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English Pages 206 [217] Year 2009
Schwarze Löcher
Gegen Wissenslöcher
Andreas Müller
Schwarze Löcher Die dunklen Fallen der Raumzeit
Reihe Astrophysik aktuell: Herausgegeben von Andreas Burkert, Harald Lesch, Nikolaus Heckmann, Helmut Hetznecker mit Unterstützung des Harvard Club München e.V. Autor Dr. Andreas Müller Technische Universität München Exzellenzcluster Universe Boltzmannstraße 2 85748 Garching
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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Planung und Lektorat: Katharina Neuser-von Oettingen, Stefanie Adam Herstellung: Detlef Mädje Umschlaggestaltung: wsp design Titelfotografie: NASA / A. Müller Satz: Crest premedia solutions, Pune, India ISBN 978-3-8274-2070-1
Vorwort
Sie halten hier ein Buch in den Händen, das vom finstersten Abgrund berichtet, einem ungeheuren Schlund, einer nach unserer Anschauung aberwitzigen, schon fast absurden Erscheinung, die von der gleichen Kraft herrührt, die Sie, ja Sie, auf diesem Planeten festhält. Es ist übrigens auch die Kraft, die die Planeten dazu zwingt, die Sonne zu umkreisen und dafür sorgt, dass die Luft den Planeten Erde nicht verlässt. Es geht um Schwarze Löcher, dem ultimativen Endzustand der Materie im Universum, und es geht um die Schwerkraft, die Gravitation. Sie ist zwar die schwächste aller Kräfte, aber zugleich doch die unbestrittene Königin. Nichts im Kosmos, das mit Masse behaftet ist, kann sich ihrem Einfluss entziehen. Die Gravitation ist die einzige Kraft, gegen die kein „Kraut gewachsen ist“, denn sie kann nicht abgeschirmt werden. Sie wirkt immer, und sie wirkt überall. Die anderen, fundamentalen Kräfte sind entweder durch zwei elektrische Ladungsarten (positiv und negativ) charakterisiert, die sich gegenseitig neutralisieren können, oder sie wirken, wie die beiden Kernkräfte, nur auf allerwinzigsten Raumbereichen. Die Schwerkraft ist immer attraktiv, also anziehend, und kann im Universum riesige Mengen an Gas zusammenziehen und immer weiter verdichten. Und im Grunde sind die Schwarzen Löcher das finale Resultat der ungebremsten Wirkung der Schwerkraft. Wenn
VI Vorwort
keine andere Kraft mehr der Schwerkraft „die Stirn bieten kann“, dann kollabiert Materie zu einem Schwarzen Loch. Schwarze Löcher entstehen, wenn große Sterne am Ende ihres Lebens, wenn alle Kernfusionsprozesse im Kern des Sterns abgebrannt sind und keine Freisetzung von Kernenergie den endgültigen Zusammenfall der Materie mehr bremsen kann. Schwarze Löcher sind das Ende der Materie, sie stellen eine Grenze im Universum dar und zugleich auch eine Grenze der Astrophysik. Man kann nämlich auf einfache Weise ausrechnen, wie viel Masse in einem Volumen versammelt sein muss, bis keine Information mehr aus dem Raumbereich entweichen kann. Dieser so genannte Schwarzschild-Radius, der für eine Sonnenmasse, immerhin 300.000 Erdmassen, gerade einmal drei Kilometer beträgt, stellt die Grenze dar. Was sich dahinter verbirgt, bleibt den noch so geübten Blicken der Teleskope und Satelliten für immer verborgen. Niemand wird je erfahren, was sich hinter dieser Grenze abspielt. Grenzen sind für uns Menschen immer eine Herausforderung, vor allem sie zu überschreiten – Grenzen provozieren unsere Vernunft. Eine der großen Leistungen der menschlichen Vernunft stellen die Naturwissenschaften dar. Diejenige unter ihnen, die Physik, die die härtesten Qualitätstests ihrer Hypothesen und Modelle durchführt, kann heutzutage zugleich die Grenzen der menschlichen Erkenntnis definieren. In einem bemerkenswert erfolgreichen Verfahren von Hypothesenüberprüfung durch Experimente und Beobachtung weist die Physik Grenzen der Überprüfung von Ursache und Wirkung auf, die nicht mehr überschritten werden können. Es steht aber die Suche nach Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen gerade im Mittelpunkt einer jeden wissenschaftlichen Untersuchung. Wir möchten gerne wissen, was die Welt ist und warum sie so ist, wie sie ist. Können wir keine Experimente und Beobachtungen mehr machen, dann ist uns der einzige Informationskanal astrophysikalischer Forschung verschlossen.
Vorwort
VII
Dabei geht es nicht um unsere Unfähigkeit, alles noch genauer zu untersuchen, sondern die Grenzen der physikalischen Welt sind im wahrsten Sinne des Wortes fundamental und grundsätzlich. Es stellt sich heraus, dass die prinzipielle Begrenzung der materiell-energetischen Welt zugleich die Bedingung für die Existenz dieser Welt darstellt. Zusammen mit den quantenmechanischen Feldtheorien lassen sich die Gründe für die Stabilität der Materie und den Beginn des Universums angeben. Die Physik muss diese Grenzen fordern. Schwarze Löcher sind so eine Grenze; da aus ihnen noch nicht einmal elektromagnetische Strahlung entkommen kann, sind unseren Beobachtungsmöglichkeiten ganz klare Riegel vorgeschoben. Einzig erlaubt sind Spekulationen darüber, ob die Theorien, die wir über die Welt haben – die, die vier fundamentalen Kräfte und ihre Wirkungen beschreiben – ob diese mathematischen Modelle auch im Schwarzen Loch noch Gültigkeit haben. Aber eine empirische Bestätigung davon werden wir wahrscheinlich nie bekommen können. Wenn die Schwarzen Löcher doch so strikte Grenzen darstellen, wovon handelt dann dieses Buch? Es erzählt die fantastische Geschichte der extremsten Objekte im All, die zwar nichts mehr hergeben, aber ihre unmittelbare Umgebung derart stark beeinflussen, indem sie Gas und Sterne vermittels ihrer enormen Schwerkraftwirkung beschleunigen. Beschleunigtes Gas fängt an, sich aufzuheizen und zu strahlen. Beschleunigte Sterne rasen durchs Universum. Beide Phänomene lassen sich sehr gut beobachten. In den Zentren so mancher großer Galaxien „sitzen“ riesige Schwarze Löcher – Monster, die aus vielen Millionen und sogar Milliarden Sonnenmassen bestehen. Sie beschleunigen so viel Gas, dass aus einem Gebiet so groß wie der Abstand zwischen Erde und Sonne so viel Strahlung kommt, wie sie sonst nur von Billionen Sternen freigesetzt wird. Aber auch in unserer Milchstraße gibt es Schwarze Löcher, die kaum größer sind als die Stadt München und doch durch enorme Strahlungsleistungen auffallen. Sie entreißen ihrem stellaren Begleiter das Gas seiner
VIII Vorwort
Hüllen, beschleunigen es und bringen es dazu, elektromagnetische Strahlung abzugeben. Bevor das erhitzte Material dann für immer im Schlund des Lochs verschwindet, blitzt es zu allerletzt im Bereich der Röntgenstrahlung auf und gibt seinen „Todesschrei“ ab. Bevor ich jetzt noch pathetischer werde, fangen Sie an, das Buch lesen. Andreas Müller ist es hervorragend gelungen, von einer Welt zu berichten, die zum absoluten Faszinosum der Astrophysik gehört. Übrigens zu keinem anderen Thema werden mehr Fragen an Astronomen gestellt als zu Schwarzen Löchern. Sie werden nach der Lektüre dieses Buches sicher nicht mehr zu den Fragenden gehören. Ganz viel Vergnügen beim Spaziergang durch den Zoo der Monster. Harald Lesch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
V
1.
Einführung
1
2.
Eigenschaften und Struktur Schwarzer Löcher
7
2.1 Raum + Zeit = Raumzeit
7
2.2 Schwarze Löcher haben keine Haare
8
2.3 Ereignishorizont
9
2.4 Singularitäten
13
2.5 Der Zug der rotierenden Raumzeit
16
2.6 Charakteristische Bahnen um das Schwarze Loch
18
3.
Schwarze Löcher in der Astronomie
23
3.1 Gravitationskollaps und Sternexplosionen
23
3.2 Verschlucken von Materie und Licht
31
3.3 Der Tanz von Loch und Nachbarstern
41
3.4 Gammastrahlenausbrüche
47
3.5 Die hellsten Röntgenstrahler im Kosmos
56
X Inhaltsverzeichnis
3.6 Schwarze Löcher in Galaxienzentren
61
3.7 Kosmologie mit Schwarzen Löchern
94
4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
99
4.1 So sieht ein Schwarzes Loch aus
99
4.2 Um das Loch bewegte Himmelskörper
111
4.3 Verbogene Spektrallinien
113
4.4 Ein gefüttertes Loch verrät sich
119
4.5 Explosive Spur eines Loches
120
4.6 Ein Foto von der Schwärze des Lochs
125
4.7 Löcher verzerren ein Bild
129
4.8 Löcher beeinflussen die Zeit
131
4.9 Wellen in der Raumzeit
132
5.
139
Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie
5.1 Wärmelehre nach Hawking & Co.
139
5.2 Gravitation in Quantenform
148
5.3 Gibt es klassische Schwarze Löcher?
163
6.
183
Ausblicke
6.1 Schwarze Löcher am Ende des Universums?
183
6.2 Schwarze Mini-Löcher in Teilchenbeschleunigern?
184
6.3 Die Top 10 der spannendsten Fragen um Schwarze Löcher 193 Glossar
194
Bildnachweis
202
Kapitel 1
Einführung
Eine klare, wunderschöne Nacht lockt uns nach draußen. Der Himmel ist übersät mit abertausend Sternen und strahlt eine magische, angenehme Ruhe aus. Eigentlich ist es eine verrückte Vorstellung, dass uns von jedem einzelnen Lichtpunkt Strahlung erreicht, die viele Jahre, ja sogar Jahrhunderte unterwegs war, um nun die Netzhaut unserer Augen zu kitzeln. Noch unglaublicher wird es, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass dieses Licht aus dem Innern von Sternen kommt – als „Abfallprodukt“ der Verschmelzung von Atomkernen. Die ganze Materie, die uns umgibt, war einmal im Innern von Sternen und fand über Jahrmilliarden den Weg in unser Sonnensystem bis zu unserem beschaulichen Planeten Erde. Dieser klare, wunderschöne Nachthimmel hat eine wundersame Beziehung zu uns – der Himmel ist sozusagen auf die Erde gekommen. Der Sternenhimmel strahlt eine so majestätische Ruhe aus, dass man verführt ist, zu glauben, dass er schon immer so aussah und ewig so bleiben wird. Die moderne Astronomie lehrt uns allerdings, dass das Universum einen Anfang hatte. Vor 13,7 Milliarden Jahren entstand der Kosmos im Urknall. Seither hat sich einiges zugetragen: In den ersten drei Minuten nach dem Urknall entstanden die Elementarteilchen, die fundamentalen vier Naturkräfte und die leichtesten, chemischen Elemente. Dieses Urgas, das im Wesentlichen aus Wasserstoff und Helium bestand, verdichtete sich in den ersten
2 1. Einführung
etwa hundert Millionen Jahren zu Sternen und Galaxien. Um viele Sterne bildeten sich Planeten, und auf mindestens einem formte sich intelligentes Leben, das in der Lage ist, über den Ursprung von allem zu reflektieren. Das ist eine unglaubliche Geschichte, die uns die moderne Naturwissenschaft da auftischt, doch vieles spricht dafür, dass es sich genau so zugetragen hat. Demnach sah der Nachthimmel vor einigen Milliarden Jahren vollkommen anders aus, und er wird in einigen Milliarden Jahren wieder anders sein. Der Zyklus von Entstehen, Werden und Vergehen gilt nicht nur für das Leben auf der Erde, sondern auch für das Universum selbst. Viele astronomische Beobachtungen belegen, dass der Kosmos beschleunigt expandiert. Das Universum wächst ständig, und die Abstände zwischen den Galaxien vergrößern sich fortwährend. Dabei wird der Kosmos immer kälter. Das Licht der Sterne wird erlöschen, weil sie entweder auskühlen oder explodieren. Neue Sterne werden sich kaum bilden können, weil immer weniger Galaxien zusammenstoßen werden, um diesen Prozess in Gang zu bringen. Die ferne Zukunft des Kosmos ist kalt und dunkel. Der schwarze Nachthimmel verbirgt die Könige der Dunkelheit, die übrigens auch die ferne Zukunft des Universums dominieren werden. Das sind die Schwarzen Löcher, um die es in diesem Buch gehen soll. Schwarze Löcher stehen am Ende eines Sternenlebens, vorausgesetzt, der Stern bringt genügend Masse mit. Wir werden noch ein paar weitere Spielarten kennen lernen, wie Schwarze Löcher entstehen können. Aber was ist überhaupt ein Schwarzes Loch? Und woher kommt seine charakteristische Schwärze? Schwarz ist ja eigentlich keine Farbe. Schwarz ist mehr als nur Dunkelheit. Schwarz ist die Abwesenheit von Licht. Ein Schwarzes Loch ist das Dunkelste, was wir kennen. Es verschluckt Licht mithilfe der Gravitation. Seit etwa hundert Jahren ist bekannt, wie so etwas funktioniert. Im Jahr 1916 veröffentlichte Albert Einstein (Abbildung 1.1) eine neue Theorie der Gravitation: die Allgemeine Relativitätstheorie (ART). Sie erklärt, was die Gravitation mit Licht anstellt.
Einführung
3
Abb. 1.1 Albert Einstein (1879–1955), hier 1921 bei einer Vorlesung in Wien.
Gemäß dieser Theorie krümmen Massen den Raum und die Zeit. Licht, das sich in dem verbogenen Raum ausbreitet, muss abgelenkt werden. Ein Schwarzes Loch ist eine extrem verdichtete Masse, die Lichtstrahlen in ihrer Nähe so sehr verbiegt, dass sie dem Loch nicht entkommen können. Daher ist das Loch schwarz. Der deutsche Astronom Karl Schwarzschild (Abbildung 1.2) benutzte die Einstein’schen Gleichungen der ART und fand bereits 1916 eine erste Lösung, die nach ihm benannt wurde. Diese Schwarzschild-Lösung beschreibt einen Massenpunkt, der später als eine erste Form eines Schwarzen Loches identifiziert wurde. Die theoretischen Physiker entdeckten weitere Lösungen der Einstein’schen Gleichungen, die mit anderen Formen Schwarzer Löcher in Verbindung gebracht wurden. Allerdings hießen seinerzeit die Schwarzen Löcher noch Singularitäten. Doch könnten die seltsamen neuen Lösungen aus Einsteins Theorie sich tatsächlich in der Natur bilden? Ende der 1930er-Jahre untersuchten Julius Robert Oppenheimer (1904–1967) und Hartland Snyder (1913–1962) wie eine Flüssigkeitskugel unter ihrem eige-
4 1. Einführung
Abb. 1.2 Karl Schwarzschild (1873–1916).
nen Gewicht in sich zusammenfällt. In diesem Gravitationskollaps einer Flüssigkeitskugel fanden sie im Rahmen von Einsteins Theorie, dass die Kugel nach fortschreitendem Kollaps schließlich für die Außenwelt nicht mehr sichtbar sein würde – genau wie bei der Singularität in Schwarzschilds Lösung. Offensichtlich zeigte diese Entdeckung, wie sich ein Schwarzes Loch bilden könnte. In den 1960er-Jahren erkannten die englischen Theoretiker Roger Penrose und Stephen Hawking, dass unter wenigen Annahmen der Kollaps auf eine Singularität unvermeidlich sei. Sie hatten mathematische Sätze, die so genannten Singularitätentheoreme, entdeckt, die die Existenz von Singularitäten vorhersagen. Zu den bisher rein theoretischen Überlegungen kam in den 1960erJahren die Astronomie ins Spiel. Die Astrophysiker Donald Lynden-Bell (geb. 1935) und Martin Rees (geb. 1942) entdeckten, dass Schwarze Löcher sehr gut rätselhafte Himmelsobjekte, die Quasare, beschreiben. Quasare sind helle, sternartig aussehende Objekte, die extrem weit entfernt sind. Die Astronomen fanden heraus, dass es gar keine Sterne sind, sondern vielmehr massereiche Schwarze Löcher, die Materie verschlingen (Kapitel 3.2). Dabei leuchtet die
Einführung
5
Materie extrem hell und ist über weite Entfernungen – Milliarden von Lichtjahren – im Kosmos sichtbar. Der Relativitätstheoretiker John Wheeler prägte im Jahr 1967 den Begriff Schwarzes Loch – natürlich in seiner englischen Form black hole. Er verkündete diesen Begriff auf einer Konferenz; allerdings hatte er den Namen nicht selbst erfunden, sondern griff den Vorschlag eines unbekannten Urhebers auf. Nun hatten die rätselhaften, kompakten und dunklen Objekte ihren griffigen Namen bekommen, der heute in aller Munde ist. Aus der modernen Astronomie sind die Schwarzen Löcher nicht mehr wegzudenken: Die Astrophysiker haben Modelle mit Schwarzen Löchern verfeinert und verstehen beispielsweise recht gut, wie Materie einerseits in einem Loch verschwindet, aber auch, wie Materie katapultartig von Schwarzen Löchern als Jet herausgeschossen werden kann. Sie haben auch eine detaillierte Vorstellung davon, wie Licht durch ein Schwarzes Loch abgelenkt wird und welche Konsequenzen das für astronomisch beobachtbare Spektren haben muss. Die Beobachter, also die experimentell arbeitenden Astronomen, haben ausgeklügelte Methoden entwickelt, um Kandidaten für Schwarze Löcher im Kosmos aufzuspüren. Dabei entdecken sie unglaubliche Sachverhalte, wie u. a. Schwarze Löcher, die Materiestrahlen fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen oder Schwarze Löcher, die das Milliardenfache unserer Sonne wiegen, oder Schwarze Löcher, die Sterne „fressen“. Vor allem stellen die Astronomen fest, dass Schwarze Löcher sehr zahlreich im Universum zu finden sind. Da draußen gibt es offenbar wahrscheinlich Billiarden Schwarze Löcher! In diesem Buch nähern wir uns in dem etwas anspruchsvolleren Kapitel 2 den seltsamen Eigenschaften der Schwarzen Löcher. Danach wird die Lektüre in den Kapiteln 3 und 4 wieder leichter, denn hier wird es um die aufregende astrophysikalische Erforschung der Schwarzen Löcher gehen. Wie bereits im Vorwort angeklungen ist,
6 1. Einführung
gelangen wir dabei an die Grenzen unserer Vorstellungskraft und an die Grenzen von Einsteins Theorien. Hier setzen moderne Konzepte an wie die Quantengravitation, was Thema des wieder anspruchsvolleren Kapitels 5 sein wird. Zum Schluss des Buchs werden wir in Kapitel 6 einen Ausblick auf die Zukunft des Universums und die Zukunft der Erforschung Schwarzer Löcher nehmen. Sie als Leser dringen mit diesem Buch in ein aufregendes, physikalisches Weltbild ein, das viel faszinierender ist als die Science Fiction, denn es ist real.
Kapitel 2
Eigenschaften und Struktur Schwarzer Löcher 2.1 Raum + Zeit = Raumzeit Wir erleben Raum und Zeit jeden Tag: Der Raum hat die drei Dimensionen Länge, Breite und Höhe. Wir bewegen uns auch in der Zeit, einer vierten Dimension. Jedes Ereignis ist demnach durch Angabe der vier Dimensionen festgelegt. Beispiel Arzttermin: Wir treffen den Arzt in einer bestimmten Straße (1. Raumdimension) mit einer bestimmten Hausnummer (2. Raumdimension) in einem bestimmten Stockwerk (3. Raumdimension) zu einer bestimmten Uhrzeit (die Zeitdimension). Die vierdimensionale Raum-ZeitWelt ist also eine alltägliche Erscheinung. Einstein hat bereits in seiner Speziellen Relativitätstheorie (SRT) die Grundlage für eine vierdimensionale Raumzeit gelegt. In der SRT sind Raum und Zeit nicht unabhängig voneinander, sondern bilden ein Kontinuum. Die Raumzeit der SRT ist flach. In der ART wir die Raumzeit durch Massen und Energieformen gekrümmt. Das Ausmaß dieser Krümmung bemerken wir letztendlich als Gravitation. Einstein erklärte die Gravitation geometrisch als gekrümmte Raumzeit. Eine vierdimensionale, gekrümmte Raumzeit kann sich niemand anschaulich vorstellen. Wir können uns das Leben leicht machen, indem wir die Zeitdimension und eine Raumdimension unterdrücken.
8 2. Eigenschaften und Struktur Schwarzer Löcher
Abb. 2.1 Veranschaulichung einer gekrümmten Raumzeit mit nur zwei Raumdimensionen.
Es bleibt dann ein zweidimensionaler Unterraum, bei dem man die Flachheit oder Krümmung illustrieren kann. Ohne Gravitation ist die Raumzeit flach wie eine Ebene – dies ist die Raumzeit der SRT (Minkowski-Raumzeit). Durch eine vorhandene Masse wird diese zweidimensionale Fläche eingedellt (Abbildung 2.1). Eine Delle in der Raumzeit entsteht z. B. durch den Planeten Erde. Der Mond wird von der Gravitation der Erde gefangen. In der Sprache der ART formuliert: Der Mond folgt der gekrümmten Raumzeit, die die Erdmasse erzeugt. Der Begriff der Gravitationskraft nach Isaac Newton (1643–1727) wird ersetzt durch die gekrümmte Raumzeit nach Einstein. Gravitation ist keine Schwerkraft, sondern eine geometrische Eigenschaft der Raumzeit.
2.2 Schwarze Löcher haben keine Haare Menschen haben eine Vielzahl von Eigenschaften; bei Schwarzen Löchern ist das anders, wie sich mit den ersten mathematischen Lösungen der Einstein’schen Feldgleichungen herausstellte. Schwarze Löcher haben maximal drei Eigenschaften: Masse, Rotation (Drehimpuls) und elektrische Ladung (Tabelle 2.1). Dieser erstaunliche Sachverhalt bewegte John Wheeler zu der Äußerung „Black holes have no hair.“, was bedeutet „Schwarze Löcher haben keine Haare.“ Damit wollte Wheeler zum Ausdruck bringen, dass
2.3 Ereignishorizont
9
Tabelle 2.1 Familie der klassischen Schwarzen Löcher Name der Lösung
Masse M
Drehimpuls J elektrische Ladung Q
Schwarzschild-Lösung Kerr-Lösung Reissner-NordströmLösung Kerr-Newman-Lösung
X X X
0 X 0
0 0 X
X
X
X
(X bedeutet einen Zahlenwert verschieden von Null)
Schwarze Löcher wenige Eigenschaften haben und kaum zu unterscheiden sind. Sie erscheinen uniform, wie Menschen mit Glatzen. In der Astrophysik werden insbesondere die Schwarzschild-Lösung (1916) und die Kerr-Lösung (1963) diskutiert. Die Existenz elektrisch geladener Schwarzer Löcher wird infrage gestellt, weil Ladungen durch elektrische Ströme in der Umgebung des Loches schnell kompensiert würden. Die Kerr-Raumzeit bietet viele brauchbare Eigenschaften, die sehr gut mit astronomischen Beobachtungen an Kandidaten für Schwarze Löcher übereinstimmen – diese Aspekte werden im Buch noch detailliert vorgestellt werden (Kapitel 3).
2.3 Ereignishorizont Horizont ist ein Wort, das aus dem Griechischen kommt: Vollständig heißt es eigentlich „horizon kyklos“ und bedeutet „begrenzender Kreis“. Das führt bereits auf den Inhalt, den man für gewöhnlich mit dem Begriff Horizont verbindet. Ein Beobachter, der sich auf der Erde unter freiem Himmel befindet, sieht den Horizont als Rand zwischen Himmel und Erde. Diese Peripherielinie hat eine Kreisform, wenn der Beobachter sich um 360 Grad um seinen Beobachtungsort dreht. Das ist eine geometrische Definition. Sie macht klar,
10 2. Eigenschaften und Struktur Schwarzer Löcher
dass der Horizont beobachterabhängig ist, weil es darauf ankommt, wo der Beobachter steht. Sehr allgemein kann man formulieren: Ein Horizont trennt Beobachtbares von Unbeobachtbarem. Einen Beobachtungshorizont kann man gut mit folgendem Alltagsbeispiel veranschaulichen. Nehmen wir an, man befinde sich in einem Hafen und beobachte ein auslaufendes Schiff (Abbildung 2.2). Das Schiff ist – gute Sichtbedingungen vorausgesetzt – sichtbar, weil es sich vor dem Horizont befindet. Nun geht das Schiff aber auf eine weite Reise über das Meer. Es entfernt sich vom Beobachter und wird immer kleiner. Das Schiff nähert sich der Horizontlinie. Schließlich verschwindet zuerst der untere Teil des Schiffs, weil die Erdoberfläche gekrümmt ist. So sieht der Beobachter nur noch den Schiffsmast, bis auch dieser verschwindet. Das Schiff ist nun unbeobachtbar, denn es befindet sich unterhalb des Horizonts. Deshalb trennt der Horizont Beobachtbares von Unbeobachtbarem. Wir werden sehen, dass diese Definition auch für andere Horizontbegriffe wie dem Ereignishorizont eines Schwarzen Loches zutrifft.
Abb. 2.2 Beobachterabhängiger Horizont bei der Erdkugel.
2.3 Ereignishorizont
11
In der Theorie Schwarzer Löcher markiert der Ereignishorizont den Bereich, ab dem nichts mehr dem Loch entkommen kann – weder Materie, noch Licht. Aus diesem Grund ist der Blick auf das Innere des Lochs für den neugierigen Außenbeobachter prinzipiell verwehrt. Der Mathematiker Roger Penrose nennt dies kosmische Zensur (engl. cosmic censorship). Die Beobachtung ist in der Praxis schon weit vor dem Ereignishorizont wesentlich erschwert, dadurch dass Strahlung durch die Anwesenheit der kompakten Masse rotverschoben wird. Was heißt das? Die Lichtwelle muss gewissermaßen gegen die Schwerkraft, die von der Lochmasse ausgeht, ankämpfen. Genauso wie ein senkrecht geworfener Stein auf der Erde verliert die Lichtwelle beim Aufstieg von der Masse Energie. Die Energie einer Lichtwelle E wächst mit der Frequenz ν bzw. fällt mit der Wellenlänge Ȝ der Lichtwelle gemäß der Gleichung E = hν = hc/Ȝ (h: Planck’sches Wirkungsquantum). Folglich macht sich ein Energieverlust der Lichtwelle als Erhöhung der Wellenlänge als Rotverschiebung bemerkbar (Abbildung 2.3). Es gibt bei der Lichtwelle aber nicht nur den Effekt der Verfärbung, auch ihre Intensität ändert sich. Beim Aufstieg von der Masse wird das Licht auch dunkler, sodass grundsätzlich die Emission in der Nähe eines Schwarzen Loches nicht nur gerötet, sondern auch verdunkelt wird. Der Ereignishorizont ist nun gerade derjenige Bereich,
Abb. 2.3 Gravitationsrotverschiebung Schwarzen Loch.
einer
Lichtwelle
an
einem
12 2. Eigenschaften und Struktur Schwarzer Löcher
wo die Verdunklung am stärksten ist. Das Schwarze Loch verschluckt ab dieser kritischen Grenze alles Licht. Verdunklung und Rötung, die hier von der Gravitation hervorgerufen werden, werden zusammengefasst im Begriff Gravitationsrotverschiebung. Der Ereignishorizont Schwarzer Löcher hat bei einem Schwarzschild-Loch (das ja nach Definition nicht rotiert) immer eine Kugelform. Der Radius des Ereignishorizonts schrumpft jedoch, wenn das Loch leichter ist oder wenn es rotiert. Deshalb sind Löcher vom Schwarzschild-Typ bei gleicher Masse immer größer als Löcher vom Kerr-Typ, wenn man den Ereignishorizont als Größenkriterium annimmt. Der Ereignishorizont wird auch als äußerer Horizont bezeichnet. Die oben beschriebene Gravitationsrotverschiebung einer Lichtwelle kann man auch anders interpretieren. Stellen wir uns vor, dass die Frequenz der Lichtwelle ein Taktgeber für eine tickende Uhr sei. Dann folgt, dass der Takt dieser Uhr sich durch die Rotverschiebung immer mehr verlangsamt. Dieser Zeitdehnungseffekt muss demzufolge von einem entfernten Beobachter wahrgenommen werden. Dieser zur Gravitationsrotverschiebung analoge Effekt heißt gravitative Zeitdilatation. Anschaulich verhält es sich so, dass das, was ein ruhender Außenbeobachter in ein Schwarzes Loch fallen sieht, ab einer kritischen Nähe in seiner Bewegung „eingefroren“ wird (engl. freezing effect). Zeitintervalle, in denen der Außenbeobachter etwas einfallen sieht, werden gedehnt, und zwar ins Unendliche, wenn der Ereignishorizont erreicht wird. Das rechtfertigt andererseits zu sagen, dass der Einfall von Licht und Materie in ein Schwarzes Loch in der unendlichen Zukunft des Außenbeobachters liege. Dieser zeitliche Aspekt des Ereignishorizontes wird gerne unterschlagen. Schwarze Löcher und deren Ereignishorizonte liegen in unserer Zukunft! Für ein Schwarzschild-Loch berechnet sich der Radius des Ereignishorizonts allein aus der Masse M des Loches gemäß der For-
2.4 Singularitäten
13
mel RS = 2GM/c2, wobei die Newton’sche Gravitationskonstante G = 6,672 × 10−11 m3 kg−1 s−2 und die Vakuumlichtgeschwindigkeit c = 299.792,458 km/s eingehen. RS heißt Schwarzschild-Radius. Betrachten wir doch ein paar Beispiele: Eine Kaffeetasse mit einer Masse von 200 Gramm hat einen Schwarzschild-Radius von 3 × 10−28 Metern. Diese Länge liegt im subatomaren Bereich. Der Schwarzschild-Radius der Erde beträgt 9 Millimeter und derjenige der Sonne 3 Kilometer. Anschaulich bedeutet das, dass man die Erde auf Murmelgröße und die Sonne auf die Größe einer Kleinstadt komprimieren müsste, damit daraus ein Schwarzes Loch wird! Das klingt unglaublich, aber offensichtlich kollabieren manche Sterne zu Schwarzen Löchern.
2.4 Singularitäten Was befindet sich eigentlich im Innern des Schwarzen Loches, hinter dem Ereignishorizont? Das ist wahrscheinlich die spannendste Frage bei der Erforschung Schwarzer Löcher. Ehrlichweise muss man sagen, dass das noch nicht völlig klar ist – auch weil es bislang niemandem gelungen ist, das experimentell zu überprüfen. Aus theoretischer Sicht mithilfe Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie kann man sehr genau sagen, was im Zentrum eines Schwarzen Loches sitzt: eine Punktmasse. Dies wird klar, sobald man die Krümmung der Raumzeit eines Schwarzen Loches genauer mathematisch studiert. Die Relativitätstheoretiker benutzen dazu Krümmungsgrößen, die im Zusammenhang mit dem fundamentalen Riemann-Tensor der ART stehen (Riemann’sche Invarianten). Der Wert einer solchen Krümmungsinvariante bei einer bestimmten Raumkoordinate sagt etwas über die Stärke der Krümmung aus. Bei flachen Bereichen der Raumzeit (typischerweise bei großen Entfernungen vom Schwarzen Loch) ist die Krümmungsinvariante null oder nahezu null. Am besten veranschaulicht man sich eine flache Raumzeit als eine Ebene, die keinerlei
14 2. Eigenschaften und Struktur Schwarzer Löcher
Höhen und Senken aufweist. Bei stark gekrümmten Bereichen einer Raumzeit hat die Krümmungsinvariante einen hohen positiven oder negativen Zahlenwert. So hat beispielsweise eine Kugeloberfläche eine positive Krümmung, wohingegen eine Sattelfläche eine negative Krümmung aufweist. Die gekrümmte Raumzeit eines Schwarzen Loches sieht recht „wild“ aus. Das belegt das „Krümmungsgebirge“ eines Schwarzen Loches in Abbildung 2.4, das eine ganz bestimmte Krümmungsgröße darstellt, die die Theoretiker Kretschmann-Skalar nennen. Der Kretschmann-Skalar ist eine von mehreren Krümmungsinvarianten, die in der ART zur Verfügung stehen.
Abb. 2.4 Krümmung der Raumzeit in und um einem (rotierenden) Schwarzen Loch als Funktion von Radius und Polarwinkel. Der Polarwinkel (im Bogenmaß) ist null am „Nordpol“ des Loches, π (180°) am „Südpol“ und π/2 (90°) in der Äquatorebene. Tendenziell nimmt die Krümmung zu, je näher man dem Loch kommt. Fern vom Loch ist die Krümmung nahezu null; die Raumzeit ist dort flach.
2.4 Singularitäten
15
Nun bemerkt man beim Krümmungsgebirge, dass zu kleinen Radien hin drei „Krümmungsgipfel“ zusammenlaufen. Dort herrscht offenbar die stärkste Krümmung im Schwarzen Loch. Man kann sie nicht mehr mit einer endlichen Zahl ausdrücken: Bei Radius null liegt eine unendliche Krümmung vor. Genau dort sitzt die Singularität oder Krümmungssingularität des Schwarzen Loches. Das ist auch das Massezentrum des Loches – vereinigt in einem einzigen, winzigen Punkt. Mit anderen Worten: Das ist die Quelle der Gravitation eines Schwarzen Loches. Die theoretischen Physiker R. Penrose und S. W. Hawking fanden seit 1965 mathematische Sätze, die als Singularitätentheoreme bekannt sind. Diese Sätze sind unabhängig von der ART und basieren auf viel schwächeren Annahmen. Was man benötigt, sind nur die folgenden drei Bedingungen, die der Vollständigkeit halber hier erwähnt werden sollen: 1. die geometrische Interpretation der Gravitation („Masse und Energie krümmen die Raumzeit, und die Raumzeit diktiert die Bahnen von Massen und Energieformen.“); 2. die Bedingungen für Energiedominanz, d. h. die lokale Schallgeschwindigkeit ist niemals höher als die lokale Lichtgeschwindigkeit; 3. und das Kausalitätsprinzip, d. h. die Ursache kommt immer zeitlich vor der Wirkung. Unter diesen Voraussetzungen verlangen die Singularitätentheoreme die notwendige und unvermeidliche Existenz von Singularitäten! Dennoch wurde die Existenz von Singularitäten in der Natur noch nicht gesichert nachgewiesen. Die Astrophysik kommt zwar mittlerweile kaum ohne klassische Schwarze Löcher aus, doch ist die herausfordernde Frage, ob die in der Natur gesichteten Kandidaten nur aussehen wie Schwarze Löcher, aber in Wahrheit etwas vollkommen anderes sind (Kapitel 5.3).
16 2. Eigenschaften und Struktur Schwarzer Löcher
2.5 Der Zug der rotierenden Raumzeit 1963 stellte der neuseeländische Mathematiker Roy Patrick Kerr eine neue Lösung von Einsteins Feldgleichungen der ART vor. Die Raumzeit dieser so genannten Kerr-Lösung ist achsensymmetrisch und beschreibt die Gravitation einer rotierenden Masse bzw. eines rotierenden Schwarzen Loches. Im Vergleich zur SchwarzschildLösung, die allein durch den Parameter Masse festgelegt ist, kommt bei der Kerr-Lösung ein weiterer Parameter hinzu: der Drehimpuls, der die Rotation der Masse festlegt. Beim Übergang von der Schwarzschild- zur Kerr-Raumzeit ändert sich nicht nur die Symmetrie, sondern auch die ganze Struktur der Raumzeit. Ein wesentlicher, neuer Bereich in der Kerr-Lösung ist die Ergosphäre. Sie ist eine abgeplattete Kugelfläche, die die Forscher auch statisches Limit nennen. Wie die Abbildung 2.5 illustriert, umschließt die Ergosphäre vollständig den Ereignishorizont.
Abb. 2.5 Struktur der rotierenden Kerr-Raumzeit mit Ergosphäre (blau), innerem (grün) und äußerem Horizont (schwarz) sowie zentraler Ringsingularität (aus grafischen Gründen vergrößert dargestellt).
2.5 Der Zug der rotierenden Raumzeit
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Das Gebiet zwischen Ergosphäre und Ereignishorizont (äußerem Horizont) nennen Theoretiker bisweilen auch die Ergoregion – häufig wird Ergosphäre gleichbedeutend mit Ergoregion verwendet. Ergosphäre und Ergoregion gibt es nur bei der Kerr-Lösung. Noch innerhalb des Ereignishorizonts liegt der innere Horizont oder Cauchy-Horizont. Das ist die zweite neue Eigenschaft bei der KerrLösung, denn sie hat zwei Horizonte. Der Cauchy-Horizont hat die besondere Eigenschaft, dass Materieteilchen und Lichtstrahlen ihn höchstens einmal schneiden können. Gelangt nun ein Beobachter hinter den Cauchy-Horizont, so wird er Zeuge, wie die gesamte Geschichte der Außenwelt in Zeitraffer abläuft. Denn er erreicht eine Region unendlicher Blauverschiebung. Dummerweise verändert dieser Effekt die Strahlung, die von außen auf den Beobachter einwirkt, derart, dass er somit von einem Strahlungsblitz unendlicher Energie getroffen wird. Die Abbildung 2.6 zeigt, wie man aus bekannter Masse M und Drehimpuls J beide Horizonte numerisch berechnet. Dabei ist a = J/M der spezifische Drehimpuls, der auch Kerr-Parameter genannt wird. Das dritte neue Merkmal in der Kerr-Raumzeit ist die Quelle der Gravitation, die eine zentrale Ringsingularität ist (Abbildung 2.5). Eine detaillierte Untersuchung der Krümmungseigenschaften offenbart, dass die Singularität nicht punktförmig ist (wie bei der Schwarzschild-Raumzeit), sondern ringförmig. Dennoch sitzt sie ohne Ausdehnung bei Radius null – eine sehr überraschende Eigenschaft.
Abb. 2.6 Gleichung zur Berechnung des inneren (r–) und äußeren (r+) Horizonts. Zur Vereinfachung wurden die Newton’sche Gravitationskonstante G und die Vakuumlichtgeschwindigkeit c exakt eins gesetzt: G = c = 1.
18 2. Eigenschaften und Struktur Schwarzer Löcher
Die rotierende Raumzeit übt einen unwiderstehlichen Zug auf alles aus, was sich dem rotierenden Loch nähert, egal ob Materie- oder Lichtteilchen. Beim Eintritt in die Ergosphäre, also ab der statischen Grenze, muss jeder Beobachter mit dem Schwarzen Loch mit rotieren. Dieser Effekt heißt Frame-Dragging, d. h. innerhalb der Ergosphäre gibt es keine statischen Beobachter. Es ist, als betrete man ein sich schnell drehendes Karussell, das einen mitreißt. Das Kerr-Loch zwingt seine Rotation allen Körpern, Beobachtern, selbst dem Licht auf, weil eben die Raumzeit selbst rotiert. Das gilt sogar dann, wenn der Körper oder das Teilchen sich ursprünglich gegen die Rotationsrichtung des Schwarzen Loches bewegte. Dann würde es zur Bewegungsumkehr gezwungen. Ein Beobachter innerhalb der Ergosphäre würde den Fixsternhimmel in der Ferne rotierend wahrnehmen. So nah an einem Kerr-Loch wäre das ein Schwindel erregender Höllenritt im Karussell der Raumzeit. Dramatischer wird es noch näher am Loch: Am Horizont selbst rotiert alles mit der exakt identischen Winkelgeschwindigkeit wie das Schwarze Loch. Ausgedrückt in Geschwindigkeiten ist das im Falle des maximal rotierenden Kerr-Lochs (hier gilt a = M) exakt die halbe Vakuumlichtgeschwindigkeit. Die Ergosphäre besitzt keine Kugelsymmetrie, sondern ist an den Polen abgeplattet wie die Erdkugel. Diese Achsensymmetrie passt zu derjenigen der Kerr-Geometrie.
2.6 Charakteristische Bahnen um das Schwarze Loch Die wesentlichen Radien in der Umgebung Schwarzer Löcher heißen: Radius marginaler Stabilität rms, Radius marginaler Bindung rmb, Photonenradius rph, Radius der Ergosphäre rerg (auch: statische Grenze rstat), äußerer Horizontradius r+H und innerer Horizontradius r−H. Horizonte und Ergosphäre wurden bereits vorgestellt; hier sollen die anderen genannten Radien vorgestellt werden.
2.6 Charakteristische Bahnen um das Schwarze Loch
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Nicht alles in der Umgebung Schwarzer Löcher muss unbedingt in sie hineinfallen. Um ein Schwarzes Loch ist ebenso eine stabile Rotation auf Keplerbahnen möglich wie bei den Planeten um die Sonne. Es gibt allerdings eine charakteristische Grenze, ab der keine stabile Rotation mehr möglich ist: Diese Grenze ist die marginal stabile Bahn. Etwas aussagekräftiger ist die alternative Bezeichnung ISCO, die dem Englischen für „innermost stable circular orbit“, also der „innersten, stabilen Kreisbahn“ entlehnt ist. Ein Objekt, das sich auf kleineren Abständen als der marginal stabilen Bahn bewegt, muss entweder in das Loch fallen oder auf einer ungebundenen Bahn den Bereich des Lochs verlassen. Ein anschauliches Verständnis von der marginal stabilen Bahn vermitteln die effektiven Potentiale (Kasten).
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Ebenso wie bei der Diskussion von Planetenbahnen im Gravitationspotential der Sonne (gebundene Keplerbahnen) kann man Bahnen in einem effektiven Potential eines Schwarzen Loches für die Schwarzschild-Metrik oder die Kerr-Metrik diskutieren. Das Diagramm in Abbildung 2.7 zeigt die effektiven Potentiale in der Schwarzschild-Geometrie. Wie in der klassischen Mechanik auch, kann man mit diesen Potentialkurven das Schicksal von Teilchen diskutieren. Die Minima der Potentialkurven legen gerade die stabilen Keplerbahnen in der Äquatorebene des Loches fest. Die Potentialkurven für die spezifischen Drehimpulse L/m größer 3,464 zeigen ein ausgeprägtes Maximum. Reicht die Gesamtenergie einlaufender Teilchen aus, um diesen Potentialberg zu überwinden, so fällt das Teilchen in das Loch. Ist die Gesamtenergie kleiner als das Maximum von V, so wird das Teilchen am Potentialwall reflektiert. Es kann dann den Bereich des Loches wieder verlassen oder sich bei weiterem Energieverlust auf einer elliptischen Bahn „einschwingen“. Im Potentialminimum nimmt das Teilchen eine stabile Kreisbahn ein (konstanter Radius). Bei dem bestimmten Wert L/m = 3,464 sieht man einen Wendepunkt im Potentialverlauf (violette Kurve). Von der Schulmathematik ist bekannt, dass in Wendepunkten die zweite Ableitung – hier die des Potentials nach dem Radius r – verschwindet. Diese spezielle 7
20 2. Eigenschaften und Struktur Schwarzer Löcher 7 Kurve kennzeichnet die engste Bahn um das Schwarze Loch, den Radius marginaler Stabilität oder ISCO. Hier ist gerade noch eine stabile Rotation um das Loch möglich. Wird jedoch das Teilchen gestört, sodass es sich nur ein wenig nach innen bewegt, fällt es in das Loch. Die Raumzeitstruktur des statischen Schwarzen Loches verbietet enge stabile Kreisbahnen nahe am Loch! Für ein Schwarzschild-Loch (a = 0) liegt die marginal stabile Bahn bei sechs Gravitationsradien. Im Diagramm ist bei diesem Abstand der Wendepunkt lokalisiert. Für den extremen Kerr-Fall (a = M) fällt die marginal stabile Bahn mit dem äußeren Horizontradius zusammen und liegt bei nur einem Gravitationsradius. Für die Kerr-Geometrie kann ein ähnliches, effektives Potential diskutiert werden.
Abb. 2.7 Effektives Potential für ein nicht rotierendes Schwarzes Loch in Abhängigkeit vom Abstand zum Loch (in Einheiten der Masse, G = c = 1) und für verschiedene Werte des spezifischen Drehimpulses L/m eines umlaufenden Teilchens mit Masse m. ISCO ist die marginal stabile Bahn für die Schwarzschild-Metrik bei r/M = 6.
2.6 Charakteristische Bahnen um das Schwarze Loch
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Die marginal gebundene Bahn kennzeichnet einen Abstand, bei dem ein Testteilchen, das im Unendlichen ruhend erscheint, gerade an der Schwelle ist, um vom Schwarzen Loch angezogen zu werden. Der Photonenradius markiert einen ausgezeichneten Orbit um Schwarze Löcher für Photonen (Lichtteilchen), der instabil ist. Die Photonen können auf diesem Orbit im Prinzip unendlich lange das Schwarze Loch umkreisen, jedoch müssen sie zuvor unter geeigneter Richtung in diesen Orbit eingeschossen werden. Als Photonensphäre bezeichnet man dementsprechend die Fläche um ein Schwarzes Loch, auf der alle instabilen Photonenorbits liegen. Sämtliche charakteristische Radien Schwarzer Löcher wurden in ihrer Abhängigkeit vom Kerr-Parameter a, der die Rotation des Schwarzen Loches parametrisiert, in der Abbildung 2.8 dargestellt.
Abb. 2.8 Charakteristische Radien um ein Schwarzes Loch in Einheiten des Gravitationsradius rg = GM/c2 für verschiedene Werte des Kerr-Parameters a. Die Symbole stehen für die marginal stabile Bahn rms, die marginal gebundene Bahn rmb, den Photonenradius rph, den Radius der Ergosphäre rerg, äußerem Horizont r+H und innerem Horizont r–H.
22 2. Eigenschaften und Struktur Schwarzer Löcher
Üblicherweise ist a eine positive Größe, dann spricht man von prograder Rotation, was bedeutet, dass der Drehsinn des rotierenden Schwarzen Loches mit einem umlaufenden Testteilchen übereinstimmt. Dies entspricht also dem rechten Teil der Abbildung 2.8. Nimmt man hingegen für a negative Werte an, so handelt es sich um retrograde Rotation: Teilchen und Loch rotieren gegenläufig. Während innerer und äußerer Horizont sowie auch das statische Limit unabhängig vom Vorzeichen von a sind (Symmetrie zur Vertikalen durch a = 0 in Abbildung 2.8), hängen Radius marginaler Stabilität, Radius marginaler Bindung und Photonenradius stark vom Umlaufsinn ab. Retrograd ist demnach der Bereich links in Abbildung 2.8. Besonders wichtig wird der Radius marginaler Stabilität bei den Standardakkretionsscheiben (Kapitel 3.2). Denn der Innenrand dieser Scheiben endet an der marginal stabilen Bahn. Bei Kerr-Löchern können diese Scheiben näher an das Loch reichen als bei Schwarzschild-Löchern. Wie außerdem leicht zu erkennen ist, gilt immer, dass der Radius marginaler Stabilität außen liegt, sich dann der marginal gebundene Orbit und die Photonensphäre anschließen, bis schließlich der Ereignishorizont ganz innen liegt. Noch weiter innen, verhüllt vom inneren Horizont, dem Cauchy-Horizont, befindet sich die Ringsingularität. Die maximal rotierenden Schwarzen Löcher (a = M) haben die verblüffende Eigenschaft, dass alle charakteristischen Radien (bis auf den der Ergosphäre bzw. des statischen Limits) zusammenfallen, nämlich bei genau einem Gravitationsradius. Aufgrund der kosmischen Zensur sind diese extremen Formen der Kerr-Lösung verboten. Wie Abbildung 2.8 auch zeigt, geht die gegenseitige Annäherung der charakteristischen Radien eines KerrLoches relativ glatt mit variablem Kerr-Parameter vonstatten. Die Ergosphäre hat in diesem Fall (und ebenso für a = –M) ihr maximales Volumen, das Loch hingegen seinen kleinstmöglichen Radius des äußeren Horizonts. Dadurch, dass Schwarze Löcher durch Akkretion schnell Drehimpuls gewinnen, ist zu erwarten, dass sehr viele von ihnen nahe an diesem Limit rotieren.
Kapitel 3
Schwarze Löcher in der Astronomie 3.1 Gravitationskollaps und Sternexplosionen Nach den recht theoretischen Erkenntnissen im Rahmen der Relativitätstheorie, wie sie in Kapitel 2 beschrieben wurden, folgten astronomische Beobachtungen mit ganz erstaunlichen Entdeckungen. Mit ihnen wurde klar, dass Schwarze Löcher in der modernen Astrophysik unverzichtbar sind. Schwarze Löcher sind die Überbleibsel massereicher Sterne. Wie kommt es, dass sich manche Sterne in Schwarze Löcher verwandeln? Um das zu verstehen, muss man sich dem Leben der Sterne zuwenden. Sterne erscheinen uns, als wären sie schon immer da gewesen und als würden sie auch ewig am Himmel bleiben. Allerdings haben auch Sterne einen „Lebenszyklus“, nur ist dieser mit einigen Millionen bis Milliarden Jahren für menschliche Maßstäbe so lang, dass wir dies kaum bemerken können. Mit bloßem Auge betrachtet, erscheinen die Sterne als punktförmige Lichtquellen am Himmelsgewölbe „festgenagelt“ zu sein – eine Eigenschaft, die ihnen den Namen Fixsterne einbrachte. Alle Einzelsterne, die wir am Nachthimmel sehen, gehören zur Milchstraße, unserer Heimatgalaxie. Die Milchstraße ist ein gigantisches Sternsystem, das aus einigen
24 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
hundert Milliarden Sternen sowie interstellarem Staub und Gas besteht. In dieser Spiralgalaxie bewegen sich die Sterne, nur ist das kaum zu erkennen, weil die Sterne sehr weit von uns entfernt sind; typischerweise einige hundert bis einige tausend Lichtjahre. Eine Beobachtung mit den Augen lässt erkennen, dass Sterne in der Regel unterschiedlich hell sind und verschiedene Farben haben. Sterne sind auch physikalisch betrachtet recht verschieden und variieren z. B. in ihren Leuchtkräften, Massen, chemischen Zusammensetzungen, Oberflächentemperaturen und Schwerebeschleunigungen. Astronomen gruppieren die Sterne in unterschiedliche Klassen, wie u. a. in Zwerge und Riesen. Die Entwicklung der Sterne wird wesentlich bestimmt durch ihre Masse (siehe auch „Sterne“ von Achim Weiß aus der Reihe „Astrophysik aktuell“). Ein Stern ist im Prinzip eine sich drehende Plasmakugel, die Licht abstrahlt. Die Energiequelle für die elektromagnetische Strahlung steckt im Innern des Sterns. Dort ist es heiß genug, dass die Verschmelzung von Atomkernen (Kernfusion) bewerkstelligt werden kann. Bei der Fusion von leichteren zu schwereren chemischen Elementen wird Energie frei. Diese Energie kämpft sich einerseits als elektromagnetische Strahlung ihren Weg durch das Sterninnere bis an dessen Oberfläche und sorgt andererseits für die Umwälzung der Gasmassen wie in einem gigantischen Kochtopf. Der Stern sucht sich nun denjenigen Zustand aus, in dem alle auf ihn wirkenden Kräfte im Gleichgewicht stehen. Die Kräfte drücken auf die Sternhülle und wirken damit wie ein Druck (per Definition eine Kraft pro Fläche). In der Bilanz kann man nun die Kräfte oder alternativ Drücke betrachten. Aus der Sicht eines Gasteilchens sind das nach außen gerichtete Drücke, die den Stern vergrößern wollen: Das sind der Zentrifugaldruck, der den Stern aufgrund der Rotation aufbläht; der Gasdruck des kochenden Plasmas im Sterninnern und der Strahlungsdruck durch die im Innern frei werdende Strahlung (auch Licht, das auf eine Fläche einstrahlt, wirkt darauf einen Druck aus).
