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German Pages 378 [388] Year 1900
M. A . VON
THUMMELS
SÄMMTLICHE WERKE
Z W E I T E R
B A N D
I, E I P Z I G , B E I G J. G Ö S C H E N
LßLL,
R
i n
d i e
E
T h . AV.
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m i t t ä g l i c h e n v o n
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II. Th
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P r o v i n z e n
F r a n k r e i c h .
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l
.
1
Die
dunkle
Wahrheit,
F r e u n d ,
beredter
die
Dein
Mund
Mich ahnden l i e f s , seh' ich nun ganz erläutert! Ich
war
nur
krank
im
Traum;
und
fröhlich und gesund Bin ich e r w a c h t , und sehe rund Um
mich
herum
die
Welt
mit
Opernglanz
erheitert, Die ehmals l i c h t e r a r m , gleich einem Puppenspiel Mir widerlich iu's Auge f i e l . In meinem Buchersaal verriegelt, Sah ich schwermuthig und erschlafft Die W e l t e n über mir m i t Kraft Und Thaligkeit und Motli beflügelt — Sah unter m i r die W u r i n c h e u aufgewiegelt
4 Z u einer kleinen W a n d e r s c h a f t Ich gaffte m i t gefärbter lirille Das Spiel der Schöpfung an ; m e i n W i l l e W a r ohne H e r r n — K a u m regte {»ich N u r noch ein d u m p f G e t u h l >014 m e i n e r morschen Hülle , Mit welchem schwer belastet, ich Ins traurige! Gebiet der ernsten Todesstille A u s d e m Parterr hinüber s c h l i c h . — Doch
da erschienst
Du,
Freund,
mit
tröstender
Geberde, U n d widersetztest Dich der stolzen Übermacht Des Hypochonders — sprachst ,, Es w e r d e ' " U n d es ward heil in m e i n e r Nacht — W i e sorgsam hast
Du
nicht
den
fasi crloschnen
Dacht A u f diesem grofsen O p f e r h e r d e Z u neuen F l a m m e n
angefacht!
Des Unrnuths Nebel ist \ c r f l o g e n , Der E&sig meines Bluts versufst, Seit
ich
den
Lerchen
nachgezogen,
U n d mich der freundlichste von allen HimmcUbo&en
In Languedoc's G e f i l d e schliefst. Aru
Quell
des Lichts e r w ä r m t ,
dünk'
ich
mich
hier d e m Auge Der Vorsicht m e h r genaht zu s e y n , U n d f ü h l e m i c h e n t z u c k t , u n d sauge D e n Äther der Verklärten e i n . A u f B l u m e n f ü h r e n m i c h versuchte Zeitbetrüger Von einer kleinen Lust zu einer gröfsern hin : Mich kiimmerts n i c h t , ob ich seit gestern klüger — G e n u g f ü r m i c h , w e n n ich vergnügter h i n ! Kein S k r u p e l steigt m i r auf — Ich stehle Mich
heimlich
aus
dem
Kreis
der
der Börhav'
und
Bayle
Und ihrem KriminalverhÖr, U n d achte n u n des Körpers u n d der Seele B e r ü h m t e Charlatans nicht m e h r .
W e r sagt es m i r , was doch i m Schalle Des P o s t h o r n s — in d e m m u l h ' g e n K n a l l e D e r Peitsche f ü r eiu Zauber liegt? Hoch
steigt
m i r jetzt
die W e l t , Federballe,
Der i m Zenit der K i n d e r j a h r e f l i e g t .
gleich
einem
6 Und
.illcs
lacht
micli an , mir
und
froh denk' icli
alle
Muicbcndc gleich mir v e r g n ü g t . So wird der Wein , der owig zu Mallere Gemeiner Wein geblieben w ä r e , Z u dre) mal besserm u m g e s t i m m t , Wenn er als F r a c h t , von einer Hemisphäre Zur andern auf - und niederschwimmt.
