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German Pages 362 [361] Year 2017
Michail Vasil’evič Lomonosov Schriften zur Geologie und zum Berg- und Hüttenwesen (1742–1765)
Michail Vasil’evič Lomonosov
Schriften zur Geologie und zum Bergund Hüttenwesen (1742–1765) Herausgegeben und kommentiert von Friedrich Naumann
ISBN 978-3-11-042720-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-042406-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-042420-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Satzstudio Borngräber, Dessau-Roßlau Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort Für die Erforschung der Wissenschaftsgeschichte ist das Wirken hervorragender Persönlichkeiten von besonderem Interesse, da deren Leistungen als Indikatoren für die Herausbildung und Etablierung wissenschaftlicher Disziplinen angesehen werden können. Im Zeitalter der Aufklärung war der Fortschritt der Wissenschaft nicht nur vom „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ geprägt, sondern auch vom Sapere aude! – „Wage es, weise zu sein!“. Immanuel Kant machte die klassischen Worte des lateinischen Dichters Horaz 1784 zum Leitspruch dieser bedeutenden Epoche mit der Forderung: „Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“1 Diesem kategorischen Imperativ zu folgen, setzt gesellschaftliche Bedingungen voraus, die sich im Europa des 18. Jahrhunderts keineswegs einheitlich präsentierten; denn während diese große bürgerliche Bewegung in West- und Mitteleuropa bereits ihren Siegeszug angetreten hatte, bemühte man sich in vergleichsweise rückständigen Ländern noch nach Kräften, Licht in ein allseitiges Dunkel zu bringen. Dass trotz allem erfolgreiche wissenschaftliche Karrieren möglich waren, zeigt das Beispiel des russischen Gelehrten Michail Vasil’evič Lomonosov, der sich als Historiker, Rhetoriker, Physiker, Ingenieur, Chemiker, Geologe, Mineraloge, Künstler, Autor bemerkenswerter Entdeckungen und Schöpfer fundamentaler und origineller Arbeiten einen Namen machte, wenngleich seine wissenschaftliche Karriere nur ein Vierteljahrhundert währte. Nicht nur in seiner Heimat wusste man dies gebührend und verantwortungsvoll zu würdigen; auch heute noch ist die Wissenschaft dabei, die vielfältigen Facetten seines Wirkens weiter zu erschließen. In diesem Sinne bot es sich an, Lomonosovs zahlreiche Arbeiten zur Geologie sowie zum Berg- und Hüttenwesen ob ihres wissenschaftlichen Gehaltes und ihrer Einmaligkeit zum Gegenstand einer speziellen Edition zu machen. Dabei ist besonders bemerkenswert, dass Lomonosovs diesbezügliche Erkenntnisse dem Studienaufenthalt in der sächsischen Bergstadt Freiberg zu verdanken sind, der sich damit als Ausgangspunkt seiner wissenschaftlichen Karriere erwies und die Wege ebnete, die bereits Jahrhunderte währende Tradition im sächsischen Bergund Hüttenwesen für Russland zu erschließen. Die Bergakademie Freiberg existierte zu jener Zeit bestenfalls in ihren Konturen, denn sie wurde erst 1765 gegründet. Über die folgenden Jahrhunderte fühlte sie sich jedoch in die Pflicht genommen, solcherart Wissenschaftsbeziehun-
1 Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Berlinische Monatsschrift 4 (1784), S. 481–494.
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Vorwort
gen als Teil ihrer Traditionspflege anzusehen, zumal sich diese spätestens mit der 1773 erfolgten Eröffnung der ersten Montan-Lehranstalt (Горное училище, heute Nationale Universität für Mineralische Ressourcen „Gornyj“ / „Горный“) in St. Petersburg institutionalisierte. In der Folgezeit haben nicht nur Hunderte von russischen Studenten ihren Weg nach Freiberg genommen, sondern es entwickelten sich auch intensive Wissenschaftsbeziehungen, die bis in die Gegenwart reichen. Es versteht sich, dass Lomonosov – obwohl kein Student der Bergakademie – stets besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde. Beredter Ausdruck dafür ist eine Vielzahl wissenschaftlicher Aktivitäten und Veranstaltungen, stets unter aktiver Teilnahme von Vertretern beider Länder. Als jüngste Höhepunkte sind nicht nur die Festveranstaltung aus Anlass des 300. Geburtstages von Lomonosov im November 2011 zu nennen, sondern auch die Errichtung der ersten deutschen Lomonosov-Gedenkstätte am 7. Februar 2014.2 Herrn Prof. Dr.-Ing. Bernd Meyer, von 2008 bis 2015 Rektor der Technischen Universität Bergakademie Freiberg, der sich leidenschaftlich, insbesondere aber erfolgreich für den Auf- und Ausbau von deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen engagiert hat und dafür von russischer Seite hoch geehrt wurde, ist es zu danken, ein Forschungsprojekt zum Thema „Wissenschaftskooperation zwischen Freiberg und St. Petersburg bei der Herausbildung der Montanwissenschaften im 18. und 19. Jahrhundert“ initiiert und befördert zu haben, um die mit dem Besuch der Studenten M. V. Lomonosov, Ulrich Raiser und Dmitri Vinogradov einsetzende Wissenschaftskooperation zwischen Freiberg und St. Petersburg eingehender zu untersuchen.3 Diese anspruchsvolle Aufgabe macht in besonderer Weise stolz, verpflichtet allerdings auch, das wissenschaftliche Vermächtnis weiterhin zu pflegen und zu bewahren. In diesem Zusammenhang reifte in mir die Idee, die bislang nur im russischen Original vorliegenden Schriften Lomonosovs zur Geologie und zum Bergund Hüttenwesen ins Deutsche zu übersetzen, zu kommentieren und sie damit künftigen Forschungsarbeiten zu den deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen sowie zur Genese der Montanwissenschaften zugänglich zu machen. Glücklicherweise konnte für die Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe mit Frau Olga Kühnal eine staatlich anerkannte, kompetente Übersetzerin gewonnen
2 Die nach erfolgreicher Restaurierung eingerichtete Gedenkstätte befindet sich im Lomonossow-Haus in der Freiberger Fischerstraße (vormals Lomonossow-Straße) auf dem Gelände des ehemaligen Labors von Bergrat Johann Friedrich Henckel und beherbergt zudem ein Appartementhaus für russische Gäste. 3 Das von mir geleitete Forschungsprojekt währte vom 1.7.2013 bis zum 30.6.2016; zu den Ergebnissen liegen ein umfangreicher Bericht (internes Manuskript der TU Bergakademie Freiberg) sowie zahlreiche Veröffentlichungen vor (vgl. Bibliographie im Anhang).
Vorwort
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werden, wobei sich ihre Leidenschaft für die russische Wissenschaftsgeschichte und ihre profunde Zweisprachigkeit als großer Vorteil erwiesen. Hilfreich war gleichermaßen Herr Dr. Peter Hoffmann, der mir als ausgewiesener Osteuropahistoriker und Experte für die Kultur- und Wissenschaftsgeschichte im 18. und 19. Jahrhundert den Zugang zu dieser keineswegs einfachen Materie insofern erleichterte, als er mir bei der Klärung schwieriger Probleme und Fachfragen behilflich war. Schließlich seien Frau Christine Stein und Herr Dietmar H. Schramm lobend genannt, die dem Fehlerteufel nachzusetzen wussten. Großzügige finanzielle Unterstützung erhielt ich seitens der „Marianne und Dr. Frank-Michael Engel Stiftung“, die sich nicht nur der Förderung des Projekts Montanregion Erzgebirge als UNESCO Welterbe-Projekt verschrieb, sondern auch zur Errichtung des Freiberger Lomonossow-Hauses beigetragen hat, um „einem Jahrhundert-Genie wie Lomonosov die ihm gebührende Anerkennung zuteilwerden zu lassen“ (F.-M. Engel). Finanziell unterstützt wurde die Edition auch durch die „Freunde und Förderer der Technischen Universität Bergakademie Freiberg e.V.“. Allen hiermit ein herzliches Dankeschön – und dies in der Gewissheit, mit der Schrift einen würdigen Beitrag zur Aufhellung der Genese der Montanwissenschaften wie auch für die weitere Ausgestaltung der deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen geleistet zu haben. Ein herzliches Glückauf! Friedrich Naumann
Inhalt Vorwort — V Einführung — 1 Zur Entstehung der Montanwissenschaften — 1 Lomonosovs Weg in die Wissenschaft — 4 Der Aufstieg zum Gelehrten und die Leidenschaft zur Materie — 19 Lomonosovs Schriften zur Geologie, zum Berg- und Hüttenwesen — 24 Lomonosovs Bedeutung für die Wissenschaftsgeschichte — 52 Editorische Bemerkungen — 61
Schriften 1 Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben (6. September 1757) — 67 ORATIO DE GENERATIONE METALLORUM А TERRAE MOTU
(Слово о рождении металлов от трясения земли) 2 Alleruntertänigster Antrag an den regierenden Senat über das Sammeln von Mineralproben — 89 von Kollegienrat und Professor Michail Lomonosov (7. Juni 1761)
(„Нижайшее доношение“ Сенату о повсеместном собирании образцов минералов) 3 Auszug aus der Instruktion für das Sammeln von Mineralproben — 94 (Отрывок из инструкции по собиранию минералов) Verordnung der Kanzlei der Akademie der Wissenschaften über das Einreichen von Stellungnahmen der Mitglieder der Akademie anlässlich des Vortrages von Lomonosov zum Auffinden noch unbekannter Vorkommen von Erzen, Edelmetallen und Edelsteinen in Russland
(Определение Канцелярии Академии Наук о подаче мнений академиками по поводу представления Ломоносова об изыскании в России неизвестных руд, дорогих металлов и камней) 4 Anfangsgründe der Montan-Wissenschaften — 97 (Первые основания горной науки) Vorwort (§§ 1 bis 13)
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Inhalt
5 Anfangsgründe des Berg- und Hüttenwesens (1763) — 101
(Первые основания металлургии или рудных дел) Widmung — 101 Vorwort — 102 I Über Metalle und andere mit ihnen in der Erde befindliche Minerale — 105 1 Über Metalle — 105 2 Über Halbmetalle — 111 3 Über fettige Minerale — 115 4 Über ausgefällte Minerale oder Salze — 116 5 Über Steine und Erden — 120 6 Über Erze — 123 II Über Erzlagerstätten und Erzgänge und deren Suche — 129 1 Über die Lage der Vorkommen — 129 2 Über Erzgänge — 130 3 Über das Aufsuchen von Erzgängen — 135 4 Über das Muten der Bergleute — 139 III Über das Vorrichten von Erzgruben — 141 1 Über das Schürfen und den Ausbau von Erzgruben — 141 2 Über Fördermaschinen — 146 3 Über Maschinen zum Wasserheben — 150 4 Über Maschinen, die böse Wetter aus den Gruben vertreiben und frische Luft zuführen — 152 5 Über die Vermessung von Gruben — 155 IV Über das Probieren von Erzen und Metallen — 161 1 Über Öfen, Gefäße und Instrumente, die für das Probieren benötigt werden — 161 2 Über die Vorbereitung von verschiedenen Stoffen, die zum Probieren benötigt werden — 166 3 Über das Probieren von Gold- und Silbererzen — 170 4 Über das Probieren von gemeinen Metallen — 172 5 Über das Probieren von Halbmetallen und einigen anderen Mineralen — 175 V Über das Scheiden von Metallen und Mineralen aus Erzen — 177 1 Über die Vorbereitung von Erzen zum Schmelzen — 177 2 Über das Ausschmelzen von Metallen zu Barren — 184 3 Über das Scheiden von Metallen aus spezifischen Erzen — 191 4 Über das Scheiden von zusammengeschmolzenen Metallen — 202 5 Über die Trennung von Halbmetallen und anderen Mineralen — 206
Inhalt
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6 Erste Beilage – Über den natürlichen Wetterzug in Bergwerken, aus dem ersten Band der neuen Kommentare (1763) — 217 (О вольном движении воздуха, в рудниках примеченном, из первого тома новых комментариев) 7 Zweite Beilage – Über die Erdschichten (1763) — 225
(О слоях земных) 1 Über die Erdoberfläche — 225 2 Über Erdschichten, die durch Menschenhand freigelegt wurden — 238 3 Über das Erdinnere und die Erdschichten, die von der Natur bloßgelegt wurden — 257 4 Betrachtungen über die Schichten und das Innere der Erde — 266 5 Über den Nutzen der dargelegten Untersuchungen und Betrachtungen über die Erdschichten, speziell für unser Vaterland — 309 8 Mitteilung über die Verfassung einer Mineralogie Russlands — 319 (Известие о сочиняемой российской минералогии) 9 Programm einer Allgemeinen Mineralogie — 322 (Программа всеобщей минералогии) 10 Petrificatio Artificialis — 323 (Künstliche Versteinerungen / Искусственное окаменение)
Anhang Gewichts- und Längenmaße — 327 Chronik: Lomonosovs Biographie und Schriften — 329 Bildnachweis — 335 Quellen und Literatur — 336 1 Archive — 336 2 Lomonosov-Ausgaben — 336 3 Gedruckte Quellen — 337 4 Literatur — 339 Namenregister — 347
Einführung Zur Entstehung der Montanwissenschaften Um Michail Vasil’evič Lomonosovs Beitrag zur Herausbildung der Montanwissenschaften in Russland angemessen bewerten zu können, soll zunächst auf die verwendete Terminologie eingegangen werden, da sich im Laufe der historischen Entwicklung zahlreiche Begriffswandel vollzogen haben und dazu noch heute kaum inhaltliche Einheitlichkeit besteht. Unter Montanwissenschaften versteht man gemeinhin einen Komplex verschiedener Disziplinen, die sich mit dem Auffinden von Rohstoffen in der Erdkruste, dem Betrieb von Bergwerken, der Aufbereitung und Verhüttung von Erzen sowie der Grundlagen- und Anwendungsforschung zu Bautätigkeiten unterhalb des Bodens beschäftigen. Unabdingbar sind dafür die Geologischen Wissenschaften, auch Erdwissenschaften oder Geowissenschaften genannt. Zu diesen zählen jene naturwissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit der Erforschung des Systems Erde beschäftigen; im umfassenden Sinne sind dies Mineralogie, Geologie, Paläontologie, Glaziologie, Geophysik, Petrologie, Hydrologie sowie Geodäsie, Kartografie, Geoinformatik, Geografie und Ozeanografie. Eine derartige, wissenschaftlichen Kriterien gehorchende Differenzierung lässt sich jedoch erst für die jüngste Zeit vornehmen, nachdem es in zunehmendem Maße gelang, die jeweiligen Objektbereiche klar voneinander zu trennen und zum Gegenstand spezifischer Untersuchungen zu machen.1 Eine grobe Retrospektive führt zunächst zur abendländischen Philosophie, insbesondere zu den handwerklichen Kenntnissen der Erzsucher, Bergleute und Metallurgen des Altertums in Verbindung von praktischen Erfahrungen und gelehrtem Wissen, woraus sich im Laufe der Jahrhunderte eine zunehmend reifere, eigene Wissenschaftsdisziplin entwickelte, die sich in zunehmendem Maße spezialisierte und differenzierte, schließlich zu erwähnter disziplinärer Vielfalt führte. Immerhin legte bereits Georgius Agricola mit seinem 1556 in Basel erschienenen berühmten Werk De re metallica libri XII und weiteren montanistischen Schriften zum Erzbergbau und zur Mineralogie den Grundstein für
1 Vgl. Adams, Frank Dawson: The Birth and Development of the Geological Sciences. New York 1938; Guntau, Martin: Die Genesis der Geologie als Wissenschaft. Studie zu den kognitiven Prozessen und gesellschaftlichen Bedingungen bei der Herausbildung der Geologie als naturwissenschaftliche Disziplin an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Berlin 1984; Oldroyd, David R.: Thinking about the Earth: A History of Ideas in Geology. London 1996; Wagenbreth, Otfried: Geschichte der Geologie in Deutschland. Berlin, Heidelberg 1999. https://doi.org/10.1515/9783110424065-004
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eine neue Disziplin, so dass man ihn zu Recht als „Vater der Mineralogie“ und „Begründer der Geowissenschaften“ bezeichnet.2 Zwei Jahrhunderte danach machten zum Beispiel Johann Gottlieb Kern (Unterricht vom Bergbau nebst dazugehörigen Rißen. 1, Ausführlicher und gründlicher Bericht vom Berg-Bau, 1740), Friedrich Wilhelm Oppel (Bericht vom Bergbau, 1769) und Christoph Traugott Delius (Anleitung zu der Bergbaukunst nach ihrer Theorie und Ausübung, 1773) durch fundamentale Arbeiten zur Thematik auf sich aufmerksam, dokumentierten vor allem den Stand der Erkenntnisse und schufen so die ersten Unterrichtsmaterialien für die beginnende Institutionalisierung montanistischer Bildung. Aber auch auf dem Gebiet der Mineralogie wurden Fortschritte erzielt, nachdem man zunehmend erfolgreich Verfahren der chemischen Analyse beherrschte und sich aus den Fängen der Alchemisten zu lösen vermochte. Trotz allem sind Abgrenzung und Bestimmung der genannten Diszi plinen noch heute keineswegs eindeutig und vollständig und obliegen meist dem Gutdünken der vielfältigen wissenschaftlichen Institutionen, die die Gültigkeit einer bestimmten Definition für sich beanspruchen. Dass diese Disziplinen zur Zeit Lomonosovs noch im Aufbruch begriffen waren und sich letztendlich erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte konstituierten, von einer „Wissenschaft von der Erde“ also noch keine Rede sein konnte, lässt sich auch durch die Lomonosovschen Arbeiten belegen. Denn nicht nur, dass moderne technische Hilfsmittel – Elektronenmikroskope, Röntgengeräte, Computer – noch unbekannt waren und chemische Analyseeinrichtungen nur in bescheidenem Umfang zur Verfügung standen, Erkenntnisse zur Entstehung der Natur und zum Verhalten der Materie konnten zunächst nur empirisch gewonnen werden. Vieles blieb deshalb noch Hypothese oder Spekulation, wissenschaftliche Begründungen lagen noch fern. Es fehlte also an einem theoretischen Fundament für eine derartige Wissenschaft, wenngleich die Natur sich allerorten und in schier unübersehbarer Vielfalt offenbarte und die Gelehrten herausforderte, die Entwicklung des Universums zu deuten oder durch wissenschaftliche Experimente zu erklären. Diese Bewegung, die alle geistigen Bereiche der Gesellschaft erfasste und sich gegen die Bestimmung des Denkens durch religiöse Zwecksetzung wandte, führte bald zu einem tiefgreifenden Wandel in den Ansichten der Naturforscher. Wesentlich beeinflusst wurde dieser Prozess auch durch neuartige astronomische und geologische Erkenntnisse, mithin durch die Ablösung der Geologie von der Naturgeschichte und den „Theorien der Erde“ – ein Prozess, der allerdings lange währte und nur schrittweise Anerkennung zeitigte.3
2 Vgl. www.georgius-agricola.de (30.6.2017). 3 Vgl. „Théorie de la terre“ in: Buffon, G.-L. Leclerc, Comte de: Histoire naturelle. Bd. 1, Paris
Zur Entstehung der Montanwissenschaften
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Zur Avantgarde neuer Denkweisen gehörte beispielsweise der englische Gelehrte Robert Hooke, indem er die Fossilien als Reste ausgestorbener Meerestiere beschrieb und darlegte, dass man daraus eine „Geschichte“ der Erde herauslesen könne. Schließlich machte er die inneren Kräfte der Erde, zu denen er auch den Vulkanismus zählte, für deren Gestalt verantwortlich. Vergleichbares definierte auch sein Zeitgenosse Nicolaus (Niels) Stensen (auch Steno) aus Kopenhagen, der das erste geologische „historisch“ gedachte Profil entwarf und den Begriff der Sedimentation, Grundlage der Stratigraphie, erklärte. Seine Erkenntnisse zu den Fossilien bildeten die Basis für die sogenannte Petrefaktenkunde – die heutige Paläontologie. Stensen versuchte auch, das Phänomen der Kristallbildung zu erklären, wobei er vor allem belegen wollte, dass geometrisch strukturierte Kristalle nicht mit organischen Fossilien verwandt sind. Johann Gottlob Lehmann, der 1761 einem Ruf als Professor für Chemie und Direktor des Kaiserlichen Naturalienkabinetts nach St. Petersburg folgte und dort ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften wurde, zählt zu den ersten Geologen, die Mächtigkeiten und Lagerungsverhältnisse von Gesteinsschichten untersuchten und kartierten. Er entwickelte damit den Gedanken der Schichtenfolge als zeitlicher Indikator für die Entwicklungsgeschichte der Erde und zählt damit gleichfalls zu den Vätern der Stratigraphie. Lehmanns Arbeiten wurden von dem Thüringer Georg Christian Füchsel weiterentwickelt; er begann, im Umkreis von 30 km um Rudolstadt (Thüringen) geologisch bemerkenswerte Formationen zu kartieren und entwarf auf dieser Grundlage 1762 die erste geologische Karte eines deutschen Gebietes. Zu den zahlreichen Gelehrten, die sich an einer „kosmogonischen Zusammenschau“ auf idealistischer Grundlage versuchten, ist auch Gottfried Wilhelm Leibniz zu zählen, der als konsequente Synthese aller Erfahrungen und Gedanken bereits 1671 seine Protogaea – die Erde in ihrer Urgestalt – definierte und sich damit zum Mitbegründer der Paläontologie machte; für ihn waren Fossilien keinesfalls das Resultat eines Spiels der Natur, sondern versteinerte Organismen, die im Auf und Ab der Erdgeschichte zahlreichen örtlichen Veränderungen ausgesetzt waren. Leibniz schrieb seine Theorie zunächst in Form einer Synopse nieder, die nur dreihundertsechzig Worte umfasste; erst später formte er sie zu einem vollständigen Buch aus, das 1749 posthum erschien.4
1744; sowie Benoît de Maillet: Telliamed ou entretiens d’un philosophe indien avec un missionnaire françois, sur la diminution de la Mer, la formation de la Terre, l’origine de l’Homme, etc. Amsterdam 1748. 4 Leibniz, Gottfried Wilhelm: Protogæa oder Abhandlung von der ersten Gestalt der Erde und den Spuren der Historie in den Denkmaalen der Natur: Aus seinen Papieren herausgegeben von Christian Ludwig Scheid. Aus dem Lateinischen ins Teutsche übersetzt. Leipzig 1749.
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Das 18. Jahrhundert, das Jahrhundert der Aufklärung und seiner zahlreichen Repräsentanten, spielte also bezüglich der Wissenschaftsgenese eine besonders wichtige Rolle. In diesem Sinne ist es auch Anliegen dieses Buches, mit der Vorlage aller Schriften Lomonosovs zur Geologie sowie zum Berg- und Hüttenwesen eine Einordnung dieses Gelehrten in diesen Prozess zu ermöglichen, nahm er doch wie kein anderer seiner Landsleute an den geistigen Auseinandersetzungen seiner Zeit regen Anteil und bestimmte damit seine Position in der russischen Scientific community. Dass er gleichzeitig seinen Stellenwert in der internationalen Wissenschaftslandschaft zu definieren wusste, soll durch das Folgende verdeutlicht werden.
Lomonosovs Weg in die Wissenschaft5 Lomonosovs Bildungsweg ist kein gewöhnlicher, stammte er doch aus einfachen Verhältnissen, denen normalerweise schulische oder gar akademische Bildung verwehrt blieb. Aber der 1711 im Dorfe Mischaninskaja im Gebiet von Cholmogory bei Archangelsk im Hohen Norden des europäischen Russlands als Sohn eines reichen Bauern Geborene machte sich beizeiten auf den Weg. Mit 19 Jahren verließ er seine Heimat und ging nach Moskau, um sich als Student an der Slawisch-Griechisch-Lateinischen Akademie einzuschreiben. Sie galt damals als bedeutendste Bildungsanstalt Russlands, war allerdings vom scholastischen Lehrbetrieb geprägt. Hier erhielt er nicht nur Einblick in die Kirchensprache der griechisch-orthodoxen Slawen, sondern konnte sich auch mit Latein, Rhetorik, Literatur, Geographie, Arithmetik, Geschichte, Katechese und Gesang befassen. Das Stipendium betrug drei Kopeken pro Tag. Die Hoffnung, durch einen Wechsel an die 1632 gegründete Mohyla-Akademie in Kiew zu tieferen naturwissenschaftlichen Kenntnissen zu gelangen, erfüllte sich jedoch nicht, so dass er bald nach Moskau zurückkehrte. Hier bot sich 1735 eine große Chance; denn der Senat wählte einige der besten Zöglinge aus, um diese zu einer 10-monatigen Ausbildung nach St. Petersburg zu entsenden. Die erst 1703 von Zar Peter I. an der Newa gegründete „Hauptstadt aus dem Nichts“ bot denkbar gute Voraussetzungen für eine weitere umfassende Bildung, da neben einem Gymnasium auch eine Universität existierte, deren drei Fakultäten ein breites Fächerspektrum anboten. Auch zählte die Stadt bereits eine Vielzahl ausländischer Gelehrter, die für ein reges wissenschaftliches Leben sorgten
5 Vgl. Hoffmann, Peter: Michail Vasil’evič Lomonosov (1711–1765). Ein Enzyklopädist im Zeitalter der Aufklärung. Frankfurt/M. 2011, wie auch die im Anhang genannte Literatur.
Lomonosovs Weg in die Wissenschaft
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und den Aufbau des russischen Reiches befördern sollten. An Spezialisten für die Erkundung mineralischer Rohstoffe fehlte es allerdings noch, obwohl sich Zar Peter I. auf seinen Reisen durch Europa dazu kundig gemacht hatte. 1698 weilte er erstmals in Dresden und war nicht nur vom Dresdner Hofleben – „Jagden, Soupers, Opern, Komödien, Maskeraden, Bälle, ein Tag und Nacht fortrollendes festliches Treiben, in dem der König gänzlich aufging“ –, sondern auch vom Reichtum an Bodenschätzen des Kurfürstentums Sachsen tief beeindruckt.6 Anlässlich der Hochzeit seines Sohnes Aleksej Petrovič mit Charlotte von Braunschweig Wolfenbüttel in Torgau besuchte er 1711 auch Freiberg, lernte dabei Bergbau und Hüttenwesen kennen, fuhr sogar in Gruben ein und knüpfte Verbindungen zu Bergkundigen und Gelehrten. „Man muss sich mühen, den Staatsruhm auf dem Wege über die Kunst und die Wissenschaften zu suchen“,7 lautete sein Credo; dieses auch auf dem Gebiet des Montanwesens fortzusetzen, war ihm ob seines frühen Todes 1725 jedoch nicht mehr vergönnt. Aber das Anliegen blieb weiterhin aktuell, und so entschloss sich die St. Petersburger Akademie der Wissenschaften im Jahre 1736, drei Kandidaten für eine gründliche theoretische und praktische naturwissenschaftliche Spezialausbildung nach Deutschland zu entsenden. Für den erst 25-jährigen Michail Vasil’evič Lomonosov bedeutete dies den Eintritt in die Wissenschaft, konnte er doch nach Rückkehr in seine Heimat zur Aufhellung zahlreicher naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, speziell zur Begründung wesentlicher Bereiche der Montanwissenschaften, beitragen. Seine Kommilitonen Ulrich Raiser und Dmitrij Ivanovič Vinogradov machten ebenfalls Karriere – Raiser im Bergwesen,8 Vinogradov als „Erfinder“ des russischen Porzellans nach Meißener Vorbild.9 An Vinogradovs acht Jahre währenden Versuchen, ein brauchbares Rezept für die Porzellanherstellung zu entwickeln, war offensichtlich auch Lomonosov beteiligt. Erst 1752 veröffentlichte Vinogradov
6 Wittram, Reinhard: Peter I. Czar und Kaiser. Zur Geschichte Peters des Großen in seiner Zeit. Göttingen 1964, Bd. I, S. 221. 7 Zit. in: Buberl, Brigitte u. Michael Dückershoff (Hrsg.): Palast des Wissens. Die Kunst- und Wunderkammer Zar Peters des Großen. München, Dortmund 2003, Bd. 1, S. 28. 8 Ulrich Raiser war der Sohn von Bergrat Vinzenz Raiser, weiland Präsident des St. Petersburger Bergwerkskollegiums. 9 Русский фарфор. Государственный музей керамики и „Усадьба Кусково XVIII века“. Изд. „Абрис“, Санкт-Петербург 1998; Трощинская. А.: Русский фарфор эпохи классицизма. Орнаментальный и цветочный декор. Москва 2007. Zu Henckels diesbezüglichen Versuchen ist in dessen Biographie vermerkt: „Es glückte ihm bald, für die Porzellanfabrikation nutzbare Versuche zu machen, welche in Meißen mit Vortheil in Anwendung gebracht wurden. Als Anerkennung hierfür wurde er vom König August II. zum kurfürstlich sächsischen Bergrath ernannt und vielfach in technischen Fragen zu Rathe gezogen.“ (ADB, Leipzig 1880, Bd. 11, S. 760).
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eine Abhandlung über seinen Erfolg, die ersten zufriedenstellenden Proben aus Porzellan produziert zu haben, und zwar aus russischen Rohstoffen: Ton aus Gschel, vermischt mit feingemahlenem Olonezer Quarz und Alabaster.10 Die Kaiserliche Porzellanmanufaktur St. Petersburg nennt heute als Gründungsjahr 1744, und dies nicht ohne Stolz, avancierte sie doch – neben Meißen und Wien – zu einer der bedeutendsten Porzellanmanufakturen in Europa. Die erste Station des jungen Michail Vasil’evič war die Philipps-Universität Marburg. An dieser alten protestantischen Bildungsstätte lehrte Christian Wolff – einer der letzten Gelehrten, die fast das gesamte Wissen ihrer Zeit überschauten. Er war einer der wichtigsten Philosophen der Aufklärung zwischen Leibniz und Immanuel Kant; nur wenige nach ihm konnten sich einer derart großen Wirkung auf ihre Zeitgenossen rühmen. Zu Recht ehrte man ihn deshalb als Magister Germaniae oder Praeceptor Germaniae, auch als Professor generis humani – Lehrer des Menschengeschlechts.11 Wolffs akademische Karriere begann an der Universität Halle, wo er 1706 zum Professor für Mathematik und Philosophie berufen wurde. 1710 ernannte man ihn zum Mitglied der Royal Society, 1711 zum Mitglied der Kurfürstlich-Brandenburgischen Societaet der Wissenschafften. In dieser Zeit hatte er erstmals Kontakt mit den Klassikern der chinesischen Philosophie, speziell der lateinischen Übersetzung von Pater François Noëls Sinensis Imperii Classici sex.12 Als er schließlich 1721 sein Amt als Prorektor niederlegte und aus diesem Anlass eine Rede über die „so berühmte Sittenlehre der Chineser, und ihres größten Weltweisen, des Confucius“ hielt, schlug ihm seitens der Pietisten umgehend eine erbitterte Hetze entgegen, die eine beispiellose Intrige nach sich zog und damit endete, dass Wolff als „gefährlicher Gottesläugner“ auf Befehl des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. vom 8. November 1723 ob solcherart„Verdrüßlichkeiten“ die Universität „in zweymal 24 Stunden … bey Strafe des Stranges“, mithin „alle königl. preußischen Staaten räumen“ musste.13 Die außergewöhnlichen Leistungen Wolffs blieben auch in Russland nicht unbeachtet, denn bereits unter Peter I. wurde Wolff Berater für die St. Petersburger Akademie der Wissenschaften, später auch deren Ehrenmitglied. Sein Ziel
10 Vgl. Обстоятельное описание чистого порцелина, как оной в России при СанктПетербурге делается, купно с показанием всех тому принадлежащих работ. СанктПетербург 1752. 11 Wuttke, Heinrich (Hrsg.): Christian Wolffs eigene Lebensbeschreibung. Leipzig 1841, S. 174. 12 Noëls, François: Sinensis Imperii Classici sex (Die sechs klassischen Bücher des chinesischen Reiches). Prag 1711. 13 Gottsched, Johann Christoph: Historische Lobschrift des weiland hoch- und wohlgebornen Herrn Christians des H. R. R. Freyherrn von Wolf. Halle 1755, S. 53 f.
Lomonosovs Weg in die Wissenschaft
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Abb. I.1: Ansicht des der Universität Marburg zugewiesenen Dominikanerklosters aus dem Jahre 1847; zur Zeit des Aufenthaltes von Lomonosov in Marburg zeigte sich das Gebäude im gleichen Zustand
war es, diese Einrichtung zu einer modernen, führenden europäischen Gelehrtensozietät auszubauen und sie zum Besten Russlands zu entwickeln. Er empfahl deshalb zahlreiche europäische Gelehrte – „mit großem Eifer für das Wohl der Akademie“, wie man russischerseits anerkannte – und vermittelte deren Übersiedlung in die noch junge Metropole, wo sie aktiv in die Umsetzung der Petrinischen Reformen, vor allem in das wissenschaftliche Leben, einbezogen wurden.14 Die Grundlagen hierfür hatte allerdings bereits Leibniz gelegt, der anlässlich seiner ersten Begegnung mit dem russischen Zaren in Torgau im Oktober 1711 vorschlug, „wenig frembde, aber vortreffliche leute köndten viele Russen in kurzer Zeit soweit bringen, dass sie der frembden wenigmehr von nöthen haben würden.“15 Und in einer Denkschrift von 1716, basierend auf den Gründungsmodalitäten der 1700 geschaffenen Berliner Akademie der Wissenschaften (zunächst
14 Komkov, G. D., Levšin, B. V., Semenov, L. K.: Geschichte der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Hrsg. v. Conrad Grau. Berlin 1981. 15 Leibniz-Nachlaß, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover, Ms. XXXIII, Bl. 90, 91.
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Einführung
Abb. I.2: Christian Wolff, Stich von Johann Georg Wille
Kurfürstlich-Brandenburgische Societaet der Wissenschafften genannt), äußerte sich Leibniz auch umfassend zu seinen russischen Akademieplänen. Hier heißt es, die Verschickung von akademischem Nachwuchs ins Ausland betreffend: „Man könnte auch tüchtige junge Leute von allerhand Nahrungen und professiones in andere Länder reisen lassen umb allda, was ihnen und Russland mangelt zu erlernen. Und sie hernach, wenn sie das Ihrige gethan wohlhalten.“16 Von einer Berufung Wolffs nach St. Petersburg, dem Wunsche Peter I. entsprechend, riet Leibniz allerdings ab, „weil er die preußischen Lande nicht eines solchen Lehrers; oder ganz Deutschland nicht eines so großen Geistes berauben wollte, von dem noch so viel zu hoffen war“.17 So lehnte Wolff auch ein weiteres Angebot ab, für ein jährliches Salär von 2.400 Rubel – das entsprach 3.200 Talern – die Präsidentschaft der St. Petersburger Akademie zu übernehmen; nicht zuletzt hätte er damit auch seinen Gegnern in die Hände gespielt. Da sich Wolff gegenüber Russland stets zutiefst verpflichtet fühlte und dort in hohem Ansehen stand,18 nahm er die drei russischen Studenten gern in seine Obhut und sorgte für deren gründliche Ausbildung. Lomonosov genoss dabei ob seines Alters – er war bereits 25 Jahre – und seiner auffälligen Intelligenz Wolffs besondere Gunst, wie in einem Brief vom 17. (6.) August 173819 an die St. Peters-
16 Richter, Liselotte: Leibniz und sein Rußlandbild. Berlin 1946, S. 122. 17 Gottsched, Historische Lobschrift, S. 37. 18 Morozov, Aleksandr: Christian Wolffs Leser in Rußland in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Jb. f. Geschichte d. UdSSR u. d. volksdemokr. Länder Europas, Bd. VII, 1963, S. 411–423. 19 Zar Peter I. befahl am 1. Januar 1700 die Umstellung auf den Julianischen Kalender (alter Stil),
Lomonosovs Weg in die Wissenschaft
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Abb. I.3: Universität Marburg – Immatrikulationsnachweis der russischen Studenten Raiser, Lomonosov und Vinogradov vom 17.11.1736
burger Akademie zum Ausdruck kam. Hierin heißt es: „H’ Lomanosoff scheinet den aufgewecktesten Kopff unter ihnen zu haben, und sollte er schon was rechtes lernen, wenn gehöriger Fleisz dazu kommet, wie er denn auch dazu grosze Lust und Begierde bezeiget.“20 Während des Aufenthaltes in Marburg von 1736 bis 1739 erlernte Lomonosov die deutsche und französische Sprache, vervollkommnete aber vor allem seine bereits an der Moskauer Slawisch-Griechisch-Lateinischen Akademie erworbenen Lateinkenntnisse, um sich mit seinen Lehrern verständigen zu können. Zudem wurde er in Mathematik, Mechanik, Physik, Chemie, Zeichnen, Logik und Metaphysik sowie verschiedenen technischen Disziplinen, wie Hydraulik, Architektur, Mühlenwerke und Festungsbau, unterrichtet. Allerdings standen hauptsächlich methodische, mithin weniger experimentelle Fragen im Vordergrund; so verfügte auch der für die chemische Ausbildung zuständige Mediziner Justin Gerhard Duysing über kein eigenes Labor. Jedoch reifte mit der Vielseitigkeit der vermittelten Fächer auch Lomonosovs umfassendes naturwissenschaftliches Verständnis, wobei die Wolffschen Lehrmeinungen der Marburger Schule einen tiefen und nachhaltigen Eindruck hinterließen und er sich mit dem scholastischen Rationalismus und dessen axiomatischer „mathematischer Methode“ auseinandersetzte. Ein „Wolffianer“ wurde er jedoch nicht, vielmehr ging er später in seinen Anschauungen weit über Wolff hinaus.
obwohl in den katholischen europäischen Ländern bereits seit 1582 der Gregorianische Kalender (neuer Stil) galt. Erst 1918 wurde in Russland per Dekret der Kalender „neuen Stils“ eingeführt. Die Klammerangabe bezeichnet somit das Datum alten Stils. 20 Brief von Wolff an Johann Albrecht von Korff v. 17. (6.) August 1738. In: Сборник материалов для истории Императорской Академии наук в XVIII веке. Издаль А. Куникъ, Том 1, стр. 126.