3.1 Gravitationskollaps und Sternexplosionen
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Abb. 3.1 Hydrostatisches Gleichgewicht eines Sterns: Bilanz aller wirkenden Kräfte oder Drücke in einem Stern, und zwar aus der Sicht eines Gasteilchens im Stern. Der Stern sucht sich denjenigen Zustand, in dem Gravitationsdruck pgrav , Gasdruck pgas, Strahlungsdruck prad und Zentrifugaldruck pzentri im Gleichgewicht stehen.
Diesen drei Drücken wirkt der Gravitationsdruck entgegen, weil die Schwerkraft versucht, den Stern zu verkleinern. Der Stern steht im so genannten hydrostatischen Gleichgewicht, wenn sich all diese Kräfte an jedem Ort des Sterns ausgleichen (Abbildung 3.1). Nun kommt der Sachverhalt zum Tragen, dass sich Sterne entwickeln und sich ihre chemische Zusammensetzung mit der Zeit ändert. Daher verändern sich auch die Kräfteverhältnisse im Stern. Nachdem ein leichtes Element zu einem schwereren Element umgewandelt wurde, müssen die Fusionsreaktionen das schwerere Element in das
26 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
nächstschwerere umformen, damit die Wärmequelle im Sterninnern nicht versiegt. Das geschieht auch bei normalen Sternen, die so schwer sind wie die Sonne oder schwerer. Die Sternentwicklung ist somit gekennzeichnet von einer Fusionskette, die immer schwerere chemische Elemente erzeugt. Aber das geht nicht beliebig weit. Der Grund ist in der Kernphysik zu finden: Das Element Eisen hat die größte Bindungsenergie pro Kernteilchen (Nukleon, also Proton oder Neutron). Das bedeutet auch, dass es für schwerere Elemente als Eisen günstiger ist, die Energie aus der Spaltung (Fission) des Atomkerns zu gewinnen und nicht aus der Fusion. Fusionsreaktionen von Eisen sind chemisch betrachtet endotherm, d. h. es wird keine Energie bei diesen Reaktionen frei. Ein massereicher Stern, der sämtliche Elemente bis Eisen fusioniert hat, bekommt zwangsläufig ein großes Problem. Denn weitere Fusion kann die Energiequelle im Sternkern nicht mehr speisen. Was nun passiert, wird klar bei der Betrachtung des oben vorgestellten hydrostatischen Gleichgewichts: Ohne weitere Energie aus der Fusion sacken Gas- und Strahlungsdruck rapide ab. Das Gleichgewicht gerät aus den Fugen, und die Gravitation gewinnt die Oberhand über die anderen Kräfte. So setzt der Gravitationskollaps ein, also ein In-sich-Zusammenfallen eines Sterns infolge der dominierenden Schwerkraft. Zunächst gewinnt der Gravitationsdruck die Oberhand, kann aber womöglich gestoppt werden. Das weitere Geschehen hängt wesentlich von der Masse ab, die da in sich zusammenstürzt (Abbildung 3.2). Im Gravitationskollaps wird die Materie mehr und mehr verdichtet. Dabei kann sie ihre Eigenschaften entscheidend verändern. Physiker nennen diese meist sprunghaften Änderungen Phasenübergänge. Phase ist ein Begriff der Thermodynamik (Wärmelehre). Beispiel eines simplen, aus dem Alltag bekannten Phasenübergangs ist kochendes Wasser: Bei normalem Atmosphärendruck und Raumtemperatur ist Wasser flüssig. Diese flüssige Phase kocht bei etwa 100 Grad Celsius und verdampft in die gasförmige Phase. Ähnliches geschieht bei den Phasenübergängen kollabierender Sternmaterie.
3.1 Gravitationskollaps und Sternexplosionen
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Abb. 3.2 Schicksale eines kollabierenden Sterns. Je nach Masse endet er als Weißer Zwerg (links) mit maximal 1,46 Sonnenmassen, als Neutronenstern (Mitte) mit maximal drei Sonnenmassen oder als Schwarzes Loch (rechts), das im Prinzip beliebige Massen haben kann.
Endzustand 1: Weißer Zwerg – Aufgrund des Pauli-Prinzips der Quantentheorie können Teilchen mit halbzahligem Spin, die Fermionen, nicht beliebig stark verdichtet werden. Dies betrifft zunächst die Elektronen in der kollabierenden Sternmaterie, die fermionisch sind. Das Pauli-Verbot sorgt bei hohen Dichten dafür, dass die Elektronen sich nicht beliebig nahe kommen dürfen. Das sorgt für eine neue Art von Druck, den Entartungsdruck der Elektronen. Wiegt die Kollapsmaterie nicht mehr als 1,46 Sonnenmassen (mit einer leichten Abhängigkeit von der Zusammensetzung), so kann der Entartungsdruck dem Gravitationsdruck standhalten und das System ins Gleichgewicht bringen. Die gerade erwähnte kritische Massengrenze heißt Chandrasekhar-Masse nach dem indischen Astrophysiker, der sie entdeckte. Die so stabilisierten, stellaren Objekte heißen Weiße Zwerge. Sie sind sehr heiß und strahlen deshalb weiß. Den zweiten Namenszusatz „Zwerge“ verdanken sie ihrer geringen Größe: Sie haben nur einen Durchmesser, der vergleichbar
28 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
der Erde ist, aber wiegen typischerweise so viel wie die Sonne! Weiße Zwerge kühlen langsam aus und werden schließlich zu Schwarzen Zwergen. Dieser Vorgang dauert jedoch gut zehn Milliarden Jahre, was nur etwas weniger als das Alter des Universums ist. Das Alter eines Weißen Zwergs kann drastisch verkürzt werden, wenn er durch Aufsammeln von Materie (Akkretion), beispielsweise von einem nahen Begleitstern, die Chandrasekhar-Masse überschreitet: Dann explodiert der Weiße Zwerg in einer spektakulären Sternexplosion, die nichts übrig lässt. Diese Explosion ist eine Supernova vom Typ Ia und ist von großer Bedeutung für die Kosmologie, weil man mit solchen Explosionen Eigenschaften des Universums messen kann. Endzustand 2: Neutronenstern – Bei höheren Restmassen der kollabierenden Sternmaterie kann auch der Entartungsdruck der Elektronen nichts mehr ausrichten. Die elektrisch negativ geladenen Elektronen werden bei den immensen Dichten buchstäblich in die elektrisch positiven geladenen Protonen in den Atomkernen gepresst. Die Kernphysiker nennen das einen inversen Betazerfall. Die Konsequenz dieser kernphysikalischen Umwandlungsprozesse ist die Neutronisierung der Materie. Nun hat die Sternmaterie einen Phasenübergang vollzogen und die Eigenschaften komplett verändert. Neutronen sind allerdings auch Fermionen, sodass nun der Entartungsdruck der Neutronen den kollabierenden Stern stabilisiert. Neben den Neutronen gibt es eine Reihe exotischer Teilchen, wie die Hyperonen, Kaonen, Diquarks, schließlich sogar freie Quarks, wie Astrophysiker vermuten. Sie alle bilden sich bei noch höheren Dichten. Das so stabilisierte, noch kompaktere Objekt heißt Neutronenstern. Auch er wiegt etwa so viel wie die Sonne, hat allerdings nur einen Durchmesser von etwa 20 Kilometern! Die Massenobergrenze für Neutronensterne ist seit Jahren strittig unter den Experten: Ein klassischer Wert liegt bei zwei bis drei Sonnenmassen; aber es werden auch deutlich kleinere Grenzmassen diskutiert, z. B. 1,5 bis 1,8 Sonnenmassen. Es ist nach wie vor unklar, was mit so kompakter Materie im Detail geschieht. Wertvolle Hinweise kann
3.1 Gravitationskollaps und Sternexplosionen
29
in dieser strittigen Frage die beobachtende Astronomie liefern, weil es in vielen Fällen möglich ist, Massen und Radien von Neutronensternkandidaten am Himmel zu messen. Aus diesen Messdaten folgen Eigenschaften der inneren Struktur, die ein theoretisches Modell favorisieren könnten. Neutronensterne sind bereits hochrelativistische Objekte. Sie vermögen recht effektiv aufgrund von Einsteins ART Licht einzufangen, abzuschwächen und zu röten. Deshalb sind Neutronensterne in Abbildung 3.2 dunkelrot dargestellt. Neutronensterne werden in der Regel von den Astronomen entdeckt, wenn ein scharf gebündelter Strahlungskegel, der nahe an der Neutronensternoberfläche entsteht, die Erde trifft. Diese Neutronensterne heißen Pulsare. Röntgenastronomen finden Neutronensterne in Röntgendoppelsternen. Neutronensterne können auch besonders starke Magnetfelder aufweisen und heißen dann Magnetare. Endzustand 3: Schwarzes Loch – Überschreitet die kollabierende Masse ungefähr drei Sonnenmassen, so bildet sich das ultimative kompakte Objekt, das einen Neutronenstern in Kompaktheit und Masse übertrifft: ein stellares Schwarzes Loch. Das Attribut „stellar“ weist darauf hin, dass das Schwarze Loch einige zehn Sonnenmassen schwer ist, also so viel Masse hat wie typische Sterne. Wie wir sehen werden, gibt es auch deutlich massereichere Formen von Schwarzen Löchern (Kapitel 3.5 und 3.6). Am Himmel gibt es einen sehr massereichen Stern, der ein guter Kandidat dafür ist, dass er zu einem Schwarzen Loch kollabieren wird. Er heißt η Carinae („eta Carinae“) und ist ein Stern mit mindestens hundert Sonnenmassen, der sich im Sternbild Schiff am Südhimmel (von Mitteleuropa aus nicht sichtbar) befindet. Abbildung 3.3 zeigt eine Fotomontage dieses Sterns aus zwei Beobachtungsfotos. Dieser Superstern ist unglaublich leuchtkräftig und übersteigt die (bolometrische) Leuchtkraft der Sonne um das Fünfmillionenfache.
30 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Abb. 3.3 η Carinae im Sternbild Schiff ist ein Superstern mit mindestens hundert Sonnenmassen. Das Foto zeigt im sichtbaren Licht (blau) eine wolkenartige Struktur, die den Stern verhüllt. Die Struktur besteht aus Materie, die durch die hohe Leuchtkraft vom Stern weggeblasen wird. Der Stern bläst so aktiv heftige Sternwinde in die Umgebung, dass dort Röntgenstrahlung (orange) entsteht.
Die Bildung Weißer Zwerge läuft relativ unspektakulär ab: Der massenarme Vorläuferstern, der mit der Sonne vergleichbar ist, bläht sich zum Roten Riesen auf und verliert seine äußeren Sternhüllen, die einen Planetarischen Nebel bilden. Die restliche Sternmaterie fällt in sich zusammen und hinterlässt einen Weißen Zwerg. Für den Entstehungsprozess von Neutronensternen und stellaren Schwarzen Löchern muss der Vorläuferstern sehr massereich sein. Typisch sind acht bis 20 Sonnenmassen. Das finale Szenario ist katas-
3.2 Verschlucken von Materie und Licht
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trophal: Im Gravitationskollaps entsteht ein hoch verdichteter Sternkern, der besonders eisenhaltige Prä-Neutronenstern. Bei Erreichen einer kritischen Dichte bildet sich eine Stoßwelle (Schockwelle), die von innen nach außen läuft. Sie zerreißt die äußeren Sternhüllen und verursacht die Explosion des Sterngiganten in einer Supernova Typ II (Kernkollaps-Supernova; siehe auch „Supernovae“ von HansThomas Janka aus der Reihe „Astrophysik aktuell“). Der innere Teil kollabiert und formt einen Neutronenstern. Wenn mehr Masse in sich zusammenfällt, läuft der Gravitationskollaps ähnlich ab, nur wird die Explosion noch heftiger und leuchtkräftiger und heißt deshalb Hypernova bzw. langzeitiger Gammastrahlenausbruch (Kapitel 3.4). In diesem Fall entsteht ein Schwarzes Loch.
3.2 Verschlucken von Materie und Licht Schwarze Löcher sind bekannt dafür, dass sie alles verschlingen, was ihnen zu nahe kommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Materie oder um Licht handelt. Verstehen kann man das auch anschaulich leicht mithilfe des Konzepts der Raumzeit. Der Raum und die Zeit werden so „verbogen“, dass sich Materie- und Lichtteilchen zum Schlund des Lochs bewegen. Ein gutes Bild für diesen Vorgang ist ein Trichter (Abbildung 3.4): Das Schwarze Loch sitzt dort, wo der Schlund des Trichters endet. In die Öffnung des Trichters stürzt alles Mögliche hinein, Materieteilchen und Licht. Die Strahlung muss der gebogenen Form des Trichters folgen und verschwindet an dessen Ende, wo die Masse des Schwarzen Loches sitzt. Es ist allerdings ein Märchen, dass in Schwarzen Löchern ausnahmslos alles verschwinden muss. So ist es sogar möglich, dass sich Testkörper (z. B. eine Sonde, ein Planet oder ein Stern) um ein Schwarzes Loch auf einer Kreisbahn oder Ellipsenbahn bewegen, ohne jemals in das Loch hineinzustürzen (Kapitel 2.6). Würde man
32 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Abb. 3.4 Der „Gravitationstrichter“ vermittelt einen guten Eindruck davon, wie man sich die gekrümmte Raumzeit eines Schwarzen Loches vorzustellen hat. Hier sieht man auch sehr schön, wie die Krümmung von außen nach innen zunimmt. In gleicher Weise nimmt die Gravitation des Loches zu: Entfernt vom Loch ist sie schwach (flache Raumzeit), unmittelbar vor dem Loch ist sie stark (hohe Krümmung).
beispielsweise die Sonne durch ein Schwarzes Loch gleicher Masse ersetzen, so würden sich die Planeten und die anderen Körper im Sonnensystem auf denselben Bahnen bewegen – es wäre nur dunkel, weil das Sonnenlicht fehlen würde. Im Allgemeinen hängt die Bewegung um Schwarze Löcher von den Massen, Geschwindigkeiten und Drehimpulsen der beteiligten Körper ab. In der Himmelsmechanik Schwarzer Löcher werden die Bahnen von Himmelskörpern berechnet. Dieses Gebiet ist recht gut erforscht, und es gibt dazu eine Reihe von Lehrbüchern (u. a. von S. Chandrasekhar: „The Mathematical Theory of Black Holes“). Die Ausbreitung von Licht in gekrümmten Raumzeiten ist ebenfalls im Rahmen der Theorie gut studiert worden. Einsteins ART gestattet die Berechnung der Bahnen von Lichtteilchen, die die Relativitätstheoretiker Nullgeodäten nennen. Derartige Untersuchungen sind wichtig, um die Schwärze der Löcher zu berechnen oder die Emission von Strahlung in der Nähe des Loches zu verstehen. Mithilfe moderner Methoden auf Computern simulieren Astrophysiker das Aussehen von Schwarzen Löchern (Kapitel 4). Um die Löcher sichtbar zu machen, benötigen sie eine Lichtquelle in der Nähe des
3.2 Verschlucken von Materie und Licht
33
Loches, z. B. leuchtende Sterne in der Umgebung, die kosmische Hintergrundstrahlung oder leuchtende, einfallende Materie. Akkretion bezeichnet den Prozess, bei dem Materie von einem kosmischen Objekt aufgesammelt wird. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen accretio, was man mit „Anwachsen“ oder „Zunahme“ übersetzen kann. Das aufsammelnde Zentralobjekt wird Akkretor oder gravitierendes Objekt genannt. Schwarze Löcher gehören zu den spektakulärsten Materieschluckern. Der Materiestrom heißt Akkretionsfluss. Dieser Name ist gerechtfertigt durch die Tatsache, dass die Materieströmung fließt wie eine Flüssigkeit. Die Wechselwirkung der Teilchen im Materiestrom ist paarweise und verleiht dem Akkretionsfluss die typischen Fließeigenschaften einer Flüssigkeit. Letztendlich ist Akkretion eines Schwarzen Loches darauf zurückzuführen, dass es mit seiner Umgebung wechselwirkt. Seine Umgebung ist nicht leer, sondern angefüllt mit Material wie dem interstellaren Medium (ISM). Das Schwarze Loch hat eine Masse und vermag daher andere Objekte in der Nähe anzuziehen. Die Gravitation ist also die Ursache dafür, dass sich ein Akkretionsfluss ausbildet. Häufig liest man davon, dass Schwarze Löcher die Materie „ansaugen“, „aufsaugen“ oder „einsaugen“. Diese Bezeichnungen sind nicht ganz korrekt: Saugen hat immer etwas mit einem Unterdruck zu tun (z. B. beim Staubsauger). Ein Unterdruck ist aber nicht die Ursache dafür, dass die Materie vom Loch aufgesammelt wird. Ein Druck ist in der Physik eine Kraft auf eine Fläche, z. B. einer Masse auf eine Unterlage. Deshalb bietet sich an, von Gravitationskräften oder äquivalent Gravitationsdrücken zu sprechen. Mit der Akkretion ist eine Reihe von Strahlungsprozessen verbunden. Das Material im Akkretionsfluss wird durch Reibungseffekte heiß und gibt daher Wärmestrahlung ab. Physiker bezeichnen diese als thermi-
34 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
sche Strahlung oder Planck’sche Strahlung. Es gibt jedoch auch andere, nicht thermische Prozesse für die Entstehung elektromagnetischer Strahlung. So wird in einem weniger dichten Akkretionsfluss die so genannte Bremsstrahlung relevant. Sie entsteht dann, wenn elektrisch geladene Teilchen in einem elektromagnetischen Feld abgelenkt oder sogar gestoppt werden. Auch nicht thermische Strahlungsformen wie die Zyklotronstrahlung und die Synchrotronstrahlung spielen eine Rolle, wenn starke Magnetfelder und schnelle Elektronen im akkretierten Material vorkommen. Ob und wie ausgeprägt die genannten Strahlungsprozesse auftreten, ist eine Frage der Verhältnisse vor Ort. Generell kann man sagen, dass die Akkretionsflüsse bei Schwarzen Löchern sehr heiß werden und die Teilchen darin sich äußerst schnell bewegen. Deshalb wird das akkretierte Material in die Ladungsträger Ionen und Elektronen getrennt, d. h. ionisiert. Es entsteht ein Plasma, bei dem alle oben erwähnten Strahlungsformen eine Rolle spielen – insbesondere in der Nähe des Loches. Akkretion ist der effizienteste Prozess, um Gravitationsenergie in Strahlungsenergie umzuwandeln. Sie ist sogar effizienter als das nukleare Feuer in Sternen! Denn bis zu 42 % der Energie, die gemäß E = mc2 in Materie steckt (Ruheenergie), kann bei der Akkretion in Strahlungsenergie verwandelt werden. Demgegenüber weist die thermonukleare Fusion im Innern von Sternen nur eine Effizienz von 0,7 % auf. Akkretion auf ein (rotierendes) Schwarzes Loch erzeugt deshalb die größten bekannten Leuchtkräfte im Universum. Von wegen schwarz: Die Umgebung leuchtet heller als alles, was wir kennen! Schwarze Löcher werden von nahen Materiequellen wie dem fein verteilten interstellaren Gas oder von benachbarten Sternen „gefüttert“. Dabei bildet sich eine drehende Gasscheibe aus. Woher kommt die Scheibengestalt? Materie besitzt im Allgemeinen einen Drehimpuls. Diese Größe gibt an, wie schnell etwas rotiert und in welchem Abstand vom Drehzentrum. Die Rotation flacht den einströmenden Akkretionsfluss zu einer Scheibe ab. Neben der Rotation sind auch Strahlungsprozesse für diese Scheibenform verantwortlich. Bei den
3.2 Verschlucken von Materie und Licht
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Akkretionsscheiben ist Strahlung sehr wirkungsvoll, um die akkretierte Materie zu kühlen. Spätestens bei der marginal stabilen Bahn (Kapitel 2.6), also wenige Gravitationsradien vor dem Ereignishorizont des Schwarzen Loches, wird die Scheibe instabil. So nahe vor dem Schwarzen Loch sind stabile, gebundene Keplerbahnen nicht mehr möglich. Jetzt heißt es hereinfallen oder herausfliegen. Ein Zahlenbeispiel: Für ein maximal rotierendes Schwarzes Loch von hundert Millionen Sonnenmassen stimmen marginal stabile Bahn und Ereignishorizont überein und liegen bei etwa 150 Millionen Kilometern – das entspricht gerade der Astronomischen Einheit (engl. astronomical unit, AU), also dem mittleren Abstand von Erde und Sonne. Weiter innen bewegt sich der Akkretionsfluss z. B. im freien Fall. Es kann vorkommen, dass die Kühlung des Materials durch Abstrahlung elektromagnetischer Wellen nun nicht mehr wirkungsvoll ist. Daraus folgt eine starke Aufheizung des Materials im Akkretionsstrom, als dessen Konsequenz sich der Akkretionsfluss aufbläht. Solche Materieströme heißen in der Astrophysik advektionsdominierter Akkretionsfluss (kurz ADAF von engl. advection-dominated accretion flow). Die Gestalt des einfallenden Materials wird eher kugelförmig. Einige Himmelsobjekte legen nahe, dass der ADAF deutlich ausgedehnter ist und bis zu einigen 100 Gravitationsradien reichen kann – das hängt von der Akkretionsrate ab, also davon, wie viel Material pro Zeit in das Loch hineinstürzt. Schließen wir nun die Reise der Materie aus den Außenbereichen in das zentrale Schwarze Loch ab: Kurz vor dem Ereignishorizont fällt schließlich die Materie im freien Fall fast mit Lichtgeschwindigkeit ins Schwarze Loch. Diese Bewegungen im freien Fall heißen geodätisch – es wirken keine weiteren Kräfte als die Gravitation. Die Theorie Schwarzer Löcher besagt, dass in direkter (radialer) Richtung auf das Loch die Materie immer mit exakt der Vakuumlichtgeschwindigkeit
36 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
den Ereignishorizont passiert. Das sind also 300.000 Kilometer pro Sekunde oder ca. eine Milliarde Stundenkilometer. Die Akkretionsphysik in unmittelbarer Nähe zu einem Schwarzen Loch ist bei allen bekannten kosmischen Schwarzen Löchern gut vergleichbar. Anhand von Beobachtungen vieler Kandidaten für Schwarze Löcher am Himmel wurde klar, dass man sie alle in einem vereinheitlichenden Bild beschreiben könnte. Die wesentliche Aussage ist, dass vor allem die Akkretionsrate, also die Menge an zuströmender Materie auf das Loch pro Zeit, über die Gestalt des Akkretionsflusses und die daraus resultierenden astronomisch beobachtbaren Spektren entscheidet. Dies wird aus der Abbildung 3.5 unmittelbar ersichtlich. Die Theoretiker versuchen, die unterschiedlich hell leuchtenden Umgebungen Schwarzer Löcher im Detail zu verstehen. Häufig anzutreffen ist die Standardscheibe oder Shakura-Sunyaev-Scheibe (kurz SSD, blau dargestellt) – mehr oder weniger unabhängig von der Akkretionsrate. Der ADAF (gelb) hingegen kommt nur bei kleinen Akkretionsraten unterhalb von 10 % der Eddington-Akkretionsrate vor. Charakteristische Materieausflüsse in Form von Jets (violette Pfeile) entstehen laut Schema vorzugsweise bei etwa 5 % der Eddington-Akkretionsrate. Neben der Akkretionsrate spielen vermutlich nur wenige Parameter eine Rolle, um Akkretionsflüsse von Schwarzen Löchern einheitlich beschreiben zu können. Entscheidend sind wahrscheinlich die folgenden Größen:
Masse des Schwarzen Loches
Rotation des Loches
Akkretionsrate
Neigung der Akkretionsscheibe
Masse des Materiereservoirs
Stärke der umgebenden Magnetfelder
3.2 Verschlucken von Materie und Licht
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Abb. 3.5 Schematisches Bild der Querschnitte durch verschiedene Akkretionsflüsse. Auf das Schwarze Loch (schwarz ausgefüllter Kreis in der Bildmitte) strömt Materie ein, und zwar von unten nach oben mehr Masse pro Zeit, d. h. mit zunehmender Akkretionsrate. Sie wird am rechten Bildrand in Vielfachen der so genannten Eddington-Akkretionsrate dargestellt. Links sind die Zustände mit Namen aus der Spektroskopie bezeichnet. So ist „quiescent“ eine nicht besonders helle Himmelsquelle. Die Helligkeit der unmittelbaren Nachbarschaft um das Loch steigt von unten nach oben enorm an. Unten sind die leuchtschwachen Akkretionsflüsse wie unser Zentrum der Milchstraße einzutragen. Oben befinden sich extrem helle Akkretionsflüsse wie diejenigen der Quasare, eine bestimmte Form aktiver Galaxienkerne.
Das vereinheitlichte Bild der Akkretion ist noch nicht etabliert und wird nach wie vor erforscht. Eddington-Leuchtkraft und Eddington-Akkretionsrate sind bedeutende Größen in der Akkretionsphysik. Diese Zahlen drücken aus, wie sehr eine Quelle die bei der Akkretion frei werdende Gravitationsenergie in Form elektromagnetischer Wellen abstrahlt bzw. Materie aufsammelt. Insoweit benötigen Astrophysiker die Eddington-Grenze,
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um die Strahlungsleistung und das Akkretionsverhalten von unterschiedlichen Sternen und Galaxienzentren beurteilen zu können. Mit der Eddington-Relation kann auch die Masse des Materie aufsammelnden Objekts abgeschätzt werden (Kapitel 4.4). Bei der Ableitung dieser charakteristischen Größe der Akkretionsphysik beginnen wir bei der Eddington-Leuchtkraft. Die Eddington-Leuchtkraft ist diejenige Leuchtkraft, bei der der nach außen gerichtete Strahlungsdruck auf ein Volumenelement im Akkretionsfluss gerade so groß wird wie der nach innen gerichtete Gravitationsdruck. Mit anderen Worten: Eine Quelle mit einer Leuchtkraft oberhalb des Eddington-Limits bläst die Materie in der Umgebung mit der Strahlung weg und bremst oder stoppt sogar die Akkretion. Wenn der Grenzfall gerade erfüllt ist, sprechen die Astronomen von einer Quelle am Eddington-Limit. Ist die Leuchtkraft sogar noch größer, so sprechen sie von einer „super-Eddington-Quelle“. Entsprechend gibt es auch die „sub-Eddington-Quellen“, bei denen die Leuchtkraft unter der Eddington-Grenze liegt. Eine Berechnung aus dem Druckgleichgewicht von Strahlungsund Gravitationsdruck führt auf die Gleichung für die EddingtonLeuchtkraft (Abbildung 3.6).
Abb. 3.6 Gleichung zur Berechnung der Eddington-Leuchtkraft aus der Masse M des akkretierenden Objekts. Hier wurde auf die Masse eines supermassereichen Schwarzen Loches in einem Quasar, 100 Millionen Sonnenmassen, skaliert. G ist wieder die Gravitationskonstante; mp die Protonenmasse, weil diese schweren Teilchen maßgeblich zum Gravitationsdruck in einem Volumenelement im Akkretionsstrom beitragen; c ist die Vakuumlichtgeschwindigkeit und σT der Wirkungsquerschnitt der Thomson-Streuung, da der Strahlungsdruck auf das Volumenelement besonders durch Streuung der Photonen an Elektronen hervorgerufen wird. Die Einheit „erg“ ist sehr gebräuchlich in der Astronomie. Es ist eine Einheit für Energie im cgs-System, wobei zur Umrechnung in Joule gilt: 1 erg = 10−7 Joule.
3.2 Verschlucken von Materie und Licht
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Diese Gleichung besagt ganz einfach, dass ein Schwarzes Loch größerer Masse eine größere Leuchtkraft im Akkretionsstrom erzeugt. Das ist plausibel, hat doch eine schwere Masse ein tieferes Gravitationspotential als eine leichte Masse. Akkretion ist nicht anderes als das Umwandeln von Gravitationsenergie in Strahlungsenergie. Ein Quasar ist heller als ein Neutronenstern – daraus können wir mit der Eddington-Formel folgern, dass das kompakte Objekt im Quasar deutlich schwerer sein muss. Die Leuchtkraft mit der Dimension Energie/Zeit kann über eine Größe namens Effizienz (in folgender Gleichung ε, „epsilon“) an eine Akkretionsrate mit der Dimension, Masse pro Zeit, koppeln. Die Effizienz macht eine Aussage darüber, mit welchem Wirkungsgrad die akkretierte Masse in Strahlung umgewandelt werden kann. Ein typischer, empirischer Wert für die Effizienz ist 10 %; bei schnell rotierenden Kerr-Löchern kann er auch bei 42 % liegen! Korrigiert man um einen Faktor c2, wird aus der Masse eine Energie und aus der Leuchtkraft eine Akkretionsrate: Aus der Eddington-Leuchtkraft wird so die Gleichung für die Eddington-Akkretionsrate in Abbildung 3.7. Die Gleichungen besagen nun, dass ein Quasar, bei dem Astronomen eine Leuchtkraft von 1047 erg/s beobachten, gemäß Eddingtons Argument ein supermassereiches Schwarzes Loch von 100 Millionen bis einer Milliarde Sonnenmassen beherbergen muss.
Abb. 3.7 Gleichung für die Eddington-Akkretionsrate. Der Punkt über dem M symbolisiert eine Ableitung nach der Zeit. Diese Gleichung sagt aus, dass der leuchtkräftigere von zwei Quasaren die höhere Akkretionsrate aufweisen muss und wegen der Gleichung in Abbildung 3.6, dass der Akkretor des leuchtkräftigeren Quasars auch massereicher ist. Die Größe ε ist ein Maß für die Effizienz der Akkretion.
40 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Im Prinzip ist die Eddington-Leuchtkraft ein schönes Beispiel, wie die Natur Prozesse von selbst regelt. Denn eine hohe Akkretionsrate bewirkt eine hohe Leuchtkraft. Wird jedoch die Eddington-Leuchtkraft überschritten, sinkt automatisch die Akkretionsrate durch den angestiegenen Strahlungsdruck, sodass durch die geringere Aufsammlung auch die Leuchtkraft wieder sinkt und in den subEddington-Bereich übergeht. Schwarze Löcher regulieren ihre Aktivität und Leuchtkraft gewissermaßen von selbst. Wie eingangs erwähnt, verhält sich ein Akkretionsfluss wie eine strömende Flüssigkeit. Einen theoretischen Zugang zur Akkretionsphysik verschafft man sich aus diesem Grund mit Simulationen, die auf der Hydrodynamik (HD) beruhen. Der Akkretionsfluss besitzt wie jede Flüssigkeit eine gewisse Zähigkeit, die mit dem Fachausdruck Viskosität bezeichnet wird. Bei irdischen Fluiden verhält es sich nicht anders: Zäher Honig fließt völlig anders als Wasser. Hydrodynamische Simulationen zeigen vor allem die hydrodynamische Turbulenz des Akkretionsflusses. Sie wurde lange Zeit als wesentlich für die Umverteilung des Drehimpulses im Akkretionsfluss angesehen. Dass es deutlich effizientere Mechanismen gibt, konnte erst eine neue, magnetische Akkretionsphysik zeigen. Ein heißer Akkretionsfluss besteht aus einem Plasma, also elektrisch geladenen Teilchen: Elektronen und Ionen. Im Kosmos gibt es immer nicht zu vernachlässigende Magnetfelder, z. B. im interstellaren oder intergalaktischen Raum. Für die Bewegung geladener Teilchen sind Magnetfelder wesentlich, weil sie über Lorentz-Kräfte den Materiestrom abzulenken vermögen. Die Hydrodynamik muss dann um entsprechende Gleichungen der Elektrodynamik erweitert werden. Dieser Theoriezweig heißt Magnetohydrodynamik (MHD). Mit dem jeweiligen Satz an Differentialgleichungen ist das Strömungsproblem bei weitem nicht gelöst; es handelt sich nur um den Ansatz. Die Akkretionstheoretiker diskretisieren nun die Differentialgleichungen. Ziel ist es hierbei, die Gleichungen nume-
3.3 Der Tanz von Loch und Nachbarstern
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risch auf einem Gitter zu lösen. Dazu wird das Gebiet, auf dem sich der Akkretionsfluss bewegt, in kleine Raumelemente geteilt. In zwei Raumdimensionen (2D) können dies Quadrate sein; in drei Raumdimensionen (3D) eignen sich z. B. Würfel. Die Theoretiker entwickeln nun Computerprogramme, die die Zeitentwicklung der Strömung auf dem Gitter berechnen. Dazu werden (wie in der Meteorologie, die ähnliche Strömungsprobleme behandelt) die leistungsfähigsten Rechner benötigt. Am Ende hat man große Datenmengen, die in einem letzten Arbeitsschritt als Bilder und Animationen visualisiert werden. Erst dann folgen die wissenschaftliche Interpretation der Ergebnisse und der Vergleich mit der Beobachtung. In Kapitel 3.6 widmen wir uns Materiestrahlen, den Jets, die untrennbar mit dem Prozess der Akkretion zusammenhängen. In Kapitel 4.1 wird das Verschlucken von Licht bei Schwarzen Löchern genauer besprochen.
3.3 Der Tanz von Loch und Nachbarstern Unsere Sonne ist „Single“ und damit unter der Schar der Sterne eigentlich eine Ausnahmeerscheinung. Viele Sterne im Kosmos treten in Paaren auf und heißen Doppelsterne (Binärsysteme). Das Universum bietet die ganze Vielfalt von Sternen, die sich in Masse, Leuchtkraft, Oberflächentemperatur etc. unterscheiden. Es liegt somit auf der Hand, dass es unter diesen Sternen auch solche gibt, die massereich genug waren, dass sie zu Schwarzen Löchern kollabiert sind. Die Doppelsternsysteme bleiben in der Regel intakt, sodass es im Kosmos durchaus viele mit Schwarzem Loch gibt. Röntgendoppelsterne sind spezielle Doppelsternsysteme mit deutlich ausgeprägter Röntgenleuchtkraft. Nach einem gängigen Modell wird die Röntgenemission dadurch erklärt, dass Materie von einem
42 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
„Wirtsstern“ oder Donatorstern zum „Parasiten“, dem kompakten Stern, gelangt. Die Materie wird vom tiefen Gravitationspotential der kompakten Komponente angezogen und aufgesammelt. Dieser Prozess heißt Akkretion (Kapitel 3.2). Dabei entsteht ein charakteristisches Leuchten im hochenergetischen Bereich der elektromagnetischen Strahlung, nämlich Röntgenstrahlung. Die Low-Mass X-ray Binaries (LMXBs) bestehen aus stellarem Schwarzem Loch oder Neutronenstern plus leichtem Stern, der eine Masse von zwei Sonnenmassen nicht überschreitet. Entsprechend sind die Donatorsterne in LMXBs kühler und besitzen keine starken Winde. Ihre Sternwinde sind eher schwach ausgeprägt und vergleichbar dem Sonnenwind. Ist der Donatorstern schwer und wiegt mehr als zwei Sonnenmassen, so spricht man von High-Mass X-ray Binaries (HMXBs). HMXBs zeigen deshalb starke Sternenwinde der massereichen Begleiter, die oft junge Sterne vom Spektraltyp O oder B sind und oftmals den Wolf-Rayet-Typus entsprechen. Sie beherbergen auch ein stellares Schwarzes Loch oder einen Neutronenstern als kompakte Komponente. Handelt es sich bei der kompakten Komponente definitiv um ein Schwarzes Loch, so verwendet man meist in der Terminologie den Begriff Mikroquasar oder auch Black Hole X-ray Binary (BHXB). Die Differenzierung, ob Neutronenstern oder Loch, gelingt dann, wenn Astronomen die Masse der kompakten Komponente ableiten können (z. B. aus den Kepler-Gesetzen): Liegt sie oberhalb von etwa drei Sonnenmassen, kann man sich ziemlich sicher sein, ein stellares Schwarzes Loch entdeckt zu haben. Handelt es sich um einen akkretierenden Pulsar, also ebenfalls ein Neutronenstern, so hat sich für den Röntgendoppelstern die Bezeichnung AXP eingebürgert. Dies steht für Accreting X-ray Pulsar, also übersetzt akkretierenden Röntgenpulsar.
3.3 Der Tanz von Loch und Nachbarstern
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Ist die kompakte Komponente ein Weißer Zwerg, so nennt man diese Röntgendoppelsterne kataklysmische Veränderliche (engl. cataclysmic variables, CVs). Da die Strahlungsemission mit der gravitativen Energie des kompakten Objekts skaliert und Weiße Zwerge weniger kompakt sind als Neutronensterne und diese wiederum weniger kompakt als Schwarze Löcher, ist die kontinuierliche Röntgenemission kataklysmischer Veränderlicher eher schwach. Es kann allerdings heftige Ausbrüche geben, also intensive Röntgenstrahlung auf kurzen Zeitskalen (Röntgenbursts). Sie ereignen sich dann, wenn akkretierte Materie auf der Oberfläche des Zwergs „niederregnet“. Wenn der Weiße Zwerg eine kritische Masse angesammelt hat, die Chandrasekhar-Masse von etwa 1,46 Sonnenmassen, explodiert das System in einer charakteristischen Supernova vom Typ Ia. Diese besonders hellen Ausbrüche nutzen Astronomen als Standardkerzen zur Eichung von Helligkeiten, zur Entfernungsbestimmung und zur Messung kosmologischer Parameter, die Zustand und Dynamik des Universums festlegen. Für den Materieübertritt gibt es zwei Szenarien. Normalerweise hält ein Stern seine Masse durch die Gravitationskraft fest. Ist nun ein vergleichbar schwerer Begleiter in der Nähe, wird das Gravitationsfeld gestört: In der Umgebung der Sternmassen gibt es Punkte, wo sich die Gravitationskräfte gegenseitig aufheben. Diese Punkte heißen Lagrange-Punkte, benannt nach dem französischen Mathematiker Joseph-Louis Lagrange (1736–1813). In Szenario 1 kommt es zum Massenüberfluss durch den inneren Lagrange-Punkt des Doppelsternsystems. Das geschieht nur dann, wenn der Wirtsstern sein Roche-Volumen überschreitet. Das Roche-Volumen gibt das maximale Volumen eines Sterns an, bevor seine Masse auf den Begleiter überfließen kann. Genauer gesagt gibt es zwei Roche-Volumina in einem Binärsystem – für jeden Stern eines. Es muss dazu gesagt werden, dass die beiden Sterne nicht statisch im Raum liegen, sondern umeinander kreisen. Bei der Betrachtung darf man deshalb Zentrifugalkräfte nicht vergessen. Die Theoretiker sprechen von effektiven Gravitationskräften, die um Zentrifugalterme korrigiert
44 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Abb. 3.8 Darstellung des berechneten Gesamtpotentials in einem Doppelsternsystem. An den trichterförmigen Dellen fällt Material auf die beiden Sterne. Am Boden erkennt man die nach unten projizierten Linien gleichen Potentials (sog. Isokonturlinien), d. h. gleicher Schwerkraft.
sind. Zur Bestimmung der Roche-Volumina muss man sich das effektive Gravitationspotential dieser zwei Sternmassen beschaffen. Das resultierende Gesamtpotential ist als Potentialgebirge in der Abbildung 3.8 dargestellt. Hier sind die Linien konstanten Potentials (Äquipotentiallinien) unter das Gebirge projiziert worden. Die Abbildung 3.9 zeigt die Visualisierung der Äquipotentiallinien als zweidimensionales Diagramm. Diese so genannte Äquipotentiallinienstruktur zeigt charakteristische Punkte. Es handelt sich dabei um genau fünf Lagrange-Punkte L1 bis L5 in einem System von zwei Massen, M1 und M2. Die dreidimensionalen Roche-Volumina der Sterne entsprechen in der Liniendarstellung der blauen liegenden Acht. In dieser Berechnung
3.3 Der Tanz von Loch und Nachbarstern
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Abb. 3.9 Linien gleichen Gravitationspotentials (Äquipotentiallinien) in einem Doppelsternsystem. Die Langrange-Punkte L1 bis L5 sind eingetragen. In diesen ausgezeichneten Orten verschwinden die effektiven Gravitationskräfte, d. h. die um die Zentrifugalkräfte korrigierten Gravitationskräfte.
wurde angenommen, dass die Masse M1 der Sonnenmasse und die Masse M2 nur einer halben Sonnenmasse entsprechen. Der Abstand der beiden Schwerpunkte M1 und M2 sei gerade so groß wie 1,3 Sonnenradien. Die beiden Raumachsen sind in Einheiten des Sonnenradius beschriftet. Der innere Lagrange-Punkt L1 ist interessant, denn er liegt genau auf der Verbindungslinie der beiden Massenschwerpunkte, zwischen den beiden Massen, am Kreuzungspunkt der Acht. Bei diesen Parametern liegt L1 näher bei der kleineren Masse M2. Das ist plausibel, muss ein Testteilchen doch viel näher an den leichteren Stern kommen, damit ein Gleichgewicht der Kräfte herrscht. Die Lagrange-Punkte L2 und L3 liegen hinter den Sternen, jedoch ebenfalls auf der Verbindungslinie der beiden Massenschwerpunkte. L1, L2 und L3 sind auf einer Linie. L4 und L5 sind hingegen außerhalb, bei diesen speziellen Parametern mehr als ein Sonnenradius von L1 entfernt.
46 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Die Roche-Volumina sind nun gerade diejenigen (nicht kugelsymmetrischen!) Volumen, die die blaue Äquipotentialfläche im Dreidimensionalen umschließt und die durch den inneren Lagrange-Punkt verläuft. Ihre Gestalt ähnelt zweien an der Spitze zusammengeklebten Tropfen. Anhand des Potentialgebirges ist anschaulich klar, dass die Lagrange-Punkte labile Gleichgewichtslagen darstellen. Würde man in Abbildung 3.8 Kugeln auf den Lagrange-Punkten auf der roten „Haut“ positionieren, so wäre es ein Leichtes, sie von dort wegzurollen. Die Tangenten verlaufen in den Lagrange-Punkten horizontal (Tangenten entsprechen gerade der effektiven Kraft, denn der negative Gradient des Potentials ist die Kraft). Sterne sind dynamische Objekte und können sich im Verlauf ihres Sternlebens stark verändern. Die Pulsationsveränderliche sind Sterne, die ihren Sternradius periodisch ändern. Übersteigt nun bei einer Pulsation ein Stern im Binärsystem sein Roche-Volumen, so kann Materie dieses Sterns durch L1 zum Begleiter überfließen. Die Fachwelt nennt dieses Phänomen „Roche lobe overflow“. Das Sternplasma strömt dabei nicht auf direktem Wege über, weil der Stern rotiert und deshalb auch das Sternplasma Drehimpuls besitzt. Es kommt zur Ausbildung eines Akkretionsflusses um den Begleiter, in der Regel einer Standardscheibe (Kapitel 3.2). Es kann auch vorkommen, dass beide Sterne des Systems ihr jeweiliges Roche-Volumen ausfüllen. Das System hat dann eine hantelförmige Gestalt. In diesem Fall sprechen die Astronomen von Kontaktsystemen. Das Roche-Volumen ist besonders relevant im Verständnis einiger enger Röntgendoppelsterne. In Szenario 2 kommt es zur Wind-Akkretion. Hier wird der Teilchenwind des Begleitsterns zum Teil eingefangen und findet auf diese Weise den Weg zum kompakten Objekt. Als kompaktes Objekt kommen sämtliche Typen infrage: Weißer Zwerg, Neutronenstern
3.4 Gammastrahlenausbrüche
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oder stellares Schwarzes Loch. Die HMXBs haben einen massereichen Wirtsstern, der starke Winde auf das kompakte Objekt bläst. Aus diesem Grund kann der Abstand der Doppelsternkomponenten größer sein als bei den LMXBs. Energiereiches UV-Licht von der Akkretionsscheibe des kompakten Sterns kann den Teilchenwind auslösen. Ein sehr gut untersuchter Röntgendoppelstern ist Cygnus X-1. „Cygnus“ ist das Sternbild „Schwan“ am Nordhimmel. „X-1“ bedeutet, dass dies die hellste Röntgenquelle (X für X-rays, Röntgenstrahlung) im Schwan ist. Im Jahr 1971 untersuchte der kanadische Astronom Tom Bolton den blauweißen O-Stern HDE 226868 mit einem optischen Teleskop. Die Radialgeschwindigkeit, d. h. die Geschwindigkeit entlang der Sichtlinie, veränderte sich periodisch. Der Sternriese mit 18 Sonnenmassen und 17 Sonnenradien zappelt mit einer Periode von 5,6 Tagen hin und her, was auf einen Begleitstern hinweist. Durchforstet man allerdings die Umgebung des Hauptsterns, so ist kein anderer Stern zu sehen. Ist es ein kompakter Begleitstern, der zu klein ist, als das er ohne weiteres zu beobachten ist? Aus der Kinematik kann man die Masse des unsichtbaren Begleiters ableiten (Kapitel 4.2). Bolton fand eine Masse von etwa zehn Sonnenmassen – zu viel für einen Weißen Zwerg, zu viel für einen Neutronenstern. Damit war die unsichtbare, kompakte Komponente im Doppelsternsystem von Cyg X-1 einer der ersten hervorragenden Kandidaten für ein Schwarzes Loch.
3.4 Gammastrahlenausbrüche Während der Zeit des Kalten Kriegs waren die Tests von Kernwaffen verboten. Um dieses Verbot zu überwachen, setzten die USA die Militär-Satelliten VELA 4A und B ein, mit denen sie in der Lage waren, Gammastrahlung von Nuklearwaffenexplosionen aufspüren.
48 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Die Wellenlänge von Gammastrahlung ist extrem kurz, und sie ist noch energiereicher als Röntgenstrahlung. Gammastrahlung hat ihren Namen vom Gammazerfall erhalten, weil diese Strahlung bei dieser Form der Radioaktivität von hoch angeregten Atomkernen ausgesandt wird. Daher verrät Gammastrahlung Kernreaktionen. Am 2. Juli 1967 wurden die Vela-Satelliten tatsächlich fündig, allerdings war die Quelle der Gammastrahlung nicht auf der Erdoberfläche, sondern am Himmel! So wurden die rätselhaften Gammastrahlenausbrüche (engl. gamma-ray bursts, kurz GRBs) entdeckt. Den Physikern wurde schnell klar, dass die Quelle der kosmischen Gammastrahlung eines GRBs nicht von Radioaktivität herrühren könne. Aber wie entstehen sie dann? Dieses Rätsel bestand bis in die 1990er-Jahre, und im Folgenden soll erläutert werden, was der aktuelle Kenntnisstand ist. Beginnen wir mit den Eigenschaften der GRBs, die beobachtet wurden. GRBs werden überall am Himmel in alle Richtungen gleichermaßen (isotrop) beobachtet. Es gibt keine Häufung in der galaktischen Ebene. Das hätte nämlich dafür gesprochen, dass sie nur in der Milchstraße auftreten oder beobachtbar sind. Fehlanzeige! Die Diagnose, dass GRBs isotrop am Himmel auftreten, basiert vor allem auf dem BATSE-Experiment an Bord des Compton-Gamma-Ray Observatory (CGRO), das über 2700 GRBs detektieren konnte. Astronomen interpretieren das so: GRBs sind kosmologisch, d. h. sie können auch in sehr großen Entfernungen, bei sehr großen kosmologischen Rotverschiebungen bis z ~ 8 beobachtet werden. Um der Fülle von beobachteten GRBs Herr zu werden, dachten sich die Astronomen eine Systematik aus, um sie zu katalogisieren. Ein Gammastrahlenausbruch wird mit den Buchstaben GRB eingeleitet, danach folgen sechs Ziffern, die das Beobachtungsdatum des Ausbruchs enthalten: Die ersten beiden Zahlen geben das Jahr an, die nachfolgenden beiden den Monat und die letzten beiden den Tag.
