung

Natürlich war eine solche Versicherung der Königin keine Garantie, sodass der Nachteil für den Klienten immer in der Ungewissheit bestand, ob und wann sie sich ihrerseits erkenntlich zeigen würde. Da Anna von Österreich aber bemüht war, die Leistung eines Klienten mit einer Gegenleistung zu belohnen, weil sie sonst womöglich Gefahr gelaufen wäre, als Patronin an Attraktivität einzubüßen, war das Risiko für die Klienten einigermaßen kalkulierbar und wurde grundsätzlich auch in Kauf genommen, zumal die Weigerung, ihr einen Gefallen zu tun, ein weitaus langfristigeres und damit größeres Risiko in sich barg: die Ungnade. Auch darum nahm die Freundschaftsrhetorik einen so wichtigen Platz innerhalb eines Patronageverhältnisses ein, denn sie half, das Vorbringen eines Gesuchs und das In-Aussicht-Stellen von Gunst noch lukrativer erscheinen zu lassen. Zudem erleichterte diese Rhetorik den Umgang miteinander und die Aufrechterhaltung von Beziehungsgeflechten, indem die Königin gegenüber gleichrangigen sowie gegenüber nicht-gleichrangigen Personen auf ein Vokabular zurückgriff, »das ein verwandtschaftliches Verhältnis andeutete, weil es entweder tatsächlich bestand oder lediglich imaginiert wurde, um eine besondere Vertrautheit oder Nähe zum Ausdruck zu bringen«415 . Aber auch der Freundschaftsbegriff selbst war wichtig. Das betraf zunächst einmal den Umgang mit gleichrangigen Personen, also symmetrische Nahbeziehungen, denn die Grenzen zwischen Familie und Freundschaft waren mitunter recht fließend. Schließlich wurde von Familienmitgliedern ebenso wie von Freunden gegenseitige Hilfe und Unterstützung erwartet, wenn jemand über die nötigen Macht-, Einfluss- oder Kontaktmöglichkeiten verfügte. Das war nämlich eine der zentralen Anforderungen innerhalb dieser Beziehungsgeflechte. Aus diesem Grund lässt sich auch das Verhältnis zwischen Anna von Österreich und anderen Fürsten als Freundschaft beschreiben. Und zwar nicht nur, weil es sich um Personen desselben sozialen Ranges handelte, sondern vor allem, weil das Verhältnis stets die Verpflichtung zu gegenseitiger Hilfe implizierte, und das sowohl untereinander als auch für die Klienten des jeweils anderen, womit sich die fürstlichen Freundschaften, die die Königin pflegte, gleichsam in ihr Patronagesystem einbetten ließen. Das schloss auch den Faktor der Zuneigung ein, der ohne Zweifel förderlich sein konnte, aber keine zwingende Voraussetzung darstellte, nicht zuletzt bei dynastischen und zwischenstaatlichen Freundschaften. Dort standen primär politische Erwägungen im Vordergrund, die eine persönliche Bekanntschaft nicht unbedingt erforderten bzw. war diese aufgrund der räumlichen Distanz oft auch gar nicht möglich. Darüber hinaus spielte der Freundschaftsbegriff in Schreiben an rangniedere Personen, also in asymmetrischen Beziehungen, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Somit ist es opportun, die Freundschaften der Königin als 415

M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 34. Siehe K, Politische Freundschaft, S. 201–203.

4.4 Resümee: Kann eine Königin Freundin sein?

395

Bestandteil von Patron-Klient-Verhältnissen anzusehen. Die Freundschaftsrhetorik diente dazu, eine stärkere Bindung an den Patron, also die Königin, herzustellen und bei den Klienten den Eindruck zu verstärken, in der Gunst der Patronin zu stehen und bei Bedarf auf ihre Macht zurückgreifen zu können. Vor allem die Anrede- und Schlusszeilen der Briefe trugen dem Rechnung, indem die dabei benutzten Formulierungen ein gewisses Maß an Nähe – gerade gegenüber Personen, die die Königin kaum oder gar nicht kannte – suggerierten und so einen Vertrauensvorschuss leisteten, der das gute und enge Verhältnis zur Monarchin unterstreichen sollte416 . Eine besondere Stellung nahmen Freundschaften zu Amtsträgerinnen im königlichen Haushalt ein. Diese Nahbeziehungen waren zwar vor allem seitens der Königin von einer besonders affektiven Note gekennzeichnet, die meist auf gemeinsamen Interessen, beispielsweise der Wohltätigkeitsarbeit, und gleichen Ansichten, etwa in Bezug auf religiöse Belange, beruhten, aber auch sie waren letztlich nur Teil der herkömmlichen Patron-Klient-Verhältnisse der Königin, die selbst in solchen Fällen keine Ebenbürtigkeit zuließen. Diese Auffassung von fürstlicher Freundschaft, ausgehend vom Selbstverständnis, das Anna von Österreich von sich als Königin hatte, ermöglichte jedoch in einigen Fällen durchaus emotionale Nähe und die Bekundung von Zuneigung: »Cette grande Reine n’a pas les mêmes sentimen[t]s sur l’amitié: elle aime peu de personnes, mais celles à qui elle donne quelque part en l’honneur de ses bonnes grâces se peuvent vanter d’être fort aimées«417 . Das war zugleich ein entscheidender Unterschied zu jener Auffassung, die später unter der Herrschaft Ludwigs XIV. propagiert wurde. Dessen Selbstverständnis als König ließ nämlich nur eine sehr distanzierte und äußerst respektgeprägte Form der Freundschaft zu418 . Was die Königin betrifft, so pflegte sie mit gleichrangigen Personen und Vertretern des Hochadels durchaus symmetrische Freundschaftsbeziehungen, bei denen der Verweis auf ein echtes (oder imaginiertes) Verwandtschaftsver416

417 418

Z, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 26, Sp. 1401, (Art.) »Patron«: »Auf Seiten des Willens muß ein vernünftiger Affect der Liebe hinzukommen, daß man es mit dem Clienten und seinem Interesse zwar ehrlich meyne, der Pflicht aber, die man gegen andere auf sich hat, dadurch nicht zu nahe trete«. Siehe auch H, The Language of Fidelity, S. 9f. M, Portrait de la reine, S. 325. Madeleine de S, Conversations morales, 2 Bde., Paris 1686: Histoire et Conversation d’Amitié, Bd. 2, S. 871–1026, hier S. 1024f.: »Enfin on l’aimera interieurement avec une familiarité cachée, qui en n’ozant se montrer au dehors redoublera la sensibilité de cette tendre & respectueuse amitié; de sorte qu’en considerant le Roy de toutes les façons dont il peut estre consideré, on l’aimera tout à tour, comme je l’ay déjà dit, de toutes les manieres dont on le doit aimer, en Heros, en Roy, en Pere de son Peuple, en Amy, mais d’une amitié accompagnée de zele, d’admiration, & d’une tendresse respectueuse, qui la confondra de telle sorte avec tous les autres sentimen[t]s que ses grandes qualitez inspirent, qu’on ne la connoîtra pas pour amitié, & qu’on la sentira comme une sage & juste passion«. Vgl. M, »Le héros de toutes les saisons«, S. 671f.

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4. Freundschaft und Zuneigung

hältnis nicht nur half, den Freundschaftsaspekt herauszustellen, sondern auch der Verpflichtung zu gegenseitiger Unterstützung mehr Gewicht verlieh419 . Gegenüber Personen, die der Königin aufgrund der sozialen Hierarchie untergeordnet waren, stellte sich wiederum eine asymmetrische Freundschaftsbeziehung ein, wobei die Nutzung von Freundschaftsvokabeln unterstreichen sollte, dass die eigentlich formelle Beziehung zwischen Herrscherin-Patronin und Untertan-Klient zusätzlich von Wertschätzung und Vertrauen geprägt war420 . Auch bei Personen, die die Königin häufiger oder sogar regelmäßig traf, kam eine entsprechende Freundschaftsrhetorik im Gespräch zum Einsatz. Zusätzlich konnte sie ihre besondere Wertschätzung neben aller Rhetorik durch weitere Ausdrucksformen, etwa Gesten und Gaben, demonstrieren, indem sie etwa Geschenke darbrachte oder der jeweiligen Person gestattete, zum Beispiel ihre Hand zu nehmen oder ihre Schleppe zu tragen. Das heißt, sowohl beim Kontakt in Form einer Begegnung als auch im Briefverkehr dienten Mimik und Gesten bzw. die Wortwahl als Anzeiger dafür, ob es sich eher um ein reines oder um ein durch freundschaftliche Implikationen vertieftes Patron-Klient-Verhältnis handelte421 . Folglich war die zeitgenössische Zurschaustellung von Zuneigung durchaus ambivalent. So suggerieren die erhaltenen Briefe (und zwar nicht nur die von Anna von Österreich) allen Konventionalisierungen zum Trotz eine elaborierte, fast schon ans Übertriebene grenzende Sprache. Zum Teil schlug sich das ganz offensichtlich auch im alltäglichen Umgang nieder, wie ein italienischer Reisender spöttisch feststellte: Les cérémonies, entre amis, sont si excessives et la politesse poussée à un tel degré, que, pour arriver à bien faire une révérence, il faut aller à une école de danse et apprendre les entrechats, car on doit esquisser un pas de ballet avant de se donner le bonjour422 .

Gleichwohl gestaltete sich das Verhalten bei einer persönlichen Begegnung mit der Königin etwas differenzierter. Wenn es um das Auftreten in der Öffentlichkeit ging, wurde gerade von einer Königin einerseits eine gewisse Zurschaustellung von Gefühlen verlangt: Das betraf etwa den Umgang mit ihren Söhnen, aber auch das Wiedersehen von Freunden und Verwandten, wie im Fall von Mme de Hautefort, die 1643 an den Hof zurückkehrte und von der Königin ebenso herzlich begrüßt wurde wie die englische Königin bei ihrer Ankunft in Frankreich 1644 oder ihr Bruder Philipp IV. bei ihrem Wieder419 420

421 422

M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 40. Siehe auch K, Politische Freundschaft, S. 89. M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 41. Daran hatte sich seit dem Mittelalter ganz offensichtlich nicht viel geändert. Siehe Micol L, Autografia ed epistolografia tra XI e XIII secolo. Per un’analisi delle testimonianze sulla ‘scrittura di propria mano, Mailand 2014. F, Politique, théâtre et sentiment, S. 316. [A], Impressions d’un Italien à Paris sous le ministère de Mazarin, hg. v. Emmanuel R, Paris 1892, S. 5.

4.4 Resümee: Kann eine Königin Freundin sein?

397

sehen 1660 anlässlich der Hochzeit des Königs423 . Das betraf aber ebenfalls die Trauerbezeugung angesichts der Nachricht vom Tode ihres Gemahls 1643 oder ihres Bruders 1665. Andererseits wurde ein maßvolles, zurückhaltendes und nicht übertrieben affektiertes Verhalten erwartet, kurzum: ein gleichmütiges Gebaren: »[L]a vertu, & la grace ont si fort changé ses humeurs, qu’elle n’en a plus. L’on ne sçauroit connoistre si quelque chose luy déplaist; dans les plus grands déplaisirs elle n’en fait rien paroistre: & il semble qu’elle soit incapable d’aucune passion«424 . Wie sehr auch dies einer fürstlichen Konvention entsprach, mag ein Kommentar aus der »Muse de la cour« im Hinblick auf die Trauer und Tränen des Königs beim Tod seiner Mutter belegen425 : Sans croire faire honte a [sic] son bandeau Royal Son cœur écoute la Nature, Et dans ce cœur tout martial Il trouva des soûpirs pour sa triste avanture426 .

Begegnungen, Gespräche und Briefe und die dabei zum Einsatz gekommenen Verhaltensweisen sowie die verwendete Wortwahl waren also ein entscheidender Indikator für die unterschiedlichen Abstufungen in den Nahbeziehungen der Königin, wobei der Faktor der Zuneigung primär dann Geltung gewann, »wenn es darum ging, die Art der Beziehung zur Königin

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Siehe Kap. 4.1, S. 341, Anm. 74 (Philipp IV.); S. 344 (Henrietta Maria). M, Divers portraits: Portrait de la Reyne, par Madame la Comtesse de Brienne la mere, S. 227. Vgl. D., Recveil des portraits: Portrait de la Reyne par Madame la contesse de Bregy, S. 38. Im Gegensatz dazu enthüllen der intime Blick eines Beobachters sowie Ludwigs XIV. eigene Aussage einen rhetorisch und emotional ungeschönten Blick. Siehe C, Lettres, S. 245f., Brief v. Duc d’Enghien an Luisa Maria Gonzaga (21.01.1666): »[Q]uoiqu’il [= der König] fit tout ce qu’il pût au monde pour retenir ses larmes, il ne put s’empêcher de pleurer furieusement«; L XIV., Œuvres, Bd. 5, S. 361, Brief v. Ludwig XIV. an den Marquis de La Vallière (11.02.1666): »[C]e que j’ai souffert en perdant la reine, madame ma mère, surpasse tous les efforts de votre imagination; et pour vous répondre en un mot, sachez que la seule main qui m’a porté un si rude coup, est capable de l’adoucir«. Vgl. dazu Helga M, Gefühl und Repräsentation in höfischen Selbstinszenierungen des 17. Jahrhunderts, in: Claudia B, Anne F, Ingrid K (Hg.), Emotionalität. Zur Geschichte der Gefühle, Köln, Weimar, Wien 2000, S. 119–140. Muse de la cour, 25. Januar 1666, XI. Semaine, V. 71–74. Ähnlich fiel später ein Kommentar im »Mercure galant« anlässlich der Reaktion Ludwigs XIV. auf den Tod von Maria Theresia aus. Siehe Mercure galant, August 1683, S. 36–38: »À peine la Reyne eut-elle expiré, que ce Prince s’abandonna aux grands mouvemen[t]s de douleur, qui sont toûjours permis, de quelque caractere, & de quelque rang qu’on soit, pourveu qu’apres les premiers transports on rentre en soy-mesme, & qu’on recon[n]oisse que l’Homme n’estant né que pour mourir, ne doit point se plaindre d’un malheur qui luy est commun avec tout ce qui respire sur la Terre. C’est ce que le Roy a fait. À la premiere atteinte du coup, il a donné toutes les marques possibles de l’affliction la plus violente, & rappelant sa raison, sans cesser d’estre toûjours également affligé, il a fait paroistre une douleur sage, qui n’a pas fait voir moins de distinction entre luy & le commun des Hommes, qu’il y en a entre ce Monarque, & les autres Souverains«.