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Abb. I.4: Obermarkt in Freiberg, zeitgenössische Ansicht
Gemäß den Empfehlungen der Petersburger Akademie sollten mit dem Marburger Aufenthalt die Voraussetzungen für das folgende Studium des Berg- und Hüttenwesens sowie der Chemie geschaffen werden. Diese Kenntnisse waren für Russland dringend erforderlich; denn noch gab es dafür in diesem riesigen Land fast keine Spezialisten – abgesehen von zahlreichen Sachsen, die auf Peter I. Ersuchen hin bereits angeworben werden konnten und sich auf den abenteuerlichen Weg zu den neu entdeckten Lagerstätten begeben hatten. Da die Bergstadt Freiberg auch in Russland seit vielen Jahren als Hightech-Standort bekannt war und Peter I. durch seinen Besuch am 17. Oktober 1711 sich „vor Ort“, speziell durch die Befahrung der Grube König August Erbstolln zu Niederschöna bei Freiberg, bereits kundig gemacht hatte,21 kam für die erforderliche Spezialausbildung nur dieses weithin bekannte sächsische Montanzentrum in Frage. Gemäß einer Order der Kanzlei der St. Petersburger Akademie vom 5. Juni 1739 an die Studiosi, von „Marpurg nach Freyberg in Sachsen abzureisen, sich unterwegs nirgendswo aufzuhalten, und, wann Sie in Freyberg angekommen sind, sich bey dem Hrn. Berg-Physicus Henckel daselbst anzugeben“, trafen Lomonosov und seine Kommilitonen am 25. Juni 1739 in der Bergstadt ein. Die Order wies zudem an, „unordentlicher Lebens-Art und verschwenderischem Leben“ vorzu-
21 Sächsisches Staatsarchiv Dresden, 40040 Fiskalische Risse zum Erzbergbau, Nr. B3361 (1711).
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beugen und des Berg-Physikus’ „Anordnungen, betreffend ihre Studia, LebensArt und Aufführung fleiszig nachzukommen“.22 Die Stadt zählte zu jener Zeit etwa 10.000 Einwohner, die zum überwiegenden Teil vom Bergbau lebten. Die Abbildung zeigt den Obermarkt, wo Lomonosov auch einige Zeit wohnte. Die ersten Silberfunde gab es in Freiberg bereits im Jahre 1168; gleichzeitig gewann man aber auch Zinn, Kupfer, Blei und verschiedene andere Elemente. Dies begründete einen intensiven Bergbau, der zunehmend technisiert und in der frühen Neuzeit auch über das gesamte Erzgebirge ausgedehnt wurde. Man verfügte also über ausreichend praktische Erfahrungen, zugleich über hervorragende Spezialisten, zu denen auch Bergrat Johann Friedrich Henckel gehörte.23 Der renommierte Gelehrte, der bereits auf 20 wissenschaftliche Werke verweisen konnte, war vor allem durch das 1725 erschienene Buch Pyritologia, Oder: Kieß-Historie international bekannt geworden; Zeitgenossen sprachen von einem „Markstein in der Geschichte des naturwissenschaftlichen Unterrichts“. Mit diesem Buch positionierte er sich an vorderster Front der deutschen Gelehrten, die seine überragenden Erkenntnisse und Leistungen mit der Ernennung zum Mitglied der Kurfürstlich-Brandenburgischen Societät der Wissenschaften (1726) sowie zum Mitglied der Kaiserlich-Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher (1728) zu würdigen wussten. Das Buch umfasst mehr als 1.000 Seiten und dokumentiert die wichtigsten Erkenntnisse zur chemischen Mineralogie und zur Metallurgie. Henckel, der zunächst eine medizinische Praxis in Dresden unterhalten hatte, war erstmals 1712 nach Freiberg gekommen. In seinem Gepäck hatte er solide Kenntnisse der Chemie und der Probierkunst, erworben bei dem „berühmten Chymicus“ Georg Wolfgang Wedel, Professor der Medizin in Jena und Verfasser des Compendium chimiae, theoreticae et practicae, methodo analytica propositae (1715), wie auch bei dem Dresdener „Hofrath und Leibarzt“ Ernst Peter Meuder. 1718 bewarb er sich um die „Bestallung“ für das Amt des Landphysikus für die Ämter Freiberg, Nossen und Frauenstein, die ihm auch gewährt wurde. 1721 erhielt er sogar das Bürgerrecht und seine Bestallung als Stadtphysikus, später zudem als Berg- und Hüttenphysikus. Im selben Jahr erwarb er drei Grundstücke im Freiberger Nicolaiviertel – heute sind dies die Grundstücke Weingasse 13, 15 und 17. Hier dürfte auch sein erstes Laboratorium gewesen sein; denn die
22 Order der Akademischen Kanzlei an die Marburger Studenten v. 5. Juni 1739. In: Сборник материалов, стр. 153. 23 Herrmann, Walther: Bergrat Henckel – ein Wegbereiter der Bergakademie. Berlin 1962.
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Abb. I.5 und I.6: Titel von Henckels Pyritologia, Oder: Kieß-Historie. Rechts Henckels chemisches Labor (abgebildet in Henckelius in Mineralogia redivivus, Dresden 1759), das später als Vorbild für Lomonosovs Labor auf der Vasil’ev-Insel gedient haben könnte. Vermutlich steht Henckel bereits im Grab und ruft aus Et moriendo docebo – auch sterbend werde ich noch lehren!
Literatur überliefert, dass er hier bereits 1721 vermochte, erstmals metallisches Zink aus Galmei (ZnCO3) zu gewinnen.24 Das Anwesen in der Weingasse wurde 1730 verkauft, Henckel zog zurück nach Dresden. Auf seiner Agenda standen jedoch weiterhin die Untersuchung der Landesmineralien25 und die Erbauung eines Laboratoriums – Vorhaben, für deren Realisierung er Friedrich August von Sachsen (August der Starke) zu vereinnahmen wusste; denn nach seiner 1732 erfolgten Ernennung zum Bergrat und damit zum Mitglied der Obersten Bergbehörde wurden ihm auch die erforderlichen Mittel bewilligt. Für die Errichtung eines neuen Labors kam allerdings nur die Bergstadt Freiberg in Frage, er kehrte deshalb dorthin zurück. Und nach einem Ratsbeschluss vom 15. April 1733 wurden schließlich „Herrn Bergrat
24 Kirnbauer, Franz: Geschichte des Metallhüttenwesens. In: Klemm; Friedrich: Die Technik der Neuzeit, Bd. 2, Potsdam 1941. 25 Die Wörter Mineralien bzw. Minerale werden hier (lt. Duden) synonym gebraucht, obwohl Mineralien eher das Gegenständliche, Minerale hingegen eher das Abstrakte bezeichnet.
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Abb. I.7 und I.8: Abbildungen aus Henckels Pyritologia: Links eine Darstellung des Bergbaus – Grubeneingänge, Haspelörter, Aufbereitungsanlagen, Schmelzöfen, für den Abtransport per Schiff liegen Fässer bereit; das andere Bild zeigt verschiedene Kristallformen des Pyrits (FeS2)
Joh. Friedrich Henckeln … auch beide Baustellen auf der Fischergasse Petr. fol. 48 und 52 dergestalt überlassen, dass er nach der von der Hohen Landesherrschaft erhaltenen Instruktion ein Laboratorium, darinnen erbauen“ könne.26 Auf den noch unbebauten Grundstücken – heute sind dies die Häuser Fischerstraße 41 und 43 – begann Henckel wenig später, seine berühmte Lehr- und Forschungsstätte einzurichten. Aber er empfing die Schüler auch in seiner großzügigen Wohnung auf dem Freiberger Obermarkt; und so war sein Haus eine wirkliche Bergakademie, wo sonderlich Russen, Schweden, Norweger, Ungarn und Deutsche in Menge, sowohl mündlich von ihm Unterricht annahmen, denn auch und nicht weniger durch Beschauung seines so zahlreichen als wichtigen Kabinetts
26 Herrmann, Bergrat Henckel, S. 59.
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und besonders in seinem beständig gangbaren Laboratorium durch augenscheinliche Erfahrung und Proben sich zu belehren und ihre Bergwerkswissenschaften sich zu bereichern suchten.27
In diesem Sinne reichte Henckels Briefwechsel nicht nur nach China, Schweden, Norwegen, England und die Schweiz, sondern auch nach Sizilien, Italien, Frankreich, Holland und Spanien sowie bis in die äußersten Teile des russischen Reiches. Christian Wolff war beizeiten auf Henckel aufmerksam geworden und hatte ihn deshalb für die Chemie-Professur an der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften empfohlen. Dieser schlug jedoch der russischen Seite eine andere Lösung vor, nämlich „von dero Landes Kindern ein oder den andern auf Bergwercks Reisen zu schicken … wo allerhöchstdieselben davor halten, dasz solche nebst der gewöhnlichen Probir Kunst, Geometria subterranea, Bergbaues- und Schmelzwiszenschafften, die vollkommene Metallurgie, oder Chymiam mineralem practicam et rationalem aus dem Grunde erlerneten“.28 Dieser Standpunkt veranlasste schließlich auch die St. Petersburger Akademie, besagte drei Kandidaten nach Deutschland zu schicken, wo sie letztendlich in der Bergstadt landeten. Henckel unterrichtete vor allem in den Fächern Mineralogie und Probierkunde, also chemisch-technische Mineralogie, und wird dafür wohl auch seine diesbezüglichen Fachbücher verwendet haben – das betrifft vor allem die Pyritologia, deren Inhalt sich nicht nur auf die Kieß-Historie beschränkt, sondern auch „Minerale, Arten, Lagerstätten, Ursprung, Eisen, Kupffer, unmetallische Erde, Schwefel, Arsenik, Silber, Gold, einfache Theilgen, Vitriol und SchmeltzNutzung, Gruben-Befahrung, Umgang und Brief-Wechsel mit Natur- und BergVerständigen, vornehmlich aus Chymischer Untersuchung … zum Nutzen des Bergwercks“29 behandelt. Die praxisorientierte Ausbildung war insofern wichtig, als in aufgefundenen und geförderten Erzen sehr verschiedene Elemente enthalten waren, die man bestimmen musste, bevor die Erze verhüttet werden konnten. Dazu waren vielfältige Übungen wie auch analytische Arbeiten erforderlich, um das nötige Handwerkszeug zu vermitteln. Das Henckelsche Laboratorium bot dafür die besten Voraussetzungen; denn es war Forschungseinrichtung und Unterrichtsanstalt in einem. Lomonosov lernte auch Henckels umfangreiche Mineraliensammlung
27 Grundig, Christoph Gottlob: Vollständigere Nachricht von dem Leben, Schriften und Verdiensten des sel. Herrn Bergrats D. Johann Friedrich Henckel. ADB, Bd. 11. Leipzig 1880, S. 629. 28 Brief Henckels an Korff, weiland Präsident der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften v. 1.2.1736. In: Сборник материалов, стр. 91. 29 Aus dem Titelblatt von Henckels Pyritologia.
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kennen, die nach dessen Tod von dem russischen Großunternehmer Akinfij Nikitič Demidov erworben wurde und dadurch nach Russland kam; sie befindet sich heute im Moskauer Staatlichen Geologischen Museum „V. I. Vernadskij“ (Государственный геологический музей им. В. И. Вернадского). Lomonosovs Wissensdurst führte bereits in Freiberg zum Studium der wichtigsten Schriften über den Bergbau und das Hüttenwesen, wozu ihn wohl seine Lehrer angeregt haben dürften. In einer 1753 abgehaltenen Rede über atmosphärische Erscheinungen wird beispielsweise Andreas Möllers Theatrum Freibergense Chronicum, Beschreibung der alten löblichen BergHauptStadt Freyberg in Meissen, Freybergk 1653, zitiert.30 Offensichtlich hat er sich nach Rückkehr in seine Heimat die wichtigsten Bücher wieder beschafft und mit diesen seine Überlegungen und Ausarbeitungen zum Berg- und Hüttenwesen gestützt; denn von Freiberg ging er mit vollkommen leeren Taschen fort, verzichtete also auch auf die Mitnahme der bereits in Marburg angeschafften 60 Bücher. Für die Bewertung der zahlreichen Erkenntnisse und Leistungen, die Lomonosov auf den unterschiedlichsten Gebieten der Wissenschaft nach Rückkehr in seine Heimat erbrachte, ist ein Blick in seine umfangreiche Bibliothek sinnvoll, in der sich die Werke aller führenden europäischen Gelehrten wie auch diverse Periodika (z.B. Acta Eruditorum, Nova acta eruditorum, Connaissances des temps, Göttingische Zeitungen von gelehrten Sachen, Philosophical transactions) und Lexika (z.B. Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste in 64 Bänden) finden lassen. Über deren wechselvolles Schicksal – ein Teil gelangte beispielsweise als Geschenk an die Universitätsbibliothek Helsinki – zu sprechen, ist hier nicht der Ort; gesagt sei jedoch, dass sich die sowjetischen Historiker um die Suche nach verschollenen Büchern sehr verdient gemacht haben, so dass bislang wenigstens 670 Titel aus dem Besitz Lomonosovs nachgewiesen werden konnten. Deren sorgfältige Zusammenstellung durch den Historiker German Michajlovič Korovin31 ermöglicht somit auch eine genaue Übersicht über den erstaunlich umfangreichen Fundus zu den Naturwissenschaften sowie zum Berg- und Hüttenwesen und damit zuverlässige Aussagen darüber, inwieweit über diesen zugleich ein „literarischer Technologietransfer“ von Sachsen nach Russland erfolgt ist:
30 Lomonosov, M. V.: Oratio de meteoris vi electrica ortis, auctore Michaele Lomonosow habita. 31 Коровин, Г. М.: Библиотека Ломоно́сова : Материалы для характеристики литературы, использованной Ломоно́совым в его трудах и каталог его личной библиотеки: К 250летию со дня рожд. М. В. Ломоно́сова, 1711–1961. – М.; Л.: Изд-во АН СССР, [Ленингр. отдние], 1961. – 484, [4] с. – (АН СССР, Ин-т истории естествознания и техники).
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–– Agricola, Georgius: De re metallica libri XII (Basel 1657)32 –– Brückmann, Franz Ernst: Magnalia dei in locis subterraneis, oder unterirdische Schatz-Cammer aller Königreiche und Länder (Braunschweig 1727 bis 1730) –– Cramer, Johann Andreas: Anfangsgründe der Probierkunst (Deutsche Übersetzung der Elementa artis docimasticae durch C. E. Gellert, Stockholm 1746) –– Ercker, Lazarus: Aula Subterranea, Domina Dominantium, Subdita Subditorum. Das ist: Untererdische Hofhaltung (Frankfurt 1684) –– Gellert, Christlieb Ehregott: Anfangsgründe zur metallurgischen Chymie, in einem theoretischen und practischen Theile nach einer in der Natur gegründeten Ordnung (Leipzig 1750) –– Dgl.: Anfangsgründe zur Probierkunst, als der zweyte Theil der practischen metallurgischen Chimie (Leipzig 1755) –– Henckel, Johann Friedrich: Flora saturnizans (Leipzig 1722) –– Dgl.: Pyritologia, Oder: Kieß-Historie (Leipzig 1725) –– Dgl.: Henkelius in mineralogia redivivus (Dresden 1747) –– Leupold, Jacob: Theatrum machinarum generale oder Schau-Platz des Grundes mechanischer Wissenschafften (Leipzig 1724), dgl. auch alle weiteren zwölf Bücher Leupolds (Leipzig 1724 bis 1739) –– Löhneiß, Georg Engelhard(t): Bericht vom Bergwerck (Leipzig 1690) –– Mathesius, Johann: Sarepta oder Bergpostill Samt der Joachimßthalischen kurtzen Chronicken (Nürnberg 1571) –– Minerophilius Freibergensis (anon.): Neues und curieuses Bergwercks-Lexicon (Chemnitz 1730) –– Oppel, Friedrich Wilhelm: Anleitung zur Markscheidekunst (Dresden 1749) –– Voigtel, Nicolaus: Geometria subterranea, oder Marckscheidekunst (Eisleben 1686) –– Wallerius, Johann Gottschalk: Mineralogie Oder Mineralreich, von ihm eingeteilt und beschrieben (Berlin 1750) –– Woltersdorf, Johann Lucas: Mineral-System worinn alle zum Mineral-Reich gehörigen Cörper in ordentlichem Zusammenhange nach ihren Classen, Ordnungen, Geschlechtern und Arten vorgetragen werden (Berlin 1748). Zurück nach Freiberg: Neben Bergrat Henckel standen aber auch weitere Spezialisten bereit, die als Fachleute des Bergbaus und Hüttenwesens über reiche Erfahrungen verfügten und sich gleichermaßen literarisch oder in der täglichen
32 Bei diesem Werk handelt es sich um die letzte lateinische Gesamtausgabe aller Werke Agricolas im Umfang von 708 Seiten, zuzüglich mehrerer Register, in denen insgesamt 3.830 Wörter bzw. deutsch-lateinische Fachbegriffe zusammengestellt sind.
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Praxis ausgewiesen hatten. Dazu gehören vor allem der Gegenschreiber Carl Gottlieb Flasch, der Schichtmeister der Roten Grube und Edelsteininspektor Johann Gottlieb Kern, der Markscheider August Beyer, der Guardein Johann Andreas Klotzsch, der Senator am Bergschöppenstuhl Johann Caspar Zeisig sowie der Superintendent und Mineralienspezialist Christoph Gottlob Grundig.33 Welche speziellen Unterweisungen die Genannten vornahmen, ist leider nicht mehr nachvollziehbar, lässt sich aber aus ihrer Spezifikation durchaus ableiten. Erhalten ist jedoch ein Zeugnis, das Vinogradov aus der Hand von Kern über einen BergbauLehrgang erhalten hat; hier heißt es, dass er „in der praktischen Bergbaukunst und Mechanik, soweit sich diese auf den Bergbau, insbesondere auf den Bau von Kunstgezeugen, Pochmühlen sowie auf das Waschen von Erzen beziehen, und außerdem von Erzzerkleinerungsanlagen genügend Kenntnis erworben, nicht nur theoretisch auf dem Papier, sondern auch durch Anschauung in den Gruben selbst“.34 Für Lomonosov dürfte die praktische Bergbaukunst, mithin auch die Arbeit unter Tage, ähnlich ausgesehen haben, wobei er bis zu seiner Freiberger Zeit ja noch nie in einem Bergwerk gewesen war. Aus erhalten gebliebenen Rechnungen ist ersichtlich, dass die Himmelsfürst Fundgrube in Erbisdorf wie auch die Neue Hoffnung Gottes Fundgrube zu Bräunsdorf – beide Gruben liegen im Freiberger Revier – befahren wurden. Der 28-Jähige hat dieser Arbeit „vor Ort“ große Bedeutung beigemessen und dabei nicht nur viele Erfahrungen von den erfahrenen Bergleuten und Steigern, sondern auch die ersten Vorstellungen und Erkenntnisse zu den Gesetzmäßigkeiten in der Erde gewonnen. In einem Brief an den aus dem Elsass stammenden Johann Daniel Schumacher, zunächst Bibliothekar im Dienste Peter I., später Leiter der Kanzlei der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften, schrieb Lomonosov 1740 aus Marburg – nicht zuletzt mit kritischem Blick auf Henckel:
33 Gegenschreiber waren als Bergbeamte für die Kontrolle der Gewinn- und Verlustrechnung im Bergbau zuständig. Markscheidern oblag das Vermessen und Kartographieren von Stolln und Grubengebäuden unter der Erde. Der Guardein (auch Wardein) war im Verständnis der Zeit derjenige verpflichtete Beamte mit metallurgischen Kenntnissen, welcher den Gehalt der Metalle und Mineralien zu untersuchen hatte; im Münzwesen: Münzwardein, im Bergwesen: Bergwardein (auch Erzwardein oder Erzprobierer) genannt. Bergschöppenstühle (später Berggerichte) behandelten Bergrechtsfälle. Zu den Lehrkräften: siehe Herrmann, Kap. 5 (Die Freiberger Lehreinrichtungen zur Zeit Henckels und seine Schüler). 34 Herrmann, S. 109.
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Den Bergbau kan man beßer von einem Steiger, der seine Lebetage in der Grube zugebracht, als von ihm lernen. Die Historia naturalis aber ist nicht in des H. Henckels Stube aus Fächern u. Kästgen zu erlernen, sondern man muß selbst verschiedene Bergwerke besuchen, die Situation derer Gegende, die Beschaffenheit der Berge und des Erdreichs und die Relation der Mineralien, die darin liegen, gegen einander betrachten.35
So resümierte er späterhin nicht nur über eine neue Theorie der Wetterführung, die er bereits bei Agricola kennengelernt hatte, sondern auch über verschiedene Auffälligkeiten aus dem Freiberger Arbeitsalltag: Wismut beinhaltet fast immer etwas Silber. In Sachsen, unweit von Freiberg, findet man es in reiner Form im Erdboden, ohne Zusatz von jeglichen anderen Mineralien. In der Nähe von Freiberg gibt es eine Grube, genannt Christi Himmelfahrt, dort kann man Sinter sehen, der auf der Wasseroberfläche wie Eis auf einem See liegt. In Marienberg findet man halbdurchsichtiges hornähnliches Silbererz, das so leicht schmilzt, dass dafür sogar eine Kerzenflamme genügt.36
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das bei Henckel und den Genannten sowie in praktischer Tätigkeit Erworbene eine vornehmliche Grundlage für den Erwerb chemischer, hüttentechnischer und montanistischer Erkenntnisse bildete, die später zu vielfältigen theoretischen Einsichten führte und sowohl Lomonosovs Untersuchungen und Forschungen zu Chemie und Hüttenkunde ermöglichte als auch in seine zahlreichen montanistischen Schriften mündete. An dieser Stelle verdient schließlich seine Forschungsmethodik Erwähnung, über die er im Zusammenhang mit theoretischen Überlegungen zum Magnetismus schreibt: „Aus den Beobachtungen die Theorie aufstellen, durch die Theorie die Beobachtungen korrigieren ist die beste Methode, die Wahrheit zu ermitteln.“ Und an anderer Stelle: „Ein einziges Experiment stelle ich höher als Tausende von Meinungen, die lediglich die Phantasie hervorgebracht hat.“37 Dass er letztendlich seine montanistische Ausbildung abrupt beendete und im Zorn auf Henckel von Freiberg wegging, war für ihn durchaus bedauerlich, zumal an diesem Topstandort für jede Disziplin ausgewiesene Fachleute zur Verfügung standen; denn nirgendwo sonst konnte man zu jener Zeit eine derart gründliche Ausbildung im Berg- und Hüttenwesen erfahren. Trotz eines scheinbar unlösbaren Zwistes bescheinigte der Lehrer seinem Musterschüler später
35 Lomonossow, Michail Wassiljewitsch: Ausgewählte Schriften in zwei Bänden. Berlin 1961, Bd. 2, S. 167. 36 Vgl. nachfolgende Übersetzung der Anfangsgründe (Kap. 5). 37 Lomonossow, Ausgewählte Schriften, Bd. 1, S. 394 u. S. 79.
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ohne Vorbehalt „ein gutes ingenium und profectus in dem studio metallico“38 – was Lomonosov sicherlich vertröstet haben dürfte.
Der Aufstieg zum Gelehrten und die Leidenschaft zur Materie Nach seinem Weggang von Freiberg besuchte Lomonosov noch zahlreiche Bergwerke im Westen Deutschlands, speziell im Harz, in Hessen und im Siegerland, um seine Kenntnisse zu erweitern und zu vervollkommnen.39 Zu jener Zeit existierten zum Beispiel im Hessischen nicht nur ergiebige Braunkohlengruben, sondern auch das Kupferbergwerk Bertsch in Bad Wildungen, die Kupfergrube Gustav in Meißner-Abterode, die Eisenerzgrube Christiane bei Diemelsee-Adorf, das Goldvorkommen in Eisenberg bei Korbach oder die Grube Christine in Willingen, bekannt für ihren blau-schwarzen Schiefer. Die lagerstättenkundlichen und technischen Bedingungen dieser Vorkommen unterschieden sich zum Teil deutlich von den sächsischen, so dass er auch hier viel Neues kennengelernt haben dürfte. Erwähnt sei schließlich, dass der Aufenthalt in Marburg auch Gelegenheit zu weiteren Studien bei Wolff und praktischen chemischen Arbeiten gab. Am 8. Juni 1741 traf er endlich wieder in seiner russischen Heimat ein und wurde zunächst an den Schweizer Naturforscher Professor Johann Amman verwiesen, um bei diesem Vorlesungen über die Naturgeschichte der Mineralogie zu absolvieren.40 Der Schweizer Gelehrte war 1733 als Professor für Botanik und Naturgeschichte an die 1724 gegründete Kaiserlich Russische Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg berufen worden, verstarb jedoch bereits Ende 1741. Lomonosov erhielt nun die Aufgabe, den systematischen Mineralien-Katalog der Kaiserlichen Kunstkammer fertigzustellen und damit die 1.622 Stufen41 umfassende Sammlung von Mineralien und Gesteinen aus verschiedenen Gegenden Russlands wie auch dem Ausland (z.B. Sachsen, Böhmen, Schweden, Norwegen) neu zu ordnen. Die auch zahlreiche „Monstrositäten“ – z.B. „ein Stein, ähnlich einem gewickelten Säugling“ – aufweisende Sammlung war bereits von Johann Georg Gmelin, Professor der Chemie und der Naturgeschichte, geordnet worden; allerdings fehlte noch immer eine genauere Systematik. In diesem Zusammenhang untersuchte er vor allem die Eigenschaften von Mineralien, versuchte genauere Bestimmungen und befasste sich zugleich mit der Theorie geologischer
38 Сборникь материаловь, стр. 170. 39 Morosow, Alexandr A.: M. W. Lomonossow 1711–1765. Berlin 1954, S. 165 f. 40 Ib., S. 171 f. 41 Stufe ist der exakte Fachbegriff für ein separates Mineralstück.
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Erscheinungen sowie praktischen Fragen des Bergbaus und der Metallurgie. 1745 erschienen die Kataloge unter dem Titel Musei Imperialis Petropolitani. Vol. I., Pars tertia qua continentur res naturales ex regno minerali. In einer später (1865) von Friedemann Adolph Goebel vorgenommenen Bewertung des Kataloges wird Lomonosov bescheinigt, dass er zwar „einen bedeutenden Antheil an der Ausarbeitung desselben hatte“, aber das „Original des von Lomonossow bearbeiteten Theiles ist mit einer Eile und Hast geschrieben, die das Bestreben zeigt, schnell fertig zu werden oder sich einer nicht angenehmen Arbeit schnell zu entledigen. Er scheint nicht den mindesten Werth auf die Angabe der Fundorte gelegt zu haben …“42 Trotz dieser kritischen Bewertung erhielten die Arbeiten am Katalog einen prominenten Platz im Forschungsprofil der Akademie, zumal sie für Lomonosov einen ersten direkten Zugang zur Mineralogie und Geologie seiner Heimat bedeuteten, ihn vor allem inspiriert haben dürften, zunehmend intensiver wissenschaftlich zu arbeiten; denn in seinen späteren Werken lassen sich zahlreiche Verweise auf diese Sammlung finden. Bereits am 24. August 1741 legte Lomonosov der Akademischen Versammlung zwei Dissertationen vor, darunter die Ausarbeitung Meditationes physicochimicae de convenientia argenti et mercurii (Physikalisch-chemische Gedanken über das Verhältnis von Silber zu Quecksilber), die nicht nur die Aufmerksamkeit der akademischen Fachwelt erregte, sondern – neben weiteren anerkennenswerten Leistungen – dazu führte, dass Lomonosov als Adjunkt in die St. Petersburger Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurde. Adjunkten waren jene jungen Wissenschaftler, die als Assistenten der Professoren selbständig arbeiteten und das Privileg hatten, an den wöchentlichen Sitzungen der Akademie teilzunehmen. Bald übertrug man Lomonosov auch die Aufgabe, öffentliche Vorlesungen abzuhalten, darunter über Erdkunde nach dem Lehrbuch Kurtze Einleitung zur Mathematischen und Natürlichen Geographie des Akademiemitgliedes Georg Wolfgang Krafft43 wie auch in Chemie und zur Naturgeschichte der Mineralien. Lomonosov befasste sich in den folgenden Jahren weniger mit liebgewordenen literarischen und historischen Arbeiten, sondern vor allem mit chemischen Versuchen, stand doch in der Wertung seiner Arbeitsgebiete die Chemie
42 Goebel, Friedemann Adolph: Ueber die von Lomonossow edirten Cataloge des Mineralogischen Museum‘s der Akademie und deren Inhalt. St. Petersburg. In: Mélanges physiques et chimiques tirés du bulletin de l‘académie impériale des sciences de St.-Pétersbourg. Tom VI., 1865, S. 453. 43 Krafft, Georg Wolfgang: Hrn. Georg Wolfgang Kraffts Kurtze Einleitung zur mathematischen und natürlichen Geographie, nebst dem Gebrauch der Erd-Kugeln und Land-Charten, zum Nutzen der Rußischen studirenden Jugend. St. Petersburg 1738.
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Abb. I.9 und I.10: Die Wolffsche Experimentalphysik – das lateinische Vorbild und die russische Übersetzung
vor Bergbau, Physik, Poesie, Literatur und Geschichte an erster Stelle. In diesem Zusammenhang erhielt er fortwährend Aufträge, bestimmte Mineralien aus verschiedenen Teilen des Landes zu analysieren und darüber entsprechende Gutachten zu erstellen. Das betraf hauptsächlich die Untersuchung von Erzen, Salzen und Glimmern, aber auch von Perlmuscheln und diversen maschinentechnischen Einrichtungen. Allein für den Zeitraum zwischen 1745 und 1756 sind 20 entsprechende Berichte bzw. Gutachten überliefert, die er der Akademischen Kanzlei vorgelegt hat.44 Verdienstvoll war auch die Übersetzung der Wolffschen Experimentalphysik, die damit zum ersten Lehrbuch der physikalischen Chemie in russischer Sprache wurde.45 Sie erschien 1746 in einer gekürzten Ausgabe, nachdem er sie ein Jahr
44 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 243–294. 45 Вольф, Христиан: Волфианская Експериментальная физика / С немецкаго языка на
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zuvor der Akademischen Versammlung vorgelegt hatte. Zu diesem Zeitpunkt befürwortete diese auch die Berufung Lomonosovs zum Professor für Chemie und anerkannte damit seine Leistungen auf den Gebieten der Chemie, der Physik und der Mineralogie, aber auch der Geographie, der Geschichte und der Sprachwissenschaft. Bemerkenswert ist der im Vorwort der Experimentalphysik von Lomonosov ausgebrachte Wunsch: „Abschließend wünsche ich aufrichtigen Herzens, dass sich, der Größe unseres Reiches entsprechend, die hohen Wissenschaften darin verbreiten und in den Söhnen Russlands Lust und Liebe zu ihnen gleichermaßen wachsen mögen.“46 Den ersten Zugang zu dieser Thematik hatte Lomonosov bereits in Marburg erhalten. Für die Übersetzung benutzte er allerdings nicht den auch in seinem Besitz befindlichen dreibändigen Originaltext,47 sondern die 1725 von Wolffs Schüler Ludwig Philipp Thümmig in Latein erstellte Fassung Institutiones philosophiae Wolfianae in usus academicos adornatae (Grundlagen der Wolffschen Philosophie, für den Gebrauch der Wissenschaftler zusammengefasst).48 Die genannte Berufung zum Professor mit Beschluss der Akademischen Versammlung vom 22. Juni und durch Ukas49 von Kaiserin Elisabeth vom 25. Juli 1745, über die erst nach der Erarbeitung einer Dissertation zum Thema De tincturis metallorum (Über Metallglanz) entschieden wurde,50 gab ihm schließlich soziale Sicherheit und bestätigte auch seine hervorragenden enzyklopädischen Kenntnisse auf den unterschiedlichsten Gebieten der Wissenschaft – was seine Sonderstellung in der russischen Wissenschaftsgeschichte nachdrücklich begründete. Bezeichnenderweise hat die in Freiberg genossene Ausbildung den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen, was sich zunächst in seinen chemischen Arbeiten widerspiegelt – genannt seien die Analysen von Erzen, die Herstellung farbiger Gläser, die Herstellung von Smalten,51 die Aufklärung chemischer Prozesse wie
латинском сокращенная. С котораго на российский язык перевел Михайло Ломоно́сов. Санкт-Петербург 1746. 46 Lomonossow, Ausgewählte Schriften, Bd. 1, S. 121. 47 Erschienen von 1721 bis 1723 in Halle im Umfang von insgesamt 1.782 Seiten unter dem Titel Allerhand nützliche Versuche, dadurch zu genauer Erkänntnis der Natur und Kunst der Weg gebähnet wird. 48 Ed. Leipzig 1725/1726. 49 Ein Ukas war im zaristischen Russland ein Erlass mit Gesetzeskraft. 50 Veröffentlicht in: Commentarii Academiae scientiarum imperialis Petropolitanae, Bd. XIV, St. Petersburg 1751, S. 286–298. 51 Smalte ist ein tief gefärbtes Pulver auf der Basis eines Kaliumsilikatglases, hergestellt aus Quarz (SiO2) und Pottasche (K2CO3); die tief kornblumenblaue Farbe entsteht durch Beigabe von Kobaltglanz, Erdkobalt oder Kobaltblüte.
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Abb. I.11: Entwurf Lomonosovs zum Chemischen Laboratorium; im Endzustand umfasste es eine Fläche von 15,21 × 11,70 m (links ein nachempfundenes Modell aus dem Jahre 1948)
auch die Hinwendung zur Mosaikkunst u.a. Zu bewundern sind vor allem seine 4.000 exakt dokumentierten Versuche zur Herstellung von Smalten wie auch von Porzellan, die er ab 1749 in seinem Laboratorium auf der Vasil’ev-Insel vornahm, das damit zum ersten wissenschaftlichen Silikat-Laboratorium Russlands avancierte. Ein zugehöriges Auditorium ermöglichte darüber hinaus, öffentliche Fachvorlesungen und Vorträge abzuhalten. 1755 wurde ihm das Labor allerdings abspenstig gemacht, jedoch baute er sich bald ein neues: ein Privatlaboratorium auf seinem eigenen Grundstück.52 Über seine Tätigkeit schrieb er später: Der wahre Chemiker muss Theoretiker und Praktiker sein … Was er zu beweisen hat, muss er zuerst erkennen, das heißt, er muss empirische Kenntnisse über die Veränderungen des zusammengesetzten Körpers erwerben und danach Praktiker sein … Ferner muss er verstehen, das Erkannte zu beweisen, das heißt es erklären können, was philosophische Kenntnisse voraussetzt.53
Auch künstlerisch war Lomonosov tätig. Stellvertretend für zahlreiche künstlerische Arbeiten sei das prächtige Mosaikbildnis zum Gedenken an die Schlacht bei Poltava (1709) genannt; es zeigt Peter I. inmitten des Schlachtgetümmels und ist als Krönung seiner Arbeiten zur Mosaikkunst anzusehen. Im Format von 6,44 × 4,81 m ziert es heute das Treppenhaus im Hauptgebäude der St. Petersburger Filiale der Russischen Akademie der Wissenschaften.
52 Morosow, S. 197 f. 53 Ломоно́сов, Михаи́л Васи́льевич: Elementa chimiae mathematicae. 1741, Lehrsatz 1.
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Abb. I.12: Mosaikbildnis zum Gedenken an die Schlacht bei Poltava aus der Hand Lomonosovs; es setzt sich aus ca. 900.000 einzelnen Mosaik-Teilen zusammen, die auf einer stabilen Kupferplatte aufgebracht sind
Lomonosovs Schriften zur Geologie, zum Berg- und Hüttenwesen Als enzyklopädisch gebildeter Naturforscher und Denker beschritt Lomonosov auf den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft – der Chemie und Physik, der Astronomie und Mechanik, der Geologie, der Mineralogie und Geographie, der Astronomie und Mechanik, der Philosophie und Linguistik – neue Wege. Zu Recht sprach Alexandr Sergeevič Puškin zu Anfang des 19. Jahrhunderts von Lomonosov als dem „größten Geist der Neuzeit, von einem Menschen, der in den Wissenschaften den größten Umschwung herbeigeführt hat, in der sie sich heute bewegen“.54 Und für Puškins Zeitgenossen Alexandr Ivanovič Gercen war dieser berühmte Gelehrte der Typus des Russen, sowohl durch sein encyklopädisches Wissen als durch die Leichtigkeit seines Verständnisses. Er schrieb russisch, deutsch
54 Lomonossow, Ausgewählte Schriften, Bd. 1, S. 2.
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und lateinisch. Er war Bergmann, Chemiker, Dichter, Philolog, Physiker, Astronom und Geschichtsschreiber. Er verfasste zu gleicher Zeit eine meteorologische Dissertation über die Elektricität und eine andere über den Einfall der Waräger in Russland als Antwort auf den Geschichtschreiber Müller, was ihn jedoch nicht hinderte, seine Hymnen und Lehrgedichte zu vollenden. Immer klar und von ruhelosem Wissensdurst erfüllt, skizzirte er seinen Stoff und bemächtigte sich gleich darauf mit staunenswerth leichter Auffassung eins anderen.55
In einer derartigen Vielfalt, die offensichtlich keine Grenzen zwischen den Disziplinen duldete, stieß er in alle Tiefen der Wissenschaft vor und sah deshalb auch in der Natur keine Grenzen. Und es gehörte gleichermaßen zu seinem Selbstverständnis, alles zum Wohl und Nutzen seines heißgeliebten russischen Volkes zu verrichten. In dieser Haltung ist wohl auch seine Neigung zum Montanwesen zu suchen, die sich bis zu seinem Lebensende verfolgen lässt und seine Wurzeln in Freiberg haben dürfte. Hier hatte er das erste Mal Kontakt mit den „Geheimnissen“ der Erde, durfte in die Gruben einfahren, den Hüttenwerkern bei der gefahrvollen Arbeit zusehen und in Henckels Labor in die „Anfangsgründe“ von Chemie und Mineralogie eintauchen. Und während er bei seinem Deutschlandaufenthalt noch Lernender und Suchender war, bot ihm die russische Heimat schließlich umfangreiche Möglichkeiten, das noch lückenhafte wissenschaftliche Mosaik auf eigene Art zu formen, zu ergänzen und zu entwickeln. So schrieb er später in der Abhandlung О слоях земных (Über die Erdschichten) zu seinen Motiven mit bemerkenswerter poetischer Feder: Denn es ist etwas Großartiges, mit Hilfe des Verstandes in die Tiefe der Erde einzudringen, dorthin, wo die Natur den Händen und dem Auge den Zutritt verwehrt, vermittels der Gedanken in der Unterwelt umherzuwandern, mit unseren Überlegungen in enge Erdspalten einzudringen und in ewige Nacht gehüllte Dinge und Vorgänge ans Licht der Sonne zu befördern.56
Mit den Arbeiten zur Ordnung und Systematisierung des Mineralien-Katalogs der Kaiserlichen Kunstkammer war er das erste Mal mit Mineralogie und Geologie seiner Heimat enger in Kontakt gekommen – was ihn wohl auch veranlasst haben dürfte, bereits 1742 mit vorbereitenden Arbeiten zu einer Monographie zu beginnen, die sich nicht nur schlechthin auf Bergbau und Hüttenwesen beschränken, sondern alle damit in Zusammenhang stehenden Prozesse umfassen sollte. Zur Disposition standen mithin die allgemeine Mineralogie wie auch die Spezifik der Metallurgie, die Suche und Erkundung, das Markscheidewesen, das Probieren
55 Herzen, Alexander: Rußlands sociale Zustände. Aus dem Russischen. Hamburg 1854, S. 97–98. 56 Vgl. nachfolgende Übersetzung der Zweiten Beilage (Kap. 7).