3.4 Gammastrahlenausbrüche
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So steht GRB 990705 für einen Gamma Ray Burst, der am 5. Juli 1999 beobachtet wurde. Gibt es mehrere GRBs pro Tag, werden sie aufsteigend mit Buchstaben des Alphabets gekennzeichnet, z. B. GRB950917A. Im Jahr 1997 konnten die Quellen für GRBs – die Gamma Ray Burster – sogar optisch nachgewiesen werden, und zwar als optisches Nachleuchten im Anschluss an den Ausbruch im Gammabereich. Astronomen bezeichnen das als GRB-Nachleuchten (engl. GRB afterglow) und betrachten vor allem die zeitliche Entwicklung des GRB-Leuchtens. Diese so genannte Lichtkurve zeigt sehr unterschiedliche Charakteristika in Form von Minima und Maxima. Irgendwann erlischt der GRB, und die Lichtkurve ist am Minimum. Die Herausforderung der GRB-Forscher besteht darin, die unterschiedlichen Lichtkurven zu klassifizieren und die zugrunde liegende Physik zu verstehen. Zusätzlich beobachten sie auch Spektren der GRBs mit Teleskopen in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen. Das Nachleuchten ist von immenser Wichtigkeit, weil es gestattet, die kosmologische Rotverschiebung zu bestimmen. So resultierte die erstaunliche Entfernung von Milliarden von Lichtjahren für einige Gammastrahlenausbrüche. Das bedeutet gleichfalls, dass GRBs bereits im sehr jungen Universum auftraten, was sie noch mysteriöser macht. Was blitzt da in so großer Distanz? Zählt man die GRBs ab, die eine bestimmte Dauer haben, so ergibt sich eine Verteilung mit zwei Buckeln. Deshalb unterscheiden Astrophysiker zwei Typen von GRBs: Es gibt lange GRBs, die zwischen 2 und 1000 Sekunden dauern. Und es gibt kurze GRBs, die nur zwischen 0,01 und 2 Sekunden andauern. In den 1990er-Jahren wurde klar, dass diesen beiden Typen auch eine unterschiedliche Physik zugrunde liegen muss. Die Astrophysiker sind davon überzeugt, dass bei den langen GRBs junge, sehr massereiche Sterne (z. B. O-Sterne oder Wolf-Rayet-
50 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Sterne) kollabieren und in einer extremen Sternexplosion, einer Hypernova, explodieren. Derartige in sich zusammenstürzende Sterne heißen auch Kollapsare. Hypernovae sind noch heftigere Sternexplosionen als Supernovae (Kapitel 3.1), aber von der Physik her verwandt. Das bereits angesprochene Nachleuchten in anderen Wellenlängenbereichen wurde zunächst nur bei den langen GRBs beobachtet, aber mithilfe des speziell für die Jagd auf GRBs gebauten NASA-Satelliten Swift im Jahr 2005 auch bei den kurzen Bursts bestätigt. Astrophysiker erklären die kurzzeitigen Ausbrüche mit einem anderen physikalischen Szenario: Verschmelzungsprozesse von kompakten Objekten, insbesondere Doppelsternsysteme aus zwei Neutronensternen, sollen im Moment der Kollision und Verschmelzung den hellen Gammablitz erzeugen. Es ist vermutlich auch möglich, dass kurze GRBs bei der Verschmelzung von einem Neutronenstern mit einem stellaren Schwarzen Loch erzeugt werden. Gammastrahlenausbrüche sind die gigantischsten Explosionen, die im Universum bekannt sind. Der Energieoutput eines GRBs ist enorm, mit dem einer Supernova vergleichbar und übertrifft diese sogar. Es gibt dabei Unterschiede zwischen den kurzen und langen GRBs. Die frei werdende Energie bei kurzen GRBs liegt bei etwa 1048 bis 1050 erg; lange GRBs setzten sogar etwa das Tausendfache frei, 1051 bis 1053 erg (1 erg entspricht 10−7 Joule). Was passiert aber in nun im physikalischen Detail in einem Gammastrahlenausbruch? Die Wissenschaftler favorisieren aktuell das Feuerball-Modell, das in der Abbildung 3.10 skizziert ist. Der „GRB-Motor“, entweder eine Hypernova oder ein Kollaps von mindestens zwei kompakten Objekten, treibt eine Schockfront nach außen. Dort trifft die Schockwelle auf das interstellare Medium (ISM). Die Lorentz-Faktoren liegen bei 100 bis 1000, was Ausbreitungsgeschwindigkeiten des Explosionsmaterials bis zu 99.99995%
3.4 Gammastrahlenausbrüche
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Abb. 3.10 Skizze zum Feuerball-Modell. Das treibende Element ist die Sternexplosion in der Bildmitte. Die Schockfront hat zwei Vorzugsrichtungen (hier links und rechts), in die sie sich ausbreitet. Entlang dieser Fortpflanzungsrichtung der Stoßwelle kommt es zu Leuchterscheinungen, die vom Gammabereich über das Röntgen- und Ultraviolettspektrum bis in den optischen, Infrarot- und Radiobereich zu beobachten sind.
der Vakuumlichtgeschwindigkeit entspricht. Die Effekte der Speziellen Relativitätstheorie werden bei diesen so genannten ultrarelativistischen Geschwindigkeiten wichtig. Am Bugschock dieser Front wird die kinetische Energie des Feuerballs auf die Elektronen und Photonen in der Umgebung übertragen. Die Elektronen werden dabei auch ultra-relativistisch und kühlen vor dem Hintergrund des interstellaren Magnetfeldes über Aussendung von Synchrotronstrahlung. In der innersten Schale entsteht dabei die charakteristische Gammastrahlung der GRBs. Das wird auch prompte Emission genannt. Dahinter, in weiteren Schalen des mittlerweile abgebremsten Feuerballs, entsteht das Nachleuchten der anderen Wellenlängenbereiche. Die auslaufende und immer langsamer werdende Schockfront erklärt damit das beobachtete Nachleuchten im Ultravioletten, Optischen, Infraroten und Radiobereich. Das Schlüsselelement des gerichteten (anisotropen) Feuerballs sind stellare, ultra-relativistische Jets. Die Astrophysiker nehmen heute an, dass sie im Kollaps des Vorläufersterns bzw. Vorläufersystems entstehen. Aufgrund der enorm hohen Geschwindigkeiten der Jets
52 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
ist auch der relativistische Beamingfaktor extrem groß. Beamingfaktor bezeichnet den speziell relativistischen Doppler-Faktor, der ein Maß dafür ist, wie sehr elektromagnetische Wellen, die vom GRB-Jet ausgehen, in ihrer Energie verschoben werden. Bei einem irdisch beobachteten GRB muss der Jet etwa in Richtung Erde zeigen. Wenn sich ein leuchtendes Objekt fast lichtschnell in Richtung eines Beobachters bewegt, kommt ein starker Blauverschiebungseffekt der Strahlung zum Tragen. Daher wird die Strahlung einerseits in ihrer Energie zum Blauen hin verschoben (ändert also ihre Farbe), anderseits wird auch ihre Intensität erhöht (Beaming). Ein Beobachter, der die GRB-Strahlung aus der Schockfront sieht, überschätzt sie sozusagen. Die spezielle Relativität wirkt hier gewissermaßen wie ein „Verstärker“. In Wahrheit oder physikalisch präzise gesagt, im Ruhesystem, ist die GRB-Strahlung viel energieärmer und dunkler. Kurz gesagt: Blauverschobene („gebeamte“) Strahlung ist energiereicher und heller. Astronomen haben auch festgestellt, das einige GRBs (z. B. GRB980425 und GRB030329) mit Supernovae in Zusammenhang zu stehen scheinen. In den GRB-Lichtkurven fanden sie „Extralicht“, das charakteristisch ist für Supernovae. Unklar ist, warum nicht alle Supernovae mit GRBs assoziiert sind. Sie vermuten, dass das Ausmaß der differenziellen Rotation des Eisenkerns im sterbenden Stern darüber entscheidet, ob beide Explosionsformen zusammen auftreten oder nicht. Was haben nun die Gammastrahlenausbrüche mit den Schwarzen Löchern zu tun? Nun, das Aufregende an den GRBs ist, dass ihr Aufflammen die Geburt eines stellaren Schwarzen Loches signalisiert. Wie bei den Aktiven Galaktischen Kernen (AGN, Kapitel 3.6) sind sich die Astrophysiker sicher, dass rotierende Schwarze Löcher (Kerr-Lösung, Kapitel 2.5) auch bei den leuchtkräftigen Gammastrahlenausbrüchen die Schlüsselrolle spielen. Ihre schnell rotierende Raumzeit ist ein effizienter Antrieb, um die ultra-relativistischen GRB-Jets herauszuschießen. Offenbar ist bei den GRBs die gleiche
3.4 Gammastrahlenausbrüche
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Physik am Werk wie bei den aktiven Galaxien: Akkretions- und Jetphysik beschrieben mit Einsteins ART. Die Jagd nach GRBs wird mittlerweile recht professionell betrieben. Ende 2004 wurde ein Spezialsatellit der NASA namens Swift gestartet, der extra für die Entdeckung und Analyse von GRBs konzipiert wurde. Swift fängt nicht nur die prompte Gammastrahlung, sondern auch die im Nachleuchten auftretende Röntgen-, UV- und optische Strahlung auf. Schnelligkeit ist gefragt, um das Nachleuchten beobachten zu können: Blitzt ein GRB auf, schwenkt Swift innerhalb von 20 bis 75 Sekunden vollautomatisch auf die Position des Blitzes, um Beobachtungsdaten aufzunehmen. Die Beobachtungserfolge verdankt Swift dieser Automatisierung und der Kombination der folgenden drei Teleskope: Das Burst Alert Telescope (BAT) kann mit seinem großen Gesichtsfeld etwa 100 GRBs pro Jahr aufspüren. Es misst bei Gammaenergien von 15 bis 150 keV und markiert die Burstposition. Das X-ray Telescope (XRT) ist ein Röntgenteleskop, das bei Strahlungsenergien zwischen 0,3 und 10 keV empfindlich ist. XRT schießt Fotos und nimmt Röntgenspektren des GRB-Röntgennachleuchtens auf. Das UV/Optical Telescope (UVOT) macht im optischen Licht zwischen 170 und 650 Nanometern Fotos und nimmt Spektren auf. Die GRB-Forscher haben u. a. dank Swift viele neue Erkenntnisse gewonnen. So wurde mit Swift und einem weiteren Satelliten HETE-2 2005 herausgefunden, dass die kurzen GRBs bevorzugt in alten elliptischen Galaxien auftreten und weniger in jungen Galaxien. Ende 2005 wurde das Verschmelzungsszenario zweier Neutronensterne bestätigt, weil die beobachtete Rate für kurze GRBs gut mit der erwarteten Kollisionsrate von Neutronendoppelsternen übereinstimmt. Bei extrem weit entfernten GRBs geschehen interessante Effekte: Das optische Nachleuchten eines GRBs mit z > 6 kann nicht mehr mit dem UVOT-Detektor auf Swift beobachtet werden, weil es zu
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stark rotverschoben ist, nämlich oberhalb von 650 Nanometer. Deshalb weicht man in diesen seltenen Fällen auf bodengestützte Infrarotteleskope aus. Der GRB050904 mit z = 6,18 war so weit entfernt, dass das Universum zur Epoche des GRBs noch nicht ganz ionisiert war. Die Ära der Reionisation endete später. Nun kann das optische Nachleuchten des GRBs genutzt werden, um den Kosmos zu „durchleuchten“, weil sich die Verteilung der neutralen Materie durch Absorptionslinien verrät. Das Prinzip ist vergleichbar der Röntgendiagnostik beim Arzt, wobei der Astronom der Arzt und das Universum der Patient ist. Gammastrahlung ist gefährlich, was ja von der irdischen Radioaktivität bekannt ist. Somit ist klar, dass ein Gammastrahlenausbruch nahe der Erde fatale Folgen hätte. Denn die intensive, energiereiche Strahlung würde das Leben auslöschen (zumindest auf der dem GRB zugewandten Hemisphäre der Erde), weil sie eine vergleichbar vernichtende Wirkung hat wie die Gammastrahlung aus Atomkernen. Die bekannte Schädigung des Erbguts oder die direkte Zerstörung des Lebens wären die Folgen eines nahen GRBs. Ein möglicher Kandidat eines langen GRBs ist der bereits vorgestellte „Superstern“ η Carinae, der etwa 100 Sonnenmassen aufweist (Kapitel 3.1, Abbildung 3.3). Er ist mit 7500 Lichtjahren zwar recht weit entfernt, doch wie folgende Abschätzung demonstriert, ist das irdische Leben von diesem Stern gefährdet. Die so genannte Äquivalentdosis bei bekannten Werten und plausiblen Annahmen (z. B. ein 100 Sekunden dauernder Burst) ergibt einen Wert von etwa 1 Sv (Sievert), bezogen auf einen Tag. Dies entspricht fast dem 300fachen der üblichen Jahresbelastung (3 mSv) eines Menschen. Generell wissen Radiologen, dass eine kurzzeitige Ganzkörperbestrahlung von über 7 Sv nach wenigen Tagen zum Tode führt. Bei einem wirklich langen GRB von etwa 1000 Sekunden wäre also die Gefährdung irdischen Lebens durch η Carinae tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Astronomen konnten zeigen, dass die langen GRBs mit dem größeren Energieoutput (also die gefährlicheren) in der Milchstraße sehr
3.4 Gammastrahlenausbrüche
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selten sind. Der Grund ist die interstellare Umgebung des GRBs, denn in der Milchstraße gibt es zu viele Metalle. Im Detail hängt die Gefährlichkeit auch davon ab, wie der GRB zur Erde orientiert sein wird, denn zeigt der GRB-Jet auf die Erde, so ist die gebeamte Strahlung sehr viel energiereicher und intensiver, als wenn der Jet nicht auf die Erde zeigt. Ein Extrembeispiel eines Gammastrahlenausbruchs erschütterte im Frühjahr 2008 die Medien: der GRB 080319B. Dieser Burst vom 19. März 2008 war mit 5,3 Magnituden scheinbare visuelle Helligkeit der bislang hellste im optischen Spektralbereich. Für fast eine Minute war er im Prinzip mit bloßem Auge sichtbar – allerdings ist nicht bekannt, ob das jemand bewusst gesehen hat. Die kosmologische Rotverschiebung dieses Ausbruchs beträgt z = 0,94, d. h. die Entfernung beträgt etwa 7,5 Milliarden Lichtjahre. Als sich das GRB-Licht auf den Weg machte, gab es noch gar keine Erde! Berechnet man aus diesen Daten die absolute Helligkeit, so erhält man die –38. Magnitude, d. h. dieser GRB überstrahlt sogar die hellsten Quasare (ca. –31. Magnitude). Was ist das bloß für ein gleißend helles Himmelsschauspiel gewesen? Die Astronomen haben natürlich das Phänomen in der Zwischenzeit intensiv untersucht und mittlerweile eine gute Erklärung parat. GRB 080319B zeigte ziemlich genau auf die Erde, sodass seine Strahlung in extremem Maße sowohl in der Energie als auch in der Helligkeit durch den Blauverschiebungseffekt verstärkt wurde. Außerdem nehmen die Forscher an, dass der rasend schnelle Materiestrahl des GRBs aus zwei Teilen bestand: einem inneren, scharf gebündelten und besonders schnellen Jet, der sozusagen ummantelt war von einem äußeren, breiteren und langsameren Jet. Das Besondere an GRB 080319B war offenbar – so die favorisierte These –, dass wir Erdbewohner direkt in den Explosionsstrahl blickten. Das würde auch bedeuten, dass dieser GRB an sich nicht so viel anders war als all die anderen Gammastrahlenausbrüche – nur war er sehr besonders relativ zu uns orientiert. Etwa einer von tausend GRBs bietet
56 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
die Chance für eine derartige Ausrichtung, sodass GRB 080319B wohl kein Einzelfall bleiben wird.
3.5 Die hellsten Röntgenstrahler im Kosmos Schwarze Löcher, das Dunkelste, was wir in der Physik kennen, stehen in Zusammenhang mit den hellsten Himmelsereignissen, die Astronomen beobachtet haben. Das belegt das letzte Kapitel über Gammastrahlenausbrüche sehr eindrucksvoll. In diesem Kapitel erfahren wir etwas über ein nicht minder faszinierendes Thema. Es geht um die ultrahellen Röntgenstrahler, kurz ULXs (engl. ultraluminous X-ray sources) genannt. Das Attribut „ultra“ weist darauf hin, dass es sich um Quellen mit ungewöhnlich hoher Röntgenleuchtkraft handeln muss. ULXs haben ihrer Definition nach Röntgenleuchtkräfte von 1039 bis 1041 erg/s im Energieband zwischen 0,2 und 10 keV der Röntgenstrahlung. Dass diese Röntgenleuchtkräfte gigantisch sind, erkennt man beim Vergleich mit der Röntgenleuchtkraft der Sonne: Selbst im Maximum schafft sie nur knapp 5 × 1027 erg/s. Das ist billionenfach schwächer – zwölf Zehnerpotenzen – als beim schwächsten ULX! Die Röntgenastronomen haben ULXs sowohl in der Milchstraße als auch in zahlreichen extragalaktischen Systemen beobachtet. Eine sehr schnelle Abschätzung kann mit dem Eddington-Kriterium (Kapitel 3.2) durchgeführt werden. Unter der Annahme, dass das Leuchten durch Akkretion erzeugt wird, setzt die Eddington-Leuchtkraft die beobachtete Leuchtkraft in Bezug zur Masse des aufsammelnden Objekts. Auf dieser Basis lassen sich schon sehr interessante Schlüsse auf Eigenschaften der ULXs ziehen. Hypothese Nr. 1: Nehmen wir an, der ULX strahle mit einer Leuchtkraft von 1039 erg/s, was durchaus beobachtet wird. Nehmen wir weiterhin an, dass die Masse des Materieaufsammlers (Akkretor)
3.5 Die hellsten Röntgenstrahler im Kosmos
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1,4 Sonnenmassen betrage. Dann folgern wir mit der EddingtonRelation, dass der ULX unter diesen Voraussetzungen eine superEddington-Quelle sein muss. Mit anderen Worten: Der ULX würde extrem effizient Materie aufsammeln. Hypothese Nr. 2: Bleiben wir weiterhin bei der angenommenen ULX-Leuchtkraft von 1039 erg/s. Lässt sich das auch anders auf der Basis des Eddington-Arguments verstehen? Ja, denn der Akkretor könnte auch massereicher sein. Akkretiert der ULX gerade am Eddington-Limit, so können wir mit der Eddington-Formel sofort seine Masse ausrechnen. Wir erhalten bei 1039 erg/s exakt 7,7 Sonnenmassen. Für das obere Ende der beobachteten ULX-Leuchtkräfte erhalten wir sogar 770 Sonnenmassen. Sollte der Akkretor sogar sehr ineffizient Materie aufsammeln und als sub-Eddington-Quelle z. B. nur durch ADAF-Akkretion (Kapitel 3.2) angetrieben werden, so müsste die Akkretormasse noch weit größer als 1000 Sonnenmassen sein. Was könnte das für ein Objekt sein? Diese Massen sind gerade für die leuchtkräftigsten ULXs zu hoch, als dass es wirklich ein massereicher Stern sein könnte. Es wurde daher vorgeschlagen, dass akkretierende, mittelschwere Schwarze Löcher (engl. intermediatemass black holes, IMBHs) ULXs erklären könnten. Diese Annahme ist nicht ohne Reiz, weil diese „Mittelgewichte“ die klaffende Lücke zwischen den „Fliegengewichten“ (stellare Schwarze Löcher, Kapitel 3.3) und den „Schwergewichten“ (supermassereiche Schwarze Löcher, Kapitel 3.6) füllen würden. Die zweite Idee wird auch gestützt von Beobachtungen an Kugelsternhaufen und jungen Sternhaufen, in denen ebenfalls IMBHs vermutet werden. Die Akkretionsscheiben um IMBHs sind mit Temperaturen von ein bis zwei Millionen Kelvin „relativ kalt“ (ja, es gibt noch viel heißere Scheiben). Die Theorie der Standardakkretionsscheiben lehrt, dass die Scheibentemperatur umgekehrt proportional zur Akkretormasse ist. Salopp gesagt: Eine hohe Lochmasse macht eine kalte Scheibe.
58 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Zur Entdeckungsgeschichte der ULXs lässt sich sagen, dass sie seit mehr als zwanzig Jahren beobachtet werden – allerdings hießen sie Anfang der 1980er-Jahre nicht ULXs. Astronomen berichteten 1985, dass sie sowohl in der Spiralgalaxie M51 als auch in deren Begleitgalaxie NGC 5195 helle Röntgenquellen mit Röntgenleuchtkräften von 1039 bis 1040 erg/s mit dem Einstein-Observatorium identifizieren konnten. In beiden Fällen stimmen diese Objekte nicht mit dem Kern ihrer Wirtsgalaxie überein. Im Falle von M51 wurde eine Quelle mit etwa zehn Sonnenmassen abgeleitet. 1993 schlugen Kollegen sogar einen Akkretor mit etwa hundert Sonnenmassen vor, den sie mit einem ULX in der Zwerggalaxie NGC 5408 in Verbindung brachten. Auf der Basis von Daten des sehr erfolgreichen, deutschen Röntgensatelliten ROSAT forderten Astronomen 1999 die Existenz von IMBHs mit hundert bis zehntausend Sonnenmassen. Diese Quellen scheinen viel Materie in kurzer Zeit aufzusammeln (der mit „high state“ bezeichnete Zustand in Abbildung 3.5). Eine statistische Analyse von ROSAT-Daten ergab, dass eine von fünf Galaxien mindestens einen ULX enthalte. Die Spektren von ULXs ähneln sehr denjenigen von Röntgendoppelsternen. Doch einige zeigen besonders weiche, thermische Röntgenstrahlung bei Temperaturen von etwa einer halben Million Grad. Diese spezielle Klasse von Röntgenquellen heißt superweiche Röntgenquellen (engl. supersoft X-ray sources, SSS). Superweiche ULXs wurden sowohl in der Milchstraße als auch in den Magellan’schen Wolken und der Antennengalaxie entdeckt. Ähnlich wie bei den Gammastrahlenausbrüchen versuchten die Astronomen, die extreme ULX-Strahlung durch Blauverschiebung zu erklären. Mit diesem Ansatz würden stellare Schwarze Löcher als ULX-Population und Jets mit einem Lorentz-Faktor von fünf ausreichen. In diesem Fall hat das ULX-Modell eine Vorzugsrichtung, nämlich die Ausbreitungsrichtung des Jets, und wird daher als anisotropes Modell klassifiziert. Die oben beschriebenen Akkretionsmodelle mit den viel schwereren IMBHs sind dagegen richtungsunabhängig (isotrop). Einige Beobachtungen (wie M82 X-1)
3.5 Die hellsten Röntgenstrahler im Kosmos
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sprechen gegen dieses Beaming-Modell. Außerdem zeigen Computersimulationen von Sternenhaufen, dass in ihnen auf natürliche Weise die schwereren IMBHs gebildet werden. ULXs stehen viel häufiger mit Systemen hoher Sternentstehung in Verbindung. So wurden in den irregulären, sich in einem Verschmelzungsprozess befindlichen Antennengalaxien sogar gleich neun ULXs und in der Wagenrad-Galaxie (engl. Cartwheel Galaxy) im sternbildenden Ring sogar 20 ULXs entdeckt. Die beeindruckende Schönheit der etwa 400 Millionen Lichtjahre entfernten WagenradGalaxie zeigt das Beobachtungsfoto in Abbildung 3.11.
Abb. 3.11 Die Wagenrad-Galaxie (engl. Cartwheel Galaxy). Das Falschfarbenbild setzt sich aus unterschiedlichen Wellenlängenbereichen zusammen: Violett ist Röntgenstrahlung, blau ist Ultraviolettstrahlung, grün ist optisches Licht und schließlich ist rot Infrarotstrahlung. Das kleine Bild links oben wurde mit dem NASA-Röntgenteleskop Chandra aufgenommen und zeigt einige Punktquellen, die mit ULXs auf dem ausgeprägten, sternbildenden Ring in Verbindung gebracht werden.
60 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Auch bei der Wagenrad-Galaxie ist die Sternentstehung die Konsequenz einer Galaxienkollision. Denn die kleinere Galaxie links unten stieß mit einer größeren Galaxie zusammen. Daraus ging die eigentümliche Wagenrad-Struktur hervor. Wie sind die IMBHs in ULXs entstanden? Einem Szenario zufolge sind sie die Überbleibsel von Sternen der Population III, also sehr massereichen Sternen, die sich als die ersten im Kosmos gebildet haben. Die Idee ist, dass diese Pop-III-IMBHs die kosmologische Entwicklung bis ins lokale Universum überdauern und dabei gegebenenfalls durch das Aufsammeln von Materie wachsen. Wenn sie schließlich durch eine dichte Molekülwolke oder eine Sternentstehungsregion wandern, zündet der ULX durch Akkretion und wird für uns sichtbar. Die Natur der ULXs ist noch unklar, doch eine Reihe guter Modelle liegt vor, die mit astronomischen Beobachtungen getestet werden können. Zurzeit sprechen sowohl Beobachtungen als auch Computersimulationen in der Tat für die akkretierenden, mittelschweren Schwarzen Löcher. Die Jets stellarer Schwarzer Löcher oder exotische Akkretionszustände stellarer Schwarzer Löcher werden weniger favorisiert. Doch auch akkretierende, stellare Schwarze Löcher erklären in vielen Fällen die Beobachtungen. In dieser Hinsicht herrscht unter Astronomen sicherlich noch keine Einigkeit. Ein guter Ausweg aus diesem Dilemma könnte das folgende Szenario sein: Vielleicht sind die hellsten der ULXs eine homogene Klasse und assoziiert mit IMBHs, während die leuchtschwächeren ULXs nur durch stellare Schwarze Löcher angetrieben werden. Dann wären ULXs beides, stellare und mittelschwere, aktive Schwarze Löcher, die durch eine schärfere Definition für einen ULX getrennt werden könnten.
3.6 Schwarze Löcher in Galaxienzentren
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3.6 Schwarze Löcher in Galaxienzentren Schlafende Riesen Der klare Nachthimmel präsentiert uns Myriaden von Sternen. Beobachtet man die Verteilung der Sterne sehr genau, so fällt schon mit bloßem Auge auf, dass sich einige davon in einer Art Band zu häufen scheinen. Dieses Band umspannt den ganzen Globus. Es verläuft am Nordhimmel beispielsweise durch die Sternbilder Schlangenträger, Leier, Kepheus, Kassiopeia, Perseus, Fuhrmann und Zwillinge. Mit einem Feldstecher oder einem Fernrohr lässt sich das Band in viele Einzelsterne auflösen. Es handelt sich dabei um das Band der Milchstraße. Die Milchstraße ist eine gigantische Ansammlung von Sternen, und wir befinden uns mittendrin. Solche Sternsysteme heißen Galaxien. Die Milchstraße (engl. Milky Way) ist unsere Heimatgalaxie; aber es gibt noch viel mehr Galaxien im Universum, etwa einige Hundert Milliarden. Die Milchstraße besteht aus einigen Hundert Milliarden Sternen, die sich zusammen mit leuchtendem Gas und kaltem Staub in einer gigantischen, rotierenden Materiescheibe angesammelt haben. Diese Materiescheibe hat einen Durchmesser von gut 100.000 Lichtjahren, eine Masse von etwa 40 Milliarden Sonnenmassen und heißt galaktische Scheibe. Im Abstand von etwa 26.000 Lichtjahren vom Zentrum der Scheibe umkreisen wir Bewohner des Planeten Erde mit unserem Heimatgestirn Sonne das Zentrum der Milchstraße. Die galaktische Scheibe erscheint in der Projektion am Himmel als das Milchstraßenband. Schon das Band verrät uns daher viel über die Struktur der Milchstraße. Außerdem zeigen genauere astronomische Messungen, dass die Scheibe eine innere, spiralförmige Struktur mit einem Balken besitzt. Die Milchstraße ist eine Balkenspiralgalaxie. Nach innen verdickt sich die Scheibe zu einem nuklearen Sternhaufen. Diese Verdickung nennen die Astronomen Bulge (ausgesprochen wie „balsch“; dt. Verdickung, Wulst) oder Sphäroid. Wie eine
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riesige, kugelförmige Kuppel umspannt der galaktische Halo die Scheibe. In dieser Kugelschale tummeln sich tausende Kugelsternhaufen, die ihrerseits etwa 100.000 sehr alte Sterne beherbergen, z. B. Weiße Zwerge und RR-Lyrae-Sterne. Wir befinden uns in der Milchstraße, sodass wir uns kein Bild der Milchstraße von außen machen können. Die Astronomen können jedoch faszinierende Innenansichten dieser Galaxie fotografieren, wie in Abbildung 3.12. Dieses Foto wurde mittels Strahlung aufgenommen, die eine etwas höhere Wellenlänge hat als rotes Licht. Das hat den Vorteil, dass diese Strahlung den Staub in der Milchstraße mühelos durchdringt. Im Optischen ist die Sicht entlang der galaktischen Scheibe, insbesondere ins Zentrum der Milchstraße, stark beeinträchtigt durch dicke, schwarze Staubwolken. Erst bei Radio-, Infrarot- oder auch bei harter Röntgenstrahlung ist die Sicht ungetrübt.
Abb. 3.12 Fotografie unserer Milchstraße im Infraroten. Dieses Falschfarbenbild basiert auf vielen Einzelbeobachtungen. Es zeigt den ganzen Himmel (dargestellt im galaktischen Koordinatensystem in der sog. Mollweide-Projektion) im Licht der Infrarotstrahlung bei 2 Mikrometern Wellenlänge.
3.6 Schwarze Löcher in Galaxienzentren
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Das Foto in Abbildung 3.12 zeigt nun das Band der Milchstraße, das sich von links nach rechts zieht. Das helle Zentrum der Milchstraße ist klar in der Bildmitte zu erkennen. Auch der Bulge ist gut zu sehen, denn die Verteilung der Sterne verdichtet sich zum Zentrum und formt eine Verdickung. Nach oben und unten nimmt die Sterndichte deutlich ab, weil das die Regionen ober- bzw. unterhalb der galaktischen Scheibe sind. Hier tummeln sich noch einige Sterne; vor allem ist das die Region des kuppelförmigen Halos, in dem sich die Kugelsternhaufen, die ältesten Objekte der Milchstraße, befinden. Im Bild sind außerdem unten rechts („auf 4 Uhr“) zwei Flecken zu sehen. Das sind nicht etwa Planetarische Nebel oder Kugelsternhaufen – es sind ebenfalls Galaxien. Es sind die beiden Magellan’schen Wolken: die Große Magellan’sche Wolke (engl. Large Magellanic Cloud, LMC) und die Kleine Magellan’sche Wolke (engl. Small Magellanic Cloud, SMC). Die Galaxien begleiten die Milchstraße als eigenständige Galaxien jeweils in etwa 50 kpc Entfernung. Es sind also extragalaktische Systeme. Die Magellan’schen Wolken sind deutlich masseärmer als die Milchstraße und haben sich durch die Gezeitenwechselwirkung stark verändert. Es sind irreguläre Galaxien geworden. Von Europa aus sind die Magellan’schen Wolken leider nicht zu sehen, aber auf der Südhalbkugel der Erde sind LMC und SMC gut zu beobachten und erscheinen als diffuse, kugelige Wölkchen. In größerer Entfernung gibt es noch weitere Nachbarn der Milchstraße. Die Andromedagalaxie (Messier-Objekt M31) beispielsweise ist 667 kpc entfernt. Sie zeigt einen Blauverschiebungseffekt gegenüber der Milchstraße, weil sich beide durch die Wirkung der Gravitation aufeinander zu bewegen. Früher oder später werden die beiden Galaxien zusammenstoßen und miteinander verschmelzen. Von außen betrachtet wird dieser Verschmelzungsprozess so ähnlich aussehen, wie er schon jetzt bei den Antennengalaxien beobachtet werden kann. Kosmologisch gesehen ist die Entfernung zwischen Andromeda und Milchstraße noch zu klein, als dass die kosmologische Rotverschiebung ins Gewicht fallen würde. Deshalb
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kann es lokal noch zu Blauverschiebungen kommen. Andromeda ähnelt sehr der Milchstraße in Gestalt und Masse. Beide Galaxien dominieren eine Ansammlung von Galaxien. Dieser Galaxienhaufen heißt Lokale Gruppe. Neben Andromeda, LMC, SMC sowie Dreiecksgalaxie gibt es viele kleine Zwerggalaxien in der Lokalen Gruppe. Einige von ihnen werden von Dunkler Materie dominiert und sind extrem leuchtschwach. Das 2MASS-Bild in Abbildung 3.12 zeigt im Wesentlichen die Sterne in der Milchstraße. Wenn die Astronomen die Wellenlänge um den Faktor 30 bis 100 erhöhen, dringen sie noch tiefer in das Infrarote ein. Die Milchstraße sieht dann anders aus. Das zeigt Abbildung 3.13.
Abb. 3.13 Dieses Foto zeigt den kosmischen Infrarothintergrund. Es ist ein Falschfarbenbild, bei dem blau einer Wellenlänge von 60, grün einer Wellenlänge von 100 und rot einer Wellenlänge von 240 Mikrometern zugeordnet wurde. Das Band der Milchstraße erscheint nun hell und diffus, weil hier interstellares Gas und Staub leuchten. Das interstellare Gas wiegt etwa 5 Milliarden Sonnenmassen. In der Scheibenebene scheint es förmlich zu kochen: Sternexplosionen wie die Supernovae und kräftige Sternenwinde treiben das interstellare Material heraus aus der Ebene und „pusten“ es zu hohen, galaktischen Breiten. Astronomen nennen die aufsteigenden, extrem schnellen Gaswolken Superblasen (engl. superbubbles). Sie werden auch im Radiobereich beobachtet. In der Milchstraße geht es ziemlich turbulent zu.
3.6 Schwarze Löcher in Galaxienzentren
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Bei den höheren Wellenlängen sind die Magellan’schen Wolken viel besser zu sehen als in Abbildung 3.12 und erscheinen hier als weiße Flecken rechts unten. Außerdem fällt eine blaue, S-förmige Struktur auf, die sich von links unten durch das Zentrum der Milchstraße nach rechts oben zieht. Wie beschrieben ist blau die kürzeste Wellenlänge von 60 Mikrometern. Das ist gerade interplanetarer Staub, der sich im Sonnensystem befindet und als so genanntes Tierkreisoder Zodiakallicht sichtbar wird. Dieser „Staub vor unserer Haustür“ trübt die Sicht ins Weltall. Wir sehen hier in Blau also nichts anderes als die Ebene der Ekliptik. Entlang des blauen Bands ordnen sich die zwölf Tierkreiszeichen an. Genau in der Mitte, im Galaktischen Zentrum, befindet sich das Sternbild Schütze (Sagittarius, Sgr). Das Zentrum unserer Heimatgalaxie ist 26.000 Lichtjahre entfernt. Es ist unglaublich, wenn man sich die Bedeutung dieser Zahl vor Augen führt: Vor 26.000 Jahren, als auf der Erde Steinzeitmenschen wie der Cro-Magnon-Mensch lebten, machte sich Licht im Zentrum der Milchstraße auf eine lange Reise. Genau dieses Licht kommt heute, 26.000 Jahre später, bei uns in den irdischen Teleskopen an. Dieses „alte Licht“ erzählt uns eine faszinierende Geschichte vom Zentrum unserer Heimatgalaxie. Tief im hellen Zentrum von Abbildung 3.12 sitzt in den innersten fünf Lichtjahren eine dichte Ansammlung heller Sterne. Die Infrarotastronomen beobachteten diese Sterne über viele Jahre und fanden für diese Sterne ungewöhnlich hohe Eigenbewegungen. Im Besonderen wurden blaue Überriesen beobachtet, die Emissionslinien neutralen Heliums (HeI) zeigen. Vermutlich sind sie mit 30 bis 100 Sonnenmassen sehr massereich und mit 20.000 bis 30.000 Kelvin Oberflächentemperatur sehr heiß. Diese Heliumsterne verlieren durch Winde sehr viel Material und versorgen damit das galaktische Zentrum mit Masse. Sie befinden sich in einer Nachhauptreihenphase, d. h. sie sind schon weiterentwickelt als die Sonne, die ein Hauptreihenstern ist. Die Fachleute rätseln bis heute, wie die heißen, jungen, massereichen Sterne in die Zentralregion gelangt sind. Denn eigentlich dürften in der heißen Zentralregion unserer Milchstraße gar keine Sterne entstehen.
66 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Vor allem jedoch lauert genau in der Mitte der Milchstraße eine kompakte, dunkle und extrem hohe Masse. Sie ist so dicht, dass es unser Verständnis von Materie übersteigt. Wir werden im Folgenden betrachten, wie es zu dieser Einsicht über Jahrzehnte spannender Forschung gekommen ist. In der galaktischen Scheibe befinden sich nicht nur viel mehr Sterne, sondern auch viel mehr interstellares Material als in den Randzonen der Milchstraße. Dieser Staub sorgt über Streuprozesse für eine deutliche Abschwächung der Strahlung (Extinktion). Die Strahlung wird signifikant gerötet – ein Effekt der übrigens vergleichbar der irdischen Morgen- und Abendröte ist. Die Helligkeit im visuellen Bereich kann um bis zu 30 Magnituden absinken. Dieser Umstand erschwert es den Beobachtern beträchtlich, bei optischen oder ultravioletten Wellenlängen ins galaktische Zentrum zu schauen. Es bleibt den Astronomen nicht anderes übrig, als auf andere Wellenlängen auszuweichen: Radio-, Infrarot- und Röntgenstrahlung. Bei diesen Strahlungsenergien ist die Extinktion nicht so gravierend. Es werden daher Multiwellenlängenbeobachtungen der SagittariusRegion durchgeführt, die mit immer besserer räumlicher Auflösung das Vorhandensein und die Bewegung von interstellarer Materie und Sterne im Zentrum der Milchstraße offenlegen. Dabei dienen Nahinfrarotbeobachtungen dem Studium der stellaren Komponente und Radio- sowie Röntgenbeobachtungen der Gaskomponente. Im Radiobereich wurden die ersten Beobachtungen mit dem USamerikanischen Very Large Array (VLA) gemacht. Typische Wellenlängen liegen bei 6 cm und 20 cm. Derartige Radiobeobachtungen führten zur Entdeckung der auffallend hellen Zentralregion Sgr A, in der sich die kompakte Radioquelle Sagittarius A* (Sgr A*) befindet. Die Ausdehnung der Radioquelle wurde zu etwa 30 Lichtminuten bestimmt, was nur fast vier Astronomischen Einheiten entspricht. Die Radioastronomen können bei der Bildauswertung die helle Zentralquelle „abziehen“, sodass Radiostrukturen zutage treten, die
3.6 Schwarze Löcher in Galaxienzentren
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normalerweise überstrahlt werden. Das so bearbeitete VLA-Foto in Abbildung 3.14 zeigt dann eindrucksvoll die turbulente Gasbewegung im galaktischen Zentrum. Die Radioastronomen führten die so genannte Apertursynthese ein. Damit ist eine mächtige Beobachtungsmethode gemeint, bei der die Radioastronomen mit vielen Radioteleskopen der Erde gleichzeitig auf eine Radioquelle blicken. Die Einzelaufnahmen werden
Abb. 3.14 Radiofoto vom Zentralbereich der Milchstraße aufgenommen bei 3,6 cm Wellenlänge mit dem VLA in New Mexico, USA. Das Ausblenden der hellen Punktquelle Sgr A* entlarvt eine spiralförmige Gasbewegung, die die Astronomen Mini-Spirale (engl. mini-spiral) nennen. Die Radiostrahlung wird von ionisiertem, einfallendem Gas erzeugt, das sich noch einige Lichtjahre entfernt vom Zentrum befindet.
68 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
in einem komplexen Verfahren zu einem Foto zusammengeführt, synthetisiert. So entsteht ein Foto, das gewissermaßen von einem Riesenteleskop mit einer riesigen Öffnung (Apertur) gemacht wurde. Mit dieser Methode gelingt eine bessere Auflösung von Details am Himmel. In der Radioastronomie kursieren diese Verfahren unter Bezeichnungen wie VLBI für Very Long Baseline Interferometry (Interferometrie mit sehr langen Basislinien) und VSOP für Very Long Baseline Interferometry Space Observatory Programme (VLBI im Weltraum mithilfe von Satelliten). Mittlerweile hat die Interferometrie auch den Siegeszug in anderen Spektralbereichen angetreten. Das Very Large Telescope (VLT) in Chile besteht aus vier optischen Einzelspiegeln der 8-Meter-Klasse, die in Verbindung mit kleineren Hilfsteleskopen gerade eine optische Interferometrie ermöglichen sollen. Dieses Verfahren wurde VLTI genannt und ist bereits erfolgreich getestet worden. Seit 1992 führen deutsche Astronomen Beobachtungen des galaktischen Zentrums im Nahinfrarot durch. Nach dem New Technology Telescope der ESO (NTT) in La Silla, Chile kommt nun das VLT zum Einsatz. Seit 2004 liefert der Bildfeldspektrograph SINFONI Beobachtungsdaten hoher Qualität. Das mit SINFONI erreichte Auflösungsvermögen liegt unterhalb von 0,1 Bogensekunden und ist damit vergleichbar mit dem Weltraumteleskop Hubble.
? Scheinbare Größe Objekte am Himmel haben eine bestimmte Entfernung zum Beobachter auf der Erde. Himmelskörper erscheinen umso kleiner, je weiter sie entfernt sind. Die von der Entfernung abhängige Ausdehnung nennt man in der Astronomie scheinbare Größe. Sie wird im Gradmaß in Einheiten von Grad, Bogenminute und Bogensekunde angegeben. Wie bei den Zeiteinheiten Stunde, Minute und Sekunde nutzt man zur Angabe von Winkeln im Gradmaß das Sexagesimalsystem. Deshalb hat das Winkelgrad 60 Bogenminuten und die 7
3.6 Schwarze Löcher in Galaxienzentren
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7 Bogenminute 60 Bogensekunden. Entsprechend ergeben 3600 Bogensekunden genau ein Grad. Die Symbole, um diese Einheiten abzukürzen sind ° für das Grad, ‘ für die Bogenminute und “ für die Bogensekunde. Die Abbildung 3.15 zeigt, wie man die scheinbare Größe eines Objekts aus dessen tatsächlichen Radius R und der Objektdistanz d mittels der trigonometrischen Tangensfunktion berechnet.
Abb. 3.15 Berechnung der scheinbaren Größe ϕ aus Abstand d und Durchmesser 2R des Himmelsobjekts. Zahlenbeispiele: Der Vollmond hat im Gradmaß einen (mittleren scheinbaren) Durchmesser von 31 Bogenminuten und 6 Bogensekunden oder 1866‘‘, also etwas mehr als ein halbes Grad. Die Sonne hat einen scheinbaren Durchmesser von etwa 1914 Bogensekunden oder 31‘54‘‘. Sonne und Mond haben eine vergleichbare scheinbare Größe, was es ermöglicht, dass die Mondscheibe die Sonne in einer Sonnenfinsternis (Eklipse) abdeckt. Je nach aktuellem Abstand des Mondes zur Erde variiert die scheinbare Größe des Mondes geringfügig. Daher kann es totale oder ringförmige Sonnenfinsternisse geben. Die hochauflösende, moderne Astronomie erfordert eine weitere Unterteilung der Bogensekunde: So gibt die Millibogensekunde (Abkürzung mas für milliarcsecond) den tausendsten Teil einer Bogensekunde an, und Mikrobogensekunde (Abkürzung μas, μ ist das kleine griechische m, für microarcsecond) entspricht einer Millionstel Bogensekunde.
70 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Die Abbildung 3.16 ist ein Forschungsresultat aus jüngster Zeit und zeigt die Bahnen der innersten Sterne um das Zentrum der Milchstraße. Offenbar kreisen die Sterne um ein gemeinsames, massereiches Zentrum. Die Verhältnisse sind vergleichbar zu unserem Sonnensystem, wo sich die die Planeten um die Sonne bewegen. Die Gesetze der Physik können im Sonnensystem benutzt werden, um aus den
Abb. 3.16 Sternenbahnen der so genannten S-Sterne um das galaktische Zentrum basierend auf Infrarotbeobachtungen über viele Jahre. Die Sterne bewegen sich auf Ellipsen, genauso wie die Planeten um die Sonne. Aus diesen Sternbewegungen kann die Zentralmasse abgeleitet werden.
3.6 Schwarze Löcher in Galaxienzentren
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Planetenbahnen die Sonnenmasse zu berechnen. Genauer gesagt nutzen die Astronomen das dritte Kepler-Gesetz aus. In Worten lautet es: Die Quadrate der Bahnperioden zweier umlaufender Körper verhalten sich wie die dritten Potenzen (Kuben) der großen Halbachsen ihrer elliptischen Bahnen. Wie die Abbildung 3.17 illustriert, messen die Astronomen die Umlaufzeit τ des Sterns und die große Halbachse a der elliptischen Bahn. Weil die Gravitationskonstante G bekannt ist, folgt mit der Gleichung in Abbildung 3.17 direkt die Masse im Zentrum der Milchstraße. Die Eigenbewegungen der S-Sterne sind in der Tat außergewöhnlich, weil sie unglaublich hohe Bahngeschwindigkeiten von etwa 8000 Kilometern pro Sekunde erreichen. Damit schafft es der innerste Stern S2 das galaktische Zentrum in nur 15 Jahren auf einer gebundenen Kepler’schen Bahn zu umrunden. Welche Art von Zentralmasse kann Sterne mit einem derart Atem beraubenden Tempo herum sausen lassen? Die Forschungsresultate deutscher und US-amerikanischer Astronomen sind überwältigend. Die auf einem winzigen Raumgebiet
Abb. 3.17 Skizze zum 3. Kepler’schen Gesetz. Aus Umlaufzeit des Sterns τ und großer Halbachse a folgt sofort die Masse M in der Mitte der Bahn (G: Gravitationskonstante, π: Kreiszahl).
72 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
eingeschlossene Masse im Zentrum der Milchstraße beträgt etwa vier Millionen Sonnenmassen! Das Volumen, in dem diese Masse lokalisiert ist, wurde ebenfalls per Beobachtung bestimmt. Es beläuft sich auf nur 10−6 Kubik-Parsec, entsprechend einem Volumen mit gut 2000 AU Kantenlänge! Die Masse ist in diesem Volumen nicht homogen verteilt, sondern konzentriert sich zum Zentrum hin. Die zentrale Dichte von 1012 Sonnenmassen pro Kubik-Parsec ließ nur den Schluss auf eine äußerst kompakte Masse zu. Wie passt diese enorm hohe Masse in ein Gebiet, das kaum größer als unser Sonnensystem ist? Dieses Rätsel lässt sich nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur so klären, dass es sich um ein supermassereiches Schwarzes Loch handelt (Diskussion in Kapitel 5.3). Derartige Giganten unter den Schwarzen Löchern sind uns bereits in Kapitel 3.2 bei der Diskussion der Eddington-Leuchtkraft und der Quasare begegnet. Die Beobachtung unserer Heimatgalaxie legt nahe, dass es so schwere Schwarze Löcher geben muss. Das supermassereiche Loch in der Milchstraße wurde durch ein indirektes Verfahren nachgewiesen, weil es bewegte Sterne verraten (dazu später mehr in Kapitel 4.2). Über das schwerste Loch im Herzen der Milchstraße lässt sich noch mehr erfahren, und zwar durch weitere Beobachtungen. Untersuchungen mit dem VLT im Jahr 2002 offenbarten, dass Sgr A* aufblitzt. Diese so genannten Infrarotflares geschehen typischerweise mehrmals täglich und dauern etwa eine Stunde. Die beobachtete Helligkeit der ansonsten im Infraroten dunklen Region um Sgr A* wird dabei vergleichbar hell wie Sterne im Feld. Die Flares treten in Form von Quasi-periodischen Oszillationen (QPOs) auf; das ist ein recht regelmäßiges Aufflackern der Strahlung. Es ist schwierig, diesen Vorgang physikalisch zu verstehen, weil nicht genau geklärt ist, was den Flare hervorruft. Eine mögliche Interpretation ist, dass stark erhitztes Material ein letztes Mal aufflammt, bevor es auf Nimmerwiedersehen in der zentralen Schwerkraftfalle verschwindet. Unter der Annahme, dass die Periode des Flares von einer regelmäßigen Bahnbewegung herrührt, lässt sich sogar eine Aussage über die Lochrotation machen.
3.6 Schwarze Löcher in Galaxienzentren
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Das liegt daran, weil die engste Bahn um das Loch (die marginal stabile Bahn, siehe Kapitel 2.6) vom Drehimpuls des Loches abhängt. Je schneller das Loch rotiert, umso engere, stabile Bahnen sind aufgrund der Struktur der Raumzeit möglich. Die Infrarotbeobachtung des quasi-periodischen Flares von etwa 17 Minuten Periode führt unter diesen Annahmen auf einen spezifischen Drehimpuls des Loches, der etwa halb so groß ist wie der Maximalwert, a ~ 0,5 M. Die Röntgenbeobachtungen finden hingegen im hochenergetischen Strahlungsbereich statt. Das weltraumgestützte Röntgenobservatorium Chandra schaute ebenfalls auf das Galaktische Zentrum. Dabei wurden ausgedehnte Bereiche sehr heißen Plasmas entdeckt, das thermisch im Röntgenbereich strahlt. Außerdem zeigten sich zahlreiche, besonders helle Punktquellen, die Röntgenstrahlung abgeben (Abbildung 3.18). Während dieser Beobachtung mit Chandra wurden auch Flares nahe Sgr A* im Bereich der Röntgenstrahlung entdeckt – genau wie im Infraroten. Aufgrund der extrem kurzen Zeitskala dieser Röntgenblitze kann gefolgert werden, dass sie nahe am Ereignishorizont des Schwarzen Loches entstehen müssen. Das folgt, falls man die beobachtete Quasiperiode der Flares mit einer Keplerumlaufzeit in Verbindung bringt. Deutsche Röntgenastronomen folgerten mit Beobachtungsdaten des europäischen Röntgenteleskops XMM-Newton eine Lochmasse von knapp drei Millionen Sonnenmassen und einen Lochdrehimpuls von a ~ 0,99 M. Diese Messungen sind unabhängig von den Beobachtungen der Infrarotflares und unabhängig von den Untersuchungen der Sternbewegungen im Infraroten. Allerdings stimmen beide Modelle im Interpretationsansatz überein, dass die Flares von einer Bahnbewegung moduliert werden. Die Sachlage ist, dass das supermassereiche Loch in unserer Galaxie rotiert. Es muss ein Kerr-Loch sein. In der Analyse der Struktur von Galaxien wurden sehr nützliche Relationen gefunden. Darunter fällt die M-σ-Relation, die Astronomen
74 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Abb. 3.18 Innerster Bereich der Milchstraße, aufgenommen im Licht der Röntgenstrahlung. Röntgenblasen im Zentrum werden von zahlreichen, einigen tausend Punktquellen umgeben. Die ausgedehnten Strukturen heißen, ionisierten Plasmas erwartet man auch in der Umgebung eines Schwarzen Loches, weil durch Akkretion die Materie stark aufgeheizt wird. Von einer räumlich größeren Skala muss der Akkretionsfluss durch ein Nadelöhr im räumlich viel kleineren Schwarzen Loch verschwinden und es mit Masse anreichern. Die hellste Röntgenquelle, die in diesem Falschfarbenbild weiß erscheint, ist im Zentrum: Sgr A*, also die unmittelbare Umgebung des supermassereichen Schwarzen Loches.
3.6 Schwarze Löcher in Galaxienzentren
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beim Studium sehr vieler Galaxien gefunden haben. Sie besagt, dass die Lochmasse M mit der Geschwindigkeitsdispersion σ in der vierten Potenz skaliert. Die Geschwindigkeitsdispersion (Einheit km/s) ist ein Maß dafür, wie schnell sich Sterne und Gas um ein Galaxienzentrum drehen. Astronomen messen sie spektroskopisch mit einem Spalt, den sie über die zentrale Helligkeitsverteilung der Galaxie legen. Die Abbildung 3.19 zeigt das Diagramm der Veröffentlichung, in der die Entdeckung dokumentiert wurde.
Abb. 3.19 Gemessene M-σ-Relation, wie sie anhand von 31 nahen Galaxien (Datenpunkte mit Fehlerbalken) gemessen wurde. Die Steigung der Geraden in dieser doppellogarithmischen Auftragung liefert gerade den Exponenten des Potenzgesetzes, das die Proportionalität zwischen dunkler Zentralmasse M und Geschwindigkeitsdispersion σ beschreibt. Diese Steigung liegt ungefähr bei der Zahl 4.
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Eine ähnliche Relation stellt einen Zusammenhang zwischen der Masse des superschweren Loches und der Bulgemasse der Galaxie her. Der Bulge bezeichnet gerade die zentrale, kugelige Verdickung einer Galaxie, die aus vielen Sternen besteht. Die Bulgemasse skaliert mit der Lochmasse in der Potenz von 1,12. In beiden Beziehungen folgt die schwierig zu messende Lochmasse aus dynamischen Modellen der Galaxienzentren. Generell enthüllt die M-σ-Relation, dass die innersten Sterne einer Galaxie und das zentrale superschwere Loch in einer geheimnisvollen Verbindung zu stehen scheinen. Die Relation legt nahe, dass sie eine gemeinsame Entwicklung durchlaufen.