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4. Freundschaft und Zuneigung

und damit den Grad der Gunst zu definieren«427 . Die Freundschaften der Königin unterlagen nämlich nicht nur einer Differenzierung von symmetrischen und asymmetrischen Aspekten, sondern auch dem Konzept von politischem und natürlichem Körper. Schon im 16. Jahrhundert haben etwa Claude de Seyssel in seinem Werk »La grant monarchie de France« (1519)428 oder Guillaume Budé in seiner Abhandlung »Le livre de l’institvtion dv Prince« (1547)429 – wenngleich in idealtypischer Weise – erörtert, dass zwischen den Freunden des politischen und Freunden des natürlichen Körpers eines Fürsten zu differenzieren sei. Gemeint ist damit primär die Unterscheidung zwischen Personen, mit denen der Fürst in Ausübung seiner politischen Machtstellung zu tun hat, und jenen, mit denen er – im weitesten Sinne – im privaten Bereich gleiche Vorlieben teilt, zum Beispiel bei höfischen Vergnügungen. Eine ähnliche Herangehensweise ergibt sich somit auch für eine Königin430 . Während Anna von Österreich in ihrer politischen Funktion als Königin und Regentin Personen als Freunde bezeichnete, geschah das vor allem dazu, um Vertreter des Adels, des Klerus, des Militärs, Staatsdiener oder verbündete Monarchen enger an sich zu binden, unabhängig von jedweder Zuneigung und davon, ob sie sie überhaupt kannte. Im Gegensatz dazu bezeichnete sie in ihrer natürlichen Stellung als Frau, Witwe, Mutter und Christin Personen als Freunde, für die sie durchaus Zuneigung – oft aufgrund persönlicher Bekanntschaft und gemeinsamer Interessen – empfinden konn-

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M, Gönnerin oder Freundin?, Absatz 42. Claude de S, La grant monarchie de France, Paris 1519, Teil 2, fol. 22v: »Et en monstrant le prince auoir confiance de ceulx qui maine[n]t ses principaulx affaires ne les asseurer pas tant qu[’]ilz ne soye[n]t tousiours en crainte d[’]estre descouuers & puniz s[’]ilz fo[n]t faulte quelque degre ne auctorite q[u’i]lz ayent: & sur tout ne se doibt par tropt adonner & arrester a [sic] vng hom[m]e seul. Je ne diz pas pourta[n]t qu[’]il [= der Fürst] ne puisse auoir quelcun a luy familier & priue sur tous aultres auec leq[ue]l il deuise priueme[n]t de ses menuz & domestiques affaires & secretz qui ne concerne[n]t point l[’]estat comme auec soy mesmes«. Guillaume B, Le livre de l’institvtion dv Prince, Paris 1547, fol. 107v: »Alexandre [le Grand] auoit deux grands & especiaulx mignar[d]s [. . . ] lesquelz il aimoit merueilleusement, & a [sic] bonne cause [. . . ] & aucunefois il rendoit la raison de ceste difference d’amour, & traicteme[n]t entre ceulx de quoy il estoit familier, en disant ces deux motz, Cratere est philobasile: mais Hephestio[n] est philalexandre [. . . ] que Cratere porte gra[n]d amour au Roy, & Hephestion a Alexandre. en [sic] voulant par ces deux vocables denoter la difference des deux amys & seruiteurs, & auec ce donner a ente[n]dre, que c’est possession inestimable a vn grand prince, que d’auoir vn bon amy, & feable seruiteur, qui aime la personne de son maistre, plus que la puissance, ne [= ni] la richesse de luy, ne [= ni] les biens qu’il en peult auoir: tout ainsi com[m]e vn amy aime visceralement son pareil«. Siehe ibid., fol. 108r–109v. Vgl. K, Politische Freundschaft, S. 135, 142, 304–310. Zum politischen und natürlichen Körper der Königin siehe Kap. 2.2.1, S. 84–86.

4.4 Resümee: Kann eine Königin Freundin sein?

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te, wie Familienangehörige, aber eben auch Amtsträger in ihrem Haushalt oder Repräsentanten der Kirche und von Ordensgemeinschaften431 . Dennoch ist es wichtig, sich hierbei zu vergegenwärtigen, dass die Faktoren der Gunst und der Zuneigung letztlich nur von sekundärer Bedeutung waren, weil sie zwar Bestandteil einer freundschaftlichen Beziehung der Königin sein konnten, aber keineswegs eine Voraussetzung dafür darstellten. Der Freundschaftsdiskurs war dabei vor allem Mittel zum Zweck und diente als Vehikel, um die Erfolgsaussichten insbesondere bei der Bildung und Aufrechterhaltung bzw. Pflege von Klientelbeziehungen zu erhöhen. Als weitaus entscheidender erwiesen sich hingegen die Pflicht und die Verpflichtung zu gegenseitiger Hilfe und Unterstützung, die auch und gerade in symmetrischen und asymmetrischen sowie in zwischen politischem und natürlichem Körper zu unterscheidenden Beziehungsgeflechten eine zentrale Rolle spielten. Pflicht und Verpflichtung bildeten deshalb gegenüber Verwandten und anderen Fürsten, gegenüber Schwert- und Amtsadel, gegenüber Staatsdienern und Amtsträgern in den königlichen Haushalten sowie gegenüber Geistlichen gleichermaßen ein konstitutives Element der Patronage- und Freundschaftsbeziehungen. Und da, wie eindeutig nachgewiesen wurde, Freundschaft ebenso wie Patronage, als deren besondere Ausformung sie in den Beziehungsgeflechten der Königin auftreten konnte, generell von Nützlichkeitserwägungen geprägt war, ist für Anna von Österreich und gemäß der zeitgenössischen Auffassung zu konstatieren, dass sie auch als Königin Freundin sein konnte – ohne jedoch dabei jemals den Status der Patronin abzulegen432 .

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Siehe L R, La faveur du Roi, S. 31–33. Nicht ohne Grund spricht Le Moyne in diesem Kontext auch von den »suiets de son [= des Fürsten] Amitié«, zit. n. L M, De l’art de régner, Teil 2, S. 173. Vgl. auch K, Politische Freundschaft, S. 124f., 193, 325–330, dem zufolge die Freundschaftsterminologie den Rangunterschied nicht verbirgt, sondern nur codiert (ibid., S. 193); R, Freunde und Kreaturen. »Verflechtung«, S. 37–40.

5. Schlussbetrachtung Le Phénix Volatil’ immortel Pere & Fils de moy méme Bruslé d’vn feu supreme Ie sens avec plaisir la gloire de mon sort L’Element qui me tuë est celuy qui m’engendre Ie me succede apres ma mort Et suis sans contredit l’heritier de ma Cendre1 .

Als Anna von Österreich 1666 starb, stellte Ludwig XIV. anerkennend fest, dass sie nicht nur eine große Königin gewesen sei, sondern es verdient habe, mit den größten Königen Frankreichs gleichgesetzt zu werden2 . Damit würdigte er noch einmal ihre Verdienste, insbesondere während der Regentschaft, als sie unablässig für die Krone und sein Erbe gekämpft hatte3 . Diese Hochachtung und Wertschätzung für die Leistungen der Monarchin waren auch über Frankreichs Grenzen hinaus weit verbreitet, wie beispielsweise ihr Nachruf in der »Oxford Gazette« belegt: Our Letters from Paris of the 10th [sic], brings us the News of the Death of the Queen Mother of France, Anne of Austria, Sister to the late Philip the Fourth of Spain; who after great and languishing pains from a Cancer in her Breast, dyed there that Morning, to the infinite regret of that whole Kingdom, who owes so much to the wise and Prudent Conduct of that Excellent Princess, for many and troublesome Years, in which she governed Affairs there, during the Minority of her Son the present King4 .

Diese Sicht entsprach aber nicht nur der subjektiven Wahrnehmung vieler Zeitgenossen. Auch in der wissenschaftlichen Betrachtung wurde und wird ihr Wirken zunehmend gewürdigt. In diesem Zusammenhang hat Alfred de Bonneau-Avenant Anna von Österreich gar mit Heinrich IV. verglichen, weil auch sie den Interessen Frankreichs vor allem anderen den Vorrang einräumte5 . Ebenso kommt Guy Chaussinand-Nogaret zu folgendem Schluss: 1 2

3

4 5

C, Devises, S. 304. M, Mémoires, Bd. 5, S. 488. Siehe dazu auch G, Le Cérémonial françois, Bd. 2, S. 209; M, Relazione di Francia, S. 484. Vgl. A, Anne of Austria, S. 288f. L XIV., Mémoires, S. 50: »Moi qui savois mieux que personne que la vigueur avec laquelle cette princesse avoit soutenu ma dignité quand je ne pouvois pas la défendre moimême, étoit le plus important et le plus utile service qui me pût jamais être rendu«. Vgl. dazu L B, Oraison, S. 23f.; O, Oraison, S. 75. Oxford Gazette, 15.–18. Januar 1665 [Hervorh. im Orig.]. (Die Datumsangaben sind offenkundig fehlerhaft.) B-A, La duchesse d’Aiguillon, S. 338f.: »À l’exemple d’Henri IV, changeant de religion après la ligue, Anne d’Autriche avait changé de politique en devenant régente. Avec une intelligence et une fermeté rares, elle abandonnait ses projets et ses amis, pour prendre ceux de Richelieu, que lui présentait Mazarin. Et ce sera la gloire de cette

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5. Schlussbetrachtung

[L]es régences entraînent souvent de grands désordres, les ambitieux profitent des circonstances et coûtent cher car il faut acheter leur fidélité et payer leur ralliement. Mais les régentes, mêmes les plus médiocres comme Marie de Médicis, maintiennent le royaume et l’autorité du roi et assurent la continuité de l’État. [. . . ] Certaines [régentes], Catherine [de Médicis] ou Anne d’Autriche, ont déployé une énergie exceptionnelle, ont manifesté des qualités comparables à celles des rois les plus remarquables, et l’on peut sans excès parler de grandes régences comme on parle de grands règnes, nonobstant l’immensité des obstacles qui s’opposaient à leur réussite6 .

Diese Einschätzungen sind durchaus berechtigt, hat die Königin doch zwischen 1643 und 1666 viel für das Wohl des Reiches getan: Elle a regné en mere des Peuples & des Roys, Fait la Guerre auec gloire & la Paix auec peine, Elle a gardé elle-mesme & fait garder les Loix, Voila le vray Portraict de nostre illustre Reyne7 .

Folglich war auch das Bewusstsein um die Tragweite ihres Todes allseits sehr ausgeprägt, denn sie war »le nœud de la famille Royale, les delices de la Cour, le trésor public de ses sujets, la joye des gens de bien, la terreur des méchan[t]s, l’azile des pauvres, l’appuy de l’Eglise, le refuge de la Religion, & le centre d’vnion de tous les Princes Chrestiens«8 . Was lässt sich diesbezüglich nun also über die verschiedenen Ebenen ihrer Patronagepolitik, die den Untersuchungsgegenstand dieser Studie gebildet haben, aussagen, und welche Rückschlüsse erlaubt dies für das historische Gesamtbild der Königin?

5.1 Herrschaft und Repräsentation Das Jahr 1643 stellte ohne Zweifel eine Zäsur im Leben von Anna von Österreich dar, nicht nur, weil sie die Regentschaft übernahm, sondern weil sie erstmals in der Lage war, eine umfassende und eigenständige Patronagepolitik zu betreiben9 . Bei der Inszenierung ihrer Person als Mutter, Witwe und Regentin folgte sie einer ausgeklügelten Strategie, die als Patronage in eigener Sache beschrieben werden kann, weil sie alle zur Verfügung stehenden Register von der Kunst bis zur Architektur wirkungsmächtig instrumentalisierte. Gemäß dem Bild einer frommen und tugendhaften Königin, die sich

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reine, devant la postérité, d’avoir reconnu que l’intérêt de la France exigeait qu’elle lui sacrifiât ses amitiés et ses ressentiments«. C-N, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 121f. Siehe auch G, De l’influence des femmes, S. 52. B  R, Les larmes pvbliqves, s.p. V, Eloge fvnebre, S. 2. H, (Art.) »Anna (»Anne d’Autriche«)«, S. 58, spricht nicht zu Unrecht von einer »Befreiung«, die sich durch den Tod Ludwigs XIII. für Anna von Österreich ergab.

5.1 Herrschaft und Repräsentation

403

ganz dem göttlichen Willen unterordnete, schloss Anna von Österreich nun ihre Metamorphose zum Prototyp einer »femme forte« ab, indem sie einerseits, wenn es darauf ankam, machtbewusst agierte und strikt den bisherigen politischen Kurs verfolgte, wenn es darum ging, den Adel in seiner Macht zu beschränken, den Protestantismus und den Jansenismus zu bekämpfen und die Macht der Habsburger durch einen Ausbau der französischen Hegemonie einzudämmen10 . Andererseits bemühte sie sich aber auch, nicht als kampfeslustige Amazone wahrgenommen zu werden. Stattdessen förderte sie das Bild einer Königin, die weniger auf Zepter und Schwert als Herrschaftssymbole zurückgriff, sondern vielmehr auf Schleier und Rosenkranz und sich dabei auf die Macht des Gebets stützte11 . Für die Königin bestand kein Zweifel daran, dass ihre moralische Stärke, ihre Tugend und ihre Frömmigkeit einen entscheidenden Anteil an ihren Erfolgen als Regentin hatten; ein gottesfürchtiges und an den christlichen Werten ausgerichtetes Dasein ließ sie zugleich, unabhängig vom Geschlecht, als ein ewiges Vorbild für andere – männliche wie weibliche – Monarchen und die Menschen schlechthin erscheinen12 . Dass dies auch von vielen so wahrgenommen wurde, belegt den Propagandaerfolg der Königin, die ihren sehr wohl vorhandenen Machtanspruch durchaus gekonnt zu verbergen wusste: Je n’ai de ma vie connu une Personne moins avide de Gloire ni d’Applaudissement. Elle ne faisoit nulle parade de ses belles qualitez, elle parloit rarement d’elle-même & de ses sentimen[t]s; & il falloit les tirer de son cœur & de son ame, par la force des actions qui l’obligeoient quelquefois de parler. Son humiliation a été cause que la beauté de son Esprit & la bonté de son Jugement n’ont pas eu tout l’éclat & toute l’estime qu’elle auroit pû en recevoir du Public13 .

