Sicherung der Rechte und Ansprüche aus Bau- und Bauträgervertrag 9783504382346

Band 72 der Reihe Partner im Gespräch gibt den Inhalt der „Weimarer Tagung“ 2005 wieder. Aus dem Inhalt: MinR Dr. H

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German Pages 192 Year 2005

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Sicherung der Rechte und Ansprüche aus Bau- und Bauträgervertrag
 9783504382346

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Partner Im Gespräch 72 Sicherung der Rechte und Ansprüche aus Bau- und Bauträgervertrag

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Schriftenreihe des Evangelischen Siedlungswerkes in Deutschland e.V.

Sicherung der Rechte und Ansprüche aus Bau-und BauträgeNertrag 4. Weimarer Fachgespräch

vom 3.2.- 4.2.2005 Mit Beiträgen von

MinR Dr. Holger Fibich RA Hans Christian Schwenker RA Dr. A. Olrik Vogel RA Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub Notar Dr. Gregor Basty Notar Prof. Dr. Stefan Hügel RiBGH a.D. RA Prof. Dr. Reinhold Thode

2006

Verlag

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Partner im Gespräch zum 4. Weimarer Fachgespräch Das 4. Weimarer Fachgespräch fand vom Donnerstag, 3. Februar bis Freitag, 4. Februar 2005 statt. Schwerpunkt der Veranstaltung war die Erörterung von Problemen aus dem Bereich der Sicherung der Rechte und Ansprüche bei Bau- und Bauträgerverträgen. Mit dem Referat von Dr. Holger Fibich, Justizministerium Thüringen, über das beabsichtigte Forderungssicherungsgesetz und seine kritische Würdigung durch Rechtsanwalt Schwenker wurde die Veranstaltung eröffnet. Die sich anschließende Diskussion zeigte deutlich die Probleme, die bei Inkrafttreten erwartet werden. Der zweite Teil der Veranstaltung widmete sich – ausgehend von den Anforderungen aus Basel II, denen sich Unternehmen ausgesetzt sehen – den Themen, die sich im Zusammenhang mit der Krise bis zur Insolvenz des Werkunternehmers und des Bauträgers ergeben. Die Aktualität dieser Themen zeigte sich an der Krise des Konzerns Walter-Bau AG, dessen Insolvenz kurz vor der Veranstaltung öffentlich wurde. Am Freitag wurde über den nachträglichen Ausbau von Dachgeschossen in einer Eigentümergemeinschaft referiert, mit den Fragestellungen im Bereich des Bauträgervertrages und der Teilungserklärung sowie den sich daraus in der Praxis ergebenden Problemen. Daran schloss sich das Thema Mängelgewährleistung vor der Abnahme an und zum Abschluss stellte Prof. Dr. Reinhold Thode die aktuelle Rechtsprechung aus Bauund Bauträgerrecht vor. Neueste Entscheidungen, die zum Teil noch nicht veröffentlicht waren, zeigten die Aktualität der Veranstaltung. Die einzelnen Beiträge riefen lebhafte Diskussionen hervor, wobei durch die Teilnehmerzahl von 100 Personen die Diskussion und das Gespräch am Rande der Veranstaltung mit den Referenten sehr gefördert wurde. Im Jahr 2006 wird das 5. Weimarer Gespräch am 16. und 17. Februar stattfinden. Nürnberg, im März 2005

Dagmar Reiß-Fechter

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Inhaltsübersicht Seite

Partner im Gespräch zum 4. Weimarer Fachgespräch .......................

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Dr. Holger Fibich Ministerialrat, Erfurt Forderungssicherungsgesetz – Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und Durchsetzung von Forderungen .............................. I. II. III. IV. V. VI. VII.

Einleitung ................................................................................... Die Entstehung des Forderungssicherungsgesetzes ................. Das Forderungssicherungsgesetz im Überblick ....................... Änderungen im materiellen Recht ........................................... Änderungen im Verfahrensrecht der ZPO ................................ Verbesserungen im Bereich der Zwangsvollstreckung ............ Erweiterte Ausschlusstatbestände bei Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern ......................................................... VIII. Inkrafttreten des FoSiG ............................................................. IX. Ausblick: Weiterentwicklung des Bauvertragsrechts ..............

1 2 4 7 7 18 25 27 28 29

Hans Christian Schwenker Rechtsanwalt, Celle Forderungssicherungsgesetz – Kritische Anmerkungen und Konsequenzen für die Praxis ...............................................................

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I. Historischer Überblick .............................................................. II. Forderungssicherungsgesetz ...................................................... III. Ausblick: Fortbestehende Probleme des Bauprozesses ............

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Dr. A. Olrik Vogel Rechtsanwalt, München Krise des Werkunternehmers – Was kann und was muss der Auftraggeber tun? ................................................................................ I. II. III. IV.

Einleitung ................................................................................... Vorfeld der „Krise“ .................................................................... Eingetretene „Krise“ des AN .................................................... Fazit ............................................................................................

47 48 48 57 77 VII

Inhaltsübersicht

Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub Rechtsanwalt, München Krise des Bauträgers – Handlungsmöglichkeiten der Vertragspartner .................................................................................... I. II. III. IV.

Einleitung: Die Krise des Bauträgers ......................................... Der Bauträger und seine Vertragspartner .................................. Die Sicherung der Vertragspartner ............................................ Handlungsmöglichkeiten der Vertragspartner .........................

79 79 80 81 95

Dr. Gregor Basty Rechtsanwalt und Notar, München Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen – Gestaltung der Kauf- und Bauträgerverträge – ................................ 101 I. Verkauf einer Dachgeschosswohnung ...................................... 101 II. Verkauf anderer Wohnungen ..................................................... 111 III. Regelungen im Hinblick auf die Teilungserklärung ................ 114 Prof. Dr. Stefan Hügel Notar, Weimar Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen – Teilungserklärung und Umsetzung in der Praxis .............................................................. 117 I. II. III. IV. V. VI. VII.

Einleitung ................................................................................... Veränderung der sachenrechtlichen Aufteilung ....................... Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum ........ Änderung von Sondernutzungsrechten .................................... Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels ......................... Zustimmung zur baulichen Veränderung ................................ Ergebnis und Formulierungsvorschlag ......................................

117 119 129 132 134 137 141

Prof. Dr. Reinhold Thode Rechtsanwalt, RiBGH a. D. Landau/Pfalz Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bauträgerrecht in der Zeit vom Januar 2003 bis zum Februar 2005 .......................... 145 I. Gegenstand und Ziel der Untersuchung ................................... 146 II. Hauptteil ..................................................................................... 147

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Forderungssicherungsgesetz – Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und Durchsetzung von Forderungen Dr. Holger Fibich, Ministerialrat, Erfurt

Inhaltsübersicht I. Einleitung 1. Anlass der Initiative für ein Forderungssicherungsgesetz 2. Gründe für ein unzureichendes Zahlungsverhalten II. Die Entstehung des Forderungssicherungsgesetzes 1. Frühere gesetzgeberische Maßnahmen wider die schlechte Zahlungsmoral 2. Die Länderinitiative für ein Forderungssicherungsgesetz III. Das Forderungssicherungsgesetz im Überblick IV. Änderungen im materiellen Recht 1. 2. 3. 4.

Abschlagszahlungen Durchgriffsfälligkeit Druckzuschlag Wegfall der Fertigstellungsbescheinigung 5. Bauhandwerkersicherung 6. Berechnung der Handwerkervergütung bei Kündigung nach § 649 BGB

7. Modernisierung des Bauforderungssicherungsgesetzes V. Änderungen im Verfahrensrecht der ZPO 1. 2. 3. 4.

Problemszenario Teilurteil Vorbehaltsurteil Einführung einer vorläufigen Zahlungsanordnung a) Standort, Anwendungsbereich und Verfahrensmodalitäten b) Entscheidungskriterien VI. Verbesserungen im Bereich der Zwangsvollstreckung 1. Nacherfüllungsbescheinigung 2. Erweiterte Auskunftsrechte a) Auskunftsrechte nach StVG b) Auskunftsrechte nach SGB X VII. Erweiterte Ausschlusstatbestände bei Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern VIII. Inkrafttreten des FoSiG IX. Ausblick: Weiterentwicklung des Bauvertragsrechts

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Dr. Holger Fibich

I. Einleitung 1. Anlass der Initiative für ein Forderungssicherungsgesetz In den Wirtschaftsteilen der Tageszeitungen lassen sich regelmäßig Nachrichten zum Thema „sinkende Zahlungsmoral“ finden. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung stellen Forderungsausfälle für 60 Prozent der Firmen in Deutschland ein bedrohliches Risiko dar. Selbst bislang als gesund angesehene Unternehmen gerieten mittlerweile zunehmend in die Liquiditätsklemme. Über alle Branchen hinweg gebe es einen Trend, Rechnungen so spät wie möglich zu begleichen.1 Vor allem das Bauhandwerk klagt über das unzureichende Zahlungsverhalten vieler Auftraggeber. Die mangelnde Zahlungsmoral wird dabei als eine Hauptursache für Unternehmensinsolvenzen bezeichnet.2 Angesichts dieser Situation ist es verständlich, dass der Ruf nach dem Gesetzgeber laut wird, hier Abhilfe zu schaffen. Die auf einen entsprechenden Vorschlag Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens zurückgehende Bundesratsinitiative für ein Forderungssicherungsgesetz (FoSiG)3 stellt eine Reaktion auf diese Hilferufe dar. So zielt das FoSiG vorrangig darauf ab, der unzureichenden Zahlungsmoral vieler Auftraggeber mit gesetzgeberischen Mitteln effektiv entgegenzuwirken.4

2. Gründe für ein unzureichendes Zahlungsverhalten Woran liegt es aber, dass so viele Schuldner nicht oder zumindest nicht rechtzeitig ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen? Zwei Ursachen müssen hier deutlich auseinander gehalten werden, die fehlende Zahlungsfähigkeit einerseits und der fehlende Zahlungswille andererseits. Die fehlende Zahlungsfähigkeit ist dabei besonders problematisch. Selbst bei bestem Zahlungswillen wird kein Geld fließen, wenn der Schuldner nichts zum Verteilen hat. Vor Zahlungsausfällen auf diesem Feld kann sich der Gläubiger nur schützen, wenn er vor oder während der Leistungserbringung Sicherheiten erlangt hat, auf die er dann im Falle fehlender Zahlungsfähigkeit des Schuldners problemlos zurückgreifen kann. Gesetzgeberische Maßnahmen müssten also darauf ____________

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Süddeutsche Zeitung vom 20.8.2004. Süddeutsche Zeitung vom 12.11.2004. BT-Drucks. 15/3594 vom 14.7.2004, S. 1 ff. BT-Drucks. 15/3594 vom 14.7.2004, S. 12.

Forderungssicherungsgesetz – Sicherung von Werkunternehmeransprüchen

abzielen, es dem Handwerker zu erleichtern, solche Sicherheiten zu erlangen. Zur Kategorie „fehlende Zahlungsfähigkeit“ zählt auch der Fall, in dem der Schuldner zwar zahlen will, das Geld, das er zur Verfügung hat, aber nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht. In einer solchen Situation kommt es naturgemäß zu einer scharfen Konkurrenz der Gläubiger. Oftmals haben dann z. B. das Finanzamt und die Sozialversicherung gegenüber dem gewerblichen Gläubiger, etwa dem Handwerker, die besseren Karten, einfach weil sie ihren Zahlungsanspruch sehr schnell titulieren können. Auch die Banken haben hier einen Vorteil gegenüber den Handwerkern, weil zum einen die Einnahmen des Schuldners regelmäßig über das Bankkonto laufen, die Bank also den ersten Zugriff auf das Konto hat, und weil zum anderen die Drohung der Bank, die Kreditlinie zu kündigen, viele Schuldner bewegt, vorrangig die Bank zu befriedigen. Der Handwerker, zumal der Bauhandwerker, kommt hier oftmals zu kurz. Das liegt natürlich auch daran, weil Baustreitigkeiten häufig sehr komplex und schwierig sind und es mitunter sehr lange dauert, bis endgültig feststeht, welchen Betrag der Handwerker vom Auftraggeber verlangen kann. Angesichts dieser Schwierigkeiten kann sich der Auftragnehmer auch hier nur durch frühzeitig gestellte Sicherheiten hinreichend schützen. Der Gesetzgeber kann dies durch eine verbesserte Ausgestaltung der Sicherungsmöglichkeiten fördern. Liegt keine fehlende Zahlungsfähigkeit vor, sondern ist der Schuldner lediglich nicht zahlungswillig, kann dies ebenfalls verschiedene Gründe haben. Drei Konstellationen sind zu unterscheiden: In der ersten verweigert der Besteller die Bezahlung, weil die Werkleistung mangelbehaftet ist. Hier ist der Handwerker nicht schutzwürdig, soweit sein Anspruch noch nicht fällig oder die Mängeleinrede berechtigt ist. Die zweite Gruppe der Zahlungsunwilligen betrifft die Personen, die um eigener finanzieller Vorteile willen nicht sofort zahlen wollen. Sie streben – schlagwortartig – nach einem günstigen „Lieferantenkredit“. Dann gibt es noch – in einer dritten Gruppe – diejenigen Auftraggeber, die von Anfang an die Absicht haben, überhaupt nicht zu zahlen. Hierzu zählen beispielsweise die Fälle, in denen ein Generalunternehmer vom Bauherrn für eine Werkleistung des Subunternehmers Geld vereinnahmt hat, dieses aber nicht weiterleitet, sondern für geschäftsfremde, private Zwecke verbraucht. Es gibt demnach vielfältige Gründe für das – aus Sicht des Auftragnehmers – unzureichende Zahlungsverhalten des Auftraggebers. Vor diesem Hintergrund wird rasch deutlich, dass das FoSiG kein Allheilmittel sein 3

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kann. Jedoch kann der Gesetzgeber die bereits vorhandenen gesetzlichen Sicherungsmittel optimieren und ausbauen, die Erlangung eines Zahlungstitels vereinfachen und zudem das Vollstreckungsverfahren verbessern. Diese drei Ziele sollen mit dem FoSiG erreicht werden, wie schon sein Langtitel „Gesetz zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen“ andeutet.

II. Die Entstehung des Forderungssicherungsgesetzes 1. Frühere gesetzgeberische Maßnahmen wider die schlechte Zahlungsmoral Die Bundesratsinitiative für ein Forderungssicherungsgesetz ist der jüngste Versuch, mit gesetzgeberischen Maßnahmen der schlechten Zahlungsmoral entgegenzuwirken. Seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es mehrfache Änderungen im Werkvertragsrecht, um die Zahlungsbereitschaft zu stärken. So wurde im Jahre 1993 durch das Bauhandwerkersicherungsgesetz5 der § 648a BGB eingeführt. Seitdem gibt es den Anspruch des Bauhandwerkers auf Sicherheitsleistungen für von ihm zu erbringende Vorleistungen. Da das Problem der unzureichenden Zahlungsbereitschaft weiterhin drängte, wurden verschiedene neue Gesetzentwürfe erarbeitet. So legte die Union auf Bundesebene – inhaltsgleich mit einer sächsischen Bundesratsinitiative6 – den Entwurf für ein Bauvertragsgesetz7 vor. Die Berliner Regierungskoalition verfolgte hingegen das Konzept eines Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen8. Mit beiden Ansätzen befasste sich im Jahre 1999 die aufgrund eines Beschlusses der Justizministerinnen und Justizminister des Bundes und der Länder vom 17.12.1998 eingerichtete, unter der Federführung des Bundesjustizministeriums stehende Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Verbesserung der Zahlungsmoral“9. Schließlich wurde das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen verabschiedet und trat am 1. Mai 2000 in Kraft.10 ____________

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Vom 27.4.1993, BGBl. I S. 509. BR-Drucks. 242/99 vom 14.4.1999. BT-Drucks. 14/673 vom 26.3.1999. BT-Drucks. 14/1246 vom 23.6.1999. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe legte ihren ersten Bericht der 71. Konferenz der Justizministerinnen und -minister am 10.11.1999 in Bonn vor. 10 Gesetz vom 30.3.2000, BGBl. I S. 330.

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Forderungssicherungsgesetz – Sicherung von Werkunternehmeransprüchen

Dieses brachte eine Verschärfung der Verzugsvoraussetzungen, eine Erhöhung des Verzugszinses, den Anspruch des Bauhandwerkers auf Abschlagszahlungen, eine Verschärfung der Abnahmepflicht, eine Durchgriffsfälligkeit im Verhältnis Bauherr – Generalunternehmer – Subunternehmer sowie das neue Verfahren der Fertigstellungsbescheinigung. Auch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz11 führte zu Änderungen, die einer laxen Zahlungsmoral entgegenwirken sollten. So wurde z. B. der Verzugszins bei Entgeltforderungen, die nicht gegenüber dem Verbraucher bestehen, nochmals erhöht12.

2. Die Länderinitiative für ein Forderungssicherungsgesetz Diese Gesetzesänderungen haben jedoch die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Da der Bundesrat zudem bereits bei seinem Beschluss über das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen festgestellt hatte, dass dieses Gesetz lediglich ein erster Schritt sein könne13, haben Thüringen und Sachsen das Bundesjustizministerium schon im Jahre 2001 immer wieder gedrängt, die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Verbesserung der Zahlungsmoral“ erneut einzuberufen, um weitergehende gesetzgeberische Maßnahmen vorzubereiten.14 Da das Bundesjustizministerium jedoch seinerzeit diesem Ansinnen zunächst zurückhaltend gegenüberstand und später zwar die Bund-Länder-Arbeitsgruppe wieder einberief, die Verhandlungen aber anfangs erst schleppend anliefen, entschieden sich Thüringen und Sachsen für eine gemeinsame Bundesratsinitiative, führten deshalb ihre eigenen Gesetzentwürfe (Sachsen: „Gesetz zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen“15, Thüringen: „Gesetz zur Verbesserung der Sicherung der Unternehmer

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11 Gesetz vom 26.11.2001, BGBl. I S. 3138. 12 Dies erfolgte in Umsetzung der Richtlinie 2000/35/EG vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr; vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 148 f. 13 Beschluss vom 17.3.2000, BR-Drucks. 108/00 (Beschluss). 14 Auch die 72. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 11. bis 13.6.2001 in Trier bat die Bundesjustizministerin, die Bund-LänderArbeitsgruppe zum Herbst 2001 wieder einzuberufen, um gegebenenfalls konkrete Vorschläge für weitere gesetzgeberische Maßnahmen zu unterbreiten; vgl. die Presseerklärung des sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 11.9.2001. 15 Vgl. die Pressemitteilung des sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 11.9.2001.

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bei Errichtung von Bauwerken – Bauunternehmersicherungsgesetz“16) zusammen und legten dem Bundesrat den Entwurf eines Forderungssicherungsgesetzes vor17. Nahezu zeitgleich reichte Sachsen-Anhalt beim Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes für eine bessere Absicherung der Vorleistungen von Bauhandwerkern (Vorleistungssicherungsgesetz) als Gesetzesantrag ein18, schloss sich aber später – nach der Landtagswahl in diesem Bundesland – der sächsisch-thüringischen Initiative an. Nachdem in den Ausschussberatungen mehrere Änderungen an dem Entwurf vorgenommen worden waren19, beschloss der Bundesrat am 21. Juni 2002, den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen.20 Dort unterfiel er jedoch wegen der Bundestagsneuwahl 2002 der Diskontinuität. Es hatte lediglich noch am 12. Juni 2002 im federführenden Bundestagsrechtsausschuss zu dem inhaltsgleichen Entwurf der Unionsfraktion21 eine öffentliche Anhörung stattgefunden. Um das Gesetzgebungsprojekt erneut in den Bundestag einbringen zu können, riefen Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt im Dezember 2002 das Forderungssicherungsgesetz im Bundesrat wieder auf. Diese Entschlossenheit führte im Bundesjustizministerium zu der Entscheidung, die Bund-Länder-Arbeitsgruppe erneut wieder einzuberufen und auf der Grundlage des Entwurfs eines Forderungssicherungsgesetzes über weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Zahlungsmoral zu beraten. Angesichts dieser Verhandlungsbereitschaft wurden die Beratungen in den Fachausschüssen des Bundesrats über das Forderungssicherungsgesetz zunächst vertagt, um möglichst auf Fachebene zu einer Einigung zwischen Bund und Ländern zu kommen. In der Folgezeit hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe intensiv beraten, im September 2003 einen Zwischenbericht vorgelegt und daran anschließend eine Praxisanhörung durchgeführt. Mit Vorlage ihres Abschlussberichts im Juni 2004 endete die Tätigkeit der Arbeitsgruppe. Ihre Ergebnisse sind in den modifizierten Entwurf des Forderungssicherungsgeset____________

16 Vgl. die Pressemitteilung 209/2001 des Thüringer Justizministeriums vom 4.12.2001. 17 BR-Drucks. 141/02 vom 20.2.2002. Zum Inhalt dieses Entwurfes Karsten, NJ 2002, 178 ff.; Kolbe/Kopp/Römmelt, ZRP 2002, 145 ff. 18 BR-Drucks. 168/02 vom 26.2.2002. 19 Es wurden insbes. Elemente aus dem Entwurf des Vorleistungssicherungsgesetzes in das Forderungssicherungsgesetz integriert. 20 Plenarprotokoll vom 21.6.2002, S. 352 D. Der Text des Entwurfs findet sich mit der Stellungnahme der Bundesregierung in BT-Drucks. 14/9848 vom 1.8.2002. 21 BT-Drucks. 14/8783 vom 16.4.2002.

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Forderungssicherungsgesetz – Sicherung von Werkunternehmeransprüchen

zes eingeflossen, der dem Bundesrat am 11. Juni 2004 zur Entscheidung vorlag. Der Bundesrat beschloss an diesem Tage, den Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen22. In ihrer Stellungnahme zu dem Entwurf äußerte sich die Bundesregierung unter Hinweis auf die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe überwiegend positiv.23 Am 22. Oktober 2004 fand dann die erste Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag statt.24 Dieser überwies den Entwurf in die Fachausschüsse unter der Federführung des Rechtsausschusses. Dort befindet sich die Gesetzesinitiative zur Zeit.

III. Das Forderungssicherungsgesetz im Überblick Inhaltlich lässt sich das Forderungssicherungsgesetz (FoSiG) im wesentlichen in vier Komplexe einteilen. Erstens sollen die materiell-rechtlichen Regelungen des BGB und des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen (BauFG) zum Schutze der Bauhandwerker verbessert werden. Zweitens wird mit dem FoSiG das Ziel verfolgt, die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der ZPO so zu ändern und ergänzen, dass es auch in einem komplexen Zivilprozess rascher als bislang möglich ist, als Kläger einen – zunächst vorläufigen – Zahlungstitel hinsichtlich einer berechtigten Forderung zu erlangen. Drittens soll es dem Gläubiger erleichtert werden, wegen seiner titulierten Forderung zu vollstrecken. Viertens schließlich soll mit dem FoSiG gegen die „schwarzen Schafe“ vorgegangen werden, die die Rechtsform der GmbH oder der Aktiengesellschaft missbrauchen, um sich auf Kosten des ehrlichen Geschäftspartners zu bereichern.

IV. Änderungen im materiellen Recht 1. Abschlagszahlungen Das Hauptproblem für den Handwerker ist es, dass er vorleistungspflichtig ist. Nach der Grundkonzeption des BGB kann er erst nach Abnahme der von ihm erbrachten Leistung den Werklohn verlangen (§ 641 ____________

22 BR-Drucks. 458/04 (Beschluss) vom 11.6.2004. 23 Vgl. BT-Drucks. 15/3594, S. 28; siehe auch die Presseerklärungen der Bundesjustizministerin vom 11.6. und 29.12.2004 zum Thema „Forderungssicherungsgesetz“. 24 Plenarprotokoll vom 22.10.2004, S. 12194 ff.

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Abs. 1 BGB). Natürlich können vertraglich Abschlagszahlungen vereinbart werden. Insbesondere sieht der VOB-Vertrag in § 16 einen Anspruch auf Abschlagszahlungen vor. Was ist aber, wenn die Vertragsparteien die Entrichtung von Abschlagszahlungen nicht vertraglich vereinbart haben? Bis vor einigen Jahren konnte der Werkunternehmer dann keine Abschlagszahlungen verlangen, da ein entsprechender gesetzlicher Anspruch im BGB nicht vorgesehen war. Der Bundesgesetzgeber hat dies im Jahre 2000 durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen geändert, indem er den § 632a in das BGB eingefügt hat. Seitdem gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Häufig lässt sich dieser Anspruch jedoch schon aus rechtlichen Gründen nicht verwirklichen, denn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 632a BGB sind so ungünstig gefasst, dass die Vorschrift oftmals nicht zur Anwendung kommen kann. Der Blick auf den Wortlaut des § 632a Satz 1 BGB verdeutlicht dies. Er lautet: „Der Unternehmer kann von dem Besteller für in sich abgeschlossene Teile des Werkes Abschlagszahlungen für die erbrachten vertragsmäßigen Leistungen verlangen“. Aus Sicht des Bauhandwerkers stellen sich hier vor allem zwei Probleme: Zum einen ist es äußerst schwierig zu bestimmen, wann ein Teil eines Werkes „in sich abgeschlossen“ ist.25 Zum anderen ist der Anspruch auf Abschlagszahlungen – da die erbrachten Leistungen „vertragsmäßig“ sein müssen – schon dann ausgeschlossen, wenn das Werk lediglich einen unwesentlichen Mangel aufweist26. Vollständig mangelfreie Bauwerke kommen jedoch nahezu nie vor. Eine weitere Schwierigkeit kommt noch hinzu. Die Bestimmung des § 632a Satz 3 BGB macht den Anspruch auf Abschlagszahlungen davon abhängig, dass der Unternehmer dem Besteller „Eigentum an den Teilen des Werkes, an den Stoffen oder Bauteilen überträgt oder Sicherheit hierfür“ leistet. Diese Einschränkung ist vor allem für den Subunternehmer nachteilhaft, weil er dem Generalunternehmer oftmals kein Eigentum am Werk übertragen kann.27 Das FoSiG will die aufgezeigten Anwendungsschwierigkeiten beseitigen, indem § 632a BGB weitgehend an § 16 Nr. 1 VOB/B angeglichen ____________

25 Zu diesem Merkmal Erman-Schwenker, BGB, 11. Aufl., § 632a Rz. 6. 26 Vgl. BT-Drucks. 14/1246, S. 6; Jauernig-Mansel, BGB, 11. Aufl., § 632 a Rz. 5; anderer Ansicht z. B. Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 632a Rz. 5. 27 Zu der wegen §§ 946, 94 BGB problematischen Eigentumsübertragung bei Bauleistungen Erman-Schwenker, BGB, 11. Aufl., § 632a Rz. 8.

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Forderungssicherungsgesetz – Sicherung von Werkunternehmeransprüchen

werden soll. Die problematische Begrenzung auf die „in sich abgeschlossenen Teile des Werkes“ soll entfallen. Künftig soll § 632a Abs. 1 Satz 1 BGB wie folgt lauten: „Der Unternehmer kann von dem Besteller Abschlagszahlungen in Höhe des Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäß erbrachten Leistungen verlangen, die ihm in nicht mehr entziehbarer Weise zur Verfügung gestellt wurden.“ Zwar muss der Werkunternehmer auch weiterhin nachweisen, dass seine Leistung vertragsgemäß ist, jedoch stellt ein neuer § 632a Abs. 1 Satz 2 BGB klar, dass die Abschlagszahlung wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigert werden kann. Allerdings muss es dem Werkbesteller gleichwohl möglich bleiben, bei vorhandenen geringfügigen Mängeln ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe der voraussichtlichen und um den Druckzuschlag erhöhten Mängelbeseitigungskosten geltend zu machen. Diese Einrede wird durch § 632a Abs. 1 Satz 3 BGB-E gewährleistet, der die entsprechende Anwendung des § 641 Abs. 3 BGB-E anordnet. Auch hinsichtlich der Eigentumsverschaffungsproblematik geht das FoSiG einen neuen Weg. Künftig soll es nicht mehr darauf ankommen, ob der Unternehmer dem Besteller Eigentum an dem Werk übertragen hat. Lediglich noch bei „erforderlichen Stoffen oder Bauteilen, die angeliefert oder eigens angefertigt und bereitgestellt sind“, soll die Vorgabe gelten, dass eine Abschlagszahlung nur verlangt werden kann, „wenn dem Besteller nach seiner Wahl Eigentum an den Stoffen oder Bauteilen übertragen oder entsprechende Sicherheit hierfür geleistet wird (§ 632a Abs. 1 Satz 5 BGB-E).28 Problematisch könnte es sich hier allerdings für den Subunternehmer erweisen, dass § 632a Abs. 1 Satz 1 BGB-E – insoweit in Abweichung von § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/B – verlangt, dass dem Besteller die Leistung „in nicht mehr entziehbarer Weise zur Verfügung gestellt“ wurde. Das Eigentum an den eingebauten Materialien geht nach §§ 946, 94 BGB kraft Gesetzes auf den Bauherrn über, sofern dieser Grundstückseigentümer ist. Dementsprechend kann – sachenrechtlich betrachtet – nicht davon die Rede sein, dass dem Generalunternehmer die Werkleistung in einer nicht mehr entziehbaren Art und Weise zugute kommt. Damit droht aber der auf § 632a BGB-E beruhende Anspruch des Subunternehmers gegen den Generalunternehmer auf Abschlagszahlungen regelmäßig ins Leere zu laufen. Gegen eine solche sich auf die sachenrechtlichen Aspekte beschränkende Betrachtungsweise spricht jedoch bereits der Umstand, dass es eines der Ziele der Bundesratsinitiative ist, die Position des Subunter____________

28 Vgl. § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/B.

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Dr. Holger Fibich

nehmers gegenüber dem Generalunternehmer zu stärken, wie der Ausbau der sog. Durchgriffsfälligkeit (§ 641 Abs. 2 BGB-E – Art. 1 Nr. 3) sowie die Erweiterung des Baugeldbegriffs (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen – Art. 5 Nr. 2 Buchst. b) zeigen. Mit dieser Vorgabe lässt es sich kaum vereinbaren, dass der Anwendungsbereich des § 632a BGB zwar erweitert wird, diese Maßnahme jedoch den Subunternehmern nicht zugute kommen soll. Ferner muss berücksichtigt werden, dass mit der Neufassung ganz bewusst das bisherige Anwendungshindernis „Übertragung des Eigentums an den Teilen des Werkes“ beseitigt werden sollte. Dem Kriterium „in nicht mehr entziehbarer Weise“ muss demnach eine andere Funktion zukommen, denn ansonsten hätte es das FoSiG insoweit bei der bisherigen Fassung des § 632a Satz 3 BGB belassen können. Der eigentliche Grund für die Abweichung von § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/B liegt im unterschiedlichen Anwendungsbereich beider Bestimmungen begründet. Während die VOB/B nur bei Bauleistungen Anwendung findet, hatten die Verfasser des FoSiG zu berücksichtigen, dass § 632a Abs. 1 BGB-E für alle Arten von Werkverträgen einschlägig sein soll. Demnach dient das Merkmal „in nicht mehr entziehbarer Weise“ vorrangig dazu, bei Werkverträgen, die keine Bauleistung betreffen, sicherzustellen, dass die „nachgewiesene vertragsgemäße Leistung“ „für den Besteller bereits einen Wert darstellt und ihm in einer nicht mehr entziehbaren Art und Weise zur Verfügung gestellt wird“.29 Als Beispiel, wo diese Vorgabe noch nicht erfüllt ist, nennt die amtliche Begründung den Fall, bei dem ein Gutachter eine Abschlagszahlung verlangt, obwohl er bislang lediglich einen Ortstermin wahrgenommen hat30, seine Tätigkeit mithin bislang für den Besteller noch keinen eigenständigen Wert hat. Mit einer derartigen Konstellation ist die Bauleistung des Subunternehmers nicht zu vergleichen. Teleologisch betrachtet, wird man sie als dem Generalunternehmer „in nicht mehr entziehbarer Weise zur Verfügung gestellt“ ansehen müssen, obgleich nicht der Generalunternehmer, sondern – über §§ 946, 94 BGB – der Bauherr als Grundstückseigentümer kraft Gesetzes das Eigentum an den vom Subunternehmer eingebauten Sachen erworben hat. Auch wenn das FoSiG in seinem materiell-rechtlichen Teil vorrangig dem Schutz des redlichen Bauhandwerkers dient, sieht es gleichwohl für Konstellationen, in denen der Werkbesteller Verbraucher ist und mit ____________

29 Vgl. BT-Drucks. 15/3594, S. 14. 30 BT-Drucks. 15/3594, S. 14.

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Forderungssicherungsgesetz – Sicherung von Werkunternehmeransprüchen

einer Forderung des Unternehmers auf Abschlagszahlung nach § 632a Abs. 1 Satz 1 BGB-E konfrontiert wird, eine Besonderheit vor. In einem solchen Fall hat der Unternehmer dem Verbraucher bei der ersten Abschlagszahlung eine Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Werkes ohne wesentliche Mängel in Höhe von 5 % des Vergütungsanspruchs zur Verfügung zu stellen (§ 632a Abs. 3 Satz 1 BGB-E). Diese Regelung hat folgenden Hintergrund: Zwar ist durch § 632a BGB sichergestellt, dass der Besteller nur für bereits erbrachte Leistungen zu zahlen hat. Dies deckt aber sein tatsächlich bestehendes Sicherungsbedürfnis nicht vollständig ab. Denn kann der Unternehmer das Werk z. B. wegen Insolvenz nicht fertig stellen, werden dem Besteller in der Regel durch die Verzögerung und die Neubeauftragung eines anderen Unternehmens erhebliche Mehraufwendungen entstehen. Dementsprechend soll in § 632a BGB nunmehr zugunsten des Verbrauchers festgelegt werden, dass und in welchem Umfang der Besteller einen gesetzlichen Anspruch auf Absicherung seines Erfüllungsanspruchs hat, wenn der Werkvertrag die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks zum Gegenstand hat und Abschlagszahlungen verlangt werden.

2. Durchgriffsfälligkeit Ein weiteres großes Problemfeld stellt in der Praxis das Verhältnis zwischen Bauherrn, Generalunternehmer und Subunternehmer dar. Hat der Subunternehmer seine Leistung erbracht, kann er aufgrund seines Vertrages mit dem Generalunternehmer an sich Zahlung begehren. Häufig kommt es aber vor, dass der Generalunternehmer nicht zahlt, oftmals unter Hinweis auf vermeintliche Mängel. Er selber hat aber bereits vom Bauherrn für die Werkleistung des Subunternehmers das Entgelt erhalten. Der Subunternehmer hat hier keine Möglichkeit, an den Bauherrn heranzutreten, denn aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse kann der Bauherr darauf verweisen, dass er selbst in keinerlei vertraglicher Beziehung mit dem Subunternehmer stehe, sondern sein Vertragspartner der Generalunternehmer sei. Mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen hat der Bundesgesetzgeber versucht, dieses Problem in den Griff zu bekommen, indem er eine Durchgriffsfälligkeit eingeführt hat. So lautet der bisherige § 641 Abs. 2 Satz 1: „Die Vergütung des Unternehmers für ein Werk, dessen Herstellung der Besteller einem Dritten versprochen hat, wird spätestens fällig, wenn und soweit der Besteller vom dem Dritten für das versprochene Werk wegen dessen Herstellung seine Vergütung oder Teile 11

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davon erhalten hat.“ Ziel des FoSiG ist es, diese Durchgriffsfälligkeit auszubauen. So erscheint es gerechtfertigt, die Durchgriffsfälligkeit auch dann anzunehmen, wenn der Bauherr gegenüber dem Generalunternehmer das Werk des Bestellers abgenommen hat oder die Abnahme kraft Gesetzes fingiert wird, insbesondere, wenn – vgl. § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB – der Unternehmer dem Bauherrn erfolglos eine Frist zur Abnahme gesetzt hat (§ 641 Abs. 2 Nr. 2 BGB-E). Da der Unternehmer aber häufig vor der Schwierigkeit steht, dass er gar nicht weiß, ob der Bauherr an den Generalunternehmer Geld gezahlt hat, oder ob es in diesem Verhältnis zu einer Abnahme gekommen ist, muss auch dieses Informationsdefizit bei der Durchgriffsfälligkeit berücksichtigt werden. Deshalb ist im FoSiG vorgesehen, auch dann von der Durchgriffsfälligkeit auszugehen, wenn der Subunternehmer dem Generalunternehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Auskunft über eine Werklohnzahlung des Bauherrn an den Generalunternehmer oder eine in diesem Verhältnis erfolgte Abnahme bestimmt hat (§ 641 Abs. 2 Nr. 3 BGB-E).

3. Druckzuschlag Im Zusammenhang mit der Fälligkeit von Werklohnansprüchen soll die Position der Handwerker noch in einem weiteren Punkt verbessert werden, und zwar beim sog. Druckzuschlag. Das bereits mehrfach angesprochene Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen hat im Jahre 2000 den vorher von der Rechtsprechung entwickelten Druckzuschlag konkretisiert, allerdings aus Sicht der FoSiG-Verfasser zu hoch angesetzt. Der Druckzuschlag soll deshalb auf ein angemessenes Maß reduziert werden. Bislang kann der Besteller, wenn er die Beseitigung eines Mangels verlangen kann, nach Abnahme die Zahlung der Vergütung „mindestens in Höhe des Dreifachen der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten“ verweigern (§ 641 Abs. 3 BGB). Das FoSiG sieht hingegen vor, dass der angemessene Teil der Vergütung, in dessen Höhe der Besteller die Zahlung bis zur Beseitigung eines Mangels verweigern kann, „in der Regel [lediglich] das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten“ betragen sollte. Denn der bisherige Mindestbetrag wird als unangemessen hoch angesehen, zumal er lediglich Ausschläge nach oben, nicht aber auch nach unten zulässt. Die in § 641 Abs. 3 BGB-E vorgesehene Formulierung ermöglicht eine wesentlich flexiblere Handhabung. Denn der Begriff „in der Regel“ lässt Abweichungen sowohl nach oben als auch nach unten zu. Außerdem ist der Basiswert mit dem doppelten Betrag geringer ausgefallen. 12

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4. Wegfall der Fertigstellungsbescheinigung Die durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen im Jahre 2000 eingeführte Fertigstellungsbescheinigung hat den Zweck, es dem Unternehmer zu ermöglichen, im Urkundenprozess (§§ 592 ff. ZPO) rasch einen ohne Sicherheitsleistung vollstreckbaren Titel zu erlangen.31 Sie hat jedoch in der Praxis keine größere Bedeutung erlangt. Das liegt z. B. am hohen Kostenrisiko, das der Bauhandwerker zu tragen hat, denn der Gutachter darf die Fertigstellungsbescheinigung nur erteilen, wenn das Werk frei von Mängeln ist, die der Besteller gegenüber dem Gutachter behauptet hat oder die für den Gutachter bei einer Besichtigung feststellbar sind. Auch haben sich Gutachter vielfach aus Haftungsgründen gescheut, einen Auftrag zur Erstellung einer Fertigstellungsbescheinigung zu übernehmen. Zudem belastet § 641a BGB den Gutachter mit Fragen der Vertragsauslegung, eine Aufgabe, die bei einem Prozess zwischen Bauhandwerker und Besteller an sich allein dem Richter zukommt. In Anbetracht der zahlreichen Schwächen des § 641a BGB gab es zunächst Überlegungen, die Bestimmung zu reformieren – der Ursprungsentwurf des FoSiG enthielt entsprechende Vorschläge32 –, jedoch haben die Beratungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Verbesserung der Zahlungsmoral“ gezeigt, dass es sich hierbei um strukturelle Mängel handelt, die sich nicht durch einzelne Modifikationen und Ergänzungen des bestehenden Konzepts beseitigen lassen. Aus diesem Grunde sieht das FoSiG in Art. 1 Nr. 4 vor, § 641a wieder aus dem BGB zu streichen. Auf die Fertigstellungsbescheinigung kann auch deshalb verzichtet werden, weil mit der später noch im einzelnen darzustellenden vorläufigen Zahlungsanordnung (§ 302a ZPO-E) ein prozessrechtliches Institut geschaffen worden ist, mit dem der Zweck, der mit der Fertigstellungsbescheinigung erreicht werden sollte, nämlich dem Bauhandwerker zügig einen vorläufig vollstreckbaren Zahlungstitel für seine berechtigten Forderungen zu verschaffen, deutlich besser und praxisgerechter erreicht werden kann.

5. Bauhandwerkersicherung Das FoSiG nimmt sich auch der Bauhandwerkersicherung an, die in § 648a BGB geregelt ist. Diese Bestimmung gewährt dem Handwerker ____________

31 Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 641a Rz. 1. 32 Vgl. §§ 641a und 641b BGB-E in Art. 1 Nr. 4 und 5 der BT-Drucks. 14/9848 vom 1.8.2002.

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gegenüber dem Besteller einen Anspruch auf Sicherheitsleistung für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen. Die Regelung des § 648a BGB ist von ihrer Zwecksetzung her positiv zu bewerten, jedoch ist ihre inhaltliche Ausgestaltung verbesserungsbedürftig. Zwei Gesichtspunkte sind hier besonders hervorzuheben: Erstens geht aus dem Gesetzestext nicht eindeutig hervor, dass dem Bauhandwerker auch nach der Abnahme ein Anspruch auf Erteilung einer Sicherheit zusteht. Dementsprechend war es bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. Januar 200433, der diese Frage bejaht hat, streitig, ob der Anspruch auf Sicherung auch nach Abnahme gegeben ist.34 Zweitens gewährt das Gesetz dem Bauhandwerker bislang noch keinen einklagbaren Anspruch auf Bestellung einer Sicherheit. Vielmehr steht dem Bauhandwerker „nur“ ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn der Besteller ihm „für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen einschließlich dazugehörender Nebenforderungen“ keine Sicherheit leistet. Diese Einrede besteht, wenn die Sicherheit nicht innerhalb einer vom Bauhandwerker gesetzten angemessenen Frist gestellt wird (§ 648a Abs. 1 Satz 1 BGB). Um die nach Fristablauf entstehende „Pattsituation“ zu beenden, gesteht das Gesetz dem Werkunternehmer zusätzlich das Recht zu, nach fruchtlosem Ablauf einer erneut gesetzten Frist zu einer Vertragsaufhebung zu kommen und Teilvergütung zu verlangen (§ 648a Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 643 und § 645 Abs. 1 BGB). Zudem kommt dann auch noch ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens in Betracht (§ 648a Abs. 5 Satz 2 BGB). Das FoSiG greift beide Punkte auf und will die aufgezeigten Schwachstellen durch folgende Regelungen beseitigen: Erstens soll bereits aus dem Gesetzeswortlaut selbst hervorgehen, dass auch die Zeit nach der Abnahme erfasst ist. Die Neufassung des § 648a Abs. 1 Satz 1 verdeutlicht dies, indem nicht mehr auf die vom Bauhandwerker „zu erbringenden Vorleistungen“ abgestellt wird, sondern von der „noch nicht gezahlten Vergütung“ gesprochen wird. Zweitens soll statt der bisherigen Konstruktion, die lediglich eine Obliegenheit des Bestellers auf Einräumung der Sicherheit vorsieht, ein echter Anspruch des Werkunternehmers auf die Sicherheitsleistung ____________

33 BGH, NJW 2004, 1525 (1526). 34 Zum Meinungsstand vor der BGH-Entscheidung vom 22.1.2004 PalandtSprau, 63. Aufl., § 648a Rz. 9.

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einführt werden, der einklagbar und titulierbar ist. Hierdurch wird letztlich auch der Handlungsspielraum des Handwerkers erweitert. Bislang hat die mit einer Kündigungsandrohung verbundene Nachfristsetzung zur Folge, dass der Vertrag nach fruchtlosem Fristablauf automatisch als aufgehoben gilt (§ 648a Abs. 5 i. V. m. § 643 BGB). Künftig soll dieser Automatismus entfallen. Nach erfolglosem Ablauf der dem Besteller gesetzten Frist zur Sicherheitsleistung soll der Unternehmer die Wahl haben, die Leistung zu verweigern und weiterhin die Sicherheit zu fordern oder aber den Vertrag zu kündigen.35 Der Anspruch des Bauhandwerkers auf Sicherheitsleistung soll auch dann bestehen, wenn der Besteller Erfüllung verlangen oder Mängelrechte geltend machen kann (§ 648a Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz BGB-E). Damit wird z. B. sichergestellt, dass der Besteller dem Verlangen auf Sicherheitsleistung nicht mit Erfolg eine Mängeleinrede entgegenhalten kann. In dieselbe Richtung zielt Absatz 1 Satz 2. Danach bleiben aufrechenbare Ansprüche des Bestellers bei der Ermittlung der für die Höhe der Sicherheitsleistung ausschlaggebenden Restvergütung außer Betracht. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass der Streit um etwaige aufrechenbare Gegenforderungen des Bestellers keinen Einfluss auf den Anspruch auf Sicherheitsleistung hat.36 Nur dann, wenn der Gegenanspruch unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist, darf er bei der Ermittlung der noch offenen Vergütung berücksichtigt werden. Hervorzuheben ist auch das geänderte Kündigungsregime des neuen § 648a Abs. 5 BGB-E. Statt der bisherigen Konstruktion, die über eine entsprechende Anwendung der §§ 643 und 645 Abs. 1 BGB zu einer Vertragsaufhebung kommt, wenn der Besteller die Sicherheit nicht fristgemäß geleistet hat, und die dem Unternehmer lediglich einen Anspruch auf Zahlung eines der geleisteten Arbeit entsprechenden Teils der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen nebst einem Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens37 einräumt (§ 648a Abs. 5 Satz 1 und 2 i. V. m. §§ 643 und 645 Satz 1 BGB), geht das FoSiG einen anderen Weg. Kündigt der Unternehmer den Werkvertrag nach fruchtlosem Fristablauf, kann er – da sich der Besteller vertragsuntreu verhalten hat – die vereinbarte Vergütung verlangen. Allerdings muss er sich dasjenige anrechnen lassen, „was er infolge der Aufhebung ____________

35 Vgl. BT-Drucks. 15/3594 vom 14.7.2004, S. 17. 36 Zu den bisherigen Anwendungsschwierigkeiten bei § 648a BGB im Falle einer Aufrechnung Kniffka, IBR 2003, 714 (717). 37 Nach § 648a Abs. 5 Satz 4 BGB wird dabei vermutet, dass der Schaden fünf Prozent der Vergütung beträgt.

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des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt“. Um den Unternehmer hier nicht allzu stark mit Darlegungs- und Beweisanforderungen zu belasten, wird nach § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB-E vermutet, dass „danach dem Unternehmer fünf Prozent der vereinbarten, noch nicht verdienten Vergütung38 zustehen“. Ein Beispiel mag verdeutlichen, was das konkret bedeutet. Beträgt das Auftragsvolumen 100.000 Euro und hat der Unternehmer vor der Kündigung Werkleistungen in Höhe von 80.000 Euro erbracht, stehen ihm an sich die gesamten 100.000 Euro an Vergütung zu. Angesichts der zitierten Anrechnungsregelung müsste er jedoch konkret vortragen, was er durch die Nichtvollendung des Werkes erspart hat. Das wird dem Unternehmer oftmals schwer fallen. Hier greift die Vermutungsregel zu seinen Gunsten ein. Kraft Gesetzes wird vermutet, dass ihm – neben den bereits verdienten 80.000 Euro – von den 20.000 Euro, denen keine Werkleistung gegenübersteht, 5 %, mithin 1.000 Euro zustehen. Es steht dem Besteller frei, darzulegen und zu beweisen, dass die ersparten Aufwendungen einen höheren Betrag als 19.000 Euro ausmachen. Umgekehrt bleibt es dem Unternehmer unbenommen, das Gericht davon zu überzeugen, dass er einen geringeren Betrag als 19.000 Euro an Aufwendungen erspart hat.

6. Berechnung der Handwerkervergütung bei Kündigung nach § 649 BGB Die Bestimmung des § 649 BGB soll um einen Satz 3 ergänzt werden. Dies steht in engem Zusammenhang mit der eben erläuterten Änderung des § 648a Abs. 5 BGB. Nach § 649 Satz 1 BGB steht dem Besteller bis zur Vollendung des Werkes jederzeit das Recht zu, den Werkvertrag zu kündigen. Kündigt er, kann der Unternehmer gleichwohl die vereinbarte Vergütung verlangen. Allerdings muss er sich – parallel zur Situation beim neuen § 648a Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 BGB-E – „dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt“. Auch hier stellt sich für den Handwerker das Problem, den Umfang der von seinem Vergütungsanspruch abzusetzenden ersparten Aufwendungen darzulegen. Daher lag es nahe, wie bei § 648a Abs. 5 Satz 3 BGB-E eine Regelung zu treffen, nach der vermutet wird, dass dem Unternehmer „danach […] 5 vom ____________

38 Vgl. zum Merkmal der „vereinbarten, noch nicht verdienten Vergütung“ Frerick, ZfBR 2004, 627 (630).

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Hundert der vereinbarten noch nicht verdienten Vergütung zustehen“. Dies findet sich im bereits erwähnten § 649 Satz 3 BGB-E.

7. Modernisierung des Bauforderungssicherungsgesetzes Eines der wesentlichen Ziele des FoSiG ist es – wie bereits eingangs erwähnt –, die materiell-rechtlichen Regelungen zum Schutze des Bauhandwerkers zu verbessern. Hier kann der Blick natürlich nicht auf dem BGB allein verweilen. Vielmehr muss auch auf Nebengesetze geachtet werden, die dem Schutz des Bauhandwerkers dienen. Zu denken ist hier insbesondere an das Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen (BauFG), das – fast so alt wie das BGB – aus dem Jahre 1909 stammt. Dieses Gesetz hat – kurz gesprochen – die Aufgabe, das Baugeld den Personen zukommen zu lassen, die an der Herstellung des Baues aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrags beteiligt sind. Das BauFG führt bislang lediglich ein Schattendasein. Die Verfasser des FoSiG haben es sich zur Aufgabe gemacht, dies zu ändern. Dementsprechend soll das BauFG durch Art. 5 FoSiG modernisiert werden. Insbesondere soll der Baugeldbegriff erweitert werden. So sollen künftig auch alle Gelder unter dem Baugeldbegriff fallen, die ein Unternehmer in der Vertragskette nach dem Bauherrn erhält (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauFG-E). Dies ist gerade für das Verhältnis Bauherr – Generalunternehmer – Subunternehmer sehr bedeutsam. Der Generalunternehmer, der vom Bauherrn für ein Werk, an dessen Herstellung andere Unternehmer aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrags beteiligt waren, eine Vergütung erhalten hat, unterliegt damit künftig den Regelungen des BauFG. Da § 1 Abs. 1 BauFG ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB ist, steht dem Baugeldgläubiger im Falle einer zweckwidrigen Verwendung von Baugeld durch den Baugeldempfänger ein Schadensersatzanspruch aus dieser Norm zu. Um allerdings diesen Anspruch durchsetzen zu können, müsste er in einem Prozess entsprechend den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln die Eigenschaft des Geldes als Baugeld und dessen zweckwidrige Verwendung darlegen. Dies wird in der Praxis häufig nur sehr schwer möglich sein. Dementsprechend sieht das FoSiG zugunsten des Baugeldgläubigers eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast vor. Ist also die Baugeldeigenschaft oder die Verwendung des Baugeldes streitig, so trifft die Beweislast nicht den Baugeldgläubiger, sondern den Empfänger von Baugeld (§ 1 Abs. 4 BauFG-E).

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Aufgrund dieser Neuregelungen erscheint die Pflicht zur Führung des Baubuchs entbehrlich. Der mit ihr verbundene Dokumentationsaufwand hat ohnehin dazu geführt, dass das Baubuch – trotz Strafbewehrung39 – in der Praxis keine größere Bedeutung erlangt hat. Dementsprechend soll – auch als Beitrag zur Deregulierung – die entsprechende Regelung im Bauforderungssicherungsgesetz gestrichen werden.

V. Änderungen im Verfahrensrecht der ZPO 1. Problemszenario Die Verbesserung der materiell-rechtlichen Position des Bauhandwerkers ist eine wichtige Komponente in dem Bemühen, mit gesetzgeberischen Mitteln der unzureichenden Zahlungswilligkeit vieler Schuldner effektiv entgegenzuwirken. Gleichwohl reicht dies nicht aus. Bauprozesse ziehen sich meist deshalb in die Länge, weil der Sachverhalt selbst unklar ist. Oftmals ist streitig, welche vertraglichen Absprachen die Parteien getroffen haben. Abrechnungen sind häufig unklar. Der Streit um behauptete Mängel und deren Beseitigung verzögert viele Bauprozesse. Das Gericht muss Zeugen vernehmen, Gutachten einholen. Das alles ist sehr zeitaufwändig. So verwundert es nicht, wenn viele Monate vergehen können, bis ein erstinstanzliches Urteil vorliegt. Wird der Streit dann noch in der nächsten Instanz fortgesetzt, kann sich der Rechtsstreit kostenintensiv jahrelang hinziehen. Die aufgezeigten Probleme sind teilweise auch nicht auf den Bauprozess beschränkt. Ist die Einschaltung von Gutachtern zur Klärung bestimmter Beweisfragen notwendig, kommt es regelmäßig zu einer längeren Verfahrensdauer. Dies zeigt sich z. B. sehr häufig auch bei Arzthaftungsprozessen oder wenn ein Verkehrsunfall im Streit steht. Das vorhandene prozessrechtliche Instrumentarium ist nicht geeignet, in derartigen Fallkonstellationen dem Gläubiger eines Zahlungsanspruchs rascher als bisher einen Vollstreckungstitel zu verschaffen. Der einstweilige Rechtsschutz ist hierfür nicht das richtige Werkzeug, denn durch ihn darf die Hauptsacheentscheidung nicht vorweg genommen werden. So führt der Arrest nur zur Sicherung der künftigen Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung oder eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergehen kann (vgl. § 916 Abs. 1 ZPO). Die einst____________

39 Vgl. den bisherigen § 2 BauFG.

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weilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) dient ebenfalls lediglich der Sicherung eines Individualanspruchs (Sicherungsverfügung nach § 935 ZPO) oder der Regelung eines einstweiligen Zustandes zur Sicherung des Rechtsfriedens (Regelungsverfügung nach § 940 ZPO). Zwar hat die Rechtsprechung im Wege des Richterrechts auch die sog. Leistungsverfügung entwickelt40, die zu einer vorläufigen Befriedigung des Gläubigers führt, jedoch wird sie nur in sehr engen Grenzen zugelassen.41 Auch das selbständige Beweisverfahren (§§ 485 ff. ZPO) ist kein Mittel für den Gläubiger, schneller zu einem Zahlungstitel zu kommen. Es hat vielmehr die Aufgabe, im Rahmen eines Prozesses oder auch unabhängig von einem Prozess Tatsachen vorsorglich festzustellen. Mit dem Urkundenprozess stellt die ZPO hingegen ein erleichtertes summarisches Verfahren zur schnellen Erlangung eines zunächst vorläufigen Vollstreckungstitels zur Verfügung. Allerdings ist hierfür Voraussetzung, dass der Zahlungsanspruch durch Urkunden belegt werden kann (vgl. § 592 ZPO). Diese Voraussetzung wird jedoch bei einem Konflikt, in dem viele Tatsachen im Streit stehen, nur äußerst selten erfüllt sein. Dies war der eigentliche Grund, weshalb der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen die sog. Fertigstellungsbescheinigung (§ 641a BGB) eingeführt hatte. Durch diese Urkunde sollte es dem Unternehmer ermöglicht werden, auf dem Wege des Urkundenprozesses rasch zu einem Zahlungstitel zu kommen. Wie oben dargelegt, hat sich die Fertigstellungsbescheinigung in der Praxis aber nicht durchgesetzt und soll daher durch das FoSiG (Art. 1 Nr. 4) wieder abgeschafft werden. Nun gibt es allerdings im normalen Hauptsacheverfahren auch die Möglichkeit, dass das Gericht ein Teilurteil (§ 301 ZPO) oder ein – auflösend bedingtes – Vorbehaltsurteil (§ 302 ZPO)42 erlässt. Es handelt sich hierbei um Endurteile, aus denen vollstreckt werden kann. Gleichwohl kommt es in den oben angesprochenen Fallkonstellationen nicht allzu häufig zu einem solchen Urteil. So besteht weder beim Teilurteil noch beim Vorbehaltsurteil ein Antragsrecht der Parteien. Der Erlass des Teil- oder Vorbehaltsurteils steht zudem im Ermessen des Gerichts. Beim Teilurteil kommt hinzu, dass es nur erlassen werden kann, wenn ____________

40 In § 1615 o BGB und in den §§ 620 ff. ZPO finden sich Fälle, in denen das Gesetz eine vorläufige Anspruchsbefriedigung ausdrücklich gestattet. 41 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-Hartmann, ZPO, 63. Aufl., Vor § 916 Rz. 6 ff. 42 Siehe auch – für den Urkundenprozess – § 599 ZPO.

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bei mehreren in einem Prozess miteinander verbundenen Streitgegenständen einer bereits entscheidungsreif ist oder wenn es einen selbständigen, abgrenzbaren Teil des Streitgegenstandes erledigt. Außerdem darf es nur ergehen, wenn es durch das Schlussurteil unter keinen Umständen mehr berührt werden kann, wenn demnach die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist.43 Im Übrigen normiert die ZPO nicht ausdrücklich die richterliche Pflicht, nach einem Teilurteil den noch nicht entschiedenen Teil zu fördern. Allerdings ist das Bestehen einer solchen Pflicht durch die Rechtsprechung anerkannt.44 Angesichts dieser nur sehr eingeschränkten prozessualen Möglichkeiten, zügig zu einem wenigstens vorläufigen Zahlungstitel zu kommen, zielt das FoSiG auch auf Änderungen des Verfahrensrechts ab. Dabei wird eine zweigleisige Strategie verfolgt. Zum einen sollen die bestehenden Bestimmungen zum Teil- und Vorbehaltsurteil geändert und zum anderen mit der vorläufigen Zahlungsanordnung ein neues prozessrechtliches Institut in die ZPO eingeführt werden.

2. Teilurteil Durch das FoSiG (Art. 3 Nr. 3) soll die Bestimmung des § 301 ZPO in dreifacher Hinsicht geändert werden. Erstens soll der Erlass eines Teilurteils beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Regel werden. Nur noch in zwei Ausnahmefällen – der entscheidungsreife Teil ist im Verhältnis zum übrigen Gegenstand des Rechtsstreits geringfügig, oder es ist abzusehen, dass auch der verbleibende Teil alsbald entscheidungsreif ist – soll es unterbleiben können (§ 301 Abs. 2 ZPO-E). Zweitens sollen die Parteien künftig das Recht erhalten, den Erlass eines Teilurteils zu beantragen (§ 301 Abs. 3 Satz 1 ZPO-E). Damit kann das Gericht von einer Partei gezwungen werden, über das Vorliegen der Teilurteilsvoraussetzungen zu entscheiden.45 Meint das Gericht, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils nicht vorliegen, hat es den Antrag durch kurz zu begründenden Beschluss zurückzuweisen. Dieser ist nicht anfechtbar (§ 301 Abs. 3 Satz 2 ZPO-E). Drittens schließlich soll in der ZPO ausdrücklich die Pflicht des Gerichts normiert werden, dem nicht vom Teilurteil erfassten Restteil des ____________

43 BGH, NJW 1992, 511; 1996, 1478; 2000, 958 (960). 44 OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2003, 145 f.; vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 301 Rz. 12. 45 Kritisch hierzu Peters, NZBau 2004, 1 (9).

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Rechtsstreits „Fortgang zu geben“, und zwar auch dann, „wenn gegen das Teilurteil ein Rechtsmittel eingelegt wird“ (§ 301 Abs. 4 ZPO-E). Damit soll seitens des Gesetzgebers verdeutlicht werden, dass es nicht angeht, dass ein Gericht nach Erlass eines Teilurteils, gegen das Rechtsmittel eingelegt worden ist, den übriggebliebenen Streitstoff solange unbehandelt lässt, bis die nächste Instanz über das Teilurteil entschieden hat.

3. Vorbehaltsurteil Parallel zur Situation beim Teilurteil soll durch Art. 3 Nr. 4 FoSiG auch beim Vorbehaltsurteil (§ 302 ZPO) festgeschrieben werden, dass das Vorbehaltsurteil beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich zu erlassen ist und nur dann unterbleiben kann, „wenn abzusehen ist, dass die Aufrechnung alsbald zur Entscheidung reif sein wird“ (§ 302 Abs. 1 Satz 2 ZPO-E). Ebenfalls in Anlehnung an die bereits beschriebene Neuausrichtung des Teilurteils soll es künftig auch beim Vorbehaltsurteil ein Antragsrecht der Parteien geben (§ 302 Abs. 2 a ZPO-E).