Leuchtende Giganten aus der Vorzeit Nun haben wir das supermassereiche Loch im Zentrum der Milchstraße kennengelernt und auch die hell leuchtenden Quasare in Kapitel 3.2. In einem verallgemeinerten Bild gehen die Astrophysiker davon aus, dass (mit wenigen Ausnahmen) in jeder Galaxie ein zentrales, supermassereiches Schwarzes Loch sitzt. Allerdings sind die nahen Galaxien nicht mehr aktiv, weil die supermassereichen Schwarzen Löcher nicht mehr intensiv mit Materie versorgt werden: Ohne heftiges Materieaufsammeln kommt der Aktivitätszyklus zum Erliegen. Ein gutes Beispiel dafür ist Sgr A* in der Mitte der Milchstraße. Diese Quelle beherbergt offenbar ein kaum aktives, supermassereiches Schwarzes Loch, weil die Umgebung relativ leer ist, sodass das Loch „hungert“. Es ist nicht auszuschließen, dass das galaktische Zentrum vor einiger Zeit aktiver war. Schaut man immer tiefer ins Universum, so tauchen immer mehr aktive Galaxien auf. Im Jargon der Astronomen heißen sie AGN, was für aktive Galaxienkerne (engl. active galactic nuclei) steht. Offensichtlich vollzog sich eine aktive Phase in vielen Galaxien, als das Universum noch jünger war. Neuerdings wird angenommen, dass die Verschmelzung ganzer Galaxien dabei eine wichtige Rolle
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spielt. Denn das jüngere Universum war kleiner und dichter, sodass sich auch die Galaxien näher kamen als im ausgedehnten, lokalen Kosmos. Somit war die Wahrscheinlichkeit zu verschmelzen größer. Im Verschmelzen der Galaxien durchdringen sich die Sterneninseln gegenseitig. Es kommt dabei eher selten zu Sternkollisionen, aber es gibt eine Ablenkung der ursprünglichen Bahnen der Himmelskörper („dynamische Reibung“) und vor allem einen Gasaustausch. Galaxienkollisionen sorgen dafür, dass das zentrale Schwarze Loch etwas zu fressen bekommt. Die Fütterung zündet den AGN. Manchmal geschieht die Fütterung auch häppchenweise, nämlich dann, wenn das Schwarze Loch einen ganzen Stern verschlingt. So etwas geschieht allerdings recht selten; etwa einmal in 10.000 Jahren pro Galaxie. Dennoch konnte dieses Ereignis 2004 bei der Röntgenquelle mit der Katalogbezeichnung RX J1242-1119 bestätigt werden – Einzelheiten werden in Kapitel 4.5 vorgestellt. Die bekannteste Form von aktiven Galaxien sind sicherlich die Quasare. Es handelt sich dabei um optisch punktförmige, sternartig erscheinende Objekte. Einen Eindruck vom Aussehen dieser faszinierenden Licht-Kraftwerke gibt die optische Beobachtung zweier Quasare auf dem Foto in Abbildung 3.20. Die leuchtkräftigsten Quasare erreichen Leuchtkräfte von 1047 erg/s. Zum Vergleich: Diese Leistung eines einzigen Quasars entspricht der Leuchtkraft von 1000 Milchstraßen oder 100 Billionen Sonnen oder der Leistung von 1031 Kernkraftwerken. Astronomische Beobachtungen mit Radiowellen zeigen, dass auch die Quasare ausgedehnte Quellen sind. Auf spektakuläre Weise schießen die zentralen Schwarzen Löcher gebündelte Materiestrahlen aus dem Herzen des AGN, die so genannten Jets. Quasare, die dieses Phänomen zeigen, gehören zu den radiolauten Quasaren. Daneben existieren auch radioleise Quasare, schwächere Vertreter mit eher unterdrückter Radiostrahlung. In den 1990er-
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Abb. 3.20 Fotos von zwei Quasaren, der etwa 1,5 Milliarden Lichtjahre entfernte HE1239-2426 und HE0450-2958 in fünf Milliarden Lichtjahren Entfernung. Sie sehen aus wie Sterne, sind aber keine, sondern Galaxien, deren Zentren extrem hell leuchten. Die umgebende Wirtsgalaxie – in diesem Fall eine Spiralgalaxie – ist besonders gut im rechten Exemplar HE1239-2426 zu erkennen. Bei HE0450-2958 tut man sich schwer, eine Wirtsgalaxie auszumachen. Nur ganz oben im Bild gibt es eine diffuse Struktur, die an eine Galaxie erinnert. Die spektroskopische Analyse ergab, dass es sich um eine Gaswolke handelt –, jedoch ohne Sterne! Die helle Punktquelle im oberen Teil des Bildes ist der Quasar; unten befindet sich ein Vordergrundstern.
Jahren ist es mit dem Weltraumteleskop Hubble gelungen, auch die nähere Umgebung der Quasare optisch aufzulösen. Dabei zeigte sich, dass sie im Innern von Galaxien ganz unterschiedlicher Gestalt (Hubble-Typs) sitzen. Außer den Quasaren – sicherlich die bekannteste Form der AGN – kennen die Astronomen viele weitere Typen. Im Folgenden sollen weitere AGN-Typen knapp vorgestellt werden. Blazare sind vermutlich die spektakulärsten und kräftigsten aktiven Galaxien. Die Wirtsgalaxien sind ausschließlich elliptische Galaxien, was darauf hinweist, dass es sich um entwickelte Sternensys-
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teme handelt, die aus der Verschmelzung (jüngerer) Spiralgalaxien hervorgegangen sind. Betrachtet man Fotos von Blazaren in den verschiedenen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums, so findet man darauf einen ausgeprägten, kompakten Radiokern. Sie zeigen auch Emission von Gammastrahlung bis in den Bereich von TeV, also Strahlung bei den höchsten Energien überhaupt. In der Gammaleuchtkraft übertreffen sie sogar die leuchtkräftigen Quasare. Sie sind über den gesamten Spektralbereich sehr variabel auf typischen, sehr kurzen Zeitskalen von Tagen und Stunden. Die Emissionsregion muss entsprechend sehr klein sein, in etwa so groß wie unser Sonnensystem. Blazare besitzen ausgeprägte Jets. Wie sich herausstellte, schauen die irdischen Beobachter bei Blazaren in den Jetstrahl mehr oder weniger direkt hinein – das definiert gerade die Blazare. Ihre Jets sind also schwach geneigt (weniger als ca. 15 Grad), und aus diesem Grund sehen Astronomen meist nur einen einseitigen Jet. Dadurch, dass sich das Jetplasma mit relativistischen Geschwindigkeiten bewegt, wird die Strahlung in Bewegungsrichtung gebündelt und blauverschoben (Beaming). In der Konsequenz sehen Beobachter durch diesen SRT-Effekt eine intensivere Emission des Jetstrahls, der auf die Erde zeigt, und eine unterdrückte Emission des Jetstrahls, der von der Erde weg zeigt. Faszinierend ist, dass es dabei zu Überlichtgeschwindigkeitseffekten (engl. superluminal motion) kommen kann – allerdings nur scheinbar. Man kann leicht mit den Methoden der SRT zeigen, dass die beobachtete Geschwindigkeit von Jetstrukturen die Lichtgeschwindigkeit um ein Vielfaches überschreiten kann. So misst man bei einigen Blazaren Geschwindigkeiten von Emissionsknoten – das sind helle Gebilde im Jetstrahl – von zehnfacher Vakuumlichtgeschwindigkeit oder sogar mehr! Dies kommt durch die spezielle Orientierung des Jets relativ zum Beobachter zustande und ist damit ein geometrischer Effekt. Eigentlich bewegt sich der Jet natürlich relativistisch
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korrekt mit zwar sehr hohen Geschwindigkeiten, jedoch unterhalb der Lichtgeschwindigkeit. Die Blazar-Spektren zeigen häufig einen „Doppelhöcker“, die durch Synchrotronstrahlung erklärt werden können. Die TeV-Emission entstammt sehr wahrscheinlich dem Prozess der Comptonisierung von der UV-Strahlung der Standardscheibe, d. h. UV-Photonen gewinnen in Streuprozessen an energiereichen Elektronen Energie und werden so zu in der Energie billionenfach verstärkt zu TeVPhotonen. Die supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum der Blazare gehören zu den größten überhaupt, z. B. dasjenige in Markarian 501 hat ein solches mit mehr als drei Milliarden Sonnenmassen. BL-Lac-Objekte (alternativ: Lacertiden) sind einer weiteren AGNKlasse zugehörig, die etwas lichtschwächer als die Quasare ist. Sie wurden bereits im Jahr 1929 optisch vom deutschen Astronom Cuno Hoffmeister im Sternbild Eidechse (lat. Lacertae, daher die Abkürzung Lac) entdeckt und von ihm wegen ihrer hohen optischen Variabilität als veränderliche Sterne klassifiziert. Aus diesem Grund haben sie das Präfix BL erhalten, da man die veränderlichen Sterne alphabetisch aufsteigend indiziert. Erst viel später stellte sich heraus, dass es sich tatsächlich um extragalaktische Objekte handelt, die nur sternartig erscheinen. Im Jahr 1974 bestimmten Astronomen die Distanz aus dem Spektrum mithilfe des Doppler-Effekts zu knapp einer Milliarde Lichtjahre. Aus der Variation der BL-Lac-Strahlung mit der Zeit lässt sich bestimmen, dass die Emissionsregion nur eine Ausdehnung von wenigen Lichttagen (einige hundert AU) hat. Der AGN-Typus BL Lac ist in elliptischen Wirtsgalaxien beheimatet – wie die Blazare. BL-Lac-Objekte zeigen spektral eine starke Blauhelligkeit, wohingegen optische Emissions- und Absorptionslinien fehlen. Die Ab-
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wesenheit von Linien deutet auf eine fehlende Gasscheibe hin, was für elliptische Galaxien typisch ist, denn im Laufe ihrer langen Entwicklung wurde ihr Gas fast vollständig aufgebraucht. Die maximale Abstrahlung erreichen sie im Infrarot- und Röntgen-/Gamma-Bereich, haben jedoch auch eine hohe Radiohelligkeit. Jets scheinen bei BL-Lac-Objekten nicht aufzutreten. Radiogalaxien sind aktive Galaxienkerne, die sich durch eine hohe Radioleuchtkraft auszeichnen. Im Jargon der Astronomen wird so etwas auch als „radiolaut“ bezeichnet. Die Leuchtkraft im Optischen ist mit –24. Magnitude eher gering. Die erste Radiogalaxie mit der Messier-Bezeichnung M87 wurde 1949 entdeckt. Am gleichen Objekt wurde der Begriff Jet geprägt, ein extrem schneller Materiestrom, den alle Radiogalaxien haben. Meist sind die Radiogalaxien elliptische Galaxien. Ihr Emissionslinienspektrum ähnelt sehr den Seyfertgalaxien, die nachfolgend beschrieben werden. Von der Gestalt (Morphologie) her ähneln die Radiogalaxien sehr den radiolauten Quasaren: Beide AGN-Typen zeigen im Radiowellenlängenbereich neben den Jets weitere, ausgedehnte Strukturen wie die so genannten Lobes („Lappen“), Hot Spots („heiße Flecken“) und einen Core („Kern“). Diese Strukturen bei den Radiogalaxien im Vergleich mit den Quasaren unterscheiden sich nur auf der Längenskala. Seyfertgalaxien sind auffallend helle Galaxien und ebenfalls AGN. Ihre Aktivität ähnelt, wenn auch in einem viel schwächeren Ausmaß, der der Quasare. Seyfertgalaxien sind nach ihrem Entdecker Carl K. Seyfert benannt, der sie 1943 erstmals beobachtete. Die spektralen Eigenschaften dieser AGN sind neben dem enorm hellen Kern sehr breite Emissionslinien, die durch den DopplerEffekt turbulent strömenden Gases entstehen. Seyfertgalaxien zeigen hohe optische Variabilität auf der Zeitskala von einigen Monaten und Überschüsse von Ultraviolett- und Infrarotstrahlung. Die Strahlung ist zum Teil polarisiert (was auf Synchrotronstrahlung hinweist) und die Radioleuchtkraft eher schwach ausgeprägt
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(„radioleise“). Erstaunlicherweise sind die Wirtsgalaxien der Seyfertgalaxien fast ausschließlich Spiralgalaxien. Die Jets der Seyfertgalaxien sind – im Gegensatz zu den Quasaren und Radiogalaxien – äußerst schwach ausgeprägt. Seyfertgalaxien sind die schwächste AGN-Form. Astronomen sortieren die Seyfertgalaxien (und Quasare) in zwei Unterklassen Typ 1 oder Typ 2 ein. Ursache für diese Zweiteilung ist der unterschiedliche Blickwinkel des Beobachters auf die Scheibe um den AGN. Blickt der Beobachter von oben auf die Scheibe (kleine Neigung), sieht er das Zentrum des AGN. Das entspricht Typ 1. Bei hohen Neigungswinkeln hingegen verhüllt eine Art Materieschlauch aus Staub, genannt Staubtorus, eine (optische) Sicht ins Innere des AGN – das entspricht dann dem Typ 2. Typ 2 ist – bedingt durch Streueffekte im Staubtorus – im Radio und Infrarot heller als Typ 1. ULIRGs oder ULIGs steht für Ultra-Luminous InfraRed Galaxies, also Galaxien extremer Infrarothelligkeit. Im fernen Infrarot weisen sie etwa 1012 Sonnenleuchtkräfte und mehr auf, wobei die Leuchtkraft der Sonne etwa 4 x 1026 Watt oder 4 x 1033 erg beträgt. Bei den größten Infrarotleuchtkräften sind ULIRGs die dominierenden Objekte: Sie treten dann in vergleichbarer Zahl wie die Seyfertgalaxien auf und sind sogar zahlreicher als die Quasare. Als Erklärung für diese extreme Infrarothelligkeit gibt es konkurrierende Modelle. Im ersten Modell, dem Starburst-Modell, ergibt sich die Infrarothelligkeit aus einer erhöhten Sternentstehungsaktivität, d. h. viele massereiche Sterne bilden sich in kurzer Zeit in der Galaxie. Als Grund dafür wiederum favorisieren Astronomen die Verschmelzung von Galaxien, insbesondere von gasreichen Spiralgalaxien. Die Vermischung und Verdichtung von Gas in den kollidierenden Galaxien leitet eine verstärkte und schnelle Entstehung von Sternen ein. Alle Sterne zusammen erhöhen die Infrarothelligkeit der verschmelzenden Galaxien insgesamt.
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Im zweiten Modell, dem AGN-Modell, passiert während des Galaxienzusammenstoßes Folgendes: Das Gasgemisch verliert seine Rotation (also den Drehimpuls) infolge „dynamischer Reibung“, d. h. die Gasmassen ziehen sich gegenseitig an und „bremsen sich aus“. Das Gas wird dabei von der Sternpopulation in den Galaxien gelöst und fließt in den Zentralbereich der verschmelzenden Galaxien. Das sind ideale Voraussetzungen zum Zünden eines AGNs, weil die AGN-Leuchtkraft ja durch die Akkretion auf ein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie erzeugt wird. Per Beobachtung wurde in den innersten 1500 Lichtjahren im Innern einer der hellsten Infrarotgalaxien eine Gasmasse von zehn Milliarden Sonnenmassen bestimmt. Das sind riesige Gaskonzentrationen, die hervorragend das Loch füttern und so den AGN antreiben könnten. Die Analyse von 15 ULIRGs ergab, dass 70–80 % der Galaxien durch die Entstehung massereicher Sterne angetrieben werden, wohingegen 20–30 % davon durch einen AGN erklärt werden können. Die AGN-Aktivität verrät sich durch die Stärke von polyaromatischen Kohlenwasserstoffen (PAHs) im Spektrum. Es zeigte sich auf der Grundlage von aktuellen Infrarotbeobachtungen, dass ULIRGs generell AGN- und Starburst-Aktivität zeigen. Die anfänglich favorisierte Trennung von Starburst- vs. AGN-Modell ist nicht mehr haltbar, und ULIRGs sind komplexer als ursprünglich gedacht. Unter den ULIRGs gibt es die spektakuläre Galaxie NGC 6240 (Abbildung 3.21). Mit dem US-amerikanischen Röntgensatelliten Chandra, der räumliche Strukturen sehr gut aufzulösen vermag, gelang im Jahr 2002 der Nachweis eines doppelt-aktiven Kerns in NGC 6240. Im Zentrum des ULIRGs tanzen zwei supermassereiche Schwarze Löcher um den gemeinsamen Schwerpunkt. Genau das würde man als Folge der oben beschriebenen Galaxienkollision auch erwarten. NGC 6240 gehört zu den besten Kandidaten eines „doppelten Lochs“. Von solchen „Lochzwillingen“ wissen Relativitätstheoretiker, dass
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Abb. 3.21 Fotografie des ULIRGs NGC 6240, aufgenommen mit Röntgenstrahlung. Diese Galaxie hat einen doppelten Kern, der sehr wahrscheinlich aus zwei supermassereichen Schwarzen Löchern besteht.
sie intensive Gravitationswellen abstrahlen – vor allem, wenn sich die beiden Löcher sehr nahe kommen. Durch den Energieverlust des Systems infolge der Abstrahlung dieser Wellenform müssen die beiden gigantischen Löcher irgendwann einmal verschmelzen. Die Gravitationswellenforscher erwarten dann eine intensive Abstrahlung der Gravitationswellen und hoffen, dass sie das auch bald direkt beobachten werden. Nun haben wir verschiedene Typen aktiver Galaxien kennen gelernt – Quasare, Blazare, BL-Lac-Objekte, Radio- und Seyfertgalaxien sowie ULIRGs. Mit der Beobachtung von Himmelsobjekten, die immer wieder neue Eigenschaften zeigten, kamen die unterschiedlichen Namen in die Fachwelt. Die moderne Astrophysik führt allerdings die unterschiedlichen Typen auf ein einziges Standardmodell für AGN zurück. Dieses Bestreben wird manchmal auch mit der Vereinheitlichung oder Unifikation der AGN umschrieben. Die Spektren der AGN und deren Interpretation führten allmählich zu einem einheitlichen Bild, das verschiedene, wesentliche Elemente aufweist. Alle Elemente sind in mehr oder weniger starker Ausprägung bei jedem AGN vorhanden. Die schematische Abbildung 3.22 stellt das AGN-Standardmodell vor.
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Abb. 3.22 Das astrophysikalische Standardmodell von einem aktiven Galaxienkern. Das Schema zeigt alle wesentlichen Elemente im Inneren einer aktiven Galaxie: Staubtorus, Akkretionsscheibe, Jet und zentrales, supermassereiches Schwarzes Loch, die im Text erläutert werden. Zu Illustrationszwecken wurde in der Vertikalen und der Horizontalen eine logarithmische Skala benutzt. Von außen kommend findet man zunächst die Jets auf der Mpc- bis kpc-Skala. Dann beginnt auf der Höhe des kalten Staubtorus die pc-Skala, innen im Bereich der Standardscheibe ist die sub-pc-Skala, die schließlich bei wenigen Gravitationsradien direkt am Ereignishorizont des Schwarzen Loches endet.
Im Folgenden werden die wesentlichen Elemente im AGN beschrieben. Der zentrale Motor der AGN ist nach gängiger Vorstellung ein akkretierendes, rotierendes, supermassereiches Schwarzes Loch – eine wahrlich unglaubliche Höllenmaschine. Diese Idee wurde schon vor etwa vierzig Jahren vorgeschlagen. Typische Massen dieser gigantischen Schwarzen Löcher im Herzen der AGN liegen zwischen einer Million und drei Milliarden Sonnenmassen. Riesige elliptische Radiogalaxien bilden das Zentrum der Galaxienhaufen, z. B. M87 im
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Virgo-Haufen. Ihre Schwarzen Löcher sind mit einigen Milliarden Sonnenmassen die schwersten überhaupt. Damit ein solches Loch aktiv werden kann, benötigt es „Treibstoff“. Dies ist die aus der Umgebung einfallende Materie, die einen Akkretionsfluss um das Schwarze Loch aufbaut. Die Rotation formt typischerweise eine Akkretionsscheibe, die im Wesentlichen aus zwei Teilen besteht: der kalten, geometrisch dünnen und optisch dicken Standardscheibe (SSD) und dem heißen, advektions-dominierten, optisch dünnen Akkretionsfluss (ADAF). Wie aus Abbildung 3.22 ersichtlich, schließt sich die Gasscheibe innerhalb an den Staubtorus an. Am Innenrand der Standardscheibe gibt es eine ausgedehnte, heiße Region, die Korona. Hier entsteht die energiereiche elektromagnetische Strahlung der AGN. Die Strahlung entstammt unterschiedlichen physikalischen Prozessen: So entsteht thermische Strahlung, die besonders hohe Energien bei dem heißen Plasma erreicht; aber es entsteht auch Bremsstrahlung oder Synchrotronstrahlung (die nicht thermisch ist). Die Akkretionsscheibe ist magnetisiert, und die Magnetfelder können durch die Rotation verstärkt werden (galaktischer Dynamo). Einfallende Materie steht immer im Zusammenhang mit ausströmender Materie, die auf ganz natürliche Weise im Akkretionsfluss und am Schwarzen Loch entstehen. Diese Materie strömt als Winde oder als Jets aus dem Zentralbereich einiger AGN heraus. An der Oberfläche der Akkretionsscheibe werden Teilchenströme erzeugt, die man Scheibenwinde nennt. Der Bildungsmechanismus ist ganz analog zu dem des Sonnenwinds: Magnetfelder durchstoßen die Sonnen- bzw. Scheibenoberfläche und entreißen Plasma, das sich entlang den Magnetfeldlinien bewegt. Dieser Vorgang wird von den Astrophysikern Blandford-Payne-Mechanismus genannt. Treffen sich Magnetfeldlinien unterschiedlicher Polarität, so werden sie vernichtet. Dieses Phänomen heißt in der Physik Rekonnexion. Dabei wird magnetische Feldenergie in kinetische Energie des Plasmas
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umgewandelt. Das Plasma kann nun die Oberfläche der Scheibe verlassen und strömt als Teilchenwind ab. Spannender wird es, wenn die einströmende Materie direkt mit dem Schwarzen Loch selbst in Wechselwirkung tritt. In Kapitel 2.5 haben wir die Ergosphäre der rotierenden Schwarzen Löcher kennen gelernt. Die Raumzeit rotiert so nah am Loch extrem schnell und reißt alles mit sich – Materie und Licht. Die vom Plasma mitgeschleppten Magnetfelder werden von der rotierenden Raumzeit ebenfalls mitgezogen und um die Rotationsachse des Kerr-Lochs aufgewickelt. Das verstärkt letztendlich die Magnetfelder in der Scheibe, ein Effekt, der als ergosphärischer Dynamo bezeichnet wird. Die Ergosphäre treibt so einen elektromagnetischen Energiefluss – der in der Elektrodynamik Poynting-Fluss heißt – aus dem zentralen Loch im AGN heraus. Auf diesem Energiefluss „reiten“ einige Plasmateilchen mit und verlassen so das Herz des AGN als Jet. Die Energieressource für den Jet ist in diesem so genannten Blandford-Znajek-Szenario die Rotationsenergie des Schwarzen Loches, die über die Magnetfeldlinien angezapft werden kann. Die letzten beiden Absätze haben gezeigt: Die Winde und Jets der aktiven Galaxien scheinen in jedem Fall magnetisch getrieben zu sein. Sie entstehen entweder bereits ober- und unterhalb der Akkretionsscheibe (Blandford-Payne-Modell) oder/und erst direkt am rotierenden Schwarzen Loch in der Ergosphäre (Blandford-Znajek-Szenario). Beide Modelle konnten in aufwendigen Computersimulationen untermauert werden. Derzeit versuchen vor allem die Radioastronomen durch interferometrischen Beobachtungen Fotos vom Inneren der AGN zu schießen, die entweder zeigen, dass die Jets in der Gasscheibe bei größeren Abständen vom AGN-Zentrum entstehen oder zeigen, dass die Jets ihren Ursprung direkt am Schwarzen Loch haben. Vielleicht geschieht in der Natur sogar beides. Fakt ist, dass es auch eine Vielzahl von aktiven Galaxien gibt, die keine ausgeprägten oder gar keine Jets haben. Offenbar hängt dies davon ab, wie viel das zentrale Loch pro Zeit verschlingt (ver-
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Abb. 3.23 Skizze der Geometrie im Zentrum eines AGN. Die Akkretionsscheibe beliefert das zentrale Schwarze Loch mit Material. Ein Bruchteil der Materie strömt in Form von Winden von der Scheibe ab (grün). In der unmittelbaren Nähe um das Schwarze Loch können durch allgemein relativistische und magnetische Effekte gerichtete Materieausflüsse entstehen (rot), die in größerer Entfernung zum Loch zu den spektakulären Jets gebündelt werden (blau). Der Löwenanteil der einströmenden Materie verschwindet allerdings im Loch (schwarz) und reichert es mit Masse an.
gleiche Abbildung 3.5). Abbildung 3.23 fasst skizzenhaft die innere Struktur eines AGN zusammen. Massereiche Sterne wie Rote Riesen und Wolf-Rayet-Sterne blasen ihre Materie in Form von Sternenwinden in den interstellaren Raum. Dieser Sternenstaub sammelt sich in einem gigantischen Schlauch an, der sich um das Zentrum des AGN legt und so schwer ist, wie Millionen bis hundert Millionen Sonnen. Das ist der Staubtorus, dessen Abstand vom zentralen superschweren Loch unterhalb der pc-Skala liegt. Wie bei den Seyfertgalaxien oben beschrieben, sorgt dieser ausgedehnte Schlauch für eine Zweiteilung der Seyfertgalaxien und
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Quasare in Typ 1 und 2. Die Verhüllung durch den Staubtorus lässt sich recht eindrucksvoll anhand von leuchtenden Materiewolken im Innern des AGN beobachten. Um das Zentrum kreisen diese Wolken. Spektrallinien, die sie emittieren, sind umso breiter, je schneller sich die Wolken bewegen, denn es gibt eine Verbreiterung durch den Doppler-Effekt. So unterscheiden die Astronomen Wolken mit breiten Linien, die so genannte Broad Line Region (BLR), und Wolken mit engen Linien, die Narrow Line Region (NLR). Bei AGN Typ 2 deckt der Staubtorus die BLR ab, sodass typische breite Linien bei Typ 2 fehlen. Nur die NLR ist beobachtbar. Bei Typ 1 sind hingegen sowohl breite als auch enge Linien sichtbar, sodass beide, NLR und BLR, im Spektrum auftreten. Die Verbreiterung der Linien verrät viel über die Bewegung der Materie im inneren AGN, z. B. lassen sich so direkt Geschwindigkeiten der Wolken messen. Woher glauben die Galaxienforscher das alles zu wissen? Sie lernen, im Licht der Himmelsobjekte zu lesen. Jedes Gestirn, jeder Planet, jede Galaxie hat einen elektromagnetischen Fingerabdruck: das elektromagnetische Spektrum. In dieser Verteilung von Strahlungsintensität (alternativ spektralen Fluss) über Wellenlänge (alternativ Frequenz) können die Astronomen herauslesen, wie die Quelle die Strahlung produziert, was ihre chemische Zusammensetzung, Temperatur, Dichte u.v.m. ist. Die Spektren der aktiven Galaxien sind ebenfalls sehr individuell, und doch gibt es einige Gemeinsamkeiten. Somit ist es möglich, eine Art Prototypspektrum einer aktiven Galaxie abzuleiten. Die Abbildung 3.24 zeigt ein solches idealisiertes Spektrum über einen sehr weiten Spektralbereich. Starten wir im Diagramm links, so fällt der erste „rote Buckel“ (engl. red bump) im Spektrum auf, der im Bereich der Wärmestrahlung im Infrarot liegt und etwa bis zum roten Licht reicht. Diese Strahlung kommt zum einen von jungen Sternen; zum anderen handelt es sich bei dieser Strahlung um „umgewandelte Strahlung“ aus dem Zentrum des AGN. Trifft nämlich die hochenergetische UV- und weiche Röntgenstrahlung den Staubtorus, so wird sie gestreut, absorbiert
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Abb. 3.24 Multiwellenlängenspektrum einer aktiven Galaxie vom Typ 1. Es handelt sich um eine Auftragung des spektralen Flusses (vertikale Achse) über der Wellenlänge bzw. Strahlungsenergie (obere horizontale Achse) bzw. Strahlungsfrequenz (untere horizontale Achse). Die einzelnen Komponenten werden im Text besprochen.
und abgeschwächt infolge der Extinktion. Die ursprüngliche Strahlung wird gerötet und somit im Spektrum nach links verschoben. Das Maximum des roten Buckels liegt etwa bei 10 Mikrometer Wellenlänge. In der Mitte des Spektrums gibt es schon wieder einen Buckel. Weil er bei kurzen, optischen Wellenlängen anzutreffen und recht dominant ist (Maximum etwa bei 100 Nanometern), heißt der zweite Buckel der „große, blaue Buckel“ (engl. big blue bump). Der Ursprung dieser Strahlung ist die Akkretionsscheibe, die zum Zentrum des AGN hin immer heißer wird und thermische Strahlung abgibt. Denkt man sich die Scheibe zerlegt in konzentrische Ringe, so gibt
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jeder Ring die Wärmestrahlung seiner charakteristischen Temperatur ab. Die Summe dieser Planck-Kurven ist gerade der blaue Buckel. Er dominiert das Spektrum und erreicht die größten Flüsse. Der dritte Buckel sitzt im Spektrum ganz rechts, bei höchsten Strahlungsenergien, nämlich bei Röntgen-, Gamma- und sogar TeV-Strahlung. Der innere Akkretionsfluss im AGN befindet sich in unmittelbarer Nähe zum zentralen Schwarzen Loch. Dort wird es so heiß, dass hochenergetische Röntgenstrahlung produziert wird. In Magnetfeldern beschleunigte, relativistische Teilchen geben außerdem Synchrotronstrahlung ab. Wenn diese hochenergetischen Strahlungsformen auf die deutlich kältere Akkretionsscheibe weiter außen treffen, wirkt diese wie ein Spiegel: Die Standardscheibe reflektiert die energiereiche Strahlung und produziert einen Reflexionsbuckel (engl. reflection bump; im Bild türkisfarben). Dabei kommt es auch zur Fluoreszenz in der Scheibe: Die Ionen werden dazu angeregt, charakteristische Linienstrahlung abzugeben. Die dominante Spektrallinie ist die Eisenlinie, die zu den so genannten Röntgen-K-Linien gehört und einige keV Energie bei der Emission hat (Kapitel 4.3). Es kommt auch vor, dass niederenergetische Umgebungsstrahlung den Weg in den optisch dünnen, heißen, inneren Akkretionsfluss findet. Die Photonen können dabei am heißen Plasma gestreut werden und Energie gewinnen. Dieser Vorgang heißt in der Astrophysik Comptonisierung und produziert den Compton-Buckel (in Abbildung 3.24 grün dargestellt). Der Compton-Buckel dominiert den energiereichen dritten Buckel im AGN-Typ-1-Spektrum. Verglichen mit den beiden niederenergetischen Buckeln steckt im Comptonund Reflexionsbuckel weniger Fluss. Die Variabilität dieser Quellen vor allem im Bereich der Röntgenstrahlung ist sehr hoch und läuft auf kurzen Zeitskalen (Tage und darunter) ab. Das Emissionsgebiet muss somit recht klein sein, nämlich im Durchmesser nur einige Lichttage. Es kommt daher nur die
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enge Region um das supermassereiche Schwarze Loch als Emissionsgebiet infrage. Es war eine Errungenschaft der modernen Astronomie, zu erkennen, dass die scheinbar sehr unterschiedlichen Quasare, Seyfertgalaxien, Blazare etc. auf ein AGN-Standardmodell mit Staubtorus, Akkretionsscheibe, Winden, Jets und einem zentralen Schwarzen Loch zurückgeführt werden können. Die Unterschiede bei den AGN kommen nur dadurch zustande, dass diese Strukturen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Dies wiederum ist eine Folge von fundamentaler Unterschieden bei physikalischen Parametern wie u. a. Masse und Drehimpuls des supermassereichen Schwarzen Loches, Akkretionsrate auf das Loch und Eigenschaften der Umgebung oder lediglich nur auf die Orientierung der Galaxie relativ zur Erde. Die AGN-Physik muss es leisten, mit einem globalen Modell und wenigen Parametern die Beobachtungen zu erklären. Das anspruchsvolle Ziel der AGN-Theoretiker ist es, auf dem Hintergrund der Kerr-Geometrie (weil das Schwarze Loch rotiert) ein magnetohydrodynamisches Modell (weil der Einfluss von Magnetfeldern wesentlich ist) mit allen Strahlungsprozessen (Kontinuumsstrahlung, Emissionslinien, Bremsstrahlung, Synchrotronstrahlung, kovarianter Strahlungstransport) inklusive Mikrophysik (Moleküle, Neutrinos) zu lösen, d. h. zu simulieren. Weil das offensichtlich allein aus Gründen der Längenskala – ein Gravitationsradius beim heißen Akkretionsfluss, 10.000 Gravitationsradien beim Staubtorus – nicht möglich ist, kann der Theoretiker nur Teilaspekte untersuchen. So zerfällt die AGN-Physik in Akkretionsphysik, Jetphysik, Staubphysik. Daneben gibt es massive numerische Herausforderungen, wo zunächst effiziente Lösungsalgorithmen entwickelt werden müssen (z. B. beim kovarianten Strahlungstransport; Emission von Gravitationswellen). Und natürlich gibt es im Bereich der Computerhardware Beschränkungen. Vor allem
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begrenzt der Arbeitsspeicher die Auflösung des Gitters, auf dem das physikalische Verhalten numerisch gelöst wird. Am Ende steht eine globale Sicht, die man aus einer Gesamtschau der Teildisziplinen erhält und die zu einem physikalischen Verständnis von aktiven Galaxien führt. Zum Abschluss des Unterkapitels wollen wir uns einem prominenten Beispiel für einen typischen AGN zuwenden. Die Galaxie mit dem Namen M87 gemäß des Messier-Katalogs (weitere Namen: NGC 4486, 3C 274, Virgo A) ist eine riesige, elliptische Galaxie vom Hubble-Typ E1 im Zentrum des Virgo-Galaxienhaufens. Auf diesen nahen und massereichen Galaxienhaufen bewegt sich unsere deutlich masseärmere Lokale Gruppe, also auch Milchstraße, Andromedagalaxie und Magellan’sche Wolken, zu. M87 befindet sich im Sternbild Jungfrau (Virgo). Die Galaxie hat einen Abstand von 16 Mpc oder 52 Millionen Lichtjahren, was einer kosmologischen Rotverschiebung von z ~ 0,004 entspricht. Sehr auffällig im optischen Wellenlängenbereich ist der Jet dieser Quelle, der auch in Abbildung 3.25 gut zu erkennen ist. Der Jet entsteht nahe am Schwarzen Loch und bewegt sich weit aus dem Zentrum der Galaxie heraus. Optisch hat der Jet eine Länge von bis zu etwa 5000 Lichtjahren, im Radiobereich wird er sogar bis zu 100.000 Lichtjahren lang. Der Jet bewegt sich relativistisch schnell und zeigt sogar mit Geschwindigkeiten von vier- bis sechsfacher Lichtgeschwindigkeit den Überlichtgeschwindigkeitseffekt. Im Infraroten konnte der Startpunkt des Jets bis hinunter zu 60 Schwarzschildradien gemessen werden. Aufgrund des Alters dieser Galaxie hat sie viel von ihrem Gas verloren. Die Akkretionsrate konnte zu etwa 0,1 Sonnenmassen pro Jahr bestimmt werden. Die Masse des Schwarzen Loches ist mit drei Milliarden Sonnenmassen enorm hoch.
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Abb. 3.25 Optische Fotografie der aktiven Galaxie M87 im Sternbild Jungfrau. Sowohl die elliptische Gestalt der Galaxie als auch ihr Jet sind gut erkennbar. Inmitten der hellen Punktquelle sitzt eines der schwersten Schwarzen Löcher überhaupt.
3.7 Kosmologie mit Schwarzen Löchern Die kosmologisch spannenden Fragen sind: Woher kommen die supermassereichen Schwarzen Löcher, die schon im jungen Kosmos extrem aktiv in Gestalt der Aktiven Galaktischen Kerne (AGN) in Erscheinung treten? Und wie entwickeln sich die superschweren Löcher weiter? Weshalb gibt es im lokalen Kosmos keine Quasare mehr? Die Beobachtung von AGN in allen möglichen Wellenlängenbereichen elektromagnetischer Strahlung bei sehr hohen kosmologischen
3.7 Kosmologie mit Schwarzen Löchern
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Rotverschiebungen legt nahe, dass sie sich schon recht bald im frühen Universum gebildet haben müssen. Im letzten Unterkapitel wurde klar, dass AGN nichts anderes sind als aktive, supermassereiche Schwarze Löcher. Damit gestattet die Beobachtung von AGN in unterschiedlichen Epochen (d. h. bei unterschiedlicher kosmologischer Rotverschiebung) ein direktes Studium der AGN-Entwicklung und des Wachstums Schwarzer Löcher. Die unmittelbare Umgebung des Schwarzen Loches gibt intensive Röntgenstrahlung ab. Es bietet sich daher an, bei den Beobachtungen weltraumgestützte Röntgenteleskope zu benutzen. Lang belichtete Röntgenfotos von Himmelsausschnitten, die so genannten Tiefenfeldbeobachtungen (engl. deep fields), erlauben eine genaue Untersuchung der aktiven Phase von Galaxien. Die aktuellen Beobachtungen von deutschen Röntgenastronomen sprechen dafür, dass sich die AGN nicht alle auf die gleiche Weise entwickelt haben, sondern die Entwicklung von ihrer Leuchtkraft abhängt. Ein großer Datensatz von fast tausend AGN Typ 1, die mit den Röntgensatelliten ROSAT, XMM-Newton und Chandra beobachtet wurden, führt im Energieband von 0,5 bis 2 keV zu folgendem, erstaunlichem Resultat: Bei kosmologisch großen Entfernungen (z ~ 2) gibt es besonders viele leuchtkräftige AGN wie die Quasare. Bei kosmologisch kleinen Entfernungen (z ~ 0,7) gibt es hingegen besonders viele leuchtschwache AGN wie die Seyfertgalaxien. Die Leuchtkraft ist jedoch ein Maß für die Masse des zentralen Schwarzen Loches, das diese Leuchtkraft über Akkretion erzeugt, wie aus der Eddington-Relation hervorgeht (Kapitel 3.2). Macht man sich diesen Zusammenhang zunutze, so folgt, dass sich offensichtlich zuerst die schweren, großen Schwarzen Löcher gebildet haben. Deutlich später bildete sich das Gros der leuchtschwachen AGN. Dieses Phänomen nennt die Fachwelt antihierarchisches Wachstum Schwarzer Löcher. Ein solches Verhalten ist vollkommen unerwartet, würde man doch naiv ein Wachstum von klein nach groß (hierarchisches Wachstum) erwarten.
96 3. Schwarze Löcher in der Astronomie
Die Röntgenbeobachtungen wurden mittlerweile mit theoretischen Modellen erklärt. Die Modelle zeigen, dass die gemittelte Akkretionsrate aller Schwarzen Löcher zu kleiner kosmologischer Rotverschiebung hin abnimmt. Erst in diesen Epochen kleiner Rotverschiebung können daher die Akkretionsvarianten mit kleiner Einfallrate (wie der ADAF und andere radiatively inefficient accretion flows, so genannte RIAFs) dominieren – das sind die Seyfertgalaxien. Die Akkretion mit hoher Akkretionsrate, wie die Standardscheibe, dominiert in Epochen mit höherer Rotverschiebung – das sind gerade die Quasare. Was passiert mit den viel schwereren Löchern der leuchtkräftigen AGN im lokalen Universum, also bei z ~ 0? Sie sind noch da! Astronomen beobachten sie in den Zentren der größten Galaxienhaufen, den Galaxiensuperhaufen. Ein Beispiel ist die im vorangegangenen Unterkapitel vorgestellte elliptische Galaxie M87 im Virgo-Haufen mit z ~ 0,004. Von theoretischer Seite kommt weitere Unterstützung für dieses Szenario: 2005 wurden vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München die Ergebnisse einer aufwendigen Computersimulation vorgestellt, dem „Millennium Run“. Mithilfe von Hochleistungsrechnern wurde die zeitliche Entwicklung eines riesigen Ausschnitts des Universums simuliert. Die Simulation startet bei einer kosmologischen Rotverschiebung von z = 127 und berechnet, wie sich knapp zehn Milliarden Teilchen in einem würfelförmigen Volumen mit einer Kantenlänge von knapp 700 Mpc bis zu einer Rotverschiebung von z ~ 0 formiert haben. Das wichtigste Ergebnis ist, dass der kalten Dunklen Materie die Schlüsselrolle bei der Entstehung großräumiger, kosmischer Strukturen zukommt. Und es stellte sich heraus – um an die Beobachtung im Virgo-Haufen anzuknüpfen –, dass die Zentren der schwersten Galaxienhaufen die besten Orte im Universum sind, um nach den „Nachfahren“ der ersten supermassereichen Schwarzen Löcher zu suchen. Denn in solchen Knotenpunkten hatten sich auch in der Simulation die größten Massen angesammelt.
3.7 Kosmologie mit Schwarzen Löchern
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Nun wissen wir, dass in der Entstehungsgeschichte des Universums anscheinend zuerst die ganz hellen AGN und entsprechend die ganz großen Schwarzen Löcher auftauchten. Aber war zuerst das Loch da oder die umgebende Galaxie? Diese Fragestellung kursiert in der Fachwelt als hen-egg problem, also Huhn-Ei-Problem. Denn auch die Biologie fragt sich, ob zuerst ein Huhn da war, das Eier legte, oder zuerst das Ei, aus dem sich ein Huhn entwickelte. Um diese Frage beantworten zu können, muss ein weiterer Befund angeführt werden: Es muss klar werden, wie sich Sterne entwickelt haben, denn eine Galaxie ist nichts anderes als eine große Ansammlung von Sternen. Letztendlich müssen die Astronomen nun so vorgehen, dass sie die Anzahl (junger, d. h. vor allem blauer) Sterne bei großen kosmologischen Rotverschiebungen zählen. Das gestattet ihnen die Sternentstehungsrate (engl. star formation rate, SFR) im kosmologischen Rahmen zu bestimmen. Diese Beobachtungen sind optisch durchzuführen und benötigen die „scharfen Augen“ des Weltraumteleskops Hubble (HST). Auch hier müssen die Astronomen sehr lange belichten und erhalten Bilder, die Hubble Deep Fields genannt werden. Aus der Analyse dieser tiefen Einblicke ins Universum folgt die Entwicklung der Sternentstehungsrate mit der Rotverschiebung. Die überraschende Entdeckung ist nun, dass die SFR bei z ~ 1 ein Maximum hat – das ist entwicklungsgeschichtlich deutlich später als das Maximum der Anzahldichte der Quasare. Mit anderen Worten: Diese Vergleiche von tiefen optischen mit tiefen Röntgenbeobachtungen sprechen dafür, dass die meisten supermassereichen Schwarzen Löcher sich vor den meisten Sternen entwickelt haben! Woher kam das Ei? Die supermassereichen Schwarzen Löcher erschienen zuerst auf der kosmischen Bildfläche. Wie sind sie genau entstanden? Wie dieser Prozess genau ablief, ist nach wie vor unverstanden. Die Millennium-Simulation lässt darüber spekulieren, ob der Kollaps von Halos aus Dunkler Materie auf Schwarze Löcher geschehen ist. Theoretiker stellen die Hypothese auf, das
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kleine Saatlöcher von nur etwa zehn oder vielleicht auch hundert Sonnenmassen bei z ~ 20 genug Zeit gehabt hätten, um exponentiell auf die großen Massen im lokalen Universum über Akkretion zu wachsen. In diesem konservativen Szenario wird angenommen, dass die ersten Schwarzen Löcher im Gravitationskollaps extrem massereicher Sterne der Population III entstanden. Die Halos aus Dunkler Materie stießen zusammen und verschmolzen miteinander. In diesen Gebilden sanken die aus Population-III-Sternen entstandenen kleineren Löcher in das Zentrum. Gemäß diesem Vorschlag wuchsen die kleinen Löcher in den Halozentren durch Akkretion auf der kosmologischen Skala an. Am Ende einer Milliarden Jahre dauernden Entwicklung stehen dann die superschweren Löcher in den Galaxienzentren, wie sie Astronomen beobachten. In einem spekulativeren Modell wäre denkbar, dass Mini-Löcher von der atomaren Längenskala über einen Inflationsmechanismus, wie ihn das Universum selbst in der Frühphase durchmachte, exponentiell gewachsen sind und über Akkretion schließlich zu den gigantischen Vertretern in AGN wie den Quasaren oder den kleineren Seyfertgalaxien oder den Zentren normaler Galaxien wurden. Ebenso darf spekuliert werden, ob eine spezielle Form von Gravitationswellen, die so genannten superkritischen Brill-Wellen, kollabiert sind und so aus den Wellen direkt die ersten „Saatlöcher“ entstanden. Eine klassische Idee ist, dass Sternhaufen auf schwere stellare Schwarze Löcher kollabieren, dadurch, dass die Sterne miteinander kollidierten und verschmolzen. Dieser Vorgang heißt in der Astrophysik Zel‘dovich-Podurets-Instabilität. In der Klärung der Entstehung der supermassereichen Schwarzen Löcher ist noch viel Raum für mutige, aber physikalisch fundierte Ideen. Die Beobachtungen laufen weiter, genauso wie die theoretischen Modelle dafür.
Kapitel 4
Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern 4.1 So sieht ein Schwarzes Loch aus Schwarze Löcher am schwarzen Nachthimmel beobachten? Unmöglich! – So könnte sich eine voreilige Beurteilung der Frage, ob man Schwarze Löcher beobachten kann, anhören. Es erinnert an die schwarze Katze, die man im Kohlenkeller nicht sieht. Und doch ist die Sachlage nicht so aussichtslos, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Um in der Metapher zu bleiben: Falls sich die schwarze Katze auf das weiße Sofa im Wohnzimmer wagt, entdeckt man sie sofort! Ähnlich verhält es sich mit Schwarzen Löchern. Erinnern wir uns an das letzte Kapitel, so wissen wir, dass Schwarze Löcher mit ihrer Umgebung wechselwirken. Sie akkretieren Materie und Strahlung. Sie wachsen. Sie sind der Motor der hellsten Leuchtfeuer im All, der GRBs und AGN. Damit wird klar, dass etwas Schwarzes vor hell leuchtendem Hintergrund sehr auffällig sein muss – wie die schwarze Katze auf dem weißen Sofa. Es fragt sich nur, wie der Jäger auf Schwarze Löcher nun weiß, wonach er suchen muss. Hier kommt ihm die Theorie zur Hilfe, weil mit einer Berechnung oder Simulation ein künstliches Bild von einem
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Schwarzen Loch hergestellt werden kann. Die Berechnungen des Computers können mit bildgebenden Verfahren visualisiert werden, sodass berechnete „künstliche“ Fotos und Spektren von Schwarzen Löchern und ihrer Umgebung direkt mit Beobachtungsfotos oder Spektren verglichen werden können. Eine Standardmethode der Visualisierung auf Computern heißt Ray Tracing, auf Deutsch „Strahlenverfolgung“. Es handelt sich um eine übliche Methode, um Objekte im Raum zu visualisieren. Ray Tracing wird bei Computerspielen, Computer Amplified Design (CAD) oder beim Darstellen („Rendern“) von Landschaften angewandt. Dabei „schießt“ man Strahlen virtuell von einer Lichtquelle auf ein Objekt, mit dem die Strahlung wechselwirkt (Absorption, Reflexion, Streuung), und betrachtet mit einer virtuellen Kamera das sich ergebende Abbild. Die Abbildung 4.1 stellt das Prinzip von Ray Tracing anschaulich dar. In der nicht relativistischen Beschreibung ist die Lichtausbreitung trivial. Der Grenzfall geometrischer Optik ist erfüllt: Lichtstrahlen sind gerade Linien. Damit gelten die üblichen, schon aus der Schulmathematik bekannten Sätze der Euklid’schen Geometrie. Reflexion
Abb. 4.1 Prinzip von Ray Tracing. Die Strahlen kommen aus der gekrümmten Raumzeit eines Schwarzen Loches und treffen einen entfernten Beobachter in der flachen Raumzeit.
4.1 So sieht ein Schwarzes Loch aus
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kann gemäß der Regel „Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel“ einfach berechnet werden. Beim Ray Tracing löst man immer eine mathematische Gleichung mit numerischen Methoden, die beschreibt, wie sich Lichtstrahlen ausbreiten. Das ist die Geodätengleichung. Es ist eine Differentialgleichung, die aus bekannten Eingangsparametern (Startposition, Abstrahlwinkel) eines Lichtstrahls den Auftreffpunkt des Lichtstrahls oder der Geodäte bestimmt. Nur die Lichtstrahlen, die auch die Kamera treffen, tragen zum Bild bei. Eine Geodäte ist die kürzeste Verbindung im Raum von einem Punkt zum anderen. Ein einzelner Lichtstrahl macht allerdings noch kein Bild! Um ein hochaufgelöstes Bild eines Objekts per Ray Tracing zu erhalten, muss man „viele Strahlen schießen“ – eine typische Größenordnung ist eine Million Strahlen. Zum Vergleich: Ein gewöhnliches, kleines Bild im Internet besteht aus 400 × 200 Pixeln. Das sind schon 80.000 Strahlen – einer pro Pixel. Technisch gesprochen löst man ausgehend vom Bildschirm der Kamera für jeden einzelnen Lichtstrahl die Geodätengleichung, ermittelt seinen Auftreffpunkt in der Landschaft und färbt das Pixel entsprechend ein, z. B. weiß, wenn die Geodäte „im Nichts endet“, schwarz, wenn man ein Objekt in der Landschaft trifft etc. Nach der Berechnung vieler Lichtstrahlen und entsprechender Einfärbungen resultiert das fertige Bild. In Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie (ART) gestaltet sich die Lichtausbreitung komplizierter. Raum und Zeit sind nicht unabhängig voneinander, sondern bilden ein Kontinuum. Diese vierdimensionale Raumzeit gehorcht nun aber der nicht Euklid’schen Geometrie. Euklids einfache Sätze sind nur noch in Spezialfällen anwendbar. Es gilt nach wie vor, dass sich Lichtteilchen, die Photonen mit Ruhemasse null, und Testteilchen endlicher Ruhemasse entlang von Geodäten ausbreiten, falls sie sich kräftefrei bewegen. Die Geodäten unterscheiden sich jedoch, je nachdem, ob das Teilchen eine Ruhemasse hat oder nicht. Die Geodäten für Materieteilchen heißen zeitartige Geodäten, und diejenigen für Licht heißen Nullgeodäten.
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Die Geodätengleichung ist eine Differentialgleichung zweiter Ordnung. Die mathematische Form der Geodätengleichung wird aus einem Variationsprinzip abgeleitet, dessen Ziel es ist, die Weglänge zu minimieren. Man fragt also wie im nicht relativistischen Fall nach der kürzesten Verbindung, nun aber zwischen zwei Weltpunkten, also Ereignissen, die durch drei Raumkoordinaten und einer Zeitkoordinate bestimmt sind. Die Antwort erhält man durch Lösen der Geodätengleichung der ART für gekrümmte Raumzeiten, z. B. die eines Schwarzen Loches. In Einsteins gekrümmter Raumzeit-Welt sind die Geodäten nicht mehr Geraden, sondern krumme Bahnen in einer vierdimensionalen Raumzeit. Eine Illustration dieses Sachverhalts zeigt die Abbildung 4.2. Aus Gründen der Anschaulichkeit wird die gekrümmte Raumzeit als rotes zweidimensionales Gitter dargestellt. Es handelt sich um die Darstellung eines so genannten Gravitationstrichters. Die horizontale Fläche enthält in Koordinaten (x, y) den Ort in der Raumzeit, während die Vertikale (z-Koordinate) ein Maß für die Krümmung der Raumzeit ist. Im Zentrum befinde sich eine Punktmasse, ein Schwarzes Loch. Die Krümmung wird am Ort
Abb. 4.2 Verlauf der Lichtstrahlen (Nullgeodäten) in der gekrümmten Raumzeit („Gravitationstrichter“) eines Schwarzen Loches.