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Siehe auch Christian B, Louis XIII. La montée de l’absolutisme, Paris 2006, S. 69. BNF, Mss., Mélanges Colbert 37, P, Ode sur la Paix, fol. 218r: »Nous devons à tes prieres / Ces trois faveurs singulieres / Le Roy, la Reyne et la Paix«; R, Lettre en vers à Madame, 24. Januar 1666, Sp. 647, V. 232–234: »Anne, qui, pour tout dire enfin, / Nous rendoit tant de bons Offices / Par ses Oraisons si propices«. Vgl. B, Œuvres oratoires: Carême de Saint-Germain, Bd. 5, S. 24: »Enfin, toutes les autres rares et incomparables qualités de la grande Anne d’Autriche ne seront plus qu’un exemple et un ornement de l’histoire!«; F, La Reyne tres-chrestienne, S. 41: »Anne d’Avstriche n’est pas morte: car ceux, qui ont vescu comme elle, ne meurent iamais [. . . ]. Mais consolons nous sur le trespas de cette grande Reyne, & ne pensons iamais à sa mort, que pour imiter sa vie« [Hervorh. im Orig.]; S, Oraison, S. 3: »Les Vertus perdent, en perdant la Reyne, leur plus fort appuy, leur plus agreable séjour, & leur plus douce consolation. [. . . ] La Reyne auoit fait regner les Vertus: Les Vertus auoient fait regner la Reyne«. M, Mémoires, Bd. 5, S. 490. Siehe auch ibid., S. 404: »L’Archevêque lui dit qu’elle alloit de quitter une Couronne corruptible, pour en posseder une éternelle; mais, que pour obtenir cette derniere de la Miséricorde de Dieu, il falloit lui offrir de bon cœur celle qu’elle avoit possedé sur la Terre. Elle lui répondit, Helas! ce Sacrifice est peu de chose. J’estime ma Couronne comme de bouë« [Hervorh. im Orig.].

404

5. Schlussbetrachtung

Anna von Österreich war gewiss kein politisches Genie, aber ebenso wenig war sie eine einfältige Frömmlerin. Sie hatte zwar zu Lebzeiten Ludwigs XIII. nur wenige Male während seiner Abwesenheit an Ratssitzungen teilgenommen, nahm dafür aber umso klarer wahr, was um sie herum geschah, und lernte dazu14 . Wie die Betrachtungen in den Kapiteln 2.1 bis 2.3 deutlich zeigen, kann damit die Mär von Anna von Österreich als politisch unbedarfter oder gar inkompetenter Monarchin auch als Mär entlarvt und zurückgewiesen werden15 . Sie offenbart sich stattdessen als eine vorausschauende und politisch versiert agierende Regentin, die »sich allmählich zu einer staatsmännischen Herrscherin« entwickelte und »ausschließlich im Sinne der Interessen Frankreichs« regierte16 . Das kam bereits bei der Wahl Mazarins zum Ersten Minister und in der Fortführung der bisherigen Politik zum Ausdruck, denn sie verfügte über genug Sachverstand, eigene Unzulänglichkeiten zu erkennen und durch die Berufung kompetenter und erfahrener Staatsdiener einen Ausgleich zu schaffen. Ihre tatsächliche Machtfülle ebenso wie ihr Macht- und Selbstbewusstsein vermochte sie dabei oft geschickt hinter der Fassade der trauernden Witwe, sorgenden Mutter und gütigen Königin zu verbergen, womit sie ganz der zeitgenössischen Erwartungshaltung gerecht wurde17 . Immerhin war sie sich sehr wohl bewusst, dass ihr Verhalten und ihre Taten beobachtet wurden und somit für die positive Wahrnehmung ihrer Person in der Öffentlichkeit von entscheidender Bedeutung waren18 . Der beste Beweis dafür ist sicherlich die von ihr gesteuerte Herrschaftsikonographie. Zum einen blieb sie im Rahmen der herkömmlichen Propaganda und hat keine wesentlichen Umbrüche im ikonographischen Programm eingeleitet. Wie bei ihren Vorgängerinnen war das Ganze Mittel zum Zweck. Das betraf zunächst die grundsätzliche monarchische Repräsentation. Wie bei der Ausgestaltung der Räume ging es zunächst einmal um konkrete politische Anspielungen, die ihrem Status als Regentin Rechnung trugen und damit die ungefähre Gleichrangigkeit zwischen einem König und einer Königin, die, wenn auch nur vorübergehend, aktiv Macht ausübte, aufzeigten19 . Das geschah eben nicht nur aus reiner Selbstdarstellung heraus, indem die eigenen 14 15

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L-P, Y, Sur la fortune de Mazarin, S. 508; M, Pour l’amour de l’enfant roi, S. 258; R, Französische Geschichte, Bd. 2, S. 111f. Vgl. R, Profils de Reines, S. 95: »Dans l’ensemble, Anne d’Autriche nous apparaît comme une personne sans méchanceté, hautaine par éducation et position sociale, accueillante par tempérament, très moyenne d’intelligence et ne manquant pas de bon sens«. H, (Art.) »Anna (»Anne d’Autriche«)«, S. 58. Siehe auch ibid., S. 59. Vgl. L C, Dictionnaire, Bd. 1, S. 175, (Art.) »Anne-Maurice d’Autriche«: »La plus grande vertu de cette Princesse fut la bonté & le pardon des injures qui n’attaquoient que sa personne«; M, Mémoires, Bd. 1, S. 221: »[E]lle avoit du bons sens, & beaucoup de raison«. Vgl. S, Politik beobachten, S. 590, 614f. Siehe Birgit F, Bilder in Frauenräumen und Bilder von Frauenräumen: Imaginatio-

5.1 Herrschaft und Repräsentation

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– echten und vermeintlichen – Erfolge einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurden, sondern das Ganze erfüllte stets eine dynastische Funktion, indem die Legitimation der Regentschaft unterstrichen werden sollte20 . Das erklärt die wiederholte Einbindung des verstorbenen Königs in das Inszenierungsprogramm. Die Regentschaft wurde sowohl mit überkommenen Traditionen als auch mit dem letzten Willen Ludwigs XIII. gerechtfertigt, was zugleich den Anstieg pro-weiblicher Schriften erklärt, in denen die von Gott gegebenen Fähigkeiten und Tugenden der Frauen herausgestellt wurden, womit weibliche Herrschaft als legitim und sinnvoll erschien21 . Zum anderen betraf das Darstellungen der Königin. Es galt, anhand berühmter Vorbilder, vor allem mittels allegorischer, biblischer und mythologischer Personifikationen, ihre Tugenden als Herrscherin und Frau zu exemplifizieren22 . Aber im Gegensatz etwa zu Maria von Medici verzichtete Anna von Österreich auf eine allzu militärisch konnotierte Bildersprache, die teilweise auf die politisch-militärische Inszenierung männlicher Bildprogramme wie Reiterbildnisse zurückgriff. Auch hier zeigten sich die unterschiedliche Interpretation und das andere Verständnis (bei der Repräsentation) von Macht und Regentschaft beider Königinnen. Vielmehr ging Anna von Österreich einen zurückhaltenderen Weg. Zwar ließ sie ihre Fähigkeiten und ihr Machtpotential durchaus zur Schau stellen, wie etwa bei der Darstellung der Niederwerfung von Feinden der Krone im Louvre oder der Einbeziehung tugendhafter, also starker Frauen als Symbol für ihre Herrscherfähigkeiten. Insgesamt nahm sie sich aber zurück und verzichtete auf eine offensive Inszenierung ihrer Person als besonders machtvolle Frau23 . Wenn Bettina Baumgärtel feststellt, dass Anna von Österreichs »Bildpropaganda lange nicht so effektvoll und im großen Stil«24 betrieben worden sei wie jene ihrer Schwiegermutter, wird völlig verkannt, dass Anna von Österreich dies auch gar nicht im Sinn hatte. Ihre Zielsetzung war eine andere: Durch die öffentliche Zurücknahme ihrer Person und das vermeintliche Hintanstellen all ihrer Interessen hinter denen des Königs, den sie stets in den Vordergrund rückte, erfolgte eine noch stärkere Betonung der mütterlichen

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nen und Wirklichkeit, in: H, P (Hg.), Das Frauenzimmer, S. 115– 131, hier S. 116, 122. K, Anne d’Autriche, S. 450. H, Zwischen Geschlechterordnung und politischer Ordnung, S. 151: »Die Berufung auf Gottesgnadentum und direkt von Gott verliehene Tugenden und Fähigkeiten hob die weiblichen Monarchen über die weltlichen Begründungsmuster der politischen Ordnung hinaus und beförderte damit auch die transzendentale Macht des Staates, der in der Person der Herrscherin oder Regentin verkörpert war«. Siehe W, Heldinnengalerie, S. 61, 67, 79. Vgl. ibid., S. 405f. Auch Maria von Medici hatte sich aufgrund der politischen Lage nach 1620 und wegen ihres angespannten Verhältnisses zu ihrem Sohn zu einem solchen Vorgehen entschlossen, um auf diese Weise Kritikern eine geringere Angriffsfläche zu bieten. Siehe ibid., S. 63. B, Die Tugendheldin, S. 151.

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5. Schlussbetrachtung

und frommen Aspekte der Regentin. Das traditionelle Bild, das mit einer französischen Königin verknüpft wurde, wurde nun gewissermaßen auf sie als Regentin übertragen25 . Dabei legte sie außerdem viel Wert darauf, deutlich zu bekunden, dass ihre spanische Herkunft für ihre politischen Entscheidungen unerheblich war26 . Sie präsentierte sich als Königin, die sich ganz den Interessen ihres Sohnes und damit Frankreichs verpflichtet fühlte27 . Damit grenzte sie sich erneut gezielt und offensichtlich auch mit größerem Erfolg von ihren Vorgängerinnen Katharina und Maria von Medici ab, denen ihre Machtgier noch lange nachhing, während Anna von Österreich gern Indifferenz attestiert wurde28 . Sie schien aus den Fehlern dieser beiden Regentinnen, die sich allzu oft und teilweise zuungunsten ihrer Söhne in den Vordergrund gedrängt hatten, durchaus einige Lehren gezogen zu haben29 . In Schriften, auf Medaillen, Kupferstichen und Gemälden sowie in den Gemächern der zahlreichen königlichen Residenzen wurde diese Absicht zusätzlich unterstrichen, indem sie weniger als Mäzenin denn als Patronin in eigener Sache zahlreiche Literaten, Künstler und Architekten mit der konkreten Intention förderte, ihr Renommee als vorbildliche Königin aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Gleichwohl blieb ihre medienwirksame Inszenierung keineswegs auf diese Bereiche beschränkt. Sie wurde zusätzlich durch ihre breite Unterstützung für Arme und Kranke, für Kirchen und Klöster unterfüttert. Nächstenliebe und Frömmigkeit wurden zu den ureigenen Tugenden der Königin stilisiert, die ihren krönenden Ausdruck im Bau der Klosteranlage Val-de-Grâce fanden. Damit schien sie einen einmaligen und nachhaltigen Beweis ihres Gottvertrauens und ihrer tiefen Gläubigkeit zu geben und hob sich erneut von anderen Regentinnen ab, die sich durch profane Schlossbauten und damit durch ein sehr offensives Machtstreben mehr hervorgetan hatten als durch religiösen Eifer30 . Oder, wie Leopold von Ranke es einmal formuliert hat: Sie lernte schweigen, an sich halten, mit dem Entgegengesetzten und Widerwärtigen verkehren. Für sich selbst lebte sie nach ihrem Ideal31 . An lärmenden Vergnügungen fand sie kein 25 26

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Siehe C, Perilous Performances, S. 109–112. B-R, Mémoires, Bd. 2, S. 150: »Elle fit voir dans toute la suite de sa vie, qu’elle n’étoit ni aussi si incapable de s’appliquer aux affaires, ni aussi portée pour les intérêts de la maison, dont elle étoit sortie«. Vgl. B, Oraison, S. 7: »Lors qu’vne Reyne espouse vn Souuerain, elle espouse en mesme temps son Estat, & elle n’a des Enfan[t]s que pour estre plus excellement la Mere de ses Peuples«. [A], Oraison fvnebre de la Reyne Mere, S. 12; P, Oraison, S. 40. Damit unterschied sich Anna von Österreich etwa deutlich von Maria von Medici. Siehe D  R, Mémoires, Bd. 6, S. 251; J-F, Herrinnen des Louvre, S. 233, 242f., 361. Vgl. D P, Oraison, S. 12. Dieses Ideal entsprach der Rückschau, wie sie etwa J, Oraison, S. 16, formulierte: »Vous verrés dans ses mains & sur sa teste les fleurs de Lys triomphantes: mais vous verrés dans son ame des victoires encore plus éclatantes & victorieuses; la fragilité du sexe vain-

5.1 Herrschaft und Repräsentation

407

Gefallen; mit ihren mediceischen Vorgängerinnen wetteiferte sie nicht in äußerer Pracht noch in glänzender Begünstigung der Kunst; was sie auszeichnete, war ein feines und sicheres Gefühl für das, was wohlanständig ist und sich geziemt, für gutes Betragen und edle Sitte32 .