4. Einführung einer vorläufigen Zahlungsanordnung Mit der vorläufigen Zahlungsanordnung betritt das FoSiG prozessuales Neuland. Mit Hilfe dieses neuen Rechtsinstituts soll es dem Kläger ermöglicht werden, unter bestimmten Umständen schon vor Eintritt der Entscheidungsreife einen vorläufigen Zahlungstitel zu erhalten. Während das Teilurteil und das Vorbehaltsurteil voraussetzen, dass der Streitstoff, über den das Urteil ergehen soll, entscheidungsreif ist, soll die vorläufige Zahlungsanordnung unter bestimmten Voraussetzungen schon im Vorfeld ergehen können. a) Standort, Anwendungsbereich und Verfahrensmodalitäten Art. 3 Nr. 5 FoSiG sieht vor, die vorläufige Zahlungsanordnung in einem neu einzufügenden § 302a ZPO-E zu verankern. Der Anwendungsbereich des neuen Rechtsinstituts soll dabei nicht auf den Bauprozess beschränkt sein, da – wie bereits oben dargestellt – eine durch eine umfangreiche Beweisaufnahme bedingte sehr lange Verfahrensdauer zwar typischerweise bei Bauprozessen auftritt, aber auch bei anderen Verfahren vorkommen und zu Härten für den Kläger führen kann. Daher 21

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haben die Verfasser des FoSiG das neue Verfahrensinstrument für alle Zahlungsansprüche eröffnet (vgl. § 302a Abs. 1 ZPO-E). Um nicht neben dem Hauptsacheverfahren ein weiteres Verfahren zum Erlass einer vorläufigen Zahlungsanordnung betreiben zu müssen, was den Aufwand für alle Beteiligten deutlich erhöhen würde, ist die vorläufige Zahlungsanordnung in das Hauptsacheverfahren eingebettet. Sie kann demnach nur dann ergehen, wenn das Hauptsacheverfahren bereits angelaufen ist. Sie erfordert einen entsprechenden Antrag des Klägers. Außerdem kann sie nur auf Grund mündlicher Verhandlung erlassen werden (§ 302a Abs. 2 ZPO-E). Damit wird gewährleistet, dass der Erlass nicht vor einem bestimmten Verfahrenszeitpunkt erfolgen kann. Dies stellt sicher, dass dem Gericht vor seiner positiven Entscheidung ein Mindestmaß an Erkenntnisgrundlagen zur Verfügung steht. Da es letztlich beim Erlass der vorläufigen Zahlungsanordnung um eine zumindest teilweise Vorwegnahme der Hauptsache geht, ist diese Voraussetzung gerade zum Schutze des Beklagten sehr wichtig. Kommt das Gericht hingegen bereits vor der mündlichen Verhandlung zu der Erkenntnis, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Zahlungsanordnung nicht vorliegen, kann es den Antrag auch ohne mündliche Verhandlung zurückweisen. Dies ist zwar nicht in § 302a ZPO-E geregelt, ergibt sich jedoch aus dem allgemeinen Grundsatz des § 128 Abs. 4 ZPO. Das Gericht der Hauptsache entscheidet über den klägerischen Antrag auf Erlass der vorläufigen Zahlungsanordnung durch unanfechtbaren Beschluss (§ 302a Abs. 7 ZPO-E). Damit wird sichergestellt, dass ein Streit zwischen den Parteien um die vorläufige Zahlungsanordnung das Hauptsacheverfahren nicht noch zusätzlich in die Länge zieht. Das Gericht ist in seiner Entscheidung frei, ob und in welchem Umfang es eine vorläufige Zahlungsanordnung erlässt. Es herrscht kein Allesoder-nichts-Prinzip. So kann die Zahlungsanordnung auch lediglich über einen Teil des vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruchs ergehen.46 Im Gegensatz zum Teilurteil muss es sich dabei auch nicht um einen selbständigen, abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes handeln. Das Gericht hat eine von ihm erlassene vorläufige Zahlungsanordnung auf Antrag abzuändern oder aufzuheben, allerdings nur dann, wenn sich die für ihren Erlass maßgeblichen Verhältnisse wesentlich geändert haben (§ 302a Abs. 4 ZPO-E). ____________

46 Dies ergibt sich aus dem Wort „soweit“ in § 302a Abs. 1 ZPO-E.

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Die vorläufige Zahlungsanordnung ist lediglich vorläufiger Natur. Sie tritt deshalb mit der instanzabschließenden Entscheidung des Gerichts außer Kraft. Das Gleiche gilt, wenn die Klage zurückgenommen worden ist oder eine anderweitige Regelung (z. B. ein Vergleich) wirksam wird (§ 302a Abs. 6 Satz 1 ZPO-E). Die vorläufige Zahlungsanordnung steht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Endurteil gleich (§ 302a Abs. 3 Satz 1 ZPO-E). Sie ist damit – entsprechend der Zielsetzung des FoSiG – der Vollstreckungstitel, den der Kläger unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor Entscheidungsreife des Rechtsstreits erlangen kann. Vollstreckt der Kläger aus der vorläufigen Zahlungsanordnung und stellt sich später heraus, dass dem Kläger der durch die Anordnung geltend gemachte Zahlungsanspruch doch nicht zustand, hat der Beklagte gegen den Kläger einen Schadensersatzanspruch (§ 302a Abs. 8 ZPO-E). b) Entscheidungskriterien Nachdem im Vorangegangenen lediglich die Verfahrensmodalitäten beschrieben wurden, stellt sich nunmehr die Frage, was die Maßstäbe sind, anhand deren das Gericht zu entscheiden hat, ob eine vorläufige Zahlungsanordnung zu erlassen ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird mit der Einführung dieses neuen Rechtsinstituts das Ziel verfolgt, „dem Kläger in den Fällen vorläufigen Rechtschutz zu verschaffen, in denen ihm bei hoher Erfolgsaussicht seiner Klage ein weiteres Zuwarten auf die Titulierung angesichts der damit verbundenen Auswirkungen auch in Ansehung der Beklagteninteressen nicht mehr zugemutet werden soll“47. Auf dieser Vorgabe beruhen die Entscheidungskriterien, die in § 302a Abs. 1 ZPO-E geregelt sind. Danach erlässt das Gericht die vorläufige Zahlungsanordnung, „soweit […] die Klage nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hohe Aussicht auf Erfolg hat und […] die Anordnung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt ist, die sich aus der voraussichtlichen Verfahrensdauer ergeben“. Der Erlass einer vorläufigen Zahlungsanordnung hängt also davon ab, dass das „Erfolgsmoment“ (hohe Erfolgsaussicht) und das „Zeitmoment“ (voraussichtliche Verfahrensdauer) gemeinsam eine besondere Belastung des Klägers begründen. Es ist dabei Aufgabe des Gerichts, zu diesen beiden Kriterien auf Grundlage des jeweiligen Verfahrensstandes eine Prognose zu treffen. Fällt sie zugunsten des Klägers aus, hat der Richter ____________

47 BT-Drucks. 15/3594 vom 14.7.2004, S. 13.

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anschließend eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, die neben den Prognoseergebnissen auch die von den Streitparteien dargelegten Interessen, die glaubhaft zu machen sind, einbeziehen muss. Nach § 302a Abs. 1 Nr. 1 ZPO-E ist also anders als bei einem der Klage stattgebenden Endurteil keine volle richterliche Überzeugung (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erforderlich. Es reicht vielmehr aus, dass die Klage aus Sicht des Richters nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hohe Aussicht auf Erfolg hat. Bei dieser Einschätzung hat der Richter neben dem bisherigen Vortrag der Parteien auch die bis dahin vorliegenden Beweisergebnisse zu berücksichtigen. Die Gesetzesbegründung nennt hierzu exemplarisch drei Fallkonstellationen, in denen eine hohe Erfolgsaussicht der Klage in Betracht kommen kann.48 Zu denken ist z. B. an das Vorliegen eines sog. qualifizierten Privatgutachtens. Kommt einer gutachterlichen Stellungnahme eine erhöhte Richtigkeitsgewähr zu, weil sich die Streitparteien gemeinsam auf die Person des Sachverständigen geeinigt haben oder weil der Gutachter sich bei einem gemeinsamen Ortstermin auch mit den Einwendungen des Beklagten befasst hat, so können die Ergebnisse des Gutachtens je nach Inhalt eine hohe Erfolgsaussicht der Klage begründen. Oftmals wird auch ein bereits vorliegendes gerichtliches Sachverständigengutachten, das aus irgendwelchen Gründen noch der Ergänzung bedarf, den Schluss auf eine hohe Erfolgsaussicht der Klage rechtfertigen können. Drittens kann eine hohe Erfolgsaussicht auch dann gegeben sein, wenn der Kläger den ihm obliegenden Hauptbeweis geführt hat und der Richter begründete Zweifel an der Substanzhaltigkeit des vom Beklagten geltend gemachten Gegenbeweises hegt. Bejaht der Richter die hohe Erfolgsaussicht der Klage, so hat er in einem zweiten Schritt eine Prognose über die voraussichtliche Verfahrensdauer vorzunehmen. Kommt er dabei zu dem Ergebnis, dass das weitere Zuwarten angesichts der hohen Erfolgsaussicht und der weiteren Verfahrensdauer eine besondere Belastung für den Kläger darstellen würde, hat er in eine umfassende Abwägung der Interessen des Klägers und des Beklagten einzutreten. Neben den Prognosen zum Erfolgs- und Zeitmoment hat er dabei die von den Parteien glaubhaft gemachten Interessen in seine Erwägungen einzubeziehen.49

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48 BT-Drucks. 15/3594 vom 14.7.2004, S. 19 f. 49 BT-Drucks. 15/3594 vom 14.7.2004, S. 13.

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Will der Kläger mit seinem Antrag auf Erlass einer vorläufigen Zahlungsanordnung erfolgreich sein, wird er dem Gericht glaubhaft machen müssen, dass die voraussichtliche weitere Verfahrensdauer für ihn große negative Folgen hätte und dass die vorläufige Titulierung des von ihm geltend gemachten Zahlungsanspruchs geeignet wäre, diese Auswirkungen zu verhindern. Ebenso obliegt es dem Beklagten, darzulegen und glaubhaft zu machen, welche negativen Konsequenzen der Erlass einer vorläufigen Zahlungsanordnung zugunsten des Klägers für ihn hätte.

VI. Verbesserungen im Bereich der Zwangsvollstreckung 1. Nacherfüllungsbescheinigung Wie bereits oben angedeutet, sollen durch das FoSiG auch im Bereich des Zwangsvollstreckungsverfahrens Verbesserungen zugunsten des Gläubigers erreicht werden. Dies betrifft zunächst den Fall der Nacherfüllungsbescheinigung. Ist z. B. der Besteller zwar zur Zahlung der Vergütung verurteilt worden, aber nur Zug um Zug gegen Beseitigung der im Urteil aufgeführten Mängel, darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht beginnen, bevor er den Besteller nicht durch das Angebot der Nacherfüllung in einen Annahmeverzug gesetzt hat. Der Gerichtsvollzieher braucht dem Besteller allerdings dann ausnahmsweise keine Mängelbeseitigung anzubieten, wenn der Beweis der Befriedigung des Bestellers – oder auch seines Annahmeverzugs – durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird (vgl. § 756 Abs. 1 ZPO). Da dieser Ausnahmefall aber nur selten eingreifen dürfte, muss sich der Gerichtsvollzieher notfalls durch die von ihm selbst zu veranlassende Beauftragung eines Sachverständigen vergewissern, dass der Unternehmer ordnungsgemäß nachgebessert hat.50 Nach geltendem Recht steht es dem Unternehmer nicht zu, selbst die erforderliche Begutachtung zu veranlassen.51 Dies soll durch das FoSiG geändert werden. Um das Verfahren zu beschleunigen, soll künftig – so der neue § 756 Abs. 1a ZPO-E – der Nachweis, dass der Schuldner – im Beispielsfall der Besteller – durch Nacherfüllung befriedigt ist, auch durch die Bescheinigung eines Gutachters erbracht werden können. Gutachter kann dabei „eine sachkundige Person oder Stelle [sein], ____________

50 Zöller-Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 756 Rz. 7. 51 OLG Köln, MDR 1986, 1033.

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auf die sich Gläubiger und Schuldner nach Entstehen der Streitigkeit schriftlich verständig haben“. Als Gutachter kann aber auch „ein auf Antrag des Gläubigers durch eine Industrie- und Handelskammer, eine Handwerkskammer, eine Architekten- oder Ingenieurkammer oder eine Landwirtschaftskammer bestimmter öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ fungieren. Das vom Gutachter einzuhaltende Verfahren ist im einzelnen in § 756 Abs. 1a Satz 3 bis 6 ZPO-E geregelt. Es orientiert sich an den bisherigen Bestimmungen zur Fertigstellungsbescheinigung (§ 641a Abs. 3 und 4 BGB), die zwar durch das FoSiG aufgehoben werden sollen, aber im Zusammenhang mit der Nacherfüllungsbescheinigung eine Wiederbelebung erfahren könnten.52 Die Nacherfüllungsproblematik stellt sich bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung nicht nur für den Gerichtsvollzieher, sondern in vergleichbarer Weise auch für das Vollstreckungsgericht (vgl. § 765 ZPO). Konsequenterweise soll deshalb § 765 ZPO um einen Satz 2 ergänzt werden, nach dem die Bestimmung des § 756 Abs. 1a ZPO entsprechend gelten soll.

2. Erweiterte Auskunftsrechte Eine besondere Schwierigkeit stellt sich für Gläubiger im Rahmen der Zwangsvollstreckung, wenn der Schuldner mittlerweile unbekannten Aufenthalts ist. Hat sich der Schuldner nicht umgemeldet, geht eine Melderegisterauskunft ins Leere. Von daher liegt es nahe, die Auskunftsmöglichkeiten des Gläubigers zu verbessern. Das FoSiG will dies in zweifacher Weise erreichen. a) Auskunftsrechte nach StVG Zum einen soll es dem Gläubiger durch eine Änderung des StVG (Art. 14 FoSiG) ermöglicht werden, bestimmte im Fahrzeugregister der Kfz-Zulassungsbehörde bzw. des Kraftfahrt-Bundesamtes gespeicherte Halterdaten abzurufen, wenn er glaubhaft macht, dass er die Daten zur Vollstreckung eines Zahlungstitels benötigt, dem ein Anspruch im Werte von mindestens 3.000 Euro zugrunde liegt. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit soll er dieses Auskunftsersuchen allerdings nur dann mit Erfolg geltend machen können, wenn er alle anderen Erkenntnismittel – etwa das Ersuchen an die Meldebehörden – erfolglos ausgeschöpft hat. ____________

52 Kritisch insoweit die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme; vgl. BTDrucks. 15/3594 vom 14.7.2004, S. 29.

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b) Auskunftsrechte nach SGB X Der zweite Weg, der in die gleiche Richtung zielt, ist ein Auskunftsersuchen bei einer Sozialbehörde. Diese soll – so Art. 13 FoSiG – künftig nach § 68a SGB X-E verpflichtet sein, dem Gläubiger auf Antrag die Anschrift eines Schuldners und seinen derzeitigen oder zukünftigen Aufenthalt zu übermitteln, wenn der Empfänger glaubhaft macht, dass er die Daten zur Vollstreckung eines Zahlungstitels, dem ein Anspruch von wiederum mindestens 3.000 Euro zugrunde liegt, benötigt, er ohne Kenntnis der Daten zur Vollstreckung des Anspruchs nicht in der Lage wäre und er die Daten auf andere Weise entweder nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erlangen könnte.

VII. Erweiterte Ausschlusstatbestände bei Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern Neben den oben dargestellten Regelungen auf dem Gebiet des materiellen Rechts, des Verfahrensrechts und des Vollstreckungsrechts sieht das FoSiG noch einen weiteren Schutzmechanismus vor. Er soll den redlichen Geschäftsverkehr besser als bisher davor schützen, dass sich Personen der Rechtsform einer GmbH oder Aktiengesellschaft bedienen, um einen Vertragspartner zum eigenen Nutzen zu benachteiligen, ohne persönlich dafür haften zu müssen, weil sie lediglich als Vertreter der juristischen Person gehandelt haben. Bereits nach geltender Rechtslage (vgl. § 6 Abs. 2 GmbHG bzw. § 76 Abs. 3 AktG) sind Personen für die Dauer von 5 Jahren von der Wahrnehmung der Funktion des Geschäftsführers einer GmbH bzw. des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft ausgeschlossen, wenn sie bestimmte Straftaten begangen haben. Namentlich sind dies die Straftatbestände des Bankrotts, der Verletzung der Buchführungspflicht, der Gläubigerbegünstigung und der Schuldnerbegünstigung. Nach Ansicht der Verfasser des FoSiG ist der Katalog dieser Ausschlusstatbestände zu eng gefasst. Die „schwarzen Schafe“ unter den Führungspersonen sollen in größerem Umfang als bisher für die Dauer von 5 Jahren von den Leitungsfunktionen in einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft ausgeschlossen sein. Deshalb soll durch Art. 9 und 11 FoSiG der Katalog der Ausschlussgründe deutlich erweitert werden. So sollen auch Verurteilungen nach den §§ 82 und 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG in die Ausschlussgründe mit einbezogen werden. Wer als Gesellschafter oder Geschäftsführer im Zusammenhang mit der Gründung einer Ge27

Dr. Holger Fibich

sellschaft, der Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals oder in öffentlichen Mitteilungen vorsätzlich falsche Angaben macht oder eine vorsätzliche Insolvenzverschleppung begeht, ist danach – zumindest für die Dauer von fünf Jahren – für eine Geschäftsführertätigkeit nicht geeignet. Außerdem wird es für sinnvoll erachtet, über die schon jetzt erfassten, oben erwähnten Straftatbestände des Strafgesetzbuchs hinaus auch eine Verurteilung wegen Betrugs, Computerbetrugs, Subventionsbetrugs, Kapitalanlagebetrugs, Kreditbetrugs, wegen Untreue und des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie wegen Benachteilung von Baugeldgläubigern als Ausschlussgrund vorzusehen, allerdings nur für den Fall, dass es zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr gekommen ist.

VIII. Inkrafttreten des FoSiG Um den Rechtsanwendern genügend Zeit einzuräumen, sich mit der neuen Rechtslage vertraut zu machen und sich insbes. auf die vorläufige Zahlungsanordnung einzustellen, soll das FoSiG nach Art. 17 des Gesetzentwurfs erst am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft treten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass § 302a ZPO-E zunächst lediglich befristet gelten soll. So ist nach § 29 EGZPO-E (Artikel 4 des FoSiG) vorgesehen, dass § 302a ZPO-E mit Ablauf des 31. Dezember 2009 nicht mehr anzuwenden ist. Der bis dahin verbleibende Zeitraum soll nach den Vorstellungen der Entwurfsverfasser genutzt werden, um die Praxistauglichkeit des neuen Prozessinstituts zu erproben53. Die Bundesregierung geht in ihrer Stellungnahme zum Bundesratsentwurf noch weiter. Sie regt an, im FoSiG selbst die Evaluierung des § 302 a ZPO-E anzuordnen.54 Sollten die Erfahrungen mit der vorläufigen Zahlungsanordnung positiv sein, wird eine Verlängerung der Geltungsdauer oder der vollständige Wegfall der Befristung in Betracht zu ziehen sein. Außerdem wird dann ggf. über eine Ausweitung des Anwendungsbereichs nachzudenken sein.

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53 BT-Drucks. 15/3594 vom 14.7.2004, S. 23. 54 BT-Drucks. 15/3594 vom 14.7.2004, S. 29.

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Forderungssicherungsgesetz – Sicherung von Werkunternehmeransprüchen

IX. Ausblick: Weiterentwicklung des Bauvertragsrechts Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Verbesserung der Zahlungsmoral“ stand zu Beginn der Wiederaufnahme ihrer Beratungen Anfang 2003 an einem Scheideweg. Sie hatte darüber zu befinden, ob sie sich zunächst auf das Thema „Forderungssicherungsgesetz“ beschränkt oder ob sie das Problem der mangelnden Zahlungsmoral im Zusammenhang mit einer Gesamtrevision des Bauvertragsrechts behandelt. Angesichts der großen Schwierigkeiten, die das unzureichende Zahlungsverhalten vieler Schuldner insbes. dem Handwerk bereitet, hat sie sich für ein zweistufiges Vorgehen entschieden. Danach sollten zunächst auf der Grundlage des Bundesratsentwurfs Vorschläge zur Zahlungsmoralproblematik erarbeitet werden. In einem zweiten Schritt sollte dann geprüft werden, ob und in welchem Umfang eine Neugestaltung des Bauvertragsrechts insgesamt erforderlich ist. Entsprechend dieser Zielsetzung ist die Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgegangen. Nachdem sie im Juni 2004 ihre Beratungen zum FoSiG beendet und einen Abschlussbericht vorgelegt hat, beschäftigt sie sich nunmehr mit dem Bauvertragsrecht. Ziel ihrer Arbeit ist es, „unter umfassender Beteiligung der gerichtlichen Praxis sowie der betroffenen Verbände und der Wissenschaft ergebnisoffen zu überprüfen, ob sich das geltende Bauvertragsrecht bewährt hat oder ob insoweit Änderungsbedarf besteht“.

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Forderungssicherungsgesetz – Kritische Anmerkungen und Konsequenzen für die Praxis1 Hans Christian Schwenker, Rechtsanwalt und FA für Bau- und Architektenrecht, Celle

Inhaltsübersicht I. Historischer Überblick II. Forderungssicherungsgesetz 1. Erster Entwurf 2. Aktueller Entwurf a) Abschlagszahlungen, § 632a BGB b) Fälligkeit der Vergütung, § 641 BGB c) Fertigstellungsbescheinigung, § 641a BGB (geltende Fassung)

d) Bauhandwerkersicherung, § 648a BGB e) Vergütung bei freier Kündigung, § 649 Satz 3 BGB f) Teil- und Vorbehaltsurteil, §§ 301–302 ZPO g) Vorläufige Zahlungsanordnung, § 302a ZPO III. Ausblick: Fortbestehende Probleme des Bauprozesses

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I. Historischer Überblick Das am 1. Januar 1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch hat im „Werkverträge und ähnliche Verträge“2 überschriebenen 7. Titel des 7. Abschnitts des 2. Buches, den §§ 631–651 BGB, bis zum Ende des 20. Jahrhunderts verhältnismäßig wenige Änderungen erfahren3. Lediglich 1941 ist durch die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken4 der heute noch bestehende § 648 Abs. 2 BGB (Schiffshypothek) in das Gesetz ein-

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Um Fußnoten ergänzte und erweiterte Fassung. Die Vortragsform ist beibehalten worden. Die Überschrift lautete ursprünglich nur „Werkvertrag“. Durch das Reisevertragsgesetz vom 4.5.1979 (BGBl. I 509), mit dem ab 1.10.1979 §§ 651 a–k BGB eingefügt wurden, wurde die Überschrift in „Werkvertrag und ähnliche Verträge“ geändert. Einen hervorragenden Überblick bietet die Staudinger/BGB-Synopse 1896– 2000, in der sich die Novellierungen des BGB bis 2000 nachverfolgen lassen. SchRG-VO vom 21.12.1940 RGBl I 1609, in Kraft getreten am 1.1.1941.

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Hans Christian Schwenker

gefügt worden.5 Erst ab den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts häuften sich die Novellierungen. Zunächst wurde 1993 der in seinem Gehalt noch heute umstrittene6 § 648a (Bauhandwerkersicherung)7 geschaffen. Als sich auch mit dieser Vorschrift die von den Bauunternehmern stets lautstark und mit großer Resonanz beim Gesetzgeber beklagte finanzielle Lage des Baugewerbes nicht verbesserte, kam es mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen, das am 1.5.2000 in Kraft getreten ist8, zu erheblichen Eingriffen in das bewährte Gefüge der §§ 631 ff. BGB9. Angesprochen seien in diesem Zusammenhang nur mit dem nunmehr in § 632a BGB im Gesetz verankerten Anspruch des Unternehmers auf Abschlagszahlungen oder der Fertigstellungsbescheinigung des § 641a BGB zwei Vorschriften, von denen sich der Gesetzgeber eine Verbesserung der materiellen Lage der Werkunternehmer versprochen hatte, die aber jeweils derartig viel Probleme aufweisen, dass ihr Nutzen gering ist10. Dies hat mittlerweile auch der Gesetzgeber eingesehen, räumt doch die Begründung des Entwurfes eines „Gesetzes zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen“ (Forderungssicherungsgesetz – FoSiG) ein, dass das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen angesichts von „Forderungsausfällen in Millionenhöhe und einer steigenden Anzahl von Insolvenzen“ „keine Wende gebracht“ hat11. Zwischen dem „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“ und dem Forderungssicherungsgesetz liegt allerdings noch die am 1.1.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsreform, deren Auswirkungen auf das Werkvertragsrecht des BGB bis heute ungeklärt sind12. Gleich____________

5 Das Pfandrecht an einem im Schiffsregister eingetragenen Schiff war zuvor in §§ 1259 ff. BGB geregelt, bezüglich im Bau befindlicher Schiffe in dem Gesetz vom 4.7.1926 (RGBl I 367). Das SchiffsregisterG vom 15.11.1940 (RGBl I 1499) ist an deren Stelle getreten; § 648 Abs. 2 BGB ist durch die 1. DVO (SchRG-VO) eingefügt worden; Einzelheiten bei Staudinger/Peters (2003), BGB, § 648 Rz. 54 ff. 6 Einzelheiten bei Erman-Schwenker, BGB, 11. Aufl., § 648a Rz. 5 ff. 7 Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Bauhandwerkersicherung) und anderer Gesetze (BauhandwerkersicherungsG) vom 27.4.1993 (BGBl. I 509), in Kraft getreten am 1.5.1993. 8 BGBl. I 330. 9 Vgl. dazu nur statt vieler: v. Craushaar BauR 2001, 471 ff., Kniffka ZfBR 2001, 227 ff. 10 Einzelheiten zu § 632a BGB bei Erman-Schwenker § 632a Rz. 3 ff., Karczewski/Vogel BauR 2001, 859 ff.; zu § 641a Erman-Schwenker § 641a Rz. 4 ff. 11 BT Drucksache 15/3594 S. 1. 12 Vgl. dazu nur: Thode NZBau 2002, 297 ff. und 360 ff.

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zeitig mit dem neuen Schuldrecht ist die ZPO-Reform in Kraft getreten, die nicht nur im Berufungsrecht zahlreiche Änderungen gebracht hat und inzwischen ihrerseits durch das ausdrücklich als solches bezeichnete „Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz“ vom 24.8.2004 (JuMoG)13 – wenn auch nur unzureichend – nachgebessert worden ist14. Dass die Währungsumstellung von der Deutschen Mark auf den Euro ebenfalls zum 1.1.2002 erhebliche Umstellungsschwierigkeiten mit sich gebracht hat, wird jedem noch in Erinnerung sein. Die Erfahrungen, die die Praxis mit den angesprochenen Rechtsänderungen gemacht hat, hindern den Gesetzgeber – oder besser: die dessen Stelle einnehmende Ministerialbürokratie15 – aber nicht, in seinem von Aktionismus gezeichneten Verhalten fortzufahren. Nicht nur für das materielle Werkvertragsrecht, das nach der Schuldrechtsreform im wesentlichen Bauund Architektenrecht ist16, soll das Forderungssicherungsgesetz weitere Änderungen bringen. Darüber hinaus sieht das Gesetz mit dem neuen Institut der Vorläufigen Zahlungsanordnung eine einschneidende Änderung des Erkenntnisverfahrens vor. Ein Schlusspunkt der Justizreformen ist damit aber noch nicht erreicht: soeben hat die Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 25.11.2004 in Berlin Eckpunkte für eine „Große Justizreform“ verabschiedet17, die zu weiteren einschneidenden Eingriffen in das Justizsystem führen würden. Daneben steht eine (weitere) Reform des gesetzlichen Werkvertragsrechts an. Beim Bundesministerium der Justiz ist eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die überprüfen soll, ob sich das geltende Bauvertragsrecht bewährt hat oder ob insoweit Änderungsbedarf besteht. Der von der Arbeitsgruppe versandte Fragebogen18 soll bis April 2005 von den angeschriebenen Verbänden und Wissenschaftlern beantwortet werden. Festzustellen ist somit, dass sowohl das materielle Bauvertragsrecht als auch das Prozeßrecht kaum noch das Mindestmaß an Beständigkeit aufweisen, das (unter anderem) Rechtssicherheit zu garantieren vermag19. Für den Praktiker besteht mittlerweile, um es pointiert auszudrücken, die größte Schwierigkeit in der Rechtsanwendung darin, anhand der ein____________

13 BGBl. I 2148. 14 Vgl. dazu: Fölsch MDR 2004, 1029 ff., Hirtz AnwBl 2004, 503 ff. 15 Zu deren Rolle bei heutigen Gestzgebungsverfahren: Schwenker/Heinze BauR 2002, 1143 ff., 1145 bei Fn 23. 16 Erman-Schwenker, § 651 Rz. 4 ff. 17 Vgl. dazu Heister-Neumann ZRP 2005, 12 ff. 18 Im Wortlaut abgedruckt bei Horne BauR 2005, 449 ff. (461 f.). 19 Rüthers, Rechtstheorie, 2. Aufl., Rz. 387.

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schlägigen intertemporalen, häufig nur schwer aufzufindenden Normen festzustellen, welches Recht auf den ihm zur Beurteilung vorliegenden Sachverhalt anwendbar ist. Dass die dabei unvermeidlich auftretenden Fehler in der Beurteilung zu Lasten der Rechtssuchenden gehen, bedarf keiner näheren Begründung.

II. Forderungssicherungsgesetz 1. Erster Entwurf Bereits am 21.6.2002 hatte der Bundesrat auf Betreiben der Bundesländer Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt beschlossen20, einen Entwurf für ein Forderungssicherungsgesetz beim Deutschen Bundestag einzubringen. Dieser Gesetzesentwurf fiel mit Ablauf der 14. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages dem Grundsatz der Diskontinuität zum Opfer21. Der Entwurf zeichnete sich in seinem das Zivilprozeßrecht umfassenden Teil dadurch aus, dass mit den neuen §§ 940 b–e ZPO eine Vorläufige Zahlungsanordnung in Bausachen geschaffen werden sollte, die im Wege des Vorläufigen Rechtsschutzes dem Unternehmer eines Bauwerkes einen auf Befriedigung seiner Vergütungsforderung gerichteten Titel verschaffen sollte. Von den drei alternativ zur Diskussion gestellten Modellen ging das am weitestgehende so weit, dass Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung eintreten sollte. Das Insolvenzrisiko wäre somit ohne sachlichen Grund auf den Geldschuldner verlagert worden. Gegen diese Lösung sind schon früh rechtsstaatliche Bedenken geltend gemacht worden, weil damit ein „erheblicher Eingriff in die Grundstrukturen des Prozessrechts“ verbunden sei, mit dem „die gewöhnlichen Sicherungsmechanismen des Prozessrechts … ausgeschaltet (würden).“22 Der modifizierte Bundesratsentwurf, der im Vorreferat eingehend dargestellt worden ist,23 weist gegenüber dem ersten Entwurf insbesondere im zivilprozessrechtlichen Teil derartige Änderungen auf, dass eine Neubewertung veranlasst ist.

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BR-Drucks. 141/02. Horne BauR 2005, 449. Kniffka IBR 2003, 714 ff. Dazu im Einzelnen: Frerick ZfBR 2004, 627 ff., Horne BauR 2005, 449 ff.

Forderungssicherungsgesetz – Kritische Anm. und Konsequenzen für die Praxis

2. Aktueller Entwurf Trotz der gegenüber der ursprünglichen Fassung zu konstatierenden Verbesserung des Entwurfs sind aber aus der Sicht der Praxis weiterhin kritische Anmerkungen zu den einzelnen Vorschriften zu erheben: a) Abschlagszahlungen, § 632a BGB24 Die geltende Fassung des § 632a BGB ist praktisch kaum zu handhaben, weil sie einen Anspruch auf Abschlagszahlungen nur „für in sich abgeschlossene Teile des Werks“ gewährt.25 Zwar hatte sich der Gesetzgeber des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen26, mit dem der Anspruch des Unternehmers auf Abschlagszahlungen in das BGB eingefügt worden ist, erklärtermaßen die bewährte Regelung des § 16 Nr. 1 VOB/B zum Vorbild genommen. Während § 16 Nr. 1 VOB/B den Auftragnehmer berechtigt, Abschlagszahlungen entsprechend dem Wert der jeweils nachgewiesenen vertraglichen Leistung zu verlangen, kennt das BGB einen Anspruch nur „für in sich abgeschlossene Teile des Werks.“ Auch der Terminus „in sich abgeschlossene Leistungen“ stammt aus der VOB/B, allerdings aus der die Teilabnahme regelnden Vorschrift des § 12 Nr. 2 VOB/B27. Die Rechtsprechung zu § 12 Nr. 2 VOB/B ist äußerst restriktiv; eine in sich abgeschlossene Leistung wird nur angenommen, wenn diese in sich funktionsfähig ist, weil nur in diesem Fall die für die Abnahme notwendige Prüfung durch den Auftragnehmer möglich ist.28 Danach sind weder die Bautenstände des § 3 Abs. 2 MaBV in sich abgeschlossene Teile des Werkes noch Stockwerke29 noch einzelne Gewerke30. Die Anwendung der zur VOB/B entwickelten Kriterien hätte zur Folge, dass der Unternehmer nur in den seltensten Fällen Abschlagszahlungen verlangen könnte. Ob der Begriff der „in sich abgeschlossenen Teile des Werkes“ daher großzügiger auszulegen ist, um ein Leerlaufen der Norm zu vermeiden, ist höchstrichterlich nach wie vor ungeklärt.31 Die vorgeschlagene Neufassung des § 632a BGB gleicht die Anspruchsvoraussetzungen an das Vorbild des § 16 Nr. 1 VOB/B an, ____________

24 Die im folgenden ohne Zusatz zitierten §§ des BGB und der ZPO stellen die durch das FoSiG novellierten dar. 25 Dazu im Einzelnen: Erman-Schwenker § 632a Rz. 5 f. 26 BGBl. 2000 I 330. 27 Bis zur VOB/B 2000: § 12 Nr. 2 lit. a VOB/B. 28 Thode ZfBR 1999, 161 ff. (169 m. w. N.). 29 BGH, Urt. v. 30.6.1983 – VII ZR 185/81, BauR 1983, 573. 30 Peters NZBau 2000, 169. 31 Erman-Schwenker, § 632a Rz. 6 f. m. w. N.

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indem das Kriterium der in sich abgeschlossenen Teile des Werkes gestrichen wird.32 Voraussetzung ist aber nunmehr, dass die Teilleistung, für die eine Abschlagszahlung begehrt wird, dem Besteller „in nicht mehr entziehbarer Weise zur Verfügung gestellt wurden.“ Nach der Gesetzesbegründung zielt dieses – der VOB/B unbekannte – Kriterium auf andere Werkverträge als Bauverträge ab, insbesondere auf Verträge über die Erstellung individueller Software33. Derartige Verträge fallen nach wie vor unter das Werksvertragsrecht der §§ 631 ff. BGB.34 Offenkundig nicht beachtet worden ist aber, dass das neu eingefügte Kriterium dazu führen könnte, dass Architekten ein Anspruch auf Abschlagszahlungen nicht mehr zustehen könnte, weil nicht klar ist, wann ihren Auftraggebern eine geistige Leistung wie Planung und Bauüberwachung „in nicht mehr entziehbarer Weise zu Verfügung gestellt“ worden ist. Auf das Eigentum an der Immobilie wird man dabei jedenfalls nicht abstellen können, weil diese nicht mit dem geistigen Werk des Architekten identisch ist. Die Neuregelung in § 632a BGB steht somit im Widerspruch zu den Voraussetzungen, unter denen § 8 Abs. 2 HOAI dem Architekten einen Anspruch auf Abschlagszahlungen gewährt. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift ist zwar umstritten35; die ältere Rechtsprechung des BGH, die eine Verfassungswidrigkeit nicht annehmen wollte, ist überholt, weil sie noch davon ausgegangen ist, dass die HOAI auch Werkvertragsrecht enthalte.36 Trotzdem wäre es wünschenswert, dass der Gesetzgeber das Verhältnis des § 632a BGB zu § 8 Abs. 2 HOAI klarstellt. Nicht unproblematisch ist auch die Regelung des § 632a Abs. 2 BGB, nach der bei Erwerberverträgen Abschlagszahlungen nur verlangt werden können, „soweit sie gemäß einer Verordnung auf Grund von Art. 244 EGBGB vereinbart sind.“ Infrage kommt nach gegenwärtigem Rechtszustand nur die Verordnung über Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen vom 23.5.2001.37 Diese ist bereits durch ihre Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt, weil die Verordnung den von der Ermächtigungsnorm bezeichneten Gehalt nicht aufweist.38. Zudem werden zu ____________

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Horne BauR 2005, 449 ff. (450 f.). BR-Drucks. 458/04, S. 26. Erman-Schwenker, Vor §§ 631–651 Rz. 22 f. OLG Celle, Urt. v. 10.2.2000 – 14 U 36/99, BauR 2000, 763 mit kritischer Anm. Schwenker IBR 2000, 129. 36 Überholt durch das Urteil des BGH v. 24.10.1996 – VII ZR 283/95, BGHZ 133, 399. 37 BGBl. I 981. 38 Erman-Schwenker, § 632a Rz. 15 m. w. N.

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Forderungssicherungsgesetz – Kritische Anm. und Konsequenzen für die Praxis

Recht verfassungs- und nicht zuletzt europarechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Verordnung geltend gemacht.39 Das Abstellen auf die Verordnung führt dazu, dass der Unternehmer keine Abschlagszahlungen mehr verlangen kann, wenn die Unwirksamkeit der Verordnung vom Gericht festgestellt wird. Ob der Gesetzgeber dieser Rechtsfolge entgehen kann, indem er nicht auf die existierende Verordnung, sondern allgemein auf Verordnungen auf Grund von Art. 244 EGBGB abstellt, erscheint fraglich. Was die neu eingeführte Sicherheit des § 632a Abs. 3 BGB in Verbraucherverträgen in Höhe von 5 % des Vergütungsanspruchs anbelangt, die Ansprüche des Bestellers wegen „nicht rechtzeitiger Herstellung des Werkes ohne wesentliche Mängel“ absichern soll, so ist diese Regelung grundsätzlich zu begrüßen. Dass die bis zur Abnahme entstandenen Ansprüche des Bestellers durch eine einer Vertragserfüllungsbürgschaft vergleichbare gesetzliche Sicherheit im Regelfall in Form einer Bürgschaft abgesichert werden sollen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings scheint mir die vorgeschlagene Lösung nicht bis ins Detail durchdacht; zu viele Zweifelsfragen bleiben offen. So ist völlig offen, in welchem Verhältnis die neue Sicherheit nach § 632a Abs. 3 BGB zu den Regelungen der Makler- und Bauträgerverordnung steht.40 Kann eine Sicherheit nach § 632a Abs. 3 BGB auch in den Fällen verlangt werden, in denen Zahlungen nach § 3 Abs. 2 MaBV erfolgen? Kann eine Sicherheit nach § 632a Abs. 3 BGB auch dann verlangt werden, wenn dem Verbraucher eine Sicherheit nach § 7 MaBV gestellt wird? In welchem Verhältnis stehen Bürgschaften nach BGB und MaBV? Liegt eine Mitbürgschaft vor? Hat der Besteller ein Wahlrecht, welche Bürgschaft er in Anspruch nimmt? Diese sich bei näherer Betrachtung der Regelung aufdrängenden Fragen lässt der Entwurf ebenso wie seine Begründung unbeantwortet. Dass die Kosten für die neue Sicherheit in die Preisgestaltung der Unternehmer einfließen und somit die Baukosten erhöhen werden, liegt auf der Hand. Dies wiederum führt zu höheren Finanzierungskosten für bauwillige Verbraucher. Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die Sicherheit nach § 632a Abs. 3 BGB lediglich für Verbraucherverträge vorgesehen ist. Da Verbraucher im Regelfall ein Einfamilienhaus mit oder ohne Einliegerwohnung errichten werden, kommt derselbe Kreis von Baubeteiligten mit § 632a Abs. 3 BGB in den Genuss einer weiteren ____________

39 Wagner ZNotP 2002, Beilage 1. 40 Horne BauR 2005, 449 ff. lässt die MaBV unerwähnt.

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Vergünstigung, weil § 648a Abs. 6 Nr. 2 BGB Verbraucher von der Verpflichtung ausnimmt, dem Unternehmer Sicherheit für dessen Vergütungsansprüche zu stellen. Die in § 632a Abs. 3 wie § 648a Abs. 6 Nr. 2 BGB angeordnete Privilegierung des Verbrauchers ist vom Gesetzgeber gewollt. Sie sollte aber nicht unkritisch hingenommen werden. Zumindest für § 648a Abs. 6 Nr. 2 BGB gibt es keine vertretbare Begründung mehr. Darauf werde ich bei der Erläuterung dieser Norm zurückkommen. Schließlich – und das stellt den m. E. schwerwiegendsten Einwand gegen die Novellierung des § 632a BGB in der geplanten Form dar – könnte die beabsichtigte Neufassung dazu führen, dass entgegen den Intentionen des Gesetzgebers der Unternehmer keine Abschlagszahlung verlangen kann, wenn wesentliche Mängel vorliegen. Dies folgt daraus, dass § 641 Abs. 3 BGB nach § 632a Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend gilt. Das bedeutet, dass wegen wesentlicher Mängel die Zahlung der Abschlagsforderung verweigert werden kann.41 Die Begründung meint, es widerspräche der in § 641 Abs. 3 BGB zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers, dem Unternehmer das Recht zuzubilligen, auch bei wesentlichen Mängeln Abschlagszahlungen verlangen zu dürfen. Dass dies falsch ist, hat Kniffka im Einzelnen nachgewiesen.42 Der Bundesgerichtshof hat bereits 1976 festgestellt, dass bei der Klage auf Abschlagszahlung Mängel der Teilleistung nicht zur Klageabweisung, sondern zur Verurteilung Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung führen.43 Hinsichtlich des Teils der Klageforderung, der das Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln übersteigt, ist der Klage unbedingt stattzugeben. Durch die Neuregelung und insbesondere durch die in der Begründung zum Ausdruck kommende Ansicht der Verfasser der Gesetzesbegründung besteht die Gefahr, dass zukünftig Besteller bei Geltendmachung von Abschlagsforderungen wesentliche Mängel behaupten, deren Bestehen durch zeit- und kostenaufwendige Sachverständigengutachten geklärt werden müssen. b) Fälligkeit der Vergütung, § 641 BGB Die durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen 2001 in das Gesetz eingeführte Regelung zur Durchgriffsfälligkeit in § 641 ____________

41 BR-Drucks. 458/04 S. 27; näher zur Problematik: Kniffka BauR 2005, 732 ff. (734) in Anm. zu OLG Hamm, Urt. v. 26.11.2003 – 12 U 112/02 (rechtskräftig durch Beschluss des BGH v. 26.8.2004 – VII ZR 42/04), BauR 2005, 731. 42 Kniffka BauR 2005, 732 ff. (734). 43 BGH, Urt. v. 21.12.1978 – VII ZR 269/77, BauR 1979, 159.

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Abs. 2 BGB spielt in der Praxis keine große Rolle; in einer neueren Untersuchung wird die Vorschrift als wenig bekannt, aber unterschätzt bezeichnet.44 Ob die geplante Novellierung daran etwas ändern wird, darf bezweifelt werden. Soweit § 641 Abs. 2 BGB verschiedene Alternativen für den Eintritt der Fälligkeit der Forderung des Nachunternehmers aufführt, bleibt weiter ungeklärt, ob Einwendungen aus dem Verhältnis des Nachauftraggebers zum Nachunternehmer weiterhin zulässig bleiben. Da es bei dem Grundsatz verbleiben soll, dass die Vertragsverhältnisse Auftraggeber – Hauptauftragnehmer und Hauptauftraggeber – Nachauftragnehmer gesondert zu beurteilen sind, ist nicht auszuschließen, dass die im jeweiligen Vertragsverhältnis geschuldete Vertragsleistung unterschiedlich definiert ist. Der Gesetzesentwurf geht aber davon aus, dass die vertraglichen Leistungen in beiden Vertragsverhältnissen deckungsgleich sind, weil andernfalls die Abnahme im Verhältnis Auftraggeber – Hauptauftragnehmer nicht, wie es § 641 Abs. 2 Nr. 2 anordnet, auch zur Fälligkeit der Vergütung des Nachauftragnehmers führen soll. Die weiterhin geltende Trennung der Vertragsverhältnisse verlangt aber, dass Einwendungen aus dem Verhältnis des Hauptauftragnehmers zum Nachauftragnehmer weiterhin zulässig sein müssen. Dazu schweigt der Gesetzesentwurf jedoch. Dass die vorgesehene 3. Alternative der fiktiven Fälligkeit, nämlich der fruchtlose Ablauf der Frist zur Auskunft über Vergütung oder Abnahme gem. § 641 Abs. 2 Nr. 3 BGB, dazu führen kann, dass Besteller und Hauptauftragnehmer zu Lasten des Nachtragsauftragsnehmers kolludieren, liegt auf der Hand. Sofern schließlich § 641 Abs. 3 BGB vorsieht, dass der durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen kodifizierte sog. Druckzuschlag „mindestens in Höhe des Dreifachen der für die Beseitigung des Mangels notwendigen Kosten“ (§ 641 Abs. 3 BGB der geltenden Fassung) durch eine flexible Regelung ersetzt wird, wonach angemessen „in der Regel das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten“ ist (§ 641 Abs. 3, 2. Halbsatz BGB), ist dagegen nichts einzuwenden. Vom Gesetzgeber unbeantwortet bleibt aber weiter die Frage, ob ein Druckzuschlag auch zu beachten ist, wenn sich der Besteller in Annahmeverzug befindet. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht in diesem Fall nur vom einfachen Wert der Mangelbeseitigungskosten aus.45 Der Wortlaut des Gesetzes sieht eine Differenzierung ____________

44 Schubert ZfBR 2005, 219 ff. 45 Nichtannahmebeschluss vom 4.4.2002 – VII ZR 252/01 (unveröffentlicht) zu OLG München, Urt. v. 30.5.2001 – 27 U 700/00, BauR 2002, 1403 = IBR 2002, 361 (Heinrich Groß).

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jedoch nicht vor, so dass es auch im Falle des Annahmeverzuges bei dem Druckzuschlag in gesetzlicher Höhe verbleiben muss und eine Korrektur allenfalls über § 242 BGB möglich erscheint.46 Einzuräumen ist, dass die von der Rechtsprechung des BGH gebilligte Lösung nach der Neufassung des Gesetzes aufgrund des Zusatzes „in der Regel“ in § 641 Abs. 3, 2. Halbsatz BGB eher vertretbar erscheint. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber ist jedoch wünschenswert. c) Fertigstellungsbescheinigung, § 641a BGB (geltende Fassung) Die durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen in das BGB eingefügte Norm ist trotz starker Zweifel in der Literatur durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht geändert worden.47 In der forensischen Praxis hat sie keine Rolle gespielt. Dass der Gesetzgeber sie ersatzlos aufheben will, weil sie materiell durch die Vorläufige Zahlungsanordnung gem. § 302a ZPO ersetzt werden soll, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Allerdings ist der Gesetzgeber nicht ganz aufrichtig. Die angeblich aufgehobene Norm feiert nämlich ihre Wiederkehr im Vollstreckungsrecht. Nach § 756 Abs. 1a ZPO soll die schwerfällige Zug um Zug-Vollstreckung dadurch erleichtert werden, dass der Beweis, dass der Schuldner befriedigt ist, auch durch die Bescheinigung eines Gutachters erbracht werden kann. Das für die Erteilung dieser Bescheinigung angeordnete Verfahren entspricht dem nach § 641a BGB geltender Fassung, so dass auf die dagegen vorgebrachten Bedenken verwiesen werden kann.48 Die Praxis hilft sich übrigens dadurch, dass sie den Annahmeverzug des Schuldners im Urteil feststellen lässt, so dass unbedingt vollstreckt werden kann.49 d) Bauhandwerkersicherung, § 648a BGB Wesentliche Neuerung ist, dass § 648a BGB dem Unternehmer einen durchsetzbaren Anspruch auf Sicherheit gewährt. Dies war bisher nicht der Fall. Dass für einen Anspruch ein Bedürfnis besteht, ist allerdings nicht zu sehen. Es ist kaum vorstellbar, dass ein Unternehmer den Be____________

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IBR 2003, 597 (Schwenker). Einzelheiten bei Erman-Schwenker § 641a Rz. 2 ff. Erman-Schwenker § 641a Rz. 4 ff. Dazu: Doms NJW 1984, 1340 ff.; BGH, Urt. v. 19.4.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280.

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steller auf Stellung einer Sicherheit verklagen wird. Die Neuregelung in dem durch seine Länge kaum verständlichen § 648a Abs. 1 BGB ist daher überflüssig. Präzisiert werden muss § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB. Was der Gesetzgeber mit der „vereinbarten, noch nicht verdienten Vergütung“ meint, kann man sich zwar vorstellen. Vorzuziehen ist aber eine präzise Umschreibung der Tatbestandsmerkmale, so dass eine Formulierung wie „Vergütung für die noch nicht erbrachte Leistung“ vorzugswürdig erscheint. Abgesehen davon ist der Gleichlauf zu § 649 BGB zu begrüßen. Dringend der Überprüfung anheim zu stellen ist das Verbraucherprivileg des § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB. Die Annahme des Gesetzgebers, Einfamilienhäuser mit oder ohne Einliegerwohnung seien finanziell abgesichert, so dass der Unternehmer keiner Sicherheit mehr bedürfe50, ist empirisch nicht zu belegen. Dies gilt umso mehr, als Verbraucher, die den geschützten Personenkreis der Vorschrift bilden, durch die Möglichkeit der Verbraucheinsolvenz sich der Zwangsvollstreckung entziehen können, wie in der Praxis in den letzten Jahren verstärkt zu beobachten ist. Aufgrund der vorrangigen dinglichen Absicherung der finanzierenden Banken besteht für den Unternehmer in derartigen Konstellationen keine Möglichkeit, seine Forderung beizuziehen. e) Vergütung bei freier Kündigung, § 649 Satz 3 BGB Zu der Formulierung „der vereinbarten, aber noch nicht verdienten Vergütung“ gilt dasselbe wie bei § 648a BGB. Auch hier ist eine neue Formulierung zu finden. Der Satz von 5 % mag für Bauverträge ausreichen, da zumindest in der heutigen Lage eine Gewinnmarge in dieser Höhe (im Hochbau) nicht überschritten werden dürfte. Dies gilt allerdings nicht für Architekten- und Ingenieurverträge, bei denen ein Satz von 5 % nicht ausreicht. Da nicht eindeutig ist, ob die gesetzliche Vermutung als widerlegbare ausgestaltet sein soll, müsste der Nachweis eines höheren Anspruchs ausdrücklich vom Gesetz für zulässig erklärt werden.51 f) Teil- und Vorbehaltsurteil, §§ 301–302 ZPO Weder das Teil- noch das Vorbehaltsurteil spielen in der forensischen Praxis eine größere Rolle. Dass der Erlass eines Teilurteils zukünftig ____________

50 BT-Drucks. 12/1836 S. 11. 51 Schwenker BauR 2001, 1028 ff. (1032).

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nicht mehr in das Ermessen des erkennenden Gerichtes gestellt ist, sondern die Parteien bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch auf Erlass eines Teilurteils haben, wird den jetzigen Rechtszustand nicht einschneidend verändern. Da aufgrund der restriktiven Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Teilurteil nicht ergehen darf, wenn die Gefahr widerstreitender Entscheidungen besteht52, wird der Anwendungsbereich des § 301 ZPO auch zukünftig beschränkt bleiben. Ob die Verpflichtung des Gerichtes, dem Rechtsstreit Fortgang zu gewähren, soweit er nicht durch das Teilurteil entschieden ist, auch wenn gegen das Teilurteil ein Rechtsmittel eingelegt ist (§ 301 Abs. 4 ZPO), sehr sinnvoll ist, muss bezweifelt werden. Der Gesetzgeber nimmt damit in Kauf, dass die „knappe Ressource Justiz“ unnötig beansprucht wird. Stellt sich nämlich in der Rechtsmittelinstanz heraus, dass die Klage bereits dem Grunde nach nicht begründet ist, war die Fortführung des Rechtsstreits überflüssig. Der Entwurf hat offenkundig übersehen, dass ein Teilurteil mit einem Grundurteil verbunden sein muss53, so dass die beim Eingangsgericht verbliebene Beweisaufnahme über den noch zu entscheidenden Teil des Anspruchs sich als unnötig herausstellen kann, wenn das Rechtsmittelgericht den Grund verneint. Denselben Bedenken unterliegen die vorgesehenen Neuerungen beim Vorbehaltsurteil des § 302 ZPO. Dieses ist nur dann zulässig, wenn der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend macht. Es spielt in der forensischen Praxis, zumindest in der baurechtlichen, jedoch kaum eine Rolle, weil Gegenansprüche in aller Regel, wenn sie aus demselben Vertragsverhältnis wie die der Klage zugrunde liegende Forderung entstammen, zur Verrechnung stehen und nicht aufgerechnet werden54. Der Anwendungsbereich des § 302 ZPO ist daher begrenzt55. g) Vorläufige Zahlungsanordnung, § 302a ZPO Das Herzstück des FoSiG bildet die Vorläufige Zahlungsanordnung, ein Institut, für das es im bisher geltenden Zivilprozessrecht kein Vorbild gibt. Der eben dargestellte begrenzte Anwendungsbereich der §§ 301– 302 ZPO ist für den Gesetzgeber Grund, das neue Institut der Vorläufige Zahlungsanordnung einzuführen. Mit ihr wird eine flexible Hand____________

52 Vgl. nur die Nachweise bei Musielak-Musielak, ZPO, 4. Aufl., 2005, § 301 Rz. 3 ff. 53 Vgl. nur Musielak-Musielak aaO. Rz. 5. 54 OLG Oldenburg, Urt. v. 25.2.2003 – 2 U 232/02, BauR 2003, 1079. 55 Vgl. auch OLG Koblenz, Urt. v. 10.1.2002 – 2 U 825/01, BauR 2002, 1124.

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habung möglich, weil sie im Gegensatz zum Teilurteil nicht an abgrenzbare Teile des Streitgegenstandes gebunden und für sie das Gebot der Widerspruchsfreiheit zur Schlussentscheidung und Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz nicht gilt. Während im früheren Entwurf die Vorläufige Zahlungsanordnung das Verfahren beendete, indem mit Rechtskraft der Vorläufigen Zahlungsanordnung ein in derselben Angelegenheit anhängiges Hauptsacheverfahren als von den Parteien für erledigt erklärt galt, sofern nicht binnen eines Monats widersprochen wurde (§ 940e des Diskussionsentwurfes), ist die Vorläufige Zahlungsanordnung nunmehr streng akzessorisch angelegt. Sie tritt außer Kraft, soweit ein Endurteil ergeht, die Klage zurückgenommen oder eine anderweitige Regelung wirksam wird (§ 302a Abs. 6 ZPO). Da zudem über den Antrag auf Erlass einer Vorläufigen Zahlungsanordnung mündlich verhandelt werden muss und die Anordnung einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Endurteil gleichsteht (§ 302a Abs. 3 ZPO), sind die gegen den Diskussionsentwurf erhobenen Bedenken obsolet geworden. Insbesondere die Gleichstellung mit einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Endurteil verhindert, dass endgültige Eingriffe in das Vermögen des Beklagten erfolgen, ohne dass dieser durch dem Kläger auferlegte Sicherheiten abgesichert ist. Soweit § 709 Nr. 11 ZPO bei Endurteilen und somit über § 302 Abs. 3 auch bei Vorläufigen Zahlungsanordnungen bis zu einem Betrag von 1.250 Euro die Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung erlaubt, ist dies dem Zwangsvollstreckungssystem der ZPO immanent und aufgrund des Bagatellcharakters hinzunehmen. Im Übrigen wird der Beklagte über § 302a Abs. 8 ZPO geschützt. Dass der Kläger im Wege der Sicherheitsvollstreckung nach § 720a ZPO aus einer Vorläufigen Zahlungsanordnung auch ohne Sicherheitsleistung vollstrecken kann, beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Die Voraussetzungen für den Erlass der Vorläufigen Zahlungsanordnung sind zweistufig gestaltet. Zunächst muss die Klage „nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hohe Aussicht auf Erfolg (haben)“. Dies soll nach der Begründung dann der Fall sein, wenn das Gericht sich noch keine dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO genügende Überzeugung bilden konnte, aber „auf der Grundlage eines fundierten Zwischenergebnisses bereits eine Prognose über den Verfahrensausgang treffen kann.“ Gedacht werden mag etwa an die in Bauprozessen nicht seltene Konstellation, dass zwar bereits ein Sachverständigengutachten vorliegt, das den Klageanspruch trägt, aber aufgrund von Einwendungen des Beklagten gegen das Gutachten eine (zeitaufwendige) Ergänzung des Gutachtens nötig wird. Einwendungen gegen den Erlass einer Vorläufi43

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gen Zahlungsanordnung in einer solchen prozessualen Konstellation bestehen nicht. Bedenklich ist aber die Auffassung der Begründung, die von § 302a Abs. 2 ZPO geforderte „hohe Aussicht auf Erfolg“ könne sich auch aus einem qualifizierten Privatgutachten ergeben. Die Begründung versteht darunter solche Gutachten, die eine erhöhte Richtigkeitsgewähr bieten. Dies mag der Fall sein, wenn die Parteien sich auf den Sachverständigen geäußert haben. Warum aber auch ein solches Gutachten eine erhöhte Richtigkeitsgewähr bieten soll, das auf der Grundlage eines Ortstermins gefertigt wurde und sich auch mit den dort geäußerten Einwendungen des Beklagten auseinandersetzt, ist nicht einzusehen. Soweit die Begründung schließlich eine erhöhte Richtigkeitsgewähr aufgrund „anerkannter Fachkompetenz der begutachtenden Person“ annehmen will und als Beispiel „renommierte Wissenschaftler“ anführt, sind die Kriterien zu unscharf, um praktikabel und für die Rechtssuchenden vorhersehbar zu sein. Da gleichzeitig Rechtsmittel gegen die Vorläufige Zahlungsanordnung nicht vorgesehen sind, besteht die Gefahr, dass Gerichte zur faktischen Beendigung von komplizierten Bauprozessen durch Vorläufige Zahlungsanordnung die Voraussetzungen für die „hohe Erfolgsaussicht“ aufweichen. Gleichzeitig darf nicht verkannt werden, dass eine nähere Bestimmung dieses Kriteriums im Gesetz kaum möglich ist. Das Fehlen einer Rechtsmittelinstanz wird aber dazu führen, dass sich eine einheitliche Rechtsprechung zu diesem Tatbestandsmerkmal nicht bilden wird, so dass eine Zersplitterung der Rechtsprechung zu befürchten ist. Keine Bedenken bestehen schließlich gegen die von § 302a Abs. 1 Nr. 2 ZPO angeordnete Interessenabwägung. Ob diese allerdings so, wie es sich der Gesetzgeber vorstellt, zu handhaben ist, wird die Erfahrung lehren.56 Da der Gesetzeswortlaut vorsieht, dass eine Vorläufige Zahlungsanordnung bei Vorliegen der Voraussetzungen zu erlassen ist, wird einer zu befürchtenden Unwilligkeit der Justiz, von § 302a ZPO auch Gebrauch zu machen, entgegengesteuert. Dem Entwurf ist zu attestieren, dass es mit der Vorläufigen Zahlungsanordnung nunmehr gelungen ist, ein Verfahren während des laufenden Hauptsacheverfahrens zu schaffen, das die Schwächen des Prozessrechts ausgleicht.57 ____________

56 Die Auffassung von Kunze/Paulus, die Voraussetzungen an den Erlass einer Vorläufigen Zahlungsanordnung seien so hoch, dass „es grundsätzlich so gut wie keine Konstellationen geben wird, in der ein Antrag des Werkunternehmers vom Gericht erfolgreich beschieden wird.“ (ZRP 2005, 44 ff. (46)), erscheint überzogen. 57 So auch Kniffka IBR 2004, 483.

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III. Ausblick: Fortbestehende Probleme des Bauprozesses Dass die vielfach beklagte (überlange) Dauer von Bauprozessen durch die geplanten Änderungen der ZPO eingeschränkt werden kann, ist zu bezweifeln. Ein Großteil der Gründe, die dazu führen, dass Bauprozesse häufig eine überdurchschnittliche Verfahrensdauer aufweisen, fällt allein in den Verantwortungsbereich der Justiz. Würde ihnen, was der Justizverwaltung durchaus möglich wäre, abgeholfen, könnten Bauprozesse erheblich beschleunigt werden. Anzuführen ist dabei zunächst, dass ein Großteil der Landgerichte Kammern für Streitigkeiten aus Bauund Architektenverträgen sowie aus Ingenieurverträgen, soweit sie im Zusammenhang mit Bauleistungen stehen (§ 348 Abs. 1 Nr. 2c ZPO), nicht eingerichtet hat. Dies hat zur Folge, dass der originäre Einzelrichter zuständig ist, weil die Katalogmaterien des § 348 Abs. 1 Nr. 2 ZPO voraussetzen, dass die jeweiligen Präsidien überhaupt Spezialkammern eingerichtet haben. Solange an zahlreichen Landgerichten Spezialkammern für Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen sowie aus Ingenieurverträgen, soweit sie im Zusammenhang mit Bauleistungen stehen, fehlen und häufig wenig erfahrene Einzelrichter mit regelmäßig sehr komplexen Bauprozessen befasst sind, hat die Justizverwaltung das ihr Mögliche noch nicht ausgeschöpft. Hinzu kommt, dass die Besetzung der Kammern und somit auch die Einzelrichter aus justizinternen Gründen häufig wechseln. Erstinstanzliche Verfahren, die von mehreren Einzelrichtern bearbeitet worden sind, sind in der forensischen Praxis nicht selten. Letztlich machen nach meiner Beobachtung die erstinstanzlichen Gerichte in Bausachen zu selten Gebrauch von § 275 ZPO und der durch diese Vorschrift eröffneten Möglichkeit, den Akteninhalt überschaubar zu halten. Die Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens gem. § 276 ZPO führt dazu, dass eine Vielzahl von Schriftsätzen gewechselt wird und mit weiterem Zeitablauf eine ursprünglich vielleicht vorhandene Bereitschaft der Parteien, einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag anzunehmen, gänzlich schwindet. Nicht in den Verantwortungsbereich der Justiz fällt hingegen, dass die Einholung von Sachverständigengutachten die Entscheidung von Bauprozessen verzögert. Die Überlastung vieler Gutachter kann dafür nicht die ausschließliche Ursache sein, lehrt doch die Erfahrung, dass Sachverständige durchaus in der Lage sind, Gutachten zeitnah zu erstatten,

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wenn sie nicht nach dem ZSEG58 „entschädigt“ bzw. dem JVEG59 vergütet werden, sondern als Privatgutachter eine frei verhandelbare Vergütung erhalten. Die Änderungen in der Vergütung der Sachverständigen durch das JVEG wird daran nichts ändern. Unverständlicher Weise unterlassen es Gerichte regelmäßig, von ihrem Recht gem. § 411 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch zu machen und Frist zur Erstattung des Gutachtens zu bestimmen. Von den Möglichkeiten des § 411 Abs. 2 ZPO, dem säumigen Sachverständigen zunächst ein Ordnungsgeld anzudrohen und dieses sodann festzusetzen, wird nach meiner Beobachtung zu selten Gebrauch gemacht. Die Sätze des Art. 6 Abs. 1 EGStGB, die einen Höchstsatz von 1.000 Euro vorsehen, sollten de lege ferenda auf ein für einen Sachverständigen spürbares Maß angehoben werden. Weitere Gründe, die eine schnelle Entscheidung verhindern, haben ihre Ursache in einer unzulänglichen Organisation der Justiz auf ausführender Ebene. Solange sich die Justiz damit abfindet, dass das Schreiben von richterlichen Diktaten mehrere Wochen oder gar Monate dauert60, werden alle Änderungen von BGB und ZPO nicht dazu führen können, dass Bauprozesse, die häufig für die Prozessbeteiligten existenzgefährdend sind, schneller als bisher entschieden werden.