4.1 So sieht ein Schwarzes Loch aus
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der kompakten Masse sehr groß, im Falle des hier angenommenen Schwarzen Loches sogar unendlich, denn der Trichter „schließt sich nicht am Boden“. Am Rand des Gitters, also weit entfernt von der Punktmasse, wird die Krümmung der Raumzeit schwächer. Die Relativitätstheoretiker nennen das die asymptotische Flachheit der Raumzeit. Anders gesagt wäre ein Testteilchen dort so weit weg vom Einfluss des starken Gravitationsfeldes, dass es die Schwerkraft kaum spürt. Ebenfalls eingezeichnet sind zwei Nullgeodäten, die im Gitter, nämlich in der Raumzeit, verlaufen müssen. Sie unterscheiden sich geringfügig in der Einlaufrichtung. Die obere Nullgeodäte läuft in einiger Entfernung am Loch vorbei. Deshalb wird sie nicht gekrümmt. Es gilt in dieser Entfernung der Grenzfall der geometrischen Optik, denn Raum und Zeit sind hier nicht gekrümmt. Die untere Nullgeodäte hingegen kommt der kompakten Masse im Zentrum sehr nahe. Deshalb wird sie stark gekrümmt und läuft um die Punktmasse ein Stück weit herum. Dieses Phänomen heißt Lichtablenkung oder Lichtaberration (Kapitel 4.7). Massen verbiegen Lichtstrahlen. Laut ART muss dieser Mechanismus bei jeder Masse funktionieren, in deren Nähe sich Strahlung ausbreitet. Der Effekt ist jedoch nur bei kompakten oder hohen Massen messbar groß. In der Tat konnte im Jahr 1919 als einer der ersten experimentellen Nachweise von Einsteins ART genau das bei einer Sonnenfinsternis in Afrika beobachtet werden. Die Sternbilder des Nachthimmels werden um einen äußerst geringen, aber messbaren Betrag verzerrt, wenn die Sonne im Vordergrund vorüberzieht. Aufgrund der gleißenden Helligkeit unseres Gestirns ist dieses Phänomen nur bei einer Sonnenfinsternis gut beobachtbar. Mit moderner Technik kann man eine Sonnenfinsternis auch künstlich erzeugen: In einem Koronograph sorgt eine Blende dafür, dass die helle Sonnenscheibe abgedeckt wird. Das ermöglicht die Beobachtung von Ereignissen, die nahe am Sonnenrand stattfinden. Die Abbildung macht deutlich,
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dass kompakte Massen Strahlung wie eine Linse abzulenken vermögen. Deshalb nennt man die Massen, die Lichtaberration hervorrufen, auch Gravitationslinsen. Die Visualisierung Schwarzer Löcher erfordert den Einsatz des relativistischen Ray Tracings. Im Spezialfall von rotierenden Schwarzen Löchern spricht man auch von Kerr Ray Tracing, weil die Strahlung sich in der Kerr-Metrik rotierender Schwarzer Löcher (Kapitel 2.2) ausbreitet. Der Himmel ist reich an Kandidaten für Schwarze Löcher: In vielen Röntgendoppelsternen (Kapitel 3.3) vermuten die Astronomen stellare Schwarze Löcher, wohingegen in nahezu jedem Zentrum von Galaxien die gewichtigere Form mindestens eines supermassereichen Schwarzen Loches (Kapitel 3.6) vermutet wird. Aktuell geraten die ultrahellen Röntgenquellen (ULXs, Kapitel 3.5) in den Verdacht, Schwarze Löcher der mittleren Gewichtsklasse von 100 bis 10.000 Sonnenmassen zu enthalten. Das motiviert den theoretischen Astrophysiker, die Ray-Tracing-Technik einzusetzen, um die Strahlungsprozesse in unmittelbarer Umgebung des Loches zu visualisieren. Relativistisches Ray Tracing dient nun dazu, die optische Erscheinung dieser leuchtenden Akkretionsscheiben (Kapitel 3.2) relativistisch korrekt abzubilden. Abbildung 4.3 zeigt eine farbkodierte Darstellung des relativistisch verallgemeinerten Doppler-Faktors oder Rotverschiebungsfaktors. Dieser so genannte g-Faktor ist ein Maß dafür, wie die Strahlung, die direkt in der Umgebung des Schwarzen Loches emittiert wird, verfärbt wird, wenn sie schließlich einen Beobachter im Unendlichen erreicht. Eine Verfärbung wiederum bedeutet, dass sich die Energie und Wellenlänge der Strahlung verändert.
Die Strahlung wird im Wesentlichen von zwei Dingen beeinflusst: vom Schwarzen Loch und der Bewegung der Strahlungsquelle, also der Plasmateilchen in der Akkretionsscheibe.
4.1 So sieht ein Schwarzes Loch aus
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Abb. 4.3 Computersimulation der Verteilung des Rotverschiebungsfaktors g auf einer dünnen Standardakkretionsscheibe um ein rotierendes Schwarzes Loch. Es wurde hier angenommen, dass die Scheibe gegen den Uhrzeigersinn rotiert und gegenüber dem Beobachter um 60 ° geneigt ist. Die Bereiche der Scheibe mit einer Rotverschiebung der Strahlung sind rot eingefärbt; Blauverschiebung ist blau eingefärbt; Bereiche ohne Verschiebungseffekt sind weiß, und Regionen mit extrem hoher Rotverschiebung sind schwarz. Das Schwarze Loch tritt in der Bildmitte als schwarze, kugelige Region hervor, weil hier die Gravitationsrotverschiebung dominiert und alle Strahlung unendlich ins Rote verschiebt bzw. auf null Intensität abschwächt.
Das Schwarze Loch beeinflusst wie jede Masse die Strahlung, die in seiner Nähe emittiert wird. Betrachtet man Strahlung in einem Teilchenbild, so kann man sich das so veranschaulichen, dass die Lichtteilchen vom Gravitationsfeld festgehalten werden. Sie verlieren dabei Energie, werden also röter, was die Astrophysiker Gravitationsrotverschiebung nennen. Bei sehr kompakten Massen wie Schwarzen Löchern ist dieser Effekt verständlicherweise sehr drastisch: Die Krümmung der Raumzeit ist so hoch, dass ab einem kritischen Abstand zum Loch jede Form von Strahlung festgehal-
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ten wird. Dieser Abstand heißt Ereignishorizont (Kapitel 2.3). Er ist letztendlich der Grund für die absolute Schwärze von Schwarzen Löchern: Die Löcher fangen das Licht. Der Rotverschiebungsfaktor ist nun der geeignete Parameter, um die Verfärbung von Strahlung anzugeben. Die Verfärbung hat physikalisch ihre Ursache in einem Energieverlust oder Energiegewinn der Strahlung, während sie sich in der Raumzeit ausbreitet. Ist der gFaktor kleiner als 1, so handelt es sich um einen Energieverlust oder eine Rotverschiebung. Ist er größer als 1, nennt man es eine Blauverschiebung, einen Energiegewinn. Ist er identisch 1, so gibt es keine Verschiebung der Strahlung im elektromagnetischen Spektrum. Die Strahlung kommt bei einem g-Faktor von 1 so beim Beobachter an, wie sie emittiert wurde. Ein Extremfall ist bei verschwindender Rotverschiebungsfaktor g = 0; dann wird die Strahlung aufgrund der dominierenden Gravitationsrotverschiebung vollständig verschluckt. Die Strahlung verliert ihre gesamte Energie. Der Wert g = 0 wird am Horizont Schwarzer Löcher angenommen und ist in der Abbildung als schwarzes, etwa kreisförmiges Gebiet im Zentrum erkennbar: Das ist das Schwarze Loch. Wie vorweggenommen, beeinflusst nicht nur das Loch die Strahlung, sondern auch die Akkretionsscheibe. Das Plasma rotiert in der Akkretionsscheibe um das Loch. Diese Rotation ist überlagert von einer Einfallbewegung, weil das Loch das Material anzieht. Insgesamt hat man ein relativ komplexes Geschwindigkeitsfeld des strahlenden Plasmas. Die Relativbewegung zwischen Plasma und Beobachter beeinflusst natürlich die gemessene Strahlung. Die Relativbewegung hängt davon ab, wie die Scheibe zum Beobachter orientiert ist. Hierbei definiert ein Neigungswinkel (Inklination), wie die Scheibe gekippt ist. Die Inklination bezieht sich auf den Winkel, den eine Senkrechte zur Scheibe mit der Sichtlinie zum Beobachter einschließt. Eine Inklination von 0 ° heißt entsprechend, dass der Betrachter direkt von oben auf die Scheibenfläche schaut,
4.1 So sieht ein Schwarzes Loch aus
107
wohingegen 90 ° einer Aufsicht auf die Scheibenkante entspricht. In Abbildung 4.3 wurde eine Neigung der flachen Gasscheibe von 60 ° angenommen. Die Rotation der Akkretionsscheibe um ihre Symmetrieachse bewirkt, dass sich ein Teil der zum Beobachter geneigten Scheibe auf den Beobachter zu bewegt, während sich der gegenüberliegende Teil von ihm entfernt. Die elektromagnetische Welle wird also anschaulich im ersten Fall gestaucht und im letzten Fall gedehnt, während sie sich zum Beobachter fortpflanzt. Dieses Phänomen heißt Doppler-Effekt und ist wohlbekannt bei akustischen Wellen, wenn sich eine Schallquelle auf einen Beobachter zu bewegt bzw. von ihm entfernt. Durch diesen kinematischen Effekt gibt es also eine Doppler-Rotverschiebung beim sich entfernenden Teil der Akkretionsscheibe und eine Doppler-Blauverschiebung beim sich annähernden Teil. Extrem wird dieser Effekt bei maximal geneigten Scheiben, also bei 90 °, und er verschwindet völlig bei Scheiben, auf die der Beobachter senkrecht von oben blickt, bei 0 °. Der Doppler-Effekt ist auch bei Newton’schen Scheiben beobachtbar, weil er nur die Rotation der Strahlungsquelle benötigt. Die relativistischen Effekte verzerren dieses klassische Phänomen. Die SRT modifiziert den klassischen Doppler-Effekt für Geschwindigkeiten der Strahlungsquelle, die vergleichbar werden mit der Lichtgeschwindigkeit. Der Strahlungskegel wird dann in Bewegungsrichtung fokussiert (Beaming). Typischerweise nehmen die Rotationsgeschwindigkeiten gemäß Kepler-Gesetz von außen nach innen zu – so ist es bei den Planeten im Sonnensystem. Bei Akkretionsscheiben um Schwarze Löcher können diese Rotationsgeschwindigkeiten ohne weiteres am Innenrand der Scheibe relativistisch, d. h. vergleichbar mit der Lichtgeschwindigkeit, werden. Charakteristisch für das Vorwärtsbeaming ist der blau eingefärbte Bereich. In Abbildung 4.3 ist das links vom Loch, mit einem hier auftretenden Maximalwert von g = 1,2. Im rechten Teil um das
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Schwarze Loch findet Beaming in die vom Beobachter abgewandte Richtung statt. Das ist das rote Segment. Es ist natürlich auch möglich, die Emission, also das Leuchten der Gasscheibe selbst, zu visualisieren. Das ist sicherlich visuell interessanter, weil man hier die tatsächliche Erscheinung einer leuchtenden Scheibe um ein Schwarzes Loch darzustellen vermag – so wie es ein Beobachter sehen würde. Das ist ein wunderbares Beispiel, wie Theoretiker im Computerlabor arbeiten und die Natur simulieren können. Möchte man die Emission darstellen, so müssen die Pixel des Kamerabildschirms neu eingefärbt werden: Dort, wo die Scheibe hell leuchtet, bietet sich ein weißer Farbwert an, schwarz eignet sich für wenig oder keine Emission, und farbige Abstufungen können für Emissionswerte dazwischen angenommen werden. In der Astronomie nennt man die elektromagnetische Emission, auf die es hier ankommt, den spektralen Fluss. Es handelt sich von der physikalischen Dimension her um eine Energie pro Zeit, Fläche und Frequenzband mit der Einheit Watt durch Quadratmeter durch Hertz. Summiert man den spektralen Fluss über alle Frequenzen, erhält man den gesamten Energiefluss mit der Dimension Leistung pro Fläche. Vom Verständnis her reicht es aus, sich den spektralen Fluss als eine Art Helligkeit vorzustellen. Zur Berechnung des spektralen Flusses geht der g-Faktor in höherer Potenz und die so genannte Emissivität ein. Die Emissivität gewichtet die Emission entlang der Scheibe und kann als eine Abstrahlcharakteristik aufgefasst werden. Die Computersimulation in Abbildung 4.4 gibt ein Foto eines Schwarzen Loches inmitten einer leuchtenden und rotierenden Gasscheibe wieder. Auffallend ist der helle Fleck links vom Loch. Blauverschiebung und Beaming verstärken das Licht der Scheibe, das von Plasma stammt, das sich in der Scheibe auf den Beobachter zubewegt. Die hohe räumliche Nähe dieses hellen Flecks zum schwarzen Ereignishorizont liefert einen starken Kontrast zwischen hell und
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Abb. 4.4 Ein Foto vom Schwarzen Loch. Es handelt sich um eine Computersimulation der Helligkeitsverteilung einer leuchtenden Gasscheibe um ein Schwarzes Loch. Die Scheibe rotiert wieder gegen den Uhrzeigersinn. Die Falschfarben bedeuten: weiß für hohe Emission, schwarz für verschwindende Emission und blau für Werte dazwischen. Das Bild der Scheibe wird durch die relativistischen Effekte stark verzerrt. Das Schwarze Loch ist in der Mitte als Zentrum der leuchtenden Scheibe gut sichtbar.
dunkel. Bei Inklination 0 ° verschwindet der helle Beaming-Fleck, weil keine Relativbewegung der emittierenden Plasmateilchen in Richtung zum Beobachter vorliegt. Zusammenfassend zeigen die Berechnungen, dass bei Schwarzen Löchern drei wesentliche Effekte auftreten, die in charakteristischer Weise die Emission einer Akkretionsscheibe und anderer Strahlungsquellen beeinflussen: Doppler-Effekt, Gravitationsrotverschiebung und Beaming. Leider ist es den beobachtenden Astronomen noch nicht möglich, die hier vorgestellten Emissionsverteilungen von Gasscheiben um Schwarze Löcher mit Teleskopen räumlich aufzulösen. Die Teleskopaugen sehen noch zu unscharf. Die Astronomen arbeiten inten-
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siv daran, dies zu ändern. Ein Zusammenschluss vieler Teleskope erhöht deutlich die Lichtsammelleistung und die Öffnung. Diese astronomischen Verfahren heißen Apertursynthese und werden besonders in der Radio- und Infrarotastronomie seit Jahren erfolgreich eingesetzt (VLBI und VLTI, Kapitel 3.6). Diese Technik erlaubt die Identifizierung bisher unentdeckter Details in Himmelsobjekten. Die Radioastronomen haben schon ein bisschen mehr Erfahrung bei der Apertursynthese, und die Prognose ist, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre das Schwarze vom Loch als Radiobild fotografiert werden wird. Gute Kandidaten für einen solchen Schnappschuss sind die Quellen Sgr A* und M87. Was der Astronom allerdings auch ohne hohe Auflösung messen kann, ist ein Spektrum. Diese Strahlung muss aus der unmittelbaren Umgebung des Kandidaten für ein Schwarzes Loch emittiert werden, damit die hier besprochen relativistischen Effekte festzustellen sind. Um die Beobachtung mit der Computersimulation vergleichen zu können, muss sich deshalb ein weiterer Schritt nach dem Ray Tracing von aufgelösten Scheibenbildern anschließen, nämlich die Simulation von Spektren. Theoretiker können u. a. Kontinuumsspektren, die Wärmestrahlung der Scheibe oder auch einzelne Spektrallinien simulieren. Dazu muss über die Abbildung 4.4 im Prinzip summiert werden. Mathematisch entspricht dies der numerischen Auswertung eines Integrals des spektralen Flusses. Ein Paradebeispiel aus der Astrophysik, das mittels Kerr Ray Tracing simuliert werden kann, sind die relativistisch verbreiterten Emissionslinien im Röntgenbereich. Das sind die Röntgen-K-Linien. Viele Quellen zeigen einen ganzen Komplex dieser Emissionslinien in den Röntgenspektren bei Strahlungsenergien zwischen 6 und 7 keV. Der Linienkomplex wird vom Element Eisen dominiert, sodass in der Regel auch nur diese Emissionslinie, die so genannte Fe-Kα-Linie („Eisenlinie“), betrachtet wird. Diese Thematik soll in Kapitel 4.3 vertieft werden.
4.2 Um das Loch bewegte Himmelskörper
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4.2 Um das Loch bewegte Himmelskörper Schwarze Löcher können indirekt nachgewiesen werden durch bewegte Himmelsobjekte in ihrer Umgebung. Eine solche Technik heißt kinematische Nachweismethode. In diesem Abschnitt soll dieses Verfahren vorgestellt werden. Bewegung von Einzelsternen: Sterne können viele Jahrzehnte lang auf stabilen Bahnen um Schwarze Löcher kreisen, ohne in sie hineinzustürzen. Das zeigen z. B. die S-Sterne im Zentrum der Milchstraße Sgr A* (Kapitel 3.6). Aus der Geschwindigkeit dieser Bewegung folgt die Masse des Loches, das der Stern in einem bestimmten Abstand umläuft. Schwarze Löcher sind zurzeit die beste Erklärung, wenn bei solchen Messungen eine Zentralmasse gefunden wird, die hoch, dunkel und kompakt ist. M--Relation: Ebenfalls kinematisch folgt die Masse vieler supermassereicher Schwarzer Löcher aus der Geschwindigkeitsdispersion mit der M-σ-Relation (Kapitel 3.6; Abbildung 3.19). Die Geschwindigkeitsdispersion σ einer ganzen Sterngruppe kann aus der Beobachtung bestimmt werden, und über die Relation in Abbildung 4.5 folgt sofort die Masse. Reverberation Mapping: Neben Sternen können auch Gaswolken (z. B. die Broad Line Regions, BLRs) herangezogen werden, die um das Zentrum einer Galaxie kreisen, um die Masse des zentralen
Abb. 4.5 Gemessene Relation zwischen Geschwindigkeitsdispersion von Sternen σ und der Zentralmasse M in einer Galaxie. Wesentlich ist die Steigung β in der doppeltlogarithmischen Auftragung, die Masse und Geschwindigkeitsdispersion direkt zueinander in Bezug setzt. Experimentell wurde β = 4 bestimmt. Hierbei ist die Masse in Einheiten der Sonnenmasse angegeben und die Geschwindigkeitsdispersion in Einheiten einer Normierungsgröße σ0 = 200 km/s.
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Lochs kinematisch zu vermessen. Eine Methode namens Reverberation Mapping ist ebenso ein kinematisches Verfahren. Astronomen schätzen hierbei die Massen (präzise: Virialmassen) Schwarzer Löcher ab, indem sie die Dopplergeschwindigkeiten und den Abstand der leuchtenden Materiewolken vom Drehzentrum ermitteln. Die Zentralmasse folgt mit der Gleichung in Abbildung 4.6. Quasi-periodische Emission von Flares: In der unmittelbaren Umgebung einiger Kandidaten für stellare Schwarze Löcher wurde eine besondere Form von Infrarot- oder Röntgenstrahlung beobachtet. Die Strahlung war nur für recht kurze Zeit zu sehen (typisch ein paar Minuten) und die Lichtkurve (Helligkeitsvariationen über der Zeit), wies so etwas wie eine Periode, eine „Quasi-Periode“, auf. Die Untersuchung wird mathematisch recht exakt, wenn man von der Zeit per Fourier-Transformation auf die Frequenz übergeht. In daraus resultierenden Leistungsspektren verraten sich charakteristische Frequenzen der Helligkeitsvariation als Spitze. Die Frage ist nun, wie man das Flackern (engl. flaring) physikalisch deuten könnte. Eine gute Idee ist es, anzunehmen, dass die Helligkeitsvariationen von einer Bahnbewegung der Strahlungsquelle herrühren. Der Doppler-Effekt bewirkt dann auf natürliche Weise Helligkeitsschwankungen durch Rot- und Blauverschiebungen. In der Nähe eines Schwarzen Loches wird eine allgemein relativistische Variante dieses Doppler-Effekt wirksam, bei der auch Beaming und Gravitationsrotverschiebung die Strahlung verbiegen, verfärben und aufhellen oder verdunkeln (Kapitel 4.1). Die beobachteten, charak-
Abb. 4.6 Leuchtende Materiewolken umkreisen ein Galaxiezentrum im Abstand r. Emissionslinien von diesen Wolken werden durch den Doppler-Effekt verbreitert, sodass die Linienbreite ein Maß für die Geschwindigkeit σ der Wolke ist. Mit dem Virial-Theorem berechnet sich dann die Zentralmasse M aus der hier dargestellten Gleichung (G: Newton’sche Gravitationskonstante).
4.3 Verbogene Spektrallinien
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teristischen Frequenzen der Flares wären dann nichts anderes als Bahnfrequenzen. Diese Frequenzen können Umlaufperioden von Keplerbahnen zugeordnet werden. Daraus folgt dann die Zentralmasse (Kapitel 3.6).
4.3 Verbogene Spektrallinien Schwarze Löcher beeinflussen die Strahlung in ihrer Nachbarschaft und können so im Prinzip durch astronomische Beobachtungen nachgewiesen werden (Kapitel 4.1), z. B. durch die Messung von Spektren. Ein spezielles Beispiel sind dabei die Spektrallinien. Die Linien können entweder in Emission (Emissionslinien) oder in Absorption (Absorptionslinien) beobachtet werden, je nachdem, ob das Material die Strahlung aussendet oder verschluckt. Solche Linien sind das Resultat von elektromagnetischen Übergängen in der Atomhülle. Die Elektronen ändern ihren energetischen Zustand in der Atomhülle und fallen in einen energetisch tieferen Zustand. Dabei wird ein Lichtteilchen (Photon) einer bestimmten Energie emittiert, das zusammen mit anderen Photonen desselben Übergangs eine scharfe Emissionslinie produziert. Die Elektronen können auch Energie aus der Umgebung aufnehmen, um in einen energetisch höheren Zustand zu kommen. Das passiert u. a., wenn Photonen aus der Nachbarschaft geschluckt, also absorbiert werden. Derartige Übergänge können nicht nur die Elektronen in der Atomhülle durchmachen, sondern auch die Protonen und Neutronen (Nukleonen) im Atomkern. Nur sind die Energieunterschiede in den Kernniveaus so groß, dass typischerweise Gammastrahlung emittiert/absorbiert wird. In der Physik der Schwarzen Löcher ist eine Spektrallinie besonders prominent. Es handelt sich dabei um einen elektronischen Übergang
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in der Atomhülle des Elements Eisen (Elementsymbol Fe, lat. ferrum). Das ist die von neutralem Eisen emittierte Röntgen-K-Linie Fe Kα bei einer Ruheenergie von 6,4 keV. Der Energiebereich von keV (tausend Elektronenvolt) macht klar, dass es sich um Röntgenstrahlung handelt. Astronomen messen derlei Linien sowohl in Röntgendoppelsternen (Kapitel 3.3) als auch in aktiven Galaxien (Kapitel 3.6). Die Strahlung entsteht auch recht nah am Schwarzen Loch, sodass sie wertvolle Werkzeuge zur Untersuchung des Loches darstellen. Fe-K-Linien werden über den Mechanismus der Fluoreszenz gebildet. Das erfordert eine räumliche Nähe von kaltem und sehr heißem Material. Die heiße Quelle wird Korona genannt und liefert die hochenergetische primäre Röntgenstrahlung. Sie bestrahlt die kalte Materie, die sich typischerweise in einer flachen und optisch dicken, d. h. „undurchsichtigen“ Akkretionsscheibe ansammelt (Kapitel 3.2). An der ionisierten Schicht wird ein Großteil der harten Röntgenstrahlung wie an einem Spiegel reflektiert, was sich in Röntgenspektren in einem breiten Reflexionsbuckel bei 20 bis 30 keV niederschlägt (Abbildung 3.24). Teil dieses Buckels ist die hier diskutierte Eisenline. Die Strahlung kommt aus der innersten Region des akkretierenden Systems, wo sehr hohe Temperaturen von 100.000 bis 10 Millionen Kelvin (je nach Akkretionsrate und Masse des Akkretors) herrschen. Daher ist das Akkretionsmaterial bereits teilweise ionisiert und geht im Zentrum des Systems in ein Plasma über. Neben anderen chemischen Elementen befindet sich auch Eisen in der Akkretionsscheibe. Eisen absorbiert ab einer Schwellenenergie von 7,1 keV die harte Primärstrahlung der Korona. Durch die Absorption eines Röntgenphotons wird ein Elektron aus dem Grundzustand im Eisenatom (dem 1s-Zustand) in ein höheres, freies Energieniveau befördert. Nun können zwei Prozesse stattfinden: Entweder kann durch Fluoreszenz ein Übergang von der L- zur K-Schale ein Röntgenphoton der Ruheenergie von 6,4 keV emittieren. Dies geschieht mit einer
4.3 Verbogene Spektrallinien
115
Wahrscheinlichkeit von 34 %. Oder im konkurrierenden Prozess, dem Auger-Effekt, kann das Plasma mit weiteren heißen Elektronen angereichert werden. Es kommt zur Emission von Auger-Elektronen. Dieser Prozess ist mit 66 % dominant. Das Schema in Abbildung 4.7 illustriert diese beiden Übergänge im Eisenatom. Röntgenastronomen extrahieren aus den Beobachtungen einiger Quellen die Fe Kα-Spektrallinien. Das erfordert eine präzise Modellierung aller weiteren Spektralkomponenten im betrachteten Energiebereich. Wie aus Abbildung 3.24 ersichtlich, muss das Comptonisierte Kontinuum berücksichtigt werden. Das simulierte Foto eines Schwarzen Loches in Abbildung 4.4 offenbarte Effekte wie Beaming, Gravitationsrotverschiebung und Doppler-Effekt. Sie verbiegen die Form der Linie. Genau das ist der Schlüssel, um aus gemessenen Linienprofilen etwas über Schwarze Löcher zu lernen. Eine Spektrallinie kann auf vielfältige Weise aufgetragen werden: Die klassische Wahl ist eine Auftragung der Intensität (y-Achse)
Abb. 4.7 Erzeugung eines Photons mit 6,4 keV Energie durch Fluoreszenz in einem Eisenatom (Fe Kα-Linie). Dieser Vorgang konkurriert mit der Aussendung eines Elektrons anstelle eines Photons (Auger-Effekt).
116 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
über der Wellenlänge (x-Achse). Ebenso gut könnte man den spektralen Fluss über der Frequenz, der Energie der Linie oder dem Rotverschiebungsfaktor (g-Faktor) auftragen. Zunächst müssen wir uns auch noch über eine typische Problematik in der Relativitätstheorie im Klaren werden, nämlich die Wahl des Bezugssystems. Es ist wichtig, in welchem Bezugssystem die Linienform diskutiert wird. „Gedacht setzen wir uns sich auf ein Plasmateilchen“ und überlegen, welche Linie es emittieren würde. Klar, sie würde relativ langweilig und strukturlos sein, denn wir als Betrachter bewegen uns ja mit dem Plasma und sehen die Linienform im Ruhesystem. Diese so genannte „Ruhelinie“ sieht aus wie eine Spitze ohne Breite und ist im Prinzip beliebig scharf. Diese Sichtweise im Ruhesystem zeigt Abbildung 4.8 auf der linken Seite. Die reichhaltige Struktur der Linie offenbart sich erst im Laborsystem des entfernten irdischen Beobachters. Im Folgenden übersetzen wir die bei Abbildung 4.4. besprochenen Effekte auf die Spektrallinie. Beaming bewirkt, dass der blaue Flügel der Linie heller wird. Das ist die in Abbildung 4.8 gut sichtbare Spitze des Linienprofils rechts bei hohen Energien. Physikalisch erklärt ist es so, dass die emittierende Materie in der Akkretionsscheibe sehr schnell, relativistisch schnell, um das Schwarze Loch rotiert, bevor sie von ihm verschlungen wird. Die Strahlung wird dabei in Bewegungsrichtung kollimiert und erscheint daher einem Beobachter, der sich auf sie zu bewegt, heller. Außerdem wird die Strahlung blauverschoben, d. h. hochenergetischer. Auf derjenigen Seite der Akkretionsscheibe, die sich vom Beobachter entfernt, gibt es analog einen Beaming-Effekt, der jedoch eine Verringerung der Intensität des roten Flügels der Spektrallinie herbeiführt. Diese Doppler-Rotverschiebung erklärt die steil abfallende Flanke am linken Teil der Linie in Abbildung 4.8. Die Gravitationsrotverschiebung der ART macht sich dadurch bemerkbar, dass der rote Flügel der Emissionslinie lang zu kleineren
4.3 Verbogene Spektrallinien
117
Abb. 4.8 Form einer Emissionslinie in verschiedenen Bezugssystemen. Links zeigt den idealisierten Fall im Ruhesystem der Strahlungsquelle mit einer Spektrallinie bei einer sehr scharfen Energie. Rechts dargestellt ist das beobachtete Linienprofil, das ein Beobachter in extrem großer Distanz, im so genannten Laborsystem, sehen würde. Es wurde angenommen, dass die Linie von einer um ein Schwarzes Loch rotierenden Scheibe abgestrahlt wird. Doppler-Effekt, Gravitationsrotverschiebung und Beaming verbreitern und verzerren die Linienform.
Energien hin auseinandergezogen wird. Die emittierten Photonen sind dem Schwarzen Loch nämlich schon so nahe, dass sie Arbeit gegen das starke Gravitationsfeld verrichten müssen und daher Energie verlieren. Im Prinzip befinden sich daher viele gravitationsrotverschobene Photonen im gesamten linken Teil der Linie in Abbildung 4.8. Der Doppler-Effekt ist an sich ein klassischer Effekt, der auch ohne relativistische Beschreibung auftritt. Bewegt sich die Quelle auf den Beobachter zu, so werden die Wellen gestaucht, also die Wellenlänge verkürzt (Blauverschiebung); bewegt sich die Quelle vom Beobachter weg, so werden die Wellen auseinandergezogen, dementsprechend nimmt ihre Wellenlänge zu (Rotverschiebung). Der Doppler-Effekt hängt empfindlich von der Scheibenneigung (Inklination) ab, weil sie den Bewegungszustand des Plasmas relativ zum Beobachter festlegt: Niedrige Inklination bedeutet, dass kaum eine
118 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
Bewegung relativ zum Beobachter stattfindet. Als Folge davon gibt es fast keinen (für Experten: linearen) Doppler-Effekt. Hohe Inklination wiederum hat sehr hohe Relativbewegungen in Bezug zum Beobachter zur Folge: Ein Teil der Akkretionsscheibe rotiert auf den Beobachter zu (Wellenlängenverkürzung, Blauverschiebung), der andere Teil der Scheibe rotiert von ihm weg (Wellenlängendehnung, Rotverschiebung). Eine beliebig dünne Spektrallinie im Ruhesystem wird charakteristisch allein durch den Doppler-Effekt im Laborsystem in ein Linienprofil aus zwei Doppler-Spitzen in Abbildung 4.8 deformiert. Die Voraussetzung für diese zwei Doppler-Spitzen ist, dass die Inklination im mittleren bis hohen Bereich zwischen 40 und 90 Grad liegt. Genau zwischen den beiden Höckern (einer entspricht dem blauverschobenen, der andere dem rotverschobenen Anteil) liegt gerade die Ruhewellenlänge oder Ruheenergie der Strahlung. Weil die beiden relativistischen Effekte Beaming und Gravitationsrotverschiebung hinzukommen, bleibt vom Doppler-Effekt nur noch ein verkümmertes Relikt übrig. Das ist die charakteristische Signatur bei heißen Eisenemissionslinien aus den Akkretionsscheiben Schwarzer Löcher. Das Ergebnis aller drei Effekte ist schließlich ein schiefes, asymmetrisches Linienprofil, das Astronomen tatsächlich bei Kandidaten für Schwarze Löcher beobachten. Als Teleskope dienen dabei Röntgenobservatorien im Weltraum, wie die Satelliten ASCA, RXTE, XMM-Newton und Chandra. Mit den relativistischen Emissionslinien betreiben die Röntgenastronomen Diagnostik an Schwarzen Löchern und an dem in sie einfallenden Materiestrom. Diese Technik kann sowohl auf stellare Schwarze Löcher in Röntgendoppelsternen als auch auf supermassereiche Schwarze Löcher in AGN angewendet werden. Besonders interessante AGN sind in diesem Zusammenhang Seyfertgalaxien und Quasare. Röntgenastronomen nutzen ihre Beobachtersoftware (z. B. XSPEC), um die Beobachtungsdaten mit Modellen anzupassen und daraus z. B. die Metrik (Schwarzschild oder Kerr), die
4.4 Ein gefüttertes Loch verrät sich
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Scheibenneigung oder die Plasmakinematik zu bestimmen. In einer wissenschaftlichen Ausdrucksweise nennt man den Nachweis eines Schwarzen Loches über beobachtete, relativistische Spektren die spektro-relativistische Verifikationsmethode.
4.4 Ein gefüttertes Loch verrät sich Ist in der Umgebung Schwarzer Löcher ausreichend interstellares Gas vorhanden, so wird es vom Loch aufgesammelt (Akkretion, Kapitel 3.2). Dabei heizt sich das Gas zu einem heißen, ionisierten und magnetisierten Akkretionsfluss auf. Die Aufheizung geschieht einerseits über hydrodynamische Turbulenz, also im Prinzip Reibung der Plasmateilchen in der zähen Strömung, aber andererseits auch über magnetische Turbulenz und Rekonnexion, also der Vernichtung von Magnetfeldern entgegengesetzter Polarität. Die in den Feldern gespeicherte Energie wird so auf das Plasma in Form kinetischer Energie übertragen. Auch Strahlungsprozesse (Bremsstrahlung, Comptonisierung, Synchrotronstrahlung) spielen eine große Rolle bei Heizung und Kühlung des Akkretionsflusses. Letztendlich wird ein großer Teil des strömenden Plasmas vom Schwarzen Loch aufgesammelt, reichert es mit noch mehr Masse an und vergrößert es damit. Das Gas leuchtet dabei unter kräftiger und variabler Emission in allen Spektralbereichen und sorgt nach dem AGN-Standardmodell (Kapitel 3.6) für die typischen enormen Leuchtkräfte aktiver Galaxienkerne. Diese Aktivität verrät die Existenz supermassereicher Schwarzer Löcher in den Galaxienzentren. Die Eddington-Relation in Abbildung 3.6 gestattet es, aus der beobachteten Leuchtkraft direkt auf die Lochmasse zu schließen. Die vielfach beobachteten Jets in Radiogalaxien, radiolauten Quasaren, Röntgendoppelsternen („Mikroquasaren“) und Gammastrahlenausbrüchen deuten ihrerseits auf die Existenz eines Schwarzen Loches hin. Denn die Astrophysiker können sich diese rasanten
120 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
und gebündelten Materieströme nur dadurch erklären, dass sie von einem rotierenden Schwarzen Loch herauskatapultiert werden. Weil die in diesen Abschnitten genannten Nachweismethoden für Schwarze Löcher auf der Akkretion beruhen, kann man sie unter der Bezeichnung akkretive Verifikationsmethoden subsummieren.
4.5 Explosive Spur eines Lochs Einige explosive Ereignisse stehen in Zusammenhang mit Schwarzen Löchern. Das sind die erwähnten Gamma Ray Bursts und Hypernovae (Kapitel 3.1 und 3.4). Derartige Explosionen verraten uns unmittelbar, dass sich am Explosionsort sehr wahrscheinlich ein gerade gebildetes, stellares Schwarzes Loch befindet. Mit Folgebeobachtungen versuchen die Astronomen mehr über diese Kandidaten für ein Schwarzes Loch zu lernen, z. B. dessen Masse oder Rotation zu bestimmen. Es muss allerdings nicht eine Sternexplosion sein, die zu einem Helligkeitsanstieg führt. Sterne, die einem Schwarzen Loch zu nahe kommen, können unter Umständen auf spektakuläre Weise vollständig zerrissen werden. Der Grund dafür sind die Gezeitenkräfte eines Schwarzen Loches. Gezeitenkräfte sind Kräfte auf einen Körper, die infolge der Gravitation entstehen, wobei der Körper verformt wird, aber sein Volumen gleich bleibt. Wir kennen die Gezeitenkräfte zwischen Sonne, Erde und Mond, die je nach Stellung der Himmelskörper zueinander Ebbe und Flut hervorrufen. Der Wassermantel der Erde wird dabei durch die Gravitationskräfte von Sonne und Mond verformt. Derartige Kräfte sind auch bei einem Schwarzen Loch am Werke. Denken wir uns eine Kugel, die in den Bann eines Schwerefelds von einem Schwarzen Loch gerät, so wird die Kugel in Fallrichtung gestreckt und waagerecht dazu gestaucht (Abbildung 4.9).
4.5 Explosive Spur eines Lochs
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Abb. 4.9 Verformung einer fallenden Kugel in einem Gravitationsfeld einer Punktmasse, z. B. eines Schwarzen Loches. Gezeitenkräfte dehnen die Kugel in Fallrichtung (radial) und stauchen sie waagerecht dazu (transversal). Das Volumen der Kugel bleibt immer gleich.
Diese Kräfte wirken in der Nachbarschaft einer jeden Masse und werden stärker, wenn sich die Testkörper der Masse annähern. Gezeitenkräfte werden extrem in der Nähe eines Schwarzen Lochs. Wagt sich ein Stern zu nahe heran, so wird er verformt wie die Kugel in Abbildung 4.9. Dabei kann es geschehen, dass die Gezeitenkräfte größer werden als die Kräfte, die den Stern zusammenhalten. Dann wird der Stern vom Schwarzen Loch zerrissen! Die Phasen eines Sternzerrisses durch Gezeitenkräfte illustriert die Abbildung 4.10. Ab welchem Abstand zu einem Schwarzen Loch wird es für einen Stern kritisch? In der theoretischen Astrophysik lässt sich der so genannte Gezeitenradius berechnen, der angibt, ab welchem Abstand zum Schwarzen Loch die Gezeitenkräfte die Selbstgravitation des Sterns überwiegen. Ab diesem kritischen Abstand hat der sich nähernde Stern tatsächlich ein Problem. Als konkretes Beispiel wurde in Abbildung 4.11 ausgerechnet, wie groß der Gezeitenradius für einen sonnenartigen Stern nahe einem supermassereichen Schwarzen Loch ist. Mit der Gleichung in Abbildung 4.11 folgt weiterhin, dass nicht bei allen Schwarzen Löchern der Strahlungsblitz vom Sternzerriss sichtbar sein kann. Dazu tragen wir die Gleichung aus Abbildung 4.11 und den Schwarzschildradius (Radius des Ereignishorizonts eines
122 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
Abb. 4.10 Ablauf beim Zerriss eines Sterns durch Gezeitenkräfte nahe einem Schwarzen Loch. Auf die Annäherung des Sterns (I) folgt seine Verformung durch Gezeiten (II) und seine Zerstörung (III). Die Trümmerteile werden teilweise vom Schwarzen Loch akkretiert und erzeugen dabei ein charakteristisches Leuchten im Licht der Röntgenstrahlung und auch anderen Spektralbereichen (IV). Damit kann der Sternzeriss sichtbar werden.
nicht rotierenden Lochs) im gleichen Diagramm auf. Das Ergebnis ist in Abbildung 4.12 dargestellt. Für die schwersten Schwarzen Löcher ist daher ein Zerriss eines sonnenartigen Sterns generell nicht zu beobachten! Diese Aussage wird leicht für die kompakteren, rotierenden Kerr-Löcher (Kapitel 2.2) oder für andere eingefangene Objekte wie Riesensterne verändert. Mit etwas Glück kann ein solcher Sternzerriss von Astronomen beobachtet werden, weil die Sterntrümmer vollständig oder zum Teil in das Loch hineinstürzen und dabei Röntgenblitze (Flares) abge-
4.5 Explosive Spur eines Lochs
123
Abb. 4.11 Gezeitenradius RT eines supermassereichen Schwarzen Lochs mit hundert Millionen Sonnenmassen, berechnet für einen Stern wie unsere Sonne. Man erkennt, dass der Gezeitenradius für ein HundertMillionen-Sonnenmassen-Loch nur knapp über dem Schwarzschildradius RS liegt. D. h. der Gezeitenradius ist in diesem Zahlenbeispiel etwas größer als der Ereignishorizont eines nicht rotierenden Schwarzen Loches (Kapitel 2.3).
Abb. 4.12 Vergleich des Gezeitenradius RT (grün) eines sonnenartigen Sterns und des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs RS (rot) in Abhängigkeit von der Lochmasse. Die Radien sind in Einheiten von Kilometern und die Lochmasse in Einheiten von Sonnenmassen dargestellt. Bei einer Lochmasse von etwa 110 Millionen Sonnenmassen schneiden sich die Geraden, d. h. der Sternzeriss würde bei dieser und größeren Massen erst bei kleineren Radien als dem Ereignishorizont stattfinden und wäre damit prinzipiell unbeobachtbar.
ben. Solche Phänomene sind von besonderer Bedeutung für „schlafende“ Schwarze Löcher, z. B. in inaktiven Galaxienzentren. Durch das plötzlich verfügbare „Futter“ werden die sonst unsichtbaren Schwarzen Löcher aktiv und sichtbar.
124 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
Aber wie unterscheiden Astronomen den Röntgenflare durch Sternzerriss von anderen Flares? Dieser Flare im Bereich ultravioletter Strahlung und weicher Röntgenstrahlung klingt auf der Zeitskala von Monaten ab. Summiert man die Leuchtkraft (Einheit erg/s, also einer Leistung, d. h. Energie pro Zeit) des Flares über diese Zeit, so findet man eine frei gewordene Energie dieses Ereignisses, die 1051 erg beträgt. Das ist so viel Energie, wie bei einer Supernova frei wird! Weitere Charakteristika sind, dass der Flare nicht mit der Aktivität verbunden ist, wie man sie beispielsweise in Seyfertgalaxien beobachtet. Deshalb ist es wichtig, dass Astronomen während der Röntgenbeobachtungen auch im optischen Bereich beobachten, um sicherzustellen, dass keine AGN-Aktivität vorliegt. Die Ereignisse eines Sternzerriss mit beobachteten Röntgenflare sind recht selten, weil pro Galaxie nur alle 10.000 Jahre ein Stern in einem solchen Ereignis von einem Schwarzen Loch zerrissen wird. Das entspricht einer stellaren Akkretionsrate von 10−4 Sonnenmassen pro Jahr. Im Falle des supermassereichen Schwarzen Loches im Zentrum der Milchstraße (Sgr A*) besteht eine gute Chance, das Röntgenflare eines zerrissenen Sterns beobachten zu können, denn das Loch wird sozusagen umschwärmt von vielen Sternen, und es hat eine Masse von etwa vier Millionen Sonnenmassen. Demnach liegt der Gezeitenradius von Sgr A* für sonnenartige Sterne bei 11,4 Schwarzschildradien, entsprechend ca. hundert Millionen Kilometern oder 0,7 AU. Somit trifft die Beobachtungseinschränkung aus Abbildung 4.12 in Sgr A* nicht zu. Tatsächlich haben Astronomen den Gezeitenzerriss eines Sterns durch Schwarze Löcher beobachtet! Im Februar 2004 gaben deutsche Röntgenastronomen vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik bekannt, dass in der Röntgenquelle RX J1242-1119 (Rotverschiebung z = 0,05), einer elliptischen Galaxie mit einem zentralen supermassereichen Schwarzen Loch von etwa 200 Mil-
4.6 Ein Foto von der Schwärze des Lochs
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lionen Sonnenmassen, ein Röntgenflare eines Sterns beobachtet wurde, der den Gezeitenradius unterschritten hatte. Das ist die erste gesicherte Beobachtung dieser stellaren Zerreißprobe! Die Astronomen sind sich mit dieser Interpretation recht sicher, weil zum einen die Röntgenleuchtkraft etwa um den Faktor 240 enorm abfiel und zum anderen dieses zeitliche Abklingen so charakteristisch war, wie von der Theorie vorhergesagt, nämlich in der Zeit mit einer Potenz von –5/3. Irgendwann wird das gefütterte Schwarze Loch wieder in seinen Ruhezustand zurückkehren und sich die inaktive Wirtsgalaxie so unauffällig wie vor dem Zerriss verhalten. Im Jahr 2006 ist es US-amerikanischen Astronomen gelungen, die Flares durch Gezeitenzerriss auch im Ultravioletten bei einer anderen Galaxie nachzuweisen. Die Beobachtung von Sternen, die von Schwarzen Löchern zermalmt werden, und auch die Gammastrahlenausbrüche sind Beispiele für eine eruptive Verifikationsmethode von Schwarzen Löchern. Die Verdampfung durch Hawking-Strahlung (Kapitel 5.1), die bislang nicht beobachtet wurde, darf ebenfalls den eruptiven Methoden zur Entdeckung Schwarzer Löcher zugerechnet werden. Es wäre ein experimenteller Durchbruch, wenn der Nachweis von Hawking-Strahlung gelänge. Für kosmische Schwarze Löcher wird das schwierig möglich sein, weil sie viel zu viel Masse aufweisen, und damit erst nach vielen Milliarden Jahren zerstrahlen.
4.6 Ein Foto von der Schwärze des Lochs Die Gravitationsrotverschiebung bewirkt eine Verdunklung der Nachbarschaft eines Schwarzen Lochs rund um den Ereignishorizont (Kapitel 2.3) und laut ART eine absolute Schwärzung am Horizont selbst – egal, wie hell eine Strahlungsquelle am Schwarzen Loch strahlen möge. Dieser Effekt lässt sich zahlenmäßig durch
126 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
den relativistischen Rotverschiebungsfaktor (relativistisch verallgemeinerten Dopplerfaktor, g-Faktor) fassen. Der g-Faktor gewichtet alle Formen elektromagnetischer Strahlung in der Nähe Schwarzer Löcher. Somit muss um jedes Schwarzes Loch – unabhängig von seiner Masse – eine ausgeprägte dunkle Zone existieren. Astronomen versuchen, diesen „schwarzen Fleck“ direkt zu fotografieren. Mangels Auflösungsvermögen war dies bislang nicht möglich, weil an der Himmelssphäre der scheinbare Durchmesser des Schwarzen Flecks von Kandidatenobjekten für Schwarze Löcher geradezu winzig ist. In Zahlen ausgedrückt liegt die scheinbare Größe naher supermassereicher Schwarzer Löcher wie Sgr A* im Bereich von Mikrobogensekunden, also Millionstel Bogensekunden; zum Vergleich: der scheinbare Durchmesser des Vollmonds beträgt etwa ein halbes Grad, also 1800 Bogensekunden (Kapitel 3.6, Kasten: Scheinbare Größe). Ein echtes Foto von einem Schwarzen Loch wie die Computersimulation in Abbildung 4.4 ist noch Zukunftsmusik, weil die räumliche Auflösung moderner Teleskope dafür noch nicht ausreicht. Den frühesten Erfolg verspricht die Radioastronomie, die mittels VLBI die größten Auflösungsvermögen in der Astronomie erzielt. Vielleicht in den nächsten fünf Jahren ist die Ablichtung des Schwarzen Flecks radioastronomisch im Bereich der Millimeterwellen möglich. Es ist deshalb zu erwarten, dass bald Teleskope durch einen Schwenk über diese dunklen Gebiete direkt Schwarze Löcher nachweisen können. Simulationen durch Ray Tracing (Kapitel 4.1) zeigen schon jetzt diesen Effekt im Computerlabor. Der Computer gestattet es so, schon jetzt abzuschätzen, was demnächst beobachtet werden könnte. Eine Analyse der simulierten Bilder von Schwarzen Löchern enthüllt Erstaunliches. Je nachdem, welche Eigenschaften das Schwarze Loch hat, z. B. Masse, Rotation, Neigung der Drehachse zum Beobachter, so gibt es Variationen in der Form des schwarzen Flecks. Zunächst liegt es auf der Hand, dass der schwarze Fleck umso grö-
4.6 Ein Foto von der Schwärze des Lochs
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ßer wird, je massereicher das Schwarze Loch ist. Klar, denn mit der Masse steigt auch der Radius des Ereignishorizonts (Gleichung in Abbildung 2.6). Die schwarze Zone eines schwereren Lochs erscheint bei gleichem Abstand größer als bei einem leichteren Loch. Bei bekannter Entfernung folgt aus der beobachteten, scheinbaren Größe des schwarzen Flecks daher die Lochmasse – das ist ein außerordentlich wichtiges Messprinzip. „Mit Lochfotos kann man Schwarze Löcher wiegen.“ Die Astronomen müssen sich nur die Entfernung des Loches beschaffen. Aber aus den dunklen Flecken lässt sich noch mehr herauslesen. Betrachten wir dazu die Galerie in Abbildung 4.13. Ein nicht rotierendes Schwarzes Loch ist kugelsymmetrisch und hat aus allen Richtungen betrachtet die gleiche kugelige Form. Rotiert das Loch allerdings, so zeigen die Simulationen mithilfe Ray Tracing (Kapitel 4.1), dass die dunkle Form der Löcher sich verändert,
Abb. 4.13 Galerie von mit Ray Tracing computersimulierten Fleckenformen eines rotierenden Schwarzen Loches. Das Loch wird von einer flachen Gasscheibe im Gegenuhrzeigersinn umkreist und unter verschiedenen Neigungswinkeln zur Drehachse betrachtet. Bei kleinen Inklinationswinkeln, 0 ° bis etwa 20 °, hat die schwarze Zone um das Loch eine kreisrunde Gestalt. Bei höheren Neigungswinkeln, 20 ° bis 90 °, verformt sich das scheinbare Bild eines Lochs und wird oval. Der Kerr-Parameter wurde zu a ~ M (G = c = 1) gewählt, d. h. maximale Rotation des Lochs mit der Scheibe in gleicher Drehrichtung. Offenbar wird so nah am Loch der Zug der Raumzeit (Frame-Dragging-Effekt, Kapitel 2.5) wesentlich und verzerrt das Erscheinungsbild des Lochs.
