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German Pages 544 [546] Year 2009
Jan Foitzik, geboren 1948 in Sandau/Schlesien, Dr. phil. M. A., Politologe/Historiker, 1976-1978 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München, 1977-1993 am Arbeitsbereich DDRGeschichte der Universität Mannheim, seit 1994 an der Außenstelle Potsdam bzw. Berlin des Instituts für Zeitgeschichte München. Zahlreiche Veröffentlichungen, insbesondere zur deutschen Nachkriegsgeschichte sowie zur Geschichte des internationalen Kommunismus. Mitherausgeber des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung.
Akademie Verlag
Jan Foitzik Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945-1949
(SMAD)
Quellen und Darstellungen zur
Zeitgeschichte Herausgegeben vom Institut für Zeitgeschichte Band 44
Akademie Verlag
Jan Foitzik
Sowjetische
Militäradministration in Deutschland (SMAD) 1945-1949 Struktur und Funktion
Akademie Verlag
Abbildung auf dem Schutzumschlag: Dienstsitz des Obersten Chefs der SMAD in Berlin-Karlshorst, Ecke Rheinsteinstraße/Zwieseler Straße Quelle: Bundesarchiv Koblenz E 406/22/29
CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Bibliothek -
Foitzik, Jan:
Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD)
:
1945
1949
:
Struktur und Funktion /Jan Foitzik. Berlin : Akad. Verl., 1999 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte ; Bd. 44) des Instituts für Zeitgeschichte im Akademie Verlag) Publikation (Eine ISBN 3-05-002680-4 -
-
© 1999 Akademie Verlag GmbH, Berlin Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der R. Oldenbourg-Gruppe.
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Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf, München Satz: Dörlemann Satz, Lemförde
Druck: WB-Druck, Rieden
Bindung: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach Printed in the Federal
Republic of Germany
Inhalt Abkürzungsverzeichnis.
9
Einleitung.
13
L Arbeitsziele.
2.Quellenlage.
13 19
I.
Vorgeschichte. 1. Völkerrechtliche Grundlagen. 2.Institutionen der sowjetischen Nachkriegsplanung. 3.Überlegungen zur Besatzungsorganisation. 4. Vorbereitung für die BesatzungsVerwaltung.
31 31 35 40 44
II.
Besetzung.
49 49 52 75 88 88 92
1. Kriegsende.
2.Deutsche und Russen.
3.Besatzungsorganisation.
4. Erste Probleme der Besatzungsverwaltung.
Repatriierung, Vertreibung, Deportationen. Truppenversorgung und Kriegsbeute.
III.
Organisationsstruktur. 1. Zentrale Einrichtungen. Kriegsrat. Entwicklung der Führungsgremien. Positionsinhaber. 2.Funktionale Organisationsstruktur.
Zentralverwaltungen.
Vertikale Funktionsstruktur. 3.Territoriale Gliederung.
Landesverwaltungen.
Bezirskommandanturen. Kreis-, Rayon- und Ortskommandanturen. Sondereinheiten der SMAD. 4. Sonderorganisationen.
WKP(B) und Komsomol in der SMAD.
Sicherheitsapparat.
97 97 114 118 124 140 140 147 149 149 153 155 156 158 158 161
6
Inhalt
Internierungslager des NKWD/MWD. Apparat des Bevollmächtigten des Besonderen Komitees für
Deutschland beim GOKO/beim Ministerrat. Verwaltung für sowjetisches Vermögen in Deutschland
....
Wismut SAG.
Sowjetische Handelsgesellschaften. Sonderverwaltungen. Exkurs: Entnahmen durch die Besatzungsmacht.
Technische Büros. Sowjetisches Nachrichtenbüro der SMAD. Antifa-Schulen. Massenkommunikationsmittel. Verlag der SMAD.
5. Personalpolitik. 6. SMAD als Arbeitsplatz.
IV.
Führungsstruktur und Kommunikation. 1. Externe Führungsstruktur. Rechtsquellen der SMAD. Politische Führungsinstanzen. Kompetenzdiffusion. 2. Externe Kommunikation und Kontrolle.
3.Politische Koordination. 4.Interne Führungsstruktur.
Allgemeine Grundsätze der militärischen Führung. Innere Dienstordnung.
Vorschriften über den Grenzübertritt.
Geheimhaltungsvorschriften.
5.Interne Kommunikation.
Kommunikationstechnik. Spezifika der internen Kommunikation. Interne Kontrolle. V.
Wirkungsmechanismen. 1. Befehlsorganisation. Befehlsformen. Schriftliche Befehle.
Befehlskollationierung. Befehlsverteilung. Befehlsform und Befehlswille. Dirigismus und Interventionismus : Weitere Formen der
Willensübertragung.
2.Kontrolle.
167 177 180 184 186 187
187 191 192 195 197 200 202 214 219 219 219 227 242 254 266 278 278 279 287 288 291 291 297 300 301 301 301 304 307 309 313 314 317
7
Inhalt
3. Informationsmonopol.
324 326
Außenwirkung. 1. Wiederherstellung der deutschen Selbstverwaltung. 2.Deutsche Zentralverwaltungen als Organe der Besatzungsmacht. 3.Permanenter Verfassungsnotstand.
331
4.Zensur. VI.
4.Der Befehl Nr. 234 vom 9. Oktober 1947. 5. SED als Koordinierungsinstanz.
6.Deutsche Wirtschaftskommission. 7. „Extralegale Intervention".
8. „Gemischtes System". 9. Deutscher Einfluß. 10. Exkurs: Ergebnisse der Personalpolitik von SMAD und
331
342 347 365 372 384 392 397 404
KPD/SED im öffentlichen Dienst.
410
Zusammenfassung.
423
Anhang.
435
VII.
I.
Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland/Sowjetischer Teil
....
1. Koordinationskomitee.
2.Direktorate.
3.Hilfsapparat. Sowjetische Militäradministration in Deutschland.
435 435 435 438
Thüringen.
439 439 442 450 450 452 453 454 455 455
III.
Kurzbiographien.
456
IV.
Quellen und Literatur. 1. Forschungsstand.
482 482 494 497
II.
1. Kommando. 2. Fachstruktur. 3. Territorialstruktur.
Berlin.
Brandenburg. Mecklenburg. Sachsen. Sachsen-Anhalt.
2. Archive. 3. Amtliche Drucksachen.
8
Inhalt 4. Dokumentationen.
V.
5.Zeitgenössische Zeitungen und Zeitschriften. 6. Wissenschaftliche Zeitschriften. 7. Unveröffentlichte Manuskripte. 8. Literaturhinweise.
497 500 501 501 502
Personenregister.
534
Abkürzungsverzeichnis ACA ACC ADN AK AMGOT
Antifa AsD AWP RF BAK BAP BLHA BzG CDU CIA
CSR DA DBD DDR DEFA DFD Dir. DSF DWK EAC EKKI FDGB
FDJ
GARF
GKO, GOKO GlawPUR/ GlawPURKKA
Allied Control Authority Kontrollrat Allied Control Council Kontrollrat Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst Alliierte Kommandantur [von Berlin] Allied Military Government for Occupied Territories Antifaschismus, antifaschistisch Archiv der sozialen Demokratie, Bonn Archiw wneschnei politiki Rossijskoi Federazii Archiv für Außenpolitik der Russischen Föderation, Moskau Bundesarchiv Koblenz Bundesarchiv, Außenstelle Potsdam (jetzt: Berlin) Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Christlich-Demokratische Union Deutschlands Central Intelligence Agency Ceskoslovenska Republika Tschechoslowakische Republik Deutschland Archiv Demokratische Bauernpartei Deutschlands Deutsche Demokratische Republik Deutsche Film Aktiengesellschaft Demokratischer Frauenbund Deutschlands Direktor Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Deutsche Wirtschaftskommission European Advisory Commission Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Freie Deutsche Jugend Gossudarstwenny archiw Rossijskoi Federazii Staatsarchiv der Russischen Föderation, Moskau Gossudarstwenny Komitet Oborony Staatliches Verteidigungskomitee der UdSSR =
=
=
=
=
=
Glawnoje Polititscheskoje Uprawlenije (Rabotsche-Krestjanskoi Krasnoi Armii) Politische Hauptverwaltung der =
Abkürzungsverzeichnis
10
Sowjetischen
Armee bzw. bis 1946 der Roten Arbeiter-
und Bauernarmee GRU GSOWG GUKR
Glawnoje Raswednoje Uprawlenije Hauptverwaltung Aufklärung des Generalstabes Gruppa Sowetskich okkupazionnych woisk w Germanii Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland Glawnoje uprawlenije Kontra-raswedki Hauptverwal=
=
=
tung Abwehr des Generalstabes GULAG GUR HO IfZ IML
k.A. Kominform Komintern KPD
KPdSU KPSS KPTsch LDPD Ltr. MGB
Glawnoje Uprawlenije Lagerow Hauptverwaltung Lager Glawnoje Uprawlenije Raswedki Hauptverwaltung Aufklärung des Generalstabes Handelsorganisation Institut für Zeitgeschichte München =
=
Institut für Marxismus-Leninismus keine Angabe(n) Informationsbüro kommunistischer Parteien Kommunistische Internationale Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion Kommunistitscheskaja Partija Sowetskowo Sojusa Kommunistische Partei der Sowjetunion, bis 1952 WKP(b) Kommunistische Partei der Tschechoslowakei Liberal-Demokratische Partei Deutschlands Leiter Ministerstwo/Ministr gossudarstwennoi besopasnosti Ministerium/Minister für Staatssicherheit (ab 1946, vorher =
=
NKGB)
MWD NDPD NKGB
Ministerstwo/Ministr wnutrennych del Ministerium/ Minister für Inneres (ab 1946, vorher NKWD) National-Demokratische Partei Deutschlands Narodny komissariat Komissar gossudarstwennoi besoVolkskommissariat/Volkskommissar für pasnosti Staatssicherheit (bis 1946, danach MGB) Nationalkomitee „Freies Deutschland" Narodny komissariat/Komissar wnutrennych del Volkskommissariat/Volkskommissar für Inneres (bis 1946, danach MWD) Nationalsozialismus, nationalsozialistisch Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Office of Military Government of the United States in Ger=
=
NKFD NKWD
NS NSDAP OMGUS
=
many
OMS
Politbüro
Otdel meschdunarodnych swjasei [der Komintern] teilung für internationale Verbindungen Politisches Büro
=
Ab-
11
Abkürzungsverzeichnis PRO PV PURKKA RSFSR
Public Record Office London Parteivorstand siehe GlawPURKKA
Rossijskaja Sozialistitscheskaja Federatiwnaja Sowetskaja Respublika Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik Rossijski Zentr Chranenija i Isutschenija Dokumentow =
RZChilDNI
Noweischei Istorii Russisches Zentrum für die Aufbewahrung und Erforschung von Dokumenten der neuesten Geschichte, Moskau Sowjetische bzw. Staatliche Aktiengesellschaft(en) Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR im Bundesarchiv Sowjetisch Besetzte Zone [in Deutschland] Sicherheitsdienst der NSDAP Sozialistische Einheitspartei Deutschlands =
SAG SAPMO BArch
SBZ SD SED SHG SKK/SKKD SMA/SMAD Smersch
Sowjetische Handelsgesellschaft Sowjetische Kontrollkommission in Deutschland Sowjetische Militäradministration in Deutschland Tod den Spionen, Abkürzung Smert schpionam =
für
GUKR SMT SNB SPD SS SSSR
Stawka
Sowjetisches Militärtribunal Sowjetisches Nachrichtenbüro
Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel der NSDAP Sojus Sowetskich Sozialistitscheskich Respublik Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Stawka Werchownowo Glawnokomandowanija Krasnoi Armii Hauptquartier des Obersten Kommandos der Ro=
=
ten
SWA/SWAG TASS
UdSSR UNO USA
VdgB
VfZ
Armee
Sowetskaja Wojennaja Administrazija w Germanii Telegrafnoje Agenstwo Sowetskowo Sojusa Presseagentur der Sowjetunion Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken United Nations Organization =
United States of America Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
WKP(B),WKP(b) Wsessojusnaja Kommunistitscheskaja Partija (bolschewiki) AU-Unions-Kommunistische Partei (Bolschewiki), ab 1952
=
KPdSU
WOKS
Wsessojusnoe Obschtschestwo Kulturnych Swjasei s sagranizei All-Unions-Gesellschaft für kulturelle Bezie=
hungen
mit dem Ausland
12
ZChSD ZfG ZK ZPA ZVOB1.
Abkürzungsverzeichnis Zentrum Chranenija Sowremennoi Dokumentazii Zentrum für die Aufbewahrung zeitgenössischer Dokumente, Moskau Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zentralkomitee Zentrales Parteiarchiv =
Zentralverordnungsblatt
Einleitung 1. Arbeitsziele der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland als nach Völkerrecht mit der treuhänderischen Verwaltung der eines (SMAD) Besetzten Zone (SBZ) beauftragten Organs der Regierung der Sowjetisch UdSSR stand lange in einem Mißverhältnis zu der Aufmerksamkeit, die ihr Historiker widmeten1. Daß sich nach Öffnung früher verschlossener Archive die Situation nicht grundlegend änderte, weist sicherlich auch auf mit dem Thema verbundene Schwierigkeiten methodischer Art hin. Der Versuch, eine Organisation, deren Selbstdarstellung und Fremdwahrnehmung ein wichtiges Element ihrer Wirkung war, in einzelne Bestandteile zu zerlegen, um reale Strukturen und Funktionen zu demonstrieren, war eine Herausforderung besonderer Art. Er schafft vielfachen Erklärungsbedarf. Ausgangspunkt der Überlegungen bildet der Konsens darüber, daß die SMAD eine komplexe und differenzierte Organisation gewesen ist, die gleichzeitig mehrere, miteinander nicht immer vereinbare Ziele verfolgte. Einigkeit herrscht in der Forschung auch in dem Punkt, daß in der Politik der SMAD bzw. unmittelbar in der sowjetischen Deutschlandpolitik ein Zielwandel stattgefunden hat umstritten ist lediglich der genaue Zeitpunkt. Diese Erklärungslücke hinsichtlich des wiederholt konstatierten Zielwandels wird hier aber nicht auf der Grundlage der Theorie von einem Gruppen- oder Zielkonflikt innerhalb der sowjetischen oder der SMAD-Führung als Durchsetzung einer Gruppe mit ihrer besonderen Zielsetzung interpretiert, sondern als eine durch organisationsstrukturelle Faktoren bedingte Schwerpunktverlagerung, als eine allgemeine Zielverschiebung infolge einer Konzentration der Gesamtorganisation auf eine Aufgabe, die vorher nur als Teilaufgabe definiert war. Hier erscheint ein erklärender Rückgriff auf die organisationssoziologische Forschung angebracht, insbesondere auf den von Robert K. Merton entwikkelten Begriff der „latenten Funktion". Danach kann zweckorientiertes Handeln Folgen oder Nebenwirkungen haben, die weder beabsichtigt noch vorhersehbar sind. Solche tagtäglich verifizierbaren Folgen entstehen vor allem in einer Organisation, in der eine Vielzahl von Teilen in komplexer Wechsel-
Die
Bedeutung
-
-
-
wirkung miteinander verbunden ist, so daß eine ursprünglich in zweckvoller Absicht vorgenommene Veränderung eines Organisationselements eine Kette fortwirkender Veränderungen in anderen Organisationsteilen nach sich zieht. Unbeabsichtigte Folgen ergeben sich also aus der Vielfalt der beteiligten Fak-
Vgl. den Bericht zum Forschungsstand im Anhang, IV.
14
Einleitung
wobei ungenügende Einsicht in die Verfahrenskomplexität, Fehlperzeption oder Orientierungslosigkeit nur einige von vielen möglichen Ursachen anzeigen. Solche latenten Funktionen können zur Folge haben, daß das, was ursprünglich nur Mittel zum Zweck war, so verfolgt wird, als wäre es der eigentliche Organisationszweck: Eine Handlungsfolge übrigens, die auch dann eintreten kann, wenn Teilaufgaben nicht genau definiert sind2. Vorgestellt wird die SMAD also als eine komplexe Großorganisation, deren Leistungen nicht nur durch an sie delegierte oder durch selbstgestellte Ziele determiniert waren, sondern ebenso durch ihre formale Organisation wie ihre interne Struktur und Kommunikation. Mit ihrer apparativen Schwerkraft wirkte die SMAD in einer dynamischen Umwelt, woraus sich zahlreiche weitere Rück- und Wechselwirkungen sowohl hinsichtlich ihres Selbstverständnisses wie ihrer Funktion ergaben. Die Entstehung der DDR steüt sich vor diesem Hintergrund in letzter Konsequenz als strukturell-immanentes Resultat und als objektiv unvermeidbare Folge der Organisation der sowjetischen Deutschlandpolitik dar. Solche Überlegungen sind nicht unbedingt neu; schon in seiner monumentalen Darstellung „Vom Reich zur Bundesrepublik" hat Hans-Peter Schwarz festgehalten, daß die Sowjetunion 1949 der „Verlierer im großen Spiel um Deutschland" gewesen sei3. Im Zentrum unseres Interesses stehen aber nicht der organische Strukturdefekt oder der Zusammenhang zwischen externem und internem Organisationsverhalten in der sowjetischen Politik, sondern ihre Verfahrensweisen im Hinblick auf ihr Produkt die SBZ/DDR. „Der Zeitraum 1945-1949 war in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) [...] nicht nur eine Zwischenphase, vielmehr formierten sich schon 1945/46 ansatzweise unterschiedliche politische und gesellschaftliche Systeme, bevor ab 1948 auch über die Teilung Deutschlands und die Herausbildung zweier deutscher Teilstaaten [...] entschieden wurde", resümierten 1990 Martin Broszat und Hermann Weber. Sie fahren fort: „Die Besatzungszeit bis 1949 war im wesentlichen schon konstitutiv für die Ausformung der späteren Verfassungswirklichkeit der toren,
-
DDR."4
Indem eine Reihe organischer und funktionaler Faktoren der sowjetischen Besatzungspolitik benannt wird, soll zum einen ein Beitrag zu einer genaueren 2
3
4
Dieses auf die Gesamtorganisation bezogene Modell dient vornehmlich der Darstellungstransparenz und trägt insbesondere der Tatsache Rechnung, daß sich in der Wissenschaft weitgehend die Meinung durchsetzte, daß die SBZ-Geschichte aus zwei Phasen bestand. Wie gezeigt wird, muß nicht notwendigerweise von einer Schwerpunktverlagerung ausgegangen werden, sondern lediglich von einer Schwerpunktbildung oder Schwerpunktprofi-
lierung.
Schwarz, Hans-Peter: Vom Reich zur Bundesrepublik. Deutschland im Widerstreit der außenpolitischen Konzeptionen in den Jahren der Besatzungsherrschaft 1945-1949, Neuwied und Berlin 1966, S. 260-269. Broszat, Martin/Weber, Hermann
(Hg.) : SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, München 1990, S. 1.
13
Arbeitsziele
Strukturierung dieser Gesamtentwicklung geleistet werden, zum anderen wird angestrebt, interne Funktionszusammenhänge freizulegen, um mit größerer Präzision als bisher Detailprozesse in der sowjetischen Besatzungspolitik in Deutschland beschreiben oder wenigstens damit verbundene Probleme benennen zu können. Wenn dadurch einige der vielen Kontroversen, die sich um „das Geschichte" der doppelten deutschen Nachkriegserfahrung ranken, auf ihre reale ereignisgeschichtliche Bedeutung reduziert werden könnten, wäre bereits einiges gewonnen. Der heillose Glaubenskrieg z.B., ob nun die Sowjetunion Deutschland spalten wollte oder nicht, ob die Sowjetunion die SBZ ab 1945 oder
ab 1947/48
ob es in diesem Zusammenfür inländische demokratische Potentiale Entfaltungsmöglichkeiten hang habe nicht den nur in sogenannten Blockparteien, sondern insbegegeben sondere auch in der KPD/SED oder in der deutschen „Intelligenzija". Wenn gleich an dieser Stelle die quellengesättigte Untersuchung von Stefan Creuzberger genannt wird, die abermals minutiös bestätigt, daß das von der Besatzungsmacht abhängige und durch sie kontrollierte politische System in der SBZ schon 1946/47 in den Grundzügen implementiert war6, dann vor allem auch deshalb, um auf ein Mißverständnis aufmerksam zu machen, das nur davon lebt, daß es nicht laut ausgesprochen wird: „Sowjetisierung auf Befehl" schließt methodisch die „Abwicklung auf Befehl" ein. Der Befehlszwang ist kein hinreichendes Kriterium. Im Vordergrund der Arbeit stehen also Organisations- und Verfahrensaspekte des Wirkens der sowjetischen Besatzungsmacht in Deutschland im Zeitraum von 1945 bis 1949. Im ersten Kapitel werden Voraussetzungen, Umfang und Begleitumstände der Tätigkeit der SMAD skizziert einschließlich des vorgefundenen, in ursprünglichem Sinn demokratischen Potentials. Diese Faktoren wirkten unmittelbar auf das Organisationsverhalten der SMAD ein. Hierzu gehört auch die Tatsache, daß das durch den Zweiten Weltkrieg ausgelöste Erdbeben 1949 noch lange nicht zu Ende gegangen war. Nicht nur die SMAD exekutierte in der SBZ ihre Amtstätigkeit: Ihre Autorität stellte die permanente Bedrohung durch eine halbe Million kriegstauglicher Soldaten erst
„sowjetisiert"5 habe,
etwa
-
-
-
5
6
Der Ausdruck
„Sowjetisierung" wird in dieser Arbeit lediglich in unspezifischem Sinne zur Beschreibung von Prozessen verwendet, die die machtpolitische Einbeziehung in den sowjetischen Hegemonialbereich, die Umgestaltung des ökonomischen, sozialen und politischen Systems oder kulturell-ideelle Nivellierung nach „sowjetischem Vorbild" bezweckten. Eine Auseinandersetzung über ein Imitat, das origineller war als das Original, kann hier nicht geführt werden. Creuzberger, Stefan: Die sowjetische Besatzungsmacht und das politische System der SBZ,
Weimar u.a. 1996. Siehe auch: „die überwiegende Zahl der Eingriffe [der SMAD hatte] bereits vor der DWK-Bildung am 4. Juni 1947 stattgefunden [...] und die ordnungspolitische Einflußnahme mittels schriftlicher Befehle [hatte] sich bereits vor der Erweiterung der DWK [im Februar 1948] erschöpft" (vgl. Inventar der Befehle des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) 1945-1949. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte zusammengestellt und bearbeitet von Jan Foitzik, München u.a. 1995, S. 56).
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Einleitung
sicher. Die in ihrer Grundhaltung in Ost und West konstante politische Umwelt stellte schließlich das historische Kontinuum in einem schwierigen Prozeß der demokratischen Selbstbestimmung dar, dessen erste Phase durch völkerrechtlich legitimierte treuhänderische Fremdbestimmung gekennzeichnet war. Schon wegen vieler dokumentarischer Lücken und nicht weniger offener Detailfragen wird die Organisationsentwicklung unter verschiedenen Aspekten präsentiert, um eine unmittelbare Anschauung von der Fulminanz dieses bürokratischen Kolosses mit einem beweglichen Schwerpunkt wie von der Gravitationskraft seines Eigengewichts zu vermitteln (aber auch, um mittelbar den Popanz und das Imponiergehabe der Besatzungsverwaltung vor Augen zu führen). Es folgen Aussagen über Struktur und Funktion des Steuerungs- und Leistungssystems. Dabei verschiebt sich der Blickwinkel allmählich auf die Außenwirkung und ihre Resultate, die dann im letzten Teil im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Einschränkend sei festgehalten, daß dies vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Einwirkungsmethoden der Besatzungsmacht geschieht und die Entwicklung deutscher Institutionen folglich nicht systematisch behandelt wird. Zwei Exkurse runden das Bild ab: Der erste thematisiert die finanziellen Transferleistungen nach der Sowjetunion. Einige Zahlen zur Personalpolitik sollen im zweiten Exkurs auf blinde Stellen in der Wahrnehmung der Geschichte der SBZ/DDR wie der KPD/SED aufmerksam machen. Die Gliederung der Stoffülle schuf erhebliche Probleme; den Ausschlag gab letztlich die Feststellung von Clausewitz, daß die „logische Träumerei" von Systematikern kritisch als primäre Irrtumsursache zu würdigen sei: außer den Realfaktoren kennt der Krieg als dynamische Form von Politik keine abstrakten Gesetzmäßigkeiten. Wenn ich mich insgesamt zurückhaltend zur Gesamtwirkung äußere, dann deshalb, weil der in der SBZ von der SMAD eingeleitete Prozeß 1949 noch keineswegs abgeschlossen war. Auch tauchten Probleme auf, die aus Gründen methodologischer Kompatibilität ein Innehalten geboten erscheinen ließen: Hierzu gehören nicht nur die sich aus der Detailanalyse ergebenden dichten Hinweise auf ein „gemischtes System", sondern auch der immer wieder an die Oberfläche durchbrechende und mehrfach gebrochene Etatismus der KPD/SED, der einer genauen Verortung bedarf- sowohl in der Perspektive des Staats-Negativismus der KPD in der Weimarer Republik als auch im Kontext des Nachkriegskommunismus. Wenn auf kommunismusgeschichtliche und deutschlandpolitische Argumentationsmuster sowie den Ost-West-Gegensatz insgesamt nur zurückhaltend rekurriert wird, dann vor allem wegen der Gefahr, daß aus dem bundesdeutschen Demokratieverständnis abgeleitete aposteriorische Elemente den
Blick auf genetische Aspekte der SBZ-Entwicklung verstellen können. Zweifellos begleiten artifizielle Affekte jede Form von Besatzungspolitik; allerdings muß das Prinzip, daß der Zweck allein die Mittel nicht heiligt, ein allgemeines bleiben. Zudem ist die historiographische Verortung der sowjetischen Deutschlandpolitik in der Weltpolitik im allgemeinen und der sowjetischen Nach-
Arbeitsziele
17
in Ostmitteleuropa im besonderen bislang keineswegs zureichend: Weder der häufig postulierte kategorische, ideologisch begründete Expansionsimperativ noch ein realistisches „risikoscheues Kalkül" (Andreas Hillgruber) enthalten Hinweise darauf, inwiefern der oft vorausgesetzte hohe Stellenwert Deutschlands in der sowjetischen Nachkriegspolitik real oder lediglich funktioneil bestimmt war, ob nicht vielmehr in der sowjetischen Deutschlandpolitik von unterschiedlichen und sich wandelnden Prioritätensetzungen ausgegangen werden muß. Oder mit anderen Worten: Ab wann die sowjetische Nachkriegspolitik als moderne Globalpolitik zu verstehen und wie ihre Deutschlandpolitik in diesem Kontext zu positionieren ist. In der Darstellung mußten viele Kompromisse gemacht werden. Im Grundsatz wird gleichzeitig deskriptiv und systematisch vorgegangen, wobei der Schwerpunkt wechselt. Stellenweise entsteht dadurch der Eindruck von Wiederholungen und Inkonsistenz; dies war nicht zu vermeiden. Manches wird unbefriedigend erscheinen beispielsweise die ungleichmäßige Dichte zwischen Dokumentation und Analyse; dies hat oft technische Gründe zur Ursache, weil einige Fakten für mitteilenswert gehalten wurden. Vielfach wird unmittelbar evident, daß reale wie verbale Fakten nicht immer „an und für sich" als „wichtig" oder „unwichtig" unterschieden, sondern erst in ihrem jeweiligen Kontext eingeordnet werden können, dessen Relativität nicht nur in historischen Epochen zu messen ist? Erhebliche Spannungen erzeugt der Gegenstand selbst, dessen Dynamik nur abstrakt auf Kosten des anschaulichen Quellendetails gebannt werden könnte. Zudem sollten Fragen gestellt werden: In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf aufmerksam zu machen, daß bis etwa Mitte 1947 der Hauptschwerpunkt der Tätigkeit der SMAD in den Ländern und Provinzen der SBZ lag und erst vor dem Hintergrund der anwachsenden Ost-West-Spannungen ein Schwerpunkt- bzw. Tempowechsel entweder tatsächlich stattfand oder aber ein entsprechender „falscher Schein" erzeugt wurde. Vor allem der time-lag zur Entwicklung in der SED, die ihre Politik schon etwa ein halbes Jahr früher modifizierte, legt die Vermutung nahe, daß die frühere bundesdeutsche Geschichtsschreibung in einigen Punkten wohl Opfer der Desinformation durch den Zentralismus der parteilichen Geschichtsschreibung der SED geworden ist, wodurch offenbar auch andere strukturelle Details des Transformationsprozesses zugeschüttet wurden. Zurückhaltend wird bei der Vorstellung abstrakter Ordnungsmerkmale und bei der Dokumentation wie Analyse der Aussagen zur politischen Zielsetzung verfahren, die wie die Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand weitgehend implizite geleistet werden. Nicht nur arbeitsökonomische Gründe sind anzuführen, sicherlich schimmert an manchen Stellen die Frustration
kriegspolitik
-
durch, wenn beispielsweise Termini wie Einheitsfront, Volksfront, ParteienBlock, Nationale Front auftauchen, die nur im Deutschen klar voneinander zu 7
Möller, Horst: Die Relativität historischer Epochen: Das Jahr 1945 in der Perspektive des Jahres 1989, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 18-19/95/28. April 1995, S. 3-9.
Einleitung
18
sind. Da man inzwischen sogar über die Sprachmittlungsqualitäten einzelner Dolmetscher des SMAD-Kommandos Bescheid weiß, darüber, daß wegen solchen nur scheinbar nebensächlichen technischen Aspekten Führungsberatungen abgebrochen wurden usw., erscheint zunächst der Hinweis ausreichend, daß die von der Geschichtsschreibung als „erfolgreich" vorgestellten Besatzungsfunktionäre Semjonow und Tjulpanow im Gegensatz zu dem „glücklosen" Bokow sprachkundig waren. Weitreichende „Transformationsprobleme" entstehen bei aggregierten Chiffren wie etwa dem 1946 einsetzenden „Stalinschen Antisemitismus", zumal großrussischer Antisemitismus als antiwestliche Attitüde gleichzeitig massiv Germanophobie transportiert, im Vergleich mit deutschem Antisemitismus also spiegelverkehrt funktioniert. Ob schließlich Stalins verbale Handlungsakte auf der Grundlage seines „Sowjet-Patriotismus", seines genetischen Lamarekismus, seiner Sprachphilosophie oder idealtypischer Merkmale des Marxismus-Leninismus auszulegen sind, bleibt nach wie vor schleierhaft; Schukows wertvoller Hinweis, daß der Diktator „schrecklich nervös" gewesen sei und alle und alles durcheinander gebracht habe, wird möglicherweise manchen beschwichtigen können. Kompromisse mußten vielfach gemacht werden, um dem Forschungsstand Reverenz zu erweisen. Wenn das Kommunikationssystem der SMAD ausführlich vorgestellt wird, dann steht dahinter auch das Fragezeichen, was es denn transtrennen
-
-
-
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portierte.
Grundsätzlich bleibt es allerdings außerordentlich schwierig, ein durchgehend plausibles Bild von der Zweckrationalität einer Verwaltung zu vermitteln, die buchstäblich (fast) „alles kurz und klein schlägt", also horizontal und vertikal fragmentiert, um das Ganze zunächst unter ihre volle Kontrolle zu bringen, den einzelnen Teilen mit der gleichen Schlag- und Durchsetzungskraft ihre Ordnungsvorstellung aufdrückt, um solche künstlichen Ordnungszellen wie in einem Puzzlespiel zu einem politischen Gesamtgefüge zusammenzustecken, das in erster Linie durch Willkür gekennzeichnet war. Und dieses im logischen Sinne scheinbar widersprüchliche und chaotische Handeln fand darüber hinaus auch noch je nach Wahrnehmungsperspektive entweder gleichzeitig oder zeitlich versetzt statt. Nachzutragen bleibt, daß sogar die in den streng geheimen „Besonderen Mappen Stalins" aufbewahrten Aktenstücke grob widersprüchliche bzw. mißverständliche Angaben enthalten. Auf die Datenqualität zurückzuführende Überschneidungen und Unscharfen konnten mit dem vorhandenen Material nicht immer aufgelöst werden. Sie werden im Text festgehalten, weil sie oft wichtige Hinweise transportieren. Bei Übersetzungen aus Fremdsprachen und bei der Wiedergabe parteiamtlicher Texte wurde die lexische Originalnähe beachtet; russische Bezeichnungen wurden im Nominativ vermerkt. Das Arbeitstempo in russischen Archiven ist daran schuld, daß die Aktentitel nicht immer im Original wiedergegeben werden können. Bei der Transkription aus dem Kyrillischen wurde der Einheitlichheit wegen auf die Duden-Regel zurückgegriffen: Eine exakte wissenschaftliche Transliteration erwies sich angesichts der Quellenhetero-
-
-
-
Quellenlage
19
genität als nicht durchführbar: Die bei den vielen Aktenbildnern unbekannten
und international ohnehin uneinheitlichen Regeln der wissenschaftlichen Umschrift hätten zu Kollisionen mit den Erfordernissen der Quellenkunde geführt. Viele „russische" Namen sind ohnehin im Original nicht bekannt8. Tippfehler
(Dritter) wurden bei einigen Initialen des Vor- und des Vaternamens festgestellt. Wichtige Funktionsträger, die nicht SMAD-Mitarbeiter waren, erhielten bei der ersten Namensnennung eine biographische Notiz. 2.
Quellenlage
Für die Arbeit wurden in der
Hauptsache im Bundesarchiv Koblenz (BAK) bzw. im Institut für Zeitgeschichte in München (IfZ) der OMGUS-Bestand, im Archiv der sozialen Demokratie in Bonn (AsD) der Bestand Ostbüro der SPD und in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR im Bundesarchiv (SAPMO BArch) Bestände des Zentralen Parteiarchivs der SED ausgewertet. Im Zentralen Staatsarchiv der DDR bzw. im Bundesarchiv Abteilungen Potsdam/Berlin (BAP) sowie im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam (BLHA) wurden systematische Stichproben durchgeführt. Außer Ergebnissen früherer Archivrecherchen flössen auch sachthematische Materialien ein, die mir früher von Kollegen (Günter Braun, Thomas Schönknecht, Hermann Schwenger, Siegfried Suckut, Dietrich Staritz) zur Verfügung gestellt wurden. Im Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF) wurden folgende Bestände ausgewertet9: Fonds 7317/opis 2 und opis 8 (Allgemeine Abteilung des Stabes der SMAD, Befehle des Obersten Chefs der SMAD), Fonds 7317/opis 59 (SMAD-Finanzabteilung des Stabes; Personalbestand der Politischen Abteilung/Verwaltung; Verwaltung für Inneres; Abteilung für Zivilverwaltung; Propaganda-/Informationsverwaltung), Fonds 7317s/opis 59 (Personalbestand 1945-49), Fonds 7103/opis 2 (SMAD-Verwaltung Mecklenburg), Fonds 9409s/ opis 1 und ls (Abteilung Speziallager des MWD in Deutschland). Ein Teil dieser Bestände wurde vollständig durchgesehen. Ferner wurden im gleichen Archiv anhand der Bestandsübersichten die Sammlungen „Besondere Mappe Stalins" (Fonds r 9401, opis 2) und „Besondere Mappe Molotows" (Fonds 9401, opis 2) ausgewertet, in denen Kopien von Berichten sicherheitspolizeilicher Dienststellen an die sowjetischen Führer deponiert sind. -
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Daß Schdanow beispielsweise in sieben Transkriptionsvarianten nachgewiesen wurde, bleibt unproblematisch. Was aber weniger prominente Namen betrifft, so sei bemerkt, daß ein in internen CDU-Akten mehrmals mit „Hakaruschi" angegebener Name beinahe als ein „japanischer" identifiziert worden wäre, bis die „richtige" Schreibweise „Makaruschin" (auch „Makaruschkin) entdeckt wurde. Fonds entspricht Bestand, opis Bestandsverzeichnis.
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Einleitung
Im Archiv des Außenministeriums der Russischen Föderation (AWP RF) wurde für diese Untersuchung Aktenmaterial aus den Fonds 457a, 457g und 0457, 0457a (alle: SMAD), 458 (Sowjetische Kontrollkommission in Deutschland), Fonds 082 (Deutschland-Referat) und in geringem Umfang aus dem
Fonds Sekretariat des Außenministers Molotow -
ausgehändigt.
(d.i. Fonds 6 und 06)/opis 8 -
Im Russischen Zentrum für die Aufbewahrung und Erforschung von Dokumenten der neuesten Zeit (RZCHilDNI), in dem Teile des Archivs des ZK der WKP(B)/KPdSU lagern, konnten Aktenstücke aus dem Fonds 17 (ZK WKP(B)) eingesehen werden, und zwar aus den Beständen (opis) 125 (Abteilung Agitation und Propaganda des ZK 1938-48), opis 128 (Abteilung Internationale Information des ZK 1944-50), opis 132 (Abteilung Agitation und Propaganda des ZK 1948-56), opis 137 (Außenpolitische Kommission des ZK der WKP(B)) sowie aus dem Fonds 77 (Schdanow, Andrei Alexandrowitsch). Hier war es zwar grundsätzlich möglich, Aktenmaterial anhand von Findmitteln auszuwählen, allerdings waren nicht alle bestellten Aktenbände deklassifiziert und deshalb nicht verfügbar. Im Moskauer Zentrum für die Aufbewahrung zeitgenössischer Dokumente (ZChSD) wurden anhand der Hilfsmittel die zugänglichen einschlägigen Unterlagen eingesehen. Zur Klärung von Verfahrensfragen war die Durchsicht einiger „Protokolle" („Umlaufverfahren") von Sekretariatssitzungen des ZK der WKP(B)/KPdSU aufschlußreich, die z.T. bis zu drei Mikrofilmrolfen umfaßten. Um eine Benutzungsgenehmigung für das Zentralarchiv des russischen Verteidigungsministerums habe ich mich mehrmals vergeblich bemüht. Für das Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation wurde kein Benutzungsantrag gestellt, weil dies von vornherein aussichtslos erschien.
Die in der DDR entwickelte Archiv- und Bestandsstruktur entsprach den systemspezifischen Bedürfnissen der SED-Geschichtswissenschaft. Schon in der Dienstordnung der Regierung der DDR vom 3. November 1949 detailliert in der Ausführungsanordnung vom 26. Februar 1951 wurde bestimmt, daß alle „Vertraulichen" und „Geheimen Verschlußsachen" nicht in den Verwaltungsarchiven, sondern separat abzulegen waren. Der amtliche Kontakt zu sowjetischen „Freunden" war nach 1949 nur Staatssekretären und Ministern erlaubt, hierbei angefallenes schriftliches Material war grundsätzlich von anderen Dienstvorgängen getrennt im Panzerschrank aufzubewahren. Innerhalb des Parteiapparates wurden verbindliche Registramrvorschriften erst 1963 in Kraft gesetzt. Man muß also davon ausgehen, daß die heute vorliegende archivalische Überlieferung der f949 bzw. 1951 noch in der laufenden Registratur befindlichen oder gar bis 1990/91 sekretierten Aktenstücke mehr oder minder dem Zufallsprinzip entspricht. Auf besondere Reinigungsaktionen in parteilichen und staatlichen Registraturen muß hier nicht eigens hingewiesen werden, um deutlich zu machen, daß Queüenkritik nicht erst „am Papier" beginnen darf. -
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Quellenlage
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Nicht minder problematisch ist die Überlieferungssituation in russischen Archiven. Als ich 1991 zum ersten Mal die Möglichkeit bekam, in damals noch sowjetischen Archiven zu recherchieren, hatte ich bereits in vielen Archiven gearbeitet. Mit der Geschichte der abstrakten Systematik der sowjetischen Archivistik machte ich mich gleich nach ersten Irritationen bekannt, denn in der Praxis war kein System erkennbar10: Manchmal waren die Bestandsübersichten gesperrt, ein anderes Mal die Bestände. Hatte ich beispielsweise die (wenig später wieder gesperrten) Hilfsmittel ausgewertet, so daß ich gezielt Akten bestellen konnte, so waren sie häufig vorübergehend oder dauernd in Benutzung, befanden sich beim Konservator usw. In manchen Archiven wurden die Aktenstücke ausschließlich durch Archivmitarbeiter ausgehoben, ohne daß dem Benutzer ein Einblick in spezifizierte Bestandsbeschreibungen ermöglicht wurde. Als ich später einige Bestände ein zweites Mal bestellte, um Schreibfehler zu berichtigen, hieß es irritiert, ich hätte den (inzwischen wieder gesperrten) Bestand gar nicht gesehen. Dies zur Illustration der Arbeitsbedingungen.
Ich teile dennoch nicht die allgemein verbreitete Skepsis, daß infolge der exFragmentierung der Arbeitsvorgänge wie der Überlieferung eine Rekonstruktion der ursprünglichen EntScheidungsprozesse grundsätzlich nicht möglich sei. Sie ist aber unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum zu leisten. Nur ein Beispiel: Man trifft etwa auf mehrere umfangreiche Entwürfe für einen bestimmten Beschlußvorgang, viele sind handgeschrieben, alle von Hand korrigiert und nicht immer systematisch oder chronologisch geordnet, auf Mikrofilm gezogen, so daß die Farbe der Korrekturstifte nicht erkennbar ist hier eindeutige Klärung herbeizuführen, würde allein einen monatelangen Kollationsaufwand erfordern. Hinzu kommt ein technisches Problem: Westliche Hilfsliteratur ist vor Ort nicht vorhanden und Fotokopien sowjetischer Akten führen bisweilen zur technischen „Stalinisierung", denn Stalin korrigierte (nicht immer) mit einem einfachen Bleistift, schrieb zu Vorlagen, oft auf einen kleinen Zettel, ein einfaches „Ja, J. St.". In einer „wieder gesperrten" Akte läßt sich eine aufgefundene Spur nicht erneut aufnehmen, es läßt sich keine Kopie mehr ziehen, usw. Als Trost bleibt die Selbstironie, daß man anhand der Überlieferungspraxis recht genau abschätzen kann, welches Material man nicht gesehen hat, aber nicht genau darüber Auskunft geben, was einem tatsächlich vorgelegt wurde. Nach den Bestimmungen des Rahmengesetzes zum russischen Archivfonds vom 7 Juli 199311 entscheidet über das „Maß des Verlustes der Schutzwürdigkeit" eines Dokuments, d. h. über die Freigabe für öffentliche Forschungstremen
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zwecke, mangels eines Ausführungsgesetzes auch nach Ablauf der dreißig-
jährigen Sperrfrist der Staatliche Archivdienst Rußlands im Zusammenwirken 10
11
Vgl. Foitzik, Jan: Zur Situation in Moskauer Archiven, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung, Berlin 1993, S. 299-308. Wortlaut in:
Rossiskaja gaseta vom 14. Aug.
1993.
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Einleitung
entweder mit einer parlamentarischen Körperschaft oder aber mit der aktenbildenden Exekutive. Auf abstrakter Ebene bewegen sich die veröffentlichten Geheimhaltungsvorschriften, die allerdings durch vertrauliche Einzelanweisungen laufend ergänzt und konkretisiert werden. Der Begriff „Staatsgeheimnis" wird grundsätzlich extensiv ausgelegt, was die Archivmitarbeiter zusätzlich verunsichert. Dies gilt insbesondere bei personenbezogenen Daten, wobei die nicht nur in Rußland falsche Rechtsauffassung vorherrscht, daß sich dieser Schutz auch auf die im rechtlichen Sinn öffentliche Tätigkeit von Amtspersonen erstreckt. Für Dokumente, die in militärisch-disziplinarischem und geheimdienstlichem Zusammenhang entstanden sind, gelten nach wie vor die entsprechenden Geheimhaltungsvorschriften. Dies gilt selbst dann, wenn der Dokumentenbesitzer nicht der Kompetenz der Fachbehörden unterliegt. Von dieser Regelung sind insbesondere chiffrierte Quellen betroffen12. Daß das übliche archivalische Provenienzprinzip nicht allgemein gilt, zeigt sich schon an der Tatsache, daß im Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation die Dokumente des VI. Sektors der Geschäftsabteilung (Obschtschi otdel) des ZK der KPdSU lagern13. Ob in politisch weniger brisanten Bereichen die allgemeinen Geschäftsvorgänge mit den Ablagen der amtsinternen Verschlußsachen-Abteilungen archivalisch überhaupt zusammengeführt wurden, und wenn ja, nach welchen Kriterien, ließ sich nicht immer klären. Grundsätzlich kann von dem sogenannten Matrjoschka-Prinzip ausgegangen werden: Wie bei dem bekannten russischen Spielzeug in jeder Puppe eine weitere steckt, ist auch bei Archivbeständen davon auszugehen, daß sie unvollständig sind, weil klassifizierte Dokumente oder Aktengruppen auf der Grundlage früherer Registraturvorschriften aus der laufenden Agenda zu entfernen waren und in der Regel heute separate Deposita bilden. Bezeichnend für die allgemeine Archivsituation ist die Auskunft eines Archivars, der auf die Frage, nach welchen Ordnungskriterien ein bestimmter Archivbestand tatsächlich gebildet worden sei, nach einigem Zögern lächelnd antwortete: „sechs Waschkörbe pro Woche"; dieses Wochenplanziel sei später auf die Hälfte reduziert worden. Mit anderen Worten: Den Archivaren waren die Organisationsstrukturen des Aktenbildners, Registraturpläne und ähnliches nicht bekannt. Während der Archivrecherchen wurden spezifizierte Kassationslisten eines Aktenbildners (aus dem Sicherheitsbereich) aufgefunden: Die Dienststelle stellte nach innerbehördlicher Kassation den Bestand selbst zusammen und gab nur das an die Archivverwaltung zur Aufbewahrung weiter, was ihr konvenierte. Der größte Teil der Dokumente und Ordnungsmittel wurde be-
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Das
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System der geheimen Nachrichtenübermittlung befand sich bis 1947 in der Zuständigkeit besonderer Nachrichtentruppen des Volkskommissariats/Ministeriums des Innern (NKWD/MWD) bzw. ab 1947 des Sicherheitsministeriums (MGB). Sie gelangten aufgrund des streng geheimen Beschlusses des Politbüros des ZK vom 23. Juni 1990 in das Archiv des Präsidenten der UdSSR und am 23. Dez. 1991 aufgrund einer Verfügung des Präsidenten der UdSSR ins Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation, vgl. Istotschnik 1/1995, S. 115f.
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Quellenlage
hördenintern vernichtet. Aus solchen abstrakten Geschäftsvorgängen bestellte Aktenkopien wurden übrigens nicht ausgehändigt. Ins Gewicht fallen aber nicht nur früher offensichtlich übliche administrative oder archivalische Bräuche. Erheblichen Einfluß auf Struktur, Erhaltungsund Zugänglichkeitsgrad der Überlieferungen hat auch die gegenwärtig übliche Praxis, daß Amtsdokumente durch pensionierte Behördenveterane deklassifiziert oder der staatlichen Archivverwaltung Deklassifikationsvorschläge durch Kommissionen unterbreitet werden, denen Sachkenner aus dem akademischen und dem administrativen Bereich angehören. Bei der Quellenauswertung ist insbesondere zu beachten auch dies ein Spezifikum der russischen Archivsituation -, daß, wie inzwischen bekannt geworden ist, Ende der sechziger Jahre die ursprünglich handschriftlichen, in „Sondermappen" aufbewahrten Politbüro-Beschlüsse in Maschinenschrift übertragen wurden: Allerdings nicht originalgetreu, sie wurden gleichzeitig nachträglich „zensiert"14. Solche bereinigten Abschriften liegen, vielfach auf einzelne Archive verteilt, in mehreren, unterschiedlich stark veränderten und gekürzten Versionen vor; eine Reihe handschriftlicher Originalvorlagen soll einfach vernichtet worden sein. Keine echten Urkunden stellen auch andere, nur unvollständig maschinenschriftlich „kopierte" Schriftstücke in den zuArchivkollektionen die als Abschriften oder Auszüge in der dar, gänglichen nicht und auch nicht immer als solche erkennbar sind. Regel gekennzeichnet deshalb ebenfalls bei ist Skepsis Quelleneditionen angebracht: Das 1993 (ohne veröffentlichte Protokoll des Juni-Plenums des ZK der KPdSU von Erlaubnis) 195715 enthält beispielsweise nicht einmal den Vermerk des Herausgebers, daß es sich nicht um die authentische Fassung, sondern lediglich um die durch N. S. Chruschtschow redigierte Protokollversion handelt. Erste Hinweise auf den Stellenwert von Behördenakten ergeben sich aus der äußeren und internen Behördenstruktur. Das im Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF) gesichtete Material enthält Dienstunterlagen aus dem Bereich SMAD und ihrem institutionellen Umfeld. Sie informieren gut und in der Regel wenig verfremdet über einzelne Aspekte der behördlichen Tätigkeit. Spezifische Probleme ergeben sich im Archiv des Außenministeriums der Russischen Föderation (AWP RF): Allein der Bestand Sekretariat Molotow für die Jahre 1939-56 umfaßt insgesamt 12 852 und der Bestand Sekretariat Wyschinski für den Zeitraum 1940-54 9321 Aktenbände; eine Bewältigung dieser beiden sachthematisch relevanten Archivablagen ist ohne Findhilfsmittel und bei den formell erlaubten zehn Mappenbestellungen pro Tag kaum zu leisten. Aus dem Bestand des Außenministers Molotow konnten wegen des schleppenden Ausleihverfahrens nur Aktenstücke aus den Jahren 1945-47 gesichtet werden. Die aus dem Bestand SMAD im Archiv des russischen Außenministeriums ausgewerteten Materialien sind auf der anderen Seite insofern heterogen, als -
14 15
Öffentlicher Vortrag von Grant Adibekow, Moskau, 7. April 1994. Poslednjaja „antipartinaja gruppa". Stenografitscheski ottschot ijunskowo (1957 g.) plenuma ZK KPSS, in: Istoritscheski archiw 3-6/1993.
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Einleitung
sich Wichtiges vielfach neben dem Niederschlag administrativer Geschäftsroutinen befindet. Überwiegend behandeln sie innere Dienstvorgänge und interne Korrespondenz zwischen Berlin und Moskau aus jenem Funktionsbereich der SMAD, der in die Sachkompetenz des Außenministeriums fiel. Damit ist zumindest für einen zweifellos nur kleinen Bereich eine einheitliche und lückenlose Überlieferung gegeben. „Harte Daten" enthalten die ebenfalls in diesem Archiv einzusehenden amtsinternen Tätigkeitsberichte einzelner Verwaltungen und Abteilungen der SMAD, wenn man von den ideologischen Intentionen, Kausalitätsketten und Bewertungen abstrahiert. Daß aus dem Bereich der zuständigen III. Europäischen Abteilung des Außenministeriums Aktenstücke zumeist erst aus dem Zeitraum ab 1949 vorgelegt wurden (die freilich auch älteres Material enthielten), bleibt erklärungsbedürftig. Im Bereich des ZK der WKP(B) war die im Juni 1943 auf der Grundlage des alten Komintern-Apparats gebildete und durch den ehemaligen Generalsekretär der Komintern Georgi Dimitroff geleitete Abteilung Internationale Information des ZK der WKP(B) für Kontakte zu den kommunistischen Parteien zuständig. Sie wurde durch Beschluß des Politbüros vom 29. Dezember 1945 in ZK-Abteilung für Außenpolitik umbenannt und im April 1946 umstrukturiert. Bis zur neuerlichen Umbildung durch Politbüro-Beschluß vom 10. Juli 1948 hatte die Abteilung 17 Sektoren; einer war für die Vorbereitung und Überprüfung von Kadern im eigenen Zuständigkeitsbereich verantwortlich16, ein weiterer beschäftigte sich mit „der Tätigkeit kommunistischer und Arbeiterparteien sowie den allgemeinen Massenorganisationen des Auslands". Außerdem gehörten ihr die Spezialinstitute Nr. 99, Nr. 100 und Nr. 205 an1? Nach einer im Juli 1948 angeordneten Umbildung zu diesem Zeitpunkt soll nach der Bestandsbeschreibung M. A. Suslow18 die Leitung übernommen haben, ausweislich seiner Kaderakte war er damals allerdings bereits seit zwei -
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Solche kryptischen Amtsausdrücke werden weitergegeben, wenn sie nur spekulativ aufgelöst werden können. Hier ist vermutlich nur die Personalabteilung der Betriebseinheit euphemistisch umschrieben worden.
Vgl. Bestandsbeschreibung zu: RZChilDNI, 17/128.
Suslow, Michail Andrejewitsch (1902-1982), 1921 WKP(B), 1921-24 Studium Arbeiterfakultät und 1924-28 Volkswirtschaft (Diplom-Ökonom) in Moskau, 1929-31 Dozent Moskauer Staatsuniversität, ab 1931 leitende Positionen in der Zentralen Kontrollkommission des ZK und im Volkskommissariat für Arbeiter- und Bauerninspektion, 1934-35 beim Komitee für Staatskontrolle beim Rat der Volkskommissare der UdSSR, 1936-37 Studium am Institut für „Rote Professur" in Moskau, 1937-39 Sekretär des Gebietskomitees in Rostow und 1939-44 in Stawropol; ab 1941 Mitglied des ZK und ab 1942 des Obersten Sowjets der UdSSR; 1939-44 Mitglied der Zentralen Revisionskommission des ZK, ab 1944 Vorsitzender Büro ZK WKP(B) für Litauen. Nach seiner Kaderakte ab März 1946 (durch Politbüro des ZK der WKP(B) am 13. Apr. 1946 bestätigt) bis Juli 1948 Leiter Abteilung für Außenbeziehungen des ZK der WKP(B) und 1947-48 Leiter Abteilung Agitation und Propaganda des ZK der WKP(B), andere: 1946- stellvertretender Leiter ZK-Abteilung für Agitation und Propaganda sowie 1948-49 Leiter Abteilung für Außenbeziehungen des ZK der WKP(B); 1947-82 ZK-Sekretär, 1949-50 Chefredakteur der „Prawda", 1950-54 Mitglied des Präsidiums des Obersten Sowjets, 1952-53 und wieder ab Juli 1955 bis zu seinem Tod Mitglied des Präsidiums/Politbüros des ZK der KPdSU.
Quellenlage
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Jahren in dieser Funktion tätig ab Dezember 1948 als Abteilung für Außenbeziehungen weitergeführt, bestanden in ihr 28 Sektoren, darunter eine Unterabteilung für Deutschland und Österreich. Formell im März, tatsächlich zum 29. April 1949 ging diese selbständige Abteilung im Geschäftsbereich der Außenpolitischen Kommission des ZK der WKP(B) auf19. Diese ZK-Kommission -
entstand durch Politbüro-Beschluß vom 12. März 1949 und wurde im Oktober 1952 in Kommission für Verbindungen mit ausländischen kommunistischen Parteien umgebildet. Der am 18. April 1949 bestätigte Organisationsplan sah eine Unterabteilung für Deutschland und Österreich vor20. Die ZK-Abteilung für Agitation und Propaganda wurde bis Mai 1945 durch den ZK-Sekretär Schtscherbakow21 geleitet, einen Schwiegersohn Schdanows22, der ab Mai 1945 formell die Leitung übernahm. Im September 1948 wurde M. A. Suslow, ab 1947 ZK-Sekretär, der bereits 1946 verschiedentlich als leitender Mitarbeiter dieser Abteilung genannt wurde, zum Nachfolger des verstorbenen Schdanow bestimmt. Da Suslow inzwischen die Leitung der ZKAbteilung für Außenbeziehungen übernahm, trat D. T. Schepilow23 die Funktion des Leiters der Propaganda-Abteilung an, in der er zuvor als stellvertretender Leiter amtiert hatte24. Der Stellenwert der Überlieferung der Abteilung Internationale Information des ZK für die Rekonstruktion der politischen Prozesse in der SBZ muß aus den schon oben genannten Gründen zurückhaltender beurteilt werden, als dies bisher der Fall war25. Zu finden sind im Bestand insbesondere Dokumente der Verwaltung Propaganda/Information der SMAD, die den Abteilungen und Sekretären des ZK zur Kenntnis gebracht wurden. Meist handelt es sich 19 20 21
Vgl. Bestandsbeschreibung zu: RZChilDNI, 17/128. Vgl. Bestandsbeschreibung zu: RZChilDNI, 17/137 Schtscherbakow, Alexandr
S.
(1901-1945), Komsomol- und Parteifunktionär, ab 1932 im 1941 Kandidat des Politbüros, Sekretär des ZK, ab 1942
Apparat des ZK der WKP(B), ab
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Chef GlawPURKKA und Stellvertreter des Volkskommissars für Verteidigung, 1943 Generaloberst. Schdanow, Andrei Alexandrowitsch (1896-1948), ab 1927 ZK-Sekretär, ab 1932 Mitglied des ZK, ab 1934 Parteisekretär von Leningrad (1941-44 in der belagerten Stadt; politisches Mitglied des Kriegsrats der dortigen Nordwest-Front; Generaloberst); ab 1935 Kandidat und ab 1939 Mitglied des Politbüros des ZK der WKP(B); ab 1938 Leiter des Außenpolitischen Ausschusses des Obersten Sowjets der UdSSR sowie gleichzeitig Leiter der ZK-Abteilungen für Außenpolitik und Kultur, 1944-45 sowjetischer Vertreter in der Alliierten Kommission in Finnland, 1947-48 maßgeblicher Anteil an der Gründung des Kominform. Schepilow, D. T. (geb. 1905), 1926 WKP(B), 1946-47 Redakteur der „Prawda", 1947-48 stellvertretender und ab 1948 Leiter der Abteilung Agitation und Propaganda des ZK der WKP(B), 1956 Außenminister) 1956-57 Sekretär und Kandidat des Präsidiums des ZK der KPdSU. Die auch in den Bestandsbeschreibungen hinsichtlich der Stellenbesetzungen enthaltenen Überschneidungen stellen ein grundsätzliches Problem dar, da es sich sowohl um tatsächliche Funktionshäufung als auch um systembedingte Folgen einer Kompilation von in arbeitsteiligen Verfahren erzeugten isolierten Einzeldaten handeln kann. Vgl. z.B. SWAG. Uprawlenije propagandy (informazii) i S. I. Tjulpanow 1945-1949. Sbornik dokumentow. Pod redakzijei Bernda Bonwetscha, Gennadija Bordjugowa, Normana Neimarka, Moskwa 1994. -
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Einleitung
allerdings um ins Russische übersetzte Materialien der SED-Führungsgremien. Nur vereinzelt sind darunter Materialien der Politischen Verwaltung der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland, Berichte der Politischen Abteilung des Politischen Beraters der SMAD über die SED an den Apparat des ZK der WKP(B) oder Spezialberichte wie jener Tjulpanows über Jugendarbeit in der SBZ vom 4. September 1946 zu entdecken. Aus den Begleitschreiben, Eingangsund Bearbeitungsstempeln sowie handschriftlichen Erledigungsvermerken ergibt sich, daß es sich um eine Ablage von Routinedokumenten handelt. Insgesamt enthält der Bestand kaum Telegramme, was schon angesichts des gigantischen Funknetzes der SMAD mit Chiffrierabteilungen in allen Verwaltungen auffallen muß. Die Berichte aus Berlin Hefen in der Regel erst nach einer Woche ein (Mai 1948 einmal nach drei Tagen), nur in seltenen Fällen über die „Spezpotschta" (d.i. Kurierpost). Die Verteiler waren mit sechs bis zehn Adressaten breit gestreut, darunter befanden sich immer zwei bis drei unmittelbar vorgesetzte Instanzen der Informations Verwaltung innerhalb der SMAD. Erst nach Straffung der Berichtslinien verschickte der Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD für politische Angelegenheiten etwa ab Ende 1948 seine Berichte in nur zwei Exemplaren. Aus den handschriftlichen Bearbeitungsvermerken (die übrigens oft fehlen) folgt ferner, daß der eigentliche Aktenbildner die 7. Abteilung der Politischen Hauptverwaltung der Roten/Sowjetischen Armee war, von der das meiste Material der ZK-Abteilung aus Gründen der militärischen Geheimhaltung mit Rückgabeverfügung lediglich zur Kenntnisnahme geschickt wurde. Ein vom 19. Dezember 1945 datierter Bericht Bokows an die Politische Hauptverwaltung der Armee über den Bezirksparteitag der Berliner SPD vom 25. November 1945 wurde beispielsweise erst am 8. Januar 1946 an das ZK weitergeleitet26. Die Verfügung des GlawPURKKA-Abteilungsleiters: „Bitte nach Auswertung um Rückgabe spätestens zum 12. Januar" wurde scheinbar nicht befolgt, und in der Tat ziert das Dokument ein schlichter Stempel „Aus dem Verzeichnis gestrichen". Allerdings fehlt ein Datum, so daß es zweifelhaft ist, ob es sich um eine administrative oder archivalische Verfügung handelt. Dem Vermerk des Referenten vom 1. März 1946 ist aber zu entnehmen, daß das Original tatsächlich an die 7 Abteilung der GlawPURKKA zurückging und in der Registratur der ZK-Abteilung nur eine Abschrift verblieb. Auf den selektiven Charakter dieser Überlieferung weisen auch die internen Verteilungspraktiken innerhalb des ZK-Apparats hin: Einige Dokumente sind mit dem Vermerk versehen: „Unterliegt der Rückgabe an die Geheimabteilung [des Technischen Sekretariats der Geschäftsabteilung des ZK]" („Podleschit woswratu w sekretnuju tschast")2? Die Frage, welches Material in der Registratur der ZK-Abteilung überliefert ist, kann zwar nicht genau beantwortet werden, doch ist wohl davon auszugehen, daß ihr Aktenbestand im Hinblick auf die Tätigkeit der SMAD nach eher -
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Vgl. RZChilDNI, 17/128/917, Bl. 1-17 Vgl. SSSR-SWAG-otdel propagandy pri UWKSS Berlin/Panjuschkin ZK/Sept. RZChilDNI,
17/128/151.
1946, in:
Quellenlage
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zufälligen Gesichtspunkten entstanden ist. Daß vieles in der Abteilung selbst als unwichtig behandelt wurde, folgt aus manchen Bearbeitungsvermerken der Fachreferenten, die die Eingänge als Ganzes oder knapp zusammengefaßt nach fünf Tagen oder auch erst nach einem Monat an den Abteilungsleiter weiterlei-
Das aus insgesamt 218 Blatt bestehende Protokoll der 2.(16.) Tagung des Parteivorstands der SED vom 15./16. Oktober 1947 gab der Referent beispielsweise erst am 24. Dezember 1947 an Suslow weiter28. Nach dem jetzigen Kenntnisstand wurde von der Abteilung Internationale Information aus dem Komplex Deutschlandpolitik nur die Kopie eines einzigen Dokuments an Stalin, Malenkow und Molotow geschickt. Einen entsprechenden Vermerk trägt der Auszug aus einem Bericht des Mitglieds des Kriegsrates der SMAD Bokow über die westdeutsche SPD, der dem ZK-Apparat von der Politischen Hauptverwaltung am 8. Januar 1946 für drei Tage zur Kenntnis gebracht wurde29. Nach dem Organisationsstatut zur „Erforschung und Rechenschaftslegung" in bezug auf die ausländischen kommunistischen Parteien verpflichtet, dürfte also die für internationale Beziehungen zuständige ZK-Abteilung von politischen Prozessen in der SBZ weitgehend nur im Rahmen der informationellen Routine tangiert worden sein. Aufgrund ihrer statutarischen Aufgaben ist davon auszugehen, daß die Überlieferung unter generellen Aspekten der kommunistischen Strategie der Nachkriegszeit entstanden ist und insofern nur über spezifische Fragen der sowjetischen Politik in Deutschland Auskunft geben kann. Allerdings fungierte diese Abteilung auch als Ansprechpartner und Verbindungsstelle für ausländische Parteien, und die in ihrem Nachlaß deponierten Kopien von Briefen Walter Ulbrichts an das Politbüro des ZK der WKP(B) stellen besonders wertvolle Quellen dar. Dies gilt auch für die Protokolle zu Besprechungen zwischen sowjetischen und ostdeutschen Parteispitzen und das entsprechende Vorbereitungsmaterial. Informativ und aufschlußreich sind die ebenfalls im Bestand auffindbaren Berichte über Überprüfungen der Tätigkeit der Informationsverwaltung der SMAD durch ZK-Kommissionen, die aber auch in anderen Beständen vollständig oder in (nicht identischen) Auszügen nachgewiesen sind. Der (unter systematischen Gesichtspunkten) selektiv ausgewertete Fonds 77 stellt einen unechten Nachlaß Schdanows dar, der der engsten Umgebung Stalins angehörte. Der Bestand enthält eine Vielzahl aufschlußreicher handschriftlicher Beschlußentwürfe, ist aber aus Zeitgründen nur schwer zu bewältigen. Wenn in dieser Beschreibung gleichzeitig indirekt das Herstellungs- und Verteilungsverfahren für Quellen etwas ausführlicher behandelt wurde, dann auch deshalb, um auf die allgemeine Problematik hinzuweisen, daß viele Quellen durch administrative wie archivalische Bearbeitung aus dem originären Entstehungszusammenhang gerissen wurden. Die Auswirkungen solcher vertikalen wie horizontalen Destrukturierung auf die Rekonstruktion der Entteten.
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28 29
Vgl. RZChilDNI, 17/128/328. Vgl. RZChilDNI, 17/128/917, Bl. 18.
28
Einleitung
Scheidungsprozesse
Überlieferung
zu
sind
unabhängig
von
der archivalischen
Ordnung
der
reflektieren, denn Sinnhaftigkeit und Verständlichkeit einzel-
Informationsteile erleichtern bekanntlich nicht notwendigerweise die Wiederherstellung des ursprünglichen Informationsinhalts. Im militärischen Bener
reich ist die Tarnungsabsicht unmittelbar evident. Unterhalb der prozeduralen administrativen und archivalischen Ebene sind vornehmlich semiotische und semantische Spezifika zu beachten. Generell schlug sich die Dynamik des kommunistischen Systems in einem Rechts- und Faktenverständnis nieder, in dem selbst das geschriebene Wort keine definitive Gültigkeit besaß. Ein Beispiel: Am 22. September 1945 versuchte der Außenminister Molotow seinen amerikanischen Kollegen Byrnes davon zu überzeugen, daß die USA gegen den Geist der alliierten Abmachungen verstießen und für Japan „Aggressionsmöglichkeiten" schüfen, weil sie japanische Soldaten nicht als Kriegsgefangene behandelten. Am 26. September 1945 antwortete Byrnes Molotow, daß das amerikanische Verhalten gegenüber der japanischen Armee in der Potsdamer Deklaration schriftlich festgelegt worden sei. Am nächsten Tag kam der unterschiedliche Arbeitsstil deutlich zum Ausdruck, als Byrnes auf seine Feststellung, daß er sich an von den Alliierten gemeinsam beschlossene Dokumente zu halten habe, von Molotow die scharfe Antwort erhielt, daß diese Dokumente lediglich für den Zeitraum galten, als die japanische Armee noch nicht zerschlagen worden sei30. Von solch funktionalem Fakten- und einem propagandistisch-mobilisierenden WahrheitsVerständnis, das vorrangig Intentionen transportiert und vielfach die Zielprojektion antizipatorisch an die Stelle der Wirklichkeit treten läßt bzw. den bloßen Beschluß schon mit der Durchführung identifiziert, sind freilich auch die Quellen nicht frei. Und ebenso ist zu berücksichtigen, daß in dieses besondere semiotische wie semantische System objektive Tatsachen gekleidet werden mußten, um den Verfahrensregeln zu genügen. Die Anforderungen der Quellenkritik sind eigentlich noch größer, denn auch der funktionale Begründungskontext war nach dem gleichen Verfahrensmuster variabel: Wenn es 1950 opportun war, die Plankennziffern anstelle der realen Werte zu benutzen, so konnten wiederum im Kontext des Jahres 1952 die tatsächlichen Zahlen günstigere Lichtverhältnisse für eine relative prozentuale Erfolgsdarstellung schaffen. Auf solche quellenkritischen Tücken ist übrigens selbst bei einfachen Fakten zu achten, und dieses Problem betrifft ebenfalls die zeitgenössische Wahrnehmung im Westen wie das historiographische Aufarbeitungsverfahren, die sich auf solche immanenten Daten stützen: Die Polizeistärke in der SBZ wurde beispielsweise für 1948 in amerikanischen Quellen mit 81000 Mann angegeben31, was tatsächlich aber lediglich der „Plansollstärke" entsprach. Die 30
31
Vgl. Wypiska is sapissy bessedy tow. W. M. Molotowa s Goss. sekr.
SSchA Birnsom 22.
sentjabrja 1945, 26. sentjabrja, 27 sentjabrja, in: AWP RF, Molotow/8/31/480, Bl. 1-6. Vgl. Naimark, Norman M.: The Russians in Germany. A History of the Soviet Zone Occupation, 1945-1949, Cambridge/Mass. 1995, S. 375.
of
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Quellenlage Ist-Stärke lag nach
SBZ-Quellen im April 1948 bei etwa 51000 Mann (ohne
Berlin)32. Darin war die sehr hohe Fluktuationsrate noch nicht enthalten. Wenn also selbst vergleichsweise leicht überprüfbare Zahlenangaben vorsichtig behandelt werden müssen, dann gilt dies umso mehr für ideologisierte politische Prozesse und ihren Begründungszusammenhang. Die bloße Ausdrucksform politischer Rituale und Chiffren ist oft irreführend. Der tatsächliche Willensinhalt verbaler Erklärungen ist nur im konkreten Gesamtkontext annähernd feststellbar, wobei selbst die jeweilige aktuelle offizielle Interpretation einer Proklamation nicht als konstant zu betrachten ist und gerade diese besondere Unverbindlichkeit verbaler Akte die Eigenart und Dynamik des diktatorisch-autoritären Führungsstils ausmachte. Dieses eigentümliche Informationsmonopol wäre auf der Grundlage der Theorie der kognitiven Dissonanz dahingehend auszulegen, daß Informationen, die bisher gemachten Erfahrungen widersprechen und damit das kognitive Gleichgewicht gefährden, in Richtung dieses durch ideologische Vorgaben normierten Gleichgewichts „umrationalisiert" werden. Im einzelnen kann hier der Einfluß solcher politischideologischen Rationalisierungsverfahren auf die qualitative Quellenbeschaffenheit nicht behandelt werden. Daß die Quellenkritik sie berücksichtigen muß, liegt nahe. Einzeldaten ohne Entstehungs-, Begründungs- und Bedeutungszusammenhang, der ja ein immanenter Bestandteil einer Information ist, illustrativ mit-
einander zu verbinden, stellt kein rationales Übersetzungsverfahren dar. Vielmehr setzt ein solches die Isolation des tatsächlichen aktuellen Willensinhalts durch systemimmanente Abstraktion von der Ausdrucksform voraus. Erst nach diesem Schritt ist die Übersetzung in ein anderes Zuordnungssystem möglich. Dies gilt ebenfalls für die einfache Sprachmittlung: Lexikalisch synonyme Begriffe können nicht nur jeweils unterschiedliche Rechtsbedeutung haben, auch das sowjetische und deutsche Amts- und Verfahrensverständnis unterschieden sich zunächst grundsätzlich voneinander: So wurde innerhalb der deutschen Verwaltung ein sowjetisches „otdel" also eine nach damaliger sowjetischer Rechtsauffassung unselbständige „Abteilung" oft irreführend mit „Hauptabteilung" übersetzt. Im administrativen Kontext muß dies nicht unbedingt stören. Wenn aber im Analogieschluß die Justizabteilung der SMAD als Kontrollinstanz für die SBZ-Justiz wahrgenommen wurde, so führte dies zu einem Fehlschluß, weil die SMAD-Justizabteilung als Dienstaufsichtsinstanz für die Justiz in der SBZ analog zum sowjetischen Verfahren nur mittelbar (in der zeitgenössischen deutschen Verwaltungssprache: als „Poststelle") für die sachlich zuständige SMAD-Linenverwaltung handelte. „Virtuelle Wirklichkeit" kann die -
-
-
Folge sein. 32
-
.........
Vgl. Glaser, Günter (Hg.): „Reorganisation der Polizei" oder getarnte Bewaffnung der SBZ im Kalten Krieg? Dokumente und Materialien zur sicherheits- und militärpolitischen Weichenstellung in Ostdeutschland 1948/49, Frankfurt/Main u.a. 1995, S. 211 und S. 47, wo „Plansollstärke" mit „Gesamtstärke" gleichgesetzt wird. Ausweislich der im BAP vorhandenen Statistiken handelte es sich im April 1948 um 71000 Planstellen, wovon am Monatsanfang 56000 und zum Monatsende 60000 besetzt waren. Vgl. BAP, 7/166. -
Einleitung
30
Wenn ich abschließend Hermann Weber und Dietrich Staritz
danke, die
meine ersten Schritte kritisch begleiteten, dann deshalb, weil sie strenge Lehrer waren. Horst Möller, dem Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, danke ich für seine Toleranz und Geduld. Hartmut Mehringer half, das Manuskript in die definitive Form zu bringen; auch teilte er mit mir manchen überflüssigen Ärger bei dem mühseligen Unterfangen, „russisches" Chaos als „deutsche" Ordnung vorzustellen. Für Hilfsleistungen und Hinweise stehe ich auch bei vielen ungenannten Freunden und Kollegen in Schuld. Einer alten Tradition gemäß danke ich Archivaren aus Respekt nicht namentlich. Gern erinnere ich mich an die Gastfreundschaft im Hause von Konstantin I. Kowal und Alexandr J. Bogomolow. Frau Kowal und Frau Bogomolow gilt meine besondere Anerkennung, transportierte doch ihr Charme mehr Wirklichkeit als viele laufende Meter
Altpapier.
Die Archivrecherchen unterstützten die Russische Akademie der Wissen-
schaften, die Stiftung Volkswagenwerk, die Deutsche Forschungsgemein-
schaft und das Institut für Zeitgeschichte. Frau Katrin Reichelt und Frau Christiane Künzel erwarben sich durch ihre engagierte Unterstützung bei der Manuskriptbearbeitung, insbesondere bei der schwierigen Vereinheitlichung der Transkription, bleibende Verdienste. Frau Steffi Manske meisterte souverän alle Tücken der Computertechnik. Frau Hannelore Georgi teilt mit mir freundlicherweise die Verantwortung für das Personenregister. Die Arbeit am Manuskript wurde im Januar 1997 beendet. Danach erschienene Veröffentlichungen konnten meistens berücksichtigt werden.
I.
Vorgeschichte
1. Völkerrechtliche
Grundlagen
Die Prinzipien der alliierten Besetzung Deutschlands beruhten auf den Beschlüssen der Konferenzen von Teheran (November/Dezember 1943), Jaita (Februar 1945) und Potsdam (Juli/August 1945). Erste Vorschläge zur Behandlung Deutschlands nach dem Krieg unterbreiteten amerikanische Vertreter auf
der Moskauer Außenministerkonferenz (Oktober 1943), und auch später überließen sowjetische Vertreter die Planungsinitiative ihren westlichen Verbündeten. Die organisatorischen Festlegungen zur „koordinierten Verwaltung der Besetzung und Kontrolle" wurden im Rahmen der im Dezember 1943 konstituierten Europäischen Beratenden Kommission (European Advisory Commission, EAC) getroffen und im Protokoll über die Besatzungszonen vom 12. September 1944, ergänzt am 14. November 1944 und 26. Juli 1945, sowie im Abkommen über das Kontrollsystem vom 14. November 1944, geändert am 1. Mai 1945, festgelegt. Diese Abmachungen basierten weitgehend auf britischen Vorschlägen und sahen die Aufteilung Deutschlands in ursprünglich drei Besatzungszonen vor: je eine amerikanische, britische und sowjetische. Vertreter der UdSSR, denen die russische Geschichtsschreibung bezüglich des gesamtdeutschen Kontrollmechanismus neuerdings eine Initiativrolle zuschreibt1, akzeptierten diesen Plan mit Ausnahme des Vorschlags, in den einzelnen Okkupationszonen jeweils auch Truppen der übrigen Vertragspartner zu stationieren. Außer der in den Artikeln 53 und 107 der UN-Charta fixierten sogenannten Feindstaatenklausel sind als weitere relevante völkerrechtliche Regelungen beispielsweise das Abkommen zwischen den USA, der UdSSR, Großbritannien und Frankreich vom 8. August 1945 über die gerichtliche Verfolgung von Kriegsverbrechern oder das Urteil des Internationalen Tribunals anzusehen, das zwischen dem 20. November 1945 und dem 1. Oktober 1946 in Nürnberg verhandelte. Der Kriegszustand zwischen der Sowjetunion und Deutschland wurde erst am 25. Januar 1955 durch den Obersten Sowjet der UdSSR für beendet erklärt2. 1
2
I. und Kulbakin, W D.: Sojusniki i „Germanski wopros" 1945-1949 gg., Moskwa 1990, S. 36-38. Vgl. dazu ausführlich Mai, Günther: Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland 1945-1948, München 1995, S. 19ff. sowie den nach wie vor sehr informativen Beitrag von Kowalski, Hans-Günter: Die „European Advisory Commission" als Instrument alliierter Deutschlandplanung 1943-1945, in: VfZ 1971, S. 261-293. Prawda, Moskwa, vom 25. Jan. 1955. Grundlegende völkerrechtliche Bestimmungen über das Besatzungsrecht enthält die IV. Haager Konvention von 1907, der die Sowjetunion allerdings nicht beigetreten war. Umstritten war nach Kriegsende, ob allgemeine völkerrechtli-
Wiskow, S.
-
Vorgeschichte
32
„Erklärung" der militärischen Oberbefehlshaber der in Deutschland stehenden Streitkräfte der Vier Mächte vom 5. Juni 1945 übernahmen diese „die oberste Regierungsgewalt in Deutschland einschließlich aller Befugnisse der deutschen Regierung, des Oberkommandos der Wehrmacht und der Regierungen, Verwaltungen oder Behörden der Länder, Städte und Gemeinden" mit dem Ziel, den Frieden und die Sicherheit zu gewährleisten sowie Deutschland „zusätzliche politische, verwaltungsmäßige, wirtschaftliche, finanzielle, militärische und sonstige Forderungen aufzuerlegen"3. Nach der gemeinsamen „Feststellung" vom gleichen Tage übten die militärischen Oberbefehlshaber die oberste Gewalt voneinander unabhängig in den eigenen Besatzungszonen und „gemeinsam in allen Deutschland als ein Ganzes betreffenden Angelegenheiten" aus4. Eine Sonderstellung nahm Groß-Berlin ein, wo mit der Alliierten Kommandantur (auch: Kommandatura, offizielle Abkürzung: AK) eine gemeinsame Besatzungsverwaltung der Vier Mächte entstand. Mit der
Marschall Schukow wurde fernmündlich bereits am 7 Mai 1945 durch Marschall (später Generalissimus) Jossif W. Stalin zum Obersten Chef der sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland bestimmt5, am 6. Juni 1945 erfolgte
Bestimmungen auf Deutschland überhaupt anwendbar seien oder aber angesichts der bedingungslosen Kapitulation das genuine Recht des Siegers zu gelten habe. In der offiziösen, vom Verteidigungsministerium der UdSSR besorgten Geschichte des Zweiten Weltkriegs wurde ostentativ festgestellt, daß die Sowjetunion im besetzten Deutschland die Prinzipien der Haager Konvention konsequent beachtet und angewandt habe. Vgl. Geschichte des Zweiten Weltkrieges: 1939-1945, Berlin (Ost) 1982, Bd. 10: Die Zerschlagung des faehe
schistischen Deutschland. Die dadurch unmittelbar berührte Souveränitätsdiskussion ver-
liefdiskontinuierlich, und die USA und UdSSR wechselten jeweils ihre Position. Ursprünglich gingen die USA (Hans Kelsen) vom Verlust der deutschen Souveränität aus, später setzte sich die Rechtsmeinung durch, daß die deutschen Länder Souveränitätsträger seien. In der UdSSR ging man zunächst davon aus, daß das deutsche Volk der Souverän sei, später jedoch wurde argumentiert, daß „keine Souveränität ohne Staat" möglich sei. Vgl. hierzu auch Maljarow, M. P.: Dejatelnost SWAG i jewo prawowyje osnowy, Diss., Moskwa 1964, -
3
4 5
S. 67 Inzwischen setzte sich unter den Staatsrechtlern die Auffassung vom originären Rechtscharakter der Besetzung Deutschlands durch. Von sowjetischer Seite vgl. beispielsweise Wiskow und Kulbakin, Sojusniki 1990, S. 13, S. 30f., die für die aktuelle russische Haltung repräsentativ ist. Auch die heute in Deutschland vorherrschende Lehrmeinung steht auf dem Standpunkt, daß die Vierte Haager Konvention von 1907 auf das besiegte Deutsche Reich keine Anwendung fand. Vgl. Tomuschat, Christian: Die Bedeutung der Potsdamer Beschlüsse für die Rechtslage Deutschlands und der Bundesrepublik Deutschland, in: Das Potsdamer Abkommen und der Zwei-plus-Vier-Vertrag. Tagungsdokumentation, Potsdam 1995, S. 31-46. Abgedruckt in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, hg. vom Alliierten Sekretariat, Berlin 1945, S. 7-9.
Abgedruckt ebenda, S. 10. Shukow, Georgi Konstantinowitsch: Erinnerungen und Gedanken, Berlin (Ost) 1976, Bd.
2, S. 360. Auf S. 390 heißt es dort, daß er in der zweiten Maihälfte im Kreml in Anwesenheit Molotows und Woroschilows zum Chef der Besatzungsverwaltung ausgewählt wurde. Bei dieser Gelegenheit durfte er Sokolowski zu seinem Stellvertreter wählen, als Politischer Berater ist ihm aber der erste stellvertretende Außenminister Wyschinski beigeordnet wor-
den. Vgl. auch: Schukow, Georgi Konstantinowitsch: Wospominanija i Moskwa 1970, S. 673 und S. 695. Dort auf den 20. Mai 1945 datiert.
rasmyschlenija,
Völkerrechtliche Grundlagen
33
die Bestätigung durch eine Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR über die Bildung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD bzw. SWAG)6, die der Oberste Chef der SMAD durch seinen Befehl Nr. 1 vom 9. Juni 1945 öffentlich bekanntgab7. Nach der Auflösung des gemeinsamen Oberkommandos der Westmächte am 14. Juli 1945 verselbständigten sich auch im Westen die Besatzungsinstanzen mit den Militärgouverneuren als Zonenbefehlshaber und den Verwaltungschefs an der Spitze. Oberste Verwaltungsbehörden waren das Office of Military Government of the United States in Germany (OMGUS) in Frankfurt/Main für die amerikanische und die Control Commission for Germany/British Element (CCG/BE) in Bad Oeynhausen für die britische Zone. Formell entsprach den beiden der Conseil de Contrôle de la France pour l'Allemagne (CCFA) in Baden-Baden, doch blieben die administrativen Kompetenzen weitgehend beim Administrateur Général Adjoint pour le Gouvernement Militaire und später beim Secrétariat Général du Commandant en Chef Francais en Allemagne angesiedelt. Für die „Deutschland als Ganzes betreffenden Angelegenheiten" wurde ein Kontrollrat8 gebildet, der sich aus den vier Militärgouverneuren/Oberbefehlshabern der Zonen (und in der Regel vertretungsweise auch aus ihren Stellvertretern) zusammensetzte. Dessen Organe waren ein ständiger Koordinationsausschuß (Coordinating Committee, abgekürzt: CORC) aus jeweils einem Vertreter der Militärgouverneure, in der Regel der Stellvertreter, und der Kontrollstab. Der Kontrollstab (Control Staff) bestand ursprünglich aus zwölf Abteilungen (auch Direktorate genannt): Heer (DMIL), Marine (DNAV), Luftwaffe (DAIR), Transport (DTPT), Politik (DPOL), Wirtschaft (DECO), Finanzen (DFIN), Abteilung für Reparationen, Lieferungen und Wiedererstattung (DRDR), innere Angelegenheiten und Nachrichtenwesen (DIAC), Rechtswesen (DLEG), Kriegsgefangene und Zwangsverschleppte (DPW/DP) sowie Arbeitseinsatz (DMAN)9. Die drei militärfachlichen Direktorate (zu6
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8
9
Vgl. Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR vom 6. Juni 1945, in: Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland, Berlin (Ost) 1968, S. 51-53; vollständiger russischer Text in: Solotarew, W. A. (Hg.): Bitwa sa Berlin (=Russki archiw: Welikaja otetschestwennaja, Bd. 15 (4-5), Moskwa 1995, S. 408-411. Wortlaut in: Befehle des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland. Aus dem Stab der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, Sammelheft 1, SWA-Verlag, Berlin 1946, S. 9. Amtliche Bezeichnungen: The Control Council for Germany, Le Conseil de Contrôle en Allemagne, Kontrolny sowet, Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland, abgekürzt: CONL, auch: ACA für Allied Control Authority bzw. (A)CC für (Allied) Control Council. In sowjetischen Quellen wurde folgende Gliederung nachgewiesen: 1. Politik (DPOL), 2. Propaganda und Information (Pressekontrolle), 3. Entwaffnung, mit den Unterabteilungen für die drei Waffengattungen: Heer (DMIL), Marine (DNAV), Luftwaffe (DAIR), 4. Liquidierung der Kriegsindustrie, 5. Wirtschaft (DECO), mit den Unterabteilungen: Industrie,
Landwirtschaft und Handel, 6. Finanzen und Geldwirtschaft (DFIN), 7 Transport (DTPT), 8. Verbindungen (d.i. Post), 9. für administrative Fragen, 10. Abteilung für Reparationen, Lieferungen und Wiedererstattung (DRDR), 11. Kriegsgefangene und Zwangsverschleppte (DPW/DP), 12. Volksbildung und Gesundheit, 13. Rechtswesen (DLEG), 14. Sekretariat,
Vorgeschichte
34
ständig für die Auflösung der deutschen Wehrmacht und damit zusammenhängende Fragen), durch Direktive Nr. 34 vom 3. September 1946 mit Wirkung vom 1. Januar 1947 in Combined Military Directorate (auch: Combined Service Directorate) integriert, werden in der Regel ausgeklammert und die Zahl der Fachabteilungen meistens mit neun angegeben. Als zehntes ursprünglich dreizehntes Direktorat galt wegen ihres Ranges die durch Gesetz Nr. 5 vom 30. Oktober 1945 geschaffene Kommission für das deutsche Auslandsvermögen (The German External Property Commission, GEPC)10. Herausgehoben war ferner die Stellung der Alliierten Kommandantur für Berlin und die aufgrund des Gesetzes Nr. 9 vom 30. November 1945 gebildete Kommission zur Kontrolle der IG-Farben. Die jeweils vier Chefs einer Abteilung als Vertreter der Besatzungsmächte bildeten das (Fach-)Direktorium. Innerhalb der einzelnen Direktorate wirkten zahlreiche Unter- und Spezialkomitees. Der Alliierte Kontrollrat konstituierte sich am 30. Juli 1945 mit der Besprechung von Eisenhower, Schukow, Montgomery und Koenig. Mit der Proklamation Nr. 1 vom 30. August 1945 nahm er seine Tätigkeit auf. Am 20. März 1948 erfolgte auf der 82. Sitzung der demonstrative Auszug der sowjetischen Delegation, womit seine Tätigkeit beendet wurde11. Zu diesem Zeitpunkt waren in den insgesamt 170 bis 180 Fachorganen des Kontrollrats ungefähr 400 sowjetische Mitarbeiter tätig12. Als Hilfsorgane des Kontrollrates entstanden 1945 ein ständiges Alliiertes Sekretariat (Allied Secretariat, ASEC) und darin ein ständiges Verwaltungsbüro (Administrative Bureau), eine Abteilung Protokoll und Verbindungen, -
-
ein Übersetzungsbüro und ein Archiv. Der Kontrollratsadministration angeschlossen waren ferner das Berlin Air Safety Center (BASC), das Allied Travel Office, das hiternational Facilities Bureau sowie die Verwaltung des Spandauer (Kriegsverbrecher-)Gefängnisses. Die zuletzt genannten Organisationseinheiten überlebten das Ende des Kontrollrats 1948; das Berlin Air Safety Center war noch bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten tätig. Dies galt für der 16 beim Kontrollrat akkreditierten alliierten gleichfalls einige insgesamt Militärmissionen (Australien, Belgien, Brasilien, China, Dänemark, Griechenland, Indien, Jugoslawien, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Polen, Südafrika, die Tschechoslowakei sowie Neuseeland). Mit dem „Vertrag
Übersetzer, Protokollführer. Vgl. Spissok Nr. 2/Sowetski personal w Meschsojusnom komitete po koordinazii pri Kontrolnom sowete w Germanii, in: AWP RF, 457a/l/6/2, Bl. 69ff. Zur Organisationsstruktur des Kontrollrats vgl. Mai, Kontrollrat 1995, S. 49ff. Eine Konsultationsvereinbarung wurde zwischen den Spitzen der vier Besatzungsverwaltungen nach der Pariser Außenministerkonferenz am 26. Juli 1949 in Berlin getroffen. Vgl. Ottschot o rabote sojusnoi kontrolnoi wlasti w Germanii. Ijul 1945 g. mart 1948 g. [Hg.] Generalny Sekretariat Sowetskoi Sekzii Kontrolnowo Soweta w Germanii, Berlin, -
1948 g., in: AWP RF, 0456/1/1/1.