Ich kann mir nicht helfen — so demüthigend
auch
das
Geständnifs für den
Stolz des. innern Menschen seyn mag — so schwer es auch über die Lippen eines ausgemachten Philosophen gehen würde; dennoch sage ich es zur Ehre der Wahrheit und unverholen, dafs ich nur dem Rütteln und Schütteln einer armseligen Postchaise den wieder erlangten freyen Gebrauch meiner Seelenkräfte
verdanke.
Mit Hülfe eines Meilenmessers könnte ich genau die Entfernung, könnte genau auf
7 der Postcharte jeden Punkt angeben, auf dem ich diese und jene gute Eigenschaft wieder fand, die m i r ,
Gott weil's w i e !
nach und nach von der Hand gekommen war. zeln
Ich mufste sie freilich ziemlich einzusammen
lesen,
und
es
verging
manche liebe Stunde, ehe ich meinen Verlust ersetzt sah —
mufste mich
drehen
und wenden und manche Lage versuchen, bevor ich in meine natürliche kam. Ich verschlofs meinen W a g e n ,
wie
die
Zelle eines Karthäusers, als ich mich aus dem für mich so geräuschvollen
Berlin
rettete, und glaubte der Welt einen rechten Possen zu t h u n , dafs ich meine Stor's herabliefs.
Aber
die W e l t ging ihren
G a n g , und mir hingegen t r a t , mit jeder Station
bis
Leipzig,
das
Unbehagliche
meines abgezogenen Lebens immer näher an's Herz. alles
was
Johann besorgte von aufsen nöthig w a r ,
Herrn weiter zu bringen;
seinen
elenden
und er wäre
mit diesem unruhigen Geschäfte mir auch
u n u r lästig an meiner Seite gewesen, so ein
ehrlicher
Kerl
er auch seyn mag.
Schon die heitere Miene, mit der er bald die W o l k e n ,
bald die Schafe, die uns
begegneten, anlächelte, schickte sich gar nicht in die Nachbarschaft meines Ernstes. Ich mul'ste einen Begleiter h a b e n , der mir ähnelte,
und ich hatte das Glück,
im
b l a u e n E n g e l einen a u s z u f i n d e n , der ineinen E i g e n s i n n ,
meinen
Scherze und Liebkosungen, schweigen,
Hals
gegen
mein
Still-
meine gerunzelte Stirne,
ja
sogar mein Asthma vollkommen in sich vereinigte. —
Es wird Dir gewifs lieb
zu hören s e y n , dal's dieismal von keinem menschlichen Geschöpfe, sondern n u r von einem Mopse die Rede i s t , den ich f ü r einige Thaler erhandelte.
Das arme Thier
ward in meine Reise verflochten, zu wissen
sich geschwind genug darein; hätten können,
ohne
wie ihm geschah, und fand
zusammen
um
denn wir
die W e l t
reisen
ohne dais einer dem andern in
9 stärkerm Grade lästig geworden w ä r e , als es gerade zur Übung unserer gemeinschaftlichen Laune nöthig war. freilich der
gute Mops
unentbehrlich:
Jetzt ist mir nicht mehr so
denn ein frohes mensch-
liches Auge weifs auch an untergeordneten Geschöpfen ihre hellen F a r b e n den Instinkt ihrer Freude
zu
und
schätzen,
u n d giebt gewifs einein inuthigen Windspiele den Vorzug vor einem schnarchenden Mopse.
F ü r meine/Erinnerung indeis
behält er noch immer seinen W e r t h .
Wie
gern lächle ich manchmal in dem G e f ü h l meines Wohlbehagens diel's treue Ebenbild meines vorigen Milsmuths a n ! schlage o f t ,
und
w e n n ich bei seinem Lager
vorüber gehe, dankbar meine Augen zum Himmel a u f ! Ursache genug dal's ich ihn beibehalte,
um auch Gesellschafter mei-
ner Rückreise zu s e y n ! — — —
II)
Wer
ist denn der blühende M a n n ,
der
da vor mir in das Zimmer tritt"? fragte ich in Frankfurt den W i r t h zum R ö m i schen Kaiser,
indem ich von seinen
Leuten so behutsam,
wie zerbrechliche
W a a r e , ausgeladen ward — fragte mit so matter
hohlklingender Stimme,
für dringender
hielt
meinem Tone als
meiner Neugier zu antworten. dafür
sorgen,
dal's er
dal's Sie
Ich will
neben ihm zu
sitzen kommen, sagte e r , — es ist einer unserer geschicktesten Arzte. In
diesem kleinen
ich
dem Berufe
Zufalle lag es,
seit
acht
Tagen
dafs zum
erstenmale Gehör g a b , in Gesellschaft von Menschen, menschlich zu essen; denn bis jetzt war das Pulver des Grafen von l'ilo, dieses
herrliche Gegenmittel
wider
die
Wechselfieber und die böse L u f t ,
noch
immer mein Frühstück geblieben.