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58 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, aufgehoben mit Wirkung vom 1.7.2004 mit Gesetz vom 5.5.2004 BGBl. I 718. 59 Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz), verkündet als Art. 2 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 5.5.2004 (BGBl. I S. 718), in Kraft getreten gem. Art. 8 Satz 1 dieses Gesetzes am 1.7.2004. 60 Dazu vgl. den instruktiven Sachverhalt des Urteils des BGH vom 3.11.2004 – RiZ (R) 2/03, NJW 2005, 905: „Verfügungen, Beschlüsse etc. des Ast. (= Richter) wurden von der Kanzlei in der zweiten Jahreshälfte 2001 durchschnittlich erst nach drei Monaten geschrieben, In Einzelfällen dauerte die Erledigung mehr als vier Monate. Seit 2002 betragen die Erledigungszeiten der Kanzlei nach Angaben der Ag. (= Land Berlin) nicht mehr als acht Wochen; nach dem Vorbringen des Ast. wurden Beschlüsse und Verfügungen seit dem Herbst 2000 in über 800 Fällen erst geschrieben, nachdem sie über vier bis sieben Monate in der Kanzlei lagen.“

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Krise des Werkunternehmers – Was kann und was muss der Auftraggeber tun? Dr. A. Olrik Vogel, Rechtsanwalt, München*

Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Vorfeld der „Krise“ 1. Tatsächliche Situation 2. „Vorsorgende“ Vertragsgestaltung a) Voraussetzungen und Anwendung von § 632a BGB b) Möglichkeiten der Modifikation von § 632a BGB c) Voraussetzungen und Anwendung von § 16 Nr. 1 VOB/B d) Modifikation von § 16 Nr. 1 VOB/B e) Vereinbarung von Sicherheiten aa) Sicherungszweck bb) Sicherungsmittel cc) Folgen einer unwirksamen Sicherungsvereinbarung III. Eingetretene „Krise“ des AN 1. Tatsächliche Situation 2. „Teilkonfrontation“ – Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechte des Auftraggebers a) § 320 Abs. 1 BGB b) § 273 Abs. 1 BGB c) § 321 Abs. 1 BGB

d) Risiken für den Auftraggeber 3. „Totalkonfrontation“ – Außerordentliche Kündigung durch den AG a) BGB-Bauvertrag b) VOB/B-Bauvertrag aa) §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B bb) §§ 5 Nr. 4, 8 Nr. 3 VOB/B cc) § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B 4. Kooperationsstrategien a) Direktzahlungen des Auftraggebers an Subunternehmer des Auftragnehmers gem. § 16 Nr. 6 VOB/B b) Schuldbeitritt des Auftraggebers gegenüber Subunternehmern c) Vorauszahlungen und deren Absicherung d) Zwischenergebnis 5. Teilkooperation – Fortführung des Bauvertrags bis zur Insolvenzverfahrenseröffnung a) Restabwicklungsvereinbarung mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter b) Insolvenzrechtliche Beschränkungen von Auf- und Verrechnungen IV. Fazit

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Dr. jur., Rechtsanwalt in München, Kanzlei Müller-Heydenreich, Beutler & Kollegen.

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Dr. A. Olrik Vogel

I. Einleitung Das Wort „Krise“ des Werkunternehmers ist ambivalent. Gemeint sind wirtschaftliche Schwierigkeiten des Werkunternehmers, die dazu führen, dass entweder dieser seine vertraglichen Leistungspflichten nicht mehr ordnungsgemäß erbringt oder Unsicherheit darüber besteht, ob er zukünftig sie erbringen kann. Nachfolgend behandele ich – chronologisch – das Vorfeld einer Krise mit seinen Möglichkeiten einer vertragsgestaltenden Prophylaxe und sodann die Krise selbst. Hierbei stelle ich stets die Situation beim BGB-Bauvertrag derjenigen beim VOB/B-Bauvertrag gegenüber. Entsprechend der Terminologie der VOB/B nenne ich den Besteller Auftraggeber und den Werkunternehmer Auftragnehmer.

II. Vorfeld der „Krise“ Bevor es zur „Krise“, also zur gefährdeten Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers kommt, gibt es eine Zeit, in welcher der Eintritt einer Krise zumindest genauso wahrscheinlich ist wie deren Ausbleiben. Am meisten Einfluss auf seine Rechte und Ansprüche sowie deren Absicherung kann der Auftraggeber naturgemäß zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nehmen, weil er dann – weitgehend ungefährdet von zwingenden Regelungen des Privat- sowie Insolvenzrechts – seine rechtliche Situation entscheidend verbessern kann.

1. Tatsächliche Situation Aufgrund des Preisverfalls auf dem Bausektor, des Rückgangs der „öffentlichen“ Bauaufträge und der steigenden Zahl von Bauinsolvenzen liegt heute die Verhandlungsmacht beim Abschluss eines Bauvertrags eindeutig beim Auftraggeber. Unterstellt sei nachfolgend, dass auch die Initiative zur Einbeziehung der VOB/B vom Auftraggeber ausging, so dass sich Fragen der Inhaltskontrolle stellen können. Der Auftragnehmer gehört zu einer seit rund acht Jahren krisengeschüttelten Branche. Für den Auftraggeber ist, selbst wenn er „seinen“ Auftragnehmer nicht allein anhand der angebotenen Vergütung auswählt, dessen Leistungsfähigkeit während der über Monate dauernden Phase der Leistungserbringung zweifelhaft. Für den Zeitraum der Mängelverjährung gilt dies erst recht. Was liegt also für den Auftraggeber näher, als seine Verhandlungsmacht auch zu nutzen. 48

Krise des Werkunternehmers

2. „Vorsorgende“ Vertragsgestaltung Eine vorsorgende Vertragsgestaltung baut auf der Analyse der bestehenden Regelungen auf, so dass ich zunächst die Gesetzeslage und dann die Lage beim VOB/B-Bauvertrag analysiere und jeweils unmittelbar anschließend Hinweise zu deren Modifikation gebe. a) Voraussetzungen und Anwendung von § 632a BGB § 632a BGB räumt dem Auftragnehmer bereits während der Bauphase einen Anspruch auf (vorläufige) Vergütung ein; die Norm schreibt die Vorfinanzierungslast des Auftragnehmers fest. Sie hat zur Folge, dass Zahlungen des Auftraggebers notwendigerweise den Leistungen des Auftragnehmers hinterher hinken, so dass stets ein gewisser finanzieller Puffer zugunsten des Auftraggebers in der Krise des Auftragnehmers besteht. § 632a BGB setzt nach Satz 1 zunächst „in sich abgeschlossene Teile des Werks“ voraus. Ob hierunter vergleichbar § 12 Nr. 2 VOB/B nur selbständig funktionsfähige Leistungsteile zu verstehen sind, ist unklar. Würde man die Voraussetzung so eng verstehen, liefe der Anspruch in der Praxis leer. In der Literatur1 wird daher vorgeschlagen, in sich werthaltige, benutzbare oder bewertbare Leistungen ausreichen zu lassen, um die Vorschrift überhaupt anwenden zu können. Der Gesetzgeber war sich der Problematik offenbar nicht hinreichend bewusst. Sie soll durch den Entwurf des Forderungssicherungsgesetzes korrigiert werden. Ob sich die vorgenannte Voraussetzung auch auf Stoffe und Bauteile i. S. d. Sätze 2 und 3 bezieht, ist ebenfalls ungeklärt.2 Obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung liegt noch nicht vor, so dass bei einem BGB-Bauvertrag für beide Vertragsparteien erhebliche Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung bestehen. Ebenfalls unklar ist, ob die weitere Voraussetzung „für erbrachte vertragsgemäße Leistungen“ dazu führt, dass bereits jeder Mangel den Abschlagszahlungsanspruch insgesamt ausschließt. Hierfür sprechen neben der Gesetzgebungsgeschichte3 der Wortlaut von § 632a Satz 1 ____________

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Fink/Klein, in: Freiberger Handbuch zum Baurecht, 2. Aufl. 2003, § 1 Rz. 201; Voppel, BauR 2001, 1165, 1176; sehr weitgehend Rodemann, BauR 2002, 863, 864 („privatautonome Bestimmung“); a. A. mit beachtlichen Argumenten Niemöller, FS Jagenburg (2002), 689, 691. Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 4.1.2005, § 632a BGB Rz. 5. BT-Drucks. 14/1246, S. 6.

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BGB.4 Demgegenüber wendet die überwiegende Auffassung in der Literatur5 bei Mängeln vor Abnahme § 320 Abs. 1 BGB an und will dem Auftraggeber „nur“ ein Leistungsverweigerungsrecht zugestehen oder verlangt entsprechend § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass die Leistung im Wesentlichen mangelfrei ist. Diese Auffassung dürfte unzutreffend sein, weil § 320 Abs. 1 BGB einen fälligen Mangelbeseitigungsanspruch – sei es als Erfüllungs- oder Nacherfüllungsanspruch – des Auftraggebers voraussetzt. Dieser ist jedoch – außer in besonders gelagerten Ausnahmefällen (z. B. § 323 Abs. 4 BGB analog, Verweigerung oder Unmöglichkeit oder erhebliche Erschwerung der Mangelbeseitigung) – anders als beim VOB/B-Vertrag vor dem Fertigstellungstermin noch nicht fällig.6 Die Schuldrechtsreform hat hieran ersichtlich nichts geändert.7 Nach Satz 3 von § 632a BGB besteht der Abschlagszahlungsanspruch nur, wenn der Auftraggeber Eigentum an der Leistung erlangt oder der Auftragnehmer Sicherheit hierfür geleistet hat. Entgegen des missglückten Wortlauts genügt ein Eigentumserwerb durch Einbau (§§ 946 ff. BGB).8 Welchen Sicherungszweck eine vom Auftragnehmer gestellte Sicherheit besitzen muss, ist aufgrund der unzutreffenden Begründung des Gesetzgebers9 ungeklärt. Meines Erachtens muss es sich um eine kombinierte Abschlagszahlungs- und Erfüllungssicherheit handeln.10 ____________

4 V. Craushaar, BauR 2001, 471, 473; Karczewski/Vogel, BauR 2001, 859, 864; Kirberger, BauR 2001, 492, 499; Kiesel, NJW 2000, 1673, 1675; Niemöller, FS Jagenburg (2002), 689, 692; Rodemann, BauR 2002, 863, 866. 5 Fink/Klein, in: Freiberger Handbuch zum Baurecht, 2. Aufl. 2003, § 1 Rz. 202; Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 4.1.2005, § 632a BGB Rz. 6; MünchKommBGB/Busche, 4. Aufl. 2005, § 632a Rz. 6; Palandt/ Sprau, 65. Aufl. 2005, § 632a BGB Rz. 5. 6 BGH, Urt. v. 3.7.1997 – VII ZR 159/96, BauR 1997, 1067, 1068 (vor der Schuldrechtsreform zum Architektenvertrag); nach der Schuldrechtsreform etwa Bamberger/Roth-Voit, Internetaktualisierung 8/2004, § 634 BGB Rz. 24; Merl, in: Kleine-Möller/Merl, Handbuch des privaten Baurechts, 3. Aufl. 2005, § 12 Rz. 317; Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 4.1.2005, § 634 BGB Rz. 13 ff.; MünchKommBGB/Busche, 4. Aufl. 2005, § 634 BGB Rz. 4; a. A. Staudinger/Peters, Bearb. 2003, § 633 BGB Rz. 88. 7 Näher hierzu Knütel, BauR 2004, 689, 690 f. 8 Kniffka, ZfBR 2000, 227, 229; MünchKommBGB/Busche, 4. Aufl. 2005, § 632a Rz. 6 f. m. w. N. 9 BT-Drucks. 14/1246, S. 6 r.Sp. 10 Erman/Schwenker, 11. Aufl. 2004, § 632a BGB Rz. 9; Niemöller, FS Jagenburg (2002), 689, 697; Pause, NZBau 2001, 181, 183; Vogel, EWiR 2003, 261, 262; ähnlich Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl. 2004, Teil 5, Rz. 220; abweichend wohl noch Kniffka, ZfBR 2000, 227, 229.

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b) Möglichkeiten der Modifikation von § 632a BGB § 632a BGB ist dispositiv; es können daher zugunsten des Auftragnehmers abweichend von den gesetzlichen Vorgaben Abschlagszahlungen vereinbart werden.11 Im Interesse des Auftraggebers liegt dies freilich nicht. Die gesetzliche Regelung, die überaus unklar ist, führt zwingend dazu, dass der Auftragnehmer zunächst werthaltige sowie vertragsgemäße Leistungen erbringen muss, bevor er eine Abschlagszahlung verlangen kann. Hinsichtlich des verbleibenden Restes der Leistung des Auftragnehmers ist der Auftraggeber faktisch dadurch abgesichert, dass er noch nicht sämtliche erbrachten Leistungen bezahlt hat. Die Zahlung der Vergütung hinkt notwendigerweise der Leistungserbringung hinterher. Der Gesetzgeber hat dies mit § 632a BGB sogar festgeschrieben.12 Da der Auftragnehmer nach Baufortschritt Abschlagszahlungen verlangen kann, liegt wohl entgegen missverständlicher Äußerungen in der Rechtsprechung13 dogmatisch keine Vorleistungspflicht des Auftragnehmers vor. Zutreffender ist es, von der Vorfinanzierungslast des Auftragnehmers zu sprechen.14 Dies wird nachfolgend noch erhebliche Auswirkungen haben. Da § 632a BGB zum gesetzlichen Leitbild gehört, sind Abweichungen zu Lasten des Auftragnehmers in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers einer Inhaltskontrolle zu unterziehen.15 Unzulässig wäre jedenfalls nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein völliger Ausschluss von Abschlagszahlungen, jedenfalls soweit – wie typischerweise beim Bauvertrag – erhebliche „Vorleistungen“ des Auftragnehmers zu erbringen sind.16 Ob eine Regelung, die den Auftraggeber berechtigt, 10 % der Ab____________

11 Karczewski/Vogel, BauR 2001, 859, 866; MünchKommBGB/Busche, 4. Aufl. 2005, § 632a Rz. 13. 12 LG München I, Urt. v. 6.8.2002 – 5 O 2649/02, BauR 2003, 411, dazu EWiR 2003, 261, 262 (Vogel); Karczewski/Vogel, BauR 2001, 859, 861. 13 BGH, Urt. v. 15.6.2000 – VII ZR 30/99, BauR 2000, 1482, 1484; BGH, Urt. v. 21.2.1985 – VII ZR 160/83, BauR 1985, 456, 457. 14 So grundlegend Sienz, BauR 2004, 10, 11 f.; zutreffend Jauernig/Mansel, 11. Aufl. 2004, § 632a BGB Rz. 1; differenzierend Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 15. Aufl. 2004, Rz. 483 (Werkvertrag sehe einen Leistungsaustausch von fertigem Werk und Vergütung vor, wobei das Werk erst hergestellt werden müsse; insofern könne man den Unternehmer als vorleistungspflichtig ansehen). 15 Baumann/Fabis, RhNotK 2001, 101, 105 f.; Palandt/Sprau, 64. Aufl. 2005, § 632a BGB Rz. 5 m. w. N. 16 Ingenstau/Korbion-U. Locher, 15. Aufl. 2004, Rz. 3; Kniffka, ZfBR 2000, 227, 229.

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schlagszahlung bis zur Schlusszahlung einzubehalten, stets unwirksam ist,17 ist zweifelhaft. Denn für den Zeitraum bis zur Gesamtabrechnung der Vergütung besteht typischerweise ein erhöhtes Absicherungsbedürfnis des Auftraggebers. Die Interessen des Auftragnehmers dürften aber nur gewahrt werden, wenn der nicht ausbezahlte Betrag zum Sicherheitseinbehalt gemacht wird und dem Auftragnehmer die Möglichkeit eröffnet wird, ihn durch eine missbrauchssichere Sicherheit – typischerweise eine selbstschuldnerische Bürgschaft eines Kreditinstituts – abzulösen. Jedenfalls ist eine Kombination von Sicherheitseinbehalt für die Vertragserfüllung von 10 % der Auftragssumme und einer nur 90%igen Auszahlung von fälligen Abschlagszahlungen unwirksam, weil sie einen Anspruch auf Abschlagszahlung um 20 % reduziert. Sinnvoll können Regelungen sein, die die Leistung näher definieren, nach deren Erbringung der Auftragnehmer das Recht besitzt, bestimmte Abschlagszahlungen zu verlangen. Einzelne Leistungen können so zusammengefasst werden, dass deren Übereinstimmung mit dem vertraglichen Leistungsprogramm sowie deren Werthaltigkeit mit vertretbarem Aufwand für den Auftraggeber überprüft werden können. Sofern die „Stückelung“ das Recht auf Abschlagszahlung nicht konterkariert, ist sie zulässig, sofern sich der Wert der gestückelten Leistung mit der hierauf ausgewiesenen Höhe der Abschlagszahlung unter Berücksichtigung der Gesamtvergütung deckt. Ebenso zulässig sind Klauseln, die den Auftragnehmer verpflichten, mit noch vertretbarem Aufwand die von ihm erbrachten, vertragsgemäßen Leistungen durch Aufstellungen oder geeignete Unterlagen nachzuweisen.18 Denn eine solche Klausel dient nur den Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers, die nach § 632a Satz 1 BGB vom Gesetzgeber als besonders schützenswert eingestuft wurden. Bedingt zulässig sind Regelungen hinsichtlich einer Fälligkeitsfrist, die eine Zahlung zu Lasten des Auftragnehmers zeitlich verschieben. Das Gesetz (§§ 632a, 271 BGB) geht von einer sofortigen Fälligkeit der Abschlagszahlung aus. Verzögerungen zu Lasten des Auftragnehmers können sich daher nur daraus rechtfertigen, dass der Auftraggeber eine gewisse Zeit benötigt, die Fälligkeitsvoraussetzungen zu prüfen. Ob die ____________

17 Bamberger/Roth-Voit, Stand: 8/2004, § 632a BGB Rz. 26; Kaiser, in: Markus/ Kaiser/Kapellmann, AGB-Handbuch Bauvertragsklauseln, 2004, Rz. 736; a. A. Acker/Moufang, Bauvertrag nach VOB/B und BGB, 2004, Rz. 270. 18 Fink/Klein, in: Freiberger Handbuch zum Baurecht, 2. Aufl. 2003, § 1 Rz. 207; Kniffka, ZfBR 2000, 227, 229.

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Frist in § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B einer Inhaltskontrolle standhält,19 ist nicht zweifelsfrei. Gesetzliches Leitbild ist § 271 BGB i. V. m. § 632a BGB und nicht § 286 Abs. 3 BGB. Letztere Vorschrift regelt allein als Auffangvorschrift den Verzug nach Fälligkeit und Rechnungsstellung, wenn der Auftragnehmer weder mahnt noch ein Zahlungsziel vereinbart wurde. Eher möglich ist eine Regelung, wonach eine noch zulässige Fälligkeitsfrist erst ab Zugang der Abschlagsrechnung bei einem im Vertrag benannten Sonderfachmann zu laufen beginnt, der im Interesse des Auftraggebers die Rechnung sachlich und rechnerisch prüfen soll. Unklar ist, ob Klauseln des Auftraggebers, welche die Fälligkeit einer Abschlagszahlungsrate davon abhängig machen, dass die zugrundeliegende Leistung mangelfrei ist, einer Inhaltskontrolle Stand halten. Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, ob § 632a Satz 1 BGB bei Mängeln Abschläge ganz ausschließt. Jedenfalls kann der Auftragnehmer als Klauselverwender dieses Erfordernis abbedingen, wenn er das Leistungsverweigerungsrecht des Auftraggebers vor Abnahme unberührt lässt und dem Auftraggeber so indirekt einen fälligen Anspruch auf Mangelbeseitigung – sei es als Erfüllungs- oder Nacherfüllungsanspruch – zubilligt.20 Hat der Auftragnehmer ausnahmsweise Einfluss auf die Gestaltung von vorformulierten Abschlagszahlungsplänen, so folgt aus § 632a Satz 1 BGB für eine Inhaltskontrolle zugunsten des Auftraggebers, dass Abschlagszahlungen nicht zu einer Vorauszahlung führen dürfen.21 Die Höhe der Abschlagszahlung muss sich also mit dem erreichten Leistungsstand im Verhältnis zur Gesamtleistung sowie der Gesamtvergütung decken. Dieses vertragliche Äquivalenzprinzip sollte nach dem Willen des Gesetzgebers22 zum Leitbild des Gesetzes gehören. c) Voraussetzungen und Anwendung von § 16 Nr. 1 VOB/B Anders als das Gesetz setzt ein Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B keine in sich abgeschlossene Leistung voraus. ____________

19 Staudinger/Peters, Bearb. 2003, § 632a Rz. 18; a. A. Frikell, in: Glatzel/ Hofmann/Frikell, Unwirksame Bauvertragsklauseln, 10. Aufl. 2003, S. 305; Kaiser, in: Markus/Kaiser/Kapellmann, AGB-Handbuch Bauvertragsklauseln, 2004, Rz. 755. 20 Zutreffend Rodemann, BauR 2002, 863, 869 im Anschluss an Karczewski/ Vogel, BauR 2001, 859, 864. 21 Karczewski/Vogel, BauR 2001, 859, 864 f.; Staudinger/Peters, Bearb. 2003, § 632a BGB Rz. 13. 22 BT-Drucks. 14, 1246, S. 6; BT-Drucks. 14/2752, S. 14.

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Allerdings muss der Auftragnehmer die von ihm erbrachten Leistungen durch prüfbare Aufstellung nachweisen, damit der Anspruch fällig wird. Die Anforderungen an eine solche Aufstellung sind erheblich geringer als bei einer Schlussrechnung.23 Schlussendlich kann die Erfüllung eines Abschlagszahlungsanspruchs auch bei Mängeln verlangt werden, wobei dem Auftraggeber freilich ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 Abs. 1 BGB zusteht.24 § 4 Nr. 7 Satz 1 VOB/B billigt nämlich dem Auftraggeber bereits vor Abnahme einen fälligen Mangelbeseitigungsanspruch zu. d) Modifikation von § 16 Nr. 1 VOB/B Da § 632a BGB in der Praxis kaum handhabbar ist, bietet es sich für den Auftraggeber an, § 16 Nr. 1 VOB/B ersatzlos zu streichen und dem Auftragnehmer einen Anspruch auf Abschlagszahlungszahlung nur nach der gesetzlichen Lage zuzubilligen. Dies greift zwar in die VOB/B ein und führt zu einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle zu Lasten des Auftraggebers, wenn er Verwender der VOB/B ist. Die Streichung von § 16 Nr. 1 VOB/B ist aber selbst wirksam, weil die VOB/B eine Allgemeine Geschäftsbedingung und damit kein Kontrollmaßstab i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist. Die Verlängerung der Fälligkeitsfrist in § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B von 18 Werktagen soll AGB-widrig sein, wenn der Auftraggeber Klauselverwender ist.25 Da meines Erachtens diese Fälligkeitsfrist bei einer Inhaltskontrolle zugunsten des Auftragnehmers unwirksam ist, führt die ungeschmälerte Vereinbarung der VOB/B und insbesondere § 16 Nr. 1 VOB/B durch den Auftraggeber zu kuriosen Ergebnissen: Der Auftragnehmer kann abweichend von den Schutzmechanismen von § 632a BGB Abschläge verlangen, die zudem sofort fällig sind. e) Vereinbarung von Sicherheiten Neben der „nachhängenden“ Zahlung der Vergütung, die nur einen begrenzten Schutz vor Kostensteigerung bei Fertigstellung des Bauwerks ____________

23 BGH, Urt. v. 9.1.1997 – VII ZR 69/96, BauR 1997, 468. 24 BGH, Urt. v. 21.12.1978 – VII ZR 269/77, BGHZ 73, 140 ff. = BauR 1979, 159, 161; BGH, Urt. v. 25.10.1990 – VII ZR 201/89, BauR 1991, 81, 82 f.; Heiermann, in: Heiermann/Riedl/Rusam, 10. Aufl. 2003, § 16 VOB/B Rz. 32 m. w. N. 25 Etwa Motzke, in: Beck’scher VOB-Kommentar, 1997, § 16 Nr. 1 VOB/B Rz. 66.

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nach außerordentlicher Kündigung bietet, spielt die Vereinbarung einer wirksamen Sicherheit für Vertragserfüllungsansprüche eine entscheidende Rolle. Auch diese Sicherheit kann spätere Risiken für den Auftraggeber nur reduzieren, nicht jedoch vermeiden. Dies liegt daran, dass allgemein eine Höhe der Sicherheit von 10 % der (Brutto-)Auftragssumme außerhalb von Individualvereinbarungen für angemessen gehalten wird.26 Ob in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine höhere Sicherheit verlangt werden kann, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und meines Erachtens zu verneinen.27 Der Auftraggeber ist zudem am besten abgesichert, wenn die Sicherheit vom Auftragnehmer bereits bei Vertragsschluss vorgelegt werden muss. Insofern kann die Stellung der Sicherheit zur Bedingung des Zustandekommens des Vertrags gemacht werden.28 Welche Fallstricke muss der Auftraggeber bei der Vertragsgestaltung zudem beachten? aa) Sicherungszweck Ohne abweichende Umschreibung des Bürgschaftszwecks in der Bürgschaftsurkunde sichern Vertragserfüllungsbürgschaften Ansprüche wegen nicht ordnungsgemäßer Vertragserfüllung, z. B. wegen Mangelbeseitigungskosten, Restfertigstellungsmehrkosten, Vertragsstrafe, Verzögerungsschäden und Mangelfolgeschäden.29 Nicht erfasst sind Ansprüche wegen Überzahlung, es sei denn unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes.30 Gleiches gilt für sekundäre Gewährleistungsansprüche für Verträge vor der Schuldrechtsreform.31 In transparenter Weise mit einbezogen werden sollten in jedem Falle Regressansprüche bei der Inanspruchnahme nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz sowie dem Gesetz zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung sowie Schwarzarbeit.32 ____________

26 Z. B. BGH, Urt. v. 20.4.2000 – VII ZR 458/97, BauR 2000, 1498, 1500. 27 Ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 16.3.1999 – 11 U 107/96, BauR 2001, 1450, 1451 (die Revision wurde durch BGH, Beschl. v. 27.7.2000 – VII ZR 127/99 nicht angenommen); OLG Dresden, Urt. v. 26.4.2001 – 9 U 2867/00, BauR 2001, 1447, 1449, dazu EWiR 2001, 891 (Kröll); sehr großzügig dagegen Diehr, ZfBR 2001, 435, 437 (bis zu 100 %). 28 BGH, Urt. v. 20.4.2000 – VII ZR 458/97, BauR 2000, 1498, 1500. 29 Zuletzt BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BauR 2003, 870, 872 f.; i. E. Vogel, BauR 2005, 218, 220 f. m. w. N. 30 BGH, Urt. v. 17.12.1987 – IX ZR 263/86, BauR 1988, 220; a. A. nur Moufang/ Acker, Bauvertrag nach VOB/B und BGB, 2003, Rz. 774. 31 BGH, Urt. v. 24.10.2002 – IX ZR 355/00, BGHZ 152, 246 ff. = BauR 2003, 246, 249; zur Diskussion nach der Schuldrechtsreform vgl. C. Schmitz, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, 2005, Rz. 30. 32 Vgl. i. E. Vogel, BauR 2005, 218, 221 m. w. N.

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bb) Sicherungsmittel Nach der Rechtsprechung ist die Vereinbarung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern als einziges Sicherungsmittel unwirksam.33 Dies gilt auch beim öffentlichen Auftraggeber.34 Ungeklärt ist, ob die Vereinbarung einer solchen Bürgschaft wirksam ist, wenn dem Auftragnehmer wahlweise die Möglichkeit eröffnet wird, die Einzahlung des von fälligen Abschlagszahlungen einbehaltenen Betrags in gleicher Höhe auf ein insolvenzfestes Sperrkonto zu verlangen.35 Meines Erachtens ist eine solche Klausel wirksam, weil der Auftragnehmer entscheiden kann, ob er Liquidität durch Abschlagszahlungen erlangt sowie das Risiko einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Bürgschaft eingeht oder den Vergütungsteil, der insolvenzsicher angelegt werden muss, erst bei Abnahme ausbezahlt erhält. Zulässig dürfte wie bei einer Mängelsicherheit die ausschließliche Vereinbarung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft zur Ablösung eines Bareinbehalts sein. cc) Folgen einer unwirksamen Sicherungsvereinbarung Mangels gesetzlicher Vorgaben i. S. v. § 306 Abs. 2 BGB hat der Auftraggeber keinen Anspruch auf eine Sicherheit und muss die ggf. bereits gewährte Sicherheit zurückgeben. Der Bürge kann sich gem. § 768 Abs. 1 BGB auf die dem Auftragnehmer zustehende Bereicherungseinrede berufen.36 Nur bei der Vertragserfüllungssicherheit,37 nicht jedoch bei der Gewährleistungs- bzw. Mängelsicherheit38 hilft der Bundesgerichtshof dem Auftraggeber befristet für bis zum 31. Dezember 2002 abgeschlossene Bauverträge mit (unwirksamer) Verpflichtung zur Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahin, dass der Auftragnehmer eine einfache, selbstschuldnerische Bürgschaft zur Verfügung stellen muss. ____________

33 BGH, Urt. v. 18.4.2002 – VII ZR 192/01, BauR 2002, 1239, 1240 f. m. Anm. Sienz = ZIP 2002, 1198 m. Anm. Schmitz/Vogel; BGH, Urt. v. 4.7.2002 – VII ZR 502/99, BauR 2002, 1533, 1535 = ZIP 2002, 1690 m. Anm. Schmitz/Vogel. 34 BGH, Urt. v. 25.3.2004 – VII ZR 453/02, BauR 2004, 1143, 1144 f. 35 Dafür: Joussen, BauR 2004, 582, 583 f.; dagegen: C. Schmitz, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, 2005, Rz. 87. 36 BGH, Urt. v. 13.9.2001 – VII ZR 467/00, BauR 2001, 1893, 1894. 37 BGH, Urt. v. 4.7.2002 – VII 502/99, BauR 2002, 1533, 1535 f.; BGH, Urt. v. 25.3.2004 – VII ZR 453/02, BauR 2004, 1143, 1145. 38 BGH, Urt. v. 9.12.2004 – VII ZR 265/03, NJW-RR 2005, 458, 459 f.

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III. Eingetretene „Krise“ des AN 1. Tatsächliche Situation Die „Krise“ ist eingetreten, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Auftragnehmer seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Typische Krisenanzeichen sind etwa die verzögerte Leistungsausführung aufgrund unterbliebener oder verzögerter Subunternehmerleistungen oder verspäteter Materiallieferungen, die auf Zahlungsengpässen des Auftragnehmers beruhen, oder die „Produzierung von Mängeln“ aufgrund abgespeckter, also billigster Bauausführung. Die „Krise“ ist jedenfalls gegeben, wenn der Auftragnehmer selbst Insolvenzantrag stellt oder aufgrund eines Antrags eines Dritten ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet wird.

2. „Teilkonfrontation“ – Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechte des Auftraggebers Der einfachste Weg für den Auftraggeber ist es, Abschlagsforderungen nicht mehr zu erfüllen. Berechtigt ist er hierzu etwa, wenn Mängel der bislang erbrachten Leistung des Auftragnehmers vorliegen. a) § 320 Abs. 1 BGB Das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 Abs. 1 BGB wegen Mängeln soll nach der Rechtsprechung39 bei einer ansonsten fälligen Abschlagsforderungen des Auftragnehmers anwendbar sein. Es wirkt objektiv und verhindert den Schuldnerverzug, so dass es nicht darauf ankommt, ob sich der Auftraggeber auf die Tatbestandsvoraussetzungen, etwa das Vorliegen von Mängeln beruft. Dem Auftraggeber können daher noch später erkannte Mängel helfen. § 320 Abs. 1 BGB verhilft dem Auftraggeber grundsätzlich zu einem unbeschränkten Leistungsverweigerungsrecht; vielmehr muss der Auftragnehmer darlegen und ggf. beweisen, dass der nicht gezahlte Betrag unter Berücksichtigung des Durchsetzungsinteresses des Auftraggebers an einer schnellen Mangelbeseitigung unverhältnismäßig hoch und deshalb zu reduzieren ist.40 Ob für die Zeit vor Abnahme Rückschlüsse aus § 641 Abs. 3 BGB gezogen werden kön____________

39 BGH, Urt. v. 25.10.1990 – VII ZR 201/89, BauR 1991, 81, 82 f. 40 BGH, Urt. v. 4.7.1996 – VII ZR 125/95, BauR 1997, 133, 134.

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nen, ist höchstrichterlich nicht geklärt.41 § 641 Abs. 3 BGB billigt dem Auftraggeber für Mängel nach Abnahme ein Leistungsverweigerungsrecht in Mindesthöhe der dreifachen Mangelbeseitigungskosten zu. Jedenfalls vor Abnahme muss nicht der Auftraggeber die Kosten der Mangelbeseitigungskosten beweisen. Meines Erachtens konkretisiert § 641 Abs. 3 BGB im Wege eines Erst-Recht-Schlusses für den Zeitraum vor Abnahme § 320 Abs. 2 BGB, so dass das volle Leistungsverweigerungsrecht nicht unverhältnismäßig ist, wenn der Vergütungsanspruch das Dreifache der Mangelbeseitigungskosten nicht übersteigt. Denn die Abnahme stellt nur den Auftragnehmer hinsichtlich der von ihm zu verlangenden Vergütung besser. § 320 Abs. 1 BGB setzt einen fälligen Erfüllungs- bzw. Nacherfüllungsanspruch auf Mangelbeseitigung des Auftraggebers voraus. Anders als beim BGB-Vertrag ist ein solcher Anspruch vor Abnahme nur beim VOB-Vertrag ausnahmslos zu jedem Zeitpunkt fällig (§ 4 Nr. 7 Satz 1 VOB/B). b) § 273 Abs. 1 BGB Wegen sonstiger Ansprüche aus dem Bauvertrag, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, ist § 320 Abs. 1 BGB nicht anwendbar. Der Auftraggeber muss sich zwingend in diesen Fällen auf sein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB berufen. Dies folgt aus der Abwendungsbefugnis des Auftragnehmers in § 273 Abs. 1 BGB. Gegenüber in Geld übergegangenen Ansprüchen kann der Auftraggeber nur aufrechnen; die Ausübung des Zurückbehaltungsrecht ist als Aufrechnungserklärung auszulegen.42 c) § 321 Abs. 1 BGB Diese Norm verleiht dem Auftraggeber kein zusätzliches Leistungsverweigerungsrecht unabhängig von Mängeln der erbrachten Leistung, wenn der Auftragnehmer nach Vertragsabschluss erkennbar wirtschaftlich schwach ist oder wird. § 321 Abs. 1 BGB setzt nämlich voraus, dass ____________

41 MünchKommBGB/Busche, 4. Aufl. 2005, § 641 Rz. 34 will § 641 Abs. 3 BGB insgesamt vor Abnahme analog anwenden. Hierzu fehlt durch § 320 Abs. 1 BGB eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz. 42 BGH, Urt. v. 1.10.1999 – V ZR 162/98, NJW 2000, 278, 279; Staudinger/ Bittner, Bearb. 2004, § 273 BGB Rz. 105.

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der Berechtigte der Einrede selbst vorleistungspflichtig ist. Der Auftraggeber ist aber nicht vor-, sondern eher nachleistungspflichtig.43 Hieran hat § 632a BGB nichts geändert. d) Risiken für den Auftraggeber Zahlt der Auftraggeber fällige Abschlagsforderungen des Auftragnehmers nicht, etwa weil die behaupteten Mängel nicht existieren, so kommt er beim BGB-Bauvertrag spätestens nach 30 Tagen nach Rechnungsstellung gem. § 286 Abs. 3 BGB in Zahlungsverzug. Nach herrschender Auffassung44 soll der Auftragnehmer zudem die weitere Leistungserbringung nach § 320 Abs. 1 BGB verweigern dürfen. Dies erscheint mir aus zwei Gründen nicht zweifelsfrei: Diese Auffassung setzt voraus, dass die Zahlung der Abschlagsforderung „für“ bereits erbrachte Leistungen im Gegenseitigkeitsverhältnis mit der weiter zu erbringenden Leistung steht. Ginge man tatsächlich mit der absolut vorherrschenden Auffassung von einer Vorleistungspflicht des Auftragnehmers bis zur Abnahme aus, wäre § 320 Abs. 1 BGB nicht anwendbar,45 es sei denn, man begrenzt mit Motzke46 die Vorleistungspflicht auf die der jeder Abschlagsforderung zugrundeliegenden Leistungsabschnitte. Hiergegen spricht aber, dass § 632a BGB lediglich die Fälligkeit von Abschlagszahlungen regelt, nicht jedoch – wie bei jeder Abschlagszahlung als vorläufige Anzahlung auf die Gesamtvergütung für

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43 OLG Hamm, Urt. v. 2.6.1997 – 17 U 128/96, NJW-RR 1997, 1242, 1243. 44 Bamberger/Roth-Voit, Internetaktualisierung 8/2004, § 632a BGB Rz. 16; Ingenstau/Korbion-U. Locher, 15. Aufl. 2004, § 16 Nr. 5 VOB/B Rz. 33; Kapellmann/Messerschmidt-Messerschmidt, VOB, 2003, § 16 VOB/B Rz. 329/336; Staudinger/Peters, Bearb. 2003, § 632a BGB Rz. 18/21; v. Wietersheim, BauRB 2004, 309, 310 f. Die Autoren übersehen, dass in sämtlichen vom Baurechtssenat des Bundesgerichtshofs entschiedenen Fällen entweder die VOB/B vereinbart und daher ein Mangelbeseitigungsanspruch vor Abnahme bereits fällig war (z. B. BGH, Urt. v. 9.7.1981 – VII ZR 40/80, BauR 1981, 577; BGH, Urt. v. 21.4.1988 – VII ZR 65/87, BauR 1988, 474) oder der Fertigstellungstermin längst abgelaufen und damit der Erfüllungsanspruch fällig war (z. B. BGH, Urt. v. 14.5.1992 – VII ZR 204/90, BauR 1992, 622 zum Bauträgervertrag). Der Mangelbeseitigungsanspruch ist auch fällig, wenn der Erwerber bei einem Bauträgervertrag unter Vorbehalt die Wohnung abnimmt (BGH, Urt. v. 20.1.2000 – VII ZR 224/98, BauR 2000, 881). 45 Zutreffend Sienz, BauR 2004, 10, 14. 46 Beck’scher VOB-Kommentar/Motzke, 1997, § 16 Nr. 5 VOB/B Rz. 2.

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die Gesamtleistung47 – eine rechtlich feste Zuordnung von Leistung und Zahlung enthält. Ein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht daher allenfalls zwischen Mangelbeseitigung an der erbrachten Leistung einerseits und hierauf entfallender Abschlagszahlung andererseits,48 wenn man nicht die Auffassung vertritt, dass bereits nicht unerhebliche Mängel die Fälligkeit von Abschlagsforderungen kraft Gesetzes (§ 632a Satz 1 BGB) ausschließen. Folgt man diesem Ansatz, kann der Auftragnehmer die Arbeiten nur einstellen, wenn er von seinem Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB auch tatsächlich Gebrauch macht. Partiell anders sieht die rechtliche Beurteilung aus, wenn man nur eine Vorfinanzierungslast des Auftragnehmers annimmt. Dann sind die §§ 320 ff. BGB anwendbar. Es müssen entweder die vertraglichen Fälligkeitsvoraussetzungen oder die von § 632a BGB oder § 641 BGB vorliegen. Hält man § 320 Abs. 1 BGB vor Abnahme für anwendbar, muss der Auftragnehmer die Erbringung seiner restlichen Leistung Zug um Zug gegen Zahlung des korrespondierenden Abschlags in einer den Annahmeverzug begründenden Weise anbieten, damit der Auftraggeber insofern in Zahlungsverzug gerät.49 Beim VOB/B-Vertrag darf der Auftragnehmer die Arbeiten nach § 16 Nr. 5 Abs. 5 VOB/B erst einstellen, wenn er dem Auftraggeber zuvor eine angemessene Frist zur Zahlung gesetzt hat; die Klausel verdrängt die Regelungen des BGB.50 Die Klausel ist meines Erachtens auch dann wirksam, wenn sie vom Auftraggeber in den Vertrag eingeführt wurde,

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47 Zuletzt BGH, Urt. v. 15.4.2004 – VII ZR 471/01, BauR 2004, 1146; BGH, Urt. v. 19.3.2002 – X ZR 125/00, BauR 2002, 1257, 1259. Da sich der Schuldrechtsmodernisierungsgesetzgeber eng an die gebildete Terminologie der Rechtsprechung zu § 16 Nr. 1 VOB/B und vereinbarter Abschlagszahlungen angelehnt hat, ist nicht ersichtlich, dass eine fixe Verbindung zwischen Abschlagszahlungsrate und zugrundeliegender Vertragsleistung bezweckt war. Die „vertragsgemäße Leistung“ ist vielmehr notwendige Voraussetzung, um das vertragliche Äquivalenzprinzip von Leistungswertzuwachs und Zahlung sicherzustellen. 48 So C. Schmitz, BauR 2005, 169, 178, der m. E. übersieht, dass nach seiner Ansicht § 320 Abs. 1 BGB nicht anwendbar wäre, weil zum einen der Auftragnehmer nach seiner Auffassung vorleistungspflichtig ist und zum anderen eine präzise Verknüpfung zwischen Leistung und Abschlagsforderung gerade nicht stattfindet. 49 BGH, Urt. v. 6.12.1991 – V ZR 220/90, NJW 1992, 556, 557 f. 50 Mai/Merl, in: Kleine-Möller/Merl, Handbuch des privaten Baurechts, 3. Aufl. 2005, § 13 Rz. 323 m. w. N.

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weil sie dem Kooperationsgedanken beim Bauvertrag Rechnung trägt.51 Ungeklärt und keine Frage der Klauselauslegung ist es, ob der Auftragnehmer die Arbeitseinstellung zuvor noch ankündigen muss.52 Unabhängig von einer fälligen Abschlagsforderung kann der Auftragnehmer – sofern er noch leistungs- bzw. nachbesserungswillig (!) ist – Sicherheit gem. § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Ankündung verlangen, dass er nach Ablauf einer angemessen Frist die Fortsetzung der Arbeiten verweigern werde. Dieses „Schwert“ ist allerdings recht stumpf, weil die Rechtsprechung53 dem Auftraggeber eine Frist zur Beschaffung der Sicherheit von regelmäßig zwei Wochen einräumt, wenn er nicht mit dem Sicherungsverlangen rechnen musste. Der Auftragnehmer ist erst nach Fristablauf zur Leistungsverweigerung berechtigt.54 Unter den Voraussetzungen von §§ 281 Abs. 1, Abs. 4 BGB (fällige Forderung, fruchtloser Ablauf einer angemessenen Frist zur Zahlung usw.) kann sich der Auftragnehmer selbst vom Vertrag lösen und Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Beim VOB/B-Bauvertrag muss der Auftragnehmer die Kündigung des Vertrags zusätzlich ankündigen (vgl. § 9 Nr. 1 b), Nr. 2 VOB/B). Ähnliches gilt für den Rücktritt vom Vertrag. Die verweigerte Zahlung von Abschlägen ist daher für den Auftraggeber nicht ohne Risiken. Sie ist auch für den Auftragnehmer riskant. Der Auftraggeber braucht die Mängel nicht zu benennen, aufgrund derer er keine Abschlagszahlung leistet.55 Liegen die Mängel vor, beendigt der Auftragnehmer den Vertrag unberechtigt bzw. verweigert er zu Unrecht die weitere Leistungserbringung. Die unberechtigte Kündigung oder ____________

51 A. A. Staudinger/Peters, Bearb. 2003, § 632a BGB Rz. 18; zweifelnd C. Schmitz, BauR 2005, 169, 179, Fn. 32. 52 Kapellmann/Messerschmidt-Messerschmidt, 2003, § 16 VOB/B Rz. 332 m. w. N. zum Streitstand. 53 OLG Naumburg, Urt. v. 16.8.2001 – 2 U 17/01, BauR 2003, 556, 558 (BGH, Beschl. v. 2.5.2002 – VII ZR 304/01 hat die Revision nicht angenommen). 54 Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 4.1.2005, § 648a Rz. 81. 55 A. A. für § 323 Abs. 1 BGB Kniffka/Koeble, Kompendium des privaten Baurechts, 2. Aufl. 2004, 8. Teil Rz. 5 sowie v. Wietersheim, BauRB 2004, 309, 313 mit der Argumentation, die Norm setze eine nicht erfolgte fällige Zahlung, aber kein Zahlungsverzug voraus. Hierbei wird m. E. übersehen, dass das Leistungsverweigerungsrecht des Auftraggebers wegen Mängeln aus § 320 Abs. 1 BGB bereits zum Ausschluss der Durchsetzbarkeit der Gegenleistung führt. Dies ist Folge des funktionellen Synallagmas. Vgl. etwa Bamberger/Roth-Grothe, 2003, § 323 BGB Rz. 5; Erman/H. P. Westermann, 11. Aufl. 2004, § 323 BGB Rz. 10.

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Leistungsverweigerung berechtigt den Auftraggeber seinerseits grundsätzlich selbst zur außerordentlichen Kündigung.

3. „Totalkonfrontation“ – Außerordentliche Kündigung durch den AG a) BGB-Bauvertrag Der Auftraggeber kann sich beim BGB-Vertrag nur unter erschwerten Voraussetzungen vom Vertrag aus wichtigem Grund lösen. Streitig sind die dogmatischen Lösungswege, ohne dass diese unmittelbar für die Frage der außerordentlichen Vertragsbeendigung relevant werden. Eine Möglichkeit besteht darin, dass der Auftraggeber gem. § 281 Abs. 1, Abs. 4 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangt, so dass kraft Gesetzes (§ 281 Abs. 4 BGB) der Leistungsanspruch untergeht. Weiterhin soll nach einer Auffassung56 der Auftraggeber den Vertrag nach § 314 BGB bzw. entsprechend § 649 BGB außerordentlich kündigen können, obwohl der Bauvertrag regelmäßig kein Dauerschuldverhältnis ist. Nach anderer Auffassung57 kann der Auftraggeber anstelle einer außerordentlichen Kündigung grundsätzlich nur gem. § 323 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 BGB den (Teil-)Rücktritt vom Vertrag hinsichtlich des noch nicht erbrachten Teilwerks erklären. Sämtliche Lösungswege setzen bei einer nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung des Auftragnehmers voraus, dass die Leistungspflicht bereits fällig ist (vgl. den Wortlaut von §§ 281 Abs. 1 Satz 1, 314 Abs. 2 Satz 1, 323 Abs. 1 Satz 1 BGB). Anders als beim VOB/B-Bauvertrag ist aber die Pflicht zur ordnungsgemäßen Leistung vorbehaltlich einer abweichend Vereinbarung der Fälligkeit von Teilleistungen erst mit dem Gesamtablieferungstermin fällig.58 Fehlt eine Fälligkeitsvereinbarung, so bestimmt sich die Fälligkeit nach § 271 BGB. Nach dieser Norm hat der Auftragnehmer den Bau zügig zu beginnen und binnen angemessener Zeit insgesamt zuende zu führen.59 Erst nach Ablauf der Frist wird ____________

56 Bamberger/Roth-Voit, Internetaktualisierung 8/2004, § 649 BGB Rz. 24 f.; Jauernig/Mansel, 11. Aufl. 2004, § 649 BGB Rz. 9; Siebert/Kleine-Möller, in: Kleine-Möller/Merl, Handbuch des privaten Baurechts, 3. Aufl. 2005, § 15 Rz. 81; Sienz, BauR 2002, 181, 194; Voit, BauR 2002, 1776, 1784 ff.; ders., FS Honsell, 2002, S. 415, 431 ff. 57 Boldt, NZBau 2002, 655, 657; Böttcher, ZfBR 2003, 213, 217; Vogel, in: Grziwotz/Koeble, Handbuch Baurecht, 2004, 4. Teil Rz. 394 f. 58 BGH, Urt. v. 3.7.1997 – VII ZR 159/96, BauR 1997, 1067, 1068. 59 BGH, Urt. v. 8.3.2001 – VII ZR 470/99, BauR 2001, 946.

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der Erfüllungsanspruch fällig. Zwar trifft den Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die angemessene Herstellungsfrist noch nicht abgelaufen ist.60 Angesichts zahlreicher Möglichkeiten, dass sich dieser Fälligkeitstermin durch Behinderungen und Nachträge verlängert, bestehen für den Auftraggeber erhebliche Unsicherheiten, ob er dem Auftragnehmer tatsächlich wirksame Fristen nach Fälligkeit (!) setzt. Die angemessene Herstellungszeit lässt sich allenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen einigermaßen sicher eingrenzen. Nichts anderes gilt bei Zwischenfristen, wenn sich diese aufgrund von Umständen außerhalb der Risikosphäre des Auftragnehmers nach hinten verschieben. Eine frühzeitige Ausübung der Rückabwicklungsrechte ist nur unter der Voraussetzung des wohl verallgemeinerungsfähigen § 323 Abs. 4 BGB möglich, wenn offensichtlich ist, dass auch bei einer angemessenen Fristsetzung nach Fälligkeit der Auftragnehmer die Leistung nicht mehr erbringen kann.61 Schlussendlich setzen die Rückabwicklungsrechte – wie vor der Schuldrechtsreform – voraus, dass sich der Auftraggeber selbst vertragstreu verhalten hat.62 Wer fällige Abschlagsforderungen nicht bezahlt, Vorleistungen (z. B. Pläne, Genehmigungen) entgegen der Vereinbarung nicht erbringt oder sonstige Kündigungsgründe selbst zurechenbar verursacht hat, kann den Vertrag nicht außerordentlich beendigen. Eine rechtssichere Beendigung ohne Gefahr, mit den Rechtsfolgen einer ordentlichen Kündigung (§ 649 Satz 2 BGB) belastet zu werden, ist daher dem Auftraggeber bei einem BGB-Bauvertrag in den seltensten Fällen möglich. Zudem konnte der Auftragnehmer vor der Schuldrechtsreform den Vertrag selbst außerordentlich kündigen, wenn ihn der Auftraggeber unberechtigt kündigt.63 Außerhalb des Leistungsbereichs scheidet eine Kollision des früher angenommenen außerordentlichen Kündigungsrechts mit den neuen Wertungen des Reformgesetzgebers aus, wenn die Voraussetzungen der §§ 324, 323 Abs. 3 BGB (fehlende Funktion der Abmahnung) gegeben sind, so dass etwa bei gra____________

60 BGH, Urt. v. 21.10.2003 – X ZR 218/01, BauR 2004, 331, 332. 61 Zutreffend C. Schmitz, BauR 2005, 169, 172 m. w. N. der Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform. 62 Im Ergebnis unstreitig, dogmatisch höchst umstritten, vgl. Palandt/Heinrichs, 64. Aufl. 2005, § 281 BGB Rz. 35 und § 323 BGB Rz. 29; Staudinger/Otto, Bearb. 2004, § 281 BGB Rz. B 84 ff.; Staudinger/Otto, Bearb. 2004, § 323 BGB Rz. E 10 ff. 63 Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl. 2004, 7. Teil Rz. 26 m. w. N.

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vierendem Vertrauensverlust, arglistiger Täuschung, Drohung und allerlei sonstigen Unappetitlichkeiten sofort der Vertrag vom Auftraggeber durch Gestaltungserklärung außerordentlich beendet werden kann.64 Auch hier bewegt sich der Auftraggeber auf recht „dünnem Eis“, was sowohl die Tatsachen – als auch – mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung – die Rechtslage angeht. b) VOB/B-Bauvertrag Ist die VOB/B in den Vertrag einbezogen worden, kann der Auftraggeber wesentlich flexibler und rechtssicherer den Vertrag außerordentlich beenden. aa) §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B Bei Mängeln steht ihm zum einen unter den Voraussetzungen von §§ 8 Nr. 3 Abs. 1, 4 Nr. 7 VOB/B die Möglichkeit offen, den Vertrag durch außerordentliche Kündigung insgesamt zu beenden. Anders als beim BGB-Vertrag ist der Mängelbeseitigungsanspruch auch vor Abnahme jederzeit fällig (§ 4 Nr. 7 Satz 1 VOB/B). Beseitigt der Auftragnehmer den Mangel nicht, so kann der Auftraggeber ihm eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und zusätzlich ankündigen, ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag zu entziehen. Die Androhung der Kündigung muss eindeutig sein;65 sie sollte sich eng an den Text von § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B halten. Eine Kündigung vor Fristablauf ist grundsätzlich unwirksam, es sei denn, es steht objektiv fest, dass der Auftragnehmer die angemessene Frist nicht einhalten kann.66 Die Kündigungserklärung selbst muss gem. § 8 Nr. 5 VOB/B schriftlich erfolgen. bb) §§ 5 Nr. 4, 8 Nr. 3 VOB/B Liegen die Verzögerungstatbestände des § 5 Nr. 4 VOB/B (verzögerter Ausführungsbeginn, verzögerte Fertigstellung oder unzureichende Baustellenausstattung bzw. -besetzung) vor, kann der Auftraggeber den Auftragnehmer zur Vertragserfüllung auffordern und für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs die Kündigung androhen. Im Weiteren sind dann grundsätzlich die eben dargelegten Schritte vom Auftraggeber einzuhalten. ____________

64 Ähnlich Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 4.1.2005, § 649 Rz. 10 ff.; Wagner, ZfIR 2002, 353, 359. 65 Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl. 2004, 6. Teil Rz. 174. 66 Zuletzt BGH, Urt. v. 12.9.2002 – VII ZR 344/01, BauR 2002, 1847, 1848 m. w. N.; stRspr.

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Das eigentliche Problem der Klausel liegt darin, dass in der Praxis oft nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt werden kann, ob ein Verzögerungstatbestand vorliegt. So kann der Auftragnehmer einen Anspruch auf Fristverlängerung (§ 6 Nr. 2 VOB/B) haben, so dass sich etwaige Termine entsprechend verschieben (§ 6 Nr. 4 VOB/B). Dieser Anspruch ist bei der Prüfung, ob ein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegt, indirekt auch dann zu berücksichtigen, wenn der Auftragnehmer nicht ordnungsgemäß eine Behinderung angezeigt hat; es fehlt dann nämlich an seinem Verschulden67 und damit an einem außerordentlichen Kündigungsgrund. Verschieben sich Termine, so kommt der Auftragnehmer nur durch eine Mahnung nach Ablauf der verlängerten Frist in Verzug.68 Fristsetzungen – mit oder ohne Kündigungsandrohung – vor diesem Zeitpunkt sind wirkungslos. Den Auftraggeber trifft insofern die Darlegungs- und Beweislast, dass die vermeintlich rückständige Leistung fällig war.69 Eine mangels Kündigungsgrund unberechtigt erklärte außerordentliche Kündigung wird im Regelfall von der Rechtsprechung70 in eine freie Kündigung umgedeutet. Dies kann für den Auftraggeber desaströse Folgen haben, weil er nach § 649 Satz 2 BGB dem Auftragnehmer abzüglich ersparter Aufwendungen usw. die volle Vergütung für den noch nicht erbrachten Teil der Leistungen zahlen muss. cc) § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B Dieses krisenbezogene außerordentliche Kündigungsrecht gewährt dem Auftraggeber in vier Fallvarianten ein Kündigungsrecht: Zahlungseinstellung des Auftragnehmers (1. Variante), Insolvenzantrag (2. Variante), Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (3. Variante) und Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse (4. Variante). Relevant für die eigentliche Krise sind die 1. und 2. Variante. Diese beiden Kündigungsgründe sind mit § 119 InsO meines Erachtens vereinbar.71 Die Norm schützt die Insolvenzmasse nach der Gesetzge____________

67 BGH, Urt. v. 14.1.1999 – VII ZR 73/98, BauR 1999, 645, 648. 68 BGH, Urt. v. 22.5.2003 – VII ZR 468/01, BauR 2003, 1215, 1216. 69 OLG Saarbrücken, Urt. v. 2.4.2003 – 1 U 702-02-167 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgeweisen durch BGH, Beschl. v. 30.9.2004 – VII ZR 127/03), IBR 2005, 9. 70 BGH, Urt. v. 24.7.2003 – VII ZR 218/02, BGHZ 156, 82 ff. = BauR 2003, 1889, 1891 = MDR 2004, 90. 71 Im Einzelnen C. Schmitz, Die Bauinsolvenz, 3. Aufl. 2004, Rz. 53; Koenen, BauR 2005, 202, 205 ff. m. w. N.; a. A. bezüglich Variante 2 Kapellmann/ Messerschmidt-Lederer, § 8 VOB/B 63/68 f. m. w. N.

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bungsgeschichte erst ab dem Zeitpunkt der Insolvenzverfahrenseröffnung, nicht jedoch davor.72 Anders sieht dies mit der 3. Variante aus; dieser Kündigungsgrund ist kraft zwingendem Recht unwirksam.73 Der Auftraggeber hat jedoch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, die Beendigung des Vertrags durch Aufforderung an den Insolvenzverwalter zur Vertragserfüllungswahl (§ 103 Abs. 2 Satz 2 InsO) herbei zu führen, sofern dieser nicht binnen angemessener Frist Vertragserfüllung mit der Folge wählt, dass sämtliche noch nicht erfüllten Ansprüche des Auftraggebers aus dem Bauvertrag die Rechtsqualität von Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) erlangen. Die Anwendung der Varianten 1 und 2 macht in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten. Um Missbräuchen vorzubeugen, ist bei Variante 2 nur ein Eigeninsolvenzantrag des Auftragnehmers relevant.74 Zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung hat der Auftraggeber nicht immer präzise Kenntnis davon, wer und ob auch der Auftragnehmer (ggf. später) Insolvenzantrag gestellt hat. Bei Variante 1 liegt eine Zahlungseinstellung entsprechend § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO vor, wenn der Auftragnehmer zahlungsunfähig ist. Dies ist der Fall, wenn er nicht mehr in der Lage ist, die ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten im wesentlichen (ca. 80–90 %) in absehbarer Zeit (ca. 2–3 Wochen) zu erfüllen.75 Meistens lässt sich die Zahlungseinstellung nur mittels Indizien und nicht sehr rechtssicher ermitteln. Zu empfehlen ist daher regelmäßig nur eine Kündigung bei Eigeninsolvenzantrag; dieser lässt sich beim zuständigen Gericht (§ 3 Abs. 1 InsO) meist telefonisch erfragen. AGB-rechtlich sind die Kündigungsgründe in § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B aufgrund des kooperations- und Langzeitcharakters des Bauvertrags entgegen Koenen76 unbedenklich. Die Interessen des Insolvenzverwalters an einer Vertragsfortsetzung werden nur durch das zwingende Recht (§ 119 InsO) geschützt. Bei einer Inhaltskontrolle ist Prüfungsmaßstab ____________

72 Dies dürfte nach BGH, Urt. v. 25.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87 ff. = ZIP 2003, 1208, 1210 und dem dortigen Verweis auf MünchKommInsO/ Huber, § 119 Rz. 28 ff. auch die Auffassung des Insolvenzsenats des Bundesgerichtshofs sein; zutreffend Koenen, BauR 2005, 202, 206 f. 73 Ingenstau/Korbion-C. Schmitz/Vygen, 15. Aufl. 2004, § 8 Nr. 2 VOB/B Rz. 11 m. w. N.; Thode, ZfIR 2000, 165, 181. 74 Statt vieler: C. Schmitz, Die Bauinsolvenz, 3. Aufl. 2004, Rz. 21; a. A. nur Kapellmann/Messerschmidt-Lederer, § 8 VOB/B Rz. 66. 75 BGH, Urt. v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, NJW 2002, 515, 517 f.; BGH, Urt. v. 11.4.2002 – IX ZR 211/01, NJW 2002, 2568, 2569; die alte Rechtsprechung zur KO und zur GesO ist insofern überholt. 76 Koenen, BauR 2005, 202, 207 f.

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aber ausschließlich das dispositive Recht.77 Nichts anderes gilt für § 8 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B, der die Kündigungsfolgen regelt, sofern der Auftraggeber Klauselverwender ist.78 Die Klausel bestimmt auch durch ihre Verweisung für den Auftragnehmer keine negativeren Folgen als bei einem Teilrücktritt gem. § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB i. V. m. § 325 BGB. Gem. §§ 8 Nr. 2 Abs. 2 S. 1, 6 Nr. 5 VOB/B kann der Auftragnehmer Vergütung der von ihm bis zur Kündigung erbrachten Leistungen verlangen. Zur Vorbereitung eines Vergütungsanspruchs steht ihm das Recht zu, vom Auftraggeber ein gemeinsames Aufmass zu verlangen (§ 8 Nr. 6 VOB/B). Nach Kündigung verbleibt der Vertrag im Erfüllungsstadium. Dennoch ist eine Abnahme nicht Fälligkeitsvoraussetzung.79 Wegen des Restes der Leistungen kann der Auftraggeber nach § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B Schadensersatz verlangen. In das kündigungsbedingte Abrechnungsverhältnis sind hiernach zugunsten des Auftraggebers als Schadens- und Abzugsposten Restfertigstellungsmehrkosten, Verzugsschäden, (Sicherheits-)Einbehalte sowie sonstige Folgeschäden (u. U. Architektenkosten im Hinblick auf die Restfertigstellung) einzustellen.80 Da nach Kündigung das Erfüllungsstadium des Vertrags mangels Abnahme noch fortbesteht, muss der Auftraggeber den Auftragnehmer m. E. bis zur Insolvenzverfahrenseröffnung unter Kündigungsandrohung gem. §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B zur Mangelbeseitigung auffordern, um nach Entziehung des Mangelbeseitigungsrechts einen in Geld übergegangenen Anspruch zu erlangen.81 Nach Insolvenzverfahrenseröffnung verdrängt § 103 Abs. 2 InsO als lex specialis die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen, so dass ein Vertragserfüllungsverlangen gegenüber dem Insolvenzverwalter sowie der fruchtlose Ablauf einer angemessenen Frist ausreichen, damit kraft Gesetzes ein Geldanspruch entsteht. Einer Ver- bzw. Aufrechnung steht auch in diesen Fällen § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht entgegen, soweit Sekundäransprüche wegen synallagmatischer Hauptleistungspflichten betroffen sind (vgl. dazu noch unten).82 Die Norm erfasst nach Sinn und Zweck nicht diese Hauptleistungspflichten aus einem gegenseitigen Vertrag. ____________

77 Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl. 2001, § 9 Rz. 41/42; ferner Medicus, Bürgerliches Recht, 20. Aufl. 2004, Rz. 74. 78 A. A. Koenen, BauR 2005, 202, 208. 79 BGH, Urt. v. 9.10.1986 – VII ZR 249/85, BauR 1987, 95; stRspr. des Baurechtssenats. 80 Instruktiv C. Schmitz, Die Bauinsolvenz, 3. Aufl. 2004, Rz. 190 ff. m. w. N. 81 Vogel, Jahrbuch Baurecht 2004, 107, 135 m. w. N. auch zur Gegenauffassung. 82 Zuletzt Koenen, BauR 2005, 202, 215 f.; Wellensiek, BauR 2005, 169, 179; jeweils m. w. N. auch zur Gegenauffassung.