35
Institutionen der sowjetischen Nachkriegsplanung
über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland" vom 12. September 1990 wurden „die [...] vierseitigen Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken beendet und alle entsprechenden Einrichtungen der Vier Mächte aufgelöst", damit Deutschland die „volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten" gewährt.13
2. Institutionen der
sowjetischen Nachkriegsplanung
Nachkriegspläne über Deutschland unterbreitete die UdSSR bis Kriegsende nicht und begründete ihre Zurückhaltung in der Europäischen Beratenden Kommission mit der besonderen Kriegsbeanspruchung14. Dieser Konkrete
durch den Beschluß des Politbüros des ZK der WKP(B) vom also bereits am dritten Tag der deutschen Invasion, das Sowjeti1941, sche Büro für militärpolitische Propaganda (Sowetskoje bjuro wojenno-polititscheskoi propagandy) gebildet worden, „um alle Aktionen unter den Truppen und der Bevölkerung des Gegners zu konzentrieren"15. Unter der Leitung des damaligen Chefs der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee (GlawPURKKA) Lew Mechlis16 gehörten dem Büro der EKKI-Sekretär Dmitri S. Manuilski17, der stellvertretende Volkskommissar des Äußeren Solomon Abramowitsch Losowski18, der Leiter der Presseabteilung des Volkskommiszum
Trotz
war
25. Juni
13 14
Bundesgesetzblatt, Teil II, 1990, S. 1317ff., hier S. 1324. Vgl. Steger, Bernd: General Clays Stabskonferenzen und die Organisation der amerikanischen Militärregierung in Deutschland, in: VfZ 27 (1979), S. 113-150, hier S. 118. Ausführlich zur sowjetischen Deutschlandplanung in: SSSR i germanski wopros. 1941-1949. Dokumenty is Archiwa wneschnei politiki Rossiskoi Federazii. T. I.: 22 ijunja 1941 g. 8 maja 1945 g.. Sostawiteli G. P. Kynin i J. Laufer, Moskwa 1996. Sowetskaja Wojennaja Enziklopedija, hg. vom Institut Wojennoi Istorii beim Ministerium für Verteidigung der UdSSR, Moskwa 1976-1980. -
15
16
Mechlis, Lew Sacharowitsch (1889-1953) war ab 1922 im Sekretariat Stalins und später einer seiner persönlichen Sekretäre, ab 1930 Abteilungsleiter Presse im ZK, Chefredakteur der „Prawda", ab 1937 ZK-Mitglied, 1940-41 Volkskommissar für Staatskontrolle und stellvertretender Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der UdSSR, 1941-42 Chef GlawPURKKA; dann Mitglied verschiedener Kriegsräte
17
18
an der Front; 1946-50 Minister für Staatskontrolle der UdSSR. Manuilski, Dmitri Sacharowitsch (1883-1959) war ab 1922 in der Komintern tätig, 1923-39 Mitglied des ZK der WKP(B), ab 1924 Mitglied des Präsidiums des Exekutivkomitees der Komintern (EKKI), 1928-43 2. Sekretär des EKKI und WKP(B)-Vertreter bei der Komintern, gleichzeitig leitender Mitarbeiter des ZK WKP(B) und der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee, ab Juli 1944-1953 stellvertretender Vorsitzender des Rates der Volkskommissare/stellvertretender Ministerpräsident und Volkskommissar/Minister des Äußeren der Ukrainischen SSR; gleichzeitig weiterhin für ZK und GlawPURKKA tätig. Losowski, Solomon Abramowitsch (1878-1952) war bis 1937 Vorsitzender der Gewerkschaftsinternationale (Profintern), 1937 in Ungnade gefallen, 1939-46 stellvertretender Volkskommissar des Äußeren der UdSSR, 1941-45 zugleich stellvertretender bzw. ab 1945 Chef des Sowjetischen Informationsbüros, 1949 verhaftet, später zum Tode verurteilt und
hingerichtet.
Vorgeschichte
36
sariats des Äußeren N. G. Palgunow19, W. S. Kruschkow20 sowie als Berater Eugen Varga an21. 1942/43 wurde das Büro als 7. Abteilung unmittelbar der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee unterstellt. Ihre Leitung übernahm nach der Entlassung Mechlis' 1942 Alexandr S. Schtscherbakow. Ebenfalls bereits im Juni 1941 am 24. wurde wiederum bei der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee auf Initiative des ZK der WKP(B) und des Rates der Volkskommissare ein Sowjetisches Informationsbüro (Sowetskoje Informazionnoje bjuro, Sowinformbjuro) zur „Konzentration der Führung aller Arbeiten auf dem Gebiet der Aufklärung internationaler Ereignisse, [...] des Innenlebens des Landes, [...] der Gegenpropaganda und weitere wichtige Aufgaben"22 errichtet. Schtscherbakow stand ihm vor, sein Stellvertreter war Losowski, der nach dem Tod des Vorsitzenden 1945 an dessen Stelle vorrückte. Als Mitglieder gehörten ihm u.a. der Vorsitzende des Staatlichen Rundfunkkomitees Polikarpow, der TASS-Vertreter Chawenson, der Vorsitzende des Komitees für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland WOKS Kemenow, der Leiter der Verwaltung Agitation und Propaganda des ZK G. F. Alexandrow23 und der stellvertretende Generalsekretär des Volkskommissariats für Äußeres G. F. Saksin an24. Während des Krieges verfügte das Büro über direkte Informationen des sowjetischen Generalstabes25. Parallele fachliche Einrichtungen entstanden auch beim ZK der WKP(B). Nach der Auflösung der Komintern 1943 übernahm Georgi Dimitroff die Leitung der im Sommer 1943 neu gebildeten Abteilung für Internationale Information des ZK der WKP(B)26. Nominell stand ihr aus Tarnungsgründen Schtscherbakow vor, Dimitroff als geschäftsführender Leiter und Manuilski rangierten formell als Stellvertreter. Anfang 1944 übernahm aber Dimitroff die Leitung des inzwischen zur Auslandsabteilung mutierten ZK-Gremiums für die Nachfolge-Organe der Komintern, in der Manuilski als sein Stellvertreter -
19
-
Palgunow, Nikolai Grigorewitsch (1898-1971) war 1940-41 stellvertretender und 1941-44 Leiter der Presseabteilung des Volkskommissariats des Äußeren der UdSSR, 1944-60 Generaldirektor der TASS.
20
21
22 23
24
Kruschkow, W S. (1905) war ab 1943 stellvertretender Chefredakteur von „Woina i rabotschi klass", 1944-49 Direktor des Instituts für Marxismus/Leninismus beim ZK der
WKP(B).
O sosdanii Sowetskowo bjuro wojenno-polititscheskoi propagandy, in: Iswestija ZK KPSS 3/1990, S. 203-204. Sowetskaja Wojennaja Enziklopedija 1976-1980, Bd. 7, S. 415. Alexandrow, Georgi Fjodorowitsch (1908-1961) war 1939-47 Leiter der ZK-Verwaltung für Agitation und Propaganda, 1941-52 Kandidat des ZK der WKP(B). Naumow, W P. (Hg.): Neprawedny sud. Posledni Stalinski rasstrel. Stenogramma sudebnowo prozessa nad tschlenami Jewreiskowo antifaschistskowo komiteta, Moskwa 1994, S. 146. Dort ist der Chef der Hauptverwaltung Aufklärung des Generalstabes nicht als Mitglied genannt, seine Mitgliedschaft wird jedoch durch andere Primärquellen bestätigt. Saksin, Georgi Filippowitsch (1904-1982), u.a. 1943-44 Berater der UdSSR-Botschaft bei den Exilregierungen in London und 1944-49 bei der Botschaft in Großbritannien. Stemenko, S. M.: Generální stäb za välky, Praha 1973, S. 365. Vgl. Adibekow, Grant M.: Kominform i poslewojennaja Jewropa, Moskwa 1994, S. 9. -
-
25
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Institutionen der
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sowjetischen Nachkriegsplanung
fungierte. Beide waren verpflichtet, ständigen Kontakt zum Politbüro-Mitglied Molotow zu halten27, der die Oberaufsicht über die Abteilung innehatte. Dimitroff selbst war darin für Grundsatzfragen zuständig, Manuilski übernahm die Arbeit unter Kriegsgefangenen28. Aus dem Nachlaß der Komintern wurde ferner ab Juli 1943 die Kaderabteilung des EKKI als besonderer Sektor der Kaderverwaltung des ZK der WKP(B) weitergeführt. Außerdem wurden die schon 1942 zusammengelegten Abteilungen für Spezialverbindungen und für internationale Verbindungen (OMS) im Forschungsinstitut Nr. 100, die nationalen Radiosender und die Presseabteilung des EKKI im Rahmen des Forschungsinstituts Nr. 205 und schließlich die Arbeit unter Kriegsgefangenen im Institut Nr. 99 konzentriert29. Als wissenschaftliche Forschungsinstitute getarnt wurden diese Nachfolgeorgane der Komintern Dimitroffs neuer ZK-Abteilung eingegliedert. Allein im Institut Nr. 205 waren noch im September 1946 326 Mitarbeiter tätig, davon 104 Ausländer30. Dem Institut oblag auch die „wissenschaftliche Forschungsarbeit mit hochqualitativen operativen Informationen" in erster Linie „über Fragen der kommunistischen, Arbeiter-, nationalen Befreiungs- und demokratischen Bewegung im Ausland sowie eine Informationspflicht gegenüber dem ZK der WKP(B)" nach Arbeitsplänen der Abteilung Außenpolitik des ZK31. Deren späterem Leiter Suslow schwebte nach dem Zeugnis eines Mitarbeiters schon im Krieg eine Umbildung des damals von dem Komintern-Kader Bedrich (Friedrich) Geminder geführten Forschungsinstituts Nr. 205 in ein künftiges Zentrum des Weltkommunismus vor32. Außer Malenkow33 nahm vor allem Andrei A. Schdanow, in dessen Ver27
Vgl. Lebedewa, N. S./Narinski, M. M.: Rospusk Kominterna, in: Rscheschewski, O. A.
(Hg.): Wtoraja mirowaja woina, Moskwa 1995, S. 72-86, hier S. 84. Generell sei angemerkt, daß die vordergründig gesehen redundanten Ordnungsstrukturen anhand der be-
stensfalls vorliegenden sekundären Belege nicht analysiert werden können. Definitiv wurde die Abteilung für Auslandsinformation im Dezember 1945 in Abteilung für Außenpolitik umbenannt. Molotow, Wjatscheslaw Michailowitsch (1890-1986), 1921-57 Mitglied des ZK, 1921-30 Sekretär des ZK, 1926-57 Mitglied des Politbüros des ZK der WKP(B)/ KPdSU; 1930-41 Vorsitzender im Rat der Volkskommissare der UdSSR, 1939-49 und 1953-56 Volkskommissar/Minister des Äußeren der UdSSR, 1953-57 erster stellvertretender Vorsitzender im Ministerrat, 1957 ZK- und 1962 Parteiausschluß, 1984 Wiederaufnahme in die KPdSU. Vgl. Adibekow, Kominform 1994, S. 10. Anders bei Naumow, W P. (Hg.): Neprawedny sud 1994, S. 146. Vgl. Adibekow, Kominform 1994, S. 10. Ebenda, S. 12. -
28
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29 50 31 32
Ebenda, S. 13. Vgl. Grünwald, Leopold: Wandlung. Ein Altkommunist gibt zu Protokoll, Wien o. J. [1980], S. 88. Geminder, Friedrich (Bedrich) (1901-1952) war ab Ende der zwanzigerJahre Mitarbeiter des geheimen Komintern-Apparats in Europa, bis 1943 Leiter der Informations-
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und Presseabteilung der Komintern, danach des Instituts Nr. 205; nach seiner Rückkehr in die CSR war er Leiter der Internationalen Abteilung des ZK der KPTsch; 1952 hingerichtet. Gilt als Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes. Malenkow, Georgi Maximilianowitsch (1901-1988), ab 1934 Leiter der Abteilung Parteiorgane beim ZK, 1939-46 und 1948-53 Sekretär des ZK der WKP(B), 1939-57 Mitglied des
Vorgeschichte
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antwortungsbereich die von Dimitroff geleitete Abteilung Internationale Verbindungen fiel, eine herausragende Position im sowjetischen ZK-Apparat ein. Schdanow war seit einigen Jahren einer der führenden Außenpolitiker und Ideologen der WKP(B), sein Schwiegersohn Schtscherbakow stand der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee und als ZK-Sekretär auch dem 1942 beim ZK der WKP(B) eingerichteten Rat für militärpolitische Propaganda vor34. Aktiven Anteil an der Nachkriegsplanung hatten im Rahmen und unter Leitung dieser Gremien ebenfalls die Moskauer Exilvertretungen der kommu-
nistischen Parteien. Neben diesen Zentralen für politische Nachkriegsplanung nahmen im September 1943 (also noch vor der Moskauer Konferenz) beim Volkskommissariat für Auswärtige Beziehungen mehrere Expertenstäbe die Tätigkeit auf: Unter dem Vorsitz von Kliment Woroschilow eine Kommission zur Vorbereitung der Verhandlungen in der Europäischen Beratenden Kommission35, unter dem stellvertretenden Volkskommissar des Äußeren Maxim Litwinow eine Kommission zu Fragen der Friedensverhandlungen und der Nachkriegsordnung36 (ihr gehörten auch die schon genannten D. S. Manuilski und S. A. Losowski an), und unter Leitung des bisherigen Botschafters in London Iwan M. Maiski entstand etwas später eine Kommission für Reparationsfragen. Ihr gehörte auch der in der Komintern renommierte ungarische Nationalökonom Eugen Varga an37, dessen Expertisen über eine rasche wirtschaftliche Gesundung eines kapitalistisch organisierten Nachkriegs-Deutschlands die Grundlage für die in Jaita vorgetragenen sowjetischen Reparationsforderungen bildeten38. Als weiterer Vertreter des Außenrninisteriums war darin G. P. Arkadjew vertreten und vom Staatlichen Planungskomitee (Gosplan) zunächst W W Kusnezow,
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Politbüros; 1953-55 Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR, 1955-57 Minister für Kraftwerke der UdSSR, 1957 ZK- und 1961 KPdSU-Ausschluß. Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, Berlin (Ost) 1968, Bd. 6, S. 420.
35
Woroschilow, Kliment J. (1881-1969), Marschall,
1926-60 Mitglied des Politbüros/Präsidides ZK der WKP(B)/KPdSU, 1953-60 Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR. Litwinow, Maxim Maximowitsch (1876-1951), 1930-39 Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten, 1941-43 Botschafter in den USA, 1943-46 stellvertretender Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR. Vgl. Maiski, Iwan Michailowitsch: Memoiren eines sowjetischen Botschafters, Berlin (Ost) 1977 Maiski, I. M. (1884-1975) war ursprünglich Menschewik, ab 1922 im diplomatischen Dienst, ab 1932 in Großbritannien und 1941-43 Botschafter in London, 1943-46 stellvertretender Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR, 1947-54 wissenschaftliche Arbeit als Historiker. M. geriet Ende der vierziger Jahre in die „antizionistische Kampagne" und wurde 1954 von der Militärstaatsanwaltschaft wegen Verdachts der Spionage für Japan, England und die USA in Haft genommen, 1955 aber wegen Zusammenarbeit mit Berija zur „Verschickung" verurteilt und noch 1955 begnadigt, 1960 rehabilitiert. 1958-68 Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Vgl. hierzu: Duda, Gerhard: Jenö Varga und die Geschichte des Instituts für Weltwirtschaft und Weltpolitik in Moskau 1921-1970, Berlin 1994, S. 157f. ums
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Institutionen der sowjetischen Nachkriegsplanung
später M. S. Saburow39. Bereits einen Monat früher, also am 21. August 1943,
beim Staatlichen Verteidigungskomitee, ab 1945 beim Rat der Volkskommissare der UdSSR angesiedelt, unter der Leitung von Georgi M. Malenkow ein Komitee zur Wiederherstellung der Volkswirtschaften in den befreiten Gebieten entstanden. Ihm gehörten Lawrenti P. Berija40, Anastas I. Mikojan41, Nikolai A. Wosnessenski42 und Andrei A. Andrejew43 an. Eine parallele Kommission wurde auch beim ZK eingerichtet, in der wiederum Manuilski und Dimitroff in leitender Stellung tätig waren. Emigrierte deutsche Kommunisten und bald auch kriegsgefangene Absolventen sogenannter Antifa-Schulen wurden in der Sowjetunion schon ab 1942 in größerem Umfang in die Arbeit des militärpolitischen Apparates einbezogen. Nach sowjetischen Angaben waren im Krieg etwa 2500 Deutsche unmittelbar bei der für die Gegnerzersetzung zuständigen 7 Abteilung der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee tätig44. Dort stand der Orientalistik-Pro-
war
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Zur Arbeit der Kommissionen vgl. Filitow, A. M.: W komissijach narkomindela [...], in: Rscheschewski, O. A. (Hg.): Wtoraja mirowaja woina. Aktualnyje problemy, Moskwa 1995, S. 54-71 und Kynin, G. P.: Antigiderowskaja koalizija i wopros o poslewojennom ustroistwe Germanii, in: Rscheschewski, O. A. (Hg.): Wtoraja mirowaja woina 1995, S. 166-177 Kusnezow, Wassili Wassilewitsch (1901-1990), 1940-43 stellvertretender Vorsitzender Gosplan u. ab 1941 gleichzeitig stellvertretendes Mitglied GOKO für Fragen der Metallurgie, ab 1943 höchste Positionen in Gewerkschaft, 1953-55 stellvertretender Außenminister UdSSR und Botschafter in Korea, 1955-77 Erster stellvertretender Außenminister, 1977-86 Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR. Berija, Lawrenti Pawlowitsch (1899-1953), ab 1921 führende Positionen in Sicherheitsorganen, 1934-53 Mitglied des ZK der WKP(B), 1938-45 und März bis Juli 1953 Volkskommissar bzw. Minister des Innern der UdSSR, ab 1941 stellvertretender und 1946-53 Erster stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates der UdSSR; 1945 Marschall; ab 1946 Mitglied des Politbüros der WKP(B); 1953 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Mikojan, Anastas Iwanowitsch (1895-1978), 1923-76 Mitglied des ZK, ab 1926 Volkskommissar und 1936-49 Volkskommissar/Minister für Außenhandel; 1935-66 Mitglied des Politbüros des ZK, 1955-64 Erster stellvertretender Vorsitzender im Ministerrat der UdSSR, 1964-65 Vorsitzender und 1965-74 Mitglied des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR. Wosnessenski, Nikolai Alexejewitsch (1903-1950), ab 1919 Mitglied der WKP(B), 1928-34 Studium, 1935 Promotion, ab 1937 stellvertretender und ab 1938 Vorsitzender der Staatlichen Planungskommission (GOSPLAN), ab 1939 Stellvertreter und ab 1941 Erster Stellvertreter des Vorsitzenden beim Rat der Volkskommissare/Ministerrat; ab 1939 Mitglied des ZK, ab 1941 Kanditat und Feb. 1947-März 1949 Mitglied des Politbüros, Okt. 1949 verhaftet, 1950 zum Tode verurteilt und hingerichtet, 1954 rehabilitiert. Andrejew, Andrei Andrejewitsch (1895-1971), 1932-52 Mitglied des Politbüros und 1939-46 des Orgbüros, 1935-46 zugleich Sekretär des ZK der WKP(B); 1939-52 Vorsitzender des Komitees für Parteikontrolle beim ZK; außerdem Inhaber zahlreicher Staatsämter im Ministerrang. So: Semirjaga, Michail Iwanowitsch: Wtoraja mirowaja woina i proletarski internazionalism, Moskwa 1962, S. 203. Nach den Erinnerungen des ehemaligen Leiters der Sonderoperationen im sowjetischen Geheimdienst Pawel Sudoplatow standen unter seinem Kommando insgesamt 2000 Ausländer, vgl. Sudoplatow, Pawel A. und Sudoplatow, Anatolij: Der Handlanger der Macht. Enthüllungen eines KGB-Generals, Düsseldorf 1994, S. 165. Bis zum 29. April 1945 gehörten dem Institut Nr. 99 u.a. Anton Ackermann, Walter Ulbricht, Kurt Fischer, Otto Fischer, Peter Florin, Georg Wolf als etatmäßige Mitarbeiter an, -
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Vorgeschichte
fessor Dr. Jossif Samuelowitsch Braginski der Deutschen Abteilung vor. Neben dem Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) und dem Bund Deutscher Offiziere (BDO), die im Juli bzw. September 1943 entstanden waren, nahm nach der Konferenz von Teheran auch das KPD-Exil im Januar 1944 die Planungsarbeit auf und legte im Herbst 1944 ein „Aktionsprogramm des Blocks der kämpfenden Demokratie" vor. Allerdings wurde es nach der Konferenz von Jaita weitgehend zurückgenommen, die KPD-Exilführung beschränkte sich in ihren „Richtlinien für die Arbeit der deutschen Antifaschisten in dem von der Roten Armee besetzten deutschen Gebiet" vom 5. April 1945 auf die Unterstützung der Roten Armee45. Planungen aus dem Umfeld des NKFD, das wie die übrigen genannten Einrichtungen eng mit dem NKWD-Apparat vernetzt war, wirkten sich insbesondere auf die Personalpolitik in der späteren SBZ aus46. Doch auch unabhängig von ihren Resultaten verdient die politische Planung schon deshalb Beachtung, weil sich die daran Beteiligten mit der Materie vertraut machen und später als fachliche Berater vielfach Einfluß auf sowjetische Entscheidungen nehmen konnten.
3.
Überlegungen zur Besatzungsorganisation
Meldungen über die Verwaltung besetzter Gebiete tauchten in „Woina i rabotschi klass", dem Organ des Sowjetischen Büros für militärpolitische Propaganda, vom 1. September 1943 auf47. Die ausführliche Berichterstattung über das damals in Sizilien gerade installierte Allied Military Government for Occupied Territories (AMGOT) stellte eine differenzierte Analyse der amerikanisch-britischen Militärverwaltung in Italien vor, die als Lehrbeispiel angeboten wurde. Die grundlegenden Elemente der anglo-amerikanischen Praxis bestanden im Festhalten an der im Land vorgefundenen administrativen Struktur unter der Oberaufsicht eines Offiziers für Zivilangelegenheiten als Chef der Militärregierung, der dem Militärgouverneur als dem Obersten Chef unterstellt war. Die auf Sizilien angewandte Regelung, wo der Militärgouverneur als Oberbefehlshaber die gesamte militärische und administrative Befehlsgewalt in seinen Händen konzentrierte, findet man später auch bei der SMAD wieder. Desgleichen die fachliche Gliederung sowie die Aufgabenstruktur des BeErste
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bis 31. Dezember 1945 auch Erich Weinert, der Präsident des NKFD. Vgl. auch „Bolschaja tschast wojennoplennych popolnit rjady Sozialistitscheskoi Jedinoi Partii Germanii". Neiswestny projekt feldmarschala Pauljussa, in: Istotschnik 3/1994, S. 102-107, hier S. 102. Vgl. Laschitza, Horst: Kämpferische Demokratie gegen Faschismus. Die programmatische Vorbereitung auf die antifaschistisch-demokratische Umwälzung in Deutschland durch die Parteiführung der KPD, Berlin (Ost) 1969, und Erler, Peter u.a. (Hg.): ,Nach Hitler kommen wir'. Dokumente zur Programmatik der Moskauer KPD-Führung 1944/45 für Nachkriegsdeutschland, Berlin 1994. Vgl. u.a. Psewdonim „Swoboda". Is istorii organisazii, sosdanych dlja rasloschenija woisk i tyla protiwnika. 1943-1944 gg., in: Istoritscheski archiw 5/1994, S. 136-164. Wolynski, L.: AMGOT, in: Woina i rabotschi klass, Nr. 7/1, Sept. 1943, S. 24-27
Überlegungen zur Besatzungsorganisation
41
satzungsapparates. Kritik wurde sowjetischerseits lediglich an der Isolation der anglo-amerikanischen Besatzungsverwaltung von „den Massen des italienischen Volkes", an ihrer politischen Abstinenz und der angeblich distanzierten Haltung der Westallüerten gegenüber den italienischen Antifaschisten geübt, inhaltlich also an den restaurativen Elementen der Besatzungspolitik. Diese Kritik gipfelte in dem Vorwurf, daß das faschistische Regime durch die westlichen Besatzungsmächte nur formal und nicht faktisch liquidiert und der faschistische Apparat durch die Besatzungsverwaltung geschützt werde, anstatt daß demokratische Elemente in Regierungspositionen gebracht würden48. Auch spätere ebenso detaillierte Berichte lassen viele formale Ähnlichkeiten zwischen der zur gleichen Zeit in den Grundzügen entstehenden sowjetischen Besatzungsorganisation in den außerhalb der Sowjetunion „befreiten Gebieten" und der anglo-amerikanischen Praxis in Westeuropa erkennen49. Sogar Berija ließ sich bei seinen Entscheidungen hinsichtlich der sowjetischen Besatzungsverwaltung in Deutschland durchaus von amerikanischen Organisationsstrukturen inspirieren, wie aus seinem Brief an Stalin vom 22. April 1945 hervor-
-
geht50.
Daß man sich in Moskau abstrakt kaum Gedanken über die Besatzungsverwaltung machte, ist auch durch Aussagen Stalins belegt. Zwar sind die in amerikanischen Quellen überlieferten Äußerungen nicht wörtlich zu nehmen, doch charakterisieren sie recht treffend die Art, in der die mit der Besatzung zusammenhängenden Probleme wahrgenommen, und die pragmatische Form, in der sie gelöst wurden. Nachdem sich Stalin und sowjetische Offiziere Anfang 1945 bei den Westalliierten über angeblich starke Agententätigkeit im Hinterland der Roten Armee beklagt hatten (tatsächlich war der bewaffnete Kampf gegen den polnischen nationalen Widerstand gemeint), antwortete der sowjetische Diktator auf die Frage des US-Generals Harold R. Bull vom SHAEF-Stab, wie die Kontrolle in den besetzten Gebieten gehandhabt werde, daß grundsätzlich jede Armeegruppe für die Sicherung des eigenen Operationsgebietes zuständig sei. Da für diese Aufgaben die Kampftruppen jedoch nicht befähigt seien, würden dazu NKWD-Truppen verwendet, die als von der Armee unabhängige Teile hinter den Armeetruppen operierten51. Dem NKWD unter der Leitung Berijas hatte Stalin schon 1943 die Kontrolle der „befreiten Gebiete" übertragen52 und mit seiner Weisung vom 18. Dezember 1944 die Kompetenzen des NKWD auf das Ausland erweitert. 48
Ebenda, S. 27
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Vgl. Wolynski, L.: Jeschtscho ob AMGOT'e, in: Woina i rabotschi klass, Nr. 8/Sept. 1943, S. 17-20 sowie Ruzin, N.: Ob organisazii graschdanskowo uprawlenija na oswoboschdajemych territorijach, in: Woina i rabotschi klass, Nr. 11/1. Juni 1944, S. 11-16.
50 51
Berija/Stalin/22. 4. 1945, in: GARF, r 9401/2/95, Bl. 317-318. Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force/General Wickersham/22 February 1945, in: BAK, OMGUS/AGTS 20/16.
52
Vgl. Wolkogonow, Dmitri Antonowitsch: Stalin: Triumph Porträt, Düsseldorf 1989 (Teilausgabe), S. 609.
und
Tragödie:
Ein
politisches
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Vorgeschichte
Es gab natürlich entsprechende Planungen und Entwürfe, die in den Expertenkommissionen des sowjetischen Volkskommissariats des Äußeren entstanden waren53. Sie sind insoweit bemerkenswert, als zunächst die Gemeinsamkeiten in der Organisation des alliierten Okkupationsregimes im Vordergrund standen und sogar eine Fortführung deutscher staatlicher Machtstrukturen in Erwägung gezogen wurde, was dann jedoch in der Verordnung über die SMAD vom 6. Juni 1945 nicht in die Realität umgesetzt wurde. Wenn man dem russischen Diplomaten und Historiker G. P. Kynin folgt, so bestimmte bis zum 24. März 1945 die in Jaita dem Grundsatz nach vereinbarte Aufteilung Deutschlands die Planung, bis Molotow ein Machtwort gesprochen habe54. Den sowjetischen Vertreter in der Europäischen Beratenden Kommission wies der Volkskommissar für Äußeres damals an, die Zerstückelungsvariante (rastschlenenije) lediglich als äußerstes diplomatisches Druckmittel gegen Deutschland zu betrachten55. Molotow selbst begründete den Sinneswandel mit Rücksichtnahme auf die öffentliche Weltmeinung. Andere Erklärungen besagen, daß man im Kreml innerhalb einiger Wochen die Überzeugung gewonnen habe, ein deutscher Einheitsstaat auf einer der Weimarer Republik vergleichbaren sozioökonomischen Ordnungsgrundlage entspreche eher sowjetischen Interessen56. Am 9. Mai 1945 gab Stalin eine öffentliche Erklärung ab, daß die UdSSR Deutschland nicht zerschlagen wolle. Dazu erläuterte er Ende Mai 1945 dem amerikanischen Unterhändler Harry Hopkins, er habe den Eindruck gewonnen, die USA und Großbritannien seien gegen eine Aufteilung Deutschlands57. Diese Interpretation bedarf der Relativierung, denn bereits Anfang September 1944 lagen dem deutschen Geheimdienst Informationen aus der sowjetischen Botschaft in Stockholm vor, daß es zwischen den Alliierten in dieser Frage Differenzen gebe: Während die Westmächte für eine Zerstückelung Deutschlands einträten, sei die Sowjetunion an der Erhaltung des deutschen Industriepotentials und deshalb an der Einheit Deutschlands interessiert58. Ähnlich hieß es in einem Schreiben an Heinrich Himmler vom 18. September 1944, daß Stalin von den in Teheran getroffenen Abmachungen abgehe und vor kurzem Roosevelt mitgeteilt habe, daß er keine Zerstückelung Deutschlands 53
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58
M.: W komissijach narkomindela [...], in: Rscheschewski, Wtoraja mirowaja woina 1995, S. 66f. Kynin, G. P.: Antigitlerowskaja koalizija i wopros o poslewojennom ustroistwe Germanii, in: Rscheschewski, Wtoraja mirowaja woina 1995, S. 174. Vgl. Telegramma narodnowo komissara inostrannych del SSSR W M. Molotowa poslu SSSR w Londone F. T. Gussewu/24 marta 1945, in: SSSR i germanski wopros 1996, S. 626. Falin, Valentin: Zweite Front. Die Interessenkonflikte in der Anti-Hitler-Koalition, München 1995, S. 468 f. Kynin, G. P.: Antigitlerowskaja koalizija i wopros o poslewojennom ustroistwe Germanii, in: Rscheschewski, Wtoraja mirowaja woina 1995, S. 174. Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Nr. 21472/9.44 vom 13. Sept. 1944, in: BAK, R 58/1114.
Filitow, A.
Überlegungen zur Besatzungsorganisation
43
und eine gute Behandlung der Deutschen wünsche59. Welche der beiden Lesarten ex post facto als Desinformation bewertet wird, bleibt nachrangig; die Quellen reflektieren unmittelbar die taktischen Elemente der Verhandlungsführung. Zu beachten ist vielmehr die Tatsache, daß Separatismus in der Londoner Europäischen Beratenden Kommission nicht tabu war: Dahingehende Bestrebungen sollten im besetzten Deutschland gleichberechtigt mit jenen politischen Tendenzen unterstützt werden, die programmatisch für Föderalismus und Dezentralisation eintraten. Dabei war aber besondere Vorsicht zu üben, hieß es in diesem Papier ausdrücklich, damit separatistische Bestrebungen nicht dadurch kompromittiert würden, indem der Eindruck entsteht, daß die Alliierten sie aktiv unterstützen60. Die konsensfähige Sollbruchstelle war also schon durch die Diplomaten markiert worden. Der schließlich vom Rat der Volkskommissare angenommene Beschluß über die Struktur der SMAD vom 6. Juni 1945 beruhte laut A. M. Filitow weitgehend auf Planungsentwürfen der Diplomaten A. A. Smirnow und W S. Semjonow vom Mai 194561. Semjonow gehörte ab September 1944 als Deutschland-Berater einer Arbeitsgruppe im Volkskommisariat des Äußeren der UdSSR an, die sich unter Wahrung „strengster Geheimhaltung" in direktem Zusammenwirken mit dem Staatlichen Verteidigungskomitee (GOKO; Vorsitz: Stalin), dem außenpolitischen Apparat des ZK und der Politischen Verwaltung der Armee intensiv mit konkreten Besatzungsfragen beschäftigte62. Der russische Historiker Filitow charakterisiert die beiden zuletzt genannten Diplomaten als „pragmatisch", während er Maiski und Litwinow als den Vorsitzenden der Expertenstäbe eine „globale Herangehensweise" an die deutsche Frage bescheinigt63. Allerdings ist bisher nicht erforscht, in welchem Maß die strategischen Planungen in die Gestaltung der Nachkriegspolitik einflössen. Semjonow bekennt sogar freimütig, daß in seinem mit operativen Fragen beschäftigten Stab die Ergebnisse dieser strategischen Planungen gar nicht bekannt gewesen seien. Informiert war der spätere „Chefdiplomat" bei der 59
60
Chef der Sicherheitspolizei und des SD/An den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei/Geheime Reichssache/18. Sept. 1944/betr. Sowjetische Pläne mit Deutschland, in: ebenda. So: Punkt 5 der Direktiva No I/Germanija w poslekapituljazjonnoi period, in: AWP RF, 457a/1945/l/6/2, Bl. 4. Ein systematischer Abgleich der EAC-Dokumente zur Feststellung ihrer juristischen Aussagekraft war nicht möglich. Grundsätzlich ist aber zu beachten, daß im Völkerrecht rechtsmaterielle und prozedurale Aspekte vielfach identisch sind. Als Beispiel könnte das sogenannte „non-paper" gelten. Filitow, A. M.: W komissijach narkomindela [...], in: Rscheschewski, Wtoraja mirowaja woina 1995, S. 67f. Vgl. dazu auch Semjonow, Wladimir S.: Von Stalin bis Gorbatschow. Ein halbes Jahrhundert in diplomatischer Mission 1939-1991, Berlin 1995, S. 207f., wonach er die Entwürfe im Mai 1945 in Berlin zusammen mit dem Stabschef der 1. Belorussischen -
61
(und später der SMAD) W Kurassow gemacht habe. Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow 1995, S. 156-165. Filitow, A. M.: W komissijach narkomindela [...], in: Rscheschewski, Wtoraja mirowaja
Front 62
63
woina 1995, S. 69.
Vorgeschichte
44
SMAD nicht einmal über die Beschlüsse der Europäischen Beratenden Kommission in London64. Lediglich bei der Formulierung der in Jaita vorgetragenen
sowjetischen Reparationsforderungen wurde auf Vorarbeiten der MaiskiKommission zurückgegriffen. In der politischen Zielsetzung wie in den formalen Organisationsfragen bewegte sich die sowjetische Praxis zunächst im Rahmen der durch die Europäische Beratende Kommission im Frühjahr 1945 fertiggestellten grundlegenden Akte der Besatzungsverwaltung, die bereits vor der Niederwerfung Deutschlands die spätere gesetzgeberische Tätigkeit des Kontrollrats zu einem guten Teil vorbereitet hatten65.
4.
Vorbereitung für die Besatzungsverwaltung
Historiker haben die Frage nach der konkreten Vorbereitung sowjetischer Offiziere für Besatzungsaufgaben in Deutschland lange kontrovers beantwortet. Der DDR-Historiker Heinz Heitzer vermutete beispielsweise „eine intensive und langfristige Vorbereitung"66, während S. I. Tjulpanow feststellte, daß die WKP(B) und die Sowjetunion „keine ausgearbeitete Theorie der Besatzungsadministration" hatten, aber eine erprobte Konzeption der Befreiung67. Es sei nicht möglich gewesen, „die Truppen für die endgültige Zerschlagung des Gegners zu mobilisieren und gleichzeitig konkrete Weisungen darüber zu erteilen, was nach dem Siege zu tun sei. Die Sowjetunion hatte nicht wie die Westmächte die Möglichkeit, die Kader im Hinterland ruhig auf die Besetzung vorzubereiten"68. Ein klares Urteil fällte Marschall Schukow, die dokumentationstechnisch und fachlich vorzüglich vorbereiteten westlichen Alliierten, vor allem die Amerikaner, vor Augen: „Nichts davon haben wir gehabt". Vieles habe man sich erst während der Tätigkeit aneignen müssen, oft mußte man sich mit Moskau konsultieren und von dort Anordnungen holen, was die Operationalität im Kontrollrat behindert habe69. Erfahrungen mit Besatzungsverwaltungen konnten die Russen allerdings neben Italien vor allem in Bulgarien, Ungarn, Rumänien und Finnland sammeln, in denen alliierte Kontrollkommissionen errichtet wurden70. Unter vorläufige sowjetische Militärverwaltung wurden grundsätzlich auch be-
64
Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow 1995, S.
157-159.
Vgl. Entwürfe späterer Direktiven des Kontrollrats u.a. in: AWP RF, 457 „a'71/6/2. 66 Heitzer, Heinz: Die Befreiung durch die Sowjetunion und der Beginn der antifaschistischdemokratischen Umwälzung, in: ZfG, 28. Jg. (=1980), S. 711-729, hier S. 724. 67 65
68
Tjulpanow, Sergei Iwanowitsch: Die Rolle der SMAD bei der Demokratisierung Deutschlands, in: ZfG, 15. Jg. (=1967), S. 240-252, hier S. 243. Tjulpanow, Sergei Iwanowitsch: Die Rolle der Sowjetischen Militäradministration im demokratischen Deutschland, in: 50 Jahre Triumph des Marxismus-Leninismus, Berlin (Ost) 1967, S. 30-69, hier S. 45.
69 70
Schukow, Wospominanija 1990, 10. Auflage, Bd. 3, S. Vgl. u.a. Wiskow und Kulbakin, Sojusniki 1990.
319.
Vorbereitung für die Besatzungsverwaltung
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freite Gebiete der Vereinten Nationen71 gestellt, sofern sie von Kampfhandlungen betroffen waren, an denen die Rote Armee teilnahm. Die nur spärlich vorliegenden Daten über konkrete Maßnahmen erlauben lediglich die Feststellung, daß 1944 25 Offiziere, alle Mitarbeiter der für psychologische Kriegsführung zuständigen 7 Abteilung der GlawPURKKA, darunter auch Tjulpanow, nach Moskau beordert wurden, wo sie u.a. mit den „Vorstellungen von den künftigen Aufgaben in den besetzten Gebieten" Manuilskis, Dimitroffs und Piecks bekannt gemacht wurden72. An Vorträge Piecks, Ulbrichts und Ackermanns, die Ende 1944 an der Militärpolitischen Akademie in Moskau über die politische Lage in Deutschland und über die Hauptlinien der KPD-Politik informierten, erinnerte sich 1986 der spätere Sektorenleiter der SMAD-Abteilung für Volksbildung Pjotr I. Nikitin73. Lew Kopelew erwähnte in seinen Erinnerungen, daß seine Frau im Herbst 1944 zu einem Lehrgang für die Vorbereitung auf die Arbeit in der Besatzungsverwaltung in Deutschland abkommandiert worden sei74. Sehr ausführliche und bezüglich der Intensität stellenweise sicherlich übertriebene Aufmerksamkeit widmete diesem Thema der ehemalige SMAD-Mitarbeiter Klimow75, über Vorbereitungen im Volkskommissariat für chemische Industrie berichtet Berg76, die später ebenfalls in der SBZ tätig war. Zahlreiche verstreute Belege erlauben insgesamt den Schluß, daß sowjetische Offiziere und Fachleute ab Sommer 1944 auf ihre Tätigkeit in der Besatzungsverwaltung in Deutschland durch Schulungen vorbereitet wurden.77 Daß Intensität und Informationsgehalt der Vbrbereitungsmaßnahmen allerdings nicht allzu hoch veranschlagt werden dürfen, bestätigt das Zeugnis des Chefs der SMAD-Landesverwaltung in Thüringen I. S. Kolesnitschenko. Nachdem ihm, früher Mitglied des Kriegsrats einer Armee, in Karlshorst seine Ernennung bekanntgemacht worden war, erhielt er auf seine Frage, worin denn nun seine neue Aufgabe bestehe, lediglich den Rat, die SMAD-Verwaltung für Zivilangelegenheiten aufzusuchen, 71
72
73
„Vereinte Nationen" oder „Alliierte" war ursprünglich Sammelbegriff für Staaten, die sich im Kriegszustand mit den Achsenmächten befanden und durch Beistandsverträge aneinander gebunden waren. Zur Sicherung der Nachkriegsordnung gründeten sie 1945 als Organisation der „Vereinten Nationen" die UNO. Er wird auch zur Kennzeichnung der „Großen Vier" Alliierten (USA, UdSSR, Großbritannien, Frankreich) verwendet.
Tjulpanow, Sergei Iwanowitsch: Deutschland nach dem Kriege: (1945-1949): Erinnerungen eines Offiziers der Sowjetarmee, hg. u. mit einem Nachwort versehen von Stefan Doernberg, 2. Auflage Berlin (Ost) 1987, S. 58. Vgl. Hochschule für Ökonomie Bruno Leuschner Berlin, Wissenschaftliche Zeitschrift 1/1987, S. 5-8.
74 75 7h
77
Kopelew, Lew: Aufbewahren für alle Zeit! Hamburg 1975, S. 83.
Klimow, Gregori Petrowitsch: Berliner Kreml, Köln, o.J. [1953], S. 43ff. Berg. Je.: Dwa goda w okkupirowannoi Germanii, in: Pamjat, Istoritscheski sbornik 5. Moskwa, 1981; Paris, 1982, S. 7-48, hier S. 7 Aus den russischen und deutschen Akten ergibt sich, daß diese Schulungen im Herbst 1944 begonnen hatten, amerikanische Geheimdienstberichte aus Moskau datieren die Vorbereitungen schon auf Sommer 1944. Vgl. Russian Policy toward Germany.July 8, 1944, in: PSF, OSS/Box 149.
Vorgeschichte
46
sich dort genauere Instruktionen zu holen78. Ähnlich erging es dem Mitglied des Kriegsrats der SMAD Bokow, dem Schukow lediglich empfehlen konnte, sich mit der Politischen Hauptverwaltung der Armee in Moskau in Verbindung zu setzen79. Aufschlußreich hinsichtlich der Unterschätzung der anstehenden Aufgaben ist in diesem Zusammenhang vor allem die sowjetische Personalplanung vom Frühjahr 1945: Für den Kontrollrat waren auf der Grundlage der von der Europäischen Beratenden Kommission entworfenen Strukturen 101 Planstellen vorgesehen80, für den Apparat des Oberstkommandierenden, also des späteren Chefs der SMAD, lediglich 12581: Beim Kontrollrat mußten die Russen schließlich viermal mehr Personal einsetzen, und der Karlshorster Zentralapparat der SMAD verfügte nach sowjetischen Angaben über fast fünftausend Mitarbeiter82, wobei der Besatzungsapparat insgesamt zeitweilig sogar die zehnfache Menge von Mitarbeitern umfaßte. Für die erste Gruppe emigrierter oder kriegsgefangener deutscher Kommunisten begannen Vorbereitungskurse für ihre künftigen Aufgaben in der späteren SBZ im September 1944 in Nagornoje bei Moskau (Tarnbezeichnung: Objekt 12), also noch bevor die Rote Armee die deutsche Grenze überschritten hatte83. Ein solcher Lehrgang dauerte zwei Monate und konzentrierte sich auf ideologische Indoktrination und Unterweisung in Agitprop-Aufgaben84. Bis zur Schließung im Dezember 1945 führte die Schule fünf Kurse mit jeweils 25 bis 30 Teilnehmern durch85. Gottfried Grünberg, ein Moskauer KPD-Emigrant, berichtet von einem Lehrgang des ZK der KPD in der Nähe von Moskau, an dem er im April 1945 teilgenommen habe86. In Ochodna bei Moskau fanden zur gleichen Zeit Kurse für deutsche Mitarbeiter der GlawPURKKA statt. Wilhelm Pieck nahm vom 13. November bis 11. Dezember 1944 an einem Schulungslehrgang teil, den die 7 Abteilung durchführte. Dieser Kurs währte insgesamt 25 Arbeitstage zu je 12 Stunden87. Aus dem Lehrplan geht um
78 79 80
Koleschnitschenko, Iwan Sossonowitsch: Bitwa posle woiny, Moskwa 1987, S. 4. Bokow, Fjodor Je.: Im Frühjahr des Sieges und der Befreiung, Berlin (Ost) 1979, S. 405f.
Spissok No. 2/Sowetski personal w meschsojusnom komitete po koordinazii pri Kontrolnom sowete w
81 82
Germanii, in: AWP RF, 457 „a'71/6/2, Bl.
69.
Spissok No. 1/Litschny sostaw ispolnitelnowo organa glawnatschalnika w sowetskoi sone okkupazii w Germanii/o.D., in: AWP RF, 457 „a"/l/6/2, Bl. 72. M. Gribanow/Tow. Wyschinskomu, A. Ja./Feb. 1950, in: AWP RF, 082/37/206/41, Bl. 11-12.- Dort ist
von
4670 Mitarbeitern die
Rede.
83
Vgl. Wehner, Hellfried: Proletarischer Internationalismus und sozialistische Besatzungspolitik. Ein Beitrag zur antifaschistischen Entwicklung im ehemaligen Land Sachsen unter besonderer Berücksichtigung der sozialistischen Besatzungspolitik. Phil. Habil., Halle 1970,
84
Vgl. 9. Januar 1945: Rede Wilhelm Piecks in der KPD-Parteischule, in: Keiderling, Gerhard: „Gruppe Ulbricht" in Berlin April bis Juni 1945, Berlin 1992, S. 139-156.
S.U.
85 86 87
Ebenda, S.
29.
Grünberg, Gottfried: Kumpel, Kämpfer, Kommunist, Berlin (Ost) 1989, S. 207 Vgl. hierzu insbes. die interne Dienstanweisung: GlawPURKKA VII Uprawlenije/Programma mesjatschnych sborow rabotnikow sedmych otdelow. Nojabr 1944 Moskwa, in: -
SAPMO
BArch,
ZPA/NL 36/734.
hervor, daß nicht nur deutsche Geographie und Geschichte behandelt wurden,
sondern auch konkrete Erfahrungen aus der Arbeit sowjetischer politischer Offiziere unter der Bevölkerung bereits besetzter Gebiete in Polen, Rumänien usw., insbesondere beim Aufbau von Kommunalverwaltungen, vermittelt wurden88. Deutsche Kommunisten wurden auch durch eine Spezialschule in Puschkino bei Moskau (Objekt No. 4) im Rahmen des Instituts Nr. 100 aus-
gebildet89. Einige Teilnehmer der Schulungskurse wurden bereits im März 1945 über Mitteldeutschland mit dem Fallschirm abgesetzt, um Untergrundgruppen zur Unterstützung der Roten Armee aufzubauen90. Anfang April 1945 teilte Dimitroff Wilhelm Pieck mit, daß der Militärpolitische Rat der Roten Armee der Entsendung von kommunistischen Kadern nach Deutschland zugestimmt91 und damit einer von Pieck bereits am 13. Juli 1944 geäußerten Bitte entsprochen habe. Diese Gruppen wurden aus emigrierten KPD-Funktionären und Absolventen von sowjetischen Antifa-Schulen zusammengestellt und jeweils einem der drei nach Deutschland vorgestoßenen sowjetischen Heeresverbände zugeordnet: mit dem geographischen Schwerpunkt Berlin eine Gruppe unter der Leitung von Walter Ulbricht, für Mecklenburg-Vorpommern unter Gustav Sobottka und für Sachsen unter Anton Ackermann. Diese in der DDR-Geschichtsschreibung irreführend als Initiativgruppen des ZK der KPD bezeichneten Stoßtrupps unterstanden in politischer Hinsicht unmittelbar der Abteilung für Internationale Verbindungen beim ZK der WKP(B) und in disziplinarischoperativer den Politischen Verwaltungen der in Mitteldeutschland eingesetzten drei Heeresverbände (Fronten)92. Insgesamt wurden nach einer Aufstellung Piecks zwischen dem 1. Mai und dem 10. Juni 1945 275 Kader der KPD und des NKFD in der SBZ eingesetzt93, eine Zahl, zu der noch die mehr als zweitausend deutschen Mitarbeiter der GlawPURKKA kommen, die teilweise mit den sowjetischen Kampfverbänden nach Deutschland gelangten und hier im Frühjahr 1945 demobilisiert wurden. Auch auf deutschem Boden fanden Qualifizierungsmaßnahmen statt. In Zusammenarbeit mit deutschen kommunistischen Emigranten bereiteten sowjetische Politoffiziere in sogenannten NKFD-Frontschulen Kriegsgefangene und frühere Mitglieder von KPD und SPD aus der örtlichen Bevölkerung auf 88
Vgl. Schulungsmaterial 36/734.
und handschriftliche Notizen, in: SAPMO BArch, ZPA/NL
90
Adibekow, Kominform 1994, S. 12. Vgl. Wehner, Proletarischer Internationalismus und sozialistische Besatzungspolitik 1970,
91
Ebenda, S.
89
S. 73.
92
93
12. Laut einer Auskunft von Iwan A.
Bejdin vom 4. Sept. 1992 wurden insgesamt sechs solche „Initiativgruppen" eingesetzt und nicht nur drei. Keiderling, „Gruppe Ulbricht" 1992, S. 441, enthält eine Aufstellung Piecks vom Mai 1945 über fünf nach Deutschland abgereiste „Einsatzgruppen" der KPD. Keiderling, „Gruppe Ulbricht" 1992, S. 100.
48
Vorgeschichte
die Übernahme von Funktionen in der Lokalverwaltung und in der Polizei vor. So 100 Teilnehmer in Stargard oder in Stettin94, und auch in Schwerin wurde wohl im Mai 1945 für 80 bis 100 deutsche Kriegsgefangene eine entsprechende Schulung durchgeführt95. -
-
94
95
Eggert, Oskar: Das Ende des Krieges und die Besatzungszeit in Stralsund und Umgebung 1945-1946, Hamburg 1967, S. 182f. Vgl. Mai, Joachim: Die Rolle der Sowjetunion bei der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung 1945-1949, dargestellt am Beispiel Mecklenburgs, in: Jahrbuch für Geschichte Bd. 28
(=1983), S. 193-234, S.
196.
II. 1.
Besetzung Kriegsende
Ende 1944 standen an der Ostfront den rund 100 deutschen Divisionen 400 sowjetische Infanteriedivisionen und 100 selbständige Panzerverbände gegenüber. Der Operationsplan Schukows, der sich im Juli 1944 im Moskauer Hauptquartier für einen Vorstoß nach Ostpreußen ausgesprochen hatte, scheiterte am Wderstand der Wehrmacht. Zwar nahm die sowjetische Armee nach monatelangen Versuchen, die 100000 ihrer Soldaten mit dem Leben bezahlten,1 im Oktober 1944 in Ostpreußen einige Grenzorte ein, doch konnte sie vom Reichsgebiet wieder verdrängt werden. Ab Anfang November 1944 stand die Rote Armee an den strategischen Flügeln in Verteidigungsstellung. Sie beabsichtigte, so Stalins Planung, erst Anfang 1945 Ostpreußen sowie Pommern zu umgehen und über die Weichsel nach Westen vorzustoßen,2 um in zwei Hauptstoßrichtungen und in zwei zeitlich versetzten Phasen den Entscheidungsschlag gegen die Wehrmacht zu führen. Die Festlegung der strategischen Planungen im November 1944 beinhaltete auch das Diktat Stalins, daß die deutsche Reichshauptstadt durch Truppen unter der Führung von Marschall Schukow, Stalins Erstem Stellvertreter als Oberbefehlshaber, erobert werden solle, weshalb Schukow am 16. November 1944 zum Befehlshaber der 1. Belorussischen Front ernannt wurde.3 Der Vorstoß über die Weichsel war für den 20. Januar 1945 vorgesehen. Auf Bitten der wegen der deutschen Ardennenoffensive besorgten Briten trat die sowjetische Armee jedoch schon am 12. Januar 1945 auf einem 700 Kilometer langen Abschnitt zur Offensive an. Am 30. Januar erreichten ihre Spitzen bei Küstrin die Oder. Unbehelligt überquerten sie den zugefrorenen Fluß und bildeten beim Dorf Kienitz einen ersten Brückenkopf. Wenige Tage später überschritten sie auch bei Reitwein, südlich von Küstrin, und bei Frankfurt den Fluß und bildeten am Westufer weitere Ausfallplätze. Damit gelangten die ersten Abteilungen der 1. Belorussischen und der 2. Ukrainischen Front Ende Januar 1945 auf das Gebiet der späteren SBZ, nur 65 Kilometer von Berlin entfernt. Nach den Vorstellungen Stalins und der Befehlshaber der Fronten sollte 1
Chiodo, Marco Picone: Sterben und Vertreibung der Deutschen im Osten 1944-1949, Ber-
lin 1993, S. 25. 2
3
Solotarew, W. A. (Hg.): SSSR i Polscha, 1941-1945; K istorii wojennowo sojusa, Dokumenty i materialy, (=Russki archiw: Welikaja otetschestwennaja, Bd. 14/3 (1)), Moskwa 1994, S. 192. Stemenko, Generální stáb 1973, S. 307
50
Besetzung
diese Offensive ohne Unterbrechung bis zur Einnahme Berlins fortgesetzt werden, und tatsächlich erteilte Marschall Schukow bereits am 4. Februar 1945 den Befehl zum Sturm auf Berlin. Die Reichshauptstadt sollte, so die Planung, am 15./16. Februar 1945 eingenommen werden.4 Am gleichen Tag, an dem Schukow den entsprechenden Befehl erteilte, am 4. Februar also, übermittelte Stalin zu Beginn der Konferenz von Jaita Roosevelt und Churchill seine optimistische Einschätzung der militärischen Lage.5 Nichtsdestoweniger wurde Schukows Angriffsbefehl kurz darauf von Stalin persönlich aufgehoben.6 S. M. Schtemenko, damals stellvertretender Chef des Generalstabes, erklärte dies später damit, daß die Rote Armee Anfang Januar am linken Oder-Ufer durch unerwartet starken deutschen Widerstand zum Stehen gebracht worden sei.7 Überdies habe Stalins kategorische Entscheidung, daß Berlin durch die 1. Belorussische Front unter Schukow eingenommen werden sollte, die Planungsarbeit äußerst kompliziert.8 Infolge des unterschiedlichen Vormarschtempos traten tatsächlich schwerwiegende Koordinationsprobleme zwischen den Heeresgruppen Schukow und Rokossowski auf. Aber auch politische Überlegungen des Generalstabes bei der Durchführung der Berliner Operation sprach Schtemenko offen an und wies dabei insbesondere auf Churchills Botschaft an Roosevelt vom 1. April 1945 hin, in der der Brite die Eroberung Berlins durch die Westalliierten für politisch opportun erklärte.9 Der Moskauer Befehl zur Beschleunigung des Sturmes auf Berlin erfolgte bezeichnenderweise noch am gleichen Tag. Am 16. April 1945 begannen die 1. Belorussische Front unter Marschall Georgi K. Schukow (zwischen Schwedt und Frankfurt), im Norden die 2. Belorussische Front unter Marschall Konstantin K. Rokossowski und im Süden die 1. Ukrainische Front unter Marschall Iwan S. Konew sowie die 1. und Teile der 2. Polnischen Armee, insgesamt sechs Panzerarmeen und nahezu 200 Divisionen Infanterie und Artillerie in einer Gesamtstärke von mehr als zwei Millionen Mann, die sogenannte Berliner Operation. Die 1. Belorussische Front unter Schukow rückte mit 900000 Männern und Frauen,10 3155 Panzern und genausovielen Flugzeugen sowie etwa 17000 Geschützen11 gegen etwa 500 Panzer und 650 4
5 6 7 8 9 10
"
Tschuikow, zit. bei Schukow: Erinnerungen und Gedanken 1976, Bd. 2, S. 306.- Laut Schtemenko am 25.-28. Feb., vgl. Stemenko, Generální stáb 1973, S. 310. Churchill, Winston S.: Der Zweite Weltkrieg, Bd. VI/2, Bern 1954, S. 9ff. Vgl. Mastny, Vojtech: Moskaus Weg zum Kalten Krieg, München 1980, S. 289f. Stemenko, Generální stáb 1973, S. 310. So
Ebenda, S. 319. Vgl. Churchill, Weltkrieg 1954, S. 143f.
Frauen hatten im Mannschaftsbestand der Roten Armee im Krieg einen Anteil von mehr als zehn Prozent. Sie dienten in der Regel im Nachschub-, Kommunikations- und Sanitätswesen, aber auch in Kampfverbänden der Luftwaffe. 700000 Mann laut W. D. Sokolowski, vgl. Solotarew, Bitwa sa Berlin 1995, S. 574; 900000 laut Kriwoschejew, G. F. u.a.: Grif sekretnosti snjat. Poteri Wooruschonnych sil SSSR w woinach, bojewych deistwijach i wojennych konfliktach. Statistitscheskoje issledowanije, Moskwa 1993, S. 219-220.
51
Kriegsende
Geschütze der nominellen 15 Divisionen der deutschen 9. Armee unter General Busse vor, deren tatsächliche Kampfstärke höchst unterschiedlich zwischen 60000 und 200000 Mann beziffert wird. Berliner Vororte erreichten die stark überlegenen sowjetischen Verbände am 23. April, am 2. Mai kapitulierte der Stadtkommandant. Die sowjetischen Verluste während der gesamten Operation betrugen über 80000 Tote und mehr als 280000 Verletzte;12 die deutschen bezifferte Schukow 1945 mit 150000 Toten und 300000 Gefange-
-
nen.13
Nach Abschluß dieses Unternehmens und der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht standen sowjetische Truppen auf der Linie Wismar Schwerin Wittenberge Magdeburg Dessau Wittenberg Torgau Meißen. Britische Truppen im Norden und amerikanische im Süden hatten gemeinsam nahezu die Hälfte des Territoriums der späteren Sowjetischen Besatzungszone mit acht Millionen Einwohnern (Stand von 1939) eingenommen. In der ersten Juli-Woche rückte die Rote Armee vereinbarungsgemäß in die von den amerikanischen und britischen Verbänden geräumten Gebiete in Mittel- und Norddeutschland (Thüringen, Sachsen-Anhalt, westliche Teile von Sachsen und Mecklenburg) ein. Im Gegenzug für den am 5. Juli 1945 vollzogenen Besatzungswechsel wurde am 12. Juli mit der Alliierten Kommandantur (Allied Kommandature, Sojusnaja Komendatura) eine gemeinsame Besatzungsverwaltung für die ehemalige Reichshauptstadt errichtet. Nach dem Stand vom 29. November 1946 umfaßte die Sowjetisch Besetzte Zone 107600000 qkm, in ihr lebten damals 18,5 Millionen Deutsche.14 Die ab 1. November 1945 eingeführte einheitliche Lebensmittelnorm sah eine tägliche Ration von 350 g Brot, 20 g Nährmittel, 20 g Zucker, 30 g Marmelade, 25 g Fleisch und 10 g Fett für Arbeiter vor, Angestellte und Nichtberufstätige hungerten unterhalb dieser -
-
-
-
-
-
-
statistischen Planungswerte.15
12
Ebenda, S. 220.
13
Vgl. Press-konferenzija Glawnokomandujuschtschewo SOWWG o chode i itogach Berlinskoi operazii/7 ijunja 1945, in: Solotarew, Bitwa sa Berlin 1995, Dok. Nr. 271, S. 426-430, hier S. 427 Es existieren noch höhere Angaben. Ein sowjetischer Stabsoberst bemängelte schon damals, daß nach den Berichten der einzelnen Armeen mehr deutsche Soldaten vernichtet worden seien als überhaupt teilgenommen hätten (vgl. Solotarew, -
Bitwa sa Berlin 1995, S. 507). Der SPIEGEL 15/1995, S. 178, berichtete von 304887 toten Rotarmisten und 500000 Toten auf deutscher Seite. Hierbei handelt es sich lediglich um eine journalistische Darstellung alter sowjetischer militärischer „Verlustmeldungen", die nicht zwischen Toten, Verletzten, Kranken und Gefangenen unterscheiden. 480000 deutsche Kriegsgefangene in der Berliner Operation laut: Posnjak, B. G.: Sawerschajuschtschije udary po wragu, in: Wojenno-istoritscheski schurnal 1965, S. 26-35, hier S. 33. Oswoboditelnaja missija sowetskich wooruschonnych sil wo wtoroi mirowoi woine, Moskwa 1971, S. 131. Vgl. Vereint auf dem Weg zum Sozialismus. Geschichte der Landesparteiorganisation Sachsen-Anhalt der SED 1945 bis 1952, hg. von der Bezirksleitungen Halle und Magdeburg der SED, Halle-Magdeburg 1986, S. 184. -
14
15
52
Besetzung
2. Deutsche und Russen Das Verhältnis der ostdeutschen Bevölkerung zu den sowjetischen Eroberern und Besatzern war vielschichtig, komplex und oft widersprüchlich. Um die Vorbelastungen, Probleme und Gegensätze zu illustrieren, die für das Verhältnis zwischen SMAD und der Bevölkerung in der SBZ bestimmend wurden, seien im folgenden kaleidoskopartig aus den Quellen und Erinnerungen der Zeit jene Bildauschnitte zusammengestellt und hinterfragt, welche vor dem Fiintergrund der Goebbelschen antisowjetischen Propaganda während des Krieges und vielfach befördert durch den unmittelbaren Anschauungsunterricht im Besatzungsalltag dazu führten, daß Distanz und Fremdheit zwischen Besatzern und Besetzten letztlich unaufhebbar blieben. Der Landkrieg hinterließ in der Zivilbevölkerung Ostdeutschlands andere Narben als der Luftkrieg im Westen. Einen Eindruck über den erbitterten Widerstand der Wehrmacht vermitteln die Verlustmeldungen der 1. Belorussischen Front für den Monat August 1944: In den ersten zwei Wochen waren 40000 deutsche Soldaten gefallen,16 am Monatsende 116000, bei nur 2844 Gefangenen.17 Bilder von Truppenteilen der Wehrmacht, die beim Übergang des Gegners über die Weichsel durch massives Artilleriefeuer mit Mannschaft und Gerät in Grund und Boden gestampft wurden, prägten sich Soldaten ein. Über die konkreten Details der Kriegsführung waren selbst hartgesottene NKWDOffiziere in der nachrückenden Etappe schockiert, wie Berichte an Stalin über das Geschehen in Königsberg, das am 9. April fiel, oder Breslau, das erst in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai kapitulierte, belegen. Das Ostheer, in dem seit 1943 die Parole „Der letzte Kamerad ist in Stalingrad gefallen" grassierte, hielt immer mehr nur noch die durch Feldpolizei und SS von außen aufgezwungene
„eiserne Disziplin" zusammen. Generalfeldmarschall Schörners Eidestreue über den Tod des „Führers" hinaus, der in völliger Verkennung der Lage die Heeresgruppe Mitte mit fast einer Million Mann nach Süden geschickt hatte, desavouiert manch späteren Rechtfertigungsversuch. Die Berührung der gegnerischen Truppen mit der deutschen Zivilbevölkerung fiel lokal und regional recht unterschiedlich aus. Als die sowjetische Armee im Oktober 1944 in einige Grenzorte Ostpreußens vorstieß, kam es zu Massakern an der durch Frauen, Kinder und Invalide geprägten Zivilbevölkerung. Über ähnliche Einzelfälle in der zweiten Januarhälfte 1945 wurde aus Oberschlesien berichtet. Die vorliegenden Daten über solche Gewaltakte sind allerdings unscharf und bedürfen daher zurückhaltender Interpretation;18 sie 16
Meldung Konew, Sokolowski, Krainjukow an den Oberbefehlshaber vom 23. Aug.
17 18
Solotarew, SSSR i Polscha 1994, Dok. Nr. 48, S. 238-239. Solotarew, SSSR i Polscha 1994, Dok. Nr. 53, S. 243-244.
1944,
in:
Untersuchungsbericht einer internationale Ärztekommission über das Massaker von Nemmersdorf vom 20. Oktober 1944 war von 71 Frauen und Kindern die Rede, nur am Rande wurde ein alter Mann als Opfer genannt (vgl. Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, bearb. von Theodor In dem 1944 in Berlin veröffentlichten
Deutsche und Russen
53
sind nicht nur vor dem Hintergrund des Kampfgeschehens, sondern auch im Zusammenhang mit der deutschen Kriegsführung im Osten zu sehen. Außer dem psychologischen Moment des Vordringens der Roten Armee über die Reichsgrenze hinweg ist bei den Vorfällen in Oberschlesien auch die Nähe des
Vernichtungslagers Auschwitz in die Waagschale zu legen: Der Bericht an Stalin über die Befreiung des Lagers spricht offen von Kannibalismus unter den Häftlingen. Befreite und einigermaßen diensttaugliche sowjetische Häftlinge wurden sofort an die Front geschickt. Der Krieg gegen Deutsche war ein Spiegelbild des Krieges der Deutschen: Mehr als eine Million sowjetischer Soldaten gelangte unmittelbar aus deutscher Kriegsgefangenschaft und Lagerhaft meistens
in die Sturmverbände der Roten Armee.19
Über das Verhalten der sowjetischen Kampftruppen liegen nur sehr lücken-
hafte Angaben vor. Es ist auffällig, daß auch die als Feldpolizei fungierenden NKWD-Verbände in ihren Dienstberichten dieses Thema meiden. Wie repräsentativ die wenigen Blicke sind, die beispielsweise von der US-Armee über die sowjetische Kriegsführung dokumentiert sind, bleibt ein Geheimnis. Aussichtslos erscheint es zudem, ein traumatisches Geschehen mit zahllosen individuellen Tabuisierungen plausibel zu strukturieren. Assoziationen mit Vernichtung sind durch deutsche Kriegsgefangene und Zwangsinternierte vereinzelt geäußert worden, doch die Wirkfaktoren sind sehr zahlreich. Unklar war schon der Kombattantenstatus beispielsweise des Volkssturms, der uniformierten Eisenbahner, der Feuerwehrleute oder gar der Angehörigen des Roten Kreuzes. Von den etwa 800000 in Ostdeutschland kriegsgefangenen Wehrmachtssoldaten kamen noch vor dem Abtransport in die Sowjetunion 100000 ums Leben.20 Die zivilen Opfer der Kampfhandlungen und der ersten Wochen der Besatzung werden östlich der Oder-Neiße-Linie auf zwei bis drei Prozent der Bevölkerung geschätzt, zwischen 75000 und 100000 Menschen.21 ZeugenaussaSchieder, Bd. 1/1, Bonn 1954, S. 7f., auch Chiodo, Sterben und Vertreibung 1993, S. 24). Laut einem damals in der Schweiz erschienenen Bericht eines Augenzeugen seien in Neinmersdorf 30 Männer, 20 Frauen und 15 Kinder massakriert worden (vgl. Chiodo, Sterben und Vertreibung 1993, S. 26). Über einen ähnlichen Vorfall am 27 Januar 1945 wurde aus dem oberschlesischen Grenzort Mechtal, Kreis Beuthen-Tarnowitz (Miechowitz, polnisch: Miechowice) berichtet. Die Angaben über die Zahl der dort getöteten Männer schwanken zwischen 99 und 900 (vgl. Grabowski, Monika: Reportage, in: Polskie Radio Warszawa vom 30. Juni 1990). Von „Rachehandlungen" in Ostpreußen sprach auch Marschall Ro-
kossowski (vgl. Wojenno-istoritscheski schurnal 2/1965, S. 25-28). Fast eine Million laut Semirjaga, Kak my uprawljali Germanijei, Moskwa 1995, S. 195 f. Nach amtlichen Angaben 1,23 Millionen ehemalige Kriegsgefangene und 415000 zum Kriegsdienst mobilisierte ehemalige Zwangsarbeiter. Vgl. Scherwjakow, A. A.: Gitlerowski genozid i repratrijazija sowetskowo nasselenija, in: Ljudskije poteri SSSR w period wtoroi mirowoi woiny, St. Peterburg 1995, S. 181. Die ehemaligen Kriegsgefangenen wurden in sogenannten Besonderen Sturm-Schützen-Abteilungen erfaßt, die im Krieg vollständig -
19
-
20 21
aufgerieben wurden. Vgl. Zeidler, Krieg 1996, S. 179. Dokumentation der Vertreibung 1954, S. 65f.; Nawratil, Heinz: Die deutschen Nachkriegs-
54
Besetzung
liegen für etwa 25000 gewaltsame Tötungsfälle in den Heimatorten oder auf der Flucht vor. Obwohl diese Zahlen unvollständig sind, weil bei rund einem Fünftel der in der Erinnerung überlieferten Tötungsfälle keine genauen Opferzahlen vorliegen, seien sie hier angeführt,22 denn neuerdings werden auch weit höhere Zahlen genannt.23 Die vom Statistischen Bundesamt für das gesamte Vertreibungsgebiet ermittelten sogenannten statistischen Verluste lagen 1950 bei 3,2 Millionen, zu einem Drittel handelte es sich um gefallene Soldaten.24 Angaben über Gesamtverluste unter der Zivilbevölkerung der späteren SBZ in unmittelbarer Folge von Kriegshandlungen und Besetzung liegen nicht vor. In Anlehnung an die für die Ostgebiete errechneten Werte schätzt sie Nawratil ebenfalls auf zwei bis drei Prozent der Einwohnerschaft, etwa 240000 Menschen.25 gen
Verluste unter Vertriebenen, Gefangenen und Verschleppten, München u.a. 1986, S. 55, bezeichnet diese Werte als „zu vorsichtig geschätzt". Der Anteil der Morde der Roten Armee an den Vertreibungsverlusten sei in Wirklichkeit doppelt und dreifach höher gewesen. Vgl. hierzu auch: Zeidler, Manfred: Der Krieg im Osten. Die Rote Armee und die Besetzung Deutschlands östlich von Oder und Neiße 1944/45, München 1996, S. 145. Der polnische Historiker Madajczyk, Piotr: Przylaczenie Slaska opolskiego do Polski 1945-1948, Warszawa 1996, S. 83, nennt unter Berufung auf deutsche Literatur 400000 Todesopfer, davon 200000 Opfer sowjetischer Arbeitslager, 120000 durch die Rote Armee Getötete sowie 60000 Opfer polnischer Zwangsmaßnahmen. Bei der hier vorgenommenen vorsichtigen Einordnung wurden auch amtliche sowjetische, polnische und tschechische Quellen herangezogen, die sich (im politisch-geographischen Sinn) auf fremde Gebiete bezogen, im topound ethnographischen Sinn aber vielfach deutsche Siedlungsgebiete betrafen. Vgl. Zeidler, Krieg 1996, S. 145. So nennt Steinberg, Heinz Günter: Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland im Zweiten Weltkrieg, Bonn 1991, S. 122, für Schlesien, wo ca. 600000 Deutsche von der Roten Armee überrollt wurden und wohin nach der Kapitulation 1,2 von den geflohenen 1,4 Millionen aus dem Sudetengebiet und aus westlich der Oder gelegenen Gebieten zurückgekehrt waren, 80000 Ziviltote im Verlauf von Kampfhandlungen sowie weitere weit über dreihunderttausend Opfer, die in mittelbarer Kriegsfolge ermordet oder umgekommen seien. Das Bundesamt für Statistik bewertete aufgrund von Volkszählungsdaten die Kriegs- und Nachkriegsverluste in den Ostgebieten des Reiches mit 1,88 Millionen (d.i. 19,6 Prozent der Bevölkerung von 1939) und im gesamten Vertreibungsgebiet mit 2,11 Millionen Zivilisten (Opfer von Kriegshandlungen und Luftkrieg, Vertreibungsverluste) sowie weiteren 1,1 Millionen Wehrmachtssterbefällen, insgesamt 3,2 Millionen (18,8 Prozent der Bevölkerung von 1939); vgl. Wirtschaft und Statistik, 8. Jg., Heft 10 [Okt. 1956], S. 493-500 sowie Wirtschaft und Statistik, 10. Jg., Heft 8 [Aug. 1956], S. 600-604. Andere Zahlen nennt u.a. Steinberg, Bevölkerungsentwicklung 1991, S. 104, mit 2,8 Millionen im Krieg und danach umgekommenen Vertriebenen sowie 1,1 Millionen aus den Ostgebieten stammenden gefallenen Wehrmachtsangehörigen; oder der Statistiker Dr. Gerhard Reichling, der die Gesamtverluste bis 1950 mit 1,64 Millionen Toten auf der Flucht und bei der Vertreibung sowie infolge der Besetzung, ferner weiteren 589000 Todesfällen unter in die Sowjetunion deportierten Deutschen schätzt; in: Sander, Heike; Johr, Barbara (Hg.): BeFreier und Befreite. Krieg, Vergewaltigungen, Kinder, München 1992, S. 60. Nawratil, Nachkriegsverluste 1986, S. 56. Diese Zahl erscheint zu hoch gegriffen; zwischen zwei und drei Prozent bewegten sich damals die sogenannten Finalverluste sowjetischer Armeeverbände in der Schlacht. In den Quellen lassen sich für derart hohe Verluste unter der Zivilbevölkerung keine plausiblen Anhaltspunkte finden, wenn man von den zi-
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Deutsche und Russen
Die Statistik ist allerdings nicht geeignet, den Verlustschmerz und den Leidensdruck angemessen darzustellen. Methodisch ist es mehr als zweifelhaft, amtliches Datenmaterial und durch Befragungen festgestellte lokale Verlustzahlen statistisch hochzurechnen, wie dies vielfach geschehen ist. Der Krieg selbst war kein Flächenbrand, die sowjetischen Truppen wurden durch NKWD-Sperrverbände buchstäblich nach Westen gejagt. Erst die folgenden Hungersnöte und Epidemien gewannen vor allem östlich der Oder-NeißeLinie das Ausmaß einer alttestamentarischen Heuschreckenplage. Nach deutschen Angaben wurden aus den Ostgebieten des Reiches etwa 70 Prozent der Bevölkerung in den Westen evakuiert.26 In Ostpreußen lebten im Mai 1945 weniger als 10 Prozent der Vorkriegsbevölkerung in diesem Punkt stimmen die amtlichen deutschen Angaben mit den sowjetischen überein -, etwa 27000 von ihnen in aufgegebenen deutschen Lagern, in denen der Typhus wütete.27 Aus Westpreußen berichtete der zuständige Frontbevollmächtigte des NKWD im März 1945 von lediglich 35000 erfaßten deutschen Zivilisten, in der Hauptsache handelte es sich um Frauen, Invalide und Kinder.28 Erst gegen Ende des Monats hieß es in den Lagemeldungen nach Moskau, daß in Oberschlesien „ein großer Teil der Bevölkerung zurückgeblieben ist". Nach sowjetischen Angaben hielten sich im Sommer 1945 in Pommern und Schlesien nur noch 1,6 Millionen Deutsche auf; 1939 waren es noch 8,8 Millionen.29 Das Kriegsbild wird auch dadurch geprägt, daß ab Mitte Dezember 1944 alle deutschen Männer zwischen 17 und 45 und Frauen zwischen 18 und 30 Jahren durch das NKWD zur Arbeit „mobilisiert" und deshalb interniert wur-
vilen Opfern des Luftkrieges absieht. Berücksichtigt man die bereits zitierte Angabe Schukows, daß die Zahl der getöteten Wehrmachtsoldaten in den sowjetisch besetzten Teilen Mitteldeutschlands 150000 betragen habe, dann dürften die Gesamtverluste des Landkrieges in Mitteldeutschland in einer Dimension um 200000 wahrscheinlicher erscheinen. Auf der Grundlage der genannten Zahlen kann die Gesamtzahl der Zivilopfer des sowjetischen Landkrieges in Ost- und Mitteldeutschland auf 100000 bis 150000 geschätzt werden. Laut einer Auskunft der Bundesgeschäftsstelle des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge vom 21. Aug. 1995 ruhen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR schätzungsweise 1,2 Millionen Kriegstote, d.h. militärische und zivile Opfer des Krieges und der politischen Massenverfolgung ohne Ansehung der Nationalität. Die darin enthaltene Zahl der Opfer des Ersten Weltkriegs sei verhältnismäßig gering. Insgesamt seien etwa 40% der ostdeutschen Bevölkerung von sowjetischen Truppen überrollt worden. Appolonow/Berija/Mai 1945, in: GARF, r 9401/2/96, Bl. 255-261. Die Behauptung einiger Autoren, die Rote Armee hätte nach Deutschland den Typhus und andere Massenepidemien eingeschleppt, läßt außer acht, daß schon während des Krieges beispielsweise im Warschauer Judenghetto eine Typhusepidemie ausgebrochen war. W. Abakumow/L. Berija/5. 3. 1945, in: GARF, r 9401/1/2212, Bl. 124. Possolstwo SSSR w Polsche/Obsor polititscheskowo poloschenija w Polsche sa ijul-sentjabr 1945 g./7 10. 1945, in: AWP RF, 122/27/46/100/199a, Bl. 17 1,5 Millionen Deutsche und eine Million sogenannte Autochtone in den von Polen annektierten Ostgebieten; ein Jahr später unter Einbeziehung der zwischenzeitlich Vertriebenen ca. 4,5 Millionen laut Madajczyk, Przylaczenie Slaska opolskiego 1996, S. 67f. -
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Besetzung
den.30 Auf beiden Seiten handelte es sich um einen „totalen Krieg". In dem zu diesem Zeitpunkt von sowjetischen Truppen besetzten Raum hielten sich etwa 550000 Deutsche auf, überwiegend in Rumänien. 70000 von ihnen, Männer zwischen 17 und 45, wurden in die Sowjetunion deportiert.31 Bis Februar 1946 stieg ihre Zahl auf 190000 an, darunter befanden sich auch über 51000 Frauen.32 Die Gesamtzahl der in die Sowjetunion deportierten Deutschen habe nach einer internen Mitteilung Gromykos und Kruglows an Molotow 271 672 betragen.33 Realistisch erscheint die Zahl von mindestens 330000 in die Sowjetunion deportierten deutschen Zivilisten.34 Aus der SBZ wurden mög30
Diese Maßnahme war zunächst bis zum 15. Feb. 1945 begrenzt; vgl. Berija/Stalin/16. 12. 1944, in: GARF, r 9401/2/68, Bl. 153-156. Bis zum 23. Feb. 1945 wurden 36000 Deutsche „mobilisiert"; vgl. Berija/Stalin, Molotow, Malenkow/24. 2. 1945, in: GARF, r 9401/2/93, Bl. 183. Berija/Stalin, Molotow/14. 12. 1944, in: GARF, r 9401/2/68, Bl. 133-135. S. Kruglow/I. W. Stalin/17 maja 1946 g., in: Konassow, W. B.: Sudby nemezkich wojennoplennych w SSSR: Diplomatitscheskije, prawowyje i polititscheskije aspekty problemy, Wologda 1996, S. 180f. Danach habe es sich um Volksdeutsche und „Reichsdeutsche" aus Oberschlesien gehandelt. Karner, Stefan: Im Archipel GUPVI. Kriegsgefangenschaft und Internierung in der Sowjetunion 1941-1956, München 1995, S. 27 apostrophiert sie als „amtlich erfaßte (Volks-)Deutsche". Laut einem Dienstvermerk des MWD Kruglow an Berija vom 20. März 1948 befanden sich in MWD-Lagern 14759 „arbeitsfähige Deutsche nichtdeutscher Staatsbürgerschaft" und in den in der UdSSR aus „Mobilisierten" gebildeten Arbeitsbataillonen 24481 solche Personen. Vgl. Konassow, Sudby 1996, S. 119f., S. 207f. Gromyko, Kruglow/Molotow/2. 7. 1949, in: GARF, 9401/2/303, Bl. 332-334. Die gleiche Zahl nennt auch: Karner, Archipel GUPVI 1995, S. 31. Kruglow, Sergej Nikiforowitsch (1907-1977), Armeegeneral; 1939-43 stellvertretender, 1943-45 Erster stellvertretender NKWD und 1945-56 sowjetischer Innenminister. Vgl. hierzu auch: Berija/GOKO-Stalin/16. 8. 1945, in: GARF, r 9401/2/98, Bl. 135-137 Ferner seien in Berlin kurz nach der Kapitulation 1945 in einer Nacht 30000 Menschen verhaftet und in die UdSSR deportiert worden nach Listen der KPD, die das NKWD schon an der Oder hatte (vgl. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 164). Da das Zahlenwerk wie üblich äußerst verwirrend ist, sei vorweg auf die unklaren Kategorien hingewiesen: bei-
31 32
33
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34
-
spielsweise „Deutsche"/„Reichsdeutsche"/„Volksdeutsche" insbesondere auch Wolgadeutsche" o.a., also sowjetische Staatsbürger aus Sicht der UdSSR-Statistik, „Deutsche" -
[Wehrmachtsangehörige] vordem 8. Mai 1945 und „Österreicher" [österreichischeKriegsgefangene] nach diesem Datum bzw. ab 1942 oder auch „Zivil-/"Militärinternierte", was auch Manipulationen und Mißverständnissen Tür und Tor öffnet. Zeidler geht unter Berufung auf ältere Ergebnisse von insgesamt 250000 verschleppten reichsdeutschen Zivilisten allein aus den deutschen Ostgebieten aus (also ohne Volksdeutsche), von denen die Hälfte den Tod gefunden habe (vgl. Zeidler, Krieg 1996, S. 186). Gerhard Reichling nannte früher 1,13 Millionen in die Sowjetunion verschleppte reichs- und Volksdeutsche Zivilisten, von denen die Hälfte während der Deportation oder in den Lagern gestorben sein soll (vgl. Dr. Gerhard Reichling: Graphik zum Themenkomplex Flucht und Vertreibung, in: San-
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der/Johr,
BeFreier 1992, S. 60). Laut Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 170, sind noch in den ersten acht Monaten 1947 in die UdSSR 99000 inhaftierte Deutsche deportiert worden. Im Hinblick auf das Schreiben Kruglow/Molotow/8. 1. 1948, in: GARF, r 9401/2/138/203, Bl. 16-18, liegt möglicherweise eine Fehlinterpretation des diesbezüglichen Beschlusses des Ministerrates vom 23. Dez. 1946 vor, da nach dem genannten Schreiben bis März 1947 nur 4600 körperlich geeignete Inhaftierte in die UdSSR gebracht worden seien. Nicht einwandfrei einzuordnen ist auch die Angabe Semirjagas, wonach bereits -
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57
Deutsche und Russen
licherweise zwischen 40000 und 150000 Zivilpersonen in die UdSSR verschleppt, mit Sicherheit waren mindestens 20000 SBZ-Einwohner von diesem harten Schicksal betroffen;35 genauer läßt sich der Datenwust derzeit nicht analysieren. Ausweislich der amtlichen sowjetischen Statistik wurden ab 1945 insgesamt drei Viertel der Deportierten repatriiert, die übrigen erlagen den Strapazen.36 Wieviele auf dem Abtransport starben, ist nicht bekannt. Bei der „Säuberung des Hinterlandes" waren im Frühjahr 1945 92000 „feindliche Elemente" erfaßt worden, zu einem Drittel als Mitglieder faschistischer Organisationen apostrophiert, zur Hälfte als Deutsche. Über 200 von ihnen seien als angebliche Diversanten mit Tötungsauftrag „an Ort und Stelle erschossen" worden, hieß es in der Meldung.37 Hierbei scheint es sich um abschreckende Exempel zur Einschüchterung gehandelt zu haben, nachdem durch Befehl des NKWD Nr. 0016 vom 11. Januar 1945 von Berija angeordnet worden war, „Schuldige vor Ort ohne Gerichtsverfahren zu vernichten". Bis 1. März 1945 stieg die Zahl der bei der Pazifizierung des Hinterlandes Festgenommenen auf 107000 an, etwa die Hälfte waren Deutsche; 40000 wurden als Mitglieder faschistischer Organisationen und etwa 13 000 als Funktionseliten ausgewiesen. Von der Gesamtzahl der Anfang 1945 42000 in Lagern Internierten seien gemäß Berijas Weisung, „Personen [...], die bei terroristischen Anschlägen und Diversionsakten angetroffen werden, am Ort des Verbrechens gnadenlos [zu] liquidieren", 200 „an Ort und Stelle erschossen" worden.38
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Ende Mai 1945 in sowjetischen Betrieben und Bergwerken zwangsweise über 300 000 Deutsche beschäftigt waren, da es sich um Wolga-, Volksdeutsche oder um deutsche Kriegsgefangene gehandelt haben kann (vgl. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 159). Gleiches gilt für die 1948 in der Sowjetunion einschließlich der Familienangehörigen beschäftigten 200000 deutschen Fachleute (vgl. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 142 und 143). Laut „Neue Zeitung" Berlin vom 29. Mai 1948 sollen ab 1945 200000 SBZ-Einwohner in die UdSSR deportiert worden sein, davon 50000 Facharbeiter mit Familien, 100000 UranBergbauarbeiter und 50000 Insassen von Internierungslagern. Allein im Rahmen der Aktion „Ossawachim" (d.i. sowjetische paramilitärische Massen-Organisation zur Zusammenarbeit mit der Industrie) sollen zwischen 1946 und 1948 40000 (andere Quellen: 100000; vermutlich wurden hier die Familienangehörigen mitgezählt) deutsche Fachleute teils freiwillig, doch größtenteils zwangsweise in die Sowjetunion gebracht worden sein. Vgl. dazu insbes. die oben zitierten Angaben Semirjagas zu Verschleppungen aus der SBZ. Im Herbst 1946 wurden im Rahmen der Aktion „Ossawachim" tatsächlich etwa 3000 und insgesamt ca. 5000 zivile technische Spezialisten aus der SBZ in die Sowjetunion verbracht (vgl. Karisch, Rainer: Allein bezahlt? Die Reparationsleistungen der SBZ/DDR 1945-53, Berlin 1993, S. 157 Dort „Ossawakim" wegen der unterschiedlichen Transkription. Sowie Albrecht, Ulbricht/Heinemann-Grüder, Andreas/Wellmann, Arend: Die Spezialisten. Deutsche Naturwissenschaftler und Techniker in der Sowjetunion nach 1945, Berlin 1992). Es wird vermutet, daß in den oben genannten Pressemeldungen „sowjetische Besatzungszone" nicht im spezifischen Sinne gemeint war. Vgl. dazu auch Kap. M/4 (Internierungs-
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36 37
lager).
Karner, Archipel GUPVI 1995, S. 31. Berija/Stalin, Molotow, Malenkow/24. 2. 1945, in: GARF, r 9401/2/93, Bl.
184-189. Bis 19. März 1945 wurden 76000 Deutsche „mobilisiert", vgl. Berija/GOKO/19. 3. 1945, in: GARF, r 9401/2/93, Bl. 95. Berija/Stalin, Molotow, Malenkow/3. 3. 1945, in: GARF, r 9401/2/93, Bl. 255-259. zum
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Besetzung
Nachdem die Zwangsinternierung von Frauen aufgegeben worden war, setzte ein am 3. Februar 1945 erlassener GOKO-Beschluß die Altersgrenze für zur Zwangsarbeit zu erfassende Männer mit 50 Jahren fest.39 Bis zum 15. April 1945 erfolgten im ständig größer werdenden sowjetischen Besatzungsgebiet 215540 123000 aufgrund Mitgliedschaft in NS-Organisationen; 138000 Deutsche betroffen. Von der Gesamtzahl der Verhafteinsgesamt ten wurden 148540 in NKWD-Lagern interniert, 5000 kamen während der
Festnahmen, darunter waren
Operation oder auf dem Transportweg ums Leben. Wegen des hohen Anteils Arbeitsunfähiger empfahl Berija am 17 April 1945, solche „Säuberungsmaßnahmen" der Etappe auf Spione und Diversanten, NSDAP-Mitglieder und leitende
Funktionseliten des Staates zu beschränken. Einzustellen war ferner die generelle Deportation der Zivilinternierten zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion.40 Durch den NKWD-Befehl Nr. 00315 vom 18. April 1945 wurde der Befehl Nr. 0016 vom 11. Januar 1945, der die Grundlage für die obengenannten Maßnahmen gebildet hatte, in diesem Sinne abgeändert. Künftig sollten gemäß Befehl des NKWD Nr. 0061 vom 6. Februar 1945 nur noch „Terroristen" und „Diversanten" „an Ort und Stelle" liquidiert werden;41 Angehörige der Wehrmacht, des Volkssturms, der SS und der SA sowie Wachmannschaften der Gefängnisse und Konzentrationslager waren als Kriegsgefangene zu behandeln. Anstatt die Zivilinternierten wie bisher in die Sowjetunion zu deportieren, hatte das NKWD vor Ort Gefängnisse und Lager zu organisieren, einschließlich der Filtrierungslager für Angehörige der sogenannten Wlassow-Armee.42 Zu internieren seien nur Arbeitsfähige, Invalide und Kranke hingegen aus den bestehenden Lagern zu entlassen.43 Die neu eingeführte Ordnung sah insgesamt sieben Kategorien von Personengruppen vor, die der Zwangsinternierung unterlagen. Die letzte Kategorie erfaßte auch solche Personen, die gegenüber der Sowjetunion kritisch eingestellt waren. Bezeichnenderweise war dieses operative Schema fast deckungsgleich mit den entsprechenden Befehlen Berijas zur Eingliederung der baltischen Republiken in den sowjetischen Staatsverband.44 39
40 41
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43 44
Mironienko, Sergei: Referat in Jena am 2. Sept. 1993. Vgl. dazu auch die von Bodo Ritscher hg. Befehlstexte, in: DA 1993, S. 723-735. Berija/GOKO/17. 4. 1945, in: GARF, r 9401/2/95, Bl. 253-255.