Mit
dem Schlage der zehnten Morgenstunde —
und h ä t t e sie mich an dem steilsten Abhänge eines Berges getroffen — liel's ich h a l t e n , um mit der J u n g f e r Steffens dem Steine — um eilf U h r mit dem F r e i h e r r n von Hirschen der S c h w i n d s u c h t , u n d zu Mittage mit dein berühmten d'Ailhaud der Gicht entgegen zu arbeiten, damit ich am Abend jeden Tages der K r a f t b r ü h e des D. Kämpf desto würdiger seyn möchte. So
regelmäfsig
hatte
ich
gelebt,
um
meine leibliche Gestalt, die sich zu Berlin schon durch ihr Ansehn überall Platz m a c h t e , unverändert nach F r a n k f u r t zu bringen.
Den G ä s t e n , sobald ich in den
Speisesaal t r a t , blieb der Bissen im Munde stecken.
Sie rückten erschrocken zusam-
m e n , u n d liefsen mir und dem A r z t e , an den ich mich a n k l a m m e r t e , eine ganze Seite des Tisches frey.
Ich hingegen, da
ich um mich her blickte,
las in jedem
A u g e , welchen lächerlichen Kontrast die Blässe meines Gesichts mit dem Schimmer des seinigen darstellen mufste. —
Ich
12 wcifs nicht w a r u m ?
aber länger konnte
ich nun seine auszeichnende R o t h e nicht ohne Verdrufs
ansehen,
und
ich
war
drauf und d r a n , in meinen alten Irrthum zu verfallen, sie auch an Ihm f ü r die Leibfarbe der Ignoranz zu halten.
Aber
ein gewisses Vergnügen, das ich an der ganzen Gesellschaft bemerkte, unter seinen Augen zu essen, sprach so laut zu seinem Vortheile , und hielt mich so lange von jedem
gewagten Urtlieile über ihn
zurück, bis er — ach! nur zu geschwinde, sein eigner Verräther w a r d .
Gewifs bin
ich oft u n w i s s e n d e m Ä r z t e n , als Er w a r , in die Hände gefallen, aber einen grölsern Egoisten der Uninäfsigkeit traf ich nie in ihrer Zunft. Alle Sinne dieses Schineckers waren in das thierische Geschäft seiner Sättigung verwickelt —
Seine Löwenau-
gen flogen von einer Schüssel zur andern, und störten von ferne schon
nach
der
Beute, die er mit geübten Händen den weniger aufmerksamen Gästen abzugewin-
« e n wufste. Seine Kunst, so grofs sie auch seyn mochte, schien er init seinem Hut an den Nagel gehängt zu haben, die Medicin nur f ü r eine Dienerin der Kochk u n s t , und den Ruf eines Fabius Gurges höher zu h a l t e n , als den eines Galen. Zur Mittagsstunde ist so ein Arzt das unbrauchbarste Geschöpf unter der Sonne. Auch mag es ihm Gott vergeben, was er an mir gethau h a t ! Ich sal's kleinmüthig neben ihm und lauerte lange umsonst auf ein freiwilliges Allmosen seiner Aufmerksamkeit , das ich mir endlich bei dem ersten miissigen Augenblicke seiner Zunge zu erbetteln beschlofs. Nach langem Harren erschien dieser günstige Zeitpunkt. Die erste Tracht Speisen w a r d abgehoben; und sogleich setzte ich m i c h , während der kurzen P a u s e , da die zweite in Ordnung gestellt w u r d e , in Positur, den bessern Theil des Schlemmers in mein Interesse zu ziehen. Vergebliche Hoffnung! denn w i e ich eben
M den M u n d ö f f n e t e , u m i h m die meiner Ü b e l z u r man
als
Schau
Hauptschüssel
Mengo
zu legen, eine
fette
trug Gans
a u f , die der ganzen G e s e l l s c h a f t B e w u n derung
u n d die e n t f e r n t e s t e n
des D o k t o r s a u f sich zog.