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von Erzen und Metallen sowie deren Aufbereitung und Verhüttung, schließlich auch Abbau und Wetterführung. Zu gleicher Zeit reiften auch Erkenntnisse zu weiteren grundsätzlichen Fragen der Erdgeschichte, so dass man das gesamte Schrifttum durchaus im Zusammenhang bewerten muss. Eine wesentliche Grundlage dafür bildete die Analyse des bergbaukundlichen Wissens seiner Zeit, wofür er die oben genannten wichtigsten Fachbücher europäischer Gelehrter analysierte, rezipierte und mit den in Deutschland gewonnenen Erkenntnissen abglich. Seine Arbeiten reflektieren deshalb nicht nur den Stand der bis zum 18. Jahrhundert gewonnenen mineralogischen, geologischen, chemischen und hüttentechnischen Erkenntnisse, sondern versuchen auch, die von ihm wahrgenommenen geologischen Phänomene an der Erdoberfläche und im Erdinnern zu deuten und zu bewerten. So befasst er sich gleichermaßen mit der Wirkung exogener Kräfte wie Wind, Wasser, Frost, Eis und Temperaturschwankungen, setzt sie ins Verhältnis zu endogenen Ursachen wie Erdbeben und Vulkanausbrüchen und gelangt so zu theoretischen Erwägungen bezüglich geologischer Erscheinungsformen der Erde. Dass er dabei auch aktuelle Erkenntnisse einzuarbeiten wusste, zeigt das „Problem Quecksilber“ – also die bis dahin verbreitete Annahme, dass dieses Element mit den besonderen Eigenschaften „auch in der schlimmsten Kälte nicht erstarren kann“. Sein ehemaliger Lehrer Henckel hat zu des „Queck-Silbers wunderbare Natur und Eigenschafften“ noch keinerlei Versuche beschrieben; ihn überraschte lediglich, dass dieser tausendkünstige Scherwentzel sich sonsten durch die Kunst in vielerley Gesichter und Larven zu finden weiß; Es müßte den seyn, daß wir diesen Purschen in Ertzen nicht allemahl wohl kennten, noch die Larve ihm recht abzuziehen wüßten, wie es mir denn immer scheinen will, als wenn er sich in Arsenic und dergleichen flüchtigen metallischen Cörpern verstecke, und darinnen seyne Geckery treibe.57
Bereits Anfang 1760 hatte Lomonosov seine Auffassungen zur Wärme in dem Aufsatz Рассуждение о твердости и жидкости тел (Gedanken über den festen und flüssigen Zustand von Körpern) dargelegt und die gemeinsam mit dem Physiker und Akademiemitglied Joseph Adam Braun unternommenen Experimente zur Erzeugung künstlicher Kälte beschrieben. Braun gelang es schließlich im Dezember 1759, Quecksilber mit einer Mischung aus Schnee, „Scheidewasser“ (Salpetersäure) und „Vitriolöl“ (Schwefelsäure) zur Erstarrung zu bringen. Die Resultate stellten beide am 6. September 1760 der Akademie in russischer Sprache vor, wobei Braun die Bedingungen des Versuchs beschrieb, Lomonosov
57 Henckel, Johann Friedrich: Pyritologia, Oder: Kieß-Historie. Leipzig 1725, S. 172.
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hingegen eine theoretische Erklärung versuchte. Unter dem Titel De admirando frigore artificiali, quo mercurius est congelatus (Über bemerkenswerte Kälte, die künstlich erzeugt wurde, wobei das Quecksilber erstarrt ist) wurde das sensationelle Ergebnis schließlich in dem auch dem Ausland überstellten Periodikum Commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae veröffentlicht und damit international bekannt gemacht.58 Auf die von Lomonosovs 1763 fertiggestellten Anfangsgründe hatte das Ergebnis allerdings keinen Einfluss mehr. Lomonosovs wissenschaftlichem Œuvre ist allzeit große Bedeutung beigemessen worden – nicht zuletzt, da er sich wie kein anderer seiner Zeit um die Beförderung der Wissenschaften bemüht hat und beispielweise auch die 1755 erfolgte Gründung der nach ihm (1940) benannten Moskauer Universität initiierte. Eine besonders starke Beachtung fand er vor allem nach Ende des Zweiten Weltkrieges.59 So erfolgte neben der Veröffentlichung zahlreicher Forschungsarbeiten im Zeitraum von 1950 bis 1983 die Edition der Gesammelten Werke in elf Bänden.60 Die Schriften zu Geologie sowie zum Berg- und Hüttenwesen sind im Band V zusammengefasst und bildeten auch die Grundlage für die vorliegenden Übersetzungen, wobei gemäß dem Anliegen dieses Buches folgende Titel zur Disposition standen:61 1. Catalogus minerarum a. Katalog der Gesteine und Fossilien des Mineralogischen Kabinetts der Kunstkammer der Akademie der Wissenschaften b. Russische Übersetzung des Mineralien-Katalogs 2. Zwanzig Berichte bzw. Gutachten zu Mineralproben aus dem russischen Reich 3. Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben 4. Alleruntertänigster Antrag an den Regierenden Senat über das Sammeln von Mineralproben 5. Auszug aus der Instruktion für das Sammeln von Mineralproben 6. Anfangsgründe der Montan-Wissenschaften
58 Die Commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae bildeten das erste Periodikum der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften; es erschien ab 1726. 59 Vgl. Hoffmann, Lomonosov, S. 267–280 (Lomonossow-Bibliographie). 60 Ломоно́сов, Полное собрание. Zu den Einzelausgaben siehe http://feb-web.ru/feb/lomonos/default.asp?/feb/lomonos/texts/lo0/lo5/lo5.html (30.6.2017). 61 Ломоно́сов, Труды по металлургии.
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7. Anfangsgründe des Berg- und Hüttenwesens a. Erste Beilage – Über den natürlichen Wetterzug in Bergwerken b. Zweite Beilage – Über die Erdschichten 8. Mitteilung über die Verfassung einer Mineralogie Russlands 9. Programm einer allgemeinen Mineralogie 10. Künstliche Versteinerungen. Aus den Schriften wurden für die vorliegende Übersetzung jene Texte ausgewählt, die sich für die Themen Geologie sowie Berg- und Hüttenwesen besonders empfehlen. Wie bereits erwähnt, findet deshalb der Catalogus minerarum keine Berücksichtigung.
Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben (1)62 Die unter dem 6. September 1757 datierte Rede wurde von Lomonosov zunächst in Russisch abgefasst und lautete in vollständiger Form Слово о рождении металлов от трясения земли, на торжественный праздник тезоименитства Ее Императорского Величества великие Государыни Императрицы Елисаветы Петровны самодержицы всероссийские в публичном собрании Императорской академии наук сентября 6 дня 1757 года, говоренное коллежским советником и профессором Михайлом Ломоносовым (Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben, gehalten zur Namentagsfeier Ihrer Kaiserlichen Hoheit und großmächtigen russischen Selbstherrscherin, der Kaiserin Elisabeth Petrovna, am 6. September 1757 auf der öffentlichen Versammlung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vom Kollegienrat und Professor Michailo Lomonosov). Lomonosov übersetzte sie anschließend ins Lateinische und gab ihr den Titel Oratio de generatione metallorum а terrae motu, habita in solemni conventu quo Academia Scientiarum lmperialis diem lustricum Elisabetae augustae autocratoris omnium Rossiarum celebravit IIX. Id. Sept. Anno MDCCLVII. Auctore Michaёle Lomonosow, consilario et professore chymiae. Petropoli, typis Academiae Scientiarum. Auf der öffentlichen Festversammlung der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften am 6. September 1757 trug er jedoch die russische Fassung vor. Noch im gleichen Jahr erschienen beide Fassungen in gedruckter Form.63 Eine
62 Die angefügten Zahlen in der Klammer verweisen auf die jeweiligen Kapitel der übersetzten Texte. 63 Die nachfolgende Übersetzung folgt der russischen Originalausgabe, Abweichungen vom lateinischen Original wurden mithin nicht berücksichtigt.
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Abb. I.13 und I.14: Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben – Titel des lateinischen und des russischen Originals
erste deutsche Fassung erschien 1961 anlässlich des 250. Geburtstages von Lomonosov.64 Veranlasst wurde diese Arbeit durch die Nachricht, dass Portugal und die Küsten Spaniens durch ein verheerendes Erdbeben im Jahre 1755 den Tod von 100.000 Menschen zu beklagen hatten. Auch vom Beben im Jahre 1746 in Peru – man berichtete von 451 Erdstößen und mehr als 8.000 Toten – erhielt Lomonosov Kenntnis.65 Er stellte sich jedoch nicht die von vielen Zeitgenossen gestellte Frage, wie ein „erzürnter Gott“ dieses Übel zulassen könne, sondern bemühte sich vielmehr um eine tiefgründige wissenschaftliche Erklärung: Derartige „Ursachen von Naturgeheimnissen“ sind vor allem das Resultat eines „unterirdischen Feuers“, das überall tätig ist und an verschiedenen Stellen – unabhängig von Klima und geographischer Lage – den Weg an die Oberfläche sucht. Hilfreich dabei wäre auch der im Erdinnern vorhandene „Schwefelstoff“, der dem Feuer ständig neue Nahrung gäbe und dabei „die Flammen in die Luft spie“.
64 Lomonossow, Ausgewählte Schriften, Bd. 1, S. 361–391. 65 Ломоно́сов, Труды по металлургии, Приложения к работе 11.
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Lomonosov verweist dabei auf die ihm bekannten „Feuer speienden Berge“ am Polarkreis – zum Beispiel die Hekla in Island. Dabei rechnet er den Erdbeben auch eine wesentliche Rolle bei der Bildung und Verteilung, schließlich der Paragenese der Metalle zu. Mit dem Versuch einer Klassifizierung der Erdbeben in mehrere Stufen – bei der ersten erzittert die Erde unter häufigen und leichten Stößen und die Wände der Gebäude bekommen Risse, bei der zweiten schwillt die Erde an, wird gehoben und bricht wieder zusammen, die dritte, bei der sich die Erdoberfläche wellenförmig bewegt, ist am unheilvollsten; denn die Erde öffnet ihre Schlünde vor den schwankenden Gebäuden und den schreckensblassen Menschen und verschlingt sie – begründet er gleichzeitig die Idee von den „wellenförmigen Schwankungen der Erdoberfläche“ und befruchtete damit die geologische Diskussion jener Zeit. Denn nach seiner Meinung befände sich die Erde in ständiger Veränderung, in deren Resultat z.B. auch die Erzlagerstätten gebildet würden, sich der Meeresboden hebe und senke, mit Mineralien gefüllte Spalten und Klüfte im Gestein entstünden (das „Wachsen der Gänge“) – das „Antlitz der Erde“ sich also permanent verändere. Begriffe wie Paragenese, Diagenese, Erosion, Sedimentation, Zementation und Kristallisation werden zwar noch nicht genannt, in ihrem Wesen allerdings bereits hinreichend charakterisiert und thematisiert. Angesichts der zu jener Zeit heftig diskutierten Thesen zwischen „Neptunisten“ und „Plutonisten“,66 die noch 100 Jahre später kaum eindeutig aufgelöst schienen, bildet das von Lomonosov Erarbeitete einen beachtenswerten theoretischen Baustein bezüglich der Herausbildung der geologischen Wissenschaften, zumal es in der Schrift Über die Erdschichten (Kap. 7) seine weitere Vervollkommnung erfuhr.
Alleruntertänigster Antrag an den Regierenden Senat über das Sammeln von Mineralproben von Kollegienrat und Professor Michail Lomonosov (2) Mit diesem mit größter Sorgfalt ausgearbeiteten Antrag verfolgte Lomonosov die Absicht, die Voraussetzungen für eine russische Mineralien- und Gesteinskunde zu schaffen; denn bis dahin gab es lediglich die Mineraliensammlung in der Kunstkammer, die keineswegs als repräsentativ für Russland angesehen werden konnte – nicht nur, dass sie noch relativ unvollständig war, sie enthielt auch sehr viele Mineralien ausländischer Lagerstätten. Als Vorteil erwies sich, dass Lomo-
66 Vgl. Voigt, Johann Karl Wilhelm von: Mineralogische und bergmännische Abhandlungen. Leipzig 1789, sowie Beust, Friedrich Konstantin von: Kritische Beleuchtung der Werner’schen Gangtheorie aus dem gegenwärtigen Standpunkte der Geognosie. Freiberg 1840.
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nosov über ein leistungsfähiges Laboratorium verfügte und durch seine Ausbildung bei Henckel ausreichend Kenntnisse der angewandten Mineralogie besaß. Da für die genaue Bestimmung der Mineralien nur wenige Hilfsmittel zur Verfügung standen, war die chemische Analyse äußerst hilfreich. Problematisch war jedoch, weitere Mineralien aus dem riesengroßen Land zu sammeln und nach St. Petersburg zu weiteren Untersuchungen zu schicken. Er empfiehlt deshalb dafür „robuste Erzschürfer“ mit dem Argument: „Jeder dieser Erzschürfer ist leistungsstärker als Tausende Sachsen.“67 Diese Metapher führt schließlich zu den Kräften der Natur, die er dafür zu nutzen gedachte. So fixierte er seine Ideen in einer acht Paragraphen umfassenden Instruktion, die gedruckt und in die jeweiligen Ortschaften geschickt werden sollte. Der entsprechende Antrag wurde am 7. Juni 1761 von Lomonosov eigenhändig unterzeichnet.68
Auszug aus der Instruktion für das Sammeln von Mineralproben (3) Dem oben genannten Antrag folgte noch im selben Jahr eine entsprechende Instruktion mit dem Titel Определение Канцелярии Академии Наук о подаче мнений академиками по поводу представления Ломоносова об изыскании в России неизвестных руд, дорогих металлов и камней (Verordnung der Kanzlei der Akademie der Wissenschaften über das Einreichen von Stellungnahmen der Mitglieder der Akademie anlässlich des Vortrages von Lomonosov zum Auffinden noch unbekannter Vorkommen von Erzen, Edelmetallen und Edelsteinen in Russland).69 Vor Inkrafttreten wurden jedoch die Mitglieder der Akademie zu Stellungnahmen „über das Auffinden noch unbekannter Vorkommen von verschiedenen Erzen, Edelmetallen und Edelsteinen“ aufgefordert; den entsprechenden Antrag (vom 16. Juli 1761) unterschrieben Lomonosov, der Leiter der Akademischen Kanzlei Johann Kaspar Taubert, der Professor der Poesie und Rhetorik Jacob von Stählin und der Sekretär Michael M. Gur’ev. Eine Reihe von Gelehrten unterstützte diese Instruktion vorbehaltlos, da sie den Nutzen des Unternehmens für den Staat sowie die Wissenschaft erkannte. Dazu gehörten beispielsweise der Historiker Johann Eberhard Fischer, der Lehrer
67 Alleruntertänigster Antrag (Kap. 2). 68 Das Konzept wurde erstmals 1828 im Горный журнал (Gornyi Zhurnal) abgedruckt. Das seit 1825 erscheinende Periodikum ist die älteste russische und eine der ältesten internationalen wissenschaftlich-technischen und industriellen Monatszeitschriften. 69 1828 erschien auch diese Konzeption im Горный журнал.
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am Akademiegymnasium und Übersetzer Grigorij Vasil’evič Kozickij, der Adjunkt Nikolaj Nikolaevič Motonis, der Anatom Aleksej Protasevič Protasov und der Mathematiker und Schüler Leonhard Eulers Semjon Kirillovič Kotel’nikov. Joseph Adam Braun (Mitglied, Physiker und Meteorologe) und Johann Gottlob Lehmann (Chemiker, Direktor des Kaiserlichen Museums) gaben ihre Unterstützung jedoch nur unter der Bedingung, dass das von Lomonosov empfohlene Verfahren zum Sammeln von Erzproben auch realisiert werden würde. Hingegen hielten Franz Ulrich Theodor Epinus (Mitglied, Physiker, Astronom) und Johann Ernst Zeiher (Mitglied, Physiker) das Verfahren für undurchführbar und unzuverlässig. Auf einer außerordentlichen Professorenversammlung sollte schließlich nochmals eine Anhörung stattfinden, um über Weiteres zu befinden; diese fand jedoch nicht statt, und so verlief das Vorhaben im Sande.70 Lomonosovs von Zuversicht geprägter Glaube an den Forscherdrang der russischen Jugend, die Hoffnung, breite Kreise der Bevölkerung in die Erforschung seiner Heimat einbeziehen zu können und damit umfangreiche Materialien für die geplante Mineralogie Russlands zu erhalten, scheiterte somit vorerst an der Engstirnigkeit der Verantwortungsträger.
Anfangsgründe der Montan-Wissenschaften (4) Der Entwurf zur Monographie Первые основания металлургии или оудных дел (Anfangsgründe des Berg- und Hüttenwesens) trug zunächst den Titel Первые основания горной науки (Anfangsgründe der Montan-Wissenschaften). Mit den Ausarbeitungen dazu begann Lomonosov bereits 1742, also kurz nach seiner Rückkehr aus Deutschland und im Zusammenhang mit den Arbeiten am Mineralien-Katalog. Möglicherweise war ihm noch Henckels Standpunkt in Erinnerung geblieben, der kritisierte, dass die Studien, insonderheit die Physicalischen beym Bergwerck nicht im gehörigen Werth stehen und … denen Herren Gelehrten, Grillenfängern und Stuben-Physicis zur NaturalHistorie nicht als schlechterdings unentbehrlich angesehen seyn, noch schmecken will. Mit einem Wort: Warum solte es nicht angehen, daß junge Leute in Bergstädten auf Schulen gleich ausgelesen würden, und nebst denen Schul-Sachen zugleich auf Mineral-Wissenschafften zur Erkäntniß der Natur … geschickt gemacht ... und mit vielen andern, wo nicht allemahl gar unnützen, doch weit geringern Dingen in Schulen verschonet würden.71
70 Ломоно́сов, Труды по металлургии, Приложения к работе 13. 71 Henckel, Pyritologia, S. 216 f.
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Henckel sprach also von „Mineral-Wissenschaft“ – Lomonosov nannte sie „BergWissenschaft“72 und wagte sich damit an einen neuen Wissenschaftsbegriff, indem er in einem ersten bescheidenen Ansatz diese „Berg-Wissenschaft“ als eine Wissenschaft definierte, „die lehrt, Mineralien zu erkennen, aufzufinden und in einen solchen Zustand zu versetzen, dass sie der menschlichen Gesellschaft nützen können“.73 Sie sollte also einen ganzen Komplex von speziellen Wissensbereichen, die zur Mineralogie, zum Bergbau an sich und zur Metallurgie gehören, umfassen. Aus wissenschaftshistorischer Sicht kann diese Position nicht hoch genug bewertet werden, vermittelt sie doch einen Eindruck von der Reife und Gediegenheit der Vorstellungen, die Lomonosov bezüglich der Herausbildung einer entsprechenden Wissenschaftsdisziplin bereits formulierte. Ursprünglich waren dafür folgende zehn Teile vorgesehen, wie aus dem Fragment des erhalten gebliebenen Manuskripts zu entnehmen ist: 1. Die Naturgeschichte aller Mineralien 2. Beschreibung der Erze (der natürlichen Mischung der Mineralien) 3. Bestimmung von Erzvorkommen, Definition der Eigenschaften von Erzgängen sowie anderer Faktoren, die man bei der Suche nach Erzen kennen sollte 4. Beschreibung der Gruben und der Bergmaschinen 5. Instrumente und Methoden zur Vermessung von Gebirgen und Gruben 6. Die Kunst des Probierens 7. Aufbereitung und Waschen der Metalle und der Mineralien aus den Erzen 8. Maschinen, Instrumente und Methoden für das Schmelzen von Erzen 9. Destillation und Aufschluss der Halbmetalle, der brennbaren Mineralien und der verdickten mineralischen Säfte 10. Die Herstellung von Mineralfarben und anderen für die Gesellschaft „nützlichen mineralischen Substanzen“. Allerdings behandelt Lomonosov die Thematik lediglich in 35 Paragraphen, wobei anzunehmen ist, dass er bei der Ausarbeitung der Schrift einer Fülle neuartiger Probleme gegenüberstand und sich deshalb veranlasst sah, das wesentlich umfangreichere und 185 Paragraphen umfassende Werk Anfangsgründe des Berg- und Hüttenwesens in Angriff zu nehmen. Die vorliegende Übersetzung beschränkt sich deshalb auf das Einführungskapitel (§§ 1–13), was auch den direkten Vergleich mit der sehr viel umfangreicheren Schrift ermöglichen soll.
72 In diesem Sinne entspricht sie also einer Montan-Wissenschaft – (lat. montanus = „die Gebirge, die Berge betreffend“). 73 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 367.
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Die „Anfangsgründe des Berg- und Hüttenwesens“ (5) Das umfangreichste Vorhaben bildeten allerdings die Arbeiten zu einer Monographie über das Berg- und Hüttenwesen, in die sämtliches Erfahrungswissen aus seinem Deutschlandaufenthalt, seiner Tätigkeit in den Laboren und an der Akademie sowie dem Studium relevanter Fachliteratur einfließen sollte. Offensichtlich verwendete er dafür zunächst das Manuskript zu den Anfangsgründen der Montan-Wissenschaften. Für die Gliederung beschränkt er sich nun auf fünf Teile, untergliedert diese jedoch in einzelne Kapitel, wobei der Focus auf Mineralogie, Bergbau und Metallurgie beibehalten werden sollte. Dabei war es ihm wichtig, alle Sachverhalte in einer praktikablen und verständlichen Form darzulegen, mithin ein Übermaß an Wissenschaftlichkeit tunlichst zu vermeiden. Er verzichtet deshalb auch auf historische Betrachtungen. Möglicherweise hatte er bereits die späteren Rezipienten im Blick, sollte das Werk doch seinen Weg in alle russischen Bergbauunternehmen finden und auf diese Weise dem Staat erheblichen Nutzen bringen. Ein derartiger Standpunkt scheint das Resultat einer durchaus kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Fachliteratur und deren Praxis zu sein, nebensächliche Details sehr breit zu behandeln und alle möglichen Fälle überaus gründlich zu diskutieren. Entsprechend kritisch weiß er anzumerken: „Im Deutschen Land verfasste man diese Werke in solch einer Sprache, die von anderen Deutschen nicht verstanden werden konnte.“74 Und er unterstreicht diese kritische Anmerkung noch im Vorwort, das zudem seine humanistische Position erkennen lässt: Beinahe alle Schriftsteller, die über das Schmelzen der Erze geschrieben haben, haben ihre Schriften mit so viel Überflüssigem angefüllt (Agricola), dass man denken könnte, sie seien für die minderjährigen Kinder (Stoßjungen)75 gedacht, die in Sachsen das Erz zerkleinern und die ungeachtet der aufgeklärten Zustände der Gegenwart noch an vielen Orten Arbeiten verrichten, welche eigentlich von Stampfmühlen geleistet werden müssten. Man könnte diese leicht einrichten, um die Arbeit zu beschleunigen und die minderjährigen Kinder zu schonen, die in ihrem zarten Alter durch eine so schwere Arbeit und den giftigen Staub ihre Gesundheit schädigen und sich für das ganze Leben zum Krüppel machen – eine Tatsache, die zeigt, wie viel eine alteingewurzelte Gewohnheit vermag.76
Unter dem Titel Первые основания металлургии или рудных дел (Anfangsgründe des Berg- und Hüttenwesens) wurde das 428 Seiten umfassende und mit
74 Ломоно́сов, Труды по минералогии, Приложения. 75 Im russischen Original in Deutsch geschrieben. 76 Vgl. nachfolgende Übersetzung der Anfangsgründe (Kap. 5).
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Abb. I.15 und I.16: Первые основания металлургии или рудных дел – Titel des handschriftlichen Originals und des 1763 im Druck erschienenen Buches
acht ganzseitigen Kupfertafeln ausgestattete Werk schließlich 1761 fertiggestellt und zum Druck freigegeben; jedoch dauerte die Fertigstellung in der akademischen Druckerei erhebliche Zeit, so dass es erst 1763 erscheinen konnte. Die fünf Hauptteile behandeln folgende Themen: 1. Über Metalle und andere mit ihnen in der Erde befindliche Minerale 2. Über Erzlagerstätten und Erzgänge und deren Suche 3. Über das Vorrichten von Erzgruben 4. Über das Probieren von Erzen und Metallen 5. Über das Scheiden von Metallen und Mineralen aus Erzen. Das enzyklopädisch aufgebaute, zumal in Russisch abgefasste Buch zeugt von einem außerordentlich hohen theoretischen Niveau und erreichte damit Lehrbuchcharakter. Da sich der noch in Entwicklung befindliche russische Bergbau bislang lediglich auf praktisch gewonnenes Erfahrungswissen stützen konnte und ausländische Fachliteratur aufgrund unzureichender Sprachkenntnisse kaum rezipiert wurde, erlangte das von Lomonosov erarbeitete methodologische Arsenal erhebliche Bedeutung für den Bergbau und das Hüttenwesens Russ-
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lands, umfasste es doch zugleich alle für diese Zeit wichtigen Fragen der Suche und Erkundung, der Errichtung und des Ausbaus von Schächten und Stolln, der Förderung, Wasserhaltung, Wetterführung und Vermessung von Grubenfeldern. Eine derartige Fülle von Fakten zu erarbeiten, setzte vor allem ein gründliches Studium relevanter Fachliteratur voraus. Aber da Lomonosov über die wichtigsten Werke verfügte, darf gefolgert werden, dass er diese im Laufe der Jahre auch intensiv studiert und ausgewertet hat. Nicht zuletzt empfahl er darüber hinaus zahlreiche Neuerungen – z.B. die Wasserkünste auch zum Zweck der Förderung von Erzen und Gesteinen einzusetzen. Und bezüglich der Metallurgie lässt sich einschätzen, dass er mit den Anfangsgründen zugleich einen Beitrag zur modernen technischen Chemie gelegt hat. So haben noch heute zahlreiche von ihm formulierte Kriterien Einzug in die Analytik gefunden, also ihre Bedeutung keineswegs verloren. Lomonosovs Referenz an die sächsischen Gelehrten und ihre Werke fand auch darin Ausdruck, dass er seinem Buch acht Seiten Kupferstiche mit 44 ausgewählten Abbildungen beifügte, die er hauptsächlich Agricolas Hauptwerk De re metallica libri XII entnahm. Gegenüber den Originalen wurden sie nur geringfügig verändert, ein Teil wurde jedoch ergänzt oder aktualisiert. Wie beim originalen Vorbild, versah Lomonosov die Abbildungen mit Buchstaben zur Kennzeichnung aller wichtigen Teile und erläuterte diese ausführlich im Text. Auch zahlreiche Textpassagen folgten Agricolas Konzeption – oft mit vergleichbarem Inhalt, jedoch stets in gebotener Kürze und Eindeutigkeit. Aber es wurden auch andere Vorbilder bemüht, z.B. Georg Engelhard(t) von Löhneiß sowie sein ehemaliger Lehrer August Beyer – er erwähnt diesen im § 71 der zweiten Ergänzung Über die Erdschichten ebenso wie die Aula Subterranea des berühmten „Bergk- und Müntz-Meisters im Königreich Böhmen“ Lazarus Ercker.77 Während zahlreiche Zeichnungen fast original übernommen wurden – im Falle eines Ofens neuerer Bauart zur Gusseisengewinnung auch von dem schwedischen Gelehrten Emanuel Swedenborg78 –, gibt es zudem mit Ergänzungen oder Änderungen versehene, dem technischen Fortschritt geschuldete Umzeichnungen. Hieran ist abzulesen, dass Lomonosov durchaus auf der Höhe der Zeit stand und technische Fortschritte genau verfolgte.
77 Ercker, Lazarus: Aula Subterranea Domina Dominantium Subdita Subditorum. Das ist: Untererdische Hofhaltung / Ohne welche weder die Herren regiren / noch die Unterthanen gehorchen können. Frankfurt/M. 1672. 78 Swedenborg, Emanuel: Regnum subterraneum, sive minerale de ferro. Dresden und Leipzig 1734.
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Abb. I.17 und I.18: Die um 1540 erfundene Ehrenfriedersdorfer Radpumpe mit angehängten Saugsätzen – links das Original, rechts die Kopie von Lomonosov
Mit Rücksicht auf die spätere Rezeption des Fachbuches sollten die Zeichnungen als Hilfe und Unterstützung in der täglichen Praxis dienen, zumal nur ein geringer Teil der interessierten Berg- und Hüttenleute über die Fertigkeit des Lesens verfügte und grafische Darstellungen technischer Sachverhalte bekanntermaßen über einen sehr viel größeren Informationsgehalt als verbale Informationen verfügen. Zur Verdeutlichung seien einige der Abbildungen den originären Vorbildern gegenübergestellt. Neu für jene Zeit war auch die kritische Haltung zu verschiedenen überlieferten Annahmen, zum Beispiel zur „Wünschelrute“, zu der bereits Agricola meinte, dass sie „keinem frommen und ernsthaften Mann nützen könne und sich nur bei jenen zu bewegen pflege, die sie mit Zauberformeln oder schlauen Kunstgriffen benutzen“.79 Ganz in diesem Sinne zeigt sich auch Lomonosovs Haltung:
79 Im zweiten Buch des De re metallica libri XII.
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Abb. I.19 und I.20: Das Kehrrad zum Wasserheben – links das Original, rechts die Kopie von Lomonosov mit den gleichen Fehlern (Die Befestigung der Welle ist unzureichend, das umlaufende Seil nicht wechselseitig angeordnet, kann somit nicht funktionieren)
Manche glauben, es sei die Naturkraft, über die manche Metalle verfügen, so dass diese die Rute zu sich heranziehen können. Die alltägliche Kunst des Suchens und der gesunde Verstand lehren aber, dass kein Metall solch eine Eigenschaft aufweisen kann, weil sich die genannten Ruten nicht bei jedem Menschen und nicht an jeder Stelle in Richtung der Erzgänge oder der Metalle bewegen oder, einmal geneigt, nicht weiter angezogen werden. Sollten also diese Gegebenheiten tatsächlich real sein, so müssten die unumstößlichen Naturgesetze ungeachtet des Zeitpunkts und der Person überall und immer dieselbe Wirkung zeigen. Das Ganze gleicht einer Kinderuhr, wo man einen Knopf mit einem Faden, der an einem Finger angebunden ist, über einem Glas Wasser derart hin und her bewegt und dabei gegen den Glasrand schlägt, dass er dadurch die Uhrzeit anzuzeigen vermag.80
Gleichermaßen mahnt er eine humanitäre Haltung gegenüber den Bergleuten an, forderte eine gerechte Bewertung ihrer schweren Arbeit und den Fragen der Bergbausicherheit größere Bedeutung beizumessen.
80 Vgl. nachfolgende Übersetzung der Anfangsgründe (Kap. 5).
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Abb. I.21 und I.22: Feldgestänge aus dem Buch von Löhneiß, unten die Kopie von Lomonosov
Die St. Petersburger Akademie war von dem Werk derart überzeugt, dass sie es als Handbuch an alle Berg- und Hüttenwerke in den Ural, den Altai und alle anderen Gegenden Russlands sandte, um Grubenbesitzern und Bergleuten das
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spezifische Wissen zur Verfügung zu stellen.81 Da zu jener Zeit eine Vielzahl neuer Lagerstätten entdeckt wurde – allein im Ural errichtete man in den Jahren 1751 bis 1763 66 neue Hüttenwerke, so dass die russische Eisenindustrie bald den ersten Platz in der Welt belegen konnte –, erwiesen sich die theoretischen Erörterungen bei der weiteren Suche und Erkundung als äußerst hilfreich. Zu Recht betont Lomonosov: „Die Metallurgie ist die Vorbedingung für den gesamten inneren Reichtum.“ In diesem Zusammenhang mahnte er besonders die Ausbildung von entsprechenden Fachleuten an, empfahl jedoch auch, „die Jungen und Mädchen“ für die Suche nach Stein-, Sand-, Lehm- und Felsproben zu begeistern, um auf diesem Wege – „ohne Überlastung des Volkes“ – neue Lagerstätten zu erkunden. Wie wichtig Lomonosovs Strategie zur Erschließung seiner Heimat war, lässt sich letztendlich auch durch einen Vergleich mit jenen Ländern ermessen, die diesbezüglich erhebliche Defizite aufzuweisen hatten. Der britische Geologe Charles Lyell äußerte sich am Anfang des 19. Jahrhunderts unüberhörbar kritisch und schrieb – im Zusammenhang mit den in Frankreich, Deutschland und Ungarn eingerichteten Bergakademien bzw. Bergschulen – zur Situation in seiner Heimat: Die Bergleute in England sind sich fast ohne den Beistand eines wissenschaftlichen Werkes über Bergbaukunde selbst überlassen; eine wissenschaftliche Anstalt fehlt ihnen ganz, und sie müssen daher zu Erlangung eines gewissen Grades von praktischen Kenntnissen ihren eigenen Weg tappen. Wie nachtheilig ein solches System für ein Land ist, in dem so viele und so bedeutenden Geldsummen an Bergwerksunternehmungen gewendet und oft verschwendet werden, ist sehr gut von einem ausgezeichneten praktischen Bergmann … auseinandergesetzt.82
Erste Beilage – Über den natürlichen Wetterzug in Bergwerken (6) Den Anfangsgründen sind zwei Ergänzungen beigefügt. In der ersten äußert sich Lomonosov Über den natürlichen Wetterzug in Bergwerken (О вольном движении воздуха). Zu dieser Thematik hatte er bereits 1744 vor der Akademischen Versammlung mit der Schrift De motu aeris in fodinis observato Stellung genommen, die schließlich 1750 in den Commentarii der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften veröffentlicht wurde. Lomonosov hatte diese besondere und auf physikalischer Grundlage beruhende Luftbewegung – den Wetterzug – schon in den sächsischen Gruben beobachtet und erstmals wissenschaftlich zu deuten
81 Morosow, S. 379 f. (Das „Erdinnere“). 82 Lyell, Carl: Lehrbuch der Geologie. Quedlinburg, Leipzig 1833, S. 50.
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versucht. Unterstützung fand er hierfür bei Agricola, der diesen Effekt im fünften Buch des De re metallica libri XII beschreibt: In den Tagen des Frühlings und des Sommers nämlich fließt sie (die Luft) in den höher angesetzten Schacht ein und geht durch den Stolln oder das Feldort und fließt aus dem niedrig angesetzten wieder ab. In der Herbst- und Winterszeit dagegen tritt die Luft in den niedriger gelegenen Stolln ein und geht aus dem höhergelegenen hinaus.83
Ganz in diesem Sinne berichtet Lomonosov über seine Erfahrungen: Während des Studiums der Chemie und des Bergbaus in Freiberg in Sachsen habe ich bei der Besichtigung von Erzgruben mehrmals eine Luftbewegung bemerkt, die in den Schächten und Stolln – auch bei stillstem Wetter ohne jeglichen Einsatz von irgendwelchen Maschinen, also ohne Zutun – zu spüren war und wodurch die Kerzen und Lampen der Bergleute erloschen. Ich hatte damals keine Gelegenheit gefunden, nach den Ursachen dieser zu forschen, gehörte doch meine ganze Aufmerksamkeit vielmehr der Praxis, die sich überall und in Fülle meinen Augen darbot. Als ich allerdings, in mein Vaterland zurückgekehrt, im Begriff war, diese Abhandlung zu verfassen – was 1742 geschah – und dazu die Werke unterschiedlicher Autoren sichtete, die sich mit dem Bergbau befasst hatten, fand ich bei Georgius Agricola eine ausführliche Beschreibung der oben erwähnten Erscheinung.84
In seinem Fachbuch findet sich deshalb auch eine entsprechende Abbildung, die er wohl selbst entworfen haben dürfte, denn Agricola selbst beließ es lediglich bei einer verbalen Beschreibung. In diesem Sinne gab er auch Empfehlungen, Schächte, Stolln und Strecken entsprechend dieser Theorie aufzufahren, um somit auf Wettermaschinen verzichten und die Betriebskosten minimieren zu können. Lomonosovs theoretische Erklärung der physikalischen Zusammenhänge stand somit am Anfang der Grubenwetterlehre als Spezialdisziplin der Bergbaukunde; denn die nach zwei Jahrhunderten auf Agricola folgende Montanliteratur bringt nichts wesentlich Neues. Georg Engelhard(t) von Löhneiß sowie Balthasar Rösler85 beschreiben hinsichtlich der Grubenbewetterung zwar sehr viele Einzelheiten, jedoch fehlt eine theoretische Begründung. Erst Lomonosov bemüht das Prinzip der kommunizierenden Röhren sowie die Wirkung des spezifischen Gewichts der Luft, begründet damit ausführlich seine „Lehrsätze“ und untermauert sie durch entsprechende Skizzen.