Euphemismus „an Ort und Stelle regeln" wurde seit den zwanziger Jahren die Sondervollmacht der Geheimpolizei verborgen, ohne Gerichtsverfahren die Todesstrafe zu verfügen und zu vollstrecken. „Liquidieren" steht hier wahrscheinlich für „Hinrichten". Wlassow, Andrei Andrejewitsch (1900-1946), sowjetischer Generalleutnant, ging 1942 in der Gefangenschaft zu den Deutschen über und befehligte bei Kriegsende zwei russische Freiwilligendivisionen der ROA (d.i. Russische Befreiungsarmee), die für einen antibolschewistischen russischen Nationalstaat eintraten. Als Landes- und Hochverräter hingerichtet. NKWD-Prikas Nr. 00315 vom 18. 4. 1945, in: GARF, r 9401/2/95, Bl. 256-259. Auf Antrag des NKGB Litauen vom 12. Mai 1941 wurden auf der Grundlage des Beschlusses des ZK der WKP(B) und des Rates der Volkskommissare der UdSSR arrestiert bzw. vertrieben: 1. höhere Staatsbeamte einschließlich der Polizei, 2. Funktionäre der politischen Parteien, 3. „nationalistische Konterrevolutionäre", 4. frühere Offiziere, 5. größere Kaufleute, Fabrikanten usw. sowie weißrussische Emigranten, Spionage-Verdächtige, ProstituHinter dem
Deutsche und Russen
59
Im Sommer 1945 führte die polnische Verwaltung Arbeitspflicht für alle Deutschen ein.45 Im August 1945 hielt das NKWD nach eigenen Angaben 708 000 Ausländer
in
Lagern fest.46 Folglich scheinen sich im unmittelbaren Durchzugsgebiet der
Roten Armee weit weniger Deutsche aufgehalten zu haben, als amtliche Statistiken von 1939 oder die im Jahr 1944 ausgegebene Zahl der Lebensmittelkarten suggerieren.47 Zu beachten ist dabei, daß man über die Arbeitslager der Truppen
Ort nur wenig weiß;48 andererseits erstrecken sich die sowjetischen Zahlen auf alle Ausländer.49 Der NKWD-Bevollmächtigte bei der 1. Belorussischen Front Iwan A. Serow berichtete am 8. März 1945 an Berija, daß man auf dem Vormarsch nur eine „unbedeutende Zahl der Bevölkerung, vor allem Alte, Kinder und Frauen vorfinde". Viele begingen aus Angst Selbstmord, weil „unter der zurückgebliebenen Bevölkerung durch Hitler-Anhänger Gerüchte verbreitet wurden, daß die Rote Armee ausnahmslos alle ausrotten werde". In Wbllin in Brandenburg habe ein Mann seine neunköpfige Familie getötet und nach seiner Festnahme erklärt, „die Deutschen haben begriffen, daß sie für die Zerstörung und Morde, die die deutsche Armee in Rußland verübt hat, Verantwortung tragen müssen". In Soldin sei es in fünf Tagen zu 35 Selbstmorden gekommen. Auch Serows Beschwerde über polnische Soldaten und einen sowjetischen Oberstleutnant, die auf dem Weg zur Sammelstelle zehn Kriegsgefangene töteten, was den Anstrengungen der Armee zuwiderlaufe, deutsche Soldaten zur freiwilligen Kampfaufgabe zu bewegen,50 indiziert, daß militärischer Pragmatismus schwerer wog als Blutrausch und Rachedurst. Der Stimmungsbericht vom März enthält ebenfalls eine Meldung über Gerüchte, daß deutsche Frauen sterilisiert würden, was unter Frauen Massenselbstmorde auslöse.51 Solche Tatarenmeldungen fügen sich in das Gesamtbild einer massiven Angstpsychose ein, auch im Westen löste der sogenannte Morgenthau-Plan ähnliche Phobien aus. vor
Vgl. Witkowski, A./Jampolski, W.: Wtschera eto bylo sekretom. Dolitowskych sobytijach 40-50-ch gg., in: Iswestija ZK KPSS 10/1990,
ierte und Zuhälter.
kumenty
o
S. 129-139.
45
46
Magierska, Anna: Ziemie zachodnie i polnocne w 1945 roku. Ksztaltowanie sie podstaw polityki integracyjnej panstwa polskiego, Warszawa 1978, S. 53. Von ihnen sollten 412 000 Invalide und Arbeitsunfähige entlassen sowie 290 000 Arbeitsfähige in die UdSSR deportiert werden; vgl. Berija/GOKO-Stalin/16. 8. 1945, in: GARF, r 9401/2/98, Bl.
47
135-137
„[..] bei Kriegsende [lebten] in den Reichsgebieten östlich der Oder-Neiße (i.d. Grenzen von 1937) 9,75 Millionen Menschen deutscher Staatsangehörigkeit [...]. Daneben waren zur gleichen Zeit in Danzig, im Memelland und in Polen 2,14 Millionen Personen deutscher
Volkszugehörigkeit anwesend". Vgl. Bundesministerium für Vertriebene: Dokumentation 48
49
50 51
der Vertreibung 1954, Bd. I 1, S. 8 E. Die vorhandenen Hinweise auf Arbeitslager der Truppe sind unscharf. Während des Krieges wurden Zivilisten hauptsächlich für Kriegsbauten und danach vor allem durch die Etappe für Feldarbeiten zwangsverpflichtet. Von den Deutschen waren in der Hauptsache Volksdeutsche aus Südosteuropa betroffen. Serow/Berija/8. 3. 1945, in: GARF, r 9401/2/93, Bl. 334-337 Serow/Berija/17 3. 1945, in: GARF, r 9401/2/94, Bl. 85-89.
60
Besetzung
Ohne Zweifel war der Krieg furchtbar.52 Horrorszenarien sind allerdings auch ein Mittel der psychologischen Kriegsführung, wobei Gewalt gegen Frauen zum wirksamsten Stereotyp gehört.53 Über das persönliche Leid vermögen Zahlen natürlich überhaupt nichts auszusagen. 52
53
In der modernen
Kriegsführung wird davon ausgegangen, daß bei Feindberührung infolge psychischer Reaktionen, des sogenannten Schlachtenstreß-Syndroms, fünfzig Prozent der Soldaten kampfunfähig werden und fachärztlicher Hilfe bedürfen. Diesem überaus schwierigen Thema widmet Naimark, Norman M.: The Russians in Germany. A History of the Soviet Zone of Occupation, 1945-1949, Cambridge/Mass. 1995, S. 69-140, deutsche Übersetzung: Naimark, Norman M.: Die Russen in Deutschland. Die
sowjetische Besatzungszone 1945 bis 1949, Berlin 1997, S. 91-179, breiten Raum. Die in der Literatur genannten Zahlen differieren in ungewöhnlichem Maße: Von bis zu zwei Millionen Opfern ist die Rede, davon eine halbe Million in der späteren Sowjetisch Besetzten Zone und 100000 in Berlin (vgl. Sander/Johr, BeFreier 1992, S. 59); 1,9 Millionen nennt „Trophäen für die Sieger" (in: Der SPIEGEL 23/1992, S. 98-103); Ende 1946 hätten in der SBZ zwei Millionen Opfer sexueller Gewalt gelebt (vgl. Naimark, Russians 1995, S. 133, der sich auf Sander/Johr, Befreier 1992, beruft). Deutsche Ärzte und Bürgermeister schätzten 1947, daß zwischen 30 und 90 Prozent der lokalen weiblichen Bevölkerung beim sowjetischen Truppenvormarsch im Osten Gewalt angetan worden sei (vgl. OMGUS-ODI/ Special Intelligence Summary/Soviet Russia in Germany/8 March 1947, in: BAK, OM-
GUS/ODI 3/429 3/1). In Berlin schätzten Zeitzeugen die Gesamtzahl der Opfer auf mehr als 800000, also etwa 60-70% der weiblichen Bevölkerung (vgl. Sander/Johr, BeFreier 1992, S. 54f.), „mehr als die Hälfte der Frauen zwischen 16 und 60 Jahren" bei einer weiblichen Bevölkerung von 1,4 Millionen (vgl. Friedensburg, Ferdinand: Es ging um Deutschlands Einheit, Berlin (West) 1971, S. 23, vgl. auch: Keiderling, Gerhard: „Als Befreier unsere Herzen zerbrachen". Zu den Übergriffen der Sowjetarmee in Berlin 1945, in: DA 3/1995, S. 234-243), „die Hälfte aller Berliner Frauen" (vgl. Andreas-Friedrich, Schauplatz Berlin 1984, S. 94), „mehrere Hunderttausend" (vgl. Launay, Jacques de: La Grande Débâcle, Paris 1985, S. 191). Von 90000 Opfern sprach der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter (vgl. Le Tissier, Tony: Der Kampf um Berlin 1945, Frankfurt/M. 1995, S. 374), Ärzte gingen von 20000 bis 100000 Fällen aus (vgl. Ryan, Cornelius: Der letzte Kampf, München 1975, S. 406). Fachpublizisten nennen mindestens 110000 Opfer in Berlin (vgl. Sander/Johr, BeFreier 1992, S. 54), das entspräche etwa 7% der weiblichen Bevölkerung von 1945; Erich Kuby schätzte ihre Zahl nach emsigen Recherchen auf „einige zehntausend Fälle", die sich zu 80 Prozent während der Kampfhandlungen zwischen dem 24. April und dem 3. Mai 1945 ereignet hätten (Kuby, Erich: Die Russen in Berlin 1945, Rastatt 1965, S. 312). Zweifel an den eingangs zitierten hohen Zahlen ergeben sich auch aufgrund demographischer und geographischer Überlegungen: So lag die Gesamtzahl der damals im Osten zwangsinternierten deutschen Zivilisten nur bei etwa einer halben Million, die in den Westzonen befreiten sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter waren nicht Mittelpunkt solch spezifischer Aufmerksamkeit. Ebenfalls liegen keine eindeutigen epidemiologisch-statistischen Indikatoren vor: Die Zahlen finden keinen Niederschlag in den sogenannten Sanitätsverlusten der Roten Armee, die 1945 wie früher etwa das Dreifache der Finalverluste betrugen (vgl. Kriwoschejew, Grif sekretnosti 1993, S. 212-220). Nach einer Meldung des päpstlichen Nuntius aus Berlin vom Oktober 1945 sollen 80% der Opfer geschlechtskrank geworden sein (vgl. Naimark, Russians 1995, S. 81), nach Auskunft der Ärztin Ruth Andreas-Friedrich 10% (vgl. Andreas-Friedrich, Ruth: Schauplatz Berlin. Tagebuchaufzeichnungen 1945 bis 1948, Frankfurt/Main 1984, S. 94). Die von den Gesundheitsämtern statistisch auf 1000 Einwohner erfaßten „Zugänge" lagen in Mitteldeutschland 1946 etwas höher als in Westdeutschland, seitdem erheblich darunter, 1948 waren sie nur halb so hoch (vgl. Harmsen, H.: Die Bekämpfung und Vorbeugung der Geschlechtskrankheiten in der -
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Deutsche und Russen
Obwohl die Sexualisierung der gegen Wehrlose gerichteten Gewalt problematisch und das Thema überhaupt äußerst komplex ist, blieben „Vergewaltigungen" ein zentrales Element der Erinnerung an das Kriegsende und „die Russen". Zeitweilig drängten sie die individuelle Erfahrung der Massenevakuierung, der Flucht und der Vertreibung in den Hintergrund, den hunderttausendfachen Hunger- und Seuchentod, die das Kriegsgeschehen auf deutschem Boden ebenfalls bestimmten. Doch die Erinnerung an das Kriegsende in Mitteldeutschland war auch geprägt durch die unmittelbare Erfahrung von Kampfhandlungen zwischen Oder und Elbe, einem Raum mit einer Zivilbevölkerung von etwa 10-12 Millionen, die nur noch aus den unmittelbaren Kampfzonen evakuiert werden konnte. Bereits die zurückgeworfene, versprengte Wehrmacht hinterließ ein zwiespältiges Bild. Unter den 10-12 Millionen Deutschen auf ungefähr 50 000 qkm befanden sich zwei Millionen Vertriebene und über eine halbe Million Evakuierte; dazu kamen ein bis zwei Millionen sowjetische Soldaten und weitere etwa 1,5 Millionen ausländische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. In dem von der Roten Armee westlich der Oder im April/Mai 1945 besetzten Raum befanden sich also zeitweilig 14 bis 16 Millionen Menschen, fast doppelt so viele, als hier vor dem Krieg gelebt hatten. Fast die Hälfte von ihnen waren traumatisierte Fremde; ein Drittel Ausländer, Soldaten und ehemalige Zwangsarbeiter, die sich als „Sieger" verstanden und oft auch so mit der Waffe in der Hand benahmen. Eine halbe bis eine Million deutscher Soldaten befanden sich als Statisten in Kriegsgefangenenlagern. Auf diese unheimlich gewordene Heimat reagierte sogar die „alteingessene" Bevölkerung mit Flucht in den Westen. Die individuellen Erinnerungsberichte über das Kriegsende in Mitteldeutschland transportieren fragmentierte Momentaufnahmen vom Inferno der Bombennächte bei den massiven Luftangriffen auf Dresden, Berlin, Chemnitz usw., als „die stärksten Männer auf den Knien lagen", die Eisenbahn-„Schienen gegen den Himmel standen" und „Menschen in brennenden Kleidern über die Straße Hefen",54 von Feldpolizei und SS, die im Durcheinander der Front Deserteure standrechtlich hinrichteten; „Wagen an Wagen, Autos, Wehrmacht, Lastwagen, Geschütze, Radfahrer, Handwagen und viele Fußgänger nebeneinander und hintereinander".55 In jeder Ortschaft sah der Einmarsch der gegnerischen Truppen anders aus. In Cottbus verübten von den 6000 bis 8000 in der Stadt gebliebenen Einwohnern 187 Selbstmord, über 1200 deutsche und 850 sowjetische Soldaten fielen bei der Einnahme am 22. April, und Ende Mai -
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55
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Sowjetunion und in Mitteldeutschland, Hamburg 1956, S. 13). In West-Berlin kamen im Zeitraum von 1946 bis 1950 Geschlechtskrankeiten etwa doppelt so häufig vor wie im Bundesdurchschnitt, erreichten aber in der westdeutschen Statistik nicht den Spitzenplatz (vgl. Statistisches Bundesamt: Statistik der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 61, Wiesbaden 1952). Eine plausible Rekonstruktion der tatsächlichen Größenordnung dieser Vorgänge ist kaum mehr möglich. Kriegsende in Sachsen-Anhalt. Zeitzeugen berichten, Mitteldeutscher Rundfunk, 1995 (CD). Unauslöschlich. Erinnerungen an das Kriegsende 1945, Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.), Dresden 1995, S. 301.
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Besetzung
1945 kehrte erst die Hälfte der 60000 Einwohner in die Stadt zurück.56 In Potsdam kamen bis zur Eroberung der Stadt am 30. April von den 140 000 Einwohnern über 300 Zivilisten durch direkte Kriegseinwirkungen um, das Standesamt registrierte 476 Selbstmorde und 644 plötzliche Todesfälle. Gefallen waren eintausend deutsche und fünfhundert sowjetische und polnische Soldaten, am 14. April 1945 waren durch einen britischen Luftangriff 1593 Potsdamer umgekommen.57 In der Stadt Neubrandenburg begingen von den 18 000 zurückgebliebenen Einwohnern mehr als 600 Selbstmord.58 Die Flüchtlingsmassen aus dem Osten fehlen nicht im Bild, aber es registrierte auch die Absetzbewegung der Wehrmacht, des Verwaltungsapparates und der Funktionseliten in den Westen, das dann entstandene Verwaltungsund Versorgungschaos. Frauen und Mädchen hielten sich nach Möglichkeit versteckt. Die Redensart vom „Kartoffelschälen" und „Opfer der Straße" kam auf; „frau" bildete „Rudel", um sich vor Belästigungen und vor Gewalt zu schützen, denn „es waren ja keine Männer da". „Nachdem wir bereits von Greueltaten gehört hatten, wußte ich nur eins: man darf sich nicht wehren".59 Andere wehrten sich, nicht alle starben. Viele wählten den Freitod, aus Angst, aus Stolz. Die Verletzungen wirken noch heute nach, nicht nur bei den unmittelbaren Opfern. Viele erinnerten sich aber auch, daß „die Russen, die dann kamen, [...] ganz human waren, nicht so barbarisch, wie uns das unter Hitler in jeder Wochenschau, in allen Nachrichten und Versammlungen eingetrichtert worden ist".60 Es gab Frauen, die „nie einen russischen Soldaten gesehen" hatten, man geht zum Krieg ja nicht hin. Tatsache war auch, daß mehr als die Hälfte der „deutschen" Männer im Alter zwischen 19 und 25 Jahren im Krieg gefallen war.61 Sozialgeschichtlich wurden weniger individuelle und kollektive Formen von Trauer und Erinnerung wirksam, als vielmehr solche unmittelbaren Kriegsfolgen. Trotz allen Elends trug die unmittelbare Anschauung und Erfahrung jedoch auch zur Relativierung des monolithischen Feindbildes bei. Bereits während des Besatzungswechsels wurde der Einmarsch sowjetischer Truppen in die ursprünglich von der amerikanischen Armee besetzte Provinz Sachsen am 1. Juli 1945 mit „Panjewagen, Dreck, ausgefransten Mänteln der 56
Petzold, Heinz: Cottbus zwischen Januar und Mai 1945, in: Stang, Werner (Hg.): Branden-
57
Arlt, Kurt/Stang,
58
Nawratil, Nachkriegsverluste 1986, S. 53, ging noch von 2000 Selbsttötungen aus. Neuere Zahlen nannte auf der Grundlage amtlicher Unterlagen Dr. Kurt-J. Krüger im Referat auf
burg im Jahr 1945, Potsdam 1995, S. 106-135, hier S. 107ff. Werner: Kampf um Potsdam Ende April 1945, in: Stang, Brandenburg 1995, S. 167-195, hier S.
der 59
60
61
Tagung: Das Jahr
189.
1945. Der
Übergang vom Krieg zum Frieden in Mecklenburg und
Vorpommern, Travemünde, 27-29. Januar 1995.
Deutsche im Zweiten Weltkrieg. Zeitzeugen sprechen, hg. von Steinhoff, Johannes/Pechel, Peter/Showalter, Dennis, München 1989, S. 594. Mittag, Detlef R./Schade, Detlef: Die amerikanische Kaltwelle. Geschichte vom Überleben in der Nachkriegszeit, Berlin (West) 1983, S. 52. Nach amtlichen Statistiken vom 30. April 1946 betrug in der SBZ in der Altersgruppe zwischen 19 und 25 Jahren das Verhältnis 380000 Männer zu 850000 Frauen.
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Deutsche und Russen
Soldaten, die um Tabak bettelten", assoziiert.62 Berichte über sexuelle Gewalt fehlten in den ersten Erlebnissen nach dem Abzug der Amerikaner, unmittelbar angesprochen wurden Vertreibungen und Demontagen. Als aber Menschen verschwanden und kleine Nazis denunziert wurden, habe das Chaos begonnen.63
Amtliche sowjetische Zeitdokumente zeichneten ein anderes Bild des Einmarsches in Mitteldeutschland. Politische Offiziere der 1. Ukrainischen Front analysierten am 23. April 1945 die Lage dahingehend, daß in der deutschen Bevölkerung aufgrund ihres eigenen Verhaltens und ihrer Unfähigkeit, die eigene Schuld eingestehen zu können, Angst vor der Rache der Roten Armee bestehe. Zur Richtlinie wurde erhoben, daß der Zivilbevölkerung „Demut und die akkurate Erfüllung der Aufgaben der Kommandanten" aufzuerlegen seien. Grundsätzlich sprach man sich in diesen Richtlinien schon damals gegen eine schematische Gleichbehandlung aller Deutschen aus einfache NSDAP-Mitglieder sollten von Anfang an mit Nachsicht behandelt werden. Fraternisierung (panibratstwo) mit Deutschen war allerdings untersagt, die zum Kontakt mit der Zivilbevölkerung allein befugten politischen Offiziere waren gehalten, grundsätzlich mißtrauisch zu sein.64 Erlaubt waren nur dienstliche Kontakte mit Deutschen und selbst diese sollten auf ein Minimum reduziert werden, um die Kontrollfunktion der Besatzungsverwaltung nicht zu gefährden.65 Ein sowjetischer Bericht über die Lage in den östlich der Oder gelegenen Gebieten vom 22. bis 28. Mai hielt fest, daß die Sowjetunion bei der Bevölkerung generell auf Ablehnung stoße, stark sei aber der Wunsch nach Normalität und vor allem nach Rückkehr in die Heimat. Vermerkt wurde ebenfalls, daß Berichte über eine Normalisierung des Lebens in Berlin positiv aufgenommen würden und „eine breite Schicht der deutschen Bevölkerung [...] von Freundschaft mit der Sowjetunion" spreche.66 Aus Rostock und Güstrow wurde am 21. Mai gemeldet, daß die Einwohner durch deutsche Rundfunksendungen am 29. und 30. April auf den Einmarsch vorbereitet worden seien: Als die Truppen in die Stadt eingezogen seien, hätten weiße Fahnen an den Häusern gehangen, die Bewohner hätten weiße Armbinden getragen und die sowjetische Armee mit weißen Tüchern begrüßt. Unmittelbar danach allerdings habe die einheimische Bevölkerung öffentliche Lebensmittelvorräte geplündert mit der Begründung, daß die Versorgung in letzter Zeit ungenügend gewesen sei. In den ersten Tagen nach der Besetzung sei die öffentliche Ordnung ferner durch -
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Kriegsende in Sachsen-Anhalt 1995. Ebenda.
Poütitscheskoje poloschenije na sanjatom woiskami 1-owo Ukrainskowo fronta territorii Germanii i naschi sadatschi po rabote sredi nemezkowo nasselenija/natschalnik 7 otdela politischeskowo uprawlenija 1. Ukrainskowo fronta Oberstlt. Dubrowizki/23. Apr. 1945, in: AWP RF,
457a/l/13/2. Vgl. Punkt 8 der Direktiwa No I/Germanija w poslekapituljazionnoi period, in: AWP RF, 457a/1945/l/6/2. Es handelte sich um eine Direktive der EAC. Anlagen zu A. Panjuschkin/W. Pieck/20. Juni 1945, in: SAPMO BArch, ZPA/NL 36/734, -
Bl. 92-93.
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große Anzahl ehemaliger Kriegsgefangener und ausländischer Zwangsarbeiter gestört worden, die sich vor ihrem Abtransport in die Heimat eine große Menge aller möglichen Gegenstände beschafft hätten, worüber die Bevölkerung sehr ungehalten sei. Die Menschen beschäftigten zwei Fragenkomplexe: Zum einen die Lebensmittelversorgung und die Höhe der Lebensmittelrationen sowie die Ungewißheit, wer die Stadt verwalten werde; zum anderen wolle die Bevölkerung wissen, wann deutsche Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrten. Ferner seien Gerüchte im Umlauf, alle deutschen eine
Frauen müßten zwangsweise als Dienstmädchen in russischen Familien arbeiten.67 Aus Güstrow, wo sich 28000 Alteingessene und bis 15000 Evakuierte aufhielten, sei es nach dem Truppeneinmarsch zu Plünderungen durch Zwangsarbeiter gekommen. Die Stromerzeugung sowie die Wasserleitung seien schon nach kurzer Zeit in Betrieb gesetzt worden; im Zentrum der Aufmerksamkeit der Bevölkerung stehe auch hier die Versorgungslage.68 Ein Bericht sowjetischer Dienststellen aus Dresden vom 23. Mai 194569 nannte offen Vergewaltigungen und Plünderungen beim Namen: Er führte solche Vor-
kommnisse allerdings auf die große Zahl der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen zurück, sowjetischen Offizieren habe die Bevölkerung „korrektes Verhalten" bescheinigt. Gleichwohl hofften die Deutschen jedoch, die Russen würden bald abziehen und durch anglo-amerikanische Truppen ersetzt.70 Auch aus anderen Ortschaften wurde kein grundsätzlich abweichendes Bild gezeichnet. Aus Rostock wurde gemeldet, die Bevölkerung befolge wie in anderen Orten auch unter dem Einfluß der Goebbelsschen Propaganda über „Vergewaltigungen und Bestialitäten ausnahmslos jede Anordnung sowjetischer Diensthabender, ohne Ansehung des Ranges". Ebenfalls gemeldet wurden Gerüchte, daß ein Besatzungswechsel bevorstehe, und Ängste, alle Zivilisten würden nach Sibirien verschleppt.71 In Wittenberg sei am 20. Mai eine Demonstration durchgeführt worden unter Losungen wie „Wir begrüßen die siegreiche Rote Armee", „Es lebe Marschall Stalin", „Wir begrüßen die Rote Armee" und „Es lebe die Sowjetunion", an der über 20000 Teilnehmer gezählt worden seien.72 Der Bericht aus Dresden vom 23. Mai 1945 enthält zusätzlich einige psychologisch interessante Details: So berief der eingesetzte Bürgermeister auf Anordnung des Kommandanten am 15. Mai 1945 die Pfarrer ein, um festzustellen, aus welchem Grund sonntags zuvor keine Messen gelesen worden seien. Mit der Antwort, man habe nicht gewußt, daß dies erlaubt sei, war der -
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Ebenda, Bl. 94-96. Ebenda, Bl. 95-96. Ebenda. Bis 1946
in Deutschland die Erwartung verbreitet, daß der Krieg gegen die Sowjetder Seite der Westmächte fortgesetzt wird. Bericht/2. Belorussische Front vom 28. Mai 1945, in: SAPMO BArch, ZPA/NL 36/734, Bl. 90-96. Ebenda. union
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Kommandant nicht zufrieden und befahl „Normalität" auch in kirchlichen Dingen. Die Dresdener Bevölkerung stehe noch unter dem Schock des Luftangriffs vom 13. April, sei aber außerordentlich empört über Plünderungen und Vergewaltigungen durch ausländische Zwangsarbeiter und ehemalige sowjetische Kriegsgefangene, was „Angst vor den Russen" auslöse. Die Lebensmittelversorgung auf Karten funktioniere gut, alle stünden brav Schlange, nur ehemalige Zwangsarbeiter ließen sich außer der Reihe bedienen. Große Teile der Bevölkerung verlangten eine Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Entfernung der Flüchtlinge und Ausländer aus der Stadt, um ein Lebensminimum zu garantieren. Die Flüchtlinge wiederum verkauften alles, was sie gerettet hätten, um Lebensmittel kaufen zu können. „Die Deutschen ertragen die Niederlage Deutschlands schwer, was aber nur wenige von ihnen offen zugeben". Vorbeiziehende Kolonnen kriegsgefangener deutscher Soldaten würden mit tiefem Schweigen ertragen, und in Gesprächen mit sowjetischen Soldaten verfluchten alle Hitler und die Nationalsozialisten.73 Beim Einrücken der Roten Armee in Sachsen und Thüringen, wo sie amerikanische Truppen ablösten, meldete der sowjetische Geheimdienst schon Losungen wie „Es lebe das Sowjet-Sachsen, die künftige Sowjetrepublik" und berichtete von Erfurter Kommunisten, die den Anschluß an die Sowjetunion gefordert hätten.74 Aktenkundig wurden bereits erste Grußadressen an „Generalissimus Genossen Stalin" als Befreier.75 In Gera soll der Roten Armee nach Abzug der US-Truppen gar von „vielen tausend Menschen auf den Straßen" mit „roten Fahnen und Blumen" ein „herzlicher Empfang" bereitet worden sein, erinnerte sich später der aus dem Konzentrationslager Buchenwald zurückgekehrte Max Keppel.76 In Halle beispielsweise waren Vorauskommandos der 7 Abteilung bereits Ende Juni eingetroffen, um Kontakte zu den durch ZK-Abgesandte schon früher installierten KPD-Leitungen herzustellen, so daß die Propagandamaschine „Zum Empfang der Roten Armee" anlaufen konnte, wie dort ein in 50000 Exemplaren gedrucktes Flugblatt bezeichnenderweise überschrieben war.77 Frei vom Verdacht der kognitiven Dissonanz dürfte die Feststellung sein, daß die Rote Armee im April 1945 in Stettin gegenüber Deutschen sehr mißtrauisch war.78 Als verfrüht wurden vom Leipziger Bezirkssekretär auch die Versuche des Altkommunisten Alwin Dornheim zurückgewiesen, der sofort mit der „deutsch-sowjetischen Freundschaft" beginnen wollte.79 73 74
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A. Panjuschkin/Pieck/20. Juni 1945, in: SAPMO BArch, ZPA/NL 36/734, Bl. 84-85. Is dokladnoi sapiski I. Serowa L. Berii o poloschenii w rajonach Tjuringii i Saksonii/9 ijulja 1945g, in: SWAG 1994, S. 28-29. Vgl. Henke, Klaus-Dietmar: Die amerikanische Besetzung Deutschlands, München 1995, S. 740 ff. Vgl. SAPMO BArch, ZPA/EA 0480. Vgl. Vereint auf dem Weg zum Sozialismus. Geschichte der Landesparteiorganisation Sachsen-Anhalt der SED 1945 bis 1952, hg. von der Bezirksleitungen Halle und Magdeburg der SED, Halle-Magdeburg 1986, S. 55. Vgl. SAPMO BArch, ZPA/EA 1070. Vgl. SAPMO BArch, ZPA/EA 0165.
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Ein amtlicher deutscher Bericht über die „Lage im russischen Raum von Ende Juni 1945" meldete eine Beruhigung der Situation vor allem in den Städten und hielt insbesondere das Interesse der Besatzungsarmee an einem guten Verhältnis zur Bevölkerung fest. Er verschwieg nicht, daß aufgrund der unsystematischen und umfangreichen Verhaftungen in den ersten Wochen der Besatzung insbesondere bei den Mittelschichten ein Gefühl der Unsicherheit entstanden sei.80 Von Ängsten und von massiven Flüchtlingswellen in den Westen war auch in amerikanischen Armeeberichten aus Sachsen und Thüringen die Rede.81 Aus Sachsen-Anhalt berichtete mit der geübten Feder des Juristen ein von den Amerikanern eingesetzter Bürgermeister: „Die Russen waren diszipliniert eingezogen, Besatzungstruppen und nicht Eroberer. [...] Trotz der Berichte aus den örtlichen Kampfgebieten [schlug ihnen] nicht Haß entgegen; eher war es dumpfe Furcht, mit der man die oft fremdartigen Gestalten betrachtete, denen die Spuren des jahrelangen Krieges anzusehen waren. Sie waren nicht so abgerissen wie unsere Landser, aber welcher Gegensatz zu den friedensmäßig ausgerüsteten Amerikanern mit ihren blütensauberen Uniformen [,..]".82 „Bald aber häuften sich die Beschwerden über nächtliche Zudringlichkeit [...], oft waren es dieselben Russen, die am Tag zuvor den Kindern Geschenke mitgebracht hatten." Sehr schnell hätten die Zwischenfälle aber abgenommen und allmählich sei wieder Ordnung eingekehrt.83 Mit mehr Emotion schilderten ostdeutsche Verwaltungen die Lage. In einem 1946 erschienenen Rechenschaftsbericht der brandenburgischen Provinzialverwaltung standen die Kriegsfolgen im Vordergrund: „Überall wurde verbrannt, zerstört, gesprengt, überflutet, unbrauchbar gemacht. Und als der Krieg dann zu Ende war, war eigentlich alles zu Ende. Es gab keine Verkehrsmöglichkeiten mehr. Es gab keine Produktionsstätten. Es gab keine Versorgung. Es gab keine Verwaltung. Es gab überhaupt nichts mehr. Hunderttausende von Menschen waren ohne Obdach und irrten auf der Landstraße umher. Es war alles geordnete Leben völlig zu Ende. Chaos. Die allgemeine Moral hatte sich dem Absturz angehängt; was noch an Lagern, an Vorräten vorhanden war, wurde geplündert. Die Millionen Ausländer, die die Nazis zur Zwangsarbeit hier hielten, machten sich auf den Weg, um in ihre Heimat zu kommen. Sie nahmen sich natürlich, was sie für ihren langen Weg unbedingt benötigten [...] Die große Masse der Bevölkerung [...] stand in diesen Tagen wie gelähmt ihrem eigenen Schicksal teilnahmslos gegenüber. Sie war von der Empfindung durchdrungen,
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„Die Lage im russischen Raum nach dem Stande 18/315, Bl. 2-18.
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Ende Juni 1945", in: BAK, NL
Vgl. Henke, Die amerikanische Besetzung 1995, S. 729 f. Güstrow, Dietrich (d.i. Wilde, Dietrich): In jenen Jahren. Aufzeichnungen eines „befreiten" Deutschen, Berlin (West) 1983, S. 110. Dietrich Wilde war vom Mai bis Okt. 1945 eingesetzter Bürgermeister in Gernrode/Harz, dann bis 1948 im Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt, Feb.
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von
Ebenda.
1948 Flucht nach Westdeutschland.
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daß ihr weiteres Leben oder Sterben völlig in der Hand der Besatzungsmacht liege, von ihr bestimmt und geregelt werde."84 Der 14. April 1945 stellt einen wichtigen Markierungspunkt im deutsch-russischen Krieg dar. Das in der Literatur gezeichnete Motiv, daß Stalin wenige Tage vor Beginn der letzten Offensive abrupt eine Umstellung der offiziellen Haßpropaganda gegen Deutsche befohlen habe, nachdem in Moskau Berichte eingegangen seien, daß das Verhalten sowjetischer Soldaten in der deutschen Bevölkerung eine prowestliche Orientierung auslöse,85 dürfte gleichwohl in hohem Grad auf Kurzsichtigkeit und propagandistische Verfremdung zurückzuführen sein. Wie schon oben gezeigt, ergibt sich aus den Lagemeldungen der Spionage-Abwehr vom Februar und des NKWD vom März 1945 schon früher das Bild einer pragmatischen Wende in der Behandlung der deutschen Zivilbevölkerung. Die amtlichen Berichte stimmten darin überein, daß in den eingenommenen deutschen Gebieten die politisch-administrative Infrastruktur zusammengebrochen und mit Widerstandsakten der eingeschüchterten und wehrlosen Zivilbevölkerung nicht zu rechnen sei.86 Die Menschen verhielten sich nach dem Grundsatz „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende"; daher sei das von der Armee bisher geübte rücksichtslose Vorgehen schädlich, meldete wie bereits zitiert Serow am 8. März 1945 Berija, der darüber Stalin, Molotow und Malenkow unterrichtete. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß Ende März 1945 der sowjetische Sicherheitsdienst die Führung der polnischen Heimatarmee und die Inlandsvertreter der Londoner Exilregierung festnehmen und nach Moskau schaffen ließ. In Wirklichkeit bereitete nämlich der polnische Legalismus im Rücken der Roten Armee Stalin ab September 1944 die größten Schwierigkeiten. Der Diktator griff damals im Verein mit dem Häuflein polnischer Kommunisten zu terroristischen Maßnahmen, u.a. zur prophylaktischen Masseninternierung von Soldaten der Heimatarmee und von Anhängern der Londoner polnischen Exilregierung. Die Einstellung der wahllosen Zwangsinternierungen und „Arbeitspflicht-Mobilisierungen" 1945 wurde allerdings von der sowjetischen Propaganda so intensiv genutzt, daß der Eindruck von einer grundlegenden Wende in der sowjetischen Haltung gegenüber Deutschen entstehen konnte. Am 14. April 1945 erschien in der Moskauer „Prawda" ein Grundsatzartikel Georgi F. Alexandrows, der zu einer humanen Behandlung von Deutschen aufrief. Der Appell des Leiters der Propaganda-Abteilung des ZK war polemisch gegen den Kriegskorrespondenten des Armeeorgans „Krasnaja swesda" -
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Jahr Bewährung der Mark Brandenburg. Rückblick und Ausblick, Potsdam 1989 (Nachdruck von 1946), S. 6f. Vgl. hierzu: Reschin, Leonid: „Genosse Ehrenburg vereinfacht", in: Neues Deutschland Ein
vom 86
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27 Mai 1994, S. 11. Dort wurde Alexandrows Artikel in der
April 1945 datiert.
„Prawda" auf den
18.
So meldete der Smersch-Chef bei der. 1. Belorussischen Front am 8. Feb. 1945 nach Moskau eine „Änderung der Methoden der deutschen Subversionstätigkeit": Im Hinterland werde jetzt nur Spionage- und kaum noch Kampftätigkeit entfaltet. „Feinde" galten oft summarisch als „Deutsche".
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lija Ehrenburg gerichtet, dessen am 24. Juli 1942 in der „Krasnaja swesda" veröffentlichter Artikel „Ubi" (d.h. Töte) von der deutschen Kriegspropaganda als Leitmotiv benutzt worden war. Alexandrow bezog sich unmittelbar auf Ehrenburgs Artikel „Chwatit" (d.h. Es reicht) in der „Krasnaja swesda" vom 11. April 1945, der zwar noch vom alten Rachegeist getragen war, jedoch bereits der Tatsache Rechnung trug, daß das Ziel von 1942 erreicht worden war, nämlich die deutschen Truppen über die sowjetische Grenze zurückzuwerfen.87 Spürbare Wirkungen zeitigte Alexandrows Aufruf in der „Prawda", der am nächsten Tag von der „Krasnaja swesda" nachgedruckt wurde, wie die gleichlautende Direktive des Hauptquartierts des Obersten Kommandos (Stawka) vom 20. April und der Befehl Stalins vom 1. Mai 194588 allerdings erst nach der Kapitulation, nachdem die Truppen Mitte/Ende Mai aus den großen Städten abgezogen worden waren.89 Mit der Ablösung der Kampftruppen durch Sicherungseinheiten im Juli kam es jedoch kurzfristig zu einer zweiten Welle von Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung, die sich in der Erinnerung häufig nachhaltiger niederschlug als die erste Berührung mit den Kampfverbänden. Am 11. Juli 1945 trug Wilhelm Pieck beim sowjetischen Oberbefehlshaber in der SBZ Beschwerden wegen Vergewaltigungen und Plünderungen vor. Zwar sei so heißt es in Piecks eigentümlichem Telegrammstil die „Bevölkerung [...] angenehm berührt, daß nicht schlimmer wie Goebbels Propaganda keine Morde Vernichtung. Aber 2. Welle schlimmer. Gefühl bei der -
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Roten
Armee, daß das deutsche Volk nicht demokratisch sich nicht umge-
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stellt Feind der Sowjetunion". Schukow versprach Pieck eine Untersuchung und schärfstes Eingreifen.90 Grotewohl sagte Schukow direkt, daß die Berliner die Briten und Amerikaner als Befreier empfangen hätten, und fügte auf Nachfrage hinzu: „Von den Russen".91 Im Sommer 1945 entspannte sich die allge-
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Da die sogenannten Ehrenburg-Aufrufe in der Rezeption eine große Rolle spielen, sei daran erinnert, daß ein von der deutschen Propaganda 1945 veröffentlichter Text genetisch nach dem authentischen Veröffentlichungsjahr (1942) einzuordnen ist; damals stand die Wehrmacht noch auf sowjetischem Gebiet. In den Jahrgängen 1944 und 1945 des Zentralorgans der Roten Armee „Krasnaja Swesda" wurden keine Ehrenburg-Artikel gefunden, die zur Tötung von Zivilisten aufrufen. In der Erinnerung von Wehrmachtssoldaten bildet sowjetische und nationalsozialistische Propaganda vielfach eine Einheit, denn es ist äußerst unwahrscheinlich, daß die sowjetische Kriegspropaganda solche Aufrufe, die Freund wie Feind zum Kampf „bis zum letzten Blutstropfen" motivierten, als Flugblätter in deutscher Sprache verbreitet habe, wie oft erinnert wurde. Kontraproduktiv war die Wirkung Goebbelscher Propaganda wohl im Hinblick auf die in Deutschland befindlichen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter. Vgl. Scholkowitsch, Soja B.: Dejatelnost sowetskich wojennych komendatur na territorii Wostotschnoi Germanii w 1945-1949 gg., Diss., Moskwa 1980, S. 64. Vgl. hierzu auch Projekt Ukasanija Wojennowo Soweta Fronta/Wojennych Sowetow Armii [...], in: AWP
RF, 457a/l/13/2, Bl. 89
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111-116.
Bundesministerium für Vertriebene: Dokumentation der Vertreibung 1954, Bd. I 1, S. 69. Vgl. Klarschrift der handschschriflichen Notizen von W Pieck/Mittwoch, 11.7 1945, in: SAPMO BArch, ZPA/NL 36/734/B1. 116-117 Emil Kirschmann/24. Sept. 1945/Streng vertraulich/Bericht über Berlin, in: LAB, Rep. 200/Acc. 2014/6/5.
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69
Lage, nachdem der Großteil der ausländischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter repatriiert bzw. in Lagern interniert worden war und die taktischen Truppen feste Unterkünfte bezogen hatten. Grobe Übergriffe hörten im August weitgehend auf92 und gegen Jahresende mit der Einstellung der Internierung von früheren Block- und Zellenleitern der NSDAP die wilde Phase der präventiven Pazifizierung, die im September mit sechzehn- und im Oktober 1945 mit achttausend Lagereinweisungen den Höhepunkt erreichte. Es folgte eine Phase der selektiven Zielfahndung nach bestimmten Funktionsgruppen des alten Regimes. Während des Jahres 1947 intensivierte das MGB meine
wieder die vorbeugende Verfolgung und meldete schließlich nach Moskau die Verhaftung von 4308 aus politischen Gründen verdächtigten Deutschen.93 Trotz des Übergangs zu selektiven Formen des politischen Terrors war die allgemeine Kriminalitätsrate noch im ersten Halbjahr 1946 sehr hoch, vor allem in Berlin, wo 41 Prozent aller in der sowjetisch besetzten Zone registrierten Straftaten begangen wurden. Dem sowjetischen Innenminister wurden aus der SBZ für diesen Zeitraum unter anderem 1234 Morde, 20349 Raubüberfälle, 112296 Diebstähle und 13320 Vergewaltigungsfälle gemeldet.94 In Berlin, in dessen Großraum damals etwa die Hälfte aller in der SBZ befindlichen sowjetischen Soldaten stationiert war,95 ließ die hohe Zahl der durch Besatzungssoldaten begangenen luirninellen Delikte erst nach 1946 deutlich nach.96 Gegen auffällig gewordene Offiziere leiteten Militärstaatsanwälte und der Sicherheitsapparat sofort Überprüfungen ein, denen in der Regel eine Abkommandierung in die Heimat folgte.97 Vor dem Hintergrund der explosionsartig ansteigenden allgemeinen DiebstaHskriminalität98 wurden 1946 sogar in Sitzungen des Parteivorstands der SED massive Beschwerden laut über Marodeure, die die Bevölkerung beraubten, wobei die deutsche Polizei machtlos zuschauen müsse, weil sie keine Waffen benutzen dürfe,99 oder über „junge Leutnants", die deutsche Oberbür92
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Warnecke, Lo: Auf der Flucht. Fluchtbericht einer mecklenburgischen Gutsbesitzerin, o. 0.,o.J., S. 192. Vgl. Petrow, Nikita: Apparat Upolnomotschennowo NKWD-MGB w Germanii (1945-1953 gg.). Istoritscheskaja sprawka, [1997], unveröffentl. Manuskript.
Serow/Kruglow/26. 6. 1946/0 prodelannoi rabote po organisazii nemezkoi polizii w sowetskoi sone okkupazii sa istekli god, in: GARF, r 9401/2/138, Bl. 50-57 Von den etwa 500000 sowjetischen Soldaten war etwa die Hälfte im Raum um Berlin stationiert, vgl. Heinrich, Gerd (Hg.): Handbuch der historischen Stätten Deutschlands: Berlin und Brandenburg, Stuttgart 1995, S. LXXXIX. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 260. In Berlin wurden von August bis Dezember 1945 296 und für das Jahr 1946 311 Mordfälle registriert, in München vom 30. April bis Ende 1945 237 Vgl. Werkentin, Falco: Die Restauration der deutschen Polizei. Innere Rüstung von 1945 bis zur Notstandsgesetzgebung, Frankfurt/M. 1984, S. 30. Auszug aus dem Bericht von Major Ljulka, in: Schaposchnikow/Baranow/9. Aug. 1947, in: RZChilDNI 17/128/317, Bl. 30-38. In Berlin erreichte sie 1947 das Zehnfache des Vorkriegsstandes. Vgl. Werkentin, Polizei 1984, S. 31. Vgl. Walter Biering, in: Stenographische Niederschrift der 3. Tagung des PV der SED am 18. 20. Juni 1946, in: SAPMO BArch, ZPA/IV 2/1/2. -
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germeister einfach absetzten, wie in Wittenberge kurz vor der Wahl gesche-
hen.100 Reminiszenzen aus der Zeit des Einmarsches blieben meinungsprägend, obwohl die Besatzungstruppen, in wenig besiedelten Regionen kaserniert, inzwischen fast vollständig aus dem Blickwinkel der Bevölkerung verschwunden waren. Zwar wurden anfangs sowjetische Soldaten mit Familien vielfach in deutschen Wohngebieten untergebracht, doch stand die private Kontaktaufnahme mit Deutschen generell unter Strafandrohung,101 im günstigsten Fall was bei Liebesaffären häufiger vorkam wurde sie mit einer unverzüglichen in Kommandierung die Heimat geahndet.102 Nicht nur Angst vor Epidemien und Anschlägen zwang die Besatzer zu einer strengen Isolierung von der deutschen Bevölkerung, sondern auch der Konkurrenzdruck in den eigenen Reihen, galt doch in der Sowjetunion der Kontakt mit der „westlichen Lebensweise" grundsätzlich als strafwürdig. Viele Russen ahnten oder wußten, was der Kriegsberichterstatter Konstantin Simonow formulierte, „daß der Kontrast zwischen dem Lebensniveau in Europa und unserem, den Millionen Kriegsteilnehmer kennengelernt hatten, ein moralisch psychologisches Trauma war, das, obwohl sie doch Sieger waren in diesem Krieg, von ihnen so leicht nicht zu verwinden war".103 Eine strenge Separierung der Besatzungstruppen setzte Anfang 1946 ein, als die SMAD die deutsche Verwaltung anwies, es sei deutschen Ärzten grundsätzlich zu verbieten, sowjetische Soldaten zu behandeln.104 Im Herbst 1946 setzte sich diese Separierung allgemein durch,105 und ab Mitte 1947 wurde sie noch weiter verschärft.106 Die Einheiten der SMAD und der Besatzungsarmee verschwanden hinter hohen grünen Bretterwänden. Außerdienstliche Kontakte mit Deutschen wurden immer wieder verboten, und dieses Verbot wurde durch einen Befehl Sokolowskis als Oberkommandierender der GSOWG vom 15. April 1948 noch einmal verschärft, der auch den Besuch deutscher Restaurants, Nachtklubs, Bars und Theater ausdrücklich untersagte.107 Der MGB-Apparat verlieh dem besonderen Nachdruck, indem er die SBZ mehrmals flächendeckend mit MWD-Truppen „durchkämmte". Die letzte einwöchige Fahndungsaktion ist für April 1948 belegt. -
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Stenographische Niederschrift der 6. Tagung des PV der SED am 24725. Okt. 1946, in:
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Vgl. z.B. Befehl Nr. 5 des Chefs der SMA-Mecklenburg vom 7 Aug.
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1945 und Befehl des Militärkommandanten der Stadt Stralsund Nr. 5 vom 13. Aug. 1945, in: Eggert, Ende des Krieges 1967, S. 242 und 243. Vgl. hierzu auch Berg, Dwa goda w okkupirowannoi Germana 1981/1982, S. 39. Simonow, Konstantin: Aus der Sicht meiner Generation, Berlin 1990, S. 104. Vgl. Besprechung zwischen Major Schurawlew und Dr. Klesse am 16. Feb. 1946, in: BAP,
Q-l/4479, Bl.
191.
Vgl. Meldung [eines Dolmetschers bei der SMAD] vom 18. Dezember 1946, in: AsD, Ost-
büro/0206 sowie Interrogation of Soviet Army Officer Deserter/22 Oct. 1946, in: BAK, OMGUS/AGTS 14/2/7 Vgl. Intelligence Review No. 90/6 November 1947, in: BAK, OMGUS/7/22 2/28/4. 21 May 1948/Memorandum for: General Walsh/From: ESD/Subject: Military Discipline of the Soviet Forces in Germany, in: BAK, OMGUS/AGTS 50/5/1. -
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Ein Jahr nach Kriegsende begann die Bevölkerung ihre kollektive Depression zu überwinden. Die Distanz zum sowjetischen Sieger fand Ausdruck in Beschwerden über Belästigung von und Gewalt gegen Frauen, über Diebstähle und Alkoholmißbrauch. Daß Wahrnehmung und Wirklichkeit nicht immer übereinstimmten, zumindest aber die Übertragung heutiger Vorstellungen über öffentliche Ordnung zu groben Fehlern in der Einordnung und Bewertung einzelner Fakten führt, bestätigt die amtliche Kriminalstatistik: Im Dezember 1947 wurden im Land Brandenburg 14 Morde, 62 Raubüberfälle und 10 Notzuchtverbrechen erfaßt.108 Weniger als zwei Prozent aller im Mai 1948 ermittelten Straftäter waren Ausländer und Staatenlose; die in diesem Monat bearbeiteten 31 Notzuchtverbrechen entsprachen einem halben Prozent der Kriminalfälle, und gegen die Besatzungsmacht (Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Waffen- und Sprengstoffbesitz, Befehlsverstöße, Widerstand gegen die Staatsgewalt) richteten sich weniger als zwei Prozent aller Straftaten.109 1948 waren Ausländer unter den Straftätern mit weniger als einem Prozent vertreten. Bei Sittlichkeitsverbrechen lag ihr Anteil im Juli 1948 allerdings bei etwa fünf Prozent, wobei die Mannschaftsstärke der Besatzungstruppen in der Bevölkerungsstatistik in etwa genauso bis doppelt so hoch zu veranschlagen ist. Prostitutions- und Notzuchtfälle hielten sich statistisch die Waage.110 Das schlechte Image der sowjetischen Besatzungsmacht hing nicht nur mit Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung zusammen, sondern war gleichzeitig Ausdruck einer allgemein ablehnenden Haltung zur Entwicklung in der SBZ. Es fällt auf, daß eine Zunahme antisowjetischer Stimmungen immer im zeitlichen Umfeld wichtiger politischer Entscheidungen registriert wurde: Beispielsweise im Sommer 1947 in der sächsischen SED, in der eine Brigade der Informationsverwaltung der SMAD „schwaches Ansteigen antisowjetischer und antikommunistischer Stimmung" wegen der sowjetischen DeutschlandPolitik, der Ostgrenze, der Reparationen und Demontagen feststellte. Die Austritte aus der SED stiegen an, ehemalige KPD-Mitglieder warfen der Sowjetunion vor, daß sie den Internationalismus verletze. Auf einer öffentlichen Versammlung kritisierte ein SED-Mitglied nicht nur die sowjetische Ablehnung des Marshall-Plans, sondern auch seine Parteiführung, die eine „zu weiche Haltung gegenüber der SMAD einnehme".111 Im Sommer 1948 fiel in Brandenburg die „parteifeindliche und antisowjetische Stimmung in der Be108
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Landeskriminalamt Brandenburg/Tätigkeitsbericht für den Monat Dezember 1947/6. Jan. 1948, in: BLHA Potsdam, Rep. 202A/39. Landeskriminalamt Brandenburg/Tätigkeitsbericht für den Monat Mai 1948/6. Juni 1948, in: BLHA Potsdam, Rep. 202A/39. Landeskriminalpolizeiamt Brandenburg/ Bericht des LKA Brandenburg für den Monat Juli 1948/6. Aug. 1948, in: BLHA Potsdam, Rep. 202A/39, Bl. 302-357 Zum Vergleich sei festgehalten, daß im Land Brandenburg 1995 etwa drei- bis viermal mehr Vergewaltigungsfälle angezeigt wurden als 1948. Auszug aus dem Bericht von Major Ljulka, in: Schaposchnikow/Baranow/9. Aug. 1947, in: RZChilDNI 17/128/317, Bl. 30-38. -
111
72
Besetzung
völkerung" im Umfeld der Kominform-Resolution gegen Jugoslawien auf.112 Die statistisch nachgewiesene Wankelmütigkeit der öffentlichen Meinung hatte schon ein Berliner Gerücht vom Herbst 1945 belegt, die Amerikaner hätten ihre zweite, die Briten die dritte und die Russen die
erste Garnitur nach seien „die meisten Offiziere in
Deutschland
geschickt. „Beängstigend klug" Schlüsselstellungen der sowjetischen Militärregierung" gewesen.113 Eine Zuspitzung des Verhältnisses zwischen den „Besetzten" und ihren Besatzern,
„die
zu
einer Gefahr für die weitere antifaschistisch-demokratische
Entwicklung Deutschlands werden kann", nahm die SED in den letzten Monaten des Jahres 1946 wahr.114 Die Besatzungsmacht wurde gebeten, die Übergriffe der Armee, die „übereifrige Bevormundung" der SED-Funktionäre und die „zu scharfe Ausübung der Befehlsgewalt der Offiziere gegenüber der zivilen Verwaltung" abzustellen und die Not der Bevölkerung zu lindern.1151. S. Kolesnitschenko, Landeschef der SMAD in Thüringen, setzte sich damals bei
Sokolowski für eine diskretere Arbeitsweise der SMAD-Offiziere ein: Die Methoden der massiven Intervention blieben dieselben, geändert wurden nur die Verkehrsformen. So wurden beispielsweise die notwendigen häufigen „Besuche" von SED-Funktionären bei der SMAD in die Nachtstunden verlegt. Im Oktober 1947 erörterte das Zentralsekretariat der SED das Problem, daß in der Bevölkerung „schlechte Stimmung für uns" vorherrsche und die SED allgemein als „Russenpartei" gelte116: Ein Schlagwort, mit dem die KPD bereits 1945 bedacht worden war.117 Dennoch stellte Otto Grotewohl am 15. Oktober 1947 auf der 2. Tagung des Parteivorstands die Forderung auf: „aus den Erfahrungen der Sowjetunion lernen". Zwar wurde auch dort wieder über Mißgriffe sowjetischer Kommandanten diskutiert, und Wilhelm Pieck verwahrte sich gegen den Vorwurf, daß die SED-Führung sich der Besatzungsmacht zu sehr füge: „Wir bringen unsere Kritik nicht auf öffentlichem Markt an, aber wenn wir mit den sowjetischen Stellen und Behörden Besprechungen haben, so sagen wir schon unsere Meinung, was wir als unrichtig empfinden und was uns Schwierigkeiten in unserer Politik bereitet. Wir können auch hier wiederum mit Genugtuung feststellen, daß uns in den meisten Fällen die Zusicherung gegeben wird, die Ursachen der Beschwerden abzustellen."118 „Parteifeindliche und antisowjetische Stimmung in der Bevölkerung", „nationale Überheblich112
Vgl. Bericht über die Arbeit des Sekretariats [8. 9. 1948], in: BLHA Potsdam, Rep. 332/L IV/2/1/13, Bl. 111-139, hier Bl. 123.
113 114
Vgl. Andreas-Friedrich, Schauplatz Berlin 1984, S. 107 Vgl. Werner Eggerath-Heinrich Hoffmann Landesvorsitzende SED Thüringen/Chef der SMA Thüringen Kolesnitschenko/6. Jan. 1947, in: SAPMO BArch, ZPA/NL 90/314. -
"5 1,6
117
118
Ebenda. Pieck-Notizen über die Sitzung des Zentralsekretariats der SED am 13. 10. 1947, in: SAPMO BArch, ZPA/NL 36/656. Vgl. Is obsora Bjuro informazii SWAG „O polititscheskom poloschenii w Germanii"/3 nojabrja 1945g., in: SWAG 1994, S. 29-40, hier S. 30. Stenographische Niederschrift der 2. Tagung des PV der SED am 15./16. Okt. 1947, in: SAPMO BArch, ZPA/rV 2/1/15.
Deutsche und Russen
73
keit" machten der SED auch 1948 noch zu schaffen. Doch „ein Zurückweichen davor darf es in der Partei nicht geben, denn es ist der Tod jeder fortschrittlichen Bewegung, wenn sie sich nicht eng an die Sowjetunion als dem ersten Lande des siegreichen Sozialismus anschließt".119 Im November 1948 erinnerten die Besetzung durch sowjetische Truppen 71 Prozent der Befragten als „sehr unangenehm" (zum Vergleich: Frankreich 30 Prozent, USA 17 Prozent, Großbritannien 11 Prozent) und 24 Prozent als „unangenehm", vier Prozent der Befragten hatten „wenig gemerkt" und lediglich ein Prozent behielt diesen Vorgang als „angenehm" in Erinnerung.120 Im gleichen Monat veröffentlichte Rudolf Herrnstadt im „Neuen Deutschland" in sowjetischem Auftrag einen längeren Artikel „Über ,die Russen' und über uns",121 in dem er um Verständnis für die Politik der Sowjetunion warb.122 Die damit eingeleitete Propaganda-Kampagne versandete jedoch, nachdem in den rege besuchten öffentlichen Veranstaltungen nur Fragen nach Übergriffen 1945, nach der Ostgrenze, nach Reparationen und Demontagen, nach dem Besatzungsregime gestellt worden waren,123 die die SED zu beantworten nicht imstande war. Mitte 1949 versuchte die SED zwar noch einen zweiten Anlauf, weil „alle antisowjetischen Argumente unter allen Umständen zerschlagen werden müssen",124 doch wurden auch diesmal nur die bekannten Fragen wiederholt: „warum müssen noch Vergewaltigungen vorkommen", „warum trinken russische Soldaten so [viel]", „warum fahren sie unsere Straßen mit Panzern kaputt" und immer wieder die Frage nach der Oder-Neiße-Grenze. Das ostdeutsch-sowjetische Verhältnis mußte zum Tabu erklärt werden, nachdem die Haltung zur Sowjetunion durch Parteipostulat zum „Prüfstein" erklärt worden war. Doch vor Fehlleistungen blieben nicht einmal SED-Funktionäre gefeit. Parolen wie „Man soll die Russen nicht als Vorbild hinstellen, denn sie haben erst von uns die Kultur gelernt", wurden noch zu Beginn der -
fünfziger Jahre aktenkundig.125 »9
120
121 122 123
Bericht über die Arbeit des Sekretariats [8. 9. 1948], in: BLHA Potsdam,
Rep. 332/L IV/2/1/13. Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie in Aliensbach vom November 1948, in: Zentner, Kurt: Aufstieg aus dem Nichts, Köln/Berlin 1954, Bd. 2, S. 84. Vgl. Neues Deutschland vom 19. Nov. 1948. Vgl. hierzu Müller-Enbergs, Helmut: Der Fall Rudolf Herrnstadt, Berlin 1991, S. 85ff. Hierzu sowie zum politischen Kontext der Kampagne ausführlich: Scherstjanoi, Elke: Noch einmal „über ,die Russen' und über uns." Gedanken zu einer „Diskussion über ein brennendes Thema" aus dem Jahr 1948, in: Zusammenbruch Befreiung Besatzung. Rückfragen an die NS-Zeit und Ausblick auf die Entwicklung bis 1948, zusammengestellt von Andreas Herbst, Dr. Rimma Maximowa, Evelyn Rink, Dr. Hilde Schramm, Potsdam 1994. Material zur Kampagne in: SAPMO BArch, ZPA/IV 2/2022/33. Hermann Axen auf der zonalen Arbeitstagung der Abt. Massen-Agitation im Zentralsekretariat am 18./19. Mai 1949. Vgl. Abt. Werbung, Presse, Rundfunk/Bericht über die zonale Arbeitstagung der Abteilung Massen-Agitation im Zentralsekretariat/25. Mai 1949, in: BLHA Potsdam, Rep. 332/L IV/2/3/29, Bl. 27-34. Vgl. Landessonderkommission für Massenorganisationen/Politische Analyse/31. Aug. 1951, in: SAPMO BArch, ZPA/IV 2/5/521. -
124
125
-
-
74
Besetzung
Diese Distanz zwischen Deutschen und Russen beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit. Interne Parteidokumente der SED wie der WKP(B) belegen, daß innerhalb der SMAD Angst vor Kontakten mit Deutschen herrschte, weil sie in der WKP(B) kaderpolitisch als Belastung angesehen würden.126 So verbot ein Beschluß des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 15. Februar 1947'27 die Eheschließung zwischen sowjetischen Staatsbürgern und Ausländern (aufgehoben am 26. November 1953). Es kam auch nicht von ungefähr, daß im Januar 1953 die etwa 800000 Wolga-Deutschen fast die Hälfte aller damals in der Sowjetunion verurteilten „Sonderverschickten" (Spezposselenzy) ausmachten.128 Plakative Deklarationen Moskaus über die Behandlung der deutschen Zivilbevölkerung gingen oft an der Wirklichkeit vorbei, denn zumindest 1945 wurde aus Berlin mehrmals signalisiert, daß die „Kollektivschuldthese" innerhalb der politischen Abteilung der SMAD keine Phrase war. Nur die KPD vertrat die „richtige Position", stellte man dort im Dezember 1945 fest, daß „nicht nur die Nazis, nicht nur die deutsche Bourgeoisie, sondern das ganze deutsche Volk am Hitlerschen Eroberungskrieg schuld" gewesen sei.129 Daß die SMAD sich zunächst nicht einmal bemühte, die offizielle Moskauer Propaganda-Linie in Deutschland zu exekutieren, belegt eindringlich ein Artikel ihres Organs „Tägliche Rundschau". Darin hieß es am 18. Oktober 1945: „Ein von der faschistischen Ideologie politisch und moralisch verderbter Charakter läßt sich in vielen Fällen überhaupt nicht, und in wenigen Wochen oder Monaten schon gar nicht zum Guten wenden"; ein vom Faschismus „infizierter Mensch" werde „immer schädlich wirken, bewußt oder unbewußt".130 Jahre dauerte es, bis die im Umgang mit Deutschen bei Russen üblichen Schimpfworte verschwanden, und selbst die parteiamtliche Umschreibung „Freunde" für sowjetische Besatzungsoffiziere und andere Amtsträger bürgerte sich in der SED ausweislich der Primärquellen erst 1948 ein. Auch Stalins vergleichsweise zurückhaltende, an alte russische Volksweisheit anknüpfende öffentliche Äußerungen über „die Deutschen" lassen an Deutlichkeit der „kulturellen Distanzierung" keinen Zweifel zu. Sein freundlicher Vergleich mit „Armleuchtern" ist lediglich Ausdruck der vornehmen Zurückhaltung des Übersetzers.131 126
127 128
129
130 131
Vgl. Is dokladnoi sapiski komissii ZK WKP(b) [...] o resultatach prowerki raboty Uprawlenija informazii SWAG [1948], in: SWAG 1994, S. 214f. Ausgefertigt am 4. Feb. 1948, vgl. Prawda vom 6. Feb. 1948. Vgl. MWD UdSSR/Is sprawki „O sostawe spezposselenzew na janwar 1953 g., in: Posledstwija deportazii narodow, in: Istorija SSSR, 1/1992, S. 122-143, hier S. 142 Vgl. hierzu SWAG 1994, S. 30 sowie Polititscheski otdel SWAG/Sprawka o bloke demokratitscheskich parti Germanii/21. 12. 1945, in: AWP RF, 457a/l/10/2, Bl. 112-142.
Tägliche Rundschau vom 18. Okt.
1945.
So über „Deutsche" und „Franzosen" am 13. Mai 1947, vgl. Simonow, Aus der Sicht 1990, S. 126f. Im Russischen benutzte Stalin den derben Ausdruck „sasranzy" (d.i. Hosenscheißer). Vgl. Simonow, K.: Glasami tscheloweka mojewo pokolenija. Rasmyschlenija o I. W. Staline, Moskwa 1989, S. 129.
Besatzungsorganisation
75
„Die Deutschen setzten ihren verzweifelten Widerstand fort; jede Stadt mußte im Kampf genommen werden. Manchmal schössen auch die Einwohner aus den Fenstern. Aber sobald die Sowjettruppen das Zentrum der Stadt erreichten, verwandelte sich alles, wie im Märchen. Die Einwohner, auch die-
jenigen, die noch vor einer knappen Stunde schössen, wurden zu Märtyrern,
die unter Hitler zu leiden hatten. Die Stadt riß fieberhaft Bettlaken entzwei, weiße Leinentücher baumelten an allen Häuserfronten, krochen aus den Fenstern; die Reste banden sich die Deutschen um den Arm." [...] Der Kommandant „sah sie ohne Bosheit und ohne Mitgefühl an: er konnte nicht verstehen, daß er Menschen vor sich hatte; er glaubte weder ihrem Lächeln noch ihrer Unterwürfigkeit, noch Heinrich, der schwor, die Stadt sei ,fast rot' gewesen. Er glaubte hier niemanden und nichts." Auf diese Bilder strich der vom deutschen Frontsoldaten zutiefst verachtete Ilja Ehrenburg in seinem 1946/47 geschriebenen Roman „Sturm" den Vorgang der Eroberung aus der Sicht des Rotarmisten zusammen.132 Der Krieg hinterließ schwere Wunden, die in Jahrzehnten nicht heilten. Antisowjetische Grundstimmung wurde zur Äußerung vitalen Selbsterhaltungswillens und erfaßte alle Bevölkerungsschichten: Sogar aus den Erinnerungen Erich Honeckers mußten erst sowjetische Zensoren noch 1980 eine Passage streichen, in der festgehalten war, im April 1945 hätten Rotarmisten in Berlin alle Männer zwischen 14 und 70 Jahren, unabhängig davon, ob sie Soldaten oder Zivilisten waren, gefangengenommen.133 Mehr als nur den Sarkasmus der Machtlosen dokumentiert die Losung „Es lebe Ilja Ehrenburg, der beste Freund des deutschen Volkes" auf einem Plakat zur deutsch-sowjetischen Freundschaft, die 1950 den jungen Diplomaten Valentin Falin in Ost-Berlin schockierte.134
3.
Besatzungsorganisation
Als die sowjetischen Truppen Ende Januar 1945 die Oder erreichten, verfügten sie bereits über intensive Erfahrungen beim Aufbau von Militärverwaltungen sowohl im eigenen Land als auch außerhalb. Sogar das Moskauer Hauptquartier und Stalin persönlich waren aufgrund der äußerst komplizierten Lage in Polen mit der Materie unmittelbar konfrontiert gewesen. Zur Seite stand den Militärs schließlich auch eine Gruppe erfahrener Fachleute, die bereits zu Beginn der vierziger Jahre bei der Eingliederung der baltischen Republiken und der Westukraine in den sowjetischen Staatsverband spezifische Erfahrungen gesammelt hatten, u.a. Generaloberst I. A. Serow und W. S. Semjonow, sowie der erste Politische Berater des Obersten Chefs der SMAD und damals gleich132 133
134
Ehrenburg, Ilja: Sturm, Berlin (Ost) 1953, S. 933f. Vgl. Honecker, Erich: Aus meinem Leben, Berlin (Ost) 1980, S. 153, sowie A. Jegorow Dir. IML pri ZK KPSS/ZK KPSS/14. 7 1982, in: Istotschnik 3/1994, S. 89-90. Falin, Erinnerungen 1993,
S. 296.
-
76
Besetzung
stellvertretender Außenminister Andrei Ja. Wyschinski,135 der der Alliierten Kontrollkommission für Italien angehört hatte. Deutschland-Experten befanden sich unter den Diplomaten (z.B. Semjonow, Botschafter A. A. Smirnow, I. F. Filippow, A. M. Korotkow) wie unter den Ökonomen (z.B. M. S. Saburow). Einschlägig ausgewiesen durch ihre Tätigkeit im Baltikum und in der Westukraine waren auch Geheimdienstler wie Serow oder B. S. Kobulow. Die grundlegenden Richtlinien zur Verwaltung der besetzten Gebiete waren durch den Beschluß des Staatlichen Verteidigungskomitees vom 10. April 1944 und auf der Beratung der Mitglieder der Kriegsräte der Fronten beim Zentralkomitee der WKP(B) am 4. Mai 1944 in Anwesenheit Stalins festgelegt worden.136 Deutschland nahm zunächst nur insoweit keine Sonderstellung ein, wie Scholkowitsch in mißverständlicher Verkürzung behauptet,137 denn bereits für Polen war angeordnet worden, daß sowjetische Truppen während der Kampfhandlungen die gesamte Macht unmittelbar zu übernehmen hätten, wie aus der ersten Weisung des Staatlichen Verteidigungskomitees über die Errichtung von Kriegskommandanturen hervorgeht.138 Auch in Polen nur besser dokumentiert waren den Truppen die Smersch und NKWD-Verbände zum Schutz des Hinterlandes auf dem Fuß gefolgt, und Kriegsräte der Fronten und Militärstaatsanwälte mit ihren Kriegstribunalen hatten, zum Teil unkoordiniert, in das Geschehen eingegriffen.139 Durch Beschlüsse des Staatlichen Verteidigungskomitees vom Juli 1944 sowie des Rates der Volkskommissare der UdSSR vom 19. Januar 1945 und vom 10. April 1945 wurde eine Ordnung für die Kriegskommandanturen festgelegt. Die generelle Direktive sah ein dreistufiges Kommandantur-System vor, das sich an der jeweiligen Bevölkerungszahl im Zuständigkeitsbereich orientierte. Für die erste Stufe waren 29, die zweite 21 und die dritte 17 Planstellen vorgesehen. Großstädte mit über 200000 Einwohnern galten als Sonderkategorie: Für ihre Kommandanturen waren 44 Planstellen sowie für die ihnen unterstellten Stadtteilkommandanturen jeweils acht Mitarbeiter vorgesehen. Rangmäßig
zeitig
erster
zuvor
-
-
135
136
Der stellvertretende Außenkommissar Wyschinski dürfte noch im August 1945 als Politischer Berater betrachtet worden sein; vgl. Verteiler zum Befehl Nr. 26 vom 8. August 1945, in: GARF, 7317/8/1, Bl. 78. Vgl. Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Bd. V, Moskau 1974, S. 633. Anwesend waren u.a. die späteren politischen Mitglieder der Kriegsräte der SMAD bzw. der GSOWG F. Je. Bokow, W. Je. Makarow, K. F. Telegin. Vgl. Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, S. 42. Vg[ Postanowlenije GKO SSSR ot 29 ijulja 1944 g. o sosdanii na territorü Polschi wojennych komendatur, in: Solotarew, W A. (Hg.): SSSR i Polscha, 1941-1945; K istorii wojennowo sojusa, Dokumenty i materialy, (=Russki archiw: Welikaja otetschestwennaja, Bd. 14/3 (1), Moskwa 1994, Dok. Nr. 6, S. 331-332; revidiert nach Intervention des Volkskommissariats für Äußere Angelegenheiten und den Bedürfnissen angepaßt durch Weisung vom 1. Aug. 1944, vgl. ebenda, Dok. Nr. 8, S. 333-334. Vgl. Is donessenija tschlena Wojennowo soweta 1-owo Belorusskowo fronta general-leutnant K. F. Telegina tschlenu Gossudarstwennowo komiteta oborony G. M. Malenkowu [...] vom 30. 10. 1944g., in: ebenda, Dok. 34, S. 371-376, hier S. 374. -
137 us
139
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hatten die Militärkommandanten der ersten Ordnungsstufe wie auch die Bezirkskommandanten die Rechte von Divisionskommandeuren, Kommandanten von Verwaltungen der zweiten Ordnung waren Regiments- und solche der dritten Ordnungsstufe Bataillonskommandeuren gleichgestellt.140 Für Deutschland wurden diese Vorschriften in der zweiten Hälfte 1945 noch weiter präzisiert, als die Chefs der Abteilungen des Kommandanturdienstes in den Landesverwaltungen sowie die Militärkommandanten von Dresden und Leipzig die Rechte von Korpskommandanten erhielten. Entsprechend der Verfügung des Staatlichen Verteidigungskomitees vom Juli 1944 wurden die von den Kampftruppen gebildeten Kommandanturen durch eine besondere, bei den Frontstäben gebildete Abteilung für Zivilsachen und Militärkommandanturen angeleitet, die selbst unmittelbar dem Stellvertreter des Befehlshabers für Zivilangelegenheiten unterstellt war. Der Stellvertreter für Zivilfragen war eine besondere Einrichtung, die in der Schlußphase des Krieges bei den Kommandeuren auf Armee- und Frontebene errichtet worden war. Der Stellvertreter für die Zivilverwaltung bei der 1. Belorussischen Front Oberst S. M. Schestakow wurde nach Bildung der SMAD stellvertretender Chef der Verwaltung des Kommandanturdienstes; bei der 2. Belorussischen Front wirkte in dieser Funktion W. S. Gontscharow und bei der 1. Ukrainischen Front Oberstleutnant J. E. Repin. Die Stellvertreter für Zivilverwaltung wählten auch die Kader für die Kommandanturen aus und arbeiteten nach Instruktionen des sogenannten Ersten bzw. politischen Mitglieds des Kriegsrats der jeweiligen Front.141 Entsprechend dieser Mitte Februar 1945 in Kraft getretenen Ordnung wurden alle Kommandanturen auf Vorschlag der Kriegsräte durch Verfügungen des Generalstabes gebildet.142 Vergleichbare Sonderstrukturen der militärischen Fachdienste entstanden ab September 1944 durch die Errichtung der Position des Stellvertreters des Kommandanten für politische Aufgaben und ab Januar 1945 des Gehilfen für ökonomische Fragen.143 Auf der untersten Stufe dieser Fachstrukturen befanden sich die Kreiskommandanturen, die damit als Stäbe fungierten. Zu beachten ist, daß die Facheinheiten in disziplinarischer Hinsicht zwar dem allgemeinen militärischen Kommando, in fachlicher Beziehung jedoch unmittelbar den jeweiligen Fachämtern unterstellt waren, die wie beispielsweise die Gehilfen der Kommandanten für Wirtschaftsfragen der Feldintendantur vielfach kürzer an Moskauer Stellen angebunden waren. Weil die Miktärkommandanturen angeblich personell zu schwach besetzt waren, beschloß die Führung der 1. Belorussischen Front, beim Kriegsrat operative Inspektionsgruppen des Kommandanturdienstes einzurichten. Diese mit Sondervollmachten ausgestatteten Inspektionsgruppen wurden meist aus Mitarbeitern der Politabteilungen und der berüchtigten Hinterland-Einheiten des -
-
-
-
140 141
>42 143
Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, S. 44f. Ebenda, S. 46. Ebenda, S. 45. Schischow, Sowetskaja wojennaja administrazija i pomoschtsch 1979, S.
23.
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Besetzung
zusammengestellt. Sie lösten grundsätzlich alle Aufgaben „an Ort und anderem waren sie mit dem Recht ausgestattet, die etatmäßigen Kommandanturen zu kontrollieren. In der Regel wurde erst nach Beendigung der Tätigkeit dieser Inspektionsgruppen eine etatmäßige Kommandantur errichNKWD
Stelle";
unter
tet.144 Im Mai 1945 bestanden in Ostdeutschland bei der 2. Belorussischen Front
zur Führung der Militärkommandanturen denen 73 Ortskommandanturen unterstellt waren. Daneben bestanden drei gesonderte Stadtkommandanturen unter der direkten Anleitung der genannten Abteilung. Im Bereich der 1. Belorussischen Front gab es 48 Rayon- mit 140 nachgeordneten Ortskommandanturen sowie weitere acht besondere Stadtkommandanturen mit 17 Stadtteilkommandanturen. Die 1. Ukrainische Front zählte damals 27 Rayon- und 50 Ortskommandanturen sowie sechs besondere Stadtkommandanturen unter ihrem Oberbefehl.145 Zum Zeitpunkt der Kapitulation am 8. Mai 1945 bestanden im Bereich der drei sowjetischen Heeresgruppen 388 ständige Kommandanturen: 213 im Bereich der 1. und 92 im Bereich der 2. Belorussischen Front sowie 83 bei der 1. Ukrainischen Front.146 In Berlin waren im Mai 1945 neben der zentralen Stadtkommandantur 20 Rayon- und 82 Stadtteil-Kommandanturen tätig.147 In dieser ersten Phase errichtete man in allen Ortschaften, in denen sowjetische Truppen standen, vorläufige Kriegskommandanturen.148 Als provisorische Kommandanten wurden zunächst durch die Divisionskommandeure in Übereinstimmung mit der Politabteilung der Divisionen lokale Truppenoffiziere eingesetzt.149 Die regulären Kommandanten und ihre politischen Stellvertreter wählten dann bereits die Kriegsräte der Armeen und Fronten aus. Ihre wichtigste Aufgabe war die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Einen funktional organisierten Stab gab es nur in größeren Städten. Als politische Beratungsorgane der Besatzungsadministration wirkten bei den Frontstäben angesiedelte Politische Verwaltungen, die direkt der Moskauer Hauptverwaltung unterstanden, sowie Beauftragte des Außenministeriums bei den Oberkommandierenden der Fronten.150 Sie wurden unterstützt von deutschsprachigen Gruppen der 7. Abteilung der Politischen Hauptverwaltung, den speziellen Einheiten der Roten Armee für die psychologische Kriegsführung (im Armeejargon „Zersetzer" genannt), denen unmittelbar auch die deutschen Mitarbei-
unter
der
der
Leitung
Abteilung
16 Rayonkommandanturen,
144 145
Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, S. 47f. Ebenda, Anlage 1. In Anlehnung an die russische Bezeichnung „rajon" wird der Ausdruck „Rayon" benutzt. In der Regel kann „rajon" mit „Kreis" im deutschen verwaltungstechnischen Sinne übersetzt werden, als „rajon" wurden in der SMAD aber auch (im deutschen -
146
147
148 149 150
Verwaltungssinne unspezifische) kleinere Besatzungsverwaltungseinheiten bezeichnet.
Ebenda, S. 49. Scholkowitsch, S.
Dokumenty o dejatelnosti
sowetskich wojennych komendatur w Sowetkije archiwy 4/1978, S. 73-78, hier S. 74. Schtscherban, Anatoli: Demarkazjonnaja linija, Moskwa 1988, S. 24. B.:
Wostotschnoi Germanii (1945-1949), in:
Ebenda, S.
25.
Nachgewiesen sind auf dieser Ebene auch Beauftragte anderer sowjetischer Dienststellen, wie beispielsweise Beauftragte für Repatriierungsfragen.
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79
dem Kreis der Remigranten und politisch umgeschulten Kriegsgefangeunterstanden. Deutsche aus Bessarabien oder Rußland sowie deutschsprachige Balten übernahmen häufig Dolmetscherdienste.151 Diese Sachverhalte ergeben sich aus Quellen der sowjetischen Armee: an-
ter aus nen
gesichts einiger Unstimmigkeiten zwischen ihnen und ziviler russischer Aktenüberlieferung muß festgehalten werden, daß solche allgemeinen Normativakte zur Besatzungsverwaltung „im strengen Sinne" nicht für Deutschland galten. Ein Festhalten an solch enger Auslegung würde jedoch verkennen, daß aus sowjetischer Sicht schon der geographische Begriff Deutschland umstritten war, denn die Truppe orientierte sich vorrangig an topographischen und nicht unbedingt wie die Moskauer Führung an politischen Merkmalen.152 Doch Moskau war weit, und die vorliegenden Fakten bestätigen, daß die skizzierte Ordnung in ihren Grundzügen zunächst auch auf deutschem Gebiet angewandt wurde. Aufgrund der Unterschiede zwischen den allgemeinen und für Deutschland spezifizierten Regularien bleibt lediglich das Datum der Errichtung der Funktion des Stellvertreters des Kommandanten für Zivilverwaltung bei den in Deutschland eingesetzten Fronten strittig, die durch förmlichen Beschluß des Vorsitzenden des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR vom 22. April 1945 erfolgte, also erst nach formaler Korrektur der sowjetischen Haltung gegenüber Deutschen. In der Praxis sah es wohl so aus, daß mit diesem Beschluß letztlich lediglich bereits bestehende gleichnamige fachliche Einrichtungen aufgewertet wurden, obwohl Unterlagen aus der „Mappe Sta-
lins" dazu verführen könnten, ein abweichendes Bild zu zeichnen. Die Autoritätsaufwertung der Stellvertreter für Zivilverwaltung ging nicht so sehr auf die Beschreibung der Aufgaben zurück, die laut Beschluß vom 22. April 1945 „die Kontrolle der Tätigkeit der örtlichen deutschen Verwaltungsorgane, einschließlich der Wahrung der öffentlichen Ordnung und der Erfüllung aller Anweisungen und Aufgaben des sowjetischen Kommandos wahrnehmen" sollten, sondern war vornehmlich die Folge der ihnen darüber hinaus übertragenen weitreichenden Kompetenzen „bei der Organisierung der örtlichen Verwaltung [und] der Ernennung von Bürgermeistern, Polizeichefs, Gemeindevorstehern und Mitarbeitern von Gerichten und Staatsanwaltschaften", in Verbindung mit der Verlagerung ihrer disziplinarischen Unterstellung von der Armee weg zum polizeilichen und geheimdienstlichen Sicherheitsbereich hin. Der Stellvertreter des Front-Oberbefehlshabers nahm seine Aufgaben gleichzeitig durch Armee-Einheiten wie durch einen eigenen Apparat wahr, für den die im Kommandobereich agierenden operativen Gruppen des NKWD/ 151 152
Vgl. hierzu z.B. die eindringliche Schilderung in: Unauslöschlich 1995, S. 268. Konkret ist der Umstand zu berücksichtigen, daß die (mit erbeutetem Kartenmaterial der Wehrmacht) vorrückenden Truppen in die deutschen Ostgebiete vorgestoßen waren, sich aber aus Moskauer politisch-diplomatischer Sicht auf polnischem Gebiet befanden. Wie unten ausgeführt wird, wurde die Truppenstruktur durch die Direktive der Stawka vom 29. Mai 1945 mit Wirkung vom 10. Juni den Erfordernissen der politischen Geographie angepaßt. -
-
80
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NKGB und der Smersch des Volkskommissariats für Verteidigung abzustellen waren. Außerdem war der Stellvertreter für Zivilsachen Bevollmächtigter des NKWD und im Hinblick auf die Bekämpfung feindlicher Elemente unmittelbar dem NKWD der UdSSR verantwortlich.153 Eine solche Bündelung von Funktionen und Befehlslinien stellte ein Spezifikum dar.
„Die ganze Verwaltungsgewalt in dem von der Roten Armee besetzten Gebiet Deutschlands wird vom Militärkommando durch Stadt- und Kreiskommandanten ausgeübt", hieß es im Tagesbefehl Nr. 5 des Oberbefehlshabers der 1. Belorussischen Front vom 23. April 1945.154 Weiter wurde in diesem Befehl ausgeführt, daß die Militärkommandanten eine deutsche Exekutive zu bestimmen hätten: Bürgermeister, in kleineren Städten und Dörfern Ortsälteste, die für die „genaue Durchführung aller Befehle und Anordnungen seitens der Bevölkerung persönlich verantwortlich sind". In Berlin konzentrierte der soeben ernannte Stadtkommandant Generaloberst Bersarin mit dem Befehl Nr. 1 vom 28. April 1945 noch während der Kampfhandlungen die „gesamte administrative und politische Macht" in seinen Händen.155 Die Bildung deutscher Selbstverwaltungen wurde bereits durch eine Spezialdirektive der Stawka vom 20. April 1945 angeordnet.156 Nach einer Beratung der Kriegsräte der drei in der SBZ eingesetzten Fronten im April 1945 ergingen hierzu gemeinsame Richtlinien, denen entsprechende Ausführungsbefehle folgten: Der bereits genannte Befehl Nr. 5 des Kriegsrats der 1. Belorussischen Front oder die Direktive des Stabes der 1. Ukrainischen Front vom 16. Mai 1945157 bzw. die spezifizierte Anweisung der Militärkommandanten, die am 13. Mai 1945 Kriegsrat und Politische Verwaltung der 1. Ukrainischen Front erließen.158 In Dörfern waren Bürgermeister, in Kreisen Vorsitzende mit einem Beraterstab, in Städten Bürgermeister mit Fachreferenten, in Großstädten Oberbürgermeister mit zwei bis drei Stellvertretern und einem Fachreferentenstab einzusetzen sowie ferner -
153
Vgl.
Predsedatel GOKO
Stalin/Postanowlenije GOKO/22.4. 1945,
9401/2/95, Bl. 319-320. Ähnlich auch Beschluß des GOKO
vom
2. Mai
in:
GARF,
r
1945, mit dem
Staatssicherheitskommissar 2. Ranges I. A. Serow zum Stellvertreter bei der 1. Belorussischen, Staatssicherheitskommissar 3. Ranges L. S. Zanawa bei der 2. Belorussischen und
154 155
136
157 158
Generalleutnant P. A. Meschik bei der 1. Ukrainischen Front ernannt wurden. Text in: BAK, Kleine Erwerbungen/729. Text in: BAK, Kleine Erwerbungen/729. Dieser Befehl ist in der Dokumentation von Solotarew, Bitwa sa Berlin 1995, S. 382-384, Dok. Nr. 255, mit dem Datum vom 30. April 1945 versehen. In der Praxis handelte es sich um gedruckte Befehlstexte, in die handschriftlich das Datum, der Ort und der Kommandantenname eingetragen wurden. Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, S. 81. Ebenda, S. 81 f. Ukasanija Wojennowo Soweta i Polituprawlenija 1-owo Ukrainskowo Fronta wojennym komendantam nemezkich gorodow po organisazii mestnoi administrazii i rabote s nemezkim nasselenijem/13 maja 1946 g., in: Solotarew, Bitwa sa Berlin 1995, Dok. Nr. 259, S. 391-398.
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Gerichte und Polizei zu bilden.159 Die Befugnisse der deutschen Verwaltungen waren zunächst nicht konkret geregelt. Grundsätzlich waren aber durch den Kommandanten alle leitenden Mitarbeiter zu ernennen und die übrigen zu bestätigen. Ferner hatte die deutsche Verwaltung kein Recht, öffentliche Bekanntmachungen zu erlassen, sondern benötigte hierzu jeweils eine Einzelgenehmigung des Kommandanten.160 Die lokal und regional zuständigen Kommandanten setzten Bürgermeister, Landräte, Richter und Staatsanwälte ein und errichteten vielfach Verwaltungen nach sowjetischen Ordnungsvorstellungen.161 Berlin, dessen erster parteipolitisch pluralistischer Magistrat aufgrund eines Vorschlags von Walter Ulbricht zusammengestellt wurde, war für die Lage im Besatzungsgebiet allerdings ebenso untypisch wie Meißen oder Pirna, wo ursprünglich nur Kommunisten in der Stadtverwaltung vertreten waren. Die Politverwaltungen ersetzten sie bald durch „politisch reifere" Lokalpolitiker, um mit Hilfe von KPD-Remigranten eine parteipolitisch gemischte Verwaltung einzurichten.162 Schon damals fiel Außenstehenden die enge Kooperation der Truppen mit ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen auf, die in Schlüsselpositionen gelangten.163 Nach sowjetischen Angaben wurde bereits im Januar 1945 eine größere Anzahl von Absolventen der Antifaschulen zu den Fronttruppen geschickt. In Berlin wirkte eine Gruppe von NKFD-Frontbevollmächtigten seit dem 28. April 1945.164 Sie stand zunächst dem Kommandanten zur Verfügung und unterstützte dann die erst später eingetroffene sogenannte ZK-Initiativgruppe unter Walter Ulbricht.165 „Ein großer Teil der in den Städten und Kreisen tätigen Bürgermeister und Landräte waren ehemalige Frontbeauftragte des NKFD",166 so der Bericht eines Zeitzeugen. Aus Dresden meldete der zuständige NKWD-Beauftragte und stellvertretende Frontkommandeur für die Zivilverwaltung an L. P. Berija, daß der erste Stellvertreter des Oberbürgermeisters Kurt Fischer sowie der Personalchef und gleichzeitige Leiter der Geschäftsabteilung Hermann Matern „uns vom Apparat des Genossen Dimitroff geschickt wurden".167 Anders als in Polen oder in der Tschechoslowakei, wo die Kriegsräte aktiv in den Aufbau der 159 160
Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, S. 82. Projekt Ukasanija Wbjennych Sowetow fronta, Wojennych sowetow armii, [...]., in: AWP RF, 457a/l/13/2, Bl.
161
162 163
111-116.