Gedanken
Die Zerlegung
des Vogels g a b mir j e t z t nur n o c h einen kurzen Z e i t r a u m frey. — Ich fafste Herz, e r g r i f f f r e u n d s c h a f t l i c h die H a n d Nachbars,
und glaubte durch
meines
die
feine
W e n d u n g , die i c h meinem V o r t r a g e g a b , mich seiner wenigstens
so l a n g e z u ver-
s i c h e r n , b i s der V o r s c h n e i d e r fertig seyn würde.
, , D e r Z u f a l l , " h o b ich m i t unge-
wisser Stimme a n ,
„ h a t einen
gefährli-
chen Kranken a n die S e i t e eines b e r ü h m ten Arztes g e b r a c h t
Verinuthlich
kennen S i e , mein H e r r , des M a d a i T r a k t a t
de
morbis
occultis?
Krankheit
auf der
—
dort
siebenten
dem L e b e n geschildert - seheil S i e
Seite
meine nach
Aber w a r u m
m i c h so b e d e u t e n d
beschwöre S i e ,
ist
an ?
theuerster M a n n ,
Ich geste-
i5 hen Sie es nur a u f r i c h t i g , dafs Sie ganz an meiner Genesung v e r z w e i f e l n ? — Sollte denn aber nicht durch eine noch strengere D i ä t , als ich schon h a l t e , die mate-
ria pec - - -" Aber H i m m e l , Schrecken
welch
ein
unerwartetes
unterbrach
hier
meine
herz-
brechende P e r i o d e , und vergällte mir das W o r t im M u n d e ! Der grausame Arzt h a t t e mir bis dahin mit sichtbarem E i n s t e zugehört.
J e t z t schob e r , w i e von Abscheu
gegen meine Krankheit e r g r i f f e n , S t u h l plötzlich z u r ü c k ,
seinen
wünschte
mir,
lakonisch w i e der U n v e r s t a n d , eine glückliche R e i s e , langte seinen Hut und - - solltest D u es g l a u b e n ? —
liefs die an-
lockende Gans im S t i c h e , indem e r , w i e der Geist H a m l e t s , verschwand.
Welch
ein betäubender S c h l a g ! Ich glaubte von beiden Seiten meines nun ganz
isolirten
Stuhls in einen A b g r u n d zu blickeil, und der schnelle A u f b r u c h des Arztes und sein ominöses: „ R e i s e n S i e
glücklich!"
i6 statt
der entscheidenden
die ich ihn anflehte,
Antwort,
tönte
mir
um
nun
in
den O h r e n , wie eine Abfertigung in die andere W e l t . W i e , wenn der Wetterstrahl in Girards Beichtstuhl bricht, D e r Hcnchler
aufgeschreckt,
aus Selbsterhaltungs-
pf'licht S c h n e l l aus dem Dunstkreis sich der Buscnfreundin stürzet, * ) Und
Sie ^ —
Vermifst
nun
Sie
das
männliche
Gewicht Des Segenspendenden , der ihre Seele w ü r z e t , Staunt — weint —
schlagt an die B r u s t , und
ihr
Entsetzen spricht Mit hohlem T o n
*)
Ich hin verkürzet!