Entsprechend wirkungsmächtig wurde die offizielle Niederlegung der Regentschaft zelebriert, obwohl Anna von Österreich natürlich weiterhin das Ruder des Staatsschiffes fest in den Händen halten sollte33 . Erst 1661 erfolgte ihr (zumindest) offizieller Rückzug von der politischen Bühne, als Ludwig XIV. nach Mazarins Tod beschloss, selbst zu regieren und als Zeichen seiner Unabhängigkeit demonstrativ seine Mutter aus dem Kronrat ausschloss. Ungeachtet des tatsächlichen oder vermeintlichen Bedauerns über diesen Schritt wahrte sie vor der Öffentlichkeit den Schein und ließ sich nichts anmerken, sodass sie erneut als ideale Königin erschien, die sich nach vollendeter Mission – dem König ein intaktes und infolge des beigelegten Krieges mit Spanien befriedetes Reich zu übergeben – zurückzog, um sich ihrem Seelenheil und dem Wohle der königlichen Familie zu widmen34 . Denn der Pyrenäenfrieden und die damit einhergehende Vermählung des Königs bedeuteten »le couronnement de ses vœux, & la glorieuse conclusion des soins que cette grande Princesse avoit pris du bon heur de ce Royaume, depuis qu’elle en avoit receu la condüitte de Loüis XIII. de Triomphante Mémoire«35 . Wenn Jacques Biroat daher von den drei Theatern des Ruhmes der Königin spricht, so beinhaltet das auch die verschiedenen Bühnen, auf denen sie vor aller Augen agierte und sich in Szene setzte: Staat, Kirche, Hof36 . Wie erfolgreich sie dabei das Bild einer frommen Fürstin zu entwerfen und zu propagieren wusste, zeigt sich aber keineswegs nur anhand der Tatsache, dass sie damit ih-

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cuë par sa fermeté & par sa constance: les vanités du monde domptées par sa modestie: les changemen[t]s du siecle surmontés par la prudence & par la sainteté de sa Politique: les délices de la Cour défaites par sa dévotion, & enfin les maladies & les infirmitez de son corps surpassées & forcement soutenuës par sa patience & par son amour«. R, Französische Geschichte, Bd. 2, S. 111f. D, J, La France du premier XVIIe siècle, S. 121. In einer Rede wurde auf ihre Verdienste während der Regentschaft hingewiesen. Siehe BSG, Mss., Ms. 2402, François B, Harangues (s.d.): Harangue [adressée à la reine], fol. 1r–57v, hier fol. 22r: »Ma[dame] tous les peuples doiuent les hom[m]ages a [sic] V[ot]re Ma[jes]té p[ou]r auoir maintenu la couronne sur la teste de n[ot]re Inuincible Monarque par son courage et par ses trauaux pendant les agita[ti]o[n]s d’vne longue minorité«. Ort, Zeit und Anlass der Rede sind nicht überliefert. Vgl. [A], Oraison fvnebre de la Reyne Mere, S. 9; M, Königinnen auf Zeit, S. 282f. Gazette de France, La magnifiqve et svperbe Entrée dv Roy et de la Reyne en la ville de Paris, 3. September 1660, S. 835. B, Oraison, S. 5: »Ces trois objects de ma veuë ont esté les trois objects de sa vertu, les trois Theatres de sa gloire. Le Thrône, l’Avtel, la Croix. Le Thrône, où elle a affermy, & augmenté la gloire de l’Estat. L’Autel, où elle a soustenu, & deffendu les interests de l’Eglise. La Croix, où elle a trauaillé à sa propre sanctification, par la participation de ses souffrances, & de ses vertus« [Hervorh. im Orig.].

408

5. Schlussbetrachtung

ren Charakter einer fähigen Machtstrategin verbarg37 . Es gelang ihr auch, ihre vor allem vor 1643 gelebte Genusssucht und die Beteiligung an verschiedenen Hofkabalen praktisch vergessen zu machen und sich als mustergültige, weil scheinbar frei von charakterlichen Defiziten vollkommene Königin zu präsentieren38 ; und das, obwohl sie auch nach der Regentschaft nachweislich ihr Faible für Luxus, höfische Festkultur und Prachtentfaltung, wenn schon nicht immer ostentativ, dann doch zumindest diskret auslebte39 . Deshalb war der Vorwurf der Bigotterie, wie ihn der Zeitgenosse Le Petit satirisch überspitzt formulierte, trotz aller Aufrichtigkeit der von Anna von Österreich gelebten und praktizierten Frömmigkeit sehr wohl berechtigt40 . Folglich ist es legitim, die Person Anna von Österreich im Rahmen ihrer Inszenierungsstrategie als »show-woman«41 zu bezeichnen, da die Verteilung von Wohltaten von dem gleichen Selbstzweck bestimmt war, der schon bei der elaborierten Ausgestaltung ihrer Gemächer eine Rolle spielte, nämlich ihren Ruf zu befördern. So sehr die Selbstinszenierung der Königin natürlich politisch motiviert war, indem sie ihren eigenen Status und ihre repräsentativ-dynastische Bedeutung deutlich herausstellte, ohne sich gleichzeitig allzu sehr in den Vordergrund zu drängen, so sehr spiegelte sich darin doch auch ihre persönliche Eitelkeit wider42 . In diesem Sinne ist die gezielte Propagierung ihrer moralischen Vollkommenheit zu sehen, die damit einem überzeitlichen Idealtypus43 nahekam, der Anderen zu einem – letztlich unerreichten – Vorbild gereichen 37

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Vgl. S, Oraison, S. 13f.: »Les Vertus font d’Anne d’Avstriche vne Reyne de France, vne Regente de France, & vne Sainte de France; & de cette maniere elles luy donnent vn triple empire: vn empire sur le cœur du plus puissant de tous les Roys, vn empire sur les cœurs de tous les François, & vn empire sur le cœur de Dieu mesme«. L B, Oraison, S. 13: »[E]lle a pratiqué dans les dernières années de sa vie de tous les saints et pieux exercices de la vie chrétienne, on le lui a vu pratiquer dès l’âge de seize ans, sans que le cours de cette vie chrétienne ait été interrompue«; V, Oraison, S. 7–20. Und so meinte auch V, Eloge fvnebre, S. 11, sie habe vor 1643 völlig zurückgezogen und unscheinbar gelebt. Siehe auch R, Mémoires, S. 68f.: »La Reine était adorée beaucoup plus par ses disgrâces que par son mérite. On ne l’avait vue que persécutée, et la souffrance aux personnes de ce rang tient lieu d’une grande vertu. [E]t Bautru disait qu’elle faisait déjà des miracles, parce que les plus dévots avaient déjà oublié ses coquetteries«. Zu den Späßen und Kapriolen der Königin in jungen Jahren vgl. T  R, Les historiettes, Bd. 1, S. 246f. Siehe Kap. 2.4. W, Louis XIV, S. 296. Vgl. Simon-Philippe Mazière de M, La vie de Pierre Mignard, Paris 1730, S. 60f.: »La reine mere ne tarda pas à ordonner à Mignard de la peindre. Elle avoit les mains parfaites, & elle ne les regardoit pas sans une secrette complaisance. Mignard imita avec la derniere precision cette belle proposition & cette déclicatesse qui les rendoit admirables. Il sçut joindre dans le Portrait de la Reine mere, la jeunesse qu’elle n’avoit plus, à la beauté qu’elle avoit encore. Les Courtisans n’eurent besoin que de sincerité pour approuver & pour loüer. Cette Princesse elle-même vit cet effet de l’art avec un plaisir que sa vertu ne put se refuser«. Siehe dazu E, Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft, S. 137: »Das tugendhaf-

5.2 Hofstaat und Hofhaltung

409

sollte44 . Wie sich gezeigt hat, traf diese Inszenierung keineswegs nur auf ihr Verhalten im Sterben zu. Vielmehr war es konstitutiv für ihr grundsätzliches Auftreten, das stets auf ihren langfristigen (Nach-)Ruhm ausgelegt war. Dafür nahm sie es in Kauf, nicht allzu aggressiv vorgehen zu können, um ihr öffentliches Bild nicht zu beschädigen45 . Das mag zwar mitunter politisch problematisch gewesen sein46 . Auf lange Sicht konnte so aber der Eindruck gewahrt bleiben, sie habe, anders als die Regentinnen vor ihr, eben nicht mit allen Mitteln ihre Machtstellung im Auge gehabt, sondern auch als Königin bzw. Regentin ihren Pflichten als Witwe, Mutter und Christin stets oberste Priorität eingeräumt47 . Diese Vorgehensweise zahlte sich aus: Aprez auoir donné contre toute esperance Vn digne Successeur à l’Empire François; Elle seule esteindra cent troubles à la fois, Faisant vn Regne heureux d’vne heureuse Regence. Puis par le nœud sacré d’vne belle alliance, Au temps mesme où son Fils par ses nobles Exploits Verra les ennemis se soûmettre à ses Loix, Elle doit procurer le repos à la France. Fatale à l’Heresie & fidelle aux Autels, Elle accroistra par tout l’honneur des immortels, Et portera son nom au dessus de l’enuie. Aprez tous ces beaux faicts par vn Arrest des Cieux, Elle y doit aller viure vne nouuelle vie, Et tenir vn beau rang parmy les demi-Dieux48 .

5.2 Hofstaat und Hofhaltung Das von Biroat oben erwähnte Motiv der Bühne kam nicht von ungefähr und galt im Rahmen der Inszenierung ebenfalls für den Hof. Daniel Dornhofer hat etwa am Beispiel König Jakobs I. aufgezeigt, dass dieser eine seiner zentralen

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te Leben sollte bewirken, daß der Monarch, alles Menschliche hinter sich lassend, dem Idealtypus des ewigen, immer gleichen Königs möglichst nahe kam«. So war sie schon Jahre zuvor in der Muze royale, 22. August 1656, S. 3, als »Prototype des Reynes« bezeichnet worden [Hervorh. im Orig.]. Und bei J, Oraison, S. 17f., heißt es: »Elle assemble dans sa seule personne le merite de toutes les autres [reines] qui furent comme elle le miracle de leur sexe, & qui sçeurent moins qu’elle se maintenir également dans la guerre & dans la paix, dans la prospérité & dans l’affliction, dans les interests de Dieu & de l’Estat«. Siehe Kap. 2.3.4, S. 171f., 189. C, Perilous Performances, S. 116f., 124f. P, Lettres, Bd. 3, S. 512, Brief v. Patin an André Falconet (13.02.1665): »Elle a bien permis du mal en sa vie, mais elle ne le faisoit pas faire«. Vgl. B, Oraison, S. 18: »Voulez-vous sçauoir [. . . ] la raison de cette conduite si sage & si douce de la Reyne-Mere? C’est qu’Elle se souuenoit que si Elle étoit Reyne Elle étoit veuve, lesquelles ne doiuent penser qu’à plaire à Dieu, selon le commandement de l’Apôtre«. Siehe auch ibid., S. 20f. BMAU, Mss., Ms. 60, [A], Astrée, S. 10/fol. 204v.

410

5. Schlussbetrachtung

Aufgaben darin sah, sich durch Großzügigkeit, Gottesfurcht, Affektkontrolle und Tugendhaftigkeit vor den Zuschauern, also dem Volk und speziell der (höfischen) Elite, zu präsentieren, seine Hofgesellschaft als Zentrum der Patronage zu etablieren und die Bindung an seine Person zu festigen, womit er zugleich die »Hoffnung auf eine zivilisierende Wirkung«49 durch höfische Rhetorik und Manieren verknüpfte50 . Anna von Österreich verfolgte ähnliche Intentionen. Auch ihr Selbstverständnis gebot es ihr, nicht nur mit Großzügigkeit möglichst viele Adlige an den Hof zu ziehen, sondern auch, ähnlich wie bei ihrer personenbezogenen Propaganda, Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit zu den Eckpfeilern ihrer Hofhaltung auszubauen51 . Natürlich blieb das bis zu einem gewissen Grad ein utopisches Unterfangen, denn Streitigkeiten, Intrigen und Lasterhaftigkeit ließen sich nie völlig unterbinden. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass ihre Hofhaltung zumindest weder von einer exzessiven Verderbtheit noch von einer allzu nüchternen und freudlosen Atmosphäre geprägt war. Der Königin gelang es, den Hof zu einem Zentrum für Wohltaten auszubauen, ihn durch Pracht, Feste und Aufführungen attraktiv zu gestalten und mithilfe ihres regelmäßig stattfindenden Zirkels mit einer Mischung aus höfisch-galanten und sittlich-moralischen Gesprächsinhalten zumindest ein klares Zeichen für ihren Willen zu setzen, auf den Charakter sowie auf die Sprach- und Verhaltensnormen der Höflinge positiven Einfluss zu nehmen, indem Zeremoniell und Etikette als gezielte Herrschaftsinstrumente ständig erweitert und verfeinert wurden. Grundzüge dieser Art der Hofhaltung, und nicht zuletzt die während der Regentschaft und darüber hinaus mit Nachdruck kultivierte Höflichkeit im Umgang mit den Frauen, hatten infolgedessen eine nicht unerhebliche Rückwirkung auf Ludwig XIV. und seine eigene spätere Hofkultur52 . Von all dem unberührt blieb hingegen Anna von Österreichs prinzipielle Ausübung der Patronage am Hofe, die sie genauso betrieb wie die vorherigen Könige und Königinnen bzw. Regentinnen auch. Auf diese Weise hat sie erneut bewiesen, dass sie über ausreichend politischen Sachverstand verfügte53 . Darum sollten gerade ihre fast sprichwörtliche große Güte und die Großzügigkeit, die sie besonders zu Beginn der Regentschaft zur Schau stellte, nicht einfach als dumm oder naiv abgetan, sondern vielmehr als gezielter Versuch gedeutet werden, Klienten und damit Verbündete und Anhänger zu halten sowie neue zu gewinnen. Dabei ergaben sich – abgesehen von den Höflingen, die, ohne eine Charge auszuüben, einen Teil des höfischen Gefolges ausmachten – natürlich insbesondere für die Amtsträger viele Vorteile und Möglich49 50 51 52 53

D, Petrarkistischer Diskurs, S. 213. Ibid., S. 212f. Vgl. F, Oraison, S. 41: »Elle a la fermeté d’une Espagnole, [. . . ] la generosité d’une Reine, [. . . ] l’humilité, & la moderation d’une Chrétienne«. Siehe auch F, Les femmes dans la vie de Louis XIV, S. 35–50, 127. Vgl. C-N, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 120–122, 144.