Vgl. beispielsweise Befehl Nr. 3 des Militärkommandanten der Stadt und des Stadtkreises Stralsund vom 23. Mai 1945, in: Eggert, Ende des Krieges 1967, S. 213. Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, S. 84 ff. Vgl. OSS-Mission for Germany/Field Intelligence Study 17/Recent Information from The Russian Zone of Occupation, in: BAK, OMGUS/5/373 1/3/1 CO DIR OFF sowie OMGUS-ODI/Special Intelligence Summary/Soviet Russia in Germany/8 March 1947, -
i"
165 166
167
in: BAK, OMGUS/ODI 3/429 -3/1. Vgl. Kehler, Ernst: Frontbevollmächtigter des NKFD, in: BzG 1985, S. 218-222, hier S. 220. Damit noch vor der Ulbricht-Gruppe, die erst am 30. April nach Berlin kam. Vgl. Kehler, Frontbevollmächtigter 1985, S. 222. Hamacher, Gottfried: Nach der Befreiung vom Faschismus in Mecklenburg-Vorpommern (1945-1946), in: BzG 1986, S. 352-362, hier S. 353. Meschik/Berija/Mai 1945, in: GARF, r 9401/2/96, Bl. 143-144. -
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Besetzung
Lokalverwaltung eingriffen und auch keinerlei Hemmungen hatten, darüber nach Moskau zu berichten,168 wurden die entsprechenden Deutschland betreffenden amtlichen Akten noch nicht freigegeben. Von der frühen Besatzungspolitik der Westmächte unterschied sich die sowjetische, so damalige westliche Beobachter, grundsätzlich dadurch, daß sich die Besatzungsadministration auf Offiziere des Truppendienstes statt auf Angehörige besonders geschulter Verwaltungseinheiten stützte, sowie durch die Tatsache, daß sowjetische Offiziere sich nicht auf schriftliche Direktiven stützen konnten. Diese Fehlwahrnehmung ging auf Informationsmangel zurück. Auch fiel auf, daß die Sperrstunde erst auf Mitternacht festgesetzt wurde, was man damals aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen auf die Einführung der „Moskauer Zeit" zurückführte,169 und ihre Einhaltung nur lax kontrolliert wurde.170 In Verbindung mit dem Ermessensspielsraum der Ortskommandanten hatte solche Toleranz oder Nachlässigkeit zur Folge, daß das gesellschaftliche und kulturelle Leben mit Kriegsende nicht vollkommen abgewürgt wurde. Die Schulen wurden zwar zunächst geschlossen, weil sie in der Regel als Truppenunterkünfte requiriert wurden, keinerlei Einschränkungen unterlagen die Kirchen.171 Die Wiedereröffnung von Theatern und anderen kulturellen Einrichtungen scheint darüber hinaus für viele Kommandanten eine persönliche Prestigefrage gewesen zu sein. Die militärischen Kommandanten wirkten bis zur Bildung der SMAD am 9. Juni 1945 als einzige Ordnungsmacht und übernahmen alle ökonomischen, administrativen und politischen Funktionen. Sie organisierten alle Lebensbereiche einschließlich der Versorgung der Bevölkerung eigenverantwortlich. Die „fast unbeschränkte Gewalt der örtlichen Kommandanten und das Fehlen aller einheitlichen gedruckten Anordnungen führt zwangsläufig zu einer großen Willkür in der Verwaltung und einem Gegeneinanderregieren der einzelnen -
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168
169
170
171
Vgl. Is donessenija tschlena Wojennowo soweta 1-owo Belorusskowo fronta general-leutnanta K. F. Telegina tschlenu Gossudarstwennowo komiteta oborony G. M. Malenkowu
[...] vom 30. 10. 1944g., in: Solotarew, W. A. (Hg.): SSSR i Polscha 1994, Dok. Nr. 34, S. 371-376, hier S. 374; sowie Bericht vom 1. 2. 1945, ebenda, Dok. Nr. 47, S. 396-400. Durch Befehl Nr. 1 des Chefs der Besatzung der Stadt Berlin vom 28. April 1945 wurde eine Ausgangssperre zwischen 22.00 und 8.00 Uhr Berliner Zeit verhängt, die im Mai auf 22.30 bzw. 5.00 und durch Befehl der (interalliierten) Berliner Kommandantur vom 14. Aug. 1945 auf 23.00 und 5.00 geändert wurde. Der Norm nach galt zunächst die Moskauer Zeit, vgl. Verordnungsblatt Berlin Nr. 1, 2 und 4/1945. Laut Andreas-Friedrich, Schauplatz Berlin, S. 42, ist in Berlin am 28. Mai 1945 die Moskauer Zeit eingeführt worden. Das Gerücht über die Auswirkungen der (ohne Sommerzeit um zwei Stunden vorgeschobenen) Moskauer Zeit auf die Sperrstunde ist nicht auflösbar. Vielleicht handelte es sich auch nur um einen der vielen mißverstandenen Berliner Witze, und „Moskauer Zeit" stand nur sinngemäß für „ohne Uhr". Bekannt sind lokale Ausgangsverbote zwischen 21.00 bzw. 22.00 und 6.00 Uhr; durch Befehl Schukows vom 13. Dez. 1945 wurden alle Sperrstunden-Befehle aufgehoben. Vgl. Befehl Nr. 1 des Chefs der Besatzung der Stadt Berlin vom 28. April 1945, in: Verordnungsblatt Berlin Nr. 1, S. 2.
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Stellen", hielten im Juni 1945 deutsche Verwaltungsfachleute fest.172 Diese Auf-
fassung war insofern irrig, als schriftliche Weisungen zwar vorhanden waren, aber nur mündlich weitergegeben werden durften. Ein Zeitzeuge bestätigt, daß nach Bildung der SMAD die Tätigkeit der Kommandanturen sachlicher und konstruktiver geworden sei,173 weil sie mit einer Reorganisation verbunden
bei der das Personal durch Fachleute ergänzt worden sei.174 Funktionen der Kriegskommandanten wurden sukzessive deutschen Kommunalverwaltungen übertragen, deren Kontrolle allmählich den Tätigkeitsschwerpunkt der Besatzungsoffiziere bildete.175 Auf lokaler Ebene wurde die Schroffheit der Kriegskommandanten in Form und Ton oft bemängelt, in der Sache jedoch insoweit positiv gewürdigt, als ihr hartes Durchgreifen das allgemein erwartete Chaos und die Ausbreitung von Epidemien verhindert habe.176 Die Kommandanten ernannten Bürgermeister und bauten vielfach nach eigenen Vorstellungen eine deutsche Verwaltung auf.177 Schon wegen der vielen marodierenden Soldaten und der Seuchengefahr bemühten sie sich um ein sachliches Verhältnis zu den Deutschen, versuchten bald, deutsche Amtsinhaber zu motivieren und zu kontrollieren, statt sie direkt anzuleiten.178 Da an einem reibungslosen Funktionieren der Verwaltung vitales Interesse bestand, wurden ehemalige NSDAP-Mitglieder in dieser ersten Phase zunächst nicht automatisch aus dem Dienst entlassen: So blieben etwa im Rostocker Rathaus 65 von 275 Beamten im Dienst.179 Im Mecklenburgischen wurden als Beratungsorgane Gemeindeausschüsse, Stadt-, Landkreis- und Stadtkreisausschüsse aus Antifaschisten ernannt.180 In der strengen Zwangswirtschaft, die infolge des großen Arbeitskräftemangels und der katastrophalen Ernährungssituation eine hohe Improvisationsleistung erforderte, kamen bereits in den ersten Wochen der Besatzung zahlreiche Praktiken zum Vorschein, die später für das neue System kennzeichnend werden sollten: beispielsweise die administrative von Betriebsleitern oder die Absetzung provisorische Übernahme von landwirtschaftlichen Gütern mit über 100 ha durch die öffentliche Hand.181 Allen politischen Organen der Roten Armee wurde durch Direktiven der Stawka und Befehle Stalins von April/Mai 1945 aktive Agitation und Propaganda unter der Bevölkerung befohlen. Zunächst wurden deutschsprachige Frontzeitungen der Roten Armee verteilt, danach kamen Abgesandte der sogenannten KPD-Initiativgruppen und hielten politische Versammlungen ab, so
war,
172
173
„Die Lage im russischen Raum nach dem Stande 18/315, Bl. 2-18. Schtscherban, Demarkazionnaja linija 1988, S. 139.
174
Ebenda.
175
Vgl. Eggert, Ende des Krieges 1967, Ebenda, S. 56. Ebenda, S. 60ff. Ebenda, S. 71 ff. Rostock, Berlin (Ost) 1980, S. 140.
176 >77 178
179 180 181
S. 80.
Vgl. Eggert, Ende des Krieges 1967, S. 79. Ebenda,
S. 183.
von
Ende Juni 1945", in: BAK, NL
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Besetzung
daß schon vor dem Befehl Nr. 2 vom 10. Juni 1945 Basisgruppen politischer Parteien, insbesondere von SPD und KPD, entstanden. Durch den Befehl Nr. 8 vom 22. Juli 1945 wurde bei den Kommandanturen die Position des Stellvertreters des Kommandanten für politische Angelegenheiten (sampolit, im Deutschen Politstellvertreter oder Politkommissar genannt) besetzt, der für die Wahrnehmung des Kontakts und die Propaganda unter der deutschen Bevölkerung sowie für Parteiarbeit in der Kommandantur zuständig war. Ihm wurden die Angehörigen der 7. Abteilung unterstellt. Mit der „Erklärung" der Vier Mächte vom 5. Juni 1945 übernahmen die sowjetischen Truppen auch formalrechtlich die Regierungsgewalt in der SBZ. Der Übergang vom allgemeinen Kriegsrecht zu einem allerdings erst rudimentär fixierten Besatzungsrecht drückt sich auch in der Bildung der SMAD am 9. Juni aus. Sichtbare Auswirkungen auf die Besatzungsverwaltung hatte dies zunächst noch nicht: Die Ortskommandanturen blieben weiterhin Gliederungen des Truppenkommandos und wurden erst nach Juli/August formal zu örtlichen Organen der SMAD. Bereits am 4. Juli 1945 so die sowjetische Version befahl die SMAD die Bildung von (deutschen) Provinzial-/Landesverwaltungen. Nach der „Deutschen Volkszeitung" vom gleichen Tag hatte Schukow lediglich die aus Brandenburg, Mecklenburg und Sachsen kommenden diesbezüglichen Anträge geprüft und genehmigt.182 Schon am 4. Juni 1945 war die Bildung von „Landesregierungen" zwischen einer Delegation der KPD-Führung unter der Leitung Piecks und Stalin und Schdanow vorbesprochen worden.183 Unter den Vizepräsidenten der eingesetzten Landesverwaltungen befanden sich vier deutsche Mitarbeiter der GlawPURKKA, die rechtlich dem Kommando der SMAD unterstanden. Erst einige Tage danach wurden mit dem Befehl Nr. 5 vom 9. Juli 1945 die Kommandeure der in den einzelnen Ländern und Provinzen stehenden Truppen zu Chefs der Provinz- bzw. Landes-
isa
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Vgl. Prawda, Moskwa vom 20. Juli 1945. Vgl. auch Gundelach/Bericht über die Schaffung einer Verwaltung für die Provinz Sachsen/13. Juli 1945, in: SAPMO BArch, ZPA/NL 182/950. Darin ist zu lesen, daß einige der vorgeschlagenen Kandidaten nicht ernannt wurden. Im Land Sachsen wurde die Landesverwaltung durch Schukow am 1. Juli 1945 berufen. So Dr. Friedrichs in: Beratende Versammlung des Landes Sachsen, 1. Sitzung am -
25. Juni 183
1946, S. 1. Tatsächlich gab es im Juni 1945 bei Stalin zwei Besprechungen mit KPD-Vertretern: Am 4. Juni 1945 empfing Stalin lediglich Ulbricht und Ackermann, die in Serows Begleitung erschienen. Eine Besprechung zwischen Pieck, Ulbricht und Ackermann sowie Stalin, Dimitroff, Molotow, Malenkow, Berija u.a. fand am 7 Juni 1945 statt; Schdanow war nicht anwesend. Dort sei ebenfalls die Auflösung der provisorischen Besatzungsverwaltung der drei Heeresverbände zugunsten einer einheitlichen Besatzungsverwaltung beschlossen worden, was wie später noch ausgeführt wird nicht zutraf, so daß in diesem Punkt lediglich von einer Unterrichtung der deutschen Delegation ausgegangen werden muß. Vgl. Badstübner, Rolf: „Beratungen" bei J. W. Stalin. Neue Dokumente, in: Utopie kreativ, 7/März 1991, S. 104, sowie Possetiteli kremljowskowo kabineta I. W. Stalina, in: Istoritscheski archiw Nr. 4/1996, S. 103. Keiderling, „Gruppe Ulbricht" 1992, S. 92, datiert das Gespräch Piecks mit Stalin richtig auf den 7 Juni 1945. Vgl. auch Anton Ackermann, Erinnerungen, in: SAPMO BArch, ZPA/EA 1291/2. Auf diese Besprechungen wird noch spä-
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ter
eingegangen.
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Verwaltungen der SMAD ernannt.184 Mit der Besatzungsverwaltung hatten sie selbst sachlich wenig zu tun, diese verantworteten ihre Stellvertreter (für zivile Angelegenheiten), die unmittelbar vom Staatlichen Verteidigungskomitee der UdSSR benannt wurden.185 Nach Abzug der amerikanischen und britischen Truppen wurden am 16. Juli deutsche Landes- bzw. Provinzialverwaltungen in Thüringen und Sachsen bestätigt. Mit Befehl Nr. 17 vom 27 Juli 1945 entstanden zunächst elf deutsche Zentralverwaltungen. Rechtlich waren sie nur Hilfsorgane der SMAD. Ob ihre Bildung außer gesamtdeutschen politischen Aspirationen, die damit im Vorfeld der Potsdamer Konferenz angemeldet wurden, schon damals gleichzeitig ein besonderes sowjetisches Interesse an einer administrativen Zentralisierung ihrer Besatzungszone dokumentierte, kann nicht generell beantwortet werden. Vielmehr ist zwischen einzelnen Fachverwaltungen zu differenzieren. -
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Durch die Direktive der Stawka Nr. 11095 vom 29. Mai 1945 kam es zu eimilitärischen Reorganisation: Am 10. Juni wurde aus den Einheiten der 1. Belorussischen Front unter Einschluß von Teilen der 1. Ukrainischen und 2. Belorussischen Front die Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Gruppa sowetskich okkupazionnych woisk w Germanii GSOWG) gebildet.186 Noch am gleichen Tag informierte Marschall Schukow seine amerikanischen Kollegen, daß ihm die Befehlsgewalt über die Gebiete jenseits der Oder und Neiße entzogen wurde.187 Die Entflechtung der Strukturen der Truppen und der SMAD wird zwar auf Frühjahr 1946 datiert, doch dies galt bestenfalls für die höheren Stäbe. Auf der Kommandanturebene bestand faktisch während der gesamten Tätigkeit der SMAD eine formell nur schwer zu qualifizierende Vernetzung von fachlichen Aufgabenbereichen, insbesondere im Kommunikationswesen. Im Juli 1945 entstanden in den Ländern Abteilungen des zentralen Kommandanturdienstes der SMAD, nachdem im Vormonat 18 besondere Kommissionen der Berliner Zentrale die Besatzungsverwaltung überprüft hatten.188 Zum 15. Juli 1945 unterstanden dem Chef der Verwaltung Kommandanturdienst der SMAD 136 Rayon- (d.i. Kreis-) und ihnen unterstellte 257 Ortskommandanturen sowie 15 Stadt- mit 88 Stadtteilkommandanturen189: Damit war eine Kommandantur für ca. 36000 Deutsche zuständig. Die anfängliche abstrakte und schematische Gliederung erwies sich ner
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189
Befehlstext in der Täglichen Rundschau vom 10. Juli 1945. Bokow, Frühjahr des Sieges 1979, S. 428. Vgl. Dok. Nr. 267 und Nr. 269, in: Solotarew, Bitwa sa Berlin 1995, S. 419-420, S. 422-424. Gleichzeitig wurden die in den ehemaligen deutschen Ostgebieten stationierten Verbände zur Nordgruppe formiert. [Betr. Konferenz bei Schukow am 10. 7. 1945, anwesend: Clay, Strong, Weeks, Murphy, Soboljow], in: AWP RF, 457a/l/14/2, Bl. 26. Vgl. Bokow, Frühjahr des Sieges 1979, S. 420 sowie Spiridonow, Ilja L: Erinnerungen an meine Tätigkeit in Dresden, in: In Dresden 1945, Dresden 1970, S. 23-33. So: Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, Anlage 3. Anders im Verteiler zu Befehl Nr. 43 vom 28. Aug. 1945, in dem von 108 Rayonen, 211 Städten, 8 Großstädten und Berlin die Rede ist, in: GARF, 7317/8/1/B1. 128ff.
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zweckmäßig, und noch 1945 wurde die regionale Struktur des Besatzungsapparates der deutschen Verwaltungsgliederung angeglichen, um eine reibungslose Kommunikation mit deutschen Verwaltungsorganen zu gewährleisten. Die Orts- und Kreiskommandanturen bildeten die eigentlichen Knotenpunkte zwischen Besatzungsapparat und deutscher Verwaltung. Nach Errichtung der Landesverwaltungen der SMAD kam es im August 1945 zusätzlich zur Bildung von 18 Bezirkskommandanturen,190 die mit Befehl Nr. 39 ebenso wie die Kommandanturen größerer Städte vom 25. August 1945 unmittelbar den Abteilungen des Kommandanturdienstes in den Landesverwaltungen der SMAD unterstellt wurden. Im Herbst 1945 erfolgte die Auflösung der außeretatmäßigen Kommandanturen, so daß Ende 1945 in Mitteldeutschland 18 Bezirks-, 122 Rayon- (d.i. Kreis-), 13 Stadt-Kommandanturen mit Provinzialunterstellung, acht Stadtkommandanturen mit Bezirksunterstellung und 345 Ortskommandanturen mit Rayonunterstellung sowie Stadtteilrasch als nicht
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kommandanturen arbeiteten.191 Berlin war im östlichen Teil in acht Rayone und 57 Stadtteilkommandanturen eingeteilt.192 Durch Beschluß des Kriegsrats der SMAD vom 20. Februar 1946 wurden die Kommandanturen der rayonunterstellten Orte und die Stadtteilkommandanturen wieder aufgelöst, wovon bis zum 15. März 1946 131 Kommandanturen betroffen waren.193 Nachdem der Ministerrat der UdSSR am 13. August 1946 Sparmaßnahmen beschlossen hatte, schlug Mechlis eine weitere Verkleinerung des SMAD-Apparates um zehn Prozent zum 15. August 1946 vor. Diesem Vorschlag folgte der Oberste Chef der SMAD im Befehl Nr. 0039 vom 16. Oktober 1946.194 Durch SMAD-Befehl vom 31. Januar 1947 wurde die Personaldecke der Territorialkommandanturen abermals gekürzt, gleichzeitig ihre fachliche Struktur diversifiziert und durch Fachleute verstärkt.195 Ab Mitte 1947 löste man dann kleinere Kommandanturen auf, so daß zum 1. Juni 1948 insgesamt nur noch 151 übrig blieben: 131 Rayon- (d.i. Kreis), neun Stadtkommandanturen und sowie weitere sechs mit Rayonunterstellung und fünf neu gebildete Hafenkommandanturen.196 Eine Kommandantur war somit statistisch für etwa 120000 Einwohner zuständig. Am 12. November 1948 verfügte 190
Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, S. 55. Durch Befehl Nr. 69 vom 25. Sept. 1945 sind die Bezirke Güstrow, Schwerin, Dresden, Bautzen, Gera, Gotha gebildet worden. Zur Veranschaulichung der Organisationspraxis wird auf den Zusammenhang mit den oben genannten Kommissionen hingewiesen. -
-
191 192 193 194
Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, S. Ebenda, Anlage 4. Ebenda, S. 61.
55.
Vgl. Finanzverwaltung der SMAD/Generalleutnant Ponomarjow Mitglied des Kriegsrats/2. 1. 1947, in: GARF, 7317/59/37. Bl. 55. In anderen Primärquellen werden auch 15 Prozent genannt. Möglicherweise bezieht sich diese Zahl auf einzelne Organisationsbe-
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reiche. 1,5
196
Wladislaw Nikolajewitsch: Sotrudnitschestwo Sowetskoi Wojennoi Administrazii i nemezkich demokratitscheskich sil w poslewojennom pereustroistwe wostotschnoi Germanü (1945-1949 gg.), Diss., Kiew 1977. S. 62. Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, S. 61.
Jastrebzow,
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der Ministerrat der UdSSR abermals eine Kürzung der Personaletats der Kommandanturen, was sich in der Auflösung der zentralen KommandanturdienstVerwaltung und ihrer Landesabteilungen niedergeschlug;197 bei dieser Gelegenheit wurden auch die Bezirkskommandanturen aufgelöst.198 Anhand der Befehlsverteiler des Stabes der SMAD lassen sich für Mitte 1949 139 Kommandanten der Städte und Rayone (d.i. Kreise) feststellen.199 Die sowjetischen Truppen in der SBZ wurden von ihrer ursprünglichen Gesamtstärke von bis zu zwei Millionen Mann200 nach amerikanischen Schätzungen 1946 auf 675 000201 und 1947 auf ca. 300000-400000 demobilisiert,202 im August 1948 machten amerikanische Quellen in der SBZ etwa 350000 Mann aus.203 Da sich zum einen noch 1954 in der DDR 550000 sowjetische Soldaten befanden204 und zum anderen die sowjetische Armee damals in Westdeutschland über eine halbe Million Mann starke westalliierte Truppen vermutete, ist davon auszugehen, daß die amerikanischen Schätzungen viel zu nied-
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rig waren. Das Hauptquartier befand sich zunächst in Potsdam, dann in Wünsdorf bei Zossen. Feste Garnisonen bezogen die Truppen etwa bis Juli 1945.205 Obwohl die Besatzungsarmee zur Hälfte aus privilegierten Garde-Regimentern bestand,206 desertierten ab September 1945 bis Dezember 1948 3000 Soldaten in die US-Zone.207 Von der eigenen Feldpolizei wurden zwischen Januar 1946 197
Ebenda.
Maljarow, Dejatelnost 1964, S. 109. Befehl Nr. 90/23. Juli 1949, in: GARF, 7317/8/18. 200 j)¡e Angabe bezieht sich auf die Gesamtstärke der drei mehrmals genannten Heeresgruppen und ihrer logistischen Unterstützungsverbände, die in der SBZ, in den Ostgebieten, in Polen und teilweise in der CSR disloziert waren. Die GSOWG wurde in der Hauptsache aus der 1. Belorussischen Front gebildet, die 1945 etwa 700000-1000000 Mann stark war. 201 TS Priority/7 December 1946, in: BAK, OMGUS/AGTS 14/1. 202 Etwa 400000, einschließlich SMAD-Personal, laut: Headquarters USFET/Special Intelli198
199
gence
Summary No. 31/[1947], in: BAK, OMGUS/AGTS 45/4/Nr. 1; 332500 laut Intel-
ligence Berliner Command/27 Feb 1948, in: BAK, OMGUS/AGTS 14/1. 2°3
EUCOM TS Routine/30 Aug 1948, in: BAK, OMGUS/AGTS 14/1 und: July 17, 1946/ Soviet Military Strength in Germany and Eastern Europe, in: BAK, OMGUS/POLAD 747/13.
204
Vgl. Lothar Engelhardt, in: Gaudenz, Frank/Kumlehn, Thomas: Die Russen gehen, Berlin
1993, S. 140. Russische Militärhistoriker halten die oben zitierten amerikanischen Schätzungen der Truppenstärke in der SBZ für zu gering. Andere Angaben waren jedoch nicht zu eruieren. Arlt, Kurt: Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) im Spannungsfeld zwischen den Beschlüssen von Potsdam und den sicherheitspolitischen Interessen Moskaus 1945-1949, in: Thoß, Bruno (Hg.): Volksarmee schaffen ohne Geschrei! Studien zu den Anfängen einer „verdeckten Aufrüstung" in der SBZ/DDR 1947-1952, im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegeben von Bruno Thoß, München 1994, S. 91-139, hier S. 109. Na bojewom postu. Kniga o woinach Gruppy sowetskich woisk w Germanii, Moskwa 1975, S. 56. CINCEUR Clay/Chief of Staff US Army for Chief Civil Affairs Division/9. Dec 1948, in: BAK, OMGUS/POLAD TS/33/100/1. -
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206
2°7
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zweihundertfünzigtausend Armeeangehörige wegen Disziplinverstoßes festgenommen.208 Allgemein läßt sich also feststellen, daß auf der einen Seite starre bürokratische Vorgaben und Regularien, auf der anderen Pragmatismus und vielfach Improvisation die organisatorische Entwicklung der Besatzungsverwaltung prägten. Das strenge und autoritäre Erscheinungsbild ist natürlich auch in seiner funktionalen Bedeutung als Element der Einschüchterung zu würdigen; vorrangig muß jedoch die hochgradige innerorganisatorische Arbeitsteilung beachtet werden, um die für die Gesamtorganisation charakteristische Flexibilität und Dynamik realistisch einschätzen zu können. Schließlich bestätigt das Disziplinproblem, daß zwischen Erscheinungsbild und interner Funktion ein und Sommer 1949 über
erheblicher Unterschied bestand.
4. Erste Probleme der Besatzungsverwaltung Bereits beim Aufbau der Besatzungsverwaltung war es zu Gegensätzen zwischen einzelnen Facheinheiten gekommen. Geprägt war die erste Phase der Tätigkeit der SMAD in den Jahren 1945/46 aber vor allem durch die allgemeine Nachkriegsnot, durch die Zwangslage der Truppenverbände und die radikale Anwendung des Prinzips der sogenannten ökonomischen Entwaffnung. Sowohl die durch Repatriierung, Vertreibung und Deportationen aufgeworfenen Versorgungs- und Transportprobleme wie auch die Demontagen und Reparationen schufen Rahmenbedingungen, die das Wirken der SMAD zunächst weitgehend bestimmten.
Repatriierung, Vertreibung, Deportationen Technische Fragen der in Jaita vereinbarten Repatriierung ausländischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter regelte ein Abkommen zwischen dem Hauptquartier der Westalliierten und dem sowjetischen Kommando vom 22. Mai 1945.209 Nach amtlichen Angaben wurden durch sowjetische Besatzungsbehörden aus Deutschland insgesamt mehr als fünf Millionen sowjetische Staatsbürger (knapp über zwei Millionen von ihnen übersteüten die Westalliierten in die SBZ210), über zwei Millionen ehemalige Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, 208
Istorija wojennowo uprawlenija (Nojabr 1948-Nojabr 1949), Moskwa 1949, Bl. 49, AWP
209
210
RF, SWAG/1/14/5.
in:
Vgl. Jacobmeyer, Wolfgang: Vom Zwangsarbeiter zum Heimatlosen Arbeiter. Die Displaced Persons in Westdeutschland 1945-1951, Göttingen 1985, S. 63, S. 123. Nach Ottschot o wypolnenii reschenii prawitelstwa Sojusa SSR po prowedeniju repatriazii graschdan SSSR i graschdan inostrannych gossudarstw perioda Welikoi otetschestwennoi woiny (1941-1945 g.), Hg. Upolnomotschenny Soweta Ministrow SSSR po delam repatriazii, 1946 g., in: ZChSD, 89/40/5, handelte es sich um 5352963 sowjetische Staatsbürger, davon wurden 2038700 durch die Westalliierten befreit.
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Erste Probleme der Besatzungsverwaltung
die nicht sowjetische Staatsbürger waren, sowie mehrere Hunderttausend evakuierte Bürger der im Krieg mit Deutschland verbündeten Staaten repatriiert.211 Von den etwa 1,7 Millionen verschleppten Polen befanden sich etwa 170000 in der SBZ212 und 600000 wurden 1945/46 aus den Westzonen via SBZ in ihre Heimat transportiert. Die Zahl der deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge aus dem Osten ging in Mitteldeutschland bereits bei Kriegsende in die Millionen, bis zum 1. Januar 1947 seien in der SBZ mehr als fünf Millionen der über neun Millionen deutschen Vertriebenen aufgenommen worden.213 1945 nahm die Rote Armee insgesamt 2,2 Millionen deutsche Soldaten gefangen (1,39 Millionen aufgrund der Kapitulationsdokumente zwischem dem 9. und 17 Mai 1945214). Zehntausend von ihnen starben 1945 jeden Monat in den Sammellagern in der SBZ, Hunderttausende wurden in sowjetische Arbeitslager gebracht und einige Hunderttausend ließ die Armee 1945 frei, denn nicht nur die Transport-, alle Kapazitäten waren überfordert.215 Nach Mitteilung des sowjetischen Innenministers Kruglow befanden sich zum 1. August 1946 fast zwei Millionen deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion.216 Wie der Innenminister am 19. Januar 1948 in einer Aktennotiz für Stalin festhielt, seien im vergangenen Jahr fast 250000 deutsche Kriegsgefangene repatriiert worden, in den Lagern befand sich noch mehr als dreiviertel Million.217 1948 wurden nach amtlichen Angaben wieder etwa 340000 entlassen,218 bis zum 5. Mai 1950 insgesamt 1,7 Millionen. In der Gefangenschaft verstarben laut dieser internen amtlichen Aufstellung 334376 deutsche Kriegsgefangene.219 Ob es insgesamt 1,1 Millionen waren, wie Berechnungen auf der Grundlage der Vermißtenmeldungen der Wehrmacht besagen, wird wohl genausowenig zu klären sein, wie die Differenz von 1,25 Millionen in den zugänglichen sowjetischen Daten. Etliche Fragen nach dem Verbleib von Vermißten und nach den 211
Ottschot o rabote sojusnoi kontrolnoi wlasti w Germanii. Ijulj 1945g. mart 1948 g. [Hg.] Generalny Sekretariat Sowetskoi Sekzii Kontrolnowo Soweta w Germanii, Berlin 1948g., in: AWP RF, 0456/1/2/1. 173000 Polen, laut: Donessenije Upolnomotschennowo SNK SSSR po delam repatriazii natschalniku GSch KA o chode repatriazii graschdan SSSR i drugich gossudarstw/30. 11. 1945, in: Solotarew, Bitwa sa Berlin 1995, Dok. Nr. 282, S. 457-458. Vgl. Ottschot o rabote sojusnoi kontrolnoi wlasti w Germanii. Ijulj 1945g. man 1948 g. [Hg.] Generalny Sekretariat Sowetskoi Sekzii Kontrolnowo Soweta w Germanii, Berlin 1948g., in: AWP RF, 0456/1/2/1, S. 231 ff. Welikaja oteschestwennaja woina Sowetskowo Sojusa, Moskwa 1965, S. 506. 1,366 Millionen laut Berija/Molotow/6. 6. 1945, in: GARF, r 9401/103, Bl. 189. Vgl. Konassow, Sudby 1996, S. 125 f. Kruglow/Stalin-Berija-Molotow/6. 9. 1946, in: GARF, r 9401/2/139, Bl. 105-108. Nach seiner Rechnung war der Gewinn aus ihrer Zwangsarbeit erst im zweiten Quartal 1946 hö-
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her als die damit verbundenen Kosten. Generell zum Thema vgl. auch: Ihme-Tuchel, Beate: Die SED und die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion zwischen 1949 und 1955, in: DA 5/1994, S. 490-503. 217 218 219
Vgl. Konassow, Sudby 1996, S.
152. 153. Ebenda S. 162. Laut TASS-Bekanntmachung vom 5. 5. 1950 waren aus der UdSSR seit der Kapitulation 1939063 deutsche Kriegsgefangene repatriiert worden.
Ebenda, S.
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Besetzung
unbegreiflich hohen Sterberaten bleiben offen; aber auch auf Wahrnehmungs-
und Denkblockaden ist zu achten. Nach den amtliche Daten zur Repatriierungspolitik der Roten Armee220 sind bis zum 1. Januar 1947 aus der SBZ 1378 450 Bürger der Vereinten Nationen repatriiert worden, 650426 der insgesamt 2,26 Millionen in Deutschland befindlichen Kriegsgefangenen der Vereinten Nationen sowie mehrere Hundertausend Evakuierte aus sogenannten feindlichen Staaten.221 Von den insgesamt 5,353 Millionen sowjetischen Repatrianten aus Deutschland, davon etwa 1,8 Millionen ehemalige kriegsgefangene Soldaten und 3,5 Millionen zivile Zwangsverschleppte, wurden 608000 in Arbeitsbataillonen für die Industrie erfaßt und 55000 für Demontagearbeiten in deutschen Betrieben eingesetzt, etwa 340000 wurden in NKWD-Lager dirigiert.2221,1 Millionen zivile sowjetische Zwangsverschleppte kamen nach bisherigen Angaben in Deutschland um,223 zwei Millionen galten als Invalide.224 Im wesentlichen war die im Dezember 1944 begonnene Repatriierung sowjetischer Staatsbürger aus Deutschland zum 1. März 1946 abgeschlossen.225 Nach diesem Datum hielten sich nach sowjetischer Auffassung in den Westzonen Deutschlands noch 174439 sowjetische Staatsangehörige auf.226 In der Alltagspraxis warf die Repatriierung, wie sich der Chef der Rückwärtigen Dienste der 1. Belorussischen Front, Generalleutnant N. A. Antipenko, erinnert, schwerwiegende Probleme auf. Im Mai und Juni 1945 hatte die Truppe täglich etwa 36000 sowjetische Repatrianten zusätzlich zu versorgen, bis Ende Juni wuchsen die Massen auf etwa eine Million Zivilisten an, von denen 650000 zu Fuß auf den eintausend Kilometer langen Weg in die Heimat geschickt wurden.227 Nicht zuletzt deshalb, weil die polnische Regierung 220
Vgl. Ottschot o rabote sojusnoi kontrolnoi wlasti w Germanii. Ijulj 1945 g. mart 1948 g., [Hg.] Generalny Sekretariat Sowetskoi Sekzii Kontrolnowo Soweta w Germanii, Berlin -
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1948 g., in: AWP RF, 0456/1/2/1.
Ebenda. Gemeint waren mit Deutschland verbündete Staaten. Ottschot o wypolnenii reschenii prawitelstwa Sojusa SSR po prowedeniju repatriazii graschdan SSSR i graschdan inostrannych gossudarstw perioda Welikoi otetschestwennoi woiny (1941-1945 g.), Hg. Upolnomotschenny SNK SSSR po delam repatriazii. 1946 g., in: ZChSD, 89/40/5, S. 225ff. Andere Quellen weisen 300000 ehemalige sowjetische Kriegsgefangene aus, die bei Demontagen eingesetzt wurden (vgl. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 195f). Laut Reschin, Leonid: Die sowjetischen Kriegsgefangenen: Opfer politischer Repressionen in der Sowjetunion, Referat in Dresden am 4. Juli 1997, seien aufgrund des GOKO-Beschlusses vom 18. Aug. 1945 von der Gesamtzahl der ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen und Repatrianten im wehrfähigen Alter 1,5 Millionen in Arbeitsbataillone und 1,5 Millionen in Überprüfungslager gekommen. Genauere geographische und zeitliche Angaben machte der Referent nicht. -
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So: Reschin, ebenda. Afanassew, Ju. N.: Drugaja woina 1939-1945, Moskwa 1996,
S. 432.
Dafür waren über 176000 Eisenbahnwaggons und 5000 Automobile notwendig. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 230. Andere Zahlen nannte Reschin, Leonid: Referat in Dresden am 4. Juli 1997 Danach kehrten 450000 nicht zurück, davon 170000 ehe-
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malige Kriegsgefangene. Antipenko, Nikolai Alexandrowitsch: Na glawnom naprawlenii, Minsk 1982, S. 242f.
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Überlastung ihrer Transportkapazitäten intervenierte, muß davon ausgegangen werden, daß das Problem der sowjetischen Displaced Persons, von denen allein die Westalliierten 1945 täglich sechzehneinhalb Tausend in die SBZ transferierten, die sowjetische Militärverwaltung noch 1946 in größerem Maßstab beschäftigte. Auf sanitärem Gebiet warfen diese immensen Bevölkerungsverschiebungen ebenfalls erhebliche Probleme auf; eine Beruhigung trat erst 1947 ein, als in Ost-Berlin beispielsweise die Zahl der registrierten Ruhr- und Typhuserkrankungen von 32 867 im Jahr 1945 auf 2878 und die Zahl der Todesopfer dieser Epidemien von 10770 auf 323 zurückging.228 Zu Beginn des Jahres 1948 eskalierte allerdings der zwischen den Alliierten in Repatriierungsfragen herrschende Dauerstreit zu einem politischen Konflikt mit der SMAD. Nach sowjetischer Auffassung hielten sich zu diesem Zeitpunkt noch etwa 140000 ihrer Staatsbürger in der amerikanischen Zone auf, während nach amerikanischer Rechtsauffassung ihre Zahl nur 13 500 betrug.229 Die Briten hatten schon früher Angehörige der baltischen Völker nicht als sowjetische Staatsbürger behandelt. Ein hartes Los erwartete frühere sowjetische Kriegsgefangene und ihre Familienangehörigen, war doch schon nach einem Gesetz vom 20. Juli 1934 das Verlassen der Sowjetunion mit der Todesstrafe und mit Sippenhaft zu bestrafen, was durch besonderen Befehl vom 28. Juni 1941 bekräftigt wurde. Vor allem galt es für mehr als 300000 sowjetische Staatsbürger, die in deutsche militärische oder polizeiliche Verbände übergetreten waren.230 Bis Frühjahr 1943 wurden „die Fälle" solcher sogenannten Feinde der Sowjetunion außerhalb des militärjustiziellen Verfahrens auf der Grundlage der Sondervollmacht zur „administrativen Verhängung und Vollstreckung" der Todesstrafe durch Besondere Abteilungen des NKWD „geregelt".231 Durch Militärtribunale wurde im Krieg etwa eine Million sowjetischer Soldaten verurteilt, 157000 von ihnen zum Tode.232 Obwohl von den nach amtlichen sowjetischen Dokumenten insgesamt 4,6 Millionen in deutsche Kriegsgefangenschaft geratenen Soldaten der Roten Armee auf der Grundlage einer GOKO-Verfügung vom Januar 1943 bis Januar 1945 fast eine Million nach ihrer Befreiung aus den Lagern sofort in die Armee aufgenommen wurde, meistens strafweise in die in den Kampfhandlungen aufgeriebenen Sturmverbände,233 waren entsprechend der Direktive der mehrmals wegen
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Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, Anlage
10. Berlin
gesperrt.
war
damals für deutsche Vertriebene
Generalleutnant Huebner/Dratwin/23. 1. 1948, in: AWP RF, SWAG 4/4/4, Bl. 55. Einschließlich jener, die aus den baltischen Staaten und aus der Westukraine stammten. Vgl. Reschin, Leonid: Referat in Dresden am 4. Juli 1997 Zwischen 1941 und 1946 waren davon über 10000 Menschen betroffen gewesen. Vgl. Petrow, Nikita: Die außergerichtlichen Repressionen gegen deutsche Kriegsgefangene, Referat in Dresden am 4. Juli 1997 Laut: Reschin, Leonid: Referat in Dresden am 4. Juli 1997 Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 195 f. Die Angaben über die Zahl der sowjetischen Kriegsgefangenen der Wehrmacht schwanken zwischen 4 und 5,7 Millionen, die Zahl der in Gefangenschaft Umgekommenen zwischen 1,7 und 3,3 Millionen. -
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Besetzung
Stawka vom 11. Mai 1945 grundsätzlich alle Betroffenen, einschließlich der Deportierten und der sogenannten Ostarbeiter, durch das NKGB und die Smersch zu „filtrieren".234 Laut Berija sind bei Kriegsende gleich mehrere Zehntausend ehemalige sowjetische Kriegsgefangene erschossen worden; 1952
noch 57000 ehemalige Kriegsgefangene in Lagern interniert,235 nachdem alle 126000 von den Deutschen gefangengenommenen sowjetischen Offiziere durch Beschluß des Politbüros vom 22. Oktober 1945 degradiert und „auf administrativem Weg" für sechs Jahre in Konzentrationslager gesperrt worden waren, wie Schukow am 24. Juni 1957 auf einem ZK-Plenum Molotow vorhielt.236 Befreit wurden sie durch die Amnestie des Obersten Sowjets der UdSSR vom 17 September 1955. Die bürgerlichen Ehrenrechte wurden ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen erst durch Erlaß des Präsidenten der Russischen Föderation vom 24. Januar 1995 zuerkannt, ausgenommen blieben nur frühere Angehörige deutscher Wehrmachts- und Polizeiverbände. Ein solch hartes Verständnis von militärischer Zucht und Ordnung dürfte übrigens für Stalins Truppen charakteristischer sein als das gängige Klischee des Marodeurs. waren
Truppenversorgung und Kriegsbeute Versorgungslage der gewaltigen sowjetischen Streitmacht war bei Kriegsende keineswegs gut. Die Truppe hatte seit November/Dezember 1944 mit erheblichen Transport- und Versorgungsproblemen zu kämpfen, litt unter Benzinmangel und im Januar 1945 mußte sie sogar zwei Tage in der Woche auf Fleisch verzichten; Verletzte und Kranke konnten nicht mehr nach der Heimat evakuiert werden, wie der bereits angeführte Generalleutnant Antipenko notiert.237 Armeegeneral Schtemenko berichtet in seinen Erinnerungen an die Arbeit im Generalstab, daß es ab Anfang Februar um Mannschaftstransport, militärisches Gerät und Munition nicht besser besteüt war und einige Truppenteile sogar auf Beutewaffen ausweichen mußten.238 Dies kann aufgrund der bereits genannten Angaben dahingehend ergänzt werden, daß in den Kampfhandlungen befreite Zwangsarbeiter und Insassen deutscher Lager seitdem die Mannschaftsreserve der Armee bildeten. Die auf mehr als eintausend Kilometer gestreckte Versorgungslinie war zudem durch eingeschlossene deutsche Die
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Abgedruckt als Dok. Nr. 266, in: Solotarew, Bitwa sa Berlin 1995, S. 418-419. MWD UdSSR, Is sprawki „O rasselenii [...], in: Podsledstwija deportazii narodow, in:
Istorija SSSR 1/1992, S. 122-143, hier S. 141. Vgl. Plenum ZK KPSS, ijun 1957 g., stenografitscheski ottschot, in: Istoritscheski archiw 3/1993, S. 5-94, hier S. 87 Insgesamt 354592 ehemalige sowjetische Kriegsgefangene in Sonderlagern (darunter 50441 Offiziere) laut: Korschichina, T. P.: Sowetskoje gossudarstwo i jewo utschreschdenija. Moskwa 1995, S. 331. Antipenko, Na glawnom naprawlenii 1982, S. 201f., S. 241. Stemenko, Generální stáb 1973,
S. 312.
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Truppen, durch die antikommunistische polnische Heimatarmee (Armia Krajowa) und ukrainische Insurrektionisten bedroht. Bereits bei ihrem Eintritt in die Gebiete östlich der Oder hatte die Rote Armee provisorische landwirtschaftliche Produktionswirtschaften eingerichtet und dort, wie in Bulgarien, Rumänien und Ungarn, die als sogenannte Feindstaaten ebenfalls unter Militärverwaltung gestellt wurden, die Industriebetriebe unter Sequester genommen. Detaillierte Angaben fehlen, doch dürfte es westlich der Flußlinie nicht grundsätzlich anders ausgesehen haben: Dies läßt sich beispielsweise daran ablesen, daß die SMAD am 24. September 1945 den größten Teil der von der Roten
Armee konfiszierten und bewirtschafteten Ländereien deutschen Landes-
verwaltungen übergab, ebenso am 24. Mai 1947 die Hafenverwaltungen von Wismar, Rostock und Stralsund. Sogenannte Trophäen-Brigaden (trofeinyje brigady) auf Divisions- und Armeelevel hatten bereits vor der Kapitulation wahllos Demontagen betrieben und die Versorgungstruppen Produktionsstätten, Land, Gut und Arbeitskräfte requiriert.239 Aufgrund des streng geheimen Beschlusses des Staatlichen Verteidigungs-
komitees Nr. 7563 vom 21. Februar 1945 wurden bei den Fronten Kommissionen für die Ausfuhr von Ausrüstungen und Materialien aus Polen und Deutschland eingerichtet.240 Den sogenannten Beuteaktionen der Armee folgte ab April 1945 eine zweite Welle: Zahlreiche Fachabordnungen der sowjetischen Volkskommissariate überzogen im Rahmen des Programms des Sonderkomitees für den Wiederaufbau der befreiten Gebiete bis Herbst 1945 das Gebiet der SBZ. Diese „Regierungsdemontagekommissionen" bestanden aus einem Vorsitzenden (Oberst oder General), zwei bis drei Parteifunktionären und ebensoviel Ingenieuren, die wegen der für das Militär offenen Grenzen zu Offizieren gemacht wurden.241 Ihre Berichte gingen an das Staatliche Verteidigungskomitee und wurden von dort auf Ministerien und Hauptverwaltungen verteilt, die dann sogenannte Empfangskommissionen nach Deutschland sandten.242 Eine Stabszentrale für die insgesamt etwa 70000 Mitarbeiter entstand zunächst in Neuenhagen bei Berlin unter der Leitung des damaligen ersten stellvertretenden Vorsitzenden der Staatlichen Planungskommission der UdSSR Maxim S. Saburow (Apparat des Bevollmächtigten des Besonderen Komitees beim Staatlichen Verteidigungskomitee, später: Apparat des Bevollmächtigten des Besonderen Komitees beim Ministerrat der UdSSR für Deutschland).243 Diese Zentrale wurde mit einem großen Stab sowjetischer
Vgl. Soviet Economie Policy in Postwar Germany. A Collection of Papers by Former Soviet Officials, ed. by Robert Slusser, New York 1953, S. 1 if. 240 Knyschewski, Pawel: Dobytscha. Tajny germanskich reparazi, Moskwa 1994, S. 9. 241 Sopade Informationsdienst/Denkschriften 51/ Die Reparationen in der Sowjet-Zone von 239
1945-1952, S. lOf. -
242 243
Ebenda, S.
11.
Schriftliche Mitteilung K. I. Kowals vom 30. Sept. 1992. Saburow, Maxim Sacharowitsch (geb. 1900), ab 1920 in der WKP(B) und der Tscheka, Technologieingenieur mit Praktikum in den USA und in Deutschland, führender Wirtschaftsmanager und Berater Stalins; 1941-42, dann wieder 1949-55 Chef der Staatlichen Planungskommission der UdSSR -
94
Besetzung
Fachleute besetzt, darunter einigen stellvertretenden Volkskommissaren, und überzog alle Länder/Provinzen der SBZ mit einem eigenen Organisationsnetz. Die Tätigkeit der Sonderkommissionen der einzelnen Fachministerien erstreckte sich auf drei Bereiche: 1. Demontagen, 2. wissenschaftliche und technische Forschung (u.a. Auswertung deutscher Patente, Anwerbung deutscher Fachleute) sowie 3. Reparationen und Lieferungen. Ihre Tätigkeit soll im Frühjahr 1947 beendet worden sein,244 eine wesentliche Reduzierung erfuhr sie jedoch bereits im Frühjahr 1946 aufgrund der Beschlüsse des Ministerrats über den vorläufigen Demontagestopp in der SBZ.245 Die Befehlslinien und Kompetenzen dieser Fachapparate waren in der Anfangsphase nicht eindeutig definiert.246 Zwar war der Oberste Chef der SMAD formell disziplinarischer Vorgesetzter aller militärischen und zivilen sowjetischen und deutschen Einrichtungen in der Zone,247 doch dieses Prinzip konnte aufgrund der häufig mit Konflikten verbundenen komplexen innersowjetischen Organisation der Fachämter nicht sofort durchgesetzt werden. In der Praxis hatten die Truppenund SMAD-Chefs zunächst keine Befehlsgewalt über diese ministeriellen Kommissionen und konnten nur indirekt über die Moskauer Volkskommissariate intervenieren. Solch chaotisches Durch- und Gegeneinander der Ministerialbürokratie rief allerdings schon bald die Militärs auf den Plan, weil sie für die Sicherstellung der Reparationen aus der laufenden Produktion verantwortlich waren. Am 9. Mai 1945 trafen der stellvertretende Vorsitzende des Rates und Volkskommissar für Außenhandel Mikojan zusammen mit dem Chef der Rückwärtigen Dienste der Roten Armee Armeegeneral Andrei W. Chruljow als Sonderbeauftragte des Rates der Volkskommissare in Berlin ein, um sich vor Ort einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Im Juni 1945 erreichten Schukow und der stellvertretende Leiter des Besonderen Komitees in Deutschland K. I. Kowal in persönlichen Verhandlungen in Moskau, daß alle Reparationspläne im Rat der Volkskommissare speziell durch Wosnessenski und Mikojan behandelt wurden.248 Mikojan, gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des Rates der Volkskommissare, 1944-46 Mitglied des Komitees zur Wiederherstellung der Volkswirtschaft in den befreiten Gebieten und seit 1941 im Staatlichen Verteidigungsausschuß mit der Gesamtkontrolle der Truppenversorgung beauftragt, nahm in der Folge großen Einfluß auf die
(Gosplan), 1941-44 und ab 1947 sowie 1955-57 Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare/des Ministerrates der UdSSR; im Krieg vom Staatlichen Verteidigungskomitee für Spezialaufgaben auf dem Wirtschaftssektor verwendet, ab 1952 Mitglied des ZK, 1952-57 Mitglied des Präsidiums des ZK der KPdSU, 1957 aller Posten ent-
244
245
hoben. Vgl. auch HQ European Command Intelligence Center/Report 27/25 March 1948, in: BAK, OMGUS/AGTS 39/1/1. Vgl. dazu auch Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 159 vom 23. Mai 1946, in: GARF, 7317/8/5, Teil 2.
K. L: Wospominanija samestitelja Glawnonatschalstwujuschtschewo SWAG, ungedrucktes Manuskript, S. 21. 247 246
Kowal,
Ebenda.
248
Ebenda, S.
47
Entwicklung der Besatzungspolitik in der SBZ. Zunächst trug er dazu bei, daß die ministeriellen Demontagetrupps der Befehlsgewalt der SMAD unterstellt wur-
den.249 1946 soll das Außenhandelsministerium den direkten Einfluß der einzelnen Fachministerien in der SBZ unterbunden und sich als zentrale Clearingstelle etabliert haben.250 Diese ältere Lesart ist aus heutiger Quellenkenntnis dahingehend zu ergänzen, daß Mikojan die ihm durch den Beschluß zur SMAD-Bildung vom 6. Juni 1945 de iure verliehenen Kompetenzen in der Praxis nicht unmittelbar durchsetzen konnte. Aufgabenvielfalt und organisatorische Komplexität in der Formierungsphase der SMAD, die vielfach Improvisation und Entschlußfreude erforderten, führten in der Wahrnehmung oft zu einer Überbetonung des personalen Faktors, hier der Rolle des Außenhandelsministers Mikojan. Bereits der Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 31 vom 18. August 1945 wies alle Bevollmächtigten des Besonderen Komitees und die Chefs der Landesverwaltungen der SMAD an, Demontagen seien nur nach Planvorgabe des Bevollmächtigten des Besonderen Komitees in Deutschland Saburow erlaubt.251 Im Befehl Nr. 33 vom 22. August 1945 wurde in dezidiertem Ton den Kommandanturen „wegen einreißender Anarchie" ausdrücklich verboten, Aufträgen und Befehlen von Kommissionen ohne schriftliche Gegenzeichnung des SMAD-Stabschefs stattzugeben. Fast inhaltsgleiche Bestimmungen enthielten auch die Befehle Nr. 54 vom 9. September und Nr. 95 vom 13. Oktober 1945. Im letzteren hieß es, alle Lieferverträge zwischen sowjetischen und deutschen Stellen seien bei der Abteilung Reparationen und Lieferungen der SMAD zu registrieren und künftig erst nach Genehmigung durch diese Abteilung abzuschließen; sie verlören sonst ihre Gültigkeit. Zusammen mit dem Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 178 vom 22. Dezember 1945,252 mit dem den Kriegsbeute-Abteilungen der Armee 218000 deutsche Arbeitskräfte zugewiesen wurden, indizieren diese Maßnahmen zweifelsfrei, daß seit Spätsommer/Herbst 1945 die ministeriellen Vertretungen und die Kriegsbeute- Abteilungen der Armee sukzessive der Kontrolle der SMAD unterstellt und erhebliche Teile ihres Fachapparats einschließlich des Personals in den SMAD-Apparat integriert wurden.253 Noch im Sommer 1945 wurde der erste Chef der Berliner Repräsentanz des Sonderkomitees des Rates der Volkskommissare der UdSSR Maxim S. Saburow, im Juli/August 1945 als Gehilfe für ökonomische Fragen des Obersten Chefs der SMAD Teilnehmer an der Potsdamer Konferenz,254 aus Berlin abkommandiert.255 Im Befehl Nr. 72 vom 25. September 1945 249 250
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Bestätigt durch K. I. Kowal; schriftl. Mitteilung vom 30. Sept.
1992.
Vgl. Slusser, Soviet Economie Policy 1953, S. 42f. Vgl. GARF, 7317/8/1, Bl. lOlff.; hier Besonderes Komitee des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR.
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Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 178 vom 22. Dez. 1945, in: Berlin. Quellen und Dokumente 1945-1951, hg. im Auftrag des Senats von Berlin, bearb. durch Hans J.
Reichhardt u.a., Berlin 1964, S. 650. So beispielsweise durch Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 99 vom 15. Okt. 1945 die Montage-Verwaltung Nr. 2 des Volkskommissariats für Bauwesen. Vgl. Mitteilung über die Berliner Konferenz der Drei Mächte, in: Die Berliner Konferenz der Drei Mächte, SWA-Verlag, Berlin 1946, S. 20.
96
Besetzung
wurde zwar auch Generaloberst I. A. Serow als Bevollmächtigter des Sonderkomitees genannt, doch zu seinen speziellen Aufgaben gehörte die Auswertung streng geheimer deutscher Forschungen auf dem Gebiet der Militärtechnik.256 Im September 1945 wurde der Sitz der Zentrale der Repräsentanz dieses Sonderkomitees nach Potsdam-Babelsberg verlegt, Generalmajor Nikolai Gennadewitsch Schukow übernahm die Leitung.257 Der stellvertretende Leiter K. I. Kowal wurde im November 1945 als Gehilfe des Obersten Chefs der SMAD für ökonomische Fragen Stellvertreter des Obersten Chefs und damit Leiter des gesamten wirtschaftspolitischen Komplexes der SMAD.258 Das Organisationsnetz der Beauftragten des Besonderen Komitees und der Apparate der ministeriellen Beauftragten in den Ländern (so S. I. Resnikow in Sachsen-Anhalt und Generalmajor F. S. Belogorlow in Brandenburg) wurde im Frühjahr 1946 reduziert.259 Der Befehl Nr. 215 vom 19. Juli 1946 über die Ergebnisse der Finanzrevision bei den Besonderen Montageverwaltungen mit Regeln für die Beauftragten der sowjetischen Ministerien und Ämter indiziert bereits, daß die oberste Kontrolle inzwischen auf die SMAD übergegangen war.260 Auch disziplinarrechtlich wurden die Bevollmächtigten der sowjetischen Ministerien durch die am 9. April 1947 erlassene Tagesdienstordnung ausdrücklich dem SMAD-Reglement unterworfen.261 Die Überbleibsel der Zentralrepräsentanz der ministeriellen Sonderkomitees sollen zwar erst im Frühjahr 1947 liquidiert worden sein, doch ist dies angesichts des Umstandes, daß bereits im Frühjahr 1946 mit der Bildung der Sowjetischen Aktiengesellschaften eine neue Organisationsform zur Sicherung der ökonomischen Interessen der Besatzungsmacht gefunden worden war, wohl nicht allzu erheblich. 255 236
257
Schriftl. bestätigt durch K. I. Kowal am 30. Sept. 1992. Ebenda. In dieser Position genannt im Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 84 vom 18. März 1946. N. G. Schukow war Mitglied des Besonderen Komitees beim Staatlichen Verteidigungskomitee bzw. beim Rat der Volkskommissare der UdSSR sowie Leiter der Verwaltungsabteilung, später stellvertretender Abteilungsleiter in der Kaderverwaltung des ZK der WKP(B). Laut Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 120, war er Leiter der administrativen Abteilung des ZK der WKP(B), andere nennen nur die nachfolgende Funktion. Eine einheitliche ZK-Kaderverwaltung entstand aber erst im April 1946, bis dahin waren für Kaderfragen die jeweiligen ZK-Fachabteilungen zuständig. Generell sei hier darauf hingewiesen, daß sich solche Detailangaben auch dann nicht abstrakt evaluieren lassen, wenn expost-Rationalisierung vermutet wird, zumal auch schlichte Übersetzungsfehler nicht auszuschließen sind. Schriftl. Mitteilung K. I. Kowals vom 30. Sept. 1992. Kowal wurde im Befehl des Stabes der SMAD Nr. 22-2410 vom 24. Okt. 1945 als Stellvertreter des Gehilfen des Obersten Chefs für ökonomische Fragen genannt, als Gehilfe im Befehl Nr. 139 vom 9. Nov. 1945, im Befehl Nr. 140 vom 10. Nov. 1945 wieder als Stellvertreter des Gehilfen, als Stellvertreter des Obersten Chefs im Befehl Nr. 67 vom 6. März 1946. Laut Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 121, wurde Kowal im Dez. 1945 durch den Rat der Volkskommissare der UdSSR zum Stellvertreter ernannt. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 159 vom 23. Mai 1946, in: GARF, 7317/8/5, Teil 2. Vgl. GARF, 7317/8/5, Teil 1. Vgl. Befehl Nr. 81 vom 9. April 1947, in: GARF, 7317/8/10. -
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-
-
259
260 2i
III.
Organisationsstruktur 1. Zentrale
Einrichtungen
Die am 6. Juni 1945 vom Rat der Volkskommissare der UdSSR erlassene „Anordnung für die Sowjetische Militäradministration über die Verwaltung der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland" sah folgende Organisationsstruktur vor:
Dem Obersten Chef der
der
SMAD, gleichzeitig Oberbefehlshaber der
Gruppe sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland und oberster im Alliierten Kontrollrat, standen neben dem Stab mit Vertreter sowjetischer einem Stabschef an der Spitze zwei Stellvertreter zur Seite. Der Erste Stellvertreter war Vertreter des Obersten Chefs in allen Angelegenheiten und verwaltete darüber hinaus den Verantwortungsbereich Demilitarisierung. In dieser Eigenschaft fungierte er gleichzeitig als Leiter der Abteilungen Land-, Seeund Luftstreitkräfte sowie der Abteilung für Repatriierung1. Der Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD für Fragen der Zivilverwaltung war eigentlicher Leiter und oberster Kontrolleur der deutschen Verwaltungen in der SBZ und zugleich Leiter der Verwaltung des Kommandanturdienstes (d.h. Leitung der SMAD-Landesverwaltungen und aller Kommandanturen) sowie der Abteilungen Innere Angelegenheiten, Verbindungen und Gesundheitswesen. Für den Komplex Demilitarisierung stand dem Obersten Chef jeweils ein Gehilfe (pomoschtschnik) für Fragen der See- und Luftstreitkräfte zur Seite; für den zivilen Bereich ein Gehilfe für ökonomische Fragen, der gleichzeitig Leiter der Abteilungen Industrie, Handel und Versorgung, Landwirtschaft, Arbeitskräfte, Reparationen und Lieferungen, Finanzen, Brennstoffe und Transport war. Dazu kam der Politische Berater beim Oberbefehlshaber der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland als verantwortlicher Leiter der Politischen Abteilung, der Abteilung Volksbildung und der Rechtsabteilung der SMAD2. Soweit die veröffentlichte Fassung der Anordnung. In der Originalvorlage gab der streng geheime Beschluß des Rates der Volkskommissare No. 326-301 ss vom 6. Juni 1945 auch die personelle Besetzung der Führungspositionen vor und bestätigte gleichzeitig die Struktur der SMAD mit insgesamt 19 Abteilungen, dem zentralen Stab und den Vertretungen der SMAD in den 1 2
Auch für
Reparationen und Lieferungen, vgl. Wiskow/Kulbakin, Sojusniki 1990, S. 70. Vgl. Anordnung für die Sowjetische Militäradministration über die Verwaltung der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland/6. Juni 1945, in: Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland 1968, S. 51-53.
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Organisationsstruktur
Ländern/Provinzen der SBZ3. Durch den veröffentlichten Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 1 vom 9. Juni 1945 wurden die Bildung der SMAD und die Besetzung der Positionen des Ersten Stellvertreters, des Stellvertreters für Zivilangelegenheiten und des Stabschefs öffentlich bekanntgemacht. Die fachliche Struktur der SMAD mit den vier Hauptbereichen Demilitarisierung, Zivilverwaltung, Wirtschaft und Politik entsprach weitgehend der am 5. Juni 1945 vereinbarten Organisation des Alliierten Kontrollstabes. Lediglich die Abteilungen für Volksbildung und für Gesundheitswesen stellten eine Erweiterung dar. Aus den oben wörtlich
wiedergegebenen Funktionsbenennungen resultiebereits einige Unklarheiten: So lautete beispielsweise die offizielle russische Bezeichung des Politischen Beraters „Polititscheski Sowetnik SWAG" (d.i. Politischer Berater der SMAD) und nicht wie es in der Anordnung vom 6. Juni 1945 hieß „Politischer Berater beim Oberbefehlshaber der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland". Während ferner in der deutschen Übersetzung dieser Anordnung wie im Original nur der Kommandanturdienst ausdrücklich als „Verwaltung" (uprawlenije) rangierte, wurden in der Literatur sowohl im Russischen wie in deutschen Übersetzungen auch die darin aufgeführten einzelnen „Abteilungen" (otdel) meistens als „Verwaltungen" bezeichnet, im Russischen eigentlich „uprawlenije". Obwohl in solchen Formulierungsdifferenzen unmittelbar die Dynamik der Organisationsentwicklung zum Ausdruck ist es kommt, wichtig, auf diesen Sachverhalt aufmerksam zu machen, weil nach damaligem sowjetischem Verwaltungsrecht die Organisationseinheit „Verwaltung" mit größeren Handlungskompetenzen ausgestattet war als eine „Abteilung". Einschränkend muß zusätzlich angemerkt werden, daß nicht eindeutig feststeht, ob sich die Termini auf administrative oder militärische Einheiten beziehen4. ren
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Postanowlenije No 1326-301ss ot 6 ijunja 1945 g., Moskwa, Kreml, Ob organisazii Wojennoi Administrazii po uprawleniju Sowetskoi sonoi okkupazii w Germanii. Mit zahlreichen Bearbeitungsvermerken, u.a. Eingangsstempel des Kriegsrats vom 8. 6. 1945 und des Stabes der SMAD vom August 1945 (Tagesangabe unleserlich). Mit geringfügigen Abweichungen und ohne Bearbeitungsvermerke veröffentlicht in: Solotarew, Bitwa sa Berlin 1995, Dok. Nr. 263, S. 408-411. Eine „Postanowlenije" (Anordnung) mußte mit dem ZK der WKP (B) abgestimmt werden und rangierte höher als eine „Rasporjaschenije" (Verfügung) des Rates der Volkskommissare/des Ministerrats.
allgemeinen Sprachgebrauch steht „uprawlenije" für: Verwaltung, Leitung, Führung, Steuerung; im militärischen Sprachgebrauch bedeutet „uprawlenije" Kommando, Führung/Leitung (z.B. uprawlenije woiskami Truppenführung, uprawlenije ognem Feuerleitung) und gilt als Fachterminus zur Kennzeichnung von „Organisationseinheiten zur Kontrolle der Durchführung von Befehlen des Chefs" (vgl. Sowetskaja Wojennaja Enziklopedija, hg. vom Institut Wojennoi Istorii beim Ministerium für Verteidigung der UdSSR, Moskwa 1976-1980, Bd. 8, S. 202) bzw. dient allgemein zur Kennzeichnung der „Tätigkeit von [...] Stäben, Politorganen [...] bei der Erfüllung ihnen [...] auf der Grundlage des Kommandeursentschlusses [...] gestellter Aufgaben" (vgl. Bolschaja Sowetskaja Enziklopedija, Bd. 27, Moskwa 1977, S. 34). Im offiziellen Briefkopf der SMAD-Verwaltung für Propaganda vom 12. Februar 1946 lautete die deutsche Übersetzung für „uprawlenije propagandy" noch „Propaganda-Leitung", später tauchte einige Male auch die Übersetzung als Im
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Zentrale Einrichtungen
Der Beschluß zur Bildung der SMAD (6. Juni 1945) hatte noch eine Fachstruktur mit 20 Einheiten (Stab, Verwaltung Kommandanturdienst, Abteilungen: Heer, Marine, Luftwaffe, Politik, Industrie, Landwirtschaft, Handel und Versorgung, Transport, Brennstoffe, Finanzen, Verbindungen, Inneres, Volks-
bildung, Gesundheitswesen, Recht, Arbeitskraft, Repatriierung sowie Reparationen und Lieferungen) vorgesehen5. Ein abstraktes Organisationsschema läßt sich daraus freilich nicht entwickeln: Die gewachsenen Organisationsstrukturen der Kriegsverwaltungen wurden bereits während der Umorganisation nach dem durch die Verordnung vom 6. Juni 1945 vorgegebenen Schema, die nach offizieller Lesart etwa im Herbst 1945 faktisch jedoch nicht vor Mitte 1946 in ihren Grundzügen vollzogen war, unter dem Zwang realer Gegebenheiten immer wieder modifiziert. Die Erinnerungen des Stellvertreters des Obersten Chefs der SMAD K. I. Kowal zeichnen ein plastisches Bild des Improvisationscharakters der Formierungsphase; Kowal berichtet darüber -
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hinaus, daß Schukow unmittelbar nach seinem ersten Bericht über die ökonomischen Probleme einige Ferngespräche mit Moskau geführt habe, um an-
schließend für den nächsten Tag ein Flugzeug zu bestellen. In Moskau hätten Schukow und er in Gesprächen mit Malenkow, Mikojan und Wosnessenski erreicht, daß allein für den wirtschaftlichen Bereich fünf stellvertretende sowjetische Fachminister als Verwaltungschefs nach Berlin abkommandiert worden seien6. Der Regierungsbeschluß über die Bildung der SMAD bestätigt insgesamt ein dynamisches Organisations Verständnis, denn Wyschinski war bereits am 7 bzw. 20. Mai durch Stalin7 bzw. am 30. Mai 1945 durch Beschluß des Politbüros zum Politischen Berater beim Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen bestimmt worden8, und dieser Oberbefehlshaber stand am 6. Juni 1945 ebenfalls schon längst fest, obwohl entsprechende formelle Bestallungspapiere in den Archiven noch nicht aufgefunden werden konnten. Wenn sowjetische Amt auf (Informationsamt der SMAD z.B.). Eingebürgert hatte sich jedoch allgemein die zivile mit „Verwaltung". Eine Ausnahme bildete nur die Abteilung für Ge-
Übersetzung
sundheitswesen, die konsequent als „Departement Gesundheitswesen" (einige Male auch als „Abteilung für Volksgesundheit) bezeichnet wurde. „Otdel" (d.i. Abschnitt, Abteilung, Amtsgruppe), „otdelenije" (d.i. Abteilung, Fach, hier mit „Unterabteilung" übersetzt), „gruppa" (d.i. Gruppe) und „sektor" (d.i. Sektor, Abschnitt) so die zeitgenössische hier-
archische Stufenfolge waren Untergliederungen von Fach-"Verwaltungen". In der sowjetischen militärischen Organisationslehre galt „otdelenije" als die „niedrigste taktische Einheit" bzw. „die erste/niedrigste Stufe in Stäben, militärischen Verwaltungen u.a." (vgl. Sowetskaja Wojennaja Enziklopedija 1976-1980, Bd. 6, S. 152). Die Leiter (russisch: natschalnik) wurden als „Chefs" bezeichnet. Filippowych, D. N.: Sowetskaja Wojennaja Administrazija w Germanii, Moskwa 1995, S. 22, schreibt, daß es aufgrund des Beschlusses vom 6. Juni 1945 zur Bildung von drei Verwaltungen (Kommendanturdienst, ökonomische und administrativ-wirtschaftliche Verwaltung) sowie von 21 Abteilungen kam. Zusätzlich zu den oben genannten verzeichnet er noch : Zensur, Kader und Organisations-Rechnungs-Abteilung. Kowal, Wospominanija, S. 53. Schukow, Georgi Konstantinowitsch: Wospominanija i rasmyschlenija, Moskwa 1970, -
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S. 695. SWAG 1994, S. 142.
Organisationsstruktur
100
Zeitzeugen immer wieder betonten, daß die SMAD keine sterile bürokratische Organisation gewesen sei, sondern ein „Naturgewächs", das auf neue Bedürfnisse flexibel reagiert habe, dann ist diese Lesart nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des hohen Geheimhaltungsgrades der Organisationsanweisungen zu interpretieren9. In der Anfangsphase ein Konglomerat verschiedener zum Teil selbständiger sowjetischer Fachämter und -apparate, etablierte sich die SMAD durch die Reorganisation der Kriegsverwaltungen der drei Armeegruppen in der SBZ und durch die Integration ursprünglich außerhalb des Truppenkommandos stehender fachlich heterogener Agenturen als zentrale Instanz der sowjetischen Besatzungspolitik in Deutschland. Dabei befanden sich aufgrund der kriegsbedingten Entwicklung unabhängige Fachapparate von Bildung der SMAD an formell unter ihrem Dach, ohne allerdings ihre fachliche Selbständigkeit einzubüßen (so etwa der Sicherheitsapparat), andere wiederum wie der Zuständigkeitsbereich des Gehilfen für ökonomische Fragen verloren nach kurzer Zeit ihre anfängliche Sonderstellung weitgehend. Allerdings delegierten sowjetische Ministerien und Ämter in den ersten Nachkriegsjahren immer wieder neue Fachabteilungen in die SBZ, die in den unterschiedlichsten disziplinarischen Unterordnungsverhältnissen, beispielsweise als ministerielle Vertreter SMAD-Einheiten beigeordnet oder aber unmittelbar -
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auf SMAD-Planstellen gesetzt, unter das Dach der SMAD kamen. Ebenso fanden zahlreiche interne Reorganisationen statt, sobald bestimmte Aufgaben gelöst waren und Schwerpunkte der Tätigkeit sich deshalb verlagerten. Dies geschah vielfach an den formellen Strukturen vorbei, die oft auch bewußt und stillschweigend unterlaufen bzw. nachträglich z.T. Jahre später formell legalisiert wurden. Als strukturelles Merkmal blieb die fachliche und hierarchische Komplexität der Formierungsphase weitgehend bestehen. Sie äußerte sich zum einen in mehrfachen Unterordnungslinien, zum anderen in einem hochgradigen Improvisationspragmatismus. Der dadurch erzeugte Zwang zu „kollektiver" Stabsarbeit war für die damalige sowjetische Organisationspraxis charakteristisch. Insgesamt muß die Organisation der SMAD deshalb weniger unter formalen als unter funktionalen Gesichtspunkten gesehen werden. Die bürokratischen Vorgaben spiegeln vielfach auch nicht die wirkliche Situation wider: So rangierte Serow im Befehl Nr. 72 vom 25. September 1945 neben seinen vielen genannten und ungenannten Funktionen auch noch als Beauftragter des Sonderkomitees für Deutschland beim Rat der Volkskommissare der UdSSR, erst im Befehl Nr. 2 vom 2. Januar 1946 wurde in dieser wichtigen Position Generalmajor Schukow genannt10. Weitere Schwierigkeiten resultieren aus der Verflechtung von Truppenkommando und SMAD in der Anfangsphase von sowjetischen Segmenten interalliierter Einrichtungen bzw. von unmittelbaren -
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Wie aus den Bearbeitungsvermerken des Exemplars des Stabes des streng geheimen Beschlusses vom 6. Juni 1945 ersichtlich ist, quittierten hochrangige SMAD-Repräsentanten lediglich, vom Beschluß Kenntnis genommen zu haben. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 84 vom 18. März 1946.
101
Zentrale Einrichtungen
Vertretungen sowjetischer Fachorgane und der SMAD
sowie aus spezifidie fachlichen und hierarzu mitunter Unterstellungsverhältnissen, führten. und So waren eichisch-disziplinarischen Doppel- Tripel-Strukturen die nige Einrichtungen etwa Verwaltung Repatriierung unter Generalmajor Werschinin11 oder die Abteilung Zensur, die dann in der Propaganda-Verwaltung aufging zunächst formal dem mit vom Obersten Chef unabhängigen Befehlslinien ausgestatteten Kriegsrat unterstellt. Interne Verlagerung von Zuständigkeiten und Unterordnungsverhältnissen sowohl von der Truppe zur SMAD wie auch innerhalb der Organisationssegmente der SMAD selbst tragen ebenfalls eher zu Verwirrung denn zu Transparenz bei: So wurde etwa die Finanzabteilung wegen ihrer besonderen Bedeutung durch Befehl Nr. 30 vom 18. August 1945 unmittelbar dem Ersten Stellvertreter Sokolowski unterstellt. Innerorganisatorische Konkurrenz wurde im Spätsommer 1945 auch als Folge der fachlichen Doppelstruktur im Bereich des Kommandanturdienstes und der SMAD-Landesverwaltungen wahrgenommen, und ähnliche Organisationseffekte erzeugte die Praxis, Befehle an die Kommandanten, vorbei an den Landeschefs, oder sogar direkt an die Betroffenen zu verteilen, vorbei an der SMAD-Struktur12. Das ursprüngliche amtliche Organisationsschema wurde also bald erweitert. Befehl Nr. 8 vom 22. Juli 1945, durch den der politische Apparat geschaffen wurde, ging an insgesamt 19 Verwaltungen/Abteilungen der SMAD sowie an den Militärrat, an Serow und an Soboljow13. Durch Befehl Nr. 10 vom 21. Juli 1945 wurde eine ökonomische Verwaltung unter der Leitung von Generalmajor Schabalin geschaffen, der dem Stellvertreter des Obersten Chefs für ökonomische Fragen unterstellt war14. Auch die Verteilung von Automobilen innerhalb der SMAD durch Befehl Nr. 24 vom 6. August 1945 bietet weitere Anhaltspunkte: In den Anlagen wurden bereits 24 Abteilungen/Verwaltungen und das Informationsbüro aufgezählt, außerdem der Apparat des Politischen Beraters mit der Politischen Abteilung, ferner die Gehilfen des Obersten Chefs und ihre Sekretariate13. Den Befehl Nr. 26 vom 8. August 1945 betreffend die Erlernung der deutschen Sprache durch SMAD-Mitarbeiter verschickte der Stab an insgesamt 23 Abteilungen/Verwaltungen der SMAD16. Durch Beschluß des Rates der Volkskommissare der UdSSR vom 5. Oktober 1945 wurde eine Verwaltung für Propaganda und Zensur gebildet17 und im
schen
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Vgl. GARF, 7317/8/1, Bl. 25. In Deutschland wurden 1945 21 Lager für Repatrianten gebildet, die zuständige SMAD-Abteilung begann mit 79 Mitarbeitern, am 1. Juli 1948 blieben nur noch 35 Stellen übrig, in: Kratkaja istorija otdela repatriazii i rosyska graschdan objedinjonnych nazi SWAG, in: AWP RF, 457 „g'71/25/8 und AWP RF, 457 „g'71/27/8. -
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Kotikow/Material k dokladu RF, 457a/l/2/l.
na
soweschtschanii
w
Berline 14.-16. awgusta 1945, in: AWP
GARF, 7317/8/1, Bl. 16. GARF, 7317/8/1, Bl. 22. GARF, 7317/8/1, Bl. 72. GARF, 7317/8/1, Bl. 78. Laut Schreiben N. Schukow
stellvertretender Leiter -
Kaderverwaltung
des ZK der
Organisationsstruktur
102
April 1947 in Verwaltung für Information umbenannt. Der neuen Verwaltung wurden mit Befehl Nr. 129 vom 1. November 1945 Aufgaben und Personalbestand der durch den SMAD-Befehl Nr. 29 vom 18. August 1945 in der Politischen Abteilung des Politischen Beraters gebildeten Sektion für Propaganda übertragen. Bereits im Herbst 1945 entstand eine Verwaltung für Außenhandel18, die im Januar 1946 über 20 und Anfang 1949 über 150 Mitarbeiter beschäftigte19. Die zunächst einheitliche Industrieabteilung im Bereich der Verwaltung für ökonomische Fragen unter Generalmajor Schabalin20 bestand im August 1945 aus acht Fachabteilungen21, darunter auch eine „Abteilung" Industrie unter der Leitung von G. Alexandrow22, die Anfang Januar 1946 im Befehl Nr. 2 vom 2. Januar 1946 bereits als „Verwaltung" Industrie rangierte, später in Verwaltung Schwer- und Leichtindustrie umbenannt und noch in einem frühem Stadium fachlich weiter aufgefächert wurde; 1946 bestanden in ihr 12 „Abteilungen", wobei mit dem vorliegenden Quellenmaterial nicht zu klären ist, welche dieser „Abteilungen" den Status von „Verwaltungen" besaßen23. Ebenfalls im Herbst 1945 läßt sich auch eine Abteilung für Planökonomie unter Utkin nachweisen24. Nach der Auflösung der Verwaltung für ökonomische Fragen im Dezember 1945 wurde bis Januar 1946 der Apparat des Stellvertreters für ökonomische Fragen reorganisiert und die bestehenden „Abteilungen" (mit Ausnahme der Abteilung Arbeitskraft) zu „Verwaltungen" aufgewertet. Gleichzeitig wurden die Verwaltung für Außenhandel sowie die für Handelsbetriebe des täglichen Bedarfs unmittelbar dem Stellvertreter für Ökonomie unterstellt25. Eine Abteilung für Umsiedlerfragen ist durch Primärqueüen zum ersten Mal für September 1945 bei der Verwaltung Kommandanturdienst im Zuständigkeitsbereich des Stellvertreters des Obersten Chefs für Zivilangelegenheiten belegt26, außerdem finden sich hier auch eine Abteilung für öffentWKP(B)/Sekretarju ZK WKP(B) tow. Kusnezowu/12 nojabrja
1946 g., in:
RZChilDNI,
17/117/674, Bl. 91-95, durch Beschluß des Rates der Volkskommissare der UdSSR vom 5. Okt. 1945. In der SMAD durch Befehl des Obersten Chefs Nr. 129 vom 1. Nov. 1945 installiert, der ursprünglich mit dem (falschen) Datum vom 1. Okt. 1945 bekanntgemacht -
18 19 20
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wurde. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 93 vom 13. Okt. 1945. Slusser, Soviet Economic Policy 1953, S. 61. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 47 vom 4. Sept. 1945, darin wird als Chef der Verwaltung für ökonomische Fragen [General]Major Schabalin genannt. GARF, 7317/8/1, Bl. 72. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 47 vom 4. Sept. 1945. Laut Merker, Wolfgang: Die Deutschen Zentralverwaltungen und die Herausbildung der antifaschistisch-demokratischen Staatsmacht (1945 bis 1947), in: Staat und Recht, 4/1982, S. 335ff., hier S. 38, sind die größeren Fachabteilungen in Verwaltungen umgewandelt worden. Die SMAD-Wirtschaftsverwaltung wurde Anfang 1946 fachlich in 7 Abteilungen aufgegliedert mit den Aufgabenkomplexen Planung, Industrie, Brennstoffindustrie und Energie, Verkehr, Handel und Versorgung, Außenhandel, Reparationen und Statistik. In:
Ebenda, S. 24 25 26
385.
Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 103 vom 19. Okt. 1945. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 26. Vgl. Beschluß Oberst Issakow an Präsident Engel/4. Jan. 1946, in: BAP, 10/3.
103
Zentrale Einrichtungen
liehe Wohlfahrt und das Internationale Rote Kreuz. Zu diesem Zeitpunkt scheint die nach dem Organisationsschema der amtlichen Verordnung vom 6. Juni 1945 noch im Aufgabenbereich des Ersten Stellvertreters angesiedelte Abteilung für Repatriierung bereits in den Kompetenzbereich des Stellvertreters für Zivilangelegenheiten verlegt worden zu sein; die Abteilung Umsiedler war Anfang 1949 bei der SMAD-Verwaltung für Inneres27 angesiedelt. Neben der fachlichen Ausdifferenzierung einzelner Verwaltungen/Abteilungen, internen Kompetenzverlagerungen und Änderungen fachlicher wie disziplinarischer Unterstellungsverhältnisse kam es laufend zur Bildung neuer Verwaltungen/Abteilungen. Die Abteilung Repatriierung und Nachforschung nach Vermißten beim Stab wurde durch Ministerratsbeschluß vom 29. Mai 1946 in eine selbständige Verwaltung für Repatriierung sowjetischer Staatsbürger und Bürger der Vereinten Nationen umgewidmet28. Neu gebildet wurden eine Verwaltung für ökonomische Entwaffnung29, auf die einige Aufgaben der Militärabteilung übergingen, eine Verwaltung für Statistik sowie im Juni 1946 eine Kommission für Sequestrierung und Beschlagnahme, die bald in eine Verwaltung umgewandelt wurde. Durch Befehl Nr. 85 vom 16. März 1946 wurden Mitarbeiter aus bestehenden Fachverwaltungen abgezogen und eine neue Verwaltung für die Sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG) geschaffen30. Durch Beschluß des Organisationsbüros und des Sekretariats des ZK der WKP(B) vom 19. Juni 1946 wurde eine Politische Verwaltung der SMAD unter Leitung von Generalmajor I. M. Andrejew gebildet und unmittelbar der Politischen Hauptverwaltung der Streitkräfte unterstellt; damit ging die Auflösung der Politischen Abteilung des Stabes einher31. In die Zuständigkeit der neuen Verwaltung fielen auch die politischen Abteilungen der SMAD-Landesverwaltungen32. Durch Beschluß des Ministerrates der UdSSR vom August 1946 sei so Filippowych die „Informationsabteilung der SMAD" unmittelbar dem Obersten Chef der SMAD unterstellt worden33. Am 5. September 1946 verfügte der Ministerrat die Bildung eines Militärtribunals bei der SMAD34. Auf der Grundlage eines Befehls des Obersten Chefs der SMAD -
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Vgl. BAP, 10/33. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 27 29 Gebildet wahrscheinlich im März 1946, vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 39 vom 4. Apr. 1949. Laut Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 28 und 27 28
30 31 32 33
S. 30, durch Ministerratsbeschluß vom 30. Chefs der SMAD vom 18. Okt. 1946. Wortlauf in: GARF, 7317/8/3. SWAG 1994, S. 216.
Sept.
1946 und durch Befehl des Obersten
Vgl. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 27 Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 27 Ob damit die damalige Propaganda- und spätere Informations-Verwaltung oder das im Status einer Abteilung bestehende „Informationsbüro" gemeint ist, ist leider nicht feststellbar. Generell ist zu beachten, daß noch nicht geklärt werden kann, wem damals was bekannt war und ob (geheime) Beschlüsse überhaupt bzw. wann umgesetzt wurden. Petrow, Apparat [1997]. -
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Organisationsstruktur
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wurde im Juli 1947 eine Verwaltung für Leichtindustrie gebildet35 und die Verwaltung für Heiz- und Kraftwerke zu einer Verwaltung für Bergbau- und metallurgische Industrie umgewidmet36. Durch Ministerratsbeschluß vom 30. September 1946 entstand wohl erst 1947 eine „Verwaltung zum Studium des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts" (auch: Verwaltung Wissenschaft und Technik, Uprawlenije Nauki i Techniki UNT), die ursprünglich durch Anordnung des Politbüros der WKP(B) als geheime Besondere Regierungskommission unter unmittelbarer Leitung von Serow gebildet worden war37. Dieser Verwaltung wurden dann nach und nach die Forschungsinstitute der sowjetischen Volkskommissariate/Ministerien in der SBZ als Abteilungen (otdel nauki i techniki ONT) zugeschlagen. Am 25. März 1947 wurde auch die Militärabteilung zu einer Verwaltung aufgewertet. Sie beschäftigte sich nicht nur mit der Demilitarisierung der SBZ, sondern auch mit der Erhöhung der Kampfkraft der sowjetischen Armee durch Übernahme deutscher Wehrtechnik. Zu diesem besonderen Zweck wurde bei der Militärverwaltung durch Befehl vom 16. Mai 1947 ein Wissenschaftlich-Technischer Beirat geschaffen, dem die Chefs der Verwaltungen/ Abteilungen für Wissenschaft und Technik, Inneres, Verbindungen (= Post), Planökonomie, sowie der Abteilungen Land-, Luft- und Seestreitkräfte der Militärverwaltung angehörten. Der Beirat verfolgte sowjetische militärische Interessen und koordinierte gleichzeitig die Tätigkeit der sowjetischen Forschungsinstitute in der SBZ38. Der Beschluß des Ministerrats der UdSSR vom 23. Dezember 1947 rief bei der SMAD eine Abteilung für Patente und Verbesserungen ins Leben39, was allerdings erst im September 1948 durch Befehl des Obersten Chefs in die Tat umgesetzt wurde. Die zunehmende Zentralisierung der Führungsstrukturen der SMAD ist auch daran ablesbar, daß diese Abteilung unmittelbar dem Ersten Stellvertreter für ökonomische Fragen Kowal unterstellt wurde40. Im Juli 1948 wurde aus der Informationsverwaltung die bisherige Abteilung für Zivilverwaltung (d.i. deutsche Verwaltung) ausgegliedert und zu einer selbständigen Abteilung umgewandelt41. Der Verteiler des Stabes für Befehl Nr. 33 vom 13. Februar 1948 schlüsselte insgesamt 46 Organisationseinheiten auf42. Im November 1948 schrieb ein interner Befehl vor, die frü-
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Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 27
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Ebenda, S. 28.