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4. Kooperationsstrategien Auftragnehmer erbringen gerade bei größeren Leistungen ihre Leistungen entgegen § 4 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B oftmals nicht im eigenen Betrieb. Der Auftragnehmer vergibt die beauftragte Leistung ganz oder teilweise an Subunternehmer, die wiederum zum Teil Nachunternehmer einschalten. Vorzufinden sind daher Vertragsketten. Ist der Auftragnehmer wirtschaftlich „klamm“, so bezahlt er seine Subunternehmer entweder nicht, nicht vollständig oder nur verzögert. Naturgemäß hat dies auf den Leistungserfolg erhebliche Auswirkungen. Im Interesse des Auftraggebers kann es daher liegen, den Subunternehmer direkt zu bezahlen oder ihn auf andere Weise zu motivieren und so die ordnungsgemäße Leistungserbringung erheblich zu fördern. a) Direktzahlungen des Auftraggebers an Subunternehmer des Auftragnehmers gem. § 16 Nr. 6 VOB/B Leistet der Auftraggeber unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 6 VOB/B solche Direktzahlungen an Subunternehmer des Auftragnehmers, so hat die Zahlung Erfüllungswirkung auch im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB). Sofern der Auftraggeber Verwender der VOB/B ist, hat der Bundesgerichtshof83 zur Altfassung entschieden, dass diese einer Inhaltskontrolle nicht standhält. Der Verdingungsausschuss hat § 16 Nr. 6 VOB/B erheblich überarbeitet. Dennoch ist fraglich, ob die Klausel einer Inhaltskontrolle standhält, wenn sie vom Auftraggeber verwendet wurde.84 Sie setzt voraus, dass der Subunternehmer am Bau vertraglich beteiligt ist, wegen Zahlungsverzugs die Fortsetzung seiner Leistung zu Recht verweigert und die Direktzahlung die Fortsetzung der Leistung sicherstellen soll. Nur wenn der Auftragnehmer sich binnen einer vom Auftraggeber gesetzten Frist nicht erklärt, inwieweit er die Forderung des Subunternehmers anerkennt, soll der Auftraggeber zahlen dürfen. Die Regelung ist bedenklich, weil etwa der Auftragnehmer aus gewichtigen Gründen die Forderung des Subunternehmers nicht zahlen oder die vom Auftraggeber gesetzte Frist zu kurz bemessen sein mag und das ____________

83 BGH, Urt. v. 21.6.1990 – VII ZR 109/89, BauR 1990, 727, 728. 84 Für die AGB-Widrigkeit Markus, in Markus/Kaiser/Kapellmann, AGB-Handbuch Bauvertragsklauseln, 2004, Rz. 126; C. Schmitz, BauR 2005, 169, 173; Vogel, Jahrbuch Baurecht 2004, 109, 110 f. m. w. N. auch zur Gegenauffassung.

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bloße, vielleicht auch unverschuldete Schweigen zu einem Forderungsverlust führen kann. Hält man § 16 Nr. 6 VOB/B deshalb für AGBwidrig, so hat die Zahlung des Auftraggebers keine Erfüllungswirkung. Er muss vorbehaltlich auch insolvenzrechtlich aufrechenbarer Gegenansprüche den bezahlten Betrag nochmals an den Insolvenzverwalter zahlen. Ob der Auftraggeber den bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch gegen den Subunternehmer durchsetzen kann, ist in vielen Fällen zweifelhaft. Zahlungen wird der Auftraggeber daher allenfalls riskieren können, wenn der Subunternehmer eine Sicherheit in gleicher Höhe für einen eventuellen Rückzahlungsanspruch stellt. Hierzu wird dieser meist weder willens noch in der Lage sein, zumal er anders als der Auftraggeber als Schuldner eines Anfechtungsanspruchs gem. §§ 131 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO wegen erlangter Zahlungen in Betracht kommt, weil die Direktzahlung inkongruent ist.85 Eine Risikoreduzierung für den Auftraggeber ist bedingt möglich durch individuelle Vereinbarung mit dem Auftragnehmer, die sich an § 16 Nr. 6 VOB/B anlehnt. Zwar ist entschieden worden, dass bei einer insolvenzrechtlich unanfechtbaren Vereinbarung von § 16 Nr. 6 VOB/B und der hierin liegenden Ermächtigung zur schuldbefreienden Zahlung Anfechtungsgegner nur der Subunternehmer ist. Ist aber die Vereinbarung selbst insolvenzrechtlich anfechtbar, dürfte die Rechtsfolge von § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO sein, dass die Ermächtigung zurückgewährt wird. § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO soll die Insolvenzmasse so stellen, als sei die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung nicht erfolgt.86 Die Zahlungen an den Subunternehmer haben hiernach keine schuldbefreiende Wirkung. Die bereits entrichtete Vergütung muss nochmals an den Insolvenzverwalter gezahlt werden. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder Bestellung eines „starken“ oder mit Zustimmungsvorbehalt ausgestatteten „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters kann der Auftraggeber nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung zu Lasten des Vermögens des Auftragnehmers direkt zahlen.87

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85 OLG Dresden, Urt. v. 28.10.1999 – 4 U 2045/99, BauR 2000, 1758, 1759 f.; bestätigt durch BGH, Beschl. v. 6.6.2002 – IX 425/99, BauR 2002, 1408, 1409 (Revision nicht zur Entscheidung angenommen). 86 Gerhardt/Kreft, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 9. Aufl. 2005, Rz. 472. 87 Vgl. i. E. Vogel, Jahrbuch Baurecht 2004, 109, 110 f.

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b) Schuldbeitritt des Auftraggebers gegenüber Subunternehmern Tritt der Auftraggeber der Schuld des Auftragnehmers gegen seinen Subunternehmer bei, so haften Auftraggeber und Auftragnehmer als Gesamtschuldner. Der Auftraggeber läuft Gefahr, sowohl an den Insolvenzverwalter des Auftragnehmers als auch an den Subunternehmer zahlen zu müssen. Ist der Schuldbeitritt in der Krise des Auftragnehmers geschlossen worden, kann der Auftraggeber dem Insolvenzverwalter auch nicht einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch gem. §§ 426 Abs. 2, 774 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegenhalten. Die Aufrechnung ist insolvenzrechtlich ausgeschlossen (§§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 131 Abs. 1 InsO).88 Die Gläubigerbenachteiligung i. S. v. § 129 Abs. 1 InsO liegt darin, dass die einfache Insolvenzforderung des Subunternehmers ganz oder teilweise vollständig befriedigt würde. Auch führt der Schuldbeitritt nur dazu, dass der Auftraggeber aus dem Vertrag mit dem Subunternehmer verpflichtet, nicht jedoch berechtigt wird. Der Auftraggeber hat also keinen direkten Einfluss auf die Leistungserbringung durch den Subunternehmer. c) Vorauszahlungen und deren Absicherung Vorauszahlungen an den Auftragnehmer, um diesem den Fortgang der Arbeiten zu ermöglichen, kommen aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage für den Auftraggeber nur in Betracht, wenn er hierfür einen Gegenwert erhält. Eine Bürgschaft als Sicherheit ist für den Auftraggeber wirtschaftlich nur interessant, wenn sie leicht verwertbar ist. Es ist fragwürdig, ob in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorauszahlungsbürgschaften auf erstes Anfordern als Sicherheit vereinbart werden können. Die hiermit verbundene große Missbrauchsgefahr spricht dagegen,89 das bei einer Vorauszahlung bestehende Liquiditätsinteresse des Auftraggebers hingegen dafür. Auch Individualvereinbarungen helfen letztlich kaum weiter, da der Auftragnehmer eine Bürgschaft auf erstes Anfordern nur stellen können wird, wenn die Zahlung durch eine „Bei-uns“-Klausel auf ein bei der Bürgin geführtes Konto fließt; der Bürge wird sich zumeist den Betrag 1:1 sichern.90

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88 Zutreffend C. Schmitz, BauR 2005, 169, 174. 89 OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.11.2003 – 21 U 36/03, BauR 2004, 1319. 90 C. Schmitz, BauR 2005, 169, 175.

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Soll durch die Vorauszahlung Baumaterial erworben werden, so käme eine Sicherungsübereignung in Betracht. In der Praxis scheitert sie fast immer an einer präzisen juristischen Umsetzung (konkretes Besitzmittlungsverhältnis, sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz). Aufgrund des im Baustoffhandel branchenüblichen Eigentumsvorbehalts muss der Auftraggeber prüfen, dass der Auftragnehmer Eigentümer oder Verfügungsbefugter des Sicherungsguts ist.91 Hierzu muss er mit dem Baustofflieferanten Kontakt aufnehmen. Ob dies ausreicht, ist für mich zweifelhaft, da der Lieferant nahezu ausnahmslos selbst die Ware unter Eigentumsvorbehalt erwirbt, so dass sich die Problematik weiter stellt. Gelingt dem Auftraggeber ausnahmsweise eine wirksame Sicherungsübereignung, so kann sie insolvenzrechtlich ebenso wie die Vorauszahlung anfechtbar sein. Die Übereignung ist im Regelfall inkongruent i. S. v. § 131 Abs. 1 InsO und damit unter erleichterten Voraussetzungen anfechtbar.92 Kongruent und damit nur unter erschwerten Voraussetzungen anfechtbar ist sie allenfalls, wenn sich der objektive Wert des Materials und der Vorauszahlungsbetrag tatsächlich decken.93 Eine nachträgliche Vereinbarung in der Krise, die Vorauszahlungen gegen deckungsgleiche Sicherungsübereignungen vorsieht, ist aber selbst inkongruent, weil sie vom ursprünglich abgeschlossenen Bauvertrag abweicht; sie ist trotz Deckungsgleichheit gläubigerbenachteiligend, wenn die Vorauszahlung den Gläubigern im Insolvenzverfahren nicht mehr zur Verfügung steht.94 Die auf die nachträgliche Vereinbarung geleistete Zahlung ist dann inkongruent, wenn die Vereinbarung insolvenzrechtlich anfechtbar ist, weil dann vor Fälligkeit gezahlt wurde.95 In diesen Fällen greift auch das Bargeschäftsprivileg (§ 142 InsO) nicht, weil es bei einer inkongruenten Deckung oder Befriedigung nicht anwendbar ist.96 Das Sicherungsgut muss deshalb trotz Vorauszahlung an den Insolvenzverwalter zurück gewährt werden. Ist dies nicht möglich, schuldet der ____________

91 92 93 94 95

Vgl. BGH, Urt. v. 22.9.2003 – II ZR 172/01, NJW-RR 2004, 555, 556. Vgl. BGH, Urt. v. 13.5.2004 – IX ZR 128/01, BauR 2004, 1448, 1449 f. Vgl. BGH, Urt. v. 13.5.2004 – IX ZR 128/01, BauR 2004, 1448, 1450. BGH, Urt. v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, NJW 1993, 3267, 3268. BGH, Urt. v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, NZI 2002, 486, 487 f. Wird die Zahlung – hier als Abschlagsforderung – noch vor Insolvenzverfahrenseröffnung fällig, ist sie nur nach §§ 130, 133 InsO anfechtbar. Freilich bleibt die Indizwirkung der Inkongruenz (verfrühte Zahlung) weiterhin bestehen (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, NZI 2002, 486, 489; BGH, Urt. v. 13.3.1997 – IX ZR 93/96, ZIP 1997, 853, 854 f. [zur KO]; HK/Kreft, 3. Aufl. 2003, § 131 InsO Rz. 10). 96 BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff. = NJW 2002, 1722, 1724; BGH, Urt. v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, NJW-RR 2004, 1493, 1494.

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Auftraggeber Wertersatz (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO). Gegen den Anspruch ist die Aufrechnung nicht zulässig (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). d) Zwischenergebnis Kooperationsstrategien, welche den am Bau Beteiligten in der jeweiligen Situation fair und angemessen erscheinen, sind mit gravierenden (Anfechtungs-) Risiken behaftet. Der Weg, beim „Kriseln“ des Auftragnehmers nach Mängeln seiner Leistung zu „suchen“, ist daher rechtlich der einfachere und sichere. Dass der Konfrontationsweg auch nicht risikolos ist und keinesfalls die zügige, möglichst mangelfreie Fertigstellung des Bauwerks fördert, liegt auf der Hand.

5. Teilkooperation – Fortführung des Bauvertrags bis zur Insolvenzverfahrenseröffnung Hat das Insolvenzgericht einen vorläufigen, typischerweise „schwachen“ Insolvenzverwalter eingesetzt, so ist in vielen Fällen „die schlimmste Zeit“ für den Auftraggeber überstanden, weil er nun einen weiteren Ansprechpartner hat. a) Restabwicklungsvereinbarung mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter Auch wenn die insolvenzbedingte Vertragsbeendigung aus Sicht des Auftraggebers unausweichlich ist, kann eine begrenzte Kooperation sinnvoll sein. Kündigt der Auftraggeber sofort bei Eigenantrag des Auftragnehmers, läuft er Gefahr, dass sich die Fertigstellung massiv verzögert oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter zur Feststellung des Bautenstandes nach Kündigung vorläufig die Baustelle durch einstweilige Verfügung stilllegt. Um die Restarbeiten kostengünstiger vergeben zu können, etwa wenn die noch ausstehende Vergütung nebst Sicherheiten die Restfertigstellungsmehrkosten kaum abdecken wird, bietet sich der Abschluss einer Restabwicklungsvereinbarung an. In dieser werden ab einem bestimmten Punkt der weiteren Leistungserbringung Rechtsfolgen vereinbart, die einer außerordentlichen Kündigung nahe kommen. In der Praxis wird zur klaren Abgrenzung der Haftung von Auftragnehmer und Nachfolgeunternehmer von mir stets vorgeschlagen, die Erbringung der Leistung bis zu gut abgrenzbaren Teilen der Leistung fortzusetzen. Der Auftraggeber hat dann Zeit, einen Nachfolgeunter72

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nehmer zu akzeptablen Bedingungen zu suchen. Der Auftraggeber muss sich jedoch vergegenwärtigen, dass der Auftragnehmer mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters für die nach Kenntnis von Insolvenzantrag noch erbrachten Leistungen vollständig bezahlt werden muss. Dies folgt aus den §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Aufrechnen kann der Auftraggeber daher allenfalls mit Gegenansprüchen aufgrund dieser Leistungen (vgl. dazu noch unten). Da der vorläufige Insolvenzverwalter zumeist sehr schnell Planungssicherheit benötigt, mit welchen Zahlungseingängen er rechnen kann, wird er darüber hinausgehend die Aufrechnung und Leistungsverweigerungsrechte ausschließen müssen. Für den Auftraggeber stellt dies ein Risiko dar, welches reduziert werden kann, wenn ihm wenigstens eine „Verrechnung“ mit solchen Mängelansprüchen nach Kenntnis vom Insolvenzantrag zugebilligt wird, die sich auf die weitere, noch zu erbringende Leistung beziehen. Diese Risiken einzugehen kann bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise immer noch sinnvoller sein, als wenn der vorläufige Insolvenzverwalter – zur Schonung der Ressourcen für andere fortgeführte Baustellen – die weitere Leistungserbringung sofort stoppt. Bis wieder Ordnung in die Baustelle kommt, vergeht eine erhebliche Zeit. Letztlich kreisen die Überlegungen von – rechtlich gut beratenen – Auftraggebern darum, wie der eigentlich bereits eingetretene wirtschaftliche Schaden minimiert werden kann. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird – sofern ihm der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses mit dem Auftraggeber und seinem Rechtsbeistand gelingt – auf einer sofortigen Abschlagszahlung bestehen, auch um dringend notwendige Materialeinkäufe usw. zu finanzieren. Auch besteht er auf der „Geschäftsgrundlage“ einer solchen Vereinbarung, nämlich der Einschränkung der insolvenzbedingten Kündigungsmöglichkeit aus § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B. Daneben kommt die Vereinbarung von neuen Vertragsfristen, Vertragsstrafen und – sehr oft – von Bonusprämien in Betracht. Nicht fehlen dürfen in manchen Fällen auch beiderseitige Sicherheiten. Bei vorhandenen Sicherheiten sollte vorsichtshalber der Bürge wegen des Verbots der Fremddisposition in § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB dergestalt in die Vereinbarung einbezogen werden, dass er seine ungeschmälerte Forthaftung bestätigt. In der Praxis ist eine Bestätigung sehr kurzfristig erhältlich, weil die Vereinbarung das Risiko der Verwertung der Bürgschaft reduziert. Unabdingbar sind Regelungen über die gemeinsame Leistungsstandsfeststellung bei Abschluss der Vereinbarung und bei Beendigung der weiteren Leistungserbringung sowie über die Abnahme der Teilleistung. Gleichwohl sind immer wieder große Kreativität und Mut auf beiden Seiten gefragt. 73

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Die mit meiner Hilfe vereinbarten rund 60 Restabwicklungsvereinbarungen sind bis auf zwei Ausnahmen zur beiderseitigen Zufriedenheit von Auftraggeber und Restabwicklungsteam der Insolvenzschuldnerin so „abgearbeitet“ worden, dass eine „loose-loose“- in eine „win-win“Situation gewandelt werden konnte. Dies hat gerade im Großraum München dazu geführt, dass institutionelle Auftraggeber von sich aus sehr kurzfristig in unserem Hause nach Kenntnis von der Insolvenzantragstellung und der Bestellung eines unserer Insolvenzverwalter um den Abschluss einer solchen Vereinbarung nachsuchen. Nicht verhehlen möchte ich jedoch die noch ungeklärte Problematik, ob und inwieweit solche mit Hilfe des vorläufigen Insolvenzverwalters geschlossene Vereinbarungen insolvenzrechtlich anfechtbar sind. Grundsätzlich sind auch Rechtshandlungen des Auftragnehmers im Zusammenwirken mit dem vorläufigen, mit einem Zustimmungsvorbehalt „ausgestatten“ Insolvenzverwalter durch den „endgültigen“ Insolvenzverwalter anfechtbar, wobei der Bundesgerichtshof noch teilweise offengelassen hat, ob dies auch bei einem Zustimmungsvorbehalt i. S. v. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 InsO gilt.97 In zahlreichen Fällen wird es an einer Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 Abs. 1 InsO fehlen, weil der Auftraggeber sofort außerordentlich kündigen könnte und die Insolvenzgläubiger durch die befristete Fortsetzung des Bauvertrags nicht benachteiligt werden, wenn die insolvenzanfechtungsrechtlichen Beschränkungen der Auf- und Verrechnung in der Vereinbarung unverändert gelassen werden. Modifiziert die Vereinbarung die vertragliche Vergütungsstruktur, kann immerhin fraglich sein, ob nicht das Vertrauen des Auftraggebers in die Wirksamkeit der Restabwicklungsvereinbarung schutzwürdig ist, so dass gem. § 242 BGB eine Anfechtung ausscheidet. Schlussendlich sind die genauen Rechtsfolgen unklar, wenn eine Restabwicklungsvereinbarung insolvenzrechtlich angefochten wird. In unserer Praxis haben wir entweder Restabwicklungsvereinbarungen nicht abgeschlossen oder solche geschlossen, die insolvenzanfechtungsrechtlich mangels Gläubigerbenachteiligung unbedenklich waren. ____________

97 BGH, Urt. v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, NJW 1993, 1865, 1866, dazu EWiR 2003, 719 (Huber); HK/Kreft, 3. Aufl. 2003, § 129 InsO Rz. 30; BGH, Urt. v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BB 2005, 401, 402 f. verneint jetzt eine Anfechtbarkeit bei Zustimmung zum Abschluss eines neuen, erkennbar nicht unfairen Vertrags. Lehnt sich die Restabwicklungsvereinbarung an die gesetzlichen Regelungen an und billigt sie dem Auftragnehmer für noch erbrachte Leistungen eine vertragsangemessene Vergütung zu, dürfte das Anfechtungsrisiko gering sein.

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b) Insolvenzrechtliche Beschränkungen von Auf- und Verrechnungen Von erheblicher Relevanz für den Auftraggeber sind Beschränkungen des Rechts zur Auf- oder Verrechnung. Hierbei sollen beide Arten der Befriedigung gleich behandelt werden, da zum einen in der Rechtsprechung bislang eine klare Differenzierung, in welchen Fällen gegenseitige Ansprüche aus einem Bauvertrag verrechnet oder nur aufgerechnet werden, nicht gelungen ist und da zum anderen solche „Kunstprodukte“ die §§ 94 ff. InsO nicht einfach unterlaufen können.98 Die ganze Rechtsfigur der Verrechnung erscheint mir nicht zweifelsfrei. Die bezweckte Aushebelung von Aufrechnungsverboten wäre auch durch eine eingeschränkte Auslegung und/oder durch den Arglisteinwand zu lösen, ohne dass es nicht zu Ende durchdachter Konstruktionen bedarf. Aber das ist ein anderes Thema. Insolvenzanfechtungsrechtlich ist der Bauvertrag nach dem „Schmitz’schen Dreiklang“99 in drei voneinander unabhängige Teile aufzuteilen: (a) Der Bauvertrag bis zum Insolvenzantrag, (b) der Vertrag vom Insolvenzantrag bis zur Insolvenzverfahrenseröffnung und (c) danach: In der Phase a) sind sämtliche Ansprüche aus dem Bauvertrag bereits dem Grunde nach angelegt. Gegen Vergütungsansprüche, die auf Leistungen bis zu diesem Stichtag beruhen, kann der Auftraggeber grundsätzlich unbeschränkt aufrechnen (§ 94 InsO). Begrenzt wird die Aufrechnungsmöglichkeit durch § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO, wonach die Aufrechnung ausscheidet, wenn die Gegenforderung später fällig wird als diejenige des Insolvenzverwalters. Beispiel: Auftraggeber und Auftragnehmer haben zwei Bauverträge geschlossen. Am 1. Februar stellt der Auftragnehmer Insolvenzantrag. Aus dem ersten Vertrag steht der Insolvenzmasse eine am 1. Februar fällige Abschlagsforderung zu. Am 28. März bemerkt der Auftraggeber beim zweiten Bauobjekt einen Mangel und fordert den Auftragnehmer zur Mangelbeseitigung bis zum 15. April auf. Am 1. April wird über das Vermögen des Auftragnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet. Der in Geld übergegangene Mangelanspruch wird erst nach Fristablauf fällig. Die Aufrechnung mit in Geld übergegangenen Mängelansprüchen gegen die Abschlagsforderung scheitert an § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO.

Wie sieht die Sachlage aus, wenn der Mangel in dem Beispielsfall aus dem ersten Bauvertrag stammt. Ist die Aufrechnung gem. § 95 Abs. 1 ____________

98 Zutreffend Koenen, BauR 2005, 202, 215; BGH, Urt. v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03 hat daher die „Verrechnung“ aufgegeben. 99 Grundlegend C. Schmitz, ZInsO, 2004, 1051, 1052 ff.

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Satz 3 InsO ausgeschlossen? Ein Teil der Rechtsprechung100 und der Literatur101 bejaht dies. Demgegenüber dürfte in diesen Fällen die Norm teleologisch zu reduzieren sein,102 so dass Ansprüche aus dem funktionellen Synallagma nicht erfasst werden, was auch der Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Suspendierung gegenseitiger Vertragspflichten bei Insolvenzverfahrenseröffnung entspricht. Die Aufrechnung kann aber auch gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ausgeschlossen sein, wenn entweder der Auftraggeber bei Begründung einer fälligen Gegenforderung aus einem anderen Vertrag in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantragstellung wusste, dass der Auftragnehmer zahlungsunfähig war (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO), oder die Aufrechnungslage – inkongruent – im letzten Monat oder in den letzten drei Monaten bei Zahlungsunfähigkeit des Auftragnehmers hergestellt wurde (§ 131 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 InsO). Dabei geht der Bundesgerichtshof103 zutreffend davon aus, dass regelmäßig der Abschluss eines weiteren Vertrags zur Erlangung einer Aufrechnungsmöglichkeit inkongruent ist, weil der Auftraggeber auf den Abschluss eines solchen Vertrags keinen Anspruch besitzt. In der Phase b) ist mit Ansprüchen aus anderen Verträgen die Aufrechnung von vornherein gem. §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber den Insolvenzantrag kannte, so dass nach Insolvenzantragstellung entgegen genommene Leistungen voll bezahlt werden müssen. Die Aufrechnung gegen diese Vergütung ist aber auch ausgeschlossenen mit Gegenansprüchen aus demselben Vertrag aus der Phase a).104 Beispiel: Der Auftragnehmer stellt am 1. Februar Insolvenzantrag. Der Auftraggeber lässt den Auftragnehmer noch zwei Monate bis zur Verfahrenseröffnung am 1. April ____________

100 LG Potsdam, Urt. v. 1.7.2002 – 7 S 113/02, ZIP 2002, 1734; LG Duisburg, Urt. v. 6.6.2003 – 22 O 31/03, ZfIR 2004, 170 Nr. 65. 101 Bähr/Herrmann, in: Freiburger Handbuch zum Baurecht, 2. Aufl. 2003, § 10 Rz. 175; C. Beutler, EWiR 2003, 369, 370; Koenen, BauR 2005, 202, 216. 102 LG Duisburg, Urt. v. 28.4.2004 – 25 O 23/03, BauR 2004, 1625, 1627; MünchKommInsO/Kreft, 2002, § 103 Rz. 101; Schmidt, NZI 2003, 186, 187 f.; C. Schmitz, EWiR 2002, 1053, 1054; Wellensiek, BauR 2005, 186, 196; grundlegend jetzt Tintelnot, KTS 2004, 339, 345 ff.; in diese Richtung tendierend BGH, Urt. v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03 (unveröffentl.). 103 BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558, 1559; BGH, Urt. v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, NJW-RR 2004, 846, 847; für einen baurechtlichen Fall OLG Hamm, Urt. v. 18.2.2003 – 21 U 7/02, BauR 2004, 89, 91. 104 Im Einzelnen C. Schmitz, ZInsO 2004, 1051, 1054.

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Krise des Werkunternehmers weiterarbeiten. Gegen den Vergütungsanspruch wegen der in dieser Zeit mangelfrei erbrachten Leistungen erklärt der Auftraggeber die Aufrechnung mit in Geld übergegangenen Mängelansprüchen wegen Mängeln (Alternative 1), die den bis zum 1. Februar erbrachten Leistungen anhaften, sowie mit Restfertigstellungsmehrkosten und Verzögerungsschäden (Alternative 2), weil der Insolvenzverwalter gem. § 103 Abs. 2 InsO Nichterfüllung des Vertrags wählt.

Die Aufrechnung ist in beiden Alternativen ausgeschlossen. In der zweiten Alternative sind die Gegenansprüche bereits im Keim mit Abschluss des Bauvertrags angelegt. Hätte der Auftraggeber gem. § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B gekündigt, wären typischerweise die gleichen Schadensposten entstanden. Wählt der Insolvenzverwalter in der Phase c) ausnahmsweise (u. U. auch teilweise) Erfüllung des Vertrags gem. §§ 103, 105 Satz 1 InsO, so steht der Insolvenzmasse für die nach Eröffnung erbrachte Leistungen eine Vergütung als Masseforderung zu. Gegen diese Masseforderung kann nur mit Masseverbindlichkeiten aufgerechnet werden (vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Mutmaßlich wegen Mängeln des vor Verfahrenseröffnung erbrachten Teilwerks, jedenfalls wegen Restfertigstellungsmehrkosten und Verzögerungsschäden, ist im Allgemeinen eine Aufrechnung nicht zulässig, wobei zahlreiche Einzelfragen ungeklärt und streitig sind.105 Kann der Insolvenzverwalter überhaupt Teilerfüllung wählen?106 Oder muss er nicht notgedrungen dann vorhandene Mängel beseitigen? Erhält er hierfür eine Vergütung als Masseforderung?107 Nicht verkennen möchte ich die zum Teil fehlende Praxisrelevanz der vorgenannten Ausführungen. Sie setzen nämlich voraus, dass der Insolvenzverwalter überhaupt in der Lage ist, die in den drei Phasen erbrachten Leistungen hinreichend sicher voneinander abzugrenzen. Angesichts der Motivationslage der Mitarbeiter des Auftragnehmers sind brauchbare und notfalls gerichtsverwertbare Leistungsabgrenzungen selten.

IV. Fazit Effektive Handlungsmöglichkeiten stehen dem Auftraggeber in der „Krise“ des Auftragnehmers nur zur Verfügung, wenn ihm der Bauvertrag ausreichende Möglichkeiten (Mängelbeseitigungsanspruch vor Ab____________

105 Umfassend C. Schmitz, ZinsO 2004, 1051, 1055 f. 106 Verneinend Vogel, Jahrbuch Baurecht 2004, 107, 123 m. w. N. 107 So Kreft, FS Kirchhof, 2003, 275, 285.

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nahme, Kündigungsrechte bei Verzug, Unterbesetzung der Baustelle oder Insolvenzantragstellung, ausreichende Sicherheiten) an die Hand gibt. Insofern ist die Vereinbarung der VOB/B für den Auftraggeber vorteilhaft, weil er bereits vor dem Fertigstellungstermin Mangelbeseitigung verlangen und wegen unterlassener Mangelbeseitigung oder Bauverzögerung außerordentlich kündigen kann. Auch steht ihm bei Zahlungseinstellung oder Insolvenzantrag des Auftragnehmers ein Kündigungsrecht zu. Diese Möglichkeiten besitzt der Auftraggeber beim BGBBauvertrag nicht. Die Vereinbarung der VOB/B ist für den Auftraggeber allerdings insofern nachteilig, als der Auftragnehmer vor Abnahme einen effektiv durchsetzbaren Anspruch auf Abschlagszahlung besitzt. Eine Vertragsgestaltung sollte daher sachgerechte Regelungen der VOB/B in den Vertrag inkorporieren, es im Übrigen aber bei der Gesetzeslage belassen. Die Vereinbarung der VOB/B in toto ist gefährlich. In der „Krise“ versagen kooperative Strategien zumeist, weil Lösungen insolvenzanfechtungsrechtlich nicht beständig sind. Möglich sind zur Schadensminimierung allenfalls teilkooperative Vereinbarungen zusammen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter, die jedoch erheblichen Restriktionen unterliegen. Unbedenklich ist nur eine befristete Fortführung der Baustelle zu fairen Konditionen.

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Krise des Bauträgers – Handlungsmöglichkeiten der Vertragspartner Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt, München

Inhaltsübersicht I. Einleitung: Die Krise des Bauträgers II. Der Bauträger und seine Vertragspartner III. Die Sicherung der Vertragspartner 1. Sicherung der Kreditinstitute 2. Die Sicherung der Baubeteiligten 3. Die Sicherung des Erwerbers a) Rechtsnatur des Bauträgervertrages – Legaldefinition und Inhalt b) Sicherung des Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums c) Sicherung der Lastenfreiheit d) Sicherung von Zahlungen des Erwerbers

aa) Vereinbarung von Abschlagszahlungen bb) Stellung einer MaBVBürgschaft cc) Rücktritt des Erwerbers in der Insolvenz des Bauträgers dd) Bürgenhaftung nach § 7 MaBV bei Mängeln des Werks IV. Handlungsmöglichkeiten der Vertragspartner 1. Handlungsmöglichkeiten der Erwerber 2. Handlungsmöglichkeiten der Bauhandwerker und Baubeteiligten 3. Handlungsmöglichkeiten des Kreditinstituts

I. Einleitung: Die Krise des Bauträgers Gerät der Bauträger vor der Vollendung eines Bauvorhabens in die Krise, sehen sich seine Vertragspartner häufig mit der Situation konfrontiert, die ihnen obliegenden Leistungen ganz oder teilweise bereits erbracht, ohne die ihnen ihrerseits gebührende Gegenleistung erhalten zu haben. Für sie stellt sich somit die Frage, in welcher Form sie sicherstellen können, dass sie die vom Bauträger geschuldeten Leistungen oder jedenfalls einen adäquaten Ersatz auch und gerade in dessen Krise noch erlangen können. Dabei ist die „Nagelprobe“ stets die Insolvenz des Bauträgers: Eine vom Bauträger einem seiner Vertragspartner gewährte Sicherheit ist nur dann wirksam und effektiv, wenn die sich aus ihr her79

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leitenden Rechte auch und gerade in der Insolvenz geltend gemacht werden können. Wann aber beginnt die Krise des Bauträgers? Zugespitzt formuliert beginnt die Krise bereits mit der Entscheidung, ein Bauträgerobjekt durchzuführen, also mit der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages über das Grundstück, auf dem die Bauträgermaßnahme durchgeführt werden soll. Der Grund, die Krise bereits mit dem Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit des Bauträgers beginnen zu lassen, liegt nicht in juristischen, sondern in betriebswirtschaftlichen Fragen, nämlich in den vor dem Hintergrund von Basel II geänderten Rahmenbedingungen der Kreditinstitute: Während nach früher üblicher Kalkulation ein Bauvorhaben von den Banken zu 100 % einschließlich aller Kosten und Zwischenfinanzierungszinsen finanziert wurde und dem Bauträger eine Gewinnmarge von 20 % – bei Einbeziehung der Gemeinkosten jedenfalls von 10 % – verblieb, gewähren die Banken heute nur noch eine Finanzierung von 80 %, während die fehlenden 20 % durch Eigenkapital des Bauträgers oder sog. Equity Capital gedeckt sein müssen. Zudem erfolgt die Baufinanzierung zumeist nur unter einer strengen Vorverkaufsauflage zwischen 30 % und 50 %. Dies führt dazu, dass ein – was den Regelfall darstellt – eigenkapitalschwacher Bauträger zusätzlich zur Finanzierung durch die Banken Private Equity Capital benötigt. Der Zinssatz für eine Kapitalaufnahme in diesem Bereich liegt aber bei 15–25 %. Von einem kalkulierten Bauträgergewinn von 20 % gehen deshalb bei einer Abwicklung innerhalb von 2 Jahren bereits bis zu 10 % an die Geber von Equity Capital, so daß dem Bauträger nur die Hälfte der früheren Marge für „Unvorhergesehenes“, insbesondere schleppenden Abverkauf, der zwar nie erwartet wird, jedoch stets eintritt, verbleibt. Bereits geringe Abweichungen von der Budgetplanung führen den Bauträger in die Krise. Diese konkretisiert sich jedenfalls bei Abweichungen des tatsächlichen Cash-flows vom geplanten Budget, die im Ergebnis auf ein defizitäres Ergebnis hinauslaufen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist nämlich durch die Insolvenzreform als neuer Eröffnungsgrund eingeführt worden, der dem Bauträger schon in einem relativ frühen Stadium die Chancen einer erfolgreichen Sanierung durch ein Insolvenzverfahren eröffnet.

II. Der Bauträger und seine Vertragspartner Der Bauträger ist ein Unternehmen, das auf einem eigenem Grundstück auf eigene Rechnung ein Gebäude errichtet, dieses in Wohnungseigen80

Krise des Bauträgers

tum aufteilt und Eigentumswohnungen noch während der Herstellungsphase an Erwerber veräußert. Partner des Bauträgers in diesem Prozess sind ● ● ●

die Kreditinstitute, die Baubeteiligten und nicht zuletzt die Erwerber.

Die Kreditinstitute unterstützen und begleiten die Durchführung des Bauvorhabens durch den Bauträger durch den Abschluss von Kreditverträgen über den Grundstückskaufpreis, den sog. Grundstücksankaufkredit, sowie die Entwicklungs-, Planungs-, Bauherstellungs- und Nebenkosten, den sog. Baukredit. Weiter gewähren sie Avale für etwaige Bauhandwerkersicherungen gem. § 648a BGB, Erfüllungsbürgschaften und Bürgschaften für Erwerberzahlungen gem. §§ 3, 7 MaBV (sog. Avalkredit). Die sonstigen Baubeteiligten werden vom Bauträger in die Herstellung des Bauwerks eingebunden, etwa durch den Abschluss von Planungsverträgen, Verträgen über Einzelerschließungsmaßnahmen und Bauverträgen. Der Erwerber schließlich ist als „Zielpunkt“ des gesamten Herstellungsprozesses „Kunde des Bauträgers“ und somit – jedenfalls faktisch – für die Refinanzierung des gesamten Bauvorhabens verantwortlich.

III. Die Sicherung der Vertragspartner 1. Sicherung der Kreditinstitute Als Gläubigergruppe nehmen die den Bauträger finanzierenden Banken in der Krise eine besondere Stellung ein1. Als einzige Gruppe verfügen sie über die Möglichkeit, nicht nur ihre Forderungen zu sichern, sondern den Geschehensablauf aktiv zu gestalten. Entscheiden sie sich dafür, aufgrund mangelnder Liquidität des Bauträgers den Kreditrahmen nicht zu verlängern oder zu kündigen, wird die Insolvenz im Regelfall unabwendbar sein. Auch im Hinblick auf die Absicherung ihrer Forderungen nehmen die das Bauvorhaben finanzierenden Kreditinstitute eine herausgehobene Stellung ein: Hauptsicherungsmittel ist im Regelfall eine Globalgrund____________

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Eingehend zur Rolle der Banken in der Krise des Bauträgers: Weis, Die Bank in Krise und Insolvenz des Bauträgers, Ein Leitfaden für die Praxis.

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schuld auf dem Grundstück, die den ersten Rang in Abt. III erhält und bei Aufteilung in Wohnungseigentum in alle Wohnungsgrundbuchblätter in voller Höhe übertragen wird. Die Globalgrundschuld gewährt den Banken in der Krise des Bauträgers einen Zugriff auf das Grundstück, der auch durch die „Realisierung der Krise“, also die Insolvenz des Bauträgers nicht entwertet wird. Weiter lassen sich Banken zur Sicherung in aller Regel die Ansprüche des Bauträgers gegen alle Baubeteiligten, z. B. einen Generalunternehmer, bei Einzelvergabe aber auch gegen alle Handwerker, Architekten, Tragwerksplaner, Projektanten etc. abtreten. Zur Absicherung dienen schließlich die Abtretung aller Kaufpreisansprüche gegen die künftigen Erwerber sowie haufig die persönliche Haftung des Inhabers des Bauträgers.

2. Die Sicherung der Baubeteiligten Soweit es um den Zugriff auf liquide Mittel des Bauträgers geht, sind die Baubeteiligten den das Bauvorhaben finanzierenden Banken deutlich unterlegen. Das Risiko eines Ausfalls in der Krise des Bauträgers, insbesondere das Insolvenzrisiko, trifft sie deshalb in besonderem Maße. Als Sicherung können sie – neben der Möglichkeit der Vereinbarung von Abschlagszahlungen – vom Bauträger Erfüllungsbürgschaften wegen der sie treffenden Vorleistungspflicht verlangen, welche auf die Abschlagszahlungen der Erwerber an den Bauträger abgestimmt werden. Durch Erfüllungsbürgschaften, die mit dem Baufortschritt in Einklang stehen sollen2, können die finanziellen Nachteile aus der gesetzlichen Vorleistungspflicht des Werkunternehmers ausgeglichen werden. Weitere Sicherungsmöglichkeit der Baubeteiligten ist die Bauhandwerkersicherungshypothek, welche sich nur gegen den Besteller als Eigentümer des Baugrundstücks richten kann3. Wegen der in der Regel vorrangigen Globalgrundschuld der Kreditinstitute stellt die Sicherungshypothek allerdings lediglich ein „stumpfes Schwert“ dar. In Betracht kommt schließlich der seit 1993 gesetzlich in § 648a BGB verankerte Anspruch der Baubeteiligten auf Sicherheitsleistung seitens ihres Auftraggebers. Anders als der Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek gem. § 648 BGB steht der Sicherungsanspruch aus § 648a BGB auch dem Subunternehmer gegen den Hauptunternehmer als seinem ____________

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BGH DNotZ 1987, 94 f. OLG Celle NZBau 2000, 198 z. Identitätserfordernis von Besteller und Grundstückseigentümer bei der Bauhandwerkersicherungshypothek.

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Vertragspartner zu4. Die Sicherheit für von den Baubeteiligten zu erbringende Vorleistungen wird üblicherweise in Form einer Bankbürgschaft bis zur vollen Höhe des Werklohns gewährt und kann auch noch nach erfolgter Abnahme verlangt werden5. Leistet der Bauträger als Auftraggeber die verlangte Sicherheit nicht innerhalb einer angemessenen Frist, so kann der Werkunternehmer nach vorheriger Ablehnungsandrohung die Leistungserbringung verweigern. Die Leistung der verlangten Sicherheit ist eine Mitwirkungshandlung gem. § 642 BGB, also eine sog. Obliegenheit des Schuldners6, auf die kein einklagbarer Anspruch besteht7. Folge der nicht fristgemäßen Sicherheitsleistung nach entsprechender Androhung des Auftragnehmers, die Leistung nach Fristablauf zu verweigern, ist vor dem vertraglich festgelegten Baubeginn das Recht, die Aufnahme der Tätigkeit zu verweigern, bzw. während der Bauausführung, die Arbeiten nicht fortzusetzen8. Der Vertrag gilt nach Ablauf einer gesetzten Nachfrist ohne zusätzliche Kündigung als aufgehoben9. Problematisch an der Sicherung der Baubeteiligten durch Bankbürgschaft ist die Avalprovision, welche der Bauträger der die Bürgschaft stellenden Bank schuldet und die gem. § 648a Abs. 3 S. 1 BGB ihrerseits vom Unternehmer, vorliegend dem Baubeteiligten, bis zur Höhe von 2 % dem Bauträger zu ersetzen ist. Wegen der in der Bauwirtschaft geringen Gewinnspannen (1–3 %) wird das Sicherheitsverlangen in der Regel auf möglichst geringe Beträge beschränkt.

3. Die Sicherung des Erwerbers Besonderer Sicherungsbedarf in der Krise des Bauträgers besteht für den Erwerber eines vom Bauträger herzustellenden Bauwerks, da er sich – bei fehlender Sicherung – schlimmstenfalls mit einer – noch im Eigentum des Bauträgers stehenden – Bauruine konfrontiert sieht, gleichwohl ____________

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Palandt/Sprau, Komm. z. BGB, 64. Aufl., § 648a Rz. 8. OLG Stuttgart BauR 2000, 421; OLG Dresden BauR 1999, 1314; OLG Rostock IBR 2000, 327; OLG Naumburg BauR 2001, 996; Schulze-Hagen BauR 1999, 210; Bschorr/Putterer BauR 2001, 1497. BGZ 50, 175. OLG Schleswig NJW-RR 1998, 532; Hofmann/Koppmann BauR 1994, 305, 311; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 10. Aufl., Rz. 332. Busz NZBau 2004, 10. Palandt/Sprau, aaO, Rz. 17.

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jedoch an das zur Finanzierung des Erwerbs aufgenommene Darlehen im Verhältnis zu der den Erwerb finanzierenden Bank gebunden bleibt. a) Rechtsnatur des Bauträgervertrages – Legaldefinition und Inhalt Nach der Legaldefinition in § 1 der VO über Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen10 handelt es sich um einen Werkvertrag, der die Errichtung eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks, etwa einer Eigentumswohnung, zum Gegenstand hat und zugleich die Verpflichtung enthält, dem Besteller das Eigentum an dem Grundstück zu bestellen oder ein Erbbaurecht zu bestellen oder zu übertragen. Wird – wie bei Bauträgerverträgen üblich – bereits während der Herstellungsphase verkauft, besteht die vom Bauträger geschuldete Leistung also aus mindestens zwei Teilen, nämlich einerseits dem Verkauf des Grundstücks bzw. – bei Verkauf von Wohnungseigentum – eines Miteigentumsanteils an dem Grundstück und andererseits der Errichtung des Gebäudes bzw. der veräußerten Wohnung. Gleichwohl ist der Bauträgervertrag ein einheitlicher Vertrag sui generis, der Elemente des Kaufvertrages in bezug auf das Grundstück oder den Miteigentumsanteil an ihm11 mit der Folge kaufrechtlicher Sachmängelgewährleistung für das Grundstück12, des Werkvertrages in bezug auf das herzustellende – oder auch lediglich zu renovierende – Gebäude sowie des Auftrags- und Geschäftsbesorgungsvertrages in bezug auf etwaige weitere Dienstleistungen13, z. B. für die Beschaffung einer Zwischenfinanzierung14 kombiniert (sog. Kombinationsvertrag). Die Bezeichnung des Vertrages als „Kaufvertrag“ ist dabei ohne Bedeutung15. Aus der Rechtsnatur des Bauträgervertrages leitet sich weiter ab, welche Gewährleistungsansprüche dem Erwerber bei einer etwaigen Mangelhaftigkeit des hergestellten Werkes zustehen. Insoweit war insbesondere bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform, also für vor dem 1.1.2002 geschlossene Verträge von Bedeutung, ob sich beim Bauträgervertrag Herstellungs-, Fertigstellungs-, Nachbesserungs- und Sachmängelgewährleistungsansprüche nach Kauf- oder Werkvertragsrecht richte____________

10 BGBl. I (2001), S. 981. 11 BGHZ 92, 123; Z 96, 275. 12 BGH WPM 1984, 941; OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 320; OLG Karlsruhe NJW 1991, 1836. 13 BGHZ 92, 123, 126; 96, 275, 277. 14 BGH NJW 1978, 39. 15 BGHZ 101, 350; NJW-RR 1991, 342; OLG Celle NJW-RR 1996, 1416.

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ten, da die Gewährleistungsansprüche des Kauf- und Werkvertragsrecht erheblich voneinander abwichen. Insbesondere stand allein dem Werkunternehmer ein Nachbesserungsrecht zu, das dem Kaufrecht fremd war; zudem galt bei Anwendung von Kaufrecht die kurze Verjährungsfrist des § 477 Abs. 1 BGB a. F., während im Werkvertragsrecht eine fünfjährige Frist galt. Diese Gründe sind mit der Schuldrechtsreform entfallen, da § 434 Nr. 1 i. V. m. § 439 BGB nunmehr auch dem Käufer einen Anspruch auf Nacherfüllung gibt und § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei Immobilienkäufen eine fünfjährige Verjährungsfrist ab Übergabe vorsieht. Gleichwohl ist auch bei zum Zeitpunkt des Vertragesabschlusses bereits fertig gestellten Immobilien nicht einheitlich Kaufrecht anzuwenden16. Zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht verbleiben nämlich relevante Unterschiede: Allein das Werkvertragsrecht kennt das Selbstvornahmerecht des Erwerbers gem. § 637 BGB, das einer raschen Beseitigung aufgetretener Mängel dient; weiter hat der Bauunternehmer nach § 635 BGB die Wahl, wie er aufgetretene Mängel beseitigt; schließlich kennt nur das Werkvertragsrecht eine förmliche Abnahme der Eigentumswohnung und des gemeinschaftlichen Eigentums, was im Verhältnis zwischen Bauträger und Erwerber Rechtsklarheit schafft, da die Abnahme eine jedenfalls konkludente Billigungserklärung voraussetzt. Schließlich würde die ausschließliche Anwendung von Kaufvertragsrecht bei zum Erwerbszeitpunkt bereits fertig gestellten Wohnungen dazu führen, dass innerhalb derselben Eigentümergemeinschaft auf die Beziehungen von Veräußerer und Erwerber z. T. Werkvertragsrecht, z. T. – bei „Nachzüglern“ – Kaufvertragsrecht Anwendung fände, was nicht sachgerecht ist. b) Sicherung des Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums Der Eigentumsverschaffungsanspruch bezüglich des Grundstück bzw. des Miteigentumsanteil wird gesichert durch eine Auflassungsvormerkung, die in der Regel einen Rang hinter der Globalgrundschuld der Bank und vor später eingetragenen Rechten, insbesondere vor einem etwaigen Insolvenzvermerk hat. Für die Rangwahrung genügt schon die Einreichung von Eintragungsantrag und -bewilligung beim Grundbuchamt vor Verfahrenseröffnung, §§ 91 Abs. 2 InsO, 878 BGB. Allerdings wird eine im Wege einer einstweiligen Verfügung erwirkte Auflas____________

16 Thode NZBau 2002, 298 ff.; Dören ZflR 2003, 497 ff.; a. A. Hertel DNotZ 2002, 6, 18 f.; Heimann ZflR 2002, 167 f.

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sungsvormerkung unwirksam, wenn sie weniger als einen Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragen wurde, §§ 88, 139 InsO (sog. „Rückschlagsperre“). Die Auflassungsvormerkung ist gem. § 106 Abs. 1 InsO insolvenzfest, d.h. sie wirkt auch gegenüber dem Insolvenzverwalter und den anderen Insolvenzgläubigern. Dies gilt auch dann, wenn der durch die Vormerkung gesicherte Auflassungsanspruch erst nach Verfahrenseröffnung entsteht, sofern zu diesem Zeitpunkt bereits eine vom Schuldner nicht mehr einseitig zu beseitigende Bindung besteht, etwa wenn zunächst lediglich dessen Angebot auf Auflassung beurkundet wurde und die Annahme erst nach Verfahrenseröffnung erfolgt17. Gem. § 883 Abs. 1 S. 2 BGB kann eine Vormerkung auch künftige Ansprüche sichern. Sobald die Vormerkung zur Sicherung des künftigen Auflassungsanspruchs wirksam entstanden ist, besteht somit zugunsten des Erwerbers Vormerkungsschutz, der auch in der Insolvenz des Bauträgers durchgreift. Aufgrund der Auflassungsvormerkung kann der Erwerber vom Insolvenzverwalter gem. § 106 Abs. 1 S. 1 InsO die Eigentumsübertragung gegen Zahlung des Kaufpreises verlangen. Dieses Recht besteht gem. § 106 Abs. 1 S. 2 InsO unabhängig davon, ob der Bauträger im Erwerbsvertrag weitere Verpflichtungen, insbesondere die Fertigstellung des Bauvorhabens, übernommen hat und diese nicht oder nicht vollständig erfüllt. Dieser klarstellende und ergänzende Satz geht auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1977 zurück, in welcher dieser dem Insolvenzverwalter (damals Konkursverwalter) das Recht zugesprochen hatte, in der Insolvenz des Bauträgers auch die Eigentumsübertragung auf den Erwerber verweigern zu können, wenn er gem. § 103 InsO zur Erfüllungsverweigerung in bezug auf die weiteren im Bauträgervertrag übernommenen Verpflichtungen berechtigt ist18. In Ansehung des Auflassungsanspruchs verdrängt also § 106 InsO das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO. Wählt der Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung des Bauträgervertrages, sind die wechselseitigen Ansprüche von Erwerber und Bauträger in dem dann bestehenden Abrechnungsverhältnis als Rechnungsposten zu berücksichtigen.

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17 BGH NJW 2002, 213; Standinger/Gursky, Komm. z. BGB, 13. Auflage, § 883 Rz. 169; a. A. Ludwig NJW 1983, 2792, 2793. 18 BGH NJW 1977; 146; Nerlich/Römermann/Balthasar, Komm. z. InsO, § 106 Rz. 18; vom BGH ausdrücklich ausgegeben in NJW 1978, 1437.

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c) Sicherung der Lastenfreiheit Für den Erwerber ist es nicht ausreichend, das Eigentum am Baugrundstück oder einem Miteigentumsanteil hieran zu erlangen; dieses muss vielmehr auch lastenfrei sein. Üblicherweise wird nämlich die Durchführung des Bauvorhabens durch Banken fremdfinanziert, die sich Sicherheiten durch Grundschulden am im Eigentum des Bauträgers stehenden Baugrundstück einräumen lassen. Wird dieses nun – auch nach vorheriger Aufteilung in Wohnungseigentum – auf den Erwerber übertragen, muss sichergestellt sein, dass seine Auflassungsvormerkung entweder – etwa durch Rangrücktritt der Grundschuldgläubiger – im Rang den Grundschulden vorgeht, so dass er sie gem. §§ 883 Abs. 2, 888 BGB zur Löschung bringen kann, oder die Grundschuldgläubiger deren Löschung bewilligen. Andernfalls könnten diese trotz der dem Erwerber zustehenden Vormerkung in der Insolvenz des Bauträgers die Zwangsversteigerung des Grundstücks betreiben. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaBV darf deshalb der Bauträger Zahlungen vom Erwerber nur dann entgegennehmen, wenn die Freistellung des Vertragsobjekts von allen Grundpfandrechten, die der Vormerkung im Rang vorgehen oder gleichstehen und nicht übernommen werden sollen, gesichert ist, und zwar auch für den Fall, dass das Bauvorhaben nicht vollendet wird. Beim Freigabeversprechen handelt es sich nach h. M. in der Literatur um einen Vertrag zwischen Grundpfandrechtsgläubiger und Erwerber19: Das an den Erwerber gerichtete Schreiben stellt das Angebot dar, das der Erwerber mit Unterzeichnung des Bauträgervertrages, der eine Bezugnahme hierauf enthält, bzw. mit Zugang des Freigabeversprechens annimmt. Richtigerweise ist das Freigabeversprechen aber als Vertrag zugunsten Dritter zwischen Bauträger und Bank zu qualifizieren20: Es ist nicht ersichtlich, in welcher Funktion andernfalls der Notar dem Erwerber das Freigabeversprechen zukommen lässt. Würde es sich um einen Vertrag zwischen Grundpfandrechtsgläubiger und Erwerber handeln, würde dieser möglicherweise zudem auch der notariellen Beurkundung bedürfen, da der jedenfalls beurkundungsbedürftige Bauträgervertrag mit ihm in engem und unmittelbaren Zusammenhang steht. Der Erwerber hat keinen Anspruch gegen den Kreditgeber des Bauträgers, ein entsprechendes Freigabeversprechen zu erhalten21. Bis zur ____________

19 Basty, aaO, Rz. 286; Vogel BauR 1999, 992; Schelter DNotZ 1984, 332. 20 BGH DNotZ 1977, 356; 1992, 560 f. 21 OLG Dresden DNotZ 1998, 372; Basty, aaO, Rz. 289.

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Abgabe der Erklärung besteht zwischen ihnen kein vertragliches oder ein sonstiges Rechtsverhältnis, aus dem ein solcher Anspruch abgeleitet werden könnte. Der Erwerber ist jedoch dadurch hinreichend geschützt, dass er solange keine Zahlungen auf den Kaufpreis leisten muss, bis ein ihn hinreichend sicherndes Freigabeversprechen vorliegt. Für den Fall, dass der Bau nicht vollendet wird, kann sich die Bank gem. § 3 Abs. 1 S. 2 MaBV vorbehalten, anstelle der Freistellung alle vom Erwerber vertragsgemäß bereits geleisteten Zahlungen bis zum anteiligen Wert des Vertragsobjekts zurückzuerstatten22. Verliert der Erwerber seinen Eigentumsverschaffungsanspruch etwa durch Aufhebung des Bauträgervertrages oder Rücktritt wird die Freistellungsverpflichtung gegenstandslos23. d) Sicherung von Zahlungen des Erwerbers Durch die Auflassungsvormerkung nicht gesichert sind die werkvertraglichen Erfüllungsansprüche gegen den Bauträger. Gem. § 103 InsO kann der Insolvenzverwalter deshalb wählen, ob er einen noch nicht vollständig erfüllten Vertrag weiterhin durchführt oder dessen Erfüllung ablehnt. Entgegen der früheren Rechtsprechung des BGH erlöschen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht die gegenseitigen Erfüllungsansprüche im Sinn einer materiell-rechtlichen Umgestaltung des Bauträgervertrages24 – nach dieser Auffassung wurden die Leistungspflichten neu begründet, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages aus der Masse wählt25 –, sondern verlieren lediglich ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Wählt der Verwalter Erfüllung, so erhalten die zunächst nicht durchsetzbaren Ansprüche die Rechtsqualität von originären Forderungen der und gegen die Masse26. Lehnt der Verwalter hingegen die Erfüllung ab und ergibt sich bei der Abrechnung der Abschlagszahlungen des Erwerbers unter Berücksichtigung von Nacherfüllungs- und Schadenersatzansprüchen eine Forderung des Erwerbers, so wird diese zur einfachen Insolvenzforderung, die lediglich in Höhe der Quote bedient wird. ____________

22 BGH ZfIR 2004, 983 f. z. Vereinbarung einer Wahlschuld anstelle einer Ersetzungsbefugnis. 23 BGH ZIP 2001, 954; ZfIR 2004, aaO, 985. 24 So noch BGHZ 106, 236; 116, 156; 135, 25; ZIP 1997, 1072. 25 Nerlich/Römermann/Balthasar, aaO, § 103 Rz. 36. 26 BGH NJW 2002, 439.

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Der Erwerber kann vom Insolvenzverwalter somit zwar die lastenfreie Übertragung des Eigentums am Grundstück nebst „Bautorso“ als einem wesentlichen Bestandteil des Grundstücks gem. §§ 93, 94, 946 BGB bzw. – beim Erwerb einer Eigentumswohnung – des Miteigentumsanteils am Grundstück nebst zugehörigem Sondereigentum (vgl. § 6 Abs. 1 WEG) verlangen, er kann jedoch praktisch nicht vom Vertrag zurücktreten und Rückzahlung der bereits geleisteten Kaufpreisteile verlangen. Dies kommt lediglich dann in Betracht, wenn ein Dritter, etwa die den Bauträger finanzierende Bank, eine Bürgschaft nach § 7 MaBV gestellt hat. Die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) bietet dem Erwerber als Vertragspartner des Bauträgers grundsätzlich zwei verschiedene Sicherungssysteme an: ●

Zahlung nach Baufortschritt gem. § 3 MaBV (Bautenstandssicherung) oder



Zahlung gegen Bürgschaft gem. § 7 MaBV (Bürgschaftssicherung).

Während die Bürgschaftssicherung die Rückzahlungsansprüche des Käufers bei Nichtvollzug des Vertrages sichert, ist die Bautenstandssicherung auf die partielle Durchführung des Vertrags gerichtet, wonach der Käufer als Gegenleistung für seine Zahlungen jedenfalls die Übereignung eines Bauwerks mit einem seinen Zahlungen entsprechenden Bautenstand verlangen kann. Hat er etwa das Gebäude bereits bezogen und umfangreiche Eigenleistungen erbracht, wird er nicht die Rückabwicklung des Vertrages verlangen. Die Rückzahlung seiner bisherigen Leistungen kann jedoch die für ihn günstigere Variante sein, wenn der Bau noch am Anfang steht, so daß er ein neues Objekt erwerben kann, anstatt den Bautorso als neuer Bauherr – beim Erwerb einer Eigentumswohnung in Gemeinschaft mit den übrigen Eigentümern – selbst fertigzustellen27. aa) Vereinbarung von Abschlagszahlungen Abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 641 BGB, der Zahlung erst nach Abnahme vorsieht, werden im Bauträgervertrag üblicherweise Abschlagszahlungen nach Baufortschritt vereinbart. Solche Vereinbarungen sind gem. § 1 der VO über Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen28 auch dann zulässig, wenn entgegen § 632a BGB das Eigen____________

27 Wudy MittBayNot 2000, 489 f. 28 BGBl. I (2001) S. 981.

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tum zum Zeitpunkt der Zahlung noch nicht auf den Erwerber übertragen wurde. Nach § 3 Abs. 2 MaBV darf der Bauunternehmer Ratenzahlungen jedoch nur in dem dort bestimmten Umfang entgegennehmen, um sicherzustellen, daß den Zahlungen des Erwerbers stets ein entsprechender Gegenwert am Bauvorhaben gegenübersteht. Eine zum Nachteil des Erwerbers von § 3 Abs. 2 MaBV abweichende Vereinbarung von Abschlagszahlungen ist gem. §§ 12 MaBV, 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig29. Die Nichtigkeit erfaßt die gesamte Zahlungsvereinbarung, nicht nur die Rate, welche abweichend von § 3 Abs. 2 MaBV vereinbart wurde, da eine bauvertragliche Fälligkeitsregelung nicht teilbar ist. An Stelle der unwirksamen Vereinbarung tritt § 641 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass der Kaufpreis insgesamt erst mit der Abnahme fällig wird. Im übrigen bleibt der Vertrag wirksam30. Vorzeitig entgegen dem Ratenzahlungsplan von § 3 Abs. 2 MaBV gezahlte Beträge, kann der Erwerber gem. § 817 BGB zurückfordern31. Da es sich bei den Raten gem. § 3 Abs. 2 MaBV um Höchstsätze handelt, ist eine Abweichung zugunsten des Erwerbers stets zulässig.32 bb) Stellung einer MaBV-Bürgschaft Die Parteien des Bauträgervertrages dürfen einen von § 3 Abs. 2 MaBV abweichenden Zahlungsmodus, auch die Zahlung des gesamten Kaufpreises vor Fertigstellung des Gebäudes vereinbaren, was nicht nur im Interesse des Bauträgers liegt, sondern aus steuerlichen Gründen häufig auch vom Erwerber gewünscht wird, wenn der Bauträger für die vom Erwerber erbrachten Zahlungen eine Bürgschaft nach § 7 MaBV stellt. Als MaBV-Bürgen treten zumeist die das Bauvorhaben finanzierenden Banken auf. Die Bürgschaft soll den Erwerber gegen das Risiko absichern, dass der Bauträger – z. B. aufgrund von Insolvenz – das Gebäude nicht fertigstellen kann oder nicht die vereinbarten Leistungen erbracht hat, zur Rückzahlung bereits vereinnahmter Beträge, die etwa aufgrund des Rücktritts des Erwerber vom Bauträgervertrag geschuldet sind, jedoch nicht in der Lage ist. Die Sicherheit ist gem. § 7 Abs. 1 S. 3 MaBV aufrecht zu erhalten, bis die Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 MaBV erfüllt sind und das Gebäude vollständig fertiggestellt ist. Tritt ____________

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BGH NJW 2001, 818. BGH NJW 2001, 818, 820. OLG Koblenz NJW-RR 1999, 671; OLG München NJW-RR 2001, 13. OLG Saarbrücken NZBau 2000, 429.