—
Mamsell C a d i e r t , ein schönes und so unschul-
diges M ä d c h e n , dafs sie lange Zeit den schändlichen M i ß b r a u c h , den P a i e r G i r a r d
mit ihr im Beicht-
stuhle trieb , für Absolution hielt. machte
Die
unter Ludwig dem F ü n f z e h n t e n
Geschichte so
grofses
Aufsehn, dafs sie zu vielen Schriften Anlafs gab.
i7 So
fuhr
auch m i r , —
Vcrgleichung,
Freund,
giebt L i c h t , — Des
stummen
Doktors
Eil'
und
seines
Gaums
Verzicht A u f eine fette Gans , elektrisch d u r c h die N e r v e n . Ich
sah
i m Geiste
schon, ich
(denn
klüger
wuist'
nicht
Das W u n d e r abzuthun ) zu m e i n e m Blutgericlit I h n sein Skalpier u n d seine Feder
scharfen,
U m , nach vollbrachter Tliat, m i t ernstem Amtsgesicht Mir seinen Sektionfibericht Z u r A n t w o r t hinten nach zu w e r f e n . Aus diesem Schreckenstraum ein w e n i g a u f g e r a f f t , Sucht' ich nach m i r ,
u n d f a n d , — an Leib' u n d Seel' e r s c h l a f f t ,
Mein S e l b s t
weit aus d e m Kreis der F r ö h l i c h e n verschoben,
Als wäre zwischen m i r u n d j e d e r L e b e n s k r a f t , Schon alle F r e u n d s c h a f t a u f g e h o b e n .
Diese traurige Gestalt meiner selbst,
die
ich
vor
mir
sah, jagte mich vom Tische auf,
und
immer
Th. W .
in
II. Th.
einem
Spiegel
2
iß sträubte
inir
athenilos
mein
das
Haar
noch,
als ich
Zimmer. erreicht
hatte.
Zum Überflul's setzte die lang entwohnte Hit^e eines beitzenden Rheinweins,
von
dem ich leider! ein Glas getrunken hatte, meine
Einbildungskraft
Flammen.
in
Feuer
und
In jedem Pulsschlage glaubte
ich die Tritte des heran nahenden Todes zu hören, glaubte zu fühlen,
wie sich
schon eip Faden um den andern aus dem künstlichen Gebinde ablösete, an'den hienieden meine Marionettenrolle ist —
geknüpft
verfiel darüber in den metaphysi-
schen Unsinn
—
den
unbrauchbarsten
von allen —
meinem eigenen
Selbst
bis auf die feine Endspitze 'nachzuschleichen , wo es sich für seine zwo Welten theilen würde —
als etwas
glücklicher
Weise dazwischen trat, das mich nöthigte, mein grofses Experiment zu verschieben — ein Dunst,
der mehr werth i s t ,
als die
hellste Betrachtung, und in dessen Nebel ich immer Weisheit, Lebenskraft und Men-
ip schenwürde wieder f a n d , die ich o f t in den aufgeklärtesten Versammlungen verlor : aber gütiger hatte er seit den Jahren meiner Kindheit nicht auf meinen Augenliedern geruht als dielsinal, und der Gedanke : „ Habe Muth zu leben, eile in die Arme der Natur z u r ü c k , "
herrschte
durch mein ganzes W e s e n , als ich mit der Morgenröthe erwachte. —
20
W i e viele Sclileifwege zu dem menschlichen Heizen stehn nicht dem Unmuthe offen! E r springt über Dämme und Hecken, und wirft alle Bollwerke über den Haufen ; da hingegen die Freude mit ihrem bescheidenen Gefolge auf der gebahntesten Stral'se und überall anstöfst, jedes W e r
da?
erschreckt,
durch
und,
ach
wie o f t ! schon durch einen Schatten verscheucht wird.
Die frohen Empfindun-
gen , die vergangene Nacht bei mir einkehrteil, verweilten kaum noch die Stunde des Frühstücks ü b e r , und ehe ich mich versah, waren sie schon über alle Berge. Mit so seltenen Gästen,
die einen noch
darzu unvermuthet überraschen, weifs man sich immer nicht recht zu benehmen.
Ich
erschrak, als ich mein West wieder leer fand;
die Alltagswirthschaft
ihren alten Gang,
und
nahm
ich weifs
nichts weiter zu sagen, als dafs
so Dir
wohl
noch nie so runzlichte Gesichter
durch
die B e r g s t r a f s e gefahren s i n d , als ich und mein Mops diesen Abend mit nach Heidelberg brachten. Lafs D i r , wenn Du w i l l s t ,
die anmu-
thige Lage dieser Stadt von andern Reisenden vormalen.