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Vgl. Tokajew, G. A.: Comrade X, London o.J., S. 327ff. Serow war gleichzeitig Mitvorsit-
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zender einer Kommission des Ministerrats für Trieb Werkstechnik. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 31. Samestitel predsedatelja gossudarstwennowo Komiteta Soweta Ministrow SSSR po wnedreniju peredowoi techniki w narodnom chosjaistwe/sawedujuschtschi otdela isdatelstw Uprawlenija Agitprop ZK/22. 6. 1948, in: RZChilDNI, 17/125/1482. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 35. Vgl. Ljulka Otdel graschdanskoi administrazü SWAG/Polititscheskomu Sowetniku SWAG W S. Semjonowu/11. 3. 1949, in: AWP RF, 0457a/7/41/24, Bl. 48-49 Laut ande-
Quellen: Juni 1948. Im politischen Bereich wurden genannt: die Verwaltung des Politischen Beraters, die Politverwaltung und die Parteikommission der SMAD, die Politabteilung des Stabes, die Verren
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here Verwaltung des Kommandanturdienstes im Status einer Abteilung der Militärischen Verwaltung einzugliedern; zugleich gingen die Aufgaben des Kommandanturdienstes in den Städten und Kreisen an die Verwaltungschefs der SMAD in den Ländern über43. Generalmajor Petrakowski, der im April 1949 die Leitung der Militärischen Verwaltung übernahm, soll auch für die ostzonale Bereitschafts- und Grenzpolizei zuständig gewesen sein44. Sowjetische Fachrriinisterien unterhielten in Deutschland teilweise bis 1949 eigene Beauftragte mit entsprechenden Apparaten, insgesamt einschließlich der Staatsbank und der Staatlichen Planungskommission (Gosplan) etwa vierzig an der Zahl. Daneben gab es noch Beauftragte Weißrußlands und der Ukraine45. In unterschiedlicher Form standen sie alle und sei es nur aus Gründen der Lebensmittelversorgung und des Personenschutzes in unmittelbarer organisatorischer und disziplinarischer Beziehung zur SMAD. Außerdem arbeitete in der SMAD eine Reihe interner Verwaltungen und Abteilungen, wie die administrativ-wirtschaftliche Verwaltung (administratiwno-chosjaistwennoje uprawlenije), also die Intendantur unter Generalmajor Demidow, und die Kaderabteilung beide waren unmittelbar dem Stab der SMAD unterstellt -, ferner die Organisations-Rechnungs-Abteilung, die Trophäenverwaltung46, zahlreiche Versorgungsabteilungen wie die Verwaltung für Materiell-technische Sicherung, die Verwaltung Wojentorg47 sowie die Staatsanwaltschaft und das Militärtribunal der SMAD. Alle genannten Einheiten griffen nicht nur indirekt, sondern auch unmittelbar in deutsche Belange ein. Eine Zensur-Abteilung unter der Leitung von I. F. Filippow hatte schon vor der Bildung der Verwaltung für Propaganda und Zensur/Information im Zuständigkeitsbereich des Politischen Beraters bestanden. Mit Befehl Nr. 29 vom 18. August 1945 wurden alle Zensuraufgaben der Politischen Abteilung beim Politischen Berater48 und dann im Oktober 1945 der Verwaltung für Propaganda, der späteren Informationsverwaltung, übertragen, ihr wurde auch die in der Berliner Krausenstraße für die Vorzensur zuständige Zentrale Zensur -
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waltung Information, das Informationsbüro und der SMAD-Verlag. Neu hinzugekommen insbesondere die Abteilung für Staatssicherheit, das Einheitsgewerkschaftskomitee der SMAD-Beschäftigten und der Beauftragte des Gosplan der UdSSR. Vgl. GARF, 7317/8/14, Bl. 196. Der Befehl galt der Dienstordnung im Erholungsheim der SMAD in waren
Bad Woltersdorf und dürfte daher an alle Einheiten versandt worden sein. Vgl. Istorija wojennowo uprawlenija (Nojabr 1948 Nojabr 1949), Moskwa 1949, in: AWP RF, SWAG/1/14/5. Die Reorganisation fand vor dem Hintergrund von Stellenplankürzungen statt. Wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, wurde ein Teil des Personalbestandes des Kommandanturdienstes von der Innenverwaltung übernommen. Laut Naimark, Russians 1995, S. 373. Eine im August 1949 unter Petrakowski entstandene Abteilung für Militärbeziehungen, wie dort behauptet, war nicht nachzuweisen. Vgl. GARF, 7317/59. Bestandsverzeichnis. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 2 vom 2. Jan. 1946. Wojentorg war eine Handelsorganisation für sowjetische Militärangehörige. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 29 vom 18. Aug. 1945, in: GARF, 7317/8/1, Bl. 96-98. -
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der SMAD unterstellt49. Allerdings ist für Mai 1946 bei der Politischen Abteilung der SMAD im Kompetenzbereich des Politischen Beraters noch eine Abteilung Informationskontrolle unter der Leitung von T T Wenner belegt50, und darüber hinaus ist zusätzlich eine Abteilung „Militärische Zensur in Deutschland" nachweisbar, die beispielsweise den zentralen Befehl Nr. 90 vom 1Z April 1947 betreffend die Tätigkeit der Verlage und Druckereien in der SBZ entwarf51. Bei dieser Facheinheit handelte es sich, wie aus den Quellen eindeutig hervorgeht, nicht um ein Organ der SMAD, sondern um eine Einrichtung des MGB-Apparats, die auch den gesamten Postverkehr in der SBZ kontrollierte. Ebenfalls nicht in das ursprüngliche Organisationsschema der Verordnung vom 6. Juni 1945 zu integrieren ist das dichte Netz der „Kriegsbeute-Abteilungen" in den Ländern/Provinzen der SBZ und in Berlin, welches unmittelbar nach Ende der Kampfhandlungen im Bereich der Armee entstanden und zunächst nicht unmittelbar bzw. nicht ausschließlich der Befehlsgewalt des Obersten Chefs der SMAD unterstellt war. In einem internen Papier des ZK der WKP(B) vom November 1946 wurde die Grundstruktur der SMAD mit Kommando, Stab, Apparat des Politischen Beraters, Politische Verwaltung und Propaganda-Verwaltung, außerdem mit 12 weiteren Verwaltungen und 9 Abteilungen sowie den Apparaten in den fünf Provinzen festgehalten52. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa 4800 Vertreter sowjetischer Ministerien und Behörden auf SMAD-Planstellen. Der sowjetische Historiker Korol skizzierte 1977 die Organisationsstrukturen der SMAD-Zentrale nach dem Stand vom 1. November 1946 folgendermaßen53: Auf der obersten Hierarchieebene siedelte er den Obersten Chef, das (erste oder politische) Mitglied des Mlitärrates, den Politischen Berater als Vertreter des sowjetischen Außenministeriums mit seinen Apparaten und Sekretariaten, das Generalsekretariat der SMAD und die Kaderabteilung an. Den Stellvertretern des Obersten Chefs für Zivilverwaltung und für Ökonomie unterstanden zusammen 19 Fachverwaltungen und -abteilungen, dem Stellvertreter für Ökonomie außerdem ein Statistisches Büro sowie die Planungsabteilung. Eine zweite 49
Vgl. Davidovic, David S. : Zur Rolle der fortschrittlichen deutschen Presse im Kampf für einen
deutschen demokratischen und fortschrittlichen Staat (1945-1949), in: Die Entwick-
lung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der DDR und der UdSSR. Im Auftrage der Kommission der Historiker der DDR und der UdSSR herausgegeben von Rolf Bad-
50
stübner u.a., Berlin (Ost) 1977, S. 179-185, hier S. 182. Vgl. Abschrift/Kanzeljarija SWAG Bjuro Direktora Polititscheskowo Otdela/Otdelu po Kontrolju nad Informazijei/27wo maja 1946 g., in: BAK, OMGUS/POLAD 765/18. Vgl. GARF, 7317/8/9, Bl. 252-256. N. Schukow stellvertretender Leiter Kaderverwaltung des ZK der WKP(B)/Sekretarju ZK WKP(B) tow. Kusnezowu/12 nojabrja 1946 g., in: RZChilDNI, 17/117/674, Bl. 91-95, hier Bl. 91. Korol, Alexei S.: Pomoschtsch Sowetskowo Sojusa w wosroschdenii i konsolidazii antifaschistsko-demokratitscheskich sil wostotschnoi Germanii (1945-1947 gg.), Diss., Minsk 1977, S. 37 Obwohl das Schema von Korol eine funktionale Unterordnung der einzelnen Bereiche objektiv nicht leisten kann, erweckt es einen solchen Anschein. -
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53
107
Zentrale Einrichtungen
Führungsgruppe stellten der Erste Stellvertreter, der Stellvertreter des Ober-
Chefs für Politik sowie der Stabschef dar, denen unmittelbar der Gehilfe des Stabschefs als Chef der Kontrollgruppe unterstand sowie ein Gehilfe für besondere Fragen so für die Verbindungsgruppe zum Alliierten Kontrollrat. Unterhalb der Stellvertreter-Ebene befanden sich die Abteilungen Finanzen, Transport, die Politische Abteilung und die Propagandaverwaltung. Der letzteren unterstand seit ihrer Gründung das Informationsbüro54 und die Redaktion der „Täglichen Rundschau", die Radiostationen in der SBZ und in OstBerlin, der SMAD-Verlag, die Antifaschule sowie die Abteilung Sojusintorgkino55. Mißverständlich sind insbesondere die zuletzt aufgeführten Angaben. Auch das Schema zum Organisationsstand vom 15. Februar 1947, das Maljarow wiedergibt, bildet die komplexe Realität nicht ab56. Maljarow stellt den Obersten Chef, den Ersten Stellvertreter, den politischen Stellvertreter und den Politischen Berater sowie die beiden Stellvertreter für Ziviladministration und Ökonomie an die Spitze. Dieser Spitze unmittelbar unterstellt gewesen seien der Stab, das Militärtribunal und der Militärstaatsanwalt sowie die Finanzverwaltung. Im Organisationssegment des Stellvertreters des Obersten Chefs für Zivilangelegenheiten hätten sich demnach die Verwaltungen/Abteilungen Kommandanturdienst, Gesundheitswesen, Inneres, Verbindungen, die Militärische Verwaltung, die Verwaltungen für Materiell-Technische Sicherung (Versorgung) sowie die „Quartiermacherei" (TBP-Verwaltung), die Verwaltung Repatriierung, die Organisations-Rechnungsabteilung sowie die Autoabteilung befunden und dem Stellvertreter des Obersten Chefs für Ökonomie 11 Verwaltungen bzw. Abteilungen, der Verwaltung des Politischen Beraters schließlich die Abteilung Volksbildung57 und die Rechtsabteilung unterstanden. Durch Ministerratsbeschluß vom 26. Mai 1947 wurde ein weiterer Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD für die Tätigkeit der SAG bestellt. Planstellenkürzung und etliche weitere Hinweise indizieren, daß im Frühjahr 1947 Umgruppierungen stattfanden: So erhielt nach Serows Abberufung aus der SBZ im Februar 1947 die Abteilung für Inneres den Status einer Verwaltung. Mit dieser Reorganisation war zugleich eine Entflechtung des Kommandanturdienstes von der für die Kontrolle der deutschen Verwaltung zuständigen SMAD-Struktur verbunden; vorausgegangen war dem Ganzen die Neuordnung des Sicherheitsapparates zwischen Herbst 1946 und Frühjahr 1947 Zeitgleich verlor der Kriegsrat seine ursprüngliche Bedeutung, die Propagandaversten
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waltung nannte man in Informationsverwaltung um. 54
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Nach SWAG 1994, S. 224, war das Informationsbüro im August 1948 selbständig und sollte damals der Informationsverwaltung unterstellt werden. Sojusintorgkino und Sowexportfilm waren sowjetische Staatsbetriebe für den Handel mit Kinofilmen. Maljarow, Dejatelnost 1964, S. 114. In der amtlichen Geschichte der SMAD heißt es, daß „die Abteilung Volksbildung durch Beschluß des Rates der Volkskommissare der UdSSR vom 6. Juni 1947 (sie) als Abteilung des Stabes mit 78 Personalstellen gebildet wurde". Vgl. Istorija SWA w Germanii ijun 1945 Dek. 1948 g., kniga 1, Berlin 1949, in: AWP RF, SWAG/1/48/12. -
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Organisationsstruktur
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können Ende 1947 in der Zentrale der gemacht werden. Im internen Organisationsbereich waren dies: 1. Militärische Verwaltung, 2. Verwaltung Kommandaturdienst, 3. Kaderabteilung, 4. Sekretariat des Kontrollrats, 5. Stab (mit Allgemeiner Abteilung, Politischer Abteilung, Kontrollgruppe, Spezialgruppe), 6. Autoabteilung der SMAD, 7 Militärtribunal, 8. Staatsanwaltschaft, 9. Organisations-Rechnungs-Abteilung, 10. das Fliegerregiment Nr. 393, 11. mehrere Auto- und Personenschutz-Bataillone, 12. Zentraler Klub der SMAD, 13. Feldbüro der Staatsbank, 14. Einheiten der Verbindungstruppen; außerdem zwei Mittelschulen, Krankenhaus sowie das Sekretariat des Obersten Chefs. Im Bereich Wirtschaft fungierten die Verwaltungen: 1. Land- und Forstwirtschaft, 2. Finanzen, 3. Handel und Versorgung, 4. Bergbau und metallurgische Industrie, 5. Industrie, 6. Transport, 7. Leichtindustrie, 8. ökonomische Entwaffnung, 9. zur Erlernung der Errungenschaften der Wissenschaft und Technik in Deutschland, 10. SAG, 11. Konsumgüterunternehmen, 12. Außenhandel, 13. materiell-technische Versorgung, 14. Reparationen und Lieferungen und 15. Post. Sowie die Abteilungen: 1. Planökonomie und 2. Finanzabteilung des Stabes. Im politischen Bereich gab es die Verwaltungen: 1. Apparat des Politischen Beraters, 2. Inneres und 3. Information, sowie die Abteilungen 1. Recht, 2. Ar-
Anhand amtlicher
Unterlagen
SMAD 37 Struktureinheiten namhaft
beitskraft, 3. Volksbildung.
Daß die Aufzählung unvollständig ist, folgt schon daraus, daß darin die Abteilung für Gesundheitswesen fehlt. Doch unter dem Dach der SMAD wirkten außerdem zahlreiche Bevollmächtigte, wie beispielsweise des Sowexportfilms oder des sowjetischen Ministeriums für Lebensmittelindustrie, eine Außenstelle des sowjetischen Ministeriums für Staatskontrolle58, eine Operative Gruppe der Automobilverwaltung des Ministeriums für Streitkräfte der UdSSR, ein Bevollmächtigter des Staatlichen Planungsamtes der UdSSR, Forschungsabteilungen und -büros sowjetischer Ministerien (Schiffbau, Energie, Binnenschiffahrt, Flugzeuindustrie u. a.), und nicht zu vergessen der Apparat des Bevollmächtigten des MGB in Deutschland. So nannte der Verteiler des Stabes zum Befehl Nr. 33 vom 13. Februar 1948 insgesamt 46 Organisationseinheiten, einschließlich der Abteilung für Staatssicherheit und des Einheitsgewerkschaftskomitees der SMAD-Beschäftigten59. Im Frühjahr 1948 kam es wieder zu einem größeren organisatorischen Revirement, das in der Hauptsache wohl zwischen Juni und August 1948 abgeschlossen wurde. Der entsprechende Vorschlag ging von der SMAD-Spitze aus, die der Besatzungsverwaltung angesichts der sozialökonomischen und politischen Veränderungen in der SBZ eine neue Struktur geben wollte. Angestrebt wurde, die Erfüllung der Reparationen und Lieferungen für die sowjeti58
39
Das Ministerium für Staatskontrolle der UdSSR überprüfte beispielsweise auch die Einhaltung der genehmigten Stellenpläne durch die SMAD. Vgl. GARF, 7317/8/14, Bl. 196.
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Zentrale Einrichtungen
sehen Truppen auf der einen sowie die ostzonale Wirtschaftsplanung und eine bessere Ausnutzung der ökonomischen Kapazitäten auf der anderen Seite in den Mittelpunkt zu stellen. Auf zentraler Ebene sollten dafür etwa viereinhalbtausend Planstellen ausreichen, die vornehmlich durch ingenieur-technische Kader zu besetzen waren. Ein Beschluß des Ministerrats der UdSSR vom 10. Mai 1948 sanktionierte diese Bestrebungen. Im Verlauf dieser Restrukturierung, die zunächst mehrere Monate lang nur schleppend voranging, wurden einige Verwaltungen so die Verwaltung für Bergbau und metallurgische Industrie, die Verwaltung für ökonomische Entwaffnung, die Planökonomische Abteilung und die Verwaltung für Sequestrierung und Konfiskation aufgelöst und an ihrer Stelle neue Verwaltungen mit einem engeren Fachprofil gebildet: eine Verwaltung für Kohleindustrie und Kraftwerke, eine Verwaltung für metallurgische und chemische Industrie, eine Verwaltung für materielle Ressourcen sowie eine Planökonomische Verwaltung60. Im Sommer 1948 entstand auch eine neue selbständige Abteilung für Zivüadministration durch Ausgliederung der Organisations-Instruktionsabteilung aus der Informationsverwaltung (analog in den Landesverwaltungen der SMAD). Diese neue Abteilung unter der Leitung von Garde-Major Ljulka bestand im September 1948 aus vier Unterabteilungen, einer allgemeinen (Geschäfts-)Abteilung und einem Geheimsektor61 ; insgesamt waren darin 27 Militärs und neun Zivilisten tätig62. Die fachliche Oberaufsicht über diese Abteilung wurde dem Stellvertreter des Obersten Chefs für Ziviladministration A. F. Kabanow übertragen. Im Herbst 1948 wurde die Verwaltung Kommendanturdienst aufgelöst, ihr Personal ging zur Militärverwaltung über63. Schon zuvor war die Verwaltung für ökonomische Entwaffnung zu einer Verwaltung für materielle Ressourcen umgebildet worden; sie war für die Verteilung der SAG-Produkte zuständig. Einige Verwaltungen wurden auf der anderen Seite zu Abteilungen herabgestuft, so beispielsweise die Verwaltung für Repatriierung. Der Personalbestand der SMAD wurde bei dieser Reorganisation nach älteren Angaben auf ein Drittel des Ausgangsbestandes reduziert64. Unverkennbar war bei dieser Umstrukturierung eine Konzentration auf die wirtschaftlichen Facheinheiten, wobei durch interne Reorganisation neue Industrieverwaltungen65 oder innerhalb der bestehenden Verwaltungen neue Abteilungen entstanden, wie beispielsweise in der Finanzverwaltung eine Abteilung für Eigentumskontrolle, die eng mit der Deutschen Kommission zum -
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Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 34. GARF, 7317/59/72, Bl.
Genaueres über den Geheimsektor läßt sich nicht sagen: einen technischen Punkt für geheime Nachrichtenübermittlung (analog zu Chiffrierstellen, die in einigen Verwaltungen nachweisbar sind) oder um eine Registratur für geheime Arbeitsdokumente. Rasdatotschnaja wedomost Nr. 2798 für Oktober/November 1948 und Rasdatotschnaja wedomost No. 2801 für Oktober 1948, in: GARF, 7317/59/64. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 35. Maljarow, Dejatelnost 1964, S. 82. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 132 vom 2. Aug. 1948. Entweder handelte
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Organisationsstruktur
Schutz des Volkseigentums kooperierte. Die Planökonomische Abteilung, zur Verwaltung aufgewertet und in viele Fachabteilungen für einzelne Wirtschaftsbereiche aufgefächert, entwickelte sich zu einer wichtigen Schaltstelle der SMAD, und ihr Verwaltungschef M. I. Pereliwtschenko avancierte zu einem der Stellvertreter des Obersten Chefs. An Bedeutung verloren im Gegenzug die für die Demilitarisierung zuständigen drei militärischen Fachverwaltungen, die bereits früher in einer einheitlichen Militärischen Verwaltung zusammengefaßt und dem Stabschef unterstellt worden waren. Die ebenfalls liquidierte Reparationsverwaltung kam im Rang einer Abteilung unter die unmittelbare Leitung des Stabes. Ein neues Bild bot nach Abschluß der Reorganisation die Leitungsebene der SMAD, denn dem Obersten Chef standen nunmehr sieben Stellvertreter zur Seite: Der Erste Stellvertreter für ökonomische Fragen Kowal, Dratwin (schon zuvor in der Position des Ersten Stellvertreters) verblieb die Kompetenz für allgemeine Fragen, Russkich war für politische Fragen zuständig und Kabanow für Ziviladministration; neu ernannt wurden durch den Ministerratsbeschluß vom 10. Mai 1948 Pereliwtschenko zum Stellvertreter des Obersten Chefs für Industrie, Kurmaschow für materielle Ressourcen und Kobulow für die Sowjetischen Aktiengesellschaften66; Kobulow war allerdings bereits im Mai 1947 zum Stellvertreter ernannt worden. Zugleich wurde durch den genannten Ministerratsbeschluß (10. Mai 1948) ein Wirtschaftsrat (Ekonomitscheskoje soweschtschanije) gebildet, dem Sokolowski als Oberster Chef der SMAD, Kowal, Kobulow, Pereliwtschenko, Kurmaschow die Stellvertreter des Obersten Chefs für die ökonomischen Fachbereiche also, der Chef der Finanzverwaltung P A. Maletin, der Chef der Verwaltung Reparationen und Lieferungen L. I. Sorin, der Chef der Planökomomischen Verwaltung I. K. Chmelewski und der Stellvertreter des Politischen Beraters G. P. Arkad-
jew angehörten67.
Nach dieser Umstrukturierung scheint die Zahl der SMAD-Facheinheiten gesunken zu sein, denn der Befehl Nr. 37 vom 25. April 1949 wies im Verteiler nur noch 38 Dienststellen aus, und der Befehl Nr. 38 vom 1. April 1949 betreffend den Wirtschaftsplan für 1949 wurde nur noch an insgesamt 27 Organisationseinheiten verschickt68. Der Verteiler zum Befehl Nr. 56 vom 9. Mai 1949 berücksichtigte wiederum „alle Chefs der Verwaltungen und Abteilungen der SMAD" mit 50 Exemplaren, 20 weitere waren für die Unterabteilungen der
Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 38 vom 1. Apr. 1949, in: GARF, 7317/8/17 sowie schriftl. Mitteilung Kowals vom 30. Sept. 1992. 67 Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 35. Darunter an den Chef der Politischen Verwaltung, den Politberater, die Verwaltung Materielle Ressourcen, den Beauftragten des Gosplan, die Planökonomische Verwaltung, ferner die Verwaltungen Handel und Versorgung, Gesundheit, Landwirtschaft, Verbindungen, Transport, Außenhandel, Verwaltung für die SAG, für Maschinenbau und Elektroindu66
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strie, für Kohleindustrie und Elektrokraftwerke, für Leichtindustrie, Verwaltung für metallurgische und chemische Industrie, die Finanzverwaltung und die Abteilung Volksbildung. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 38 vom 1. April 1949, in: GARF, 7317/8/17
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Zentrale Einrichtungen
vorgesehen70. Der Verteiler zum Befehl Nr. 60 vom 17 Mai 1949 sah für SMAD-Einrichtungen 42 Exemplare vor, wobei ausdrücklich die Abteilungen Kader, Reparationen, MGB und zwei weitere von der Verteilung ausgeschlossen waren. Genannt wurde darin allerdings ein bis dahin unbekannSAG69
die zentralen
Vertreter des sowjetischen Ministeriums für Außenhandel der UdSSR71. Außerdem wurden noch folgende Organisationsbereiche aufgeführt: Abteilung Speziallager des MWD der UdSSR in Deutschland, der Apparat des Bevollmächtigten des MGB in Deutschland, die Verwaltung Innere Truppen des MWD in Deutschland72, ferner eine Abteilung Patente, eine Militärische Verwaltung, eine Kaderabteilung und Filialen der Staatsbank der UdSSR (Gosbank)73. Weitere, verdeckt arbeitende Organisationseinheiten bildeten die Verwaltung für polygraphische Industrie sowie Vertreter sowjetischer Verlage und des Buchhandels mit ihren Beauftragten in den Ländern der SBZ74. Noch im August 1949 liquidierte man die Verwaltung für Handelsbetriebe des täglichen Bedarfs, im September das Generalsekretariat der sowjetischen Sektion des Kontrollrats; am 28. September 1949, so Filippowych, beschloß der Ministerrat, das Informationsbüro und die Abteilung für Zivilverwaltung der Informater
tionsverwaltung zu übertragen75. Ein Querschnitt durch die Organisation ergibt für die Jahre 1948/49 folgendes Funktionsbild: Der Stab der SMAD als dasjenige Führungsorgan, dem die Vorbereitung des sogenannten Führungsentschlusses, dessen Umsetzung in Befehle und Anordnungen sowie die Überwachung ihrer Durchführung einschließlich der Koordination der beteiligten Einheiten oblag, nahm eine zentrale Stellung ein. Der Stabschef war für Koordination und technische Organisation der Arbeit der Verwaltungen und Abteilungen verantwortlich. Im m
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27 SAG-Abteilungen wurden im Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 61 vom 17 Mai 1949 genannt. Vgl. Anlage zum Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 56 vom 5. Mai 1949, in: GARF, 7317/8/17, Bl. 381. Somit weitgehend identisch mit dem Verteiler des Stabes zum Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 61 vom 17 Mai 1949, in: GARF, 7317/8/17, Bl. 398. Vgl. Anlage zum Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 60 vom 17 Mai 1949, in: GARF, 7317/8/17, Bl. 395. Vgl. Anlage zum Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 61 vom 17 Mai 1949, Verteiler-Vorschlag, in: GARF, 7317/8/17, Bl. 397 Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 88 vom 18. Juli 1949, in: GARF 7317/8/18, Anlage, Bl. 48. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 126 vom 18. Nov. 1949. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 38. Da die Abteilung Zivilverwaltung erst im Juli 1948 aus der Informationsverwaltung ausgegliedert wurde und in der SKK ebenfalls als selbständige Abteilung arbeitete, wäre diese Angabe zu überprüfen. Gleiches gilt für das Informationsbüro, das laut Tjulpanow schon 1945 der Propaganda-/ -
Informationsverwaltung unterstellt worden sein soll. Auch die Geschichtsschreibung schlägt entlang der normativen Planungsvorgaben Purzelbäume und kehrt solchermaßen auch noch auf „gesicherter Quellenbasis" zu ihren Ur-Sprüngen zurück.
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Organisationsstruktur
Januar 1948 waren im Stab 47 Offiziere tätig76, die Gesamtzahl der Mitarbeiter
des Stabes der SMAD betrug 483 Personen77. Der Kommandant des Stabes und des militärischen Rayons Karlshorst war im vorliegenden Kontext von geringerer Bedeutung als die Allgemeine Abteilung, die Politische Abteilung und die Finanzabteilung des Stabes. Nicht mehr der Erste Stellvertreter, wie in der Regierungsverordnung vom 6. Juni 1945 festgelegt, sondern der Chef des Stabes leitete inzwischen die Militärische Verwaltung (Demilitarisierung) und das ihr angeschlossene Büro für militärische Erfindungen sowie die Verwaltung Kommandanturdienst (bis Ende 1948 für die Leitung der Kommandanturen, des Personalwesens und für die Herausgabe von Interzonenpässen für deutsche und sowjetische Staatsbürger zuständig), die Abteilung Repatriierung und die Verwaltung Verbindungen (d.i. Post), die ursprünglich im Kompetenzbereich des Stellvertreters für Zivilangelegenheiten lagen. Ferner waren dem Stabschef der Chef der politischen Abteilung des Stabes (für die Arbeit in den sowjetischen Teilen), das wissenschaftlich-technische hydrometeorologische Büro, die Organisations-Rechnungs-Abteilung, die Abteilung Protokoll und Verbindungen zum Kontrollrat, die Kontrollgruppe des Stabes zur Kontrolle des Befehlsvollzugs sowie die Allgemeine Abteilung des Stabes, die für die Herausgabe von Befehlen, für die Berichterstattung an die sowjetische Regierung und für die Erteilung von Einreisevisen in die UdSSR verantwortlich zeichnete, untergeordnet. Ebenso unterstanden ihm die Verwaltung materielltechnische Sicherung (des SMAD-Personals), die Finanzabteilung sowie die Abteilung Unternehmen des Lebensmittelhandels78. Der Stellvertreter des Obersten Chefs für politische Fragen war zuständig für die politische Arbeit unter den SMAD-Mitarbeitern und zusammen mit dem Politischen Berater für Verbindungen zu den deutschen politischen Parteien und gesellschaftlichen Organisationen und ihre Beaufsichtigung. Unter seiner Oberhoheit standen die Verwaltung für Fragen der polygraphischen Industrie, die bis 1947 hauptsächlich für innersowjetische Bedürfnisse tätig und seitdem für die Herausgabe deutscher und sowjetischer Bücher, Zeitungen usw. verantwortlich war79, ferner die Informationsverwaltung, die internen Informationsdienste und Zeitungen wie die „Tägliche Rundschau"80. Der Politische Berater des Obersten Chefs war mit seinem Apparat für internationale und außenpolische Fragen zuständig und damit in erster Linie ein Repräsentant des Moskauer Außenministeriums. Im Zusammenwirken mit dem Polit-Stellvertreter (sampolit) des Obersten Chefs und über den Apparat der Informationsverwaltung nahm er jedoch Einfluß auf die Arbeit der deutschen Par76
Rasdatotschnaja
wedomost No 105
GARF, 7317/59/5, Bl. 8 ff.
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SWAG
M. Gribanow/Tow.
sa
janwar 1948,
in:
Wyschinskomu, A. Ja./Feb. 1950, in: AWP RF, 082/37/206/41, Bl. 11. Maljarow, Dejatelnost 1964, S. 82ff. Maljarow, dessen Angaben hier im wesentlichen zitiert werden,
79
komandowanija schtaba
Ebenda, Ebenda,
war
S. 86 f. S. 87
Chef-Militärstaatsanwalt der SMAD gewesen. -
113
Zentrale Einrichtungen
teien in der SBZ. Dem Politischen Berater unmittelbar unterstellt waren der Apparat des Politischen Beraters (auch Verwaltung des Politischen Beraters genannt), die Rechtsabteilung sowie das (sowjetische) Sekretariat beim Kontrollrat. Außerdem leitete er noch die Arbeit des sowjetischen Konsulats in der SBZ81. Der Chef der Politischen Verwaltung leitete die apparat der SMAD. Ihm waren unterstellt -
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der Apparat der Politverwaltung die Redaktion des SMAD-Organs das SMAD-Theater der Zentrale Klub der SMAD das Lehrkombinat der SMAD82.
politische Arbeit im Zentral-
„Sowetskoje slowo"
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Dem Ersten Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD für ökonomische
Fragen waren unterstellt
die Planökomische Verwaltung die Verwaltung Reparationen und Lieferungen die Transportverwaltung sowie die Abteilung Patente und Erfindungen83. Der Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD für die -
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SAG.
Tätigkeit
der
Dem Stellvertreter des Obersten Chefs für Industrie waren unterstellt -
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die Verwaltung für allgemeine Fragen der Entwicklung der Industrie in der SBZ die Verwaltung für metallurgische und chemische Industrie die Verwaltung für Kohle und Kraftwerke die Verwaltung für Leichtindustrie.
Der Stellvertreter des Obersten Chefs für materielle Ressourcen leitete die Verwaltung für materielle Ressourcen- die Verwaltung für Außen-
handel die Verwaltung für Handel- und Versorgung/Lieferungen die Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft die Abteilung Gesundheitswesen. Außerdem zählten noch zum Kernbereich der SMAD die Abteilung/Verwaltung Inneres die Abteilung Volksbildung die Finanzabteilung die Feldkontore der Staatsbank der UdSSR die Abteilung Kader der SMAD der Militärstaatsanwalt84. -
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Ebenda, S. 89. Ebenda, S. 90f. Ebenda, S. 92 f. Ihm
waren
bis Mitte 1948 die Militärstaatsanwaltschaften in den Ländern und in Städten
Organisationsstruktur
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Mit besonderen Kompetenzen und Meldewegen waren ausgestattet: der Apparat des Bevollmächtigten des MGB in Deutschland und85 das Militärtribunal der SMAD86. -
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Als technische Hilfseinheit hatte die Administrativ-wirtschaftliche Verwaltung des Stabes (Administratiwno-chosjaistwennoje uprawlenije schtaba, ACHU), ab 31. Januar 1947 als UMTO (Uprawlenije materialno-technitscheskowo Obespetschenija SWAG) firmierend, die Versorgung sicherzustellen87. Einem besonderen Automobildienst der SMAD standen zum 1. Januar 1948 4333 Kraftwagen, davon 3000 PKW, zur Verfügung, nachdem er 1945 mit 240 Lastwagen begonnen hatte88. Zusammenfassend ist nochmals darauf hinzuweisen, daß die Entwicklung der Organisationsstruktur der SMAD sowohl uneinheitlich wie dynamisch verlief. Auf neue Sachzwänge und Bedürfnisse reagierte man mit immer neuen Anpassungen der Organisationsstruktur, mit organisatorischen Neubildungen, mit Kompetenz- und Zuständigkeitsverlagerungen. Dies macht die Entwicklung so unübersichtlich, daß es kaum möglich ist, die Struktur der SMAD graphisch in einer Form darzustellen, die über eine bloße Momentaufnahme
hinausginge.
Kriegsrat Die erste einschneidende Modifizierung der Organisations- und Befehlsstruktur trat infolge der Bildung des Kriegsrats bei der SMAD (auch: Militärrat; Wojenny sowet) durch Beschluß des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR vom 28. Juni 194589 ein: Die ursprüngliche Machtfülle des Obersten Chefs wurde damit zugunsten einer „kollektiven Leitung" beschnitten. Bokow als früherer Positionsinhaber unterstrich die Rolle des Kriegsrats der SMAD als ein „kollektives" Leitungsorgan der SMAD im Sinne des ZK der WKP(B)90, und der
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sowie 6-7 Militärstaatsanwälte bei der Eisenbahn unterstellt. Die zuletzt genannten beiden Instanzen wurden Mitte 1948 aufgelöst und das Netz auf die zentrale Staatsanwaltschaft, fünf Landesstaatsanwaltschaften und drei Garnisons-Militärstaatsanwaltschaften in Berlin, Leipzig und Chemnitz reduziert (vgl. ebenda, S. 98ff.). Aufsicht über den Apparat des Bevollmächtigten des MGB in der SBZ und ihre operativen Sektoren übten die Militärstaatsanwälte aus (vgl. ebenda, S. 100). Es war unmittelbar der Verwaltung Militärtribunale des sowjetischen Justizministeriums unterstellt (vgl. ebenda, S. 103). Istorija organisazü i raboty Uprawlenija materialno-technitscheskowo Obespetschenija, in: AWP RF, 457„g"/l/34/9. Istorija awtomobil sluschby SWAG, in: AWP RF, 457„g"/l/29/9. Bokow, Frühjahr des Sieges 1979, S. 428. Ebenda, S. 407 Laut Kurt Arlt hielt das [sogenannte erste, auch genannt: politische] Mitglied des Kriegsrates als einziger direkten Kontakt zum ZK, vgl. Arlt, Kurt: Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) im Spannungsfeld zwi-
Zentrale Einrichtungen
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Diplomat Semjonow spricht in diesem Zusammenhang von „einer gewissen Dezentralisierung der Tätigkeit der SMAD"91. Das militärpolitische Institut des Kriegsrats war durch das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR am 22. Juni 1941 auf der Ebene von Armeen und
definiert worden. Die Kriegsräte wurden nach Artikel 49 der sowjetischen Verfassung auf kriegsrechtlicher Grundlage mit allen militärischen, administrativen, ökonomischen und politischen Vollmachten und Machtbefugnissen zur Organisation der „befreiten Gebiete" ausgestattet92. Den Kriegsrat bildeten der jeweilige Kommandeur und zwei weitere Mitglieder, die die Politische Hauptverwaltung der Roten Armee (GlawPURKKA) auswählte. Auf einer Beratung des Politbüros des ZK der WKP(B) mit den Mitgliedern der Kriegsräte aller Fronten im Mai 1944 wurde im Vorfeld der Landung der Westalliierten in der Normandie und des Vormarschs der sowjetischen Armee nach Zentraleuropa die politische Marschrichtung im Zusammenhang mit der „Befreiungsmission" der Roten Armee außerhalb der sowjetischen Grenzen festgelegt: Die Kriegsräte erhielten unter anderem das Recht, sich unmittelbar an das ZK der WKP(B) zu wenden93. Von ihren weitreichenden Kompetenzen ist insbesondere auch das Recht zu nennen, völkerrechtlich wirksame Vereinbarungen abzuschließen. Weder aus bisher bekannt gewordenen russischen Quellen noch aus amtlichen deutschen Übersetzungen ist klar ersichtlich, ob der Kriegsrat nominell der SMAD oder der Gruppe der sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in Deutschland beigeordnet war. In den Primärquellen kommen beide Lesarten vor und sogar weitere, die den Kriegsrat bei der GSOWG ansiedeln, ihn jedoch mit der Zuständigkeit für die SMAD oder gar zugleich SMAD und GSOWG ausstatten. In den veröffentlichten Befehlen zeichnete der Kriegsrat zunächst als Kriegsrat der SMAD, ab etwa Mitte 1946 als Kriegsrat der Besatzungstruppen für die SMAD, und erst ab Ende 1946 erschien er ohne den Zusatz „für die SMAD" bei der Gruppe der Streitkräfte definiert, während die vielfach mit handschriftlichen Notizen der Unterzeichner versehenen Befehlsoriginale den Kriegsrat bei den Truppen ansiedeln94. Des Pudels Kern liegt darin, daß W. Je. Makarow etwa ab Mitte 1946 in Personalunion stellvertreten-
Fronten
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94
neu
schen den Beschlüssen von Potsdam und den sicherheitspolitischen Interessen Moskaus 1945-1949, in: Thoß, Volksarmee schaffen 1994, S. 91-139, hier S. 106f. passim. Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow 1995, S. 223. O wojennom poloschenii, aus: Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 22. Juni 1941, in: KPSS w resoljuzijach i reschenijach sjesdow, konferenzi i plenumow, Bd. 7, Moskwa 1985, S. 213. Vgl. auch Sowetskaja Wojennaja Enziklopedija 1976-1980, Bd. 2, S. 291 f.
Vgl. Krainjukow, K./Kusnezow, Ja.: Dejatelnost wojennych sowetow w operazijach Sowetskoi Armii sa rubeschom, in: Wojenno-istoritscheski schurnal, 4/1972, S. 31-39, hier S. 33. So bei Befehlen des Obersten Chefs aus dem Jahr 1945. Im Original des Befehls Nr. 356 vom 24. Dez. 1946 strich Generalleutnant Makarow aus der vorgefertigten Bezeichnung „Mitglied des Kriegsrats der GSOWG für die SMAD" den Zusatz „für die SMAD" aus; vgl. GARF, 7317/8/8.
116
Organisationsstruktur
der Oberster Chef der SMAD für politische Fragen und Mitglied des Kriegsrats der GSOWG sowie zeitweilig politisches Mitglied des Kriegsrats der Truppen und der SMAD war. Diese nur scheinbare, weil durch ungleichmäßige Überlieferungsdichte erzeugte Aporie zeigt jedoch zugleich ein wesensmäßiges Moment der Funktionstüchtigkeit des Instituts der „kollektiven Führung", und an diesem Beispiel wird auch sichtbar, daß trotz aller formalen Trennung zwischen den Aufgabenbereichen und Bürokratien des Obersten Chefs der SMAD und des Oberbefehlshabers der taktischen Truppen über längere Zeit noch zahlreiche personelle wie institutionelle Überschneidungen vorhanden waren. Sie ergaben sich bereits aus der Tatsache, daß dem Kriegsrat außer dem vom Oberkommando der Streitkräfte ernannten politischen Mitglied das waren bei der SMAD nacheinander Bokow und Makarow auch der Oberste Chef und sein Erster Stellvertreter angehörten95. Dem Kriegsrat der Besatzungstruppen gehörten im Juni 1945 außer Schukow und seinen Fachstellvertretern Kasakow und Rudenko als politisches Mitglied K. F. Tele-
-
gin an96.
Deutlich wird dies, wenn man berücksichtigt, daß der Kriegs-/Militärrat der SMAD seinerseits über einen vom SMAD-Apparat unabhängigen Nachrichtenapparat in der SBZ verfügte, das Informationsbüro der SMAD, das ursprünglich über den Kriegsrat hinaus nur der Moskauer Zentrale des Sowinformbüros unterstellt war, und ebenso über einen eigenen, von der SMADStruktur unabhängigen Referentenstab. Dies entsprach zwar sicherlich der formalen Geschäftsordnung, und auch Bokow beschreibt dies in seinen Erinnerungen als Realität, doch kam es in Wirklichkeit insbesondere in diesem Bereich zu Überschneidungen mit der Kompetenzlinie des Politischen Beraters und der Propagandaverwaltung und infolgedessen zu heftigen Konflikten. In der Aufbauphase der Militärverwaltung waren auch einige Fach Verwaltungen, so die Verwaltung für Repatriierung unter Generalmajor Werschinin, unmittelbar dem Kriegsrat unterstellt97. Auf Unkenntnis sind viele verbale Auseinandersetzungen zurückzuführen, denn die im Verhältnis zur SMAD weit dichtere Struktur des politischen Apparates in den Besatzungstruppen wurde instrumentalisiert: So wurde beispielsweise die Kampagne zu den Kommunalwahlen von 1946 „im Terrain", wie es in den vom jeweiligen Mitglied des Kriegsrats der GSOWG bzw. der SMAD gegengezeichneten Befehlen Sokolowskis an den politischen Apparat der Besatzungstruppen vom 17 und -
95
%
Vgl. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 23, sowie Wiskow/Kul-
bakin, Sojusniki 1990, S. 79. Deutsche Volkszeitung vom 17 Juni 1945. Wahrscheinlich handelte es sich um den späteren Artillerie-Marschall W I. Kasakow (1898-1968), damals Kommandeur der Artillerie bei der GSOWG, und um den späteren Lufwaffen-Marschall S. I. Rudenko (1904-1990). Als führendes Kriegsratsmitglied der Truppen wurde Telegin auch in der Moskauer Prawda vom 12. Nov. 1945 genannt. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 14 vom 26. Juli 1945, in: GARF, 7317/8/1, Bl. 26f. -
-
97
117
Zentrale Einrichtungen
18. Juni 1946 heißt98, ausschließlich durch die Truppen organisiert99. Die Aufgaben der Kriegsräte wurden im Januar 1946 neu definiert und ab Januar 1947 -
sie schließlich nur noch (politische) Beratungsorgane der Oberkommandierenden100. Zu diesem Zeitpunkt endete die Existenz des Kriegsrats bei der SMAD bzw. seine Zuständigkeit für die SMAD. Die letzten von einem Kriegsratsmitglied gegengezeichneten Befehle des Obersten Chefs der SMAD sind für Januar 1947 nachgewiesen. Zumindest bis zur Errichtung der Position des Stellvertreters des Obersten Chefs der SMAD für politische Angelegenheiten nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand im April 1946 muß der Kriegsrat als die wichtigste politische Führungsinstanz und interne Clearingstelle der SMAD betrachtet werden.101 So hatte er beispielsweise durch Verfügung vom 31. Juli 1945 den Kulturbund zugelassen. Sein führendes Mitglied auf politischem Gebiet Generalleutnant Bokow war 1945-46 in zahlreiche Verhandlungen mit Politikern der KPD, SPD, SED, CDU und LDPD involviert und wurde auch als Verbindungsmann Schukows zu den deutschen Zentralverwaltungen wahrgenommen102. Auf Vorschlag des Kriegsrates wurde bei der SMAD im September der SMAD-Verlag103 und im Oktober 1945 eine Verwaltung für Propaganda und Zensur geschaffen, auf die sich recht bald die Hauptlast der operativen politischen Arbeit der SMAD in deutschen Einrichtungen verlagerte.
waren
-
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98
99
Die buchstäbliche Auslegung mit „außerhalb Berlins" läßt m.E. die besatzungsrechtliche Lage der Stadt außer acht, sinnvoller erscheint die Übersetzung mit „außerhalb der großen Städte". Vgl. Marschal SSSR W. Sokolowski, Glawnatsch. SWA i glawnokomandujuschtschi GSOW, Generalleitenant F. Bokow, tschlen Wojennowo soweta GSOWG po SWA/sowerschenno sekretno No. 6/0015204/18owo ijunja 1946g. (gedruckt), in: AWP RF/457/3/9/13, Bl. 85-86, sowie Sokolowski, Makarow/Wojennym sowetam armii, komandiram u natschalnikam politotdelow korpussow, diwisii i brigad GSWOG, natschalniku Polituprawlenija/17owo ijunja 1946g., in: AWP RF, 457/3/9/13, Bl. 131-136. Diesen Hinweis verdanke ich Frau Dr. Elke Scherstjanoi. Diese streng geheimen Befehle waren offenbar in der SMAD-Propagandaverwaltung nicht bekannt gewesen. Solche organisationsimerne Geheimhaltung hatte heftige Proteste bei höchsten Moskauer Stellen wegen angeblich chaotischer Verhältnisse in der politischen Führung der SMAD zur Folge und begründete die Legende von „zwei Linien" in der sowjetischen Deutschlandpolitik. Auch aus den Erinnerungen Semjonows wie Tjulpanows folgt, daß sie vielfach ein falsches Bild von ihrer Rolle in der SMAD hatten und aus diesem Grund auch ein entsprechendes Bild von der Wirklichkeit der SMAD zeichneten. Vgl. Sowetskaja Wojennaja Enziklopedija 1976-1980, Bd. 2, S. 272f. Über interne Interessenklärung im Kriegsrat der SMAD berichtet auch der ehemalige Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD. Vgl. Kowal, K. L: Posledni swidetel. „Germanskaja karta" w cholodnoi woine, Moskwa 1997, S. 95 ff. So Friedensburg, Deutschlands Einheit 1971, S. 65. Istorija isdatelstwa SWAG 1945-48, in: AWP RF, 457 „a"/l/30/9. -
-
100 101
102 103
Organisationsstruktur
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Entwicklung der Führungsgremien Gleichzeitig mit der Ernennung Schukows zum Obersten Chef am 7 Mai 1945 wurde Andrei Ja. Wyschinski, damals Erster Stellvertreter des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten, durch Stalin zum Beauftragten für politische Fragen ernannt104. Der formelle Beschluß des Politbüros erfolgte am 30. Mai 1945. Wyschinski, der als Politischer Berater des Obersten Chefs der SMAD betrachtet wurde, nahm an den Verhandlungen um die Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde und an der Potsdamer Konferenz teil; in Berlin hielt er sich bis August 1945 auf105. Nach dem Organisationsschema vom 6. Juni 1945 standen dem Obersten Chef, wie bereits ausgeführt, zwei Stellvertreter zur Seite: ein Erster Stellvertreter für allgemeine Fragen und der Stellvertreter für Zivilangelegenheiten. Der Gehilfe für ökonomische Fragen Saburow wurde in den internen Unterlagen noch nicht als Stellvertreter des Obersten Chefs bezeichnet106, allerdings hielt er sich in Deutschland auch nicht
dauerhaft auf. Nach ihm wurde in der Position des Gehilfen des Obersten Chefs der SMAD für ökonomische Fragen zum ersten Mal im Befehl Nr. 139 vom 9. November 1945 der stellvertretende Volkskommissar der UdSSR für Schwerindustrie K. I. Kowal genannt107 und bald als Stellvertreter des Obersten Chefs bezeichnet. Nach eigenem Zeugnis wurde er wohl im Herbst 1945 formell zum Nachfolger Saburows ernannt108, obwohl er diese Funktion faktisch seit Bildung der SMAD ausübte109. Im April 1946 trat Generalleutnant Makarow die Position des Stellvertreters des Obersten Chefs für politische Angelegenheiten (sampolit) an110, er unterschrieb aber schon im Sommer 1946 einige Befehle des Obersten Chefs auch als Mitglied des Kriegsrats111. Der erste Shukow, Erinnerungen 1976, S. 364. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 28. 106 Als stellvertretender Chef der SMAD ausgewiesen in Mitteilung über die Berliner Konferenz der Drei Mächte, in: Die Berliner Konferenz der Drei Mächte, SWA-Verlag, Berlin 1946, S. 20. Im Befehls-Entwurf des Obersten Chefs der SMAD Nr. 7 vom 14. Juli 1945 als 104 103
Gehilfe des Obersten Chefs bezeichnet.
107
Aber als Stellvertreter des Gehilfen im Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 140 vom
108
Schriftl. Mitteilung Kowals vom 30. Sept. 1992, vgl. auch Befehle des Obersten Chefs der SMAD Nr. 67 vom 6. März 1946, Nr. 98 vom 29. März 1946 und Nr. 112 vom 13. Apr.
109
Kowal, Wospominanija. So: Sowetskaja Wojennaja Enziklopedija 1976-1980, Bd. 5, S. 84. Bonwetsch, Bernd und Bordjugow, Gennadi: Die Affäre Tjulpanow. Die Propagandaverwaltung der Sowjetischen
10. Nov. 1945 genannt.
1946.
110
-
Militäradministration in Deutschland im Kreuzfeuer der Kritik 1945-1949, in: Deutsche Studien 31/1994, S. 247-272, bezeichnen auf S. 250 diese früher von mir im „SBZ-Handbuch" ohne Beleg gemachte Angabe als irrtümlich und datieren die Positionsbesetzung auf Januar 1947 Dies ist unrichtig. Abstrakt ist die Funktion des politischen Stellvertreters 1943/44 geschaffen und in die am 24. Juli 1946 erlassene generelle Armeedienstordnung aufgenommen worden. Makarows Tätigkeit im Kriegsrat der Truppen ist schon für Juni 111
1946 urkundlich belegt. So z.B. den Befehl Nr. 0194 vom 15. Juli 1946 betr.
Durchführung des Befehls Nr. 030 vom
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Zentrale Einrichtungen
Leiter der Politischen Abteilung beim Politischen Berater der SMAD A. A. So-
boljow wurde nicht Stellvertreter des Obersten Chefs tituliert112, obwohl er zeitweilig Politischer Berater des Obersten Chefs war113. Dies alles macht vor dem Hintergrund der Ablösung Schukows durch Sokolowski mit Beschluß -
des Rates der Volkskommissare vom 13. März 1946 ein Revirement an der Führungsspitze deutlich. In dieses Personalkarussel war auch das führende Mitglied des Kriegsrats der GSOWG K. F. Telegin, ein „politischer" Generalleutnant im NKWD, involviert114. Im Verlauf des Personalrevirements erhöhte sich die Zahl der nominellen Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD schließlich auf insgesamt vier. Eine westliche nachrichtendienstliche Quelle präsentierte am 4. November 1947 ein Organisationsschema der SMAD-Spitze, das durchaus Beachtung verdient. Die überprüfbaren Angaben enthalten zwar einige offenkundige Fehler, so daß Skepsis angebracht erscheint; andererseits stützt sich diese Quelle auf Informationen des stellvertretenden Politischen Beraters Generalmajor Leonid A. Malinin, der zu sogenannten vertrauensbildenden Maßnahmen griff, um Botschafter Robert Murphy, den Politischen Berater beim OMGUS, zu veranlassen, sich beim State Department für ein persönliches Treffen zwischen US-Präsident Harry Truman und Stalin einzusetzen. Evident ist dies muß vorausgeschickt werden -, daß die verschärften OstWest-Spannungen in der zweiten Hälfte 1946 Bewegung im Führungsgefüge der SMAD, insbesondere im politischen Bereich, auslösten. Berija selbst soll sich anläßlich einer geheimen Stippvisite in Berlin Ende 1946/Anfang 1947 um -
-
12. Feb. 1946 betr. Maßnahmen zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten. In der Unterschriftsvorlage zum Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 336 vom 4. Dez. 1946 war Makarow als Mitglied des Kriegsrats der SMAD vorgesehen, schließlich unterschrieb
112
aber Bokow. Den Befehl Nr. 356 vom 24. Dez. 1946 unterzeichnete Makarow und strich in der vorgesehenen Funktionsbezeichnung „Kriegsrat der GSWOG für die SMAD" eigenhändig den Zusatz „für die SMAD" aus. Vgl. GARF, 7317/8/8. Vgl. Die Berliner Konferenz der Drei Mächte, Berlin 1946, S. 20, wo Soboljow als „Leiter der politischen Abteilung" ausgewiesen ist. Das Statut der politischen Abteilung beim Politischen Berater der SMAD wurde durch den Stabschef der SMAD erst am 10. Dez. 1945 erlassen. Vgl. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 26. A. A. Soboljow figurierte in internen Dokumenten als Stellvertreter des Politischen Beraters, schon im September 1945 tauchte er aber als Politischer Berater auf. Zu dieser Zeit amtierte Semjonow als sein Stellvertreter und gleichzeitig Leiter der Politischen Abteilung in der Verwaltung des Politberaters. Telegin, der gleichzeitig politischer Stellvertreter Schukows als Truppen-Oberbefehlshaber und zuvor führendes (politisches) Mitglied des Kriegsrats der 1. Belorussischen Front gewesen war, beendete mit dieser vom Geheimdienst betriebenen Abberufung seine Karriere. Der Umstand, daß er 1965 als erster öffentlich zur Rehabilitierung Schukows aufrief, scheint damalige Gerüchte zu bestätigen, wonach ihn sein enger Kontakt zu Schukow kompromittiert habe. Es sei hier daran erinnert, daß bis Mitte 1946 die politische Arbeit innerhalb der SMAD statutengemäß vom Truppenkommando geleistet wurde, so daß allein auf der höchsten Ebene drei konkurrierende politische Apparate bestanden: Militärrat der Truppe (Telegin) und der SMAD (Bokow) sowie der politische Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD (Makarow). Mit der Entfernung Schukows und Telegins trug der Geheimdienst zur Entzerrung der Organisationsredundanzen bei. -
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Organisationsstruktur
die Schaffung eines neuen politischen Entscheidungsgremiums bei der SMAD bemüht haben, das im Januar 1947 auch entstanden sein soll. Der unmittelbare zeitliche Zusammenhang mit der Einstellung der Tätigkeit des Kriegsrats bei der SMAD und die Aktivitäten Malinins lassen allerdings eine Reihe von Fragen offen. Ebenfalls auffällig ist, daß im Mai 1947 der Erste Stellvertreter des Obersten Chefs Generaloberst P. A. Kurotschkin, der in dieser Position als letzter noch gleichzeitig den Obersten Chef als Oberbefehlshaber der Truppen und als Chef der Besatzungsverwaltung vertrat, abgelöst wurde, womit die Trennung zwischen dem SMAD-Kommando in Karlshorst und dem Truppenkommando in Potsdam weiter vertieft wurde. Zugeschrieben wurde dies
damals ebenfalls einer Initiative Berijas. Tatsächlich wurde bereits im Dezember 1946 durch eine Kommission des ZK der WKP(B) im Entwurf eines für Stalin vorgesehenen Papiers die Bildung eines militärpolitischen Rates der SMAD „zur Lösung aller prinzipiellen Fragen der Verwaltung der SBZ, zur Durchsicht und Bestätigung der Pläne aller ökonomischen und politischen Maßnahmen der SMAD" angeregt. Gleichzeitig sollte die Behandlung aller Fragen der laufenden Politik in Deutschland unmittelbar in die Zuständigkeit des Sekretariats des ZK der WKP(B) in Moskau fallen, wobei die ZK-Verwaltung für Propaganda und Agitation und die Politische Hauptverwaltung der Sowjetischen Armee entsprechende Entscheidungsvorlagen erarbeiten sollten115. Der entsprechende Entwurf eines ZK-Beschlusses sah die Bildung eines Militärpolitischen Rates der SMAD unter dem Vorsitz des Obersten Chefs Sokolowski und des Stellvertreters W. Je. Makarow vor, damals Sokolowskis Stellvertreter für politische Fragen in der SMAD und Mitglied des Kriegsrats der GSOWG wie der SMAD. Als weitere Mitglieder waren vorgesehen: P. A. Kurotschkin als Stellvertreter des Obersten Chefs, M. I. Burzew als künftiger Chef der Propagandaverwaltung der SMAD, der Stellvertretende Oberste Chef für Zivilangelegenheiten I. A. Serow, der Chef der sowjetischen Gegenspionage in Deutschland N. K. Kowaltschuk und der Politische Berater Semjonow116. Diesem geplanten Rat sollten die gesamten ökonomischen und politischen Aufgabenbereiche der SMAD übertragen werden. Im Sommer 1947 wurden auch aus der Diplomatengruppe der SMAD entsprechende Vorschläge an den Außenminister gerichtet117. Bei der Interpretation solcher Vorgänge ist allerdings größte Vorsicht geboten: Zunächst ist bislang nicht einmal geklärt, ob die genannten Entwürfe jemals ins Reine geschrieben und abgeschickt wurden; zudem gab es in Moskau mehr Koordinationsorgane, als in Berlin bekannt war. Zu beachten ist ebenfalls, daß das Fehlen eines politischen Führungsorgans innerhalb der SMAD das Führungsmonopol der Moskauer Zentrale garantierte. 115
116
Vgl. Projekt sapiski komissii ZK WKP(B) I. W. Stalinu o rabote Uprawlenija propagandy
SWAG, in: SWAG 1994, S. 193-197 Ebenda, S. 198 sowie Projekt Postanowlenija ZK WKP(B), in: Ebenda, S. 198-204. Burzew, Michail Iwanowitsch (geb. 1907), 1925 WKP(B), 1940-53 Chef der 7 Abteilung der -
117
GlawPURKKA bzw. GlawPUR. Vgl. Mai, Der Alliierte Kontrollrat 1995, S. 62.
121
Zentrale Einrichtungen
der oben zitierten amerikanischen Quelle118: Irritierend ist die Behauptung, daß der Stellvertreter des Obersten Chefs dem darin als „Kriegsrat" apostrophierten Gremium präsidiere, in dem die obersten Ressortchefs der SMAD zusammengefaßt seien, zumal der tatsächlich bestehende Kriegsrat seit Januar 1947 dem Oberkommandierenden der Truppen unterstellt war und in der SMAD keine nach außen sichtbare Rolle mehr spielte. Falls die falsche Zuordnung lediglich auf einem Übertragungsfehler beruhte, könnte es sich hier um ein eventuell informelles Kollegium der Gehilfen und Stellvertreter gehandelt haben. Als Mtglieder dieses Gremiums werden in der Quelle genannt: Der Chef des Stabes (Lukjantschenko), der Chef der 2. (Unter-)Abteilung der Allgemeinen Abteilung des Stabes (Generalmajor Malinin, d.i. Georgiew), der oberste Beauftragte für Wirtschaftsfragen (Kowal) und der oberste Beauftragte für politische Fragen (Georgiew-Malinin). Dem Chef der 2. (Unter-)Abteilung der Allgemeinen Abteilung des SMAD-Stabes Generalmajor Malinin soll die Gruppe der Verbindungsoffiziere und das Sekretariat unterstanden haben, womit er im wesentlichen für die Verbindungen zum Kontrolldiese befanden sich tatsächlich im fachlichen Zurat zuständig gewesen sei des Politischen Beraters119; Kowal stand laut dieser ständigkeitsbereich amerikanischen Quelle den wirtschaftlichen Fachabteilungen vor dies trifft ebenfalls zu. Dem Beauftragten für politische Fragen schließlich, dem ominösen „Georgiew" also, der mit Generalmajor Malinin identisch war, waren alle Abteilungen unterstellt, die ursprünglich in zwei Sektoren, den Verwaltungsund Politiksektor, aufgeteilt gewesen waren. In diesem Bereich nennt die Quelle insgesamt acht Abteilungen, wobei die Abteilung Volksbildung fachlich der Abteilung Inneres und Post zugeschlagen wurde. Die Positionen des Stellvertreters für politische Angelegenheiten und für Zivüangelegenheiten tauchten in dieser Quelle allerdings nicht auf, lediglich Makarow, der Stellvertreter für politische Fragen, wurde als Leiter der Abteilung Politik genannt. Cum grano salis zeichnet dieser Bericht also weitgehend die offizielle Organisationsstruktur nach, zumal der Politische Berater, der hier möglicherweise infolge der Abwesenheit des formalen Positionsinhabers Semjonow stellvertretend mit Malinin-„Georgiew" angegeben wurde, sowohl der Chef der Politischen Verwaltung als auch für den Kontakt zum Kontrollrat zuständig war. Allein die hierarchische Position des Stellvertreters des Obersten Chefs für politische Angelegenheiten, weniger der Verantwortungsbereich Inneres und Kommandanturdienst, weckt Vorbehalte. Beim politischen Apparat muß jedoch zwischen den einzelnen Aufgabenbereichen differenziert werden: Ein Zurück
zu
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Vgl. Bemerkungen zu Aufgaben der SMAD vom 4. Nov. 1947, in: AsD, Ostbüro/0402. Auch in HQ European Command Intelligence Center/Report 100/28 November 1947, in:
PRO London/260/AGTS/36/l. Die Doppelunterstellung der Kontrollrats-Gremien unter den Politischen Berater und den Stab ist anhand anderer Quellen auflösbar; schließlich ist zu berücksichtigen, daß „Georgiew" ein Pseudonym von Malinin war. Das öffentliche Auftreten unter Decknamen war in der damaligen sowjetischen Diplomatie zwar selten, doch nicht außergewöhnlich.
Organisationsstruktur
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Strang war für die Arbeit unter dem SMAD-Personal zuständig, ein anderer für die Politik in der SBZ, ein dritter, angesiedelt bei der Diplomatengruppe des Politischen Beraters, wirkte in globalem außenpolitischem Kontext. Vor allem in diesem Bereich fehlte nach Abschaffung des Kriegsrats ein koordinierendes und integratives Organ. Wie der Vorgang an sich schleierhaft bleibt, sollten vorläufig darin möglicherweise enthaltene weitergehende Hinweise mit großer Skepsis betrachtet werden120. Ungeklärte Differenzen in der sowjetischen Führung könnten der Hintergrund für die Erklärung organisatorischer Überlegungen und eventueller informeller Entwicklungen sein121. In Moskau rivalisierte angeblich Malenkow als Fürsprecher eines pragmatischen „moderaten" Kurses gegenüber den Westmächten, unterstützt durch Berija, mit dem ideologisch motivierten „Offensivstrategen" Schdanow122. In der SBZ hielt man den Politischen Berater Semjonow und den Leiter der Informationsabteilung Oberst Tjulpanow, der übrigens schon im Oktober 1945 Semjonows Befehle auszuführen hatte123, für Vollstrecker zweier konkurrierender „politischer Linien"124. Im Sommer 120
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Allgemein wurde gegenüber sowjetischen Diplomaten zwar die Praxis geübt, sie unter Alkoholeinfluß zu setzen, um ihnen Informationen zu entlocken, ihr Alkoholspiegel wurde
aber in den Akten nicht vermerkt. Die innersowjetischen Konflikte sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, vgl. hierzu beispielsweise McCagg, William O: Stalin Embattled 1943-1948, Detroit 1978; Ranaan, Gawriel: International Policy Formation in the USSR. Factional „debates" during the Zhdanovshtina, Hamden 1983; „pure Phantasien" und „eine Spekulation der westlichen Kremlastrologen" für: Lewytzkyj, Boris: Die rote Inquisition, Frankfurt/Main 1967, S. 229ff. Insbesondere im Hinblick auf Diskrepanzen zwischen offiziell veröffentlichten und archivalischen Quellen, vgl. auch Foitzik, Jan: Die Bildung des Kominform-Büros 1947 im Lichte neuer Quellen, in: ZfG 1992, S. 1109-1126, sowie ders.: Fragen der sowjetischen Außenpolitik nach dem zweiten Weltkrieg. Aus dem Referat von A. A. Zdanov auf der Gründungskonferenz des Kominform vom 22. bis 27 September 1947, in: ZfG 1994, Einen Überblick über Einflüsse solcher Auseinandersetzungen auf die S. 329-335. SMAD stellte vor: Strunk, Peter: Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) und ihr politischer Kontrollapparat, in: Lemberg, Hans (Hg.): Sowjetisches Modell und nationale Prägung. Kontinuität und Wandel in Ostmitteleuropa nach dem Zweiten Weltkrieg, Marburg/Lahn 1991, S. 143-176. Dieses Grundmuster wurde in der Literatur variiert. Die verschiedenen Kombinationen gehen im Detail allerdings weder in sachlicher noch in zeitlicher Hinsicht auf: Vielmehr ergibt die Detailanalyse, daß die angeblichen Gruppen in Moskau vielfach gegen die Intentionen ihrer angeblichen Handlanger in Berlin hätten agieren müssen. Vgl. Semjonow/Tjulpanow/24. 10. 1945, in: AWP RF, 457a/l/13/3, Bl. 10. Betr. Befehl mit Vollzugsmeldung, Texte über das Nürnberger Tribunal in Zeitungen der Zone und Zeitungen für deutsche Kriegsgefangene zu veröffentlichen. In Interviews wiesen Diplomaten die Spekulation, Semjonow wäre ein Vertreter der „Berija-Gruppe" gewesen, als absurd zurück. Frühere Untergebene von Tjulpanow lobten ihren Chef noch Jahrzehnte später in höchsten Tönen, Spitzen gegen Semjonow waren dabei unverkennbar. Hinter der persönlichen Rivalität zwischen dem „Diplomaten" Semjonow und dem „Politoffizier" Tjulpanow verbarg sich jedoch mehr: Neben der unterschiedlichen Aufgabenstellung und dem damit verbundenen unterschiedlichen politischen Horizont sind bei der Analyse insbesondere die Arbeitsweise und auch Statusprobleme zu berück-
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Zentrale Einrichtungen
1948 Schdanow starb im August 1948 fand in der Führung des politischen Bereichs der SMAD tatsächlich ein größeres Revirement statt: Durch Politbürobeschluß vom 2. Juni 1948 wurde Makarow, politischer Stellvertreter des Obersten Chefs, aus gesundheitlichen Gründen aus Deutschland abberufen und durch Generalleutnant Russkich ersetzt125. Sein unmittelbarer Untergebener Generalmajor Andrejew, Chef der Politischen Verwaltung der SMAD, wurde zur gleichen Zeit nach mehreren Rügen des Sekretärs des ZK der WKP(B) Alexei A. Kusnezow zum Rechenschaftsbericht vor das ZK beordert126. Seinen Posten übernahm Generalmajor Russow. Im Herbst 1948 kehrte der zwischenzeitig zur Berichterstattung abberufene und mit dem Leninorden dekorierte Semjonow aus Moskau demonstrativ nach Berlin zurück Vakanz gilt als diplomatischer Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Entwicklung im Gastland und erhielt im November 1948 den höchsten sowjetischen Botschafterstatus im Ministerrang127 Schon zuvor wurde im April 1948 und abermals von Oktober bis Dezember 1948 Oberst Tjulpanow zur Berichterstattung nach Moskau zitiert128, nachdem sich dort die Kritik ihm gegenüber massiv verstärkt hatte. Am 18. Oktober 1949 von seiner SMAD-Funktion entbunden, bemühte sich Tjulpanow in Moskau ein halbes Jahr vergeblich um eine Reise-Order nach Berlin; erst im März 1950 konnte er nach Deutschland -
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fahren, um seine privaten Angelegenheiten zu regeln129.
sichtigen: Die Diplomaten verfügten über ein höheres Prestige, militärische Orders erreichten
sie
nicht, und sie wurden in der SMAD auch besser entlohnt als die Offiziere.
Vgl. SWAG 1994, S. 224. 126 125
Der Anlaß war aus heutiger Sicht läppisch: Der SMAD-Verlag brachte 1947 in deutscher Sprache eine Gorki-Ausgabe (Auflage 100000 Exemplare, laut einer Version ausverkauft, nach einer anderen wurden 30000 ausgeliefert) aus dem Jahr 1924 heraus, in der Gorki Lenin scharf kritisiert und Trotzki gelobt hatte, was Gorki 1935 korrigierte. Über diesen
„gröbsten politischen Fehler" sind die für die Kontrolle verantwortliche Informationsverwaltung und Russkich gestolpert. Vgl. Morosow/Schepilow/29. 8. 1947; Schikin/Schepilow/28. 7 1948; Schepilow/Malenkow/28. 7 1948; Russkich/Suslow, Schikin/8. 7 1948, in: RZChilDNI, 17/125/1483. Sowie der Schriftwechsel der ZK-Agitprop-Verwaltung in: RZChilDNI, 17/132/140, Bl. 97-108. Andrejew wurde auch im Bericht über die Überprüfung der Informationsverwaltung der SMAD von 1948 wegen „Isolierung der Mitarbeiter der SMAD von den Deutschen" scharf kritisiert. Vgl. A. Soboljow, P. Poljakow, W. Fedossejew, W. Nemtschikow/L. S. Baranow/O resultatach prowerki raboty uprawlenija informazii SWAG, in: RZChilDNI, 17, 128/1166, Bl. 164-173. Über die Ablösung Makarows durch Russkich und Andrejews Vorladung nach Moskau berichtete auch eine geheimdienstliche Quelle am 22. Juli 1948, vgl. BAK, OMGUS/AGTS 44/1 b/4. 127 Vgl. Glückwunschschreiben Grotewohl/Semjonow/26. Nov. 1948, in: SAPMO BArch, -
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ZPA/NL 90/315.
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Tjulpanow wurde 1948 mit einer kaderpolitischen Überprüfung durch das ZK der WKP(B) konfrontiert und zunächst vom Dienst suspendiert, Anfang 1949 aber wieder nach Berlin entsandt. Im August 1949 aufgrund von Anschuldigungen des MGB erneut nach Moskau beordert, wurde er durch das Sekretariat des ZK am
129
18. Okt. 1949 seines Amtes bei der SMAD enthoben. Vgl. SWAG 1994, S. 222-235. Mitteilung von Stefan Doernberg. Vgl. auch das Gespräch Tjulpanows mit Achim Röscher, in: Neue Deutsche Literatur 9/1979, S. 60, wo der Eindruck vermittelt wird, er wäre erst im März 1950 aus Deutschland zurückgekehrt. -
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Organisationsstruktur
Dies sind einige neue Details, die sich in die alten Interpretationsmuster ein-
fügen ließen. Spekulationen erscheinen jedoch wenig ergiebig, und die Reduktion der komplexen organisatorischen wie politischen Zusammenhänge auf eine bipolare Konfliktlinie wird der vielschichtigen Organisationswirklichkeit innerhalb der SMAD wie in ihren unterschiedlichen Außenbeziehungen in keiner Weise gerecht. Im geordneten Geschäftsgang der SMAD nahm neben den sieben Fachstellvertretern des Obersten Chefs der Stab eine zentrale Funktion ein, und der Stabschef koordinierte die Arbeit der Verwaltungen und Abteilungen der SMAD. Außer der Allgemeinen (Unter-)Abteilung, die für die Herausgabe der Befehle zuständig war und Berichte über die SMAD-Arbeit für Moskau erstellte, waren auch die außenpolitisch eminent wichtige Abteilung Protokoll und Verbindungen zum Kontrollrat sowie die Kontrollgruppe zur Überwachung des Befehlsvollzugs in der SBZ beim Stab angesiedelt130. -
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Positionsinhaber Oberste Chefs der SMAD
waren nacheinander Marschall der Sowjetunion Konstantinowitsch Schukow Georgi (1945 bis März/April 1946), Marschall der Sowjetunion Wassili Dawidowitsch (auch: Danilowitsch) Sokolowski (März/April 1946 bis März/April 1949) und Armeegeneral Wassili Iwanowitsch Tschujkow (März/April 1949 bis zum Ende der SMAD Oktober/November 1949). Alle drei waren gleichzeitig Oberkommandierende der sowjetischen Besatzungstruppen in der SBZ. Unterschiedliche Persönlichkeit, Rollenverständnis und Stellenwert im sowjetischen Machtgefüge bestimmten wesentlich ihre Politik als Oberste Chefs der SMAD. Schukow war Berufssoldat. Ab 1939 Kommandeur der sowjetischen Streitkräfte in der Mongolei und vom Januar bis Juli 1941 Chef des Generalstabes, ab Juli 1941 im Stab des Oberstkommandierenden der Roten Armee und ab April 1942 Erster Stellvertretender Volkskommissar für Verteidigung der UdSSR und stellvertretender Oberbefehlshaber der Roten Armee, ernannte Stalin Schukow im November 1944 zum Oberbefehlshaber der 1. Belorussischen Front und legte gleichzeitig fest, daß Berlin unter seiner Führung einzunehmen sei. Informell ab Mai, formell ab Juni 1945 bis März/April 1946 war Schukow Oberbefehlshaber der GSOWG und Oberster Chef der SMAD. Im März 1946 zum Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte und stellvertretenden Minister für Verteidigung der UdSSR ernannt131, schob ihn Stalin noch 1946 als
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Maljarow, Dejatelnost 1964, S. 82 ff. Nebenbei sei festgehalten, daß Stalin Schukow in dieser Frage im Februar 1946 telefonisch konsultierte. Schukow wählte diesen Posten selbst aus. Vgl. Nowikow/Stalinu/30. 4. 1946, in: Wojennyje archiwy 1/1993, S. 177-183. Schukow verließ Berlin im April 1946, vgl. Schukow, Wospominanija i rasmyschlenija 1970, S. 727
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Zentrale Einrichtungen
Chef des Kiewer Militärbezirks in die Provinz ab132. Der genaue Hintergrund dieser Entscheidung liegt noch im Dunkeln. Ohne Zweifel besaß Schukow als SMAD-Chef im Verhältnis zu seinen Nachfolgern den größten Handlungsspielraum: Er sollte kein „Laufbursche sein", wie sich Stalin gegenüber Dwight D. Eisenhower 1945 ausdrückte133. Auch hatte der Marschall einen besonders „guten Draht" zu Stalin, mit dem er in den letzten Kriegsmonaten fast täglich telefonierte134. Wahrscheinlich nutzte er seine Vollmachten aus, denn Eisenhower berichtet über eine Brüskierung des Politischen Beraters und stellvertretenden Außenministers Wyschinski, den Schukow wie andere Mitarbeiter in Anwesenheit ausländischer Gäste aus dem Zimmer wies, um mit seinem Kriegskameraden unter vier Augen sprechen zu können135. Vor deutschen Konferenzteilnehmern offen ausgetragene, aber auch interne Kontroversen mit Serow oder Schukows Zusammenstoß mit dem Abwehr-Chef und stellvertretenden Verteidigungsminister Abakumow, dem er Ende 1945 die Arbeit in den ihm unterstellten Truppen untersagte136, belegen nicht nur seine Konfliktfreude, sondern darüber hinaus, daß er die bestehenden hierarchischen und fachlichen Ordnungsstrukturen ignorierte. Stalin mißtraute Schukow schon während des Krieges und ließ ihn durch den Sicherheitsapparat überwachen. Den Ausschlag für die Degradierung Schukows gab letzdich wohl Stalins Eifersucht gegenüber dem erfolgreichen Heerführer, der bei der Siegesparade am 24. Juni 1945 als Verkörperung des „Wunders des Sieges" wie der Heilige Georg (und stellvertretend für Stalin, der sich nach einer Anekdote seines Sohnes Wassili nicht aufs Pferd traute) auf einem Schimmel über den Roten Platz geritten war. 1946 strengte der inzwischen zum Minister für Staatssicherheit aufgestiegene Abakumow137 auf der Grundlage heimlich abge-
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Vgl. Wolkogonow,
Dmitri A.: Stalin:
Triumph
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Tragödie.
Ein
politisches Porträt,
Düsseldorf, 1989, S. 634; Medwedew, Roy: Das Urteil der Geschichte, Bd 3, Berlin, 1992,
S. 294. Schukow wurde ebenfalls beschuldigt, „englischer Agent" zu sein bzw. an einer antistalinistischen Verschwörung beteiligt gewesen zu sein. Den Hintergrund der Affäre bildeten geheimdienstliche Untersuchungen über einige Fälle von Korruptionsverdacht unter sowjetischen Generälen im Zusammenhang mit deren persönlicher „Kriegsbeute", aber auch eine vertuschte Mißwirtschaftsaffäre in der sowjetischen Luftwaffe. Nach anderen Angaben wurde Schukow zuerst nach Odessa geschickt, er kommandierte dann noch andere Militärbezirke. Vgl. auch Simonow, Aus der Sicht 1990, S. 324. Eisenhower, Dwight D.: Kreuzzug in Europa, Amsterdam 1948, S. 527 Schukow, Wospominanja i rasmyschlenija 1970, S. 658. Vgl. ebenda, S. 536 und Iwanow, Robert F.: Polkowodzy. Schukow i Eisenchauer, in: Meschdunarodnaja schisn 4-5/1995, S. 47-53, hier S. 51. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 168. Über Abakumows Absicht, in der SBZ ein vom NKWD unabhängiges Parallelnetzwerk der Smersch zu schaffen, beschwerte sich Serow bei Berija schon im Sommer 1945. Vgl. Serow/Berija/22. 6. 1945, in: GARF, r 9401/1/2202, Bl. 271. Berija intervenierte deshalb am 30. Aug. 1945 bei Stalin. Vgl. auch Sudoplatow, Handlanger 1994, S. 360. Abakumow, Wiktor Semjonowitsch (1908-1954), 1941-43 Chef der Sonderabteilung und stellvertretender Volkskommissar für Inneres (NKWD), 1943-46 Chef der Hauptverwaltung Gegenspionage (Smersch) und stellvertretender Volkskommissar für Verteidigung, 1946-51 Minister für Staatssicherheit der UdSSR, danach verhaftet, 1954 hingerichtet. -
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Telefongespräche gegen Schukow ein Verfahren wegen angeblicher „Verschwörung der Militärs" an, Stalin legte allerdings sein Veto ein. Allgemein ging es darum, den Einfluß der Militärs auf politische Entscheidungen einzudämmen. 1951 wurde Schukow ins politische Leben zurückgeholt, 1952
hörter
kehrte er auch ins ZK der WKP(B) zurück, dem er bereits zwischen 1941 und 1946 als Kandidat angehört hatte. Er beteiligte sich führend am Sturz Berijas und wurde 1953 wieder Erster Stellvertreter, 1955 schließlich Minister für Verteidigung der UdSSR. Im Juni 1957 inszenierte er in Zusammenarbeit mit dem von Serow geleiteten KGB und mit Rückendeckung der Armee abermals einen Staatsstreich, um den durch die Molotow-Malenkow-Gruppe entmachteten Ersten Sekretär der KPdSU Chruschtschow wieder ins Amt zu bringen138. Im Oktober 1957 versetzte jedoch dieser den als eigensinnig geltenden Marschall mit einem Überraschungscoup in den Ruhestand; damit verlor Schukow auch seinen Sitz im ZK und im Präsidium des ZK der KPdSU.139 Marschall Sokolowski machte als Berufssoldat eine Stabsoffizierskarriere. Im Februar 1941 wurde er stellvertretender Generalstabschef und anschließend Armeekorpskommandeur. 1945 war er Erster Stellvertreter und von März 1946 bis März 1949 Oberbefehlshaber der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland sowie Oberster Chef der SMAD. Im März 1949 avancierte er zum Ersten stellvertretenden Minister für Streitkräfte (ab Februar 1950 des Kriegsministers) der UdS SR. 1952-60 war er Generalstabschef und in dieser Funktion Erster Stellvertreter des Kriegsministers (ab 1953 des Verteidigungsministers), anschließend bis zu seinem Tod Generalinspekteur im Verteidigungsministerium. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger auf dem SMADPosten galt er als politisch nicht ambitioniert sowie als besonnener und geschmeidiger Verhandlungspartner. Sokolowski verfügte nicht nur über ein hervorragendes Organisationstalent, sondern genoß als Strategie-Theoretiker auch im Westen ein hohes fachliches Ansehen. Sein Amtsnachfolger in der SMAD-Führung Armeegeneral (ab 1955 Marschall der Sowjetunion) Tschujkow war ebenfalls Berufssoldat. Im Krieg nahm er als Kommandeur einer Panzer-Stoßarmee an der Stalingrad- und der Berlin-Schlacht teil und gewann dabei den Ruf eines Draufgängers. 1945-46 zunächst Chef der SMAD in Thüringen, war er 1946-49 Stellvertreter bzw. Erster Stellvertreter des Oberbefehlshabers und von März 1949 bis 1953 Oberbefehlshaber der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland, vom März bis Oktober 1949 gleichzeitig Oberster Chef der SMAD und anschließend bis 1953 Vorsitzender des Nachfolgeorgans Sowjetische Kontrollkommission in Deutschland (SKK). 1953-60 fungierte er als Chef des Militärbezirks Kiew auch dies, wie bei Schukow, eine Art Degradierung des ehrgeizigen Troupiers, der sich mit seinen trockenen Umgangsformen in der Armee auch Feinde ge-
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Vgl. Sto sorok bessed s Molotowym. Is dnewnika F. Tschujewa, Moskwa 1991, S. 354f. und Chruschtschow, Sergei: Nikita Chruschtschow: Krisissy i rakety, Moskwa 1994, Bd. 1,
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Ebenda, Bd. 1, S.
S. 310ff.
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schaffen hatte. Ab 1960 war Tschujkow Chef der Infanterie und stellvertretender Verteidigungsminister der UdSSR und ab 1972 Generalinspekteur im Verteidigungsministerium. Schukow sei die Arbeit in der SMAD eher lästig gewesen, gab sein früherer Ordonanzoffizier preis, lieber als in Karlshorst habe er sich beim Truppenhauptquartier in Potsdam aufgehalten. Anders sein Nachfolger Sokolowski, der viel von Stabsorganisation verstanden und deshalb die Truppenarbeit an seinen Stellvertreter Tschujkow delegiert habe.140 Tschujkow wiederum, so sein ehemaliger Dolmetscher, habe später als Chef der SKK drei Tage in Berlin-Karlshorst und drei Tage als Truppenchef in Wünsdorf residiert.141 Auch Karrieredaten der Spitzenkräfte innerhalb der SMAD erlauben recht aufschlußreiche Einblicke insbesondere in die Fachstruktur der Besatzungsverwaltung. Sokolowskis Nachfolger in der Position des Ersten Stellvertreters des SMAD-Chefs Generaloberst Kurotschkin verließ im März 1947 Karlshorst.142 Er bekleidete in der Sowjetunion höchste Kommandoposten, 1951 wurde er stellvertretender und 1954 Chef der Generalstabsakademie „Frunse". Nach einem kurzen Zwischenspiel im Oberkommando der Streitkräfte des Warschauer Paktes 1968-70 wurde er Mitglied der Generalinspekteursgruppe im Verteidigungsministerium. Kurotschkins Nachfolger als Erster Stellvertreter Generalleutnant M. I. Dratwin, zuvor Stabschef der SMAD, soll ein Verwaltungsfachmann ohne persönliche Note gewesen sein; er bekleidete nicht mehr, wie bis Mai 1947 seine Vorgänger, neben dem Stellvertreter-Posten in der Besatzungsadministration auch jenen bei den Besatzungstruppen. Im Bereich Demilitarisierung, zuständig für die Auflösung der Wehrmacht und der deutschen militärischen Einrichtungen, wurden höchste Berufsoffiziere des Truppenkommandos verwendet. Die Tatsache, daß zwei bzw. drei der Positionsinhaber bereits in der zaristischen Armee Berufssoldaten gewesen waren, unterstreicht den militärisch-fachlichen Schwerpunkt dieses Aufgabenkomplexes. Die nominellen Chefs der Landesverwaltungen der SMAD waren ebenfalls Truppenkommandeure, einige amtierten in den fünfziger Jahren als Oberbefehlshaber sowjetischer Militärbezirke (Gorbatow, Bogdanow, Fedjuninski, Kusnezow, Kassakow). Im Konflikt zwischen Chruschtschow und Schukow 1957/1958 gingen westliche Militärfachleute von einer besonderen Kohärenz der Gruppe der aus Deutschland zurückgekehrten Generäle aus. Im Zuständigkeitsbereich des Stellvertreters des Obersten Chefs für Fragen der Zivilverwaltung muß zumindest für die Jahre 1945-48 die eigentliche technische Schaltzentrale der Besatzungsverwaltung gesehen werden. Hier war insbesondere die Befehlsgewalt über die Landes- bzw. Provinzverwaltun-
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Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 32. Persönliche Mitteilung von A. J. Bogomolow, Juni 1993. Vgl. auch Berlin, June 5, 1947/No. 10103/Subject: New Appointments in Soviet Military Administration, Germany, in: BAK, OMGUS/POLAD 778/46. Nach: Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 32, im Mai 1947; nach: Wiskow/Kulbakin, Sojusniki 1990, S. 71, Mitte 1947 -
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gen und die Kommandanturen und somit die oberste Kontrollinstanz für die deutsche Verwaltung in der SBZ konzentriert. Stellvertreter für Fragen der Zivilverwaltung war in den Jahren 1945 bis 1947 der knapp vierzigjährige Geheimdienst-Generaloberst Iwan Alexandrowitsch Serow. Die einzelnen Stationen der Karriere Serows spiegelten die Brennpunkte des innenpolitischen Geschehens in der Sowjetunion wider: Als Berufssoldat absolvierte er 1939 die Generalstabsakademie der Roten Armee und wurde noch im gleichen Jahr Volkskommissar des Innern der Ukraine, wo er als Mitglied des Obersten Sowjets und des Politbüros die Bekanntschaft Schukows machte. Nachdem er in leitender Stellung die Eingliederung der ehemals polnischen Gebiete in der Westukraine und in Weißrußland vollzogen hatte, die aufgrund des Stalin-Hit-
Sowjetunion gekommen waren (wobei er bei der Organisation Umsiedlungsaktionen für Volksdeutsche von Amts wegen auch Kontakte mit deutschen Dienststellen pflegte143), wurde er mit der verwaltungstechnischen Eingliederung der drei baltischen Republiken in den sowjetischen Staatsverband beauftragt. 1941 stieg Serow zum Kandidaten des ZK der WKP(B) sowie zu einem der Stellvertreter Berijas als Volkskommissar für Staatssicherheit bzw. des Innern auf, und im Oktober 1941 ernannte ihn Stalin zum Chef der Verteidigung der Moskauer Zone. Als Kommandeur von NKWD-Sperrverbänden (NKGB-Kommissar 3. Ranges) wurde er im Krieg an verschiedenen Frontabschnitten für Spezialaufgaben verwendet: So leitete er beispielsweise die Evakuierung der Industrieanlagen aus seiner Heimatstadt Stalingrad, aber auch die Deportation mehrerer nationaler Minderheiten innerhalb der Sowjetunion. Trotz zahlreicher Kampfeinsätze an besonders heiklen Frontabschnitten gewann er den Ruf des führenden Spezialisten für Gleichschaltungs-, Normalisierungs- und Sowjetisierungsmaßnahmen. Diese Tätigkeit übte Serow gegen Ende des Krieges auch u. a. in der Ukraine, im Baltikum und in Polen im Rücken der vorrückenden Truppen aus. In allen diesen Ländern gilt noch heute sein Name als Synonym für Wortbruch und Willkür.144 Dennoch ist es ler-Paktes
zur
von
nicht einfach, Iwan Serow, der in internen Berliner SMAD-Kreisen verschiedentlich mit dem Beinamen „Iwan der Schreckliche" bedacht wurde, gerecht zu werden. Zwar gehörte er zur Führungsspitze des sowjetischen Repressionsapparates, doch scheint er sich von seinen Fach-Genossen als Stabsoffizier sowohl durch seinen ordentlichen Werdegang als auch aufgrund eines verglichen mit anderen Karrieren in diesem Milieu sachlichen Verhältnisses zu seinem Aufgabengebiet unterschieden zu haben. Nominell war Serow ab 22. April 1945 Stellvertreter für Zivilverwaltung, zunächst bei der Heeresgruppe Schukow und dann bei der SMAD, ihm war der gesamte Repressionsapparat in der SBZ einschließlich der NKWD-/ MWD-Truppen unterstellt. Während seiner Tätigkeit in Deutschland, der er -
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Vgl. Chruschtschow erinnert sich. 1992, S. 140. In besonderem Maße gilt dies für Polen, wo er im März 1945 in einem Täuschungsmanöver die führenden Inlandsvertreter der Londoner Exilregierung festnehmen ließ. In Moskau wurden sie dann wegen angeblicher Diversion im Rücken der Roten Armee verurteilt.
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zumindest bis Frühjahr 1947 schwerpunktmäßig in Berlin und dann offenbar weiterhin als nomineller Stellvertreter des Obersten Chefs für Zivilangelegenheiten noch von seinem Sessel im Moskauer Innenministerium aus nachging,145 war er (bis 1954) gleichzeitig Erster stellvertretender sowjetischer Volkskommissar/Minister des Innern und somit sein eigener unmittelbarer Dienstvorgesetzter in seiner SMAD-Position; er pendelte mit dem Flugzeug zwischen Berlin und Moskau.146 Aufgrund seiner Funktionsstellung war er einer der Stellvertreter des Oberbefehlshabers der sowjetischen Besatzungsstreitkräfte; involviert war Serow außerdem in alle Tätigkeitsbereiche der SMAD, soweit sie für die sowjetischen Interessen von besonderer Revelanz waren. In den Westzonen rekrutierte er beispielsweise Fachleute für die Raketen- und Düsenantriebsforschung. 1947/48 stand er nach Telegin und Schukow im Visier von Abakumow, der seinen früheren Sekretär im Frühjahr 1948 verhaften ließ. Serow wehrte sich erfolgreich, als er in einem Schreiben an Stalin, den er persönlich kannte, Abakumow jenen Amtsmißbrauch vorwarf, der ihm von diesem zur Last gelegt wurde: Vergehen am Trophäeneigentum.147 1956/57 war Serow an führender Stelle verantwortlich für die Niederschlagung des Ungarischen Volksaufstands. Der agile Geheimdienstler, der in der Ukraine schon 1939 eng mit dem späteren KPdSU-Chef Nikita S. Chruschtschow zusammengearbeitet hatte, wurde der Erbe seines Lehrmeisters Berija, an dessen Sturz er maßgeblich beteiligt war und von dessen Anhängern er dann den sowjetischen Geheimdienst säuberte. Als Begründer und erster Chef des Komitees für Staatssicherheit (KGB) beim Ministerrat der UdSSR 1954-58 avancierte der 1955 zum Armeegeneral beförderte und 1956 zum Mitglied des ZK der KPdSU gewählte Offizier 1958 zum Chef des militärischen Geheimdienstes der sowjetischen Armee (GRU). In dieser Position sowohl von militärischen wie auch geheimdienstlichen Kreisen als Fremdkörper abgelehnt, wurde gegen ihn 1962 die sogenannte Penkowski-Affäre benutzt.148 In berufs-
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Daß Serow noch im Sommer 1947 in der SMAD ein gewichtiges Wort mitzureden hatte und auch damals noch vom Politbüro mit „Sonderaufgaben" betraut wurde, ist auch belegt in: Tokajew, G. A.: Comrade X, London, o.J., S. 327ff. Serow dürfte etwa im September 1947 die SBZ verlassen haben. Als SMAD-Mitarbeiter wurde er noch genannt in: HQ Berlin Command OMGUS/Special Intelligence Report/Organization of the Soviet Military Government for Germany/27 Sept 1947, in: BAK, OMGUS/AGTS 53/3/1-2. In amerikanischen Quellen wird verschiedentlich Generaloberst Kobulow als Nachfolger Serows in der Position des Stellvertreters für Zivilangelegenheiten genannt. In amtlichen Unterlagen wird Kobulow zwar als Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD tituliert, doch zunächst ohne jede nähere Funktionsbezeichnung. Kruglow/Stalin/13. 2. 1947, in: GARF, r 9401/2/168, Bl. 341: Serow habe sich 1946 die meiste Zeit in Deutschland aufgehalten, wo er die Arbeit der operativen Gruppen des MWD geleitet habe. „Nach Übergabe des operativen Sektors des MWD an das MGB durch ZKBeschluß vom 20. 8. 1946 könne Serow nach Moskau zurückkehren. Bitte um Bestätigung als 1. Stellvertreter MWD." Serow/Stalinu/8. 2. 1948, in: Wojennyje archiwy 1/1993, S. 208-213. Der GRU-Oberst Oleg W Penkowski war 1961-62 für den britischen Geheimdienst tätig und 1963 wegen Spionage zum Tod verurteilt worden. Er war mit Serow persönlich be-
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spezifischer Weise starb er dann auch gleich mehrere Tode: So soll er in einem Geheimprozeß zum Tod verurteilt, nach anderen Quellen 1963 entlassen und 1965 aus der KPdSU ausgeschlossen worden sein. Eine weitere Quelle weiß
einem Selbstmord im Zustand der Trunkenheit zu berichten, der zeitlich dem Parteiausschluß stattgefunden haben müßte. Tatsächlich starb er nach Parteiausschluß und Degradierung zum Generalmajor 1990 eines natürlichen Todes.149 Oberst Kabanow, der im Frühjahr 1948 Serow in der Funktion des Stellvertreters des Obersten Chefs der SMAD für Zivilangelegenheiten ablöste,150 war zuvor Chef der Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft der SMAD. Der erste Gehilfe des Obersten Chefs für ökonomische Fragen Maxim S. Saburow fungierte schon im Krieg als führender Berater Stalins für Wirtschaftsfragen und Experte des Staatlichen Verteidigungskomitees für die Evakuierung von Wirtschaftsunternehmen, später im Besonderen Komitee für die Sicherstellung von industriellem Beutegut. 1941-44 und 1949-56 (mit kurzer Unterbrechung 1953) war Saburow Chef der Staatlichen Planungskommission (Gosplan), 1947 stieg er zu einem der insgesamt zwölf stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR auf. Der weiteren Karriere in der Staatsund Parteihierarchie im Gefolge Malenkows folgte ein jäher Sturz 1957 Sein Nachfolger bei der SMAD K. I. Kowal war ab 1941 stellvertretender Volkskommissar für Schwerindustrie der UdSSR und 1945 zunächst unter Saburow stellvertretender Leiter der Zentrale der ministeriellen Spezialkomitees in Deutschland. Er blieb für einige Zeit der einzige Zivilist in der Führungsspitze der SMAD. Er trat kaum in Erscheinung, sondern wirkte als agiler Wirtschaftsfachmann vor allem im Hintergrund. Nach seiner Rückkehr nach Moskau wurde Kowal stellvertretender Minister für Außenhandel und später stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Planungskomitees der UdSSR.151 Durch Ministerratsbeschluß vom 26. Mai 1947 wurde Generaloberst Bogdan S. Kobulow, damals stellvertretender Chef der Hauptverwaltung für sowjetisches Vermögen im Ausland, zum Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD für die Sowjetischen Aktiengesellschaften in Deutschland ernannt.152 Kobulow, ein alter Kampfgenosse Berijas aus Georgien und dort zunächst Volkskommissar für Inneres, stieg Ende der dreißiger Jahre zum Leiter der Besonderen Untersuchungsabteilung und zum ersten Stellvertreter des Volkskommissars für Inneres der UdSSR auf. Im Baltikum wie anschließend in Berijas Volkskommissariat arbeitete er eng mit Iwan A. Serow zusammen, nach von vor
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kannt. In letzter Zeit tauchten Gerüchte auf, daß ein geheimdienstliches Spiel zur Beilegung der Kuba-Krise den Hintergrund der Affäre bildete. Vgl. auch: Baschan, Oleg: Sluga lbo fragmanti schittja generala Serowa, in: S archiwiw WUTschK-GPU-NKWD-KGB 1/1994, S. 229-240. Kabanow wurde in internen Unterlagen zum ersten Mal am 27 März 1948 als Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD genannt, vgl. Rasdatotschnaja wedomost No 1115 Apr. 1948, in: GARF 7217, 59/5, Bl. 110-112. Vgl. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 39. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 32.