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der Bauunternehmer seine Kaufpreisansprüche an einen Dritten ab, z. B. an die das Bauvorhaben vorfinanzierende Bank, unterliegt diese zwar nicht den Beschränkungen der MaBV, der Erwerber darf jedoch die Zahlung an sie solange verweigern, bis er die dem notariellen Vertrag entsprechende Bürgschaft erhalten hat, § 404 BGB33. Der Bauunternehmer kann wählen, ob er den Erwerber nach den Vorschriften der §§ 2–6 MaBV oder durch die Bürgschaft nach § 7 MaBV sichert. Eine Vermischung beider Vorschriften, z. B. in der Weise, dass zwar § 3 Abs. 1 MaBV eingehalten, von den Höchstbeträgen nach § 3 Abs. 2 MaBV jedoch zu Lasten des Erwerbers abgewichen und lediglich die Differenz durch eine Bürgschaft nach § 7 Abs. 1 MaBV abgesichert werden soll, ist unzulässig34, da § 7 Abs. 1 MaBV die Sicherung aller etwaigen Ansprüche des Auftraggebers vorschreibt. Aus dem gleichen Grund dürfen auch nicht nur einzelne Raten gesichert oder die Sicherheiten des § 3 MaBV und des § 7 MaBV in der Weise vermischt werden, dass sich die Bürgschaft mit Baufortschritt reduziert35. Eine entsprechende Klausel im Vertrag ist gem. § 134 BGB nichtig. cc) Rücktritt des Erwerbers in der Insolvenz des Bauträgers In der Krise des Bauträgers, also im Vorfeld der Insolvenz, kann sich der Erwerber bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen gem. § 323 Abs. 1 BGB im Wege des Rücktritts vom Vertrag lösen. Aufgrund der Einheitlichkeit des Bauträgervertrages bezieht sich dieser stets auf den ganzen Vertrag, nicht lediglich auf den nicht erfüllten Teil36. Zwar berechtigt die bloße Stellung des Insolvenzantrags den Erwerber nicht zu einem Rücktritt – etwa unter Berufung auf § 323 Abs. 4 BGB, da offensichtlich sei, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden –, da dem Insolvenzverwalter nicht die Möglichkeit genommen werden darf, den Bauträgervertrag noch ordnungsgemäß zu erfüllen37; der Erwerber kann dem Bauträger jedoch gem. § 323 Abs. 1 BGB eine Frist zur ordnungsgemäßen Erfüllung setzen, bei deren fruchtlosen Ablauf er zum Rücktritt berechtigt ist. Seine bereits erbrachten Zahlungen kann er in diesem Fall vom Bürgen zurückfordern, da dessen Bürgschaft ____________

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BGH NZM 2001, 995. Marcks, Komm. z. MaBV, 6. Aufl., § 7 Rz. 4. BGH NZM 2003, 646 – „Abschmelzungsvereinbarung“; Basty, aaO, Rz. 513. BGHZ 96, 275, 279 f.; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 4. Aufl., Rz. 43, 257. 37 Wudy MittBayNot 2000, 489, 495.

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nach § 7 MaBV ausdrücklich etwaige Ansprüche des Erwerbers auf Rückgewähr seiner Vermögenswerte sichert. Ob ein derartiger Rücktritt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch zulässig ist, ist in der Literatur umstritten. Z. T. wird die Auffassung vertreten, durch die Wahl der Nichterfüllung seitens des Insolvenzverwalters seien die beiderseitigen Erfüllungsansprüche erloschen; da an deren Stelle ein Abwicklungsverhältnis getreten sei, könne sich der Käufer nicht mehr einseitig vom Vertrag lösen38. Wegen der strengen Akzessorietät der Bürgschaft könne der Erwerber dann auch nicht mehr die Rückzahlung aller bereits gezahlten Beträge geltend machen. Nach zutreffender Ansicht wird durch diese Rechtsauffassung allerdings die Bürgschaftssicherung des § 7 MaBV ausgehöhlt39. Nach Sinn und Zweck von § 7 MaBV erscheint es vielmehr sachgerecht, die Vorschrift dahin auszulegen, daß dem Käufer das Recht auf Rückgewähr seiner geleisteten Zahlungen in voller Höhe auch im Insolvenzfall verbleibt, soweit nicht der Insolvenzverwalter die Erfüllung gewählt hat, woran der Erwerber gebunden ist. Dogmatisch wäre § 7 MaBV insoweit eher als Rückzahlungsgarantie des versprechenden Bürgen denn als streng akzessorische Bürgschaft anzusehen. dd) Bürgenhaftung nach § 7 MaBV bei Mängeln des Werks Da etwaige Ansprüche des Erwerbers gegenüber dem Bauträger auf Minderung oder Schadensersatz wegen Mangelhaftigkeit der erbrachten Bauleistung in der Insolvenz lediglich in Höhe der Quote erfüllt werden, ist es für den Erwerber von großer Relevanz, ob auch solche Ansprüche von der Haftung des Bürgen nach § 7 MaBV umfaßt sind. Im Schrifttum war lange umstritten, ob eine Bürgschaft nach § 7 MaBV auch Ansprüche wegen Mängeln des zu erbringenden Werkes sichert40. Der BGH hat in den vergangenen Jahren den Umfang der Haftung einer nach § 7 Abs. 1 MaBV vom Bauträger zu stellenden Bürgschaft definiert und herausgearbeitet, dass sie auch Ansprüche auf Rückzahlung eines Teiles des Kaufpreises aufgrund von Minderung und bestimmte, nicht jedoch alle Schadensersatzansprüche des Erwerbers umfasst. Durch die Bürgschaft soll der Erwerber einen angemessenen Ausgleich für die von ____________

38 Basty, aaO, Rz. 484. 39 Wudy MittBayNot 2000, 489; Volmer ZfIR 1999, 493, 499. 40 Verneinend etwa Basty DNotZ 1994, 15; Krause NotBZ 1997, 73, 80; Schmenger BWNotZ 1998, 79, 85 ff.; bejahend z. B. Speck MittRhNotK 1995, 117, 137; Koeble in: Rechtshdb. Immobilien I, Nr. 12 Rz. 69, 113.

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ihm eingegangene Verpflichtung erhalten, die Vergütung für das herzustellende Werk sofort zu entrichten und nicht erst entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 641 Abs. 1 S. 1 BGB, bei Abnahme oder, wie es § 3 Abs. 2 MaBV gestattet, in Raten entsprechend dem Bauablauf nach Bauabschnitten. Eine Vorleistungspflicht benachteiligt den Erwerber nämlich in erheblichem Maße. Er verliert insbesondere die Möglichkeit, sein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB geltend zu machen oder mit (Schadenersatz-)Ansprüchen aufzurechnen, wenn der Bauträger nicht oder schlecht erfüllt41. Wenn diese Nachteile durch die vom Bauträger nach § 7 Abs. 2 MaBV zu stellende Bürgschaft angemessen ausgeglichen werden sollen, so gebietet es der Schutzzweck des § 7 MaBV, den Sicherungsumfang der zu stellenden Bürgschaft weit zu fassen42. Sie sichert alle Ansprüche, die sich aus einer Störung des Gleichgewichts zwischen den geschuldeten oder geleisteten Zahlungen und dem Wert der geschuldeten oder erbrachten Bautenstände ergeben43. Gegenstand der Sicherung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 MaBV sind alle etwaigen Ansprüche des Erwerbers auf Rückgewähr oder Auszahlung seiner Vermögenswerte. Zu den gesicherten Ansprüchen zählen damit Ansprüche auf Rückgewähr des vorausgezahlten Erwerbspreises, die sich aus einem auf Mängel gestützten Rücktritt vom Vertrag oder auch einem Aufhebungsvertrag ergeben44. Vom Wortlaut der Norm gedeckt sind aber auch Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen für Mängelbeseitigung nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB45. Diese Gewährleistungsansprüche verringern den Wert der Unternehmerleistung, deren Wert sich regelmäßig in dem Geldbetrag ausdrückt, der zur Mängelbeseitigung aufgewendet werden muß46. Die Bürgschaft umfasst ferner Minderungsansprüche nach §§ 634 Nr. 3, 638 BGB, da § 7 MaBV den Erwerber auch vor den Nachteilen schützen soll, die sich daraus ergeben, daß infolge eines Mangels der Wert der geschuldeten Leistung hinter der Höhe der geleisteten Vorauszahlungen zurück bleibt47. Voraussetzung ist in allen Fällen, dass die Mängel vor Abnahme geltend gemacht worden sind48. Durch die Bürgschaft soll nämlich der Erwerber ____________

41 42 43 44 45 46 47 48

BGH NJW 1999, 1105. BGH NZBau 2002, 499. BGH ZfIR 2004, 983, f. BGH ZfIR 2004, 983 z. § 326 BGB a. F. BGH NJW 1999, 1105 z. § 633 Abs. 3 BGB a. F. BGHZ 58, 181, 184. BGH NJW 2001, 2329. BGH NZM 2001, 995, 997; 2003, 33; 158.

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(nur) einen angemessenen Ausgleich für die von ihm eingegangene Verpflichtung erhalten, die Vergütung für das zu erstellende Werk sofort zu entrichten. Ein Bedürfnis für eine derartige Sicherung besteht dann nicht mehr, wenn der Eigentümer das Werk vom Unternehmer als mangelfrei abgenommen hat und auch nach der gesetzlichen Regelung oder nach § 3 MaBV verpflichtet wäre, den gesamten Kaufpreis zu zahlen. Mängel, die nicht im Abnahmeprotokoll festgehalten sind, sondern erst nach Abnahme der Eigentumswohnung auftreten, können zwar zu einem Rückzahlungsanspruch gegen den Bauträger führen, nicht aber dazu, daß die Bürgschaft nach § 7 MaBV in Anspruch genommen werden kann49. Sonst würde der vorauszahlende Erwerber besser stehen als der Käufer, der nach Baufortschritt zahlt, und der Bauträger wäre gehalten, die Bürgschaft während der gesamten Gewährleistungsfrist aufrecht zu erhalten und dafür Avalprovision zu zahlen. Eine dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 MaBV genügende Bürgschaft sichert darüber hinaus alle weiteren Ansprüche, die sich aus einer Störung des Gleichgewichts zwischen den geleisteten Zahlungen des Erwerbers und den erbrachten Leistungen des Bauträgers ergeben. Da der Erwerber für den vorausgezahlten Kaufpreis neben der Grundstücksübereignung eine vollständige mängelfreie Leistung des Bauträgers beanspruchen kann, ist er nur dann ausreichend geschützt, wenn die ihm bei Leistungsstörungen zustehenden Ansprüche auf (teilweise) Rückzahlung des geleisteten Vorschusses abgesichert werden. Darunter fallen neben den Mängelbeseitigungskosten gem. §§ 634 Nr. 2, 637 BGB auch Schadenersatzansprüche wegen sonstiger Vertragsverletzungen, nicht aber solche wegen entgangener Nutzungen50 oder der wegen Überschreitung der Bauzeit entstandene Verzugschaden51, etwa ein Mietausfall52. Der Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB ist kein unselbständiger Rechnungsposten im Rahmen der Schlussabrechnung des Bauträgers, der zu einer durch die Bankbürgschaft gesicherten Rückzahlungsforderung führen kann. In diese sind nämlich nur solche Ansprüche einzustellen, die auf einer Minderung der Gebrauchstauglichkeit oder des Werts der Unternehmerleistung, also einer Äquivalenzstörung beruhen. Allein bei ihnen besteht die Gefahr, daß der um sein Leistungsverweigerungsrecht gebrachte Erwerber im Falle der Insolvenz ____________

49 50 51 52

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Ewenz ZfIR 2000, 8, 13. BGH NZM 2002, 752; 2003, 158 f., 522. BGH NZM 2003, 327. BGH NZBau 2003, 298.

Krise des Bauträgers

des Bauträgers oder vergleichbarer Leistungshindernisse nicht das erhält, was ihm nach dem Bauträgervertrag zusteht. Der Schadenersatzanspruch wegen Verzuges gem. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB ist seiner Natur nach jedoch nicht auf die Herstellung einer Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung gerichtet, sondern auf Ersatz eines selbständigen, weitergehenden Verzögerungsschadens. Ein solcher Anspruch, der nicht darauf beruht, daß die Unternehmerleistung hinter der vertraglich vorausgesetzten Gebrauchstauglichkeit oder Werthaltigkeit zurückbleibt, wird von der Bürgschaft nach § 7 MaBV grundsätzlich nicht erfasst53.

IV. Handlungsmöglichkeiten der Vertragspartner Die Grenzen der Handlungsmöglichkeiten der Vertragspartner sind durch ihr Rechtsverhältnis zum Bauträger, insbesondere durch ihre Sicherungen und deren Insolvenzfestigkeit bestimmt.

1. Handlungsmöglichkeiten der Erwerber Welche Handlungsmöglichkeiten für den Erwerber bestehen, ist insbesondere davon abhängig, in welcher Form seine Ansprüche gegen den Bauträger gesichert sind. Ist eine Sicherung nach § 3 MaBV als Bautenstandssicherung vereinbart, kommt ein Rücktritt vom Vertrag nicht in Betracht, da durch den Rücktritt der Auflassungsanspruch verloren geht und mit diesem zugleich dessen Sicherung durch eine Auflassungsvormerkung. Statt dessen ist dem Erwerber, soweit es schon zur Besitzübertragung gekommen ist, die möglichst rasche Organisation in der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft anzuraten, deren Aufgabe die Fertigstellung des steckengebliebenen Baus ist. Sofern noch keine Übergabe erfolgt ist, sollten die Erwerber unter Einbeziehung von und in Zusammenarbeit mit Bauträger und Kreditinstitut bei noch nicht verkauften Wohnungen möglichst rasch die Entscheidung zwischen Fertigstellung und Teilungsversteigerung treffen. Werden die Ansprüche des Erwerbers gegenüber dem Bauträger vollumfänglich durch ein Bankbürgschaft gem. § 7 MaBV gesichert, kommt auch eine Lösung vom Vertrag in Frage. Gleichwohl erscheinen Verhandlungen mit dem den Bauträger finanzierenden Kreditinstitut sinnvoll. Allerdings ist in diesem Fall eine entsprechende Koordination und ____________

53 BGH NZM 2003, 33; 522.

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Organisation auf Seiten der Erwerber erforderlich, da in aller Regel die Kreditinstitute durch getrennte Verhandlungen mit jedem einzelnen Erwerber überfordert sind. Die derzeitige Lage am Immobilienmarkt kommt jedenfalls den Interessen des Erwerbers entgegen, da die von der Bank forcierte Suche nach neuen Kaufinteressenten im Regelfall zu erheblichen Preisreduktionen führt, jedenfalls aber nicht unbeträchtliche Akquisitionskosten auslöst.

2. Handlungsmöglichkeiten der Bauhandwerker und Baubeteiligten Den Bauhandwerkern und Baubeteiligten ist in der Krise des Bauträgers zu empfehlen, etwaige Vorleistungen auf gesicherte Gegenleistungen zu beschränken und bei Verzug – jedenfalls nach entsprechender Androhung – konsequent die Arbeiten einzustellen. Jedes Entgegenkommen wird in der Insolvenz mit Quotierung bestraft. In diesen Handlungsmöglichkeiten der Baubeteiligten liegt somit zugleich auch das Sanierungspotential des Bauträgers. In der Sanierungsphase sollten die Baubeteiligten die Kooperation mit dem den Bauträger finanzierenden Kreditinstitut suchen. Die Fertigstellung des Bauwerks durch bereits tätige Baubeteiligte bietet nämlich gegenüber der Fertigstellung durch „Neuzugänge“ erhebliche Vorteile, welche u. U. auch auf Seiten der Bank zu größerer Kompromißbereitschaft führen: ●

Die Fertigstellung erfordert keine Vorbereitungszeit sowie



keine Verdoppelung von übernahmebedingten Kosten, wie Baustelleneinrichtung etc.;



weiter ist keine Abgrenzung von Leistungen erforderlich;



schließlich sind Nacherfüllung und Gewährleistung einheitlich „in einer Hand“.

3. Handlungsmöglichkeiten des Kreditinstituts Das den Bauträger finanzierende Kreditinstitut ist in der Krise im wesentlichen „Herr des Geschehens“. Es ●

entscheidet über die Zahlungsfähigkeit des Bauträgers und



erkennt zuerst – zeitlich weit vor allen anderen – ob ein Projekt „aus dem Ruder“ gerät.

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Krise des Bauträgers

Sämtliche Banken verfügen heute über ein stringentes „Risikomanagement“ mit Frühwarnsystem. Für den Fall der Krise hat zudem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute aufgestellt. Schon beim Auftreten erster Probleme ist das Kreditengagement an einen „noch im Markt angesiedelten“ Bereich „Intensivbetreuung“ zu übergeben. Dies ist eine Vorstufe der Sanierungsabteilung, an welche das Engagement erst im Fall einer dann möglicherweise erforderlichen Sanierung abzugeben ist54. Der interne Wechsel der Zuständigkeit soll ein frühes Eingreifen in der Krise und ein möglichst frühes Handeln ermöglichen. Je früher nämlich die Bank bei auftretenden Problemen eingreift, desto vielfältiger sind die Gestaltungsmöglichkeiten zur Bereinigung des Engagements und zur Lösung der Probleme. Besondere Aufmerksamkeit wird die Bank deshalb den Alarmzeichen im Vorfeld oder einem frühen Stadium der Krise des Bauträgers schenken. Hierzu zählen55 der nicht fristgerechte und nicht vollständige Eingang von Abschlagszahlungen, Mängelrügen im frühen Stadium, Bürgschaftsinanspruchnahmen, ein Handwerkerwechsel oder Baustillstand, Nachfinanzierungsbedarf, Gesellschafterwechsel oder auch der Wechsel des Notars, Verkäufe an dem Bauträger nahestehende Personen zu überhöhten Preisen, der Verkauf von Wohnungen an Handwerker mit dem Ziel der Aufrechnung gegen Werklohnforderungen – sofern dem Handwerker die Abtretung der Kaufpreisforderungen an die Bank nicht bekannt ist, ist eine solche Aufrechnung nach § 406 BGB auch möglich und wirksam – oder der Verkauf an insolvente Erwerber, schließlich die Rückabwicklung von Kaufverträgen. Beim Auftreten derartiger Alarmzeichen sollten die Kreditinstitute ihre formalen Prüfungen erweitern und die Mittelverwendung durch den Bauträger im Vergleich zur Kostenkalkulation detailliert kontrollieren und auch die Baustellen evtl. durch Sachverständige überprüfen lassen. Ein Eingreifen der Kreditinstitute bereits in einem frühen Stadium der Krise ermöglicht auch eine frühe Entscheidung über die Sanierung des Bauträgers mit Übernahme des Projekts oder dessen Insolvenz mit Kündigung des Kreditvertrages und der Verwertung von Sicherheiten. Bestehen Zweifel an der Kompetenz des Bauträgers, ist seitens des Kreditinstituts auch eine Übernahme zu erwägen; die Fortführung, ggf. sogar die Erweiterung der Kredite, stellen nämlich Investitionen in die Wert____________

54 Weis, aaO, C Rz. 1. 55 Umfassend zu den Frühindikatoren der Krise des Bauträgers Weis, aaO, C Rz. 2 ff.

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haltigkeit der eigenen Grundpfandrechte dar. Zur Gewährung eines Sanierungskredit ist allerdings die positive Fortführungsprognose eines neutralen Dritten auf der Grundlage eines Sanierungskonzeptes erforderlich, um den Vorwurf zu vermeiden, durch unzureichende Kapitalzufuhr die Insolvenz nur hinausgeschoben zu haben, um zusätzliche Sicherheiten zu erlangen. Jedenfalls aber ist im Vergleich zum Weg der Insolvenz mit den hohen Kosten des Insolvenzverwalters eine Lösung im Vorfeld der Insolvenz preiswerter und effizienter und sichert auch die zukünftige wirtschaftliche Aktivität des Bauträgers, insbesondere bei der Übernahme der persönlichen Haftung durch den Inhaber. Voraussetzungen jeder Sanierung sind allerdings möglichst geringe Drittverbindlichkeiten. Das Verhalten der Bank gegenüber Erwerbern hängt maßgeblich davon ob, wie diese gesichert sind. Bei einer Bautenstandssicherung nach § 3 MaBV besteht ein Wahlrecht56, ob sie die bereits gezahlten Kaufpreisteile ohne Zinsen an den Erwerber gegen Löschung der Auflassungsvormerkung und der für die Erwerberbank bestellten Grundschulden zurückzahlt oder das Objekt aus der Haftung freigibt, was die einfachste Lösung, nämlich die Verabschiedung vom Objekt, darstellt. Vorteilhaft ist es in jedem Fall, eine Einigung mit den Erwerbern suchen, da jegliche Verzögerungen Geld kosten; ggf. kann die Bank eine Erwerberversammlung durchführen bzw. durchführen lassen. Bei einer Sicherung des Erwerbers nach § 7 MaBV kann dieser wählen, ob er Rücktritt oder großen Schadensersatz geltend macht. Eine Zahlung der Bank darf in diesem Fall nur gegen Übergabe des Originals der Bürgschaftsurkunde erfolgen. Zu erwägen ist schließlich auch der Erwerb nicht verkaufter Einheiten vom Bauträger. In diesem Fall sollte möglichst frühzeitig für die Bank eine Auflassungsvormerkung bestellt werden, um etwaigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen späterer Gläubiger des Bauträgers zuvorzukommen. Auch eine gemeinsame Fertigstellung des Objekts mit den Erwerbern kommt in Betracht. Vorteil einer solchen Lösung ist, daß die Zwangsversteigerung vermieden wird; der Bauträger wird ihr allerdings häufig nur zustimmen, wenn er von Bürgschaftsverpflichtungen, insbesondere solchen, welche den Inhaber des Bauträgers persönlich treffen, freigestellt wird. Ob dies gleichwohl die günstigste Lösung darstellt, obliegt der Kalkulation der Bank. ____________

56 In Frage gestellt von Grziwotz ZIP 2002, 825 mit vielen Gegenstimmen.

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Krise des Bauträgers

Im Einzelfall verhindern nachrangige Gläubiger einen möglichen freihändigen Verkauf, indem sie auf Befriedigung ihrer Forderungen bestehen, obwohl sie wirtschaftlich an aussichtsloser Rangstelle abgesichert sind. In diesem Fall reicht oft auch die Zahlung einer „Lästigkeitsprämie“ nicht aus, um sie zu einem Nachgeben zu bewegen. Aufgrund ihrer besonderen Treuepflicht zum Kunden kann eine nachrangig gesicherte Bank aber verpflichtet sein, einem freihändigen Verkauf des Objekts zuzustimmen, auch wenn ihre Forderung nicht vollständig befriedigt wird57. Ob dies auch für Zwangssicherungshypotheken gilt, erscheint zumindest fraglich, da diese durch Zwangsvollstreckung erworben wurden und somit eine zu beachtende vertragliche Treuepflicht nicht begründen können.

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57 OLG Köln ZIP 1995, 1668 ff.; Weis, aaO, C Rz. 36.

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen – Gestaltung der Kauf- und Bauträgerverträge – Dr. Gregor Basty, Rechtsanwalt und Notar, München

Inhaltsübersicht I. Verkauf einer Dachgeschosswohnung 1. Bauverpflichtung a) Ausbau durch Erwerber b) Ausbau der Dachgeschosswohnung durch den Bauträger 2. Kaufpreiszahlung 3. Mängelansprüche II. Verkauf anderer Wohnungen 1. Bauverpflichtung

2. Kaufpreiszahlung 3. Mängelansprüche 4. Inanspruchnahme der Wohnung für Ausbau 5. Beeinträchtigung der Wohnung durch Ausbau III. Regelungen im Hinblick auf die Teilungserklärung 1. Nachträgliche Bildung von Sondereigentum 2. Aufgabe der Ausbauabsicht

I. Verkauf einer Dachgeschosswohnung 1. Bauverpflichtung Ob und welche Bauleistungen vom Veräußerer einer nicht ausgebauten oder sanierungsbedürftigen Wohnung übernommen werden, ist allein Sache der Vertragsbeteiligten. Eine Verpflichtung den anderen Eigentümern gegenüber, im Rahmen der Veräußerung die erforderlichen Leistungen selbst durchzuführen, besteht nicht, sofern diesbezüglich keine besonderen Vereinbarungen getroffen wurden. a) Ausbau durch Erwerber Übernimmt der Veräußerer keinerlei Ausbauleistungen, handelt es sich bei der Veräußerung zweifelsfrei um einen reinen Kaufvertrag. Übernimmt der Veräußerer gewisse Ausbauleistungen, wenn auch nicht hinsichtlich der Wohnung, aber z. B. bezüglich Fassade, Treppenhaus, Heizungs- und Sanitärinstallation, kann sich die Frage stellen, ob insofern die MaBV anwendbar ist. 101

Dr. Gregor Basty

Nach § 3 Abs. 2 Satz 4 ist die MaBV auch auf Altbauvorhaben anwendbar. Erforderlich ist ein Bauvorhaben. Dies setzt eine gewisse Intensität und Nachhaltigkeit der baulichen Maßnahmen voraus. Nach der Verordnungsbegründung1 ist die Grenze bei geringfügigen Renovierungsarbeiten oder bloßen Schönheitsreparaturen zu ziehen. Die genaue Abgrenzung ist unklar. Weitgehend Einigkeit besteht insofern, als die Aufteilung eines Altbaus in Wohnungseigentum nicht als Indiz für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift zu werten ist2, weil dies bauliche Veränderungen des Gebäudes von Gesetzes wegen nicht voraussetzt. Anhaltspunkte können z. B. geben ●

das Verhältnis des Wertes der Werkleistungen zur Vertragssumme



ob für das geschuldete Vorhaben eine Baugenehmigung erforderlich ist3,



ob Leistungen zu erbringen sind, die den in § 3 Abs. 2 Satz 2 MaBV genannten Gewerken zuzuordnen sind4.

Bemerkenswert ist insofern eine neuere Entscheidung des BayObLG5. Nach ihr führt ein Modernisierungsanteil von 11 % der Vertragssumme (Kaufpreis 58.044 Euro, hiervon Modernisierungsanteil 6.449,30 Euro, insbesondere für Erneuerung des Bades und einiger Fenster) nicht notwendig zur Anwendbarkeit der MaBV. Dies erscheint angesichts aller Abgrenzungskriterien höchst zweifelhaft. In der Vertragsgestaltung sollte man beim geringsten Zweifel eher von der Anwendbarkeit der MaBV ausgehen, da die Folgen eines Verstoßes gegen die MaBV erheblich sind: Mit Urteil vom 22.12.20006 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine gegen § 3 Abs. 2 verstoßende Zahlungsvereinbarung nichtig ist gemäß § 134 BGB. Gleiches gilt bei einem Verstoß gegen § 3 Abs. 1 MaBV7. Nach dieser Entscheidung des BGH kommt der MaBV keine zivilrechtliche Wirkung zu. Als Regelung des Gewerberechts könne sie insbesondere nicht herangezogen werden, um die ____________

1 2 3 4 5 6

7

BR-Drucks. 587/90 S. 19. A. A. wohl Marcks, MaBV, 7. Aufl. 2003, § 3 Rz. 45. Schmidt/Eue, Münchener Vertragshandbuch, 5. Aufl. 2003, I.32 Anm. 5. Brambring FWW 1991, 9, 12; ders., Beck’sches Notarhandbuch, 3. Aufl. 2000, 3. Aufl., A.I. Rz. 40. Beschl. vom 1.10.2004 – 3Z BR 129/04 – NotBZ 2005, 37. BGH 22.12.2000 – VII ZR 310/99 – BGHZ 146, 250; hierzu Basty MittBayNot 2001, 62; Grziwotz ZIP 2001, 245; Häublein ZMR 2001, 461; Pause LM Heft 5/2001 § 134 BGB Nr. 172; Schmidt DNotZ 2001, 201; Suppliet NotBZ 2001, 102; Tiedtke JZ 2001, 1184. OLG Celle 6.8.2003 – 7 U 36/03 – BauR 2004, 1007; Riemenschneider in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2004, Teil 3, Rz. 574.

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen Lücke zu schließen, die durch die unwirksame Zahlungsvereinbarung entsteht. Vielmehr gelte in solchen Fällen die allgemeine zivilrechtliche Regelung (seinerzeit § 641 BGB, ab 1.5.2000 eventuell § 632a BGB). Der Bauträger kann danach Zahlungen erst nach vollständiger Fertigstellung und Abnahme verlangen. In Folge der Verordnung über Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen vom 23.5.2001 wird allerdings eine weitergehende zivilrechtliche Wirkung der MaBV diskutiert. Insbesondere wird geltend gemacht, dass sich mit der Verordnung die Zivilrechtslage gegenüber dem Stand der Entscheidung vom 22.12.2000 geändert habe8. Hieraus wird teilweise abgeleitet, die Lücke durch eine unwirksame Zahlungsvereinbarung sei nicht mehr mit § 641 BGB (oder ab 1.5.2000 mit § 632a BGB) zu schließen, sondern durch Rückgriff auf § 3 Abs. 2 MaBV9. Insbesondere komme auch eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht; die Voraussetzungen hierfür seien dann gegeben, wenn festzustellen ist, dass das dispositive Gesetzesrecht keine angemessene den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdende Regelung enthält10. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Abschlagszahlungsverordnung keine eigenständige Regelung enthält, sondern nur die Möglichkeit eröffnen will, Verträge unter Zugrundlegung der MaBV zu gestalten. Schon dieser erklärte Wille des Verordnungsgebers steht der Annahme einer zur Ausfüllung der entstehenden Lücke tauglichen Ersatzrechtsordnung entgegen. Aus der Abschlagszahlungsverordnung ergibt sich, dass nur MaBV-konforme Gestaltungen im Hinblick auf § 632a BGB gesichert werden sollten; für MaBV-widrige Gestaltungen wird es daher bei den durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.12.2000 dargestellten Folgen bleiben. Demnach wird in solchen Fällen auch § 632a BGB nicht zur Anwendung kommen können, vielmehr gilt dann § 641 BGB11. Der Erwerber hat keine Zahlungen zu leisten, wenn im Vertrag zu seinen Lasten von den Vorgaben der MaBV abgewichen wird12. Hierfür spricht auch, dass der Rückfall auf die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen die angemessene Sanktion für den Verstoß gegen die zwingenden Bestimmungen der MaBV darstellt. Zudem eignet sich die MaBV nicht zur Lückenfüllung. Sie regelt nicht die Fälligkeit von Zahlungen, sondern eröffnet nur Gestaltungsmöglichkeiten. Dies wird insbesondere in § 3 Abs. 2 MaBV deutlich. Zum einen bestimmt er nur Höchstsätze, die nicht selten entsprechend den Gegebenheiten des Einzelfalls herabzusetzen sind. Zum anderen müssen die dort ____________

8 Marcks, MaBV, 7. Aufl. 2003, § 3 Rz. 1 b; Pause, Bauträgerkauf, 4. Aufl. 2004, Rz. 200 ff.; Ullmann in Brambring/Krüger, Immobilienrecht 2002 (2004), S. 105, 112 mit Fn. 17. 9 Marcks, MaBV, 7. Aufl. 2003, § 12 Rz. 13; Ullmann NJW 2002, 1075; ders. in Brambring/Krüger, Immobilienrecht 2002 (2004), S. 105, 112 mit Fn. 17; J. Schmidt in Partner im Gespräch Band 69 (2004) S. 137, 150 ff. 10 Ullmann ZfIR 2001, 523 m. w. N. 11 OLG Celle 6.8.2003 – 7 U 36/03 – BauR 2004, 1007, 1010 f.; Palandt/Sprau, 64. Aufl. 2005, § 675 Rz. 14. 12 OLG Celle 6.8.2003 – 7 U 36/03 – BauR 2004, 1007, 1010 f.

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Dr. Gregor Basty genannten 13 Vom-Hundert-Sätze zu höchstens sieben zusammengefasst werden. Verbindliche Vorgaben für eine Fälligkeitsregelung hinsichtlich der zu zahlenden Abschläge sind hierin nicht zu erkennen. Auf die vorstehenden Erwägungen kommt es aber wohl gar nicht wirklich an. Denn unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die MaBV über die Abschlagszahlungsverordnung auch zivilrechtliche Bedeutung erlangt, bleibt sie auch (und in erster Linie) verbindliche Regelung des Gewerberechts. Als Regelung des Gewerberechts verbietet sie dem Bauträger die Entgegennahme von Zahlungen, wenn nicht die Regelungen der MaBV beachtet sind. Da die Regelungen der MaBV auch im Bauträgervertrag richtig und vollständig umgesetzt werden müssen13, führt die MaBV-widrige Vertragsgestaltung immer auch zu einem gewerberechtlichen Verbot, Leistungen des Erwerbers entgegenzunehmen. Hieraus ergibt sich für den Erwerber nach der Rechtsprechung des BGH zumindest ein (privatrechtliches) Leistungsverweigerungsrecht14. Selbst wenn also die Lücke durch Rückgriff auf die Bestimmungen der MaBV ausgefüllt werden könnte, müsste der Erwerber deswegen letztlich doch nicht zahlen.

b) Ausbau der Dachgeschosswohnung durch den Bauträger Übernimmt der Bauträger selbst den Ausbau der Dachgeschosswohnung, gilt zweifelsfrei die MaBV. Der Vertrag hat den genauen Umfang der geschuldeten Arbeiten zu regeln. Die Rechtsprechung muss sich immer wieder mit Fällen auseinandersetzen, in denen diese Frage nicht hinreichend klar geregelt ist. Um keine Unklarheiten entstehen zu lassen, wird es regelmäßig hilfreich sein, neben den Arbeiten, die noch durchzuführen sind, auch solche darzustellen, die bereits durchgeführt wurden15, und insbesondere was nicht zu leisten ist. Eine „Sanierungsbeschreibung“ sollte dementsprechend zweckmäßigerweise neben der eigentlichen Leistungsbeschreibung auch eine Nichtleistungsbeschreibung enthalten16. Darüber hinaus sollte der Vertrag ggf. klar regeln, in welchen Bereichen aktuelle technische Normen nicht eingehalten werden. Abweichungen von üblichen Standards, insbesondere wenn sie den zu Gebrauchsbeeinträchtigungen führen können (z. B. hinsichtlich Schall- und Wärmeschutz, Raumhöhe, Treppen), sollten sich unmissverständlich aus dem Vertrag entnehmen lassen. ____________

13 14 15 16

Vgl. OLG Celle 6.8.2003 – 7 U 36/03 – BauR 2004, 1007. BGH 8.11.1984 – VII ZR 42/84 – DNotZ 1985, 301. Kutter, Beck’sches Notarhandbuch, A.II Rz. 132. Schmidt/Eue, Münchener Vertragshandbuch, 5. Aufl. 2003, I.32 Anm. 8.

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen

2. Kaufpreiszahlung Bei Altbauvorhaben wird nicht selten im Vertrag angegeben, welcher Kaufpreisanteil auf den Sanierungsaufwand und welcher Anteil auf die Altbausubstanz entfällt. Entfällt danach ein Kaufpreisteil von 100 000 Euro auf die Altbausubstanz und ein Teilbetrag von 100 000 Euro auf die Bauleistungen, besteht eine gewisse Neigung, den auf die Altbausubstanz ausgewiesenen Teilbetrag als „erste Rate“ auszuweisen17. Dies wird aber, wenn die MaBV anwendbar ist, häufig einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 MaBV darstellen. Bei Altbauvorhaben gelten § 3 Abs. 2 Sätze 1 und 2 MaBV entsprechend. Werden Leistungen bereits mit der Altbausubstanz erbracht, greift die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV. Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Kaufpreisfälligkeit und die Höhe der Raten ist der Regelung zwingend. Auf den tatsächlichen Wert und Kostenaufwand der zu erbringenden Werkleistungen kommt es nicht an. Eine „sinngemäße“ oder „einzelfallbezogene“ Anwendung des § 3 Abs. 2 Sätze 1 und 2 MaBV auf Altbauvorhaben ist ausgeschlossen18. Es darf nur ein Ratenplan entsprechend § 3 Abs. 2 MaBV vereinbart werden. Die nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen sind den in § 3 Abs. 2 Satz 2 aufgeführten Arbeiten zuzuordnen19. § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV trifft eine Sonderregelung für „schon erbrachte Leistungen“; die hierauf gemäß Satz 2 entfallenden Teilbeträge bereits mit Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MaBV entgegengenommen werden. Der Begriff „erbracht“ erscheint insofern allerdings nicht ganz glücklich, als er im Sinne einer bereits erfüllten werkvertraglichen Verpflichtung verstanden werden könnte (wobei im Werkvertragsrecht Erfüllung freilich erst mit der Abnahme eintritt). Dies ist jedoch nicht gemeint. Angestrebt ist ausweislich der Begründung zur Novelle eine Sonderregelung für die bei einer Altbausanierung u. U. ent____________

17 So aber Wagner in von Heymann/Wagner/Rösler, MaBV für Notare und Kreditinstitute, 2000, Rz. 363 und S. 170 f. 18 Basty DNotZ 1991, 18, 24; Blank, Bauträgervertrag, 2. Aufl. 2002, Rz. 938; Marcks, MaBV, 7. Aufl. 2003, § 3 Rz. 46; Kutter, Beck’sches Notarhandbuch, 3. Aufl. 2000, A.II Rz. 133; Pause, Bauträgerkauf, 4. Aufl. 2004, Rz. 338; Riemenschneider in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2004, Teil 3, Rz. 800; Schmidt/Eue, Münchener Vertragshandbuch, 5. Aufl. 2003, I.32 Anm. 17 (1). 19 Vgl. Pause NZBau 2000, 234.

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Dr. Gregor Basty

fallenden Leistungen, wenn also ein in § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV genanntes Gewerk bereits vollständig in der verkauften Altbausubstanz enthalten ist. Hierfür ist keine „anteilige“ Verteilung der entsprechenden Vom-Hundert-Sätze erforderlich. § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV darf aber nicht als der „für erbrachte Leistungen vertraglich ausgewiesene Teilbetrag“ gelesen werden, so dass für die Zahlungsweise nicht einfach zwischen dem von den Beteiligten angegebenen Sanierungsaufwand und dem auf Grund und Boden, Altbausubstanz, Stellplätze o. Ä. entfallenden Kaufpreisteil unterschieden werden darf. Er verlangt vielmehr, dass der Zahlungsbetrag für erbrachte Leistungen nach Sätzen 1 und 2 errechnet wird. Auch für Altbauvorhaben bleibt es dabei also bei einer Zahlung in Vom-Hundert-Sätzen aus der gesamten Vertragssumme. Die eigentliche Bedeutung dieser Vorschrift liegt darin, dass es bei Altbauvorhaben nicht mehr auf den Beginn von Modernisierungsarbeiten ankommt20. Nach der früheren Regelung durfte der Bauträger auch bei Altbauvorhaben eine erste Zahlung erst mit Beginn der Modernisierungsarbeiten entgegennehmen. Dies konnte zu wenig einleuchtenden Ergebnisses führen: Verkaufte ein Bauträger eine vermietete Wohnung an den Mieter und übernahm als Werkleistung z. B. die Sanierung des Daches und den Einbau neuer Fenster, durfte er die erste Zahlung auch dann erst bei Baubeginn entgegennehmen, wenn er mit den geschuldeten Arbeiten vereinbarungsgemäß erst Monate später, z. B. im folgenden Frühjahr, beginnen wollte. Dies änderte der ab 1.6.1997 geltende § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV. Entscheidend ist, ob die Leistungen „erbracht“, also in Natur bereits vorhanden sind. Es genügt also nicht unbedingt, dass entsprechende Arbeiten nach der vereinbarten Leistungsbeschreibung nicht geschuldet werden. Hat der Erwerber entsprechende Arbeiten in Eigenleistung übernommen, z. B. die Fliesenarbeiten im Sanitärbereich, bleibt es bei der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 3 MaBV; der entsprechende Betrag ist also auf die zulässigen Raten anteilig zu verteilen21.

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20 OLG Hamm 19.6.2002 – 11 U 4/02 – MittBayNot 2003, 53; Basty DNotZ 1997, 284, 291 ff.; unklar Marcks, MaBV, 7. Aufl. 2003, § 3 Rz. 47 und Rz. 49; Blank Bauträgervertrag, 2. Aufl. 2002, Rz. 939. 21 Pause, Bauträgerkauf, 4. Aufl. 2004, Rz. 341; wohl auch Schmidt/Eue, Münchener Vertragshandbuch, 5. Aufl. 2003, I.32 Anm. 17 (2); a. A. Riemenschneider in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2004, Teil 3, Rz. 804 (dessen „klares Nein“ zu der Gegenauffassung widerspricht m. E. jedenfalls dann der MaBV, wenn der Erwerber die betreffenden Arbeiten le-

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen

Streitig ist die Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV im Hinblick auf die Baubeginnrate (30 % bei Grundstücken, 20 % bei Erbbaurechten) nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MaBV. Nur dann, wenn vom Bauträger keinerlei Erdarbeiten geschuldet sind, kann diese Rate zweifellos schon nach Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 fällig werden. Diese Fälle sind freilich recht selten. Zuweilen werden im Rahmen einer Sanierung auch Erdarbeiten zur Herstellung einer modernen Anforderungen genügenden Drainage geschuldet oder im Zusammenhang mit einem zu errichtenden Anbau erforderlich; auch bei weniger aufwendigen Sanierungen werden häufig gewisse Erdarbeiten zur Neugestaltung von Außenanlagen vereinbart, insbesondere wenn diese durch die anderen Arbeiten, z. B. am Außenputz, beeinträchtigt werden. Wenn Erdarbeiten irgendwelcher Art geschuldet sind, kommen verschiedene Auslegungen des § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV in Betracht: Vertretbar erscheint zum einen, dass die Fälligkeit der in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MaBV genannten Rate unabhängig vom Beginn der Bauarbeiten eintritt, zum zweiten, dass die Fälligkeit erst eintritt mit Beginn der Modernisierungsarbeiten (bei welchem Gewerk auch immer), und schließlich, dass die Fälligkeit dieser Rate den Beginn der geschuldeten Erdarbeiten selbst voraussetzt. Die Verordnungsbegründung gibt Anlass, auf den Beginn der Erdarbeiten abzustellen22. Dort heißt es, der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV sei eröffnet, wenn Bauleistungen entfallen; die Erdarbeiten werden in diesem Zusammenhang beispielhaft erwähnt. Demgegenüber wurde der in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MaBV genannte Begriff „Beginn der Erdarbeiten“ im Lichte des § 3 Abs. 2 Satz 4 a. F. MaBV seit dessen Einfügung durch die Novelle von 1990 bei Altbauvorhaben als „Beginn der Modernisierungsarbeiten“ verstanden. Danach müsste es für die Fälligkeit dieser Rate jedenfalls ausreichen, dass mit irgendwelchen Arbeiten, z. B. auch an der Installation im Innern des Gebäudes, begonnen ist.

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diglich aus dem angebotenen Leistungskatalog des Bauträgers „abwählt“, und wohl auch, wenn sie für eine funktionstaugliche Wohnung objektiv erforderlich sind). 22 So auch Marcks, MaBV, 7. Aufl. 2003, § 3 Rz. 47; Riemenschneider in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2004, Teil 3, Rz. 805; wohl auch Blank, Bauträgervertrag, 2. Aufl. 2002, Rz. 939.

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Diese Auslegungen erscheinen jedoch beide zu eng23. Sie werden der Intention des § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV nicht gerecht. Diese Vorschrift soll den Bauträger für die Fälle besser stellen, in denen einem Neubauvorhaben entsprechende Leistungen schon vorhanden sind; die vorstehend skizzierten Auslegungen würden diese Absicht in ihr Gegenteil verkehren. Bei Vorhandensein einer gewissen Altbausubstanz ist das Bauvorhaben notwendig begonnen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MaBV24. Bei einer anderen Auslegung würde diese Vorschrift, wie die Ausführungen vorstehend unter a) zu Neubauvorhaben belegen, weitgehend leer laufen. Die erste Rate, die bei Neubauvorhaben den Baubeginn voraussetzt, kann daher bei allen Altbauvorhaben bereits nach Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MaBV fällig werden, unabhängig davon, in welchen Bereichen Bauleistungen geschuldet sind. Diese Auslegung entspricht insbesondere auch der Höhe der ersten Rate von 30 %, die nach ihrem Zweck nicht eigentlich Bauleistungen abdecken soll, sondern eine Vergütung für das Grundstück darstellt. § 3 Abs. 2 MaBV steht also einer Gestaltung nicht entgegen, nach der bei Altbauvorhaben jedenfalls die erste Rate von 30 % stets nach Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MaBV, aber unabhängig vom Baubeginn fällig wird.

3. Mängelansprüche Beim Umbau oder der Sanierung von Altbauten ist grundsätzlich zwischen den Sanierungsleistungen und dem Grundstück samt Altbausubstanz zu unterscheiden. Für erstere kann Werkvertragsrecht (und damit für Mängel §§ 633 ff. BGB), für letztere Kaufrecht (und damit für Mängel §§ 434 ff. BGB) zur Anwendung kommen25. Für Grundstück und Altbausubstanz kann eine Haftung (ausgenommen für Vorsatz und für Schäden aus der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit) ausgeschlossen werden26.

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23 Wie hier Pause, Bauträgerkauf, 4. Aufl. 2004, Rz. 342. 24 Vgl. OLG Hamm 19.6.2002 – 11 U 4/02 – MittBayNot 2003, 53. 25 LG Landshut MittBayNot 1993, 149; Kutter, Beck’sches Notarhandbuch, A.II Rz. 12; Pause BTR 2004, 142, 143; Reithmann ZfIR 2000, 602, 603; Wenzel DNotZ 1993, 297, 304. 26 Pause BTR 2004, 142, 144; ders., Bauträgerkauf, 4. Aufl. 2004, Rz. 831.

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Insofern kommt es vor allem auf den Umfang der zu erbringenden Bauleistungen an27, ob es sich nämlich um eine Total- und Teilsanierung handelt. Totalsanierungen stellen sich hinsichtlich des Umfangs der Haftung und der Möglichkeiten, eine Haftung einzuschränken, als Neubauten dar28. Hier haftet der Bauträger auch für die Altbausubstanz wie bei einem Neubau, selbst wenn er insofern keine besonderen Leistungen übernommen hat. Auf die Art des Objekts kommt es dabei nicht an. Diese Grundsätze gelten für sanierte Plattenbauten in den neuen Bundesländern ebenso wie für eine Jugendstilvilla, die entkernt und umgebaut wird. Bei Teilsanierungen ist zu differenzieren zwischen dem unverändert bleibenden Altbau, für den Kaufrecht gilt, und die im einzelnen durchzuführenden Bauarbeiten, für die Werkvertragsrecht gilt. Werden nur Schönheitsreparaturen oder Renovierungsarbeiten versprochen und ausgeführt, wird teilweise vertreten, dass allein Kaufrecht (mit der Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung) zur Anwendung kommt29. Dies überzeugt nicht; für die betreffenden Arbeiten ist Werkvertragsrecht als sachnähere Regelung anzuwenden30 (für Grundstück und Altbausubstanz hingegen Kaufrecht). Sofern es sich nicht um Arbeiten „bei Bauwerken“ handelt, ist § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB einschlägig; Ansprüche wegen Mängeln verjähren danach bereits nach zwei Jahren31. Bei Total- und grundsätzlich auch bei Teilsanierungen (jedoch nicht, wenn nur einzelne Schönheitsreparaturen übernommen werden) ist regelmäßig eine Pflicht des Bauträgers zur Prüfung der Sanierungsbedürf-

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27 BGH 7.5.1987 – VII ZR 366/85 – BGHZ 100, 391; Blank, Bauträgervertrag, 2. Aufl. 2002, Rz. 943 ff.; Bischoff/Mauch DNotZ 2004, 342, 343 ff. m. w. N.; Pause NZBau 2000, 234, 236; Gutachten DNotI-Report 2001, 77 m. w. N. 28 Vgl. Koeble in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2004, Teil 1, Rz. 74 ff.; Wenzel DNotZ 1993, 297, 304. 29 OLG Frankfurt 21.9.1992 – 4 U 106/91 – NJW-RR 1993, 121; OLG Hamburg 21.6.1989 – 4 U 195/85 – NJW-RR 1989, 1497 (wenn nur der Einbau eines Fahrstuhls geschuldet wird); Koeble in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2004, Teil 1, Rz. 77; Wenzel DNotZ 1993, 297, 304. 30 Pause, Bauträgerkauf, 4. Aufl. 2004, Rz. 633. 31 Palandt/Sprau, 64. Aufl. 2005, § 634 a Rz. 17; Schmidt/Eue, Münchener Vertragshandbuch, 5. Aufl. 2003, I.32 Anm. 8.

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tigkeit der Altbausubstanz32. Sie ergibt sich aus den mit dem Vertrag übernommenen Planungsaufgaben33. Bei solchen Vorhaben darf der Erwerber nämlich erwarten, dass alle notwendigen Arbeiten an der Altbausubstanz erkannt und durchgeführt werden. Die Untersuchungspflicht besteht daher unabhängig von den konkret übernommenen werkvertraglichen Pflichten34; sie macht gerade Sinn im Hinblick auf diejenigen Teile, die der Bauträger unangetastet lassen will und die dementsprechend nach Kaufvertragsrecht zu behandeln sind. Bei Teilsanierungen kann der Bauträger Untersuchungspflichten aber auch ausschließen. Es bedarf einer klaren Regelung. Der Erwerber muss wissen, ob und welche Risiken er mit der Altbausubstanz übernimmt. Sofern sich aus dem Vertrag nichts anderes ergibt, kann der Erwerber auch bei Altbauvorhaben erwarten, dass das Werk zum Zeitpunkt der Fertigstellung und Abnahme diejenigen Qualitäts- und Komfortstandards erfüllt, die vergleichbare andere zeitgleich abgenommenen Bauwerke erfüllen35. Durch (transparente) vertragliche Regelungen kann aber bestimmt werden, dass bestimmte technische Normen nicht eingehalten werden müssen36. Dies ist bei Altbauvorhaben häufig geboten, da die Anforderungen an Wärme- und Schallschutz zum Beispiel oft nur mit erheblichen Eingriffen in die Substanz erreichbar sind. Fehlt es an ausdrücklichen Regelungen, ist der Vertrag auszulegen. Jedenfalls bei Totalsanierungen kann der Erwerber danach in aller Regel erwarten, dass z. B. die Schalldämmung zwischen Trennwänden und die Kellerabdichtung dem Stand der anerkannten Regeln der Technik entsprechen, auch wenn diesbezüglich nicht (ausdrücklich) Arbeiten übernommen wurden, während Treppen jedenfalls dann nicht auf den Stand der Technik gebracht werden müssten, wenn dies erkennbar erhebliche zusätzliche Eingriffe in die Altbausubstanz erfordern würde37. Im Zweifel wird man davon auszugehen haben, dass die bei Fertigstellung der Umbaumaßnahme und deren Abnahme maßgeblichen technischen ____________

32 Vgl. BGH 7.5.1987 ZIP 1987, 1055; Pause BTR 2004, 142, 143; ders., Bauträgerkauf, 4. Aufl. 2004, Rz. 636. 33 Vgl. BGH 11.10.2001 ZfIR 2002, 133 mit Anm. Siegburg; Basty/Vogel ZfIR 2002, 171, 175; Glöckner, Festschrift Craushaar, 1997, S. 349; Pause, Bauträgerkauf, 4. Aufl. 2004, Rz. 636. 34 A. A. Riemenschneider in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2004, Teil 3, Rz. 794. 35 BGH 14.5.1998 – VII ZR 184/97 – BGHZ 139, 16. 36 Vgl. BGH 6.10.2004 – VIII ZR 355/03 (zum Mietrecht). 37 Vgl. BGH 16.12.2004 – VII ZR 257/03 – ZfIR 2005, 134 mit Anm. Vogel; hierzu näher der Beitrag von Thode in diesem Band.

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Normen eingehalten sein müssen, aber auch nicht mehr geleistet werden muss, als diesen entspricht, also z. B. kein erhöhter Lärm- oder Trittschallschutz38.

II. Verkauf anderer Wohnungen 1. Bauverpflichtung Wird eine andere Wohnung als die im Dachgeschoss verkauft, kann der betreffende Vertrag regeln, dass der Erwerber diese in dem vorhandenen Zustand erhält. Es handelt sich dann um einen normalen Kaufvertrag. Ob Regelungen hinsichtlich des Ausbau des Dachgeschosses veranlasst sind, ist eine Frage des Einzelfalls: Es ist denkbar, dass der Bauträger nur das Recht zum DachgeschossAusbau hat, aber hierzu keine Verpflichtung übernimmt. In diesem Fall bleibt es, sofern keine anderen Bauleistungen übernommen werden, bei einem Kaufvertrag über das Objekt im vorhandenen Bestand. Insbesondere kann der Kaufpreis unabhängig von den Voraussetzungen der MaBV fällig gestellt werden. Wird allerdings die Wohnung im Zeitpunkt verkauft, zu dem der Dachgeschossausbau bereits begonnen ist, wäre eine entsprechende Regelung eher befremdlich; in diesem Fall wird die Interessenlage typischerweise dahin gehen, dass der Bauträger auch dem Erwerber der Erdgeschosswohnung gegenüber die Verpflichtung zur zügigen und ordnungsgemäßen Herstellung des Dachgeschosses übernimmt. Damit wäre die MaBV anwendbar. Die Folgen sind auf den ersten Blick befremdlich: Der Kaufpreis für z. B. im Januar und Februar verkaufte Wohnungen wäre (nach den üblichen Voraussetzungen) in voller Höhe zu zahlen, obwohl und weil der Dachgeschossausbau nicht vertraglich geschuldet war, der Kaufpreis für die im März verkaufte Erdgeschosswohnung jedoch nur nach näherer Maßgabe der MaBV.

2. Kaufpreiszahlung Für die Kaufpreiszahlung gelten die o. g. Grundsätze. Insbesondere ist also zu berücksichtigen, ob eine Bauverpflichtung übernommen wurde ob deswegen die MaBV gilt. ____________

38 Vgl. BGH 6.10.2004 – VIII ZR 355/03 – (zum Mietrecht).

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3. Mängelansprüche Ist der Dachgeschossausbau mangelhaft, hat der Erwerber deswegen nur dann werkvertragliche Ansprüche, wenn mit ihm über die betreffenden Arbeiten ein Werkvertrag abgeschlossen wurde oder wenn insofern zusätzliche Vereinbarungen getroffen wurden, nach denen der Bauträger sich ihm gegenüber insofern verpflichtet. Andernfalls wird nur die Eigentümergemeinschaft deswegen Ansprüche gegen den Bauherrn geltend machen können.

4. Inanspruchnahme der Wohnung für Ausbau Beim Ausbau einer Dachgeschosswohnung bedarf es der Einrichtungen für deren Ver- und Entsorgung, z. B. für Strom und Wasser. Ggf. müssen neue Leitungen verlegt oder alte Leitungen vergrößert oder verstärkt werden. U. U. kann die Nutzung von der Erfüllung feuerschutzrechtlicher Auflagen abhängig sein. Je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls bedarf es hierfür Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum oder u. U. auch in das Sondereigentum anderer Eigentümer. Solche Maßnahmen werden nicht schon allein dadurch ermöglicht, dass die Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung den späteren Ausbau der Räumlichkeiten im Dachgeschoss zulässt39. Auch ein Mieter hätte sie nicht ohne weiteres zu dulden40. Geboten sind daher entsprechende Regelungen in den einzelnen Veräußerungsverträgen; es ist zu empfehlen, sie so konkret wie möglich zu fassen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden (die nachstehende Regelung sollte daher entsprechend präzisiert werden), z. B. Der Verkäufer ist berechtigt, das Dachgeschoss in dem Anwesen … aufstocken und den betreffenden Bereich zu einer Wohnung auszubauen. Ob, wann und wie ausgebaut wird, kann er nach billigem Ermessen bestimmen; baurechtliche Anforderungen sind zu beachten. Er kann insbesondere auch Balkone, Terrassen, Dachflächenfenster und Dachgauben errichten. Er ist berechtigt, vorhandene Kamine für die Einlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen nutzen oder die erforderlichen Leitungen im Bereich des Treppenhauses zu verlegen. Soweit ein derzeit vorhandener Kamin in Anspruch genommen wird und vom Käufer nicht mehr genutzt werden kann, sind Ansprüche des Käufers deswegen ausgeschlossen. ____________

39 OLG Hamm 5.1.2004 – 15 W 153/03 – FGPrax 2004, 105. 40 Vgl. LG Berlin 27.10.1998 – 65 S 224/98 – NZM 1999, 705 (für die Verstärkung von Elektrosteigleitungen allein wegen des Ausbaus des Dachgeschosses).

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen Entsprechende Arbeiten sind vom Verkäufer technisch einwandfrei und unter Beachtung der bei Bauausführung geltenden Vorschriften durchzuführen. Schäden im Bereich der vertragsgegenständlichen Wohnung oder im Bereich des Gemeinschaftseigentums hat er zu beseitigen. Er hat alle damit verbundenen Kosten zu tragen.

5. Beeinträchtigung der Wohnung durch Ausbau Ein Dachgeschossausbau kann zu erheblichen Beeinträchtigungen insbesondere für die Nutzer angrenzender Wohnungen führen. Der Erwerber einer Wohnung wird kaum bereit sein, diese Beeinträchtigungen entschädigungslos zu dulden (auch durch AGB oder einem Verbrauchervertrag erscheint der Verzicht auf Ersatzansprüche aber nicht ausgeschlossen). Andernfalls ist eine Regelung wie folgt in Betracht zu ziehen: Dem Erwerber ist bekannt, dass mit den üblichen, bei Dachgeschossausbauten auftretenden vorübergehenden Beeinträchtigungen, insbesondere durch Lärm, Staub und Baugerüst sowie Entfernen von Einrichtungsgegenständen zu rechnen ist. Der Veräußerer ist bemüht, die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Die Vertragsteile gehen davon aus, dass trotz dieser Bemühungen teilweise auch nicht unerhebliche Beeinträchtigungen möglich sind, deren Dauer und Intensität derzeit nicht absehbar ist. Der Erwerber duldet diese Beeinträchtigungen, auch soweit dadurch die Gebrauchsfähigkeit des Objektes vorübergehend eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. Der Veräußerer räumt dem Erwerber jedoch zum Ausgleich der Beeinträchtigungen die nachfolgenden Rechte ein: Wird die Tauglichkeit der Wohnung durch den Dachgeschossausbau objektiv nicht nur unerheblich gemindert, hat der Veräußerer dem Erwerber auf dessen Antrag auf die Dauer der Beeinträchtigungen einen Betrag in der Höhe zu zahlen, in der ein Mieter die Miete angemessen herabsetzen könnte. Sofern die Beeinträchtigungen objektiv unzumutbar sind, ist der Erwerber damit einverstanden, dass ihm, wenn er die Wohnung selbst bewohnt, vom Veräußerer eine Ersatzwohnung für die Dauer der Beeinträchtigungen gestellt wird. Vermietet der Erwerber die vertragsgegenständliche Wohnung, hat er im eigenen Interesse seinen Mieter auf die Möglichkeit des Dachgeschossausbaues mit den sich daraus möglicherweise ergebenden Beeinträchtigungen hinzuweisen und ihn zu verpflichten, die erforderlichen Maßnahmen zu dulden. Sollten die Beeinträchtigungen objektiv unzumutbar sein, beschränken sich die Rechte des Erwerbers gegen den Veräußerer darauf, dass der Veräußerer dem Erwerber zur Nutzung durch den Mieter auf die Dauer der objektiv unzumutbaren Beeinträchtigungen eine Ersatzwohnung zur Verfügung stellt. Die Einzelheiten der Auswahl und Gestellung der Ersatzwohnung bestimmt der Veräußerer nach billigem Ermessen; er trägt die dadurch anfallenden Kosten.

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Dr. Gregor Basty Weitergehende Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche des Erwerbers gegen den Veräußerer sind ausgeschlossen. Der Ausschluss gilt nicht für eine Haftung bei Vorsatz oder Arglist und für grob fahrlässig verursachte Schäden sowie für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Veräußerers, seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen beruhen.

III. Regelungen im Hinblick auf die Teilungserklärung Wegen des Ausbaus des Dachgeschosses oder auch wenn die entsprechende Absicht aufgegeben wird, können Änderungen der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung veranlasst sein.

1. Nachträgliche Bildung von Sondereigentum Sind die Dachgeschosswohnungen noch nicht Gegenstand der Teilung, muss die Teilungserklärung ggf. entsprechend geändert werden. Hierzu bedarf es insbesondere auch einer Übertragung von Miteigentumsanteilen aus den bisherigen Wohnungen; dieser Anspruch ist vertraglich zu vereinbaren und sollte tunlichst durch Auflassungsvormerkung gesichert werden. Nicht zu verkennen ist allerdings, dass hierdurch für den Erwerber Schwierigkeiten im Rahmen der Finanzierung auftreten können; nicht selten akzeptieren Kreditgeber keine Kreditsicherung durch eine Grundschuld Nachrang nach einer Vormerkung. Ggf. können sich hierdurch erhebliche Schwierigkeiten entweder im Rahmen des Verkaufs solcher Wohnungen oder Unsicherheiten für eine spätere Änderung der Teilungserklärung ergeben. Darüber hinaus bedarf es in solchen Fällen einer umfassenden Vollmacht zur Änderung von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung41. Problematisch ist hierbei insbesondere die Sicherung der Abwicklung in Fällen der Rechtsnachfolge. Hügel hat in Zusammenhang mit dem vergleichbaren Problem der Mehrhausanlage hierzu eines Sicherung über § 12 WEG vorgeschlagen42; ob dies tatsächlich zu der gewünschten Sicherheit führen kann, erscheint aber nicht unzweifelhaft43. ____________

41 Hierzu näher Basty in Partner im Gespräch Band 69 S. 1, 14 ff. 42 Hügel DNotZ 2002, 517. 43 Vgl. J. Schmidt ZWE 2005, 58, 62 f.