5.2 Hofstaat und Hofhaltung

411

keiten sowohl durch die Ausübung einer Charge als auch durch die damit einhergehende Nähe zur Königin und zu anderen hochrangigen Personen. Die Betrachtungen zum Haushalt von Anna von Österreich haben deutlich gemacht, dass sie vor 1643 in nur sehr geringem Maße Einfluss auf die Besetzung ihres Personals hatte – ihr Vater, ihre Schwiegermutter und ihr Ehemann sowie deren jeweilige Günstlinge versuchten, ihren Haushalt möglichst mit eigenen Getreuen zu besetzen oder zumindest mit Bestechungsgeldern Informanten zu gewinnen. Gleichwohl war es Anna von Österreich in dieser Zeit bereits möglich, sich für ihre Amtsträger einzusetzen und unter ihnen, insbesondere unter dem weiblichen Personal, eigene Vertraute und Klienten zu finden, auch wenn einige genau aus diesem Grund dann den Hof wieder verlassen mussten. Abermals ermöglichte es der Königin erst die Regentschaft, nun auch Personalentscheidungen eigenständig zu treffen. Sie rief ehemalige Amtsträger an den Hof zurück, gestattete aber nicht jedem, seine frühere Charge wieder einzunehmen. Die Fortsetzung der Politik von Ludwig XIII. und Richelieu hatte konkrete Auswirkungen auf die Postenvergabe und damit auf die Klientelpolitik der Königin. Dabei ging sie ebenfalls taktisch sehr klug vor. Zwar wollte sie möglichst viele Personen mit Ämtern an den Hof und damit an die Krone binden. Aber anstatt das Personal ihres Haushalts wahllos zu erhöhen, stockte sie es im Haushalt des Königs durch die Vergabe zahlreicher unbezahlter Ehrenposten auf. Folglich wurde das Personal direkt und stärker an den jungen Ludwig XIV. gebunden, war jedoch auch ihr zu Dank verpflichtet. Außerdem konnte sie so die Ausgaben des Hofes niedrig halten, die keineswegs derartig hoch waren, wie es immer gern unterstellt wurde. Abgesehen davon, dass sie vielmehr dem Niveau entsprachen, das schon unter Maria von Medici und Ludwig XIII. bestand, wurde das Gros der Staatsausgaben, wie schon vor 1643, primär von den immensen Kriegskosten verursacht. Dessen ungeachtet verfügte Anna von Österreich nicht zuletzt aufgrund der seit dem 16. Jahrhundert beständig gewachsenen Bedeutung des Haushalts der Königin sowie aufgrund der im Zuge der Regentschaft erfolgten Erhöhung des Verwaltungspersonals in ihrem Haushalt mit durchschnittlich 535 Amtsträgern pro Jahr über den größten Haushalt, den eine französische Königin – sowohl zuvor als auch danach – je erreicht hat, was ihren Status und ihre Bedeutung zusätzlich und nicht unwesentlich aufwertete. Aber auch die Amtsträger profitierten, weil sich für sie in jedem Fall zahlreiche Vergünstigungen durch ihre Chargen ergaben, wie ein regelmäßiges Einkommen, Steuerbefreiung, Verpflegung und Unterbringung. Darüber hinaus implizierte die Ausübung einer Charge an sich bereits eine hohe Ehre und eine Aufwertung des eigenen gesellschaftlichen bzw. höfischen Status. Damit verbunden war dann zugleich der nächste große Vorteil, nämlich der Zugang zur Königin, was wiederum die Möglichkeit eröffnete, für sich selbst, Angehörige, Freunde oder eigene Klienten Vergünstigungen herauszuschlagen.

412

5. Schlussbetrachtung

Männliche und weibliche Amtsträger waren hier gleichermaßen von großer Bedeutung für ihr jeweiliges Umfeld, vor allem aber natürlich für ihre Familien, weil sie potentiellen Karrieren Vorschub leisteten, indem sie etwa die survivance für Söhne, Töchter oder Geschwister sicherten oder diesen in der Funktion als Mittler Chargen im Staatsdienst, in der Kirche oder der Armee verschafften. Zudem waren besonders bei den hohen Amtsträgern von Anna von Österreich Klientelverbindungen zu Mazarin fast immer gegeben, da er zur Sicherung seiner Macht auf Verbündete und Informanten im Haushalt der Königin setzte. Das sollte nicht unterschätzt werden, denn eine Gegnerschaft zu Mazarin barg die (temporäre) Gefahr in sich, in Ungnade zu fallen; vielmehr erkannten viele Amtsträger die Vorteile, die ein einvernehmliches Verhältnis oder gar eine Zusammenarbeit mit dem Ersten Minister ergaben, zumal das auch die Gunst bei der Königin nachhaltig zu festigen half. Es war in der Tat sinnvoll, sich beim Vorbringen von Gesuchen nicht immer einzig auf die Königin zu verlassen, sondern sich, wenn möglich, zusätzlich abzusichern, indem auf die Hilfe anderer – sowohl männlicher als auch weiblicher – Amtsträger oder Minister als Fürsprecher zurückgegriffen wurde, um die Erfolgsaussichten zu optimieren. Das war oftmals nicht allzu schwer, da die Minister selbst an guten Verbindungen in die königlichen Haushalte interessiert waren – so beförderten neben Richelieu und Mazarin auch Kanzler Séguier oder der Oberintendant der Finanzen, Fouquet, mit Pensions- oder Bestechungszahlungen die Bereitschaft von Amtsträgern der Königin, Informationen zu liefern. Gerade für die Amtsträger war eine beständige Kontaktpflege wichtig, um frühzeitig an Informationen, etwa über vakante Posten, zu kommen und sich gegen potentielle Konkurrenten in eine gute Ausgangsposition zu bringen. Die Amtsträger waren dabei klar im Vorteil, weil sie infolge ihrer Stellung meist nicht auf Mittler angewiesen waren, sondern sich direkt mit ihren Anliegen an die Königin oder andere Entscheidungsträger wenden konnten. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Amtsträgerinnen, was die Frage nach den geschlechtsspezifischen Aspekten aufgeworfen hat. Das Geschlecht stellte einerseits eine Einschränkung, andererseits zugleich eine Chance dar. Eine Einschränkung insofern, als Frauen abgesehen von wenigen Ausnahmen grundsätzlich nur in den Haushalten weiblicher Mitglieder der königlichen Familie eine Charge ausüben konnten. Darin lag aber auch eine große Chance. Denn das weibliche Personal hatte im Gegensatz zu seinen männlichen Kollegen einen weitaus größeren, fast permanenten Kontakt zur Königin, was es ungemein erleichterte, ein vertrauensvolles Verhältnis und unter Umständen sogar eine freundschaftliche Beziehung zur Monarchin aufzubauen. So kamen Amtsträgerinnen meist noch schneller an nützliche Insiderinformationen. Das führte oftmals dazu, dass sie für viele Personen inner- und außerhalb des Hofes als mögliche Mittler Bedeutung erlangten, die daher versuchten, sie für sich zu gewinnen. Aus diesem Grund waren im Fall von Anna von Österreich die Günstlinge von Maria von Medici bis hin zu Richelieu und Mazarin

5.2 Hofstaat und Hofhaltung

413

beständig bemüht, nur ihnen genehme Amtsträgerinnen bei der Königin zu dulden. All das macht sehr gut deutlich, dass die politische Dimension des Haushalts der Königin bisher völlig unterschätzt worden ist. Die ständigen Eingriffe durch Philipp III., Maria von Medici und Ludwig XIII. und ihre jeweiligen Favoriten, aber auch Mazarins Versuche, die Amtsträgerinnen auf seine Seite zu ziehen, haben bewiesen, dass sie alle deren potentiellen Einfluss auf die Königin und hinsichtlich der höfischen Patronage (an)erkannt haben und dies bei ihrem eigenen Vorgehen stets berücksichtigen mussten54 . Das Geschlecht spielte jedoch eine untergeordnete Rolle, wenn es um die Kontaktpflege und die grundsätzliche Ausübung von Patronage ging. Hier agierten männliche und weibliche Amtsträger ähnlich. Sie alle waren Teil des königlich-höfischen Patronagesystems. Die Charge bildete dabei nur den Ausgangspunkt. Was die Männer und Frauen dann daraus machten, hing von ihren individuellen Fähigkeiten ab, aus der Nähe zur Königin oder zum König Kapital zu schlagen und Kontakte zu einflussreichen Personen am Hofe aufzubauen und zu pflegen. Männliche und weibliche Amtsträger waren gleichermaßen bemüht, sich als Mittler für die Belange von Angehörigen und Freunden sowie als Patrone für eigene Klienten, nicht zuletzt in der Provinz, einzusetzen. Einflussreiche Frauen am Hofe sollten daher weniger als »Ausnahmeerscheinung« denn als »in den höfischen Kontext eingebettet« verstanden werden55 . Bei den Betrachtungen in den Kapiteln 3.1 bis 3.3 hat sich somit gezeigt, dass das Verhältnis der Königin zu ihren Höflingen, vor allem aber zu ihren Amtsträgern, klar vom Wechselverhältnis Patron-Klient geprägt war. Das heißt, Treue und Loyalität wurden mit Pensionen, Gratifikationen oder der Unterstützung bei der Erlangung von Ämtern und Pfründen belohnt. Teilweise vermischte sich dabei der Status der Königin als Patronin mit dem der Mittlerin, wenn sie sich beispielsweise dafür einsetzte, für Amtsträger bei einem Gerichtsprozess einen positiven Ausgang herbeizuführen56 . In jedem Fall versuchte sie, Amtsträger, die ihr lange und loyal gedient hatten, zu belohnen, wobei Zuneigung zwar durchaus eine Rolle spielen konnte, aber keineswegs spielen musste57 . Bei der Belohnung für geleistete Dienste handelte es sich nicht einfach nur um eine Form der Anerkennung gegenüber den Amtsträgern und ihren Verdiensten, sondern um eine konkrete Verpflichtung gegenüber ihnen als Klienten58 . Kein Patron, auch nicht die

54 55 56 57 58

Siehe auch C, Patronage as Family Economy, S. 14f., 21–25, 35; M, Clients and Friends, S. 263f. Vgl. D, Petrarkistischer Diskurs, S. 143, 280f. B, Kammerdame und diplomatische Akteurin, S. 276. Vgl. S, The Power and Patronage, S. 113. K, Hofdamen, S. 169. D, J, La France du premier XVIIe siècle, S. 172; K, Gift-Giving, S. 142–145.

414

5. Schlussbetrachtung

Königin, konnte es sich auf lange Sicht erlauben, geleistete Dienste unbelohnt zu lassen, ebenso wenig, wie sich ein Klient auf erhaltenen Gunstbeweisen ausruhen konnte. Es handelte sich um gesellschaftliche Normen, denen sich letztlich niemand, der auf Erfolg aus war, zu entziehen vermochte. Sah Anna von Österreich jedoch einen Grund dafür, dass sich ein Amtsträger illoyal verhalten hatte, konnte dies einen vorübergehenden Gunstentzug, eine (temporäre) Verbannung vom Hofe oder sogar den Verlust der Charge bedeuten. Dessen musste sich jeder Klient bewusst sein. Gerade von den Amtsträgern, die sich zusätzlich noch durch einen Eid zu Treue und Gehorsam verbindlich verpflichtet hatten, wurde die Fähigkeit erwartet, sich den Wünschen der Königin anzupassen. Deutlich wurde dies ebenfalls ab 1643, als Anna von Österreich in ihrer Funktion als Regentin anderen Prinzipien folgte und folgen musste als zuvor als Königsgemahlin. Das betraf primär ihre Entscheidung, die Politik der Vorgängerregierung fortzusetzen und Mazarin zum Ersten Minister zu ernennen. Jegliche Kritik und Opposition daran bedeutete aus ihrer Sicht, ihre Entscheidungen und damit ihre Autorität in Frage zu stellen. Umgekehrt sahen jedoch ehemalige Amtsträger, die aufgrund ihrer Treue zur Königin vor 1643 von Ludwig XIII. des Hofes verwiesen worden waren, gerade in der Tatsache, dass sie im Zuge der Regentschaft zwar zurückkehren durften, aber nicht den erhofften Einfluss erhielten, eine Verletzung der Verpflichtung, die die Königin ihnen gegenüber als Patronin hatte, was einige veranlasste, das Patron-Klient-Verhältnis als nicht mehr bindend anzusehen, wodurch ihre Bereitschaft zur Opposition gestärkt wurde59 . Was diese Klienten als Verrat und Nichterfüllung von Verpflichtungen ihnen gegenüber empfanden, entsprach jedoch lediglich der Anpassung der Königin an die politischen Umstände – die meisten Klienten zögerten jedoch nicht, sich zu fügen, weil sie die Vorteile erkannten60 . Was den Hof der Königin insgesamt betraf, so blieb er noch lange Zeit nach der Regentschaft ein Inbegriff für die scheinbar gelungene Mischung aus Glanz und Glaube. Einmal mehr schien sie auch hier ihrem Nachruhm gekonnt den Weg geebnet zu haben: Anne, gloire du Tage et bonheur de la Seine, Astre dont les rayons éclairèrent nos jours, Tu naquis dans les bras des jeux et des amours, Et fus Reyne des cœurs avant d’estre Reyne. L’auguste fleur de lys t’éleut pour souveraine, Ta Cour en sainteté passa toutes les Cours, Tu fus des malheureux l’azile et le recours, Et te monstras divine en te monstrant humaine. Femme d’un grand monarque et mère d’un plus grand, Tu bruslas pour la foy d’un zèle dévorant, Et purgeas l’univers de coupables délices.

59 60

Ibid., S. 132, 136. C, Des carnets, April 1855, S. 227.

5.3 Freundschaft und Zuneigung

415

Qu’avois-tu de plus à faire, après qu’en ces bas lieux. Ta vertu sous sa foudre eut terracé les vices, Que t’en aller enfin triompher dans les cieux?61

5.3 Freundschaft und Zuneigung Bei der alltäglichen Ausübung der Patronage griff die Königin nicht selten auf eine Rhetorik zurück, die ihre Zuneigung gegenüber der jeweiligen Person zum Ausdruck bringen sollte – und das betraf, wie aus den Analysen in den Kapiteln 4.1 bis 4.3 hervorgeht, Personen auf allen Ebenen, ob es sich nun um Verwandte, den Adel, Staatsdiener, die (hohe) Geistlichkeit oder Amtsträger ihres Haushalts handelte. In diesem Kontext offenbaren sich einmal mehr die teilweise fließenden Übergänge zwischen Patronage und anderen Formen sozialer Nahbeziehungen wie Verwandtschaft oder Freundschaft, wobei oftmals die Freundschaftsrhetorik zum bestimmenden Faktor wurde. Denn bei der – insbesondere in den Briefen – verwendeten Rhetorik handelte es sich primär um einen Diskurs bzw. ein Standardrepertoire an Aussagen, dazu gedacht, bestehende Bindungen zu festigen oder neue zu etablieren. Der tatsächliche Grad der Zuneigung war hingegen von sekundärer Bedeutung; aufrichtige Gefühle konnten eine Rolle spielen, mussten es aber nicht. Das wurde auch im Verhältnis der Königin zu Verwandten erkennbar. Innerhalb der königlichen Familie wurde der Freundschaftsbegriff genutzt, um beispielsweise die Liebe des Sohnes, also Ludwigs XIV., gegenüber seiner Mutter auszudrücken – oder umgekehrt. Etwas anders sah es im Umgang der Königin mit anderen Herrscherhäusern aus. Im Briefverkehr mit der englischen, spanischen, schwedischen, dänischen, polnischen oder römischdeutschen Krone war es jeweils unerheblich, ob sie die jeweiligen Monarchen gut oder überhaupt nicht kannte oder ob eine direkte, indirekte oder gar keine verwandtschaftliche Verbindung vorlag. Zur Pflege der Beziehungen wurde nämlich in jedem Fall der Topos des freundschaftlichen Miteinanders genutzt. Und um dem Ganzen zusätzlich Nachdruck zu verleihen, fand die entsprechende Rhetorik nicht nur in der offiziellen, Staatsangelegenheiten betreffenden Korrespondenz der Herrscherhäuser Anwendung, sondern auch im alltäglichen Briefverkehr, wenn es darum ging, Anteilnahme bei Geburten, Taufen, Hochzeiten oder Todesfällen zu demonstrieren. Bei diesen Verbindungen und Kontakten zu anderen Monarchen handelte es sich allerdings um symmetrische Beziehungen, also um Beziehungen auf Augenhöhe, sodass Anna von Österreich und die anderen Könige sich als gleichberechtigte Patrone gegenüberstanden, die im Zweifelsfall auch den Klienten des jeweils 61

Jean C, Lettres de Jean Chapelain, hg. v. Philippe T  L, 2 Bde., Paris 1880–1883, Bd. 2, S. 440, Anm. 2, Brief v. Chapelain an Colbert (16.02.1666).