83 Agricola-Gesamtausgabe (AGA), Bd. 8 (Berlin 1974), S. 168. 84 Vgl. nachfolgende Übersetzung der Ersten Beilage (Kap. 6). 85 Rösler, Balthasar: Speculum Metallurgiae Politissimum, Oder: Hell-polierter Berg-Bau-Spiegel. Dresden 1700.
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Abb. I.23: Lomonosovs Skizzen zum Prinzip des natürlichen Wetterzuges
Es ist bemerkenswert, dass sich der Freiberger Oberberghauptmann Friedrich Wilhelm von Oppel bei der Erarbeitung einer Schrift mit dem Titel Bericht zum Bergbau (1769) in einer Anmerkung zu § 354 (S. 156) auf die entsprechende Veröffentlichung Lomonosovs in den Novis Commentariis Acad. Scient. Imper. Petropolitanis Tomi I, p. 267 bezieht und damit sein Interesse an dessen wissenschaftlicher Begründung belegt. Die kurz nach Gründung der Bergakademie verfasste Schrift behandelt auf ca. 35 Seiten die Einzelheiten der natürlichen und künstlichen Bewetterung und deren Abhängigkeit von der Beschaffenheit von Luft, Temperatur und Luftdruck – ohne jedoch auf die physikalischen Grundlagen Bezug zu nehmen.
Zweite Beilage – Über die Erdschichten (7) Eine zweite Ergänzung widmet sich geologischen Problemen; sie trägt den Titel Über die Erdschichten (О слоях земных) und behandelt geologische Vorgänge sowohl an der Erdoberfläche als auch im Erdinnern (z.B. Vulkanismus, Entstehung von Erzlagerstätten, Sedimentation, Metamorphose u.a.). Lomonosov betrachtet in seinen Aussagen die Natur als Ganzes, trennt also deren Erscheinungen nicht
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voneinander. Er verbindet die Entstehung der Mineralien und Grundgesteine mit geologischen Prozessen und empfiehlt, bei der Erforschung und Interpretation der geologischen Erscheinungen mathematische, physikalische und chemische Methoden anzuwenden. Auch benutzt er diese für die Klassifizierung von Mineralien und die Bestimmung ihrer Morphologie. Erstmals vermisst er dafür auch Kristalle, bestimmt die Kantenwinkel und definiert deren Konstanz – 20 Jahre vor dem französischen Mineralogen Jean-Babtiste Romé de l’Isle und 100 Jahre vor dem französischen Physiker und Kristallographen Auguste Bravais. Allerdings hatte bereits Nicolaus Stensen derartige Beobachtungen zur Konstanz der Kristallwinkel gemacht und seine Annahmen 1669 in Florenz veröffentlicht.86 Lomonosovs Bibliothek verzeichnet Stensens Werk allerdings nicht, so dass davon auszugehen ist, dass er davon keine Kenntnis hatte. Bemerkenswert ist auch die Vorstellung vom „Wachsen der Gänge“, begibt er sich damit doch zugleich in das Gebiet der Erzlagerstättenkunde. Die Erkenntnis, dass Erzgänge nicht auf einmal entstanden sind, sich gegebenenfalls gegenseitig durchsetzen und nicht immer mit Erz gefüllt sein müssen, dürfte er bereits in seiner Freiberger Zeit gewonnen haben. Im § 65 der genannten Abhandlung schreibt er: Die Erzschichten hingegen – oder besser gesagt die Gänge – bestehen aus großen Spalten im Gestein der Berge, die mit Erzen und den gemeinsam mit ihnen vorkommenden Mineralien angefüllt sind; sie wurden in den Anfangsgründen des Berg- und Hüttenwesens, §§ 21, 22, 23, 24 und 27, beschrieben. Daher muss man zur Unterscheidung zwischen Gängen und Flözen die Neigung der Schichten wie auch die Substanzen berücksichtigen.
In diesem Sinne werden zahlreiche Thesen auf den Prüfstand gebracht und seinen Erkenntnissen gegenübergestellt. Mit Bezug auf Abraham Gottlob Werners Neue Theorie von der Entstehung der Gänge (Freiberg 1791) darf Lomonosov für sich in Anspruch nehmen, eine entsprechende theoretische Erklärung sehr viel eher formuliert und veröffentlicht zu haben. An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich Lomonosovs Schrift Anfangsgründe auch in Werners umfangreicher Privatbibliothek befand, die „das große Orakel der Geologie“ – so die Referenz seines englischen Kollegen Charles Lyell – zu fast „allen Feldern menschlicher Wissenschaft und Kunst“ zusammengetragen hatte.87
86 Stenonis, Nicolai: De solido intra solidum naturaliter contento dissertationis prodromus. Florentiae 1669. 87 Lyell, Lehrbuch, S. 51.
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Abb. I.24: Lomonosovs Buch Über die Erdschichten, heraus gegeben vom Verlag Gosgeolisdat, Moskau/Leningrad 1949
Ob der Freiberger Gelehrte, der auch die russische Sprache beherrschte und deshalb über zahlreiche Wörterbücher verfügte, auch die in Russland erschienenen Veröffentlichungen rezipierte, bleibt insofern fraglich, als dazu bislang noch keine weiteren Untersuchungen vorgenommen wurden. Immerhin befanden sich in seiner mehrere tausend Einheiten umfassenden Privatbibliothek, die man bei seinem Ableben teilweise in „ungeordneten Haufen“ oder gar noch in Lieferkisten verpackt vorfand, zahlreiche Bücher zum russischen Montanwesen wie auch zu den umfangreichen Forschungsreisen, die im Auftrag der St. Petersburger Akademie durch das weite Land unternommen wurden.88 Erhalten blieb zudem
88 Werners literarischer Nachlass ist heute Teil des Wissenschaftlichen Altbestands der TU Bergakademie Freiberg, der ca. 22.000 Titel (bis ca. 1850) umfasst. Zur Thematik vgl. auch: Errmann, Elena: Ausgaben von Druckwerken, die auf dem Territorium Rußlands bis zum Jahre 1900 erschienen sind. Aus dem Bestand der Bibliothek der Bergakademie Freiberg. Freiberg 1977.
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eine Reihe von Briefen von russischen Kollegen wie auch persönliche Beurteilungen zu den in Freiberg weilenden russischen Studenten. Der bekannte russische Montanwissenschaftler Vladimir Ivanovič Vernadskij, von 1898 bis 1911 Professor für Mineralogie an der Moskauer Lomonosov-Universität und ab 1912 ebenfalls Mitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften, bewertete die Arbeit Über die Erdschichten nicht nur als ein glänzendes wissenschaftliches Ergebnis, sondern auch als eines der ersten populärwissenschaftlichen Werke der russischen Literatur und urteilt deshalb: „Der Gedanke von der ewigen und unaufhörlichen Veränderung der Natur prägt sein ganzes Werk. Lomonosov ist zu Recht als erster überzeugter Vorbote der Grundlagen der modernen Geologie anzusehen.“89 Die westlich orientierte deutschsprachige Literatur, die sich aufgrund der Sprachbarriere kaum mit den frühen Arbeiten russischer Gelehrter auseinandergesetzt hat, bemüht wenigstens die diesbezügliche Sekundärliteratur und bescheinigt Lomonosov, „aus offensichtlich sorgfältigen Beobachtungen … noch verborgene Faktoren bei der Bildung des Reliefs der Erde“ erschlossen zu haben, nennt ihn deshalb auch einen „Wegweiser für die Zukunft“.90 Eine gründlichere Rezeption seines Schaffens und eine angemessene Bewertung aller montanistischen Schriften blieben bislang allerdings aus. Es ist hier nicht der Platz, sämtliche Paragraphen – insgesamt sind es 185 – zu kommentieren, jedoch verdient die Diskussion um die Herkunft des Bernsteins noch eine abschließende Bemerkung. Lomonosovs Zeitgenossen – er spricht von den „angesehenen Mitgliedern der gelehrten Gesellschaft“ – waren der Ansicht, dieser wäre aus Schwefel und Steinöl (Naphta) entstanden und ein „echter mineralischer Körper“, obwohl dies analytisch keinesfalls nachzuweisen war. Lomonosov jedoch widersprach und wies erstmals auf dessen organische Herkunft hin, nannte vor allem die zahlreichen „Arten von kriechenden und fliegenden Insekten, die das Gegenteil beweisen“. Aber neben seiner von naturwissenschaftlichem Sachversand getragenen Argumentation überrascht und erfreut er den Leser vor allem mit einer Probe seiner bemerkenswerten poetischen Genialität: Wer diesen klaren Beweisen nicht glauben will, der möge sich anhören, was die Würmchen und anderen Insekten, die im Bernstein eingeschlossen sind, erzählen: Die Sommerwärme und den Sonnenschein genießend, ergingen wir uns auf Pflanzen, die durch ihre Feuchtigkeit üppig prangten, und suchten und fanden alles, was zu unserer Nahrung diente; wir genossen die Annehmlichkeit der wohltuenden Jahreszeit und krochen und flogen, angelockt von wohlriechenden Düften, auf Gräsern, Blättern und Bäumen
89 Ломоно́сов, Труды по металлургии, Приложения. 90 Hölder, Helmut: Geologie und Paläontologie in Texten und ihrer Geschichte. Freiburg, München 1960, S. 33.
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umher, ohne von ihnen Unheil zu befürchten. So setzten wir uns auch auf das flüssige Harz, das aus den Bäumen quoll; es hielt uns durch seine Klebrigkeit fest, machte uns zu Gefangenen, und da es unaufhörlich weiter ausfloss, wurden wir von ihm bedeckt und ringsum eingeschlossen. Dann senkte sich unser Wald durch ein Erdbeben, und das Meer ergoss sich darüber; die Bäume stürzten um und wurden – zusammen mit dem Harz und mit uns – von Schlamm und Sand bedeckt; dort drangen im Laufe einer langen Zeit mineralische Stoffe in das Harz ein und verliehen ihm große Festigkeit, mit einem Wort: Sie verwandelten es in Bernstein, in dem wir eine herrlichere Grabkammer erhielten, als sie die vornehmen und reichen Menschen besitzen können. In die Erzadern gelangten wir nicht anders und zu keiner anderen Zeit als das in unserer Umgebung befindliche versteinerte und verfaulte Holz.91
Zu dieser eindrucksvollen wissenschaftlichen Bilanz sei angemerkt, dass es sich bei allen Arbeiten um wissenschaftliche Untersuchungen von erheblicher Tiefe handelte, die es in dieser Form in der russischen Wissenschaft bis dahin noch nicht gab. Auch unter den zahlreichen Mitgliedern der Akademie fand sich zu jener Zeit noch niemand, der Vergleichbares zu leisten vermocht hätte. Lomonosov war somit der erste, der sich mit den Grundfragen von Mineralogie, Geologie und Hüttenwesen wissenschaftlich auseinandersetzte und die deskriptive zugunsten einer experimentellen Herangehensweise verließ, dazu wesentliche kognitive Beiträge erbrachte und diese der internationalen Öffentlichkeit bekannt machte. Nicht zuletzt trug dazu auch seine Mitgliedschaft in der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften92 und die Ehrenmitgliedschaft in der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zu Bologna bei,93 anerkannten diese renommieren Gesellschaften damit doch Lomonosovs außergewöhnliche Beiträge zur Durchsetzung der modernen Ideen der Naturforschung und zur Entwicklung des materialistischen Denkens im Zeitalter der Aufklärung. Der Gelehrte positionierte sich damit in der Reihe jener europäischen Wissenschaftler, die durch ihr Wirken auch die „Entkirchlichung“ der Naturwissenschaften beförderten und auf diesem Wege zu deren Emanzipierung beitrugen. Dementsprechend sind seine
91 Vgl. nachfolgende Übersetzung Über die Erdschichten (Kap. 7), § 157. 92 In einem Brief v. 7. Mai 1760 erwähnt Pehr Wilhelm Wargentin, Sekretär d. Kgl. Schwedischen Akademie der Wissenschaften, Lomonosov lobend: „… er hat sich schon sehr lange mit seinen angesehenen Verdiensten um die Wissenschaften in der gelehrten Welt einen ruhmvollen Namen erworben, und jetzt erklärt und bereichert er die Wissenschaften, vor allen Dingen die physikalischen, mit solchem Eifer und solchen Erfolgen, dass die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften sich zu ihrer Ehre und ihrem Nutzen entschlossen hat, mit diesem vorzüglichen Manne in engere Gemeinschaft zu treten.“ 93 Lomonossow, Ausgewählte Schriften, Bd. 2, S. 250 (Schreiben Lomonosovs an M. I. Woronzow v. 19. Januar 1764).
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Werke auch durchweg von einer materialistischen Grundauffassung geprägt, wie in einer Passage seines Beitrags Über die Erdschichten zum Ausdruck kommt: Dabei ist zuerst und mit Nachdruck daran zu erinnern, dass die sichtbaren körperlichen Dinge auf der Erde und die ganze Welt nicht seit Anbeginn der Schöpfung in dem Zustand waren, in dem wir sie heute vorfinden, sondern dass große Veränderungen vor sich gegangen sind. Ein Vergleich der Geschichte und der alten Geographie mit der heutigen verdeutlicht die Veränderungen der Erdoberfläche, die sich in unserem Jahrhundert vollzogen haben. Wenn sich sogar die großen Himmelskörper, die Planeten und selbst die Fixsterne verändern, am Himmel verschwinden und erneuert auftauchen, kann man dann bei der Erörterung jener so überaus kleinen Teilchen unseres kleinen Erdballs, das heißt der Berge (die in unseren Augen riesige Kolosse sind) annehmen, sie seien frei von Veränderungen? Viele nehmen irrtümlicherweise an, dass alles, was wir sehen, seit Anbeginn vom Schöpfer in der vorliegenden Art erschaffen wurde. Sie glauben also, dass nicht nur die Berge, Täler und Gewässer, sondern auch die verschiedenen Arten von Mineralien gleichzeitig mit der ganzen Welt entstanden sind und halten es deshalb nicht für erforderlich, die Ursachen dafür zu ergründen, warum sie sich in ihren inneren Eigenschaften und hinsichtlich ihres Fundortes unterscheiden. Solche Auffassungen schaden dem Fortschritt aller Wissenschaften erheblich und folglich auch der Erkenntnis über die Natur des Erdballs, besonders aber der Kunst des Hüttenwesens, obgleich es diesen Neunmalklugen nicht einmal schwer fällt, den Philosophen zu spielen, indem sie die Worte „Gott hat es so erschaffen!“ auswendig lernen, um mit diesen anstatt aller Argumente zu antworten.94
Mitteilung über die Verfassung einer Mineralogie Russlands (8) Lomonosovs Arbeiten zum Montanwesen waren damit noch lange nicht erschöpft; denn auf Initiative von Kaiserin Katharina II. (die Große) verfasste er im Dezember 1763 eine gedruckte Mitteilung über die Verfassung einer Mineralogie Russlands (Известие о сочиняемой российской минералогии). Er beabsichtigte damit, das allgemeine Wissen zu den mineralischen Ressourcen zu verbessern und zur Hebung des Berg- und Hüttenwesens im ganzen russischen Reich beizutragen. Das Werk sollte sämtliche Erze und Mineralien erfassen, die in den russischen Gruben gefunden werden, um daraus ein Gesamtsystem der Mineralogie Russlands zusammenzustellen. Unter Zuhilfenahme physikalischer und chemischer Kriterien – möglicherweise durch Analysen in seinem Laboratorium – hätten auf diese Weise reproduzierbare Indikatoren für das Aufsuchen von Lagerstätten sehr viel exakter definiert werden können.
94 Vgl. nachfolgende Übersetzung Über die Erdschichten (Kap. 7), § 98.
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Um diese Vorstellung zu realisieren, sollten mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften wie auch der örtlichen Bergbaubehörden Erzproben und relevante Daten aus 120 Bergbauunternehmen erfasst und nach St. Petersburg übersandt werden, wobei deren Ergebnisse gleichzeitig in ein Ökonomisches Lexikon russischer Produkte einfließen sollten. Folgende Kapitel waren vorgesehen: 1. Ausführungen über die Naturgeschichte im Allgemeinen und speziell über die Mineralogie einschließlich eines Verzeichnisses von ausländischen Autoren auf mineralogischem Gebiet 2. System bzw. Verteilung der mineralischen Ressourcen Russlands im Vergleich mit den ausländischen, allgemein und speziell 3. Erklärungen zur Physik der Mineralien 4. Anzeichen für Erze und Erzlagerstätten in Russland 5. Alphabetisches Register der beschriebenen Metalle 6. Darstellung besonders erwähnenswerter Erze und Mineralien mit naturgetreuer Farbwiedergabe in Kupferstichen. Das Bergkontor forderte 200 Exemplare der Lomonosovschen Mitteilung an, um sie an die Gruben und Hütten zu versenden.95 Im Ergebnis dieser Aktion schickten zahlreiche Gruben umgehend sorgfältig beschriftete Proben zurück und schufen auf diese Weise die Voraussetzung für die geplante Veröffentlichung. Vernadskij schrieb später: Die Idee Lomonossows, eine Mineralogie Rußlands zu schreiben, war neu. Nichts dergleichen war bis dahin in Deutschland, Italien und England geschaffen, wo analoge Arbeiten von Reuss, Charpentier und anderen erst nach dem Tode Lomonossows erschienen. Lediglich in Schweden gab es die berühmte Beschreibung Bromells, die Lomonossow bekannt war und die er zitierte.96
Leider verhinderte der frühe Tod Lomonosovs die endgültige Fertigstellung dieses Werkes, das ob seiner Neuartigkeit in Europa seinesgleichen gesucht hätte. Allerdings erschienen bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein von Vasilij M. Severgin verfasstes mineralogisches Wörterbuch97 sowie eine den Intentionen Lomo-
95 Morosow, S. 379 f. (Das „Erdinnere“). 96 Morosow, S. 407 f. 97 Севергин, Василий Михайлович: Подробный словарь минералогический, содержащий в себе подробное изъяснение всех в минералогии употребительных слов и названий, также все в науке сей учиненные новейшие открытия В 2 т. СПб.: тип. ИАН, 1807.
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Abb. I.25: Erste Seite der Mitteilung über die Verfassung einer Mineralogie Russlands
nosovs entsprechende mineralogische Beschreibung Russlands, wodurch das geplante Werk in würdiger Weise realisiert werden konnte. Treffend konstatierte Severgin kurz nach dem Ableben Lomonosovs: „Der weite russische Staat hat einen solchen Überfluß an den verschiedensten Naturerzeugnissen, daß es nur des Ansporns und arbeitswilliger Hände bedarf, um sie in ausreichender Menge zum Ersatz der ausländischen zu fördern.“98
98 Morosow, S. 412.
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Programm einer Allgemeinen Mineralogie (9) Offensichtlich stellte sich Lomonosov bereits zur gleichen Zeit einer weiteren Herausforderung, nämlich neben der Mineralogie Russlands noch eine weit über diese hinausgehende Allgemeine Mineralogie (Программа всеобщей минералогии) zu verfassen. Außer den sieben Gliederungspunkten ist leider dazu nichts Weiteres bekannt, es blieb also lediglich bei einer Idee. Interessant ist jedoch der erste Punkt des Programms, aus dem ersichtlich ist, dass Lomonosov die allgemeine physische Erkenntnis der Erdschichten als Grundlage der Mineralogie ansah, das heißt, er näherte sich dem Thema gleichzeitig als Physiker wie als Geologe. Gleichermaßen beabsichtigte er, ein generelles System der verschiedenen Körper und ein spezielles System der Minerale zu entwerfen. Möglicherweise sollten damit die grundlegenden physikalischen Begriffe unterschiedlicher Zustände der Materie erörtert werden. Schließlich lassen die Punkte 3, 4, und 5 vermuten, dass er in seine Allgemeine Mineralogie sogar alle Regionen der Welt aufnehmen wollte. Für dieses gigantische Vorhaben wäre allerdings noch ein erheblicher Aufwand erforderlich gewesen.
PETRIFICATIO ARTIFICIALIS / Künstliche Versteinerungen (10) Unter dem Titel Petrificatio Artificialis ist auch ein Fragment überliefert, das Lomonosovs Auseinandersetzung mit künstlichen Versteinerungen bezeugt. Bereits im Zusammenhang mit der Neuordnung der Mineraliensammlung sind ihm diese Probleme begegnet, und er erwähnt sie auch mehrmals in seiner Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben. Hier heißt es z.B.: „Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich im Schiefer Spuren von versteinerten Pflanzen und Gräten von versteinerten Fluss- und Seefischen finden.“ Auch weist er auf versteinerte Bäume, versteinerte Schalentiere des Meeres und versteinerte tierische Körper hin und versucht eine wissenschaftliche Erklärung der inneren und äußeren Teile. Inwieweit er jene Experimente nachvollzogen hat, die von anderen Naturforschern bereits Ende des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vorgenommen wurden, ist nicht bekannt. Z.B. beschreibt Robert Boyle das versuchsweise Eintauchen von tierischen Körpern in übersättigtes Kalkwasser, ähnlich dem Mineralwasser aus Karlsbad (Karlovy Vary).99 Derartige Versuche führten jedoch lediglich zu einer Verkalkung der äußeren Schalen oder hinter-
99 Boyle, Robert: Some considerations touching the usefulnesse of experimental naturall philosophy. [bound with] certain physiological essays. Oxford 1663.
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Abb. I.26: Petrificatio Artificialis – handschriftliches undatiertes Fragment
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ließen eine Kontur der Organismen, eine echte Versteinerung blieb mithin aus. Das erhalten gebliebene Fragment aus der Feder Lomonosovs lässt allerdings vermuten, dass auch er Derartiges im Sinn hatte und möglicherweise durch die Schriften Boyles – in seiner Bibliothek befanden sich wenigstens zehn Werke des englischen Gelehrten – dazu angeregt worden sein dürfte.
Lomonosovs Bedeutung für die Wissenschaftsgeschichte Auf den Anteil Lomonosovs hinsichtlich der Herausbildung der Montanwissenschaften, insonderheit der Geologischen Wissenschaften, ist bereits hingewiesen worden. Ohne Zweifel bildeten die von Lomonosov erarbeiteten Schriften eine wirksame Unterstützung hinsichtlich eines weiteren Aufbaus des russischen Berg- und Hüttenwesens. An zahlreichen Stellen wurde dies zwar noch immer von deutschen Fachleuten dominiert, die als erfahrene Spezialisten kaum auf russische Fachliteratur angewiesen waren; die nachdrängende Generation russischer Landsleute bedurfte jedoch dringend wissenschaftlich fundierter und auf Anwendung orientierter Materialien. Aus dieser Sicht kamen Lomonosovs Schriften zur rechten Zeit. Zu fragen wäre allerdings, inwieweit sich die Bergbauund Hüttenunternehmungen daran orientierten und ihre Produktionsprozesse danach ausrichteten. Da in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zahlreiche Schulen gegründet wurden, auf denen nicht nur Lesen und Schreiben, sondern insbesondere Grundkenntnisse des Montanwesens vermittelt wurden, dürfte das Schrifttum zumindest eine wertvolle Hilfe für die Fachausbildung gewesen sein. Es stellt sich schließlich die Frage, inwieweit die Scientific Community von Lomonosovs wissenschaftlichen Leistungen – speziell zum Montanwesen – Notiz nahm, man ihm die verdiente Referenz erwies und zu Akzeptanz und Würdigung bereit war. Denn es gab in seinem Umfeld auch zahlreiche „Gegner“ – nicht nur ob des ihm unterstellten „konsequenten Kampfes gegen die Ausländer in der Akademie“, sondern auch seines unerbittlichen Vorgehens gegen bürokratische Auswüchse in der Akademie.100 Dass man ihm „Überheblichkeit, Geiz und Trunksucht“ sowie „schlechte Gewohnheiten, die schon manchen ins Unglück gestürzt haben“ – so sein Rivale Johann Daniel Schumacher – vorwarf, mag ein Übriges getan haben.101 Dem entgegen steht die Wertschätzung, die ihm zahlreiche Kollegen – voran der berühmte Mathematiker Leonhard Euler, Mitglied der Akade-
100 Hoffmann, Lomonosov, S. 14. 101 Ib., S. 140.
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mie seit 1727 – allzeit entgegenbrachten. Hoffmann urteilt dazu: „Euler gehörte zu den wenigen Zeitgenossen, die die überragende Bedeutung Lomonosovs erkannten und anerkannten. Immer wieder hat Euler die Petersburger Akademie in seinen Briefen auf die besonderen Leistungen Lomonosovs hingewiesen.“102 Andererseits übernahm Lomonosov z.B. auch die umfangreichen und komplizierten Korrekturarbeiten für die im Band X (1746) der Commentarii der St. Petersburger Akademie erschienenen mathematischen Arbeiten Eulers und belegte damit zugleich sein Interesse an der Mathematik. Überliefert ist auch ein Brief Eulers an die Kanzlei der Akademie (vom 21. November 1747), in dem Euler über die wissenschaftlichen Arbeiten Lomonosovs schrieb: Alle diese Abhandlungen sind nicht nur gut, sondern ganz ausgezeichnet; denn er erklärt die allernotwendigsten und schwierigsten physikalischen und chemischen Materien, die vollkommen unbekannt waren und welche die scharfsinnigsten Gelehrten nicht so gründlich erläutern konnten, so dass ich vollkommen von der Genauigkeit seiner Beweise überzeugt bin. Bei dieser Gelegenheit muss ich der Wahrheit die Ehre geben und sagen, dass Herr Lomonosov die glücklichste Fähigkeit besitzt, physikalische und chemische Erscheinungen zu erklären. Es wäre zu wünschen, dass alle übrigen Akademien in der Lage wären, ebensolche Erfindungen aufzuweisen, wie sie Herr Lomonosov gezeigt hat.103
Schließlich sollen zumindest einige der zahlreichen ausländischen Wissenschaftler befragt werden, die entweder an der St. Petersburger Akademie wirkten oder im Auftrag der Regierung an einer der zahlreichen Forschungsreisen durch Russland beteiligt waren. Von allen existieren ausführliche Dokumentationen, Reise- und Forschungsberichte in durchaus erheblichem Umfang, und es wäre denkbar, hierin möglicherweise Reflexionen irgendeiner Art zu finden. Das Ergebnis der vorgenommenen Recherche ist allerdings ernüchternd, wie kurz dargestellt werden soll. Samuel Georg Gmelin, dessen Arbeiten zur Ordnung der Mineraliensammlung der Akademie von Lomonosov fortgesetzt wurden – man kannte sich also gut genug –, erwähnt in seiner dreibändigen Reise durch Russland zur Untersuchung der drey Natur-Reiche104 Lomonosov mit keinem Wort, selbst das Register lässt den Namen vermissen. Auch Peter Simon Pallas, der sechs Jahre durch Russland reiste und seine Forschungsergebnisse gleichermaßen dokumentierte und ein dreiteiliges Werk im Umfang von 1.778 Seiten hinterließ,105 nennt den
102 Ib., S. 118. 103 Übersetzung nach: Ломоно́сов, Полное собрание, том 2, стр. 263. 104 Teil I: St. Petersburg/Astrachan 1770, Teil II: St. Petersburg 1771, Teil III: St. Petersburg 1774. 105 Pallas, Peter Simon: Reise durch verschiedene Provinzen des Rußischen Reichs. St. Petersburg 1771–1776.
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Namen Lomonosov an keiner Stelle. Weitere bedeutende Namen standen zur Disposition, u.a. Johann Gottlieb Georgi,106 Christian Heinrich von Pander,107 Nikolaj Ryčkov,108 Vasilij Michajlovič Severgin;109 auch in deren Werken sind weder der Name Lomonosov noch irgendeine Anmerkung zu dessen montanistischen Arbeiten zu finden. Selbst das von Ernst von Berg – von Berg war u.a. Hofrath und Ritter sowie Ehrenmitglied der Kaiserlichen Öffentlichen Bibliothek und Mitglied der Kaiserlichen Mineralogischen Gesellschaft zu St. Petersburg – verfasste Repertorium der Literatur über die Mineralogie, Geologie, Palaeontologie, Berg- und Hüttenkunde Russlands bis zum Schlusse des XVIII. Jahrhunderts,110 in dem insgesamt 314 deutsche und 61 russische Autoren und deren Schriften aufgeführt sind, sucht man vergeblich nach dem Namen Lomonosov. Ähnlich wie von Berg machte sich auch Hartwig Ludwig Christian Bacmeister die Mühe, Verzeichnisse der in Russland erschienenen Bücher zu erarbeiten, jedoch auch er lässt den Namen Lomonosov vermissen. Bezeichnenderweise finden sich in dessen fünfbändiger Russischen Bibliothek111 nicht einmal Nachrichten oder Buchverzeichnisse zum Bergbau wie zum Hüttenwesen. Auch dessen später erschienener 88-seitiger Katalog von Büchern112 verzeichnet unter den 1.273 Titeln keinerlei Schriften zum Montanwesen, nicht einmal zu den Naturwissenschaften. Der Einzige, der sich mit den von Lomonosov vertretenen Ansichten gründlich auseinandersetzte, war der aus der Steiermark stammende und seit 1781 in russischen Diensten stehende Benedict Franz Johann von Hermann, der sich auch mit zahlreichen Schriften zu Physik, Ökonomie, Mineralogie, Chemie, Hüttenwesen, Technologie, Statistik sowie zum russischen Bergbau verdient gemacht hat.
106 Georgi, Johann Gottlieb: Zur Geschichte des Russischen Bergbaues und Hüttenwesens. In: Geographisch-physikalische und naturhistorische Beschreibung d. Russ. Reiches zur Uebersicht bisheriger Kenntnisse von demselben, Teil 1, Königsberg 1797. 107 Pander, Christian Heinrich von: Beiträge zur Geognosie des russischen Reiches. St. Petersburg 1830. 108 Ryčkov, Nikolaj: Tagebuch über seine Reise durch verschiedene Provinzen des rußischen Reichs: in den Jahren 1769, 1770, und 1771. Riga 1774; Ryčkov erwähnt allerdings im Anhang unter den bei Hartknoch in Riga verlegten Büchern auch Lomonosov: Alte rußische Geschichte von dem Ursprunge der rußischen Nation bis auf Jaroslav I. oder bis aufs Jahr 1054, aus dem Rußischen. (8 gr.) – von weiteren Büchern jedoch keine Spur. 109 Severgin, der von 1785 bis 1789 an der Göttinger Georgia Augusta studierte, wird von dieser „der späte Begründer der russischen Mineralogie“ genannt. 110 Erschienen 1862 in St. Petersburg im Umfang von 74 Seiten mit ausführlichen Kommentaren zu den aufgeführten Autoren und deren Werken. 111 Bacmeister, Hartwig Ludwig Christian: Russische Bibliothek, zur Kenntniß des gegenwärtigen Zustandes der Literatur in Rußland. St. Petersburg, Riga und Leipzig. Leipzig 1772–1778. 112 Ders.: Katalog von Büchern, gesammelt von H. L. C. Bacmeister. Petersburg 1798.
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Im Rahmen verschiedener Theorien zur Lagerstätten- und Gebirgsentstehung – bekannt ist die von ihm aufgestellte „Centrifugaltheorie“, die „auf das Praktische des Bergbaus einen großen Einfluss hat“ – setzte er sich in seiner Schrift Ueber die Entstehung der Gebuerge, und ihre gegenwaertige Beschaffenheit113 auch mit Lomonosovs Ansichten zur Genese von Lagerstätten und von Steinen und Erden auseinander. Dazu heißt es u.a.: Sonderbar ist Lomonossows Meynung, welcher glaubt, die Flözschichten seien eher da gewesen, als das hohe Gebürge; er meynt nämlich, mit Moro, von Sprengseisen und andern, die Gebürge seyen durch den Ausbruch der Vulkane entstanden, wobey die obere Erdschichten zerbrochen, und durch dieselben die Berge emporgehoben worden; wie wenig aber dieser Gedanke wahrscheinlich sey, fällt leicht in die Augen.114
Über den Wert dieser und weiterer Auseinandersetzung soll hier nicht eingehender befunden werden, zumal von Hermann – durchaus anmaßend – einschätzte: „Lomonossow war bey seinen übrigen großen Kenntnissen zu wenig Mineralog.“115 Außerdem ist zu beachten, dass bei Erscheinen genannter Schriften bereits gut drei Jahrzehnte vergangen waren und von Hermann sich – neben fünfzig deutschen, österreichischen, französischen, englischen, schwedischen, italienischen, russischen wie antiken Autoren – auch mit A. G. Werner befasste und dabei zahlreiche Theorien aus aktueller Sicht hinterfragte. Immerhin erheischten Lomonosovs Arbeiten seine Aufmerksamkeit, was angesichts der auf internationaler Ebene geführten wissenschaftlichen Dispute durchaus erwähnenswert ist und auch für künftige Untersuchungen zur Genese der Montanwissenschaften Beachtung finden sollte. Dass die sorgfältige Suche nach entsprechenden Reflexionen doch noch belohnt wurde, zeigt die seit 1910 erschienene Geologische Rundschau – Zeitschrift für allgemeine Geologie. Unter der Überschrift „Streiflichter“ findet sich hierin ein Titel des Geologen Serge von Bubnoff mit der bezeichnenden Überschrift „Ein vergessener Geotektoniker“. Der 1888 in St. Petersburg Geborene, ab 1922 als Professor an der Universität Breslau, ab 1929 an der Universität Greifswald und ab 1950 an der Humboldt-Universität Berlin wirkend und wesentlich am Aufbau der geologischen Forschung in der DDR beteiligt, zählt zu den wenigen
113 Hermann, Benedict Franz Johann v.: Ueber die Entstehung der Gebürge, und ihre gegenwärtige Beschaffenheit. Leipzig 1797. 114 Ib., S. 93. 115 Ib., S. 287.
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Fachleuten, die sich seinerzeit mit dem Lomonosovschen Werk befassten. Dabei kam er bereits 1938 zu folgender Einschätzung: Die logische Kontinuität der Wissenschaft ist nur ein frommer Wunsch; das Fortschreiten der Erkenntnis ist sprunghaft und irrational. Gedanken sterben nicht, weil sie falsch sind, sondern weil sie keine Nahrung finden und werden neu geboren und entwicklungsfähig, wenn ein Nährboden vorhanden ist. Wer kennt in Westeuropa den russischen Enzyklopädisten Michael Lomonossoff (geb. 1711), welcher 1757 bis 1763 eine Arbeit „über die Schichten der Erde“ verfaßte, die sogar in Rußland über 100 Jahre unbemerkt blieb. Und doch sind hier nicht nur schon die Grundlagen des Aktualismus (40 Jahre vor Hutton, 70 Jahre vor Lyell) enthalten, sondern auch moderne „tektonische“ Gedanken, die himmelhoch über den gleichzeitigen Phantasien eines Buffon u.a. stehen.
Bubnoff hebt insbesondere Lomonosovs Vermögen hervor, bereits 1757 zwischen endogener und exogener Dynamik, zwischen einer Hebung der Kontinente und einem Einbruch der Meeresbecken unterschieden und dabei auch auf die mehrfachen zyklischen Bewegungen der Erdkruste hingewiesen, mithin Orogenese und Geomorphologie wissenschaftlich begründet zu haben: Es hat eines Jahrhunderts phantastischer Umwege bedurft, ehe diese ungehört verhallenden Gedanken selbstverständliches Bürgerrecht erlangten, ehe die ihnen zugrunde liegende Voraussetzung, daß nur das Fortschreiten von der Beobachtung zum Schluß den Ariadne-Faden im Labyrinth der Tatsachen liefert, anerkannt wurde. Und doch bedeutete ihre Anerkennung den Übergang vom Erd-Roman zur Erd-Wissenschaft.116
Es soll zum Abschluss nicht vergessen werden, dass mit diesen vor allem Lomonosov geschuldeten frühen Leistungen zur Entwicklung der Montanwissenschaft in Russland zugleich ein reger wissenschaftlicher Kontakt zwischen St. Petersburg und Freiberg begann, zählte doch die 1765 gegründete Freiberger Bergakademie in den Folgejahren zahlreiche Russen zu ihren Gästen. Hierzu sind z.B. Fedor Petrovič Moiseenko, Vassilij M. Severgin, Alexandr F. Sevastjanov, Dmitri J. Sokolov und Illarion I. Šafranovskij zu nennen – nicht zu vergessen auch die über 800 russischen Studenten, die im folgenden Zeitraum bis 1914 die Bergakademie absolvierten. Der Freiberger Hochschullehrer Carl Schiffner schreibt hierzu mit Bezug auf „die größte Anzahl aller in Freiberg inskribierten Ausländer“: Gerade zwischen dem Kaiserlich-russischen Bergcorps und dem russischen Bergwesen einerseits und der Bergakademie und ihren Dozenten andererseits aber haben von Anfang
116 Bubnoff, Serge v.: Ein vergessener Geotektoniker. In: Geologische Rundschau – Zeitschrift für allgemeine Geologie. 29 (1938), S. 466 f.