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er angeblich von Abakumow aus dem Nachrichtendienst verdürfte er in Deutschland weiterhin geheimdienstlich täGleichwohl drängt.153 denn neben seinen Fachkollegen Abakumow und Merkulow tig gewesen sein, dem von Wyschinski einer Sonderkommission des Vorsitz er unter gehörte Ministerrates an, die die Aufgabe hatte, im Nürnberger Prozeß sowjetischen Interessen schädliche Diskussion zu verhindern.154 Nach den jede sowjetischen Stalins Tod wurde Kobulow, der nach wie vor in engen Beziehungen zu Berija stand, mit dem er sich nach Aussage eines Mitarbeiters grundsätzlich auf Grusinisch unterhalten habe, aus Berlin in das Amt des Leiters der Hauptverwaltung für Staatssicherheit im sowjetischen Inneministerium und zum Stellvertreter des Innenministers Berija berufen. Im Dezember 1953 wurde Kobulow
1945 wurde
Berija wegen „Hochverrats" erschossen. Die Mitte 1948 neu ernannten Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD, Kurmaschow und M. J. Pereliwtschenko, waren bereits ab 1945 in der SMAD tätig und kamen aus der hohen Ministerialbürokratie. Von den Politischen Beratern wurde der berüchtigte Generalstaatsanwalt der Moskauer Schauprozesse der dreißiger Jahre Andrei Ja. Wyschinski, der als erster stellvertretender Außenminister schon im Mai und Juni 1945 in Berlin weilte, 1949-53 sowjetischer Außenminister. Wyschinski genoß das besondere Vertrauen Stalins und soll als sein Aufpasser fungiert haben.155 Durch Beschluß des Politbüros vom 6. August 1945 wurde Arkadi Soboljow und am 15. Mai 1946 schließlich Semjonow zu seinem Nachfolger bestimmt. Auch Andrei Andrejewitsch Smirnow hielt sich kurzzeitig in Deutschland auf; er war Berater des Oberbefehlshabers der 1. Belorussischen Front Marschall Schukow (analog zu Semjonow, Berater des Oberbefehlshabers der 1. Ukrainischen Front Marschall Konew156). Smirnow war bereits 1937-41 als Presseattache bzw. Botschaftsrat in Berlin tätig gewesen, anschließend Botschafter im Iran und 1943-49 Leiter der III. Europäischen Abteilung des sowjetischen Volkskommissariats/Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten. Als Leiter dieser Abteilung und Mitglied des Kollegiums im sowjetischen Außenministerium sowie als stellvertretender Außenminister der Russischen Sowjetrepublik (RSFSR) war er später auf Fragen des Friedensvertrages mit Deutschland spezialisiert. 1949 wechselte Smirnow zur Außenpolitischen Kommission im ZK der WKP(B) über, deren stellvertretenden Vorsitz er übernahm. 1956 ging er als Botschafter zunächst nach Österreich und noch im gleichen Jahr nach Bonn; 1968 avancierte er zum stellvertretenden Außenminister der UdSSR. Botschafter Arkadi Alexandrowitsch Soboljow, der in amtlichen Quellen ausdrücklich auch als Chef der Politischen Abteilung beim Politischen Berater der SMAD genannt wurde und damit nach dem Reglement zunächst erster mit
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Sudoplatow, Handlanger 1994, S. 390, S. 392. Waksberg, Arkadi: Gnadenlos. Andrei Wyschinski
Mörder im Dienste Stalins,
Gladbach 1991, S. 362f. Ebenda, S. 353f, 362f. Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow 1995, S. 165.
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Stellvertreter des Beraters war, scheint in diese Position nach der Abberufung Wyschinskis zum 15. August 1945 aufgestiegen zu sein.157 Er war erst Ende der dreißiger Jahre in den diplomatischen Dienst eingetreten und hatte als erfolgreicher Sonderbotschafter auf dem Balkan eine Blitzkarriere gemacht; bis 1945
hatte er als Berater an der sowjetischen Botschaft in London gewirkt. 1946-49 stellvertretender Generalsekretär der UNO, danach vorübergehend in Moskau, 1951-53 Botschafter in Warschau. 1953-54 arbeitete Soboljow als Leiter der Amerika-Abteilung des Außenministeriums wieder in Moskau, bevor er 1954-60 kurze Zeit als stellvertretender und dann als Chefdelegierter der UdSSR bei der UNO amtierte, um als stellvertretender Außenminister der UdSSR seine Laufbahn zu beschließen. Botschafter Semjonow kam ebenfalls bereits im April 1945 in die SBZ und wurde durch Beschluß des Politbüros vom 2. September 1945 zum ersten stellvertretenden Politischen Berater und Chef der Politischen Abteilung ernannt. Ab 15. Mai 1946 bestellte ihn das Politbüro zum Politischen Berater, was der Ministerrat am 31. Mai 1946 ratifizierte.158 Seine ersten diplomatischen Erfahrungen sammelte er vergleichbar mit Generaloberst Serow als politischer Berater in den baltischen Republiken. Aus seiner Tätigkeit an der sowjetischen Botschaft in Berlin 1940-41, als Abteilungsleiter im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten 1941-42 und anschließend an der sowjetischen Botschaft in Stockholm, wo er, in die Sonderfriedenssondierungen einbezogen, auch während des Krieges politische Kontakte mit Deutschen hielt, war er mit der deutschen Materie bestens vertraut. Semjonow blieb bis 1953 Politischer Berater des Vorsitzenden der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland und wurde nach ihrer Auflösung 1953 zum Hohen Kommissar der UdSSR in Deutschland bestellt. Danach war er 1955-78 stellvertretender Außenminister und 1978-86 Botschafter der UdSSR in der Bundesrepublik. Von den Stellvertretern des Politischen Beraters sind insbesondere Georgi Petrowitsch Arkadjew, gleichzeitig stellvertretender Leiter der Wirtschaftsabteilung des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten und Generalsekretär der Interalliierten Reparationskommission der UdSSR, Botschaftsrat Nikolai Wassilewitsch Iwanow, der bis Herbst 1947 als Stellvertreter des Politischen Beraters in Berlin wirkte,159 sowie sein Nachfolger Michail Grigorewitsch Gribanow zu erwähnen.160 Arkadjew stieg nach wichtigen Zwischenstationen zu Beginn der sechziger Jahre zum höchsten sowjetischen Beamten im Generalsekretariat der UNO auf, Gribanow war später Leiter der III. Europäischen Abteilung des sowjetischen Außenministeriums. Anzuführen ist ferner Generalmajor Leonid Andrejewitsch Malinin, der als nomineller Stellvertreter des Politischen Beraters und sein zeitweiliger Vertreter im Amt zwiwar er
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Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 29. Ebenda, S. 29.
bis 1941 Botschaftsrat beim sowjetischen Botschafter in Berlin W. G. vgl. Nadolny, Rudolf: Mein Beitrag, Wiesbaden 1955, S. 178. Vgl. Vernehmung General Dastich, in: BAK, OMGUS/POLAD 32/1. Iwanow
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sehen Anfang 1946 und Anfang 1948 unter dem Decknamen „(General) Georgiew"161 insbesondere zu führenden CDU-Politikern aus Ost und West geheime Kontakte pflegte und nach den Wahlen vom Herbst 1946 als Propagandist eines „moderaten deutschlandpolitischen Kurses" wahrgenommen wurde162; zu seiner Vita ließen sich allerdings außer der Bestätigung seiner amtlichen Existenz keine Daten eruieren. Auch der Berufsdiplomat Sergei Michailowitsch Kudrjawzew spielte eine wichtige Rolle; er war bereits ab 1945 im Stab des Politischen Beraters tätig und wurde 1947 als dessen Stellvertreter genannt.163 Danach war Kudrjawzew im Zentralapparat des sowjetischen Außenministeriums tätig, 1952-55 als führender politischer Vertreter der UdSSR in Österreich, 1955-57 und 1965-67 im Rang eines Gesandten Berater an der sowjetischen Botschaft in der Bundesrepublik. Als Stellvertreter des Politischen Beraters wird neuerdings auch -
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rjie Funktion „Georgiew"-Malinins ist mysteriös. Die Moskauer Prawda brachte am 15. Feb. 1948 eine TASS-Meldung, nach der das Informationsbüro der SMAD einen Bericht der Nachrichtenagenturen DENA, Reuter u.a. dementiert habe, daß eine geheime Beratung zwischen dem Politischen Berater des OMGUS Robert Murphy und dem Politischen Berater der SMAD stattgefunden habe. Diese Meldung sei laut TASS frei erfunden. Das Treffen zwischen Malinin und Murphy fand tatsächlich am 16. Jan. 1948 statt. Malinin sei bestrebt gewesen, ein Treffen zwischen Truman und Stalin zu arrangieren, der schwer krank sei und als „soft negotiator" Schwierigkeiten mit Molotows außenpolitischer Konzeption „attack, attack, attack" habe (vgl. Memorandum/Private informal meeting of Soviet Brigadier General L. A. Malinin with Ambassador Murphy and members of POLAD and CIV at the Ambassadors's home, January 16, 1948, in: PRO London, 260/3/1771/4). Bei dieser Gelegenheit wurde Malinin fotografiert und durch deutsche Politiker als „General Georgiew" zweifelsfrei identifiziert. In OMGUS-ODI/Weekly Intelligence Report No 74/11 Oct. 1947, in: PRO London, RG 319/Box 1623 wird Malinin als Vertreter und Koordinator des sowjetischen Außenministeriums bei der SMAD bezeichnet. Bereits am 14. Okt. 1946 berichtete Murphy über ihn nach Washington in Zusammenhang mit Hinweisen auf neue Trends in der Haltung der SMAD gegenüber der CDU (vgl. Robert Murphy/James W Riddleberger/Berlin, Oct. 14, 1946, in: RG 84/POLAD/459/7/1). Im Nov. 1947 sprach „Georgiew" gegenüber deutschen Politikern von der Notwendigkeit einer neuen Partei in der SBZ, damit verband er scharfe Kritik an der SED, allerdings sei General Paulus der in Stalingrad kriegsgefangene Generalfeldmarschall, der 1953 in die DDR zurückkehren sollte nicht zur Kooperation bereit. Vgl. OMGUS-ODI/Weekly Intelligence Report No 87/10. January 1948, in: PRO London, RG 319/Box 1624. Zu Kontakten mit Georgiew siehe auch: Friedensburg, Deutschlands Einheit 1971, S. 93f. und Schlemmer, Thomas: Aufbruch, Krise und Erneuerung. Die Christlich-Soziale Union 1945 bis 1955, München 1998, S. 97 Nadolny, Beitrag 1955, S. 178, berichtete, daß er schon Ende 1945 Kontakte mit dem Legationsrat Georgiew gehabt habe. Murphy stellte sich Malinin als Absolvent der Diplomatenschule und ehemaliger Divisionskommandeur vor. Er habe für den „höchsten Parteivertreter in Deutschland Georgiew" oft Dolmetscherdienste übernommen, daher hielten ihn Deutsche für „Georgiew". Russischen Akten ist zu entnehmen, daß Malinins Planstelle bei der SMAD in die Kompetenz des NKGB/MGB fiel. Vgl. auch Nadolny, Beitrag 1955, S. 178-182. Nadolny berichtet, daß ihn Semjonow mit „Georgiew"-Malinin bekanntgemacht habe. Als dieser Kanal zum sowjetischen Außenministerium durch die Abberufung „Georgiews" unterbrochen wurde, schlug Semjonow die Fortsetzung der Verbindung mit „Georgiews" Nachfolger Gribanow vor. Vgl. Diplomatitscheski slowar, Moskwa 1986, Bd. II, S. 120. -
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Organisationsstruktur
genannt;164 als Geheimdienst-Oberst war er 1945-46 für kurze Zeit Vorgänger von Generalmajor L. A. Malinin. In Wirklichkeit waren
A. M. Korotkow
Korotkow, Malinin und Rasin Residenten der sowjetischen Auslandsaufklärung in der SBZ165, ihre SMAD-Positionen dienten der Tarnung.
Weitere hier zu nennende Spitzenvertreter der SMAD sind Generalleutnant Wassili Je. Makarow, Generalleutnant Fjodor Je. Bokow, Generalleutnant K. F. Telegin, Generalleutnant I. M. Ponomarjow und Generaloberst Michail Sergejewitsch Malinin. Makarow, Stellvertreter des Obersten Chefs für politische Angelegenheiten, von April 1946 bis Januar 1947 zugleich Mitglied des Kriegsrats der GSOWG/SMAD, von Beruf Planungsökonom und Parteifunktionär, war ein hochrangiger politischer Offizier. Ab 1940 gehörte er dem Komitee für Staatskontrolle an und war stellvertretender Volkskommissar der UdSSR für Staatskontrolle, im Krieg wirkte er zuletzt als Mitglied des Kriegsrats der 3. Ukrainischen Front. Nach seinem Berliner Zwischenspiel bekleidete er 1948-50 das Amt des stellvertretenden Chefs der Politischen Hauptverwaltung der Sowjetischen Armee, danach war er kurze Zeit im ZK-Apparat der WKP(B) gewesen, bevor er 1951 für Kaderfragen zuständiger stellvertretender Minister für Staatssicherheit wurde. Im Januar 1952 wechselte Makarow ins Verteidigungsministerium als Stellvertreter des Ministers für politische Aufgaben, wo er bis zu seiner Pensionierung 1962 blieb. Von den Kriegsratsmitgliedern war Fjodor Je. Bokow, ein Absolvent der militärpolitischen Akademie, ebenfalls politischer Offizier. Er soll nach der für die SED ungünstigen Berliner Wahl vom Oktober 1946 von seinem Posten abberufen und in seiner SMAD-Funktion zu Jahresanfang 1947 durch Makarow der allerdings schon ab April 1946 in Berlin wirkte abgelöst worden sein.166 1947 -49 bekleidete Bokow Kommandoposten in der Provinz, anschließend wurde er für einige Jahre inhaftiert. Danach konnte er seine militärische Laufbahn fortsetzen. Auch Generalleutnant K. F. Telegin, 1945 Mitglied des Kriegsrates der GSOWG, war Zögling der militärpolitischen Akademie und politischer Offizier innerhalb der Truppen des NKWD. Er gehörte 1945 in Berlin dem engsten politischen Führungsstab um Schukow an.167 Im Oktober kam es zu einem Zusammenstoß mit Serow, der Telegin Bereicherung an Trophäengut vorwarf.168 Nach seiner Abberufung wurde Telegin 1947 aus der Armee entlassen und war 1948-53 in Haft. Danach wurde er nur noch im Ausbildungswesen verwendet und schon 1956 in den Ruhestand versetzt. Generalleutnant I. M. Ponomarjow, der ver-
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164 165
Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 29. Vgl. Murphy, David E./Kondraschev, Sergei A./Bailey George: Battleground Berlin. CIA
KGB in the Cold War, New Haven, London 1997, S. 21, 33, 47 1950 nahm diese Funktion Iljitschow wahr, der ebenfalls als Stellvertreter des Politischen Beraters getarnt war. So: Secret, 22 January 1947, in: BAK, OMGUS/ODI 7/24-3/1-5. Über Rapporte vor Schukow, Soboljow und Telegin im Zusammenhang mit der Vereinigungskampagne berichtete auch Tjulpanow, S. I.: Deutschland nach dem Kriege (1945-1949), Berlin (Ost) 1986, S. 81. Serow/Berija/1. 11. 1945, Kopie an: Molotow, Malenkow, Bulganin, in: GARF r 9401/105, Bl. 324-327 vs.
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Zentrale Einrichtungen
schiedentlich als Mitglied des Kriegsrats genannt wurde, war Stellvertreter des Oberbefehlshabers der Besatzungstruppen für politische Angelegenheiten. Generaloberst Malinin, der Stabschef der GSOWG, der in einigen internen Verteilern als Mitglied des Kriegsrats oder gar im März 1946 als Stellvertreter
des Obersten Chefs der SMAD auftauchte,169 nahm zumindest zeitweilig eine wichtige Steüung in der SMAD ein und trat auch im Kontrollrat als sowjetischer Vertreter auf. Erinnert sei hier daran, daß die politische Arbeit innerhalb der SMAD bis Sommer 1946 von der Truppe wahrgenommen wurde. Der erste Stabschef der SMAD Generaloberst W W Kurassow stieg im Oktober 1945 zum stellvertretenden Chef der sowjetischen Besatzungstruppen in Österreich auf und wurde nach einem kurzen Zwischenspiel als Chef des militärischen Geheimdienstes GRU stellvertretender Chef der Generalstabsakademie bzw. stellvertretender Chef des Generalstabes. Sein bereits erwähnter Nachfolger Dratwin avancierte 1947 zum Ersten Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD, keine weiteren Karrieredaten sind auch über den letzten Stabschef Generalleutnant G. S. Lukjantschenko bekannt. Den Verwaltungen und Abteilungen der SMAD standen entweder Offiziere des fachmilitärischen Dienstes oder zivile Fachexperten vor. Der Leiter der Transportverwaltung beispielsweise, Generalmajor Kwaschnin, kam aus dem militärtechnischen Dienst. Die Leiter der Verwaltung für Gesundheit, Kusnezow und Sokolow, waren Militärmediziner. Der erste Chef der Abteilung, ab 1947 Verwaltung für innere Angelegenheiten, Oberst/Generalmajor Malkow, war ehemaliger Distriktleiter des NKWD. Für den wirtschaftspolitischen Bereich wurden Fachleute aus sowjetischen Ministerien und zivilen Verwaltungen ausgewählt, denen nicht allen militärische Ränge verliehen wurden. Zu ihnen gehörte Generalmajor Schabalin, der erste Leiter der Wirtschaftsverwaltung, im Zivilberuf Gewerkschaftsfunktionär, oder der Chef der Verwaltung für Außenhandel W. K. Michin, zuvor Abteilungsleiter im Volkskommissariat für Außenhandel. Finanzfachmann war ebenfalls der erste Chef der Finanzverwaltung P. A. Maletin, von Beruf Ökonom und führender sowjetischer Fernost-Experte, zugleich stellvertretender Volkskommissar der UdSSR für Finanzen. Auf eine ähnliche Karriere im fachrelevanten Volkskommissariat konnten auch Pjotr Solotjuchin, 1945-48 Leiter der Verwaltung für Volksbildung, sowie der Universitätsprofessor Karassjow an der Spitze der Rechtsabteilung zurückblicken. Stellvertretender Volkskommissar für mittelschweren Maschinenbau der UdSSR war ferner der Chef der Industrieverwaltung Alexandrow;170 der Chef der planökonomischen Abteilung M. J. Pereliwtschenko war stellvertretender Volkskommissar der UdSSR für allgemeinen Maschinenbau, der Chef der Verwaltung für Bergbau und Elektrokraftwerke I. W Kurmaschow stellvertretender Volkskommissar für Kohleindustrie, der Chef der Verwaltung für metallurgische und chemische Industrie -
169
,7°
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So z.B. im Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 88 So Klimow, Gregory: Berliner Kreml, Köln 1951, S. 214.
vom
18. März 1946.
Organisationsstruktur
136
Fedjajew Abteilungsleiter im Volkskommissariat für Schwarzmetallurgie, der Chef der Verwaltung Handel und Versorgung Kutscherenko stellvertretender Unions-Volkskommissar für Handel, der Chef der Verwaltung für Reparationen und Lieferungen Generalmajor Sorin Mitglied des Kollegiums des Volkskommissariats für Außenhandel, der Chef der Verwaltung für Landwirtschaft Tschujenkow Mitglied des Kollegiums des Unions-Volkskommissariats für Landwirtschaft.171 Auch der parteipolitisch routinierte Makarow im Kriegsrat der SMAD und der GSOWG war ehemaliger stellvertretender Volkskommissar der UdSSR für Staatskontrolle. Nachgewiesen sind ebenfalls regionale Fachminister.
Gegenüber
der UdSSR
an
den genannten dreizehn stellvertretenden Volkskommissaren der Spitze der SMAD (Wyschinski, Makarow, Serow, Kowal,
Maletín, Solotjuchin, Alexandrow, Kobulow, Kowaltschuk, Pereliwtschenko, Kurmaschow, Kutscherenko, Semjonow) nahm sich die Position von Oberst
der durch seine in der DDR-Geschichtsschreibung propagandistisch evozierte Popularität aus dem diskreten Wirken der Verwaltungschefs herausgehoben scheint, vergleichsweise bescheiden aus. Tjulpanow nahm nur insoweit eine Sonderstellung ein, als er für nach außen wirksame politische Maßnahmen zuständig war und nicht, wie der Großteil der S MAD-Vertreter, unmittelbar oder mittelbar handfeste Interessenpolitik betrieb. Im Gegensatz zu der lange gültigen Politik des „Fraternisierungsverbots" war er schon von Amts wegen gehalten, mit Deutschen Kontakte zu pflegen und in die Öffentlichkeit zu treten. Dennoch war er im wesentlichen nur Bote und Dolmetscher, der in der formalen Hierarchie der politischen Entscheidungsträger innerhalb der SMAD bestenfalls fünftrangig war und seine Position vor dem Hintergrund veränderter politischer Bedingungen erst nach Beschneidung der politischen Funktion des Kriegsrats 1947 gegenüber den „bloßen Militärs" geringfügig und auch nur für kurze Zeit aufwerten konnte. Tjulpanows angebliche Sonderstellung in der SMAD-Hierarchie wurde in den vierziger Jahren spekulativ damit erklärt, daß er gleichzeitig Leiter des Parteiaktivs der WKP(B) in der SMAD gewesen sei.172 Dies kann jedoch schon aufgrund des damaligen militärpolitischen Reglements mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden; davon abgesehen wäre es gewählten Parteifunktionären ohnehin strikt verboten gewesen, Einfluß auf Entscheidungen ernannter militärpolitischer (d.h. parteiamtlicher) Führungsorgane zu nehmen. Überhaupt widerspräche es dem damaligen sowjetischen Organisations- und Führungsverständnis völlig, ihm
Tjulpanow,
171
172
Sachlage im einzelnen nicht immer geklärt werden kann, ist generell davon auszugehen, daß diese Amtsträger der SMAD zumindest ihre bisherige Funktionsbezeichnung weiterführten und in rechtlicher Hinsicht „zur SMAD abgeordnet" wurden. Das Parteiaktiv war im Parteistatut nicht vorgesehen, deshalb ein informelles Gremium. Es handelte sich um ein wichtiges intermediäres „Beschlußorgan", weil ihm die gewählten wie die hauptamtlichen Parteifunktionäre und sofern Parteimitglieder die fachlichen Leiter einer Organisationseinheit angehörten. Effektiv kann davon ausgegangen werden, daß alle Obwohl die
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leitenden SMAD-Funktionäre der
WKP(B) angehörten.
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Zentrale Einrichtungen
137
politische Rolle innerhalb der SMAD zuzuschreiben.173 Oberst Tjulpanow, erst nach seiner Kaltstellung 1949 zum Generalmajor befördert, wurde mit 17 Jahren Berufssoldat. 1927 trat er der WKP(B) bei, absolvierte 1929 die militärpolitische Akademie der Roten Armee und war anschließend bis 1937 im Rang eines Regimentskommissars Lehrer an militärischen Einrichtungen. Nach einem Fernstudium machte er 1930 in Leningrad sein Examen in Gesellschaftswissenschaften und promovierte 1936 zum Kandidaten (Doktor) der Wirtschaftswissenschaften. Die verschiedentlich kolportierte Information, er habe Ende der zwanziger Jahre in Deutschland (Heidelberg) studiert, ist nachweislich unrichtig.1741937/38 geriet Tjulpanow in die Mühlen der innerparteilichen Abrechnungen und versteckte sich fast ein Jahr als ungelernter Kolchosarbeiter auf dem Lande. Im Herbst 1938 wurde er wieder als Lehrer an zivilen Schulen und ab 1941 im Schulungswesen der WKP(B) zugelassen. Ab Kriegsbeginn wirkte er als Leiter der 7. Abteilung der Politischen Verwaltung an verschiedenen Frontabschnitten mit wechselndem Glück, denn der ZK-Sekretär A. A. Kusnezow, ein führender Vertreter der sogenannten Leningrader Parteigruppe, zeigte sich noch 1946 sehr verwundert darüber, daß Tjulpanow überhaupt eine Stelle bei der SMAD bekommen habe, „haben wir ihn doch wegen großer politischer Fehler hinausgejagt. Er war Chef der 7. Abteilung der Leningrader Front."175 Von 1945 bis September 1949 leitete Tjulpanow die Propaganda-/Informationsverwaltung der SMAD. Nach einigen Schwierigkeiten wirkte er anschließend zunächst als Lehrer für Politökonomie an einer Leningrader Marineakademie, dann eine Zeitlang an einer Nachrichtenakademie und wurde nach seiner Demobilisierung 1957 Hochschullehrer. Die Rolle des angeblich für die Politik der SMAD entscheidend wichtigen Propagandachefs versuchte er bis zu seinem Lebensende zu spielen. Wie inzwischen bekannt geworden ist, wurde sein Name auch nachträglich in Schukows Memoiren hineingeschrieben; in seinem Manuskript erinnerte sich Schukow an den Oberst nicht.176 sogar eine initiative
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Tjulpanows Rolle stand schon immer im Zentrum der Aufmerksamkeit der Geschichtsschreibung über die SMAD und die SBZ/SED. Eine extreme Position hinsichtlich der politischen Bedeutung Tjulpanows vertritt neuerdings Loth, Wilfried: Stalins ungeliebtes
Kind. Warum Moskau die DDR nicht wollte, Berlin 1994; differenzierter setzte sich mit der Rolle des Chefs der Propagandaverwaltung Naimark, Norman M.: Die Russen in Deutschland. Die sowjetische Besatzungszone 1945 bis 1949, Berlin 1997, auseinander, der sie dennoch wie die meisten Autoren sehr hoch ansiedelt. Da die Diskrepanz zwischen dem Erscheinungsbild der SMAD und den internen organisatorischen Wirkungszusammenhängen zum Hauptthema dieser Arbeit gehört, wird auf eine punktuelle Auseinandersetzung verzichtet. Vgl. Bassistow, Jurij W: Oberst Tjulpanow und die Bildungs- und Kulturpolitik der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) 1945-1949, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 1996, S. 305-317, hier S. 313. Stenogramma soweschtschanija po woprossu o rabote Sowinformbjuro/28. 6. 1946, in: RZChilDNI, 17/125/Bl. 218. Vgl. Schukow, G. K.: Wospominanija i rasmyschlenija, 10. Auflage, Bd. 3, Moskwa 1990, S. 289. Dort entsprechender Fußnotenvermerk des Redakteurs. -
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Organisationsstruktur
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Über Tjulpanows unmittelbare Vorgesetzte, die Chefs der Politischen Ver-
waltung Generalmajor I. M. Andrejew bis 1948 und dessen Nachfolger Generalmajor A. G. Russow -, sind keine detaillierten biographischen Angaben bekannt. Dies trifft ebenfalls auf den Nachfolger Makarows als Stellvertreter des Obersten Chefs auf politischem Gebiet Generalleutnant Russkich zu. Man kann jedoch davon ausgehen, daß es sich bei aüen um politische Offiziere handelte, um hauptberufliche hochrangige Parteifunktionäre also, denen 1942 mi-
litärische Ränge verliehen worden waren. Zur Nomenklatur des ZK gehörten 1946 192 leitende Mitarbeiter der SMAD, nur 37 von ihnen waren allerdings damals tatsächlich durch Beschluß des ZK und des Ministerrates bestätigt worden.177 Nach anderen Angaben wurden 1945/46 durch Beschluß des ZK 123 leitende Mitarbeiter bestätigt.178 Nach dem Stand vom 1. Januar 1947 waren von 199 ZK-Nomenklaturpositionen nur 117 durch ZK-Beschluß tatsächlich bestätigt und weitere 22 Stellen vakant.179 Als ein Indiz für die Entscheidungskompetenz der Funktionsträger darf jedoch nicht nur ihre formelle Position innerhalb der SMAD-Struktur angesehen werden, es gilt auch den strengstens reglementierten Zugang zu westlichen Informationsquellen zu berücksichtigen. Im Verteiler des in nur 168 Exemplaren hergestellten streng geheimen „Westnik sluschebnoi Informazii TASS" (d.i. Dienstinformations-Anzeiger der TASS) befanden sich bis Mitte 1946 innerhalb der SMAD nur B. S. Kobulow (Stellvertretender Minister und Chef der SAG-Verwaltung, Geheimdienstler), I. A. Serow (Stellvertretender Minister und Stellvertreter des Obersten Chefs für die Zivilverwaltung, Geheimdienstler), W W Kurassow (bis Oktober 1945 SMAD-Stabschef und danach stellvertretender Chef der sowjetischen Truppen in Österreich) sowie W S. Semjonow (Politischer Berater des Obersten Chefs der SMAD).180 Erst in den auf 214 Empfänger erweiterten Verteiler vom 20. Juli 1946 kamen zusätzlich Sokolowski als Oberster Chef der SMAD und Generalleutnant Iwan Iwanowitsch Iljitschow,181 letzterer war bis 1946 Chef der Hauptverwaltung Aufklärung beim Generalstab der Roten Armee; 1948 wechselte er nach offizieller Darstellung in den diplomatischen Dienst über. Obwohl sein Name ab Mai 1949 an prominenter Stelle auf internen Verteilern der SMAD erschien,182 177
D.i. 204 abzüglich 12 Vakanzen, vgl. N. Schukow stellvertretender Leiter Kaderverwaltung des ZK der WKP(B)/Sekretarju ZK WKP(B) tow. Kusnezowu/12 nojabrja 1946g., in: RZChilDNI, 17/117/674, Bl. 91-95, hier Bl. 92. Nomenklatur des ZK bedeutet hier, daß die Amtsinhaber durch den ZK-Apparat bestätigt werden mußten. -
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Ebenda,
hier Bl. 91.
N. Mironow samnatsch. Uprawlenija Kadrow ZK WKP(B)/Sekretarju ZK WKP(B) tow. Kusnezowu, A. A./8. 4. 1947, in: RZChilDNI, 17/117/758, Bl. 163-170. Spissok towarischtschow, [die Westnik sluschebnoi informazii erhalten]/18. 7 1946, in: RZChilDNI, 19/125/1439. G. Alexandrow/Schdanow/20. 8. 1946, in: RZChilDNI, 19/125/1439. Vgl. Generalmajor K. G. MacLean/Tschujkow/27 Mai 1949 sowie ders./Dratwin/2. Juni 1949, in: AWP RF, SWAG/5/1/5, Bl. 205f, 218f. Beide Male vor Semjonow an 4. Stelle hinter Wyschinski, Sorin und Tschujkow aufgeführt. -
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Zentrale Einrichtungen
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läßt sich seine Position in die Formalstruktur der SMAD überhaupt nicht einfügen.183 Erst nach der Bildung der SKK wurde er in der Moskauer „Prawda" als ihr führender Vertreter genannt.184 Im Hinblick auf die in der Führergruppe der SMAD feststellbare hochgradige Professionalisierung besaßen Prestige und Symbole zweifellos einen besonderen funktionalen Stellenwert, so daß die Verleihung des Leninordens an elf führende SMAD-Mitarbeiter im Juni 1948 nicht als zufällig betrachtet werden kann.185 Da es sich um den höchsten zivilen sowjetischen Orden handelte, den das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR „für besonders verdienstvolle Leistungen beim Aufbau des Sozialismus" verlieh, markiert dieser Zeitpunkt einen Zwischenschritt in der sowjetischen Besatzungspolitik. Schwierig hingegen ist die Bewertung personaler Netzwerke, deren Bedeutung für die situative Entzerrung interner Konkurrenzverhältnisse in der fachlich heterogenen SMAD-Führungsorganisation offenkundig ist. Hinzuweisen ist dabei zunächst auf einige Spezifika der internen Kommunikation. Die im Amtsbereich des Politischen Beraters in leitender Stellung arbeitenden Diplomaten A. A. Soboljow, S. M. Kudrjawzew und N. W. Iwanow waren zuvor in London Berater des sowjetischen Vertreters in der EAC Botschafter F. T. Gussew186 gewesen. Von den bei der SMAD eingesetzten „Germanisten", wie die auf Deutschland spezialisierten Diplomaten im Sprachgebrauch des sowjetischen Außenministeriums genannt wurden, waren W. S. Semjonow, A. A. Smirnow, N. W. Iwanow, S. M. Kudrjawzew, I. F. Filippow und A. M. Korotkow schon vor dem Krieg in Berlin tätig gewesen.
183
Iljitschows Name steht auf einer 15 Namen umfassenden undatierten Liste „Verantwortli-
che Genossen der SMA" im Nachlaß Pieck, in: SAPMO BArch, ZPA/NL 36/734, Bl. 10. Iljitschow, Iwan Iwanowitsch (1905-1983), war ab 1929 in der Roten Armee, 1938-42 zunächst Chef der politischen Abteilung, 1942-44 geschäftsführender, 1944-45 Chef und 1945-48 wieder stellvertretender Chef der Hauptverwaltung Aufklärung beim Generalstab der Roten Armee (Generalleutnant), ab 1948 im diplomatischen Dienst, u.a. 1949-52 Stellvertreter des Politischen Beraters der SKK, danach höchste diplomatische Positionen in der DDR und in Österreich, 1956-66 Leiter der III. Europäischen Abteilung im sowjetischen Außenministerium. Vgl. Prawda, Moskwa, vom 15. Dez. 1949. Dem Vernehmen nach war Iljitschow während der SMAD-Zeit in der SBZ mit der Auslandsaufklärung betraut. Festhaltenswert erscheint auch die Rangfolge der Namen in der Bekanntmachung der „Prawda" vom 25. Juni 1948: Dratwin, Dubrowski, Sorin, Kowal, Kowaltschuk, Kolesnitschenko, Kotikow, Kriwoschenin, Makarow, Semjonow, Sokolowski. Auf Kriwoschenins Funktion liegen keine Hinweise vor. Gussew, Fjodor Tarassowitsch (1905-1986), 1937-39 stellvertretender und 1939-42 Leiter der II. West- bzw. der II. Europäischen Abteilung des Volkskommissariats des Äußeren, 1942-43 Botschafter in Kanada, 1943-46 in Großbritannien, 1946-52 stellvertretender Außenminister der UdSSR, 1952-56 im Außenministerium, 1956-62 Botschafter in Schweden, 1962-76 im Außenministerium tätig. -
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Organisationsstruktur 2. Funktionale
Organisationsstruktur
Zentralverwaltungen Für die
ursprünglich vier Aufgabenbereiche der SMAD (Demilitarisierung, Zivilverwaltung/Inneres, Ökonomie, Politik) war ab Frühjahr 1946 jeweils ein
Stellvertreter des Obersten Chefs verantwortlich. Nachdem der Bereich Demilitarisierung seine ursprünglich herausragende Bedeutung 1947 eingebüßt hatte und ökonomische Aspekte in den Vordergrund traten, erhöhte sich in der zweiten Hälfte 1948 die Zahl der Stellvertreter des Obersten Chefs auf sieben
(Dratwin, Kowal, Russkich, Kobulow, Kabanow, Pereliwtschenko,
KurSie leiteten und koordinierten die Tätigkeit der ihnen unterstehen-
maschow). den (Fach-)Verwaltungen/Abteilungen. Die Angaben über deren interne Organisationsstruktur divergieren stark, weil sie ständig flexibel den sich wandelnden internen wie externen Aufgaben angepaßt wurde. Die zentrale Abteilung für Volksbildung beispielsweise, 1945-46 dem Politberater, dann einem Stellvertreter des Obersten Chefs unterstellt,187 zählte im
August 1945, einschließlich acht Dolmetschern und
11 technischen Sekretariats-
kräften, 77 Mitarbeiter. Ursprünglich war sie in zwei Sektoren gegliedert (1. Lei-
tung von Lehr- und wissenschaftlichen Einrichtungen sowie 2. Sektor Inspektion, darin die Bereiche Grund-, Mittel-, Hochschulen; Wissenschaft, Kader, außerschulische Bildung, Bibliotheken, Museen, Sporterziehung, Berufsschulen, Kunst und Literatur). 1946 wurde die Museen- und Kulturarbeit der Propagandaverwaltung übertragen, so daß im wesentlichen drei Aufgabenbereiche erhalten blieben.188 Laut Natascha P. Timofejewa, die bisher als einzige die russischen Originalquellen auswerten konnte, handelte es sich zunächst um 55 Mitarbeiter in fünf Sektoren: Grund- und Mittelschulen, Hochschulen, Kultur und Aufklärung, Kunst und Museen.189 Auch 1948 fand eine Reorganisation der Abteilung statt. Allerdings entstanden keine starr gegliederten Sektoren, vielmehr setzte sich eine Arbeitsteilung in flexiblen Gruppen durch. Die Struktur der Verwaltung entsprach nach früherer DDR-Lesart weitgehend derjenigen der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung;190 welche als Vorbild diente, braucht hier nicht thematisiert zu werden. 187
188
Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 225 f. Das Ministerium für Aufklärung der RSFSR kümmerte sich nicht um die Abteilung, deshalb wandte sich ihr Chef direkt an das ZK. Köhler, Roland: Die Zusammenarbeit der SED mit der SMAD bei der antifaschistisch-demokratischen Erneuerung des Hochschulwesens (1945 bis 1949), Diss. phil., Berlin (Ost) 1983, S. 55ff., nach: Istorija SWA w Germanii ijun 1945 Dek. 1948 g, kniga 1, Berlin 1949, in: AWP RF, SWAG/1/48/12 mit 78 Planstellen gebildet, acht Sektoren. Timofejewa, N. P.: Nemezkaja intelligenzija i politika reform. Sistema obrasowanija w Wöstotschnoi Germanii 1945-1949 gg., Woronesch 1996, S. 14. Köhler, Zusammenarbeit 1983, S. 55ff. Nach Archivbelegen hatte die Abteilung (otdel) Volksbildung 60 Mitarbeiter, ab Mitte 1948 nur 38, vgl. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 225 f. -
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Funktionale Organisationsstruktur
Verwaltung für Außenhandel zählte 1946 über 20 und Anfang 1949 über 150 sowjetische Mitarbeiter. 1949 hatte der Chef drei Stellvertreter, im Sekretariat und Übersetzungsbüro waren vier Personen tätig, drei weitere im Verwaltungsbüro, zwei in der Kaderabteilung, die restlichen in insgesamt acht Fachabteilungen.191 Angeschlossen wurde der Außenhandelsverwaltung später auch ein Lizenzbüro für die Herausgabe von Genehmigungen für die Ausfuhr von „reduzierten [d.i. zwangsbewirtschafteten] Gütern" in die Westzonen.192 Die Verwaltung für Forst- und Landwirtschaft beschäftigte im Die
Sommer 1945 über 150 Mitarbeiter, von denen Ende 1949 noch mehr als 70 in Fachabteilungen arbeiteten.193 In jeder der korrespondierenden Fachabteilung der Landesverwaltungen der SMAD waren zehn bis zwölf und in den lokalen Kommandanturen zwei oder drei Mitarbeiter unmittelbar mit Fragen der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt.194 Die Verwaltung für Reparationen und Lieferungen bestand Ende 1947 aus 12 Fachabteilungen sowie weiteren zwei Geschäftsabteilungen für Kader und Sicherheit. Die Militärische Verwaltung der SMAD (Wojennoje uprawlenije SWAG), auf Grundlage des Befehls des Obersten Chefs Nr. 033 vom 31. Januar 1947 am 25. März 1947 durch die Zusammenlegung der bestehenden Verwaltungen für Bodenstreitkräfte, Luftwaffe und Marine unter Generalmajor Barinow entstanden, bestand aus vier Abteilungen (otdel) und beschäftigte damals 75 Offiziere;195 1945 hatten die drei Verwaltungen 322 umfaßt. Die zunächst 19 Mitarbeiter der im Juli 1945 gebildeten Rechtsabteilung waren in zwei Unterabteilungen (otdelenije) gegliedert, wobei eine für den Kontrollrat und die zweite für die deutsche Justiz zuständig zeichnete.196 Im Januar 1946 waren in ihr 35 Mitarbeiter tätig, zum 31. Januar 1947 erfolgte eine Kürzung auf 24 Stellen.197 Die
sieben
Abteilung für Gesundheitswesen bestand zunächst aus sechs Unterabteilungen.198
Der Apparat des Politischen Beraters, auch Gruppe oder später Verwaltung des Politischen Beraters genannt, verfügte im August 1945 über 31199 und im Oktober 1945 bereits über 71 Mitarbeiter.200 Im November 1945 waren die Planstellen verteilt, auf 3 Referenten, Politische Abteilung der SMAD 4 Referenten, Sektor Außenpolitik -
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193
194 195
Slusser, Soviet Economie Policy 1953, S. 61 f. Peretschen woprossow, kotoryje neobchodimo obsudit RF, 458/25/4/51, Bl. 3-6. Slusser, Soviet Economic Policy 1953, S. 87f. Ebenda, S. 89.
s
drusjami/23.
1.
1950, in: AWP
Istorija Wojennowo Uprawlenija (ijul 1945 Nojabr 1948 g.), Hg. Wojennoje Uprawlenije SWAG 1948g., in: AWP RF, 0457/1/13/5. Istorija prawowowo otdela SWAG sa 1949 god., in: AWP RF, 457 „g'71/45/11. -
196 197
Ebenda.
Istorija SWAG ijul 1945-ijun 1948. Sdrawochranenije, in: AWP RF, 457 „g"/l/40/10. 199 Rasdatotschnaja wedomost Nr. 231, in: GARF, 7317/59/35, Bl. 24. 200 Rasdatotschnaja wedomost Nr. 338, in: GARF, 7317/59/35, Bl. 36f. 198
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142
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Organisationsstruktur 12 Referenten, 16 Referenten unter der Leitung von Oberstleutnant N. D. Kostenko, Technisches Personal 6, eine Kanzlei mit 16 und die Buchhaltung mit 6
Sektor Innenpolitik Sektor Propaganda und Zensur Stellen.201
Im Dezember 1945 waren für den Sektor Außenpolitik bereits 6 Referenten vorgesehen, 12 für Innenpolitik, 19 für den Sektor Propaganda und Zensur, darunter 8 Zensoren.202 Im August 1946 verfügte der Apparat des Politischen Beraters über 60 Planstellen, davon waren allerdings 11 unbesetzt.203 Im März 1947 wurden insgesamt 5 Stellvertreter des Verwaltungschefs genannt: Für all-
gemeine Fragen (Iwanow), für Sonderaufgaben (Malinin), für Kontrollratsfragen (Gribanow), für ökonomische Fragen (Arkadjew) und für Innenpolitik (Kudrjawzew). Die damals 75 Mitarbeiter waren auf 8 Abteilungen verteilt: Interalliierte Organe (Leiter A. P. Plotnikow), Westzonen mit 5 Referenten, Außenpolitische Information und Presse mit 9 Mitarbeitern, Konsularabteilung, Sonderverbindungen, Allgemeine Abteilung, Buchhaltung und Wirtschaftsteil.204 Die Abteilung außenpolitische Information und Presse wurde im Juni 1947 in eine Gruppe für außenpolitische Information und Presse mit 3 sowie eine Gruppe für Fragen der deutschen Innenpolitik mit ebenfalls 3 Mitarbeitern aufgeteilt.205 Bis Februar 1949 stieg die Stellenzahl auf 85 an,206 nachdem im Januar 1949 viele neue Mitarbeiter aus dem sowjetischen Außenministerium angekommen waren. Im März 1949 verfügte die Verwaltung des Politischen Beraters zwar über 124 Planstellen, verzeichnete allerdings 36 Vakanzen.207 Wenn Diplomaten den hohen Stellenwert der Verwaltung des Politischen Beraters in der SMAD hervorheben, die „sich [...] in Zusammenwirken mit dem verästelten Mechanismus der Administration [...] mit praktischen Angelegenheiten betreffend die Organisation des staatlichen und politischen Systems" beschäftigte, so ist dabei nicht nur das berufsübliche Selbstbewußtsein kritisch zu würdigen, sondern auch die besondere „Methode der leisen Sohlen" positiv zu berücksichtigen, wie ein stellvertretender Verwaltungschef des russischen Außenministeriums sich ausdrückte.208 Bemerkenswert ist auch der Aufbau der Abteilung für innere Angelegenheiten im Zuständigkeitsbereich des Stellvertreters für Zivilfragen. Nach einer inzwischen durch russische Belege bestätigten Reorganisation im April 1947 zur
Rasdatotschnaja wedomost Nr. 429 für Nov. 1945, in: GARF, 7317/59/35, Bl. 56f. Rasdatotschnaja wedomost Nr. 441 für Dez. 1945, in: GARF, 7317/59/35, Bl. 94f. 203 201
202
Rasdatotschnaja wedomost Nr. 1220 für Aug. 1946, in: GARF, 7317/59/36, Bl. 183f. Rasdatotschnaja wedomost Nr. 515 für März 1947 in: GARF, 7317/59/37, Bl. 63f. 205 Rasdatotschnaja wedomost Nr. 1279 für Juni 1947, in: GARF, 7317/59/37, Bl. 254f. 206 Rasdatotschnaja wedomost Nr. 684 für Feb. 1949, in: GARF, 7317/59/39/B1. 64f. 204
207 208
Rasdatotschnaja wedomost Nr. 1129 für März 1949, in: GARF, 7317/59/39/B1. 207ff. Vgl. Karjagin, Wiktor W: Berlin ot schelesnowo sanawessa do betonnoi steny, in: Meschdunarodnaja schisn 4/1991, S. 94-106, hier S. 97
143
Funktionale Organisationsstruktur
Verwaltung aufgewertet soll sie sich in zwei Hauptabteilungen gegliedert haben: Die erste Hauptabteilung bestand nach amerikanischen Quellen aus sechs Unterabteilungen mit den Zuständigkeitsbereichen: 1. Deutsche Territorialpolizei, 2. Wassertransport und Eisenbahnpolizei, möglicherweise auch Grenzpolizei, 3. Kriminalpolizei, 4. Registrierung und Identifikation der SBZ-Einwohner, 5. Entnazifizierung, 6. Anleitung und Koordination der Länderabteilungen; in der zweiten Hauptabteilung war eine Unterabteilung zur Instruktion und Kontrolle der deutschen Zentralverwaltung für Justiz, der deutschen Gerichte, Staatsanwaltschaften und Gefängnisse angesiedelt, ferner eine Unterabteilung für die Geschäfte des Kontrollrats sowie die geschäftsführenden Abteilungen mit der allgemeinen Verwaltung, Personalabteilung, Finanzabteilung, dem Archiv, dem Parteibüro usw.209 Im Zuge einer weiteren Reorganisation wurden zur Jahresmitte 1948 Teilaufgaben wie die Überwachung der deutschen Polizei, der Feuerwehr, der Post und der Justiz zum MGB-Apparat delegiert. Zur gleichen Zeit sollen die Abteilungen für innere Angelegenheiten in den Kreiskommandanturen aufgelöst worden sein.210 Im Juni 1948 hatte die Verwaltung Inneres 68 Mitarbeiter, davon 57 Militärs.211 Ihre Vertretungen in den Ländern verfügten im April 1948 über 12 bis 16 Mitarbeiter, darunter befanden sich jeweils vier bis fünf Dolmetscher.212 Mit dem Aufbau der Verwaltung für Propaganda wurde im August 1945 Oberst Tjulpanow betraut, wie er selbst bezeugte; hierzu sei er in Moskau eigens beim ZK der WKP(B) durch Manuilski instruiiert worden.213 Der damalige Leiter der 7 Abteilung der GlawPURKKA erklärte zur Hauptaufgabe der neuen Verwaltung, Kontakte zu politischen Parteien und Organisationen zu halten, insbesondere jedoch zu KPD und SPD, wie Schukow gegenüber dem Oberst in Berlin präzisiert haben soll.214 Auch hier verlief die Entwicklung nicht stromlinienförmig. Der entsprechende Beschluß des Rates der Volkskommissare der UdSSR datierte vom 4. Oktober 1945, der Apparat entstand durch Umwidmung der bereits in der Kompetenz des Politischen Beraters bestehenden Politsektoren durch Befehl des Obersten Chefs Nr. 129 vom 1. November 1945215 und die ersten schriftlichen Ernennungen des Obersten Chefs der SMAD erfolgten mit Befehl Nr. 0236 vom 12. November 1945 bzw. mit Befehl der GlawPURKKA Nr. 03533 vom 13. November 1945. Die Verwaltung verfügte im November 1945 über 79 militärische Planstellen und war in fünf Abteilungen unterteilt: Propaganda, Presse und Verlage, Radiopropaganda, Zensur, Abteilung für Arbeit unter den antifaschistisch-demokrati209
210
Vgl. Report/2 Sept 1947, in: BAK, OMGUS/ODI 7/22-2/23. Vgl. HQ Berlin Command OMGUS/Organizations and Activities of the Directorate of Affairs, SMA [Sept. 1948], in: BAK, OMGUS/ODI 7/22-2/23. GARF, 7317/59/63, Bl. 64. GARF, 7317/59/63, Bl. 135 ff.
Internal 211 212 213 214 215
Tjulpanow, Deutschland nach dem Kriege 1986, S. 256. Ebenda, S.
15 f.
Vgl. Prikas Glawnatsch. SWA i glawkomand. GSOWG No. 7317/8/2, Bl.
130.
129
ot
1. 11.
1945, in: GARF,
144
Organisationsstruktur
Organisationen, Parteien und Gewerkschaften mit insgesamt 11 Planstellen, wovon damals 7 besetzt waren, ferner eine Abteilung für Kino und Theater, eine Informations- und eine Allgemeine Abteilung.216 Im Januar 1946 gab es neun Abteilungen mit 83 Mitarbeitern217 und im Mai 1946 zehn Abteilungen,218 wobei nach einer Reorganisation jeweils selbständige Abteilungen für die Arbeit unter den Parteien (mit 10 Mitarbeitern unter der Leitung von sehen
Nasarow) und für die Arbeit in den Gewerkschaften (6 Mitarbeiter unter Leitung von A. Wosskressenski, im August 1946 bereits 10 Mitarbeiter) entstan-
den. Die noch im August 1946 nachgewiesenen neun Fachabteilungen (Propaganda 7, Presse und Verlage 8, Radiopropaganda 4, Zensur 19, Parteien 9, Gewerkschaften 9, Kino-Theater 6, Informationsabteilung 8, Allgemeine Abteilung 9 Mitarbeiter)219 wurden noch mehrfach umstrukturiert. Im März 1947 arbeiteten außer internen Geschäftsabteilungen eine Abteilung Propaganda mit 16 Mitarbeitern, ein Pressebüro mit einem Referenten für die Westzonen, eine Zensurabteilung mit 14, eine Abteilung für Arbeit unter den Parteien ebenfalls mit 14 Mitarbeitern sowie weiteren 3 Planstellen für die Arbeit in den Westzonen, eine Gewerkschafts-, eine Organisations-Instruktions-Abteilung unter der Leitung von Major Ljulka, drei Abteilungen für Jugend-, Frauen- und Kulturfragen mit 6 Mitarbeitern, eine Abteilung für die Arbeit mit deutschen Selbstverwaltungsorganen (6 Mitarbeiter), eine Abteilung für Arbeit unter antifaschistisch-demokratischen Organisationen und eine Abteilung Radiopropaganda. Einschließlich des internen Geschäftsbereichs handelte es sich also insgesamt um 17 Abteilungen mit 138 Referenten-Planstellen, zusammen mit Schreibkräften und dem technischen Personal zählte die Verwaltung 160 Mitarbeiter.220 In den Monaten März, April und Mai 1947 ging auf Weisung des ZK der WKP(B) eine weitere Reorganisation der Verwaltung vor sich, wobei das Personal ergänzt wurde. In die Verwaltung wurden unter anderem mehrere Mitarbeiter zentraler sowjetischer politischer Institutionen und der Kaderverwaltung der Politischen Hauptverwaltung der Armee delegiert,221 so daß die 216
217 218 219
Rasdatotschnaja wedomost No. 484 für Nov. 1945, in: GARF, 7317/59/74, Bl. 1 ff. Rasdatotschnaja wedomost No. 92 für Jan. 1946, in: GARF, 7317/59/75, Bl. 67 ff. Rasdatotschnaja wedomost No. 740 für Mai 1946, in: GARF, 7317/59/75, Bl. 92. Spissok po Uprawlenii Propagandy SWA [Aug. 1946], in: GARF, 7317/59/75, Bl.
164.
Damals etwa 100 Mitarbeiter. Rasdatotschnaja wedomost No. 421 für März 1947 und: Schtatno-dolschnostnoi spissok Offizerow i wolnonaj [emnowo sostawa] Uprawlenija Informazii po sostawleniju 7 3. 1947, in: GARF, 7317/59/76, Bl. 117f und 228f. Laut Schreiben N. Schukow stellvertretender Leiter Kaderverwaltung des ZK der WKP(B)/Sekretarju ZK WKP(B) tow. Kusnezowu/12 nojabrja 1946g., in: RZChilDNI, 17/117/674, Bl. 91-95 waren in der Informationsverwaltung insgesamt 489 Personen tätig. Diese Zahl schließt wohl den Territorialapparat ein. Zur genauen Struktur vgl. die im Anhang befindliche Dokumentation. Vgl. Prikas po Uprawleniju Propagandy No. 70 vom 11. 3. 1947; Uprawlenije Propagandy/Natschalniku Finansowo otdela ACHU Schtaba/14. 4. 1947 sowie ders./ll. 4. 1947; Prikas po Uprawleniju Propagandy Nr. 98 vom 11. 4. 1947; Prikas po Uprawleniju Propagandy Nr. 0104 vom 7 4. 1947; Prikas po Uprawleniju Propagandy Nr. 0108 vom 8. 4. -
220
-
-
-
221
Funktionale Organisationsstruktur
145
Gehaltslisten für Mai 1947 bereits 160 militärische und 40 zivile Mitarbeiter ausweisen.222 Eine weitere Reorganisation fand im Juli 1947 statt.223 Das vorläufige Planstellenverzeichnis des Obersten Chefs mit 160 Planstellen vom Januar 1947 bestätigte zwar die Staadiche Stellenplankommission beim Ministerrat im Mai 1947, doch die Organisationsstruktur war inzwischen den geänderten Bedürfnissen angepaßt worden. Unter anderem waren selbständige Abteilungen für die Jugend- und Frauenarbeit, für die Arbeit mit der deutschen Verwaltung und für gesellschaftliche Massenorganisationen gebildet worden. Gleichzeitig wurde die innere Dienstordnung durch Bildung einer Kader- und
Abteilung für Organisation und Inspektion gestrafft. Im Juni/Juli 1948 aus der Lnformationsverwaltung die Abteilung für Ziviladministration herausgelöst und verselbständigt. Bemerkenswert ist, daß ihr Chef GardeMajor P. S. Ljulka höherrangige Offiziere unter sich hatte, wobei der frühere stellvertretende Chef der Verwaltung für Inneres Oberst A. I. Schkwarin einer Unterabteilung vorstand.224 Im November 1949 waren in dieser mit der Kontrolle der deutschen Verwaltung betreuten Abteilung 24 Offiziere tätig.225 Im Dezember 1948 arbeiteten in der Informationsverwaltung 106 Offiziere, 12 weitere im „Radio-Nachrichten-Zentrum der SMAD" (Radioweschtschatelski Zentr SWAG).226 Die 157 Planstellen (einige waren vakant) waren im Februar 1949 verteilt auf die Leitung (8), die Kaderabteilung unter Oberstleutnant I. G. Mironow (5), die Propagandaabteilung unter Oberstleutnant M. I. Schifrin (18), die Radio-Nachrichten-Zentren mit insgesamt 13 Mitarbeitern, die Organisations-Instruktions-Abteilung unter Oberstleutnant Brodski mit 5, die Presseabteilung mit 16 Mitarbeitern, davon 4 Zensoren, eine Abteilung für gesamtdeutsche Information (14), die Abteilungen Parteien (14), Gewerkschaften (4), Kultur (8), demokratische Organisationen (13), die Informationsabteilung (6), die Abteilung für Kadervorbereitung (5), das Büro für Briefe und Beschwerden (3) sowie die Allgemeine Abteilung (15), der eine „geheime" Unterabteilung angeschlossen war.227 Außerdem wurden bei der Verwaltung im Juni 1949 46 Deutsche vornehmlich als Chauffeure beschäftigt sowie weieiner
wurde
1947; Prikas po Uprawleniju Propagandy Nr. 0112 vom 8. 4. 1947; Prikas po Uprawleniju Nr. 0118 vom 17 4. 1947, in: GARF, 7317/59/76. Propagandy 222 Rasdatotschnaja wedomost No. 977 für Mai 1947 und Rasdatotschnaja wedomost 979 für 223 224
225 226
227
Mai 1947, in: GARF, 7317/59/76, Bl. 385ff. u. 410ff. Prikas Uprawlenija Informazii Nr. 175 vom 5. 7 1947, in: GARF, 7317/59/77, Bl. 53-71. Rasdatotschnaja wedomost No. 2798 sa oktjabr/nojabr 1948, in: GARF, 7317/59/72, Bl. 60ff, sowie Spissok Nr. 2/Sowetski personal w Meschsojusnom komitete po koordinazii pri Kontrolnom sowete w Germanii, in: AWP RF, 457a/l/6/2, Bl. 69ff. Rasdatotschnaja wedomost No. 2742 sa nojabr 1949, in: GARF, 7317/59/73, Bl. 246. Wypiska is prikasa natschalnika Uprawlenija Informazii No 0173/23. 12. 1948, in: GARF, 7317/59/83, Bl. 34. Rasdatotschnaja wedomost No 501 sa fewral 1949, in: GARF, 7317/59/82, Bl. 78ff. Der spätere DDR-Spionagechef Markus Fridrichowitsch Wolf ist darin als Leiter einer Redaktionsabteilung des Radio-Nachrichten-Zentrums ausgewiesen.
Organisationsstruktur
146 tere
10 in der Bibliothek.228 Zum 1.
auf 130.229
August 1949 sank die Zahl der Mitarbeiter
Insgesamt war also die Zahl der Mitarbeiter und der Abteilungen dauernden Schwankungen unterworfen. Die Verwaltung verfügte über Informationsabteilungen in den Landesverwaltungen sowie über Mitarbeiter in den Kommandanturen, die als weisungsabhängige Instruktoren der Zentralverwaltung galten.230 Wie sich Tjulpanow später erinnerte, unterstanden der Informationsverwaltung die Schule der SMAD in Königs Wusterhausen,231 ein zentrales Lektorenkollektiv sowie die Presseorgane und der Verlag der SMAD in Leipzig. Diese nachträgliche Rationalisierung scheint auch ein Schreiben des ZK-Apparates zu bestätigen, wonach der Verwaltung seit ihrer Gründung das Informationsbüro der SMAD, die Redaktion der „Täglichen Rundschau", der SMADVerlag und die ostzonalen Rundfunkredaktionen, ferner die Antifaschule und das Sojusintorgkino unterstanden hätten.232 Gleichwohl ignoriert eine solche globale Sichtweise die fachliche und die hierarchisch-disziplinarische Kompetenzstruktur. Fachliche Kompetenzzwistigkeiten mit dem Politischen Berater und dem Kriegsrat waren aufgrund der Vorgeschichte dieser Verwaltung, in der bereits bestehende Einrichtungen neu zusammengestellt wurden, vorprogrammiert. Und wie mehrfach belegt ist waren die genauen institutionellen Zusammenhänge nicht einmal den Akteuren immer bekannt. Bei der Bildung der SKK wurde die Informationsverwaltung ausdrücklich dem Politischen Berater unterstellt.233 1945/46 befanden sich in der fachlichen Zuständigkeit der Verwaltung sechs Propaganda-Abteilungen in den Landesverwaltungen der SMAD, 18 Bezirks- (okrug) und 5 Stadt-Propaganda-Unterabteilungen sowie 146 Oberreferenten für Propaganda mit einem Gesamt-Planstellensoll von -
-
-
612 Offizieren und 402 Gemeinen und Unteroffizieren.234 Besetzt 850 Stellen.
waren etwa
Den Chefs der einzelnen Verwaltungen und Abteilungen der Zentrale stanje nach Größe mehrere Fach-Stellvertreter zur Seite, die meistens gleichzeitig Abteilungsleiter waren. Zumindest einer der Stellvertreter gehörte der verdeckt arbeitenden geheimdienstlichen Struktur an.235 Neben den
den
-
-
-
228
229
-
In: GARF, 7317/59/83, Bl. 97f. Deneschnoi attestât po 1. 08. 1949, in:
GARF, 7317/59/83, Bl.
125 f.
Tjulpanow, Deutschland nach dem Kriege 1986, S. 23. 231 Anders: Berger, Helene: Mit der Sowjetarmee nach Berlin, in: Im Zeichen des roten Sterns. Erinnerungen an die Traditionen der deutsch-sowjetischen Freundschaft, bearbeitet und hg. von Ilse Schiel, Berlin (Ost) 1975, S. 319-338, hier S. 331. 232 N. Schukow stellvertretender Leiter Kaderverwaltung des ZK der WKP(B)/Sekretarju 230
WKP(B) tow. Kusnezowu/12 nojabrja 1946g., in: RZChilDNI, 17/117/674, Bl. 91-95. Prikas Predsedatelja Sowetskoi Kontrolnoi Komissii w Germanii Nr. 001 ot 17owo nojabrja 1949g., mit Anlage 1 und 2, in: AWP RF 082, 37/207/44, Bl. 7-12. N. Schukow stellvertretender Leiter Kaderverwaltung des ZK der WKP(B)/Sekretarju ZK WKP(B) tow. Kusnezowu/12 nojabrja 1946g., in: RZChilDNI, 17/117/674, Bl. 91-95. Wissenschaftliches Kolloquium „Hochschul- und Wissenschaftspolitik der SMAD" vom 31. 8. 5. 9. 1992 in Berlin/Gosen/persönliche Aufzeichnungen. In der Regel handelte es ZK
233
234
-
-
235
-
-
Funktionale Organisationsstruktur
147
Stellvertretern für allgemeine Angelegenheiten ragten insbesondere die Stellfür politische Fragen heraus, die vom ZK der WKP(B) eingesetzt wurden.236 Bei einigen Fach-Verwaltungen wurden bis zu fünf Stellvertreter des Chefs festgestellt. Die Chefs der SMAD-Verwaltungen bzw. ihre Stellvertreter
vertreter
nahmen meistens auch Fachaufgaben in den Direktoraten, die Abteilungsleiter und Mitarbeiter in den Fach-Ausschüssen und -Komitees des Kontrollrats wahr.237 Besondere ständige Inspektoren und Instrukteure, die unmittelbar unter der Leitung entweder der zentralen Verwaltungen oder der Fachabteilungen auf der Landesebene standen, sind in der Abteilung für Volksbildung238 und bei der Informationsverwaltung feststellbar. Aber auch bei den militärischen Verwaltungen der SMAD beispielsweise wurde durch Befehl des Chefs der GSOWG Nr. 075 vom 20. Juli 1945 eine Gruppe der Bevollmächtigten bei den Bezirkskommandanturen der SMAD installiert.239 Wie man sieht, erzeugten ständige Umgruppierungen und Umstellungen eine Organisationsdynamik, deren komplexe Folgen vielfach nicht einmal führende Mitarbeiter der SMAD begriffen. Unübersichtlichkeit und Kompetenzwirrwar sind gleichwohl nicht nur hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die interne Steuerung zu berücksichtigen, sondern wohl vorrangig als angestrebter Organisationszweck, denn die auf der fachlichen Ebene erzeugte Unberechenbarkeit war geeignet, die Herausbildung dauerhafter persönlicher Verbindungen und Interessenkoalitionen zwischen deutschen Funktionsträgern und Amtsträgern der SMAD zu behindern.
Vertikale Funktionsstruktur In der hierarchischen Rangordnung waren den Chefs der zentralen Verwaltungen die Chefs der Verwaltungen auf Landes- und Bezirksebene gleichgestellt,
die fachlichen Segmente der Landes- und Bezirksverwaltungen nahmen allerdings als Abteilungen eine gegenüber der zentralen Ebene rangniedrigere Stufe ein. In den Landesverwaltungen teilten sich der Verwaltungs- und der Stabschef die Führung über die internen Abteilungen (otdel) für Kader, die Organisations-Rechnungs- und administrativ-wirtschaftliche Abteilungen, über den Militärstaatsanwalt und das Militärtribunal, ferner die militärischen und geheimen Verbindungen, die internen Abteilungen Politik, Kommandanturdienst (darin die Inspektorengruppe) und Propaganda, wobei die letztgenannte auch
236 237 238 239
sich um den Stellvertreter für besondere Aufgaben. Wie russische Quellen indizieren, wurden sie auf Planstellen des NKGB/MGB geführt. Bokow, Frühjahr des Sieges 1979, S. 428f. U.a. Berg, Dwa goda 1981/1982, S. 35. Vgl. z.B. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 155 vom 16. Sept. 1948.
Istorija Wojennowo Uprawlenija (ijul 1945 Nojabr 1948 g.), Hg. Wojennoje Uprawlenije SWAG 1948g, in: AWP RF, 0457/1/13/5. -
148
Organisationsstruktur
für die Arbeit unter Deutschen zuständig war, ferner über die nach außen wirkenden Abteilungen Inneres (mit Abteilungen für die Leitung der Gerichte, für Zivilverwaltung, einer Fahndungsgruppe) und Ökonomie, die aus mehreren Unterabteilungen (otdelenije) bestand (Industrie, Landwirtschaft, Handel und
Versorgung usw.), analog zur Fachstruktur der Zentrale
und den regionalen Bedingungen angepaßt. Die Unterabteilungen wiederum waren in Sektoren aufgeteilt,240 allerdings nicht durchgängig. Die Abteilung für Volksbildung erhielt beispielsweise zunächst keine entsprechende Facheinheit auf Landesebene, erst Anfang 1946 wurden durch den Rat der Volkskommissare der UdSSR bei den Landesverwaltungen der SMAD Sektoren für Volksbildung errichtet und mit je 7 Mitarbeitern besetzt (Berlin im Status einer Abteilung 11 Personen), die Mitte 1947 den Rang von Abteilungen erhielten.241 Auch die zentrale Justizabteilung verfügte zunächst nicht über entsprechende Facheinrichtungen auf der Landesebene, in Thüringen wurde sie beispielsweise erst Ende 1947 geschaffen. Die interalliierte Kommandantur in Berlin bestand aus zwanzig Fachkomitees.242 Eine Bezirksverwaltung war einfacher strukturiert. Sie bestand aus FachUnterabteilungen (otdelenije) für interne (Kommandanturdienst, Finanzen, administrativ-wirtschaftlicher Teil, Kader, militärische Verbindungen und Spezialverbindungen, militärische Fragen, politische Abteilung) und für externe Angelegenheiten (ökonomische Fragen, Zivil Verwaltung, Propaganda usw.), außerdem aus einem sanitären Teil und der Schutztruppe. Die Rayonmilitärkommandanturen verfügten nur noch über Fach-Unterabteilungen für den Kommandanturdienst, den parteipolitischen Apparat und eine Inspektion Verbindungen sowie für den externen Leistungsbereich über Unterabteilungen Wirtschaft, Landwirtschaft, Ziviladministration usw. Teilweise wurden die Aufgaben auf dieser Ebene unmittelbar durch Instrukteure der Zentralverwaltungen wahrgenommen, wie im Bereich Volksbildung oder Propaganda. Auf den darunter liegenden Einheiten der Militärverwaltung bestanden beim Kommandanten in der Regel nur noch Gehilfen für ökonomische Fragen und für Zivilsachen, ansonsten wurden die fachlichen Aufgaben unmittelbar durch Inspekteure und Instrukteure höherer Diensteinheiten wahrgenommen.243
Jastrebzow, Wladislaw N.: Sotrudnitschestwo Sowetskoi Wojennoi Administrazii i nemezkich demokratitscheskich sil w poslewojennom pereustroistwe wostotschnoi Germanii (1945-1949 gg.), Diss., Kiew 1977, Bd. 2, S. 33. 241 Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 226. 242 AWP RF/0457 „g'71/3/7, Bl. 134-139. Vgl. 243 Jastrebzow, Sotrudnitschestwo 1977 Bd. 2, S. 33. 240
149
Territoriale Gliederung
3. Territoriale
Gliederung
Regionale Verwaltungen bestanden -
in den fünf Ländern und Provinzen der SBZ, ferner in Berlin mit einer Sonderstellung die Kommandantur des sowjetischen Sektors, 18 Bezirkskommandanturen (okrug): In Mecklenburg 3, in Brandenburg 4, in Sachsen-Anhalt 3, in Sachsen 5, in Thüringen 3. Die Bezirksverwaltungen wurden 1946 auf 12 reduziert und 1948 aufgelöst. Unterhalb der Bezirksverwaltungen sogenannte Kommandanturen zweiter Ordnung oder auch bezirksunterstellte Stadtkommandanturen -
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(1945 insgesamt 14: Stralsund, Neubrandenburg, Eberswalde, Frankfurt/Oder, Potsdam, Brandenburg, Wittenberg, Magdeburg, Dessau, Riesa, Würzen, Mühlhausen, Jena, Erfurt, 1946 auf 12 reduziert). Ihnen Stadtteilkommandanturen unterstellt. Rayonkommandanturen (d.i. Kreis, pro Bezirk 4 bis 15). Die unterste Stufe bildeten Stadt-/Ortskommandanturen mit Rayonunterstellung (5-27 Ortskommandanturen im Rayon).244 waren
-
-
Bestanden noch zum 1. April 1946 insgesamt 507 Kommandanturen, so wurde deren Zahl vier Monate später auf 325 und in der ersten Hälfte 1948 auf 157 reduziert.245 Zum 1. November 1946 gab es insgesamt 325 Kommandanturen, davon 12 bezirklich unterstellte Stadtkommandanturen, 134 Rayonkommandanturen, 150 rayonunterstellte Kommandanturen und 29 Teilkommandanturen in Großstädten.246 1948 wurden die von 12 auf 9 reduzierten ursprünglich bezirklich unterstellten Stadtkommandanturen nach der Auflösung der Bezirkskommandanturen direkt der Landesverwaltung unterstellt.247 Zum 1. November 1949 bestanden in der zweistufigen Struktur insgesamt 137 Kommandanturen: 20 in Thüringen und 32 in Sachsen-Anhalt (Berlin: acht); von den 25 mecklenburgischen Kommandanturen waren fünf für die Häfen zu-
ständig.248
Landesverwaltungen Die fünf Landes- bzw. Provinzverwaltungen der SMAD wurden durch Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 5 vom 9. Juli 1945 gebildet und damit in Brandenburg, Mecklenburg und im Land Sachsen erst nach der Bildung der deutschen Landesverwaltungen.249 Durch besondere Befehle legten die regio-
Jastrebzow, Sotrudnitschestwo 1977, Bd. 1, S. 64, Bd. 2, S. 32. Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, Anlage 7 246 244 245
Korol, Pomoschtsch 1977, S. 37, Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, Anlage 7 Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, Anlage 7 Vgl. 248 Istorija wojennowo uprawlenija (Nojabr 1948 Nojabr 1949), Moskwa 1949, in: AWP 247
RF, SWAG/1/14/5, Bl. 48.
249
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-
In den genannten Ländern sind deutsche Landesverwaltungen bereits am 4. Juli 1945 entstanden. Rechtsformale und politische Rücksichtnahme auf die Westalliierten spielten bei diesen
150
Organisationsstruktur
nalen
Truppenchefs die Organisation fest, beispielsweise Tschujkow in Thüringen durch den Befehl Nr. 1 vom 16. Juli 1945.250 Im russischen Original wurden sie als „Verwaltungen der SMAD der Länder/Provinzen" bezeichnet und hatten auch formal den Status von SMAD-Verwaltungen. An ihrer Spitze
stand nominell der Kommandeur der in der Region stationierten Besatzungstruppen, ihm war ein Stellvertreter für Zivilangelegenheiten beigeordnet, auch Verwaltungschef der Landes-SMA(D) genannt, der der eigentliche geschäftsführende Chef der Besatzungsadministration war. Seit etwa Anfang 1946 wurden die „Zivilchefs" auch formell als Chefs tituliert, eine Ausnahme bildete nur Trufanow in Mecklenburg.251 Die Karrierenverläufe der aus der Nomenklatur des sowjetischen NKWD stammenden Positionsinhaber sind nur bruchstückhaft bekannt. Zwei von ihnen waren Parteifunktionäre (Dubrowski, Skossyrew), zu dieser Gruppe kann auch der ehemalige politische Berufsoffizier Kotikow gezählt werden. Generalmajor Schljachtenko als ehemaliger NKWDOffizier fällt nur scheinbar aus dem Rahmen. Dem Prinzip nach wiesen die Landes-/Provinzverwaltungen der SMAD dieselbe funktionale Organisationsstruktur auf wie die Berliner Zentrale, allerdings auf einer hierarchisch niedrigeren organisatorischen Stufe und mit einem entsprechend reduzierten Personalbestand.252 Dem Chef standen Stellvertreter für politische und ökonomische Fragen sowie ein Stabschef zur Seite. Nach der ursprünglichen Organisationsstruktur waren die Abteilungen (otdel) Propaganda, Politik, Ökonomie, Inneres, Kommandanturdienst sowie die Staatsanwaltschaft direkt dem Chef unterstellt, die übrigen fielen in die Fachkompetenz seines Stabschefs (darunter auch die Sektoren Gesundheitswesen und Volksbildung sowie die Unterabteilung Finanzen); Überschneidungen lagen im Bereich der Ökonomie vor. Abweichungen von der abstrakten Fachstruktur konnten auch regional bedingt sein: So wurde in Mecklenburg die ursprünglich gebildete Abteilung für Heizkraftwerke und Energie aufgelöst, weil es dort keine Kohlevorkommen gab. Als (Fach-)Unterabteilungsleiter wirkten Hauptleute bis Oberstleutnante, seltener kam ein Oberst in dieser Position vor. Zivilisten scheinen recht zahlreich vertreten gewesen zu sein. Rechtsakten wohl eine Rolle, denn bereits durch Befehl des Obersten Chefs Nr. 9 vom 21. Juni 1945 sind die (rechtsförmlich noch nicht bestellten) deutschen Präsidenten und Verwaltungschefs der SMAD in den Ländern/Provinzen angewiesen worden, zum 15. August die Betriebe in Gang zu setzen. Einen solchen Befehl nennt auch Kolesnitschenko, Iwan S.: Bitwa posle woiny, Moskwa 1987 S. 54f. Dagegen steht ein Befehl Nr. 9 vom 21. Juli 1945, allerdings auch ein Nr. 09 vom 21. Juni 1945. Da die Tagebücher des SMAD-Stabes nicht vorliegen, ist es unmöglich, sich ein genaues Bild zu machen. Der Juni-Befehl wurde von der SMAD als Fälschung bezeichnet, nachdem er ohne SMAD-Billigung in der Presse veröffentlicht worden war. Im politischen Kontext ist zu beachten, daß am 273. Juli 1945 der Rückzug der westalliierten Truppen aus Sachsen, Thüringen und Mecklenburg sowie ihr Einzug in Berlin begann. Kolesnitschenko, Bitwa 1987, S. 9. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 168 vom 7 Juli 1947 in: GARF, 7317/8/11 ; sowie Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 53 vom 5. April 1948, in: GARF, 7317/8/15. Ausführlich dazu vgl. Haritonow, Alexandr: Sowjetische Hochschulpolitik in Sachsen 1945-1949, Weimar 1995. -
250 251
252
151
Territoriale Gliederung
In der Berliner Kommandantur standen dem Kommandanten ursprünglich
vier, dann fünf Stellvertreter für die Fachbereiche Politik, Ökonomie, Inter-Alliierte Kommandantur, Truppen und Verwaltung zur Seite, die gleichzeitig Ab-
teilungsleiter waren. Der Stellvertreter für politische Fragen nahm eine herausgehobene Position ein. Zunächst bestand sein Apparat aus einer Abteilung, die sowohl für die politische Arbeit unter den sowjetischen Mitarbeitern der Kommandantur als auch unter Deutschen zuständig war. Im März 1946 wurde eine Abteilung Politik für interne Zwecke gebildet und eine Propaganda-Abteilung für die deutsche Klientel. Neben Staatsanwalt und Militärtribunal arbeitete völlig unabhängig von der Verwaltung eine Abwehrgruppe zur Beobachtung der sowjetischen Offiziere sie soll mit 3-4 Offizieren ausgestattet gewesen sein sowie eine etwa 50 Mann starke Abteilung zur Überwachung von deutschen Zivilpersonen, die mit der sowjetischen Verwaltung im Kontakt standen.253 In den 20 (Fach-)Komitees der Alliierten Berliner Kommandantur fungierten die Abteilungsleiter als sowjetische Vertreter.254 Von den in Berlin ursprünglich gebildeten 20 Rayon- und 82 Stadtteilkommandanturen blieben nach dem 4. Juli 1945 8 Rayon- und 57 Stadtteilkommandanturen übrig. Die letztgenannten wurden im Frühjahr 1946 auf 9 reduziert und im März 1947 schließlich aufgelöst, so daß seitdem neben der Sektorenkommandantur nur noch acht Rayonkommandanturen bestanden. Im Juni 1945 zählte die Berliner Kommandantur 292 Offiziere, 66 Unteroffiziere und 184 Zivilangestellte. Zum 31. Dezember 1948 nach umfänglichen Reorganisationsmaßnahmen 1946/47 vor allem im ökonomischen Bereich, als der Zuständigkeitsbereich des Stellvertreters für ökonomische Fragen in sechs Fachabteilungen mit insgesamt 67 Mitarbeitern aufgefächert wurde beschäftigte sie 432 Militärs und 33 Zivilangestellte.255 In der SMAD-Verwaltung für Sachsen, untergebracht in einer ehemaligen Dresdener Kaserne in der Nordallee, wurden Ende 1946/Anfang 1947 fünfzehn Fachabteilungen gezählt (ohne Kommandanturdienst und interne Abteilungen), wovon zwölf unmittelbar mit wirtschaftspolitischen Aufgaben beschäftigt waren.256 Im Herbst 1947 wurde der Personalbestand in westlichen Quellen auf 2500-3000 Offiziere geschätzt und die Zahl der Abteilungen mit sieben angegeben (Wirtschaft, Handel, Finanzen, Justiz, Arbeit und Wohlfahrt, Landwirtschaft und Forsten sowie Volksbildung). Diese waren intern -
-
-
-
253
254
of Soviet Army Officer Deserter/22 Oct 1946, in: BAK, OMGUS/ AGTS 14/2/7 Ygi Verzeichnis in: Priloschenije k ottschotu o rabote Sojusnoi Kontrolnoi wlasti w Germanii sa period Ijul 1945g. mart 1948g., Kniga 7, in: AWP RF, Fonds 0457 „a"/l/3/7, Bl. 134-139. Istorija Sowetskoi Wojennoi Komendatury g. Berlin. Mai 1945-dek. 1948g., torn 1, 2, Berlin, 1949 g., in: AWP RF, 457 „g'71/16/60. w/ehner, Proletarischer Internationalismus und sozialistische Besatzungspolitik 1970, S. 194.
Vgl. Interrogation
-
255
256
152
Organisationsstruktur
aufgefächert.257 Die Abteilung für innere Angelegenheiten unter der Leitung eines Oberstleutnants umfaßte Mitte 1948 die Unterabteilungen Arfachlich
chiv, Politik, Deutsche Polizei, Eisenbahn- und Wassertransport sowie Entna-
zifizierung.258 Auf 2000 Mitarbeiter schätzte der DDR-Historiker Wehner den Gesamtbestand der Besatzungsadministration in Sachsen.259 In der Zentrale waren im Oktober 1945 90 Spezialisten tätig, 56 von ihnen gehörten der WKP(B) an, 67 verfügten über eine höhere und 23 über eine Fachausbildung, 85 waren Angehörige der Kampftruppen gewesen.260 Laut Mitteilung des Chefs der SMAD-Landesverwaltung Thüringens leitete sein Stellvertreter für ökonomische Angelegenheiten fünf Abteilungen: In-
dustrie, Landwirtschaft, Finanzen, Handel und Versorgung, Arbeitskraft. Ferner gab es eine politische Abteilung, die später in Informationsabteilung umbenannt wurde, etwas später entstanden die Abteilungen Volksbildung und Gesundheit, der Stab und die politische Abteilung.261 Diese war für die interne
Parteikontrolle der untergeordneten Gliederungen zuständig.262 In den Jahren 1945 bis 1948 bestand ebenfalls eine Militärische Abteilung, verantwortlich für den Bereich Demilitarisierung.263 Der Kommandanturdienst arbeitete eng mit der Abteilung für innere Angelegenheiten zusammen. Nach Kolesnitschenko waren in der SMAD-Landesverwaltung für Thüringen über 200 Mitarbeiter beschäftigt, allein in der Informations-Abteilung etwa 30 Referenten und Instrukteure.264 Die Angaben der ehemaligen Dolmetscherin des Ministerpräsidenten Dr. Paul enthalten ebenfalls glaubwürdige Auskünfte über die Zusammensetzung der Landesverwaltung im Jahr 1947 und werden durch andere Quellen bestätigt. Danach war der Chef des Stabes Generalmajor Iwan Wassiljewitsch Smirnow gleichzeitig stellvertretender Chef der Landesverwaltung, ferner bestanden die Abteilungen Politik, Industrie und Reparationen, Finanzen, Justiz und Polizei, Umsiedler, Landwirtschaft, Lebensmittelversorgung, Gesundheit, Brennstoffe, Bildung, ein Administrativbüro (Stabsbüro) sowie die Abteilungen Demilitarisierung und Kommandanturdienst. Das Durchschnittsalter der Abteilungsleiter lag bei etwa 40 Jahren.265
257
HQ Berlin Command/Memorandum No.
338/29 Sept. 1947, in: BAK, OMGUS/7/28 23/3. Nach einem sowjetischen Dolmetscher, vgl. ODI12 Aug 1948, in: BAK, OMGUS/AGTS 50/6/1. 2/17
258
259
-
-
Wehner, Proletarischer Internationalismus und sozialistische Besatzungspolitik 1970, S. 194.
Jastrebzow, Sotrudnitschestwo 1977, Bd. 2, S. 64. 261 Koleschnitschenko, Bitwa 1987, S. 9 f. 262 Ebenda, S. 14. 263 Ebenda, S. 11. 264 Ebenda, S. 11, S. 13. 265 Interrogation Report on Mrs. Margarete Bauer-Jakunina, 260
804/2.
in:
BAK, OMGUS/POLAD
Territoriale Gliederung
153
Bezirkskommandanturen
regionale Führungsstruktur der SMAD stellten ursprünglich nicht die Landesverwaltungen, sondern die im August 1945 gebildeten Bezirkskommandanturen dar, die ebenfalls den Status von Verwaltungen (uprawlenije)
Die
hatten. Im Gegensatz zu den sich aus der Kommandostruktur der Truppe allmählich herauskristallisierten Landesverwaltungen und den lokalen Kommandanturen wurden die Bezirkskommandanturen zentral durch den SMADKommandanturdienst eingerichtet. 1945 schuf man 18 Bezirkskommandanturen, davon blieben nach dem 1. November 1946 12 übrig.266 Die Bezirke verteilten sich ursprünglich folgendermaßen auf die Länder/ Provinzen der SBZ:
Brandenburg 5 (Brandenburg, Bernau, Eberswalde, Cottbus, Potsdam),267 Mecklenburg 3 (Schwerin, Güstrow, Stettin), Sachsen-Anhalt 3 (Magdeburg, Merseburg, Dessau), Sachsen 5 (Dresden, Leipzig, Chemnitz, Zwickau, Bautzen), Thüringen 3 (Gera, Gotha, Erfurt). Berlin genoß eine Sonderstellung aufgrund der gemeinsamen Besatzung, ebenso die Städte Schwerin, Frankfurt/Oder, Potsdam, Brandenburg, Magdeburg, Dessau, Halle, Dresden, Leipzig, Zwickau, Erfurt und Weimar, und zwar insofern, als ihre Kommandanturen unter Umgehung der Bezirkskommandanturen unmittelbar den Landesverwaltungen der SMAD unterstellt
wurden.268 Diese verschachtelte Struktur ist nur auf den ersten Blick verwirrend, vielfach gab es gemeinsame Bezirks- und Kreis-Kommandanturen: So wurde Generalleutnant Trufanow als Stadtkommandant von Leipzig durch Befehl des Stellvertreters des Obersten Chefs Nr. 14 vom 17 September 1945 zugleich zum Kommandanten des Bezirks Leipzig ernannt, ebenso sein Nachfolger Generalmajor M. F. Suprunow.269 Die besondere Bedeutung der Bezirkskommandanturen der SMAD wird zusätzlich durch die Tatsache unterstrichen, daß der Sicherheitsapparat auf der Bezirksebene zunächst wesentlich stärkere Dependancen unterhielt als in den Landkreisen. Die verwaltungsrechtliche Entwicklung in der SBZ verlief uneinheitlich und korrespondierte nicht immer mit der Territorialstruktur der SMAD. So wurden in Brandenburg durch SMAD-Befehl Nr. 13 vom 25. Juli 1945 fünf Bezirke geschaffen, in Sachsen-Anhalt löste der Landtag die Verwaltungskörperschaften der preußischen Regierungsbezirke 1947 wiederum auf.270 In den historisch gewachsenen Ländern entstanden in Sachsen im Frühjahr 1946 in 266
267
2kl< 269
270
37 Nach amtlichen deutschen Quellen aus den Jahren 1945/46 bestanden insgesamt 19 Bezirkskommandanturen. Hier durch Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 13 vom 25. Juli 1945 in Eberswalde, Cottbus, Berlin und Brandenburg.
Korol, Pomoschtsch 1977, S.
Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, Anlage 4.
Befehl des Stellvertreters des Obersten Chefs Nr. 16 vom 20. Sept. 1946. Gesetz vom 29. Jan. 1947 in: Gesetz-Blatt Sachsen-Anhalt I, S. 39.
Organisationsstruktur
154
den fünf ehemaligen Amtshauptmannschaften Bautzen, Dresden, Leipzig, Chemnitz und Zwickau deutsche Bezirksorgane, die zwar staatsrechtlich 1947 wieder abgeschafft wurden, jedoch Leitungs- und Kontrollfunktionen insbesondere in der Wirtschaft und im Polizeiwesen behielten; eine ähnliche Situation herrschte in Mecklenburg und Thüringen. An der Bezirksverwaltungsstruktur orientierten sich ebenfalls die deutschen Zentralverwaltungen und später die DWK. Die 1945 und 1946 veröffentlichten amtlichen Statistiken trugen ihr ebenfalls Rechnung.271 Nach alter DDR-Lesart spielten die Bezirkskommandanturen eine untergeordnete Rolle, weil auf dieser Ebene keine komplementären deutschen Selbstverwaltungsorgane bestanden hätten.272 Personell seien sie daher schwächer ausgestattet gewesen als die Kreiskommandanturen, wobei sie jeweils für 6-9 Kreise zuständig waren. Diese Interpretation ist verzerrt. Die in aller Regel von einem Oberst273 geführten Bezirkskommandanturen waren vorrangig Koordinations- und Kontrollorgane des sowjetischen Besatzungsapparates. Gerade der Mangel an komplementären deutschen Instanzen war geeignet, ihre Funktionstüchtigkeit zu steigern. In einem Erinnerungsbericht schilderte Oberst 1.1. Spiridonow, wie er zusammen mit 50 anderen Obersten am 22. Juli 1945 von Generaloberst Serow mündlich instruiert und dann als Kommandant des Bezirks Dresden für insgesamt siebzehn Kommandanturen zuständig gewesen sei.274 In der Bezirkskommandantur (okrug) Zwickau waren 1945 39 Spezialisten beschäftigt, von denen 38 aus der Feldtruppe kamen und 22 der WKP(B) angehörten. 24 verfügten über höhere Fachschulbildung.275 Das abstrakte Organigramm einer Bezirkskommandantur sah ursprünglich neben dem Chef der Verwaltung die Fachabteilungen (otdelenija) Kommandanturdienst, Militärische Fragen, Propaganda, Politische Abteilung, Ökonomische Fragen, Zivilverwaltung, Organisations-Rechnungs-Abteilung sowie die Abteilungen Verbindungen und Sonderverbindungen vor. 1948 wurden die Bezirkskommandanturen aufgelöst,276 nachdem sie im Zuge der allgemeinen Zentralisierungsmaßnahmen in der SBZ funktionslos geworden waren.
271
272
273
Vgl. hierzu: Schreckenbach, Hans-Joachim: Bezirksverwaltungen in den Ländern der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1947, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte, Bd. 1 (= 1965). So beispielsweise: Wehner, Proletarischer Internationalismus und sozialistische Besatzungspolitik 1970, S. 195. Nach der nach dem Krieg geltenden Heeresdienstordnung der Sowjetischen Armee waren Generäle und Oberste Dienstvorgesetzte aller rangniedrigeren Offizierschargen, Oberstleutnante und
Majore nur in den ihnen unmittelbar unterstellen Einheiten.