Ich hatte keinen Sinn
f ü r ihre Reitze, und in dem Wirthshause, das mich a u f n a h m , ging es m i r , wie es der Freude bei mir ging.
Der Hausherr
gefiel mir nicht — seine Zimmer w a r e n staubicht — sein Bette w a r mir zu h a r t , und seine Sprache beleidigte meine Ohren. Ich träumte die ganze Nacht durch n u r von dem glücklichen Morgen,-wo ich diesen O r t verlassen w ü r d e ; und diese E r w a r t u n g w a r bis zur Fieberbewegung gestiegen , als dieser Morgen erschien. Wie viel oder wenig ich damit gewann, und ob es ein Kunstwort giebt, das alle die widrigen Gefühle a u s d r ü c k t , die mich nach B r u c h s a l
begleiteten,
jetzt nicht untersuchen.
mag
ich
G e n u g , damals
i2.
glaubte ich es aus dem Munde eines Arztes zu hören, der nicht weit von der Post, über
den
Kreis vieler
Hülfsbediirftigen
hervor ragte, denen er seine Wissenschaft und Erfahrung in gemeinnütziger Beredsamkeit Preis gab.
Ich glaubte der Uber-
zeugung, die er mir einflöfste, Krankheit,
dal's die
gegen die er eben sympathe-
tische Tropfen feil b o t , nach allen Theilen ihrer fürchterlichen Beschreibung, die meinige sei;
und nun drängte ich mich
durch meine Mitbrüder hindurch, pflanzte mich
gerade
vor
seinen
Thron,
sperrte, wie andere, das Maul auf.
und Das
war auch ein ganz anderer Mann, als der Hausarzt des Römischen Kaisers, der mir gestern ein so mächtiges Schrecken einjagte.
Ein Zepter in der Hand, um das zwo Schlangen krochen, Safs
dieser
Ehrenmann
auf
einem
Knochen ,
Thron
von
— —
25
Wie das S y m b o l der M e d i c i n . I c h , hub er a n ,
( w a s er zuvor gesprochen,
Erfuhr ich l e i d e r ! n i c h t ) ich komme von B e r l i n . Den Z a h n , den Ihr hier seht, hab' ich vor wenig Wochen — Friedrich dem Einzigen hab* ich ihn ausgebrochen, U n d gnadenvoll schenkt* Er m i r i h n . Bei Grofs und Klein —
Gott sey's gedankt! —
gelitten, — Hätt* ich nur Hände g ' n u g , — sucht man mich überall. S e h t , zum Beweis, wohin ein Mann von Sitten Nicht dringen kann , hier das Original Der H o r n k l u f t , die ich einst in dem Escurial Der schönen I o Karls des Dritten, * ) (Sobald ich mich durch die gedrängte Zahl Der Neider meines Glücks gestritten) In drei Minuten ausgeschnitten. * ) S. des Königs von Preufsen Gedicht, in den Oeuvres pag.
posthumes
de
Frederic
II.
125.
Cet autre
est occupé
En lui pressant
le
d*une genisse sein.
blanche
Codicille, Tom.
Den Tag nach dieser K u r erhielt ich das D i p l o m , Das Ihr hier glänzen seht, als Leibarzt u n d als Ritter, Und so bewahrte sich m e i n altes A x i o m : — O f t schwellt die P f ü t z e selbst z u m S t r o m I n e i n e m nachtlichen
Gewitter:
Nicht i m m e r geht die K u n s t nach B r o d . Doch , dafs wir nicht einander mifsverstehcn, So h ö r t : Ich b i n m i t Panaceen D e r neusten A r t , m i t M i t t e l n , seinem T o d , So G o t t w i l l , aus dein W e g zu gehen — Sagt
nur,
was
Ihr bedürft
—
ich
bin
damit
versehen . Doch kaufet in der Z e i t , so habt Ihr's in der Noth ; K a u f t ! denn das nächste Morgenroth Sieht mein Panier in Strafsburg w e h e n , W o h i n m i c h m e i n P a t r o n , der K a r d i n a l , e n t b o t .
J