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an bis über die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinaus ganz besonders enge und freundschaftliche Beziehungen bestanden. Das russische Bergwesen war damals militärisch organisiert. Zahlreiche, bereits im Amte befindliche, vielfach im Offiziersrang stehende Bergbeamte haben zur Vervollständigung und Vertiefung ihrer Kenntnisse noch in Freiberg studiert und es später im russischen Bergcorps teilweise bis zu den höchsten Stellen gebracht.117
Gleichermaßen war die 1773 nach dem Vorbild Freibergs gegründete BergbauLehranstalt (Горное училище) beim Berg-Kollegium Russlands in St. Petersburg Gastgeber für zahlreiche deutsche Studenten und Wissenschaftler. Für die Anfangsjahre ist besonders der Absolvent der Freiberger Bergakademie Hans Michael Renovantz hervorzuheben; im Range eines „Oberhüttenverwalters“ lehrte er von 1774 bis 1798 an der Petersburger Anstalt Mineralogie, Physik, Bergbau und Markscheidekunde und entwarf den Plan eines Lehrbergwerkes auf dem Hofe der Lehranstalt. Für sein außergewöhnliches Engagement ernannte man ihn zum „Russisch Kayserlichen Oberbergmeister vom kolywanischen Staat, zum Inspector und Lehrer der Bergwerkswissenschaften bey der Kayserl. Bergschule zu St. Petersburg, zum Ordentlichen Mitglied der Societät der Bergkunde, ingleichen der Russisch Kayserlichen freyen oeconomischen Gesellschaft sowie der Kayserlichen Academie der Wissenschaften zu St. Petersburg Correspondenten“.118 Eingedenk dieser hohen Ehren wurde er 1778 auf Geheiß des Kabinetts Ihrer Kaiserlichen Majestät zur ausführlichen Berichterstattung in den Altai entsandt, um über die dortigen Erzvorräte und über den Zustand des Smeinogorsker Erzvorkommens zu berichten. Die für den Kolyvan-Voskresensker Bergwerksdistrikt vorgenommenen Vorratsberechnungen erwiesen sich als richtungweisend und machten ihn in der wissenschaftlichen Welt berühmt. Mit dem 1788 erschienenen Standardwerk Mineralogisch-geographische und andere vermischte Nachrichten von den Altaischen Gebürgen Russisch Kayserlichen Antheils hinterließ er außerdem ein wertvolles Dokument über die Frühzeit des Altaischen Bergbaus. 1779 schlug er vor, eine deutsche Spezialschule für Kinder der Bergoffiziere und Fachleute der Betriebe zu gründen – eine Chance also, die mittlerweile reichlich vorhandene deutsche Fachliteratur im Original studieren zu können. Zwei Jahre danach existierten bereits sechs Bergschulen, an denen 800 Schüler in diesem Sinne, aber auch praktisch unterrichtet werden konnten. Renovantz
117 Schiffner, Carl: Aus dem Leben alter Freiberger Bergstudenten. Freiberg 1935–1940; hier Bd. 2 (1938), S. 159. 118 Renovantz, Michael: Mineralogisch-geographische und andere vermischte Nachrichten von den Altaischen Gebürgen Russisch Kayserlichen Antheils. Reval 1788, Titel.
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Abb. I.27: Der aus Dresden stammende Hans Michael Renovantz verfasste dieses Buch nach seiner Forschungsreise durch den Altai; der Titel zeigt die typische Wollsackverwitterung der Granite im Kolyvan-Voskresensker Distrikt.
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kümmerte sich zudem um die Ausbildung im Fach Mineralogie und richtete dafür ein spezielles Erzkabinett ein. Es umfasste 2.300 Mineralstufen, die aus vielen russischen Lagerstätten zusammengetragen und jeweils in Deutsch und Russisch beschrieben wurden – die Erfüllung der Pläne Lomonosovs. Der dafür im Laufe von acht Jahren betriebene Reise-Aufwand war offensichtlich erheblich: In der Vorrede zu o. g. Werk nennt er eine Strecke von insgesamt 64.000 Werst (= 68.275 km), die dafür zurückzulegen waren.119 Bis zur Gegenwart wurden zwischen beiden Hochschulen zahlreiche weitere Studenten und Wissenschaftler ausgetauscht, viele gemeinsame Forschungsprogramme realisiert und führten so die von Lomonosov gelegten Grundlagen der Montanwissenschaften bis in die Gegenwart fort.
119 Die Werst wurde als Wegemaß seit dem 16. Jahrhundert verwendet und maß – als Wegewerst – zunächst 500 Sažen, als Vermessungswerst 1.000 Sažen. Im genannten Fall ist sie mit 500 Sažen (= 1.066,78 m) anzusetzen. Seit der Petrinischen Zeit erfolgte die Längenmessung – nach englischem Vorbild – hauptsächlich in Sažen (russ. сажень), auch dreifache Elle genannt. Eine Sažen maß 213,36 cm. Weitere Längenmaße waren der Djuim mit 2,54 cm (russ. дюйм – von Daumen), der Fuß (russ. фут) mit 30,48 cm sowie der Aršin (russ. аршин) mit 71,12 cm. Die Sažen wurde in 7 Fuß und dieser in 12 Djuim unterteilt.
Editorische Bemerkungen Textgrundlagen Ausgangspunkt für die vorliegende Edition war die Veröffentlichung ausgewählter Schriften Lomonosovs anlässlich seines 250. Geburtstages im Jahr 1961.1 Sie erschienen in deutscher Übersetzung im Akademie-Verlag in Berlin in der Absicht, dem deutschen Leser einen „Überblick über das Werk und die Weltanschauung dieses ersten bedeutenden und universellen russischen Aufklärers und Gelehrten zu verschaffen“.2 Das zweibändige Werk enthält nicht nur ausgewählte Dokumente zu den Naturwissenschaften (Physik, Chemie, physikalische Chemie, Navigation), zu Geschichte und Sprachwissenschaft sowie zahlreiche Briefe, sondern auch zwei montanistische Schriften Lomonosovs: die Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben sowie Über die Erdschichten. Seither gab es diesbezüglich keine weiteren nennenswerten Übersetzungen, allerdings das Bedürfnis, sehr viel tiefer in das Schaffen des russischen Gelehrten Einblick zu nehmen, behandelte er das Montanwesen doch mit besonderer Leidenschaft und betrat gleichzeitig wissenschaftliches Neuland. Außerdem bot sich damit die Chance, den vielfältigen Einflüssen im Sinne eines Wissens- und Technologietransfers nachzugehen, die dem Aufenthalt in Deutschland, speziell in Freiberg, geschuldet sind. Die bereits vorliegenden, mit großer Sorgfalt übersetzten Schriften wurden deshalb in dieser Edition hinsichtlich der Verwendung einer modernen Terminologie des Montanwesens zunächst revidiert und fachlich berichtigt. Zur weiteren Auswahl standen schließlich das bedeutende Werk Первые основания металлургии или рудных дел (Anfangsgründe des Berg- und Hüttenwesens),3 die Beilagen О вольном движении воздуха, в рудниках примеченном, из первого тома новых комментариев (Über den natürlichen Wetterzug in Bergwerken, aus dem ersten Band der neuen Kommentare) und О слоях земных (Über die Erdschichten) sowie die Arbeit О вольном движении воздуха (Über den natürlichen Wetterzug), schließlich eine Reihe weiterer einschlägiger Dokumente
1 Lomonossow, Ausgewählte Schriften. 2 Ib., S. XI. 3 Aus kaum nachvollziehbaren Gründen wurde das Werk in zahlreichen Schriften mit Erste Grundlagen der Metallurgie oder des Hüttenwesens übersetzt, das Bergwesen mithin nicht berücksichtigt. Der Autor folgt dem zeitgenössischen Duktus und verwendet für основания das zu jener Zeit übliche deutsche Wort Anfangsgründe und für металлурги́я und рудных дел die Wörter Hüttenwesen und Bergwesen. https://doi.org/10.1515/9783110424065-005
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Editorische Bemerkungen
aus Lomonosovs gut zwei Jahrzehnte währenden Tätigkeit in St. Petersburg. Auf die Wiedergabe des Catalogus minerarum (Mineralien-Katalog) der Kaiserlichen Kunstkammer sowie einschlägiger Gutachten wurde jedoch verzichtet. Sie vermitteln zwar tiefere Einsichten in praktische Erfordernisse und Aufgaben, die Lomonosov auf Geheiß der Akademie bzw. des Kabinetts zu realisieren hatte, stellen jedoch meist nur eine Bestandsaufnahme, also keine besondere wissenschaftliche Ausarbeitung dar. Den vorgenommenen Übersetzungen liegt die sowjetische Akademie-Ausgabe der Lomonosovschen Werke,4 speziell der fünfte Band Труды по металлургии и горному делу (Arbeiten zum Hütten- und Bergwesen)5 zugrunde. Die einzelnen Schriften sind im Original durch zahlreiche Fußnoten ergänzt, die zum Teil von Lomonosov selbst als auch von der Redaktion des Herausgebers stammen. Sie werden in den Kommentaren der vorliegenden Edition berücksichtigt, sofern sie die Verständlichkeit der Fachtexte erleichtern bzw. Sachverhalte aktualisieren; auf wortgenaue Übernahmen wurde jedoch verzichtet. Für die Kommentierung hilfreich erwiesen sich auch die den originalen Texten beifügten Ergänzungen der Herausgeber, da sie zusätzliche, für das Textverständnis wertvolle Informationen enthalten.
Sprache und Terminologie Die Übersetzung in ein modernes Deutsch erwies sich insofern als schwierig, da die Texte ausschließlich im russischen, von Lomonosov verfassten Original vorliegen und die entsprechenden Fachbegriffe – so sie denn überhaupt dem damaligen Wortschatz zuzuordnen waren – mehrmalige Transformationen erfahren haben: Er lernte sie während seines Deutschlandaufenthaltes zunächst in deutscher Sprache oder in Latein kennen, übersetzte sie dann in seiner Heimat ins Russische – nun war erneut eine deutsche Entsprechung zu finden. Allerdings ist nicht mehr nachvollziehbar, in welchem Umfang ihm die deutsche Bergmannssprache vertraut wurde; denn die nahezu unüberschaubare Fülle der Termini des Berg- und Hüttenwesens ist auch für Eingeweihte noch heute ein Problem: Die Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft nennt ein Jahrhundert nach seinem Tod „10.000 eigene, für den Nichtkenner grossentheils unverständliche, Worte …
4 Ломоно́сов, Михаи́л Васи́льевич: Полное собрание сочинений. Москва/Ленинград 1950–1983. 5 Ломоно́сов, Михаи́л Васи́льевич: Труды по металлургии и горному делу 1741–1763. Ленинград 1954.
Sprache und Terminologie
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welche sich bis auf den heutigen Tag … in solchem Ansehn erhalten haben, dass durch einen einzigen Verstoss gegen ihre Festsetzungen, der Nichtfachgenosse alsogleich erkannt wird.“6 Aus dieser Perspektive wird durchaus verständlich, dass Lomonosov bereits im Vorwort seines Hauptwerkes Gelegenheit nahm, vernehmbar Klage zu führen: „Als ich einst aus dem Hessenland nach Sachsen kam, war ich gezwungen, ein zweites Mal die deutsche Sprache zu erlernen“7 – und er dürfte sich damit wohl weniger auf die gewöhnungsbedürftigen Eigenarten des Sächsischen, sondern vielmehr auf die weitestgehend unbekannte Fachsprache bezogen haben, mit der er im Kontakt mit den Berg- und Hüttenleuten erstmals konfrontiert wurde. Zu den Schwierigkeiten bei der Übersetzung – hier vom Lateinischen ins Russische – äußert er sich gleichermaßen in der Wolffschen Experimentalphysik;8 im Vorwort zu lesen: „Überdies war ich gezwungen, für die Bezeichnung einiger physikalischer Instrumente und Vorgänge sowie einiger Naturgegenstände Wörter zu suchen, die anfangs wohl etwas seltsam klingen werden. Jedoch hoffe ich, dass sie mit der Zeit durch den Gebrauch geläufiger werden.“9 Ein weiteres Problem offenbarte sich insofern, als sich die Bedeutung der von Lomonosov verwendeten Begriffe und Bezeichnungen in vielen Fällen verändert hat oder sich kaum eindeutig interpretieren lässt. Da heißt es beispielsweise: „Erze und Metalle, die keine bestimmte äußere Form haben, entstehen wie gewöhnliche chemische Körper einfach durch Vermischung.“ Bedeutet das russische Wort „смешение“ lediglich „Vermischung“ oder meinte Lomonosov vielmehr, dass die Elemente als chemische Verbindung existieren? Wusste Lomonosov überhaupt schon, dies im heutigen wissenschaftlichen Verständnis genau zu unterscheiden oder blieb er im Wesentlichen der wissenschaftlichen Vorstellungs- und Begriffswelt seiner Zeit verhaftet, die zur Entstehung von chemischen Elementen und Verbindungen eher mystische Vorstellungen oder die Annahmen der Alchemisten bemühte? Wie übersetzt man „крепкая водка“ (starker Wodka, auch Feuerwasser), im Zusammenhang mit der Analyse von Salpeter gebraucht? – das russisch-deutsche Wörterbuch schlägt zunächst „Rachenputzer“ vor und macht hilflos. Solcherart Fragen sollen lediglich auf die mitunter schwierigen Probleme einer fachgerechten Übersetzung hinweisen, die letztendlich mit der Gefahr verbunden war, die von Lomonosov gewählten Begriffe nicht
6 Band 3, 1846, S. 437. 7 Ломоно́сов, Михаи́л Васи́льевич: Первые основания металлургии или рудных дел. Санкт-Петербург 1763, Предисло́вие. 8 Vgl. Kap. 1. 9 Zit: in: Lomonossow, Ausgewählte Schriften, Bd. 1, S. 121.
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Editorische Bemerkungen
fach- und zeitgemäß zu deuten; denn letztendlich ist jede Übersetzung zugleich auch eine Interpretation. Über weite Strecken wurde sie jedoch dadurch erleichtert, dass er sich streng an das deutsche Vorbild – z.B. Georgius Agricola10 – hielt, so dass dieses fallweise hinzugezogen werden konnte. Allerdings ist sich die Wissenschaft darin einig, dass Lomonosov, vor allem durch seine wissenschaftlichen Arbeiten wie auch durch seine Übersetzungen, einen wichtigen Beitrag zur Herausbildung der russischen wissenschaftlichen Terminologie geleistet hat – dies insbesondere, indem er relativ wenig Latinismen und Gräzismen bemühte, vielmehr versuchte, Termini russischer Herkunft zu verwenden und dabei auf slawische Wörter zurückgriff, denen er eine neue Bedeutung gab. Er leistete damit auch einen erheblichen Beitrag zur „Terminologisierung“ und „Polytechnisierung“ des russischen Wortschatzes.11 In der vorangestellten Gliederung sind die jeweiligen Schriften Lomonosovs in Deutsch und Russisch genannt; die beigefügten Daten verweisen auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung, der jedoch nicht für alle Dokumente nachweisbar ist.
Transkription Anzumerken wäre schließlich noch, dass – mit Rücksicht auf den Charakter der Übersetzungen – die Grundlagen der wissenschaftlich-bibliothekarischen Transliteration für die Übertragung des kyrillischen Alphabets in lateinische Schrift beachtet wurden, da nur diese eine exakte Rücktranskribierung auf die originale russische Schreibweise ermöglicht. Obwohl allgemein gebräuchlich, steht deshalb für „Michail Wassiljewitsch Lomonossow“ die Form „Michail Vasil’evič Lomonosov“, dementsprechend wurden auch alle anderen kyrillischen Namen und Bezeichnungen (z.B. Maße und Gewichte) in transliterierter Form verwendet. Zum Abschluss der editorischen Bemerkungen sei noch ein empfehlendes Wort Lomonosovs zitiert: „Es ist nichts Besonderes, Fehler festzustellen; etwas Besseres geben – das ist es, was einem ehrenwerten Menschen gebührt.“12
10 Vgl. Kap. 1. 11 Vgl. Hexelschneider, Erhard: M. V. Lomonosov und die Schaffung einer russischen naturwissenschaftlich-technischen Terminologie. In: Z. f. Slawistik 6 (1961)1, S. 531–541. 12 Lomonossow, Ausgewählte Schriften, Bd. 1, S. 80.
Schriften
Michail Vasil’evič Lomonosov. Zeitgenössische Radierung von Étienne Fessar und Christian-Albert Wortmann, St. Petersburg 1757
1 Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben1 Wenn ich meine Gedanken den schrecklichen Geschehnissen der Natur zuwende, meine Hörer, muss ich immer daran denken, dass keines von ihnen so schrecklich, so gefährlich und verderbenbringend ist, dass es nicht auch gleichzeitig Nutzen und Erquickung brächte. Mit einer gewissen Absicht scheint Gott angenehmen Dingen auch widerliche beigefügt zu haben, damit wir – so wir über die widerwärtigen nachdenken – beim Gebrauch der angenehmen einen umso größeren Genuss empfinden. Wir erschrecken über die Wellen des brodelnden Meeres, aber die Winde, die über diese dahinstürmen, bringen die reich beladenen Schiffe an das ersehnte Ufer. Vielen ist die Strenge der hiesigen Winter unerträglich, und sie ist uns selbst oft beschwerlich. Jedoch gebieten sie den schädlichen Miasmen Einhalt; denn sie schwächen die giftigen und beißenden Dünste. Obgleich uns oft widerwärtige Dinge das Nützliche bringen und das, was wir in unserem Leben brauchen, verborgen ist, ist es doch real vorhanden und von Bedeutung. So brachte das Gewitter viele Jahrhunderte lang das Menschengeschlecht zum Erzittern, als ob die Peitsche eines erzürnten Gottes alle erschrecke. Aber unsere glücklichen Tage spendeten uns unlängst durch neue Entdeckungen von Naturgeheimnissen Trost, so dass wir durch die Physik eher die Auswirkungen der Freigebigkeit des Himmels als seinen Zorn begreifen. Kahl stünden die Felder und Berge, entblößt der Pracht der Bäume und Pflanzen, der Schönheit der Blumen und des Überflusses der Früchte, und die sich gelb färbenden Fluren würden nicht die ländliche Bevölkerung durch ihre wogenden Ähren mit Hoffnung auf volle Speicher erfüllen. All diese Nahrung würde uns fehlen, wenn nicht die mit elektrischer Gewitterkraft geladenen Wolken das langwierige Wachsen der Pflanzen durch fruchtbaren Regen und durch einen gewissen beseelenden Hauch gleichsam beleben würden. Die Richtigkeit dieser Tatsache (die von jeher den hoch betagten Landleuten zwar noch nicht klar war, so doch bereits in den Sinn gekommen ist) wurde durch die Wirkung der elektrischen Kraft – erzeugt durch die Hand der eifrigen Naturforscher – am Beispiel des beschleunigten Wachstums der Pflanzen erklärt und bewiesen, so dass keinerlei Zweifel mehr daran bestehen kann.
1 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 295–347. https://doi.org/10.1515/9783110424065-006
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Wenn nun durch die Entdeckung der Naturgeheimnisse sich das Licht einer derartigen Aufklärung zu unserer großen Erleichterung und Freude verbreitet – besonders dort, wo uns vordem solche Annehmlichkeiten noch verschlossen waren, vor unseren Augen also nur das Bild des Widerwärtigen stand –, wäre es als äußerst nützlich anzusehen, wenn durch neue Beweise – soweit dies in meinen Kräften steht – das Gewicht dieser Wahrheit erhöht würde. Für diese Absicht finde ich nichts Passenderes als das Erdbeben. Obgleich dies ein schreckliches und beklagenswertes Ereignis ist und wir unlängst von Städten hörten, die davon betroffen waren, von verödeten Landstrichen und nahezu gänzlich ausgelöschten Völkern, bringt es uns nicht nur Nutzen, sondern trägt sogar zu unserem Reichtum bei, indem es außer vielem anderen Vorteilhaften die überaus nützlichen und vielfältig zu verwendenden Metalle zu Tage fördert. In der folgenden Rede werde ich mich nach Möglichkeit bemühen, dies darzulegen. Auch beabsichtige ich in kurzen Umrissen die verschiedenen Wirkungen der Erdbeben auf der Erdoberfläche zu zeigen, die durch diese hervorgerufen werden; ebenso die dementsprechenden Ursachen und Materien, auch die Orte, an denen die Metalle vorkommen, und endlich, wie diese entstehen. Jene schreckliche und gewaltsame Naturerscheinung tritt in vier Formen auf. Bei der ersten erzittert die Erde unter häufigen und leichten Stößen, und die Wände der Gebäude bekommen Risse, wobei jedoch keine große Gefahr besteht. Bei der zweiten schwillt die Erde an, wird gehoben und bricht wieder zusammen. Gebäude sind bei horizontaler Lage kaum gefährdet. Die dritte, bei der sich die Erdoberfläche wellenförmig bewegt, ist am unheilvollsten; denn die Erde öffnet ihre Schlünde vor den schwankenden Gebäuden und den schreckensblassen Menschen und verschlingt sie oft. Durch die vierte endlich, bei der sich die ganze Kraft des Bebens in einer horizontalen Fläche fortpflanzt, wird die Erde gleichsam unter den Bauten hinweggezogen – es ist, als ob diese in der Luft hingen, die Erde sie im Stich ließe und sie umstürzte, indem sie die festen Mauern zerstört. Solch unterschiedlich geartete Erdbeben treten selten in dieser Eindeutigkeit auf; denn oft wird ein leichtes Zittern von starken Stößen begleitet. Oft kündigen sie sich auch vorher an, und man hört gleichzeitig ein unterirdisches Stöhnen und Knurren, manchmal auch Töne, ähnlich menschlichen Schreien oder dem Knattern von Gewehren. Dann sprudeln aus dem Schoß der Erde Quellen und neue, Flüssen gleichende Gewässer; schließlich folgen vereint Rauch, Asche und Flammen und verbreiten den Sterblichen großen Schrecken. Derartige häufige Veränderungen auf unserer Erde sprechen dafür, dass die Erdoberfläche jetzt ein ganz anderes Aussehen hat als in früheren Zeiten. Denn oft geschieht es, dass sehr hohe Berge infolge eines Erdbebens zerstört und durch den breiten Schlund der aufgerissenen Erde verschlungen werden, dass deren Stelle Quellwasser einnimmt, das kochend aus dem Innern der Erde heraus-
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sprudelt, oder dass diese Stelle von einem sich darüber ergießenden Meer überschwemmt wird. Im Gegensatz dazu erheben sich inmitten der Felder neue Berge, und der Meeresboden bildet, indem er an die Oberfläche steigt, neue Inseln. Zu allen Zeiten wirkt die Natur also in dieser Art und Weise, was sich durch verlässliche Nachrichten von alten Schriftstellern und durch Beispiele aus neuerer Zeit belegen lässt. Obgleich der gelehrten Welt die alten Zeugnisse über die Veränderungen des Antlitzes der Erde genügend bekannt sind, will ich diesen wegen des untrennbaren Zusammenhanges einiger Teile meiner Rede hier einen Platz einräumen. Dazu sei Plinius gehört, der mit Bezug auf verschiedene alte Schriftsteller über jene Veränderungen berichtet.2 So sagt er: Länder entstehen und erheben sich plötzlich aus dem Meere, als ob die Natur sich gleichsam selber nichts schuldig bleiben wolle, indem sie das, was an einer Stelle von einem Abgrund verschluckt wurde, auf einer anderen Stelle zurückgibt. Längst sind die Inseln Delos und Rhodos berühmt, die nach der Überlieferung aus dem Meere entstanden. Dann die kleineren Melos und Anaphe, zwischen Lemnus und dem Hellespont Nea, zwischen Lebedos und Teos Halone, zwischen den Kykladen-Inseln im vierten Jahre der 135. Olympiade3 Thera und Therasia, zwischen diesen 135 Jahre später Hiera oder Automate. Dann Thia, 110 Jahre, zwei Meilen groß in unserer Zeit im Konsulat von Silanus und Balbus,4 am 1. Juli; und vor unseren Augen in der Nähe von Italien zwischen den Äolischen Inseln. Ebenso erhob sich unweit von Kreta eine Insel mit warmen Quellen zweitausendfünfhundert Fuß aus dem Meere. Eine andere im 3. Jahre der 163. Olympiade5 in der Tuscischen Bucht, die unter starker Rauchentwicklung brannte. Es wird erzählt, dass in ihrer Nähe eine große Menge Fische schwamm und diejenigen, die sie als Nahrung verwandten, sehr bald starben. So berichtet man auch über die Pithecusen, die sich in der Campanischen Bucht erhoben hatten. Der Berg Epopon wurde durch ein plötzlich herausbrechendes Feuer dem Erdboden gleichgemacht; auf derselben Stelle stürzte auch eine Stadt zusammen, durch ein anderes Beben bildete sich ein See. An einer anderen Stelle wurden Berge ins Meer gestürzt und verwandelten sich in eine Insel, die Prochyta heißt; denn auch auf diese Weise bildet die Natur Inseln. Sizilien wurde von Italien abgerissen, Cypern von Syrien, Euböa von Böotien, von Euböa Atlanta und Macris, von Bithynien Besbycus, Leucosia vom
2 Vgl. Naturalis historia, Buch 2 (Gaius Plinius Secundus: Naturgeschichte. Stuttgart 1842, S. 223– 226.) 3 Eine Olympiade bezeichnete in der klassischen griechischen Zeitrechnung den vierjährigen Zeitraum zwischen zwei Olympischen Spielen, deren Zählung im Jahre 776 v. Chr. begann – hiermit also 232 v. Chr. 4 Marcus Iunius Silanus und Norbanus Balbus waren im Jahre 19 n. Chr. ganzjährig römische Konsuln. 5 126 v. Chr.
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Sirenen-Vorgebirge. Im Gegensatz hierzu verloren die Inseln ihr Meer und wurden ans Festland angefügt: Mit Lesbus vereinigte sich Antissa, mit Halicarnassus Zephyrium, mit Myndus Aethusa, Dromiscus und Perne mit Miletus, mit dem Parthenischen Kap Narthecusa. Hybanda, das früher eine Insel im Ionischen Meer war, liegt jetzt 200 Stadien vom Meer entfernt. Inmitten von Syrien liegen das Epheser Land, das einst eine Insel war, das ihm nahegelegene Sophonia und die Derasidischen Inseln; Epidaurus und Oricum haben aufgehört, Inseln zu sein. Ganze Länder riss die Natur weg; in erster Linie diejenigen, die sich dort unermesslich ausdehnten, wo sich heute der Atlantische Ozean befindet – wenn man hierin Plato Glauben schenken kann. Durch einen solchen Untergang wurden, wie wir heute sehen, Länder getrennt, Acarnien durch die Ambracische Bucht, Achaia durch die Corinthische, Europa und Asien durch die Propontis und das Schwarze Meer. Außerdem durchfraß das Meer Leucas, Antirrhium, den Hellespont und die zwei Meerengen.6 Die Seen und Buchten gar nicht zu erwähnen, verschlingt es auch festes Land. Es verschlang den Cybotus, einen sehr hohen Berg mit der Stadt Eurite, den Sipylus in Magnesia und die früher auf derselben Stelle gelegene sehr berühmte Stadt Tantalis; Galanis und Gamale, phönizische Städte mit den sie umgebenden Ortschaften, den sehr hohen Phegius-Rücken in Äthiopien. Pyrrha und Antissa in der Nähe von Meotissa wurden vom Pontus geraubt, ebenso Elice und Bura in der Corinthischen Bucht, deren Spuren man noch in der Tiefe sehen kann. Von der Insel Cea wurden plötzlich mehr als dreitausend Fuß mit vielen Menschen vom Meere verschlungen, von Sizilien die Hälfte von Tyndaris und alles, was von Italien untergegangen ist, ähnlich wie in Böotien Eleusis.
Diese alten Berichte finden durch Beispiele aus der jüngsten Zeit Bestätigung. Denn wir sehen neue Inseln, die in unserem Jahrhundert aus dem Meere entstanden sind. Die berühmteste von ihnen gehört zum Archipelagus7 in der Nähe der Insel Santorin. Am 29. März 1707 begann sie während eines Erdbebens aus dem Meere emporzusteigen. Zunächst war sie wie ein steinerner Hügel, aber in den folgenden vier Jahren wuchs sie zu einer Größe von einigen Meilen an. Ich habe nicht die Absicht, noch mehr derartige Beispiele zu zeigen und bin weder beredt genug, das Elend der peruanischen Hauptstadt Lima, noch das harte Schicksal von Lissabon zu schildern.8 So ist es auch überflüssig, weitere Fälle aufzuführen, in denen Städte durch Erdbeben vernichtet wurden, trägt das
6 Gemeint sind der Thrakische Bosporus (heute Bosporus oder Straße von Istanbul), die Schwarzes und Marmara-Meer verbindende Meerenge zwischen Europa und Asien, sowie der Kimmerische Bosporus (heute Straße von Kertsch), die Meeresverbindung vom Schwarzen zum Asowschen Meer. 7 Gemeint ist der griechische Archipelagus im Ägäischen Meer, von dem diese Bezeichnung abgeleitet wurde. 8 Zu jener Zeit waren noch die starken Erdbeben von Peru in den Jahren 1745 und 1746 sowie das Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755, das fast die gesamte Stadt vernichtete, in aller Erinnerung.
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Antlitz der Erde doch zum Beweis überall viele weitere Spuren. Wo auch immer man felsige Berge mit Erdspalten entdeckt, verweist dies unzweifelhaft auf Spuren eines Erdbebens, das umso heftiger war, je chaotischer sich die Trümmer, Abhänge und Abgründe zeigen. Um eine hinreichende Ursache für derartige Wirkungen zu erforschen, scheint die Philosophie derjenigen am plausibelsten, die diese im Innern der Erde selbst suchen und damit die Meinung der alten Babylonier verwerfen, welche glaubten, all dies werde durch die Kraft der Planeten hervorgebracht. Und obwohl Plinius viele Umstände zu deren Gunsten anführt und auf Grund von Schwankungen des Zentrums (insofern ein solches durch gegenseitige Beeinflussung der Himmelskörper existiert), zu dem sich die Körper durch ihre Schwere hinbewegen, einiges über die Erdbeben mutmaßt, muss man doch bei jeder Bewertung jene Tatsachen vorziehen, die der zu untersuchenden Sache vorangehen, zusammen mit ihr auftreten oder in Verbindung mit ihr folgen. Deshalb gehe ich mit beinahe allen alten wie auch heutigen Philosophen insofern konform, das unterirdische Feuer als wirkliche und allgemeine Ursache des Erdbebens anzusehen. In erster Linie sollte dieser Odem, der die ganze Natur belebt, der seine Wirkung aus den tiefsten Schlünden der Erde über deren ganzes Antlitz – selbst bis zur Atmosphäre – ausbreitet und oft das Erdbeben begleitet, beachtet werden; denn er wird aus ebenso vielen Öffnungen herausgeschleudert, wie es Feuer speiende Berge und Flammen ausstoßende Abgründe gibt. Diese innere Glut wird weder durch die Hitze der heißen Zonen gesteigert, noch durch die Strenge der bis zu den Polen reichenden kalten Landstriche gebändigt. Vielmehr wirkt sie überall und bahnt sich an den unterschiedlichsten Stellen den Weg nach außen. Das bezeugen in der Nähe des Äquators und an den Wendekreisen die Feuer speienden Berge von Peru und die Vulkane, die auf den Indischen Inseln und den Inseln am Kap Verde aktiv sind. In der gemäßigten Zone sind es der Ätna, der Vesuv, die Liparischen Inseln und viele Inseln im Archipelagus, die – wenn auch nicht mit ununterbrochenem Feuer, so doch durch häufigen Flammenausstoß aus großer Tiefe – deutlich beweisen, dass das Tyrrhenische und das Ägäische Meer über unterirdischen Feuern wogt. Ich verzichte darauf, die Ufer des Kaspischen Meeres eingehender zu erwähnen, deren verborgenes Feuer den Bewohnern Nutzen bringt: Nachdem man die obere Erdschicht entfernt hat, kann man es zum Kochen der Speisen und für andere Zwecke nutzen. In den Polarkreisen ist an erster Stelle der Berg Hekla auf Island zu rühmen, dann die in den vergangenen Jahrhunderten aufgetauchte Insel, die Jan Mayen heißt. Beide, mitten im ewigen Eis liegende Inseln werfen riesige Flammen, Asche und geschmolzenes Gestein aus. Unweit von der kalten Zone erheben sich die Gebirgsrücken der Halbinsel Kamtschatka, auch sie speien Feuer; ebenso jene Berge, die durch die Magellanstraße vom südlichen
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Amerika abgeschnitten sind und jenem Land ihren „feurigen“ Namen gaben.9 Alle diese brennenden Öffnungen künden deutlich von der Kraft des unterirdischen Feuers. Aber noch eindeutiger und nahezu allgemeingültig sind dessen Wirkungen. Denn nicht nur die warmen Quellen, die Heilquellen, die Brunnen und die von den Menschen mühevoll gegrabenen Bergwerke, sondern auch die weiten Meere, ja selbst der Große Ozean sind verlässliche Zeugen für die Wärme im Innern der Erde. Denn überall, also nicht nur an seichten Stellen, sondern auch in großen Tiefen, werden große Mengen von Fischen gefunden oder auf Grund der Umstände vermutet. Wo auch immer Walfische verschiedener Art vorkommen, sie ernähren sich überall von kleinen Fischen und diese wiederum von Seetang oder Schlamm. Aber das Wachstum des Tangs und der lockere Schlamm erfordern einen warmen Meeresboden. Um diese Wärme während so vieler Jahrhunderte zu erhalten, bedarf es überall eines unterirdischen Feuers; denn es ist eher unwahrscheinlich, dass die Sonnenstrahlen in einer solchen Tiefe durch die wärmespendende Bewegung eine solche große Wirkung hervorbringen könnten. Außerdem ist das Nördliche Eismeer, das mit Eis bedeckt ist, überreich an Tieren jeglicher Art, die sich von Fischen ernähren, wodurch klar bewiesen wird, dass der Meeresboden ohne Sonnenschein genügend Wärme vom inneren Feuer der Erde erhält. Wenn man sich diese große Menge unterirdischen Feuers vorstellt, sind die Gedanken sofort auf die Suche nach dem Materiellen gerichtet, durch das es erzeugt wird, sich sehr leicht entzünden lässt und – um es aufrecht zu erhalten – nicht gelöscht werden kann. Das betrifft vor allem jene Stellen, an denen die Zuführung von Außenluft schwierig ist; auch muss es auf dem ganzen Erdenrund reichlich vorhanden sein. Die Frage ist also: Was lässt sich leichter entzünden als Schwefel? Was ist zur Erhaltung und Nahrung des Feuers geeigneter und dauerhafter als dieser? Denn solange er noch geschmolzen ist und genügend Dämpfe ausstößt, entzündet er sich – obwohl er bereits erloschen scheint – immer wieder aufs Neue durch die hinzukommende Luft. Welche brennbare Materie dringt in größerem Überfluss aus dem Schoße der Erde empor? Denn er wird nicht nur aus den Rachen der Feuer speienden Berge und mit den heißen Quellen ausgestoßen, die kochend aus der Erde sprudeln, er sammelt sich nicht nur in großer Menge in den trockenen unterirdischen Hohlräumen, sondern es gibt auch kein Erz und fast keinen einzigen Stein, der nicht beim Reiben gegen einen anderen einen Geruch von Schwefel von sich gibt und damit dessen Gehalt anzeigt.
9 Gemeint ist das an der Südspitze Südamerikas gelegene Feuerland.
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Verwundert es also, dass sich die Nahrung dieses unterirdischen Feuers, das durch so viele Öffnungen ausgestoßen wurde, über die vielen Jahrhunderte nicht erschöpft? Denn nach der aus dem Erdinnern herausgeworfenen Menge lässt sich leicht darauf schließen, dass das Erdinnere einen so großen Vorrat gespeichert hat, dass der während der ganzen Jahrhunderte durch das Lodern der Berge verbrannte Schwefel sich zu diesem Überfluss ebenso verhält wie die dünne Rinde der Erdoberfläche zu ihrem gesamten Durchmesser. Diese derart reichlich vorhandene Materie nimmt billigerweise unter allen Mineralen den ersten Platz ein; denn weder die Pflanzen noch die Tiere können sie als einen lebensnotwendigen Bestandteil entbehren; und es gibt schließlich sichere Anzeichen dafür, dass ohne sie kein einziges Metall entstehen kann. Meine Hörer, hiermit wird Ihnen bereits die allgemeine innere Nahrung der Wärme verdeutlicht, die überall im Schoße der Erde vorhanden ist; und zu Recht erwarten Sie, dass ich die eigentliche Ursache aufzeige, durch deren Kraft sich ein solcher Überfluss an schwefliger Materie entzünden kann. In der Hoffnung auf Ihre Akzeptanz möchte ich bemerken, dass durch innere Bewegung der nicht wahrnehmbaren Komponenten der Körper – so auch des Schwefels – und den starken Druck der Massen, die auf ihm liegen, eine größere Reibung im Innern der Erde erzeugt wird. Und sie ist umso größer, je tiefer der Schwefel liegt, wobei sich dieser durch die starke Reibung unbedingt entzünden muss. In Abhängigkeit von den unterschiedlichen Eigenschaften der Materien hat dieses nahe der Erdoberfläche liegende Feuer eine größere oder eine geringere Kraft; und um reichlicher Nahrung zu erhalten, bricht es hervor. Wenn es die Nahrung aufgezehrt hat, erstirbt oder erlöscht es – es sei denn, es wird durch eine Gegenwirkung daran gehindert und erhält durch neuen Schwefel, der ihm aus unterirdischen Schlünden aus dem Innern der Erde und durch die Hitze zugeführt wird, neue Kraft und kann seine Flammen erneut in die Luft schleudern. Nach alledem ist uns wohl hinreichend klar, dass jene Wärme und jenes Feuer beständig im Schoße der Erde wohnen. Nun müssen wir überlegen, ob es dort auch Kälte und Frost gibt, die ihm entgegenwirken. Unbestritten ist, dass in den Regionen Sibiriens, vor allem den in der Nähe des Eismeeres liegenden, aber auch in jenen ausgedehnten Gebieten, die das gewaltige Bergmassiv bilden, welches das Chinesische Reich von Sibirien trennt, der Boden während des ganzen Sommers bis zu einer Tiefe von zwei oder drei Fuß gefroren ist. Und obgleich es mehr der Winterkälte zuzuschreiben ist, die der sommerlichen Hitze entgegensteht, wodurch diese Regionen – die eine wegen der Nähe zur kalten Zone, die andere wegen ihrer Höhenlage, dank derer sie bis zur kalten Schicht der Atmosphäre emporragt – der Wirkung eines milden Klimas entbehren, habe ich keinerlei Veranlassung zu glauben, dass sich an einigen Stellen im Erdinnern eine verborgene Ursache für Kälte befände, die Wasser beinahe bis zur Oberfläche
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in Eis verwandeln könnte. Als erstes wäre hier die berühmte Höhle von Besançon in Frankreich zu erwähnen (die auch heute noch von einigen als Naturwunder angesehen wird, während sie andere als Beweis für irgendeine umherirrende imaginäre wärmeerzeugende Materie oder ein Element des Feuers ansehen). Sie zeigt uns die Wirkung einer scheinbar der Erde innewohnenden Ursache, durch die in der Höhle – und zwar besonders im Sommer – eine sehr große Menge von Eis erzeugt wird. Aber im Gegensatz zur allgemeinen Ansicht konnte Herr Cossigny durch thermometrische Beobachtungen nachweisen, dass der Zustand der Luft in jener Höhle beständig ist: Sie hat immer eine Temperatur von fast einem Grad Kälte, liegt also etwas unter dem Gefrierpunkt.10 Bei genauem Nachdenken erkennen wir, dass das Regenwasser im Sommer durch Spalten von oben in diese Höhle eindringt, auf deren Boden fällt und dort zu spitz zulaufenden Säulen gefriert. Im Winter hingegen, wenn sich das Wasser auf der Oberfläche in Eis verwandelt und nicht in die Höhle eindringt, fehlt es also an entsprechender Materie zur Bildung von Eis. Diese Wirkung kann also nicht der Außenluft zugeschrieben werden; vielmehr muss es eine innere Kraft geben, die hinreicht, das Gefrieren zu verursachen. Unlängst erhielt ich einen glaubwürdigen Bericht von einer ähnlichen Erscheinung: Auf Nowaja Semlja unterscheiden sich nämlich die Ufer einiger Flüsschen darin, dass das eine während des ganzen Sommers mit grünem Gras, das andere aber mit verhärtetem Schnee bedeckt ist, obwohl die Sonne – da ihre Lage günstig ist – beide Seiten der Flüsschen gleichmäßig bescheint. Dieser Tatsache zufolge kann man wohl mit Gewissheit annehmen, dass das Innere der Ufer durch die Verschiedenartigkeit der unterirdischen Wärme und Kälte zu diesem Unterschied führt. Bei derartigen Erscheinungen ist Folgendes zu bedenken, wobei ich der Überzeugung bin, die Ursache der unterirdischen Kälte zu erkennen: Wir haben weiter oben gesehen, dass nicht nur Städte und Inseln, sondern auch ganze Länder von Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen werden können. Es verwundert deshalb kaum, dass Gegenden in Polnähe oder Gipfel von mit Schnee und Eis bedeckten Bergen, so sie früher durch Erdbeben in das Innere der Erde eingeschlossen und mitsamt ihrem Eis und Schnee von einer starken Erdschicht bedeckt wurden, keine Sonnenwärme mehr empfangen konnten. Die Kunst und die Erfahrung des
10 Charpentier de Cossigny, Jean François: Extrait d’une lettre écrite de Besançon à M. de Réaumur le 29 novembre 1743 sur la grotte qui se trouve à quelque distance de Besançon et qu’on et nomme la glacière. In: Mémoires de mathématique et de physique, présentés à la Académie royale des sciences par divers savants et lûs dans les assemblées, t. I, 1750, pp. 195–211. Charpentier de Cossigny war Associé der Akademie der Wissenschaften zu Paris und Mitglied der gelehrten Gesellschaft zu Besançon.