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen

2. Aufgabe der Ausbauabsicht Wurden in der Teilungserklärung die Dachgeschosswohnungen bereits berücksichtigt, kann sich ein Bedürfnis zur Änderung insbesondere dann ergeben, wenn die Bebauungsabsicht aufgegeben wird, z. B. weil eine hierzu erforderliche Baugenehmigung versagt wird. Für solche Fälle bedarf es ebenfalls vertraglicher Regelungen, die eine Aufhebung des betreffenden Sondereigentums ermöglichen. Für den Fall, dass der Verkäufer die Einheiten Nr. 64 bis 69 oder einzelne von ihnen nicht ausbaut, sind sich Verkäufer und Käufer bereits heute darüber einig, dass das Sondereigentum an den nicht ausgebauten Einheiten vom Verkäufer aufgehoben werden kann und der Käufer sodann die den betreffenden Einheiten zugewiesenen Miteigentumsanteile anteilig entsprechend dem Verhältnis der Miteigentumsanteile der übrigen Wohnungseigentümer in dem betreffenden Anwesen unentgeltlich übertragen erhält. Die vorstehend in 3. erteilte Vollmacht gilt insbesondere auch für die entsprechenden Erklärungen und Vereinbarungen.

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen – Teilungserklärung und Umsetzung in der Praxis Prof. Dr. Stefan Hügel, Notar, Weimar

Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Veränderung der sachenrechtlichen Aufteilung 1. Unmittelbare Begründung von Wohnungseigentum a) Rechtliche Voraussetzungen b) Sinnvolle Regelungen in der Gemeinschaftsordnung 2. Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum a) Rechtliche Ausgangslage b) Regelungsmöglichkeiten in der Gemeinschaftsordnung 3. Unterteilung/Vereinigung a) Allgemeines b) Auswirkungen auf das Stimmrecht aa) Stimmrecht nach Kopfteilen bb) Stimmrecht nach Anzahl der Objekte cc) Stimmrecht nach Miteigentumsbruchteilen c) Gestaltungsmöglichkeiten

III. Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum 1. Allgemeines 2. Gestaltungsmöglichkeiten in der Gemeinschaftsordnung IV. Änderung von Sondernutzungsrechten 1. Rechtliche Ausgangslage 2. Mögliche Regelungen in der Gemeinschaftsordnung V. Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels 1. Rechtliche Ausgangslage 2. Gestaltungsmöglichkeiten VI. Zustimmung zur baulichen Veränderung 1. Rechtliche Ausgangslage a) Allgemeines b) Kosten der baulichen Veränderung c) Zustimmung des Verwalters zur baulichen Veränderung 2. Gestaltungsmöglichkeiten VII. Ergebnis und Formulierungsvorschlag

I. Einleitung Der nachträgliche Ausbau von Dachgeschossen ist kein wohnungseigentumsrechtliches Randproblem. Er hat in den letzten Jahren, insbesondere im innerstädtischen Bereich, erheblich an Bedeutung gewon117

Prof. Dr. Stefan Hügel

nen. Diese Feststellung wird durch die zunehmende Anzahl höchst- und obergerichtlicher Entscheidungen belegt, die sich mit Problemen eines erfolgten Dachgeschossausbaus beschäftigen1. Gründe für einen späteren Dachausbau sind unter anderem die zunehmende Verknappung von Baugrundstücken in bevorzugten Innenstadtlagen sowie das häufig als sehr attraktiv angesehene Bewohnen von Dachwohnungen. Allerdings sind nicht nur die bautechnischen Probleme, die sich häufig beim nachträglichen Ausbau eines Dachgeschosses und dem damit verbundenen Eingriff in die Dachhaut ergeben, komplex. Auch die wohnungseigentumsrechtlichen Fragen, die mit einem solchen Vorhaben verbunden sind, sind vielschichtig und dürfen nicht unterschätzt werden. Durch den Ausbau werden regelmäßig die Grundrisse der vorhandenen Räumlichkeiten verändert bzw. ganze Wohneinheiten neu geschaffen, vorhandene Einheiten unterteilt und/oder ganz oder teilweise vereinigt sowie die bisherige Nutzung der ausgebauten Räume verändert. Diese Änderungen gehen einher mit meist umfangreichen baulichen Maßnahmen und Eingriffen in das gemeinschaftliche Eigentum. Regelmäßig wird der bisher geltende Kostenverteilungsschlüssel von den übrigen Wohnungseigentümern nach dem Ausbau als ungerecht empfunden und dessen Abänderung gewünscht. In der Terminologie des Wohnungseigentumsrechts ausgedrückt kann es durch den nachträglichen Ausbau von Dachräumen im Wesentlichen zu folgenden Problemstellungen kommen2: ●

Veränderung der sachenrechtlichen Aufteilung in Sonder- und Gemeinschaftseigentum,



Änderung der Zweckbestimmung der ausgebauten Räume,



Änderung des vorhandenen Kostenverteilungsschlüssels,



Zustimmung zur baulichen Veränderung des Gemeinschafseigentums.

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1

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Siehe z. B. BGH NJW 2004, 3413 = ZMR 2004, 834 = NZM 2004, 870 = MietRB 2004, 352; BGH NZM 2004, 876 = ZfIR 2004, 1006 mit Anm. Hügel = MietRB 2004, 352 = ZMR 2005, 59; OLG Braunschweig ZMR 2004, 929 mit Anm. Winkler; OLG Hamburg ZMR 2004, 935; KG NZM 2004, 549 = FGPrax 2004, 225 = ZfIR 2004, 679 mit Anm. Riecke; KG FGPrax 2004, 216 = MietRB 2004, 236; KG NZM 2004, 624; KG ZMR 2002, 464 mit Anm. Armbrüster; BayObLG ZWE 2001, 603. Zu weiteren Fragen im Zusammenhang mit einem nachträglichen Dachausbau siehe v. Rechenberg in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, 2002, S. 313; ders., in Riecke/Warda, Potsdamer Tage rund um das Wohnungseigentum, 2000, S. 116.

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen – Teilungserklärung

All diese Fragen können sich insgesamt, einzeln oder in wechselnder Verbindung sowie mit dem Unterschied stellen, dass dem Dachgeschossausbau in der Teilungserklärung bereits zugestimmt wurde oder ein solches Einverständnis in der Aufteilungsurkunde insgesamt oder teilweise nicht enthalten ist. Eine Darstellung der wohnungseigentumsrechtlichen Fragen beim nachträglichen Ausbau von Dachräumen muss deshalb hinsichtlich der unterschiedlichen Problembereiche differenzieren. Sinnvoll erscheint auch, zunächst die rechtlichen Vorgaben zu beleuchten, um hieraus Gestaltungsvorschläge für die Gemeinschaftsordnung abzuleiten. Der Beitrag beschränkt sich hierbei auf die Zulässigkeit eines nachträglichen Dachgeschossausbaus und die rechtlichen Schranken solcher Veränderungen. Nicht dargestellt werden Ansprüche der Wohnungseigentümer, insbesondere auf Rückbau und Schadensersatz3, wenn der Ausbauwillige den Rahmen des rechtlich Zulässigen überschreitet.

II. Veränderung der sachenrechtlichen Aufteilung 1. Unmittelbare Begründung von Wohnungseigentum a) Rechtliche Voraussetzungen Wird bisher nicht ausgebauter Dachraum nachträglich zu Wohnzwecken umgebaut, befinden sich die betreffenden Räume nur in seltenen Fällen im Sondereigentum des ausbauwilligen Eigentümers. Für diesen Umstand gibt es mehrere Gründe. Zum einen handelt es sich bei den Gebäuden oft um Altbauten, bei deren Aufteilung in Wohnungseigentum vor langer Zeit niemand an einen späteren Ausbau des Dachgeschosses gedacht hat. Wenn gleichwohl im Einzelfall eine Ausbaumöglichkeit vorgesehen ist, dann nur als Option für einen bestimmten Miteigentümer, nicht aber im Sinne einer sicher und unmittelbar bevorstehenden Veränderung. Aber auch bei einer Aufteilung in Wohnungseigentum für ein neues Projekt wird Wohnungseigentum an den noch nicht ausgebauten Dachräumen regelmäßig nicht begründet. Voraussetzung für die Begründung von Sondereigentum an den Dachgeschoss-

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Hierzu Hogenschurz in Köhler/Bassenge, Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht, 1. Aufl. 2004, Teil 11 Rz. 132 ff.; v. Rechenberg in Drasdo/Müller/ Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 347 ff.; Briesemeister, ZWE 2004, 309 f.

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räumlichkeiten ist nämlich, dass für den Ausbau zu Wohnzwecken bereits eine Baugenehmigung vorliegt, da ansonsten eine Abgeschlossenheitsbescheinigung für diese Räume nicht erteilt wird. Diese Genehmigung wird aber meist nicht vorliegen, da nach dem Willen der Beteiligten der Dachgeschossausbau nur eine Möglichkeit eines Wohnungseigentümers sein und allein in dessen Verantwortung fallen soll. Auch wenn die unmittelbare Begründung von Wohnungseigentum vorzugswürdig ist, weil dann Sicherheit besteht, ob und unter welchen Voraussetzungen der Ausbau öffentlich-rechtlich zulässig ist4, dürfte dies in der Praxis die Ausnahme sein. Sofern die ausgebauten Räume im Einzelfall bereits als Wohnungseigentum begründet wurden, ergeben sich bei dem nachträglichen Ausbau der Räumlichkeiten in einen tatsächlich bewohnbaren Zustand keinerlei Probleme im Hinblick auf eine sachenrechtliche Veränderungsnotwendigkeit. Die Räume werden lediglich in einen Zustand versetzt, der die in der Gründungsurkunde vorgesehene Nutzung auch ermöglicht. Allenfalls ist eine Unterteilung5 der Einheit nötig, wenn das ausgebaute Dachgeschoss anschließend selbständig veräußert werden soll. b) Sinnvolle Regelungen in der Gemeinschaftsordnung Ist im Einzelfall dieser (einfachste) Weg möglich und von den Beteiligten gewünscht, würde der Eigentümer der noch nicht nutzbaren Dachwohnung wegen § 16 Abs. 2 WEG an den Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums von Anfang an beteiligt, sofern der Kostenverteilungsschlüssel entsprechend der Wohn-/Nutzfläche der jeweiligen Einheiten festgelegt wurde. Eine solche Kostenregelung wird wohl als ungerecht empfunden werden, da der Wohnungseigentümer die betreffenden Räume noch nicht bestimmungsgemäß nutzen kann. Es empfiehlt sich eine Kostenregelung, nach der die Verteilung zunächst ohne oder nur unter teilweiser Berücksichtigung der nicht ausgebauten Räume und erst nach erfolgtem Ausbau des Dachgeschosses unter Einbeziehung der dann nutzbaren Räumlichkeiten jeweils entsprechend dem Verhältnis der Wohn-/Nutzfläche bestimmt wird.

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v. Rechenberg in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 320. Siehe hierzu Ziffer II 3.

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen – Teilungserklärung

2. Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum Häufig wird dem ausbauwilligen Eigentümer nur ein Sondernutzungsrecht an den – meist über seinem Sondereigentum befindlichen – Dachräumen oder lediglich „das Recht zum späteren Ausbau“ des sich im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Dachgeschosses eingeräumt sein. In beiden Fällen befindet sich das Dachgeschoss im gemeinschaftlichen Eigentum aller Wohnungseigentümer. Bei diesem Zustand soll es aber nicht verbleiben, da der ausbauende Eigentümer Sondereigentum an diesen Räumen erwerben will und soll. Hierzu muss das gemeinschaftliche Eigentum an diesen Räumlichkeiten in das Sondereigentum eines einzelnen Miteigentümers überführt werden. a) Rechtliche Ausgangslage Durch die Baumaßnahme allein kann eine rechtliche Veränderung der Eigentumssphären nicht erfolgen. Wird bei dem nachträglichen Ausbau versehentlich oder unberechtigt die Fläche der im Sondereigentum befindlichen Räume durch Erweiterung auf gemeinschaftliches Eigentum vergrößert, verändert sich die Eigentumszuordnung nicht. Die lediglich tatsächliche Veränderung der Wohnungsgrenzen kann nämlich eine Rechtserweiterung nicht bewirken6. Soll die faktisch vorgenommene Erweiterung auch rechtlich abgesichert werden, bedarf es einer Überführung der überbauten Fläche in das Sondereigentum des betreffenden Eigentümers in der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Dieselben Anforderungen gelten, wenn mit Einverständnis der Miteigentümer der ausbauwillige Eigentümer gemeinschaftliches Eigentum in seinem Ausbau mit einbezieht und er an dieser Fläche Sondereigentum erwerben will. Da die sachenrechtlichen Grenzen zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum im Gebäude verändert werden, ist hierzu ein neuer amtlich bestätigter Aufteilungsplan nebst Abgeschlossenheitsbescheinigung erforderlich. Diese Notwendigkeit ergibt sich jedoch nur für die geänderten Räumlichkeiten. Eine Umwandlung von Gemeinschaftseigentum zu Alleineigentum stellt einen sachenrechtlichen Vorgang dar, weil hierbei zivilrechtliches gemeinschaftliches Eigentum in Alleineigentum überführt wird. Diese Umwandlung bedarf wegen § 4 Abs. 1, 2 WEG der Einigung aller Woh____________

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KG FGPrax 2004, 216; KG NZM 2001, 1127; Briesemeister, ZWE 2004, 310.

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nungseigentümer in der Form der Auflassung. Weder darf dem gemeinschaftlichen Eigentum ohne das Einverständnis aller Miteigentümer etwas weggenommen werden, noch darf bestehendes Sondereigentum den Miteigentümern als gemeinschaftliches Eigentum aufgedrängt werden7. Sollen somit die nachträglich ausgebauten Dachräume in das Sondereigentum des betreffenden Eigentümers überführt werden, bedarf es der Erklärung der Auflassung durch alle Miteigentümer vor einem Notar. Eine solche Beurkundung wird meist nur schwierig und wenn, nur mit großem Aufwand zu erreichen sein. Es ist deshalb verständlich, wenn die Vertragspraxis nach Auswegen aus dieser rechtlichen Lage sucht. b) Regelungsmöglichkeiten in der Gemeinschaftsordnung Naheliegend erscheint es zunächst, dem potentiellen Ausbauwilligen eine entsprechende Vollmacht oder Ermächtigung zur Vornahme der für die Umwandlung notwendigen rechtlichen Schritte zu erteilen. Jedoch ist nach der Rechtsprechung8 eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung, nach der die Wohnungseigentümer zur Umwandlung von Sonderin Gemeinschaftseigentum oder umgekehrt ermächtigt werden, nicht möglich. Gegenstand einer Vereinbarung nach § 10 Abs. 1, 2 WEG kann nämlich nur eine Regelung sein, die sich auf die Innenbeziehung der Wohnungseigentümer untereinander erstreckt. Eine solche Vereinbarung betrifft aber nicht das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, sondern zielt auf die Eigentumsverhältnisse und damit auf die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft durch Zuordnung von Flächen, Gebäudeteilen und Räumen. Eine vertragliche Regelung der sachenrechtlichen Zuordnung ist aber von einer inhaltlichen Ausgestaltung des Gemeinschaftsverhältnisses streng zu unterscheiden. Aus diesem Grund können auch keine Ermächtigungen oder vorweggenommene Zustimmungen zu solchen sachenrechtlichen Vorgängen in einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer enthalten sein. Anderenfalls würden die Grenzen zwischen der rein sachenrechtlichen Zuordnung und dem in den §§ 10 bis 29 WEG geregelten Ge____________

7 8

BGH NJW 2003, 2165; BayObLG DNotZ 2002, 149; siehe hierzu auch Hügel, BTR 2003, 177. BGH NJW 2003, 2165; BayObLG DNotZ 2002, 149; KG ZMR 1999, 204; Commichau in MünchKomm/BGB, 4. Aufl. 2004, § 3 WEG Rz. 34 plädiert auch nach diesen Entscheidungen noch für eine Zulässigkeit verdinglichter Ermächtigungen.

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meinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer in unzulässiger Weise überschritten werden9. Diese Rechtsprechung ändert allerdings nichts an der praktischen Notwendigkeit, für solche nachträglichen, eigentumsrelevanten Veränderungen eine geeignete rechtliche Gestaltung zu finden. Die Lösung kann vom Ausgangspunkt nur darin bestehen, die entsprechenden Regelungen in den jeweiligen Erwerbsvertrag zwischen dem aufteilenden Bauträger und dem Erwerber aufzunehmen10. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen: Nicht in die Gemeinschaftsordnung, sondern in den Erwerbsvertrag sind die bisher verwendeten „Vollmachten“ zu platzieren11. Dieser Frage wird jedoch an anderer Stelle nachgegangen12. Sie soll daher hier nicht vertieft werden. Möglicherweise ergibt sich aber auch eine Regelungsmöglichkeit in der Gemeinschaftsordnung selbst, die den Vorteil hätte, dass eine solche Vereinbarung durch eine Eintragung im Grundbuch nach § 10 Abs. 2 WEG auch Sondernachfolger bindet. Komplizierte Fragestellungen, wie sie sich bei vormerkungsgesicherten Umwandlungsansprüchen ergeben können13, würden so vermieden. Eine solche Gestaltungsidee lässt sich aus einer jüngeren Entscheidung des BGH14 herleiten. In dem entschiedenen Fall war eine Unterteilung – wie so häufig – daran gescheitert, dass bei der Umwandlung gemeinschaftliches Eigentum in Sondereigentum hätte überführt werden müssen. Hierfür fehlte dem umwandelnden Eigentümer die Befugnis. Folge dieser gescheiterten Neubildung ist nach Ansicht des BGH nun nicht die völlige Unwirksamkeit des Aufteilungsaktes. Lediglich der betroffene Miteigentumsanteil kann nicht mit dem Sondereigentum an der Dachgeschosswohnung verbunden werden. Es handelt es sich bei einem solchen Miteigentumsanteil um einen sog. „isolierten Miteigentumsanteil“, der sich zwar nicht rechtsgeschäftlich begründen lässt, jedoch als Folge einer missglückten Aufteilung entstehen kann15. Da dieser rechtlich unzulässige Zustand nicht auf Dauer Bestand haben kann, leitet der BGH eine Verpflichtung der Miteigentümer unter dem ____________

9 BayObLG DNotZ 1998, 383. 10 Siehe hierzu Basty, NotBZ 1999, 237. 11 Zur Frage, ob solche Vollmachten möglichweise gegen §§ 305 ff. BGB verstoßen, siehe BayObLG ZMR 2003, 518. 12 Basty, PiG 72, 101 ff. 13 Siehe hierzu Häublein, DNotZ 2000, 443; Hügel, DNotZ 2003, 517. 14 BGH NZM 2004, 876. 15 Hierzu Hügel, ZMR 2004, 549; Demharter, NZM 2000, 1197.

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Gesichtspunkt von Treu und Glauben aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer her, das Sondereigentum an der Dachgeschosswohnung an den „isolierten Miteigentümer“ zu übertragen. Damit hält es der BGH für möglich, dass sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer eine Verpflichtung der übrigen Miteigentümer ergeben kann, Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum zu überführen. Im konkreten Fall leitete der BGH diese Verpflichtung aus einer Regelung in der Gemeinschaftsordnung ab, nach der sich die Wohnungseigentümer verpflichtet hatten, dem Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken zuzustimmen. Wenn dieser Gedanke zutrifft, kann auch die Verpflichtung der Wohnungseigentümer, das gemeinschaftliche Eigentum an den Dachräumen nach deren Ausbau in Sondereigentum zu überführen, direkt zum Inhalt einer Vereinbarung gemacht werden. Denn Inhalt einer Vereinbarung kann selbstverständlich auch eine Verpflichtung sein, die sich ansonsten aus einem ungeschriebenen Rechtsgedanken herleitet. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass der BGH zwar eine Ermächtigung zur Vornahme sachenrechtlicher Veränderungen in einer Vereinbarung für unzulässig hält, hingegen eine gegenseitige Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Übertragung von gemeinschaftlichen Eigentum in einer Vereinbarung für möglich ansieht, sofern sich dies aus dem Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander ergibt. Aus diesen Überlegungen lässt sich ein Gestaltungsvorschlag für eine Gemeinschaftsordnung ableiten, wenn bereits bei der Erstbegründung feststeht, dass es zu einem nachträglichen Ausbau von Dachräumen und zur Überführung dieser Räumlichkeiten in das Sondereigentum eines Eigentümers kommen wird. Es ist in die Gemeinschaftsordnung eine Vereinbarung aufzunehmen, nach der ein oder mehrere Eigentümer berechtigt sind, genau beschriebene Räume im Dachgeschoss nachträglich zur Wohnnutzung auszubauen und die übrigen Miteigentümer verpflichtet sind, das ausgebaute Dachgeschoss in das Sondereigentum des ausbauberechtigten Eigentümers zu übertragen.

3. Unterteilung/Vereinigung a) Allgemeines Ist an den Dachräumen ausnahmsweise doch bereits Sondereigentum begründet worden, ist dieses – als nicht zu Wohnzwecken bestimmtes – Sondereigentum in der Regel mit einer Wohnungseinheit verbunden 124

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und kein separates Teileigentum. Der Wunsch das Dachgeschoss auszubauen wird in diesen Fällen häufig mit dem Ziel geäußert, an den ausgebauten Dachräumen zunächst eine selbständige Wohnungseinheit zu begründen, um sie dann anschließend zu veräußern. Zur Umsetzung dieses Ansinnens bedarf es einer Unterteilung der Einheit, mit der das Dachgeschoss bisher verbunden war. Gelegentlich ist die Unterteilung auch kombiniert mit einer Vereinigung mit einer anderen ganzen Einheit oder Teilen hiervon16. Eine Unterteilung von Wohnungseigentum kann durch den jeweiligen Eigentümer selbständig und ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer vorgenommen werden17. Gleiches gilt für die Vereinigung mehrerer Wohnungseigentumseinheiten eines Eigentümers18. Diese Befugnis leitet sich aus § 903 BGB ab, da Wohnungseigentum echtes zivilrechtliches Eigentum ist. Aus diesem Grund endet die Befugnis zu solchen Veränderungen aber auch dort, wo der Umwandlungsakt in gemeinschaftliches Eigentum eingreift. Weder darf der Gemeinschaft durch eine nicht vollständige Unterteilung gemeinschaftliches Eigentum aufgezwungen werden, noch kann ein einzelner Wohnungseigentümer gemeinschaftliches Eigentum in Sondereigentum überführen. Dem Grundbuchamt müssen für den Vollzug einer Unterteilung ein entsprechender Aufteilungsplan und die dazugehörige Abgeschlossenheitsbescheinigung mitvorgelegt werden. Es reicht aus, wenn sich der Nachtrag auf die veränderten Einheiten bezieht.19 Eine Zustimmung eventueller Grundpfandrechtsgläubiger ist entbehrlich, da sich eingetragene Grundpfandrechte als Gesamtrecht fortsetzen. Die Unterteilung kann jedoch nur Räume erfassen, die zum Sondereigentum des unterteilten Wohnungseigentums gehört haben. Die Aufteilung muss außerdem vollständig sein; alle zum aufgeteilten Sondereigentum gehörenden Räume müssen zu einer neu gebildeten Sondereigentumseinheit gehören. Wird ein Raum vergessen, ist die Unterteilung insoweit unwirksam. Es darf im Rahmen der Unterteilung kein Sondereigentum zu Gemeinschaftseigentum oder Gemeinschaftseigentum zu Sondereigentum ____________

16 Instruktiv BGH NZM 2004, 876. 17 BGH NZM 2004, 876; BGH NJW 1998, 3711; BGHZ 49, 250 = NJW 1968, 499. 18 BGH NZM 2004, 876; BayObLG ZMR 2004, 925; BayObLG MittBayNot 2000, 319; Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, 1. Aufl. 2002, Rz. 122 m. w. N. 19 Commichau in MünchKomm/BGB, § 3 WEG Rz. 70.

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umgewandelt werden. Hierzu bedürfte es wiederum der Einigung aller Wohnungseigentümer in der Form des § 4 Abs. 1 WEG. Ein durch Vereinigung gebildetes Wohnungseigentum braucht hingegen nicht in sich abgeschlossen zu sein, eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung ist deshalb nicht erforderlich20. Es ist ausreichend, wenn die beiden zum neuen Wohnungseigentum gehörenden alten Sondereigentumseinheiten gegenüber dem übrigen Sonder- und Gemeinschaftseigentum abgegrenzt sind21. Es entsteht dabei ein einheitlicher, vereinigter Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an den vereinigten Wohnungen22. Eine Zustimmung dinglich Berechtigter ist nicht erforderlich, da deren Rechte nicht beeinträchtigt werden23. b) Auswirkungen auf das Stimmrecht Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage nach den Auswirkungen einer Unterteilung von Wohnungseigentum auf das Stimmrecht der Wohnungseigentümer. Die Veräußerung von unterteiltem Wohnungseigentum ist jedenfalls dann ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer zulässig, wenn sich dadurch an der Stimmkraft der anderen Wohnungseigentümer nichts ändert24. Zur Beurteilung der Auswirkungen einer Unterteilung auf das Stimmrecht der übrigen Eigentümer muss entsprechend der für die jeweilige Eigentümergemeinschaft geltenden Stimmrechtsregelung unterschieden werden. aa) Stimmrecht nach Kopfteilen Nach diesem Stimmrechtsprinzip hat jeder Wohnungseigentümer ohne Rücksicht auf die Größe seines Miteigentumsanteils und die Zahl seiner Wohnungseigentumsrechte nur eine Stimme. Im Falle der Unterteilung muss bei Geltung des Kopfteilprinzips das Stimmrecht aufgeteilt werden25, da es ansonsten zu einer Stimmrechtsmehrung zu Lasten

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20 OLG Hamburg NotBZ 2004, 240; Sauren, WEG, 4. Aufl. 2002, § 4 Rz. 10. 21 BayObLG MittBayNot 2000, 319; Meikel/Morvilius,9. Aufl. 2004, Einl. C Rz. 143; Demharter, GBO, 24. Aufl. 2002, § 5 Rz. 5. 22 BGH DNotZ 1983, 487; Rapp in: Beck’sches Notar-Handbuch, 3. Aufl. 2000, A III Rz. 92. 23 OLG Hamm DNotZ 2003, 355. 24 BGHZ 73, 150 = NJW 1979, 870. 25 Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl. 2002, § 25 Rz. 5; Wedemeyer, NZM 2000, 638.

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der übrigen Wohnungseigentümer kommen würde. Die Gegenansicht26 plädiert für eine Stimmrechtsvermehrung dergestalt, dass jedem Erwerber einer nachträglich durch Unterteilung entstandenen Sondereigentumseinheit eine volle Stimme zusteht. Das für diese Meinung vorgebrachte Argument, bei Geltendmachung des Kopfprinzips komme es auch dann zu einer Stimmrechtvermehrung, wenn einem Eigentümer mehrere Wohnungen gehören und er eine hiervon veräußert, kann indes nicht überzeugen. Sind bereits mehrere Einheiten wohnungseigentumsrechtlich gebildet, werden durch den Verkauf einer Einheit die Rechte der übrigen Miteigentümer nicht beeinträchtigt. Die latente Gefahr der Stimmrechtsmehrung ist bei Geltung des Kopfprinzips nämlich bereits in der Aufteilungserklärung angelegt. Ein neuer Wohnungseigentümer kann beim Erwerb erkennen, welche Anzahl von Einheiten in dem Anwesen vorhanden sind und dass es durch die Übertragung einer Einheit von einem Eigentümer, dem mehrere Wohnungen gehören, zu einer Änderung der Stimmrechtsverhältnisse kommen kann. Bei der nachträglichen Unterteilung würde jedoch ein Wohnungseigentümer allein die ursprünglich konzipierte Stimmrechtsregelung verändern, ohne dass dies für die Miteigentümer beim Eintritt in die Gemeinschaft ersichtlich ist. bb) Stimmrecht nach Anzahl der Objekte Bei Geltung des Objektprinzips hat jede Wohnung bei Beschlüssen in der Eigentümerversammlung eine Stimme. Bei vereinbartem Objektprinzip wird bei der nachträglichen Unterteilung von der herrschenden Ansicht27 zu Recht die Aufteilung der auf die ungeteilte Einheit entfallende Stimmenzahl entsprechend der Zahl der neu entstandenen Einheiten für sachgerecht gehalten, sofern die Gemeinschaftsordnung keine abweichende Regelung für diesen Fall enthält. Da die Unterteilung von Wohnungseigentum einer Mitwirkung der übrigen Miteigentümer nicht bedarf, kann dieser Veränderungsakt nicht dazu führen, dass sich die Stimmenzahl zu Lasten der anderen Wohnungseigentümer verändert. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass sich durch die ____________

26 KG NZM 2000, 671 = ZWE 2000, 313; OLG Düsseldorf NZM 2004, 234; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl. 2003, § 25 Rz. 39; Staudinger/ Bub, BGB, 12. Aufl. 1997, § 25 WEG Rz. 156; Weitnauer/Lüke, WEG, 9. Aufl. 2004, § 25 Rz. 13; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl. 2004, § 6 WEG Rz. 6; Müller, Praktische Fragen, 4. Aufl. 2004, Rz. 43. 27 BGH NZM 2004, 876; KG NZM 2004, 549; OLG Hamm ZWE 2002, 489; Staudinger/Bub, § 25 WEG Rz. 158; Briesemeister NZM 2000, 994; a. A. Palandt/Bassenge, § 6 WEG Rz. 6; Wedemeyer, NZM 2000, 638.

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vergrößerte Anzahl der Stimmrechtsausübenden eine qualitative Änderung des Stimmengewichts durch eine Stimmenverschiebung ergeben könne. Der Gefahr veränderter Stimmrechtsverhältnisse ist jeder Wohnungseigentümer durch Veräußerung einer Einheit letztendlich immer ausgesetzt. Geschützt sind die übrigen Wohnungseigentümer bei einer Unterteilung nur gegen eine quantitative Veränderung durch Stimmrechtsvermehrung28. cc) Stimmrecht nach Miteigentumsbruchteilen Unproblematisch ist die veränderte Stimmkraft bei vereinbartem Wertprinzip, bei dem sich das Stimmrecht nach den Miteigentumsanteilen richtet. Hier ergeben sich bei der Unterteilung eines Wohnungseigentums keine Schwierigkeiten, da in diesem Fall das Stimmrecht in Höhe des jeweiligen Miteigentumsanteils auf den Erwerber übergeht. c) Gestaltungsmöglichkeiten Da die sachenrechenrechtliche Vereinigung und/oder Unterteilung ohne die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer möglich ist, bedarf es keiner zusätzlichen gestalterischen Überlegungen. Etwas anders gilt jedoch für das dargestellte Problem des Stimmrechts bei Unterteilung eines Wohnungseigentums. Die Auswirkungen einer Unterteilung auf das Stimmrecht sollten bei der Gestaltung der Gemeinschaftsordnung mitbedacht werden. Bei Geltung des Kopf- oder Objektprinzips sollte ausdrücklich geregelt werden, wie sich die Stimmkraft nach einer eventuellen Unterteilung einer Sondereigentumseinheit bemisst. Sofern das Wertprinzip für eine Eigentümergemeinschaft vereinbart ist, bedarf es keiner darüber hinausgehender Regelung. Aus diesem Grund und, weil die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 16 Abs. 2 WEG grundsätzlich entsprechend der gem. § 47 GBO im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteilen verteilt werden, erscheint es für den Regelfall sachgerecht, die Stimmkraft der Wohnungseigentümer über das Wertprinzip mit der Kostentragungspflicht zu verbinden.

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28 Ebenso Riecke/Schmidt, MDR 2004, 1406.

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III. Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum 1. Allgemeines Dachräume können auch als Teileigentum in der Teilungserklärung ausgewiesen sein, wenn sie zum Aufteilungszeitpunkt einer Wohnnutzung nicht zugänglich sind oder waren und an diesem Umstand die Erteilung der begehrten Abgeschlossenheitsbescheinigung scheitern würde. So sind nach der einschlägigen Verwaltungsvorschrift Räume nur dann zu Wohnnutzung geeignet, wenn sie die Führung eines Haushaltes ermöglichen; dazu gehören stets eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit sowie Wasserversorgung, Ausguss und WC29. Dieses Ausstattungserfordernis verhindert die unmittelbare Begründung von Wohnungseigentum an den Dachräumen. Mit der Bezeichnung als Wohnoder Teileigentum nach § 1 Abs. 2, 3 WEG ist aber ein Nutzungszweck vorgegeben, der eine Beschränkung des Gebrauchs zur Folge hat30. Soll das ausgebaute Dachgeschoss anschließend zu Wohnzwecken genutzt werden, kommt es somit zu einer Veränderung der vorgegebenen Nutzungsmöglichkeit durch einen veränderten Gebrauch. Die Nutzung von Teileigentum zu Wohnzwecken ist somit lediglich ein spezieller Fall einer abweichenden Nutzung des Sondereigentums. Enthält die Gemeinschaftsordnung keine anders lautende Regelung, ist ein solchermaßen abweichender Gebrauch unzulässig, wenn er bei typisierender Betrachtung stärker stören kann31. Bei der Nutzung von Teileigentum für Wohnzwecke ist eine Einzelfallbetrachtung hinsichtlich möglicher Mehrbelastungen für die Gemeinschaft vorzunehmen, ein Keller- oder Hobbyraum32 sowie Dach- und Speicherräume33 dürfen in aller Regel nicht zu Wohnzwecken genutzt werden. Damit ist aber meist nicht gewährleistet, dass die durch den Umbau gewünschte Nutzungsänderung sich auch wohnungseigentumsrechtlich realisieren lässt. ____________

29 Nr. 4 der Allg. Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 WEG, BAnz. 1974, Nr. 58, abgedruckt bei Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, Anhang. 30 Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, Rz. 287; Müller, Praktische Fragen, Rz. 68. 31 BayObLG ZMR 2004, 925; BayObLG ZWE 2000, 123. 32 BayObLG ZMR 2004, 925; BayObLG ZWE 2000, 122 und MittBayNot 1998, 183. 33 OLG Hamm WE 1999, 70.

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Es bedarf vielmehr eine Nutzungsanpassung durch Umwandlung der Teileigentumseinheit in eine Wohnungseigentumseinheit. Diese Umwandlung bewirkt eine Änderung des festgelegten Gebrauchs und beinhaltet folglich eine Inhaltsänderung durch Vereinbarung aller Eigentümer nach §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 1, 2 WEG34. Es bedarf keiner materiell-rechtlichen Einigung in der Form der Auflassung35, da eine Veränderung der eigentumsrechtlichen Zuordnung mit Veränderung der Nutzung nicht verbunden ist. Aus diesem Grund stellt eine solche Umwandlung auch keine „Abänderung eines notwendigen Teils des dinglichen Akts zur Begründung von Wohnungs- und Teileigentum dar“36, sondern eine materielle Änderung der Zweckbestimmung durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer37. Hierbei steht es jedem Sondereigentümer frei, ob er einer begehrten Änderung der Teilungserklärung zustimmt. Ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft ist nichtig, da eine diesbezügliche Beschlusskompetenz nicht besteht38. Allerdings kann sich im Einzelfall eine Zustimmungsverpflichtung zur gewünschten Änderung ergeben, wenn ein Festhalten am bisherigen Zustand grob unbillig wäre und damit ein Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen würde39. Da die Nutzungsänderung aber in der Regel nur im Interesse des ausbauenden Eigentümers liegt, wird sich ein Änderungsanspruch nur schwer begründen lassen. Für die Umwandlung von Teil- zu Wohnungseigentum und umgekehrt ist ein neuer amtlich berichtigter Aufteilungsplan nicht erforderlich, wenn die Lage und die Grenzen des Sondereigentums unverändert bleiben40. Der Aufteilungsplan sichert nämlich die sachenrechtliche Bestimmtheit. Er hat die Aufgabe, die Aufteilung des ganzen Gebäudes nach Größe und Lage des Gemeinschaftseigentums und Sondereigentums sowie deren exakte räumliche Abgrenzung zueinander zu ergeben41. Die bloße Umwandlung von Teil- zu Wohnungseigentum lässt ____________

34 OLG Bremen ZWE 2002, 184; BayObLG, RNotZ 2001, 118; OLG Köln ZMR 1997, 376; Commichau in MünchKomm/BGB, § 1 WEG Rz. 44; Weitnauer/ Briesemeister, § 1 Rz. 39; Müller, Praktische Fragen, Rz. 68. 35 BayObLG DNotZ 1998, 379; Kanzleiter in: MünchKomm/BGB § 925 Rz. 4. 36 So aber KG NZM 2004, 624; BayObLGZ 1997, 191. 37 Weitnauer, WE 1995, 158; Schmidt, WE 1996, 212; offengelassen von BayObLG DNotZ 1998, 381. 38 KG NZM 2004, 624. 39 Vgl. Armbrüster in Bielefeld/Bub/Drasdo/Seuß, Festschrift Merle, 2000, S. 11. 40 OLG Bremen ZWE 2002, 184; BayObLGZ 1997, 347. 41 BGH NJW 2001, 1212; BGH NJW 1995, 2851.

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den Bestand und den Umfang des in der Teilungserklärung ausgestalteten Teileigentums aber unberührt. Allerdings muss zum Vollzug der Umwandlung dem Grundbuchamt eine geänderte Abgeschlossenheitsbescheinigung vorgelegt werden42. Die Abgeschlossenheit erfordert nämlich dreierlei: Abgeschlossenheit gegenüber anderem Sonder- oder Gemeinschaftseigentum, Zugangsmöglichkeit und eine bestimmte Ausstattung43. Zwar wird durch eine reine Umwandlung in Wohnungseigentum die Abgeschlossenheit gegenüber anderem Sonder- oder Gemeinschaftseigentum nicht beeinträchtigt, jedoch genügt die Ausstattung eines Teileigentums nicht den Anforderungen an die Ausstattung eines Wohnungseigentums44. Aus diesem Grund ist über eine geänderte Abgeschlossenheitsbescheinigung nachzuweisen, dass die umgewandelte Einheit an Anforderungen an Wohnungseigentum gerecht wird. Trägt das Grundbuchamt die Umwandlung ohne eine geänderte Abgeschlossenheitsbescheinigung ein, ist die Eintragung gleichwohl wirksam, da nach übereinstimmender Ansicht § 3 Abs. 2 WEG mit dem Erfordernis der Abgeschlossenheit nur eine Sollvorschrift enthält45.

2. Gestaltungsmöglichkeiten in der Gemeinschaftsordnung Diese Vorgaben zeichnen die Gestaltungsmöglichkeiten in der Gemeinschaftsordnung vor. Die Anpassung einer Gemeinschaftsordnung stellt eine Inhaltsänderung des jeweiligen Sondereigentums dar, berührt jedoch nicht das sachenrechtliche Grundverhältnis der Wohnungseigentümer. Sie erfordert materiell die Zustimmung der Wohnungseigentümer zur Veränderung und nur zur Wirkung gegen Sondernachfolger die Bewilligung sowie die Eintragung in das Grundbuch. Die Eigentümer können mittels einer Vereinbarung bereits in der ersten Gemeinschaftsordnung der späteren Nutzungsänderung zu Wohnzwecken zustimmen. Das Erfordernis der Mitwirkung aller Wohnungseigentümer

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42 Rapp in Beck’sches Notarhandbuch A III Rz. 110. 43 Röll MittBayNot 1991, 241; zustimmend m. w. N. Staudinger/Rapp, § 3 WEG Rz. 15. 44 Siehe Nr. 5 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG, BAnz 1974, Nr. 58, abgedruckt bei Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum. 45 BGH NJW 1990, 1111; OLG Köln NJW-RR 1994, 717; Hügel in Bamberger/ Roth, BGB, 1.Aufl. 2003, § 3 WEG Rz. 5.

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zur Umwandlung ist dann wirksam abbedungen46. Eine solchermaßen vereinbarte Zustimmung bindet jeden Sondernachfolger, sofern diese Vereinbarung durch Grundbucheintragung zum Inhalt des Sondereigentums gemacht wurde. Zeitlich nachfolgende Eigentümer können sich somit nicht gegen eine durch den Ausbau beabsichtigte Nutzungsänderung wehren, wenn eine entsprechende Regelung in der Gemeinschaftsordnung enthalten ist. Da es sich bei der Umwandlung um eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer untereinander handelt, ist auch eine Ermächtigung für den berechtigten Eigentümer zur Vornahme der erforderlichen Handlungen und Erklärungen möglich. Die Rechtsprechung zu den sog. „verdinglichten Ermächtigungen“ steht dem nicht entgegen, da es hier nicht um eine Ermächtigung zur Veränderung des sachenrechtlichen Grundverhältnisses geht. Enthält die Gemeinschaftsordnung eine Ermächtigung zugunsten eines Eigentümers zur Umwandlung einer Teileigentumseinheit in eine Wohnungseigentumseinheit, bedarf es der Mitwirkung der übrigen Eigentümer somit nicht47. Sofern eine solche Vereinbarung im Grundbuch eingetragen ist, wirkt sie nach § 10 Abs. 2 WEG auch gegen Sondernachfolger. Soll die Umwandlung im Grundbuch eingetragen werden, was wegen § 10 Abs. 2 WEG jedem ausbauberechtigten Eigentümer dringend anzuraten ist, ist die Aufnahme einer entsprechenden Ermächtigung immer sinnvoll, um eine möglichst einfache Umsetzung zu gewährleisten.

IV. Änderung von Sondernutzungsrechten 1. Rechtliche Ausgangslage Oftmals sind die ausbaufähigen Räumlichkeiten einem Wohnungseigentum als Sondernutzungsrecht zugeordnet, häufig zur Nutzung als Abstellraum oder zur Trocknung von Wäsche. Das Nutzungsrecht des Sondernutzungsberechtigten reicht jedoch nur so weit, wie es ihm eingeräumt ist. Eine Wohnnutzung ist meist nicht vorgesehen. In allen diesen Fällen kommt es somit zu einer Nutzungsänderung durch den Dachgeschossausbau. Es gilt daher das unter Ziffer III zur Umwandlung von Teil- zu Wohnungseigentum Ausgeführte entsprechend. ____________

46 BayObLG, RNotZ 2001, 118 = NZM 2002, 24; Weitnauer/Briesemeister, § 1 Rz. 39; Müller, Praktische Fragen, Rz. 68. 47 BayObLG, RNotZ 2001, 119; BayObLG DNotZ 1998, 382; v. Rechenberg in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 326.

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Eingeräumte Sondernutzungsrechte berechtigen grundsätzlich auch nicht zur Ausführung baulicher Veränderungen, da diese keinen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, sondern einen Substanzeingriff darstellen48. Die grundlegende Umgestaltung einer Sondernutzungsfläche stellt zweifelsfrei eine bauliche Veränderung dar49. Ein Sondernutzungsrecht an einem „Spitzboden“ allein berechtigt nicht zu dessen Ausbau, auch wenn der Spitzboden im Aufteilungsplan als „ausbaufähig“ beschrieben ist50. Auch wenn ein umfassendes Sondernutzungsrecht einschließlich des Rechts zur Bebauung eingeräumt wurde, enthält dies nicht die vorweggenommene Einigung über die Einräumung von Sondereigentum zugunsten des Sondernutzungsberechtigten51. Soll die Sondernutzungsfläche in Sondereigentum umgewandelt werden, bedarf es einer diesbezüglichen Auflassung52. Es sei aber darauf hingewiesen, dass eine Begründung von Sondereigentum an den Dachgeschossräumen nicht in jedem Fall erforderlich ist. Möchte der Sondernutzungsberechtigte nur seine Wohnfläche erweitern und soll diese auf Dauer zu der Einheit gehören, der das Sondernutzungsrecht zugeordnet ist, bedarf es keiner sachenrechtlichen Umwandlung. Entscheidend ist in einem solchen Fall nur, dass der Sondernutzungsberechtigte tatsächlich die Räume ausbauen und zu Wohnzwecken nutzen darf, sowie, dass die Kostenverteilung dieser erweiterten Nutzungsmöglichkeit gerecht wird.

2. Mögliche Regelungen in der Gemeinschaftsordnung Soll dem Sondernutzungsberechtigten der Ausbau der betreffenden Räumlichkeiten ermöglicht werden, ist das Sondernutzungsrecht bei Begründung in diesem Sinne umfassend auszugestalten, insbesondere auch eine Nutzung zu Wohnzwecken ausdrücklich zuzulassen. Ist dem Berechtigten auch der umfassende Ausbau möglich, ist eine entsprechende Regelung ebenfalls notwendig. Wohnungseigentumsrechtlich stellt dieses Einverständnis eine Zustimmung zu einer baulichen Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG dar. Nicht möglich ist allerdings die Einräumung des Rechts, die Sondernutzungsfläche ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer in das Sondereigentum des Berechtigten zu überführen. Da es hier um die sachenrechtliche Umwandlung von ge____________

48 Engelhardt in MünchKomm/BGB, § 22 WEG Rz. 14; v. Rechenberg in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 315. 49 OLG Hamm NZM 2000, 910. 50 OLG Hamm WE 1999, 70. 51 BayObLG ZWE 2002, 124; BayObLG NZM 2000, 1235. 52 Siehe Ziffer II 2.

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meinschaftlichem Eigentum in das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers geht, würde eine solche Regelung eine „verdinglichte Ermächtigung“ bedeuten, der die Rechtsprechung die Anerkennung versagt53.

V. Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels 1. Rechtliche Ausgangslage Die Verteilung der Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums richtet sich wegen § 16 Abs. 2 WEG nach den im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsbruchteilen, sofern die Wohnungseigentümer nicht einen anderen Verteilungsschlüssel vereinbart haben. Der einmal festgesetzte Verteilungsschlüssel ist von den Wohnungseigentümern hinzunehmen, eine Veränderung kann nur durch Vereinbarung aller Miteigentümer erfolgen. Dies gilt im Prinzip auch für den Fall, dass durch einen nachträglichen Ausbau die nutzbare Fläche einer Einheit wesentlich vergrößert wurde. Es besteht keine Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft, durch Mehrheitsbeschluss den vorhandenen Kostenverteilungsschlüssel an die veränderte Nutzung für die Zukunft und auf Dauer abzuändern54. Gerade Fälle des nachträglichen Ausbaus von Dachgeschossräumen lagen den zahlreichen Entscheidungen der jüngeren Zeit zugrunde, die sich mit einem möglichen Veränderungsanspruch hinsichtlich des Kostenverteilungsschlüssels beschäftigten55. Durch den Ausbau der bisher nicht zu Wohnzwecken genutzten Dachfläche zu Wohnraum vermehrt sich die Wohnfläche des betreffenden Eigentümers signifikant. In aller Regel wurde dessen Miteigentumsanteil bei der Erstbegründung im Verhältnis zu der ursprünglichen Wohnfläche berechnet. Nach dem Ausbau stimmt die ehemals berechnete Relation nicht mehr. Verständlicherweise begehren die übrigen Miteigentümer, dass der Verteilungsschlüssel der vergrößerten Wohnfläche entsprechend geändert wird.

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53 Siehe hierzu Ziffer II 2 b. 54 BGH ZWE 2004, 67. 55 Statt vieler BGH NJW 2004, 3413; BGH NZM 2004, 876; OLG Braunschweig ZMR 2004, 929; OLG Hamburg ZMR 2004, 935; KG NZM 2004, 549; KG NZM 2004, 624.

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Enthält die Gemeinschaftsordnung keine Veränderungsmöglichkeit auf Grundlage einer allgemeinen oder speziellen Öffnungsklausel, steht dann im Mittelpunkt der Überlegung die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein einzelner Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Abänderung des existierenden Kostenverteilungsschlüssels besitzen kann. Nur wenn im Einzelfall bei Anlegung eines strengen Maßstabes der bestehende Kostenverteilungsschlüssel nicht sachgerecht erscheint und zu grob unbilligen, mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führt, kann ein solcher Abänderungsanspruch begründet sein56. Die Frage der groben Unbilligkeit ist insbesondere danach zu beurteilen, ob die auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Kosten in einem vertretbaren Verhältnis zu den durch sein Wohnungseigentum verursachten Kosten stehen, wobei in erster Linie die anteilige Wohn- und Nutzfläche maßgebend ist57. Als Begründung für die restriktive Anwendung dieser Anspruchsgrundlage wird vor allem aufgeführt, dass sich jeder Wohnungseigentümer beim Erwerb der Wohnung auf den einmal vereinbarten Kostenschlüssel verlassen können muss58. Diese Beschränkung eines Abänderungsanspruchs auf Ausnahmefälle wurde in zwei neueren Entscheidungen des BGH59 ausdrücklich bekräftigt. Der BGH ist damit Entwicklungen in der Rechtsprechung60 und Forderungen in der Literatur61, die Anforderungen an einen Änderungsanspruch tendenziell zu senken, ausdrücklich entgegen getreten. Er verschließt sich allerdings nicht einer erleichterten Anpassungsmöglichkeit, erzielt diese aber nicht durch eine Absenkung der Anforderungen an einen Änderungsanspruch, sondern über eine ergänzende Auslegung der Gemeinschaftsordnung, mittels derer dem in ____________

56 BGHZ 130, 304 = ZMR 1995, 483; BGH ZWE 2004, 67; BayObLG ZWE 2001, 320; Staudinger/Bub, § 16 WEG Rz. 266 ff.; Engelhardt in Münchkomm/ BGB, § 16 WEG Rz. 17; Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, Rz. 376; Niedenführ/Schulze, § 16 Rz. 22 ff.; Wendel, ZWE 2001, 408; Demharter in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 87. 57 KG NZM 2004, 549; OLG Hamm ZMR 2003, 286; BayObLG NJW-RR 1992, 342; Weitnauer/Gottschalg, § 16 Rz. 4. 58 KG NZM 2004, 549; OLG Braunschweig ZMR 2004, 930; OLG Düsseldorf NZM 2003, 854; Weitnauer/Gottschalg § 16 Rz. 4. 59 BGH ZWE 2004, 67 mit Anm. Ott = NJW 2003, 3529 = ZfIR 2003, 1041 = ZMR 2003, 937 = DNotZ 2004, 366; BGH NJW 2004, 3413 = ZMR 2004, 834 = NZM 2004, 870 = MietRB 2004, 352. 60 KG NZM 2004, 549 = ZfIR 2004, 679 mit Anm. Riecke; OLG Düsseldorf ZMR 2002, 68; AG Hannover ZMR 2003, 457. 61 Riecke, ZfIR 2004, 682; Jennißen, Die Verwalterabrechung nach dem WEG, 5. Aufl. 2004, S. 30.

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dem vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel zum Ausdruck gekommenen Willen der Wohnungseigentümer inhaltlich zum Erfolg verholfen wird. Ob durch diesen Ansatz eine leichtere Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Der Nachweis einer planwidrigen Unvollständigkeit des Kostenverteilungsschlüssels wird jedenfalls nicht leicht zu führen sein und damit eine ergänzende Vertragsauslegung nicht immer den erhofften Erfolg bringen. Von der Frage eines Anspruchs auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zu unterscheiden ist das Problem, ob einem Wohnungseigentümer ein Anspruch auf Änderung der Miteigentumsanteile wegen einer grob unbilligen Quotenverteilung zustehen kann62. Ein solcher sachenrechtlicher Änderungsanspruch erscheint sehr fragwürdig63. Sofern eine sachenrechtliche Neuordnung wegen einer notwendigen Umwandlung in Sondereigentum im konkreten Fall nicht sowieso notwendig ist, erscheint unabhängig von einem eventuellen Anspruch auf Änderung der Miteigentumsquoten eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels als ausreichend, da die sachenrechtliche Veränderung mit einem höheren finanziellen Aufwand verbunden ist und der Interessenslage der Eigentümergemeinschaft mit einem sachgerechten Kostenverteilungsschlüssel im Normalfall hinreichend Rechnung getragen ist.

2. Gestaltungsmöglichkeiten Da die Zulässigkeit von allgemeinen oder partiellen Öffnungsklauseln grundsätzlich anerkannt ist64, kann das aufgezeigte Problem für die Gestaltung von Gemeinschaftsordnungen nur bedeuten, dass ein möglicher nachträglicher Ausbau von Dachgeschossräumen auch bei der Regelung der Kostenverteilung in jedem Fall zu berücksichtigen ist. Inhaltlich sinnvoll ist eine Regelung, nach der sowohl von jedem Wohnungseigentümer eine Anpassung des geltenden Kostenverteilungsschlüssels an das aktuelle Verhältnis von Wohn-/Nutzfläche verlangt werden kann als auch der ausbauberechtigte Eigentümer zu einer solchen Änderung verpflichtet ist, wenn es durch einen Ausbau zu einer Vergrößerung der Wohnfläche dieses Eigentümers kommt. Zur Anpassung der Gemeinschaftsordnung kann der berechtigte Eigentümer ent____________

62 So BayObLGZ 1985, 47. 63 Siehe hierzu Briesemeister, ZMR 2003, 714. 64 BGH NJW 1985, 2832; OLG Hamm ZWE 2000, 425; Hügel, ZWE 2001, 578 m. w. N.

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sprechend ermächtigt werden65, wobei in diesem Fall eine Kontrolle der angedachten Änderung durch den Verwalter oder die Gemeinschaft vorgesehen werden sollte.

VI. Zustimmung zur baulichen Veränderung 1. Rechtliche Ausgangslage a) Allgemeines Der nachträgliche Ausbau von Dachräumen stellt fast ausnahmslos eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar. Dachausbau und Dachaufstockung gehören meist sogar zu den Maximaleingriffen in das Gemeinschaftseigentum und führen oft zu weitreichenden Gebäudeveränderungen66. Zu beachten ist, dass die Ausübung eines bereits in der Teilungserklärung vorgesehenen Ausbaurechts nicht als bauliche Veränderung i. S. v. § 22 Abs. 1 WEG angesehen wird, sondern als „aufgeschobene“ Ersterstellung des Gebäudes67, die einer Zustimmung der anderen Miteigentümer nicht bedarf. Bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum in Form eines Dachausbaues bedürfen daher regelmäßig der Zustimmung aller der Gemeinschaft angehörigen Wohnungseigentümer68. Stimmen nicht alle Eigentümer dem Dachgeschossausbau zu, sondern erfolgt die Zustimmung nur durch einen Mehrheitsbeschluss der Gemeinschaft, ist ein solcher Zustimmungsbeschluss zwar rechtswidrig, wird jedoch nach Ablauf der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 WEG bestandkräftig69. Baumaßnahmen am Sondereigentum darf der jeweilige Eigentümer dagegen allein vornehmen, wenn sie nicht das gemeinschaftliche Eigentum berühren, selbst wenn hierdurch eine gewisse Beeinträchtigung der übrigen Miteigentümer erfolgt70. Die Grenze der Zumutbarkeit wird insoweit von § 14 Nr. 1 und Nr. 2 WEG vorgegeben. ____________

65 Siehe Ziffer III 2. 66 V. Rechenberg in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 314; Armbrüster, ZWE 2001, 85. 67 KG NZM 2000, 1014. 68 Armbrüster, ZWE 2001, 85. 69 OLG Köln NZM 2002, 454; BayObLG NZM 2002, 530; Merle in Bärmann/ Pick/Merle, § 22 Rz. 244; Weitnauer/Lüke, § 22 Rz. 8; Engelhardt in MünchKomm/BGB, § 22 WEG Rz. 6; Hogenschurz in Köhler/Bassenge, Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht, Teil 11 Rz. 58; Sauren, § 10 Rz. 35. 70 Bock, ZfIR 2004, 843.

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Die Zustimmung kann vorab oder nachträglich erklärt werden, bereits in der Gemeinschaftsordnung enthalten sein und ist an keine Form gebunden71. Sie bindet grundsätzlich den Sonderrechtsnachfolger des Zustimmenden72. Eine Bindung wird teilweise an das Erfordernis geknüpft, dass mit der baulichen Veränderung im Zeitpunkt der Rechtsnachfolge zumindest bereits begonnen worden sein muss73. Dieses Problem kann allerdings nur relevant werden, wenn die Eigentümer außerhalb der Gemeinschaftsordnung einem Ausbau zugestimmt haben. Ist die Zustimmung in der im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung enthalten, ist ein Sondernachfolger unabhängig von einem Baubeginn an die Zustimmung wegen § 10 Abs. 2 WEG gebunden. Die Zustimmung kann unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden, da grundsätzlich ein Anspruch auf Zustimmung nicht besteht74. Die hieraus resultierende Gestaltungsfreiheit erlaubt es, eine Zustimmung zum Dachausbau durch die Festlegung objektiver Durchführungsvoraussetzungen einzuschränken75. Auf diese Weise kann ein Schutz für die übrigen Eigentümer gewährleistet werden. b) Kosten der baulichen Veränderung Da der Ausbau des Dachgeschosses lediglich im Interesse eines Eigentümers liegt, ist im Regelfall eine Auslegung der Zustimmungserklärungen dergestalt möglich, dass dieser auch die Kosten der Baumaßnahmen allein zu tragen hat. Hinsichtlich der eigentlichen Baukosten ergeben sich in der Praxis auch selten Probleme, da alle Beteiligten von der alleinigen Kostentragung durch den ausbauenden Eigentümer ausgehen und meist eine entsprechende Regelung treffen76. Unabhängig ____________

71 BayObLG ZWE 2001, 609; OLG Hamm WE 1996, 351. 72 OLG Hamm FGPrax 1996, 92; BayObLG MittBayNot. 1998, 252. 73 So OLG Schleswig NZM 2001, 1037; BayObLG NZM 1998, 524; OLG Düsseldorf NZM 1998, 80; Engelhardt in MünchKomm/BGB, § 22 WEG Rz. 8; Briesemeister, ZWE 2004, 309; a. A. Merle in Bärmann/Pick/Merle, § 22 Rz. 117; Niedenführ, NZM 2001, 1107; Ott, ZWE 2002, 65 f. 74 BayObLG NZM 1998, 1014; Engelhardt in MünchKomm/BGB, § 22 WEG Rz. 9. 75 Staudinger/Bub § 22 WEG Rz. 21. 76 Armbrüster, ZWE 2001, 85; Briesemeister, ZWE 2004, 308.Ob und inwieweit im Falle einer Zustimmung durch Mehrheitsbeschlusses auch die Kostentragung geregelt werden kann, wird kontrovers diskutiert. Diese Frage bereitet beim nachträglichen Dachausbau allerdings kaum Probleme. Siehe hierzu Merle in Bärmann/Pick/Merle, § 22 Rz. 250; Abramenko, ZMR 2003, 468; Niedenführ, NZM 2001, 1106; Ott, ZWE 2002, 61; Armbrüster; ZWE 2001, 85; Demharter, MDR 1988, 265.

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davon entspricht es aber allgemeinen Grundsätzen, dass der ausbauberechtigte Eigentümer abweichend von der geltenden Kostenregelung für das gemeinschaftliche Eigentum nicht nur die Kosten des nachträglichen Ausbaus, sondern auch die unmittelbar daraus für die Gemeinschaft entstehenden Folgekosten zu tragen hat, sofern nichts anderes vereinbart ist77. Zumindest für erhöhte laufende Betriebskosten und die allgemeinen Instandhaltungskosten kann aber eine Zahlungsverpflichtung des ausbauenden Eigentümers nicht mehr angenommen werden78. Ist das Ausbaurecht bereits in der Teilungserklärung enthalten, handelt es sich allerdings nicht um die Kosten einer baulichen Änderung, sondern um Kosten der erstmaligen Herstellung eines ordnungsmäßigen Zustands des Gemeinschaftseigentums. c) Zustimmung des Verwalters zur baulichen Veränderung Die Gemeinschaftsordnung kann die Vornahme einer baulichen Veränderung von der Zustimmung des Verwalters abhängig machen. Es wird oft ergänzend vereinbart, dass die Zustimmung des Verwalters nur aus einem wichtigen Grund verweigert werden darf. Enthält die Gemeinschaftsordnung eine solche Regelung, ist dies regelmäßig nur als ein zusätzliches Erfordernis anzusehen, das neben die Zustimmung der durch die Veränderung beeinträchtigten Eigentümer tritt79. Die Zustimmung des Verwalters wird in diesen Fällen als eine zusätzliche Voraussetzung für die Zulässigkeit des Vorhabens angesehen, um zu verhindern, dass einzelne Wohnungseigentümer, bevor die übrigen Eigentümer Kenntnis erlangen, vollendete Tatsachen schaffen80. Soll die Zustimmung des Verwalters an die Stelle der Zustimmung aller Wohnungseigentümer treten, ist eine solche Vereinbarung entsprechend klar und eindeutig zu formulieren.

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77 OLG Düsseldorf NZM 2001, 591; BayObLG ZWE 2000, 526; Armbrüster, ZWE 2001, 87; Briesemeister, ZWE 2002, 244 f.; Staudinger/Bub, § 22 WEG Rz. 21; v. Rechenberg in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 341. 78 Armbrüster, ZWE 2001, 85; v. Rechenberg in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 342. 79 Siehe BayObLG ZWE 2000, 217; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1103; Hogenschurz in Köhler/Bassenge, Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht, Teil 11 Rz. 93; Weitnauer/Lüke, § 22 Rz. 2; Engelhardt in MünchKomm/BGB, § 22 WEG Rz. 10. 80 Vgl. Gottschalg, WE 1997, 4.

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Auch wenn im Einzelfall dem Verwalter die alleinige Zustimmungsbefugnis zum Ausbau des Dachgeschosses übertragen wurde, kann er in Zweifelsfällen eine eigene Entscheidung ablehnen und sich nach einem in einer Eigentümerversammlung gefassten Beschluss richten81. Da eine alleinige Zustimmung des Verwalters ein hohes Risiko und Haftungspotential beinhalten können, sollten Verwalter eine höchst mögliche Sorgfalt bei der Erteilung einer solchen Zustimmung berücksichtigen. Bereits die Unterschrift unter einen Bauantrag kann im Einzelfall als Zustimmung zum Ausbau ausgelegt werden82. Im Zweifel ist die vorherige Einberufung einer Eigentümerversammlung vorzugswürdig, was wiederum ein nicht unerhebliches Verzögerungsrisiko für den ausbauwilligen Eigentümer bedeutet.