Spiridonow, Ilja I.: Erinnerungen an meine Tätigkeit in Dresden, in: In Dresden 1945. Beiträge ehemaliger Offiziere. Dresden 1970, S. 23ff. 275 Jastrebzow, Sotrudnitschestwo 1977 Bd. 2, S. 64. 276 274
Maljarow, Dejatelnost 1964, S.
109.
155
Territoriale Gliederung
Kreis-, Rayon- und Ortskommandanturen Wegen der territorialen Deckungsgleichheit mit den Gliederungen des deut-
schen Verwaltungsapparats waren die Kreis- und Ortskommandaturen von unmittelbarer Präsenz. Im Land Sachsen bestanden Kreiskommandanturen für die 28 ehemaligen Kreishauptmannschaften des Freistaats Sachsen, die drei früheren schlesischen Kreise und die kreisfreien Städte.277 Auf der untersten Ebene befanden sich Ortskommandanturen in Städten und Gemeinden, in Großstädten auch Stadtteilkommandanturen. Bei der Kontrolle des Vollzugs von SMAD-Befehlen durch die deutsche Verwaltung, der Industrieproduktion sowie bei der Überwachung der politischen Entwicklung in den Parteien und Massenorganisationen spielten insbesondere die lokalen Kommandanturen eine große Rolle. In der Anfangsphase bekam jede Landgemeinde eine Ortskommandantur, die oft nur von einem Unteroffizier geführt war. Mehrere dieser untersten Kleinkommandantureinheiten wurden als „Rayonkommandanturen" eingerichtet, deren Kommandanten zugleich für mehrere Nachbargemeinden zuständig waren. Im Durchschnitt wurden in jedem Kreis 5-7 solche Rayonkommandanturen gezählt.278 Die personelle Minimalausstattung einer Kommandantur bestand aus dem Kommandanten, seinen Stellvertretern und je einem Offizier für Politik, Wirtschaft und Kulturangelegenheiten; lokale Kommandanturen kamen vielfach mit dem Kommandanten, jeweils einem Gehilfen für Zivilverwaltung und für ökonomische Fragen, ferner einem Inspekteur für Verbindungen, einem Instrukteur sowie einem Chef des Versorgungspunktes aus. Das abstrakte Organisationsschema einer Kreiskommandantur stellte dem Kommandanten den Politischen Apparat, jeweils einen Instrukteur für Propaganda und für Verbindungen, die Abteilungen (otdelenija) Zivilverwaltung, Kommandanturdienst, Landwirtschaft, und Ökonomie zur Seite.279 In der Kreiskommandatur Zwickau wurden 1947 fünf Abteilungen beobachtet: Wirtschaft, Politik, Propaganda, eine für militärische Angelegenheiten und Sicherheit sowie eine Abteilung Versorgung. Der Chef, ein Oberst, hatte drei Stellvertreter, die gleichzeitig Chefs der Abteilungen Wirtschaft, Politik und Propaganda waren. Die übrigen zwei Abteilungsleiter waren nicht ständige Stellvertreter des Kommandanten. In der Wirtschaftsabteilung als der wichtigsten Abteilung waren bis Anfang 1947 23 Offiziere, danach nur noch 13 beschäftigt; in der politischen nur 2 bis 3, die sich allerdings nicht um deutsche politische Angelegenheiten kümmerten, sondern um die politische Kontrolle, Schulungen des Kommandantur-Personals usw. Die Propaganda-Sektion mit 4-5 Offizieren nahm die lokalen deutschen 277
278 279
Wehner, Proletarischer Internationalismus und sozialistische Besatzungspolitik 1970, S. 195. Ebenda. Außerdem interne Fachteile einschließlich eines rotte.
Versorgungspunktes
und einer Schutz-
156
Organisationsstruktur
Aufgabenbereiche wahr, insbesondere die Anleitung und Entwicklung des po-
litischen Lebens.280 Dem Stellvertreter für militärische Angelegenheiten und Sicherheit stand eine Gruppe Soldaten zur Verfügung. Der Kommandantur sei ferner ein
MGB-Verbindungsoffizier beigeordnet gewesen, der den Kontakt zur MGBGruppe in Zwickau wahrnahm. Dort soll eine elfköpfige Gruppe vor allem mit der Propaganda-Sektion der Kommandantur eng zusammengearbeitet und einen Informationsdienst in der SED organisiert haben. Die Stärke einer Kreiskommandantur in Mecklenburg wurde Mitte 1947 mit 60-80 Mitarbeitern angegeben, der Chef war ein Oberstleutnant.281 Sondereinheiten der SMAD
Unmittelbar nach Kriegsende wurde eine Vielzahl besonderer Bevollmächtigter eingesetzt, die entweder Moskauer Stellen oder zentralen Verwaltungen der SMAD direkt unterstellt waren. Als unmittelbar zentralen sowjetischen Stellen in Moskau unterstellte Einheiten sind die Apparate der Bevollmächtigten der sowjetischen Volkskommissariate anzusehen.282 Es gab jedoch auch andere. Durch Befehl Nr. 136 vom 5. November 1945 wurde beispielsweise das Institut der Beauftragten der Militärischen Abteilung des Stabes bei den Bezirksverwaltungen aufgehoben und die früheren Beauftragten als militärische Stellvertreter des Kommandanten eingesetzt.283 Der Stellvertreter des Obersten Chefs installierte durch Befehl Nr. 8 vom 31. August 1945 14 Beauftragte der SMAD zur verstärkten Kontrolle der Finanz-, Kreditorgane und Sparkassen in den Ländern und Bezirken.284 Sieben spezielle Beauftragte für die Repatriierung sowjetischer Staatsbürger wurden in der SBZ durch Befehl des Stellvertreters des Obersten Chefs Nr. 15 vom 17 September 1945 ernannt. SMAD-Beauftragte wirkten ebenfalls in den Westzonen, etwa bei den Missionen für Reparations- und Restitutions-285 oder Repatriierungsfragen.286 Außerhalb der flächendeckenden Kommandanturstruktur agierten teilweise personell sehr großzügig ausgestattete und mit weitreichenden Befehlsvollmachten versehene sogenannte Militärbeauftragte der SMAD an wichtigen strategischen Punkten, wie Bahnhöfen oder bei allen Reichsbahn-Direktionen. Durch Befehl Nr. 38 vom 25. August 1945 wurden besondere Beauftragte der Transportverwaltung der SMAD bei den acht in der SBZ bestehenden Reichs280
HQ
Berlin Command/Memorandum No. 177/2
2/28/9.
281
282
284 285 286
in: BAK, OMGUS/7/22 -
1947, in: AsD, Ostbüro/404b. Mecklenburg Z.B. Bevollmächtigte des Volkskommissariats für chemische Industrie und die Repara3. Juni
tionskommission. 283
May 1947,
Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 2 vom 2. Januar 1946.
GARF, 7317/8/1, Bl. 167f. Insgesamt gab es 21 solche Beauftragte. AWP RF, 457a/6/2/36. Im Januar 1948 Oberst Alexejew. Im Januar 1948 Oberst
Brjuchanow.
Territoriale Gliederung
157
54 in den Rayonen und an 20 größeren Bahnhöfen sowie zwei bei den Wasserstraßendirektionen287 installiert, insgesamt ein Apparat von 744 Personen.288 Ferner ist öfter die Rede von Betriebskommandanten, „Werksoffizieren", „Schuloffizieren", die in der Anfangsphase beim Geschichtsunterricht in deutschen Schulen anwesend sein mußten. Belegt sind auch ad-hoc-Einheiten der SMAD. Zahlreiche Kommissionen prägten darüber hinaus das organisatorische Erscheinungsbild der SMAD. So wurde durch Befehl Nr. 139 vom 9. November 1945 beim Gehilfen für ökonomische Fragen Kowal eine gemischte deutsch-sowjetische Sequesterkommission mit Bevollmächtigten in den Ländern/Provinzen eingerichtet, für die allein 500 sowjetische Fachleute abzustellen waren.289 Durch Befehl Nr. 98 vom 29. März 1946 wurde die Arbeit dieser Kommission für Konfiskation und Sequester reorganisiert: Seitdem beschränkten sich die Aufgaben der verkleinerten sowjetischen Kommission bei Kowal nur noch auf die Kontrolle der deutschen Kommission,290 bis sie durch Befehl Nr. 65 vom 19. April 1948 in eine Kontrollkommission für Eigentum umgebildet und im Status einer selbständigen Abteilung (otdel) der SMAD dem Chef der Finanzverwaltung der SMAD unterstellt wurde.291 Die Praxis der gemischten Kommissionen kann als eine effektive Form der Übertragung sowjetischer Erfahrungen gelten, denn aus dieser Sequesterkommission ging die deutsche Kommission zum Schutz des Volkseigentums hervor. Generell war der SMAD-Apparat durch zwei Merkmale gekennzeichnet. Zum einen durch einen schematischen Zug, der sich infolge des angewandten Ressortprinzips insbesondere in mehrfachen Leitungs- und Kontrollstrukturen niederschlug, zum anderen durch funktionale Flexibilität, durch die der Besatzungsapparat in der Lage war, sich weitgehend organisch den realen Gegebenheiten und Aufgaben anzupassen. Flexibilität und Improvisationsfreude, vielfach an formalen Organisationsstrukturen vorbei entwickelt, standen bei Militärs nicht nur deshalb hoch im Kurs, weil sie administrative Verfahrensgrundsätze habituell geringschätzten, sondern vor allem wohl deshalb, weil nach allgemeiner Regel nicht starre Verfahrensregeln organisatorische Effizienz und Flexibilität garantierten, sondern im konkreten Fall die innere Ordnung einer auf Befehl und Gehorsam beruhenden Zwangsorganisation. Dies und der (fast) unumschränkte Geschäftsauftrag der SMAD kompensierten manche strukturelle und fachprofessionelle Mängel. Die Konturen einer „ordentlichen Verwaltung", in der der Karlshorster Zentrale die Landesverwaltungen und die Kreiskommandanturen nachgeordnet waren, gewann die SMAD im wesentlichen erst 1947
bahndirektionen,
287 288 289
GARF, 7317/8/1, Bl. 120. GARF, 7317/8/1, Bl. 273. GARF, 7317/2/2, Bl. 169 f.
290
Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 98
291
GARF, 7317/8/15.
vom
29. März
1946, in: GARF, 7317/8/3.
158
Organisationsstruktur 4.
Sonderorganisationen
WKP(B) und Komsomol in der SMAD Die Organisationen der kommunistischen Partei und des Komsomols in der Armee waren als politische Organe gleichzeitig Führungsorgane der WKP(B). Die Partei als „Seele und führende Kraft der proletarischen Diktatur" (Stalin) nahm zusammen mit ihren „Transformationsriemen" Komsomol, Gewerkschaftsorganisation und Presse Kontroll- wie Mobilisierungsfunktionen wahr und diente somit unmittelbar der Festigung der Arbeitsdisziplin. Dem Prinzip nach bestanden in der Armee ernannte politische Organe, die in die militärische
Führungsstruktur integriert waren, sowie Parteikommissionen als gewählte kollegiale Organe mit Stabsfunktion. An erster Stelle stand grundsätzlich die in die militärische Befehlsstruktur voll integrierte politische Infrastruktur, die unmittelbar der Politischen Hauptverwaltung der Armee unterstellt war. Diese war weisungsgebunden sowohl gegenüber dem ZK der WKP(B) in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch mit der ZK-Militärabteilung identisch, später ihr unterstellt als auch zugleich gegenüber dem Volkskommissar/Minister für Verteidigung/Streitkräfte. Die im Einvernehmen mit der militärischen Führung gewählten und anschließend durch die vorgesetzte militärpolitische Instanz bestätigten Parteiorgane standen grundsätzlich in militärischem Unterordnungs-
-
verhältnis zu dem unmittelbar vorgesetzten militärischen Kommandeur. Nach einer Reorganisation der Parteiarbeit 1943/44 hatten auf der Frontebene Politische Verwaltungen und auf dem Armee-/Verbandslevel Politische Abteilungen die militärpolitische Führung einschließlich der Parteiarbeit übernommen. Ihre Leiter waren zugleich Stellvertreter der Befehlshaber auf politischem Gebiet und ab Bataillonsebene aufwärts vom übrigen Truppendienst befreit. Ab Regimentsebene bis zu den Kompanien leiteten zusätzlich sogenannte Partorg (für Parteiorganisator) die Grundorganisationen der Partei.292 Nach Kriegsende lag die politische Parteiarbeit weitgehend brach. Eine Politische Verwaltung in der SMAD entstand erst durch Beschluß des Organisationsbüros und des Sekretariats des ZK der WKP(B) vom 19. Juni 1946, sie war unmittelbar der Moskauer Politischen Hauptverwaltung unterstellt. Damit wurde der Forderung des Obersten Chefs, des politischen Mitglieds des Kriegsrates und des Chefs der Politischen Verwaltung der Besatzungstruppen nach Bildung einer Politischen Verwaltung bei der SMAD entsprochen. Die Leitung der internen politischen Einheiten und Parteiorganisationen in der SMAD wurde damit aus der Zuständigkeit des Truppenkommandos, von dem aus sie bis dahin exekutiert und durch die Politische Abteilung des Stabes der 292
Vgl. Postanowlenije ZK WKP(B) o reorganisazii struktury partinych i komsomolskich organisazi w Krasnoi Armii i ob ussilenii roli frontowych i diwisionnych gaset/24. 5. 1943, in: KPSS w resoljuzijach i reschenijach sjesdow, konferenzi i plenumow, Bd. 7, Moskwa 1985, S.
410f, sowie Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Bd. V, Moskau
1974, S. 343-350.
159
Sonderorganisationen
SMAD sowie eine beim politischen Stellvertreter der Verwaltung des Kommendanturdienstes der SMAD angesiedelte Inspektorengruppe koordiniert worden war, herausgelöst.293 Mit der Bildung der politischen Verwaltung mit zunächst 76 Planstellen wurde die zuletzt genannte Einheit aufgelöst.294 Nach diesem Zeitpunkt wurde die Parteiarbeit systematisch reaktiviert295 und stufenweise die Wählbarkeit und das Lnstitut der Sekretäre von Partei und Komsomol eingeführt.296 Für Offiziere wurde in der SBZ zum 1. Juli 1946 die sogenannte
marxistisch-leninistische Vorbereitung (marksistswo-leninskaja podgotowka) eingeführt, der Mannschafts- und Unteroffiziersbestand war schon ein halbes Jahr früher ins Visier der Politruks geraten und hatte zweimal wöchentlich zwei Stunden politischen Pflichtunterricht zu absolvieren.297 Die Überbleibsel der kriegsbedingten Sonderstrukturen wurden 1948 beseitigt. Über Politische Abteilungen (otdel) verfügten alle Landes- und Bezirksverwaltungen.298 Dort wie im Stab, in den Verwaltungen und den Abteilungen der Zentrale waren, wie Bokow bezeugt, ernannte politische Stellvertreter der Chefs und Parteiorganisatoren tätig.299 Es handelte sich um hauptamtliche Funktionen. Der Chef der Politischen Abteilung des Stabes Oberst K. W. Owtschinnikow war gleichzeitig (politischer) Stellvertreter des Chefs der Politischen Verwaltung. Die Politische Abteilung des Stabes zeichnete zusammen mit dem Büro der Parteiorganisation der WKP(B) in der SMAD auch für „Sowetskoje slowo", die russischsprachige Tageszeitung der SMAD, politisch verantwortlich. Mit der Bildung der (internen) politischen Abteilungen wurde eine besondere Kontroll- und Anleitungsstruktur gebildet, die Parteiorg[anisatoren] bei den Kommandanturen wurden ebenfalls unmittelbare Organe der SMAD.300 Die politische Kontrolle der S MAD-Struktureinheiten nahmen damit auf der Führungsebene die politischen Stellvertreter der Chefs und in den Einheiten die Parteiorganisatoren wahr. Zum 1. Mai 1947 bestanden in der SMAD 577 Grundorganisationen der WKP(B) und 466 des Komsomol. Sie erfaßten 80 Prozent des Personalbestandes.301 Die Mehrzahl trat der Partei im Krieg bei, 293
294
295
296
297
I. Schikin/Predsedatelju gossudarstwennoi schtatnoi komissii pri Sowete Ministrow SSSR/4. 6. 1946; Sekretär ZK WKP(B)/Patolitschewu, Schikinu, Sokolowskomu, Mechlisu, Andrejewu, Storoschewu/19. 6. 1946, in: RZChilDNI, 17/117/612, Bl. 134-141. Schikin/Mechlissu/4. 4. 1946; Mechlis/Kusnezowu/5. 4. 1946; Sekretär ZK/19. 4. 1946, in: RZChilDNI, 17/117/674, Bl. 134-141. Laut Klimow wurde in der SMAD erst nach der Stuttgarter Rede von Byrnes im Herbst 1946 Parteiarbeit betrieben. Vgl. Klimow, Gregory: Berliner Kreml, Köln 1951, S. 378f. Vgl. Na bojewom postu, Redaktionskollegium unter der Leitung von E. F. Iwanowski, Moskwa 1975, S. 77 Ebenda, S. 74. Mit „marxistisch-leninistischer Vorbereitung" sind vor allem Indoktrina-
tionsschulungen gemeint. -
298 299
300 301
Scholkowitsch, Dejatelnost 1980, S. 66. So auch Wiskow/Kulbakin, Sojusniki 1990, S. 71. Kolesnitschenko, Bitwa 1987, S. 14. Ebenda, S. 73. Mitte 1946 waren 13492 Mitglieder der WKP(B) somolzen in 534 -
Grundorganisationen
erfaßt.
Vgl.
in 602 und 9089 Kom-
Samestitelju Sawedu-
Storoschew
-
160
Organisationsstruktur
nach dem Stand vom 1. Januar 1946 für 72,4 Prozent aller Kandidaten und Mitglieder der WKP(B) zutraf.302 Die Partei- und insbesondere die politische Schulungsarbeit wurde ab Mitte 1948 vor dem Hintergrund der globalen politischen Entwicklung wesentlich verstärkt. Zu diesem Zeitpunkt waren bei den Verwaltungen bereits alle (ernannten) Partorg[anisatoren] durch Parteisekretäre abgelöst worden. Der „Weekly Intelligence Report" No. 124 des OMGUS vom 25. September 1948 analysiert, Tjulpanow sei Chef eines einflußreichen internen Gremiums, genannt „Parteiaktiv der WKP(B) in der SMAD",303 was später J. P. Nettl und andere übernahmen. Diese Lesart ist aus einer Reihe von Gründen nicht stichhaltig, schließlich waren Parteifunktionäre reglementmäßig schon auf der Bataillonsebene hauptamtlich tätig.304 Außerhalb der direkten Befehlslinie wandte sich Anfang März 1948 die Parteiorganisation des Stabes der SMAD in einem Schreiben erstmals öffentlich an den Parteivorstand der SED;305 die Glückwunschadresse des Parteivorstands der SED an die „Organisation der KPdSU(B) in der SMAD" zum Jahrestag der Oktoberrevolution 1948 wurde zu Händen von Generalleutnant Russkich geschickt,306 dem damaligen Stellvertreter des Obersten Chefs für politische Angelegenheiten und damit dem reglementmäßig höchsten Repräsentanten der WKP(B) in der SMAD. Auch in „Sowetskoje slowo" veröffentlichte Berichte über die Parteiarbeit innerhalb der SMAD liefern keinen Hinweis, daß die SMAD vom militärischen und parteistatutarischen Reglement abgewichen wäre. Durch einen Befehl des Stabes der SMAD wurde im August 1946 Oberst Fjodor Andrejewitsch Romanow rückwirkend zum 15. Juli zum Sekretär der WKP(B)Kommission bei der Politischen Verwaltung der SMAD ernannt307 und im August 1949 durch Oberstleutnant Wladimir Iwanowitsch Ochlupin abgelöst.308 Die zunächst auf der Ebene von Verwaltungen entstandenen Gewerkschaftskomitees der SMAD-Beschäftigten sind durch Befehl Nr. 155 vom 25. Mai 1946 zu einem Vereinigten Gewerkschaftskomitee bei der SMAD zusammengelegt worden. 1948-49 war A. Popow sein Vorsitzender. Die interne politische Führungsstruktur innerhalb der SMAD hatte freilich unmittelbaren Einfluß auf die Anleitung deutscher Instanzen, vor allem der was
juschtschewo Organisazionno-instruktorskim otdelom ZK WKP(B)/Sprawka/4. 4. 1946, in:
RZChilDNI, 17/117/674, Bl.
135.
Vgl. Subkowa, J.: Kaderpolitik der KPdSU, unveröffentlichtes Manuskript. 303 OMGUS/Weekly Intelligence Report No. 124/25 Sept. 1948, in: PRO London, 302
304
305 306 307
308
RG 319/Box 1625. Hier müssen zunächst zwei Argumente genügen: 1. Tjulpanow als Chef der Informationsverwaltung konnte ehrenamtlich keine Funktion ausüben, die grundsätzlich nur hauptberuflich auszuüben war. 2. Ein Parteiaktiv war ein informelles ad-hoc-Gremium ohne festen Leiter, als „Moderator" wirkte entweder der Ranghöchste oder der Parteisekretär. Vgl. Tägliche Rundschau vom 2. März 1948. Vgl. Neues Deutschland vom 7 Nov. 1948. Vgl. Prikas po schtabu SWAG (po litschnom sostawu) No. 342 vom 13. 8. 1946, in: GARF, 7317/59/10, Bl. 60. w/ypiski is prikasa Natschalnika Glawnowo Polititscheskowo Uprawlenija Wooruschonnych Sil SSSR No. 0491 vom 8. 8. 1949, in: GARF, 7317/59/42.
Sonderorganisationen
161
SED, transportierte und determinierte sie doch im Hinblick auf die Außenwir-
kung der SMAD auch die politischen Ziele, Inhalte wie Arbeitsmethoden und kontrollierte deren Umsetzung innerhalb der Besatzungsverwaltung. Strategische Zielvorgaben wurden auf der zentralen Ebene im Parteiaktiv des Kommandos der SMAD mit dem Ziel vermittelt so beim Vortrag Semjonows in diesem Gremium über Molotows Rede auf der Pariser Friedenskonferenz 1946 -, „Massenaufklärung in SMAD und GSWOG durchzuführen", „in Organen des sowjetischen Teils des Kontrollrates die Kontrolle durch den Stellvertreter des Obersten Chefs, den Politberater und den Chef des Stabes zu verstärken" und die November-Sitzung des Kontrollrats vorzubereiten.309 Die Protokolle dieser Sitzungen werden noch heute als geheim behandelt. Die Veröffentlichung eines Auszugs aus der Sitzung des Parteiaktivs vom 9. März 1949 über ökonomische und politische Aufgaben der SMAD im gleichen Jahr310 stieß noch 1995 in Moskau auf massive öffentliche Kritik. -
Sicherheitsapparat Daß
politische Polizei und anonym arbeitende Repressionsapparate in totaliSystemen spezifische Funktionen erfüllen, muß nicht weiter ausgeführt werden. Durch Beschluß Stalins vom 22. April 1945 wurde, wie schon angeführt, der NKGB-Kommissar 2. Ranges Serow, ab Januar 1945 NKWDBevollmächtigter bei der 1. Belorussischen Front, zum Stellvertreter des Frontkommandeurs Schukow für Zivilangelegenheiten311 und zwei Monate später mit NKWD-Befehl Nr. 00780 vom 4. Juli 1945 zum NKWD-Bevollmächtigten bei der GSWOG ernannt.312 Generaloberst Serow war damit gleichzeitig tären
Erster stellvertretender Volkskommissar des Innern der UdSSR, Bevollmächtigter des NKWD bei der GSOWG, Stellvertreter des Oberkommandierenden
der Truppen und Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD für Zivilangelegenheiten. Unter seinem Befehl standen die in der SBZ damals stationierten zehn Regimenter der Inneren Truppen des NKWD/MWD313 sowie der gesamte sowjetische Sicherheitsapparat, der nach der Bildung der SMAD auf 2230 Mitarbeiter des NKWD und 399 des NKGB aufgestockt wurde,314 ferner die auf dem Gebiet 309
Kurotschkin-Semjonow/Telefonogramma po WTsch/Wyschinskomu/15. 7 1946, in: AWP RF, Fonds Molotow/8/31/473, Bl. 24.
310
311
Vgl. Is stenogrammy sobranija partinowo aktiwa SWAG o chosjaistwenno-polititscheskich sadatschach na 1949 god/9 marta 1949 g., in: SWAG 1994, S. 225-231. Predsedatel GOKO Stalin/Postanowlenije GOKO/22. 4. 1945, in: GARF, r 9401/2/95,
Bl. 319-320. 312
-
Berija/GOKO Stalin/22. 6. 1945, in: GARF, r 9401/2/97 Bl. 8-10.
Damit unterstanden Serow alle in der SBZ befindlichen Mitarbeiter des NKWD, des NKGB, der militärischen Gegenspionage und die NKWD-Truppen. Läßt man die Truppen außer acht, handelte es sich um etwa 800 Mann. GARF, 9409s/ls/38, Bl. 12. Ab August 1946 nur noch sieben Regimenter. Stand vom 31. Jan. 1946, vgl. Petrow, Apparat [1997]. Meines Erachtens saßen die meisten -
313 314
162
Organisationsstruktur
der Besatzungszone befindlichen Lager und Gefängnisse. Einmalig waren Serows Vollmachten auch deshalb, weil zeitgleich mit seiner Ernennung die Funktion des NKWD-Bevollmächtigten bei allen anderen sowjetischen Heeresverbänden im Ausland aufgehoben wurde. Der in Deutschland aufgebaute sowjetische Sicherheitsapparat wich von der innersowjetischen Struktur ab und wurde sogar zum Vorbild für deren Reorganisation. Diese hatte schon 1943 begonnen, als die Hauptverwaltung Gegenspionage (GUKR, auch Smersch, für Smert schpionam, d. i. „Tod den Spionen") dem damals von Stalin geleiteten Volkskommissariat für Verteidigung unterstellt worden war. Als Frontbevollmächtigter gleichzeitig dem Volkskommissar für Inneres Berija unmittelbar beigeordnet, blieb Serow nach der Aufspaltung des von Berija geleiteten Volkskommissariats im Amtsbereich des NKWD. Gemäß einer Vereinbarung zwischen den beiden neuen Volkskommissaren für Inneres Kruglow und für Staatssicherheit Merkulow behielt er jedoch seine früheren NKGB-Kompetenzen zunächst bei und galt nunmehr zugleich als Beauftragter des NKGB-MGB in Deutschland.315 Der PolitbüroBeschluß vom 20. August 1946 formalisierte die schon im Frühjahr erfolgte Konzentration aller operativen Sektoren des Innenministeriums (MWD) und der Smersch unter dem Dach des Sicherheitsministeriums (MGB),316 ein Schritt, der im Oktober 1946 in der SBZ auch formell vollzogen wurde.317 Zum Vertreter des MGB in der SBZ war bereits im August 1946 Generalleutnant, später Generaloberst, Nikolai K. Kowaltschuk bestimmt worden, der als „Upolnomotschenny MGB w Germanii i samestitel MGB w Germanii" (Beauftragter des MGB der UdSSR für Deutschland) in Personalunion stellvertretender Minister für Staatssicherheit der UdSSR und damit unmittelbar dem Minister unterstellt war. 1947 übertrug Stalin das System der geheimen
Nachrichtenübermittlung (sogenannte WTsch-Verbindungen) vom NKWD/ MWD, das sie bis dahin betreut hatte, an das MGB.318 Seitdem monopolisierte das MGB die geheimdienstlichen Strukturen. Diese Grundaufstellung mit einem zwischen zweitausendzweihundert und zweitausendsechshundert schwankenden Personalbestand behielt der sowjetische Sicherheitsapparat in der SBZ/DDR bis Frühjahr 1953 bei.319 Im Zuge der Nachkriegsreorganisa-
315 316
317
318 319
dieser Geheimdienstler auf SMAD-Planstellen. Unter Berufung auf einen sowjetischen Überläufer wurden früher in der Literatur 2000 in der Zentrale beschäftige Personen angegeben. Vgl. Gordiewsky, Oleg/Christopher, Andrew: KGB. Die Geschichte seiner Auslandsoperationen von Lenin bis Gorbatschow, München 1990, S. 452. Die Volkskommissariate wurden im März 1946 in Ministerien umbenannt. Vgl. Gordiewsky/Christopher, KGB 1990, S. 452, sowie Kruglow/Stalin/13. 2. 1947, in: GARF, r 9401/2/168, Bl. 341, und Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 177 Andere datieren den tatsächlichen Vorgang auf Mai 1946, als der frühere Abwehrchef Abakumow Minister wurde. Vgl. Protokoll des Verhörs von Sidnjew, A. M. vom 6. 2. 1948, in: Wojennyje archiwy 1/1993, S. 197-207, hier S. 202. GARF, r 9401/2/170, Bl. 346-349. Zwischenzeitlich waren im Frühjahr 1949 weitere 115 MGB-Mitarbeiter in die SBZ gekom-
163
Sonderorganisationen
tion verblieben nach 1946 in der Kompetenz des MWD außer seinen im Rahmen der SMAD wahrgenommenen Fachaufgaben lediglich die Internierungslager und Gefängnisse für bereits gerichtlich verurteilte Deutsche, während die Untersuchungsgefängnisse für politische Übertreter ausdrücklich dem MGB unterstellt wurden.320 Diesen zwischen dem MGB und dem MWD in der SBZ entstandenen kompetentiellen Konflikt belastete die persönliche Animosität zwischen Abakumow und Serow. Das Hauptquartier des Sicherheitsapparates befand sich ursprünglich in Potsdam, ab Frühjahr 1947 residierte der MGB-Beauftragte in Karlshorst, Waldowstraße 53-54.321 Nach westlichen Angaben soll die Zentrale ursprünglich in zehn Fachabteilungen gegliedert gewesen sein: Geheime Politische Abteilung, Abwehrabteilung, Ökonomische Abteilung für die zonale Wirtschaft, Überwachungsabteilung, Untersuchungsabteilung (auch bei der Fahndung nach Kriegsverbrechern aktiv), Archivabteilung, Statistikabteilung, Chiffrierabteilung, Personal- sowie Militärische Abteilung.322 Im August 1948 zählte der US-Geheimdienst sechs Abteilungen auf, nämlich Subversion, Abwehr, Operativabteilung, Ausland, Politische Abteilung und Untersuchungsabtei-
-
lung.323
In der horizontalen Struktur des
Sicherheitsapparates bildeten die Länder, besetzte Teil Berlins sogenannte operative Seksowjetisch toren (operatiwny sektor, abgekürzt: opersektor). Über die personelle Ausstattung eines Opersektors existieren verschiedene Angaben: Eine Quelle nennt für das Büro des Opersektors Thüringen im Jahr 1947 über 500 Mitarbeiter324 (womit allerdings die Gesamtzahl der im Lande sowohl innerhalb als auch außerhalb der SMAD tätigen Sicherheitsfachleute erfaßt worden sein dürfte); nach Informationen eines Überläufers waren im April 1948 im Hauptquartier des thüringischen Opersektors etwa 90 Offiziere beschäftigt, dem zusätzlich 18 Dolmetscher, 20 weitere Mitarbeiter sowie eine Kompanie MWDSoldaten zur Verfügung standen.325 Andere Quellen nennen rund 30-45 Offiziere, ca. 25 Dolmetscher und 150-250 MWD-Soldaten. In Thüringen bestanden 1948 unter der Leitung eines Obersten zehn interne Abteilungen (Kader, Politische Erziehung, Archiv usw.) und sechs Fachabteilungen, darunter auch Provinzen und der
bis 1953 stieg ihre Anzahl auf 2222. Vgl. Petrow, Apparat [1997], Im Gegenzug ging die Zahl der MWD-Mitarbeiter auf 150 -180 (1948) bzw. etwa 75 (1950) zurück. Ebenda. Vgl. auch Information on Soviet Intelligence Organizations/26 January 1948, in: BAK, OMGUS/AGTS 52/1/8. Dort wird zwischen MGB- und MWD-Struktur nicht streng unterschieden. Vgl. Russian Intelligence Activities in Germany/15 March 1947, in: BAK, OMGUS/AGTS men,
320 321
-
322
52/1/8.
Vgl. Report August 1948, in: BAK, OMGUS/7/22-2/28/1. 324 Vgl. Interrogation Report on Mrs. Margarete Bauer-Jakunina, 323
in: BAK, OMGUS/PO-
LAD 804/2.
325
auch: HQ European Command GUS/ODI 7/22-2/21.
Vgl.
Intelligence
Center/27 Oct. 1948, in: BAK, OM-
164
Organisationsstruktur
eine zur Überwachung des SMAD- und MGB-Personals.326 Für Brandenburg nannte ein Überläufer fünf Fachabteilungen, die jeweils mit 20-30 Offizieren besetzt seien.327 Die Bezirke bildeten sogenannte operative Bezirke (operatiwny okrug, abgekürzt: operokrug) als mittlere Kontroll- und Führungsebene mit 15-20 Offizieren, 10-12 Dolmetschern und einem Zug MWD-Soldaten. In Thüringen wurden 1948 Gera, Erfurt und Gotha als Operokrug-Sitz genannt;328 in diesen Städten waren auch die Kommissariate des (deutschen) Landeskriminalamtes untergebracht. Aus Brandenburg wurden 1947 die Bezirksstädte Brandenburg, Potsdam, Cottbus und Eberswalde als Sitz von „operativen Sektoren" gemeldet,329 was allerdings auch auf einen Übertragungsfehler zurückzuführen sein kann. In Kreisen und größeren Städten bzw. an strategisch wichtigen Punkten (wie auch in den Internierungslagern) bestanden „operative Gruppen" des MGB (opergruppa). Sie waren mit 3-10 Offizieren, einigen Dolmetschern und in der Regel 10 MWD-Soldaten ausgestattet. Flächendeckend wurden in den Kreisen MGB-Dienststellen erst 1949 zur Kontrolle des ostdeutschen politischen Repressionsapparates eingerichtet. Durch Primärquellen bestätigten Angaben zufolge wies der Berliner „operative Sektor" mit seinen 35 Mitarbeitern 1946/47 ursprünglich acht „operative Rayons" als mittlere Führungsebene auf. Die „operative Gruppe" in Neuruppin bestand 1946/47 aus acht Offizieren, die jeweils eine Fachsektion leiteten, und acht Dolmetschern, weiterem Hilfspersonal sowie 20 Soldaten des MWD.330 Bis zur Entzerrung der Fachstrukturen, formell also zum 1. Januar 1947, herrschte vielfach auch in Moskau und im SMAD-Kommando keine Klarheit darüber, ob die „operativen Gruppen" des NKWD/MWD-NKGB/MGB zur Struktur der SMAD gehörten oder nicht. Primärquellen belegen allerdings auch, daß es sich um beabsichtigte Folgen fachspezifischer Tarnungsmaßnahmen handelte, denn Serow baute in der SBZ eine „integrale Sicherheitsstruktur" auf, „verschlüsselt als Organe der Militäradministration", wie er Berija berichtete.331 Cum grano salis: Die MGB-Büros waren getarnt und später von der SMAD-Besatzungsverwaltung räumlich getrennt; Kontakte zwischen beiden wurden durch bei SMAD-Dienststellen untergebrachte Verbindungsoffi326
Vgl. HQ European Command Intelligence Center/27 Oct. 1948, in: BAK, OMGUS/ODI
327
Vgl. Russian Intelligence Activities in Germany/15 March 1947 in: BAK, OMGUS/AGTS
328
Vgl. HQ European Command Intelligence Center/27 Oct. 1948, in: BAK, OMGUS/ODI
329
Vgl. Russian Intelligence Activities in Germany/15 March 1947, in: BAK, OMGUS/AGTS
330
Vgl. ebenda.
7/22-2/21.
52/1/8.
7/22-2/21. 52/1/8.
«i
Serow/Berija/12. 6. 1945, in: GARF, r 9401/1/2202, Bl.
151-152.
zieht sich hier höchstwahrscheinlich lediglich auf die Zuweisung von -
nummern.
„Verschlüsselung" be[„falschen"] Feldpost-
165
Sonderorganisationen
ziere aufrechterhalten. Die Kommunikationslinien des MGB-Apparates waren von der SMAD abgeschirmt und der Dienstweg unabhängig von den politischen Abteilungen und dem Ministerium für Verteidigung.332 Angeblich ver-
fügten alle Einheiten über telefonische Standleitungen zur Berliner Zentrale, und die operativen Sektoren sollen berechtigt gewesen sein, direkte Verbindung mit Moskau aufzunehmen. Letzteres ist aus technischen wie operativen Gründen allerdings unwahrscheinlich und dies indizieren auch einige Bearbeitungsvermerke auf Aktenstücken. Die Zahl der operativen Fachsektionen variiert in den Quellen zwischen
sechs und acht.333 Die auf der Kreisebene bestehenden MGB-Dienststellen unterhielten keine Sektionen für die Tätigkeit außerhalb der SBZ (Westzonen, Ausland). Die Beobachtung und Enttarnung sogenannter subversiver Elemente (frühere NSDAP- und SS-Mitglieder usw.) in den politischen Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und im Schulwesen sowie die Überwachung der deutschen Justiz, Polizei und Administration zählten zu den Hauptaufgaben des MWD/MGB in deutschen Angelegenheiten.334 Die Beobachtung der politischen Szene war derart intensiv, daß sie vereinzelt sogar innerhalb der SED aktenkundige Proteste auslöste.335 Geheime deutsche Vertrauensleute wurden sowohl aus Kommunisten als auch kompromittierten früheren Nationalsozialisten rekrutiert. Ein amerikanischer Bericht gab beispielsweise für Erfurt 30-40 deutsche Informanten an, die wöchentlich mündliche Berichte erstatteten.336 Laut Semirjaga beschäftigte die sowjetische Geheimpolizei in der SBZ zum 1. Januar 1946 2304 und im Jahr 1949 3084 deutsche Spitzel.337 Das MGB verfügte in Deutschland über eigene Militärtribunale338 und eigene Technische Büros.339 Die Inneren Truppen des MWD waren ab 1946 auch formell Exekutivorgane des MGB-Apparates und nahmen polizeiliche Aufgaben wie die Sicherung der sowjetischen Einrichtungen und Truppen und anfänglich auch der Zonengrenzen wahr. Die Stärke der MWD-Truppen in der SBZ lag 1946 zwischen 8000 und 15000, 1947 wurde sie auf gut 5500 gesenkt.340 Anfang 1948 schätzten die Amerikaner ihre Stärke auf 8000 Mann.341
Vgl. Garthoff, Raymond L.: Die Sowjetarmee, Köln 1955, S. 283 f. Vgl. Report August 1948, in: BAK, OMGUS/7/22-2/28/1. 334 Vgl. Russian Intelligence Activities in Germany/15 March 1947 in: BAK, OMGUS/AGTS 332 333
52/1/8.
335
Vgl. Cäsar Thierfelder/Grotewohl/14. Mai 1947; Heinrich Hoffmann Vorsitzender Landesverband Thüringen der SED/An die Vorsitzenden der SED Pieck und Grotewohl/ -
1947, in: SAPMO BArch, ZPA/NL 90/314. Political Intelligence Report 21/16 June 1948, in: BAK, OMGUS/AGTS 39/W2. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 169 und 169. Vgl. SSSR-Wojenny tribunal woisk MGB w Germanii/7 6. 1948, in: GARF, 9409/1/38, 20. Mai
336 337 338
Bl. 62. 339 340
Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 142. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 166.
1945
lag sie wohl höher, weil Stalins Sicherheit
auf seiner Reise zur Potsdamer Konferenz Berija SBZ: Zehn Regimenter NKWD-Truppen wurden -
genausoviel wert war wie die gesamte damals zum Schutz Stalins abgestellt.
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Die ab 1946 innerhalb des MGB-Apparats angesiedelte Verwaltung für Gegenspionage (Smersch) bei der GSOWG ging Abwehraufgaben innerhalb des sowjetischen Militärpersonals und mit ihm in Kontakt stehenden Deutschen nach.342 Die Verfilzung zwischen dem Sicherheitsapparat und der SMAD resultierte schon aus den vielfältigen Funktionen Serows. Einige Befehle des Obersten Chefs der SMAD indizieren, daß die „operativen Gruppen" des Sicherheitsapparates in die SMAD-Organisation integriert waren,343 personelle Verflechtung mit der verdeckt arbeitenden Abwehr war ohnehin vorhanden. Obwohl der für die Kontrolle der deutschen Zivilverwaltung zuständige Bereich der Besatzungsadministration vom geheimdienstlichen Apparat 1946/1947 zunächst formell entflochten worden sein soll, blieb der MGB-Apparat im funktionalen Sinne ein integraler Bestandteil der SMAD. 1948 setzte ein gegenteiliger Trend ein: Teilaufgaben der SMAD wurden unmittelbar an den MGB-Apparat delegiert.344 Dieser Prozeß fand im Zusammenhang mit der sukzessiven Aufgabenübertragung von der SMAD zu deutschen Instanzen statt. Deutschland galt nach dem Krieg als Eldorado für Geheimdienste: Aufgrund unzureichender organisatorischer Entflechtung hätten auf russischer Seite die meisten Angehörigen gleichzeitig für das NKGB und das NKWD gearbeitet und doppelten Sold bezogen, und der einzige wegen Bereicherung an Beutegut hingerichtete sowjetische General stammte wohl nicht zufälligerweise aus dem MGB: Der 1948 verhaftete Generalmajor Alexei M. Sidnjew, von 1945 bis 1947 Chef des NKWD/MWD und ab Oktober 1946 des MGB im sowjetischen Sektor von Berlin, hatte gestanden, sich über 80 Millionen Reichsmark aus dem Bestand der Reichsbank angeeignet zu haben.345 341
S-2 Branch/27 January 1948, in: BAK, OMGUS/7/22-2/28/2. Nicht nur in amerikanischen, sondern auch in sowjetischen Quellen werden MWD und MGB oft verwechselt. Ihre Chefs waren 1945 Generalleutnant Alexandr Anatotjewitsch Wadis, 1945-47 Generalleutnant Pawel Wassiljewitsch Selenin, 1947 Generalleutnant Nikolai Andrianowitsch Koroljew, 1947-49 Generalleutnant Nikolai Iwanowitsch Schelesnikow. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 175 vom 18. Juni 1946, in: GARF, 7317/8/5, -
342
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Teil 2. Dies hob auch der thüringische Ministerpräsident Dr. Paul hervor. Danach waren in den Ländern die Chefs des „NKWD" dem Chef der Zivilverwaltung unterstellt. Zu ihrer Hauptaufgabe gehörte die Oberaufsicht über das Justiz- und Polizeisystem. Vgl. Robert Murphy/John D. Hickerson, Dir. European Affairs, Dep. of State/ Sept. 22, 1947, in: BAK, OMGUS/POLAD 34/1-3. Im Zuständigkeitsbereich der SAG Wismut übernahm die zuständige MGB-Dienststelle die Aufgaben der SMAD-Kreiskommandantur faktisch schon im Herbst 1946. Vgl. Kaden, Mario: Kriminalität, Polizei-, Justiz- und Sicherheitsapparat in der „Uranprovinz" 1946 bis 1958, in: Karisch, Rainer/Schröter, Harm (Hg.): „Strahlende Vergangenheit". Studien zur Geschichte des Uranbergbaus der Wismut, St. Katharinen 1996, S. 134-170, hier S. 160. Vgl. Protokoll des Verhörs von Sidnjew, A. M. vom 6. 2. 1948, in: Wojennyje archiwy 1/1993, S. 197-207 Das Geld sei für operative Zwecke verwandt worden. Um die Verhältnisse zu charakterisieren, sei angemerkt, daß in Sidnjews Leningrader Wohnung nicht weniger als 600 (sechshundert) „gestohlene" silberne Besteckteile gefunden wurden, außer etwa 100 Platin- und Goldpreziosen, 15 goldenen Uhren, französischen Gobelins aus dem -
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Die Machtfulle der Sicherheitsapparate wurde durch zwei Faktoren noch besonders ausgeweitet: zum einen durch ihre Kompetenzen bei der Repatriierung der zahllosen nach Deutschland verschleppten sowjetischen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen, zum anderen durch ihre mai3gebliche Rolle bei der Feststellung bzw. Bestrafung von Kriegsverbrechern im Rahrnen der Entnazifizierung. Hinzu kam die uberpriifung aller personalpolitischen Entscheidungen deutscher Dienststellen und Institutionen, wobei die Zustandigkeit des sowjetischen Ministeriums des Innern fiir die sowjetischen Kriegsgefangenenlager und die darin aufgebauten Antifa-Schulen den direkten Einflui3 des Sicherheitsapparates auf die Personalpolitik deutscher Einrichtungen in der SBZ noch zusatzlich verstarkte. Dariiber hinaus durfen die technisch-wissenschaftlichen und die unmittelbar wirtschaftlichen Interessen nicht aui3er acht gelassen werden, zumal der Sicherheitsapparat sowohl rnit der Verwaltung fiir das sowjetische Auslandsvermogen als auch mit dem ZwangsarbeitslagerSystem in der UdSSR engmaschig verknupft war. Aufgrund seiner Abwehrfunktionen ubte der Sicherheitsapparat einen bestimmenden Einflui3 auf die Personalpolitik der SMAD aus und verfugte so auch mittelbar uber einen erheblichen politischen Einflui3. Nicht nur Tjulpanow wurde 1948 gezielt durch MGB-Unterlagen kompromittiert und daraufhin 1949 abberufen,346 sondern auch, wie bereits angefiihrt, schon 1945/46 Spitzenkader der SMAD wie Marschall Schukow oder Generalleutnant Telegin.
Internierungslager des NKWD/MWD347 Zu den ersten Nachkriegsaufgaben des Sicherheitsapparates zahlte die Mitwirkung bei der Repatriierung sowjetischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter sowie der sogenannten Entnazifizierung. Lager hatten in der sowjetischen Geschichte eine lange Tradition. Bereits durch NKWD-Befehl Nr. 001735 vom 28. Dezember 1941 wurden in der Truppenetappe Sammellager und Feldge-
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'"
1Z und 18. Jahrhundert, usw. Sidnjew belastete die ,,Tschekisten6 Serow, Beschanow und Klepow als Mittater schwer. Vgl. auch Der Spiegel Nr. 16/1994, S. 152-153. Vgl. SWAG 1994, S. 236-238. ZU diesem Thema kann hier nur ein allgemeiner ~ b e r b l i c kvermittelt werden. Zu besonderem Dank bin ich Herrn Dr. Ralf Possekel verpflichtet, der mir Einblick in seine Arbeitsunterlagen gewahrte. Vgl. u. a. Kilian, Achim: Die ,,Muhlberg-Akten" im Zusammenhang mit dem System der Speziallager des NKWD der UdSSR, in: DA 10/1993, S. 1138-1158; Buddrus, Michael: ,,. . . im Allgemeinen ohne besondere Vorkommnisse". Dokumente zur Situation des Strafvollzugs der D D R nach der Auflosung der sowjetischen Internierungslager 1949-1951, in: DA 1/1996, S. 10-33; Kilian, Achim: Einzuweisen zur volligen Isolierung. NKWD-Speziallager Muhlberg/Elbe 1945-1948, Leipzig, 1993; Haase, Norbert/Oleschinski, Brigitte (Hg.): Das Torgau-Tabu, Leipzig, 1993; Ritscher, Bodo: Spezlager Nr. 2 Buchenwald, Weimar-Buchenwald 1995 sowie insbesondere Mironenko, Sergej/Niethammer, Lutz/von Plato, Alexander (Hg.): Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950. Bd. 1: Studien und Berichte, hg. von Alexander von Plato, Berlin 1998; Bd. 2: Sowjetische Dokumente zur Lagerpolitik, eingeleitet und bearbeitet von Ralf Possekel, Berlin 1998.
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Organisationsstruktur
fangnisse fur ehemalige sowjetische Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter sowie zur Agemeinen prophylaktischen Gefahrenabwehr vorgesehen. In den deutschen Ostgebieten (und dariiber hinaus) befanden sich bei Kriegsende bereits einige hunderttausend Deutsche in Lagern - beispielsweise in Posen, Graudenz, Landsberg an der Warthe, Liegnitz; auf dem Gebiet der SBZ errichtete die Smersch aufgrund der Befehle des NKWD der UdSSR Nr. 00315 vom 18. April 1945 und Nr. 00461 vom 10. Mai 1945 irn Bereich der 1. Belorussischen Front zunachst acht Speziallager.348 Von der deutschen Bevolkerung wurden die amtlich als ,,Internierungs-" bzw. ,,Filtrierungslageru (prowerotschno-filtrazionnyje lagery NKWD) oder ,,Spez[ial]Lagera des NKWD genannten Einrichtungen allgemein rnit h h e r e n nationalsozialistischen ,,Konzentrationslagem" identifiziert. Eine makabre Vorstellung, zumal die sowjetischen Wachmannschaften bis zu 80 Prozent aus ehemals in deutschen Lagern Inhaftierten bestanden.349 Zeitweilig befanden sich in der SBZ zehn Lager sowie in Streelitz ein Gefangnis fiir bereits verurteilte Deutsche.350 Die Lager in Berlin-Hohenschonhausen, Frankfurt/Oder und Weesow bei Werneuchen wurden 1946 aufgelost und in Bautzen,351Buchenwald, Fiinfeichen, Jamlitz bei Lieberose, Ketschendorf, Muhlberg, Sachsenhausen und Torgau neue Lager gebildet.352 1947 wurden die Lager bei Ketschendorf,Jamlitz und Torgau aufgegeben, so daB 1948 noch hnf bestanden: Buchenwald, Sachsenhausen, Bautzen, Muhlberg und Fiinfeichen. Irn Herbst 1948 wurden auch Fiinfeichen und Miihlberg aufgegeben. AuBerdem unterhielt die MWD-Abteilung fur Kriegsgefangene bei der Verwaltung der Riickwartigen Dienste der GSOWG ein Transitlager in Frankfurt an der Oder. Mime 1947 wurde angeordnet, dieses Lager dem Verteidigungsrninisterium zu unterstellen.353 Die Abteilung Speziallager (Otdel Spezlagerei) der SMAD354 in Berlin-Hohenschonhausen, GenslerstraBe, war ,,unmittelbar dem Ministerium des Innern der UdSSR unterstelltu.355Bis August 1948 hatte die fachliche Leitung ein ""amnatsch UKR Smersch G O W G Generalmajor Sidnjew/natschalnik GUWS NKWD Generalleutnant Wurgasd23. 6. 1945, in: GARF, 9409s/ls/l, BI. 12. '4y 80 Prozent laut Leiter der Abteilung Spezlager des MWD in Deutschland Oberst Zikljajew/Bericht vom 15. August 1947 iiber den Zustand der Spezlager und Gefangnisse des MWD in Deutschland zum 1. August 1947, in: GARF, 9401/1/4152, Bl. 242-249. Herrn Dr. Ralf Possekel danke ich fiir Einsichtnahrne und Zitiererlaubnis. '50 Vgl. Otdel Spezlagerei MWD SSSR w Germanii, in: GARF, 9409/1. - Dort werden genannt: Miihlberg, Buchenwald, Berlin-Hohenschonhausen, Bautzen, Fiirstenwalde, Lieberose, Sachsenhausen-Oranienburg, Frankfurt/Oder, Neu-Brandenburg und Torgau. Andere Quellen nennen 11 Lager und zwei Gefangnisse. '5' Das Lager Bautzen bestand bereits im Dezember 1945. Vgl. GARF, 9409/1/1, BI. 8. '52 Vgl. Provisorische Ordnung der Internie~ngslagerin der SBZ/DDR, in: BzG 4/1991, S. 530-535, hier S. 504. jS3 Vgl. Befehl MDW Nr. 00596 vom 5. Juni 1947, in: Konassow, Sudby 1996, S. 203f. j5.' In russischen Primarquellen ist sowohl diese Bezeichnung als auch die unmittelbare Unterstellung unter das MWD zu finden. 35s Natschalnik Otdela Spezlagerei Zikljajew/Natschalnik orgutschetnowo Otdela Schtaba GSOWG/ll. 2. 1949, in: GARF, 9409/1/38, BI. 1%
Sonderorganisationen
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Stellvertreter des Innenministers der UdSSR wahrgenommen, danach ging sie die Verwaltung GULAG im sowjetischen Innenministerium über.356 Formell, denn tatsächlich war nach der Reorganisation der sowjetischen Regierung Ende 1945 schon insofern eine unklare Lage entstanden, als der für die fachliche Oberaufsicht zuständige Generaloberst Serow in disziplinarischer Hinsicht dem Innenministerium unterstellt, zugleich aber Teile des von ihm verantworteten Aufgabenbereichs in die Kompetenz des MGB verlagert wurden. Nicht nur solche kompetenziellen, sondern zusätzliche prozedurale Komplikationen traten auf, nachdem 1946/47 mit der Bestellung eines besonderen MGB-Beauftragten in der SBZ die operativen Sektoren des MGB aus der MWD-Struktur herausgelöst worden waren, weil der Amtsbereich des MWD einschließlich der darin verbliebenen Internierungslager nach sowjetischem Recht in Unterschied zu den extralegalen Befugnissen des MGB der Sanktionsgewalt des Staatsanwalts unterlag. In praxi kollidierte dies nicht nur mit den Erfordernissen der fachspezifischen Detailarbeit beispielsweise im operativen Bereich, sondern auch mit der Generalvollmacht nach Kontrollratsrecht. Infolge dieser in sich vielschichtig verschränkten Komplikationen wollte diesen Arbeitsbereich keine sowjetische Dienststelle haben, sogar der Innenminister bemühte sich vergeblich um eine direkte Unterstellung der Lager unter das MGB. Zwar verlagerte der Beschluß des Ministerrates der UdSSR vom 26. Mai 1947 die Kompetenz wieder vom Innen- auf das Verteidigungsministerium,357 doch das SMAD-Kommando reagierte darauf erst im Mai 1949, als es vorschlug, die bestehende selbständige „Abteilung (otdel) des MWD für Kriegsgefangene und Internierte in Deutschland" aufzulösen und ihre Aufgaben der SMAD-Abteilung für Repatriierung zu übertragen.358 Diese inneradministrative Konkurrenz hatte schwerwiegende Folgen, allerdings kann über deren administrative Ursache kein klares Bild gewonnen werden. Umstritten ist bereits, ab wann das Lagersystem in die Versorgungsstruktur der Besatzungsverwaltung einbezogen wurde, noch 1948 stand dies in der SMAD nicht eindeutig fest.359 an
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Vgl. Otdel Spezlagerei MWD SSSR w Germanii, in: GARF, 9409/1. In der UdSSR waren die NKWD-Lager schon Ende 1945 im GULAG-System aufgegangen. 357 Der Norm nach war das Verteidigungsministerium generell für die internierten Militärangehörigen bis zu ihrer Auslieferung an das NKWD/MWD zuständig. 358 Vgl. Tschujkow/Molotow/7 5. 1949, in: GARF, 9401/240, Bl. 165-166. 359 Einige russische Referenten meinten, daß die Lager im August 1945 in das Versorgungssystem der SMAD bzw. der GSOWG einbezogen wurden, andere nannten den August 1946. Dagegen spricht, daß die Versorgungsaufgaben erst durch Befehl der SMAD Nr. 0042 vom 27 September 1947 und Nr. 0193 vom 31. Juni 1948 der SMAD-Verwaltung Handel und Versorgung übertragen worden sein sollen und die Lager bis dahin weitgehend auf „Beutegut" bzw. auf Selbstversorgung angewiesen gewesen seien. Vgl. dazu vor allem das Referat von Dina Nachatowitsch auf der Tagung über die sowjetischen Internierungslager in Jena "6
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2. Sept. 1993. Andere meinen, daß die Versorgung im Herbst 1946 von der Truppe auf die SMAD überging. Damit war eine Halbierung der ursprünglichen Brotration von 600 Gramm täglich verbunden. am
Allein bis Oktober 1945 nahmen die Operationsgruppen des NKWD in der SBZ fast 100 000 Personen fest, 82000 waren Deutsche.360 Anfang 1946 sai3en fast 70000 deutsche Zivilisten in sowjetischen Lagern ein, und ungefahr die gleiche Anzahl ehemaliger Wehrmachts-, SS- sowie SA-Angehoriger galten als arrestierte Kriegsgefangene. Zeitgenossische westliche Berichte schatzten die Zahl der in der SBZ im Zeitraum von 1945 bis 1950 Internierten auf insgesamt 160000-260 000; zwischen 65 000 und 130 000 sollen scliatzungsweise umgekornrnen sein. Durch Sondergerichte wurden 30000-50000 verurteilt und 30000-40000 deportiert, hauptsiichlich in die Sowjetunion und nach Polen.361 Neuere Anal~sendieser Berichte ergeben das Bild von etwa 65000-80000 Toten und 25000 Deportierten. Die Zahlen sind ~ c hnur t aufgrund unzureichender Quellen recht unscharf; dazu kommt, dai3 sie in unbekanntem Ausmai3 auch Auslander umfassen, die der Kollaboration mit Deutschen beschuldigt wurden,36' andererseits iedoch h e ienseits der Oder-Neii3e-Grenze und in din deutschen ~ i e d l u n ~ s ~ e b i ein t eOsteuropa n durch sowjetische Dienststellen internierten Zivilpersonen wohl iiberhaupt nicht beriicksichtigen.363 Angesichts des selektiven Aktenzugangs ist die Klarung dieser Fragen auch deshalb aui3erordentlich schwierig, wed die amtlichen russischen Listen weder nach der (kyrillischen) phonetischen Narnensschreibweise noch nach der Staatsbiirgerschaft, die im sowjetischen Rechtskontext giinstigenfalls - wenn uberhaupt als Volkszugehorigkeit ausgewiesen wurde, eine klare Zuordnung erlauben. Bei einigen Zahlen liegt zudem eine Vermischung der Kategorie der Zivilinternierten und der (im Rechtssinne kriegsgefangenen) Militarpersonen vor, aus 360
361
j6'
363
Vgl. Berija/Stalin, Moloton; Malenkow/lC. 9. 1945, in: GARF, r 9401/2!98, Bl. 388-393; Berija/Stalin, Molotow, Malenkow/24. 10. 1945, in: GARF, r 9401/2/100, B1. 91-97, Berija/ Stalin, Molotow, hlalenkow/13. 11. 1945, in: GARF, r 9401/2/100, BI. 6-11. - Etwa die gleiche Zahl befand sich damals in der Sicherheitsverwahrung der amerikanischen Besatzungsmacht: 80000 Personen, vgl. Murphy/Secstate \XrashingtonlSecret/August 16, 1945, No. 304, in: BAK, O M G U S / P O L A D 731/12 Die Zahl stieg sparer auf 95250. Vgl. dazu u.a. Vollnhals, Clemens: Entnazifizierung, politische Sauberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945-1949, kliinchen 1991. blit Befehl des MW'D Nr. 001196 vom 26. Dez. 1946 waren aus J r n MWD-Lagern 27500 Menschen in die Sowjetunion zu deportieren. Vgl. Befehlstext in: Konassow, Sudby 1996, S. 191-195. Nach Polen wurden 1945 50000 deutsche Krieg~gefan~ene zur Zwangsarbeit in oberschlesische Kohlegruben geschickt und in die tschechischen Urangruben 1945 4500 und nochmals 1500 1947. - Vgl. auch die bereits genannte Literatur bzw. weirere Ausftihrungen im Text. In einem Schreiben des Chefs des Lagers Nr. 1 Oberst Sazikow an den Chef der Abteilung vom 28. Sept. 1948 ist von internierten Franzosen, Polen, Slowaken, Indern, Jugoslawen und Belgiern die Rede, in: GARF, 9409/1/16. - Einen ijberblick iiber die Forschungslage stellten vor: Braun, Giinter/Ehnert, Gunter: Das Speziallager Buchenwald in einem zeitgenossischen Bericht. Ein seltenes Dokurnent und ein auflergewohnlicher Fall aus der Internierungspraxis des NKWD, in: DA 2/1995, S. 163-178, sowie hliiller, Klaus-Dieter: In den HBnden des NKWD. Eine studentische Widerstandsgruppe irn Spiegel personlicher Erinnemngen und sowjetischer SMT-Archivalien, in: DA 2/1995, S. 179-189. Nach Auskunft von Bodo Ritscher sind aus den Ostgebieten keine Internienen in auf dem Gebiet der SBZ befindliche Lager transferiert worden.
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Sonderorganisationen
denen die in der SBZ internierte Gesamtgruppe jeweils etwa zur Hälfte bestand. 1990 präsentierte das sowjetische Innenministerium in einer Denkschrift folgende Zahlen: In den Jahren 1945 bis 1950 seien insgesamt 122671 Deutsche in Sonderlagern auf dem Territorium der SBZ interniert und von ihnen 45 262 wieder freigelassen, 42889 (35 Prozent) seien in den Lagern umgekommen, 12770 in die UdSSR verbracht und 6680 in Kriegsgefangenenlager überführt worden. 14202 Internierte seien ferner an DDR-Behörden übergeben und 756 durch Militärgerichte zum Tode verurteilt worden; 212 sei die Flucht gelungen.364 Auch diese Zahlen halten einem Vergleich mit anderen amtlichen Angaben nicht stand, die derzeit mindestens 157000 in der SBZ Internierte ausweisen, von denen 43035 in der Haft verstarben.365 Die Internierten wurden in der Regel ohne Gerichtsbeschluß in den Lagern festgehalten, noch Mitte 1947 waren weniger als 20 Prozent verurteilt worden.366 Vor ein Militärtribunal, die sogenannte Troika oder Petka (d. h. mit drei bzw. fünf Richtern besetzt), kamen nur schwere Delikte (Kriegsverbrechen, Sabotage), wobei das Urteil in mehr als einem Drittel der Fälle auf 20 bzw. 25 Jahre Freiheitsentzug lautete. Todesstrafen wurden bis zu ihrer Abschaffung in der Sowjetunion am 26. Mai 1947367 bzw. nach deren Wiedereinführung am 12. Januar 1950 gefällt und vollstreckt.368 Allerdings „gab es auch [...] noch die eine oder andere Hinrichtung" zwischendurch, wie Robert Conquest festhält.369 Die Rechtsgrundlage der Gerichtsbarkeit der Militärtribunale bildete das Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Repu364
Vgl. Sowjetische Straflager in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone. Materialien zur Pressekonferenz des stellvertretenden Ministerpräsidenten der DDR und Ministers des Innern, Dr. Peter-Michael Diestel, vom 26. Juli 1990. Vgl. auch Erler, Peter: Sowjetische Speziallager auf deutschem Boden 1945 bis 1950, in : Im Namen des Volkes ? Über die Justiz im Staat der SED. Wissenschaftlicher Begleitband zur Ausstellung des Bundesministeriums der Justiz, Leipzig 1994, S. 63-69, sowie die geringfügig abweichenden Angaben in: Naimark, Norman M.: The Soviet Gulag in Eastern Germany, 1945-50. In: Lieberman, San-
ford R.
u.a.
S. 71 f. 365
(Hg.): The Soviet Empire Reconsidered, Boulder u.a. 1994,
S.
69-92, hier
Vgl. Fischer, Alexander/Lipinsky, Jan: Die sowjetischen Speziallager Buchenwald und Fünfeichen Erkenntnisse aus sowjetischen Archiven, in: Deutsche Studien 121/1994, S. 38-56, hier S. 44. Koslow, W. A.: Sowetskaja -
366
administrazija i litschny
sostaw
spezlagerei
MWD SSSR
w
Germanii, Moskwa 1993, unveröffentlichtes Manuskript. Nach internen Statistiken waren
367
damals nur etwa 10 Prozent der deutschen Insassen durch Militärtribunale verurteilt. Nacn anderen Quellen: 25. Mai; laut Conquest, Robert: Stalin. Der totale Wille zur Macht. Biographie, München 1991, S. 367, am 26. März 1947 Tatsächlich wurde der Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 26. Mai 1947 erst am 4. Feb. 1948 bestätigt. Vgl. Prawda vom 6. Feb. 1948. Die erste Meldung über Erschießungen von durch SMAD-Militärtribunal Verurteilte wurde in der Täglichen Rundschau vom 4. Okt. 1945 veröffentlicht. So wurden am 19. Dez. 1949 durch ein sowjetisches Militärtribunal in der DDR 21 „deutsche Agenten des amerikanischen Geheimdienstes" zu hohen Strafen verurteilt, einige zum -
368
369
Tode.
Organisationsstruktur
172
blik (RSFSR), insbesondere dessen weitgefaßte Bestimmungen zum Staatsschutz. Rechtsstaatliche Prinzipien wie das Recht der Verteidigung und andere wurden allein durch die Benutzung des Russischen als Gerichtssprache in gröblicher Weise verletzt.370 Auf der Grundlage der Kontrollrats-Direktive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946371 hatten im Dezember 1946 Sokolowski und Serow in einer Eingabe an Stalin vorgeschlagen, von den über 80000 Internierten 35000 zu entlassen, und im März 1947 unterbreitete der zuständige Abteilungsleiter Swiridow dem stellvertretenden Innenminister Serow den Vorschlag, die über 45 Jahre alten, strafrechtlich in keiner Weise „kompromittierten" Zellenleiter und Blockwarte der NSDAP „wegen Unfähigkeit zur physischen Arbeit" zu entlassen; kurz darauf empfahl er die Freilassung von 30 Prozent der Inhaftierten, weil sie durch Fehlentscheidungen in die Lager gekommen seien.372 In Moskau löste man das Problem, indem Oberst Swiridow als Abteilungschef entlassen wurde.373 Sein Nachfolger Oberst Zikljajew richtete schon drei Wochen nach Amtsantritt eine Aktennotiz an den stellvertretenden Innenminister, in der er mitteilte, daß 58 Prozent der Internierten (das waren nach seinen Angaben 35206 Personen) über 45 Jahre alt und 43 Prozent aller Lagerinsassen krank seien; seit 1945 seien über 31000 Menschen gestorben, in der ersten Hälfte 1947 mehr als während des ganzen Jahres 1946.374 Angesichts der kompromittierenden Wirkung nach außen wurde zugleich auch innerhalb des politischen Apparats der SMAD Kritik am Lagersystem laut. Am 31. Juli 1947 schlug Generalmajor Schljachtenko, Chef der SMA in Sachsen-Anhalt, in einem Schreiben an Sokolowski vor, die über 13 000 in seiner Provinz internierten Personen (darunter 1500 Frauen) durch erfahrene Fachleute überprüfen zu lassen, weil sonst angesichts der Inkompetenz des MGB die strafrechtlichen Untersuchungen Jahrzehnte dauern würden. Sein Vorschlag sah ferner vor, der Informationsabteilung der Landes-SMA ein Kontrollrecht in den Speziallagern einzuräumen.375 Ende 1947 intervenierte auch der thüringische SMA-Chef Kolesnitschenko bei der SMAD-Leitung, und ein Jahr später beschwerte er sich beim ZK der WKP(B) über die Arbeitsmethoden des MGB. Der politische Stellvertreter des SMAD-Chefs Makarow unterstützte Kolesnitschenkos Anliegen bei Molotow.376 370
Vgl. hierzu: Müller, Klaus-Dieter: In den Händen des NKWD. Eine studentische Widerstandsgruppe im Spiegel persönlicher Erinnerungen und sowjetischer SMT-Archivalien, in: DA 2/1995, S. 179-189.
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372
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375
376
Wortlaut in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland Nr. 11/31. Okt. 1946, S. 184-194. Koslow, W. A.: Sowetskaja administrazija i litschny sostaw spezlagerei MWD SSSR w Germanii, Moskwa 1993, unveröffendichtes Manuskript. Swiridow stand bis 1. Juli 1947 dem Lagersystem vor.
Koslow,
W. A.:
Sowetskaja administrazija i litschny
sostaw
Germanii, Moskwa 1993, unveröffentlichtes Manuskript.
spezlagerei
MWD SSSR
w
Der Brief ist wiedergegeben in: Ebenda. Vgl. Naimark, Norman M.: Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland und die Frage des Stalinismus, in: ZfG 1995, S. 293-307 hier S. 298f.
Sonderorganisationen
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Vom SMAD-Kommando wurden Sokolowski und Semjonow im Herbst 1947 bei Moskauer Instanzen vorstellig. Im Dezember 1947 schaltete sich auch
der sowjetische Generalstaatsanwalt ein und intervenierte beim stellvertretenden Ministerratsvorsitzenden und Außenminister Molotow wegen der „über
60000 Deutschen [...], die ohne Sanktion des Staatsanwalts im außergerichtlichen Verfahren festgenommen wurden".377 Innenminister Kruglow rechtfertigte sich am 8. Januar 1948 gegenüber Molotow damit, daß die Internierten laut einem Ministerratsbeschluß vom Dezember 1946 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion hätten ausgeführt werden sollen, nur etwa viereinhalb Tausend seien aber gesundheitlich tauglich gewesen.378 Am 8. März 1948 ordnete ein Ministerratsbeschluß eine Überprüfung der Angelegenheit durch eine interministerielle Kommission an, der der MGB-Beauftragte Kowaltschuk, der Militärstaatsanwalt der GSOWG Generalmajor Schawer und der Chef der SMAD-Innenverwaltung Malkow angehörten. In ihrem Vollzugsbericht vom 13. Mai 1948 zeichneten die Fachminister ein schreckliches Bild: Von den seit 1945 internierten 146000 Personen seien 20000 gestorben. Sie empfahlen wieder Entlassungen, von denen allerdings diejenigen ausgeschlossen sein sollten, die über die hohe Sterberate Bescheid wußten, um zu verhindern, daß die Westpresse Wind von diesem Skandal bekomme.379 Zu diesem Zeitpunkt waren die unhaltbaren Zustände in den Lagern allerdings längst publik geworden, nachdem auch das „Neue Deutschland" schon am 29. April 1948 unter der Schlagzeile „Milderung für Internierte" über eine Besprechung zwischen Sokolowski, Pieck und Grotewohl zu diesem Thema informiert hatte.380 Unverkennbar erzeugte der von der Entwicklung in Westdeutschland ausgehende Druck Handlungsbedarf: In der US-Zone befanden sich bis Ende 1947 etwa 80 Prozent der 1945 nach Kontrollratsrecht freilich unter anderen Bedingungen internierten Zivilisten wieder in Freiheit.381 In größerem Maßstab begannen in der SBZ Entlassungen erst nach dem SMAD-Befehl Nr. 35 vom 26. Februar 1948 über die Einstellung der Tätigkeit der Entnazifizierungskommissionen zum 10. März bzw. 10. April 1948. Trotz dieser zeitlichen Koinzidenz läßt sich allerdings ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang zum entsprechenden sowjetischen Ministerratsbeschluß vom 30. Juni 1948 nicht herstellen. Die Entlassungen brachten schätzungs-
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38° 381
Vgl. Generalstaatsanwalt Gorschenin/stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates Molotow/29. 12. 1947, in: GARF, 9401/2/203, Bl. 15. Kruglow/Molotow/8. 1. 1948, in: GARF, 9401/2/203, Bl. 16-18. Tatsächlich sollten laut Befehl des MWD Nr. 001196 vom 26. Dez. 1946 nur 27500 Insassen der Internierungslager
in der SBZ gegen nicht arbeitsfähige Kriegsgefangene in der UdSSR ausgetauscht werden. Vgl. Befehlstext in: Konassow, Sudby 1996, S. 191-195. Ebenda. 1948 starben monatlich 300-400 Menschen, im Jahr davor dreimal so viel. Neues Deutschland vom 29. Apr. 1948, S. 1. Vgl. hierzu: Niethammer, Lutz: Was wissen wir über die Internierungs- und Arbeitslager in der US-Zone? Referat auf der Tagung über die sowjetischen Internierungslager in Jena, 2. Sept. 1993.
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weise 46000 Internierten die Freiheit.382 Ab Herbst 1948 wurden die Internierten in den Lagern Bautzen (Speziallager Nr. 3), Buchenwald (Speziallager Nr. 2) und Sachsenhausen (Speziallager Nr. 1) konzentriert. Nach Übernahme durch die Verwaltung GULAG des MWD im Sommer 1948 kam es infolge der Vorschläge der GULAG-Fachkommission, die im Herbst 1948 die Deportation der Internierten zur Zwangsarbeit in die UdSSR empfohlen hatte, zu weiteren Verzögerungen. Im Januar 1949 lehnte allerdings der stellvertretende Innenminister Serow unter Hinweis auf Gesundheitszustand und Arbeitsunfähigkeit der Insassen diesen Plan ab.383 Nach intensivem internem Vorlauf, in den auch Semjonow und Tschujkow involviert waren, bat dann die SED-Führung im Brief vom 19. September 1949 Stalin, „die bestehenden Lager in der Ostzone aufzulösen, die von den Sowjetorganen abgeurteilten Verbrecher nach der Sowjetunion zu transportieren und die Übrigen den deutschen Organen zu übergeben".384 Dem entsprach das Politbüro des ZK der WKP(B) im Beschluß vom 28. September umgehend, am gleichen Tag fiel übrigens auch die endgültige parteiamtliche Entscheidung über die Bildung eines separaten ostdeutschen Staates. Am 30. Oktober 1949 folgte das Politbüro des ZK der WKP(B) einem gemeinsamen Vorschlag der Minister für Staatssicherheit und für Inneres vom 19. Oktober 1949383 und trug einer durch die Militärstaatsanwaltschaft, das MGB sowie das MWD beschickten Kommission auf, die Auflösungsregularien festzulegen, die am 30. Dezember das sowjetische Politbüro und der Ministerrat sanktionierten. Befehl Nr. 0022 vom 6. Januar 1950 des sowjetischen Innenministers Kruglow ordnete die Auflösung der Speziallager in der DDR an,386 nach einer Mitteilung des Vorsitzenden der SKK W. I. Tschujkow vom 14. Januar 1950 sollte diese zum 10. März 1950 erfolgen. Von den Lagerinsassen sollten 15038 entlassen und 10513 durch sowjetische Militärtribunale Verurteilte der DDR-Volkspolizei zur Strafverbüßung sowie 3432 Lager-Insassen der deutschen Justizverwaltung zur weiteren Untersuchung überstellt werden. Darüber hinaus waren 648 Deutsche den Organen des MGB zu übergeben sowie 58 ausländische Staatsbürger in Lager auf dem Territorium der UdSSR zu verbringen.387 Nach Angaben des Sicherheitsministe382
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385
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Laut internen Quellen der Abteilung wurden nur 27668 Personen entlassen, in den Lagern seien 14721 verblieben, vgl. Koslow, W. A.: Sowetskaja administrazija i litschny sostaw spezlagerei MWD SSSR w Germanii, Moskwa 1993, unveröffentlichtes Manuskript.
Ebenda.
[Pieck, Grotewohl, Ulbricht]/Lieber Genosse Stalin/19. Sept. 1949, in: Badstübner/Loth, Wilhelm Pieck 1994, S. 294-297, hier S. 297 Abakumow, Serow/Molotow/19. 10. 1949, in: GARF, 9401/2/240, Bl. 263-265. Diesen Hinweis verdanke ich Frau Dr. Elke Scherstjanoi. Insgesamt drei Varianten des administrativen Detailablaufs bei Petrow, Apparat [1997], der auch Unterlagen des Archivs des Sicherheitsdienstes ausgewertet hat. Dort ist der Politbürobeschluß vom 31. Okt. 1949 datiert. Vgl. Prikas natschalnika Otdela Spezlagerei MWD w Germanii No. 017 vom 21. 2. 1950, in: GARF, 9409/1/41, Bl. 25. Plan vom 9. 1. 1950, in: GARF, 9409/1/42, Bl. 5-7 Gleiche Angaben auch in „Neues Deutschland" vom 17 Jan. 1950. Abweichend davon teilte am 7 Dez. 1949 Walter Ulbricht als stellvertretender Ministerpräsident dem Staatssekretär im Innenministerium Warnke
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Sonderorganisationen
riums befanden sich Ende 1949 auf dem Gebiet der DDR noch 29880 Personen in sowjetischen Lagern.388 Die damalige Sprachregelung identifizierte sie als leitende Mitarbeiter des NS-Systems.389 Amtlichen sowjetischen Angaben zufolge waren 1950 120 Häftlinge schwer erkrankt und 670 litten an offener
Tuberkulose;390 nach Feststellungen des DDR-Innenministeriums
Juni 1950 tatsächlich 38,5 Prozent der krank, 2775 litten an Tuberkulose.391
Gesamtbelegschaft
waren
im
der Haftanstalten
Durch sowjetische Militärtribunale (SMT) in der SBZ verurteilte Zivilpersonen, deren Gesamtzahl auf 40000 geschätzt wird392 in der UdSSR wurden außerdem 30000 deutsche Kriegsgefangene verurteilt393-, befanden sich aller-
mit, daß
10200 von sowjetischen Militärgerichten verurteilte Gefangene und etwa 3300 Untersuchungsgefangene übernommen würden. Vgl. Ulbricht/Warnke/7 Dez. 1949, in:
BAP, MdI/3632. Entlassen wurden zwischen Januar und März
1950
nur
14400
vgl. Abschlußbericht
Internierte,
des DDR-Innenministeriums an Oberst Ljulka, SKK vom 27 Juli im Allgemeinen ohne besondere Vor1950, in: BAP, MdI/3632. Zit. nach: Buddrus, kommnisse" 1996, S. 13. Vgl. Samestitel natschalnika 2. Glawnowo Uprawlenija MGB SSSR Generalmajor Ja. Jedunow/Schifrowana sprawka/Dez. 1949, in: GARF, 9409/1/42, Bl. 8-9. Nach internen Angaben der zuständigen Abteilung waren im Speziallager Buchenwald 14 721 Häftlinge interniert; in Bautzen waren Verurteilte mit Strafen über 15 Jahren, in Oranienburg Häftlinge mit bis zu 15 Jahren Haft konzentriert. Vgl. Koslow, W. A.: Sowetskaja administrazija i litschny sostaw spezlagerei MWD SSSR w Germanii, Moskwa 1993, unveröffentlichtes Ma„...
388
-
389
nuskript.
samestitel MWD/natschalniku otdela
I. Serow
GARF, 9409s/ls/38, Bl. 33. 390 Plan vom 9. 1. 1950, in: GARF, 9409/1/42, Bl. 5-7
spezlagerei Zikljajew/19.
1. 1949, in:
-
391
392
im Allgemeinen ohne besondere Vorkommnisse" 1996, S. 22. Buddrus, Zum 10. Dez. 1949 befanden sich in Lagern in der SBZ 16093 durch SMT verurteilte Deutsche. 1953 betrug die Zahl der durch Militärtribunale außerhalb der UdSSR verurteilten Personen, die sich in der DDR, in Ungarn und Österreich in Haft befanden: 11 814; außerdem in der UdSSR 19048 verurteilte frühere Kriegsgefangene und Internierte. Vgl. W Molotow/W presidium ZK KPSS G. M. Malenkowu/14. 4.1953, in: Konassow, Sudby 1996, S. 239f. 10000 mehr sind in der Eingabe K. P. Gorschenin u.a./G. M. Malenkow/15. 4. 1953, angegeben. Vgl. ebenda, S. 241 f. So: Oberst Kopalin, Leiter der Abteilung für Rehabilitation der Ausländer an der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation in einem Vortrag in Halle am 24. Feb. 1994, zit. nach dem Manuskript, vgl. auch: DA 8/1994, S. 880ff. Neuerdings wird auch von 33000 gesprochen. Außer sogenannten Kriegsverbrechen sind auch „sittliche Verfehlungen" erfaßt. Nach: MWD S. Kruglow/Sprawka o kolitschestwe wojennoplennych, soderschajuschtschichsja w lagerjach MWD na kotoryje sobrany kompromitirujuschtschije dannye/Molotow, Malenkow, Berija/23. 9. 1949, befanden sich zum 1. 10. 1949 in MWDLagern etwa 37000 Verdächtige, außerdem waren wegen Kriegsverbrechen 13000 bereits verurteilt, in: GARF, 9401/2/240, Bl. 253-254. Diesen Hinweis verdanke ich Frau Dr. Elke Scherstjanoi. Anfang 1950 befanden sich in sowjetischen Lagern 5126 deutsche Kriegsgefangene, die zwischen 1943-49 wegen schwerer sowie 7038 SS-, SA- und Polizei-Angehörige, die wegen geringerer Vergehen verurteilt wurden, 5293 geringer und 1. 816 schwerer Vergehen Verdächtigte, die alle zur Repatriierung vorgeschlagen wurden; in der UdSSR verblieben danach 13515 verurteilte bzw. verdächtigte Kriegsgefangene. Vgl. A. Kobulow/ Plan/8. 2. 1950, in: Konassow, Sudby 1996, S. 225-230. Diese Zahlen wurden (mit geringer Abweichung) in der Prawda vom 5. 5. 1950 als „offiziell" präsentiert. Allerdings blieben in „...
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393
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Organisationsstruktur
176
dings nicht nur in den Internierungslagern; der Sicherheitsapparat des MGB unterhielt in der SBZ/DDR noch bis Mitte der fünfziger Jahre eigene Strafgefängnisse.394 Anfang 1950 wurden etwa 5500 in der SBZ befindliche SMTVerurteilte entlassen und weitere ca. 10500 zur Strafverbüßung an DDR-Behörden übergeben;395 1954 saßen 5628 SMT-Verurteilte unter Kompetenzvorbehalt sowjetischer Organe in DDR-Gefängnissen ein. Die Statistiken der Haftanstalt in Torgau weisen für die Jahre 1945-52 aus, daß jeweils etwa ein Drittel der Inhaftierten wegen angeblicher Spionage- bzw. Agententätigkeit oder aufgrund im Dritten Reich begangener Delikte einsaß.396 Der Anteil der eindeutig als politisch zu qualifizierenden Verfahren stieg ab etwa Mitte 1947 an und dominierte bereits nach einem Jahr eindeutig die Tätigkeit der Militärtribunale.397 Auch die Mitte 1950 für die sechs wichtigsten DDR-Haftanstalten (Torgau, Luckau, Untermaßfeld, Hoheneck, Waldheim und Bautzen) genannten Zahlen ergeben etwa 25 Prozent Verurteilungen wegen vor dem 9. Mai 1945 begangener „NS-Verbrechen", 41 Prozent wegen nach diesem Stichtag liegender nicht krimineller Delikte, so daß unter Einschluß der wegen Verstöße gegen SMAD-Befehle Verurteilten die Gruppe der nach Kriegsende aus politischen Gründen Inhaftierten die Hälfte der damaligen etwa 15 000 Strafgefangenen ausmachte.398 Politische Strafurteile gegen Deutsche fällten sowjetische Militärtribunale bis zum Abschluß des „Abkommens über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR zusammenhängen" vom April 195Z Nach offiziellen Angaben wurden 1950 17480399 und im Herbst 1953 5384 von sowjetischen Gerichten wegen Kriegsverbrechen verurteilte ehemalige Kriegsgefangene durch einen Gnadenakt der UdSSR-Regierung aus sowjetischem Gewahrsam entlassen.400 Am 17 Januar 1954 amnestierte die sowjetische Regierung 6143 in DDR-Gefängnissen einsitzende Deutsche, die nach dem 3,4
395
396
397 398
der UdSSR 17552 deutsche Kriegsgefangene zurück. Vgl. A. Wyschinski, S. Kruglow/Staün/5. 3. 1950, in: ebenda, S. 230f., vgl. auch S. 239f. Für 1946 sind 18 sogenannte innere Gefängnisse der NKWD/MWD-Operativgruppen bekannt, vgl. Referat von Irina Schtscherbakowa auf der Tagung über die sowjetischen Internierungslager in Jena, am 2. Sept. 1993. Vgl. Oleschinski, Brigitte/Pampel, Bert: „Nazis", „Spione", „Sowjetfeinde"? Die SMTVerurteilten im April 1953 in Torgau, in: DA 5/1995, S. 456-466, hier S. 457 Ebenda, S. 459. Ebenda, S. 462. Vgl. Statistischer Bericht für die Zeit vom 1. 6. 1950 bis 30. 6. 1950, in: BAP, MdI/3632. Zit. nach: Buddrus, im Allgemeinen ohne besondere Vorkommnisse" 1996, S. 20. Im Originaldokument ist die Kategorie der wegen Delikten nach dem 9. Mai 1945 Verurteilten unscharf und könnte auch als „wegen NS-Verbrechen nach dem 9. Mai 1945" gelesen werden. Zudem sind die „kriminellen Delikte" gesondert ausgewiesen. Laut: Krupennikow, Arkadij A.: Der politische Charakter einiger Gerichtsverfahren gegen sogenannte Kriegsverbrecher, Referat in Dresden am 4. Juli 1997, wurden sie durch Weisung vom 8. Feb. 1950 aus der UdSSR ausgewiesen. Zur Repatrierung vorgeschlagen wurden von den 19848 in der UdSSR inhaftierten Deutschen (davon 14128 Kriegsgefangene, 754 Internierte und 4966 Zivilisten) ursprünglich 6994. Vgl. Oberst M. Kusnezow/Sprawka/21. 8. 1953, in: Konassow, Sudby 1996, S. 243. „...
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3,9
400
Sonderorganisationen
177
von sowjetischen Militärgerichten abgeurteilt worden waren. Laut des Mitteilung Hohen Kommissars der UdSSR in Deutschland vom 19. Oktober 1954 wurden alle durch Militärtribunale Verurteilte, die sich bis dahin im sowjetischen Gewahrsam befunden hatten, DDR-Organen übergeben. Nach dem Moskau-Besuch Adenauers 1955 wurden 8877 verurteilte deutsche Staatsbürger „vorzeitig endassen", repatriiert wurden ferner 749 sogenannte Kriegsverbrecher zur weiteren Strafverbüßung401 und im Dezember 1955 schließlich 271 sogenannte Schwerkriegsverbrecher nach der DDR überstellt. Die Frage ehemaliger Zivilinternierter, ob sie denn in den Lagern vergessen worden seien, läßt sich kaum zufriedenstellend beantworten. Ressortmäßige Engstirnigkeit vor dem Hintergrund allgemeiner Entmenschlichung auf der einen und auf der anderen Seite konkurrierende Interessen Moskaus blockierin Verbindung mit evidenten Unterschieden in der fachlichen ten zeitweilig Behördenstruktur der sowjetischen Regierung einerseits und der SMAD andererseits das administrative System. Doch sollten schon deshalb keine voreiligen Schlüsse gezogen werden, weil das Aktenmaterial durchaus virtuelle Wirklichkeitseffekte erzeugen kann: „Buchhalterische Transaktionen" boten sich zumindest an, denn dem MWD wurde gleichzeitig befohlen, Kriegsgefangene und Zivilinternierte aus der Sowjetunion nach Deutschland zu repatriieren, wie in der umgekehrten Richtung zu deportieren. In diesen Zahlensystemen der „Arbeitskraftreserve" zu manipulieren, war nicht einmal besonders schwierig. Bei den Kriegsgefangenen betrug der amtliche Rechenfehler immerhin etwa 100000 Mann dies meldete der zuständige Innenminister lediglich Stalin und dem Außenminister, doch schon sein Stellvertreter handelte im „guten Glauben", als er der Öffentlichkeit falsche Zahlen präsentierte402 -; als Repatriierte wurden vielfach jene gezählt, die zwischen einzelnen Lagern nur verschoben wurden.403 Stellenweise drängt sich der Verdacht auf, daß in einem überbürokratisierten System auch durch Untätigkeit einiges zur „Durchführung gebracht" werden konnte.
9. Mai 1945
-
-
-
Apparat des Bevollmächtigten des Besonderen Komitees für Deutschland beim GOKO/beim Ministerrat
Durch Beschluß des Staatlichen Verteidigungskomitees (GOKO) vom 21. Februar 1945 waren bei den Fronten ständige Kommissionen für die Ausfuhr industrieller Ausrüstungen und Materialien aus Deutschland eingerichtet404 und 401
402 403
Ukas Presidiuma Werchownowo Soweta SSSR ot 28 sentjabrja 1955 g., in: ebenda, S. 256. Konassow, Sudby 1996, S. 163. Beispielsweise die 1500, die 1947 in die tschechischen Gruben geschickt wurden. Vgl. ebenda, S. 161. Allgemein sei darauf lediglich hingewiesen, daß sogar einige Ministerratsbeschlüsse von 1947 widersprüchlich sind. Knyschewski, Dobytscha 1994, S. 9.
Vgl.
-
404
Organisationsstruktur
178
mit 34000 Mann zählenden besonderen
Trophäentruppen ausgestattet worden.405 Einige Tage später, am 25. Februar, entstand beim GOKO unter Vorsitz von Malenkow ein selbständiges Besonderes Komitee, dem u.a. Bulganin, Wosnessenski und Chruljow angehörten und dem Besondere Montage-Verwaltungen mit zunächst 10000 Planstellen beigeordnet wurden.406 Bereits durch Stalins Befehl vom 9. August 1944 war die deutsche Hinterlassenschaft in den Ostgebieten des Reiches zu sowjetischer Kriegsbeute erklärt worden. Gemäß einem Vertrag zwischen der provisorischen polnischen (Lubliner) Regierung und dem GOKO vom 12. Februar 1945 sollten zwar Einrichtungen und Material der deutschen Betriebe zwischen der Weichsel und der Oder dem polnischen Staat gehören,407 und durch GOKO-Beschluß vom 20. Februar 1945 wurde das sowjetische Beuterecht auf das kriegsrechtlich übliche Maß begrenzt, im polnisch-sowjetischen Abkommen vom 16. August 1945 erfolgte sogar ein sowjetischer Verzicht auf Ansprüche betreffend die deutschen Ostgebiete,408 doch wurden alle diese Weisungen und Abmachungen nicht eingehalten. Nachdem die schlesischen Kohlegruben im Sommer 1945 in das Eigentum von 24 sowjetisch-polnischen Aktiengesellschaften überführt worden waren,409 wurde die Ausfuhr von Kriegstrophäen aus Polen erst im Winter 1946 beendet. Der Stettiner Hafen als wichtiger Umschlagplatz ging bis zum 30. Januar 1947 (bis auf eine Freihandelszone) sukzessive in den Verfügungsbereich der polnischen Verwaltung über. Der Schwerpunkt in der Tätigkeit des Bevollmächtigten des Besonderen Komitees beim GOKO fiel in den Zeitraum zwischen April und Oktober 1945, als zahlreiche Fachabordnungen sowjetischer Volkskommissariate im Rahmen des Programms des Sonderkomitees die von der Roten Armee besetzten Teile Deutschlands überzogen. Die zunächst in Oberschlesien gebildete Zentrale übersiedelte im Sommer 1945 nach Neuenhagen bei Berlin und stand unter der nominellen Leitung von Maxim S. Saburow. Wie an anderer Stelle schon festgestellt, wurde ihre Tätigkeit ab Frühjahr 1946 reduziert410 und etwa im Frühjahr 1947 beendet.411 Die Apparate des Bevollmächtigten beim Besonderen Komitee wurden entweder aufgelöst oder in die Fachorganisation der SMAD integriert.412 405 406
407
408 409
Ebenda, S. Ebenda, S.