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einfachen Volkes lehren uns, Eis während des ganzen Sommers in Kellern aufzubewahren. Dabei handelte es sich selten um eine Menge, die mehr als zwanzig Kubik-Sažen betrug.11 Wieviel Zeit braucht da eine Eismenge von einigen Millionen Kubik-Sažen im Innern der Erde, um aufzutauen? Wahrhaftig, viele Jahrhunderte müssen vergehen, ehe sich ihr Kälteüberschuss dem Erdinnern, mit dem sie in Berührung kommt, mitgeteilt hat, sich ihm angleicht, endlich auftaut und sich durch die unterirdische Wärme in Wasser verwandelt. Welch lange Zeit ist dazu notwendig, damit die Natur diese Arbeit verrichten kann! Viele Generationen werden darüber vergehen, ja ganze Völker können entstehen und vergehen. Ob einer solchen Wahrscheinlichkeit wird niemand bestreiten, dass das unterirdische Feuer viel stärker ist als jene Kälte, denn diese liegt unmittelbar unter der Erdoberfläche und ist ein Produkt der kalten Außenluft; das Feuer dagegen schaltet und waltet wie in seinem ureigenen Reich. Auf den mehr als reichlich vorkommenden und entzündbaren mineralischen Schwefel folgen die Materien, die pflanzlichen und tierischen Ursprungs sind und – so sie in das Innere der Erde eindringen – auch zu den Mineralen zählen. Darunter steht das Steinsalz an erster Stelle und – obgleich es normalerweise zu den Mineralen gezählt wird – verdankt es sein Entstehen Pflanzen und Tieren. Um dies hier kurz zu belegen, möchte ich zunächst zeigen, das sämtliches Steinsalz Seesalz ist; und zweitens, dass Seesalz bei der Zersetzung von Pflanzen und Tieren entsteht. Zunächst erinnere ich daran, dass im Steinsalz Seetiere gefunden werden, die deutlich beweisen, dass dieses früher in flüssigem Zustand vorlag, das heißt, dass es durch eine große Menge Süßwasser verdünnt gewesen sein muss, so dass sich Tiere darin aufhalten konnten. Außerdem besteht das Steinsalz aus Körnern verschiedener Größe in kubischen Formen, jenen gleichend, die sich gewöhnlich beim Sieden von Seesalz absetzen. Dadurch wird zweifellos bewiesen, dass sich das Steinsalz aus der Sole durch Verdunsten der überflüssigen wässrigen Flüssigkeit in körnigem Zustand abgesetzt hat. Dabei werden die sich absetzenden Teilchen gewöhnlich umso größer und fester, je mehr Sole vorhanden ist und je länger das Verdunsten dauert. In der Natur kann eine solche chemische Reaktion gut durch ein Erdbeben verursacht werden. Nehmen wir an (wie das ja vorkommt), dass vom Meeresboden eine Insel aufsteigt, in deren Mitte sich ein sandiges Tal befindet; dieses erhebt sich über den Meeresspiegel und ist mit Sole gefüllt. Wer wird unter diesen Umständen bezweifeln, dass das zum Teil durch den Sand hindurchsickernde Süßwasser zu einem Teil in der Luft verdunstet, dabei Salz in festem Zustand hinterlässt und dann durch Sand, der von den
11 Die hier genannte Kubik-Sažen beträgt 9,71 m3, damit wären 20 Kubik-Sažen 194 m3.
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Bergen herabkommt, oder durch Erde wie auch durch die Asche Feuer speiender Berge zugeschüttet worden sein kann. Und wenn nun der Salzgehalt des Meeres – wie viele glauben – nicht vom Steinsalz, sondern umgekehrt, dieses aller Wahrscheinlichkeit nach von jenem herrührt, dann muss man hinsichtlich des Salzgehalts des Meeres einen anderen Ursprung suchen. Die große Mühe, die viele hierauf verwandt haben, wird durch die chemische Zusammensetzung des Salzgemisches erklärt. Denn es ist bekannt, das See- und Steinsalz aus alkalischem und saurem Spiritus12 besteht. Das alkalische Salz, dass sich im See- und Steinsalz befindet, ist dasselbe, das sich in der Asche verschiedener Bäume, das heißt der Pottasche absetzt, und unterscheidet sich nur durch kleine Beimischungen von kreidiger oder kalkiger Materie. Der saure Spiritus ist ein Gemisch13 aus der allgemeinen sauren Materie und der merkurischen oder arsenischen ursprünglichen Materie, die ihr beigefügt ist. Von allen Salzen, so viele es auf der Erde auch geben mag, behaupte ich, dass sie deshalb so überreich vorhanden sind, weil sie sich aus alkalischer und saurer Materie bildeten, die durch lang andauernde Zersetzung pflanzlicher und tierischer Körper entstanden ist. Aber hier erhebt sich die Frage, woher eine solche Menge alkalischer und saurer Materie kommen kann, die zur Entstehung all dieser Salze ausreicht. Und mit demselben Recht stelle ich die konträre Frage: Wohin mit der großen Menge alkalischer und saurer Materie, die täglich in unübersehbarer Menge entsteht, wenn nicht die weiten Meere sie in ihren allumfassenden Schoß aufnehmen würden? Denn wenn man genau berechnen könnte, welche Menge von Bäumen und anderen Pflanzen durch den Menschen verbrannt werden, wie viele pflanzliche Körper durch den Brand von Gebäuden in Städten und Dörfern, durch die Feuersbrünste in den großen Steppen jährlich – oder besser gesagt täglich – in Asche verwandelt werden und wie viel alkalisches Salz auf der ganzen Erdoberfläche aus der Asche durch den Regen herausgewaschen wird und durch die Flüsse ins Meer gelangt, dann müssten wir eingestehen, dass das Wasser der Meere bereits Lauge sein müsste. Aber durch die allweise göttliche Vorsehung wird diese scharfe Materie abgestumpft, indem sie sich mit einer anderen vereinigt und dadurch für die allgemeine Verwendung eignet. Denn obgleich aus den Pflanzen durch Verbrennen viel alkalische Materie entsteht, ergibt doch das Säuern
12 Der Begriff Spiritus war zu jener Zeit relativ weit gefasst und bezeichnete eine „Flüssigkeit, welche durch Destillation aus einer Substanz aus dem Thier-, Pflanzen- oder Mineralreich gezogen wird“. Vgl. dazu Krünitz, J. G.: Oekonomische Encyklopädie. Berlin 1773–1858. 13 Lomonosov spricht zwar von Gemisch, meint aber wohl die chemisch zusammengesetzten Stoffe, also die Verbindungen.
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und das Verwesen von Tieren und Pflanzen eine ausreichende Menge, um beim Vermischen mit der erstgenannten Materie diese zu saturieren und die Bildung von Salz zu ermöglichen. Aus den Tieren und den Pflanzen bringt das Säuern eine flüchtige Säure und das Verwesen die für sie erforderliche arsenige Materie hervor, so dass man daraus schließen kann, dass ihre Menge davon abhängt, wie viele Bäume, Blätter, Pflanzen und auch Tiere auf der ganzen Erde durch Säuern und Verwesen umkommen, wodurch sich die merkurische ursprüngliche Materie von dem Gemisch trennt. Ich übergehe hier das Salz, das sich aus den reichlichen Ausscheidungen der Tiere absondert. Es ist richtig, dass durch das Wegwerfen von Tieren und das Entstehen pflanzlicher Körper ebenso wie durch deren Ernährung ein beträchtlicher Teil der oben erwähnten Materie zurückverwandelt wird; den größten Teil davon verschlingt jedoch das Meer. Deshalb ist die Klage jener Leute nicht ganz unbegründet, die meinen, dass die Fruchtbarkeit der Erde im Vergleich zur früheren Zeit abnehme. Denn diese zur Erhaltung des Wachstums so nötige Materie kann im Meer verlorengehen, wenn die Erdbeben sie nicht zum Teil zurückerstatten, in dem sie das Seesalz im Innern des Meeres verschlingen und es dann auf der Erdoberfläche verbreiten oder es durch unterirdisches Feuer zerstören und in die Atmosphäre verstreuen, aus der es im Regenwasser wieder auf die Erde zurückfällt. Den zweiten Platz nehmen die unterirdischen fettigen Materien ein, wie Schiefer, Steinkohle, Asphalt, Steinöl und Bernstein. Ihre gegenseitige Verwandtschaft geht daraus hervor, dass sie ihre Entstehung den Pflanzen zu verdanken haben. Denn das Schiefergestein ist nichts anderes als Schwarzerde (Tschernosem), entstanden durch Verfaulen von Pflanzen und Blättern, die in vergangenen Zeiten von fruchtbaren Stellen und aus Wäldern durch den Regen weggespült wurden und sich als Schlamm auf dem Grund von Seen absetzten. Nachdem diese ausgetrocknet waren oder durch Sand verschüttet wurden, versteinerte der Schlamm mit der Zeit. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich im Schiefer Spuren von versteinerten Pflanzen und Gräten von versteinerten Fluss- und Seefischen finden. Die in der Steinkohle enthaltenen Stücke verwester Bäume, die bisweilen wie abgehackt aussehen, wie auch die bei ihrer Verbrennung zurückbleibende Asche und Pottasche sowie ein aus ihr durch Destillation gewonnenes bitteres, harzähnliches Öl sind ein klarer Beweis für deren pflanzlichen Ursprung. Das geringe Gewicht und der harzig bittere Geschmack der Harze und Steinöle sprechen dafür, dass sie gleichen Ursprungs sind. Man kann ihr Entstehen aus versteinerter Kohle ableiten. Durch die Kraft des unterirdischen Feuers werden sie aus ihren geräumigen Schichten herausgestoßen und zerfallen – je nach Flüssigkeitsgrad und Farbe wie auch dadurch, welche in der Nähe befindlichen Minerale sie in sich aufgenommen haben – in Asphalt, Naphtha und Steinöl, das sich von Terpentin (einem aus dem Harz des Terpentinbaumes gewonnenen Öl) so wenig
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unterscheidet, dass das eine mit dem anderen verwechselt oder es gemischt verkauft werden kann. Was den Bernstein anbetrifft, so kann man sich nicht genug darüber wundern, dass einige Gelehrte, deren Namen durch ihre Verdienste berühmt geworden sind, diesen für ein echtes Mineral hielten, ohne darauf zu achten, dass in ihm eine große Menge kleiner Insekten, wie sie in den Wäldern vorkommen, eingeschlossen sind und dass viele Blätter im Innern des Bernsteins zu sehen sind; sie alle widersprechen auf das Lebhafteste jener Meinung und bezeugen wahrheitsgetreu, dass jene Insekten und Blätter irgendwann an dem flüssigen Harz, das aus den Bäumen floss, hängengeblieben sind, dann von oben betropft wurden und eingeschlossen blieben. Wie sie in die Erde gelangten, wird derjenige kaum begreifen, der von den großen Veränderungen der Erdoberfläche, die wir vorher betrachtet haben, nichts weiß. Überdies wird in Preußen der Bernstein unter einer Schicht verfaulten Holzes gefunden, das, wie wir sahen, seines Alters wegen modert. Im Übrigen blieb die harzige Materie, die wegen ihrer Fettigkeit der Zerstörung durch die Fäulnis widersteht, mit den darin eingeschlossenen Insekten unversehrt und wurde schließlich in der langen Zeit unter der Erde durch mineralische Säfte nur noch härter. Doch hiermit sei über die fettigen erdigen Materien genug gesagt. Betrachten wir nun endlich die versteinerten tierischen Körper, die viele in Verwunderung versetzen, da sie sich nicht vorstellen können, dass sie einstmals wirklich Tiere waren, sondern meinen, dass sie durch eine Laune der üppigen Natur entstanden sind. Allerdings rufen diejenigen, die sich die Natur nicht so spaßhaft vorstellen, nicht mit Narziss14 aus: „Grausame, ach, was bietest du dem Auge dar: Verführst du mich mit trügerischem Schein?“15 Vielmehr sehen diese jene als wirkliche Tiere an, die nach der Versteinerung durch ein Erdbeben vom Meeresboden emporgehoben wurden und bei denen sie sich durch das echte Kriterium tierischer Körper überzeugt haben, nämlich durch das empyreumatische Fett,16 das man durch Destillation aus versteinerten Objekten erhält. Das sind die wichtigsten Körper, die hinreichend das Entstehen der Metalle erklären. Deren Ursprung zu beweisen, hielt ich für notwendig, um klar zu stellen, wie viel gemischte Teile von Pflanzen und Tieren daran beteiligt sind.
14 Narziss – in der griechischen Mythologie der schöne Sohn des Flussgottes Kephissos und der Leiriope, der die Liebe anderer zurückwies und sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte. 15 Vergil: Aeneis, 1. Buch, Verse 407–409. In der lateinischen Fassung korrigierte Lomonosov schließlich seinen Lapsus; denn Vergil lässt Aeneis, nicht also Narziss, die Worte an Venus richten. 16 Empyreumatisches Fett ist durch Verkohlung entstandenes Fett.
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Und jetzt ist der Augenblick gekommen, die Stellen aufzuzählen, an denen Metalle gefunden werden. Im Wesentlichen sind es vier: Erstens die Erzgänge, welche nichts anderes als Bergspalten sind, die verschiedene Minerale und Erze enthalten. Die Verschiedenheit ihrer Lage ist beinahe unendlich – je nach der Gegend, in denen sie vorkommen und je nach der Veränderung ihrer Neigung zum Horizont. Zweitens horizontale Schichten in den Bergen. Drittens nestartige Erzvorkommen. Viertens Vorkommen, die sich an der Erdoberfläche befinden, wie das im Sand enthaltene Gold, die Zinnerze in England, die Eisenerze in Sümpfen und Feldern, wie sie in Russland, Schweden und Finnland reichlich vorhanden sind. Wie all diese Schatzkammern der Metalle durch Erdbeben entstehen, soll hier gezeigt werden. Aber zuerst ist zu erläutern, welche Arten horizontaler Schichten und Gänge es gibt und wie sie entstehen. Beim Graben von Brunnen werden verschiedene Schichten bloßgelegt. Hierfür gibt es viele Beispiele, die bedauerlicherweise nur selten beschrieben werden. Deshalb, meine Hörer, richten Sie Ihr geistiges Auge auf die Ufer der großen Flüsse, von denen besonders das Russische Reich bewässert wird. Dort bilden sich neben anderen der Aufmerksamkeit würdigen Dingen steile Ufer, die ihren Ursprung der ausspülenden Strömung des Wassers zu verdanken haben. Wie wunderbar zieht der Anblick der verschiedenen Schichten das menschliche Auge an! Dort kann man die verschiedensten Farben erblicken, an einer anderen Stelle Schichten mit unterschiedlicher Festigkeit und Struktur des Erdreiches. Schließlich treten reichlich mit Erde bedeckte Schichten untergegangener Wälder zutage; an einer anderen Stelle ragen Tierknochen und hölzerne, von Menschenhand verfertigte Gebilde aus der aufgeschütteten Erde hervor. Alle diese Anblicke sind so geartet, dass man wohl sagen kann, dass die Natur nirgendwo ihre unterirdischen Geheimnisse mehr preisgibt als an jenen steilen Ufern. Von diesen Schichten erwecken vor allem diejenigen mein Interesse, die aus Sand- oder Kalkstein oder aus Schiefer bestehen, dabei Steinkohle und versteinerte Bäume sowie verschiedene Erze in sich einschließen. Solche Schichten finden sich oft in Bergen, die reich an Metallen sind. In Deutschland ist besonders eine in der Hessischen Landgrafschaft bei Frankenberg gelegene Lagerstätte berühmt, die Kupfer und Silber führt.17 Dort hatte ich zu meiner größten Verwunderung Gelegenheit, nicht nur einen versteinerten Baum, sondern vollkommen versteinerte Garben zu sehen, die Kupfer und Silbererz enthielten, so dass an einigen Ähren
17 Lomonosov dürfte diese im südlichen Teil des Landkreises Waldeck-Frankenberg gelegene Stadt wohl im Anschluss an seinen Aufenthalt in Freiberg/Sa. kennengelernt haben.
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die Körner mit reinem Silber wie von Lahn18 umwachsen waren.19 In den Felsgebirgen kreuzen sich in solchen horizontalen Schichten die metallführenden Erzgänge, die von oben in verschiedenen Richtungen in die Erde eintauchen, sich nach unten verzweigen, sich jedoch nach oben zu so verengen, dass sie an der Oberfläche fast völlig geschlossen sind und unter der Schwarzerde oder einer anderen aufliegenden Erdschicht ganz verborgen bleiben und dort enden. Diese Art der Gänge ist die wesentlichste und häufigste. Außerdem ist zu bemerken, dass derartige Erzgänge sehr oft in sanfter geneigten Gebirgen vorkommen; im Unterschied dazu weisen sehr hohe und steile Berge selten derartige Reichtümer auf. So sie manchmal doch auftreten, sind sie immer unterbrochen, verlaufen also nicht durch den ganzen Berg hindurch, sondern enden und nehmen den Bergleuten die Aussicht auf Gewinn. Was die Materie betrifft, mit der die Gänge gefüllt sind, so sind es vor allem Gesteine, die sich vom übrigen Gebirge unterscheiden, wie Kiesel, Quarz, Spat, Blende und andere. All diese Gänge sind durch Erdbeben entstanden, was durch folgende Beweise bestätigt wird. Erstens: Höhe und Form der Berge unterscheiden sich nach Größe und Gewalt des Bebens; denn je stärker die Ursache ist und je weniger Widerstand von der darüber liegenden Erde geleistet wird, umso heftiger ist das Beben und umso stärker sind seine Wirkungen. Wenn im Schoße der Erde eine große Menge Schwefel verbrennt und die schwere Luft in den Abgründen sich ausdehnt, drückt diese gegen die darüber liegende Erde, hebt sie hoch und erzeugt nach verschiedenen Seiten hindurch unterschiedliche Bewegungen, mithin auf unterschiedliche Art ein Beben. Dabei werden Stellen geringsten Widerstands zuerst aufgebrochen, leichte Teile der zerstörten Erdoberfläche in die Luft geschleudert und damit die umliegenden Felder bedeckt. Die übrigen Teile überwältigen ob ihres gewaltigen Umfangs und ihrer Last das Feuer und bilden, über dieses hereinstürzend, die Gebirge. Die Flächen, die durch eine solche Kraft erschüttert werden, nehmen nicht mehr ihre frühere Lage ein, sondern hinterlassen – in unregelmäßige Trümmer zerbrochen – in ihren Zwischenräumen leere Bereiche. Dabei werden gigantische Erhebungen über die übrige Erdoberfläche aufgetürmt, die Rauch, Asche und manchmal auch Flammen mit flüssigem Gestein ausstoßen. Manche, deren Feuer schon lange erloschen ist, stürzen wieder zusammen, weil sie in ihrem Innern leer sind. Aber so lange es darin noch eine andauernde oder endlose Hitze gibt, stoßen sie eine große Menge verschiedener Materien zur Ober-
18 Lahn bezeichnet platt gewalzten (geplätteten) Draht aus Gold, Silber oder einem anderen Metall, der hauptsächlich zu textilen Arbeiten verwendet wird. 19 Die Literatur erklärt die Frankenberger Kornähren als in Kupferglanz umgewandelte fossile Reste (Zweige) der Koniferengattung Ullmannia aus dem Zechstein (Kupferschiefer).
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fläche aus. Beweise hierfür haben uns viele Schriftsteller hinterlassen, die Sandoder Steinregen für unser Gedächtnis bewahren. So schreibt Cicero: „Denken wir an die Finsternis, die den Berichten zufolge herrschte und die durch den Ausbruch des Ätna die umliegenden Gegenden derart verdunkelte, dass zwei Tage und Nächte lang der eine den anderen nicht sehen konnte.“20 Es fielen so dunkle und dichte Sand- und Aschenwolken auf die Erde, dass viele Pflanzen, die sie bedeckten, vernichtet wurden. Borelli schreibt über den Ausbruch des Ätna im Jahre 1669: „Dann fiel die Asche drei Monate lang unaufhörlich wie ein Regen in solcher Menge, dass sie in einem Umkreis von 15 Meilen alle Felder bedeckte und so hoch lag, dass Weinstöcke und Sträucher verschüttet wurden.“21 Es würde viel Zeit in Anspruch nehmen, wollte man all diese Verheerungen durch Feuer speiende Berge aufzählen, durch die nicht nur der Vesuv und der Ätna oft nahe gelegene Orte verschüttete, sondern auch neue Berge entstanden – wie der, der sich im Jahre 1538 in der Nähe von Puteoli22 aufrichtete und Feuer, Sand und Asche ausspie. Durch all diese Ereignisse sind wir hinreichend überzeugt, dass durch einen solchen trockenen, aus dem Erdinnern kommenden Regen viele Dinge begraben wurden, die bis dahin die Erdoberfläche zierten. Ganze Wälder wurden mit geschmolzenem Gestein bedeckt und verbrannten. Cornelius Severus schreibt: „Wie schrecklich heiß der Schlund des Ätna feurig lodert, schon brennen Fluren, Wälder, und die Besitzer auch ...“23 Angesichts derartiger Wirkungen ist es nicht verwunderlich, dass wir im Innern der Erde Schichten finden, in denen nicht nur mit Mineralen vermischte, sondern auch versteinerte Pflanzen zu sehen sind. Denn unter einem Berg, der auf die oben dargestellte Weise aufgetürmt und im Laufe der Zeit aus Sand, Asche und schwefeliger Materie zu Stein wurde, können auch diese Pflanzen selbst versteinern und genannte Erze erzeugen. Und zusammengepresste Bäume und andere Gewächse lassen sich bald in Form von verhärteter Kohle wie auch in Form von Erzen ausgraben. Denn wenn das Regenwasser die Berge durchdringt, löst es die feinsten erdigen Teilchen, aus denen die Steine zusammengesetzt sind, auf und erhält von diesen die Kraft, andere Körper in Stein zu verwandeln, indem es in ihren Poren jene Teilchen absetzt, die es vorher aus der Steinmasse
20 Marcus Tullius Cicero: De natura deorum (Vom Wesen der Götter). Berlin 1874, S. 139. 21 Borelli, Giovanni Alfonso: Historia et meteorologia incendii Aetnaei anni 1669. Reggio 1670. 22 Das in der italienischen Region Kampanien, westlich von Neapel gelegene Pozzuoli und bekannt durch die Phlegräischen Felder wurde in römischer Zeit Puteoli („Kleiner Brunnen“) genannt. 23 Aetna: ein Lehrgedicht des L. Lucilius Junior; nebst dem Bruchstücke eines Gedichts des Cornelius Severus vom Tode des Cicero; der lateinische Text nebst einer metrischen Uebersetzung und Anmerkungen. Quedlinburg 1818.
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des Berges mitnahm. Dies beweisen viele Höhlen und Bergwerke, in denen das heruntertropfende Wasser an den Wänden und Gewölben Steine bildet, die in die Höhe wachsen. Meine Hörer, hiermit wird Ihnen wohl klar geworden sein, welcher Art, welchen Ursprungs und welcher Zusammensetzung die so entstandenen horizontalen Schichten sind, welche Erze und andere Minerale enthalten. Ebenso haben Sie wohl verstanden, dass zu deren Entstehung heftige Erdbeben und das Herausschleudern verschiedener unterirdischer Materie aus den Feuer speienden Bergen vorausgesetzt sind; daher widmen wir uns nun dem Entstehen der metallführenden Erzgänge. Wenn die untergegangenen Felder und Wälder, die von Feuer speienden Bergen mit Sand, Asche und Steinen zugeschüttet wurden, schließlich erkaltet sind, so tritt zuweilen der Fall ein, dass die Materien, in denen noch ein verborgenes Feuer glimmt, dazu neigen, erneut aufzuflammen. Dabei wird durch die Elastizität der sich ausdehnenden Luft die Erde gehoben und gesenkt, bisweilen erzittert sie auch und stößt durch Spalten einen übelriechenden schweren Rauch aus, der manchmal in einer Flamme auflodert. Die in einer zugeschütteten horizontalen Schicht schwelende, brennbare Materie verdichtet sich, die darüber liegende Last senkt sich und drückt auf jene Schicht. Auf diese Weise entstehen Berghänge und Täler, durchschnitten von Erdspalten, die sich nach verschiedenen Seiten hin erstrecken. Die größten reichen von oben herab bis zur Horizontalen, die übrigen kleineren durchkreuzen sich oder verschwinden ganz. In einem derartigen Fall müssen die aufgetürmten, in Senkung begriffenen Erdmassen die unteren gewölbten Seiten der Erdspalte weiter öffnen, während die oberen schmaler bleiben. Daraus erklärt sich, dass die Erzgänge zum Zentrum der Erde hin breiter, nach oben aber enger werden und selten bis zur Oberfläche reichen. Im Übrigen sickert das Regenwasser in das Innere des Berges hinein, trägt die in ihm aufgelösten Minerale mit sich und lagert sie in Erdspalten durch Ausscheidung oder Tröpfeln ab. Dabei wird steinige Materie in einer solchen Menge abgeschieden, dass in einer gewissen Zeit all diese Hohlräume ausgefüllt sind. Dies wird durch die tägliche Kunst der Bergleute bestätigt, die in ausgebeuteten Gruben sehr oft neue Minerale finden, die nicht nur an den alten zerschlagenen und in Haufen gesammelten Erzen aufs Neue anwachsen, sondern die alte Erzgruben auch wieder mit neuer Materie füllen. Außer den erwähnten Ablagerungen, verursacht durch ein leichtes Beben und gefolgt von einer Öffnung der Erdspalten in den Bergen zur Bildung von mineralisierten Gängen, kommen im Lauf der Zeit noch kaum wahrnehmbare Senkungen und Hebungen der Berge hinzu. Dies zeigt sich nicht nur auf der Erdoberfläche, sondern sehr deutlich auch in den Erzgruben ihres Schoßes. Denn
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leere Spalten, von Gängen durchkreuzt und zur Seite gedrückt, ebenso Zwischenräume, durch die die Gänge vom Gestein getrennt wurden, bestehen aus einer vollkommen andersartigen Materie und beweisen dadurch deutlich, dass sie nach der Entstehung der Gänge dadurch entstanden sind, dass sich diese noch einmal erweiterten, als sich die Erde wieder senkte. Wie schon angemerkt, entstehen diese beiden Arten von Metallvorkommen durch Erdbeben, wobei man die dritte Art zweifellos derselben Ursache zuschreiben muss. Denn wenn man die abzubauenden Erze, die inmitten der Berge als nestförmige Anreicherung gefunden werden, aufmerksam betrachtet, kann man aus dem Gestein, das durch die oben erwähnte mineralische Zwischenlage mit ihr verbunden ist, schließen, dass sich genannte Anreicherung nicht anders erklären lässt als durch Erzgänge, die durch ein neues heftiges Beben zerrissen wurden und deshalb derart ungeordnet anzutreffen sind. Ob die vierte Art der Erzvorkommen, bei denen sich die Metalle an der Oberfläche der Erde befinden, ebenfalls Erdbeben zuzuschreiben ist, muss wohl bezweifelt werden; es lassen sich jedoch Beweise anführen, durch die diese Frage gelöst werden könnte. Denn alles Gold, das sich in feinen Körnchen an der Oberfläche befindet, wird aus reinem Sand oder aus mit Erde vermischtem Sand ausgewaschen. Beim Sand sind sich alle Physiker einig, dass er aus zerkleinerten Steinen entstanden ist. Und so wird es niemand für unwahrscheinlich halten, dass die Goldkörnchen durch irgendeine Naturgewalt aus den Erzgängen herausgerissen und mit dem Sand vermischt wurden. Diese Auffassung wird in besonderem Maße durch die mit Goldflittern verwachsenen Quarzbrocken bestätigt, die im Sand gefunden werden. Sie beweisen offensichtlich, dass das Gold, das sich im Sande befindet, Gängen entstammt; denn die reines Gold enthaltenden Gänge bestehen fast immer aus Quarz. Die englischen Zinnerze muss man genauso ansehen wie die Eisenerze in den Sümpfen; diese sind nämlich durch das Regenwasser aus den Gängen der Berge herausgelöst und in sumpfige Täler befördert worden. Da aber Berge und Gänge, wie wir eben hörten, durch Erdbeben verursacht wurden, haben die erwähnten Gold-, Eisen- und Zinnerze ihre Entstehung auch diesen zu verdanken; folglich sind alle Orte, an denen Metalle vorkommen, den Erdbeben zuzuschreiben. Um alles der Reihe nach darzulegen, soll jetzt gezeigt werden, wie die Metalle in den Schichten und Gängen entstehen und welchen Anteil daran die Erdbeben tatsächlich haben. Wenn ich hierzu übergehe, erwarte ich eine Gegenfrage: Entstehen die Metalle auch jetzt noch ununterbrochen oder sind sie beim Entstehen der Welt mit den übrigen Dingen in einem bestimmten Anteil erschaffen worden? Gelangen sie nun aus dem Innern der Berge heraus, in denen sie verteilt sind, sobald die Schichten und Gänge zusammengedrückt werden? Für beide Ansichten haben wir viele Beweise; jedoch wird der Streit zwischen ihnen nicht endgültig
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entschieden werden, bevor nicht durch die Bemühungen der Chemie aus nichtmetallischen Körpern eine ansehnliche Menge irgendeines Metalls hergestellt sein wird oder ein Metall ohne jeglichen Betrug und ohne Fehlschläge in ein anderes verwandelt und dies klar bewiesen wird. Sicherlich gibt es Zeugnisse von durchaus glaubwürdigen Leuten, die bestätigen, dass man Silber durch vielfaches Schmelzen und Ablöschen in Gold verwandeln kann. Diese und andere ähnliche Versuche würden uns sicher zwingen, einer solchen Meinung zuzustimmen – vorausgesetzt, man könnte sie auf bequeme Art und Weise vorführen; dann würde eine künstlich bewerkstelligte Erzeugung oder Umwandlung von Metallen als Beweis der natürlich vollzogenen dienen. Besser distanziere ich mich aber von derartigen Erwägungen, führen sie doch gewöhnlich in dunkle alchemistische Labyrinthe. Vielmehr begnüge ich mich allein mit dem Argument der Analogie und bekenne, insofern mit der anderen Seite einverstanden zu sein, als dass auch heute noch Metalle entstehen. Denn durch viele chemische Versuche ist bewiesen worden, dass Metalle gemischte Körper sind; daher müssten die Materien, die das Gemisch bilden, zweifelsohne in der Natur dagewesen sein, bevor aus ihnen gemischte Metalle entstanden. Es ist schwer zu glauben, dass beim ersten Entstehen der Metalle von den angebotenen Materien alles für das Gemisch verbraucht wurde, also ohne einen Rest für künftige Zeiten zurückzulassen. Aber betrachten wir die Entstehung der Metalle in den Erzgruben und in den Gängen, dann bestätigen uns irgendwelche Anzeichen vielleicht doch, welcher Meinung wir uns anschließen müssen. Erstens: Es ist bekannt, dass die Bergleute einhellig der Meinung sind, dass in den Bergwerken bestimmte Ausdünstungen auftreten, welche widerlich nach Arsen und Schwefel riechen. Sie durchdringen die auf den Wänden wachsende steinerne Materie, die mit dem Wasser aus dem Gestein herausgedrückt wird und die erhärtet, und zwar derart, dass sie einen metallischen Glanz bekommt und den Namen Erz erhält. Später stößt dieses unter Einwirkung des Feuers im Schmelzofen Dämpfe aus, die sich in den Schornsteinen und in besonderen Gefäßen in Form von Schwefel und Arsenik niederschlagen. In dem festen Rückstand lassen sich bei starkem Feuer verschiedene Metalle finden. Oft kommt es vor, dass die Erze, wenn sie sich noch im Gestein befinden, Dämpfe oder eine blitzähnliche Flamme ausstoßen und sich in Asche verwandeln, die nach dem Schmelzen keinerlei Metalle mehr enthält. Finden die Bergleute bei ihrer Arbeit in den Gängen derartige Stellen mit totem Metall – wie sie es nennen –, dann gebrauchen sie gewöhnlich die Redensart „Wir sind zu spät gekommen“. Denkt man über solche Erscheinungen nach, so gerät man in ein Dilemma und weiß nicht, ob die Metalle in der Lage sind, in leeren unterirdischen Klüften als vollständiges Gemenge oder getrennt in Gestalt der zu ihrer Zusammensetzung notwendigen Materien umherzuwandern. Behauptete man das Erstere, so würde es den Überlegungen keinesfalls widersprechen, wenn jene Veränderun-
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gen in einer Tiefe vor sich gingen, in der die Luft durch den Druck des darüber Liegenden auf die Hälfte oder ein Drittel ihres Volumens zusammengepresst wäre und dadurch die feuerbeständigen Körper in flüchtige verwandelt werden könnten, oder wenn dort eine so große Hitze herrschte, wie sie erforderlich ist, um Arsenik und Schwefel mit den mit ihnen verbundenen Metallen an die Luft zu treiben. Aber da die oben beschriebenen Erscheinungen an Stellen auftreten, die nicht so tief sind und an denen keine so große Hitze herrscht, ist anzunehmen, dass die Metalle nicht in ihrer vollständigen Zusammensetzung auftreten, sondern dass die dafür erforderlichen Materien einzeln vorkommen. Denn es ist bekannt, wie schwer es ist, Arsenik und Schwefel durch Feuer auszutreiben – besonders dann, wenn sie die Last des Metalls mit sich tragen müssen. Deshalb müssen die Dämpfe, die sich in den Klüften der Berge bewegen, viel feiner als die Arsenik- und Schwefeldämpfe sein. Am besten eignen sich dazu die Materien, aus denen sie zusammengesetzt sind; das sind dieselben, aus denen auch die Metalle bestehen. Dies erklärt sich daraus, dass sie beim Schmelzen sowie bei anderen chemischen Versuchen leicht Verbindungen eingehen. Wenn der Schwefel durch die Flamme zerstört wird, so erkennt man, welch flüchtiger saurer Spiritus seine schweflige und brennbare Materie ist. Arsenik besteht aus feiner Erde, die mit saurem salzigem Spiritus vermischt ist und dadurch flüchtig wird, worin sich seine Ähnlichkeit mit einem Sublimat erkennen lässt. Wie flüchtig und leicht entzündbar flüssiger, saurer und salziger Spiritus ist, der mit brennbarer Materie vermischt wurde, zeigt der daraus entstehende Phosphor. Aber dies wurde von mir bereits früher ausführlich behandelt und der gelehrten Welt mitgeteilt.24 Deshalb betrachten wir nun die allgemeinen Arten der Erze, die in den Bergwerken gefördert werden. Erstens treten die Metalle zusammen mit anderen Mineralen auf, in diesem Fall werden sie Erze genannt oder reine Materien ohne jegliche fremde Beimischung. Die Erze zeigen sich in zweierlei Gestalt – zum einen in ihrer eigenen konstanten Form, wie der kubische Markasit, der kugelförmige gelbe Kies, der eckige weiße Kies, das nadelähnliche Antimon und viele andere. Reine gediegene Metalle hingegen sind selten kristallisiert; jedoch hatte ich Gelegenheit, Gold und Kupfer auch in eckig gewachsenen Aggregaten zu sehen. Und Kupferkristalle waren mit weichen, grünlichen Bergkristallen vereint. Schließlich haben andere Erze, überhaupt deren größter Teil, keine bestimmte Form, sondern sie
24 Lomonosov bezieht sich hier auf seine Abhandlung De tincturis metallorum (Über Metallglanz), veröffentlicht in den Commentarii Academiae scientiarum imperialis Petropolitanae, Bd. XIV, St. Petersburg 1751, S. 286–298.