2. Gestaltungsmöglichkeiten Bei der Formulierung und rechtlichen Gestaltung einer „Ausbauberechtigung“ sollte höchst mögliche Sorgfalt angewandt werden. Insbesondere sollten die Einzelheiten des zulässigen Dachbodenausbaus bis in alle Details festgelegt werden83. Dies gilt sowohl für eine bereits in der Gemeinschaftsordnung als auch für eine durch die Wohnungseigentümer vor Beginn der Ausbaumaßnahme erteilte Zustimmung. Sinnvoll erscheint es, die Zustimmung zu den baulichen Veränderungen von der Erteilung einer erforderlichen Baugenehmigung und der Einhaltung sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorgaben abhängig zu machen. Ebenso sollte die Beachtung der geltenden Baunormen und Regeln der handwerklichen Kunst zur Auflage gemacht werden. Zu überprüfen ist auch, ob die vorhandenen Infrastruktureinrichtungen für die durch die Baumaßnahme bewirkte intensivierte Nutzung ausreichen. So ist es denkbar, dass die Kapazität des Heizkessels nicht für eine ordentliche Wärmeversorgung des erweiterten Anwesens genügt. In diesem Fall ist zu klären, wer die Umrüstung der Wärmeversorgungsanlage bezahlt. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Erweiterung der Heizungsleistung primär dem Ausbauberechtigten nützt, andererseits die Gemeinschaft im Falle eines Kesseltausches ebenfalls Vorteile erhält. ____________

81 BGH NJW 1996, 1216; KG ZMR 1994, 124 ff. 82 KG ZMR 1998, 657; v. Rechenberg in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 323. 83 v. Rechenberg in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 320 mit einem anschaulichen „abschreckenden“ Gegenbeispiel.

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen – Teilungserklärung

Zusätzliche Anforderungen können helfen, Probleme und Streitigkeiten zu vermeiden oder zu minimieren. Hierzu zählen die Verpflichtung zum Abschluss von notwendigen Versicherungen, insbesondere gegen alle Schäden am Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum anderer Eigentümer, eine Beweissicherung auf Kosten des Ausbauberechtigten vor Baubeginn, Nachweise und Kontrolle für die fachgerechte Ausführung der Bauarbeiten durch einen Bausachverständigen sowie die Verpflichtung zur Vornahme ausreichender Reinigungsarbeiten, vor allem im Treppenhaus und Hauseingangsbereich. Aus der Sicht der übrigen Miteigentümer ratsam erscheint auch die Vereinbarung eines Bauzeitenplanes, zumindest einer maximalen Bauzeit für die immissionsträchtigen Bauarbeiten84. Zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Kostenverteilung ist auch eine klare und umfassende diesbezügliche Regelung dringend anzuraten. Im Normalfall erscheint es sachgerecht, dass der ausbauende Wohnungseigentümer alle Kosten der Ausbaumaßnahme und alle Folgekosten für das gemeinschaftliche Eigentum zu tragen hat und zwar unabhängig davon, ob der Ausbau eine bauliche Veränderung i. S. v. § 22 Abs. 1 WEG oder die erstmalige Herstellung des Gebäudes darstellt. Eine differenzierte Regelung ist gegebenenfalls angezeigt, wenn die Gemeinschaft durch die bauliche Veränderung ebenfalls einen Nutzen hat. Möglich ist dabei auch die Aufnahme einer Verpflichtung zur Stellung einer Sicherheit, beispielsweise durch Kaution oder Bankbürgschaft85.

VII. Ergebnis und Formulierungsvorschlag Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der nachträgliche Ausbau von Dachräumen wohnungseigentumsrechtlich meist ein komplexer Vorgang ist, der mannigfaltige Probleme mit sich bringen kann. Sofern ein Ausbaurecht für einen Wohnungseigentümer bereits bei der Aufteilung in Wohnungseigentum angedacht ist, empfiehlt es sich eine detaillierte und problemvermeidende Regelung in die Gemeinschaftsordnung aufzunehmen. Eine standardisierte Formulierung, die für jeden Ausbau gleichermaßen Verwendung finden kann, scheidet allerdings aus. Es bedarf vielmehr zunächst einer Analyse, welche der aufgezeigten ____________

84 v. Rechenberg in Drasdo/Müller/Riesenberger, Festschrift für W.-D. Deckert, S. 339; Hogenschurz in Köhler/Bassenge, Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht, Teil 11 Rz. 40. 85 Staudinger/Bub, § 22 WEG Rz. 21.

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Problemfelder im konkreten Fall von einem nachträglichen Dachausbau berührt werden, um darauf aufbauend eine geeignete Regelung zu entwerfen. Der nachstehende Formulierungsvorschlag für eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt nur eine Diskussionsgrundlage dar. Als Sachverhalt darf folgender Fall dienen: Ein bestehendes Gebäude soll in Wohnungseigentum aufgeteilt werden. Der Wohnung unter den Dachräumen soll hierbei das Sondereigentum an diesen Räumen eingeräumt werden. Der Zugang zu diesen Räumen wird zunächst durch eine einschiebbare Zugtreppe in der Decke der Wohnung gewährleistet. Eine Baugenehmigung zur Wohnnutzung des Dachgeschosses liegt derzeit nicht vor. Der Wohnungseigentümer soll jedoch in der Teilungserklärung ein umfassendes Ausbaurecht an den Dachräumen erhalten. Das Ausbaurecht kann entweder zur Vergrößerung der jetzigen Wohnung oder zur Bildung einer neuen Wohneinheit ausgeübt werden. Soll eine eigenständige neue Wohnung durch den Ausbau entstehen, wäre es erforderlich, dass der Eingangsbereich durch einen Umbau des Treppenhauses neu gestaltet wird und hierbei auch ein kleiner Teil der neuen Wohnung derzeitiges gemeinschaftliches Eigentum umfasst. Die Dachhaut würde durch einen Ausbau nicht verändert werden, lediglich zwei Dachliegefenster müssten zu Dachgauben umgebaut werden. Das Stimmrecht in der Gemeinschaft richtet sich nach den Miteigentumsbruchteilen. Nennenswerte Folgekosten durch den Dachausbau sind für die Gemeinschaft nicht zu erwarten. Dachgeschossausbau 1. Ausbaurecht Das Sondereigentum der Wohnung im … Obergeschoss, in der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan jeweils mit der Nummer … bezeichnet, umfasst auch die Räume im Dachgeschoss. Der betreffende Wohnungseigentümer erhält hiermit das umfassende Recht, die gesamten Dachräume zu Wohnzwecken auszubauen. Im einzelnen ist der Ausbauberechtigte zu den folgenden Maßnahmen berechtigt und ermächtigt. a) Umwandlung zu Wohnungseigentum Die Dachräume können derzeit nicht zu Wohnzwecken genutzt werden. Sämtliche Eigentümer stimmen hiermit einer späteren Umwandlung dieser Räume in Wohnungseigentum zu. Sie erklären bereits heute ihr Einverständnis zu einer solchen Nutzung des Dachgeschosses. Sie ermächtigen den Eigentümer der Wohnung Nr. … für sie alle hierzu erforderlichen und zweckdienlichen Erklärung und Anträge abzugeben und entgegenzunehmen. Klargestellt wird, dass für

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Nachträglicher Ausbau von Dachgeschossen – Teilungserklärung einen Ausbau zur Wohnnutzung eine Baugenehmigung notwendig ist, die derzeit weder beantragt, noch erteilt ist. b) Umwandlung in Sondereigentum Sollte nach dem Ausbau der Eingangsbereich der Dachgeschosswohnung im gemeinschaftlichen Eigentum liegen, besteht Einigkeit, dass dieser Bereich in das Sondereigentum des berechtigten Eigentümers überführt werden soll. Die hiervon eventuell betroffene Fläche des gemeinschaftlichen Eigentums ist in dem beigefügten Lageplan rot gekennzeichnet. Sie darf eine Größe von 5 qm nicht überschreiten. Sämtliche Wohnungseigentümer verpflichten sich hiermit gegenseitig, bei der Übertragung dieser im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Fläche in das Sondereigentum des berechtigten Eigentümers mitzuwirken und die hierbei notwendigen und zweckdienlichen Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. c) Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums Die Kostenverteilung richtet sich entsprechend § … dieser Gemeinschaftsordnung derzeit nach dem Verhältnis der Wohn-/Nutzfläche der jeweiligen Wohnungen. Die Dachräume sind bei dieser Berechnung nur mit einem geringen Bruchteil berücksichtigt, da sie nicht zur Wohnnutzung dienen. Sollte das Ausbaurecht ausgeübt werden, muss der Kostenverteilungsschlüssel entsprechend dem dann aktuellen Verhältnis der Wohn-/Nutzflächen neu festgelegt werden. Der neue Verteilungsschlüssel ist von den Wohnungseigentümern ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Ausbauarbeiten, spätestens jedoch mit dem Beginn der Nutzung zu Wohnzwecken, zu beachten. Der ausbauberechtigte Eigentümer ist zu diesem Zweck verpflichtet, nach erfolgtem Ausbau die Wohnfläche der Dachwohnung ausmessen zu lassen. Die Eigentümergemeinschaft kann mit Mehrheit beschließen, dass dieses Aufmass durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen zu erstellen ist. Der ausbauberechtigte Eigentümer ist verpflichtet, unverzüglich den neuen Kostenverteilungsschlüssel zu berechnen. Er hat diesen Verteilungsschlüssel dem Verwalter zur Kontrolle vorzulegen. Im Zweifel kann der Verwalter eine Entscheidung der Eigentümergemeinschaft einholen, die mit Mehrheit gefasst werden kann. Sobald der Verwalter bzw. die Eigentümergemeinschaft die Zustimmung zum neuen Kostenverteilungsschlüssel erteilt haben, ist der Eigentümer ermächtigt und verpflichtet, die neue Regelung in das Grundbuch eintragen zu lassen. d) Zustimmung zur baulichen Veränderung Alle Wohnungseigentümer erteilen hiermit ihre Zustimmung zum nachträglichen Ausbau der Dachräume zur Wohnnutzung. Diese Zustimmung wird jedoch mit folgenden Auflagen erteilt: – Die Dachhaut darf durch den Ausbau nur dadurch verändert werden, dass zwei Dachliegefenster ausgebaut und anderen Stelle zwei Dachgauben eingebaut werden. Hinsichtlich der Lage dieser Gauben und deren Ausmaße ist die dieser Urkunde beigefügte Skizze maßgebend. Eine weitergehende Veränderung bedarf der Zustimmung aller Wohnungseigentümer.

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Prof. Dr. Stefan Hügel – Vorlage einer erforderlichen Baugenehmigung und Einhaltung aller sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorgaben. – Abschluss einer ausreichenden Versicherung gegen alle durch den Ausbau verursachten Schäden am Gemeinschaftseigentum sowie dem Sondereigentum der anderen Miteigentümer. – Beweissicherung vor Baubeginn sowie nach Beendigung der Bauarbeiten durch einen öffentlich bestellen Sachverständigen. – Vorlage eines Bauzeitenplanes. Die maximale Bauzeit der immissionsträchtigen Bauarbeiten darf eine Bauzeit von 6 Monaten nicht überschreiten. Der Verwalter hat diese Auflagen für und anstelle der Gemeinschaft zu überwachen. Im Zweifel kann der Verwalter eine Entscheidung der Eigentümergemeinschaft einholen, die mit Mehrheit gefasst werden kann. Die Bauarbeiten haben den anerkannten Regeln der Baukunst zu entsprechen. Sie sind technisch einwandfrei unter Beachtung der einschlägigen DIN-Vorschriften und unter Verwendung normgerechter Baustoffe zu erstellen. Darüber hinaus ist der ausbauberechtigte Eigentümer verpflichtet, die Belästigungen durch die Ausbauarbeiten möglichst gering zu halten. Die Arbeiten dürfen insbesondere nur in der Zeit zwischen 7.00 und 18.00 Uhr und nicht an Sonn- und Feiertagen ausgeführt werden. Der Eingangsbereich des Gebäudes sowie das Treppenhaus sind täglich so zu reinigen, dass die Verunreinigung der übrigen Wohneinheiten möglichst vermieden wird. 2. Ausbaukosten Alle Kosten des Ausbaus, gleich ob die baulichen Veränderungen das gemeinschaftliche Eigentum oder das Sondereigentum betreffen, hat allein und ausschließlich der ausbauberechtigte Eigentümer zu bezahlen. Dies gilt insbesondere auch für die Kosten, die durch die Erfüllung der geforderten Auflagen entstehen. Kosten, die nach Abschluss der fachgerechten Ausbauarbeiten zukünftig entstehen, gelten wieder als Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums nach § … der Gemeinschaftsordnung. 3. Ermächtigung Die jeweiligen Wohnungseigentümer ermächtigen hiermit den ausbauberechtigten Eigentümer sowie den jeweiligen Verwalter unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, sie bei der Abgabe der zur Grundbucheintragung notwendigen und zweckdienlichen Erklärungen und Anträge gegenüber Grundbuchamt und Notar zu vertreten. Dies gilt jedoch nur für eine Veränderung der Gemeinschaftsordnung durch abändernde Vereinbarungen aufgrund dieser Bestimmung. Diese Vollmacht gilt gegenüber dem Grundbuchamt unbeschränkt. Der Verwalter ist weiterhin berechtigt, soweit erforderlich, im Namen der betreffenden Wohnungseigentümer die Zustimmung dinglich Berechtigter einzuholen und entgegenzunehmen. Alle mit der Grundbucheintragung verbundenen Kosten sind vom ausbauberechtigten Eigentümer zu tragen.

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Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bauträgerrecht in der Zeit vom Januar 2003 bis zum Februar 2005 Prof. Dr. Reinhold Thode, Rechtsanwalt, RiBGH a. D., Landau/Pfalz

Inhaltsübersicht I. Gegenstand und Ziel der Untersuchung II. Hauptteil 1. Die Bindungsfrist eines Angebots a) Das Urteil des OLG Dresden vom 26.6.2003 b) Die Entscheidung und ihre Konsequenzen c) Stellungnahmen im Schrifttum d) Würdigung 2. Die Beurkungsbedürftigkeit a) Die Urteile des BGH vom 14.3. und vom 30.10.2003 b) Das Urteil des BGH vom 16.12.2004 aa) Die Aussage der Entscheidung bb) Würdigung und Konsequenzen c) Das Urteil des BGH vom 10.2.2005 3. Sanierter Altbau und Werkvertragsrecht a) Gegenstand des Urteils vom 16.12.2004 b) Die zentralen Aussagen des Urteils 4. Das Beschaffenheitsmerkmal der Wohnfläche a) Gegenstand des Urteils vom 8.1.2004

b) Die zentralen Aussagen der Entscheidung c) Würdigung und Konsequenzen 5. Sicherungen a) Sicherungsvereinbarung und Sicherungsumfang der Bürgschaft gemäß § 7 MaBV aa) Die Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH vom 21.1.2003 bb) Die Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH vom 11.3.2003 cc) Die Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH vom 27.1.2004 dd) Die Entscheidung des VII. Zivilsenats des BGH vom 30.9.2004 (1) Der Einwand der fehlenden Sicherungsvereinbarung (2) Rückzahlungsanspruch aufgrund eines Aufhebungsvertrages b) Die Freistellungserklärung aa) Das Urteil des BGH vom 30.9.2004 bb) Das Urteil vom 10.2.2005 6. Der Bereicherungsanspruch des Erwerbers 7. Gewährleistungsansprüche des Erwerbers

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Prof. Dr. Reinhold Thode

I. Gegenstand und Ziel der Untersuchung Im Berichtszeitraum ist im Vergleich zu den Entscheidungen des 7. Zivilsenats des BGH zum Bau- und Architektenrecht nur eine geringe Zahl an Entscheidungen zum Bauträgerrecht ergangen. Die vergleichsweise geringe Zahl an Entscheidungen zum Bauträgerrecht entspricht mit unbedeutenden Schwankungen der Lage in den zurück liegenden Jahren. Ursächlich für diese Situation waren und sind mehrere Gründe. Die Rechtsschutzversicherungen gewähren für das typische Baurisiko keinen Versicherungsschutz, so dass der Erwerber, selbst wenn er über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, Prozesse gegen den Bauträger, die Bank des Bauträgers und die ihn finanzierende Bank1 aus eigenen Mitteln finanzieren muss. Da die Streitwerte derartiger Prozesse regelmäßig relativ hoch sind, muss der Erwerber beachtliche finanzielle Mittel aufbringen. Nicht selten scheuen Erwerber das hohe Prozessrisiko derartiger Verfahren. Den Erwerbern, die regelmäßig für den Erwerb des Vertragsobjektes hohe finanzielle Verpflichtungen eingegangen sind, fehlen häufig die finanziellen Mittel für gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem Bauträger oder den finanzierenden Banken. Ein weiterer Grund sind die zunehmenden Insolvenzen von Bauträgern. Durch die im Zuge der so genannten Zivilprozessreform eingeführte Zulassungsrevision2 ist den Vertragsparteien die Möglichkeit erschwert worden, Entscheidungen der Instanzgerichte durch den BGH kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren zu lassen. Eine Revision ist nach neuem Recht nur statthaft, wenn das OLG die Revision zugelassen hat oder der BGH auf die Nichtzulassungsbeschwerde der beschwerten Partei die Revision zulässt, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Durch die in § 26 Nr. 8 EGZPO geregelte Wertgrenze sind die Möglichkeiten, ein Revisionsverfahren durchzuführen, zusätzlich eingeschränkt. Bis zum 31.12.2006 ist eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur zulässig, wenn die Beschwer 20.000 Euro übersteigt.

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Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 29.9.2004 – IV ZR 189/03, NJW-RR 2005, 29 = IBR 2005, 60 von Rintelen; Urt. v. 29.9.2004 – IV ZR 173/03, IBR 2005, 61 von Rintelen. § 543 ZPO; vgl. dazu i. E. Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl. (2005) Kommentierung zu § 543.

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Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bauträgerrecht

Gegenstand der Untersuchung sind neben den Entscheidungen des BGH eine bedeutsame Entscheidungen des Oberlandesgerichts Dresden, gegen die eine Revision nicht statthaft war, weil die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberlandesgericht vom BGH verworfen worden ist. Die Entscheidung des BGH, eine Revision aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zuzulassen, ergeht durch einen Beschluss, der nur in Ausnahmefällen begründet wird. Da der BGH mit einem derartigen Beschluss nur entscheidet, dass kein Zulassungsgrund vorliegt, bietet die Nichtzulassung keine Grundlage für die Vermutung, dass die Entscheidung des jeweiligen Oberlandesgericht richtig ist und den vom BGH zum Bauträgerrecht entwickelten Grundsätzen entspricht. Eine negative Aussage über das Urteil des Oberlandesgerichts ist allerdings möglich. Da ein materiellrechtlich willkürliches Urteil die Voraussetzung für die Zulassung der Revision erfüllt,3 besagt die Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde, dass etwaige Rechtsfehler des Oberlandesgerichts nicht gegen das Willkürverbot verstoßen. Eine Entscheidung ist dann willkürlich, wenn sie geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen.4

II. Hauptteil 1. Die Bindungsfrist eines Angebots In der Praxis wird das Vertragsabschlußverfahren nicht selten in der Weise gestaltet, dass Angebot und Annahme getrennt beurkundet werden. Der Erwerber gibt dem Bauträger gegenüber ein Angebot mit einer Bindungsfrist ab, innerhalb derer der Bauträger dieses Angebot annehmen kann. Die Gründe für diese Gestaltung können unterschiedlich

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BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZR 328/03, NJW 2005, 153 = IBR 2005, 1056 Schwenker; es handelt sich um einen begründeten Beschl. zur Zulassung der Revision gegen ein Urteil des OLG Celle. BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZR 328/03 (Fn. 3); einen Verstoß gegen das Willkürverbot durch das OLG München hat der VII. Zivilsenat des BGH angenommen: BGH, Urt. v. 8.7.2004 – VII ZR 317/02, BauR 2004, 1616 = NZBau 2004, 611; der VII. Zivilsenat des BGH hat es als objektiv willkürlich beanstandet, dass das OLG dem Auftraggeber ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 320 BGB mit der Begründung versagt hat, er habe den Auftragnehmer nicht unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert.

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sein.5 Ein in der Praxis häufiger Grund für diese Gestaltung ist das Motiv des Bauträgers, eine Bindung an Verträge bis zu dem Zeitpunkt zu vermeiden, zu dem er die erforderliche Zahl an Erwerbern durch Angebote gebunden hat, die nach seiner Kalkulation für die Durchführung des Bauvorhabens erforderlich sind.6 Das für die Vertragsparteien aus dieser Vertragsgestaltung resultierende Risiko, dass der Erwerbervertrag nicht wirksam zustande kommt, veranschaulicht eine Entscheidung des OLG Dresden.7 a) Das Urteil des OLG Dresden vom 26.6.2003 Das Oberlandesgericht hatte über folgenden Sachverhalt – vereinfacht – zu entscheiden: Der klagende Erwerber verlangt von dem beklagten Bauträger die Rückzahlung von ca. 79.000 Euro, die er für den Erwerb einer zu errichtenden Eigentumswohnung gezahlt hat, mit der Begründung, der Erwerbervertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, weil der beklagte Bauträger das Angebot nicht rechtzeitig eingenommen habe. Der Erwerber hatte das ihm von dem Bauträger unterbreitete Angebot zum Abschluss eines Erwerbervertrages8 am 6.7.2000 angenommen. Der Bauträger hatte es übernommen, dem Erwerber die erforderliche Finanzierung zu vermitteln. Nach der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltenen Annahmeklausel ist sie berechtigt, dieses Angebot innerhalb von zehn Wochen anzunehmen. Am 29.8.2000 erklärte die Beklagte die Annahme in notarieller Form. Anschließend zahlte der Kläger den Betrag, den er mit der Klage zurückfordert. Ausgangspunkt der Klage war der Streit zwischen den Vertragsparteien über Mängel und eine angebliche arglistige Täuschung des Erwerbers durch den Bauträger. ____________

5 6 7

8

Vgl. etwa Basty, Der Bauträgervertrag, 4. Aufl. Rz. 117 sowie Blank, Bauträgervertrag, 2. Aufl. (2002), Rz. 1081 ff. Vgl. Basty (Fn. 5), Rz. 117; Riemenschneider in: Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht (2004), 3. Teil Rz. 200. OLG Dresden, Urt. v. 26.6.2003 – 19 U 542/03, NotZB 2004, 356 = IBR 2004, 372 Schulze-Hagen; Volltext des Urt. ist dokumentiert in ibr-online; vgl. den Besprechungsaufsatz von Cremer/Wagner, Zur Angemessenheit und Unangemessenheit von Bindungsfristen in notariellen Urkunden, NotZB 2004, 331. Der BGH bezeichnet den Vertrag seit Jahren als Erwerbervertrag, um vor allem die rechtlich falsche und irreführende Bezeichnung als Kaufvertrag zu vermeiden. Trotz dieses gefestigten Sprachgebrauchs des BGH bezeichnen vor allem die Nur-Notare den Vertrag überwiegend als Kaufvertrag.

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Das OLG hat die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Der Vertrag sei nicht zustande gekommen, weil die Beklagte das Angebot des Klägers nicht in der Frist gemäß § 147 Abs. 2 BGB angenommen habe. Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltene Vertragsabschlußklausel halte einer Inhaltskontrolle gemäß § 10 Nr. 1 AGBG (= § 306 Nr. 1 BGB n. F.) nicht stand, weil die Bindungsfrist unangemessen lang sei. Unter Berücksichtung der besonderen Umstände des Vertrages, dass die Beklagte es übernommen habe, dem Erwerber eine Finanzierung zu vermitteln, sei eine Bindungsfrist von höchstens sechs Wochen sachlich erforderlich und damit angemessen. An die Stelle der unwirksamen Klausel trete gemäß § 6 Abs. 2 AGBG (= § 306 Abs. 2 BGB n. F.) die gesetzliche Regelung des § 147 Abs. 2 BGB. Da die Annahme nach dieser Regelung verspätet erfolgt sei, gelte sie gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot. Dieses Angebot habe der Kläger nicht wirksam angenommen. Eine etwaige konkludente Annahme durch die Zahlung eines Teiles der Vergütung wäre unwirksam, weil die Annahme nicht, wie erforderlich, notariell beurkundet worden sei. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen, die Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos.9 b) Die Entscheidung und ihre Konsequenzen Das OLG hat mit vertretbarer Begründung die Bindungsfrist in der Vertragsabschlussklausel als unangemessen lang und damit die Klausel als unwirksam angesehen. Das OLG hat die durch die vertragliche Vereinbarung begründete Besonderheit, die Verpflichtung des Bauträgers, dem Erwerber eine Finanzierung zu vermitteln, berücksichtigt und den für die Vermittlung erforderlichen Zeitaufwand als Maßstab für die Angemessenheit der Bindungsfrist herangezogen. Die vom OLG angenommene Rechtsfolge der Unwirksamkeit, die Maßgeblichkeit des § 147 Abs. 2 BGB, entspricht den Grundsätzen einer Entscheidung des BGH zum Abschluss eines Kreditvertrages.10 Danach tritt an die Stelle der unwirksamen Bindungsfristklausel gemäß § 6 Abs. 2 AGBG (= § 306 Abs. 2 BGB n. F.) die gesetzliche Regelung des ____________

9 BGH, Beschl. v. 13.5.2004 – VII ZR 370/03, nicht veröffentlicht. 10 BGH, Urt. v. 6.3.1986 – III ZR 234/84, NJW 1986, 833 = WM 1986, 577 = EWiR 1986, 531 Hensen.

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§ 147 Abs. 2 BGB, mit der Folge, dass das Angebot nach Ablauf der Frist des § 147 Abs. 2 BGB nicht mehr angenommen werden kann.11 Die sich aus diesen Grundsätzen ergebenden Rechtsfolgen können vor allem für den Erwerber desaströse wirtschaftliche Konsequenzen haben. Vertraut der Erwerber auf die Wirksamkeit der unwirksamen Bindungsfristklausel und nimmt der Bauträger das Angebot in notarieller Form innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist, jedoch nach Ablauf der Frist des § 147 Abs. 2 BGB, an, dann erbringt der Erwerber seine Zahlungen auf einen vermeintlich wirksamen Vertrag ohne Rechtsgrund. In derartigen Fallsituationen ist der Umstand, dass die verspätete Annahme gemäß § 150 BGB als neues Angebot gilt, bedeutungslos. Eine rechtlich mögliche Annahme dieses Angebots kommt nicht in Betracht. Die Zahlung etwaiger vereinbarten Raten durch den Erwerber hat nicht die rechtliche Qualität einer konkludenten Annahme, weil es an dem erforderlichen Erklärungsbewusstsein des Erwerbers fehlt, wenn er im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Einigung Zahlungen leistet. Sollten ausnahmsweise die Voraussetzungen einer konkludenten Annahme vorliegen, weil der Erwerber in Kenntnis der Unwirksamkeit der Einigung Zahlungen leistet, scheitert die Einigung an der Formbedürftigkeit der Erklärung. Die Einigung wäre gemäß § 311 b Abs. 1 i. V. m. § 128 BGB formnichtig. Eine Heilung dieses Formmangels durch Vollzug im Grundbuch gemäß § 311b Abs. 2 Abs. 1 Satz 2 BGB wäre nicht in jedem Fall gewährleistet.12 Leistet der Erwerber im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Einigung Zahlungen an den Bauträger und fällt der Bauträger in die Insolvenz, dann hat er lediglich einen Bereichungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 BGB, der der Höhe nach auf die Quote beschränkt ist. Die zugunsten des Erwerbers eingetragene Vormerkung wäre unwirksam, weil ein Eigentumsverschaffungsanspruch des Erwerbers nicht wirksam begründet worden ist. Der Insolvenzverwalter kann von dem Erwerber die Löschung der Vormerkung verlangen.13 Ist dem Erwerber bereits der Besitz überlassen und das Eigentum umgeschrieben worden, kann der Insolvenzverwalter unter Umständen noch nach Jahren die Herausgabe ____________

11 Ebenso Becker in: Bamberger/Roth, BGB (2003), § 308 Nr. 1 Rz. 14; MünchKomm/Basedow, BGB, 4. Aufl. (2001), § 10 Nr. 1 AGBG Rz. 10; Erman/ Roloff, BGB 11. Aufl. (2004), § 308 Nr. 1 Rz. 11. 12 Vgl. i. E. Cremer/Wagner (Fn. 7), 334 f. 13 BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138 = BauR 2002, 1088 = EWiR 2004, 351 = IBR 2002, 313 Schmitz.

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des Objektes, Entschädigung für die Nutzung des Objektes und die Berichtigung des Grundbuches verlangen. Die Frage, ob eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV einen Anspruch des Erwerbers auf Rückzahlung sichert, wenn der Erwerbervertrag oder die Sicherungsvereinbarung unwirksam ist, hat der BGH bisher nicht entschieden.14 Das aufgezeigte Risiko, das für den Erwerber durch Vertragsabschlussklauseln begründet wird, die eine Bindungsfrist vorsehen, ist schwer beherrschbar, weil sowohl § 10 Nr. 1 AGBG (= § 308 Nr. 1 BGB n. F.) als auch § 147 Abs. 2 BGB jeweils einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Der vom OLG berücksichtigte Zeitaufwand für die Vermittlung der Finanzierung lässt den Schluss zu, dass die durch den Vertrag begründeten besonderen Umstände für die Beurteilung der Angemessenheit der Bindungsfrist maßgeblich sind. Nicht entschieden ist damit die für die Praxis der Vertragsgestaltung bedeutsame Frage, ob das Interesse des Bauträgers an einer längeren Bindungsfrist, die er benötigt, um die von seiner Bank für die Finanzierung geforderten Anzahl an Vertragsabschlüssen zu erreichen,15 bei der Beurteilung der Angemessenheit der Bindungsfrist berücksichtigt werden kann. c) Stellungnahmen im Schrifttum Um die aufgezeigten Folgen einer unangemessenen Bindungsfrist in Allgemeinen Geschäftsbedingung des Bauträgers abzumildern, haben Autoren aus dem Kreis der Nur-Notare den Versuch unternommen, die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit der Vertragsabschlußklauseln zu modifizieren.16 Die Autoren schlagen vor, die unwirksame Klausel nicht durch § 147 Abs. 2 BGB zu ersetzen. Ihrer Ansicht nach wird das durch § 10 Nr. 1 AGBG (= § 308 Nr. 1 BGB n. F.) geschützte Interesse, an sein Angebot nicht unangemessen lange gebunden zu sein, gewahrt, wenn das Angebot des Erwerbers auch dann wirksam bleibe, wenn die Frist gemäß § 147 Abs. 2 BGB abgelaufen sei. Mit Ablauf dieser Frist wollen die Autoren dem Erwerber das Recht einräumen, sein Angebot zu widerrufen.17 Dieser Vorschlag beruht auf entsprechenden Vertrags-

____________

14 Vgl. hierzu i. E. unten 5. a) dd) (1). 15 Vgl. Basty, DAI-Skript zur Praktikertagung zum Bauträgervertrag am 15.1.2005 in Kassel, S. 59 f. 16 Cremer/Wagner (Fn. 7). 17 Cremer/Wagner (Fn. 7), 336 f.

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klauseln, die im notariellen Schrifttum für die Vertragsgestaltung vorgeschlagen werden.18 Dieses Ergebnis versuchen Cremer/Wagner methodisch im Wege der Auslegung des Vertrages zu gewinnen, dessen Vertragsabschlussklausel aufgrund der unangemessenen Bindungsfrist unwirksam ist. Gegenstand der Auslegung ist der mutmaßliche Parteiwille in Hinblick auf die Folge der Unwirksamkeit der Klausel. Die Notwendigkeit der Auslegung rechtfertigen sie mit der Prämisse, dass die gemäß § 6 Abs. 2 AGBG (= § 306 Abs. 2 BGB) maßgebliche gesetzliche Regelung eine Lücke aufweise, weil es für den Erwerbervertrag keine angemessene Reglung enthalte.19 Die gesetzliche Regelungslücke begründen die beiden Autoren damit, dass in Hinblick auf das Risiko einer unwirksamen Einigung zwischen nicht formbedürftigen Verträgen und beurkundungsbedürftigen Erwerberverträgen ein grundlegender Unterschied bestehe. Nach ihrer Ansicht ist das Risiko einer unwirksamen Einigung in Fällen beurkundungsbedürftiger Erwerberverträge wesentlich höher. Eine konkludente Annahme des neuen Angebots, als das die verspätete Annahme des Bauträgers gelte, durch den Erwerber sei als Einigung gem. § 311b Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 125 BGB n. F. formunwirksam, die Heilung durch den Vollzug im Grundbuch sei ungewiss. Wenn die Vertragsparteien eines Erwerbervertrages vor der Heilung des Formmangels im Vertrauen auf die Wirksamkeit des geschossenen Vertrages Leistungen austauschen, dann würden die Leistungen im Unterschied zu einem Bauvertrag rechtsgrundlos erbracht. Bei einem Bauvertrag komme der Vertrag in den Fällen, in denen die verspätete Annahme als Angebot gelte, regelmäßig zustande, wenn die Vertragsparteien den vermeintlich geschlossenen Vertrag durchführen würden. Der Vertrag komme spätestens zustande, wenn eine Partei eine Leistung erbringe und die andere sie widerspruchslos entgegen nehme.20 d) Würdigung Der Vorschlag, die Rechtsfolgen einer verspäteten Annahme für den Erwerbervertrag im Wege der Auslegung zu modifizieren, begegnet hinsichtlich ihrer Folgen erheblichen rechtlichen Bedenken. Die von den ____________

18 Vgl. z. B. das Muster von Basty in Kersten/Bühling, Formularbuch der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 21. Aufl. (2004), § 36 Rz. 239. 19 Cremer/Wagner (Fn. 7), 336 f. 20 Cremer/Wagner (Fn. 7), 324.

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Autoren für dieses Ergebnis konzipierte Begründung ist rechtlich nicht haltbar. Die Regelungen des Vertragsabschlusses in den §§ 147 ff. BGB normieren als Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB für alle Verträge die Voraussetzungen für eine wirksame Einigung, unabhängig vom Inhalt des Vertrages und dem Vertragstyp. Damit begründen diese Regelungen für jeden Vertrag unterschiedslos das Risiko einer fehlenden Einigung, wenn die genannten Voraussetzungen einer wirksamen Einigung nicht vorliegen. Die Frage, ob und auf welche Weise der ursprünglich nicht wirksam geschlossene Vertrag später durch konkludente Willenserklärungen oder in Fällen formbedürftiger Verträge durch Vollzug im Grundbuch wirksam zustande kommt, ist für den Geltungsanspruch der Regelungen über die Annahme von Angeboten ohne Bedeutung. Eine für die von den genannten Autoren vorgeschlagene Sonderregelung erforderliche Lücke des Gesetzes ließe sich allenfalls vertretbar begründen, wenn die Erwerberverträge im Vergleich mit anderen Vertragstypen Besonderheiten aufweisen, die es rechtfertigen, die allgemeinen Regelungen über den Vertragsabschluss auf den Vertragstyp des Erwerbervertrages nicht anzuwenden, weil die gesetzliche Regelung nach ihrem Sinn und Zweck diesen Vertragstyp nicht regelt. Keiner der Autoren bietet eine tragfähige Begründung für eine Lücke des Gesetzes. Ihre Argumentation hätte zwangsläufig zur Folge, dass der Abschluss aller beurkundungsbedürftigen Verträge, einschließlich der Grundstückskaufverträge, nicht durch § 147 BGB geregelt wird. Das Gesetz bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass beurkundungsbedürftige Verträge insgesamt durch § 147 BGB nicht geregelt sind, mit der Folge einer Gesetzeslücke, die eine an den Besonderheiten des Vertrages orientierte ergänzende Vertragsauslegung ermöglicht. Die Begründung der beiden Autoren Cremer und Wagner, die induktiv mit einem Vergleich eines Bauvertrages und eines Erwerbervertrages argumentieren, trägt das gewünschte Ergebnis, die Gesetzeslücke, nicht. Die Rechtslage bezüglich des nicht beurkundungsbedürftigen Bauvertrages und des beurkundungsbedüftigen Erwerbervertrages unterscheidet sich in der Fallkonstellation, die beide Autoren ihren Erwägungen zugrunde gelegt haben. Der Umstand, dass der Erwerbervertrag beurkundungsbedüftig ist, begründet keinen relevanten Unterschied zwischen den beiden Vertragstypen. Erbringen die Vertragsparteien eines Bau- oder Erwerbervertrages Leistungen aufgrund eines nach Einschätzung beider Parteien vermeintlich wirksamen Vertrages, dann erfüllen die Leistungshandlungen nicht die Voraussetzungen einer kon153

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kludenten Willenserklärung. Der jeweils handelnden Vertragspartei fehlt es aus der maßgeblichen Sicht der anderen Partei an dem erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungsbewusstsein. Ein Verhalten einer Vertragspartei hat nur dann den Erklärungswert einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung, wenn es aufgrund der Umstände aus der Sicht der anderen Partei auf den Geschäftswillen der Vertragspartei schließen lässt.21 Unter diesen Voraussetzungen kann eine Leistungshandlung, wie beispielsweise die Zahlung einer so genannten Rate durch den Erwerber oder eines Abschlages durch den Auftraggeber eines Bauvertrages, nur dann eine konkludente Willenserklärung sein, wenn der Erwerber oder Auftraggeber leistet, obwohl beide Vertragsparteien wissen, dass die ursprüngliche Einigung unwirksam ist. Ein derartiger Fall ist theoretisch denkbar, in der Praxis ohne Relevanz. Die Folgen der von Cremer/Wagner22 vorgeschlagenen Lösung, ein weiterhin wirksames Angebot, das der Erwerber jederzeit bis zur Annahme durch den Bauträger frei widerrufen kann, ist mit der in § 147 Abs. 2 BGB geregelten Rechtsfolge einer verspäteten Annahme wohl kaum vereinbar. Der Erwerber, der über einen für ihn nicht abschätzbaren Zeitraum mit der Annahme seines Angebots rechnen muss, wäre gezwungen, sein Angebot zu dem Zeitpunkt zu widerrufen, zu dem er den Abschluss des Vertrages nicht mehr wünscht. Dadurch wäre er, wenn er den Widerruf versäumt, mit dem Risiko eines Vertragsabschlusses belastet, der seinen Vorstellungen und Interessen nicht mehr entspricht. Diese möglichen Folgen benachteiligen den Erwerber, der als juristischer Laie die Konstruktion eines verbindlichen Angebots, das er widerrufen muss, nicht kennt, erheblich. In der Praxis hat der Lösungsvorschlag der genannten Autoren gerade die Folge, die durch § 10 Nr. 1 AGBG (= § 308 Nr. 1 BGB n. F.) verhindert werden soll. Dieses Risiko für den Erwerber ließe sich nur dadurch vermeiden, dass dem Erwerber nach der Annahme seines Angebots durch den Bauträger ein freies Lösungsrecht von dem Vertrag eröffnet wird. Durch die ergänzende Vertragsauslegung könnte dem Erwerber ein derartiges Recht nicht eingeräumt werden. Für den Bauträger hätte ein Lösungsrecht des Erwerbers ____________

21 Erman/Palm, BGB, 11. Aufl. (2005), § 133 Rz. 1; Wendland in: Bamberger/ Roth, BGB (2003), § 133 Rz. 5 f., 8 m. w. N.; st. Rspr. des BGH: vgl. neustens etwa BGH, Urt. v. 24.7.2003 – VII ZR 79/02, BauR 2003, 1892 = ZfBR 2004, 37 = NZBau 2004, 31: Unterzeichnung von Stundenlohnzetteln, konkludente Willenserklärung verneint; BGH, Urt. v. 24.6.1999 – VII ZR 196/98, BauR 1999, 1319 = ZfBR 2000, 28: Entgegennahme eines Telefax, konkludente Willenserklärung verneint. 22 Cremer/Wagner (Fn. 7), 336 f.

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beachtliche Nachteile. Es würde für ihn ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit begründen. Er könnte nicht darauf vertrauen, dass die Angebote der Erwerber und die durch die Annahme geschlossenen Verträge bestand haben werden.

2. Die Beurkungsbedürftigkeit Fehlerhafte Beurkundungen von Erwerberverträgen begründen für die Vertragsparteien vergleichbare Risken, wie die verspätete Annahme des Angebots des Erwerbers durch den Bauträger. Ein häufiger Fehler ist die fehlende oder unvollständige Beurkundung der Unterlagen, in denen die vom Bauträger geschuldete Bauleistung festgelegt ist. a) Die Urteile des BGH vom 14.3. und vom 30.10.2003 Durch zwei Entscheidungen23 zur Beurkundungsbedürftigkeit eines Bodengutachtens hat der BGH hinsichtlich des Umfangs der erforderlichen Beurkundung der vom Bauträger geschuldeten Werkleistung ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit verursacht. Die Entscheidung des V. Zivilsenats des BGH betraf einen Prozess zwischen dem Erwerber und dem Bauträger, die Entscheidung des III. Zivilsenats des BGH den Prozess des Maklers, in dem der Makler seine Courtageforderung gegen denselben Bauträger geltend gemacht hat. In beiden Verfahren war die Frage entscheidungserheblich, ob der Erwerbervertrag formunwirksam war oder nicht. Der Vertrag sieht für die Art und den Umfang der Gründung des Objektes folgendes vor: „Herstellen der Streifen-, Einzel- und Punktfundamente gemäß Bodenbeschaffenheit und Bodenpressung bzw. Statik. Das Bodengutachten des Büros P. ist zu beachten.“ Der Gutachter empfahl in seinem Gutachten, das nicht beurkundet worden ist, aufgrund der Bodenverhältnisse eine Pfahlgründung, eine Gründung auf Streifen- und Einzelfundamenten erachtete der Gutachter für nicht möglich. An den Wänden des Gebäudes, das nicht auf Pfählen gegründet wurde, traten Risse auf, deren Ursache zwischen den Parteien streitig ist. ____________

23 BGH, Urt. v. 14.3.2003 – V ZR 278/01, BauR 2003, 1032 = ZfBR 2003, 457 = NZBau 2003, 434 = ZNotP 2003, 216 = DNotZ 2003, 698 = IBR 2003, 307 Basty; Urt. v. 30.10.2003 – III ZR 32/00, BauR 2004, 331 = NJW-RR 2004, 284 = IBR 2004, 19 Vogel.

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In dem Verfahren hatte der V. Zivilsenat über den Antrag des Erwerbers zu befinden, dem Bauträger zu verbieten, einen Antrag auf Eintragung des Erwerbers beim Grundbuchamt zu stellen. Der Erwerber war der Ansicht, dass der Erwerbervertrag formunwirksam sei, weil das Gutachten nicht mit beurkundet worden sei. Der Bauträger hat die Ansicht vertreten, der Vertrag sei formwirksam. Der V. Zivilsenat hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Vertrag sei wirksam, weil das Gutachten nicht habe mit beurkundet werden müssen. Nach dem für die Auslegung des Vertrages maßgeblichen Grundsatz, dass die Parteien nichts widersprüchliches hätten vereinbaren wollen, sei der Vertrag dahingehend auszulegen, das die von dem Gutachter als ungeeignet beurteilte Gründung durch Streifen- und Einzelfundamente die vertraglich geschuldete Leistung sei und dass der Hinweis auf das Gutachten nicht als Vereinbarung der vom Gutachter für richtig erachteten Pfahlgründung verstanden werden könne. Der Hinweis auf das Gutachten bedeute lediglich, dass die vom Gutachter festgestellten besonderen Bodenverhältnisse zu beachten seien. Nach der vertraglichen Vereinbarung sei die Art der Gründung in das Ermessen des Bauträgers gestellt. In dem Courtageprozess des Maklers gegen den Bauträger hat der Bauträger die Ansicht vertreten, der vermittelte Erwerbervertrag sei unwirksam, weil das Gutachten hätte mit beurkundet werden müssen. Der III. Zivilsenat hat ohne Begründung die Ansicht des V. Zivilsenats übernommen. Die Auslegung des Vertrages durch den V. Zivilsenat beruht auf einem grundlegenden Fehlverständnis des vom Unternehmer geschuldeten funktionalen Werkerfolges.24 Der Bauträger schuldete eine fachgerechte Gründung gemäß der Bodenpressung und den Erfordernissen der Statik. Diesen vereinbarten Werkerfolg schuldete der Bauträger unabhängig

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24 Die Einschätzung durch Basty, der in seiner Anmerkung zu dem Urteil des V. Zivilsenat des BGH (Fn. 23) die Entscheidung für richtig erachtet, beruht auf demselben Fehlverständnis; entsprechendes gilt für die Beurteilung der Entscheidung durch Schmidt, Fallstricke der Baubeschreibung, ZfIR 2004, 405, 406 f. m. w. N., der Aufsatz ist veröffentlicht in: Schröder (Hrsg.), Der Bauträgervertrag in der notariellen Praxis, Symposium des Instituts für Notarrecht der Humboldt-Universität zu Berlin 6.2.2004, S. 67 ff.

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davon, ob die vereinbarte Ausführungsart geeignet war oder nicht.25 Sollte die Auslegung des Vertrages ergeben, dass der Bauträger die vom Gutachter empfohlene und möglicherweise erforderliche Pfahlgründung schuldete, hätte er diese Gründungsart ohne Zusatzvergütung ausführen müssen. Falls der Bauträger lediglich die Einzel- und Streifenfundamente als Gründungsart schuldete, begrenzt diese möglicherweise untaugliche Gründungsart nicht den geschuldeten Werkerfolg einer funktional tauglichen Gründung. Unter dieser Voraussetzung könnte der Bauträger als Zusatzvergütung die Kosten verlangen, um die das Bauwerk teurer geworden wäre, wenn Mehrkosten für die erforderliche Pfahlgründung beim Vertragsschluss berücksichtigt worden wären.26 Ein Ermessen hinsichtlich der Art der Gründung ist dem Bauträger aufgrund der vertraglichen Vereinbarung nicht eingeräumt worden. In beiden Auslegungsvarianten war nach der vertraglichen Vereinbarung der Inhalt des Gutachtens maßgeblich für die Art der erforderlichen Gründung.27 Folglich hätte das Gutachten mit beurkundet werden müssen. b) Das Urteil des BGH vom 16.12.2004 aa) Die Aussage der Entscheidung In dieser Entscheidung28 hat sich der BGH erstmals zu der Frage geäußert, ob und in welchem Umfang der Inhalt der von einem Bauträger übernommenen Bauerrichtungsverpflichtung beurkundungsbedürftig ist, wenn die geschuldete Bauleistung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits ausgeführt worden ist. Gegenstand der Entscheidung ist ein Erwerbervertrag über einen sanierten Altbau, auf den aufgrund des Umfangs der vom Bauträger übernommenen Bauleistung Werkvertragsrecht anwendbar ist.29 In den notariell beurkundeten Kaufverträgen über je eine Hälfte eines umfangreich sanierten Doppelhauses sind jeweils das Objekt und die Vertragsparteien genannt, die vom Bauträger ____________

25 Zum funktionalen Werkerfolg vgl. Kniffka in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl. (2004), 6. Teil Rz. 14 ff. sowie Thode/Quack, Abnahme und Gewährleistung im Bau- und Bauträgervertrag, höchstrichterliche Rechtsprechung (2003), Rz. 38 ff. m. w. N, grundlegend BGH, Urt. v. 16.7.1998 – VII ZR 350/96, BGHZ 139, 244 = BauR 1999, 37 = ZfBR 1999, 14. 26 Vgl. die Nachw. in Fn. 25. 27 Zutreffend Vogel in seiner Anm. zur Entscheidung des III. Zivilsenats (Fn. 23). 28 BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03, BauR 2005, 542 = ZfIR 2005, 134 m. Anm. Vogel = IBR 2005, 153, 154, 155 Schwenker. 29 Zu den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Werkvertragsrecht auf Sanierungsobjekte vgl. i. E. unten 3.

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ausgeführten Sanierungsarbeiten sind nicht aufgeführt. Die Urkunde enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Bauträger eine Herstellungsverpflichtung übernommen hat. Etwaige Gewährleistungsansprüche sind ausgeschlossen. In dem Verfahren verlangt der Ehemann aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau nach werkvertraglichem Gewährleistungsrecht Schadensersatz. Der VII. Zivilsenat des BGH hat die Vorschriften des Werkvertragsrechts für anwendbar erachtet und eine Haftung des Veräußerers bejaht. Der Bauträger hatte vorvertraglich gegenüber den Erwerbern eine Erklärung darüber abgegeben, in welchem Umfang er das Objekt saniert hatte. In den Urteilsgründen ist folgendes obiter dictum zur Beurkundungsbedüftigkeit der vom Bauträger geschuldeten Sanierungsarbeiten enthalten: „Der Umstand, dass die Erklärung der Beklagten und der Umfang der Sanierungsarbeiten, die Gegenstand des Vertrages geworden sind, nicht mit beurkundet worden sind, begründet erhebliche Zweifel an der Formwirksamkeit der Verträge. Diese Frage kann dahinstehen, weil eine Formunwirksamkeit jedenfalls infolge der vom Berufungsgericht festgestellten Eintragung der Erwerber ins Grundbuch nach erfolgter Auflassung geheilt wäre“.

Derartige Hinweise, die nicht entscheidungserheblich sind, dienen nach der Tradition des VII. Zivilsenats des BGH dazu, die beteiligten Verkehrskreise darauf hinzuweisen, wie der Senat diese Frage beurteilen wird, wenn sie entscheidungserheblich sein sollte. Der Hinweis des Senats beruht auf der rechtlichen Prämisse, dass in Fällen sanierten Altbaus die vom Bauträger geschuldeten Bauleistungen beurkundungsbedürftig sind. Der Grundsatz ist nicht auf die Fälle sanierter Altbauten beschränkt. Er gilt gleichermaßen für den Erwerb einer neu errichteten Wohnung, wenn die Bauleistungen bei Vertragsschluß bereits abgeschlossen sind. Die vom BGH für neue errichtete Wohnungen entwickelten Kriterien für die Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts30 sind gleichermaßen maßgeblich für sanierte Altbauten.31 Der BGH hat seinen Hinweis auf die Beurkungsbedürftigkeit ohne zeitliche Einschränkung formuliert, so dass die Vermutung gerechtfertigt ist, dass er die Voraussetzung der Formwirksamkeit auch auf Verträge anwenden wird, die vor der Entscheidung abgeschlossen worden sind. ____________

30 Zur bisherigen Rechtsprechung des BGH nach altem Recht vgl. etwa Pause (Fn. 56), Rz. 626 ff.; Koeble in: Kniffka/Koeble (Fn. 25), Rz. 101 ff.; ders. in: Grziwotz/Koeble (Fn. 6), 1. Teil Rz. 67 ff.; Thode/Quack (Fn. 25), Rz. 21 ff.; Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 407, jeweils m. N. der Rspr. des BGH. 31 BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03 (Fn. 28).

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bb) Würdigung und Konsequenzen Vor der Entscheidung hat der BGH zu der Frage, ob die vertraglich geschuldete Herstellungsverpflichtung oder die Sanierung in den Fällen mit beurkundet werden müssen, in denen die geschuldete Bauleistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits ausgeführt war, nicht Stellung genommen. Im Unterschied zu diesen Konstellationen hat der BGH für Erwerberverträge über nicht fertig gestellte Objekte in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Gegenstand und Umfang der Herstellungsverpflichtung mit beurkundet werden muss.32 Die verbreitete Vertragspraxis, in Fällen, in denen der Bauträger bei Vertragsabschluss seine Bauleistung bereits erbracht hatte, den Inhalt der geschuldeten Bauleistung nicht zu beurkunden,33 entsprach den wenigen Stellungnahmen in der Literatur.34 Die These von Schmidt,35 dass diese Praxis „offenkundig“ der Auffassung des BGH entspreche, „da in einzelnen Entscheidungen eine beurkundete Baubeschreibung gefehlt haben dürfte und sie vom Bundesgerichtshof offenbar nicht vermisst wurde“ lässt sich durch keine Entscheidung des BGH belegen. Die von ihm zur Begründung seiner Vermutung zitierte Entscheidung36 befasst sich nicht mit der Frage der Beurkungsbedürftigkeit. Nach dem mitgeteilten Sachverhalt und den Entscheidungsgründen lässt sich nicht beurteilen, ob eine beurkundete Baubeschreibung vorlag und ob ein etwaiger Formmangel geheilt worden war. Die Entscheidung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass der BGH in dieser Entscheidung dadurch, dass er zu einer Rechtsfrage nicht Stellung genommen hat, gerade diese Rechtsfrage in der von Schmidt vermuteten Weise bescheiden wollte.

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32 Vgl. etwa Basty (Fn. 6), Rz. 95; Blank (Fn. 5), Rz. 92 sowie Pause (Fn. 56), Rz. 59, jeweils m. N. der Rspr. des BGH. 33 Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 407. 34 Albrecht in: Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 8. Aufl. (2001), Rz. 446; Basty (Fn. 6), Rz. 96; Blank (Fn. 5), Rz. 450, anders Rz. 922; Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, höchstrichterliche Rechtsprechung und notarielle Gestaltungshinweise, 7. Aufl. (2000), Rz. 397; Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 407; Staudinger/Wufka, BGB (2001), § 313 Rz. 161; Wolfsteiner in Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, Ergänzungsband zur 21. Aufl. (2004), Kauf vom Bauträger § 37 Rz. II/11 f.; Landesnotarkammer Bayern, Bauträgermerkblatt, Teil A. IV. 35 Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 407. 36 BGH, Urt. v. 29.6.1981 – VII ZR 259/86, BauR 1981, 571 = NJW 1981, 2344 = DNotZ 1982, 125.

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Das obiter dictum in der Entscheidung des BGH enthält keinen Hinweis dazu, welche Mindestanforderungen die Beschreibung der Herstellungsverpflichtung erfüllen muss, damit der Vertrag formwirksam ist. Die Formulierung des obiter dictum könnte dahingehend missverstanden werden, dass der VII. Zivilsenat für die Formwirksamkeit des Vertrages eine umfassende und detaillierte Beschreibung der Einigung der Vertragsparteien über die geschuldete Bauleistung des Bauträgers verlangt. Die Bedeutung des obiter dictum und dessen beschränkter Aussagewert erschließt sich im Kontext der Vertragsgestaltung. Der Hinweis des Senats ist eine Reaktion darauf, dass die Urkunde keinen Anhaltspunkt für eine Einigung der Vertragsparteien über die Herstellungsverpflichtung des Bauträgers enthält. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH genügt es für die Formwirksamkeit eines beurkundungsbedüftigen Vertrages, dass der Inhalt der Urkunde hinreichende Anhaltspunkte für den Vertragswillen der Parteien enthält, die es ermöglichen, den Inhalt des Vertrages im Wege der Auslegung zu ermitteln. Diese Grundsätze hat der VII. Zivilsenat des BGH in seiner neuesten Wohnflächenentscheidung bestätigt.37 Für die Formwirksamkeit genügen im Regelfall die Formulierungen, die auf den Zustand des Objektes Bezug nehmen, weil die Verpflichtung des Bauträgers durch Auslegung ermittelt werden kann. Liegt hingegen eine schriftliche Baubeschreibung vor, die nach dem Willen der Parteien die geschuldete Bauleistung des Bauträgers wiedergibt, dann ist diese Baubeschreibung auch bei Verträgen beurkundungsbedürftig, die erst nach der tatsächlichen Ausführung der Bauarbeiten abschlossen werden. Die Gründe, die den BGH veranlasst haben, die Formbedürftigkeit der Baubeschreibung bei Verträgen anzunehmen, die vor Ausführung der geschuldeten Bauleistung abgeschlossen worden sind,38 sind auch für die Verträge maßgeblich, die nach der tatsächlichen Ausführung der Bauleistung abgeschlossen worden sind.

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37 BGH, Urt. v. 8.1.2004 – VII ZR 181/02, BauR 2004, 847 = ZfBR 2004, 359 = NZBau 2004, 269 = ZfIR 2004, 324 m. Anm. Basty/Vogel = MittBayNot 2004, 353 m. Anm. Grziwotz = IBR 2004, 255, 256 Blank = EWiR 2004, 539 Schwenker. 38 BGH, Urt. v. 23.9.1977 – V ZR 90/75, BGHZ 69, 266; Urt. v. 6.4.1979 – V ZR 72/74, BGHZ 74, 346 = NJW 1979, 1496; Urt. v. 20.12.2001 – IX ZR 401/99, BGHZ 149, 326 = NJW 2002, 1050; aus der Lit. vgl. Basty (Fn. 6), Rz. 95; Blank (Fn. 5), Rz. 92; Pause (Fn. 56), Rz. 59 sowie Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 406.

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Die bisherige Vertragspraxis lässt sich angesichts der Begründung des BGH zur Beurkundungsbedürftigkeit der Baubeschreibung in Fällen nicht fertig gestellter Objekte und der rechtlichen Gleichstellung der Erwerberverträge über neue oder sanierte Objekte, die bei Vertragsabschluss bereits fertig gestellt waren, nicht vertretbar begründen. Es lag vielmehr auch schon vor der Entscheidung des BGH vom 16.12.2004 nahe, die Grundsätze zur Beurkundungsbedürftigkeit der Baubeschreibung bei Verträgen über nicht fertig gestellte Objekte auf die Verträge zu übertragen, bei denen die Bauleistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits ausgeführt war.39 Von der Frage der Formunwirksamkeit ist die Frage einer sachgerechten Beschreibung der vom Bauträger geschuldeten Bauleistung zu unterscheiden. Unter dem Aspekt einer Vertragsgestaltung, die Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung des Bauträgers und damit das Risiko von Prozessen nach Möglichkeiten vermeidet, sind die bisher üblichen Bezugnahmen auf den Zustand des Objektes bei Vertragsschluß denkbar ungeeignet. Der empirische Befund, dass der Bauträger die geschuldete Bauleistung ausgeführt hat, ist für den Inhalt und Umfang der von ihm geschuldeten Werkleistung rechtlich unerheblich. Für die Frage, ob der Bauträger die von ihm geschuldete Bauleistung im Rechtssinne erfüllt hat, kommt es, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang er die Leistung tatsächlich ausgeführt hat, ausschließlich darauf an, ob er die Leistung vertragsgerecht erbracht und diese Leistung von dem Erwerber abgenommen worden ist.40 Das gleiche gilt für etwaige Gewährleistungsansprüche des Erwerbers nach Abnahme. Vor der mit der Abnahme bewirkten Erfüllung der geschuldeten Bauleistung steht auch in den Fällen, in denen die Bauleistung bei Vertragsabschluss empirisch ausgeführt ist, im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien nicht fest, ob der tatsächlich geschaffene Zustand der vertraglichen Vereinbarung entspricht. Insoweit unterscheidet sich die Abwicklung der Verträge, bei denen der Bauträger seine Bauleistung erst nach Vertragsabschluss er____________

39 Ähnlich Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 407. 40 Zum geschuldeten Erfolg im Werkvertrag vgl. Kniffka in: Kniffka/Koeble (Fn. 25), 4. Teil Rz. 12 ff.; Thode/Quack (Fn. 25), Rz. 38 ff., 158 ff.; Erman/ Schwenker, BGB 11. Aufl. (2004), § 633 Rz. 6 ff.; Voit in: Bamberger/Roth, BGB (2003), § 633 Rz. 4 ff.; Wagner in: Henssler/Graf von Westphalen (Hsrg.), Praxis der Schuldrechtsreform, 2. Aufl. (2003), § 633, Rz. 12 ff., 32 ff., 41 ff. sowie Thode, Werkleistung und Erfüllung im Bau- und Architektenvertrag, ZfBR 1999, 116, 120 ff., jeweils m. N. der Rspr. des BGH.

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bringt, nicht von der Abwicklung der Verträge, die zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind, als der Bauträger seine geschuldete Werkleistung bereits ausgeführt hatte. Die im Schrifttum vertretene Ansicht,41 dass in Fällen, in denen die Bauleistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits ausgeführt worden ist, eine Beschreibung der geschuldeten Bauleistung und deren Beurkundung nicht erforderlich ist, beruht auf einem methodischen Fehler. Ihre Auffassung beruht auf der methodisch fehlerhaften Schlussfolgerung, dass eine tatsächlich ausgeführten Bauleistung nicht beschrieben und beurkundet werden muss, weil sie schon erbracht ist. Die Autoren verwechseln empirische Befunde und den normativen Aspekt der Erfüllungstauglichkeit der erbrachten Bauleistung. Die Annahme, dass die Bauleistung im Vertragsverhältnis der Parteien tatsächlich bereits erbracht ist, beruht auf der unausgesprochenen Annahme, dass der empirische Befund den normativen Anforderungen an die Erfüllungstauglichkeit der Leistung entspricht. Die Frage, wer für die Vertragsparteien feststellt, dass diese Übereinstimmung gegeben ist, wird weder reflektiert noch diskutiert. Die Feststellung, dass die Bauleistung bereits ausgeführt ist, lässt sich bis zur Abnahme verlässlich nicht beurteilen, auch nicht durch den beurkundenden Notar. Die Angaben zur Ausführung der Bauleistung beruhen regelmäßig auf den Angaben des Bauträgers, die der Notar weder überprüfen noch beurteilen kann. Höchstrichterlich nicht geklärt und im Schrifttum umstritten ist die Frage, ob auf Verträge nach neuem Recht, die zu dem Zeitpunkt abgeschossen werden, in dem die geschuldete Bauleistung bereits erbracht ist, Werkvertragsrecht oder Kaufvertragsrecht anwendbar ist.42 Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, ob die Baubeschreibung auch dann beurkundungsbedürftig ist, wenn derartige Verträge dem Kaufrecht unterliegen.43 Bis zur Klärung der offenen Fragen durch den BGH ist den Vertragsparteien und den Notaren anzuraten, in Fällen, in denen eine bereits fertig gestellte Wohnung oder ein fertig gestellter sanierter Altbau nach den vom BGH zum alten Recht entwickelten Grundsätzen hinsichtlich der Bauleistung dem Werkvertragsrecht unterliegt, auch nach neuem Recht ____________

41 Vgl. die Nachw. in Fn. 34. 42 Vgl. zum Nachw. des Meinungstandes Koeble in: Koeble/Kniffka (Fn. 25), 11. Teil Rz. 101 ff.; Pause (Fn. 56), Rz. 70 ff. sowie Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 407. 43 Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 407.