416

5. Schlussbetrachtung

Anderen Unterstützung gewährten, was den gegenseitigen Freundschaften und damit nicht zuletzt den politisch-dynastischen Allianzen natürlich nur umso zuträglicher war. Außerdem geht aus zahlreichen Quellen eindeutig hervor, dass die Freundschaftsbeziehungen zwischen den Monarchen bzw. den Dynastien in einer langwierigen Übergangsphase begriffen waren, bei der einerseits der zunehmende Bürokratisierungsprozess die Bedeutung der Staatsräson stärker in den Vordergrund rückte und damit dynastische Freundschaften mitunter zugunsten real- bzw. tagespolitischer Überlegungen in den Hintergrund drängte. Andererseits hatten diese dynastischen Freundschaften damit aber keineswegs ausgedient; sie spielten auch weiterhin eine nicht unerhebliche Rolle, vor allem, wenn es darum ging, auf sie als (zusätzlichen) Motor bei der Umsetzung der erwähnten real- bzw. tagespolitischen Überlegungen zurückzugreifen. Bestehende Allianzen wurden so gestärkt und nachhaltiger gestaltet, indem die familiär-freundschaftlichen Bande durch interdynastische Ehen oder die stete Anteilnahme an Ereignissen des anderen Herrscherhauses erweitert und unter Anwendung einer gezielten Freundschaftsrhetorik gefestigt wurden. In diesem Kontext belegen die Quellen ebenfalls ganz klar, welche große Bedeutung Anna von Österreich – übrigens auch anderen weiblichen Mitgliedern der Herrscherhäuser – für die Aufrechterhaltung zwischenstaatlicher Beziehungen zukam, was zugleich die immer wieder gern vorgebrachte Behauptung widerlegt, die Königin habe nach ihrem Ausschluss aus dem Kronrat 1661 überhaupt keinen (politischen) Einfluss mehr ausgeübt62 . Diese These ist ebenso zurückzuweisen wie die Meinung, sie habe fortan nur eine reine Repräsentationsrolle eingenommen und sei lediglich noch als Unterstützerin der Frömmler am Hofe in Erscheinung getreten63 . Beide Sichtweisen sind viel zu kurz gegriffen, weil sie der zeitgenössischen Meinung zu wenig bzw. gar keine Beachtung schenken. Sicherlich darf Anna von Österreichs Rolle nicht überbewertet werden, aber ebenso wenig sollte ihr Einfluss im Hintergrund unterschätzt werden. So ließ sich schließlich zweifelsfrei nachweisen, dass Ludwig XIV. den Rat seiner Mutter auch weiterhin suchte, ihr Einblicke in wichtige Staatspapiere gewährte, sie mit den Ministern Rücksprache hielt und von anderen Monarchen als wichtige Mittlerin zur Aufrechterhaltung der interdynastisch-politischen Beziehungen angesehen wurde64 . Deshalb hatte Anna von Österreichs Tod, entgegen etwa der Behauptung von Madeleine Saint-René Taillandier, sehr wohl einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Beziehungen Frankreichs zu seinen Verbündeten65 . Die Reaktionen auf diesen Verlust und die daraufhin überall demonstrierte Anteilnahme waren mehr als nur eine konventionell62 63 64 65

Siehe etwa L, Les Domestiques commensaux, S. 448f. H, (Art.) »Anna (»Anne d’Autriche«)«, S. 58. Siehe C, Marie-Thérèse, S. 265; K, The Household Service, S. 85. S-R T, La jeunesse du grand roi, S. 282.

5.3 Freundschaft und Zuneigung

417

ritualisierte Trauerbekundung. Es handelte sich vielmehr um einen bewussten Ausdruck der Erkenntnis, dass mit ihrem Tod nicht einfach nur eine politische Verbündete und Freundin, sondern eine mäßigende politische Instanz wegfiel und stattdessen eine neue Ära mit einer veränderten außenpolitischen Ausrichtung anbrechen würde – das Ruhmstreben Ludwigs XIV. war nämlich weder in Frankreich noch über die Grenzen hinaus ein Geheimnis66 . Etwas anders gestaltete sich das Verhältnis zwischen Anna von Österreich und dem Amts- und Schwertadel, ihren Amtsträgern und dem Klerus, da es sich hier um asymmetrische Nahbeziehungen handelte; Beziehungen also, bei denen die Unterscheidung zwischen Patronin und Klienten deutlicher hervortrat. Gleichwohl bediente sich die Königin auch hier einer Freundschaftsrhetorik mit Standardaussagen, um der jeweiligen Person ihre besondere Wertschätzung zu signalisieren. Der Grad der tatsächlichen Zuneigung spielte gleichfalls nur eine untergeordnete Rolle, da es der Königin darum ging, für stabile Klientelbeziehungen zu sorgen. Aber dennoch gab es durchaus Fälle, in denen die Königin von einer gewachsenen freundschaftlichen Verbundenheit gegenüber ihren Klienten getragen war; das betraf insbesondere einige Amtsträgerinnen ihres Haushalts. Im Gegensatz dazu wurde das Verhältnis zwischen Anna von Österreich und Mazarin während der Fronde und dann erneut in größerem Maße von der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts als eine über die Grenzen der Freundschaft hinausgehende Beziehung gedeutet, was erst im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts zumindest teilweise eine Relativierung erfuhr. Die Annahme von einer Affäre der Königin bzw. einer Liebesbeziehung mit dem Kardinal mutet jedoch umso erstaunlicher an, da es keinerlei fundierte Belege gibt, die darauf hindeuten, dass sich diese Patron-Klient-Beziehung, die von wachsendem Vertrauen und einem freundschaftlichen Umgang gekennzeichnet war, tatsächlich zu einer Liebesaffäre entwickelt haben könnte. Vielmehr zeigen sich hier einige Parallelen zum Verhältnis zwischen Ludwig XIII. und Richelieu. In beiden Fällen wurde letztlich alles Negative auf den Ersten Minister projiziert. Da die Allmacht Richelieus bzw. Mazarins immer in den Vordergrund gestellt wurde, erweckte dies den trügerischen Eindruck, Ludwig XIII. bzw. Anna von Österreich seien ihren Ministern blind gefolgt; tatsächlich muss beachtet werden, dass weder Richelieu noch Mazarin wahllos freie Hand hatten. Ihren finalen Beschlüssen lag stets eine Anordnung Ludwigs XIII. bzw. Annas von Österreich zugrunde67 . Derartig stereotype Vorstellungen von Herrscherpersönlichkeiten, wie sie oft seit dem 19. Jahrhundert in historischen und biographischen Darstellungen gezeichnet wurden, haben sich als obsolet erwiesen. Gerade jüngere Stu-

66 67

Siehe Kap. 2.2.3, S. 119f. B, La France au XVIIe siècle, S. 265; H, Richelieu, S. 481.

418

5. Schlussbetrachtung

dien belegen, dass einige Ansichten revidiert werden müssen68 : Anna von Österreich war eben nicht die unbedarfte Frau, die an Mazarins Sutane hing und hingebungsvoll alles tat, was er ihr sagte. Stattdessen ließ sich nachweisen, dass die Königin aufgrund ihrer eigenen Klientelverbindungen ebenfalls gut informiert war und Mazarin etwa bei der Besetzung vakanter Posten keineswegs eigenmächtig, sondern nur in Absprache mit ihr agieren konnte. Trotz seines Einflusses war und blieb die Königin stets die oberste Machtinstanz, der sich selbst Mazarin beugen musste. Wie schon thematisiert wurde, handelte Anna von Österreich demnach politisch weitaus versierter als gemeinhin angenommen wird. Das betraf nicht zuletzt ihre Entscheidung, Mazarin zum Ersten Minister zu ernennen69 . Diese Entscheidung beruhte auf konkretem strategischem Kalkül, weil sie einen fähigen Minister brauchte, der mit den Leitlinien der bisherigen Politik, die sie fortzusetzen gedachte, vertraut war70 . Zugleich ist das Verhältnis zwischen ihr und Mazarin als symptomatisch für grundsätzlich alle ihre Nahbeziehungen gegenüber Klienten anzusehen: Die Königin konnte zwar Freundin sein, legte ihren Status als Patronin jedoch nie ab. Denn aller freundschaftlichen Verbundenheit zum Trotz war Mazarin ihr verantwortlich, von ihr abhängig und konnte sie nicht einfach beiseite drängen. Die Königin ließ ihm dabei jedoch ganz bewusst den Vortritt, konnte sie auf diese Weise doch ihr Bild einer an Macht nicht interessierten Monarchin weiter festigen. Die Tatsache, dass viele darin einen Beweis ihrer Schwäche und Machtlosigkeit sehen wollten71 , belegt hingegen einmal mehr ihren tatsächlichen Propagandaerfolg: Passant ne pleure point le destin d’vne Reyne Qui moura[n]t sa[n]s mourir va viure pour toûjours Et qui dans ce cercueil trouvant de nouveaux iours. Remonte sur le Trône & regne en Souueraine. Sa gloire est da[n]s le ciel & la terre en est pleine Tout ce que le soleil voit de gra[n]d son cours Tout ce que l’onde enceint de ces obligean[t]s tours Fait retenir son nom comme fait nôtre Seine. Anne vit, elle regne, elle est encor[e] debout Elle remplit le Monde, on l’o[b]serve par tout On la cite en tous lieux comme la Femme forte. Elle est toûjours Regente, elle fonde des loix Dy moy si c’est mourir de mourir de la sorte? Non, c’est vivre toûjours & mourir vne fois72 . 68 69 70

71 72

Siehe Sebastian K, Caroline  K, (Art.) »Regent/in. 4. Neuansätze der Forschung«, in: J (Hg.), Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 10, Sp. 854–856, hier Sp. 854. H, Anne d’Autriche, S. 188f., 326f.; B, Les reines de France, S. 499. Vgl. G, De l’influence des femmes, S. 48: »La reine mit sa confiance dans le cardinal Mazarin, et l’on doit l’en louer: elle ne fut point entraînée en ceci par une affection particulière: elle se laissa guider uniquement par l’intérêt public«. So etwa B, Der Sonnenkönig, S. 29; Vincent C, Der Sonnenkönig, Stuttgart s.d., S. 25. C, Devises, S. 349.

5.3 Freundschaft und Zuneigung

419

Worin bestanden also letztlich Anna von Österreichs Leistungen? Einerseits vermochte sie es, das Erbe des Königs zu wahren und die Krone zu stärken, und zugleich hat sie die politische Entwicklung Frankreichs durch das Festhalten an der Politik Ludwigs XIII. und Richelieus nachhaltig beeinflusst73 . Allerdings führte die damit verbundene, teils reale, teils symbolische Überhöhung der absoluten Machtstellung des Königs unter Ludwig XIV. dazu, dass gleichzeitig die grundsätzliche Rolle und die Einflussmöglichkeiten künftiger Königinnen nachhaltig eingeschränkt und diese infolgedessen mehr als zuvor von einer wie auch immer gearteten Partizipation an der Macht ausgeschlossen wurden74 . Ebenso wie die Frauen des Adels oder Bürgertums sollten sie somit noch stärker als bisher darauf angewiesen sein, ihren Einfluss auf informellem Weg über Patronage und Kontaktnetze auszuüben75 . Andererseits hat Anna von Österreich Ludwig XIV. wichtige Impulse mitgegeben, was Inszenierung, Hofhaltung, Etikette sowie den höflichen Umgang mit Frauen betraf. Letztlich ist es ihr gelungen, in jeder Lebenslage und Funktion – als Königin, (Ehe-)Frau, Mutter, Witwe, Regentin und Christin – eine vergleichsweise erfolgreiche Patronagepolitik zu betreiben. Der Erfolg ihrer Inszenierungsstrategie, bei der die Königin den religiösen Schwerpunkt geschickt, weil dezent, mit kulturellen, vor allem aber mit politischen Akzenten zu unterfüttern verstand, manifestierte sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass sie, anders als die Regentinnen vor ihr, als Idealtypus einer Königin erschien und so auch den nachfolgenden Generationen in Erinnerung blieb, damit zugleich aber auch der Dynastie der Bourbonen insgesamt einen einmaligen Propagandaerfolg bescherte. Dass sie angeblich von allen Regentinnen, die seit der Renaissance die Regierungsverantwortung getragen haben, über die geringste Autorität verfügte, wie fälschlicherweise Thierry Wanegffelen meint, kann schon deshalb nicht stimmen, weil sie de jure die gleichen Machtbefugnisse besaß und mit den gleichen Widerständen und Vorurteilen, die sich der vermeintlich schwachen Herrschaft einer Frau entgegenstellten, zu kämpfen hatte wie ihre Vorgängerinnen auch76 . Seine Einschätzung bestätigt im Gegenteil erst recht das siegreiche Ergebnis der gezielten Propaganda der Königin, sich gekonnt als fromme und scheinbar 73

74

75

76

Siehe auch C, Des carnets, November 1854, S. 708; D, Anne d’Autriche, S. 476: »[C’]est à cette Espagnole que la France doit d’être devenue un État et une puissance, d’avoir retrouvé la paix intérieure et extérieure«. B, Les reines de France, S. 502f.: »Anne d’Autriche, sans le savoir, a travaillé contre les reines à venir. Elles seront les victimes directes de cette transformation de la monarchie familiale en monarchie absolue. Tenant son royaume bien en main, appuyé sur une administration dévouée et efficace, le souverain n’a plus besoin, pour gouverner, du secours de son épouse ou de sa mère«. Vgl. C (Hg.), Anne d’Autriche, S. 90. Dies wurde z. B. treffend nachgewiesen von Sarah H, Engendering the State: Family Formation and State Building in Early Modern France, in: French Historical Studies 16/1 (1989), S. 4–27. Thierry W, Le Pouvoir contesté. Souveraines d’Europe à la Renaissance, Paris 2001, S. 433. Siehe auch V, De la guerre civile, Absatz 18.