128 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
und zwar in Abhängigkeit von der Blickrichtung auf die Drehachse (Inklination). Die Rotation bricht die Symmetrie der Raumzeit, weil aus Kugelsymmetrie (Schwarzschild) nun eine Achsensymmetrie (Kerr) wird. Je nach Blick auf die Achse verzerrt die rotierende Raumzeit die Lichtbahnen und damit die Gestalt des schwarzen Flecks. Abbildung 4.13 belegt diese Aussagen sehr schön. Die Simulationen zeigen auch, dass die Verzerrung der Fleckenform umso stärker wird, je schneller das Schwarze Loch rotiert. Im Prinzip sollte es daher möglich sein, aus der Gestalt der Schwärze um ein Schwarzes Loch seine Masse, seinen Drehimpuls (also die Rotation) und die Neigung seiner Drehachse zum Beobachter zu bestimmen. Derartige direkte Nachweismethoden für ein Schwarzes Loch könnte man obskurative Verfahren nennen, weil sie auf der Schwärze des Loches (lat. obscuratio: Dunkelheit) beruhen. Bei kosmischen Schwarzen Löchern gibt es immer eine Hintergrundbeleuchtung: Entweder ist es der einfallende Akkretionsfluss, der z. B. thermisch leuchtet, oder es sind ferne Hintergrundquellen, wie das interstellare Medium oder ein Feld von Sternen. Falls das alles nicht in der Nähe des Lochs zu finden ist und das Loch „hungert“, so bleibt als Hintergrundbeleuchtung in jedem Fall die kosmische Hintergrundstrahlung. Diese thermische Strahlung ist ein Überbleibsel des heißen Urknalls und entspricht einem Planck-Spektrum der Temperatur von etwa drei Kelvin, also –270 Grad Celsius. Ein isoliertes Schwarzes Loch würde also auch vor diesem leuchtenden Mikrowellenhintergrund als schwarzer Fleck in Erscheinung treten. Gemessen werden konnte das selbstverständlich noch nicht, weil dieser Effekt winzig ist. Die absolute Schwärze des Loches, die uns die ART vorhersagt, wird in Kapitel 5.1 relativiert werden, sobald wir Quanteneffekte wie den Hawking-Effekt in der Nähe klassischer Schwarzer Löcher betrachten.
4.7 Löcher verzerren ein Bild
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4.7 Löcher verzerren ein Bild Die gekrümmte Raumzeit der Schwarzen Löcher lenkt Lichtstrahlen ab. Licht, das recht nahe an der kompakten Masse vorüberläuft, wird abgelenkt (Abbildung 4.2). Der Effekt ist vergleichbar mit einer Linse in einem Brillenglas und heißt daher Gravitationslinseneffekt. Strahlung anderer kosmischer Objekte, z. B. von nahen Sternen oder fernen Quasaren, die sich zufällig auf der Sichtlinie zum Schwarzen Loch befinden, kann durch Linseneffekte abgelenkt oder gebündelt werden. Auf diese Weise lassen sich kompakte, dunkle Massen indirekt ableiten, besonders die größeren supermassereichen Schwarzen Löcher. Aber auch stellare Schwarze Löcher könnten so als Mikrolinsen diagnostiziert werden. Um dieses Nachweisprinzip Schwarzer Löcher soll es in diesem Abschnitt gehen. Besonders interessant ist, dass die Bahnform eines umlaufenden Körpers, die an sich kreisförmig oder elliptisch ist, extrem stark relativistisch verzerrt werden kann, sofern die Bahn nur nah genug am Schwarzen Loch ist. Eine Beobachtung exotischer Bahnformen würde deshalb Schwarze Löcher verraten und es sogar erlauben, einige Parameter wie Bahnradius, Neigung der Bahnebene sowie Masse und Rotation des Loches zu bestimmen – und das, obwohl man nicht direkt die Zentralmasse, sondern nur die Bahn untersucht. Abbildung 4.14 zeigt ein paar Beispiele von simulierten Bahnfor-
men, die mit Ray Tracing (Kapitel 4.1) berechnet und visualisiert wurden. Im Allgemeinen erzeugt ein Schwarzes Loch von Objekten in der Umgebung Bilder höherer Ordnung, weil die Strahlung auf einer Vielzahl von Wegen zum Beobachter kommen kann. Das erzeugt die verwirrenden neuen Ansichten von vertrauten Objekten, sobald sie in der Nähe eines Schwarzen Loches sind.
130 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
Abb. 4.14 Computersimulationen von Bahnformen um ein Schwarzes Loch, wie sie ein entfernter Beobachter sehen würde. Das Schwarze Loch sitzt immer in der Mitte bei den Koordinaten (0; 0). Die Bahn hat einen Radius von 6 Gravitationsradien – entsprechend der marginal stabilen Bahn in der Schwarzschild-Metrik (Kapitel 2.6). Berücksichtigt wurden nur „direkte Bilder“, d. h. nur Strahlung, die auf direktem Weg zum Beobachter kommt, ohne einmal oder mehrfach das Loch zu umlaufen. In den drei Beispielen wurde jeweils die Bahn um ein Schwarzschild-Loch (a = 0,001M aus numerischen Gründen), graue Bahnen, und um ein KerrLoch (a = 0,998M), schwarze Bahnen, dargestellt. Von oben nach unten ändert sich der Sichtwinkel auf die Bahnebene von 30 °, über 60 ° auf 85 °, d. h. im letzten Fall unten schaut man fast genau auf die Bahn- Ź
4.8 Löcher beeinflussen die Zeit
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Die hier vorgestellte Nachweismethode Schwarzer Löcher, die auf dem Gravitationslinseneffekt basiert, kann als aberratives Verfahren bezeichnet werden (lat. aberratio: Abweichung).
4.8 Löcher beeinflussen die Zeit Die Gravitationsrotverschiebung beeinflusst die Energie und Helligkeit von Strahlung. Alternativ zur Strahlungsenergie können wir auch ihre Wellenlänge oder Strahlungsfrequenz betrachten, weil die Umrechnung nur Naturkonstanten erfordert. Sprechen wir von einer Frequenz, so liegt es nahe, die Zeit ins Spiel zu bringen. Daraus folgt: So wie die Gravitationsrotverschiebung die Frequenz der Strahlung verändert, verändert sie auch die Zeit. Gravitation dehnt die Zeit, d. h. eine Uhr nahe einem Schwarzen Loch tickt langsamer. Eine derartige Veränderung des Zeitmaßes heißt gravitative Zeitdilatation. Zeitlich variable Phänomene am Loch, z. B. in der Akkretionsscheibe oder ein um das Loch kreisender Stern, unterliegen daher diesem Effekt. Der Astronom könnte aus der Analyse von Lichtkurven feststellen, dass ein zeitlich variierender Vorgang durch die Anwesenheit des Loches „zeitlich verzerrt“ wurde. Astrophysiker haben bereits konkrete Beispielrechnungen Anfang der 1970erJahre durchgeführt. In dieser Zeit wurde der Zeitdilatationseffekt im Schwerefeld der Erde mit dem Experiment Gravity Probe-A nachgewiesen. Mit präzisen Atomuhren in einem Flugzeug konnten PhyŹ ebene. Dabei machen sich die Gravitationslinseneffekte extrem bemerkbar: Erstens werden die Strahlen förmlich um das Loch herumgebogen, sodass der hintere Teil der Bahn „hochgeklappt“ erscheint. Zweitens sieht man besonders im unteren Fall sehr gut, dass die Rotation des Lochs eine Asymmetrie der Bahnform zwischen links und rechts ins Spiel bringt. Im Schwarzschild-Fall gibt es zwischen links und rechts immer eine Achsensymmetrie der Bahngestalt. Die Rotation der Raumzeit im Kerr-Fall zieht die Lichtstrahlen in Drehrichtung (hier links vom Loch aus der Papierebene heraus kommend) und verzerrt entsprechend die Bahnform.
132 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
siker zeigen, dass die Uhren im Tal langsamer ticken als auf einem Berg bzw. in hoher Flughöhe. Mittlerweile ist die Berücksichtigung dieses Effekts auf der Erde in unserem Alltag angekommen, weil die Techniker ihn ständig bei GPS und anderen Ortungs- bzw. Navigationssystemen miteinbeziehen müssen. Andernfalls würde die Genauigkeit der Messgeräte nicht so hoch sein. Bei Schwarzen Löchern ist der Effekt natürlich extremer als auf der Erde. Am Ereignishorizont würde die gravitative Zeitdilatation zum Stillstand der Uhren sorgen, weil der g-Faktor hier exakt null wird. Dieses „Einfrieren der Zeit“ würde jedoch nur ein Außenbeobachter so wahrnehmen. Ein mit einfallender Beobachter würde die Uhr als ganz normal tickend wahrnehmen. Er würde auch in endlicher, d. h. messbarer, Zeit in ein Schwarzes Loch hineinstürzen. Es ist wieder die Relativität, die man hier berücksichtigen muss. Denn es hängt vom Bezugssystem ab, wie sich die Zeit verhält. Eine Veränderung der Zeit in der Umgebung eines Schwarzen Loches ist mittels vor Ort zeitlich veränderlichen und beobachtbaren Phänomenen im Prinzip messbar. Aus der Untersuchung zeitabhängiger Phänomene in der Umgebung Schwarzer Löcher lassen sich auch Eigenschaften des Loches ableiten, was die Grundidee dieser temporalen Methoden ist.
4.9 Wellen in der Raumzeit Eine letzte Nachweismethode eines Schwarzen Loches ist ebenfalls noch Zukunftsmusik. Das nun zu besprechende Messprinzip involviert eine besondere Art von Wellen, die Gravitationswellen. Derartige Wellen entstehen immer dann, wenn eine Masse beschleunigt wird. Albert Einstein hat diese Wellenform 1916 rechnerisch aus den Feldgleichungen der ART hergeleitet, indem er sie in eine einfachere, mathematische Form brachte, nämlich linearisierte.
4.9 Wellen in der Raumzeit
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Bei einer Gravitationswelle schwingt die Raumzeit selbst. Genauer gesagt pflanzen sich verändernde Krümmungen in der Raumzeit fort. Gravitationswellen sind so schnell wie das Licht. Genauso wie die elektromagnetischen Wellen transportieren die Gravitationswellen Energie. Nun, was geschieht, wenn Gravitationswellen auf eine Anordnung von Testmassen treffen? Die Gravitationswellen verändern Raum und Zeit und versetzen die Testmassen auf charakteristische Weise in Schwingung. Mit Einsteins Theorie lässt sich zeigen, dass Gravitationswellen transversale Wellen sind und zwei Polarisationszustände besitzen, die sich um 45 ° unterscheiden. Anders gesagt, hat das Gravitationsfeld zwei Strahlungsfreiheitsgrade, ist also eine Tensorwelle mit Spin 2 (Kapitel 5.2). Die Gezeitenkräfte wirken senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle. Treffen linearisierte, ebene Gravitationswellen auf einen Kreisring aus Testmassen, so wird der Ring zunächst in einer Ebene in eine Ellipse, dann wieder in einen Kreisring und wiederum in eine Ellipse deformiert (Quadrupoldeformation). Als Maß für die Stärke einer Gravitationswelle, ihre Amplitude, kann die Verformung eines Rings mit Radius R zu einer Ellipse entlang der kürzeren Halbachse um dR dienen. Ein größerer Wert dR/R spricht demnach für eine stärkere, intensivere Welle. Eine typische Größenordnung der absoluten Längenänderung dR beträgt nur 10–21 Meter! Diese winzige Längenskala stellt die Messtechnik vor enorme Anforderungen. Im Wesentlichen ist dies die Ursache dafür, dass Gravitationswellen bisher nicht direkt mit einem Detektor gemessen werden konnten. Eine Fülle von Störsignalen wie Straßenverkehr, Flugzeuge, Erdbeben etc. verwischen die Spuren der Gravitationswellen. Die kleine Längenänderung, die die Wellen verursachen, verrät auch, dass die Raumzeit offenbar ein recht starres Gebilde ist, das kaum verformt werden kann. Als Quellen für Gravitationswellen kommen im Prinzip alle beschleunigten Massen infrage. Die uns umgebende Raumzeit ist
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also nur in erster Näherung flach. Vielmehr handelt es sich um ein ständig schwingendes, raumzeitliches Gebilde, in dem sich Gravitationswellen verschiedener Intensität und Frequenz überlagern. Zur Messung dieser Ereignisse gibt es vor allem die Komplikation, dass die Raumzeit sehr starr ist. Es sind enorme Massenbeschleunigungen nötig, um sie signifikant zum Schwingen zu bringen und so die Wellen aufzuspüren. Aus diesem Grund kommen nur extreme Ereignisse im Kosmos in Betracht. Starke Sender kosmischer Gravitationswellen sind Sternexplosionen wie die Supernovae und Hypernovae sowie weiterhin kompakte Objekte in einem Mehrfachsystem, z. B. ein Doppelsternsystem aus zwei Neutronensternen oder stellaren Schwarzen Löchern. Auch supermassereiche Schwarze Löcher in den Kernen von Galaxien senden Gravitationswellen aus, während sie Masse durch Akkretion aufnehmen. Natürlich werden die Wellen auch dann frei, wenn schwere Schwarze Löcher miteinander verschmelzen. Auch der Urknall sollte Gravitationswellen auf den Weg geschickt haben. Die Frequenzen der Gravitationswellen von kosmischen Quellen sind sehr unterschiedlich und streuen nach aktuellen Berechnungen im Bereich von acht Größenordnungen, von 10-4 bis 104 Hz. Die niedrigsten Frequenzen im mHz-Bereich werden von umeinander kreisenden kompakten Binären erwartet. Doppelsternsysteme aus Weißen Zwergen tragen so zu einem kontinuierlichen „Brummen“ im All bei. In der Gravitationswellenastronomie nennt man das Untergrundrauschen. Die Frequenz von verschmelzenden stellaren Schwarzen Löchern liegt bei ziemlich genau einem Millihertz, die Entstehung eines stellaren Schwarzen Lochs bei etwas höheren Frequenzen (engl. chirp: „zirpen, zwitschern“). Bei 10 Millihertz liegt die Frequenz von Gravitationswellen aus einem Doppelsystem mit zwei massereichen Schwarzen Löchern von 100.000 Sonnenmassen. Eine solche Konfiguration ist vorstellbar, wenn ganze Galaxien miteinander verschmelzen und sich deren Kerne annähern. Die ULIRG NGC 6240 (Kapitel 3.6) ist ein favorisierter Kandidat für ein solches doppeltes, massereiches Schwarzes Loch.
4.9 Wellen in der Raumzeit
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Die Frequenz erhöht sich im entwickelnden Binärsystem aus kompakten Objekten infolge der Abstrahlung von Energie und wird schließlich besonders groß, etwa 10 bis 100 Hz, im „Showdown“, wenn sie verschmelzen. Die höchsten Frequenzen erwartet man bei der klassischen Kernkollaps-Supernova (SN Typ II): Bei dieser Quelle liegen die erwarteten Frequenzen bei einem bis 10 kHz. Der mHz-Frequenzbereich ist prinzipiell terrestrisch nicht beobachtbar. Erst weltraumgestützte Laser-Interferometrie wird dieses Beobachtungsfenster öffnen. Dies ist die Motivation für das multinationale Projekt LISA, dem englischen Akronym für Laser Interferometer Space Antenna, einer Anordnung aus Laserinterferometern, die im Weltraum Gravitationswellen messen soll. Das Beobachtungsfenster auf der Erde öffnet sich erst ab einer Frequenz von etwa 10 Hz. Die Komponenten eines Doppelsternsystems nähern sich mit der Zeit immer mehr an, was die Frequenz der Gravitationswellen nach und nach erhöht. Kurz vor dem Kollaps des Doppelsterns, d. h. dessen Verschmelzung, beträgt die Frequenz etwa 40 Hz und ist damit irdisch beobachtbar. In Deutschland sitzen die Experten für Gravitationswellen in Theorie und Experiment am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, das auch Albert-Einstein-Institut (AEI) genannt wird. Die Abteilung für Theorie befindet sich in Golm bei Potsdam, während die Experimentatoren und der L-förmige Gravitationswellendetektor in der Nähe von Hannover untergebracht sind. Das AEI entwickelt Datenanalyse-Verfahren für den deutschen Gravitationswellendetektor Geo 600 und LIGO in den USA. Natürlich sollte die Energie, die die Gravitationswellen mit sich tragen, die Raumzeit selbst krümmen, ein Effekt, der in der linearisierten Theorievariante Einsteins vernachlässigt wird. Außerdem verändern Gravitationswellen ihre Gestalt, wenn sie durch ein mit Materie gefülltes Medium propagieren, was man in Analogie zu elektromagnetischen Wellen als „Brechung“ bezeichnen könnte.
136 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
Auch in Abwesenheit von Materie und einer Region, die nur von Gravitationswellen durchsetzt ist, können seltsame Dinge geschehen: Bei bestimmten Wellenlängen und Amplituden kann ein Gravitationswellenpuls kollabieren und eine Singularität hinterlassen. Solche Brill-Wellen können aus reiner Gravitationsenergie ein Schwarzes Loch erzeugen. Die Emission von Gravitationswellen reduziert in einem Doppelsternsystem die Rotationsenergie des Systems. Infolge dieses Energieverlusts müssen sich die Sterne sukzessiv annähern. Im Prinzip geschieht diese Abstrahlung bei allen Doppel- und Mehrfachsternsystemen. Besonders effizient ist sie jedoch nur bei engen, kompakten Doppelsternen. Der Binärpulsar PSR1913+16 ist etwa 25.000 Lichtjahre entfernt und strahlt Gravitationswellen mit fast 1045 Watt Leistung ab. Diese enorm hohe Leistung beruht auf der Kompaktheit der Neutronensterne (etwa 1,4 Sonnenmassen mit je nur ca. 20 km Durchmesser) und der des Systems (Umlaufzeit von nur acht Stunden). Nur eine Komponente pulsiert nachweislich. Die Verkürzung der Umlaufzeit durch Abstrahlung von Gravitationswellen und damit die Abnahme der Pulsperiode kann hervorragend durch die ART erklärt werden. Die Astronomen Russel A. Hulse und Joseph H. Taylor Jr. bekamen für ihre Langzeitbeobachtung und deren Interpretation 1993 den Nobelpreis für Physik. Ihr beobachteter Binärpulsar wird auch häufig als Hulse-Taylor-Pulsar bezeichnet. Die Beobachtung war nicht nur ein weiterer Erfolg für die ART, sondern auch die Geburtsstunde der Gravitationswellenastronomie. Der indirekte Nachweis spornt seither viele Forschergruppen an, die Gravitationswellen auch auf direktem Wege zu entdecken. Dazu dient z. B. eine Anordnung aus Laser-Interferometern. Solche Messapparaturen beruhen auf dem klassischen Michelson-Interferometer (Abbildung 4.15). Es ist erstaunlich, dass diese Messapparatur, die 1881/87 Einstein zur Entwicklung der SRT bestärkte, nun dazu benutzt werden soll,
4.9 Wellen in der Raumzeit
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Abb. 4.15 Schematischer Aufbau und Prinzip eines Michelson-Interferometers. Einzelheiten werden im Text beschrieben.
um die letzten Geheimnisse der ART nachzuweisen. Im experimentellen Aufbau von Laser-Interferometern wird ein sehr stabil laufender Festkörper-Laser dazu verwendet, um das infrarote Laserlicht mithilfe eines halbdurchlässigen Spiegels auf zwei optische Laufstrecken (so genannte Arme) aufzuteilen. Diese Arme bilden üblicherweise ein großes L. Am Ende dieser Strecken wird der Teilstrahl jeweils an einem weiteren Spiegel total reflektiert und wieder zu dem Ort geleitet, wo sich die beiden Teilstrahlen bildeten. Dort werden die Teilstrahlen überlagert. In der Physik nennt man die Überlagerung von Lichtwellen Interferenz. Interferierende Wellen bilden eine charakteristisches Interferenzmuster und können sich (bei gleicher Wellenlänge) auslöschen, wenn „Wellenberg auf Wellental“ trifft (destruktive Interferenz) oder verstärken, wenn „Wellenberg auf Wellenberg“ trifft (konstruktive Interferenz). Im Gravitationswel-
138 4. Auf der Jagd nach Schwarzen Löchern
lendetektor stellen die Forscher das optische System im normalen Modus so ein, dass durch destruktive Interferenz kein Licht sichtbar ist. Dort, wo die interferierenden Strahlen ausgekoppelt werden, ist es dunkel. Trifft nun eine Gravitationswelle senkrecht auf die Ebene, in der die Arme des Interferometers liegen, so wird ein Arm (oder beide, je nach Einfallsrichtung) periodisch verkürzt und verlängert. Dies ändert die Bedingung für destruktive Interferenz, sodass plötzlich ein Signal am vormals dunklen Auskopplungsort erzeugt wird: Die Gravitationswelle würde gemessen. Das hört sich alles ganz toll an. Aber die messtechnische Herausforderung lässt sich pointiert wie folgt darstellen: Die Interferometrie dient der Messung eines Gangunterschieds, also einer sehr kleinen relativen Längenänderung. Diese wurde mit einer Obergrenze zu 10–18 abgeschätzt. Bezogen auf die mittlere Armlänge von 3 km bedeutet dies, eine Länge unterhalb der Ausdehnung der Nukleonen im Atomkern messen zu wollen! Oder genauso unglaublich veranschaulicht: Auf der Länge eines Lichtjahres entspricht die Längenänderung aufgrund einer durchlaufenden Gravitationswelle dem Durchmesser eines menschlichen Haares! Daher ist klar, dass der Trend zu größeren Armlängen geht. Dies kann künstlich durch Mehrfachreflexionen des Laserstrahls innerhalb der optischen Kavität erreicht werden. Das Großprojekt LISA geht sogar in den Weltraum und kann die Armlänge eklatant steigern. Der Ereignishorizont eines Schwarzen Loches und die Raumzeit eines Loches hinterlassen Spuren in den Gravitationswellen, die die Löcher bzw. benachbarte beschleunigte Massen aussenden. Deshalb sollte es möglich sein, aus der Form der Gravitationswellen auf Eigenschaften des Schwarzen Loches zu schließen und es „gravitationswellen-induziert“ nachzuweisen. Zu dieser Thematik gibt es eine Reihe theoretischer Arbeiten – jetzt fehlt nur noch die experimentell gemessene Welle, um sie mit den Modellen zu vergleichen.
Kapitel 5
Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie 5.1 Wärmelehre nach Hawking & Co. Nach dem bisher Gesagten sollte man glauben, dass Schwarze Löcher nur alles verschlucken können, ob es nun Materie oder Strahlung sei, die ihnen zu nahekommt. Dem ist nicht so. Der berühmte Astrophysiker und Kosmologe Stephen W. Hawking entdeckte Mitte der 1970er-Jahre, dass Schwarze Löcher auch Teilchen aussenden müssen. Diese neue Strahlungsform ist kein reiner ART-Effekt, sondern nur unter Berücksichtigung der Quantentheorie zu erklären. Hawking berechnete als Erster die Strahlungsform. Deshalb wird sie seither Hawking-Strahlung genannt. Bislang ist ihr experimenteller Nachweis nicht geglückt. Bereits Anfang der 1970er-Jahre entdeckten James Bardeen, Brandon Carter und Hawking thermodynamische Sätze in der Physik der Schwarzen Löcher. Sie gestatteten es, die Begriffe von Temperatur und Entropie in der Theorie der Schwarzen Löcher zu definieren. Dabei floss die Vorarbeit von Jacob D. Bekenstein ein, der dies in seiner Doktorarbeit 1972 darlegte. Doch welche Parameter eines Schwarzen Loches entsprechen jeweils einem Temperatur-, Entropie- und Energiebegriff?
140 5. Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie
Wie die Diskussion der Schwarzschild- und Kerr-Lösungen (Kapitel 2) gezeigt hat, wächst der Radius des Ereignishorizontes mit steigender Masse des Schwarzen Loches an, aber fällt hingegen mit zunehmendem Drehimpuls (Rotation) ab. Verschmelzen zwei Schwarze Löcher, so kann man rechnerisch zeigen, dass die Oberfläche des neuen Horizontes größer ist als die Summe der Flächeninhalte der einzelnen, kollidierenden Schwarzen Löcher. Dasselbe gilt auch bei den Entropien zweier verschmelzender Systeme in der klassischen Thermodynamik. Es liegt daher nahe, die Entropie eines Schwarzen Loches proportional zu der Horizontoberfläche anzunehmen. Das Ergebnis ist die sog. Bekenstein-Hawking-Entropie SH, wie sie in Abbildung 5.1 dargestellt ist. Genauso wie die thermodynamische Entropie in der klassischen Wärmelehre nimmt die Bekenstein-Hawking-Entropie niemals ab. Dies ist ein Analogon zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Der zweite Hauptsatz der Theorie Schwarzer Löcher lautet damit: „Die Oberfläche des Ereignishorizonts Schwarzer Löcher kann nicht mit der Zeit abnehmen.“ Die Bekenstein-Hawking-Entropie hängt nur noch von der Lochmasse ab und wächst quadratisch mit der Masse an. Daher haben kosmische, stellare Schwarze Löcher gigantische Entropien, während Schwarze Mini-Löcher, wie sie in modernen Teilchenbeschleunigern entstehen könnten (Kapitel 5.2 und 6.3),
Abb. 5.1 Gleichung für die Bekenstein-Hawking-Entropie SH eines rotierenden Schwarzen Loches mit Masse M und spezifischem Drehimpuls oder Kerr-Parameter a = J/Mc (Drehimpuls J). Hier fließen folgende Naturkonstanten ein: die Boltzmann-Konstante kB, die Vakuumlichtgeschwindigkeit c, die Newton’sche Gravitationskonstante G und das Planck’sche Wirkungsquantum h bzw. h quer h/2π.
5.1 Wärmelehre nach Hawking & Co.
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noch moderate Bekenstein-Hawking-Entropien haben. Supermassereiche Schwarze Löcher sprengen fast die Entropieskala. Diese Zahlenwerte sind rätselhaft, denn die Größenordnung von 1077 kB für ein stellares Schwarzes Loch passt gar nicht zu der wesentlich kleineren Entropie des Vorläufersterns. Dieses Missverhältnis nennt man Entropieparadox Schwarzer Löcher. Eine Interpretation der Entropie („Maß für Unordnung“) als Information führt auf die alternative Bezeichnung desselben Sachverhalts als Informationsverlustparadox. Das Rätsel besteht darin, dass es nicht klar ist, was im Gravitationskollaps von Sternen zu Schwarzen Löchern mit der Entropie bzw. mit der Information geschieht. Ein Stern ist ein komplexes Gebilde mit einem hohen Informationsgehalt, wohingegen ein Schwarzes Loch ein recht „einfach gestricktes“ Objekt mit kleinem Informationsgehalt ist. Ein Stern muss durch viele Parameter wie Masse, Rotation, Oberflächentemperatur, chemische Zusammensetzung, Leuchtkraft etc. beschrieben werden, während für ein kosmisches Schwarzes Loch zwei Parameter ausreichen, nämlich Masse und Drehimpuls. Wie verliert ein Stern im Kollaps seinen hohen Informationsgehalt? Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder vernichten Schwarze Löcher Information, oder die Information bleibt in irgendeiner Form tief im Innern des Schwarzen Loches erhalten. Dieses Paradoxon stand im Sommer 2004 im Fokus der Weltöffentlichkeit: Auf der Konferenz GR17 in Dublin, einer Zusammenkunft der führenden Relativisten und Gravitationsforscher der Welt, gab Hawking unter großem Medieninteresse bekannt, dass er sich geirrt habe und Schwarze Löcher nicht Information vernichten können. Damit gab er eine Wette verloren, die er mit seinen Wissenschaftskollegen Kip S. Thorne und John Preskill vor dreißig Jahren abgeschlossen hat. Vor allem Preskill, ein Quantentheoretiker, hielt an einer Erhaltung der Information fest – und bekam nun nach langer Zeit Recht. Thorne ist noch unentschlossen und möchte sich dem komplizierten Problem widmen. Auch unter Experten ist die Frage des Informationsverlusts umstritten und bedarf weiterer Analysen. Spannend ist, wie die Theorie der Schwarzen Löcher Grundsatzfragen der Physik berührt und zu deren Lösung beiträgt.
142 5. Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie
Während die Entropie Schwarzer Löcher mit der Horizontoberfläche zusammenhängt und somit geometrisch interpretiert werden kann, hängt die Temperatur Schwarzer Löcher mit der Oberflächengravitation zusammen. Die Oberflächengravitation nimmt mit der Rotation eines Kerr-Loches ab. Das kann man anschaulich so verstehen, dass mit der Rotation zunehmende Zentrifugalkräfte die Oberflächengravitation absenken. Im Falle eines extremen Kerr-Loches ist sie sogar null: Die ganze Energie steckt dann in der Rotation. Die so genannte Hawking-Temperatur eines Schwarzen Loches steigt umgekehrt proportional zur Lochmasse an und ist ansonsten nur von Naturkonstanten abhängt. Somit sind Minilöcher heißer als stellare Schwarze Löcher und diese wiederum heißer als supermassereiche Schwarze Löcher. Der nullte Hauptsatz der Theorie Schwarzer Löcher steht im Zusammenhang mit der Hawking-Temperatur und lautet: „Bei einem stationären Schwarzen Loch ist die Oberflächengravitation konstant auf dem Ereignishorizont.“ Dieser Satz ist das Pendant zum nullten Hauptsatz der Wärmelehre, nach dem Körper, die in thermischen Kontakt stehen im thermischen Gleichgewicht dieselbe Temperatur haben. Das ist gerade die Grundlage zur Temperaturmessung mit einem Thermometer. Der dritte Hauptsatz der Theorie Schwarzer Löcher, der ebenfalls auf die Hawking-Temperatur angewendet wird, heißt: „Ein Zustand, bei dem die Oberflächengravitation eines Schwarzen Loches verschwindet, ist nie erreichbar.“ Er ist die Übersetzung des klassischen dritten Satzes der Wärmelehre, nach dem der absolute Nullpunkt bei null Kelvin nie erreichbar ist. Nun fehlt noch der erste Hauptsatz der Theorie Schwarzer Löcher. Er verknüpft sämtliche thermodynamische Größen – Temperatur, Entropie und Energie – miteinander und ist letztendlich eine Konsequenz der Energieerhaltung. Unter Verwendung der Pendants Haw-
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king-Temperatur, Bekenstein-Hawking-Entropie und Lochmasse sowie Lochrotation lässt sich analog ein Erhaltungssatz in der Theorie Schwarzer Löcher formulieren. Hawking ging über die Konzepte der klassischen Theorie Schwarzer Löcher hinaus und machte einen semiklassischen Ansatz, indem er Quantenfelder auf dem Hintergrund gekrümmter Metriken untersuchte. Die Felder, die mit Teilchen wie Elektronen, Photonen oder Neutrinos assoziiert sein können, sind quantisiert, nicht jedoch die Gravitationsfelder. Diese werden nach wie vor mit der ART beschrieben. In diesem Sinne ist Hawkings Zugang ein Konzept der semiklassischen Quantengravitation. Die Folgen dieser Behandlung sind erstaunlich: Während in der klassischen Theorie Schwarze Löcher reine Absorber von Teilchen und Strahlung sind, weil diese hinter dem Ereignishorizont verschwinden, eröffnet der quantenfeldtheoretische Zugang die Möglichkeit, dass Schwarze Löcher auch in einer konstanten Rate Teilchen emittieren. Das ist die Hawking-Strahlung. Es sei angemerkt, dass der Terminus Strahlung nicht zwingend reine elektromagnetische Emission meint, sondern generell alle möglichen Teilchen. Eine anschauliche Interpretation ist mit dem Konzept des Quantenvakuums möglich. Nach der Quantentheorie ist der ganze Raum – auch das Vakuum – gefüllt mit Paaren virtueller Teilchen und deren Antiteilchen. Deren Energie ist so gering, dass die Teilchen im Rahmen der Heisenberg’schen Unschärferelation (Ort-Impuls-Unschärfe, Energie-Zeit-Unschärfe) eine sehr kurze Lebensdauer haben und daher nicht zu messen sind. In diesem Sinne nennt man sie virtuell. Ständig zerstrahlen (annihilieren) diese Teilchen mit ihrem entsprechenden Antiteilchen und bilden sich in Paaren wieder neu. Das Quantenvakuum ist also kein ruhiger Ort, sondern ein komplexes Gebilde, das von virtuellen Teilchen bevölkert ist. Indirekt ist dieser Effekt tatsächlich bei der so genannten Lamb-Shift, einer Verschiebung der Spektrallinien im Wasserstoffspektrum, messbar.
144 5. Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie
Materialisiert sich nun ein solches Paar nahe des Ereignishorizonts eines Schwarzen Loches, so ist es möglich, dass eines der Teilchen in das Schwarze Loch fällt, während das andere ins Unendliche entweicht. Aus dem virtuellen Teilchen wird so ein reales, ein messbares Teilchen. Stammt die Energie für das virtuelle Teilchenpaar vom Schwarzen Loch, so bietet der Hawking-Effekt eine Möglichkeit, dem Schwarzen Loch Energie zu entziehen. Mit anderen Worten: Der Hawking-Effekt begrenzt die Lebensdauer Schwarzer Löcher. Schwarze Löcher können durch die Aussendung von Hawking-Strahlung „verdampfen“. Die Lebensdauer ist allerdings schon für Schwarze Löcher mit einer Sonnenmasse extrem hoch. Denn es würde 1066 Jahre dauern, bis ein solches Schwarzes Loch durch Hawking-Strahlung verdampft wäre. Das liegt weit über dem Alter des Universums von etwa 1010 Jahren! Die Temperatur eines stellaren Schwarzen Loches ist außerordentlich gering: nur etwa ein Millionstel Kelvin. Supermassereiche Schwarze Löcher in den Kerngebieten von Galaxien und AGN hätten entsprechend noch niedrigere Temperaturen. Eine direkte Detektion der Hawking-Strahlung ist damit bei kosmischen Schwarzen Löchern ausgeschlossen. Denn diese schwache Strahlungsform würde durch die heftigen Strahlungsprozesse in der Umgebung, im Vordergrund und im Hintergrund der Quelle einfach untergehen. Ganz anders bei den massearmen Schwarzen Löchern: Sie haben hohe Hawking-Temperaturen und sehr viel kleinere Lebensdauern. Sehr massearme Löcher emittieren mehr, als sie absorbieren. Als Konsequenz nimmt ihre Masse sukzessiv ab. Bei einer kritischen Masse von 1014 Gramm – was einem kosmisch gesehen sehr kleinen Schwarzen Loch entspricht – würde das Schwarze Loch auf extrem kleinen Zeitskalen von 10−23 Sekunden seine ganze Ruhemasse abstrahlen. Ein solcher Vorgang ähnelt vielmehr einer Explosion, die 1035 erg Energie freisetzt. Diese Energieskala liegt zwar noch viele Zehnerpotenzen unterhalb einer typischen Supernova, sollte jedoch im Weltall beobachtbar sein.
5.1 Wärmelehre nach Hawking & Co.
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Die Wissenschaftler fragen sich insbesondere, ob es primordiale Schwarze Löcher geben könnte. Dabei handelt es sich um eine besonders leichte Form Schwarzer Löcher, die sich möglicherweise im frühen Universum entwickelt haben. Auf diese frühe Entstehung nimmt auch das Attribut „primordial“ Bezug. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen für primordium, dt. Anfang, Ursprung. Primordiale Schwarze Löcher sind der Theorie nach nicht durch den Gravitationskollaps eines Sterns entstanden, denn die gab es im frühen Kosmos noch nicht. Darin unterscheiden sich entwicklungsgeschichtlich die primordialen von den stellaren und supermassereichen Schwarzen Löchern. Vielmehr nehmen die Kosmologen an, dass hoch komprimierte Gebiete im heißen, dichten „Urbrei“ des frühen Universums in sich zusammenfielen. Das sollte sich kurz nach dem Urknall ereignet haben. Denn auch primordiale Schwarze Löcher benötigen überdichte Massenansammlungen, um sich bilden zu können. Der dichte Kosmos kurz nach dem Urknall hat eine Zeit lang dafür gute Bedingungen geliefert. Die Lebensdauer der primordialen Schwarzen Löcher lässt sich somit abschätzen, indem man annimmt, dass das Loch gegebener Masse beständig Energie und Masse durch die Emission leichter Teilchen verliert. Mathematisch folgt die Lebensdauer aus der Strahlungsleistung eines Wärmestrahlers, wenn man als Oberfläche des Strahlers die Horizontfläche des Loches und als Temperatur des Strahlers die Hawking-Temperatur annimmt. Die Lebensdauer als Funktion der Lochmasse berechnet sich dann gemäß 1064 × (M/MSonne)3 Jahre. Das führt auf eine Lebenszeit von etwa 1,3 Milliarden Jahren, falls das primordiale Loch eine Milliarde Tonne wiegt. Die Lebensdauer steigt allerdings mit der dritten Potenz der Lochmasse. Ein deutlich leichteres Loch wäre damit schon früher zerstrahlt. An diesen Rechnungen sieht man, dass primordiale Schwarze Löcher von maximal der Masse eines Bergs schon innerhalb des Alters unseres Universums vollständig zerstrahlt wären.
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Das Verdampfen vollzieht sich in der letzten Phase explosionsartig, sodass primordiale Schwarze Löcher Signaturen im Muster der kosmischen Hintergrundstrahlung hinterlassen haben sollten. Primordiale Schwarze Löcher, die gerade in unserer gegenwärtigen Epoche zerstrahlen, sollten zum Hintergrund der Gammastrahlung beitragen. Dennoch gelten die primordialen Schwarzen Löcher unter Astronomen als sehr hypothetisch. Ihre mögliche Rolle in der Entwicklung des Kosmos im Rahmen der Kosmologie ist nach wie vor nicht klar. Sie könnten wesentlich zur Entstehung von Sternen und Galaxien beigetragen haben. Es ist zumindest denkbar, dass die primordialen Schwarzen Löcher die „Saatkörner“ von Sternen und Galaxien waren. Freilich wären die Details zu klären, wie aus subatomaren Löchern makroskopische Objekte wie die Sterne werden. Die kosmologische Rolle Schwarzer Löcher wäre in diesem Szenario allerdings wichtig, sorgten sie doch für die Entstehung der Welteninseln, in denen sich schließlich Planeten und das Leben bildeten. Aber die Kosmologen wissen bislang nicht, ob es sich so abgespielt hat. Kommen wir nochmals zur Hawking-Strahlung zurück. Die Energie der Hawking-Strahlung hängt davon ab, welches Teilchen am Horizont materialisiert. Mit Schrumpfung des Loches durch Hawking-Emission und dem damit verbundenen Temperaturanstieg wird schließlich die Ruhemasse verschiedener Teilchenspezies überschritten, sodass ein ganzer Teilchenzoo emittiert werden könnte. Bisher ist der experimentelle Nachweis dieser Strahlung nicht gelungen. Dies liegt vor allem daran, weil diese Strahlung sehr schwach sein muss und von anderen kosmischen Strahlungsquellen wie zum Beispiel lokalen Quellen (Akkretionsfluss) oder der allgegenwärtigen kosmischen Hintergrundstrahlung überdeckt wird. Wie die Zahlenbeispiele zeigten, ist die direkte Verifikation der Hawking-Strahlung bei kosmischen Schwarzen Löchern höchst-
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wahrscheinlich auszuschließen. Die Hoffnung ihres Nachweises liegt nun vor allem in der Hochenergiephysik. Sollte es gelingen, Schwarze Mini-Löcher im Labor zu erzeugen, so müssten Spuren ihres Zerfalls in modernen Teilchenbeschleunigern messbar sein. Das spekulative Szenario einer TeV-Quantengravitation (Kapitel 5.2) rückt sogar die aktuelle Hochenergiephysik an diese kritische Schwelle. Eine offene Frage ist natürlich, wie das Spektrum der Hawking-Strahlung verändert wird, wenn man eine voll quantisierte Behandlung des Problems ansetzt. Dies erfordert eine quantisierte Gravitationstheorie, eine Quantengravitation. Es gibt heute im Wesentlichen zwei Anwärter auf eine solch mächtige Theorie: die Stringtheorien und die Loop-Quantengravitation, die beide im nächsten Unterkapitel vorgestellt werden. Das beeindruckende Resultat ist, dass in beiden Theorien dieselbe Gleichung für die Bekenstein-HawkingEntropie abgeleitet werden konnte. So könnte man meinen, dass die Thermodynamik Schwarzer Löcher auch in diesen neuen Theorien (von denen die Physiker noch nicht wissen, inwiefern sie die Natur beschreiben) so beschaffen ist, wie sie Hawking vor drei Dekaden semiklassisch abgeleitet hat. Das ist Gegenstand aktueller, theoretischer Forschungsarbeiten. Aus thermodynamischen Gründen ist zu erwarten, dass immer eine Form von Hawking-Strahlung existieren muss, denn ein Körper endlicher Temperatur ist nun mal ein Planck-Strahler. Die exakten mathematischen Zusammenhänge sind wahrscheinlich in verschiedenen Quantengravitationstheorien unterschiedlich. Erst wenn sich eine Quantengravitation bewährt hat, folgen sichere Aussagen über die Existenz und die Natur der Hawking-Strahlung. Das ist vor allem die theoretische Herangehensweise; von experimenteller Seite muss der Versuch unternommen werden, die Hawking-Strahlung in geeigneten Systemen zu messen.
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5.2 Gravitation in Quantenform Die beste Theorie für die Gravitation ist bisher Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie (ART). Sie ist jedoch eine klassische Theorie und trägt der Quantennatur der Materie nicht Rechnung. So gibt es in der Relativitätstheorie keine Unschärfe von Ort und Impuls, keine Wahrscheinlichkeitsinterpretation, keine Wellenfunktion. Ihre Welt ist vierdimensional, und die zentrale Aussage ist, dass Masse äquivalent zur Energie ist und die Raumzeit krümmt. Das „Wie?“ beschreiben die Einstein’schen Feldgleichungen. Wie bringt man nun die Quantisierung ins Spiel? Im letzten Kapitel haben wir die Hawking-Strahlung kennen gelernt, ein Phänomen, das auftritt, sobald quantisierte Felder und die klassische, kontinuierliche Raumzeit zusammengebracht werden. Quantisierung der Gravitation ist aber mehr: Es ist der Versuch, die Schwerkraft selbst in Gestalt diskreter Energieportionen zu beschreiben. Die Gravitation ist die letzte der vier fundamentalen Naturkräfte, zu der eine bewährte Quantenfeldtheorie (QFT) fehlt. Abbildung 5.2 stellt alle vier Grundkräfte gegenüber: elektromagnetische, starke, schwache Kraft sowie Schwerkraft. Alle Kräfte außer der Schwerkraft konnten quantisiert werden, d. h. die Kraft wird aufgefasst als Austausch von Botenteilchen. Nehmen wir als Beispiel die elektromagnetische Kraft. Die zugehörige
Abb. 5.2 Die vier fundamentalen Kräfte in der Physik und ihre Austauschteilchen.
5.2 Gravitation in Quantenform
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QFT der elektromagnetischen Kraft ist die Quantenelektrodynamik (QED). Im Bild der QED „spüren sich“ zwei elektrische Ladungen, weil sie ein Botenteilchen, das Photon, austauschen. Ein ähnliches Konzept funktioniert auch bei der starken Kraft, die mit der Quantenchromodynamik (QCD) beschrieben werden kann. In der QCD gibt es allerdings acht Botenteilchen, die Gluonen. Gluonen vermitteln die starke Kraft zwischen so genannten Farbladungen. Sie halten z. B. drei Quarks zu Proton oder Neutron zusammen. Die schwache Kraft wird durch drei schwere Bosonen übertragen. Es gibt die geladenen W-Bosonen (W+ und W−) und das elektrisch neutrale ZBoson. Die schwache Kraft ist verantwortlich für einige Varianten der Radioaktivität, beispielsweise dem Betazerfall. Die W-Bosonen verwandeln ein Proton in ein Neutron (bzw. umgekehrt), wobei auch ein Elektron und ein Anti-Elektronneutrino bzw. ein Positron und ein Elektronneutrino frei werden. Alle Austauschteilchen gehören zu den Bosonen. Das sind Teilchen mit ganzzahligem Spin. Die Materieteilchen, zwischen denen die Kräfte wirken, gehören zu den Fermionen, weil sie einen halbzahligen Spin haben. So besitzen beispielsweise die Elektronen und die Quarks Spin ½. Die Merkmale der Austauschbosonen entscheiden über die Reichweite der zugehörigen Kraft. So tragen die Gluonen selbst eine Farbladung, sodass die starke Kraft extrem kurzreichweitig ist – im Bereich von 10−15 Metern. Die W- und Z-Bosonen sind dagegen mit 81 bzw. 91 GeV extrem schwere Teilchen – zum Vergleich: Proton und Neutron haben nur etwa 1 GeV Masse. Die Reichweite skaliert jedoch gerade mit der Masse des Botenteilchens, sodass W- und ZBosonen ebenfalls nur etwa 10−15 Meter weit kommen. Das erklärt, weshalb in unserer Umgebung nicht ständig radioaktive Zerfälle geschehen. Im Unterschied dazu haben die Photonen durch ihre Ruhemasse null und ihre Ladungsneutralität keine Probleme: Ihre Reichweite ist im Prinzip unendlich groß.
150 5. Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie
Welche Eigenschaften sollte eine Quantengravitation haben? Die Physiker fordern für eine Quantenfeldtheorie der Gravitation ein so genanntes Tensorboson als Austauschteilchen. Tensoriell heißt, dass es Spin 2 aufweisen muss. Dies steht direkt in Zusammenhang mit den beiden Polarisationsfreiheitsgraden der Gravitationswellen, wie sie in der unquantisierten ART behandelt werden (Kapitel 4.9). Das hypothetische Austauschboson wurde von den Physikern Graviton getauft. Immer wenn die Gravitationskraft zwischen Teilchen mit Masse wirkt, wird in der Sprechweise der QFT ein Graviton ausgetauscht. Als Nächstes sollen zwei Spielarten von Quantengravitationstheorien vorgestellt werden, die die Gravitation auf unterschiedliche Weise quantisieren: die Stringtheorien und die Loop-Quantengravitation. Beide Theorien haben das Potenzial, unser Verständnis von Schwarzen Löchern zu revolutionieren. Die Stringtheorie ist eine Theorie, die Elementarteilchen und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte beschreibt. Dabei zielt sie insbesondere darauf ab, die fundamentalen Naturkräfte in einem einheitlichen Bild zu beschreiben. Weil dabei auch die Gravitation sowie die Quantisierung berücksichtigt werden, ist die Stringtheorie auch eine Variante einer Quantengravitation. Der Name Stringtheorie (engl. string: Saite) geht darauf zurück, dass in der Theorie zunächst nur eindimensionale, fadenförmige Gebilde eine besondere Rolle spielten. Das Anregungsspektrum dieser schwingungsfähigen Objekte wurde mit den bekannten Elementarteilchen des Standardmodells der Teilchenphysik in Verbindung gebracht: Je nach Schwingungszustand sollte der String ein bestimmtes Teilchen repräsentieren. Die historische Urform der Stringtheorie ist die bosonische Stringtheorie, die ab dem Ende der 1960er-Jahre entwickelt wurde, um die starke Kraft mit quanten-
5.2 Gravitation in Quantenform
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mechanischen Strings zu beschreiben. Diese Theorie hat 26 Dimensionen, 25 Raum- und eine Zeitdimension. In den 1970er-Jahren wurde überraschend entdeckt, dass in den Stringtheorien Spin-2Anregungen (Tensorbosonen) auftraten, die die Physiker gerade mit dem Austauschquant der Gravitation in Verbindung bringen. Mitte der 1980er-Jahre stellte sich heraus, dass nicht nur Strings als Fäden, sondern auch höherdimensionale Objekte möglich sind. Diese Gebilde wurden von Paul Townsend p-Branen mit einer Dimension p getauft. Der Wortbestandteil Bran nimmt Bezug auf Membran, also ein flächenhaftes, schwingfähiges Objekt. Bei verschwindender Dimension, p = 0, hat man es mit einer 0-Bran zu tun, einem Punktteilchen; eine 1-Bran entspricht dem wohl bekannten, eindimensionalen String; die 2-Bran ist eine zweidimensionale Fläche, die man Membran nennt usw. Eine Darstellung von Strings und Branen in einem Raum-Zeit-Diagramm illustriert die Abbildung 5.3.
Abb. 5.3 Raum-Zeit-Diagramm von Strings und Branen. Die untere Zeile demonstriert die verschiedenen Topologien von Strings. In der darüber dargestellten zeitlichen Entwicklung erscheinen Punktteilchen (0-Brane) als Linie, während offene und geschlossene Strings (1-Brane) flächenhaft erscheinen.
152 5. Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie
Die Stringtheorien haben auch Einzug in die Astronomie gehalten. Dort bieten sie interessante Szenarien für Materie unter extremen Bedingungen an, z. B. im Innern von kompakten Objekten. In der Kosmologie wurden stringtheoretische Modelle vorgeschlagen, die unser Universum in völlig neuem Licht erscheinen lassen. Die Sichtweise im Standardmodell, dass die fundamentalen Bausteine der Materie, Quarks und Leptonen, punktförmig seien, wird in der Stringtheorie dadurch abgelöst, dass alle Teilchen als Anregungs- oder Schwingungszustände eines solchen Strings angesehen werden. Dabei ist die Schwingungsenergie des Strings assoziiert mit der Masse des Teilchens. Die Nullpunktsschwingung, die man mit dem Grundzustand der Quantenmechanik identifiziert, entspreche einem Teilchen mit Masse null. Dies seien gerade die masselosen, bosonischen Austauschteilchen (Eichbosonen) wie das Photon, die Gluonen oder das Graviton. Angeregte Schwingungsmoden repräsentieren Teilchen höherer Masse, wie Elektronen, Neutrinos und Quarks. Die unteilbaren Konstituenten der Materie sind gemäß der Stringtheorie winzige, schwingende Fäden oder Flächen auf der Planck-Längenskala (10−35 Meter). In der Topologie von Strings unterscheidet man geschlossene von offenen Strings. Das Graviton und skalare Felder werden durch geschlossene Strings repräsentiert, während die anderen Eichbosonen offene Strings sind (Abbildung 5.3). Es gibt fünf verschiedene, zehndimensionale Stringtheorien: Typ I, Typ IIA, Typ IIB, O-heterotisch oder SO(32) und E-heterotisch oder E8 × E8. Alle fünf Stringtheorien sind supersymmetrisch. Aus diesem Grund heißen sie auch Superstringtheorien. Supersymmetrie (SUSY) vermeidet so genannte tachyonische Anregungszustände, die zu Akausalitäten führen. Die Supersymmetrie besteht zwischen zwei Teilchengruppen, den Bosonen und den Fermionen. Jedes Boson habe einen fermionischen
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Superpartner, und jedes Fermion habe einen bosonischen Superpartner. Das hätte zur Konsequenz, dass weit mehr Teilchen existieren müssen, als im Standardmodell der Teilchenphysik bekannt sind. So hätte das bosonische Graviton den fermionischen Superpartner Gravitino oder die Eichbosonen als Superpartner fermionische Gauginos. Alle diese supersymmetrischen Partner haben relativ große Massen. Das ist wohl der Grund dafür, dass sie bisher in Teilchenbeschleunigern oder anderen Experimenten nicht entdeckt wurden. Die Beobachtung, dass die Kopplungskonstanten der vier Wechselwirkungen, die jeweils ein Maß für die Stärke der jeweiligen Kraft sind, energieabhängig sind und sich zu hohen Energien einander nähern, weist auf die Existenz der SUSY hin. Mit den Stringtheorien können Berechnungen in der Quantenchromodynamik durchgeführt werden, wo die Störungstheorie der herkömmlichen Feldtheorien versagt. Mit diesen QCD-Strings können beispielsweise die experimentellen Daten von Gold-Gold-Stößen, die am Teilchenbeschleuniger RHIC gemessen wurden, sehr gut erklärt werden. 1997 fand der theoretische Physiker Juan M. Maldacena die so genannte AdS/CFT-Korrespondenz. Diese Korrespondenz besteht zwischen einer Stringtheorie auf einer 5D-Anti-de-Sitter-Raumzeit (abgekürzt AdS), die die Gravitation berücksichtigt und einer konformen Feldtheorie (engl. conformal field theory, abgekürzt CFT) ohne Gravitation, die nur auf dem 4D-Rand beschränkt ist. Die 5DStrings vermögen nun eine Reihe der Eigenschaften der 4D-QCD (Yang-Mills-Theorie) zu beschreiben. Es ist sogar gelungen, diese Dualität für andere Raumzeiten zu verallgemeinern. Sie gestaltet sich dann als eine fundamentale Dualität zwischen Eichung und Gravitation (gauge/gravity dual). Mit den Methoden der Stringtheorien lässt sich die BekensteinHawking-Entropie berechnen (Kapitel 5.1). Das Resultat stimmt mit demjenigen der klassischen Theorie Schwarzer Löcher überein.