18. 10-12.
Jankowski,
Stanislaw:
Warszawa 1982, S. 49. Ebenda, S. 50.
Vgl. [Entwurf des Abkommens zwischen der Regierung der UdSSR und der vorläufigen Regierung der nationalen Einheit der polnischen Republik über die Wiedergutmachung des durch die deutsche
410
Przejmowanie i odbudowa przemyslu dolnoslaskiego 1945-1949,
Besetzung verursachten Schadens; russisch], in: Archivum Akt Now-
ych Warszawa, 295/VII/225. Vgl. dazu auch Befehl des Obersten Chefs
der SMAD Nr. 159
23. Mai
1946, in:
27/25 March
1948, in:
vom
GARF, 7317/8/5, Teil 2.
411
Vgl.
auch
HQ European Command Intelligence Center/Report
BAK, OMGUS/AGTS 39/1/1. 412
So wurde beispielsweise durch Befehl Nr. 229 vom 30. Juli 1946 der PKW-Bestand der Be-
Sonderorganisationen
179
Wenngleich der zeitliche Schwerpunkt der Politik der radikalen „ökonomiEntwaffnung" auf den Jahren 1945 und 1946 lag, wurden noch bis ins 1948 in der SBZ industrielle Einrichtungen demontiert und in die SowjetJahr union gebracht. Offiziellen Angaben zufolge beschlagnahmte und demontierte die Besatzungsmacht bis März 1947 673 von insgesamt 733 als Rüstungsbetriebe eingestuften Produktionsstätten. Nach westlichen Quellen waren bis Juni 1948 insgesamt 1225 Betriebe total oder teilweise demontiert worden,413 ferner bis 31. März 1947 11 800 km Schienenwege.414 Im August 1947 waren angeblich weitere 1200 km Eisenbahnschienen zu demontieren, wogegen die SED wegen Gefährdung des Transportsystems und die SMAD im Hinblick auf die Truppensicherheit protestierten.415 In die Sowjetunion gelangten auch schen
1200 der insgesamt 5500 Lokomotiven, weitere 1000 requirierte die SMAD für eigene Zwecke.416 Rainer Karisch gibt die Zahl der in den Jahren 1945 bis 1948 in der SBZ und in Berlin demontierten Betriebe mit 2000 bis 2400 an, über die
Hälfte sei vollständig abgebaut worden.417 Nach neueren russischen Angaben waren allein vom 2. März 1945 bis 2. März 1946 Demontageverfügungen erlassen worden, die in Deutschland 2885, in Polen (Schlesien) 1137 m Österreich 206 und in der Tschechoslowakei 54 zusammen also: 4282 deutsche Industriebetriebe betrafen.418 Ihre Demontage sei außerhalb der SBZ zum 2. März 1946 abgeschlossen worden. Zu diesem Zeitpunkt waren in der SBZ 2195 Betriebe demontiert, aber erst 1038 in die Sowjetunion verbracht worden.419 Nach Aussagen früherer SMAD-Mitarbeiter kam nur ein Viertel des Gutes in der UdSSR tatsächlich an, der größte Teil verrottete unterwegs.420 Außer den Demontagekosten muß hier auch der Wert der Entnahmen aus der laufenden Produktion sowie der Gewinne der Sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG) und der Sowjetischen Handelsgesellschaften (SHG) berücksichtigt werden. -
-
auftragten des Ministeriums für Leichtindustrie an die SMAD-Verwaltung für die SAG übergeben. 413 Nettl, J. P.: German Reparations in the Soviet Empire, in: Foreign Affairs 30 (1951), S. 301. Vgl. hierzu Karisch, Allein bezahlt 1993, S. 85, don unterschiedliche Schätzungen, die zwischen 675 und 2033 demontierten Betrieben liegen. 414 Vgl. Memorandum No 380/30 Oct. 1947, in: BAK, OMGUS/ODI 7/24 1/4 8. Zum Teil soll es sich um Reservematerial gehandelt haben. Insgesamt wäre durch derart umfangreiche Demontagen das Schienennetz gegenüber 1938 um 48 Prozent geschrumpft. Die tatsächlichen Verluste waren geringer und betrugen 5412 km bei Hauptstrecken (d.i.38% weniger als 1944) bzw. 733 km bei Nebenstrecken (d.i. 14% weniger als 1944). Vgl. Kühr, Rüdiger: Die Reparationspolitik der UdSSR und die Sowjetisierung des Verkehrswesens -
415 416
417 418 419 420
-
der SBZ, Bochum 1996, S. 345f.
Vgl. Memorandum No 287/11 August 1947, in: Ebenda.
Nettl, John P.: The Eastern Zone and Soviet Policy in Germany, 1945-1950, London 1951, S. 302. Am 31. Juni 1947 standen in der SBZ 2760 Lokomotiven im Einsatz. Vgl. Kühr,
Reparationspolitik 1996, S.
191.
Karisch, Allein bezahlt 1993, S.
85.
Knyschewski, Dobytscha 1994, S. 22f.
Ebenda, S. 24. Slusser, Soviet Economic Policy 1953, S. 41.
180
Organisationsstruktur
Verwaltung für sowjetisches Vermögen in Deutschland Mit der
Bildung Sowjetischer Aktiengesellschaften (SAG) und Sowjetischer Handelsgesellschaften (SHG) in der SBZ setzte die Sowjetunion ihre Politik der wirtschaftlichen Ausbeutung fort, wie sie in ähnlicher Form auch in Finnland, Bulgarien, Polen, Rumänien, Ungarn und Jugoslawien betrieben wurde.421 Erste Vorschläge zur Bildung von SAG unterbreitete Mikojan Schu-
kow und Kowal schon im Juni 1945,422 Schukow informierte im November 1945 die Präsidenten der deutschen Landes-, Provinzial- und Zentralverwaltungen allgemein,423 konkret das Kriegsratsmitglied Bokow am 23. Januar 1946 den KPD-Vorsitzenden Wilhelm Pieck über die Absicht, künftig 200 Betriebe jeweils zur Hälfte für das Reparationskonto und den deutschen Markt arbeiten zu lassen.424 In der gleichen Nacht erklärte der Stellvertretende Oberste Chef der SMAD für ökonomische Fragen Kowal in Anwesenheit Mikojans und höchster sowjetischer Planungsfunktionäre vor Stalin, daß andernfalls der ökonomische Kollaps der SBZ zu befürchten sei.425 Innersowjetische Interessen waren dabei ausschlaggebend, nachdem die Reparationsleistungen in den sowjetischen Fünfjahrplan für 1946-50 einbezogen worden waren. Andererseits berief sich die Sowjetunion auf die Grundsätze der Potsdamer Abmachungen insbesondere zum Wirtschafts- und Lebensstandard (Artikel 11, 12, 13, 16 und 19). Weiterführende politische Interessen etwa die Frage des Arbeitsmarktes und der Stabilisierung der ökonomischen Lage in der SBZ standen im sowjetischen Kalkül nicht an letzter Stelle. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Schaffung sowjetischer Eigentumskategorien in Deutschland wie auch die damit verbundene einseitige Konzentration der außenwirtschaftlichen Austauschströme nach der UdSSR ein „fait accompli" von erheblichem deutschland- wie auch später blockpolitischem Gewicht bedeutete. Erste rechtliche Schritte wurden mit den Befehlen Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 und Nr. 126 vom 30. Oktober 1945 über die Beschlagnahme und provisorische Übernahme einiger Eigentumskategorien bzw. der Vermögenswerte der NSDAP und ihrer Gliederungen (sogenannter Sequesterbefehl) eingeleitet, sie legimierten allerdings nur die seit Kriegsende bestehende faktische Lage. Ein Teil der erfaßten Betriebe wurde durch Befehl Nr. 167 vom 5. Juni 1946 („Über den Übergang von Unternehmungen in Deutschland in das Eigentum der -
-
421
422 423 424
425
Österreich und die Tschechoslowakei legten Einspruch gegen die Bildung gemischter Gesellschaften ein, in Österreich entstanden dann Aktiengesellschaften, die sich ausschließlich im sowjetischen Besitz befanden.
Kowal, K. L: Wospominanija samestitelja Glawnonatschalstwujuschtschewo SWAG, unveröffentlichtes Manuskript, S. 42. Vgl. Matschke, Werner: Die industrielle Entwicklung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) von 1945 bis 1948, Berlin (West) 1988, S. 204. Vgl. Karisch, Allein bezahlt 1993, S. 99. Mündliche Mitteilung von K. I. Kowal. Der Empfang im Kreml am 23. Jan. 1946 bestätigt durch: Possetiteli Kremljowskowo kabineta I. W. Stalina, in: Istoritscheski archiw 4/1996, S. 116. Dort sind die Namensinitialen mit „A. P." falsch wiedergegeben.
181
Sonderorganisationen
UdSSR auf Grund der Reparationsansprüche") in „Sowjetische Aktiengesellschaften" umgewandelt. Bereits durch den SMAD-Befehl vom 8. März 1946 waren die Produktionsstätten der IG Farben in sowjetisches Eigentum übergegangen. Für den sowjetischen Sektor von Berlin wurde am 1. April 1947 eine „Deutsche Treuhandstelle zur Verwaltung des sequestrierten und beschlagnahmten Vermögens" errichtet. Einer Information sowjetischer Stellen an die amerikanische Militärregierung zufolge seien im Ostteil Berlins 17 Industrieunternehmen in sowjetische Aktiengesellschaften überführt worden.426 Der Aufbau der SAG in Deutschland war im Spätherbst 1946 in den
und im Sommer 1948 endgültig vollendet. Insgesamt wurden zweihundert Einzelbetriebe (infolge späterer Zusammenlegungen etwa die schwanken Angaben zwischen 196 und 213) in ursprünglich 28, später zeitweilig 33 SAG zusammengeschlossen. Ihr nominaler Buchwert betrug nach der Währungsreform ca. 2 bis 2,5 Milliarden Mark,427 der effektive Wert wurde damals im Westen auf das Doppelte geschätzt. Das eingetragene Grundkapital belief sich 1947 auf etwa 3,7 Milliarden Rubel.428 Die Einzelfirmen wurden als SAG in deutsche Handelsregister eingetragen.429 Bis zu ihrer Auflösung am 31. Dezember 1953 übten die SAG neben dem zunächst in das Landeseigentum übergegangenen konfiszierten Produktiwermögen einen bestimmenden Einfluß innerhalb der Volkswirtschaft der SBZ/DDR aus. Während in der DDR die Anteile der SAG an der BruttoTndustrieproduktion mit 19,5 Prozent (1947), 22,0 Prozent (1948), 21,9 Prozent (1949) und 22,6 Prozent (1950) angebeben wurden,430 ging man im Westen für 1947 von 27-30 und für 1948 von 30-33 Prozent aus.431 Damals im Westen veröffentlichte Zahlen bezifferten den Anteil der SAG an der Netto-Industrieproduktion für 1948 noch mit 42 Prozent und schätzten ihn noch für 1952 auf 35-40 Prozent. Nach Erinnerung des ehemaligen Ersten Stellvertreters des Obersten Chefs der SMAD stammten ca. 40 Prozent der aus der laufenden Produktion stammenden Re-
Grundzügen
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-
Baar, Lothar: Die Berliner Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Wirtschaft im geteilten Berlin 1945-1990, hg. von Wolfram Fischer und Johannes Bahr, München 1994, S. 137-150, hier S. 143.
Rupp, S. 29.
Franz: Die
Reparationsleistungen
der
sowjetischen Besatzungszone,
Bonn 1951,
Vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Wirtschaftsprobleme der Besatzungszonen, Berlin 1948, S. 227 Nach Kowal, K. I.: Wospominanija samestitelja Glawnonatschalstwujuschtschewo SWAG, unveröffentlichtes Manuskript, S. 78, betrug das Grundkapital (Ustawny kapital) 4,2 Mrd. Mark, die Grundmittel 1,601 Mrd. und die Umlaufmittel 0,556 Mrd. Mark. Der Anteil an der Industrieproduktion der SBZ habe danach 16,8 °/o betragen. Westliche Schätzungen beliefen sich auf ca. 27-30% 1947 und 30-33% 1948 (vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Wirtschaftsprobleme der Besatzungszonen, Berlin 1948, S. 235), oder 30% (vgl. Rupp, Reparationsleistungen 1951, S. 28). Rupp, Reparationsleistungen 1951, S. 27
Nach: Staritz, Dietrich: Sozialismus in einem halben Lande, Berlin (West) 1976, S. 19. Der Produktionsplan der Sowjetzone für das II. Quanal 1947/Juli 1947, in: IfZ/Fg 44/7, S. 23.
182
Organisationsstruktur
parationslieferungen aus SAG-Betrieben.432 Nach internen Bewertungen der SAG-Leitung und der SED-Führung im Jahr 1949 wurde die Warenproduk-
tion der SAG in Preisen von 1944 für 1947 mit 1,8856, für 1948 mit 2,5715 und für 1949 mit 3,075 Milliarden Mark beziffert. Davon waren 1949 450 Millionen Mark für Reparationszwecke vorgesehen, was nach sowjetischem Standpunkt 44 Prozent der Jahresreparationsleistung entsprach.433 Beschäftigt waren in den SAG 1947 (ohne Uranbergbau) nach alten westdeutschen Schätzungen 290000-300000 Deutsche.434 Tatsächlich waren es damals 208000, erst im ersten Quartal 1949 wurden 250000 Produktionsarbeiter angegeben.435 Für 1952 lagen die westlichen Schätzungen bei 325 000 Beschäftigten bzw. einschließlich der Wismut AG bei ca. 550000.436 In den im sowjetischen Eigentum befindlichen Berliner Betrieben (1947 273, 1948 320) standen 1947/48 ca. 35000 Deutsche in Lohn.437 Die SAG waren branchenweise als sogenannte Kombinate organisiert, jeder Betrieb war eigenverantwortlich für Planung, Produktion und Finanzierung. Die Betriebe waren straff organisiert, die sowjetischen Generaldirektoren waren gegenüber der „Betriebsgefolgschaft", wie es in einigen Befehls-Ubersetzungen hieß, mit militärischer Befehlsgewalt ausgestattet. Gegenüber der sowjetischen Holdingsgesellschaft438 traten die Generaldirektoren der Einzelbetriebe formell als Pächter auf, sowjetische Fachleute stellten die Managerstäbe. Die Gesellschaften galten, obwohl in deutsche Handelsregister eingetragen, als exterritorial, zahlten keine Steuern und unterlagen nicht der Publizitätspflicht; deutsche Behörden waren auch zur Buchprüfung nicht befugt. Ärger gab es vielfach, weil -
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Kowal,
K. L:
Wospominanija samestitelja Glawnonatschalstwujuschtschewo SWAG, un-
veröffentlichtes Manuskript, S. 79. Dokladnaja sapiska tow. Kobulowa B. S. ob itogach dejatelnosti sowetskich predprijati w Germanii sa 1947-49 gg. i sadatschach na blischaischi period/13. 7 1949, in: AWP RF, 0457 „a'77/40/19, Bl. 93-104. Vgl. auch Report 22 January 1947 in: BAK, OMGUS/AGTS 44/2. Dokladnaja sapiska tow. Kobulowa B. S. ob itogach dejatelnosti sowetskich predprijati w Germanii sa 1947-49 gg. i sadatschach na blischaischi period/13. 7 1949, in: AWP RF, 0457 „a"/7/40/19, Bl. 93-104, hier Bl. 98. Im 1. Quartal 1949 nahmen an der Betriebsversorgung 285000 Arbeiter und Angestellte teil. Nach: Hübner, Peter: Zu den Auswirkungen des Auf- und Ausbaus von Industriekapazitäten in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus auf die soziale Struktur der Arbeiterklasse in der DDR, in: Die DDR in der Übergangsperiode [...] Berlin (Ost) 1979, S. 196-222, hier S. 204. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Wirtschaftsprobleme der Besatzungszonen, Berlin 1948, S. 261. „Verwaltung der Sowjetischen [Staatlichen] Aktiengesellschaften in Deutschland" -
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437
438
(„Uprawlenije Sowetskich [Gossudarstwennych] Akzionernych Obschtschestw w Germanii" „USGAO"; verschiedentlich auch: USIG, d.i. Uprawlenije Sowetskich imuschtschestw w Germanii, Verwaltung des sowjetischen Vermögens in Deutschland; oder: „Verwaltung für Angelegenheiten der Sowjetischen Aktiengesellschaften in Deutschland" bzw. „Verwaltung für Angelegenheiten des sowjetischen Vermögens in Deutschland". Erst nach SMAD-Auflösung: „Verwaltung für sowjetisches Vermögen in Deutsch-
land", „USIG".
Sonderorganisationen
183
sich die SAG nicht an deutsche Rechtsvorschriften hielten und insbesondere geltende Tarifverträge nicht beachteten.439 Allerdings waren die Länder verpflichtet, entstandene Defizite der SAG zu subventionieren. Die Verwaltung der Sowjetischen [Staatlichen] Aktiengesellschaften in Deutschland in Berlin-Weißensee wurde Ende 1946 organisatorisch der Hauptverwaltung für das sowjetische Eigentum im Ausland beim Ministerrat der UdSSR angeschlossen. Innerhalb der SMAD wurde 1946 eine Verwaltung für die SAG eingerichtet, ihre Leitung übernahm zunächst A. P. Mitjukow;440 im Frühjahr 1947 wurde die Gesamtleitung einem besonderen Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD für Fragen der SAG übertragen, dem aus dem Tscheka-Kader stammenden Bogdan S. Kobulow.441 Die fachliche Richtlinienkompetenz der SMAD für die SAG dürfte dennoch zumindest bis 1948 insgesamt als gering zu veranschlagen sein, da in diesem Bereich sowjetische Planziele unmittelbar zur Geltung kamen. Es scheint, daß die Leitungsmitarbeiter der SAG im wesentlichen nur der Disziplinargewalt der SMAD unterstellt waren.442 SAG-Betriebe wurden ab 1947 sukzessive der deutschen Verwaltung übereignet: Nach DDR-Quellen wurden 1947 74,1950 23 für 74,9 Millionen Mark, 1952 66 Betriebe im Wert von 430 Millionen (westliche Angaben: 1,58 Milliarden Mark) und zum 1. Januar 1954 schließlich 33 Betriebe im Wert von 2700 Millionen (westliche Angaben: Wert 1952 1,623 Milliarden Mark) insgesamt also 196 Betriebe zurückgegeben.443 Generell ist von einem verschleierten Rückkauf der SAG-Betriebe durch die DDR auszugehen,444 doch erfolgte dies auch auf Kreditbasis, wobei eine Reihe sowjetischer Kredite der DDR schließlich erlassen werden mußte. Die Verwaltung der SAG organisierte zwischen 1946 und 1948 die Produktionsprogramme ausschließlich auf der Grundlage sowjetischer Planvorgaben. Sie koordinierte dabei nicht nur die Produktionsprogramme der SAG, sondern auch deren Kooperation mit landeseigenen und privaten deutschen Betrieben. Die angewandte moderne Kennzifferplanung, die finanzielle Selbständigkeit der SAG-Betriebe, die Bildung von Reproduktionsfonds im eigenen Betrieb und nicht zuletzt die Grundsätze der politischen Betriebsarbeit der SED und der Gewerkschaften stellten für die deutschen Betriebe zunächst eine besondere Form der Entwicklungshilfe dar, bis 1954 eine generelle Übertragung der in den SAG angewandten Organisationsleitungs- und Planungs-
Vgl. Gniffke/Pieck-Grotewohl/12. Juni 1946, in: SAPMO BArch, ZPA/NL 90/314. Kowal, K. L: Wospominanija samestitelja Glawnonatschalstwujuschtschewo SWAG, unveröffentlichtes Manuskript, S. 79. 441 Die formale Stellung Kobulows 1947-48 ist insofern unklar, als er 1947 als Stellvertretender Chef der SMAD noch ohne den Zusatz „für Angelegenheiten der SAG" erscheint. 442 Vgl. Berichte in: BAK, OMGUS/POLAD 761/21. 443 Vgl. hierzu auch: Hecht, Bernhard: Entstehung, Charakter und Bedeutung der Sowjetischen Aktiengesellschaften in Deutschland, in: Zwei Jahrzehnte deutsch-sowjetischer Be1945-1965, Berlin (Ost), 1965, S. 89-104. ziehungen 444 439
440
Karisch, Allein bezahlt 1993, S.
131.
184
Organisationsstruktur
Strukturen durchgeführt wurde, die teilweise auch eine Übernahme sowjetischer Leitungskader zur Folge hatte.445 Außerhalb der SAG-Struktur standen weitere deutsche Betriebe (z.B. als Eigentum der Roten Armee) unter der Leitung sowjetischer Offiziere und Wirtschaftsfachleute, so die Betriebsgruppe Carl Zeiss Jena. Die DEFA wurde 1949 als gemischte deutsch-russische Aktiengesellschaft mit einem deutschen Kapitalanteil von 45 Prozent gebildet.446 Eine Sonderstellung nahm die Deru-
(Deutsch-Russische Transport-Aktiengesellschaft Berlin) mit einem Grundkapital von 10 Millionen RM ein.447 Diese Gesellschaft für den Transport der Reparationsgüter in die Sowjetunion wurde jährlich mit 70 Millionen tra
Mark aus dem SBZ-Haushalt subventioniert.448 Ökonomisch fielen die nach deutschem GmbH-Recht zugelassenen Kontore „Inturist" (bis 1950) und „Meschdunarodnaja kniga" weniger ins Gewicht, als Aktiengesellschaft war die Derunapht (Deutsch-Russische Naphta-AG Berlin) registriert, 1951 hatte sie 1300 Beschäftigte.449 Die juristischen Eigentums- und tatsächlichen Organisationsformen waren vielfältig.
Wismut SAG Einen Sonderfall innerhalb der SAG stellt die Wismut SAG dar ursprünglich eine Tarnbezeichnung für den Uranbergbau -, die am 17 Juli 1947 beim Amtsgericht Aue mit einem Kapital von 50 Millionen Rubel in das Gesellschaftsregister eingetragen wurde. Sie unterstand nicht der Verwaltung der SAG in Deutschland und war auch aus der SMAD ausgegliedert. Sowjetische Geologen wurden bereits im Juni 1945 nach Mitteldeutschland entsandt, um Uranvorkommen zu erschließen. Im Juni 1946 entstand in Freiberg/Sachsen eine Zentrale unter dem MGB-Generalmajor Andrei Michailowitsch Malzew, der anschließend bis 1950 die Hauptverwaltung der Wsmut SAG in SiegmarSchönau bei Chemnitz leitete. 1947 wurden die sieben sächsischen Erzbergwerke auf Grundlage des Beschlusses des Ministerrats der UdSSR vom 16. Mai 1947 über die Bildung der „Staatlichen Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie" Wismut durch Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 128 vom -
445
446
447
448 449
Zur Betriebsgeschichte einer SAG vgl. Sattler, Friederike: Mitwirkung im SAG-Betrieb. Zur Geschichte der Bleichert Transportanlagenfabrik, Leipzig 1946-1953, Magisterarbeit Universität Freiburg, o. J. B. Kobulow/Memorandum o soweschtschann samestitelja natschalnika Glawnowo uprawlenija sowetskim imuschtschestwom sa granizei pri Sowete Ministrow Sojusa SSR tow. Kobulowa W. S. s rukowoditeljami Jedinoi Sozialistitscheskoi Partii Germanii i Nemezkoi Ekonomitscheskoi Komissii 13. VII. und 14. VII. 1949 w g. Berlin, in: AWP RF, 0457 „a'77/40/19, Bl. 84. Vgl. Gesetze, Befehle, Verordnungen, Bekanntmachungen, veröffentlicht durch die Landesverwaltung Sachsen, Dresden 30. Nov. 1946, S. 543. Rupp, Reparationsleistungen 1951, S. 24 Puschkin/28. 3. 1952, in: AWP RF, 082/40/5/254, Bl. 29-31.
185
Sonderorganisationen 26. Mai 1947 sowie einen darauf beruhenden Befehl Nr. 131
vom
30. Mai 1947
der SMA Sachsen zum sowjetischen Eigentum erklärt.450 Der Uranbergbau, den Sowjets zeitweilig grenzüberschreitend auch in der CSR betrieben, unterlag strengster Geheimhaltung. 1947 waren in ihm 43590451 und 1950 92000 Deutsche beschäftigt.452 Für 1951 schwanken die westlichen Schätzwerte zwischen 200000 und 400000, für 1952 wurden 275000 Beschäftigte genannt,453 andere nannten für 1951 225000454 und ca. 200000 für 1953.455 Nach den heute vorhandenen Angaben waren im Dezember 1953 allerdings nur 133 000456 und 1954 117200457 arbeitsamtlich registrierte Arbeitskräfte unmittelbar in den Bergwerken tätig, wobei in diesen Zahlen zumindest die sowjetischen Fachkräfte nicht enthalten sind. Rainer Karisch stellte neuerdings anhand der Vblkszählungsdaten von 1950 fest, daß auf dem Höhepunkt der Tätigkeit der Wismut zwischen 1950 und 1952 insgesamt von etwa 210000 Beschäftigten ausgegangen werden müsse.458 1950 wurden in den sächsischen Uranbergwerken nach damaligen Schätzungen der CIA 45 Prozent der gesam-
von
450
451
Vgl. Beyer, Klaus u.a.: Wismut „Erz für den Frieden"?, Marienberg 1995, S. 29-31. DWK-Abteilung Handel und Versorgung/Rau/20. April 1948, in: BAP/C 15/759. Laut -
Karisch, Allein bezahlt 1993, S. 141, 46000. Nach Karisch, Allein bezahlt 1993, S. 141, über 110000. Im Frühjahr 1948 baten Sokolowski und Kobulow das MWD, der Wismut AG 50 000 deutsche Kriegsgefangene aus der Zahl der tschechoslowakischen und rumänischen Staatsbürger zu überstellen. Der Innenminister war grundsätzlich einverstanden und empfahl, nur jene zu überstellen, die mindestens dreijährige Arbeitsverträge abschließen. Vgl. Konassow, Sudby 1996, S. 207f. 453 So schätzte im Westen W Krause die Zahl der Wismut-Beschäftigten auf ca. 275000 im Jahr 1952, zit. nach: Hübner, Peter: Zu den Auswirkungen des Auf- und Ausbaus von Industriekapazitäten in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus auf die soziale Struktur der Arbeiterklasse in der DDR, in: Die DDR in der Übergangsperiode [...] Berlin (Ost) 1979, S. 196-222, hier S. 204. 454 Sopade Informationsdienst/Denkschriften 51/Die Reparationen in der Sowjet-Zone von 452
1945-1952, S. 27 -
455
Ebenda. Vgl. auch: 16/1953
456
457 458
vom
20.
Gerstenberg, Peter: Volksaufstand und Planwirtschaft, in: SBZ-Archiv
Aug. 1953, S. 246-249, hier S. 247
Karisch, Allein bezahlt 1993, S. 141. Beyer, Wismut 1995, S. 37 Karisch, Rainer: Der Aufbau der Uranindustrien in der SBZ/DDR und CSR als Folge der sowjetischen Uranlücke, in: ZfG 44/1996, S. 5-24, hier S. 15. Um nicht der Magie der Zahl zu erliegen, muß berücksichtigt werden, daß es unterschiedliche statistische Erfassungsmethoden gibt. Die Methodik der „sozialistischen" Statistik wurde erst sehr spät ver-
einheitlicht und nie stringent beachtet. Nicht zuletzt auch deshalb wurden „sozialistische" Statistiken im Westen im allgemeinen bestenfalls als Trendindikatoren betrachtet. Die früher im Westen genannten Zahlen können übrigens durchaus die Beschäftigtenzahlen unter Einschluß der damals bekanntermaßen sehr hohen Fluktuation ausdrücken. Diese „sowjetische" statistische Methode ist in Rußland noch heute gebräuchlich. Über wirtschaftsstatistische Interna der SBZ/DDR lagen im Westen noch zu Beginn der fünfziger Jahre detailliertere und in der Regel genauere Angaben vor als in den ehemaligen DDR-Archiven. Zudem sind in diesem Zusammenhang, wie im Abschnitt über die Internierungslager angeführt, auf der Ebene des Ministerrates der UdSSR Zahlenmanipulationen einwandfrei nachweisbar.
186
Organisationsstruktur
Uranförderung des Ostblocks gewonnen,459 damit besaßen die Erzgruben für die UdSSR eine herausragende strategische Bedeutung. Die Wismut SAG wurde am 1. Januar 1954 in eine „sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft" (SDAG Wismut) mit einer deutschen Kapitalbeteiligung von 50 Prozent umgewandelt. Am 8. Mai 1991 übernahm die Bundesregierung die sowjetischen Anteile der Wismut AG. ten
Sowjetische Handelsgesellschaften Neben den SAG unterhielt der sowjetische Fiskus in der SBZ ab 1946 eine große Zahl branchenbezogener „Sowjetischer Handelsgesellschaften" (SHG), die dem Moskauer Außenhandelsministerium unterstanden. Sie vermarkteten nicht nur Produkte der SAG-Betriebe, sondern auch Güter aus deutscher Produktion. Allein mit der Verwaltung der in der SBZ befindlichen Immobilien des sowjetischen Außenhandelsministeriums waren noch 1952 31 Angestellte
beschäftigt.460
Als Hausbank für finanzielle Transaktionen der Besatzungsmacht in der fungierte die ebenfalls im sowjetischen Besitz befindliche Garantie- und Kreditbank AG (Garkreba) in Berlin. Dieses ursprünglich 1922 in Berlin gegründete und am 27 Mai 1945 reaktivierte Institut wurde am 16. Januar 1946 durch den Ersten Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD und damals mit der Leitung der Finanzpolitik der SMAD beauftragten Armeegeneral bzw. Marschall Sokolowski wiedereröffnet.461 Als Anteilseigner fungierten Vertreter der sowjetischen Staatsbank, der Außenhandelsbank und der Handelsbank der UdSSR. Das ursprüngliche Grundkapital der Garkreba von 300000 RM wurde 1946 auf 150 Millionen RM erhöht. Der Umsatz stieg infolge des Zuflusses von schätzungsweise 1,5 Milliarden aus den Beständen der Reichsbank erbeuteten Banknoten schon Ende 1946 auf 6,2 Milliarden RM an. Die Bilanzsumme der Garkreba betrug Ende 1946 0,9, stieg Ende 1947 auf 2,66 Milliarden Mark und 1948 auf 3,16 Milliarden RM/Mark (Ost) an.462 Mit einem Umsatz von 38 Milliarden im Jahr 1949 spielte sie eine wichtige Rolle im Finanzwesen der SBZ/DDR. Ihre Filialen in den industriellen Zentren der SBZ/ DDR wurden nach Bildung der DDR sukzessive aufgelöst, 1956 stellte auch die Berliner Zentrale ihre Tätigkeit ein. SBZ
459
460
461
Holloway, David: Stalin and the Bomb: The Soviet Union and Atomic Energy, 1939-1956,
New Haven 1994, S. 177 Torgpredstwo SSSR w GDR/Ottschot o rabote Torgpredstwa sa 1952 god/7 2. 1953, in: AWP RF, 082/41/57/276, Bl. 136. Vgl. dazu: Karisch, Rainer: Die Garantie- und Kreditbank AG Hausbank der Besatzungsmacht in der SBZ/DDR von 1946 bis 1956, in: Bankhistorisches Archiv 1/1992, S. 69-84. Vgl. Karisch, Allein bezahlt 1993, S. 209, diese Angaben stimmen mit den von Rupp, Reparationsleistungen 1951, S. 24, genannten Zahlen überein. -
462
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Sonderorganisationen
Sonderverwaltungen Durch Befehl Nr. 201 vom 8. Juli 1946 wurde aufgrund eines Befehls des Ministers für Außenhandel der UdSSR vom 16. April 1946 in Berlin, Dresden und Weimar eine Verwaltung für Immobilien des Außenhandelsministeriums unter Leitung von Nikolai Iljitsch Udalow eingerichtet, der alle Kommandanten volle Unterstützung zu gewähren hatten.463 Aufgrund eines Beschlusses des Ministerrates der UdSSR vom 7 August 1946 setzte der Oberste Chef durch Befehl Nr. 274 vom 12. September 1946 einen Bevollmächtigten der beim sowjetischen Ministerium für Kinematographie angesiedelten Hauptverwaltung für die Herstellung von künstlerischen Kinofilmen ein. Durch Befehl Nr. 166 vom 30. Mai 1946 und Nr. 271 vom 24. September 1946 wurde in der SBZ die Tätigkeit von „Inturist" zugelassen, dessen Mitarbeiter wie SMADMitarbeiter zu behandeln waren.464 Insgesamt waren in der SBZ eine Reihe von Vertretungen sowjetischer Ministerien, Ämter und Einrichtungen sowie besondere Vertreter der Ukraine und Weißrußlands tätig. Zum 1. Dezember 1945 hielten sich fast 10000 Vertreter sowjetischer Ministerien in der SBZ auf, ein Jahr später immer noch mehr als 5000.465 Alle diese Deputierten standen unter dem Schutz der SMAD und sofern sie nicht auf SMAD-Planstellen kamen SMAD-Angestellten waren
gleichgestellt. -
-
Exkurs: Entnahmen durch die Besatzungsmacht Zum 1. Mai 1946 unterbrach die sowjetische Regierung mit Beschluß vom 9. April 1946 das Demontage-Programm. Obwohl „keine genaue [Gesamt] Rechnung über den Wert der demontierten Betriebe" vorlag, verfügte das Besondere Komitee beim Ministerrat der UdSSR zu diesem Zeitpunkt über genaue Angaben zu insgesamt 4460000 Tonnen verschiedener industrieller Einrichtungen und Materialien sowie zu 600000 Tonnen Metallkonstruktionen demontierter Betriebe, deren Wert summarisch mit zwei Milliarden Dollar beziffert wurde.466 Im Westen wurde der Wert der bis Ende 1947 vorgenommenen Demontagen lediglich auf 600 Millionen US-Dollar geschätzt.467 Rupp ging von 5 Milliarden Mark nach Abzug der Demontagekosten aus,468 und die höchsten westlichen Schätzungen lagen bei 8 Milliarden Mark.469 Rainer 463
464
465
466 467 468
469
Vgl.
Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 201 vom 8. Juli 1946, in: GARF, 7317/8/5/1. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 271 vom 24. Sept. 1946. Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 139. AWP RF, 122/28a/13/206a, Bl. 29. Vgl. auch Knyschewski, Dobytscha 1994, S. 24. Nettl, The Eastern Zone 1951, S. 302. Rupp, Reparationsleistungen 1951, S. 36. Sopade Informationsdienst/Denkschriften 51/Die Reparationen in der Sowjet-Zone von 1945-1952, S. 8. -
188
Organisationsstruktur
Karisch zitiert einen internen Bericht der sowjetischen Reparationskommission, in dem der Wert der Ausrüstungen mit 3,6 Millionen Tonnen sowie der Beschlagnahmung von Zucker und Vieh mit weiteren 31,2 Millionen US-Dollar angegeben wurde.470 Eine zwischenbehördliche sowjetische Kommission bewertete hingegen in ihrem Bericht an Molotow vom 26. März 1948 den Wert der zwischen dem 2. August 1945 und dem 1. Januar 1948 vorgenommenen Reparationsentnahmen mit 3,262 Millionen Tonnen, den Gesamtwert nach Preisen von 1938
darin die bis
allerdings lediglich mit 6376 Millionen Dollar. Ferner wurden
2. August 1945 erzielten Entnahmen von 1350000 Tonnen die Ausrüstungen, unmittelbar als Kriegsbeute betrachtet wurden, mit 263,7 Millionen Dollar veranschlagt (Preise von 1938). Insgesamt kam diese Regierungskommission auf 4,612 Millionen Tonnen Ausrüstungen mit einem amtlich festgelegten Wert von 901,3 Millionen Dollar.471 Zum 1. Januar 1950 ergaben diese anscheinend sehr komplizierten diplomatischen Berechnungen der Gesamtreparationsentnahmen einen Wert von 3344,2 Millionen Dollar.472 Kollationiert man die in den Archiven verstreuten und sorgsam gehüteten Zahlen, so ergibt sich daraus allerdings eine Gesamtsumme von etwa 7 Millionen Tonnen Demontagegut zum 1. Januar 1948, was bei dem amtsinternen Kalkulationspreis von etwa 400 Dollar pro Tonne, fast 3 Milliarden Dollar ergeben würde. Ob in diesen Zahlen die Kunstobjekte aus öffentlichem und privatem Besitz (900000, wie im Westen ursprünglich geschätzt,473 oder mehr als zweieinhalb Millionen, wie dies neuerdings amtliche russische Unterlagen belegen474) enthalten sind oder nicht und, falls ja, ebenfalls nach Tonnen und Dollar bewertet wurden, bleibt letztlich unerheblich, wenn auch der Wert der allein aus Dresden transferierten Kunstschätze westlicherseits mit 700 Millionen Mark beziffert wurde.475 Beschlagnahmte Bücher nicht nur Erstausgaben von Marx, sondern etwa auch die Gutenberg-Bibel wurden in der Tat nur in Tonnen und Waggons gemessen. Allein aus Berlin seien 2247 Tonnen Museumsgüter in 197 Eisenbahnwaggons weggeschafft worden.476 In den fünfziger Jahren wurden etwa drei Fünftel dieses kulturellen Beuteguts an die DDR restituiert,477 darunter über 1, 5 Millionen sogenannte Museumsobjekte und zum
-
-
4713
Karisch, Allein bezahlt 1993, S.
471
Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S.
472
-
-
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476 477
146.
Ebenda. Laut Kowal hatten die in der SBZ vorgenommenen Demontagen einen Gesamtwert von 1300 Millionen Dollar. So: Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 120. Die bis etwa zum Zeitpunkt der Potsdamer Konferenz vorgenommenen Demontagen galten nach sowjetischer Rechtsauffassung als Kriegsbeute. Sopade Informationsdienst/Denkschriften 51/Die Reparationen in der Sowjet-Zone von 1945-1952, S. 7 Akinscha, Konstantin/Koslow, Grigori: Beutekunst. Auf Schatzsuche in russischen Geheimdepots, München 1995, S. 247 Sopade Informationsdienst/Denkschriften 51/Die Reparationen in der Sowjet-Zone von 1945-1952, S. 7 Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 151. Vgl. zum Thema: Akinscha/Koslow, Beutekunst 1995, S. 259. -
473
57
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200 t Archivalien.478 Später folgten noch weitere Einzelrückgaben. 1994 unterbreitete die Bundesregierung der russischen Regierung eine Liste von Kulturgütern aus deutschem Besitz, die sich ihrer Ansicht nach in Rußland befänden. „Es handelt sich um ca. 200000 Museumsgüter, 2 Millionen Bücher und 5 km Archivgut"479 im Gesamtwert von mehr als 10 Milliarden DM.480 Nach neuer russischer Rechtsauffassung war die Kriegsbeute allerdings nichts anderes als eine legale Kompensation, weil allgemein praktiziert. Ein Parlamentsbeschluß, der die Beutekunst 1996 zum unveräußerlichen Kulturgut Rußlands erklärte, war von der Zweiten Kammer des russischen Parlaments zunächst nicht bestätigt worden. Wegen voraussehbarer Staats- und völkerrechtlicher Folgewirkungen war der zweite entsprechende Parlamentsbeschluß von 1997, dem der Föderationsrat zugestimmt hatte, zunächst ohne die Unterschrift des Präsidenten der Russischen Föderation geblieben, bis ilin das Verca.
fassungsgericht zur Gegenzeichnung zwang. Ohne jeden Zweifel handelt es sich bei diesen Schätzungen nicht um volkswirtschaftliche Wertberechnungen, sondern um eine Form der politischen Auseinandersetzung mit ökonomischen Mitteln, wie Jörg Fisch das Reparationsproblem treffend charakterisiert. Karisch rechnet die Mindestkosten der Reparationen und der Besatzung der SBZ/DDR auf 53,930 Milliarden Reichsmark hoch und kommt zusammen mit ein bis zwei Milliarden für geistiges Eigentum veranschlagten Gebühren auf etwa 14 Milliarden Dollar (Preise von 1938), also 10,4 Milliarden Dollar nach Abzug der Besatzungskosten.481 Jörg Fisch kommt mittels einer anderen Berechnungsmethode ebenfalls auf 53 Milliarden Reichsmark,482 was den schon 1953 vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen angegebenen Zahlen entspricht. In diesem Zahlenwerk nicht enthalten ist die von deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion erbrachte Arbeitsleistung483 und der Wert der deutschen Ostgebiete,484 die die bekannten Zahlen in etwa verdreifachen. 478
479
480 481
Ritter, Waldemar: Zum Schicksal deutscher Kulturgüter in Rußland. Deutsch-russische Verhandlungen über die Rückführung kriegsbedingt verbrachter Kulturgüter, in: DA 1994, S. 1190-1194, hier S. 1191. Ebenda, S. 1194. In der Tagespresse werden drei Millionen Bücher genannt. Akinscha/Koslow, Beutekunst 1995, S. 298. Karisch, Allein bezahlt 1993, S. 231, vgl. dazu auch: Karisch, Rainer: Umfang und Struktur der
Reparationsentnahmen aus der SBZ/DDR 1945-1953. Stand und Probleme der Forin: Buchheim, Christoph (Hg.): Wirtschaftliche Folgelasten des Krieges in der
schung,
482
483
SBZ/DDR, Baden-Baden 1995, S. 45-78. Fisch, Jörg: Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg, München 1992, S.
-
484
197
Für den Zeitraum 1943-49 wurde sie in einer Information des Innenministers Kruglow an Stalin mit 38 Milliarden Rubeln bewertet (vgl. Konassow, Sudby 1996, S. 153). Von der Gesamtsumme 50 Milliarden wurden darin 12 Milliarden auf die österreichischen Gefangenen umgelegt. 38 Milliarden Rubel entsprachen nach dem vom Ministerrat der UdSSR am 28. Feb. 1950 festgelegten Umrechnungskurs 9,5 Milliarden US-Dollar (vgl. Keesings Archiv der Gegenwart, XX. Jg. (=1950), S. 2275). Durch Beschluß des GOKO vom 29. Juli 1945 wurden Polen 5652 deutsche Industriebetriebe mit einem Materialwert von 8568,4 Millionen Rubel überlassen (vgl. Generalleut-
190
Organisationsstruktur
Aus solch astronomischen Zahlen geht nur ein Faktum zweifelsfrei hervor: Der hohe ökonomische und technologische Stellenwert des sowjetischen Vorstoßes nach Ostmitteleuropa. Stalin schonte im Krieg das Feindesland mehr als sein eigenes, Sachwerte waren wichtiger als Menschenleben. Denn nur die sowjetische Präsenz in Mitteleuropa und die Nutzung der dort vorhandenen Ressourcen garantierten den Aufstieg zur Weltmachtstellung. Der in der So-
wjetunion nach dem Krieg einsetzende wirtschaftliche und technologische
Modernisierungsschub wäre ohne diese Form der Entwicklungshilfe unvorstellbar gewesen, und dieses strategische Interesse bildete nicht zuletzt auch in Verbindung mit der militärischen Bedeutung des in der SBZ gewonnenen Urans den handfesten materiellen Hintergrund für die sowjetische Besatzungspolitik in Deutschland. Ebenfalls in Rechnung zu stellen sind in diesem Zusammenhang die unmittelbaren Auswirkungen dieser Politik auf die Haltung der Westmächte, denn als Kriegsbeute wurde grundsätzlich alles behandelt, was der deutschen Kriegsproduktion gedient hatte, gleichgültig, ob die Eigentumstitel des ehemals deutschen und nunmehr sowjetischen Beuteguts -
-
französisch, britisch, tschechoslowakisch oder was auch immer waren: Der Weg nach Berlin hatte über Bukarest, Sofia, Warschau, Budapest und Belgrad
geführt.
Unmittelbar
war durch solche Entnahmen der Manövrierraum der SED Aufwand für den Unterhalt der Besatzungstruppen in der SBZ Der tangiert.485 bis Ende 1950 wurde von Franz Rupp, der über authentisches Datenmaterial verfügte, auf 9 Milliarden Mark geschätzt.486 Offizielle Zahlen aus DDR- bzw. sowjetischen Quellen liegen aus dem Zeitraum bis zur DDR-Gründung nur für die Jahre 1948 (2,1 Milliarden Mark) und 1949 (2,182 Milliarden Mark) vor.487 Das inzwischen z.T. bereits greifbare damals geheime Zahlenwerk trägt allerdings kaum zur Klärung, sondern im Gegenteil eher zu weiterer Verwirrung bei: Laut einer Mitteilung von Tschujkow an Ministerpräsident Otto nant
AWP
F. Bachitow
natschalnik trofeinowo
uprawlenija
RF, 122/28a/13/206a), dies entsprach nach dem -
WS SS/Molotow/17 7 1946, in: festgelegten Rubelkurs etwa
1944
17 Milliarden RM. Den Wert der Polen übertragenen Ostgebiete von 100900 qkm (ohne Danzig) ließ sich die sowjetische von der polnischen Regierung nach Verhandlungen am 28. Juli 1945 mit 9,5 Milliarden Dollar quittieren: Der allgemeine wirtschaftliche Wert der Gebiete wurde mit 9,5 Milliarden und mit 500 Millionen Dollar derjenige der in die Sowjetunion ausgeführten Einrichtungen angegeben (vgl. Magierska, Anna: Ziemie zachodnie i polnocne w 1945 roku. Ksztaltowanie sie podstaw polityki integracyjnej panstwa polskiego, Warszawa 1978, S. 65). Laut Parsadanowa, W. S.: Sowetsko-polskije otnoschenija
1945-1949, Moskwa 1990, S. 69f., S. 72, entfielen davon 1,75 Milliarden auf Maschinen und
485
Industrieanlagen.
Vgl. dazu auch: Karisch, Rainer/Ciesla, Burghard: Vom „Karthago-Frieden" zum Besatzungspragmatismus Wandlungen der sowjetischen Reparationspolitik und ihre Umsetzung
486
487
1945/46, Unveröffentlichtes Manuskript. -
Rupp, Reparationsleistungen 1951, S. 37
Vgl. hierzu AsD, Ostbüro/0066. Ahnliche Angaben nennt aus ehemaligen DDR-Archiven Karisch, Rainer:
Das
„Selbmann-Memorandum"
vom
Mai 1947 Fritz Selbmann und die
Reparationslasten der sächsischen Industrie, in: BzG 2/93, S. 88-125, hier S. 91.
191
Sonderorganisationen
Grotewohl von Ende 1950 habe der Gesamtumfang der Lieferungen für Reparationen 1949 1 Milliarde und 20 Millionen Mark und 1950 970 Millionen Mark (in Preisen von 1944) betragen488; die tatsächlichen Lieferungen zur Versorgung der sowjetischen Truppen lagen 1949 bei 416,73 Millionen Mark (nach Preisen von 1944), für 1950 waren 508 Millionen eingeplant.489 André Steiner und Burghard Ciesla kommen zu anderen Zahlen, nach denen 1949 eine Reparationsleistung in Höhe von 1069 Millionen Mark zu effektiven Preisen geleistet wurde, 5,9 Prozent der industriellen Bruttoproduktion. 71,4 Prozent der Lieferungen bestanden aus Erzeugnissen des Maschinenbaus. Diese Leistungen seien zu 39,4 Prozent von den „volkseigenen" Betrieben und zu 42,9 Prozent von den SAG erbracht worden.490 Die persönlichen Kriegstrophäen fielen freilich volkswirtschaftlich nicht ins Gewicht, und wenn sowjetische Soldaten Armbanduhren als Souvenirs bevorzugten, so wohl deshalb, weil Hitlers „Mein Kampf", der bei amerikanischen Soldaten behebt war, den strengen Grenzkontrollen des auf 40 Kilogramm begrenzten persönlichen Gepäcks zum Opfer gefallen wäre. Jedem sowjetischen General stand laut Beschluß des GOKO vom 9. Juni 1945 ein Personenauto aus der Trophäenmasse zu,491 angeblich konnten sie aus Deutschland zunächst eine Tonne persönliches Trophäengut ausführen. Schukows Kriegstrophäen füllten sieben Eisenbahnwaggons,492 manches freilich war käuflich erworben oder Geschenk. Der Schacher mit Beutegut zerstörte in der SMAD häufiger Karrieren als sogenannte politische Verfehlungen.
Technische Büros Die Technischen Büros in einzelnen Betrieben, in deutschen wissenschaftlichen Einrichtungen und Dienststellen zur Auswertung technisch-wissenschaftlicher Dokumente sowie zur Lenkung aktueller deutscher Forschungsarbeit waren als Organisationseinheiten der sowjetischen Volkskommissariate entstanden. 1946 wurden sie größtenteils (lose) der SMAD unterstellt, andere blieben, insbesondere im Bereich der rüstungsbezogenen Forschung, unmittelbar an innersowjetische Dienststellen angebunden. Vielfach sind sie deshalb
Tschujkow an den Ministerpräsidenten/o.D. [Ende 1950], in: BAP, E 1/11.520. Auch der Name des SKK-Vorsitzenden wurde in amtlichen Quellen nicht einheitlich transliteriert. 489 Tschuikow an [den] Ministerpräsidenten/4. Jan. 1950, in: BAP, E 1/11.520. Anders: Tschuikow/Ministerpräsident DDR/Jan. 1950, in: AWP RF, 458/25/4/51. Danach betrugen die Lieferungen für die Versorgung der sowjetischen Truppen faktisch 508 Millionen 488
-
Mark.
490
491 492
Vgl. Steiner, André/Ciesla, Burghard:
Probleme bei der Erbringung der Reparationsleistungen in der Industrie der SBZ/DDR 1949/50, Manuskript. Knyschewski, Dobytscha 1994, S. 120f. Darunter befanden sich 20 Holland-Holland-Gewehre, vgl. Bulganin/Stalinu/23. 8. 1946, mit Anlagen, sowie Abakumow/Stalinu/10. 1. 1948, in: Wojennyje archiwy 1/1993, S. 184-191. Die Manufaktur Holland-Holland stellte exklusive Jagdwaffen her. -
192
Organisationsstruktur
in die Struktur der SMAD nicht einzuordnen. Sie waren legitimiert durch das Kontrollratsgesetz Nr. 25 vom 29. April 1946 betreffend Kontrolle der naturwissenschaftlichen Forschung493 sowie durch das Interesse an Patenten und Technologien. 1946 wurden in der SBZ 205 wissenschaftlich-technische Abteilungen und Büros der Ministerien und Behörden der UdSSR gezählt,494 sie beschäftigten 8000 deutsche Spezialisten und 11000 deutsche Arbeiter.495 Es handelte sich um höchst unterschiedliche Einrichtungen: Nicht nur Atomforschung, Düsenantriebs-, Radio- und Waffentechnik interessierten die sowjetische Seite auf Beschluß des Ministerrates der UdSSR vom 13. August 1946 wurde mit Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 267 vom 9. September 1946 etwa auch ein fünfzehnköpfiges technisches Büro für Fragen der Uhrenherstellung eingerichtet.496 In Berlin, Neue Bahnhofsstraße 9-17, befand sich ein Büro für Signalkommunikation der SMAD, in Berlin-Schönweide ein Büro für Hochspannungstechnik.497 In Berlin-Köpenick führte das Technische Büro Nr. 11 die deutsche Raketenforschung fort.498 -
Sowjetisches Nachrichtenbüro der SMAD Insgesamt vier Informationsapparate der SMAD lassen sich in den Quellen
nachweisen: Der Informationsdienst der SMAD unter der Leitung von Oberst Lew A. Dubrowizki, das Informationsbüro des Militärrates der SMAD unter P. Turiganow,499 das Sowjetische Nachrichtenbüro der SMAD, dessen Leitung entweder Turiganow oder Oberst A. M. Bespalow zugeschrieben wird, und
schließlich das Informationsbüro der SMAD (Bjuro informazii SWAG), ebenfalls unter der Leitung der beiden zuletzt Genannten. Der Informationsdienst der SMAD war für die Prüfung der Anträge und die Erteilung der Lizenzen für Verlage, Zeitschriften und Zeitungen verantwortlich.500 Bei den anderen drei Apparaten ist davon auszugehen, daß sich dahinter nur eine Organisation verbirgt und in der Namensvielfalt außer den üblichen Übersetzungsprobleinsbesondere das im Zeitablauf sich ändernde Unterstellungs- und/oder men Organisationsverhältnis zum Ausdruck kommt. -
-
493 494
Wortlaut in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, S. 138-143. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 77 vom 24. Juni 1946, in: GARF, 7317/8/18, Bl. 176.
Semirjaga, Kak my uprawljali 1995, S. 139. GARF, 7317/8/7 Vgl. 497 Vgl. BAK, OMGUS/AGTS 55/3. 498 Vgl. HQ European Command Intelligence Center/13 Sept. 1949, in: BAK, OMGUS/ODI 495
496
7/32-2/1-9/34.
Vgl. Bokow, Frühjahr des Sieges 1979, S. 431. 500 Vgl. General, Regina: Der Anfang von Schönheit und Reichtum. Begegnungen mit sowje499
tischen Kulturoffizieren S. 10.
Lew Abramowitsch
(II)
-
Dubrowizki, in: Der Sonntag 12/1975,
Sonderorganisationen
193
Das ab 1. Juli 1945 arbeitende „Informationsbüro" wurde durch einen Beschluß des ZK der WKP(B) gebildet501 und mit dem (nachträglichen) Befehl Nr. 52 vom 5. September 1945 unmittelbar dem Militärrat unterstellt.502 Es war laut Bokow nur diesem und der Moskauer Zentrale des Sowjetischen Informationsbüros untersteilt, dessen Material es verbreitete.503 Es stand zunächst also außerhalb der Propaganda-/Informationsverwaltung der SMAD,504 obwohl diese Verwaltung auf seine Unterstellung prätendierte.505 Nachdem Ende 1945 und Anfang 1946 Probleme in der Koordination zwischen den einzelnen Informationsdienststellen aufgetreten waren, kam im Sommer 1946 auf Antrag Sokolowskis und mit Unterstützung des ZK-Sekretärs Kusnezow sowie des amtierenden Verteidigungsministers Bulganin ein Ministerratsbeschluß zustande, der faktisch zwei unabhängige Informationsorgane installierte: Das für Gegenpropaganda zuständige Informationsbüro und die mit „positiven Maßnahmen" betraute Propagandaverwaltung. Ihre Tätigkeit wurde durch das (sogenannte politische oder führende) Mitglied des Kriegsrates der SMAD koordiniert. Für die Beibehaltung dieser Aufgabenteilung sprach sich noch Ende 1946 der Chef des SMAD-Informationsbüros Bespalow aus, als er sich bei der außenpolitischen Abteilung des ZK heftig gegen den ihm bekannt gewordenen Vorschlag wandte, das Informationsbüro der Propagandaverwaltung zu unterstellen. Auch das Mitglied des Kriegsrats Makarow bat er, das Informationsbüro als selbständiges Organ des SMAD-Kommandos zu erhalten, um durch ein eigenes Korrespondentennetz unabhängige Informationen gewährleisten zu können.506 Die Moskauer Zentrale des Sowjetischen Informationsbüros wurde nach ihrer Gründung 1941 unmittelbar vom Chef der GlawPURKKA A. S. Schtscherbakow geleitet und stand auch nach Kriegsende in engem Kontakt mit dem ZK der WKP(B) und dem Außenministerium.507 Die technischen Verbindungen des Informationsbüros nach Moskau wurden über einen Militärtelegrafen mit kyrillischen Buchstaben sowie über Radio aufrechterhalten und unterlagen keiner zivilen Zensur.508 Im Bereich der internationalen Information wurde das Informationsbüro der SMAD 1946 durch den Politischen Berater angeleitet, die Propagandaverwaltung steuerte innerdeutsches Nachrichtenmaterial bei.509 Das Informationsbüro versorgte zum einen deutsche Redaktionen in der SBZ und in Ostberlin exklusiv 501
502
Vgl. RZChilDNI, 17/125/1429, Bl. 209. GARF, 7317/8/1, Bl.
178.
Vgl. RZChilDNI, 17/125/1429. 504 Bokow, Frühjahr des Sieges 1979, S. 431. 505 Schikin/Alexandrowu/30 marta 1946g., in: SWAG 1994, S. 146. Vgl. 506 503
Vgl. Bespalows Telegramm
507 508
an
die Abt.
Außenpolitik des ZK der WKP (B)
1946, in: RZChilDNI, 17/128/960, Bl. 257,
Vgl. RZChilDNI, 17/125/1429. Stenogramma soweschtschanija
vom
25. 12.
po woprossu o rabote Sowinformbjuro/5. 7 1946, in: RZChilDNI, 17/125/1429, Bl. 441. 509 Vgl. Sam. natschalnika politotdela politsowetnika w Germanii. I. Filipow/sam. ministra inostrannych del S. A. Losowskomu/25 maja 1946, in: SWAG 1994, S. 148-151.
Organisationsstruktur
194
Nachrichtenmaterial, andererseits sammelte es aber auch verdeckt Nachrichten über die politische Lage für zentrale Moskauer Stellen und das Kommando der SMAD.510 Einzelheiten zum „Sowjetischen Nachrichtenbüro der SMAD" (SNB), wie die offizielle Bezeichnung lautete, liegen nur in rudimentärer Form vor.511 Das SNB für die SBZ wurde bereits im April 1945 gebildet, ein flächendeckendes Organisationsnetz entstand allerdings erst 1946. Die Zentrale in Berlin-Weißensee, Parkstraße 17, leitete im Mai 1949 Oberstleutnant bzw. Oberst W. A.
mit
Koltypin; sie war in vier Fachabteilungen sowie eine Korrespondenzabteilung gegliedert.512 Letztere unterhielt in den Ländern der SBZ Landesvertretungen. Ihren sowjetischen Leitern im Rang eines Majors stand ein deutscher Personalchef, auch Stellvertreter genannt, zur Seite. In zwei von vier bekannten Fällen waren es kommunistische Remigranten aus der Sowjetunion. In der Berliner
Zentrale bekleidete Franz Gold 1948-50 die Position des deutschen Stellvertreters.513 Die Filiale in Mecklenburg hatte ihren Sitz in Schwerin, Schloßstraße 35, und soll im Land über 13 Nebenstellen verfügt haben. Alle waren an das Fernschreibnetz angeschlossen, und die Landesfiliale mit der Berliner Zentrale angeblich über zwei lateinische und einen kyrillischen Fernschreiber verbunden.514 Für Sachsen, Sitz Dresden, werden insgesamt 11 weitere Nebenstellen genannt, das Landesbüro in Dresden beschäftigte ca. 80 ständige Berichterstatter und weitere 30-40 auf Honorarbasis.515 Im Mittelpunkt der Arbeit des SNB stand die Lenkung der Nachrichtenpolitik sowie die Sammlung von Berichten aus dem ökonomischen, sozialen und politischen Bereich.516 Bokow betont die Bedeutung des SNB für den Militärrat der SMAD und für Moskauer Stellen als eines von der SMAD unabhängigen Nachrichtenapparats.517 Auf dem Gebiet der Informationslenkung wurde die ostdeutsche Provinzpresse ab 1945 über den Langwellensender Königs Wusterhausen mit Nachrichtenmaterial versorgt,518 Pressemeldungen und Ar510 511
512
513
514
5'5 516 517 518
Vgl. Ebenda, S. 29-40; S. 188. Zusammenfassung der verstreuten deutschsprachigen Hinweise in Strunk, Peter: Pressekontrolle und Propagandapolitik der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD). Der politische Kontrollapparat der SMAD und das Pressewesen im sowjetischen Besatzungsgebiet Deutschlands (1945-1947), Diss. phil., Berlin 1989, S. 183. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 55 vom 5. Mai 1949, in: GARF, 7317/8/17,
Bl. 375. Gold, Franz (1919-1977), 1932 KPTsch, im Zweiten Weltkrieg in der Roten Armee, 1946-48 Personalchef SNB Sachsen, 1948-50 Direktor der SNB-Tarnagentur „Deutsches Institut für sozialökonomische Probleme" Berlin, 1950 Personalchef beim Berliner Rundfunk, danach Abteilungsleiter bei der Deutschen Volkspolizei bzw. im Staatssicherheitsdienst, 1972 Generalleutnant. Vgl. AsD, Ostbüro/03226. Vgl. Bericht vom 5. April 1951, in: AsD, Ostbüro/03226. Vgl. AsD, Ostbüro/03226. Vgl. Bokow, F. Je.: Wesna pobedy, Moskwa 1979, S. 420. Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 45 vom 31. Aug. 1945, in: GARF, 7317/8/1, Bl. 140. Bis dahin waren die Berliner Redaktionen dreimal täglich durch Boten beliefert -
195
Sonderorganisanonen
tikel des SNB galten als Pflichtbeiträge, die in SBZ-Zeitungen an vorgeschriebener Stelle veröffentlicht werden mußten. Darüber hinaus besaß das SNB bis Ende 1948 in der SBZ ein Monopol für die Auslandsberichterstattung. Die Funktion einer Agentur für die Nachrichtenübermittlung nach dem osteuropäischen Ausland dürfte es noch lange ausgeübt haben erst 1950 nahm die Prager Agentur Telepress Verhandlungen mit der Abteilung für internationale Verbindungen beim ZK der SED auf, da sie bisher Nachrichtenmaterial über die SBZ/DDR und Berlin nur vom SNB erhalten habe.519 Nicht zuletzt aufgrund des engen Kontaktes zum MGB-Apparat stellte das SNB ein Mittelding zwischen Nachrichtenapparat und Presse-Agentur dar. Nachdem mit der Lizenzierung des „Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes" (ADN) zum 10. Oktober 1946 die Funktionen des SNB als Presseagentur zunehmend in deutsche Hand übergingen, wurden die deutschen Angestellten des SNB sukzessive in die Tarnagenturen „Deutsches Institut für sozialökonomische Probleme", „Deutsches Institut für Publizistik" und „Deutsches Institut für Zeitungswissenschaft", alle mit Sitz Berlin, Parkstraße 17, überführt.520 Sie bekleideten später leitende Funktionen im Pressewesen der SBZ/DDR. Ehemaliger leitender SNB-Mitarbeiter war auch der erste Chefredakteur des ADN Georg Wilhelm Hansen.521 Die Mitarbeit im SNB galt bei Deutschen als attraktiv: Mit Monatsgehältern zwischen 1000 und 2000 Mark lag die Besoldung doppelt so hoch wie bei deutschen Zeitungen. Außerdem zählte die bessere Verpflegung mit zusätzlichen Lebensmittelpaketen, den sogenannten -
Pajoks.522
Antifa-Schulen In den
Lagern für deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR hatten schon im
1941 Vorarbeiten zur antifaschistischen Umerziehung begonnen. Ab April/Mai 1942 fanden Schulungskurse an der Antifa-Schule im 1943 Oranki und ab im Lager Lager Krasnogorsk statt. 1943 wurde in Juscha
August
regelmäßige
bei Iwanowo, später Talizi eine zweite Antifa-Schule errichtet. Die Kurse dauerten anfangs vier, ab 1944 sechs Monate. Konzipiert und geleitet wurden sie durch die 7 Abteilung der GlawPURKKA, also letztlich durch das ZK der
519 520 521
522
worden (vgl. Raue, Günther: Die Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht beim Aufbau einer demokratischen deutschen Presse nach der Zerschlagung des Faschismus (1945-1947), Diss. Fak. für Journalistik der K.-M.-Universität Leipzig, 1965, S. 76). Vgl. Bedrich Utitz/Grete Keilson/15. Aug. 1950, in: SAPMO BArch, ZPA/IV 2/20/193. Vgl. AsD, Ostbüro/03226. Georg Hansen (eigentlich: Willi Leitner) (1903-1976) war in den zwanziger Jahren Mitarbeiter der sowjetischen militärischen Aufklärung und deshalb in England 1932 zu neun Jahren Haft verurteilt und 1935 in die Sowjetunion abgeschoben worden; dort war er u.a. Chefredakteur des Deutschen Volkssenders. 1946-52 war Hansen Leiter des ADN, 1952-56 Leiter der Abt. Presse- und Rundfunk im ZK der SED, 1956-62 stellvertretender Chefredakteur des „Neuen Deutschland". Vgl. Berichte in: AsD, Ostbüro/03226.
196
Organisationsstruktur
WKP(B). Nach der Kapitulation übernahm ab 1. Januar 1946 das NKWD/ MWD die Verantwortung für die Kriegsgefangenenlager. Im Oktober 1946 wurde auch die Führung der politischen Arbeit unter den Kriegsgefangenen unmittelbar einer Abteilung beim Innenministerium übertragen und das für diese Arbeit seit 1943 zuständige Institut Nr. 99 aufgelöst.523 Bei dieser Gelegenheit wurde die Ausbildung neu konzipiert, Absolventen der Zentralen Antifa-Schule in Krasnogorsk kamen sofort in der SBZ zum Einsatz. Nach dieser Intensivierung bestanden drei Zentralschulen, etwa 50 Gebietsschulen mit Dreimonatskursen sowie weitere etwa 120 Lagerschulen, die vier bis sechswöchige Kurse durchführten. Am 1. Juli 1947 berichtete der sowjetische Innenminister an Stalin, daß zum 1. Mai 1947 177646 deutsche Kriegsgefangene „Antifa" seien, 31136 charakterisierte er als „Aktive".524 Ein Jahr später verdoppelte sich die Zahl der Aktiven auf 70000.525 Bis zur Einstellung der Antifa-Schulungen im Dezember 1949 wurden femer politische Sonderausbildungsprogramme durchgeführt. Im Juli/August 1948 beispielsweise ein vierwöchiger Lehrgang für 5000 prospektive Angehörige der Volkspolizei mit Wohnsitz in der SBZ und in Berlin,526 die tatsächlich für polizeiliche Sonderformationen und andere Vorläufer des ostdeutschen Staatssicherheitsdienstes vorgesehen waren. Allein an den Zentralschulen für deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR in Krasnogorsk, Ogre bei Riga und Taliza wurden 1947-49 ca. 15000-18000 deutsche Kriegsgefangene umgeschult, von ihnen kehrte etwa die Hälfte in die SBZ zurück. Insgesamt betrug die Zahl der Absolventen etwa 50 000.527 In einer Eingabe an Wilhelm Pieck monierte im Januar 1950 der frühere Politische Berater der SMAD W. S. Semjonow, daß die insgesamt 18000 in der DDR lebenden Kriegsgefangenen, die in der UdSSR eine Antifa-Schule beendet hatten, „schwach bei der politischen und gesellschaftlichen Arbeit verwertet" würden.528 Von den etwa siebeneinhalbtausend Zentralschulabsolventen waren nach einer Aufschlüsselung des ZK der SED 1951 allerdings 5776 als „Kader" tätig, 28,5 Prozent von ihnen im politischen Apparat der DDR (7,5 Prozent als hauptamtliche SED-Funktionäre).529 In der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft stellten die „Antifa" 1949/50 sogar 70 Prozent der hauptamtlichen Funktionäre. Ab 1944 bestand auch bei jeder der sieben sowjetischen Fronten eine Antifa-(Feld-)Schule für deutsche Kriegsgefangene. Im Januar 1945 begannen diese 523
524
Vgl. Adibekow, Kominform 1994, S. 11. Kruglow/Stalin, Molotow, Berija, Schdanow/1. 7 1947,
in: GARF,
r
9401/2/170, Bl.
r
9401/2/199, Bl.
205-209. 525
Kruglow/Stalin, Molotow, Berija,
Schdanow/13. 3. 1948, in: GARF,
378-384. 526
Robel, Gert: Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Antifa, München 1974,
527
Ebenda, S. 203f. Vgl. Über die Verwendung
S. 280f.
528
529
ZPA/NL 36/736. Robel, Die deutschen
von
Kriegsgefangenen/24.
Kriegsgefangenen 1974, S. 307
1.
1950, in: SAPMO BArch,
Sonderorganisationen
197
Feldschulen auf deutschem Boden mit Vorbereitungskursen für Besatzungsaufgaben insbesondere in der Kommunalverwaltung und im Polizeiwesen.530 Nach Kriegsende wurden die in der SBZ liegenden Antifa-Schulen zusammengefaßt: Die Schulen bei der 1. und 2. Baltischen und der 2. Belorussischen Front zunächst in Rüdersdorf bei Berlin, im September 1945 in Geltow bei Potsdam; im Januar 1946 wurden sie schließlich mit der Antifa-Schule der 1. Belorussischen Front, die seit dem 9. Mai 1945 in Radebeul bei Dresden wirkte, zur SMAD-Schule in Königs Wusterhausen unter der Kontrolle der Politischen Verwaltung zusammengefaßt. Die formell am 25. Januar 1946 in den SMAD-Bestand überführte Antifaschule wurde im August 1946 unmittelbar dem Obersten Chef unterstellt,531 der Unterricht im März 1946 aufgenommen. Die Schule bot 180 Schülern Platz, die bis Ende April 1948 jeweils etwa absolvierten.532 Seminare der des Mit achtwöchige Intensivierung Rücktransdeutscher der aus ports Sowjetunion griff die SMAD auf Kriegsgefangener dort umgeschulte ehemalige Kriegsgefangene (1948 kehrten 1108 und 1949 4388 Absolventen der Antifa-Zentralschulen in die SBZ zurück), deren Tätigkeit ab Mitte 1947 in Zusammenarbeit mit den zuständigen sowjetischen Dienststellen des MWD und der personalpolitischen Abteilung des SED-Zentralssekretariats koordiniert wurde,533 bzw. auf Kursanten der 1947 eröffneten Schulen der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) zurück. In Königs Wusterhausen wurden hauptsächlich SED-Mitglieder sowie vereinzelt auch Mitglieder der CDU und LDPD ausgebildet.534
Massenkommunikationsmittel Im Rahmen der Antifa-Arbeit entstanden in der UdSSR deutschsprachige Publikationsorgane. Ab Juli 1943 erschien als Wochenblatt das Organ des NKFD „Freies Deutschland", bis 1944 von Rudolf Hermstadt, dann durch Lothar Bolz geleitet. Auf der Kurz- und Mittelwelle sendete der Rundfunksender
„Freies Deutschland", zuletzt in acht Programmen insgesamt mehrere Stunden täglich. Davon wurden nach Kriegsende vier Sendungen beibehalten, am 9. September 1945 allerdings schlagartig eingestellt.535 Nachdem der Berliner 530
Vgl. Hamacher, Gottfried: Nach der Befreiung vom Faschismus in Mecklenburg-Vorpommern
(1945-1946), in: BzG 1986, S. 352-362, hier S. 353; Blank, Alexander: Die deutschen
Kriegsgefangenen in der UdSSR, Köln 1979, S. 107; vgl. auch Geschichte der Deutschen Volkspolizei, Bd. 1, 1945-1961, Hauptred. unter der Leitung von Friedrich Dickel, Berlin (Ost)
1987
Vgl. Filippowych, Sowetskaja Wojennaja Administrazija 1995, S. 27 532 Vgl. Berner, Helene: Mit der Sowjetarmee nach Berlin, in: Im Zeichen des roten Sterns, Berlin (Ost) 1974, S. 319-338. 533 Vgl. W Wöhrl Abt. Personalpolitik ZS SED/Bericht/o.D. [21. Juni 1947], in: BAP, 10/4. 534 Vgl. hierzu auch Berner, Mit der Sowjetarmee 1974, S. 329f. 535 Vgl. Diesener, Gerald: Die Propagandaarbeit der Bewegung „Freies Deutschland" in der Sowjetunion 1943-1945. Diss. Karl-Marx-Universität Leipzig 1988, S. 13. 531
-
198
Organisauonsstruktur
Sendebetrieb aufgenommen hatte und erste worden „Nachrichtenblätter" publiziert waren, erschien in Berlin am 15. Mai 1945 die erste Nummer der „Täglichen Rundschau" (Jeschednewnoje obosrenije) in einer Auflage von 80000 Exemplaren.536 Dieser ersten überregionalen „deutschen" Tageszeitung nach Kriegsende folgte am 21. Mai als zweite die „Berliner Zeitung", gleichfalls zunächst von der Politischen Verwaltung der Roten Armee herausgegeben und nach einem Monat samt dem Chefredakteur Rudolf Herrnstadt, einem Mitarbeiter der GlawPURKKA, an den Berliner Magistrat überstellt. Auch die Politischen Verwaltungen bei allen drei in der SBZ stationierten sowjetischen Fronten gaben zur gleichen Zeit in hohen Auflagen „Nachrichtenblätter für die deutsche Bevölkerung" heraus, die kostenlos abgegeben wurden: So ein „Nachrichtenblatt" in sechs Nummern die 2. Belorussische Front (vom 18. Mai bis 12. Juni 1945),537 in Stettin in 50000 Exemplaren die „Deutsche Zeitung. Frontzeitung für die deutsche Bevölkerung" vom 20. Mai bis 10. Juni 1945,538 in Dresden zum ersten Mal am 22. Mai 1945 die „Tageszeitung für die deutsche Bevölkerung". Insgesamt bestanden in der Anfangszeit in der SBZ vier solche Tageszeitungen. Mitteilungsblätter regionaler bzw. lokaler Kriegskommandanturen sind für einige Städte nachgewiesen.539 Bereits vor Bildung der SMAD bestand auch ein Pressebüro zur Herausgabe von Informationsmaterial für Zeitungen sowie eine Zensurstelle.540 Die „Tägliche Rundschau" (TR) erschien bis zum 30. Juni 1955 täglich außer Montag, bis 25. Juli 1945 unter dem Chefredakteur M. P. Sokolow, danach von Oberst A. W. Kirsanow geleitet. 1945 waren etwa 120 sowjetische und 20 deutsche Mitarbeiter in der Redaktion und beim Verlag beschäftigt (1955 betrug die Zahl der sowjetischen Mitarbeiter nur noch zwölf541). Im ersten Halbjahr 1946 kamen auf 284 Angestellte bereits 139 Mitarbeiter des Bedienungspersonals,542 was der sowjetischen Finanzkontrolle als unangemessen auffiel. Ab 1946 verfügte die Zeitung über ausgebaute Redaktionsstäbe in allen Ländern/Provinzen der SBZ. Die Zentralredaktion bestand aus zunächst fünf AbRundfunk
am
13. Mai 1945 den
teilungen (Wirtschaft, Außenpolitik, Innenpolitik, Kultur, Lokales). Im September 1945 kam eine „Abteilung für die Propaganda der Sowjetunion" und 536
537
538
539
540
54' 542
Vgl. Wypiska
is donessenija natschalnika Polititscheskowo Uprawlenija 1-wo Belorusskowo fronta natschalniku 7-wo Uprawlenija GlawPURKKA o rabote s nemezkim nasselenijem sa period gotowki i prowedenija Berlinskoi operazii/19. 5. 1945, Dok. Nr. 261, in: Solotarew, Bitwa sa Berlin 1995, S. 400-406, hier S. 404. Mai, Joachim : Die Rolle der Sowjetunion bei der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung 1945-1949, dargestellt am Beispiel Mecklenburgs, in: Jahrbuch für Geschichte 28
(1983), S. 196. Ebenda. Vgl. hierzu auch Strunk, Pressekontrolle und Propagandapolitik 1989, S. 20ffi; Scheel, Klaus: Das „Nachrichtenblatt für die deutsche Bevölkerung", in: ZfG 1977, S. 688-710. Is informazionnoi sprawki o polititscheskoi rabote sredi nasselenija Germanii/5 ijulja 1945 g., in: SWAG 1994, S. 25-27 Raue, Hilfe 1965, S. 157f. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 32 vom 18. Feb. 1947, in: GARF, 7317/8/9.
Sonderorganisationen
199
schließlich Mitte 1948 die „Abteilung für Theorie und Propaganda" (des Marxismus-Leninismus-Stalinismus) hinzu. Nach Gründung der DDR wurde die Abteilung Innenpolitik in zwei selbständige Abteilungen (für die DDR und für gesamtdeutsche Fragen) aufgeteilt. Die TR erschien ab Mitte 1947 in zwei Fassungen: einer Deutschland- und einer Berliner (Spät-)Ausgabe. Nach offiziellen
Angaben kletterte die Auflage der ursprünglichen Armeezeitung von zu-
nächst etwa 150000 auf 800000 Exemplare im März 1946 und zu Beginn 1947 auf etwa 1000000. Amerikanische Berichte bezifferten die Auflagenhöhe Anfang 1947 mit 600000.543 Darin nicht enthalten sind etwa 50000 Exemplare, die in Lagern für deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR verteilt wurden. Nach der Währungsreform sank die Auflage des Blattes, zuletzt auf 200000.544 Am 30. Juni 1955 wurde die „Tägliche Rundschau" eingestellt. Wie das SNB diente die „Tägliche Rundschau" zugleich als „Lehreinrichtung". Als „unabhängiges" Renommierblatt mit der Aufgabe, „als Verstärker der Auffassungen und des Willens der Besatzungsmacht zu wirken", wie sich ein in den Westen geflohenes Mitglied der Chefredaktion ausdrückte,545 initiierte die „Tägliche Rundschau" auch alle „Kampagnen" der Besatzungsmacht durch unter dem Pseudonym „Orlow" veröffentlichte Artikel. Dahinter verbarg sich kein Geringerer als der Politische Berater des Obersten Chefs der SMAD W S. Semjonow, der dann nach der Gründung der DDR diskreter mit „O. Schmidt" zeichnete.546 Generell wirkten die Artikel der TR im Sinne von „Sprachregelung" und „Presselenkung". Nach der 2. Parteikonferenz der SED 1952 war zwar beschlossen worden, die „Tägliche Rundschau" Mitte 1953 einzustellen, da man die Lenkung durch die SED bereits als ausreichend betrachtete, doch die Ereignisse von 1953 hatten zur
Folge, daß die Zeitung noch zwei Jahre weitergeführt wurde.547
Das ab 7 Dezember 1945 bis 1953 erschienene Boulevardblatt „Nachtex-
preß. Die illustrierte Berliner Abendzeitung" soll ein sowjetisches Tarnblatt gewesen sein, das als einzige sowjetisch lizenzierte Zeitung westliche Nachrichtenagenturen abonnieren durfte. Nach offiziellen Angaben betrug die Auflage
1947 200000; inoffiziell wurden 100000 genannt.548 1946/47 wurde Oberstleutnant I. M. Feldman, der 1947 auch als stellvertretender Chefredakteur von „Neue Welt" erscheint, als verantwortlicher sowjetischer Vertreter genannt. Feldman war zunächst Zensor des Blattes, doch soll er als dessen eigentlicher Chefredakteur fungiert haben.549 1949 wurde er als Mitarbeiter der Informa-
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3. Januar 1946, in: BAK, OMGUS/POLAD 765/13. Vgl. hierzu auch Strunk, Pressekontrolle und Propagandapolitik 1989, S. 122. 544 Riehen, Ernst u.a.: Agitation und Propaganda, Berlin/Frankfurt 1958, S. 100. 545 Riehen, Agitation 1958, S. 92. 546 Sowjetische Diplomaten schrieben im amtlichen Auftrag in der Regel unter mehreren Pseudonymen, wobei oft unklar ist, ob ein Pseudonym von mehreren Personen benutzt wurde. 547 Riehen, Agitation 1958, S. 100. 548 dazu Strunk, Pressekontrolle und Propagandapolitik 1989, S. 154. Vgl. 549 Richert, Agitation 1958, S. 90.
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Organisationsstruktur
tionsverwaltung der SMAD unter Spionageverdacht verhaftet und in die Sowjetunion verbracht.550 Die Halbmonatsschrift „Neue Welt", die seit Mai 1946 im Verlag der Täglichen Rundschau erschien und im Dezember 1954 eingestellt wurde, war als ein politisches und kulturelles Propaganda-Organ für „gehobenere Bildungsansprüche" konzipiert. Sein „zersetzender" Charakter beschränkte sich nicht auf die Gestaltung durch Offiziere der 7 Abteilung der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee GlawPURRKA bzw. GlawPUR nach Umbenennung der Roten Armee in Sowjetische Armee im Jahr 1946. Das Niveau der zunächst ausnahmslos aus dem Russischen übertragenen Artikel sank mit der fortschreitenden politischen Unifikation Ost-Mitteleuropas merklich. Der Chef der Informationsverwaltung der SMAD Oberst S. I. Tjulpanow erschien im Januar 1947 zum ersten Mal als Mitglied des Redaktionsstabes im Impressum der „Neuen Welt", nach seiner Funktionsenthebung blieb er bis -
1954 freier Mitarbeiter. Internen Informationszwecken dienten in der SMAD mehrere russischsprachige Fach-Bulletins. Ein vertrauliches Bulletin zur innerdeutschen Situation, das bis Ende 1947 erschien, besorgte das Informationsbüro der SMAD.551 Die Informationsverwaltung gab ab Februar 1946 bis 1949 in insgesamt 30 Nummern Artikel und Materialien heraus,552 die jedoch zumeist auch in deutscher Übersetzung in der „Neuen Welt" erschienen oder Übersetzungen aus SED-Organen darstellten. Für den inneren Dienstgebrauch wurde auch in insgesamt elf Bänden ein Teil der Befehle des Obersten Chefs der SMAD vervielfältigt. Für Mitarbeiter der SMAD wurde femer vom 1. Mai 1947 bis 30. Juni 1953 die russischsprachige Tageszeitung „Sowetskoje slowo" (Das sowjetische Wort) publiziert: Zunächst bis 11. November 1949 als SMAD-Organ, anschließend als Blatt der SKK. Politisch verantwortlich zeichneten die Politabteilung des Stabes der SMAD und das Büro der Parteiorganisation der WKP(B) in der SMAD.553
Verlag der SMAD Verlag der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland (SWA-Verlag) wurde im September 1945 auf Vorschlag des Kriegsrats der SMAD auf Grundlage einer Entscheidung des ZK der WKP (B) vom 23. August 1945 durch BeDer
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sapisky W Abakumowa w ZK WKP(b) G Malenkowu o pokasanijach I. Feldmana/ 9 awgusta 1949 g., in: SWAG 1994, S. 232. Bjuro informazii Sowetskoi Wojennoi Administrazii w Germanii. Bjuleten wnutrogermanskoi informazii. No 1-127, 1945; No 1-273, 1946; No 1-300, 1947 SSSR. Sowetskaja Wojennaja Administrazija w Germanii. Uprawlenije Informazii: Sbornik Statei i materialow. No 1-30, Berlin 1946-1949. Vgl Bednareck, H: „Sovjetskoje Slovo", die Tageszeitung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland, in: Die Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der DDR und der UdSSR, Berlin (Ost) 1977, S. 187-197 Is
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Sonderorganisationen
Schluß des Rates der Volkskommissare gebildet.554 Verlagssitz war zunächst Berlin (Mahlsdorfer Straße 94), ab 1946 Leipzig (Dittrichring 24). Die anfangs nur vier, im Januar 1946 allerdings schon 73 Mitarbeiter waren hauptsächlich für sowjetische Bedürfnisse tätig: Bis März 1946 gab man 6,5 Millionen Exemplare des damaligen Bestsellers „Kurzer Lehrgang" heraus.555 Im Sommer 1946 waren im SMAD-Verlag bereits 169 Deutsche beschäftigt.556 Der Verlag unterhielt drei Filialen in Leipzig, in Thüringen und in Sachsen.557 Zwischen 1945 und 1949 erschienen in hohen Auflagen (bis zu 100000 Exemplaren) u.a. 475 belletristische Titel sowjetischer Autoren in deutscher Übersetzung, Mitte 1948 lag die Gesamtauflage der deutschsprachigen Titel bei 16 Millionen,558 zum Jahresende war es schon eine Million mehr und für 1949 sah der Plan eine weitere Steigerung um drei Millionen vor.559 Neben der allgemeinen Produktion wurden zwei besondere Reihen herausgegeben: die belletristische „Bunte Serie" sowie eine Reihe „Sowjetland", in der hauptsächlich politische, aber auch belletristische Titel erschienen. Titel über die Sowjetunion erreichten 1947 einen Anteil von einem Drittel der in diesem Jahr erschienenen Buchproduktion, der Anteil der politischen Titel und der Literatur über die Sowjetunion machte damals etwa die Hälfte der deutschsprachigen Titel aus. Auch hinsichtlich der Auflagenhöhe erreichte das Genre der politischen Literatur in deutscher Sprache 1947 entsprechend hohe Werte, allerdings halbierte sich gleichzeitig die Gesamtauflage mit 3,515 Millionen (1948) gegenüber dem Vorjahr (6,265 Millionen).560 Neben 3,5 Millionen Exemplaren (darunter 540000 „Kratki kurs" [d.i. „Kurzer Lehrgang"] in deutscher Sprache) politischer Literatur gab man in mehr als 4 Millionen Exemplaren Werke von Lenin und Stalin heraus. Unter den 2,7 Millionen Exemplaren sowjetischer Belletristik rangierte Gorki mit 800000 Bänden an erster Stelle.561 Im Frühjahr 1949 wurde die Produktion von „marxistisch-leninistischer Literatur" gekürzt und direkt an die SED delegiert.562 Der Verlag, ein Kombinat mit über 150 Druckereien,563 war laut SMADBefehl gleichzeitig der Propagandaverwaltung wie der Verwaltung für Leichtindustrie unterstellt. Diese doppelte Unterstellung hatte zur Folge, daß ihn keine von beiden beaufsichtigte, wie sich der Verlagsleiter beim Moskauer ZK -
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Istorija isdatelswa SWAG 1945-48, in: AWP RF, 457 „g'71/30/9.
Vgl. Danksagung im Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 143 vom 11. Mai 1946; nach anderen Quellen: 6,2 Millionen. 556 Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 231 vom 31. Juli 1946 betr. Bestätigung der 555
Etats der deutschen Mitarbeiter der
SMAD, in: GARF, 7317/5/1.
Vgl. Befehl des Obersten Chefs der SMAD Nr. 143 vom 11. Mai 1946. 558 Vgl. Natschalnik isdatelstwa SWAG L. S. Gruschko/Schdanowu/19. 6. 1948, in: RZChi557
lDNI, 5443/23, Bl.
1.
Istorija isdatelswa SWAG 1945-48, in: AWP RF, 457 „g'71/30/9. 560 Istorija isdatelswa SWAG 1945-48, in: AWP RF/457 „g"/l/30/9. 559
561
Ebenda.
52
Iljitschow/Suslowu/21. 4. 1949, in: RZCHilDNI, 5462/140, Bl. 36.
563
Gruschko/Morosow/2.
4.
1948, in: RZCHilDNI, 17/125/1482.
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Organisationsstruktur
bitter beklagte.564 Der Verlag war hauptsächlich für den innersowjetischen Markt tätig: 1947 waren beispielsweise von den 87 Millionen produzierten Büchern allein 63,5 Millionen russische Lehrbücher.565 Auch für den polnischen Markt druckte der Verlag: Bis April 1949 wurden 200000 Exemplare des „Kur-
Lehrgangs" in polnischer Sprache ausgeliefert.566 Unter der Last der Buchproduktion auf Reparationsrechnung in einem Umfang bis zu einer Milliarde Druckbögen jährlich litt die Verlagsleitung derart, daß sie Schdanow im Juni 1948 um eine Plankürzung auf ein Drittel bat, bei gleichzeitiger Erhöhung der finanziell lukrativen deutschsprachigen Auflagen auf das Zwei- bis Dreifache.567 Wie aus den Quellen hervorgeht, wurden die Produktionspläne des Verlags zumindest für das Jahr 1949 unmittelbar bei der Abteilung Agitation und Propaganda des ZK der WKP(B) zur Bestätigung eingereicht.568 zen
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5. Im
Frühjahr
ums
für den
Personalpolitik
planten die Diplomaten des sowjetischen AußenministeriApparat des Oberstkommandierenden, also des späteren Chefs 1945
der SMAD, 125 Planstellen ein.569 Der Beschluß des Rates der Volkskommissare über die Bildung der SMAD wies die Zuständigkeit für die Personalausstattung ihrer Fachabteilungen parallelen sowjetischen Volkskommissariaten bzw. unmittelbar deren einzelnen Fachbereichen zu. Der stellvertretende Volkskommissar für Verteidigung Bulganin zeichnete in letzter Instanz für die Personalpolitik der SMAD in den militärfachlichen Bereichen verantwortlich, im politischen Bereich der erste stellvertretende Volkskommissar des Äußeren Dekanossow,570 für die personelle Besetzung der Organisationsbereiche Innenpolitik und Verwaltungen der Provinzen und Länder der SBZ der Volkskommissar für Inneres Berija und für den ökonomischen Bereich schließlich 564
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