420

5. Schlussbetrachtung

nicht nach Macht strebende Monarchin in Szene zu setzen und sich damit umso nachhaltiger von den Medici-Königinnen abzugrenzen. Der Erfolg ihrer Hofhaltungspraxis zeigte sich darin, dass sie zwar kein skandalfreies Refugium schaffen konnte, aber doch zumindest eines, das bei aller offiziell eingeforderten Sittsamkeit und Moral doch genug Raum für höfische Zerstreuungen und Prachtentfaltungen ließ und bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Vorzeigemodell gegenüber dem nunmehr als äußerst leichtlebig wirkenden Hof des Sonnenkönigs gepriesen wurde. Ihr erfolgreich praktizierter Freundschaftsdiskurs, gekennzeichnet von einer affektiven Rhetorik und nicht selten sekundiert von Gaben und Gesten der Zuneigung, schlug sich wiederum in stabilen, meist lang anhaltenden symmetrischen wie asymmetrischen Beziehungsgeflechten nieder, was oftmals eine positive Rückwirkung auf die höfische sowie die innen- und außenpolitische Gesamtgemengelage zur Folge hatte. Das bisherige Bild von der bedingungslos frommen, naiven, faulen, politisch unfähigen, exzessiv und wahllos Wohltaten verteilenden, Mazarin völlig ergebenen und nach 1661 einflusslosen Königin kann also in dieser Form eindeutig nicht mehr aufrechterhalten werden. Vielmehr müssen die politische Versiertheit und die taktischen Fähigkeiten Annas von Österreich anerkannt werden, die sie bei der Umsetzung ihrer sich auf verschiedene Bereiche erstreckenden Patronagepolitik und bei der damit einhergehenden Schaffung einer breiten Klientelbasis nicht nur zu Beginn, sondern auch während und nach der Regentschaft bis hin zu ihrem Tod angewendet hatte. Was letztlich bleibt, ist deshalb das Bild einer Königin, die es verstanden hat, sowohl ihr zeitgenössisches Renommee als auch ihren Nachruhm dauerhaft und erfolgreich zu festigen. Und trotz aller immer noch bestehender subjektiv-biographischer, historisch-wissenschaftlicher und modern-medialer Verzerrungen erweist sich Anna von Österreich damit als eine klug agierende und gütige Patronin, die ihrem Handeln, mal unbewusst und aus ehrlichem Interesse, mal bewusst und kalkuliert, scheinbar immer nur eine Prämisse zugrunde legte – »Spiritus intus agit«77 .

77

P, Oraison, S. 28: »La gloire souueraine de nostre heureuse Regente, c’est de s’estre renduë par ses vertus admirables vn digne instrument dont Dieu s’est voulu seruir pour faire ses volontez«.

Abkürzungsverzeichnis Archive und Bibliotheken AD

Archives diplomatiques du ministère des Affaires étrangères (La Courneuve) AGP Archivo General de Palacio (Madrid) AN Archives nationales (Paris) BCH Bibliothèque et archives du château de Chantilly (Chantilly) BIF Bibliothèque de l’Institut de France (Paris) BIS Bibliothèque interuniversitaire de la Sorbonne (Paris) BMAU Bibliothèque municipale d’Auch (Auch) BMAZ Bibliothèque Mazarine (Paris) BMB Bibliothèque municipale de Bordeaux (Bordeaux) BNF Bibliothèque nationale de France (Paris) BS Bibliothèque du Sénat (Paris) BSG Bibliothèque Sainte-Geneviève (Paris) HHStA Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien) LPL Lambeth Palace Library (London) NA National Archives (London)

Sonstiges Anm. Arist. NE Art. Cic. fin. Cic. parad. fol. Hom. Hymn. Hom. Il. Jes. Kap. Kor. Liv. l.t. Luk. Ms(s). Ov. met.

Anmerkung Aristoteles Nikomachische Ethik (Lexikon-)Artikel Cicero De finibus bonorum et malorum Cicero Paradoxa Stoicorum Folio Homer Hymnen Homer Ilias Buch Jesaja (Bibel) Kapitel Korintherbrief (Bibel) Livius livres tournois Buch Lukas (Bibel) Manuskript(e) Ovid Metamorphosen

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Abkürzungsverzeichnis

Plot. enn. Plut. con. praec. Sam. s.d./s.l./s.p. Sen. benef. Sp. Sz. Tob. V. zit. n.

Plotin Enneaden Plutarch Coniugalia praecepta Buch Samuel (Bibel) keine Datums-/Orts-/Seitenangabe Seneca De beneficiis Spalte Szene Buch Tobit (Apokryphen der Bibel) Vers(e) zitiert nach

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Léonard de Chaumelz, Devises panegyriqves povr Anne d’Avstriche, Reine de France, Bordeaux 1667, S. 94, Paris (BNF/Inv.-Nr.: 4–LB36–3546). Abb. 2: Jean Baudoin, Emblèmes divers, 2 Bde., Paris 1989 [EA 1638–1639], Bd. 1, S. 438, Paris (BNF/Inv.-Nr.: 16–Z–29506 [6,1]). Abb. 3: Joseph Roëttiers, »La Régence«, 1643, Silbermedaille (Revers) 69 mm, Paris (bpk/ RMN/Grand Palais [Musée du Louvre, Inv.-Nr.: MRR381]/Jean-Gilles Berizzi). Abb. 4: Charles u. Henri Beaubrun, Jean Nocret, »Anne d’Autriche représentée en grand costume royal«, um 1650, Öl auf Leinwand 131,3 × 116,2 cm, Versailles (bpk/RMN/Grand Palais [Versailles, châteaux de Versailles et de Trianon, Inv.-Nr.: MV–2063]). Abb. 5: Atelier v. Charles u. Henri Beaubrun, »Anne d’Autriche, reine de France«, ca. Mitte 17. Jh., Öl auf Leinwand 112,5 × 86,9 cm, Barnard Castle (The Bowes Museum/Barnard Castle, Co. Durham/Inv.-Nr.: BM–243). Abb. 6: Michel Molart, »La Majorité du Roi«, 1651, Silbermedaille (Revers) 63 mm, Paris (BNF/Monnaies, médailles et antiques). Abb. 7: Simon Renard de Saint-André, »Anne d’Autriche et Marie Thérèse d’Autriche«, 1664, Öl auf Leinwand 133 × 186 cm, Versailles (bpk/RMN/Grand Palais [Versailles, châteaux de Versailles et de Trianon, Inv.-Nr.: MV–6925]/Gérard Blot). Abb. 8: Anonym, »Anne d’Autriche, Marie Thérèse et le Dauphin«, nach 1661, Öl auf Leinwand 133 × 185,5 cm, Versailles (bpk/RMN/Grand Palais [Versailles, châteaux de Versailles et de Trianon, Inv.-Nr.: MV–6931]/Jean-Marc Manaï). Abb. 9: Jean Warin, »Fondation de Val-de-Grâce«, 1645, Goldmedaille 96 mm, Paris (BNF/ Monnaies, médailles et antiques/Série royale 2812). Abb. 10: Jean Nocret, »L’Olympe royal«, 1670, Öl auf Leinwand 306 × 426,5 cm, Versailles (bpk/RMN/Grand Palais [Versailles, châteaux de Versailles et de Trianon, Inv.-Nr.: MV– 2157]). Abb. 11: Jean Puget de la Serre, Le Portrait de la Reyne, Paris 1644, Frontispiz, Paris (BNF/ Inv.-Nr.: RES–LB37–266). Abb. 12: Pierre Le Moyne, La Gallerie des Femmes fortes, Paris 4 1663, Frontispiz, Paris (BNF/Inv.-Nr.: G–25836). Abb. 13: Jean Puget de la Serre, L’Histoire des impératrices, des reynes et des illustres princesses, Paris 1648, Frontispiz, Paris (BNF/Inv.-Nr.: M–665). Abb. 14: Nicolas L’Escalopier, Dovze tableavx dv Roy tres-chrestien Lovis XIV. Avgvste, de la Reine Anne d’Avtriche, de Monsievr frere vniqve dv Roy, Philippes dvc d’Aniov, de l’Eminentissime Cardinal Ivles Mazarin, exposez svr des arcs de triomphe, Apres le Sacre de sa Maiesté, Paris 1655, s.p., Paris (BNF/Inv.-Nr.: YC–3471). Abb. 15: Philippe de Champaigne, »Louis XIV dédie sa couronne et son sceptre à Sainte Vierge Marie en présence de sa mère et de son frère«, um 1650, Öl auf Leinwand 118,8 × 100 cm, Hamburg (bpk/Hamburger Kunsthalle/Inv.-Nr.: HK–25/Elke Walford). Abb. 16: Nicolas L’Escalopier, Dovze tableavx dv Roy tres-chrestien Lovis XIV. Avgvste, de la Reine Anne d’Avtriche, de Monsievr frere vniqve dv Roy, Philippes dvc d’Aniov, de l’Eminentissime Cardinal Ivles Mazarin, exposez svr des arcs de triomphe, Apres le Sacre de sa Maiesté, Paris 1655, s.p., Paris (BNF/Inv.-Nr.: YC–3471).

424

Abbildungsverzeichnis

Abb. 17: Anonym, »Portrait gravé de Louis XIV et d’Anne d’Autriche«, um 1643, Kupferstich, Paris (BNF/Ms. Clairambault 1235, fol. 15r). Abb. 18: Anonym, »Almanach de la Cour«, 1661, Kupferstich, Paris (BNF/Estampes et photographie/Qb 5 [2]).

Quellen- und Literaturverzeichnis Quellenverzeichnis Manuskripte AD AGP AN

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BS Ms. 300 BSG Ms. 848; 2402; 3245 HHStA Obersthofmeisteramt Ältere Zeremonialakten, Karton 7 Staatenabteilung (Frankreich) Hofkorrespondenz, Karton 3 Notenwechsel, Karton 1 Varia, Karton 5 LPL Ms. 3152 NA State Papers Foreign (France) 78/ 73; 74; 78; 79; 80; 86; 107; 110; 111; 116; 117 (German States) 81/53

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Personenregister Aiguillon, Marie-Madeleine de Vignerot, Duchesse d’ 226, 288f., 375f., 381f. Alexander der Große 75 Alexander VII. (Papst) 358 Amville, Duc d’ 264 Anguier, Michel 95, 150 Arbouze, Gilbert de Véni d’ 377 Arbouze, Marguerite de Véni d’ 152, 179, 377 Arnaud, Angélique 155 Arnoul, François 180 Artagnan, Charles de Batz-Castelmore d’ 17 Aubery, Antoine 173 Aubignac, François Hédelin d’ 177 Augustus 167 Bailleul, Élisabeth Marie Mallier du Houssay, Dame de 226 Bailleul, Nicolas de 207, 226, 258, 262 Balzac, Jean-Louis Guez de 356 Barberini, Kardinal Antonio 359 Bartillat, Étienne Jehannot de 386 Bartillat, Nicolas Jehannot de 386 Baudoin, Jean 67f. Beaufort, François de Bourbon, Duc de 235f. Beaulieu, Marie de 60 Beaumont, Abbé de 193 Beauvais, Catherine-Henriette Bellier, Dame de 292, 386, 390 Beguey, Basile 133, 137 Benserade, Isaac de 176, 386 Beringhen, Henri de 270f. Bernini, Gian Lorenzo 128 Bertier, Antoine 173 Bichi, Kardinal Alessandro 317 Biroat, Jacques 407–409 Blancmesnil, Augustin Potier de 314– 319, 359 Blancmesnil, Madeleine Potier de 319 Blancmesnil, René Potier de 314 Blanka von Kastilien 137, 172, 178, 189 Bodin, Jean 62, 334 Bontemps, Honoré 76 Bossuet, Jacques-Bénigne 157, 168 Bouillon, Frédéric de La Tour d’Auvergne, Duc de 234

Bouthillier, Claude de 262 Brachart, Charlotte de 60 Brancas, Suzanne Garnier, Comtesse de 225 Brantôme, Pierre de Bourdeilles de 71f. Brassac, Catherine de Saint-Maure de Montpensier, Comtesse de 304 Brassac, Jean Gallard de Béarn, Comte de 289 Brasseuse, Susanne de 363, 387 Brégy, Charlotte de Saumaize, Comtesse de 225, 292, 384–386, 390 Brienne, Henri-Auguste de Loménie, Comte de 226, 262 Brienne, Louise de Béon du Massés, Comtesse de 226, 382 Brienne, Louis-Henri de Loménie, Comte de 296f., 368 Bruges, Marie de 378, 389 Buckingham, George Villiers, Duke of 16 Budé, Guillaume 398 Bussy-Rabutin, Roger de 216 Buzenval, Nicolas Choart de 319 Caesar, Gaius Julius 99 Calpurnia 99 Caussin, Nicolas 62, 209, 214, 249, 363 Champaigne, Philippe de 94 Chandenier, François de Rochechouart, Marquis de 308 Chaumelz, Léonard de 11, 13f., 142 Chaumont, Marie de Bailleul, Dame de 258 Chavigny, Léon de Bouthillier, Comte de 288 Chémerault, Françoise Barbezières, Demoiselle de 250 Chevreuse, Claude de Lorraine, Duc de 371 Chevreuse, Marie de Rohan-Montbazon, Duchesse de 16, 212, 249, 342, 367, 371–374, 382f. Chigi, Kardinal Flavio 119, 125, 358f. Chlodwig I. 172 Choisy, François-Timoléon de 210 Choisy, Jeanne-Olympe Hurault de L’Hospital, Dame de 226 Christina von Frankreich 225