154 5. Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie
Diese Übereinstimmung allein besagt nicht viel; aber es lassen sich äußerst interessante Analogien zwischen Quantenchromodynamik und Schwarzen Löchern ziehen: So entspreche ein Übergang in ein Quark-Gluonen-Plasma, wie es die 4D-QCD beschreibt, phänomenologisch der Erzeugung eines Schwarzen Loches in der 5D-Stringtheorie. Die Bekenstein-Hawking-Entropie klassischer Schwarzer Löcher hängt dann mit der Entropie eines Plasmas aus Quarks und Gluonen zusammen! Das sind vollkommen neue Einsichten in die Natur. Neben den fünf Stringtheorien kennen die Physiker die davon (scheinbar) unabhängige Supergravitation, die Supersymmetrie und ART miteinander verknüpft. Nach 1995 entdeckten die Stringtheoretiker Horava und Witten, dass die fünf Stringtheorien miteinander über bestimmte mathematische Relationen, den Dualitäten, in Zusammenhang stehen. Die Forscher vermuteten, dass eine übergeordnete Theorie höherer Dimension existiere, die alle Stringtheorien enthalte. Das ist die elfdimensionale M-Theorie. M steht wahlweise für magic, mystery oder matrix – alles Eigenschaften, die der M-Theorie zugeschrieben werden. Erstaunlicherweise stellte sich heraus, dass die M-Theorie eine weitere Theorie enthält: die ebenfalls elfdimensionale Supergravitation (SUGRA). SUGRA und M-Theorie stimmen bei kleinen Energien überein, d. h. die Supergravitation ist der Niederenergielimes der M-Theorie. Die Abbildung 5.4 fasst das merkwürdige Verwandtschaftsverhältnis der fünf Stringtheorien und SUGRA zur M-Theorie zusammen. Bis heute kennen die Stringforscher nur wenige Eigenschaften der M-Theorie. Sie sind davon überzeugt, dass die M-Theorie elfdimensional sei, der Supergravitation im Grenzwert kleiner Energien entspreche, ihre Objekte, die M-Branen, Strings und p-Branen seien, sie störungstheoretisch nicht zugänglich sei.
5.2 Gravitation in Quantenform
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Abb. 5.4 Die fünf bekannten Stringtheorien und die Supergravitation hängen über mathematische Relationen, den Dualitäten, zusammen. Das legt den Verdacht nahe, dass die Einzeltheorien zu einer übergeordneten Theorie zusammengefasst werden könnten. Sie wird M-Theorie genannt.
Eine interessante Frage ist nun, weshalb die sechs zusätzlichen Raumdimensionen, die jede der fünf zehndimensionalen Stringtheorien gegenüber der vierdimensionalen Raumzeit der ART mehr hat, nicht im alltäglichen Leben bzw. in physikalischen Messungen in Erscheinung treten. Sie müssen wohl „sehr klein“ sein. Physiker sagen, dass die Zusatzdimensionen kompaktifiziert seien. Unter Kompaktifizierung verstehen sie, dass Raumdimensionen auf kleinen Raumskalen „zusammengerollt“ sind. Deshalb bleiben sie in der Regel verborgen. Vorstellen kann man es sich anschaulich so, dass beispielsweise eine gezeichnete Linie, die uns als Betrachter eindimensional erscheint, bei hoher Vergrößerung mit einem Mikroskop weitere Dimensionen offenbart: Die Linie erscheint dicker, ausgedehnt und wird zu einem zweidimensionalen Streifen.
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Die Welt der ART ist vierdimensional. Die anderen sieben Dimensionen der Supergravitation bzw. M-Theorie sind kompaktifiziert. Die neuen Dimensionen bezeichnen die Physiker auch als Extradimensionen, die bisher nicht experimentell nachgewiesen werden konnten. Bei kurzen Abständen erwarten die Stringtheoretiker Abweichungen vom klassischen Newton’schen Gravitationsgesetz. Der typische Abfall der Gravitationskraft mit dem Abstandsquadrat wird bei kleinen Abständen durch ein neues Gravitationsgesetz ersetzt, das sich stringtheoretisch berechnen lässt, z. B. ein Abfall mit dem Abstand in der vierten Potenz. Solche Prognosen überprüfen die Physiker in jüngster Zeit mit Experimenten und anderen Tests. Bislang fanden sie dabei allerdings keine Anzeichen für weitere Raumdimensionen außer den klassischen dreien. Das widerlegt jedoch nicht die Stringtheorien. Stringtheoretiker erklären das so, dass die Extradimensionen auf noch kleineren Abständen kompaktifiziert seien, als in den Experimenten getestet werden konnte. Die aktuelle Grenze liegt im Bereich von wenigen Mikrometern. Das bedeutet, dass der so genannte Kompaktifizierungsradius – diejenige Längenskala, ab der die kompaktifizierten Zusatzdimensionen wichtig werden – kleiner sein müsste als ein Millionstel Meter. Nun, was haben die Stringtheorien mit Schwarzen Löchern zu tun? Es gibt eine Reihe von Aspekten, die hier äußerst interessant sind. Zunächst einmal bieten die Stringtheorien als Quantengravitation die Chance, die Gravitation völlig neu zu verstehen, als sie Einstein uns in Gestalt der ART nahebrachte. Die Stringtheorien lassen weiterhin die Welt der Elementarteilchen in neuem Licht erscheinen und könnten die nächste Stufe nach dem Standardmodell der Teilchenphysik darstellen. Daher lohnen die Erforschung und der Versuch, die Prognosen der Stringtheorien zu bestätigen oder zu widerlegen. Der gerade gestartete LHC, ein moderner Teilchenbeschleuniger, könnte es erlauben, die Extradimensionen abzuzählen. So könnte es möglich werden, dass die Teilchenphysiker am CERN künstlich
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ein Schwarzes Loch im Miniformat erzeugen und dessen Zerfall durch Hawking-Strahlung beobachten. Die Stringtheorien könnten das erklären (aber sie fordern es nicht zwingend!), denn die fundamentale Planck-Skala wäre durch Extradimensionen von 1019 GeV bis hinunter in den TeV-Bereich reduziert. In diesen Energiebereich kann der LHC vordringen, sodass eine derartige „TeV-Quantengravitation“ getestet werden könnte. Im Rahmen der Stringtheorien lassen sich die klassischen Schwarzen Löcher der ART neu entdecken; ja, sie bringt sogar neue Arten Schwarzer Löcher in höheren Dimensionen hervor. Die punktförmigen Schwarzen Löcher wären demgemäß 0-Branen. Sie können verallgemeinert werden zu einer 1-Bran, dem Schwarzen String (engl. black string) oder einer 2-Bran, der Schwarzen Bran (engl. black brane). Schwarze Löcher können auch durch Schwingungsmoden von 3-Branen repräsentiert werden. Sie tragen dann Masse, elektrische Ladung und Drehimpuls. Damit sind es gewissermaßen Fortsetzungen der Kerr-Newman-Lösungen Schwarzer Löcher in höhere Dimensionen. Die aktuelle Forschung auf dem Gebiet der Stringtheorien gestaltet sich so, dass Methoden der Stringtheorien – die nicht nur Strings beschreiben, wie nun klar sein sollte – auf bekannte Probleme der Quantenphysik, Teilchenphysik und Astrophysik angewendet werden. Dies offenbart erstaunliche, neue Perspektiven auf bekannte Phänomene, die oft über den bisherigen Verständnishorizont hinausgehen. Trotzdem bleiben uns die Stringtheorien bzw. die bekannten Facetten der M-Theorie nach wie vor den Beweis schuldig, dass sie konsistente, physikalische Theorien sind. Kritiker der Stringtheorien werfen ein, dass sie bisher nicht nachweisbare Konzepte, wie die Existenz von Extradimensionen und die Supersymmetrie, verfolge. Diese Konzepte sind notwendig, um konsistente Stringtheorien (Vermeidung von Tachyonen etc.) zu entwickeln, verweigern sich jedoch bisher hartnäckig jedem experimentellem Nachweis. Die Hoffnung ist, dass die nächste Generation von Teilchenbeschleunigern, der LHC und bald wohl auch der ILC (International Linear
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Collider), experimentelle Daten liefern werden, die uns Aufschluss geben werden, ob wir mit den Stringtheorien auf dem richtigen Weg sind – oder Alternativen suchen sollten. Eine alternative Quantengravitationstheorie ist die Loop-Quantengravitation (LQG), im Deutschen auch bisweilen SchleifenQuantengravitation genannt. Die LQG verbindet Konzepte der Quantentheorie mit denjenigen der ART mit dem Ziel, das Gravitationsfeld zu quantisieren. Der Ansatz ist allerdings völlig anders als bei den Stringtheorien. In der LQG ist auch nicht mehr die Rede vom Graviton, sondern die Quanten der Theorie heißen Loops (dt. Schleifen). In der ART ist die Raumzeit ein deformierbares, vierdimensionales, kontinuierliches Gebilde, ein Raum-Zeit-Kontinuum, das durch Energieformen wie der Masse gekrümmt wird. Die klassischen Theorien sehen keine Prinzipien wie Unschärfe oder diskrete physikalische Größen (Quanten) vor. Die Raumzeit erscheint hinreichend glatt, durchgehend und weist allenfalls „Löcher“ in Form von Krümmungssingularitäten auf, wie sie in Schwarzen Löchern vorkommen. Nun impliziert aber die Quantentheorie, dass bei sehr starken Gravitationsfeldern auf sehr kleinen Längenskalen eine Körnung der Raumzeit auftauchen muss. Die Längenskala, wo die Körnung auftritt, ist im Bereich der Planck-Länge, also auf nur 10−33 Zentimetern. Das ist die kleinste Längeneinheit, die Physiker kennen. Die Granulation erfordert eine Theorie, die über die ART hinausgeht und dem quantenhaften Charakter der Raumzeit Rechnung trägt: eine Quantengravitation. Wie zuvor beschrieben, weisen die Stringtheorien bislang das Problem auf, dass weder die für sie notwendigen Extradimensionen noch die Supersymmetrie experimentell bestätigt (aber auch nicht widerlegt) werden konnte. Das ermutigte zur Suche nach Alternativen, und genau das ist die Loop-Quantengravitation, eine Theorie, deren Anfänge bis 1986 zurückreichen. Ein neuer aufregender Befund ist, dass das Raumvolumen in der LQG quantisiert ist in Volumenquanten. Dies sind die nicht wei-
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ter reduzierbaren Elemente des Raums, die ein Volumen von 10–99 Kubikzentimetern einnehmen, also einfach die Planck-Länge in der dritten Potenz. Selbstverständlich ist das ein winziges, beinah verschwindend geringes Volumenquant, doch es resultiert ein völlig neues Verständnis von Raum. Die LQG fordert, dass die Raumzeit eine körnige (granulare) Struktur auf der Planck-Skala habe. Die Körnung umschreibt man manchmal mit dem Begriff „Raumzeitschaum“. Dieses Resultat der LQG steht in krassem Gegensatz zum Begriff Raum-Zeit-Kontinuum der Relativitätstheorie: Die Raumzeit entpuppt sich auf den kleinen Quantenskalen als diskontinuierlich oder diskret. Nun befindet sich zwischen benachbarten Raumvolumina eine gemeinsame Fläche mit bestimmtem Flächeninhalt (engl. area). Der Flächeninhalt ist ebenso abhängig vom Gravitationsfeld und quantisiert wie das Volumen, nämlich in Flächenquanten. Ihre Ausdehnung ist gerade das Quadrat der Planck-Länge, also 10−66 Quadratzentimeter. Ihr Daumennagel besteht also aus ca. 1066 dieser Flächenquanten, die Erdoberfläche hingegen aus 1085. Benachbarte Volumenquanten sind durch Flächenquanten „verbunden“. Es wäre nun zu vereinfachend, anzunehmen, dass der Raum aus kleinen Polyedern besteht. Dieser Ansatz trägt der Krümmung des Raumes nicht Rechnung. Außerdem wurde in der bisherigen Betrachtung die Zeitkoordinate vernachlässigt, die doch in der ART ein vernetztes Kontinuum mit den drei Raumrichtungen bildet. Man muss also die Zeit berücksichtigen. In der LQG ist auch die Zeit in den fundamentalen Einheiten der Planck-Zeit, also in „Zeitpaketen“ von 10−43 Sekunden. Damit sei die Zeit in der LQG nicht der sprichwörtliche kontinuierliche Fluss, sondern eher vergleichbar mit dem Ticken einer Uhr. Die LQG hat eine wichtige Eigenschaft, die Hintergrundunabhängigkeit genannt wird. Historisch gesehen wurde sie von der ART vorweggenommen. Die Geometrie der Raumzeit ist in der ART dynamisch, d. h. der Hintergrund ist nicht statisch, sondern verändert
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sich durch den Einfluss von sich bewegenden Massen und Energien. Ein anderer Aspekt der Hintergrundunabhängigkeit ist, dass die Wahl des Koordinatensystems frei ist. Das folgt aus dem Kovarianzprinzip, denn die Tensoren der ART sind koordinatenunabhängig. Ein wesentliches Merkmal einer Theorie ist ihre Falsifizierbarkeit. Die Wissenschaftstheorie besagt, dass man eine Theorie niemals beweisen, sondern nur widerlegen kann (nach Karl R. Popper). Vor dem Ruhm einer Theorie steht die Bewährung: Die Physiker testen die Prognosen einer Theorie immer wieder in physikalischen Experimenten. Erst wenn die Theorie immer wieder übereinstimmende Resultate mit dem Experiment liefert, so hat sie sich bewährt. Stringtheorien und LQG müssen sich noch bewähren. Welche Vorhersagen macht die LQG, und wie kann man sie testen? Von prinzipiellem Interesse ist die Physik auf der Planck-Skala. Die Granulation der Raumzeit gemäß LQG sollte hier nachweislich zu Abweichungen führen. Vielleicht gelingt ein experimenteller Aufbau zum (direkten oder indirekten) Nachweis der Volumenquanten der LQG, auch wenn die assoziierte Skala außerordentlich klein ist? Derzeit ist jedenfalls die klassische Planck-Skala unerreichbar mit direkten Experimenten wie z. B. mit Teilchenbeschleunigern. Eine theoretische Ableitung der Bekenstein-Hawking-Entropie, die sich relevant für die Thermodynamik Schwarzer Löcher zeichnet (Kapitel 5.1), ist auch in der LQG möglich. Die Stringtheorien erlauben eine Berechnung, die zum identischen Ergebnis führt. Vom theoretischen Standpunkt ist dieses Resultat beruhigend, aber sicher keine starke Stütze der Theorie. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bekenstein-Hawking-Entropie selbst noch nicht experimentell untermauert wurde, sondern nur in ganz verschiedenen Theorien übereinstimmend vorkommt. Das Attraktive an der LQG-Rechnung ist nun, dass sie eine neue, mikroskopische Interpretation der Bekenstein-Hawking-Entropie auf den Tisch bringt. Die Entropie
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ergibt sich, wenn man die Anzahl der Eigenzustände des Flächenoperators auf dem Horizont zählt. In der Optik sind laut LQG neue Effekte zu erwarten. Während das gewöhnliche optische Vakuum nicht brechend (dispersiv) ist, sollte infolge der Granulation der Raumzeit, wie sie die LQG beschreibt, ein dispersives Vakuum resultieren. Dispersion heißt in der Optik, dass die Vakuumlichtgeschwindigkeit c von der Farbe abhängt. In der klassischen Elektrodynamik kann man gerade die Wellengleichung der Strahlung (unquantisiert) ableiten, wie sie in die Optik eingeht. Gambini und Pullin haben 1998 die klassische Elektrodynamik mit den Konzepten der LQG reformuliert und eine modifizierte Wellengeschwindigkeit abgeleitet. In einem „c-Test“ könnte man nun experimentell überprüfen, ob die Lichtgeschwindigkeit auf der Skala von Minuten – wie sie vorhersagen – tatsächlich für unterschiedliche Farben abweicht. Es wurde vorgeschlagen, diesen Sachverhalt mit Gammastrahlenausbrüchen (Kapitel 3.4) in kosmologischen Distanzen zu überprüfen. Der elektromagnetische Schauer dieser kosmischen Strahlungsausbrüche, der im GRB-Nachleuchten in allen Spektralbereichen auftritt, eignet sich hervorragend zum c-Test, weil die geringen Unterschiede in der Ausbreitungsgeschwindigkeit kumuliert werden und bei den hohen Entfernungen kosmologischer GRBs deutlich zutage treten sollten. Bislang gibt es keine Resultate dieses Experiments in der GRB-Astronomie. Die nicht universelle Lichtgeschwindigkeit der LQG stellt Einsteins SRT infrage! Es existieren bereits Modifizierungen der SRT, dass die Lichtgeschwindigkeit eben nur im Grenzfall hoher Wellenlängen (d. h. kleiner Photonenenergien) gilt. Ob die „heilige Kuh der Physiker“ geschlachtet werden muss und die Lichtgeschwindigkeit doch nicht konstant ist, müssen präzise Experimente zeigen. Sehr interessante Arbeiten sind in den Jahren 2005 und 2006 zum Gravitationskollaps im Rahmen der LQG von Bojowald und Goswami erschienen. Im Kern zeigen diese vorläufigen Rechnungen,
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dass die Ausbildung einer Singularität verhindert werden kann. Wie funktioniert das? Zunächst erinnert das Vorgehen an die ersten, rein relativistischen Kollapsrechnungen in den 1930er-Jahren. Zur Vereinfachung nehmen die Physiker den homogenen und isotropen Fall und betrachten ein Skalarfeld, das in sich zusammenfallen möge. Das Skalarfeld steht dabei für eine einfache Form von Materie. Interessanterweise war es den Theoretikern möglich, die Metrik des Universums (FLRW-Raumzeit) aus der Kosmologie zur Beschreibung des Kollapses im Innern zu benutzen. Hier kommen die Loop-Effekte ins Spiel, denn diese Metrik wird körnig. Interessant ist nun die zeitliche Entwicklung des Skalarfelds im Kollaps. Dieser Vorgang wird durch eine Bewegungsgleichung des Skalarfelds beschrieben, die in der Quantenfeldtheorie allgemein Klein-Gordon-Gleichung heißt. Die Diskussion der Dynamik dieses Feldes zeigt, dass der Kollaps aufgehalten werden kann und ein Radius null („die Singularität“) nicht erreicht wird. Weiterhin zeigt sich, dass die Energiedichte des Feldes nicht unendlich wird. Die Konsequenz: Die Quantisierung der Raumzeit verhindert die Ausbildung von Singularitäten! Wer drückt dagegen? Wir wissen ja von anderen kompakten Objekten, dass sich irgendein Druck dem mächtigen Gravitationsdruck im Kollaps entgegenstellen muss, damit der Kollaps auf ein Schwarzes Loch aufgehalten werden kann. Die Forscher untersuchten daher den effektiven Druck des Feldes und konnten zeigen, dass dieser negativ wird. Ein negativer Druck wirkt ja wie die Dunkle Energie in der Kosmologie antigravitativ. Der negative Druck ist sogar so stark, dass er einen Massenverlust des kollabierenden Objekts nach außen antreibt. Sehr aufregend ist der Umstand, dass diese LQG-Kollapsrechnungen im Prinzip astronomisch beobachtbar sein müssten. Denn der Massenverlust im Kollaps sollte Variationen in der Lichtkurve des Kollapsars bewirken. Sicherlich gestaltet sich dieser Nachweis schwierig, zumal beim Sternenkollaps immer auch Massenverluste auftreten und darüber hinaus die Natur komplizierter ist, als in die-
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sem Modell angenommen wurde. So zeigen Computersimulationen von Supernovae Typ II, dass diese vorzugsweise anisotrop und inhomogen sind. Dennoch sind die Loop-Rechnungen sehr ermutigend, zeigen sie doch, dass die Natur eventuell ohne Singularitäten auskommen könnte. Der aktuelle Stand ist, dass sowohl LQG als auch Stringtheorien erstaunliche und neue Konzepte für das Verständnis von Raum und Zeit bieten. Leider gibt es bisher keinerlei experimentelle Hinweise, die die eine oder andere Theorie favorisieren würden. Deshalb stellt sich die aktuelle Situation so dar, dass beide Theorien richtig (im Sinne von noch nicht falsifiziert), nur eine von beiden richtig oder gar beide falsch sein könnten! Die bisherige Nichtnachweisbarkeit von Extradimensionen und Supersymmetrie lassen die LQG attraktiver erscheinen, weil sie ohne diese Konzepte auskommt. Das letzte Wort hat jedoch – wie immer in der Physik – das Experiment.
5.3 Gibt es klassische Schwarze Löcher? Das ist eine provokante Frage. Wir haben nun eine ganze Menge über klassische Schwarze Löcher, d. h. Schwarze Löcher der ART, besprochen. Sie haben befremdliche Eigenschaften, wie den Ereignishorizont (Kapitel 2.3) oder die zentrale Krümmungssingularität (Kapitel 2.4), aber offenbar beschreiben die Schwarzen Löcher aus Einsteins Theorie eine Vielzahl astronomischer Beobachtungen (Kapitel 3 und 4). Fakt ist aber auch, dass weder Ereignishorizont noch Singularität experimentell bestätigt werden konnten. Das lässt Raum für Skepsis, und wir sollten in diesem Abschnitt die kritischen Punkte sammeln, die Zweifel an der Existenz des klassischen Schwarzen Lochs aufkommen lassen. Danach sollen mögliche Alternativen zum Schwarzen Loch diskutiert werden.
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Die Feldgleichungen der ART lauten vereinfacht G = T, wobei G der Einstein-Tensor und T der Energie-Impuls-Tensor sind. Diese Gleichung bedeutet, dass Masse und Energie (rechte Seite) die Raumzeit krümmen (linke Seite). Gravitation ist nach Einstein nichts anderes als eine geometrische Krümmung der Raumzeit. Körper fallen im Schwerefeld, weil sie der Raumkrümmung folgen müssen, und zwar entlang von Geodäten. Die Feldgleichung ist nur scheinbar einfach; tatsächlich handelt es sich in voller Schönheit ausgeschrieben um einen Satz von zehn partiellen, nicht linearen, gekoppelten Differentialgleichungen. Mathematiker können für solch ein Ungetüm keine geschlossene vollständige Lösung hinschreiben. Es bleibt den Relativisten nichts anderes übrig, als Speziallösungen zu entdecken. Diese Speziallösungen sind gekrümmte Raumzeiten, in denen die Gravitation eine spezielle Gestalt und u. U. spezielle Symmetrien annimmt. Ein klassisches Schwarzes Loch ist gerade eine spezielle Form einer Raumzeit, die die Einstein’sche Feldgleichung löst. Die wesentlichen Schwarzen Löcher in der Astrophysik werden durch die Schwarzschild-Lösung (statisch und kugelsymmetrisch) und die Kerr-Lösung (rotierend und achsensymmetrisch) beschrieben (Kapitel 2.2). Es handelt sich dabei sogar um Lösungen der vereinfachten Feldgleichung G = 0, der so genannten Vakuumfeldgleichung. Hier verschwindet der Energie-Impuls-Tensor T auf der rechten Seite, weil es keine Quellen der Gravitation geben soll. T = 0 bedeutet in Worten, dass es ein (relativistisches) Vakuum gibt. Das muss in der ganzen Raumzeit gelten! Physiker sagen, dass es eine globale Eigenschaft sei. Untersucht man nun die Eigenschaften des Schwarzschild- und des Kerr-Lochs, so findet man zwei Strukturen, die beiden gemein ist: Sie haben (mindestens) einen Ereignishorizont und eine Krümmungssingularität im Zentrum. Der Ereignishorizont markiert eine kugelförmige Zone um das Loch, ab der es kein Entrinnen mehr gibt und Körper in das Loch hineinfallen müssen. Die Krümmungssingularität zeichnet sich dadurch aus, dass hier die Krümmung der Raumzeit unendlich wird. Dies folgt aus der Diskussion von ma-
5.3 Gibt es klassische Schwarze Löcher?
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thematischen Krümmungsgrößen in der Einstein’schen Theorie, die Krümmungsinvarianten (Riemann’sche Invarianten und Weyl’sche Invarianten, Abbildung 2.4) genannt werden. Schwarzschild- und Kerr-Raumzeit sind Vakuumraumzeiten, d. h. es gilt global T = 0. Wesentlich ist das Attribut global, das uns sagt, dass selbst in der Singularität gilt: G = 0 und T = 0. In der zentralen Singularität herrscht ebenso Vakuum, genauso wie überall in der Raumzeit. Auf der anderen Seite muss man zugestehen, dass rotierende Schwarze Löcher, beschrieben durch die Kerr-Metrik, viele beobachtete kosmische Phänomene und viele theoretische Mechanismen exzellent beschreiben. Kerr-Löcher sind derzeit das beste Modell in der Astrophysik, das wir für Schwarze Löcher haben. Eine (z. B. quantisierte) Alternative zum Kerr-Loch muss ebenbürtige Leistungen vollbringen. Eine solche Alternative ist nicht in Sicht. Ein Einwand: Stephen Hawking und Roger Penrose hatten Mitte der 1960er-Jahre doch mit den Singularitätentheoremen gezeigt, dass Schwarze Löcher existieren müssen. Es handelt sich dabei um mathematische Sätze, die unter einigen Voraussetzungen auf die notwendige Existenz von Singularitäten hinauslaufen. Aber die Voraussetzungen der Singularitätentheoreme müssen vielleicht nochmals für ein mikroskopisches Regime geprüft werden. Gelten die Singularitätentheoreme auch in der Quantenwelt? Mittels elektromagnetischer Wellen wird es den Astronomen niemals gelingen, Ereignishorizont und Singularität nachzuweisen. Die Singularität ist nun einmal hinter dem Schleier des Ereignishorizonts verborgen und daher prinzipiell unsichtbar. Raum-Zeit-Diagramme zeigen: „Singularitäten liegen in der Zukunft des Beobachters.“ Der Ereignishorizont ist laut ART eine Zone mit exakt null elektromagnetischer Emission. Dadurch, dass es bei Helligkeitsmessungen immer einen messtechnisch bedingten Fehlerbalken gibt, wird man
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eine exakt verschwindende Emission niemals nachweisen können, selbst mit dem besten Auflösungsvermögen von Teleskopen. Derzeit stellen nur die Gravitationswellen in Aussicht, dass sie uns die genauen Eigenschaften der Raumzeit mitteilen. Ihre Wellenform erlaubt es, die „Haare des Lochs“ (Masse, Drehimpuls, auch elektrische Ladung, Kapitel 2.2) zu messen. Leider ist der direkte Nachweis von Gravitationswellen bislang nicht gelungen. Das sollte jedoch innerhalb der nächsten Jahre passieren. Messungen an vielen Gravitationswellendetektoren wie LIGO oder Geo 600 laufen ja bereits. Haben wir denn Alternativen zum klassischen Schwarzen Loch? Ja, es gibt sie. Sie heißen Gravastern, Holostern, Bosonenstern und Fermionenstern, und sie sollen nun der Reihe nach vorgestellt werden. Gravastern – Der Gravastern (engl. gravastar) ist eine Bezeichnung für eine kugelsymmetrische Lösung der Einstein’schen Feldgleichungen, die 2001 entdeckt wurde. Der Name Grava(c)star ist ein Kunstwort aus Gravitation (gravitation), Vakuum (vacuum) und Stern (star). Gravasterne wurden von den theoretischen Physikern Pawel Mazur und Emil Mottola als Alternative zu den singulären Schwarzen Löchern vorgeschlagen. Gravasterne haben die erstaunliche Eigenschaft, dass sie regulär sind, d. h. es gibt keine Krümmungssingularität bei r = 0. Die zweite, wesentliche Eigenschaft ist, dass sie keinen Ereignishorizont haben. Die Fluchtgeschwindigkeit bleibt demnach immer knapp unterhalb der Vakuumlichtgeschwindigkeit. Anders gesagt, bleibt der relativistisch verallgemeinerte Doppler-Faktor (g-Faktor), der am Horizont Schwarzer Löcher exakt null wird, an der Oberfläche von Gravasternen endlich, ist aber sehr klein, etwa 10−25. Ein Gravastern besteht aus drei Bereichen mit unterschiedlichen Eigenschaften der Raumzeit (Abbildung 5.5):
5.3 Gibt es klassische Schwarze Löcher?
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Abb. 5.5 Struktur eines Gravasterns. Einzelheiten im Text.
1. Im Außenraum entspricht er der Schwarzschild-Lösung für nicht rotierende Schwarze Löcher. Dieser Bereich ist materiefrei und asymptotisch flach. 2. Dann schließt sich eine dünne Materieschale an, die aus einem ultrarelativistischen Quantenfluid besteht, das eine schwache Quelle des Gravitationsfeldes ist. Ultrarelativistisch bedeutet, dass diese Materie am kausalen Limit existiert: Die Schallgeschwindigkeit in diesem Medium ist gerade gleich der Lichtgeschwindigkeit. Die Dicke der Schicht ist in der Größenordnung der Planck-Länge. Die Materieschale verhindert die Ausbildung eines Horizonts. Denn erreicht die Materie im Kollaps das kausale Limit, so findet ein Quantenphasenübergang statt. Die äußere Schwarzschild-Vakuumraumzeit geht in ein anderes relativistisches Vakuum über, nämlich in die de-Sitter-Raumzeit.
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3. Das Innere des Gravasterns stellt den weitaus größten Teil der Gesamtmasse. Dieser Innenraum ist ebenfalls materiefrei (daher Vakuum), entspricht aber der klassischen de-Sitter-Lösung mit positiver kosmologischer Konstante Λ. Diese „Blase aus Dunkler Energie“ stabilisiert mit einem nach außen gerichteten Druck die dünne Materieschale aus (2) und verhindert so deren Kollaps. Eine positive kosmologische Konstante Λ bedeutet, dass es sich um eine abstoßende (repulsive) Kraft handelt, die der Gravitationskraft entgegenwirkt. Die Blase zeigt Antigravitation. Die Zustandsgleichung innerhalb der Schale ist sehr „steif“. Die Schalenmaterie ist noch kompakter als Neutronensternmaterie, denn die Schallgeschwindigkeit ist hier identisch mit der Lichtgeschwindigkeit. Es ist daher zu erwarten, dass Stoßfronten (Schocks) an der Übergangsschicht abprallen. Die Fürsprecher des Gravastern-Modells sehen darin eine Möglichkeit zur Unterscheidung der Gravasterne von singulären Schwarzen Löchern. Denn an (materiefreien) Ereignishorizonten gibt es keine derartigen Abpralleffekte. Andere Theoretiker berechneten, dass eine Reflexionseigenschaft vorliege, sodass harte Gammastrahlung am Übergang reflektiert, aber weichere Photonen durch die Materiehaut gelassen werde, d. h. energiearmes Licht wird verschluckt. Problematisch ist, dass diese Rechnungen besagen, dass Gammastrahlung zwar reflektiert werde, aber diese dennoch aufgrund der Gravitationsrotverschiebung stark rotverschoben werde. Das schmälert die Chance ihrer Messung und die Hoffnung auf eine Bestätigung per Beobachtung. Die Akkretion eines Gravasterns ist noch nicht ausreichend erforscht. Im für die Beobachtung ungünstigsten Fall verändert sich die aufgesammelte Materie derart, dass sie beim Auftreffen auf die Schale in das Bose-Einstein-Kondensat im Innern umgewandelt wird. Dadurch sollte der Gravastern – wie die Schwarzen Löcher – wachsen, weil er ebenfalls eine Masse hat. Die Beobachtung von Gravasternen ist schwierig, weil die ultrakalte Materieschale fast gar nicht leuchtet; sie gibt vielleicht nur eine sehr schwache Wärmestrahlung
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ab. Hinzu kommt, dass diese schwache Strahlung dann durch den Einfluss der stark gekrümmten Metrik extrem rotverschoben wird. Astrophysiker müssen mit Beobachtungen sehr nahe an das kompakte Objekt herankommen, bis auf etwa zwei Gravitationsradien, was dem Schwarzschild-Radius RS entspricht. Nur dann wäre eine Unterscheidung von Gravasternen und Schwarzen Löchern gut möglich. Stark rotverschoben ist die Strahlung bei beiden Objekten, nur sind Schwarze Löcher absolut schwarz und Gravasterne „grau“. Ausgedrückt in relativistisch verallgemeinerten Dopplerfaktoren gilt für ein Schwarzschild-Loch g(RS) ≡ 0 und für einen Gravastern dagegen nur g(RS) ~ 0. An sich ist die Diskussion von Schwarzschild-de-Sitter-Übergängen nicht neu und geht auf eine Idee von Sakharov (1965) und Gliner (1966) zurück. In den 1980er-Jahren wurden diese Ansätze aufgegriffen, um die Kosmologie voranzutreiben. Mazur und Mottola haben 2001 die Formen der Zustandsgleichungen verwendet, um die Metrik eines Gravasterns auszurechnen. Bislang gibt es jedoch kein konsistentes Modell, das beschreibt, wie z. B. ein massereicher Stern in einen Gravastern übergehen könnte. Das ist nur mit detaillierten Kollapsrechnungen zu bewerkstelligen. Nach dem so genannten Birkhoff-Theorem der ART ist der sphärisch symmetrische Gravastern notwendigerweise statisch. Das ist im Lichte der Astrophysik ein Nachteil der Gravasterne, weil gerade die schnell rotierenden Schwarzen Löcher – beschrieben durch die Kerr-Lösung der ART – viele astronomische Beobachtungen befriedigend erklärt. Eine Verallgemeinerung der Gravastern-Lösung auf den rotierenden Fall ist deshalb erwünscht, aber bislang nicht gelungen. Ein anderer Aspekt ist, dass es nicht genügt, wenn eine Raumzeit Lösung der Einstein’schen Feldgleichungen ist – es muss auch gezeigt werden, dass die Lösung stabil ist. Ist das nicht der Fall, wird
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dieser Zustand in der Natur gar nicht erst erreicht. Auch die Stabilität von Gravasternen wurde bisher nicht überzeugend dargelegt. Im Gegenteil: Untersuchungen von 2005 zeigten, dass Gravastern-Modelle, die komplett aus einer idealen Flüssigkeit bestehen, scheitern: Entweder würden sie zu unendlicher Größe anschwellen, oder es würde sich doch ein Horizont bilden. Die Lösung dieses Stabilitätsproblems ist aus der Sicht neuseeländischer Gravitationsforscher ein Gravastern mit anisotropem Druck. Das bedeutet, dass der Druck im Gravastern nicht in alle Richtungen gleich sei. Die Anisotropie muss in der Gravasternschale gewährleistet sein. Die Eigenschaft negativen Druckes im Innern bleibt jedoch erhalten. Stetige Lösungen mit isotropem Druck (wie das ursprüngliche Gravastern-Modell nach Mazur und Mottola) haben immer eine Polstelle im Druck als Funktion vom Radius. Das ruft eine unphysikalische, nackte Singularität hervor. Das ist eine der neueren Erkenntnisse in der Gravasternphysik. Die Reaktionen der Astronomen auf Gravastern-Modelle sind recht verhalten. Für die einen ist es das, auf das sie ewig gewartet haben, für andere ist es nur eine weitere überflüssige Lösung der EinsteinGleichungen. Auf diesem Gebiet muss deshalb sowohl seitens der Theorie als auch seitens der Beobachtung einiges erforscht werden. Es ist jedenfalls eine heiße Spur, deren Verfolgung hilft, die Rätsel der Schwarzen Löcher zu lösen. Holostern – Der Holostern (engl. holostar) ist ebenfalls eine Lösung der Einstein’schen Feldgleichungen der ART. Die Raumzeit der Holosterne wurde von dem deutschen Physiker Michael Petri 2003 vorgeschlagen. Holosterne erscheinen nach außen hin wie nicht rotierende Schwarze Löcher, haben aber im Innern völlig andere Eigenschaften. Der Holostern wird beschrieben durch eine statische und kugelsymmetrische Raumzeit. Die Raumzeit besteht aus drei unterschiedlichen Bereichen (Abbildung 5.6).
5.3 Gibt es klassische Schwarze Löcher?
171
Abb. 5.6 Struktur eines Holosterns. Einzelheiten im Text.
Nähern wir uns nun von außen nach innen der Holostern-Metrik. Der Holostern wird im Außenbereich durch die klassische Schwarzschild-Metrik der ART beschrieben. Bei Erreichen eines Abstands, der vergleichbar mit dem Schwarzschild-Radius ist, gibt es etwas Neues. Anstelle des Ereignishorizonts befindet sich hier, bei einem Radius rh, eine Membran. Die Membran hat eine Dicke von null und kann als masselos betrachtet werden. In der Membran herrscht eine Oberflächenspannung, weil sich der Druck in radialer Richtung abrupt ändert – das ist analog zur Oberflächenspannung eines Wassertropfens. Im Innern dieser Haut gibt es einen Bereich, in dem die Energiedichteverteilung einem 1/r2-Gesetz folgt. Solche Dichteverteilungen sind gerade das Wesen der holographischen Lösung. Das Innere des Holosterns hat somit Eigenschaften wie Stringmaterie.
172 5. Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie
Die Masse des Holosterns kann wie bei einem gewöhnlichen Stern durch die Summation über die Materiedichteverteilung berechnet werden. Alternativ kann die Masse ausschließlich durch die Betrachtung der Membran, also des Holosternrands, gefolgert werden. Das ist eine Konsequenz des holographischen Prinzips, dem der Holostern seinen Namen verdankt: Wie bei einem Hologramm können Eigenschaften eines Objekts höherer Raumdimension auf ein Abbild niedrigerer Raumdimension übertragen werden. Holosterne haben innerhalb des Bereichs, der von der Membran umschlossen wird, eine anisotrope Druckverteilung. Petri erklärte 2004 den radialen Anteil des anisotropen Drucktensors im Innern des Holosterns dadurch, dass er möglicherweise mit radialen, fraktionierten Strings angefüllt sei. Fraktionierte Strings oder Branen sind String- bzw. Branenstücke, die der Physiker Samir Mathur eingeführt hat. Der Stringhypothese für Holosterne folgend, würden sich die Strings vom Zentrum bis nach außen zur Membran des Holosterns erstrecken. Die Zustandsgleichung dieser Stringmaterie hat gerade einen negativen radialen Druck. Wie aus der Kosmologie im Zusammenhang mit der Dunklen Energie bekannt, haben solche Zustandsgleichungen eine antigravitative Wirkung. Die Stringinterpretation ist jedoch nicht zwingend bei der holographischen Lösung; insofern wäre es falsch, zu behaupten, dass Holosterne Stringmodelle sind – das innere Dichteprofil bietet allerdings eine interessante Assoziation mit Strings an. Der Holostern hat ebenfalls eine Punktsingularität bei r = 0, weil dort die Krümmung unendlich wird. Holosterne weisen damit erstaunlich viele Ähnlichkeiten zu den Gravasternen auf. Es sei angemerkt, dass die Bezeichnung -stern in beiden Fällen, Holostern und Gravastern, etwas irreführend ist: Beide Objekte können – laut Theorie – ohne weiteres weit höhere Massen annehmen als Sterne. Damit könnten sie im Prinzip anstelle von supermassereichen Schwarzen Löchern die Zentren von Galaxien bevölkern.
5.3 Gibt es klassische Schwarze Löcher?
173
Was Gravastern und Holostern so interessant für die Astrophysik macht, ist der Umstand, dass sie möglicherweise Alternativen zu den Schwarzen Löchern darstellen. Sie tragen der komplizierten Struktur des Vakuums Rechnung. Das relativistische Vakuum wird durch ein identisches Verschwinden des Energie-Impuls-Tensors realisiert. Die neueren Erkenntnisse über die Struktur des Vakuums im Rahmen der Quantentheorie (z. B. Casimir-Effekt) und der Stringtheorien legen nahe, dass für den Energie-Impuls-Tensor ein anderer Ansatz näher an der Natur ist als der identisch verschwindende Energie-Impuls-Tensor in der klassischen Theorie. Bei Holosternen gibt es kein Entropie- bzw. Informationsparadox (Kapitel 5.1), denn Information geht nicht im Gravitationskollaps verloren, sondern bleibt bei der holographischen Lösung erhalten. Das sind entscheidende Unterschiede zum Schwarzen Loch. In den Augen einiger Astrophysiker ist das eine sehr attraktive Eigenschaft. Trotz dieser interessanten Eigenschaften des Holosterns ist die Reaktion der meisten Wissenschaftler recht zurückhaltend. Das hat unterschiedliche Gründe. Generell gilt, dass sich neue Vorschläge schwer etablieren. Im Falle von Gravastern und Holostern gibt es zwei Gründe für Skepsis: Erstens wurde noch nicht überzeugend dargelegt, dass diese Raumzeiten wirklich metrisch stabil sind. Es genügt nicht, Lösung der Einstein’schen Feldgleichung zu sein, die Lösung darf „nicht in sich zusammenfallen“ und dann beispielsweise doch wieder auf die Schwarzschild-Metrik führen. Zweitens rotieren die Gravasterne und Holosterne nicht. Insofern repräsentieren sie nur eine echte Alternative zur Schwarzschild-Lösung. Sie können also bislang nicht die Eigenschaften rotierender Raumzeiten wie der Kerr-Lösung ersetzen. Die Astrophysik der aktiven Galaxien und auch die Gammastrahlenausbrüche legen jedoch nahe, dass die Rotationseigenschaft kompakter dunkler Objekte unabdinglich ist, um z. B. die Jets magnetohydrodynamisch zu erzeugen. Die Magnetosphärenphysik in der Ergosphäre rotierender Schwarzer Löcher
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(Blandford-Znajek-Prozess) ist der Schlüssel, um Jets zu erklären, die Astronomen in Radiogalaxien, radiolauten Quasaren und Blazaren beobachten. Auch bei Mikroquasaren und Gammastrahlenausbrüchen wird die schnell rotierende Raumzeit zum Antrieb der stellaren Jets benötigt. Und für einige kosmische Schwarze Löcher wurde die Rotation bereits gemessen. Gelänge es den Theoretikern, Gravasterne bzw. Holosterne rotieren zu lassen, würde das ihre Stellung in der Wissenschaft stärken. In den Fällen, wo die Astronomen eine Rotation von Schwarzen Löchern nachgewiesen haben – und das sind bereits einige –, können die Theoretiker derzeit nur die Kerr-Raumzeit zur Erklärung der Beobachtung heranziehen. Bosonenstern – Bosonensterne sind kompakte Objekte, die nur aus Teilchen bestehen, die ganzzahligen Spin aufweisen (z. B. Skalarfelder mit Spin 0). In der theoretischen Astrophysik werden Modelle solcher Sterne diskutiert. Skalarfelder gibt es tatsächlich in der Natur, sodass der Gravitationskollaps einer Bosonenwolke zu einem Bosonenstern plausibel erscheint. Bosonensterne können durchaus viel schwerer als massereiche Sterne werden – vielleicht kompakt und massereich genug, um als Alternative zu Schwarzen Löchern infrage zu kommen. Manchmal sprechen die Forscher anstelle von Bosonensternen auch von „Bosonenbällen“. Astronomen sind daran interessiert, das Wesen der kompakten Objekte auf der Grundlage von Beobachtungen zu entschlüsseln. Sie wollen herausfinden, ob es beispielsweise ein Weißer Zwerg, ein Neutronenstern, ein Schwarzes Loch oder ein Bosonenstern ist, was sie da beobachten. Die grundsätzliche Idee ist, physikalische Modelle von Bosonensternen zu entwickeln, daraus Vorhersagen über Masse oder Radius beispielsweise zu machen und diese Prognosen an der astronomischen Beobachtung zu testen. Falls alles passt, wäre die Existenz von Bosonensternen nicht auszuschließen.
5.3 Gibt es klassische Schwarze Löcher?
175
Die Teilchen im Bosonenstern können miteinander wechselwirken oder wechselwirkungsfrei behandelt werden. Daraus resultieren unterschiedliche Eigenschaften der Bosonensterne. Zur Beschreibung dieser Objekte muss somit die Quantentheorie verwendet werden (Quantenstatistik, Theorie der Bosegase). Die Theorie skalarer Felder involviert als Bewegungsgleichung des Feldes die KleinGordon-Gleichung. Koppelt man diese nun an die Einstein’schen Feldgleichungen der ART, so resultiert ein Gleichungssystem mit der Bezeichnung Einstein-Klein-Gordon-Gleichungen, die die Dynamik von Bosonensternen relativistisch und feldtheoretisch beschreibt. Die Stabilität des Bosonenstern gewährleistet in erster Linie ein fundamentales Prinzip der Quantenphysik: die Heisenberg’sche Unschärfe. Im Gegensatz zu Fermionen unterliegen Bosonen nicht dem Pauli-Prinzip. D. h. beliebig viele Bosonen können sich im gleichen Zustand (gleichen Energieniveau) aufhalten. Ist dies der Grundzustand, der bei tiefen Temperaturen erreicht wird, so ist gerade das Bose-Einstein-Kondensat realisiert. Die Heisenberg’sche Unschärferelation besagt auch, dass nicht alle Bosonen innerhalb ihrer so genannten Compton-Wellenlänge lokalisiert sein können. So wird intuitiv klar, dass Heisenbergs Prinzip einen Druck zur Verfügung stellt, der weitere Kompression des Bosonensterns verbietet. Falls Wechselwirkung zwischen den Bosonen im Modell zugelassen wird, so wirkt auch die abstoßende Kraft zwischen ihnen stabilisierend auf den Bosonenstern. Die einfachste Realisierung eines Bosonensterns ist ein massereiches Klein-Gordon-Feld ohne Selbstwechselwirkung. In diesem Fall berechneten die Physiker, dass die Massenskala dieses speziellen Bosonensterns von 0 bis zu einer gewissen Maximalmasse Mmax reicht. Die größtmögliche Masse ergibt sich in diesem Fall gemäß der Gleichung in Abbildung 5.7.
176 5. Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie
Abb. 5.7 Maximalmasse eines Bosonensterns für den Fall nicht wechselwirkender Bosonen. MPl ist die Planck-Masse von etwa 1019 GeV und mbos die Bosonenmasse. Diese Obergrenze heißt auch Kaup-Grenze nach D. J. Kaup, 1968.
Sie hängt nur von der Masse der Bosonen ab: Je schwerer das Boson, desto kleiner die Maximalmasse. Wie am Ausdruck in Einheiten der Sonnenmasse abzulesen ist, ist die Maximalmasse verglichen mit typischen Sternmassen viel zu gering. Nur extrem massearme Bosonen würden hier sternartige Massen liefern, weshalb man hier auch von „Mini-Bosonensternen“ spricht. Lassen wir nun die Selbstwechselwirkung zwischen den Skalarfeldern zu, so wird es für die Astrophysik schon interessanter. In diesem Fall kann der Bosonenstern so schwer werden wie ein Neutronenstern, d. h. stellare Massen erreichen. Das belegen die Gleichungen in Abbildung 5.8.
Abb. 5.8 Maximalmasse eines Bosonensterns für den Fall wechselwirkender Bosonen. Wieder sind MPl die Planck-Masse und mbos die Masse der betrachteten Bosonen. Der Parameter λ ist frei, und je größer er ist, umso stärker ist die Selbstwechselwirkung zwischen den Bosonen. λ kann in Beobachtungen geeicht werden. In der zweiten Zeile steht der Effektivradius des Bosonensterns Reff, der also seine Größe angibt. Interessanterweise hängt dieser Radius nur von der Masse der Bosonen ab. Mit anderen Worten: Ein massearmer Bosonenstern ist genauso groß wie ein massereicher Bosonenstern.
5.3 Gibt es klassische Schwarze Löcher?
177
Offenbar stabilisiert die Selbstwechselwirkung den Bosonenstern. Nun kann er deutlich größere Massen haben. Die Theoretiker fanden sogar rotierende Bosonensterne, bei denen der Drehimpuls quantisiert ist. Diese für die Mikrowelt charakteristische Quantisierung gilt hier für ein makroskopisches Objekt! Im Gegensatz zur Kugelgestalt des statischen Bosonensterns wird der rotierende Bosonenstern zu einem schlauchförmigen Gebilde, einem Torus, verformt. Die Rotation ist differenziell wie bei der Sonne. Die rotierenden Lösungen der Einstein-Klein-Gordon-Gleichungen ähneln sehr den rotierenden Neutronensternen, nur dass die Bosonensterne auf einer skalaren Feldtheorie beruhen, wohingegen die Neutronen im Neutronenstern Fermionen mit Spin ½ sind. Gibt es Bosonensterne im Weltall und falls ja, wo? Könnten Bosonensterne andere kompakte Objekte wie Neutronensterne oder Schwarze Löcher ersetzen? Betrachten wir doch einmal dazu die schwersten beobachteten supermassereichen Schwarzen Löcher. M87, die elliptische Zentralgalaxie im Virgo-Haufen, enthält beispielsweise ein zentrales Schwarzes Loch mit etwa drei Milliarden Sonnenmassen. Setzen wir dies als Maximalmasse eines Bosonensterns mit Selbstwechselwirkung in die Gleichung in Abbildung 5.8 ein, so können wir den Faktor λ1/2(1 GeV/mbos)2 bestimmen und wiederum in die zweite Gleichung für Reff einsetzen. Es folgt Reff ~ 303 AU. Aufgrund der Massenunabhängigkeit von Reff wäre dieser Wert auch der Radius des Bosonensterns, falls sich ein solcher bei Sgr A*, im Zentrum der Milchstraße, befinden würde. Beobachtungen besagen jedoch, dass Sgr A* kleiner als 60 AU sein muss, sodass in diesem Fall ein Bosonenstern – zumindest gemäß diesem einfachen Bosonensternmodell – ausgeschlossen werden muss. Ähnliches gilt für die superschweren, kompakten und dunklen Objekte in den Zentren von AGN, für die eine Ausdehnung von etwa R ~ 7 AU gemessen wurde. Es scheint, als hätten Bosonensterne nicht das Potenzial, um alle vermuteten Schwarzen Löcher (von stellar bis supermassereich) zu
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ersetzen. Es mag allerdings den einen oder anderen Einzelfall geben, wo Bosonensternmodelle gut die Beobachtung erklären. Müssen wir deshalb supermassereiche Schwarze Löcher als kompakte, dunkle Objekte in den Zentren von Galaxien akzeptieren? Fermionenstern – Fermionensterne sind kompakte Objekte, die nur aus Fermionen, also Teilchen mit halbzahligem Spin, bestehen. Gelegentlich sprechen Astrophysiker auch von „Fermionenbällen“. Theoretische Astrophysiker interessieren sich für Fermionensterne, weil sie Alternativen zu normalen Sternen oder schweren kompakten Objekten darstellen. Gravitationsforscher wollen vor allem wissen, ob Fermionensterne als Ersatzmodell anstelle von Schwarzen Löchern infrage kommen könnten. Die astronomischen Beobachter versuchen, Eigenschaften der kompakten Objekte wie Radius oder Masse zu bestimmen. Ein Vergleich mit dem Zoo der kompakten Objekte verrät ihnen dann, ob sie im vorliegenden Fall beispielsweise einen Weißen Zwerg, einen Neutronenstern, ein Schwarzes Loch, einen Bosonenstern oder einen Fermionenstern entdeckt haben. Fermionen unterliegen dem Pauli-Prinzip. Zwei Fermionen können somit nicht denselben Zustand besetzen. Genau dieser Sachverhalt stellt einen nur quantentheoretisch zu verstehenden Druck zur Verfügung – den so genannten Entartungsdruck. Dieser stabilisiert die Neutronensterne bis zu einer gewissen Massenobergrenze – die Neutronen im Innern des Neutronensterns sind ja Fermionen mit Spin 1/2. Im klassischen und einfachsten Neutronensternmodell, in dem tatsächlich nur Neutronen betrachtet werden, die außerdem nicht miteinander wechselwirken, resultiert die so genannte Oppenheimer-Volkoff-Grenze, die bereits 1939 entdeckt wurde. Sie besagt, dass solche im Modell stark vereinfachten Neutronensterne maximal 0,7 Sonnenmassen schwer und knapp 20 Kilometer im Durchmesser sein können (Abbildung 5.9)
5.3 Gibt es klassische Schwarze Löcher?
179
Abb. 5.9 Maximalmasse und Radius eines Fermionensterns nach Oppenheimer und Volkoff (1939) für den Fall nicht wechselwirkender Fermionen. Die Größe g ist der Entartungsfaktor der Fermionen (Neutronen: g = 2) und m die Masse der betrachteten Fermionen (Neutronen: m = 1 GeV).