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die Konzeption des Vertrages am Werkvertragsrecht zu orientieren, eine Baubeschreibung zu erstellen und die Baubeschreibung mit zu beurkunden.44 Dieser Empfehlung sollten die Parteien und die Notare auch deshalb folgen, weil kaum damit zu rechnen ist, dass der BGH im Hinblick auf die Änderung des Kaufrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz seine Rechtsprechung ändern wird.45 Die Beurkundung der Bauschreibung stellt den Notar hinsichtlich des Beurkundungsverfahrens vor spezielle Probleme, die nicht Gegenstand dieser Veröffentlichung sind.46 Die verbreitete Vertragspraxis, in Fällen fertig gestellter neuer Bauwerke oder sanierter Altbauten, das Vertragsobjekt mit Formulierungen zu beschreiben, „wie es steht und liegt“ oder „wie gesehen und besichtigt“ begründet ein hohes Maß an Auslegungsunsicherheit, weil der Vertrag auf die subjektiven Wahrnehmungen der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses rekurriert. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 16.12.2004 ausgeführt, dass die Kenntnis des Erwerbers vom Zustand des Vertragsobjektes, die er aufgrund einer Besichtigung erlangt hat, grundsätzlich kein relevantes Auslegungskriterium ist, um die vom Bauträger geschuldete Leistung zu bestimmen.47 Im ungünstigsten Fall haben die genannten Formulierungen zu Folge, dass die Verpflichtung des Bauträgers nicht hinreichend bestimmt ist, so dass der Vertrag unwirksam ist. Eine Vereinbarung ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn die Vertragsparteien und die Gerichte den Inhalt der geschuldeten Leistung im Wege der Auslegung ermitteln können. Andernfalls wäre die Vereinbarung unwirksam.48 An einer hinreichenden Bestimmbarkeit der vom Bauträger geschuldeten Leistung aufgrund der Formulierung „… wie besichtigt“ dürfte es beispielsweise fehlen, wenn der Erwerber das Objekt nicht besichtigt und die Vertragsparteien sich keine gemeinsame Vorstellung vom Zustand des Objektes bei Vertragsschluss gebildet haben. ____________

44 A. A. Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 407, insoweit, als er trotz der ungeklärten Frage eine am Kaufrecht orientierte Vertragsgestaltung vorschlägt. Er rät allerdings dazu, die Baubeschreibung mit zu beurkunden. 45 Thode, Die wichtigsten Änderungen im BGB-Werkvertragsrecht: Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und erste Probleme – Teil 1, NZBau 2002, 297, 298 ff. 46 Vgl. hierzu i. E. Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 408 ff. 47 BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03 (Fn. 28). 48 MünchKommBGB/Kramer, 4. Aufl. (2001), § 145 Rz. 4 m. N. der Rspr. des BGH.

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c) Das Urteil des BGH vom 10.2.2005 In seinem Urteil vom 10.2.200549 hat der BGH das obiter dictum zur Beurkundungsbedürftigkeit der vereinbarten Herstellungsverpflichtung in seiner Entscheidung vom 16.12.200450 bestätigt. Die Formunwirksamkeit des Vertrages war eine notwendige Voraussetzung für den Anspruch des Erwerbers, der von der Globalbank des Bauträgers die Rückzahlung der Vergütung aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangt hat.51 Der Entscheidung lag folgender vereinfachter Sachverhalt zugrunde: Der Erwerber „kaufte“ vom Bauträger eine weitgehend fertig gestellte Eigentumswohnung für 210.000 DM. Die Baubeschreibung wurde nicht mit beurkundet. Der Erwerber leistete vereinbarungsgemäß auf den „Kaufpreis“ eine Zahlung von 202.650 DM auf das Konto des Bauträgers bei dessen Bank, an die er seinen Anspruch gegen den Erwerber abgetreten hatte. Die Bank verpflichtete sich in einer Freistellungserklärung zur Lastenfreistellung. Nachdem der Bauträger zahlungsunfähig geworden war, betrieb die Bank aus der für sie eingetragenen Globalgrundschuld die Zwangsversteigerung und ersteigerte die Eigentumswohnung des Erwerbers. Der klagende Erwerber verlangt von der Bank Rückzahlung der geleisteten Zahlung sowie Schadensersatz. Die Bank verweigert die Zahlung unter Hinweis auf die Formunwirksamkeit des Erwerbervertrages. Der Erwerber stützt seinen Anspruch auf die Freistellungserklärung52 und auf ungerechtfertigte Bereicherung.53 Das OLG54 hat den Vertrag als formunwirksam angesehen, weil die Baubeschreibung nicht mit beurkundet worden war. Einen Anspruch des Erwerbers hat das OLG verneint. Der BGH hat dem Erwerber einen Bereicherungsanspruch zu erkannt.55 ____________

49 BGH, Urt. v. 10.2.2005 – VII ZR 184/04, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, IBR 2005, 207, 208 Schwenker = NZBau 2005, 278 = BauR 2005, 866 = ZfBR 2005, 370 = DNotZ 2005, 467 Basty = BauRB 2005, 160 Grziwotz. 50 BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03 (Fn. 28). 51 Zu den weiteren Voraussetzungen des Bereichungsanspruchs vlg. i. E. unten 6. 52 Vgl. dazu unten 5. b) bb). 53 Vgl. dazu unten 7. 54 OLG Frankfurt, Urt. v. 4.2.2004 – 23 U 73/03, NJW-RR 2004, 544 = BauRB 2004, 225 m. Anm. Grziwotz = IBR 2004, 320 Vogel. 55 Vgl. dazu i. E. unten 6.

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Der BGH hat das Berufungsurteil insoweit bestätigt, als es den Erwerbervertrag als formunwirksam qualifiziert hat: Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH56 muss eine Baubeschreibung, die Vertragsinhalt ist, beurkundet werden. Die Beurkundungspflicht besteht unabhängig davon, ob und inwieweit der Bauträger die geschuldete Werkleistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich ausgeführt hat.57

3. Sanierter Altbau und Werkvertragsrecht Im Hinblick auf die wachsende Zahl von sanierten Objekten, die am Markt platziert werden, sind die Grundsätze des Urteils des BGH vom 16.12.200458 für bereits abgeschlossene und zukünftige Verträge über den Erwerb eines sanierten Altbaus von erheblicher Bedeutung. Den Schwerpunkt der Entscheidung bilden die Ausführungen des BGH zu den Voraussetzungen, unter denen auf einen Vertrag über den Erwerb eines sanierten Objektes Werkvertragsrecht anzuwenden ist. Mit dieser Entscheidung hat der BGH die Grundsätze seiner bisherigen Rechtsprechung59 präzisiert und weiterentwickelt. a) Gegenstand des Urteils vom 16.12.2004 Der Kläger verlangt aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau, gestützt auf werkvertragliche Gewährleistungsansprüche, Schadensersatz mit der Begründung, das Objekt weise Mängel auf. Die Eheleute erwarben mit notariell beurkundeten Kaufverträgen zwei vor 1907 errichtete und durch die Beklagte sanierte Doppelhaushälften. Vor der Veräußerung hatte die Beklagte im Haus die Boden- und Wandbeläge, ____________

56 BGH, Urt. v. 23.9.1977 – V ZR 90/75 (Fn. 38); Urt. v. 6.4.1979 – V ZR 72/74 (Fn. 38); Urt. v. 14.3.2003 – V ZR 278/01, BauR 2003, 1032 = ZfBR 2003, 457 = NZBau 2003, 434 = ZNotP 2003, 216 = DNotz 2003, 698 = IBR 2003, 307 Basty; aus der Literatur vgl. Basty (Fn. 5), Rz. 95; Blank (Fn. 5), Rz. 92; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 4. Aufl. (2004), Rz. 59 sowie Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 406 m. w. N. 57 BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03 (Fn. 28). 58 BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03 (Fn. 28). 59 Vgl. hierzu z. B. Basty (Fn. 5), Rz. 708; Koeble in Grziwotz/Koeble (Fn. 6), 1. Teil, Rz. 72 ff.; Pause (Fn. 24). Rz. 632 ff.; Thode/Quack (Fn. 25), Rz. 25 ff., Bischoff/Mauch, Haftung und Haftungsbegrenzung beim Bauträgervertrag über sanierte und modernisierte Altbauten, DNotZ 2004, 324; Pause, Erwerb modernisierter, sanierter und ausgebauter Altbauten vom Bauträger, NZBau 2000, 234.

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den Außenputz sowie den Anstrich erneuert, die Wasser- und Elektroleitungen ausgewechselt, eine Gasheizung eingebaut, neue Innentreppen und Türen anfertigen sowie einen Teil der Fenster und der Dacheindeckung erneuern lassen. In der Revisionsinstanz war zugunsten des Klägers dessen Behauptung als richtig zu unterstellen, der Geschäftsführer der Beklagten habe vor Vertragsabschluss zugesichert, dass es sich bei dem Objekt um einen vollständig, bis auf die Grundmauern sanierten Altbau handele. Das OLG, das die Klage weitgehend abgewiesen hat, hat zur Klärung der Frage, ob auf die Verträge Kauf- oder Werkvertragsrecht anzuwenden ist, die Revision zugelassen. b) Die zentralen Aussagen des Urteils Der BGH hat seine Grundsätze zu den Voraussetzungen, unter denen auf den Erwerb sanierter Objekte Werkvertragsrecht anzuwenden ist, modifiziert und den Auslegungsvorgang in zwei gestufte Prüfungsschritte aufgeteilt. Im ersten vorrangigen Schritt hat er untersucht, ob der Bauträger nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont des Erwerbers Sanierungsarbeiten in einem Umfang übernommen hat, die die Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts auf die Erwerberverträge rechtfertigen. Anschließend hat er in einem zweiten Schritt hinsichtlich jedes einzelnen vom Kläger gerügten Mangels geprüft, ob und welchem Umfang der Erwerber eine Sanierungsmaßnahme nach dem heutigen Stand der anerkannten Regeln der Technik60 berechtigter Weise erwarten konnte. Im ersten Schritt der Auslegung hat der BGH die Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts auf die beiden Verträge nach den von ihm in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen61 bejaht. Seine bisherige Rechtsprechung hat der BGH wie folgt bestätigt: „Beim Erwerb von Altbauten ist Werkvertragsrecht anwendbar, wenn der Erwerb des Grundstücks mit einer Herstellungsverpflichtung ver____________

60 Die im Urteil verwendete Formulierung „Stand der Regeln der Technik“ ist kein neuer Rechtsbegriff, sondern eine Kurzbezeichnung für die anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Durchführung des Vertrages. 61 Der BGH hat in der Entscheidung folgende Urteile zitiert: BGH, Urt. v. 7.5.1987 – VII ZR 366/85, BGHZ 100, 391, 396 f. = BauR 1987, 439 = ZfBR 1987, 197; Urt. v. 21.4.1988 – VII ZR 146/87, BauR 1988, 464 = ZfBR 1988, 218; Urt. v. 29.1989 – VII ZR 151/88, BGHZ 108, 164, 167 f. = BauR 1989, 597 = ZfBR 1989, 245 = EWiR 1989, 973 Löwe = DNotZ 1990, 99 Brambring.

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bunden ist. Übernimmt der Veräußerer vertraglich Bauleistungen, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung Neubauarbeiten vergleichbar sind, haftet er nicht nur für die ausgeführten Umbauarbeiten, sondern auch für die Altbausubstanz nach den Gewährleistungsregeln des Werkvertragsrechts (…)“.62 Die Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts begründet der BGH nach diesen Kriterien ausschließlich mit den tatsächlich durchgeführten Maßnahmen: „Bereits die tatsächlich von der Beklagten durchgeführten Leistungen haben nach ihrem Umfang und ihrer Bedeutung ein solches Gewicht, dass die Erwerber nach ihrem Empfängerhorizont von einer umfassenden Sanierungstätigkeit der Beklagten ausgehen konnten, die einer Neuherstellung der Gebäude gleichkommt.“ Der BGH betont, dass es für die Ausgangsfrage, ob Werkvertragrechts anwendbar ist, auf die Erklärung der Beklagten zum Umfang der durchgeführten Sanierungsarbeiten nicht ankommt. Diese Erklärung ist erst von Bedeutung für die nachrangige Frage, welche Sanierungsmaßnahmen die Beklagte schuldete. Das Werkvertragsrecht erstreckt der BGH auch auf einen im Garten des Hauses befindlichen Flüssiggastank, mit der Begründung, dass die Anlage der Funktion des Gebäudes zu dienen bestimmt ist.63 Begründung und Ergebnis entsprechen der Rechtsprechung des BGH, dass alle zur Neuherstellung oder grundlegenden Erneuerung eines Bauwerks erforderlichen Arbeiten und Anlagen dem Bauwerk zuzurechnen sind und damit dem Werkvertragsrecht unterliegen.64 Nach diesem Zwischenergebnis beantwortet der BGH die für den Erwerb von sanierten Altbauten bisher noch nicht entschiedene Frage, ob der Umstand, dass die Arbeiten bei Vertragsschluss bereits abgeschlossen waren, der Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts entgegen____________

62 BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03 (Fn. 28). 63 Der Leitsatz der Entscheidung lautet wie folgt: „Ist auf den Erwerb eines sanierten Altbaus Werkvertragsrecht anzuwenden, weil der Erwerb des Grundstücks mit einer umfassenden Herstellungsverpflichtung verbunden ist, so richtet sich die Gewährleistung für auf dem Grundstück befindliche Anlagen, die zwar nicht unmittelbar dem Altbauobjekt zuzuordnen sind, jedoch dessen Funktion dienen, ebenfalls nach Werkvertragsrecht.“ 64 Vgl. die Nachw. der Rspr. bei Thode/Quack (Fn. 25) Rz. 449 ff. sowie Thode, Die wichtigsten Änderungen im BGB-Werkvertragsrecht: Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und erste Probleme – Teil 2, NZBau 2002, 360 sowie ders., EG-Richtlinie zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter – ihre Auswirkungen auf das deutsche Werkvertragsrecht, ZfBR 2000, 363.

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steht. Er verneint die Frage mit der Begründung, dass der Erwerb eines sanierten Altbaus dem Erwerb einer neu errichteten Wohnung gleich steht,65 deren Errichtung bei Vertragsabschluss bereits abgeschlossen ist.66 Dieses Ergebnis hat zur Folge, wie der BGH in der Entscheidung ausführt, dass ein Haftungsausschluss hinsichtlich der geschuldeten Sanierungsarbeiten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bauträgers einer Inhaltskontrolle nicht standhält. Damit hat der BGH die im Schrifttum umstrittene Frage entschieden, ob in den Fällen, in denen die Sanierungsarbeiten bei Vertragsschluss abgeschlossen waren, ein Haftungsausschluss auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich ist.67 Im zweiten Schritt überprüft der BGH auf der Grundlage der Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten, das Objekt sei vollständig und bis auf die Grundmauern saniert, hinsichtlich welcher Bauteile der Erwerber eine Sanierung entsprechend dem heutigen Stand der anerkannten Regeln der Technik erwarten durfte. Die Auslegungsgrundsätze hat der BGH in einem der Leitsätze umrissen: „Verspricht der Veräußerer eines Altbaus eine Sanierung bis auf die Grundmauern, darf der Erwerber dies grundsätzlich dahin verstehen, dass der Veräußerer zu diesem Zweck im Rahmen des technisch Möglichen die Maßnahmen angewandt hat, die erforderlich sind, um den Stand der anerkannten Regeln der Technik zu gewährleisten. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn die berechtigte Erwartung des Erwerbers unter Berücksichtigung der gesamten Vertragsumstände, insbesondere des konkreten Vertragsgegenstands und der jeweiligen Gegebenheiten des Bauwerks, darauf nicht gerichtet ist.“

In den Entscheidungsgründen hat der BGH ausgeführt, dass es entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts für die Bestimmung der vom Bauträger geschuldeten Leistung grundsätzlich unerheblich ist, welche Kenntnis der Erwerber vom Zustand des Vertragsobjekts aufgrund einer Besichtigung erlangt hat.68 ____________

65 In den Urteilsgründen wendet sich der BGH gegen die gegenteilige Ansicht des OLG Hamburg, Urt. v. 26.2.1997 – 5 U 102/95, BauR 1997, 835, 836 m. zutreffend ablehnender Anm. Karczewski. 66 Zur methodisch fehlerhaften Gleichstellung des empirischen Befundes der ausgeführten Bauleistung und normativen Bewertung einer erfüllungstauglichen Leistung vgl. oben 2. b) bb), S. 161 f. 67 Vgl. den Nachw. des Streitstandes bei Bischoff/Mauch (Fn. 59), 356 m. N. der Lit. 68 Zur Bedeutung dieser Erwägungen für die Vertragsgestaltung vgl. oben 2. b) bb), S. 161 f.

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4. Das Beschaffenheitsmerkmal der Wohnfläche Unzureichende Wohnflächenangaben in Erwerberverträgen und deren Folgen sind in den letzten Jahren mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des VII. Zivilsenats des BGH gewesen.69 Die verbreitete Praxis der Vertragsgestaltung, unklare Angaben zur Größe der geschuldeten Wohnflächen aufzunehmen oder auf eine Regelung der Wohnfläche zu verzichten, beruht regelmäßig auf der Initiative des Bauträgers, der damit Haftungsrisiken vermeiden möchte.70 Der BGH hat diese Art der Vertragsgestaltung in seinen Entscheidungen gegenüber den beurkundenden Notaren beanstandet. In allen Fällen hat der BGH, wie auch in seiner jüngsten Entscheidung,71 die angefochtenen Urteile der Oberlandesgerichte aufgehoben, weil sie die Verträge rechtsfehlerhaft zu Lasten der Erwerber ausgelegt haben.72 Die wirtschaftliche Abhängigkeit zahlreicher Notare von den Bauträgern und die Tendenz der Instanzgerichte, zu Lasten der Erwerber zu entscheiden, begünstigt Vertragsgestaltungen, die dazu dienen, die „Erwerber über Qualität der Ausstattung sowie über (die) Wohnfläche und deren Berechnungsmodus im Unklaren zu lassen“.73 Die jüngste Entscheidung des BGH vom 8.1.200474 zu Wohnflächen befasst sich im Unterschied zu den vorangehenden Entscheidungen75 nicht mit unklaren oder fehlenden Angaben zur Größe der Wohnfläche und zum Berechnungsmodus,76 sondern mit dem Versuch eines Bau____________

69 BGH, Urt. v. 21.1.1999 – VII ZR 398/97, BauR 1999, 648 = ZfBR 1999, 194 = ZfIR 1999, 347; Urt. v. 7.9.2000 – VII ZR 443/99, BGHZ 145, 121 = BauR 2001, 253 = ZfBR 2001, 93 = ZfIR 2001, 33 = IBR 2001, 64, 65 Quack = EWiR 2001, 461 Armbrüster; Urt. v. 22.12.2000 – VII ZR 310/99, BGHZ 146, 250 = BauR 2001, 391 = ZfBR 2001, 183 = NZBau 2001, 132 = ZfIR 2001, 111 = EWiR 2001, 181 Vogel = IBR 2001, 153 Schulze-Hagen = IBR 2001, 118, 119 Schwenker = ZIP 2001, 245 m. Anm. Grziwotz = MittBayNot 2001, 62 m. Anm. Basty; vgl. hierzu Wagner, WM 2001, 718, ders., ZfBR 2001, 363 Blank, ZfIR 2001, 85; vgl. auch Thode, Transparenzgebot und Bauträgervertrag, ZNotP 2004, 131. 70 Basty/Vogel, ZfIR 2004, 327. 71 BGH, Urt. v. 8.1.2004 – VII ZR 181/02 (Fn. 37). 72 Vgl. hierzu auch Thode (Fn. 69). 73 Schwenker, EWiR 2004, 539, 540. 74 Vgl. Fn. 71. 75 Vgl. die N. in Fn. 69. 76 Vgl. zu diesem Problem Basty (Fn. 5), Rz. 698 ff.; Pause (Fn. 56), Rz. 676 ff.; Koeble in: Grziwotz/Koeble (Fn. 6), 4. Teil Rz. 211 ff.; Riemenschneider in Grziwotz/Koeble (Fn. 6), 3. Teil Rz. 319 ff.; Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 411 f.

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trägers durch die Vertragsgestaltung eines vermutlich von ihm wirtschaftlich abhängigen Notars, auf Wohnflächenangaben im Vertrag zu verzichten. Diese Entscheidung bot dem BGH die Gelegenheit, auf eine derartige Vertragsgestaltung in einer Weise zu reagieren, die von Basty77 und Vogel78 zutreffend dahingehend beurteilt wird, dass diese Vertragspraxis „endgültig und zu Recht gescheitert ist“.79 a) Gegenstand des Urteils vom 8.1.2004 Der Kläger erwarb von der beklagten Bauträgergesellschaft fünf noch zu errichtende Wohnungen aufgrund eines notariell beurkundeten Vertrages, dem die Baubeschreibung und die Teilungserklärung beigefügt waren. Die Teilungserklärung verwies auf einen der Urkunde nicht beigefügten Aufteilungsplan. Die Preisanpassungsklausel des Vertrages sah vor, dass „baubedingte Wohnflächenverminderungen von bis 3 % keinen Einfluss auf das Entgelt“ haben sollen. Eine Vertriebsgesellschaft, die von der Beklagten damit beauftragt war, Verhandlungen mit Interessenten zu führen, beauftragte ihrerseits einen Makler, der dem Kläger einen Tag vor dem Vertragsschluss eine Liste mit den Wohnflächen und Quadratmeterpreisen überreichte. Zwei Jahre nach Vertragsabschluss übersandte die Beklagte dem Kläger eine Tabelle mit den Wohnflächen, aus der sich ergab, dass die Wohnflächen 11 % geringer waren, als in der Tabelle des Maklers. Der Kläger verlangt Rückzahlung eines Teils des Erwerbspreises sowie Erstattung zuviel gezahlter Maklercourtage und Grunderwerbsteuer. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Wohnungen seien nicht mangelhaft, weil die Parteien sich nicht über die Wohnflächen geeinigt hätten. b) Die zentralen Aussagen der Entscheidung Der BGH hat dieses Auslegungsergebnis des OLG als rechtsfehlerhaft beanstandet. Die Auslegung des OLG hätte zur Folge, dass der Vertrag unwirksam wäre, weil die Parteien sich über einen wesentlichen Punkt nicht geeinigt hätten. Das OLG habe auf der Grundlage seines Auslegungsergebnisses den Vertrag als wirksam angesehen und damit der Beklagten ermöglicht, unabhängig von der Vergütung über die Größe der ____________

77 Basty ist Notar in München. 78 Vogel ist Baurechtsanwalt in München. 79 Basty/Vogel, ZfIR 2004, 327.

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Wohnungen nach Belieben zu entscheiden. Eine Vereinbarung über die Wohnflächen der Wohnungen sei erforderlich, weil die Wohnflächen und deren Berechnungsgrundlage aus der Sicht des Erwerbers zu den zentralen Beschaffenheitsmerkmalen einer Wohnung gehören würden.80 Die für beide Vertragsparteien unerfreuliche Konsequenz der Unwirksamkeit des Vertrages vermeidet der BGH durch eine Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung der einseitigen Vorstellungen des Erwerbers bei Vertragsabschluss. Als hinreichende Andeutung des Willens der Parteien im Text der Urkunde, der für eine Auslegung notwendig ist,81 wertet der BGH die Preisanpassungsklausel für Minderflächen. Auch ohne diese Klausel wäre der von der Beklagten geschuldete funktionale Werkerfolg eine hinreichende Andeutung für eine Auslegung gewesen.82 Der Bauträger schuldet, wie jeder Werkunternehmer, als Werkerfolg ein zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignetes Objekt.83 Die Gebrauchstauglichkeit einer Wohnung setzt voraus, dass die Wohnung Wohnflächen hat. Im Rahmen der Auslegung rechnet der BGH die Erklärung und die Kenntnis des Maklers der Beklagen zu, mit der Folge, dass sie so gestellt wird, als habe sie die einseitigen Vorstellungen des Erwerbers von den Wohnflächen gekannt und in Kenntnis dieser Vorstellungen den Vertrag mit ihm abgeschlossen. Aufgrund dieser Wissenszurechnung hat der BGH die Möglichkeit eröffnet, die einseitigen, durch den Makler verursachten Vorstellungen84 des Erwerbers im Wege der Auslegung als vereinbarte Wohnfläche zu qualifizieren. Die einseitige Vorstellung einer Vertragspartei ist für die Bestimmung des Vertragsinhalts dann von Bedeutung, wenn der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden erkennt und in Kenntnis dieses Willens den Vertrag abschließt. ____________

80 So schon BGH, Urt. v. 7.9.2000 – VII ZR 443/99 (Fn. 69). 81 BGH, Urt. v. 12.7.1996 – V ZR 202/95, NJW 1996, 2792 = ZIP 1996, 1747 = EWiR 1996, 831 Geimer = IBR 1997, 39 Wagner; Staudinger/Wufka, BGB, Neubearb. 2001, § 313 BGB Rz. 224 m. w. N.; MünchKomm-Kanzleiter, BGB 4. Aufl. (2003), § 313 Rz. 64; Basty/Vogel, ZfIR 2004, 327, 328. 82 Zutreffend Basty/Vogel, ZfIR 2004, 327, 328. 83 BGH, Urt. v. 21.3.2001 – VII ZR 493/00, BGHZ 150, 226 = BauR 2002, 1385 = ZfBR 2002, 661 = NZBau 2002, 495 = ZfIR 2002, 631 m. Anm. Blank; zur Funktionalität des Werkerfolges vgl. i. E. Thode/Quack (Fn. 25), Rz. 38 ff., m. N. der Rspr. des BGH sowie die weiteren N. in Fn. 40. 84 BGH, Urt. v. 11.7.1997 – V ZR 246/96, NJW 1997, 2874 = BauR 1997, 1030 = ZfBR 1998, 23 = IBR 1997, 409, 410 Schulze-Hagen.

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c) Würdigung und Konsequenzen Der Fall veranschaulicht das hohe Risiko für beide Vertragsparteien, das durch fehlende Angaben zu den geschuldeten Wohnflächen im Erwerbervertrag begründet werden kann. Fehlt es an Umständen außerhalb der Urkunde, die es ermöglichen, die Wohnflächenangaben durch Auslegung zu ermitteln, dann ist der Vertrag materiell-rechtlich unwirksam. Die Entscheidung enthält, wie auch schon die Entscheidung vom 22.12.200085, implizit die Aufforderung an den beurkundenden Notar, einen Erwerbervertrag nur zu beurkunden, wenn die Vertragsparteien über die Wohnflächen und deren Berechungsgrundlagen hinreichende Angaben gemacht haben.86 Die Vorschläge im notariellen Schrifttum, in Fällen, in denen das Objekt bei Vertragsschluss bereits fertig gestellt ist,87 die Beschaffenheit des Objektes durch Bezugnahme auf die Verhältnisse in der Natur zu beschreiben,88 ist spätestens nach der Entscheidung vom 16.12.200489 mit den Vorgaben des BGH zur Leistungsbeschreibung hinsichtlich der Wohnflächenangaben in Erwerberverträgen unvereinbar.90

5. Sicherungen Im Berichtszeitraum hat der BGH in drei Entscheidungen seine bisherige Rechtsprechung zum Sicherungsumfang der Bürgschaft gemäß § 7 MaBV91 bestätigt und weiterentwickelt. In einer Entscheidung hat er erstmals zum Verhältnis der Sicherungsvereinbarung im Erwerber____________

85 BGH, Urt. v. 22.12.2000 – VII ZR 310/99 (Fn. 69). 86 Zu den Anforderungen an die Wohnflächenangaben vg. i. E. Schmidt (Fn. 24), ZfIR 2004, 411 ff. 87 Zu der methodisch und logisch fehlerhaften Gleichsetzung des empirischen Befundes mit der Erfüllungstauglichkeit der ausgeführten Bauarbeiten vgl. oben 2. b) bb), S. 161 f. 88 Vgl. die Nachw. in Fn. 34. 89 Vgl. oben Fn. 28. 90 Vgl. hierzu i. E. oben 4. 3. b), S. 171 f. 91 Zur Rspr. des BGH vgl. etwa Koeble in Koeble/Kniffka (Fn. 25), 11. Teil Rz. 346 ff.; Pause (Fn. 56), Rz. 350 ff.; Basty, Aktuelle Fragen zur Bürgschaft nach § 7 MaBV, DNotZ 2002, 567; Blank, Bürgschaft im Bauträgervertrag, ZfIR 2001, 785; Fischer, Reichweite der Bürgschaften nach der Makler- und Bauträger-Verordnung, WM 2003, 1 = ZNotP 2003, 122; Riemenschneider, Ausgewählte Probleme zur Bürgschaft gemäß § 7 MaBV, ZfIR 2002, 949; Vogel, BGH: Neue Urteile zur MaBV Bürgschaft, BTR 2002, 2.

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vertrag zur Bürgschaft gemäß § 7 MaBV Stellung genommen und entschieden, dass eine spezielle Freistellungserklärung als Wahlschuld zu qualifizieren ist. a) Sicherungsvereinbarung und Sicherungsumfang der Bürgschaft gemäß § 7 MaBV aa) Die Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH vom 21.1.2003 Der Erwerber eines sanierten Objektes hatte, gestützt auf die Bürgschaft, von der bürgenden Bank des Bauträgers Ersatz des Verzugschadens erlangt, der ihm durch die Überschreitung der vereinbarten Bauzeit entstanden ist. Der BGH hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, Verzugschäden würden vom Sicherungszweck der Bürgschaft nicht umfasst.92 Der BGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung, dass eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV sowohl Ansprüche des Erwerbers auf Ersatz von Aufwendungen für Mängelbeseitigung sichert als auch Ansprüche auf Rückgewähr der Vorauszahlung, die aus einer auf Mängel des Bauwerks gestützten Wandelung oder Minderung oder aus einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung resultieren.93 bb) Die Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH vom 11.3.2003 Der BGH hatte aufgrund einer zugelassenen Revision über eine vom Berufungsgericht abgewiesene Klage eines Erwerbers gegen die bürgende Bank zu entscheiden. Der Erwerber, dem die beklagte Bank eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV für die Vorauszahlung der Vergütung gestellt hatte, hat Mietausfallschäden geltend gemacht, die ihm infolge der verspäteten Fertigstellung des Wohn- und Gewerbeobjektes entstanden sind. Die Revision des Klägers ist erfolglos geblieben. Der BGH hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und entschieden, dass die Bürgschaft gemäß § 7 MaBV keine Ansprüche des Erwerbers auf Ersatz ____________

92 BGH, Urt. v. 21.1.2003 – XI ZR 145/02, ZfBR 2003, 357 = BauR 2003, 700 = ZfIR 2003, 234; vgl. hierzu Vogel, IBR 2003, 198 sowie Wagner, WuB I E 5. – 5.03. 93 BGH, Urt. v. 14.1.1999 – IX ZR 140/98, BauR 1999, 659 = ZfBR 1999, 140 = DNotZ 1999, 482 m. Anm. Basty = EWiR 1999, 941 Siegburg = EWiR 2000, 1147 Schmitz = EWiR 2002, 591 Vogel; Urt. v. 18.6.2002 – XI ZR 359/01, BGHZ 151, 147 = BauR 2002, 1547 = ZfBR 2003, 134 = NZBau 2002, 497 =BKR 2002, 769 m. Anm. Pause = EWiR 2002, 927 Rösler = WuB I E 5 – 6.02 Thode = IBR 2002, 485 Vogel; Urt. v. 22.11.2002 – XI ZR 393/01, BauR 2003, 243 = ZfBR 2003, 141 = ZfIR 2003, 58 m. Anm. Vogel = IBR 2003, 23, 769 Blank = EWiR 2003, 407 Rösler = WuB I E 5 – Wagner.

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von entgangenen Nutzungen sichert, die dem Erwerber durch die Überschreitung der vereinbarten Bauzeit entstanden sind.94 cc) Die Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH vom 27.1.2004 Der Entscheidung des BGH95 liegt eine singuläre Fallgestaltung zu Grunde, die das Berufungsgericht und den BGH dazu veranlasst haben, die Klage eines Erwerbers gegen die bürgende Bank als treuwidrig anzusehen. Die Entscheidung enthält einige Begründungselemente, die über den entschiedenen Fall hinaus von Bedeutung sind. Die Erwerber, die von einem Bauträger zwei Gewerbeeinheiten erworben haben, vereinbarten bei Vertragsschluss mündlich mit dem Bauträger, dass der Innenausbau der als Arztpraxis vorgesehenen Einheit erst erfolgen soll, wenn ein Mieter gefunden worden sei. In dem Erwerbervertrag war als Fertigstellungstermin der 31.3.1997 vereinbart. Die beklagte Bank, der die mündliche Nebenabrede nicht bekannt war, stellte eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV. Die Kläger zahlten die Vergütung. Aufgrund einer Fertigstellungsmitteilung der Bauleitung, die der Notar an die Erwerber weiterleitete, schickte der Notar die Bürgschaft an die Bank zurück. Die Erwerber, die den Innenausbau der Praxis nicht haben durchführen lassen, haben die Bank auf Rückzahlung eines Teilbetrages der gezahlten Vergütung mit der Begründung in Anspruch genommen, das Objekt sein noch nicht fertig gestellt. Der Sicherungsfall war dadurch eingetreten, dass der Bauträger in Vermögensverfall geraten war. Der BGH hat die Voraussetzungen des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB mit der Begründung verneint, dass eine Verlängerung der Ausführungsfrist nur dann eine Erweiterung der Hauptforderung zu Lasten des Bürgen im Sinne der Vorschrift zur Folge hat, wenn die entsprechende Vereinbarung zwischen dem Gläubiger und Schuldner der gesicherten Forderung nach der Annahme der Bürgschaftserklärung durch den Gläubiger erfolgt ist. Wird die Fälligkeit des Fertigstellungsanspruchs nach diesem Zeitpunkt hinausgeschoben, dann können die Voraussetzungen vorliegen, so dass der Bürge insoweit nicht haftet.

____________

94 BGH, Urt. v. 11.3.2003 – XI ZR 196/02, BauR 2003, 1220 = NJW-RR 2003, 959 = IBR 2003, 362 Vogel. 95 BGH, Urt. v. 27.1.2004 – XI ZR 111/03, BauR 2004, 1159 = NZBau 2004, 270 = EWiR 2004, 547 Häublein = IBR 2004, 254 Vogel.

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Einen Verstoß gegen Treu und Glauben hat der BGH mit der Erwägung bejaht, dass die Kläger durch die Nebenabrede das Bürgenrisiko ohne dessen Kenntnis erheblich erhöht hätten. dd) Die Entscheidung des VII. Zivilsenats des BGH vom 30.9.2004 Gegenstand der Entscheidung96 sind drei Grundsatzfragen zu den Sicherungen des Erwerbers in einem Erwerbervertrag: die Frage, unter welchen Voraussetzungen Ansprüche aus einer Aufhebungsvereinbarung durch eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV gesichert sind, die Akzessorietät der Bürgenhaftung im Verhältnis zur Sicherungsvereinbarung97 im Erwerbervertrag und die Rechtsnatur einer Freistellungserklärung, die eine Wahlschuld der Bank vorsieht.98 Die Entscheidung enthält eine Aussage zur zivilrechtlichen Bedeutung der MaBV, die über den entschiedenen Fall hinaus von erheblicher praktischer und rechtlicher Relevanz ist. Der BGH hat unter Hinweis auf seine Grundsatzentscheidung zur Rechtsnatur der MaBV und deren Verhältnis zum Vertragsrecht99 ausgeführt, dass die Wirkungen der MaBV sich auf das Gewerberecht beschränken,100 so dass sie nicht maßgeblich dafür sein kann, wie zivilrechtliche Willenserklärungen aus der Sicht des Erwerbers zu verstehen sind. Damit wendet sich der BGH gegen die ____________

96 BGH, Urt. v. 30.9.2004 – VII ZR 458/02, WM 2004, 2386 = ZfIR 2004, 983 m. Anm. Grziwotz = ZNotP 2005, 33 = BGHReport 2005, 87 Klose = IBR 2005, 19 Quack = IBR 2005, 90 Basty. 97 Zur Bedeutung der Sicherungsvereinbarung als Rechtsgrund für die Bürgschaft als Sicherungsmittel vgl. Blank (Fn. 5), Rz. 249 ff.: zum Erwerbervertrag; Kniffka in Kniffka/Koeble (F 25), 10. Teil, Rz. 76 ff.; Thode, Erfüllungsund Gewährleistungssicherheiten in innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Bauverträgen, ZfiR 2000, 165, 172; ders., Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Sicherungsabrede in Bauverträgen, ZfBR 2002, 4; verwirrend Riemenschneider (Fn. 6), 3. Teil Rz. 640: der Autor bezeichnet in einer eigenwilligen Terminologie die Vereinbarung zwischen Bürgen und Gläubiger über den Sicherungszweck der Bürgschaft und den Auftrag des Sicherungsgebers im Avalverhältnis an den Bürgen als Sicherungsvereinbarung. Als Rechtsgrund der Bürgschaft nennt er den Avalkreditvertrag zwischen dem Bauträger und der bürgenden Bank. Diese Aussage ist zumindest unvollständig, weil der Rechtgrund für die Hingabe der Bürgschaft im Verhältnis des Bauträgers zum Erwerber die Sicherungsvereinbarung im Erwerbervertrag ist. Der Autor hat vermutlich das Avalverhältnis mit der Sicherungsvereinbarung im Erwerbervertrag verwechselt. 98 Vgl. hierzu i. E. unten 5.b), S. 179 f. 99 BGH, Urt. v. 22.12.2000 – VII ZR 310/99 (Fn. 69). 100 Quack, IBR 2005, 19.

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nach wie vor verbreitete Neigung, „die gewerberechtlichen Regelungen der MaBV auf das Zivilrecht übergreifen zu lassen“.101 Im Hinblick auf diesen Hinweis des BGH führt die Übernahme normativer Begriffe aus der MaBV in den Erwerbervertrag oder die Freistellungserklärung zu unklaren Regelungen und zu einem kaum kalkulierbaren Auslegungsrisiko für beide Vertragsparteien des Erwerbervertrages und für die durch die Globalgrundschuld gesicherte Bank. Der Entscheidung lag, vereinfacht, folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin erwarb von einem zwischenzeitlich insolventen Bauträger eine noch zu errichtende Eigentumswohnung für ca. 386.000 DM. Die Klägerin zahlte kurz nach Vertragsschluss ca. 373.000 DM, die Fälligkeitsvoraussetzungen des vereinbarten Ratenplans lagen nicht vor, eine Vorauszahlung gegen eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV war nicht vereinbart. Einige Monate nach der Zahlung stellte die beklagte Bank fünf Bürgschaften gemäß § 7 MaBV über eine Summe von insgesamt ca. 256.000 DM. Die beklagte Bank hatte eine Freistellungserklärung nach Muster der Bundesnotarkammer102 abgegeben. Nachdem der Bauträger insolvent geworden war, schloss die Klägerin mit dem Bauträger einen Aufhebungsvertrag, in dem sich der Bauträger verpflichtete, die geleistete Vergütung zurückzuzahlen. Die Klägerin verlangt von der Bank, gestützt auf die Bürgschaften und die Freistellungserklärung, die Rückzahlung der geleisteten Vergütung. Die beklagte Bank wendet ein, es fehle an einer Sicherungsvereinbarung zwischen Erwerberin und Bauträger, die Bürgschaft sichere keine Rückzahlungsansprüche aufgrund eines Aufhebungsvertrages und die Freistellungserklärung sei durch den Aufhebungsvertrag hinfällig geworden. (1) Der Einwand der fehlenden Sicherungsvereinbarung Die Entscheidung des BGH über den Einwand der beklagten Bank beruht auf einer für die Revisionsinstanz typischen Situation, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht geklärt war. Da in der Revisionsinstanz nicht geklärt war und nicht geklärt werden konnte, ob die nachträgliche Übergabe der Bürgschaften auf einer nachträglichen Sicherungsvereinbarung der Vertragsparteien beruhte, hat der BGH für den Fall, dass eine Sicherungsvereinbarung nicht getroffen worden war, dem Bauträger den Einwand auf die fehlende Sicherungsvereinbarung mit im wesentlich folgenden Erwägungen versagt: ____________

101 Quack, IBR 2005, 19. 102 Abgdr. DNotZ 2002, 402 f.

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Der Bauträger habe die Zahlung der Klägerin entgegengenommen, obwohl die dafür erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 3 Abs. 2 MaBV oder gemäß § 7 MaBV nicht vorgelegen hätten. Durch die von der Beklagten gestellten Bürgschaften gemäß § 7 MaBV habe der Bauträger bei der Klägerin den Endruck erweckt, dass ihr etwaiger Rückforderungsanspruch zu einem erheblichen Anteil in der durch die MaBV vorgesehenen Weise gesichert sei. Der Bauträger würde sich widersprüchlich verhalten, wenn er die Bürgschaften heraus verlangen würde. Der beklagten Bank hat der BGH den Einwand der fehlenden Sicherungsvereinbarung mit der Begründung gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB versagt, sie könne sich nicht auf Einwände berufen, die dem Schuldner nicht zustehen würden. Die Begründung des BGH birgt die Gefahr, dass ihr eine Bedeutung zu gemessen wird, die ihr im Hinblick auf ihren beschränkten Aussagewert für die Entscheidung nicht zukommt. Die Begründung beruht implizit auf den vom BGH entwickelten Grundsätzen, dass der Bürge, der eine Bürgschaft erteilt, um die zwischen Hauptschuldner und Gläubiger getroffene Sicherungsvereinbarung zu erfüllen, sich grundsätzlich auf die Unwirksamkeit der Sicherungsvereinbarung berufen kann.103 Mit dieser Begründung hat der BGH nicht mittelbar über die in der Literatur vertretenen Ansicht entschieden, dass eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV auch den Rückzahlungsanspruch des Erwerbers gegen den Bauträger gemäß § 812 Abs. 1 BGB in den Fällen sichert, in denen entweder der gesamte Erwerbervertrag oder die Sicherungsvereinbarung einschließlich der Vorauszahlungsvereinbarung unwirksam ist.104 Diese Frage ist nach wie vor höchstrichterlich nicht geklärt. Die Entscheidung bietet keine Grundlage für die Vermutung, der BGH habe seine vorläufige Ansicht bestätigt, eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bauträgers sei wirksam, die vorsieht, dass die Vergütung unabhängig vom Bautenstand fällig wird, wenn der Bauträger ____________

103 BGH, Urt. v. 10.2.2000 – IX 397/98, BGHZ 143, 381 = BauR 2000, 887 = ZfBR 2000, 260 = EWiR 2000, 619 Büchler = WuB I F 1a – 15.00 Horn = IBR 2000, 230 Blauertz = IBR 2000, 231, 269 Boldt; Urt. v. 8.3.2001 – IX ZR 236/00, BGHZ 147, 99 = BauR 2001, 1093 = ZfBR 2001, 452 = EWiR 2001, 617 Tiedtke = IBR 2001, 306, 307, 308 Schmitz; vgl. hierzu Fischer (Fn. 91), ZNotP 2003, 122, 126. 104 Fischer (Fn. 91) ZNotP 2003, 122, 126; Pause (Fn. 56), Rz. 355; eine Bürgschaft für ein Darlehen, dem ein sittenwidriger Darlehensvertrag zugrunde lag, hat der BGH auf Bereichungsansprüche erstreckt: BGH, Urt. v. 21.11.1991 – IX ZR 60/91, NJW 1992, 1234 = WM 1992, 135 = ZIP 1992, 168.

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eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV stellt.105 Zu dieser Frage enthält die Entscheidung keine Aussage, so dass die für die Praxis bedeutsame Frage, ob eine derartige Klausel einer Inhaltskontrolle standhält, nach wie vor nicht geklärt ist.106 (2) Rückzahlungsanspruch aufgrund eines Aufhebungsvertrages Der BGH hat entschieden, dass der Rückgewährsanspruch der Erwerberin, der auf dem Aufhebungsvertrag beruht, durch eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV gesichert wird, wenn zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages die Voraussetzungen des § 326 BGB vorlagen. Die Antwort des BGH auf die vorrangige Frage, ob die Bürgschaft gemäß § 7 MaBV den Rückgewährsanspruch nach einem Rücktritt gemäß § 326 BGB sichert, ist eine Konkretisierung der bisherigen Rechtsprechung, nach der Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung durch eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV gesichert sind.107 Die Erstreckung der Bürgenhaftung auf einen Rückgewährsanspruch, der durch einen Aufhebungsvertrag begründet worden ist, der unter den genannten Voraussetzungen abgeschlossen worden ist, ist im Hinblick auf die vom Bürgen übernommene Haftung nur folgerichtig. Für die Haftung des Bürgen besteht kein relevanter Unterschied, ob der Rückgewährsanspruch durch einen Rücktritt gemäß § 326 BGB begründet wird, oder durch einen Aufhebungsvertrag, der zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wird, in dem die Voraussetzungen des § 326 BGB vorlagen. Unter dieser ____________

105 Diese vorläufige Ansicht hat der BGH seinem Vorlagebeschl. v. 2.5.2002 – VII ZR 178/01, BauR 2002, 1390 = ZfBR 2002, 671 = NZBau 2002, 754 = EWiR 2002, 591 Vogel, zugrunde gelegt. Eine abschließende Entscheidung wird nicht erfolgen, weil die Klägerin auf einen rechtlichen Hinweis des Senats ihre Revision zurück genommen hat; vgl. hierzu Basty, Keine Vorauszahlungen gegen Bürgschaft nach § 7 MaBV, DNotZ 2005, 94 sowie Vogel IBR 2005, 156. 106 Die Schlussfolgerung von Grziwotz, ZfIR, 2004, 985, der BGH habe sich mit dem Vorlagebeschluss und mit dieser Entscheidung der Ansicht angeschlossen, dass die Bürgschaft gemäß § 7 MaBV im Vergleich zu dem Ratenmodell gemäß § 3 Abs. 2 MaBV die für den Erwerber bessere Lösung sei, ist unzutreffend. 107 BGH, Beschl. v. 2.5.2002 – VII ZR 178/01 (Fn. 105); Urt. v. 18.6.2002 – XI ZR 359/01, BGHZ 151, 147 = BauR 2002, 1547 = ZfBR 2003, 134 = NZBau 2002, 497 = ZfIR 2002, 626 = BKR 2002, 769 m. Anm. Pause = EWiR 2002, 927 Rösler = IBR 2002, 772 Vogel = WuB I E 5 – 6.02 Thode; so schon Basty, Aktuelle Ergänzung zur 4. Aufl. (2002), Rz. 100; Pause (Fn. 56), Rz. 352 m. w. N. sowie Fischer (Fn. 91), ZNotP 2003, 122, 123.

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Voraussetzung führt der Aufhebungsvertrag nicht zu einer gemäß § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB unzulässigen Erweiterung der Bürgenhaftung. b) Die Freistellungserklärung Die Freistellungserklärung gehört zu den rechtlichen Instrumenten der MaBV und des Erwerbervertrages, die mit mehreren durch den BGH bisher nicht geklärten Fragen belastet ist.108 An dieser Situation hat sich durch die beiden Entscheidungen,109 mit denen der BGH erstmals zu zwei sprachlich unterschiedlich gefassten Freistellungserklärungen Stellung genommen hat, wenig geändert. aa) Das Urteil des BGH vom 30.9.2004 In seiner Entscheidung vom 30.9.2004110 hat der BGH sich erstmals zur Rechtsnatur einer speziellen sprachlichen Fassung einer Freistellungserklärung geäußert.111 Die Aussagen der Entscheidung beschränken sich auf die Auslegung des von der Bundesnotarkammer in Zusammenarbeit mit dem deutschen Sparkassen- und Giroverband und dem Verband deutscher Hypothekenbanken herausgebenden Muster eines Freigabeversprechens.112 Die Entscheidung enthält keinen Hinweis darauf, dass der BGH der Ansicht ist, die MaBV schreibe eine Freistellungsverpflichtungserklärung vor, die der Bank eine Ersetzungsbefugnis einräumt.113 Der BGH hat die Freistellungsverpflichtungserklärung aufgrund der Wortwahl und der textlichen Gestaltung als Wahlschuldverhältnis ausgelegt und eine mögliche Deutung als Ersetzungsbefugnis verneint. Diese negative Aussage im Kontext der Auslegung dient ausschließlich dazu, eine Auslegung als Ersetzungsbefugnis abzulehnen. Damit hat der BGH sich weder dazu geäußert, ob die Ausgestaltung der Erklärung als Ersetzungsbefugnis den Anforderungen der MaBV entspricht, noch hat ____________

108 Vgl. etwa Basty (Fn. 5), Rz. 285 ff.; Pause (Fn. 56), Rz. 259 ff.; Schmucker in Koeble/Grziwotz (Fn. 6), 3. Teil, Rz. 452 ff.; Grziwotz, Das Freigabeversprechen – Sicherheitsrisiko im Bauträgervertrag, BauRB 2004, 246; ders., ZfIR 2004, 985, 986. 109 BGH, Urt. v. 30.9.2004 – VII ZR 458/02 (Fn. 96); Urt. v. 10.2.2005 – VII ZR 184/04 (Fn. 49). 110 BGH, Urt. v. 30.9.2004 – VII ZR 458/02 (Fn. 96). 111 Zum Sachverhalt vgl. oben 5.a)dd), S. 176. 112 DNotZ 2002, 402 f. 113 A. A. und insoweit unzutreffend Grziwotz, ZfIR 2004, 985; zur Freistellungsverpflichtungserklärung als Ersetzungsbefugnis vgl. etwa Schmucker in Koeble/Grziwotz (Fn. 6), 3. Teil, Rz. 490 ff.

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er ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen eine derartige Erklärung als Ersetzungsbefugnis ausgelegt werden kann und ob eine Ersetzungsbefugnis eine hinreichende Kompensation für den Verlust des Freistellungsanspruchs ist.114 Die Bedeutung der Auslegung der Freistellungsverpflichtungserklärung entsprechend dem Muster der Bundesnotarkammer ist für die Praxis, vor allem für bereits abgeschlossene Verträge, erheblich. In der bisherigen Vertragspraxis sind eine Vielzahl von Verträgen und Freistellungsverpflichtungserklärungen nach diesem Muster oder nach Mustern formuliert worden, die sich an der Wortwahl des Musters der Bundesnotarkammer orientieren. In diesen Fällen eröffnet die Entscheidung des BGH den Erwerbern die Möglichkeit, sich durch Kündigung, Rücktritt oder den großen Schadensersatz aus dem Erwerbervertrag zu lösen und die Bank aus der Wahlschuld auf Rückzahlung der gezahlten Vergütung in Anspruch zu nehmen. bb) Das Urteil vom 10.2.2005 In dem Rechtsstreit115 hat der Erwerber seinen Rückzahlungsanspruch gegen die Globalbank, die gegenüber dem Erwerber eine Freistellungserklärung abgegeben hatte, unter anderem auf die Freistellungserklärung gestützt.116 Der BGH hat einen Anspruch des Erwerbers gegen die Bank aus der Freistellungserklärung im Unterschied zu der Entscheidung vom 30.9.2004 mit folgenden Erwägungen verneint: Die Freistellungsverpflichtung der Bank sei gegenstandslos, weil dem Erwerber aufgrund der Formunwirksamkeit des Erwerbervertrages kein Anspruch auf Auflassung zustehe.117 Die Freistellungserklärung sei sprachlich so abgefasst, dass sie keine Wahlschuld der Bank begründe. In der Freistellungserklärung habe sich die Bank lediglich verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen auf das Grundpfandrecht zu verzichten, das für sie eingetragen sei. Diese Verpflichtung solle entfallen, wenn die Bank die erhaltenen Beträge zurückzahle.

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114 Vgl. hierzu mit der Darstellung des Streitstandes Grziwotz, ZfIR 2004, 985, 986 m. w. M. 115 Zum Sachverhalt vgl. i. E. oben 2.c). 116 Die zweite Anspruchsgrundlage ist § 812 Abs. 1 BGB; vgl. dazu unten 6, S. 181 f. 117 BGH, Urt. v. 5.4.2001 – VII ZR 498/99, BauR 2001, 1097 = ZfBR 2001, 404 = NZBau 2001, 388 = ZfIR 2001, 546 m. Anm. Vollmer = EWiR 2001, 885 Grziwotz = WuB IV A § 157 BGB 1.01 Moritz = IBR 2001, 314 Vogel.

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6. Der Bereicherungsanspruch des Erwerbers Der BGH hatte in seinem Urteil vom 10.2.2005118 erstmals darüber zu entscheiden, ob dem Erwerber, der aufgrund eines nichtigen Erwerbervertrages die Vergütung auf ein Konto der Globalbank des Bauträgers, an die der Bauträger die Vergütungsforderung abgetreten und die gegenüber dem Erwerber eine Freistellungserklärung abgegeben hatte,119 ein Bereichungsanspruch zusteht. Das OLG Frankfurt120 hatte einen Bereicherungsanspruch mit der Begründung verneint, die Rückabwicklung der geleisteten Zahlung sei nur im Leistungsverhältnis zwischen dem Erwerber und dem zahlungsunfähigen Bauträger möglich. Der BGH hat die Zahlung des Erwerbers als Leistung auch an die Bank gewertet, weil der Erwerber aus der maßgeblichen Sicht der Bank einen eigenen Leistungszweck gegenüber der Bank verfolgt.121 Der Leistungszweck gegenüber der Bank ergibt sich aus der Freistellungserklärung, die den Anspruch des Erwerbers unter den in der Erklärung genannten Voraussetzungen auf Lastenfreistellung begründet. Diesen weiteren Zweck kann der Erwerber nur erreichen, wenn er den Erwerbspreis an die Bank zahlt. Der Erwerber hat folglich mit seiner Zahlung neben der Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtung als weiteren Zweck den lastenfreien Erwerb der Eigentumswohnung verfolgt. Der BGH überprüft dieses Ergebnis an Hand der Risikoverteilung zwischen der Bank und dem Erwerber aufgrund der Konzeption des Erwerbervertrages. Durch die Freistellungserklärung der Bank soll der Erwerber vor dem Risiko geschützt werden, das ihm dadurch entsteht, dass er den Erwerbspreis bereits zu einem Zeitpunkt zahlen muss, in dem er noch nicht Eigentümer ist. Durch die Freistellungserklärung soll dem Erwerber die Möglichkeit eröffnet werden, auch dann lastenfreies Eigentum zu erhalten, wenn der Bauträger insolvent und das Bauvorhaben daher nicht oder nicht vollständig durchgeführt wird. Die Bank ist im Fall der Insolvenz des Bauträgers durch die Grundschuld gesichert. Durch die Freistellungserklärung wird verhindert, dass die Bank im Falle der Insolvenz des Bauträgers durch die Grundschuld gesichert bleibt und zugleich die Zahlungen des Erwerbers behalten kann. ____________

118 BGH, Urt. v. 10.2.2005 – VII ZR 184/04 (Fn. 49). 119 Zum Sachverhalt vgl. i. E. oben 2.c). 120 OLG Frankfurt, Urt. v. 4.2.2004 – 23 U 73/03, NJW-RR 2004, 544 = BauRB 2004, 225 m. Anm. Grziwotz = IBR 2004, 320 Vogel. 121 Vgl. BGH, Urt. v. 21.1.2004 – III ZR 38/04, NJW 2005, 60.

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7. Gewährleistungsansprüche des Erwerbers Erwähnenswert ist lediglich eine Entscheidung des OLG Stuttgart122, die durch die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde123 des Insolvenzverwalters, der von dem Erwerber die Löschung der Vormerkung verlangt hatte, rechtskräftig geworden ist. Die Entscheidung, mit der das OLG einen typischen Fall der Leistungsstörung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH entschieden hat, ist deshalb bedeutsam, sie mittelbar die Risiken verdeutlicht, die ein Erwerber eingeht, wenn er eines der ihm zustehenden Gestaltungsrechte ausübt.124 Das OLG hatte – vereinfacht – über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Erwerber einer Eigentumswohnung, für den eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden war, zahlte die letzte so genannte Rate nicht, weil das Objekt mehrere Mängel aufwies. Der Erwerber verlangte von dem Bauträger, nachdem er den Bauträger vergeblich unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zur Mängelbeseitigung aufgefordert hatte, die Rückabwicklung des Erwerbervertrages im Wege des großen Schadensersatzes. Der Bauträger wurde insolvent. Der Erwerber nahm daraufhin Abstand von seinem Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages und verlangte von dem Insolvenzverwalter die Auflassung. Der Insolvenzverwalter hat von dem Erwerber die Löschung der Vormerkung mit der Begründung verlangt, durch die Entscheidung des Erwerbers für den großen Schadensersatz sei der Erwerbervertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt worden und der Eigentumsverschaffungsanspruch des Erwerbers untergegangen. Das OLG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Rechtsfolgen der Rückabwicklung seien nicht eingetreten, weil weder der Bauträger noch der Insolvenzverwalter der Rückabwicklung zugestimmt hätten, so dass dem Erwerber der durch die Vormerkung gesicherte Eigentumsverschaffungsanspruch noch zustehe.

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122 OLG Stuttgart, Urt. v. 18.8.2003 – 5 U 62/03, BauR 2004, 1349 (Ls.) = OLKR Stuttgart 2004, 556 = IBR 2004, 321 Schmitz. 123 BGH, Beschl. v. 25.3.2004 – VII ZR 254/03. 124 Vgl. hierzu i. E. Thode, Die Vormerkungslösung im Bauträgervertrag und die Gestaltungsrechte des Erwerbers, in: Schröder (Hrsg.), Der Bauträgervertrag in der notariellen Praxis (Fn. 24), S. 23 = ZNotP 2004, 210.

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Die Beschwerde des Insolvenzverwalters gegen die Nichtzulassung der Revision war schon deshalb aussichtslos, weil die Entscheidung des OLG der Rechtsprechung des BGH entspricht.125 Verlangt der Erwerber großen Schadensersatz, dann wird der Vertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt, wenn der andere Vertragspartner der Abwicklung zustimmt oder er rechtskräftig zum großen Schadensersatz verurteilt worden ist.126 Vorher kann der Erwerber seine Wahl ändern und dadurch die Umwandlung des Vertrages in ein Rückabwicklungsverhältnis sowie den Verlust des Eigentumsverschaffungsanspruchs verhindern. Wenn die Entscheidung des Erwerbers für den großen Schadensersatz endgültig geworden ist und damit sein Wahlrecht nicht mehr besteht, dann entfällt der Eigentumsverschaffungsanspruch des Erwerbers, er verliert die Sicherung der Vormerkung. Diese Rechtsfolgen treten auch ein, wenn die vom Erwerber gemäß § 326 BGB a. F. gesetzte Frist abgelaufen127 oder die von ihm erklärte Wandelung vollzogen und damit für beide Vertragsparteien bindend ist.128 Nach neuem Recht führen die Gestaltungsrechte des Erwerbers, wenn er sie ausübt, im Unterschied zum alten Recht, unmittelbar zur Umwandlung des Vertragsverhältnisses in ein Rückgewährsschuldverhältnis,129 so dass der Eigentumsverschaffungsanspruch erlischt. Die Gestaltungsrechte des Erwerbers nach altem Recht, soweit das Wahlrecht entfallen ist, und nach neuem Recht führen dazu, dass er mit dem Eigentumsverschaffungsanspruch die Sicherung durch die Vormerkung und den Anspruch auf Freistellung gegenüber der Bank verliert. Damit wird für ihn das Risiko begründet, dass er für die geleisteten Zahlungen keine oder keine adäquate Gegenleistung erhält und im Insolvenzfall mit etwaigen Ansprüchen auf Rückzahlung oder mit ____________

125 BGH, Urt. v. 25.3.1982 – VII ZR 175/81, NJW 1982, 1512; MünchKommSoergel, 3. Aufl., § 635 Rz. 29; Hdb. priv. BauR (Merl), 2. Aufl. (1997), § 12 Rz. 455; Staudinger/Peters (2000), § 635 Rz. 3, Thode (Fn. 124), ZNotP 2004, 212. 126 Vgl. die Nachw. in Fn. 125. 127 BGH, Urt. v. 5.4.2001 – VII ZR 498/99 (Fn. 117). 128 BGH, Urt. v. 8.11.2001 – VII ZR 373/99, NJW 2002, 511 = BauR 2002, 310 = ZfBR 2002, 244 = NZBau 2002, 89 = IBR 2002, 18 Wellensiek = EWiR 2002, 269 Wenner. 129 Hdb. priv. BauR (Merl), 3. Aufl. (2005), § 12 Rz. 432; Voit in Bamberger/ Roth, BGB (2003), § 636 Rz. 32; Schwenker in Erman, BGB (2004), § 636 Rz. 18; Thode (Fn. 124), ZNotP 2004, 212.

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Gewährleistungsansprüchen hinsichtlich der vom Bauträger bereits erbrachten mangelhaften Bauleistungen ausfällt. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Insolvenz des Bauträgers hat er, abgesehen von dem Sonderfall einer vertraglichen Vereinbarung, keine rechtliche Möglichkeit, Eigentümer zu werden. Wenn ihm das Objekt bereits übergeben worden ist und es von ihm genutzt wird, kann der Bauträger oder der Insolvenzverwalter die Herausgabe verlangen. Die Folgen können für den Erwerber Existenz vernichtend sein, ihn treffen nicht nur die wirtschaftlichen Nachteile aus dem gescheiterten Erwerbervertrag, er muss auch das zur Finanzierung aufgenommene Darlehen zurückführen.130 Im Hinblick auf diese Risiken, die für den Erwerber mit der Ausübung eines der ihm eingeräumten Gestaltungsrechte verbunden sind, bestehen beachtliche Zweifel daran, ob die herkömmliche Vertragsgestaltung des Erwerbervertrages, vor allem die Verbindung des späten Eigentumsüberganges mit den als Raten bezeichneten Vorauszahlungen des Erwerbers einer Inhaltskontrolle nach dem autonomen Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in Verbraucherverträgen nach der Klauselrichtlinie (§ 310 Abs. 3 BGB n. F.) stand hält.131

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130 Thode (Fn. 124), ZNotP 2004, 212. 131 Vgl. hierzu i. E. Thode (124), ZNotP 2004, 210.

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