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treten einfach als gemischte Materie zutage, wie weiße und rote Silbererze, gelber Schwefelkies und fast alle eisenhaltigen Gesteine. Diese vier Formen sind ursächlich auf Folgendes zurückzuführen: Die Metalle, die in den Erzen mit einer unbestimmten Menge beigefügter Materie vermengt sind, haben das Überflüssige daraus ausgeschieden; bei dieser Trennung entstanden Schwefel, Arsenik und andere Minerale. Die reinen gediegenen Metalle sonderten sich infolge der chemischen Wirkung der Natur durch Seigerung ab. Daraus erklärt sich, dass sich an den erzhaltigen Stellen nur solche gediegene Metalle finden lassen, die sich auch durch die chemische Kunst aus den Lösungen in reiner Form absetzen – das sind Gold, Silber, Kupfer und Quecksilber. Außer diesen kommen in der Erde weder Metalle noch Halbmetalle in reiner Form vor, ebenso wie sich diese aus Lösungen künstlich nicht wieder in ihre Gestalt zurück verwandeln lassen. Kupfer und Silber lassen sich bei ausreichender Hitze vom Arsenik in reiner Form trennen. Wenn man das Kupfer in Klumpen ausglüht, bleibt es bisweilen in Haufen als feiner Draht zurück, der in verschiedenen Farben glänzt und auf Spuren des entwichenen Arseniks hindeutet. Verdampft man Silber lange Zeit im Feuer bei einer Temperatur, die notwendig ist, um das Arsenik rückstandslos in die Luft entweichen zu lassen, kann man es in Fäden ausziehen. Das ist eine wunderbare Übereinstimmung zur Kunst der Natur. Denn es ist noch niemals beobachtet worden, dass sich andere Metalle – außer Silber und Kupfer – zu Fäden ausziehen ließen. Kristallformen, in denen Erze und bisweilen gediegene Metalle vorkommen, haben einen ähnlichen Ursprung wie verschiedene Arten von Salzen. Wenn sie sich im Wasser aufgelöst haben, fließen sie zunächst in die Bergspalten, in denen sie sich nach sehr lange währendem Verdunsten der Flüssigkeit abscheiden; Salze in Hohlräumen haben eine ähnliche Form und lassen auf dieselbe Wirkung schließen. Erze und Metalle, die keine bestimmte äußere Form haben, entstehen wie gewöhnliche chemische Körper einfach durch Vermischung. Zum Schluss soll noch gezeigt werden, wie jene Materien, die sich zu einem Gemisch in Erzen und Metallen vereinigen, in die Klüfte der Erde gelangen und die oben beschriebenen Wirkungen auslösen. Es besteht kein Zweifel daran, dass sich die feinste brennbare wie auch die saure Materie von jenem Schwefel absondern, der durch das unterirdische Feuer zerstört wird. Auch Arsenik erfordert etwas Aufmerksamkeit; es verbindet sich mit den Erden und bildet Halbmetalle, woran die Metalle in unterschiedlicher Menge beteiligt sind. Aber bald offenbart sich die Wahrheit, so wir nur über die endlose Menge verborgener unterirdischer Salze nachdenken. Denn durch die Wirkung des inneren Feuers vereinigt sich die alkalische Materie mit der Erde oder mit Steinen und lässt sauren Spiritus frei werden, der sich absondert und in die Erdspalten eindringt.
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Es wurde schon gezeigt, in welchem Umfang Tiere und Pflanzen zum Entstehen der Metalle beitragen. Das wird noch dadurch bestätigt, dass die versteinerten Schalentiere des Meeres zum größten Teil arsenigen Kies erkennen lassen – scheinbar wegen der salzigen Materie des Meeres, die sie enthalten. Auch sind die Erzgänge in mittleren Tiefen reicher, in größerer Tiefe allerdings ärmer. Es scheint, als ob sie – je näher sie zur Erdoberfläche liegen – umso mehr Dämpfe von Tieren und Pflanzen erhalten haben und somit in größerer Menge entstanden sind. Aber jeder diesbezügliche Zweifel lässt sich beseitigen, wenn man zerstörte Metalle in ihren früheren ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Fügt man zu ihrer Asche oder ihrem Glas und ihrer Schmelze Kohle hinzu, erhält man den metallischen Glanz und die Geschmeidigkeit zurück. Metalle, deren Gemisch arsenige Materie enthält, brauchen zu ihrer Rückverwandlung in die metallische Form eine Kohle, die mit der gleichen Materie verwandt ist, das heißt aus verbrannten fettigen tierischen Teilen besteht. Es bleibt noch das Feld des Mineralreiches im Innern der Erde, das unzählige Körper und Erscheinungen zur Beurteilung anbietet; deren ausführliche Betrachtung gehört aber nicht zu meiner heutigen Aufgabe. Es wird daher genügen, wenn ich, um zum Ende meiner Rede zu kommen, dieses nur kurz erwähne. Wir haben, meine Hörer, die gewaltige Menge des Feuers im Innern der Erde und den Überfluss an Schwefel gesehen, der es nährt und der Erdbeben und große Veränderungen hervorzubringen vermag – unheilvolle, aber auch nützliche, schreckliche, aber auch erquickende. Wir haben gesehen, dass die Körper von Tieren und Pflanzen, die die Erde verschlungen hat, zum Entstehen von Metallen beitragen, und wir stellen uns vor, dass ihre Schönheit der Zier, ihre Festigkeit der Beständigkeit und ihre Härte dem Schutze dienen. Ihre Gedanken verweilen jedoch bei dem schrecklichen Anblick der bebenden Erde! Wenden Sie aber Ihr inneres Auge davon ab, und betrachten Sie außer den Metallen mit Eifer die durch Erdbeben entstandenen Berge mit ihren Quellen, die – uns Kühlung und Heilung bringend – aus den Bergen strömen und sich in Flüssen sammeln; sie dienen uns und den Tieren zum Trank und befriedigen mannigfaltige Bedürfnisse des Menschengeschlechts. Schauen Sie auf Ihr gesegnetes Vaterland und vergleichen Sie es mit anderen Ländern. So sehen Sie, wie die Natur maßvoll mit dem unterirdischen Feuer umgeht. Es gibt weder raue Gipfel, die sich wie die Alpen oder Pyrenäen bis zur Region des ewigen Winters erheben, der in der oberen Atmosphäre herrscht, noch ist unser Land von tiefen Sumpfniederungen durchzogen. Vielmehr erstrecken sich Erhebungen und Hügel wellenförmig und mit fruchtbaren Feldern, wobei sie der Metalle – uns zu Nutzen – nicht entbehren. Keinerlei Erdspalten, die giftige Dämpfe ausstoßen, zerreißen die Weiten, sondern sie sind mit grünenden Wäldern und Weiden geschmückt und werden vom Atem fruchtbringender Winde gesäumt. Sie werden nicht durch die Folge
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häufiger Erdbeben erschüttert, die bei uns kaum gehört werden; und wie der Schoß der Erde, so genießt auch unsere ganze Gesellschaft eine innere Ruhe. Oh, wie gesegnet ist Russland durch diese Eigenschaften! Aber diese allgemeine Glückseligkeit wird durch die beispiellosen Wohltaten der großen Elisabeth noch hundertfach vermehrt! Denn in den gesegneten Tagen ihrer Regierung werden nicht nur neue rühmliche Erfindungen gepriesen, die mit Gottes Segen zum Wohle der Untertanen und zum Erstaunen der ganzen Welt im zivilen Leben und im Heere gemacht wurden; auch die Natur selbst steht mit den Tugenden unserer Herrscherin in Einklang, indem sie uns mit ihren Gaben beglückt. Außer für den Reichtum, der im Schoße der Erde gefunden wurde, lobt und dankt Russland dem Allerhöchsten für den überreichen Überfluss an Früchten, den die Erde trägt und schreibt dies ihrer einzigartigen, glücklichen Regierung zu. Besonders an diesem Feiertag beglückt der Zustand unseres Vaterlandes, der ihres Namens würdig ist. Und die Kriegsfackel vor Augen, die ganz Europa droht, tönt es aus dem Mund aller seiner Söhne: Deine Fürsorge für mich übertrifft meine Wünsche, große Herrscherin. Ich prange in Überfluss, geschmückt, gerühmt und nach allen Seiten geschützt. Gewappnet vernehme ich wieder das Geklirr Deiner Sieg bringenden Waffen, deren Macht der stolze Feind schon fühlt, der sich auf Deine treuen Verbündeten stürzt und – mit Schande bedeckt – zurückgeschlagen wird. Dank des Schutzes des Himmels, dank Deiner Macht, Deiner Kraft, dank des Dir zur Seite stehenden Rechts und des Dir ergebenen Glücks wird Dein Vorhaben glücklich gelingen. Und durch ruhmvolle Siege über Deine Widersacher wird der Schöpfer der Welt, der über die Erdoberfläche Wassermassen ergießt und mit diesen das schreckliche Feuer im Innern der Erde bändigt, die Flamme des Krieges durch den Regen der Wohltaten zähmen und seiner Welt durch Dein Heer, das den Frieden sucht, ihre Ruhe wiedergeben.
2 Alleruntertänigster Antrag an den regierenden Senat
2 Alleruntertänigster Antrag an den regierenden Senat über das Sammeln von Mineralproben Von Kollegienrat und Professor Michail Lomonosov 7. Juni 17611 1 Welche Menge an unterschiedlichen Mineralen in den Weiten des Russischen Staates verborgen sein kann, ist leicht zu verstehen. Allein aus purer Neugier wird man schon veranlasst, das Innere der russischen unterirdischen Natur erforschen zu wollen, um diese – zur generellen Bereicherung der Wissenschaft beschrieben – der gelehrten Öffentlichkeit zu präsentieren. Angesichts dieser Größe gibt es zweifellos in vielen Orten noch bislang unentdeckte Erze, Edelmetalle und Edelsteine. Beispiele davon haben wir genug – in Sibirien, bei Olonez, auf der Bäreninsel oder auch an anderen Orten. Ohne dass man gezielt danach gesucht hätte, sind dort die Erze per Zufall zum Vorschein gekommen und lassen vermuten, dass – ob unserer Unkenntnis über die Natur der Mineralentstehung – davon noch vieles mehr, auch Wertvolleres im Verborgenen liegen bleibt, obwohl es einen guten Dienst hinsichtlich der Vermehrung des Reichtums unserer Heimat, ihrer Macht und ihres Ruhmes leisten könnte.
2 Um in all den Orten und Stätten des Russischen Staates danach zu suchen, sind sehr viele Fachleute mit Kenntnissen hinsichtlich der Minerale erforderlich. Solche sind bei uns jedoch rar, so dass es nicht sinnvoll wäre, sie überall hin mit dem Auftrag zu entsenden, Erze zu suchen. Zwar könnte man solche aus fremden Ländern einladen oder auch eigene ausbilden. Das erste wäre allerdings sehr kostspielig, das zweite zeitaufwendig und zudem ebenfalls nicht gerade preiswert. Beides jedoch verursacht verschiedene Beschwerlichkeiten beim Reisen, auch Unkosten und ist deshalb eine große Last für die Fachleute – abgesehen von der erforderlichen Zeit.
1 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 349–355. https://doi.org/10.1515/9783110424065-007
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3 Um alle dieser Ungereimtheiten zu vermeiden, schlage ich ein einfaches und kurzes Verfahren vor, bei dessen Anwendung Mineralproben aus dem ganzen europäischen Teil Russlands bereits im Laufe eines Jahres und in zwei bis drei Jahren auch aus ganz Sibirien gesammelt werden könnten, so dass man in dieser kurzen Zeit sehr viele Erkenntnisse über die Natur und die Geschichte der Minerale unseres Vaterlandes gewinnen könnte. Denn in unserer Heimat haben wir sogar vor Ort zahlreiche robuste Erzschürfer sowie tausende Erzsucher. Jeder dieser Erzschürfer ist leistungsstärker als Tausende Sachsen; und in jedem Dorf gibt es ebenfalls ausreichend viele Erzsucher. Sie alle erwarten von uns keinerlei Belohnung, und man braucht auch keinen Zwang oder Druck auf sie auszuüben; denn sie erfüllen ihre Aufgabe aus eigenem, natürlichem Antrieb und benötigen von uns nur etwas Anerkennung.
4 Hiermit bitte ich um Entschuldigung dafür, dass ich zur Wertschätzung dieser wichtigen Angelegenheit metaphorische Redewendungen gebraucht habe. Als robuste Erzschürfer kennzeichne ich die zahlreichen Flüsse Russlands, und mit den Erzsuchern meine ich die kleinen Kinder. Die Flüsse, die alle Teile und Gebiete Russlands durchströmen, bringen uns an ihren Ufern nicht nur das Innere der Erde, das die Menschen aus eigener Kraft nicht erreichen können, ständig zum Vorschein; sie entblößen durch die Wucht des schmelzenden Eises und die starke Strömung in jedem Frühling auch stets neue Erdschichten, indem sie die alten Ufer unterspülen und deren oberen Flächen abreißen und wegschwemmen. Danach werden die abgerissenen Bergteile vom Tauwasser weggespült und an den Ufern weitläufig verstreut, so dass sie jeder vorbeigehende Mensch sehen kann. Dies alles könnte vom gesamten russischen Volk auf keinen Fall vollbracht werden, selbst wenn es die ganze Zeit nichts anderes tun würde. Die kleinen Kinder jedoch, insbesondere die vom Lande, sammeln im Frühling und im Sommer an Flussufern beim Spiel verschiedene Steinchen, sortieren sie je nach Farbe, Beschaffenheit oder Lichtspiel und legen sie in Häufchen zusammen. In Unkenntnis ihres Nutzens oder einfach nur aus Langeweile lassen sie diese dann einfach am Ufer liegen oder werfen sie aus Spaß ins Wasser zurück. Man könnte aber diese mächtigen Naturerscheinungen ohne jegliche Belastung für das Volk zu beträchtlichem Nutzen für den Staat sowie zu seinem Ruhm ganz leicht ausnutzen, wenn folgende Tätigkeiten angeordnet werden würden.
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5 1. Aus allen Ortschaften Russlands sollte man an den Regierenden Senat2 oder an eine andere dafür befohlene zuständige Instanz Proben von verschiedenen Arten Sand, Lehm und Gestein schicken, je nach deren Farbe sortiert und zwar so, dass das Ganze insgesamt nicht mehr als fünf Pud3 pro Fundpunkt wiegt. 2. Aus den Städten sollten diese in das jeweilige Gubernium4 und von da aus schließlich nach St. Petersburg gefahren werden. Insgesamt sollten etwa sechshundert Pud zusammengetragen werden; für das ganze Land bräuchte man dafür dreißig bis vierzig Pferdewagen. Vom Sand jeder Sorte – also vom grobkörnigen Kies sowie vom Feinsand –, der an Flussufern zu finden ist, ebenso vom Lehm, wären Proben von je einem halben Pfund ausreichend. 3. Von Gesteinsbrocken jeder Art, die gefunden werden, zwei bis drei Stück, insgesamt nicht schwerer als ein halbes Pud. 4. Dies alles sollte beim Dorfältesten oder dem Stadtoberhaupt von den Kindern zusammengetragen werden, die man zum Suchen an die Flussufer schickt. Dann sollte der Dorfälteste das Beste von jeder Sorte auslesen und das Übrige wegwerfen. Das Ausgelesene sollte schließlich dorthin gesendet oder hingefahren werden, wohin es vorgeschrieben ist, dann weiter in die Gubernien oder auch direkt nach St. Petersburg, wenn der Weg dorthin günstiger ist.5 5. Zunächst wäre durch schriftliche Anweisungen festzulegen, welche Minerale nach welchen Merkmalen zu sammeln sind.6 6. Dabei müssten die Wojewoden und Gouverneure streng davor gewarnt werden, von den Bauern für die Probeabgabe etwas zu verlangen oder sie an der Probeabgabe zu hindern. 7. Dies alles sollte folgendermaßen vonstatten gehen,7
2 Der von Peter I. anlässlich des neuen Türkenfeldzuges im Jahre 1711 errichtete Regierende Senat bildete die oberste Reichsbehörde im Russischen Kaiserreich und war für die innere Verwaltung und die Justiz zuständig. Das aus höchsten Würdenträgern des Landes bestehende beratende Gremium übernahm in Abwesenheit des Zaren auch die Regierungsgeschäfte. 3 Das alte russische Gewichtsmaß: 1 Pud = 40 Pfund = 16,38 kg; 1 Pfund = 0,4095 kg. 4 Der veraltete Begriff ließe sich mit Gouvernement übersetzen. Peter I. schuf 1708 acht Gubernien als Verwaltungsbezirke und schaffte damit die bisherige entsprechende Verwaltungseinheit Ujesd (russ. уезд) ab. Die Gubernien wurden bis zum Jahre 1815 und erneut in den Jahren 1864 bis 1929 beibehalten. 5 Im Entwurf steht „wohin es verordnet wird“. 6 Im Entwurf steht „Hierzu wird eine Verordnung beigelegt, die man drucken und an die Stadtverwaltungen versenden muss“. 7 Im Entwurf steht „Angesichts der Belastung des Volkes soll dies alles in dieser Weise vonstatten gehen“.
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a. dass die Bauern, wenn sie mit ihrer Ware zum Markt in die Stadt kämen, die ausgelesenen Minerale mitbrächten und diese bei der Kanzlei der Wojewodschaft oder in der Stadtverwaltung abzugeben hätten und b. so würden von allen Städten und Gubernien nicht mehr als 5.000 Pud Proben in zwei Jahren zusammenkommen, das heißt etwa 200 Pferdewagen.8
6 Wenn all die oben genannten Maßnahmen gnädigst verordnet sein werden und infolgedessen das erwünschte Ergebnis erreicht ist, verspreche ich für das Wohl und die Glorie des Vaterlandes tätig zu sein und Folgendes zu bewerkstelligen: 1. Den Sand werde ich waschen und nach einem neuen, von mir erfundenen Verfahren beproben, wobei selbst der geringste Goldanteil darin entdeckt werden kann; denn es ist höchst wahrscheinlich, dass angesichts der großen Zahl von Flüssen, die die verschiedensten Gegenden Russlands durchziehen, auch Goldsand nachgewiesen werden würde – was auch als sicheres Zeichen dafür diente, dass im oberen Verlauf des jeweiligen Flusses im anstehenden Gestein Gold zu finden wäre. 2. Danach werde ich die verschiedenen Arten von Kies daraufhin untersuchen, ob sich darin Splitter von Edelsteinen befinden. Sollte dies der Fall sein, so deutet dies auf natürliche Vorkommen derartiger Edelsteine irgendwo in der Nähe der Fundstelle hin. 3. Auch Lehm enthält oft Metalle, diesen werde ich zusätzlich auf seine Eignung zur Porzellanherstellung untersuchen. 4. Kleine Steine unterschiedlicher Art, die an Flussufern herumliegen, sind nichts anderes als Abgebröckeltes von großen Felsen; sie deuten auf Erzlagerstätten irgendwo in der Nähe sowie auf Marmorberge oder Vorkommen verschiedener anderer Minerale hin, die für das Leben der Menschen von Nutzen sind. 5. Da die Erkenntnisse über die Bodenschätze unseres Vaterlandes, die ich aus der Erforschung der von überall übersandten Mineralproben unter Einsatz meiner ganzen Kraft gewinnen werde, zweifellos sehr wertvoll sind, verspreche ich darüber hinaus, die Ergebnisse unter dem Titel „Russische Mineralogie“ zu verfassen und mich zu bemühen, diese auch drucken zu lassen.
8 Im Entwurf steht „Von allen Städten und Gemeinden kommen also insgesamt jährlich im ganzen Land nicht mehr als 1.000 Pud, das heißt 60 bis 70 Pferdewagen zusammen“.
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7 Vorausgesetzt, dieser von mir eingereichte alleruntertänigste Antrag ist vom Regierenden Senat gnädigst angenommen und gebilligt worden, so verpflichte ich mich, im Laufe von nur einem Jahr so vielen intelligenten jungen Menschen, wie mir der Regierende Senat anzuvertrauen vermag und die der Arithmetik und der Geometrie9 kundig sind, Mineralogie und Probierkunst beizubringen, so dass sie nach der Auswertung der von allen Ortschaften zugeschickten Mineralproben genau dort mit großem Erfolg nach Erzen und anderen ausgewählten Mineralen suchen können, wo sich dafür entsprechend den zugeschickten Mineralproben die besten Voraussetzungen und Hoffnungen ergeben.
8 Ich bin mir sicher, dass es im ausgedehnten Russischen Reich, das der Allmächtige Gott bezüglich einer riesigen Menge wertvoller Minerale gewiss nicht benachteiligt hat, zahlreiche Bodenschätze entdeckt werden können. Dank des Wohlwollens unserer Allergnädigsten Monarchin werden sich dadurch Reichtum und Macht unseres Vaterlandes zu mehren wissen. Dieser Antrag ist von dem Kollegienrat und Professor Michail Lomonosov eigenhändig unterzeichnet.
9 Im Entwurf fehlt das Wort Geometrie.
3 Auszug aus der Instruktion für das Sammeln von Mineralproben1 3 Die gesuchten Steine finden sich gewöhnlich an zweierlei Stellen: erstens an Flussufern, nah am Wasser oder im Wasser liegend; zweitens in abgerutschten Massen sand- oder tonhaltiger Berge sowie im Schotter von Felsgestein. Die lose liegenden Steine sind zu sammeln, von den Felsen ist Stück für Stück abzuschlagen, und von jeder Schicht ist ein Stück gesondert zu entnehmen – vorausgesetzt, der Berg besteht aus verschiedenfarbigen Schichten.
4 Die Steine sind sorgfältig zu begutachten: 1. nach deren eindeutiger Farbe – weiß, milchig oder durchsichtig, glasähnlich, tiefschwarz oder mit weißen Einsprenglingen, Flecken, Strähnchen oder Streifen, oder weiß mit schwarz; zudem unterschiedliche bunte sowie einfarbige rote, gelbe, grüne, blaue, kirschfarbene, hell leuchtende wie Gold, Kupfer, Silber oder Zinn; 2. nach der Härte: feste wie Flinte, krümelige oder brüchige; 3. nach unterschiedlicher Form und Beschaffenheit: kantige, geschichtete, löchrige, schwammige, muschel-, fischgräten- oder tierknochenähnliche.
5 Von Sand, Ton und Steinproben derselben Farbe, Härte und Beschaffenheit braucht man nicht allzu viel zu versenden, hier reichen je zwei oder auch nur noch ein Muster jeder Sorte. Deswegen muss man schon in den Verwaltungskanzleien vor Ort recht genau darauf achten, dass man Mineralmuster derselben Sorte nicht im Überfluss nach den Gubernien oder günstigenfalls auch direkt nach St. Petersburg bringt; man hat also äußerst genau nach den im Punkt 4 genannten Merkmalen zu unterscheiden, das heißt, nach ihrer Farbe, Härte und Form oder Beschaffenheit.
1 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 357–360. https://doi.org/10.1515/9783110424065-008
3 Auszug aus der Instruktion für das Sammeln von Mineralproben
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6 Die nach oben genannten Regeln aus verschiedenen Ortschaften in die Verwaltungskanzleien der Wojewodschaften gebrachten und aussortierten Mineralmuster sind sorgfältig in Papier oder Stoffbeutel zu verpacken und wie folgt zu beschriften, schließlich in die Kanzleien der Gubernien oder auch – so der Weg günstig liegt – direkt nach St. Petersburg (entsprechend der Empfehlung) zu bringen ...
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Verordnung der Kanzlei der Akademie der Wissenschaften über das Einreichen von Stellungnahmen der Mitglieder der Akademie anlässlich des Vortrages von Lomonosov zum Auffinden noch unbekannter Vorkommen von Erzen, Edelmetallen und Edelsteinen in Russland2 1761, am 16. Juli, Montag Herr Kollegienrat Lomonosov traf gegen 11 Uhr vormittags in der Kanzlei der Akademie der Wissenschaften ein. Nach der Anhörung der unten angeführten Angelegenheiten: … Ukas Ihrer Kaiserlichen Hoheit von dem Regierenden Senat an die Kanzlei der Akademie der Wissenschaften anlässlich der eingereichten Ausführungen des Kollegienrates Lomonosov über das Auffinden noch unbekannter Vorkommen von verschiedenen Erzen, Edelmetallen und Edelsteinen. Anordnung: Im Juli des Jahres am … ist noch eine außerordentliche Sitzung der Professoren zur Anhörung der oben genannten Ausführungen zu veranstalten. Von der Ordonanz ist eine Kopie zu erstellen, diese ist in die deutsche Sprache zu übersetzen und der Akademischen Versammlung vorzulegen mit der Aufforderung an alle Mitglieder der Akademie, ihre Meinungen zu diesen Ausführungen schriftlich zu verfassen und diese anschließend zusammen mit dem Bericht der Kanzlei einzureichen ... Unterzeichnet: Michailo Lomonosov Ivan Taubert3 J. Stählin4 Sekretär Michailo Gur’jev5
2 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 361–363. 3 Johannes Taubert, von Kaiserin Katharina II. zum Staatsrat ernannt, leitete – gemeinsam mit Lomonosov – die Akademische Kanzlei. 4 Jacob von Stählin, gebürtig in Memmingen, kam 1735 an die Akademie der Wissenschaften und wurde 1737 zum Professor für Eloquenz berufen, war später auch Bibliothekar und Erzieher des späteren Zaren Peter III. 5 Michail Michailovič Gur’jev, Sekretär der Kanzlei der Akademie der Wissenschaften.
4 Anfangsgründe der Montan-Wissenschaften1 Vorwort §1 Alle Körper, die es in der Natur gibt, unterteilt man in drei Arten. Die erste umfasst alle Lebewesen, das heißt Menschen, Tiere, Vögel, Fische und Reptilien; zur zweiten zählen alle wachsenden Arten, wie Bäume, Gräser u.ä.; zur dritten zählen die Minerale, das heißt die Bergmaterie und zwar Metalle, Halbmetalle, Brennstoffe, verdichtete Mineralsäfte, Mineralwässer, Erden und Steine.
§2 Eine Wissenschaft, die lehrt, die Minerale zu erkennen, zu finden und in einen solchen Zustand zu bringen, dass sie der menschlichen Gesellschaft nützen können, heißt Montan-Wissenschaft.2
§3 Im ersten Teil dieses Buches erfolgt eine ausführliche Beschreibung der Minerale, wobei auf jene chemischen Handlungen verzichtet werden soll, die den chemischen Laboratorien obliegen, weil diese die Metallurgie nicht betreffen. Hier wird nur das Erkennen von Mineralen behandelt, um das eine vom anderen zu unterscheiden und nach deren eigenen Merkmalen zu erkennen und genau jene Eigenschaften zu bestimmen, die die Bergleute kennen sollten.
§4 Zu den Mineralwässern, Erden und Gesteinen zählen auch Heilwässer und Heilerden, die man aus fremden Ländern versiegelt mitbringt, ebenso auch wertvolle Steine und Steinfiguren. Obwohl sie alle aufgrund ihrer Eigenschaften mit Metallurgie nichts zu tun haben, kann man auf deren Beschreibung keinesfalls verzichten, weil sie sich oft zusammen mit Metallen finden lassen. Deswegen ist es erforderlich, dass die Bergleute deren Eigenschaften und deren Wert erkennen
1 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 365–390. 2 Lomonosov verwendete zunächst das Wort „Metallurgie“, strich es jedoch zugunsten weiterer Themen, obwohl ein großer Teil des vorgesehenen Buches das Metallschmelzen behandeln sollte. https://doi.org/10.1515/9783110424065-009
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können, damit sie bei ihrer Arbeit diese Substanzen nicht versehentlich außer Acht lassen. Es wäre sinnvoller, die ganze Naturgeschichte der Minerale in einem Buch mit unterschiedlichen Kapiteln zusammenzufassen, als diese auf mehrere Bücher zu verteilen.
§5 Der größte Teil der erwähnten Minerale wird in der Erde in gemischter Zusammensetzung gefunden, das heißt, ein Mineral ist mit einem anderen verbunden oder häufig auch zusammengeschmolzen. Die auf diese Weise verbundenen Minerale nennt man Erze; sie werden ausführlich im zweiten Teil beschrieben; denn sie bilden einen besonderen Teil der Montan-Wissenschaft und verdienen deshalb für ihre ausführliche Beschreibung unsere besondere Aufmerksamkeit. Sie erfolgt in diesem Buch nach der Beschreibung einzelner Minerale, damit der Leser, der die Beschreibung der Erze liest, zunächst jene Eigenschaften und die Natur der einzelnen Substanzen erkennen kann, aus denen Erze bestehen.
§6 Derjenige, der über das Wissen verfügt und die Eigenschaften der einzelnen Minerale und Erze kennt, sollte auch wissen, wie man die Örtlichkeiten ermittelt, an denen Minerale vorkommen, ebenso auch Lage und Gehalte der in der Erde verborgenen Erzgänge bestimmen sowie deren Merkmale und andere Umstände erkennen, die beim Aufsuchen der Erze und anderer Minerale wichtig sind. Dies alles wird im dritten Teil dieses Buches gezeigt.
§7 Wenn man einen höffigen Erzgang findet, der Gewinn durch die darin enthaltenen Metalle oder andere Minerale verspricht, so werden dort Gruben eingerichtet. Damit diese in einen guten Zustand geraten, braucht man zuverlässiges Material, passende und solide Maschinen, mit deren Hilfe man die gewonnenen Substanzen fördern, das Wasser abpumpen und die Grubenluft erneuern kann. Mit dieser Materie befassen wir uns im vierten Teil.
§8 Es ist auch erforderlich, die vorgerichteten Gruben zu vermessen, die Messpunkte festzulegen und die jeweilige Stelle des Erzganges außen auf dem Berg zu mar-
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kieren. Dafür sind spezielle geometrische Instrumente erforderlich und die Fähigkeit, spezielle Aufgaben lösen zu können – dies alles wird im Teil fünf erörtert.
§9 Die aus der Erde gewonnenen und zugeschickten Erzproben bedingen die Kunst, mit der man erfahren kann, welche und wie viele einzelne Minerale darin enthalten sind – insbesondere von denen, die den meisten Gewinn oder Nutzen bringen können. Das nennt man Probierkunst oder Probierwissenschaft; sie wird im Teil sechs dieses Buches behandelt.
§ 10 Wenn die Probe zeigt, dass aus den gefundenen Erzen Metalle oder andere Minerale gewinnbringend zu extrahieren sind, bereitet man sie zum Schmelzen mittels Tempern,3 Zerkleinern oder Waschen oder im Wechsel dieser Methoden vor. Einige Metalle kann man auch ohne Schmelzen mithilfe von Quecksilber oder Königswasser trennen. Dies ist im siebten Teil beschrieben.
§ 11 Die vorbereiteten metallhaltigen Erze werden in großen, extra dafür gebauten Öfen oder in Herden geschmolzen, die zusammen mit den zugehörigen Maschinen, Instrumenten und Tätigkeiten hinsichtlich ihrer Besonderheiten in Kapitel acht beschrieben werden.
§ 12 Halbmetalle, brennbare Minerale und verdichtete Mineralsäfte werden meist durch Abtreiben, Auswaschen oder Auskochen aus den Erzen abgesondert; die dafür erforderlichen speziellen Verfahren und Arbeiten werden im Teil neun ausführlich beschrieben. Mineralwässer sowie Mineralerden und Gesteine erfordern keine metallurgischen Verfahren zu derer Trennung von den Erzen, deswegen gibt es hierzu auch nichts vorzuschlagen. Ebenso wird auf die Beschreibung der Herstellung von Heilerden und die Edelsteinbearbeitung verzichtet, da sie den Bergbau nicht betreffen.
3 Tempern beschreibt das Erhitzen einer Substanz über einen längeren Zeitraum.
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§ 13 Aus den abgeschiedenen und gereinigten Metallen und Mineralen werden verschiedene für die menschliche Gesellschaft nützliche Materialien gewonnen, wie z.B. Schüsselkupfer, blaue Farbe für die Stärkeherstellung4 und für die Malerei, auch Bleimennige oder Rotblei. Die Arbeiten, die dafür in den jeweiligen Bergbaubetrieben erforderlich sind, werden im Kapitel zehn besprochen, das den Abschluss dieses Buches bildet.
4 Ehemals vermischte man mineralische blaue Farbe mit Stärke (= Amylum), um damit weiße Wäsche zu blauen, ihr also einen bläulichen Schimmer zu geben.
5 Anfangsgründe des Berg- und Hüttenwesens1 Widmung An die Allerdurchlauchtigste und Großmächtigste Monarchin, Kaiserin Jekaterina Alekseevna, Allrussische Selbstherrscherin usw. usw. usw., Allergnädigste Kaiserin. Allergnädigste Herrscherin! Ackerbau, Viehzucht und Jagd sind die ersten Mittel, mit denen sich die Urahnen des Menschengeschlechts ihren Lebensunterhalt verschafften. Der Zustand einer wohlgeordneten Gesellschaft, zu deren Vollkommenheit Russland emporzuheben Eure Kaiserliche Majestät durch beispiellose Fürsorge beigetragen, duldet keine engen Grenzen. Kriegskunst, Handel, Seefahrt und andere notwendige staatliche Einrichtungen brauchen unbedingt Metalle. Bis zur Zeit der Aufklärung, die durch die Bemühungen Peters gedieh, wurden diese beinahe gänzlich von den Nachbarvölkern bezogen; die Not zwang sogar dazu, Kriegswaffen – mitunter über Zwischenhändler – für teures Geld bei den Feinden zu kaufen. Peters Bemühungen nachhelfend, öffnete die Natur ihren reichen Schoß und befriedigte unsere damaligen Bedürfnisse durch einen gewissen Überfluss, der auch anderen Gebieten Nutzen brachte. Als seine teure Tochter den Thron bestieg, hieß man sie willkommen, reichte ihr Gold- und Silbergeschenke und zeigte damit deutlich, dass es den für seine großen Taten würdigen Nachkommen am Vorrat unterirdischer Schätze, von der Vorsehung in Russland bereitet und behütet, niemals mangeln wird. Eure Kaiserliche Majestät haben dadurch, einer Heldin gleich und ähnlich wie Elisabeth, den Thron aller Reußen bestiegen und damit das Vaterland überzeugt, dass der Allerhöchste – vermöge unergründlicher Eingebung und wunderbarer Vorsehung – es vermochte, die Dauer und die Größe unseres Glückes zu mehren und Russland mit Schätzen aller Art zu versehen, von denen die bis jetzt im russischen Ophir2 verborgenen vor Eurem leuchtenden Thron erscheinen, um die Majestät zu schmücken, die Welt in Erstaunen zu versetzen, die Feinde zu erschrecken und Eure treuen Untertanen auszustatten. Aus dem Schoße der Erde werden Marmor und Porphyr zu prachtvollen Bauten emporwachsen, gewidmet dem unsterblichen Ruhm Eurer Kaiserlichen
1 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 391–520. 2 Ophir gilt als sagenhaftes Goldland im Tanach (hebräische Bibel) und im Alten Testament. https://doi.org/10.1515/9783110424065-010
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Majestät, Euren Tugenden, Euren weltberühmten Taten und Verdiensten. Die Metallurgie, die den Weg zu diesem inneren Reichtum weist, genießt zweifellos den Schutz Eurer erhabenen mütterlichen Fürsorge, welche auch die anderen Wissenschaften genießen – insbesondere jene, die unsere täglichen Bedürfnisse in reichem Maße befriedigen. Obgleich es die Materie erforderte, hierauf näher einzugehen, so verbieten dies doch die zahlreichen für unser Wohl sorgenden Geschäfte Eurer Kaiserlichen Majestät. Der Scharfblick Eures aufgeklärten Verstandes wird die Wichtigkeit einer derartigen Angelegenheit sicherlich zur Genüge erfassen. Ich habe die Kühnheit besessen, dieses kurzgefasste Lehrbuch über das Bergund Hüttenwesen, das ich untertänigst zu den geheiligten Füßen Eurer Kaiserlichen Majestät niederlege, unter Voranstellung des allererlauchtesten Namens Eurer Kaiserlichen Majestät in die Welt hinauszugeben, damit Eure treuen Untertanen, vom Glanz desselben erleuchtet und geführt, zwecks großer Vermehrung des staatlichen Nutzens und zu niemals endender Verherrlichung Eurer Kaiserlichen Majestät mit Verstand und Fleiß immer weiter ins Erdinnere vordringen. Derjenige, der Euch von oben die Macht über so viele Völker gegeben hat, möge sie gemeinsam mit Eurer unschätzbaren Gesundheit mit dem unzerstörbaren Schild seines göttlichen Schutzes bewahren, um die allgemeine Ruhe und Sicherheit unerschütterlich zu festigen, entsprechend dem aufrichtigen Wunsch aller wahren Söhne des Vaterlandes. 11. Oktober 1763 Allergnädigste Herrscherin Ew. Kaiserlichen Majestät Untertänigster Knecht Michailo Lomonosov
Vorwort Eine eingehende Kenntnis der Metallurgie umfasst letztlich alles, was mit der Verwendung der Metalle in Zusammenhang steht. Wollte man dazu noch alle Beschreibungen hinzufügen, wie die bereits fertiggestellten Metalle für den Gebrauch zubereitet werden und sie mit der Metallurgie vereinigen, dann würde dieses Lehrbuch endlos lang. Daran besteht insofern kein Zweifel, als man sich die verschiedenen Künste, die Arten des Handwerks und die handwerklichen Arbeiten vorstellt, bei denen allein das Eisen verwendet wird. Ich erwähne dies deshalb, damit man die Möglichkeit hat, die eigentliche Metallurgie von den nebensächlichen Dingen zu unterscheiden, die man gemeinsam mit ihr betreiben kann; zum Beispiel in den Schmelzhütten die Waffenerzeugung und das Schmie-
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dehandwerk, in den Kupferwerken das Kesselschmieden und ähnliche Arbeiten, die jedoch eigentlich nicht zur Metallurgie gehören. Denn die Aufgabe der Metallurgie ist genau dann erfüllt, wenn man die reinen Metalle oder Halbmetalle den entsprechenden Zweigen der handwerklichen Tätigkeit zur Verfügung stellt. Der Autor würde deshalb die Grenzen seiner Aufgabe überschreiten, so er begänne, solche Nebenarbeiten sogar bis in ihre Einzelheiten zu erläutern. Das Lehrbuch richtet sich deshalb in erster Linie auf die Kenntnis der Metalle und anderer verwendbarer Minerale, wofür ich den ersten Teil bestimmt habe; alles Überflüssige habe ich vernachlässigt – übrigens auch das ganze Material, das zur Geschichte der Minerale gehört. Dies ausführlich zu beschreiben, halte ich in Bezug auf die Metallurgie für einen überflüssigen Aufwand, weil 1. viele Minerale lediglich in gewisser Hinsicht interessant sind, besonders die versteinerten Körper; 2. man ihre Beschreibung mit ihrer Erläuterung verbinden müsste, ohne diese kann man sie nicht deutlich genug erklären; denn es ist unmöglich, ebenso viele Mineralienkabinette zu haben wie Bücher; 3. sie sich beim Vorliegen derartiger Beschreibungen und deren Veröffentlichung nur durch die Herkunft und die Auffassung des Beschreibenden voneinander unterscheiden würden; denn schreibt ein Sachse eine Mineralogie, dann haben bei ihm die Silber- und Bleierze den Vorrang, bei einem Ungarn die Golderze, bei einem Engländer die Zinnerze und bei einem Schweden die Kupfer- und Eisenerze. Außerdem ordnet ein jeder die gesammelten Minerale nach seinem System und glaubt schließlich, dass die unterirdische Natur sich sein Mineralienkabinett als Hauptstadt auserwählt habe. Deshalb muss man bis zum heutigen Tag die besten mineralogischen Systeme als nichts anderes betrachten als eine Beschreibung privater Mineraliensammlungen, welche von Leuten angelegt worden sind, die von Physik und Mathematik nur sehr vage Kenntnisse haben. Auf die Kenntnis der Minerale, mit denen es die Metallurgie zu tun hat, folgen ihre Fundorte; deshalb wird eine kurze Aufzeichnung darüber dem zweiten Teil hinzugefügt. Und um zunächst die wichtigsten Gesetze zu verstehen, sind darin keine weiteren Überlegungen aufgenommen; sie folgen später in der Beilage, die sich mit den Erdschichten befasst. Hat man beim Schürfen Erz gefunden, dann ist es umgehend erforderlich, die Gruben und Bergwerke abzusichern; gleichermaßen werden Werkzeuge gebraucht, um die Arbeit unter Tage zu erleichtern oder Hindernisse aus dem Weg zu räumen – sie werden im dritten Kapitel ausführlich beschrieben, ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen; denn ein jeder aufgeweckte Zimmermann kann sie ohne besondere Anweisung herstellen.