Kompliziertere Modelle, die in der Folgezeit entwickelt wurden und sicherlich näher an den Neutronensternen in der Natur liegen, erlauben deutlich schwerere Neutronensterne – bis maximal ungefähr drei Sonnenmassen. Der Fermionenstern ist gewissermaßen eine Verallgemeinerung des Oppenheimer-Volkoff-Modells. Damit können andere Fermionen als die Neutronen betrachtet werden, und man kann so untersuchen, ob beispielsweise ein Neutrinostern ein plausibles Sternmodell ist. Betrachten wir doch wieder das supermassereiche Schwarze Loch in M87. Dieses Superloch hat etwa drei Milliarden Sonnenmassen, die wir als Oppenheimer-Volkoff-Grenzmasse MOV in Abbildung 5.9 einsetzen. Für einen fermionischen Entartungsfaktor g = 2 finden wir eine notwendige Fermionenmasse von ca. 15 keV; bei g = 4 reduziert sie sich zu etwa 11 keV. Diese Masse schließt zumindest einen Neutrinostern aus, weil sie mit wenigen eV Masse deutlich leichter sind. Vergleicht man Fermionenbälle und Bosonenbälle, so scheinen mit den derzeit kursierenden Modellen die Fermionenbälle durchaus konkurrenzfähig mit einigen Kandidaten für Schwarze Löcher zu sein, weil sie recht kompakt sein können. Allerdings ist es nicht
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möglich, die komplette Massenskala der kosmischen Schwarzen Löcher von zehn Sonnenmassen bis zehn Milliarden Sonnenmassen konsistent nur durch Fermionensterne zu erklären. Es scheint, als kommt die moderne Astrophysik auch in dieser Hinsicht nicht ohne klassische Schwarze Löcher aus. Wenden wir uns nach der Vorstellung dieser Modelle kompakter Objekte –von Gravastern, Holostern über Bosonenstern zu Fermionenstern – noch einmal dem größten Schwarzen Loch in der Milchstraße zu, das mit der Radioquelle Sgr A* in Verbindung gebracht wird und etwa vier Millionen Sonnenmassen auf die Waage bringt (Kapitel 3.6). Lauert im Herzen der Milchstraße wirklich ein klassisches Schwarzes Loch? Um es vorwegzunehmen: Ein strenger Beweis für ein Schwarzes Loch (bzw. dessen Widerlegung) ist noch nicht erbracht worden. Wer die Existenz eines klassischen Schwarzen Loches beweisen möchte, muss seine Eigenschaften nachweisen, nämlich den Ereignishorizont und die zentrale Singularität. Aber können das die Astronomen überhaupt? Der zeitliche Aspekt eines Ereignishorizonts besteht ja darin, dass er in der Zukunft des Beobachters liegt. (Technisch gesprochen: Mittels Raum-Zeit-Diagrammen lässt sich zeigen, dass Beobachter und Schwarzes Loch niemals auf der gleichen Hyperfläche mit konstanter Zeit liegen können.) Wie will man etwas Zukünftiges in unser Hier und Jetzt bringen? Ähnlich problematisch ist der Nachweis der Singularität: Sie wird vom Ereignishorizont, von absoluter Schwärze, verhüllt und ist damit prinzipiell nicht zu beobachten. Die Astronomen wissen allerdings, dass sich etwas ungeheuer Massereiches, Kompaktes und Dunkles im Zentrum unserer Heimatgalaxie befindet. Nach gegenwärtigem Forschungsstand passt in dieses Bild nur ein supermassereiches Schwarzes Loch. Denn bei alternativen Modellen zum Schwarzen Loch (wie Grava-, Holo-, Bosonen- und Fermionenstern), geraten Wissenschaftler schnell in
5.3 Gibt es klassische Schwarze Löcher?
181
Erklärungsnöte und zu Widersprüchen mit den aktuellen Messungen. Im Folgenden beziehen wir die anderen Hypothesen auf das Zentrum der Milchstraße und beurteilen sie wissenschaftlich. Abwägung der Alternativen: Ein dunkles Cluster von vielen Neutronensternen oder stellaren Schwarzen Löchern hätte eine Lebensdauer von nur wenigen 100.000 Jahren. Dies passt aber nicht zu den viel älteren Sternen der Umgebung. Ebenso stimmen die theoretischen Dichteverteilungen dieser Konfigurationen schlecht mit den gemessenen überein. Denn für einen Sternhaufen ist die Dichte viel zu hoch. Über kurz oder lang würde ein dichter Sternhaufen auf ein Schwarzes Loch zusammenstürzen. Der oben beschriebene Fermionenball kann ausgeschlossen werden, weil die beobachteten Sternenbahnen um Sgr A* nicht mit einem solchen Fermionenball verträglich sind. Schwere Fermionen mit Massen von 10 bis 17 keV führen in Modellrechnungen auf kleinstmögliche Bahnperioden von etwa 37 Jahren, die klar den Infrarotmessungen am Stern S2 widersprechen, der eine Umlaufzeit von 15 Jahren hat. Ein Bosonenball an der Position von Sgr A* kann durch die aktuellen Messungen noch nicht ausgeschlossen werden. Allerdings ist es komplett unverstanden, wie sich ein solcher Bosonenball bilden sollte. Darüber hinaus könnte eine solche Konfiguration nur zeitweise stabil sein und zu einem Schwarzen Loch kollabieren. Es bleibt eine Diskussion der Alternativen zum Schwarzschild-Loch: Gravastern und Holostern. Sie sind fast ebenso dunkel wie Schwarze Löcher und beschreiben eine andere Raumzeit, sogar eine, die ohne Ereignishorizont (beide Lösungen) und ohne Singularität (nur beim Gravastern) auskommt. Die Chancen, jemals ein statisches Schwarzes Loch von einem Gravastern oder Holostern unterscheiden zu können, stehen schlecht: Die Astronomen müssten dem Horizont mit astronomischen Mitteln sehr nahe kommen. Leider ist aber per
182 5. Grenzen von Einsteins Relativitätstheorie
se die Strahlungsemission dort so gering, dass nur wenig Information zum Beobachter gelangt. Im Fall von Sgr A* wurden jedoch Flares im Bereich der Infrarot- und Röntgenstrahlung beobachtet (Kapitel 3.6), deren Interpretation für eine Rotation der Raumzeit sprechen. Aber diese Rotationseigenschaft haben Grava- und Holostern nicht, sodass der aktuelle Favorit ein supermassereiches KerrLoch im Zentrum der Milchstraße ist.
Kapitel 6
Ausblicke 6.1 Schwarze Löcher am Ende des Universums? Schwarze Löcher sind allgegenwärtige Objekte im Kosmos. Unzählige kleine stellare Schwarze Löcher tummeln sich allein in unserer Milchstraße und machen sich als Röntgensterne (Kapitel 3.3) oder Gammastrahlenausbrüche (Kapitel 3.4) bemerkbar. Sehr wahrscheinlich gibt es in den ULXs ebenfalls Schwarze Löcher (Kapitel 3.5). Gigantische, massereiche Schwarze Löcher werden in den Zentren der Hunderten von Milliarden Galaxien im Universum vermutet (Kapitel 3.6). Entweder „schlafen“ diese Schwerkraftmonster in inaktiven Galaxien wie unserer Milchstraße oder sie treten spektakulär als AGN wie die Quasare in Erscheinung. Wie geht es mit all diesen Schwarzen Löchern weiter? Kosmische Schwarze Löcher sind mindestens so schwer wie Sterne. Ihr Zerfall durch Hawking-Strahlung (Kapitel 5.1) dauert Äonen – so leicht werden wir die Schwarzen Löcher nicht los. Offenbar ist es ihr Schicksal, weiter und weiter zu wachsen. In Galaxienzusammenstößen bekommen die zentralen Löcher neues „Futter“. Sie umkreisen sich für einige Zeit und werden in den meisten Fällen zu einem noch größeren Loch verschmelzen. Im Rahmen der Kosmologie wurde entdeckt, dass das Universum vor 13,7 Milliarden Jahren seinen Anfang im Urknall nahm (siehe
184 6. Ausblicke
auch „Expansionsgeschichte des Universums“ von Helmut Hetznecker aus der Reihe „Astrophysik aktuell“). Der Kosmos war zu Beginn mikroskopisch klein und heiß. Seither expandiert das Universum, ja, es dehnt sich sogar beschleunigt aus. Kosmologen messen in unabhängigen Beobachtungen die Zusammensetzung des Universums. Erstaunlicherweise ist die gewöhnliche Materie, wie wir sie kennen, in der Minderheit (ca. 5 %). Viel häufiger gibt es im Kosmos die Dunkle Materie (ca. 23 %) und die Dunkle Energie (ca. 72 %) – das besagen Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung (WMAP5) einvernehmlich mit Beobachtungen spezieller Sternexplosionen (SN Ia) und von Galaxienhaufen. Die Dunkle Energie treibt den Kosmos auseinander und entfernt so die Galaxien und mit ihnen ihre Schwarzen Löcher immer mehr voneinander. Die moderne Astronomie zeichnet ein düsteres Bild vom Schicksal des Universums: Die Sterne werden „sterben“, und die Massereichen unter ihnen werden zu Schwarzen Löchern. Es werden immer weniger neue Sterne entstehen, weil die Expansion den Raum ausdünnt und so Galaxienkollisionen immer seltener werden. Sterne, die nicht zu Schwarzen Löchern werden, zerplatzen in Explosionen, ohne dass etwas bleibt, oder sie fristen ihr Dasein als Weiße Zwerge oder Neutronensterne, die langsam, aber sicher auskühlen und dunkler werden. Die Schwarzen Löcher werden die dominanten Objekte sein, aber ihre Aktivität wird mangels Futter abnehmen. Was in vielen Milliarden Jahren bleibt, ist ein dunkles und kaltes Universum, das das Zeitalter der Menschen längst überdauert hat.
6.2 Schwarze Mini-Löcher in Teilchenbeschleunigern? Es klingt eigentlich wie Science Fiction, aber die Wissenschaftler fragen sich, ob es möglich sein könnte, Schwarze Löcher im Labor auf der Erde herzustellen. Im Unterschied zu den kosmischen
6.2 Schwarze Mini-Löcher in Teilchenbeschleunigern?
185
Schwarzen Löchern, die mindestens so viel wiegen wie Sterne, ist hierbei allerdings von Schwarzen Löchern im „Teilchenformat“ die Rede. Solche spekulativen Mini-Löcher wären winzig klein und sehr wahrscheinlich extrem kurzlebig. Die Grundidee ist, dass ab einer bestimmten kritischen Energiedichte ein sehr dunkles Objekt erzeugt werden muss, weil es aufgrund seiner Kompaktheit und der damit verbundenen hohen Gravitationsrotverschiebung Strahlung verschluckt. Das ist eine unabdingbare Konsequenz aus Albert Einsteins ART (Kapitel 3.2 und 4.6). Es folgt aber auch schon allgemein, sobald Gravitation geometrisch gedeutet wird. Denn Massen bewirken Krümmungen von Raum und Zeit, sodass ein genügend kompaktes Objekt die Fähigkeit haben muss, Licht einzufangen. Ein passendes Labor zur künstlichen Herstellung eines Mini-Lochs wäre ein Teilchenbeschleuniger, in dem energiereiche Teilchen miteinander zusammenstoßen. Schafft man es, dass die Teilchen mit extrem hohen Energien kollidieren, so müsste sich wenigstens kurzzeitig ein Zustand besonders hoher Energiekonzentration am „Unfallort“ einstellen. Ist die Energiedichte (Energie pro Volumen) ausreichend groß, so würde die Raumzeit so stark gekrümmt werden, dass ein Mini-Loch entstünde. Die Theorie fordert nun, dass die energiereichen Teilchen ziemlich direkt zusammenstoßen müssen, damit sie sich nahe genug kommen. Der Versatz zwischen den einlaufenden Teilchenbahnen (der so genannte Stoßparameter) muss in der Größenordnung des Schwarzschild-Radius des Mini-Loches sein. Das ist eine furchtbar kleine Länge. Die entscheidende Frage ist nun, ab welchen Energien ein Übergang zu einem Mini-Loch geschehen könnte. Hier kommt eine fundamentale Skala der Physik ins Spiel: die Planck-Skala. Bereits Max Planck (1858–1947), einer der Gründerväter der Quantentheorie, konnte ableiten, dass bei einer kritischen Masse, der so genannten PlanckMasse, weder Quantentheorie noch Relativitätstheorie eine korrekte
186 6. Ausblicke
Beschreibung liefern. Eine neue quantisierte Gravitationstheorie sei dann zur Beschreibung der Physik notwendig. Die Planck-Masse kann man ableiten, indem man die charakteristischen Längenskalen der Theorien, Gravitationsradius bei der ART und ComptonWellenlänge bei der Quantentheorie, gleichsetzt. Dann ergibt sich der exorbitant große Wert von 1,2 × 1019 GeV. Diese Energien sind auf absehbare Zeit von keinem Teilchenbeschleuniger zu erreichen. Ist das das Aus für die Mini-Löcher? Nein, denn es ist denkbar, die klassische Planck-Skala herabzusetzen. Das funktioniert mit räumlichen Zusatzdimensionen. Uns sind drei Raumdimensionen – Länge, Breite und Höhe – vertraut. Eine Theorie wie die Stringtheorie erfordert weitere Raumdimensionen (Kapitel 5.2). Bislang gibt es diese Extradimensionen nur in der Theorie, und sie konnten nicht experimentell bestätigt werden. Die Idee ist, dass sie sich nur bei sehr kleinen Längenskalen auswirken. Die Forscher nennen das kompaktifizierte Extradimensionen. Die Kompaktifizierung muss man sich so vorstellen, dass die Extradimensionen „aufgerollt“ sind. Gemäß einem Szenario breitet sich die Gravitation in allen Dimensionen aus, wohingegen die anderen Naturkräfte – elektromagnetische, schwache und starke Kraft – und mit ihnen die Teilchen des Standardmodells der Teilchenphysik auf einen Raum niedrigerer Dimension (3-Bran) beschränkt seien. Wie man sich das vorstellen kann, illustriert Abbildung 6.1. Nehmen wir einmal insgesamt zehn Raumdimensionen (also sieben Raumdimensionen mehr) an, so liegt die neue Planck-Masse bei nur 1 TeV, also einer Billion Elektronenvolt! Das ist gerade die Energieskala der elektroschwachen Theorie: In diesem Energiemilieu vereinigt sich die elektromagnetische mit der schwachen Kraft. Diese verhältnismäßig niedrigen Skalen eröffnen die aufregende Möglichkeit, mit Teilchenbeschleunigern der neusten Generation in dieses Regime zu gelangen. Solche Tests erlauben es, die Extradimensionen zu zählen.
6.2 Schwarze Mini-Löcher in Teilchenbeschleunigern?
187
Abb. 6.1 Anschauliche Darstellung der Branenwelt. Alle Teilchen und Kräfte des Standardmodells der Teilchenphysik („SM-Felder“) „leben“ auf der 3-Bran, dem uns vertrauten, dreidimensionalen Raum. Die Gravitation bzw. ihre Botenteilchen – die Gravitonen – kann jedoch auch in den Extradimensionen wirken. Sie lebt im sog. „Bulk“.
Die reduzierte Planck-Skala hat eine wichtige Konsequenz: Bereits bei 1 TeV sollten Effekte der Quantengravitation auftreten! Zum Beispiel könnte die Emission von Gravitonen in Teilchenkollisionen angeregt werden. Weil diese, wie gesagt, nicht nur auf die 3Bran beschränkt sind, könnte der erstaunliche Effekt eintreten, dass Gravitonen Energie in die Extradimensionen befördern und der Teilchenphysiker („der auf der 3-Bran sitzt“) einen verletzten Energiesatz misst. Nehmen wir nun an, es gäbe wirklich diese Extradimensionen und damit die reduzierte Planck-Skala. Dann müssen wir folgern, dass sich Schwarze Mini-Löcher bilden, sobald die Schwerpunktsenergien im Kollisionsexperiment in den Bereich der reduzierten Planck-Masse kommen.
188 6. Ausblicke
Schwarze Löcher auf der Erde? Das klingt gefährlich! Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Mini-Löcher mit ihrer Masse im TeVBereich um viele Größenordnungen leichter sind als die kosmischen Schwarzen Löcher. Mini-Löcher sind immer noch „etwas Teilchenartiges“, denn sie gehen aus Teilchenstrahlen hervor und haben somit selbst nur „Teilchenformat“. Sind Schwarze Mini-Löcher nicht trotzdem sehr gefährlich? Verschlingen sie vielleicht alles, was ihnen zu nahe kommt, sogar den ganzen Teilchenbeschleuniger und schließlich die ganze Erde? Dieses Thema beherrschte im Jahr 2008 die Medien, weil sich einige Menschen Sorgen machten, als im Sommer ein neuer Teilchenbeschleuniger am CERN bei Genf angeschaltet wurde, nämlich der Large Hadron Collider (LHC). Um die Gefährlichkeit von Mini-Löchern beurteilen zu können, müssen wir uns über zwei Dinge Gedanken machen: Was stellen Mini-Löcher mit ihrer Umgebung an? Wie groß ist die Lebensdauer von Mini-Löchern? Bei diesen Fragen kommt wieder die Entdeckung von Stephen Hawking ins Spiel, dass Schwarze Löcher zerstrahlen können (Kapitel 5.1). Wir erinnern uns: Die Aussendung von Hawking-Strahlung führt zum Zerfall eines Schwarzen Loches. Und das geschieht umso schneller, je leichter die Löcher sind. Mini-Löcher sind unfassbar massearm. Teilchenphysiker berechneten eine Lebensdauer von nur etwa 10−24 Sekunden für ein Mini-Loch von 3 TeV Masse. Diese Lebensdauer ist so kurz, dass die Mini-Löcher keine Gelegenheit haben, in erheblichem Maße Materie aus ihrer Umgebung aufzusammeln. MiniLöcher können kaum etwas verschlingen, ehe sie verschwinden. Zur Frage, wie Mini-Löcher mit ihrer Umgebung wechselwirken, kommt die Akkretionsphysik ins Spiel (Kapitel 3.2). Wir verwenden die Eddington-Akkretionsrate (Abbildung 3.6 und 3.7) und schließen, dass bei einer typischen Akkretionseffizienz von 10 %
6.2 Schwarze Mini-Löcher in Teilchenbeschleunigern?
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ein Mini-Loch der Masse 1 TeV gerade einmal 10−36 Gramm pro Sekunde aus der Umgebung aufsammeln könnte. Nehmen wir weiterhin an, dass das Mini-Loch konstant mit dieser Akkretionsrate akkretiert, so hätte es erst nach einigen Trillionen Jahren eine Masse aufgesammelt, die einem einzigen Elektron entspräche! So viel Zeit hat das Mini-Loch aber nicht, weil es ständig durch die Emission von Hawking-Strahlung Energie und Masse verliert. Anders gesagt: Bei einer Lebensdauer von wenigen Sekundenbruchteilen vermag ein Mini-Loch im Teilchenformat kaum etwas aufzusammeln. Es gibt noch ein anderes, davon unabhängiges Argument gegen die Gefährdung der Menschheit. Nicht nur die Menschen stellen energiereiche Strahlung in Teilchenbeschleunigern her; die Natur macht es selbst, und zwar in Form von kosmischer Strahlung. Die dabei erreichten Energien kennen die Hochenergiephysiker aus Beobachtungen mit Luftschauer-Detektoren. Mit unglaublichen 107 bis 1020 eV Teilchenenergie prasseln die kosmischen Teilchen auf die Erdatmosphäre nieder. Das sind viele Größenordnungen mehr, als die Menschheit wohl jemals künstlich erzeugen können wird. Bei der Wechselwirkung der kosmischen Strahlung mit der Erde kommt es zu heftigen Kollisionen zwischen den Teilchen – und wer weiß: Vielleicht entstand dabei schon so manches Mini-Loch über unseren Köpfen. Einige Forscher spekulieren darüber. In jedem Falle muss vom sicherheitstechnischen Standpunkt festgehalten werden, dass diese Mini-Löcher – sollten sie wirklich entstanden sein – die Menschheit offensichtlich nicht gefährdeten. Die Hochenergiephysiker haben außerdem ausgerechnet, dass erst ab einer gigantischen Energiedichte von 1010 GeV/fm3 (1 fm = 10−15 Meter) ein Schwarzes Loch durch Verschlucken von Teilchen aus der Umgebung wachsen kann. Diese Energiedomäne liegt jedoch weit in der Zukunft der Beschleunigerphysik. Sollte die reduzierte Planck-Masse noch höher liegen als bei 1 TeV, so wird die kritische Energiedichte für Akkretion noch höher.
190 6. Ausblicke
Die Physiker Giddings und Thomas stellten folgendes Szenario für den Ablauf des Zerstrahlens eines (möglicherweise rotierenden) Schwarzen Mini-Loches zusammen: Phase 1: „Haarausfall“, d. h. Verlust von Multipolmomenten durch Emission klassischer Gravitationswellen (bzw. Gravitonen) oder anderer Austauschteilchen. Phase 2: Verdampfung durch Emission von Hawking-Strahlung, begleitet von einem Verlust des Drehimpulses. In der sog. Schwarzschild-Phase tragen ausgesandte Teilchen die Signaturen der Entropie und Temperatur des Schwarzen Loches. Phase 3: Ende des Schwarzen Loches in der Planck-Phase und Emission einiger Teilchen mit charakteristischen Energien für die jeweilige reduzierte Planck-Skala (abhängig von der Zahl der Extradimensionen). Sollte sich dieses Szenario als richtig erweisen, würde dies das Ende der Physik kurzer Distanzen bedeuten, weil sämtliche mikroskopische Effekte hinter dem Ereignishorizont eines Mini-Loches verborgen wären. Möglicherweise wäre dies auch das natürliche Ende der Beschleunigerphysik, weil die Messbarkeit der Teilchenspezies aus diesen Gründen stark beeinträchtigt wäre. Viele Emissionsprodukte in der Hawking-Strahlung und Folgereaktionen sind Teilchen des Standardmodells und sollten klassisch beobachtbar sein, aber auch Gravitonen können emittiert werden, die in Extradimensionen entkommen können. Erinnern wir uns an eine wesentliche Voraussetzung für die MiniLöcher: Es muss Extradimensionen geben, damit die Planck-Skala in den TeV-Bereich gedrückt werden kann. Wie viele Dimensionen es gibt, ist unbekannt, ebenso die typische Längenskala, ab der die Extradimensionen relevant werden (Kompaktifizierungsradius).
6.2 Schwarze Mini-Löcher in Teilchenbeschleunigern?
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Daher führten die Physiker einen Parameter d ein, der zusätzliche Dimensionen (die Extradimensionen), neben den bekannten vier der klassischen ART, zählt. Sie diskutieren aktuell d = 2; 4 und 7. Die kommenden Generationen moderner Teilchenbeschleuniger werden erweisen, wo die Planck-Skala anzusiedeln ist und sowohl die Zahl als auch den Kompaktifizierungsradius der Extradimensionen beschränken. Aufregend ist in der Tat, dass wir uns mit den modernsten Beschleunigern bereits an der Schwelle einer reduzierten Planck-Skala befinden, um Extradimensionen und Schwarze Löcher im Labor zu testen. Natürlich ist es im Bereich des Möglichen, dass diese Tests in ein „Negativ-Resultat“ münden, d. h., dass Extradimensionen widerlegt werden. Ein derartiges Resultat gibt Theorien Aufwind, die ohne Extradimensionen auskommen. Das wären z. B. die klassische ART, aber auch moderne Ansätze wie die Loop-Quantengravitation (Kapitel 5.2). Es bleibt in der Diskussion um die Schwarzen Mini-Löcher im Labor eine letzte Unsicherheit: Wer sagt, dass Hawking Recht hat? Hawking-Strahlung wurde bisher nicht experimentell nachgewiesen. Wenn es sie tatsächlich nicht geben sollte, so zerstrahlten MiniLöcher nicht kurz nach ihrer Erzeugung und könnten grenzenlos wachsen! Diesem Schreckensszenario muss man entgegenhalten, dass Hawkings theoretische Abhandlung sehr allgemein ist und auf sehr klaren, physikalischen Annahmen beruht. Es wäre sehr verwunderlich, wenn die gemachten Aussagen über Horizonte keine Gültigkeit hätten. Hawking-Strahlung bei klassischen Schwarzen Löchern sollte es tatsächlich geben. Die Hawking-Strahlung ist vielleicht sogar von der Existenz eines Ereignishorizonts unabhängig – das deuten moderne Hypothesen an. Den letzten Skeptiker in Bezug auf diese Experimente wird beruhigen, dass die Teilchenphysiker an Beschleunigeranlagen sehr gründlich über diese Sicherheitsfragen nachdenken und die Risiken sowie
192 6. Ausblicke
die Betriebssicherheit abwägen. Anerkannte Experten aus verschiedenen Fachrichtungen prüfen sämtliche Eventualitäten, auch die Desasterszenarien. Es gibt ja nicht nur die potenzielle Gefährdung durch künstliche Schwarze Löcher. Daneben muss auch die Gefährdung durch andere Szenarien geprüft werden, z. B. die Bildung von so genannten Vakuuminstabilitäten und Strangelets. All diese Gefahren wurden in Sicherheitsberichten erörtert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die wissenschaftliche Gemeinschaft schließt eine Gefährdung der Menscheit aus. Physik am Rande des Denkbaren birgt immer eine gewisse Unsicherheit und auf experimenteller Seite auch ein gewisses Gefahrenpotenzial. Letztendlich bildet die physikalische Grundlagenforschung keine Ausnahme unter allen Lebensbereichen, wenn man beispielsweise das Gefahrenpotenzial der modernen Medizin (z. B. Gentechnik), der Weltpolitik (z. B. Krisenherde) oder der Umwelt- und Energiepolitik (z. B. Klimawandel) betrachtet. Es gilt immer das bekannte Prinzip, dass die Risiken mit den Chancen abgewogen werden müssen. Dafür setzen sich Experten weltweit ein und suchen die Diskussion mit der Öffentlichkeit. Die Chancen der modernen Beschleunigerphysik liegen im Verständnis des Kleinsten, der Elementarteilchen, und im Verständnis des Größten, des Universums. Teilchenbeschleuniger der nächsten Generation rücken viele spannende Konzepte der modernen Physik in die Reichweite der Überprüfbarkeit:
die Branenwelt bzw. die Stringtheorien,
die Existenz von Extradimensionen,
die Quantisierung der Raumzeit in Loops,
Laborphysik mit Schwarzen Löchern,
ein endgültiger Nachweis des Ereignishorizonts und
6.3 Die Top 10 der spannendsten Fragen um Schwarze Löcher
193
die Messung von Hawking-Strahlung, was mit astronomischen Methoden ob ihrer schwachen Intensität nicht möglich ist.
Mit den modernen Teilchenbeschleunigern steht uns eine aufregende Zukunft mit faszinierenden, neuen Entdeckungen bevor. Die Teilchenphysik und die Astronomie werden die Welt weiterhin mit spektakulären Meldungen beeindrucken.
6.3 Die Top 10 der spannendsten Fragen um Schwarze Löcher 1. Existieren klassische Schwarze Löcher? 2. Gibt es Krümmungssingularitäten in der Natur? 3. Wie weist man den Ereignishorizont experimentell nach? 4. Gibt es Schwarze Mini-Löcher im Teilchenformat? 5. Welche Quantengravitationstheorie beschreibt die Natur? 6. Zerfallen Schwarze Löcher durch Hawking-Strahlung? 7. Wie entstanden die supermassereichen Schwarzen Löcher? 8. Wann gelingt das erste Foto eines Schwarzen Loches? 9. Erzeugen Schwarze Löcher die enorme Leuchtkraft der ULXs? 10. Wie treiben Schwarze Löcher relativistische Jets an?
Glossar
ADAF Ein Advektionsdominierter Akkretionsfluss (engl. advection-dominated accretion flow, ADAF) ist ein spezieller ´Akkretionsfluss, der durch Strahlung nicht effizient gekühlt werden kann und dadurch aufgebläht und verdünnt wird. AGN Ein aktiver Galaxienkern (engl. active galactic nuclei, AGN) ist die extrem helle Zentralregion einer Galaxie, deren Leuchtkraft durch die ´Akkretion auf ein Schwarzes Loch angetrieben wird. Es gibt verschiedene AGN-Typen, wie Quasare, Blazare, Radio- und Seyfertgalaxien sowie BL-Lac-Objekte. Akkretion Der Vorgang des Aufsammelns von Materie und Strahlung durch ein Objekt infolge seiner ´Gravitation. Allgemeine Relativitätstheorie Die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) ist ein Theorie der ´Gravitation, die Albert Einstein 1916 veröffentlichte. Sie löste die Newton’sche Theorie der Schwerkraft ab und revolutionierte unsere Vorstellung von Raum, Zeit, Materie und Energie. Schwarze Löcher sind Lösungen der Feldgleichungen der ART. Astronomische Einheit Der mittlere Abstand der Erde von der ´Sonne. Eine Astronomische Einheit (engl. astronomical unit, AU) beträgt etwa 150 Millionen Kilometer. Siehe auch ´Lichtjahr und ´Parsec.
Glossar
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Beaming Ein Effekt der Speziellen Relativitätstheorie, bei dem die Strahlung einer schnell bewegten Lichtquelle in Bewegungsrichtung verstärkt und blauverschoben wird. Bogensekunde Der 3600ste Teil eines Winkelgrads. In der Einheit Bogensekunde lassen sich die Ausdehnungen von Himmelsobjekten angeben. Bran Ein Kunstwort, das sich von Membran ableitet und das in den ´Stringtheorien ein Gebilde bezeichnet, das aus drei Raumdimensionen und einer Zeitdimension aufgespannt wird. Die Brane „leben“ in dem ´Bulk, der mehr als drei Raumdimensionen aufweist. Bulk Der Bulk (gesprochen „balk“) ist ein Gebilde, das aus mehr als drei Raumdimensionen aufgespannt wird. Es ist der höherdimensionale Raum der ´Stringtheorien. Cauchy-Horizont Neben dem ´Ereignishorizont können einige spezielle Schwarze Löcher wie die ´Kerr-Metrik einen weiteren, inneren Horizont aufweisen. Dieser Cauchy-Horizont kann nur genau einmal gekreuzt werden. Comptonisierung Dies bezeichnet den Effekt der inversen Compton-Streuung, bei der Lichtteilchen durch die Streuung an energiereichen Elektronen mehr Strahlungsenergie erhalten. Elektronenvolt Eine Energieeinheit der Mikro-Welt, abgekürzt eV, nämlich diejenige Energie, die ein Elektron beim Durchlaufen einer Spannungsdifferenz von 1 Volt erhält. Das sind 1,602 × 10–19 Joule = 1 eV. Gebräuchliche Vielfache davon sind ein Kiloelektronenvolt 1 keV = 1000 eV, ein Megaelektronenvolt 1 MeV = 1.000.000 eV, ein Gigaelektronenvolt 1 GeV = 1.000.000.000 eV und ein Teraelektronenvolt 1 TeV = 1012 eV. Ereignishorizont Der Ereignishorizont ist gewissermaßen der Rand eines Schwarzen Loches und markiert Punkte ohne Wiederkehr. Ab dem Ereignishorizont erscheint das Loch absolut schwarz,
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und alle ´Geodäten zeigen auf die zentrale ´Singularität. Siehe auch ´Cauchy-Horizont. erg Eine Energieeinheit, die theoretische Physiker und Astronomen bevorzugen. Sie basiert auf dem cgs-System (c: Zentimeter, g: Gramm, s: Sekunde). Es gilt: 1 g cm2 s–2 = 1 erg = 10–7 J. Ergosphäre Eine spezielle Zone in der Umgebung rotierender Schwarzer Löcher (´Kerr-Metrik), in der Materie und Licht der schnellen Rotation der ´Raumzeit folgen müssen. Siehe auch ´Frame-Dragging. Extinktion Staub.
Die Abschwächung von Strahlung durch kalten
Extradimensionen Bezeichnung für zusätzliche Raumdimensionen neben den bekannten dreien Länge, Breite und Höhe. Frame-Dragging Ein Effekt bei rotierenden Schwarzen Löchern, die in der ´Allgemeinen Relativitätstheorie durch die ´Kerr-Metrik beschrieben werden. Der Zug der rotierenden ´Raumzeit zieht die Bahnen von Teilchen und auch Lichtstrahlen mit sich und wickelt sie um die Rotationsachse des Loches. Geodäte Die kräftefreien Bahnen von Licht und Materieteilchen in der ´Allgemeinen Relativitätstheorie. Die Geodäten von Teilchen mit Masse heißen zeitartige Geodäten; diejenigen von Licht heißen Nullgeodäten. Gravastern Ein Gravastern ist ein dunkles, kompaktes Objekt, das eine Alternative zum Schwarzen Loch darstellen könnte. Er stimmt außen mit der ´Schwarzschild-Metrik überein, enthält innen jedoch eine Blase Dunkler Energie (de-Sitter-Metrik) und keine ´Singularität. Gravitation Eine der fundamentalen vier Naturkräfte (neben elektromagnetischer, starker und schwacher Kraft), die sich gut mit Newtons Gravitationsgesetz bzw. mit der ´Allgemeinen Relativitätstheorie beschreiben lässt.
Glossar
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Gravitationsradius Eine fundamentale Längeneinheit in der ´Allgemeinen Relativitätstheorie, die definiert ist gemäß 1 rg = 1 GM/c2, wobei G die Newton’sche Gravitationskonstante, M die Masse und c die Vakuumlichtgeschwindigkeit sind. Gravitationswelle Eine transversale Wellenform in der ´Allgemeinen Relativitätstheorie, bei der sich Krümmungen der ´Raumzeit mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Gravitationsrotverschiebung Der Effekt bezeichnet die Verschiebung von Strahlung zum roten Spektralbereich hin infolge des Energieverlusts in Gravitationsfeldern. Graviton Das hypothetische Austauschteilchen in einer Quantenfeldtheorie der ´Gravitation. GRB Ein Gammastrahlenausbruch (engl. gamma-ray burst, GRB) gehört zu den mächtigsten Explosionen im Kosmos, bei der ein massereicher Stern kollabiert bzw. kompakte Sterne verschmelzen. In diesem Prozess entstehen Schwarze Löcher, und energiereiche Gammastrahlung wird frei. Hawking-Strahlung Eine hypothetische Strahlungsform aus der unmittelbaren Umgebung Schwarzer Löcher, die Stephen Hawking in den 1970er-Jahren abgeleitet hat, indem er Quantenfelder in der Umgebung klassischer Schwarzer Löcher der ´Allgemeinen Relativitätstheorie betrachtet hat. Holostern Ein Holostern ist ein dunkles, kompaktes Objekt, das eine Alternative zum Schwarzen Loch darstellen könnte. Er stimmt außen mit der ´Schwarzschild-Metrik überein, enthält innen jedoch eine andere Materieform (eventuell Strings). Hypernova Eine heftige Sternexplosion, die um den Faktor 100 bis 1000 mehr Energie freisetzt als normale ´Supernovae (Typ II). Bei einer Hypernova kollabiert ein massereicher Stern, und ein ´GRB entsteht.
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IMBH Die griffige Abkürzung bezeichnet mittelschwere Schwarze Löcher (engl. intermediate-mass black holes, IMBHs) mit Massen zwischen 100 und einer Million Sonnenmassen. Jet Ein Jet ist ein Materiestrahl. Die Jets von ´AGN und ´GRBs werden von Schwarzen Löchern bei der ´Akkretion unter besonderen Bedingungen erzeugt und werden fast so schnell wie das Licht. Kerr-Metrik Eine Lösung der Feldgleichungen der ´Allgemeinen Relativitätstheorie, die 1963 von dem Neuseeländer Roy Patrick Kerr veröffentlicht wurde und die die ´Raumzeit rotierender, elektrisch neutraler Schwarzer Löcher mathematisch beschreibt. Siehe auch ´Schwarzschild-Metrik. Kompaktifizierung Ein Phänomen, das räumliche ´Extradimensionen in sich „zusammengerollt“ werden und somit nur bei sehr kleinen Abständen in Erscheinung treten. Lichtjahr Eine Längeneinheit in der Astronomie, nämlich diejenige Strecke, die Licht in einem Jahr zurücklegt. Das sind 9,46 Billionen Kilometer. Siehe auch ´Astronomische Einheit und ´Parsec. Loop-Quantengravitation Eine Theorie der Gravitation, die wie die ´Stringtheorien der Quantennatur der Schwerkraft Rechnung trägt. In der Loop-Quantengravitation sind ´Raumzeit und Zeit in diskrete Einheiten quantisiert. Neutronenstern Das kompakte Endprodukt einer Sternexplosion (siehe ´Supernova) mit einem Radius von etwa 20 Kilometern und einer Masse bis maximal drei Sonnenmassen. Die Materie wurde beim Verdichten im Sternkollaps neutronisiert, weil „Elektronen in die Protonen gequetscht wurden“ (inverser Betazerfall). Parsec Eine Längeneinheit in der Astronomie, nämlich derjenige Abstand, von dem aus die mittlere Entfernung von der Erde zur ´Sonne unter einer ´Bogensekunde erscheint. Das sind gerade 30,9 Billionen Kilometer. Siehe auch ´Astronomische Einheit und ´Lichtjahr.
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Planck-Skala Eine fundamentale Skala der Physik, die den Gültigkeitsbereich von Relativitätstheorie und Quantentheorie absteckt und bei der Quanteneffekte für die ´Gravitation wesentlich werden. Die charakteristischen Planck-Größen sind die Planck-Länge von 1,6 × 10–35 Metern, die Planck-Zeit von 5,4 × 10–44 Sekunden und die Planck-Energie (bzw. Planck-Masse) von 1,2 × 1019 GeV (siehe ´Elektronenvolt). Quantengravitation Eine Theorie, die die Quantennatur der ´Gravitation berücksichtigt. Es gibt zwei wesentliche Varianten von solchen Theorien: die ´Stringtheorien und die ´Loop-Quantengravitation. Quasi-periodische Oszillationen Das sind beobachtete beinahe periodische Schwankungen in der zeitlichen Entwicklung von Helligkeiten in ´Akkretionsflüssen. Raumzeit In der ´Allgemeinen Relativitätstheorie bildet der dreidimensionale Raum zusammen mit der Zeit ein vierdimensionales Kontinuum. Die ´Gravitation ist nichts anderes als eine gekrümmte Raumzeit. Ray Tracing Mittels Ray Tracing lassen sich die Nullgeodäten (siehe ´Geodäten) numerisch berechnen, um mithilfe eines Computers Bilder von Objekten zu berechnen. Röntgen-K-Linien Eine spezielle Form von Spektrallinien, die durch Fluoreszenz entstehen und im Bereich der Röntgenstrahlung beobachtet werden können. Schwarzschild-Metrik Eine Lösung der Feldgleichungen der ´Allgemeinen Relativitätstheorie, die 1916 von dem Deutschen Karl Schwarzschild veröffentlicht wurde und die die ´Raumzeit nicht rotierender, elektrisch neutraler Schwarzer Löcher mathematisch beschreibt. Siehe auch ´Kerr-Metrik. Schwarzschild-Radius Eine speziell definierte Länge, die gerade den ´Ereignishorizont eines nicht rotierenden Schwarzen Loches
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markiert, das durch die ´Schwarzschild-Metrik beschrieben wird. Ein Schwarzschild-Radius entspricht zwei ´Gravitationsradien, also 1 RS = 2 rg = 2 GM/c2. Ist M die Sonnenmasse, so resultiert ein Schwarzschild-Radius von drei Kilometern. Singularität Die Singularität sitzt im Zentrum eines Schwarzen Loches. In der Singularität wird die Krümmung der ´Raumzeit unendlich, und dort steckt auch die Masse des Schwarzen Loches. Nach den Singularitätentheoremen von R. Penrose und S. Hawking müssen Singularitäten existieren. Sonne Unser Heimatgestirn ist von der Erde im Mittel eine ´Astronomische Einheit entfernt. Die Sonne hat eine Masse von 1,99 × 1030 Kilogramm, einen Radius von 696.000 Metern, eine Oberflächentemperatur von 6000 Grad und eine Zentraltemperatur von 15 Millionen Grad. Die Sonne erzeugt Licht durch die Verschmelzung von Atomkernen im Innern (thermonukleare Fusion). Standardscheibe Die Standardscheibe (manchmal auch ShakuraSunyaev Disk, SSD) ist ein scheibenförmiger, rotierender ´Akkretionsfluss. Sie wird durch die Abgabe von Strahlung effizient gekühlt und ist dadurch flach. Stringtheorie Eine Theorie der Gravitation, die wie die ´LoopQuantengravitation der Quantennatur der Schwerkraft Rechnung trägt. In den Stringtheorien werden allerdings alle vier Naturkräfte vereinheitlicht durch schwingfähige Gebilde, Strings und ´Brane beschrieben. Supernova Eine Sternexplosion, bei der verschiedene Typen unterschieden werden (Typ I und II). Noch heftiger als Supernovae sind ´Hypernovae. Eine Supernova hinterlässt einen ´Neutronenstern, ein Schwarzes Loch oder gar nichts. Teilchenbeschleuniger Eine Experimentieranlage der Teilchenphysiker, in der Elementarteilchen oder zusammengesetzte Teilchen (z. B. Atomkerne) mit elektrischen und magnetischen Feldern beschleunigt werden. Ziel ist es, durch Teilchenkollisionen neue
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Materiezustände zu erzeugen und zu untersuchen. Es gibt geradlinige und ringförmige Teilchenbeschleuniger, z. B. das Tevatron in den USA oder der Large Hadron Collider (LHC) am CERN. Tensor Tensoren sind die mathematischen Objekte in der ´Allgemeinen Relativitätstheorie, die mit physikalischen (z. B. EnergieImpuls-Tensor) oder geometrischen Größen (z. B. Riemann’scher Krümmungstensor) in Zusammenhang stehen. Die Feldgleichung der ART ist eine komplizierte Tensorgleichung, für die keine vollständige Lösung angegeben werden kann. ULIRG Ein ULIRG (engl. ultra-luminous infrared galaxy) ist eine sehr leuchtkräftige Infrarotgalaxie, die zu den ´AGN gehört. ULX Ein ULX (engl. ultra-luminous X-ray source) ist eine extrem leuchtkräftige Röntgenquelle, deren Leuchtkraft mit einem Schwarzen Loch erklärt wird, das entweder stellar oder mittelschwer (´IMBH) ist. Weißer Zwerg Das kompakte Endprodukt nach der Phase eines Roten Riesensterns. Der Riese stößt seine Sternhüllen ab, die einen Planetarischen Nebel bilden, in dessen Zentrum der Sternkern als Weißer Zwerg übrig bleibt, bei dem keine thermonukleare Fusion mehr abläuft. Weiße Zwerge haben etwa den Radius der Erde, etwa eine Sonnenmasse und sehr heiße Oberflächen mit mehreren 10.000 Grad. Unsere ´Sonne wird als Weißer Zwerg enden. Zeitdilatation Ein Effekt der Speziellen und ´Allgemeinen Relativitätstheorie, bei dem das Zeitmaß gedehnt wird. Die Zeit ist eine relative Größe.
Bildnachweis
Abbildung 1.1: Albert Einstein 1921 bei einer Vorlesung in Wien; Credit; Ferdinand Schmutzer Abbildung 1.2: Karl Schwarzschild (1873–1916); Credit: Astrophysikalisches Institut Potsdam Abbildung 2.1: Gekrümmte Raumzeit; Credit: Andreas Müller Abbildung 2.2: Klassischer Horizont; Credit: Andreas Müller Abbildung 2.3: Gravitationstrichter; Credit: Andreas Müller Abbildung 2.4: Krümmung eines Schwarzen Loches; Credit: Andreas Müller Abbildung 2.5: Struktur des Kerr-Loches; Credit: Andreas Müller Abbildung 2.6: Gleichung der Horizonte der Kerr-Metrik; Credit: Andreas Müller Abbildung 2.7: Potentialkurven; Credit: Andreas Müller Abbildung 2.8: Charakteristische Loch-Radien; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.1: Hydrostatisches Gleichgewicht eines Sterns; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.2: Endzustände von Sternen; Credit: Andreas Müller
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Abbildung 3.3: Eta Carinae, optisches und Röntgenfoto; Credit: NASA/CXC/GSFC/Corcoran et al. und NASA/STScI, 2007 Abbildung 3.4: Gravitationstrichter; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.5: Vereinheitlichte Akkretion; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.6: Gleichung zur Eddington-Leuchtkraft; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.7: Gleichung zur Eddington-Akkretionsrate; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.8: Potentialverlauf im Doppelsternsystem; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.9: Lagrange-Punkte im Doppelsternsystem; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.10: GRB-Feuerballmodell; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.11: Wagenrad-Galaxie, optisches, UV- und Röntgenfoto; Credit: NASA/JPL/CXC, Appleton et al.; Wolter & Trinchieri et al. 2006 Abbildung 3.12: Infrarotfoto der Milchstraße; Credit: 2MASS, University of Massachusetts und JPL/NASA Abbildung 3.13: Kosmischer Infrarothintergrund; Credit: COBE/ DIRBE/NASA, M. Hauser 1998 Abbildung 3.14: Radiofoto vom Zentralbereich der Milchstraße; Credit: Roberts et al., NRAO/AUI/VLA 1993 Abbildung 3.15: Scheinbare Größe; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.16: Bahnen der S-Sterne um das galaktische Zentrum; Credit: Stefan Gillessen et al., astro-ph/0810.4674, erscheint in ApJ 2009; MPI für extraterrestrische Physik, Gruppe R. Genzel Abbildung 3.17: 3. Kepler-Gesetz; Credit: Andreas Müller
204 Bildnachweis
Abbildung 3.18: Röntgenfoto des innersten Bereichs der Milchstraße; Credit: NASA/CXC/MIT Baganoff et al. 2003 Abbildung 3.19: Gemessene M-Sigma-Relation; Credit: Scott Tremaine et al., ApJ 574, 740, 2002; Mit freundlicher Genehmigung der American Astronomical Society Abbildung 3.20: Optische Fotos von zwei Quasaren: Credit: NASA/ESA/ESO, Courbin & Magain 2005 Abbildung 3.21: Röntgenfoto des ULIRGs NGC 6240; Credit: NASA/CXC/MPE, Komossa et al. 2002 Abbildung 3.22: Schema des AGN-Standardmodells; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.23: Schema Akkretion und Jeterzeugung; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.24: Typisches Spektrum eines AGN vom Typ1; Credit: Andreas Müller Abbildung 3.25: Optisches Foto der Galaxie M87; Credit: NASA and The Hubble Heritage Team, STScI/AURA 2000 Abbildung 4.1: Prinzip der Ray-Tracing-Methode; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.2: Lichtstrahlen im Gravitationstrichter; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.3: Verteilung des Doppler-Faktors einer Akkretionsscheibe um ein Schwarzes Loch; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.4: Verteilung der Helligkeit einer Akkretionsscheibe um ein Schwarzes Loch; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.5: Gemessene Relation zwischen Geschwindigkeitsdispersion von Sternen und der Zentralmasse M in einer Galaxie; Credit: Scott Tremaine et al., ApJ 574, 740, 2002;
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Mit freundlicher Genehmigung der American Astronomical Society Abbildung 4.6: Gleichung der Lochmasse aus Reverberation Mapping; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.7: Fluoreszenz und Auger-Effekt im Eisenatom; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.8: Eisenlinie im Ruhe- und Laborsystem; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.9: Deformation einer Kugel durch Gezeitenkräften; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.10: Phasen des Gezeitenzerriss eines Sterns; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.11: Berechnung des Gezeitenradius; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.12: Gezeitenradius und Schwarzschild-Radius im Vergleich; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.13: Galerie der schwarzen Flecken; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.14: Scheinbare Bahnformen um ein Schwarzes Loch; Credit: Andreas Müller Abbildung 4.15: Prinzip eines Michelson-Interferometers; Credit: Andreas Müller Abbildung 5.1: Gleichung zur Bekenstein-Hawking-Entropie; Credit: Andreas Müller Abbildung 5.2: Vier fundamentale Kräfte in der Physik und ihre Austauschteilchen; Credit: Exzellenzcluster Universe der Technischen Universität München; Mediendesignerin Ulrike Ollinger
206 Bildnachweis
Abbildung 5.3: Raum-Zeit-Diagramme von Strings und Branen; Credit: Andreas Müller Abbildung 5.4: Stringtheorien und die M-Theorie; Credit: Andreas Müller Abbildung 5.5: Struktur des Gravasterns; Credit: Andreas Müller Abbildung 5.6: Struktur des Holosterns; Credit: Andreas Müller Abbildung 5.7: Maximalmasse eines Bosonensterns; Credit: Neven Bilic, Rudjer Boskovic Institute, Zagreb Abbildung 5.8: Maximalmasse eines Bosonensterns mit wechselwirkenden Bosonen; Credit: Neven Bilic, Rudjer Boskovic Institute, Zagreb Abbildung 5.9: Maximalmasse und Radius eines Fermionensterns; Credit: Bilic und Viollier, Eur. Phys. J. C11, 173–180, 1999 Abbildung 6.1: Branenwelt nach Vorlage von Marco Cavaglia; Credit: Andreas Müller Autorenfoto: Fotostudio Dasch, München Titel: Hauptbild: Verteilung der Helligkeit einer Akkretionsscheibe um ein schwarzes Loch (Quelle: Andreas Müller) Kleine Abbildungen: Kosmischer Infrarothintergrund (Quelle: COBE/ DIRBE/NASA, M. Hauser 1998); Wagenrad-Galaxie, optisches, UV- und Röntgenfoto (Quelle: NASA/JPL/CXC, Appleton et al., Wolter & Trinchieri et al. 2006); Röntgenfoto des innersten Bereichs der Milchstraße (Quelle: NASA/CXC/MIT Baganoff et al. 2003)