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Personenregister

Christine von Schweden 183, 225, 230 Chrodechild 172 Colbert, Jean-Baptiste 32, 118, 149, 294, 329 Coligny, Gaspard III. de 156 Compans, Anne de 390 Concini, Concino 112, 207, 246–248, 255, 365 Condé, Charlotte Marguerite de Montmorency, Princesse de 173 Condé, Henri II. de Bourbon, Prince de 111, 309, 353f. Condé, Louis II. de Bourbon, Prince de 267, 353–355 Contarini, Angelo 144 Conti, Armand de Bourbon, Prince de 220, 355 Coquault, Oudard 203 Corneille, Pierre 142, 169, 175–177, 198, 375 Cureau de La Chambre, Martin 58 Cyrano de Bergerac, Savinien 111, 160 Dampmartin, Pierre de 234, 291 Danse, Michel 248, 271 Decret, Claude 306 Denbigh, Susan Feilding, Countess of 344 Des Marets, Comte 215 Des Roches, Catherine 60 Des Roches, Madeleine 60 Descartes, René 58 Donneau de Visé, Jean 138 Du Bois, Marie 274–277 Du Bosc, Jacques 57f., 64 Du Tot, Mme (Opportune Oudé) 252 Dubois, Ambroise 91 Dubois, Jean 89 Ducros, Simon 173 Dupuis, Charlotte 387–389 Elbeuf, Charles II. de Guise-Lorraine, Duc d’ 272 Elisabeth von Frankreich 252 Elisabeth I. von England 204 Faure, François 115, 359, 361f. Félibien, Michel 189 Fernier 75f. Ferraige, Jacques 179 Fleix, Marie-Claire de Bauffremont, Comtesse de 221, 311, 313, 376, 385, 390

Fleury, Claude 126, 152, 377, 389 Foix-Candale, Henri François de 313 Foix-Candale, Jean-Baptiste Gaston de 312 Fouquet, Basile 233 Fouquet, François 226 Fouquet, Marie de Maupéou de 226, 233 Fouquet, Nicolas 233 Fromentières 75f. Fronsac, Jean Armand de Maillé, Duc de 235 Fuente, Don Gaspar de Teves y Tello de Guzmán, Marqués de la 120, 221 Furion, Antoine 13, 121 Galigaï, Leonora 246 Genlis, Stéphanie-Félicité Du Crest, Comtesse de 109 Gerzan, François Du Soucy, Sieur de 69 Gilbert, Gabriel 177 Gomberville, Marin Le Roy, Seigneur de 169 Gonzague, Anne de 15 Gournay, Marie de 60, 175 Grammont, Abbé de 132, 168, 194 Gramont, Antoine II., Comte de 221 Gregor XIII. (Papst) 149 Grimani, Giovanni 144 Guéret, Gabriel 122 Guiche, Armand de Gramont, Comte de 215 Guillaume, Jacquette 61 Harrach, Kardinal Ernst Adalbert von 118 Hautefort, Marie de 217, 225, 252, 271, 292, 325, 379f., 383f., 396 Heinrich von England 342 Heinrich III. von Frankreich 200, 226 Heinrich IV. von Frankreich 54, 62, 98, 136, 186, 259, 401 Heinsius, Nikolaes 138 Henrietta Anna von England 215, 222, 344 Henrietta Maria von Frankreich 29, 262, 342–344 Huxelles, Louis Châlon du Blé, Marquis d’ 226 Huxelles, Marie de Bailleul, Marquise d’ 226, 258 Innozenz X. (Papst)

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Personenregister Isabella von Aragón 137 Isabella von Kastilien 105 Jakob I. von England 409 Jansen, Cornelius 71f. Johanna von Aragón 91 Jonchères, Anne Françoise du Quesnel, Dame de 309 Karl von England 342 Karl I. von England 112, 342f. Karl II. von England 119, 312, 343f. Karl V. (HRR) 99, 193 Karl VI. von Frankreich 73 Katharina von Medici 29, 33, 47, 55, 81, 89, 92, 102, 113, 170, 172, 193, 197, 200f., 217, 223, 255, 259, 261, 406 Kleopatra VII. 99 La Chesnaye, Louise de Taverny, Dame de 252 La Fare, Charles-Auguste de 346 La Fayette, François de 309 La Fayette, Louise Motier de 305 La Fayette, Marie-Madeleine Pioche de La Vergne, Comtesse de 228, 287 La Flotte-Hauterive, Catherine Le Voyer de Lignerolles du Bellay, Baronne de 252 La Meilleraye, Charles de La Porte, Marquis de 289 La Porte, Pierre de 251, 271, 372 La Rochefoucauld, Isabelle de 303 La Rochefoucauld, Jean Louis de 303 La Suze, Henriette de Coligny, Comtesse de 156, 226 La Tessonerie, Gillet de 177 La Trémoille, Charlotte Catherine de 353 Labé, Louise 60 Lalane 76 Lambert, Marie 271f. Lannoy, Charlotte de Villers-Saint-Paul, Comtesse de 303 Lansac, Françoise de Souvré de Saint-Gelais, Marquise de 252, 307, 381, 388 Le Boux, Guillaume 77, 136f., 213 Le Bret, Cardin 71 Le Brun, Charles 387 Le Camus, Charlotte Melsons, Dame de 228 Le Duc, Gabriel 150 Le Gendre, Marie 60 Le Gras, Nicolas 262

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Le Moyne, Pierre 55–58, 64f., 114, 181, 223 Le Petit, Claude 196, 203, 241, 408 Le Sueur, Eustache 100f., 308 Le Tellier, Michel 226, 276 Le Vau, Louis 95f. Leduc, Jean 158 Lemercier, Jacques 93, 95 Leopold I. (HRR) 120 Lerambert, Louis 101 Lerma, Don Francisco Gómez de Sandoval y Rojas, Duque de 246–248 Leslie, John 72 Lionne, Hugues de 226 Lionne, Paule Payen, Dame de 226 Longueville, Henri II. d’Orléans, Duc de 354 Loret, Jean 172, 290, 310, 384 Louise de Lorraine 259, 261, 298 Lucius Quinctius Cincinnatus 98f. Ludwig von Frankreich (Dauphin) 122 Ludwig IX. von Frankreich 178 Ludwig XIII. von Frankreich 17, 19, 25, 30, 54, 73, 86–88, 90–92, 98, 100, 103f., 115, 136, 146, 164, 192, 198f., 208–210, 212, 216, 218, 222, 229, 236, 245–249, 251–255, 262, 270, 275, 287, 293, 305, 320, 323, 332, 340–342, 353, 364, 371f., 377f., 387, 404f., 411, 413f., 417, 419 Ludwig XIV. von Frankreich 17, 24f., 33, 48, 50, 80, 88, 91f., 95, 104, 115–120, 124, 126, 128, 133, 136–138, 140, 150, 152, 158, 164, 168, 170, 175, 178, 183, 185, 188, 199f., 202f., 215–218, 222, 231, 241f., 254f., 257, 262, 264, 269, 271, 275, 283, 286, 295f., 301f., 311, 323, 325f., 332, 338f., 341, 343f., 346, 355, 358, 361f., 365, 368–370, 384, 388f., 395, 401, 407, 410f., 415–417, 419 Lumagne, Marie 161 Lusignan de Saint-Gelais, Marie de 252 Luynes, Charles d’Albert, Duc de 249f., 255, 285, 293, 323, 364, 371 L’Escalopier, Nicolas 183 L’Hospital, Michel de 226 Magnien, Charles 53, 111, 151, 194 Maintenon, Françoise d’Aubigné, Marquise de 368 Mairet, Jean 175 Maisons, René de Longueil, Marquis de 386 Malingre, Claude 71

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Personenregister

Mancini, Olympia 297, 367 Mancini, Philippe 296 Manneville, Catherine de 264 Marca, Pierre de 359 Margarete von Navarra 29 Margarete von Valois 227 Maria Anna von Bayern 217 Maria Anna von Österreich 345 Maria Anna von Spanien 345 Maria Leszczyńska 29 Maria Theresia von Österreich 392 Maria Theresia von Spanien 92, 101, 109, 120f., 124, 135f., 158, 170, 195, 211, 215, 226f., 259, 265, 286, 297, 301, 334 Maria von Medici 14, 30, 46f., 55, 78, 81, 90, 95, 98f., 101, 112f., 121, 123, 125, 149, 164, 183, 193, 200, 207f., 221, 224, 227, 229, 246f., 249f., 255, 259, 284, 303, 314, 334, 351, 358, 405f., 411–413 Marie-Antoinette von Österreich 33, 108f. Marillac, Louise de 233 Martinozzi, Anna Maria 220, 225, 297 Maugiron, Virginie de 263 Mazarin, Kardinal Jules 15, 19, 26f., 32, 49f., 73, 98f., 108, 111–115, 117, 140, 153f., 156, 160, 169, 172, 174–176, 195, 220f., 228, 233, 235f., 239f., 254, 265, 268, 271f., 276, 285–297, 308f., 312, 315–319, 323, 343, 348, 354f., 358f., 362–370, 372–374, 383, 404, 407, 414– 418, 420 Mazarin, Michel 295f., 359 Mercurin, Marquis de 114 Mignard, Pierre 128 Milley, Louise de 264, 377f. Mirabel, Antonio de Zúñiga y Dávila, Marqués de 248, 251 Miremont, Jacqueline de 71f. Mâcon, Guillaume de 362 Molé, Mathieu 164, 387f., 393 Molière (Jean-Baptiste Poquelin) 215, 375 Montagu, Walter 342f. Montaigne, Michel de 54, 62 Montausier, Julie d’Angennes, Duchesse de 122, 221, 382 Montbazon, Marie d’Avaugour, Duchesse de 226 Monteleón, Héctor Pignatelli, Duque de 246 Montglat, François de Paule de Clermont, Marquis de 293

Montmor, Anne-Louise Habert de 387 Montmorency, Charlotte Marguerite de 353, 355 Montmorency, Henri II., Duc de 173 Montpensier, Anne Marie Louise d’Orléans, Duchesse de 15, 65, 136, 262, 354 Motteville, Françoise Bertaut, Dame de 32, 118, 159, 179, 198, 203, 208, 214, 216, 222, 224f., 227–229, 235, 238, 257, 261f., 270, 293, 296–298, 302f., 318, 341, 348, 364, 383f., 386, 390, 393 Navailles, Philippe II. de Montaut-Bénac, Duc de 265 Navailles, Suzanne de Beaudéan-Parabère, Duchesse de 225, 265 Nemours, Anna d’Este, Duchesse de 284 Nemours, Marie d’Orléans, Duchesse de 293 Nervèze, Suzanne de 68, 176 Neuillan, Angélique de Beaudéan-Parabère, Demoiselle de 265 Noailles, Louise Boyer de Sainte-Geneviève-des-Bois, Duchesse de 221, 225, 384, 390 Nocret, Jean 101 Noiron, Marie Le Carron Beaurepas, Demoiselle de 254 Ondedei, Zongo 359 Orléans, Elisabeth Charlotte von der Pfalz, Duchesse d’ 368 Orléans, Gaston de Bourbon, Duc d’ 73, 111, 288, 291, 354 Orléans, Philippe de Bourbon, Duc d’ 91, 93, 136 Ormesson, Nicolas Lefèvre d’ 13 Orsini, Kardinal Virginio 157 Parigot, Marguerite 180 Paul V. (Papst) 357 Pelletier, Thomas 230 Pesciony, Charles 13, 64, 75 Pharamond 72 Philipp III. von Spanien 246–248, 413 Philipp IV. von Spanien 118, 138, 251, 339–341, 396 Philipp V. von Spanien 325 Pizan, Christine de 57, 61 Pontis, Louis de 230, 274f., 277, 393 Poullain de la Barre, François 58

Personenregister Pringy, Jeanne-Michelle de 61 Priuli, Francesco 18 Puget de la Serre, Jean 69, 178f., 181 Rambouillet, Catherine de Vivonne, Marquise de 375 Rapin, René 145, 235, 296f. Rapine de Sainte-Marie, Paschal 75f. Rascas de Bagarris, Pierre Antoine de 186 Retz, Jean-François Paul de Gondi, Kardinal de 15, 32, 316 Richelieu, Kardinal Armand-Jean du Plessis, Duc de 16, 19, 25f., 30, 32, 54, 93, 103, 108, 163, 172f., 211, 218, 224, 226, 235, 246, 249f., 252f., 255, 265, 287– 289, 292, 304f., 315, 320, 323f., 364f., 372, 375, 417, 419 Rivera, Miguel 248 Romanelli, Giovanni Francesco 97, 102 Sablé, Madeleine de Souvré, Marquise de 375 Saint-Baslemont, Alberte-Barbe de 65 Saint-Gabriel 64, 223 Saint-Georges, Guillet de 80 Saint-Simon, Louis de Rouvroy, Duc de 15, 285, 293f. Saint-Évremond, Charles de Marguetel de Saint-Denis, Seigneur de 333 Salignac de La Mothe Fénelon, François de 67, 293 Sarasin, Jean-François 174 Sarazin, Jacques 153 Scarron, Paul 162, 175, 375 Schürmann, Anna Maria von 61, 224 Scudéry, Georges de 375 Scudéry, Madeleine de 61, 77, 122, 355 Séguier, Pierre 220, 233, 351 Séguin, Mme 258 Séguin, Patrocle 251 Séguin, Pierre 268 Senault, Jean-François 58 Senecey, Henri de Bauffremont, Marquis de 303

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Senecey, Marie-Catherine de La Rochefoucauld, Marquise de 275, 299, 303–313, 317, 326, 376, 379, 382, 390 Serroni, Hyacinthe 134, 165 Servien, Abel 262 Seyssel, Claude de 398 Soissons, Eugen Moritz von Savoyen-Carignan, Comte de 367 Somaize, Antoine Baudeau de 225 Stella, Jacques 94f. Strozzi, Luigi 172 Subligny, Adrien-Thomas Perdou de 165 Suchon, Gabrielle 61 Tasso, Torquato 91 Tate, Nahum 72 Thou, Jacques-Auguste de 262 Torre, Inés Enríquez y Sandoval, Condesa de la 246f., 298 Torstensson, Lennart 339 Tubeuf, Jacques 266, 286, 359 Tubeuf, Michel 359 Turenne, Henri de La Tour d’Auvergne, Vicomte de 221, 234 Urban VIII. (Papst) 287, 316, 357 Ursins, Marie-Anne de La Trémoille, Princesse des 325 Valette, Élisabeth Jeanne Françoise Regnart, Duchesse de la 379 Varennes, Anne Andrieu, Dame de 305 Vavasseur, François 169 Vendôme, César de Bourbon, Duc de 235, 375 Vernet, Antoinette d’Albert de Luynes, Dame du 249 Vignon, Claude 65 Villaquirán, Doña Estefanía de 248 Vincent de Paul (Heiliger) 155, 157, 160, 163, 233, 239, 275, 310, 381f. Voiture, Vincent 375 Voltaire (Jean-Marie Arouet) 391 Vouet, Simon 93–95