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Die Probierkunst – sozusagen ein auf einer Zeichnung im verkleinerten Maßstabe dargestelltes Schmelzen – muss die schwere Arbeit vorbereiten; deshalb wird vor ihrer Behandlung im vierten Kapitel kurz dargelegt, wie viel davon zur Metallurgie gehört. Ausgenommen davon sind das Probieren und die Berechnungen bei der Münzherstellung und in verschiedenen Handwerksarten, sie müssen an besonderer Stelle behandelt werden. Das hier zu besprechende Scheiden der Metalle wird im Vergleich zu vielen anderen Themen kürzer als eigentlich erforderlich behandelt; jedoch sollen folgende Gründe zur Rechtfertigung dienen: 1. Beinahe alle Schriftsteller, die über das Schmelzen der Erze geschrieben haben, haben ihre Schriften mit so vielem Überflüssigen angefüllt (Agricola), so dass man denken könnte, sie seien für minderjährige Kinder (Stoßjungen)3 gedacht, die in Sachsen das Erz zerkleinern und die ungeachtet der aufgeklärten Zustände der Gegenwart noch an vielen Orten Arbeiten verrichten, welche eigentlich von Stampfmühlen geleistet werden müssten. Man könnte diese leicht einrichten, um die Arbeit zu beschleunigen und die minderjährigen Kinder zu schonen, die in ihrem zarten Alter durch eine so schwere Arbeit und den giftigen Staub ihre Gesundheit schädigen und sich für das ganze Leben zum Krüppel machen – eine Tatsache, die zeigt, wie viel eine alteingewurzelte Gewohnheit vermag. 2. Die Beschreibung von Waschvorrichtungen und anderen Geräten, mit denen das Erz zum Schmelzen vorbereitet wird, ebenso der Brenn- und Schmelzöfen, wird dadurch noch umfangreicher, weil in Deutschland für diese Arbeiten besondere Ausdrücke verwendet werden. Sie sind den übrigen Deutschen ungebräuchlich, so dass ich, als ich aus Hessen nach Sachsen kam, gezwungen war, ein zweites Mal Deutsch zu lernen, um zu verstehen, was die Bergleute und Schmelzer redeten. Daher sollten die Beschreibungen des Schmelzvorganges (wie auch anderer Vorgänge) nicht zu kurz kommen, weil für die seltsamen Namen – auch der kleinsten Teilchen und der scheinbar unbedeutenden Verrichtungen – nicht ein allgemein gebräuchliches Wort verwendet werden kann, sondern auf die Sprache meiner Landsleute Rücksicht genommen werden muss. 3. Für den Schmelzvorgang kann man allerdings keine allgemeinen Regeln vorschreiben, weil in den verschiedenen Ländern die Erze einander nicht ähneln, also erhebliche Unterschiede aufweisen, auch weil die Holzsorten
3 Im Original in Deutsch geschrieben.
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und das Klima anders sind. Wollte man daher alles ausführlich beschreiben, würde man sich ins Endlose verlieren. So glaube ich, dass es genügt, hier ein hinreichendes Beispiel dieser vielseitigen Arbeit zu geben – selbstverständlich unter Berücksichtigung der erforderlichen Besonderheiten.
I Über Metalle und andere mit ihnen in der Erde befindliche Minerale 1 Über Metalle §1 Arten von Metallen. Metall ist ein heller Körper, der sich schmieden lässt. Von solchen Körpern kennen wir nur sechs: Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Eisen und Blei. Diese werden in edle und unedle Metalle unterteilt. Der Unterschied besteht darin, dass sich die edlen Metalle – ohne Zusatz anderer Stoffe – von Feuer allein nicht zu Asche verbrennen lassen; hingegen lassen sich die unedlen allein durch dessen Kraft zu Asche verwandeln.
§2 G o l d . Das erste edle Metall ist Gold; von den übrigen Metallen unterscheidet es sich durch seine satte gelbe Farbe und seinen hellen Glanz. Seine auch gegenüber der stärksten Flamme resistente Beständigkeit sichert ihm den Vorrang vor allen Metallen; denn auch über lange Zeit in heftigstem Feuer geschmolzen, behält es nicht nur seine von Natur gegebene eigene Pracht, sondern gewinnt zudem noch an Reinheit, sollte es zuvor einen Zusatz von einfachem Metall gehabt haben. Von sechs Zolotnik4 Gold, das man im Laufe von zwei Monaten in einem Ofen behielt, in dem unablässig Glas für die Herstellung von unterschiedlichem Geschirr geschmolzen wurde, ging kein einziges Gran,5 das heißt ein Achtzigstel von einem Zolotnik, verloren. Alchemisten behaupten, es wäre leichter, ein anderes Metall in Gold zu verwandeln, als dieses in solche Bestandteile zu zerlegen, die sich nie wieder zu Gold vereinen lassen würden. Trotz seiner Beständigkeit lässt es aber
4 Das Gewicht von Edelmetallen wurde allgemein in Zolotnik (russ. золотник) angegeben, bei größeren Mengen in Pfund (russ. фунт) oder Pud (russ. пуд). Im Allgemeinen galten: 1 Pfund = 90 Zolotnik = 0,4095 kg; 1 Zolotnik = 4,266 g. 5 Legt man das Nürnberger System zu Grunde, beträgt das Gran = 62,2 mg, beim Englischen System = 64,798 mg; nach Lomonosovs Rechnung ergäben sich allerdings für das Gran nur 53,3 mg.
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einigen anderen Metallen in Bezug auf deren Härte den Vortritt, ist leichter verformbar und leichter zu schmelzen; denn es zerfließt bereits, nachdem es gerade erst rot erhitzt wurde. Und in demselben Moment, wo es nach dem Schmelzen vom flüssigen zum festen Zustand wechselt, zeigt es ganz kurz ein helles Grasgrün als Zeichen seiner Reinheit – vorausgesetzt, es enthält keinerlei Spuren anderer Metalle. Gibt man das erhitzte Gold ins Wasser, so zerspringt es in kleine Stückchen und zischt dabei nicht stärker als heiße Kohle, die man ins Wasser wirft. Die Luft, die die meisten empfindlichen Körper verändert oder gänzlich zerstört, kann dem Gold keinen Schaden zufügen oder irgendwelche Veränderung an ihm verursachen; seine edle Farbe und sein Glanz bleiben unverändert. Wegen seiner geringen Härte besitzt es so gut wie keine Spannkraft, das heißt eine solche Kraft, durch die es nach dem Biegen wieder von selbst gerade werden könnte. Und da von Spannkraft und Dichte der Körper deren Klang abhängt, so hält dieser bei reinem Gold nur ganz kurz an. Dabei besitzt es als eher unempfindliches Material eine so außergewöhnliche Zähigkeit und Feinheit, dass es alle übrigen Metalle weit übertrifft; denn bekanntermaßen können diejenigen Künstler, die Blattgold herstellen, ein Gran Gold zu einem Blatt von sechs Djuim Länge mal sechs Djuim Breite schlagen. Ein zwei Pfund schwerer Silberstab, ummantelt von sechs Zolotnik Gold, wird so zu einem dünnen Draht gezogen, so dass zwei Aršin Länge nur ein Gran wiegen. Obwohl dieser Draht an seiner gesamten Oberfläche nur noch 1 /40 Gran Gold hat, ist diese Schicht derart dicht, dass auch unter dem Mikroskop keine Spur von Silber zu entdecken ist. Wenn sich aber dieses edle Metall ob der oben genannten Eigenschaften auch von Fälschungen unterscheiden ließe, zweifle ich sehr daran, dass ein jeder imstande wäre, die durch Chemie gefälschten Zusammensetzungen von echtem Gold unterscheiden zu können und sich dabei nicht zu irren; diese Schwierigkeit kann man umgehen, indem man dessen Gewicht in Betracht zieht, denn das Gold ist von allen uns bekannten Körpern am schwersten.6 Im Verhältnis zu Quecksilber verhält sich sein Gewicht wie 19.636 zu 14.019 – das heißt, es ist um fast ein Drittel schwerer als dieses und kann folglich darin nicht schwimmen, sondern sinkt wie ein Stein im Wasser zu Boden. Und weil alle übrigen Metalle leichter als Quecksilber sind und auf dessen Oberfläche driften, so braucht derjenige, der sich der Echtheit des ihm angebotenen Goldes vergewissern möchte, dieses nur in ein Gefäß mit Quecksilber zu legen. Vorher sollte man es ganz leicht anfetten oder mit Wasser benetzen, damit das Queck-
6 Platin war zu Lomonosovs Zeit noch unbekannt, obwohl einzelne Funde von Platin bereits für das Altertum nachzuweisen sind. Aber man verwarf dieses „unfertige Gold“ zunächst, um Fälschungen mit Silber vorzubeugen. Erst unter Zar Nikolaus I. wurde es für die Ausprägung regulärer Umlaufmünzen verwendet.
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silber nicht daran anhaftet. Sollte das zu prüfende Stück im Quecksilber sinken, so ist noch immer nicht wirklich sicher, ob dieses Stück aus purem Gold besteht; denn falls es mit Kupfer zusammengeschmolzen war, kann es im Quecksilber selbst dann noch sinken, wenn es bis zu einem Drittel Kupfer aufweist. Eine absolute Sicherheit bezüglich der Echtheit des angebotenen Stückes lässt sich aber durch folgendes Verfahren erlangen: Das Gewicht des Wasser verhält sich im Vergleich zu Gold wie 1.000 zu 19.636, das heißt: Wasser ist fast zwanzigmal leichter. Und weil feste Körper im Wasser oder in anderen Flüssigkeiten so viel von ihrem Gewicht verlieren wie die von ihnen verdrängte Flüssigkeit in diesem Verhältnis wiegt, würde das reine Gold, das zuvor in der Luft präzise abgewogen wurde, im Wasser nur 1000/19636 oder etwa 1/20 seines ursprünglichen Gewichts verlieren. Sollte es jedoch eine Beimengung enthalten, so wird der Verlust in diesem Fall größer. Im Erdboden findet man Gold fast immer gediegen – in Klumpen, Blättchen oder Körnern. Wie Burgaf7 schreibt, wurde irgendwann ein zwei Pfund schwerer Goldklumpen im Erdboden gefunden; und auf Madagaskar kommt Gold so rein vor, dass es sich genauso leicht wie Blei schmelzen lässt. In der Mineralienkammer der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften wird ein gediegener Goldklumpen im Gewicht von 22 Zolotnik aufbewahrt. Wegen seiner edlen Eigenschaften verglichen die Chemiker das Gold schon seit urigen Zeiten mit der Sonne und verliehen ihm dasselbe Zeichen, welches ihr die Astronomen gegeben haben: ☉
§3 S i l b e r. Das zweite edle Metall ist Silber. Von Gold unterscheidet es sich durch seine Farbe und sein Gewicht. Die Farbe des Silbers ist derart weiß, dass – wenn es gänzlich rein ist und direkt nach dem Schmelzen gegossen und ausgekühlt wird, aber noch nicht poliert ist – von weitem wie Kreide aussieht. Sein Gewicht ist im Verhältnis zu Wasser wie 10.535 zu 1.000; das heißt, es ist ungefähr zehnmal so schwer wie Wasser und etwa halb so schwer wie Gold. In seinen anderen Eigenschaften steht es allerdings dem Gold kaum nach; denn auch nach sechs Monaten, in starker Flamme kochend geschmolzen, verlor es nur noch knapp ein Sechzigstel seiner Masse. Aber auch diesen Verlust kann man noch bezweifeln; denn es könnte sein, dass es ursprünglich nicht ganz rein war und einen Zusatz aufwies. Ebenso wie Gold fängt es auch in dem Moment an zu schmelzen, wenn
7 Gemeint ist der niederländische Gelehrte Herman Boerhaave (russ. Ге́рман Бу́ргаве, Бу́рхаве, Бу́ргав), bekannt vor allem ob seiner außerordentlichen Verdienste um die Arzneiwissenschaften.
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es rot erhitzt ist; und im Wasser zerfällt es, wenn man es flüssig hineingießt, ohne besonders laut zu zischen ebenso in kleine Stücke. Auch an der Luft verändert es sich nicht – außer einer leichten Blindheit, und das auch nur dann, wenn die Luft feucht ist. Elastizität, Härte und Klang sind jedoch stärker als die von Gold. Was die Zähigkeit anbetrifft, so lässt sich ein Zolotnik Silber zu 60 Aršin Draht ziehen. In der Erde findet man es oft in reiner Form – als kleine Blättchen oder als haarähnlich dünnen und krausen Draht, manchmal aber auch in Form ziemlich großer gediegener Aggregate. In der Mineralienkammer der Petersburger Akademie gibt es eine Stufe gediegenen Silbers im Gewicht von 7 Pfund.8 Reines Silber enthält fast immer auch etwas Gold. Die Chemiker symbolisierten es mit dem Mond, dem entsprechend ist sein Zeichen ☽.
§4 Ku p f e r. Von allen unedlen Metallen ist Kupfer das beste, weil es – auch wenn es durch Luft beeinträchtigt und seine Oberfläche grün wird und schließlich, nachdem es zur Asche verbrannt worden ist, äußerst schwierig in seinen ursprünglichen Zustand zurückgebracht werden kann – unter allen gemeinen Metallen dank seiner Härte, seiner Zähigkeit und seines Klangs gern bevorzugt wird. So dient es uns Menschen seit eh und je zum allgemeinen Gebrauch. Zu alten Zeiten, als das Eisen noch ganz rar war, schmiedeten die Menschen daraus Kupfersäbel und Pallasche und verwendeten diese ebenso wie die eisernen im gegenseitigen Kampf. Obwohl seine von Natur aus rötliche Farbe nicht sonderlich schön ist, erhält das Kupfer durch Zusatz verschiedener Minerale eine ebensolche Pracht wie Gold oder Silber – was sich an Prinzmetall, Tombak, Messing und Weißkupfer beobachten lässt.9 Um es zu schmelzen, benötigt man sehr heißes und heftiges Feuer; denn es beginnt erst dann zu schmelzen, nachdem es weiß wird. Sollte die Flamme aber nicht heiß genug sein, reicht also deren Hitze nicht aus, um es zum Schmelzen zu bringen, so überzieht es sich mit einer braunen Schicht – was nichts anderes ist als verbranntes Kupfer. Deswegen sollten die-
8 Besagte Stufe ähnelte dem Horn eines Schafsbocks. Peter I. erhielt sie als Geschenk vom dänischen König Friedrich IV. während seines Besuchs in Kopenhagen. Ehemals befand sie sich in der Mineralienkammer der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften, heute wird sie im Mineralogischen Museum der Akademie der Wissenschaften in Moskau aufbewahrt. 9 Aus Kupfer und Zink lassen sich in unterschiedlichen Verhältnissen spezielle Legierungen herstellen: 1 Teil Zink und 2 (bis 6) Teile Kupfer ergeben das sog. Prinzmetall; in anderen Verhältnissen entstehen Tombak, Messing und Weißkupfer, wobei weitere Zusätze wie Arsen und Quecksilber besondere Farben und Eigenschaften ergeben.
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jenigen, die Kupfer schmelzen möchten, dies vermeiden; denn Kupfer schwindet auf diese Weise, und das Verbrannte lässt sich nicht mehr gebrauchen. In weit größerem Maße muss man vermeiden, dass auch nur ein Tropfen Wasser in geschmolzenes Kupfer hineingerät; denn es kann weitaus mehr Krach und Unheil anrichten als ein Feuerwerk aus Pulver. Das zu Asche verbrannte Kupfer hat eine sehr dunkle und intensive rote Farbe und lässt sich nur noch mit sehr großer Mühe zu ebenso dunklem, undurchsichtigem Glas verschmelzen. Sein Gewicht ist mittelmäßig und im Verhältnis zu Wasser wie 8.843 zu 1.000 – das heißt, es ist fast neunmal so schwer. Über eine längere Zeit in einem Kupfergefäß aufbewahrtes Wasser wird etwas bitter und widerlich im Geschmack. Im Erdreich kann man es in Schichten, Plättchen, als kurzen verdrehten Draht oder in Stücken finden. In der Mineralienkammer der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften befindet sich eine gediegene Kupferplatte im Gewicht von etwa 20 Pfund. Chemiker symbolisieren es mit der Venus und geben ihm das Zeichen ♀.
§5 Z i n n . Dem Kupfer folgt das Zinn. Durch Feuer zu Asche verbrannt, lassen sich seine Helligkeit und seine dem Silber ähnliche weiße Farbe wieder leicht aus der Asche zurückgewinnen. Zudem widersteht es dem Einfluss der Luft fast ebenso wie das Silber, bleibt also unverändert, verliert jedoch etwas an Glanz und wird ein wenig matt. In der Flamme schmilzt es, noch bevor es eine Rotfärbung zeigt, wird dabei von einem leichten Häutchen überzogen, das sofort verschwindet, wenn man etwas Fettes oder Öliges hinzugibt.10 Denn es ist nichts anderes als das Zinn selbst, das seine ölige Substanz im Feuer verliert und dadurch zu Asche verwandelt wird; mit Fett kehrt es wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Stark erhitzt kocht das Zinn schäumend wie Wasser, und wenn man es erhitzt in Wasser schüttet, zerfällt es laut zischend in kleine Teile. Die Asche des verbrannten Zinns ähnelt der einfachen Holzasche, und es ist auch bei stärkster Flamme sehr schwierig, daraus Glas herzustellen. Schmilzt man Silber mit nur einem Hundertstel Zinn zusammen, so wird es äußerst brüchig. Vom Gewicht her steht Zinn allen anderen Metallen nach – im Verhältnis zu Wasser wie 7.321 zu 1.000. Die Zähigkeit des Zinns ist im Vergleich zu der von Gold und Silber deutlich geringer, so dass es sich nur schwer zu Draht ziehen lässt. Was allerdings Spannkraft und Klang anbetrifft, so überbietet Zinn die beiden beträchtlich.
10 Lomonosov beschreibt eine typische Redox-Reaktion: Das beim Schmelzen entstandene Zinn-Oxid wird wieder in den elementaren Zustand zurückverwandelt.
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Beim Biegen kann man ein leises Knistern hören. Gediegenes Zinn konnte ich nirgendwo sehen, dies bestätigt auch Löhneysen.11 Die Chemiker symbolisieren es mit dem Jupiter und schreiben dafür das Zeichen ♃.
§6 E i s e n . Das fünfte Metall ist Eisen, das als einfachstes und billigstes Metall gilt; denn es kommt in der Natur im Vergleich zu anderen am häufigsten vor, kann ziemlich leicht im Feuer zu dunkler gelblicher Asche verbrannt werden, rostet schnell in der Luft, und seine natürliche Farbe ist viel blasser als die des Zinns. Dieses Metall lässt sich unter keiner, auch nicht der allerstärksten Flamme, ohne Zusatz von bestimmten Stoffen schmelzen. Das Eisen zu Glas zu verwandeln, ist äußerst schwierig, aber doch nicht in einem so starken Maße wie Zinn. Von der Härte her übertrifft es allerdings alle übrigen Metalle. Seine Zähigkeit ist wesentlich stärker als die des Zinns, gegenüber Kupfer jedoch schwächer. Hinsichtlich seiner Elastizität stehen ihm jedoch alle Metalle nach, und wenn man dazu noch seine außerordentliche Härte in Betracht zieht, so nennt man dieses Eisen Stahl. Sein Klang ist kürzer und weniger stark als der des Kupfers. Vom Gewicht her übertrifft das Eisen geringfügig das Zinn und verhält sich im Verhältnis zu Wasser wie 7.859 zu 1.000. Keine andere Eigenschaft von Eisen ist aber so bemerkenswert wie diejenige Kraft, mit der es den Magnetstein zu sich hinzieht und andererseits von ihm ebenso heftig angezogen wird – was nicht nur gemeine Menschen, sondern auch Gelehrte in Staunen versetzt. Diese Anziehungskraft verliert es vollständig, wenn es in der Flamme zur Asche verbrannt wird, bekommt diese aber wieder zurück, wenn man es wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Obwohl dieses Metall im Vergleich zu anderen in überaus reichem Maße in der ganzen Welt zu finden ist, konnte ich noch nirgendwo einen von jemand gefundenen gediegenen Eisenklumpen sehen. Die Chemiker symbolisieren es mit dem Mars und schreiben dafür das Zeichen ♂.
11 Lomonosov erwähnt in seiner Dissertation De tincturis metallorum die Arbeit von Georg Engelhard(t) von Löhneiß (auch Löhneysen, Löhneyß): Bericht vom Bergwerck, wie man dieselben bawen vnd in guten wolstande bringen sol, sampt allen dazu gehörigen arbeiten, ordnung und Rechtlichen processen durch G. E. Löhneyß (1650). Die Arbeit des braunschweigischen Berghauptmanns hat sich allerdings als Plagiat erwiesen; denn große Teile des Buches wurden von Lazarus Ercker und Georgius Agricola übernommen.
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§7 B l e i . Das letzte von allen Metallen ist Blei. Hinsichtlich seiner Helligkeit, Härte, Zähigkeit, Elastizität und seines Klanges steht es gegenüber allen anderen Metallen zurück. Es schmilzt ziemlich leicht in der Flamme, kann ebenso rasch zu Asche oder zu Glas verwandelt werden, wobei das letzte immer durchsichtig, gelb und sehr brüchig ist und sich danach wiederum ganz einfach in seinen ursprünglichen Zustand – das heißt, in Blei – zurückversetzen lässt. Wenn man eine von Rauch und Qualm schwarze Flamme auf das Blei lenkt, verbrennt dieses zu roter Asche, die man Surik nennt.12 Diese rote Farbe verschwindet aber gänzlich, wenn man die Asche einer hellen und reinen Flamme aussetzt. Gibt man das zerschmolzene Blei ins Wasser, so zerspringt es mit argem Knall zu Schrot. Dieses Metall ist fast nirgendwo zu gebrauchen, außer bei verschiedenen metallurgischen Reaktionen13 wie auch in den Fällen, wo ein billiger, aber schwerer Stoff notwendig ist; denn das ihm eigene Gewicht verhält sich zu dem des Wassers wie 11.345 zu 1.000. Ob Blei im Erdboden als gediegenes Metall vorzufinden ist, bleibt bis heute eine offene Frage. Die Chemiker symbolisieren es mit dem Saturn und schreiben dafür das Zeichen ♄.
2 Über Halbmetalle §8 A r s e n . Arsen, Antimon, Wismut, Zink und Quecksilber zählen zu den Halbmetallen.14 Arsen sieht seiner Farbe nach wie Metall aus, ist allerdings sehr dunkel, fast schwarz. Durch die Kraft des Feuers verdunstet es rasch und verteilt sich in der Luft, noch ehe es geschmolzen werden kann. Wird es in der Retorte durch eine hohe und starke Flamme erhitzt, setzt es sich in deren Hals porig und hell wie reines Eisen ab; diese Helligkeit wird aber rasch von der Luft getrübt und wechselt schon bald zu ursprünglicher Schwärze. Wenn aber die Flamme mild ist, so steigt es zum Retortenhals als sehr weißes Pulver empor, das man aufsammeln und – durch eine sehr heiße Flamme erhitzt – zu weißem, halbdurchsichtigem Glas verschmelzen kann. In der Luft verliert dieses Glas seine Durchsichtigkeit vollkommen, wird demnach ganz opak und weiß. Setzt man dieses Glas,
12 Surik (russ. су́рик) ist die Bezeichnung für Mennige – ein leuchtend rotes Pulver mit der Summenformel Pb3O4. 13 Damit meint man die Gewinnung von Gold und Silber, die ausführlich im Teil 5 (Über das Scheiden von Metallen und Mineralen aus Erzen) dargelegt wird. 14 Ob ihrer Eigenschaften zählt man die letzten vier Elemente heute zu den Metallen.
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zu Pulver zerrieben und mit Eisenspänen vermischt, in einer Retorte der Wirkung einer starken Flamme aus, so steigt es zum Retortenhals in seiner ursprünglichen Art und Weise hoch, also hell sowie porig und metallfarben. Der Rauch, der von dem ins Feuer gelegten Arsen empor steigt, riecht nach Knoblauch und trübt Glasscheiben, die man hineinhält, in verschiedenen Farben. So es mit Kupfer oder Eisen verschmolzen wird, verleiht es den beiden eine weiße Farbe und eine der eigenen vergleichbare Brüchigkeit. Unter allen in der Welt bekannten Substanzen gibt es keine andere, die so giftig ist, wie dieses Halbmetall. Im Erdboden findet es sich oft ohne jeglichen Zusatz in seiner dunklen, metallfarbenen Art in schalenartigen Schichten und wird daher von den deutschen Bergleuten auch Scherbenkobalt genannt.15 Sehr selten kann man das weiße Arsen im Erdboden finden und das auch nur dort, wo es Silber gibt.
§9 A n t i m o n . Wegen seiner Helligkeit und weißen Farbe ähnelt das Antimon dem Blei; nur besteht sein Körper aus geraden Streifen oder Strahlen, die etwas gebogen mit ihren Spitzen zu einem Punkt zusammenlaufen.16 Härte und Brüchigkeit ähneln denen des Ziegelsteins. Es ist auch sehr giftig, aber doch nicht in dem Maße wie Arsen; denn es verliert seine Giftigkeit gänzlich in Verbindung mit einigen anderen Stoffen und wird dadurch zu einem stark wirkenden Arzneimittel. Im Feuer qualmt es ähnlich wie Schwefel und zerfällt zu einem grauen Pulver, das fast genauso giftig ist wie Arsen und sich letztlich bei heftiger Flamme zu einem dunkelgelben, durchsichtigen und giftigen Glas verschmelzen lässt. Mit Metallen im Feuer vermischt, nimmt es diese mit und wird im Qualm durch die Luft geschleudert; dem Gold kann es allerdings nichts antun. Wenn man Antimon mit Eisen über heftigem Feuer schmilzt und es dann in ein kegelförmiges Metallgefäß kippt, so trennt sich ein Teil davon ab – hell wie Silber, viel härter als Antimon, aber auch brüchig; die Chemiker bezeichnen es als Regulus17 oder Koroljok.
15 Als Kobolde wurden in Deutschland böse Berggeister bezeichnet, die – wie man glaubte – den Bergleuten allerlei Schaden zuzufügen vermochten. Schließlich fasste man unter diesem Namen (Kobold/Kobald) verschiedene Erze zusammen, deren Behandlung mit dem Auftreten von giftigen Gasen verbunden war. 16 Gemeint sind die typischen langprismatischen Kristallformen des Antimonits (Stibnit), des am meisten verbreiteten Antimonerzes. 17 Regulus steht für metallisches Antimon, Regulus antimonii für Spießglanz (lat. Stibium).
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§ 10 W i s m u t . Nach seiner Farbe, Helligkeit und Brüchigkeit ähnelt das Wismut dem Antimon, unterscheidet sich von diesem jedoch dadurch, dass es etwas rötlich, an Bruchstellen stärker gestreift und eckig sowie von gedrehten Strahlen geprägt und, wenn es längere Zeit in der Luft liegen bleibt, beinahe kirschfarben ist. In der Flamme lässt es sich mühelos und schnell schmelzen – und dies umso leichter, je dünner und dichter die Streifen verlaufen. Zu Asche verbrannt, kann es danach zu gelbem Glas geschmolzen werden, das – ähnlich einem Tongefäß oder dem Bleiglas – feuerfest ist. Mit Metallen vereint, verleiht es diesen weiße Farbe, aber auch Brüchigkeit und Feuerempfindlichkeit. Zinn wird dadurch härter und gewinnt an seinem Klang. Wismut beinhaltet fast immer etwas Silber. In Sachsen, unweit von Freiberg, findet man es in reiner Form im Erdboden, ohne Zusatz von jeglichen anderen Mineralen.
§ 11 Z i n k . Zink ähnelt sehr dem Wismut, ist aber in seinem Weiß etwas heller und geht bis ins Bläuliche. Es ist eher in verdrehten Strahlen als in Streifen zu finden und zudem nicht so brüchig; unter Hammerschlägen biegt es sich etwas durch. Von Antimon kann man es dadurch unterscheiden, dass es gegenüber diesem nie derart feine Strahlen aufweist. Beim Schmelzen fängt es Feuer, leicht und lasurblau, und bildet am Gefäßrande eine leinen- oder spinnennetzähnliche zähe Materie, die bald zu einem feinen und weichen Pulver zerfällt. Legiert man dieses Halbmetall mit Kupfer, so verleiht es diesem fast dieselbe gelbe Farbe, die dem Gold eigen ist; eine solche Legierung heißt Prinzmetall. Zinn gewinnt beim Verschmelzen mit Zink an Härte und Helligkeit, genauso wie bei der Verbindung mit Wismut. In der Erde findet man es nie rein oder gediegen.
§ 12 Q u e c k s i l b e r. Durch seine erstaunlichen Eigenschaften übertrifft das Quecksilber alle Halbmetalle und viele Minerale; denn es ist trotz seines großen Gewichts und seiner auffällig glänzenden Metallfarbe stets flüssig, und dieser flüssige Zustand kann von keiner uns bis jetzt bekannten Kälte besiegt und in einen festen umgewandelt werden. Und obwohl sich dieses Mineral von geschmolzenen Metallen dem Anschein nach nicht unterscheidet, werden diese bei solchen Temperaturen fest, wo viele andere Stoffe bereits Feuer fangen; das Quecksilber wird jedoch auch bei stärkstem Frost nicht fest. Außerdem zerfrisst es fast alle Metalle und Halbmetalle, obwohl es nicht wie Spiritus oder Säure schmeckt,
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und außerdem auch solchen Stoffen, die viel weicher sind als Metall, überhaupt keinen Schaden zufügt.18 Sehr leicht verbindet es sich mit Gold, Silber, Zinn und Blei, wobei ein dicker oder teigiger weicher Stoff entsteht, der von den Chemikern Amalgam genannt wird und der umso dichter wird, je mehr Metall er enthält. Mit Kupfer kann man das Quecksilber nur mühsam verbinden, mit Eisen gar nicht. Ebenso ist es unmöglich, die zu Asche verbrannten Metalle in Amalgam umzuwandeln. Zink löst sich leicht in Quecksilber auf, andere Halbmetalle jedoch nur sehr schwer oder erst durch Zusammenschmelzen. Aufgelöste Metalle oder Halbmetalle kann man von Quecksilber mit Hilfe zweier Verfahren trennen: Entweder man quetscht es durch ein Elchleder oder man lässt es – von einer Flamme erhitzt – aus einer Retorte in ein anderes Gefäß verdampfen und abtropfen. Durch das Leder sickern aber auch Blei, Zinn, etwas Kupfer und Zink, wohingegen die anderen Metalle im Leder stecken bleiben. In der Retorte bleiben jedoch die edlen Metalle zurück.19 Ein beträchtlicher Anteil an Blei und Zinn kann aber beim Erhitzen durch den Retortenhals in das andere Gefäß mitgenommen werden, insbesondere dann, wenn die Flamme heftig und sehr heiß ist. Auf diese Weise ist es sehr schwierig, das Quecksilber von den Halbmetallen zu trennen. In diesem Zusammenhang zeigt es mit keinem anderen Metall so viel Ähnlichkeit oder – sozusagen – eine gewisse gegenseitige Liebe wie zu Silber. Denn wenn das Silberamalgam mittlerer Dichte einige Wochen lang in mäßiger Hitze gehalten wird, die das Quecksilber nur noch langsam verdampfen lässt, so wachsen aus dem in der Retorte verbliebenen Silber dünne, bis zu einem halben Djuim lange Fäden heraus, vergleichbar mit Grashalmen eines kleinen Strauchs oder mit Moos. Man meint übrigens auch, dass es möglich wäre, das Quecksilber allein durch ununterbrochenes und langandauerndes Schütteln in schwarzes Puder zu verwandeln; dies ginge ganz bequem und mühelos, wenn man das Quecksilber, dicht in einem festen Gefäß eingeschlossen, an ein Mühlrad oder an ein anderes ständig in Bewegung befindliches Rad anbinden würde. Man berichtet auch, dass, wenn man das Quecksilber mäßig und über längere Zeit ununterbrochen erhitzte, es sich in ein rotes Pulver verwandeln würde. Diese beiden Pulver, das schwarze wie das rote, könne man ohne Zusatz von anderen Substanzen nur durch Erhitzen im Feuer ziemlich schnell wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzen – das heißt, in flüssiges Quecksilber verwandeln. Im Erdboden findet man es nicht selten rein, also
18 Als Lomonosov diesen Text verfasste, nahm er noch an, dass dieses „Element mit den besonderen Eigenschaften … auch in der schlimmsten Kälte nicht erstarren kann“; vgl. hierzu die Einführung (I). 19 Gemeint sind Gold und Silber.
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in seinem natürlichen, flüssigen Zustand. Von den Chemikern wird es Mercurium genannt, und es hat dasselbe Zeichen, das die Astronomen dem gleichnamigen Planeten gegeben haben: ☿.
3 Über fettige Minerale § 13 Minerale, die im Feuer verbrennen, werden fettige genannt. Die bekanntesten davon sind folgende: brennbarer Schwefel, Steinkohle, Bernstein, Erdöl, Bergharz und Steinöl. Da aber die fünf letzteren im Erdboden nur selten zusammen mit Metallen vorkommen, werde ich diese hier nicht beschreiben und erwähne nur die Eigenschaften des Schwefels, die man in der Metallurgie oder im Hüttenwesen kennen sollte.
§ 14 S c h w e f e l . Brennbarer Schwefel ist normalerweise gelb und undurchsichtig, aber in Sibirien kommt er manchmal auch durchsichtig vor. Beim Verbrennen entstehen eine blaue Flamme und ein sehr starker saurer Geruch; nach dem Verbrennen bleibt nur noch ein winziges schwarzes Stück übrig. Lässt man den Schwefel zuvor zerschmelzen, so entsteht eine viel kräftigere und helle Flamme. Wenn man die beim Verbrennen entstandene Luft sammelt, so verwandelt sie sich in eine saure, flüssige und durchsichtige Substanz, die man Schwefelspiritus (Schwefelgeist) nennt.20 Diesen Spiritus sammelt man gewöhnlich mithilfe einer Glasretorte, die im Boden ein Loch hat, durch das die Flamme und das heiße saure Gas von dem unter dem Tongefäß brennenden Schwefel hindurch gelangen können. Dieses Gas gerät über den Retortenhals in ein damit verbundenes Glasgefäß mit langem Hals, das mit Wasser gefüllt ist; hier verbindet es sich mit dem Wasser und wird zu Schwefelspiritus. Man hat bemerkt, dass dieses saure Gas sich ohne Wasser nicht sammeln kann und in die Umluft verfliegt; dazu ist noch zu bemerken, dass aus der gleichen Menge Schwefel bei nassem Wetter mehr an derartiger Säure erzeugt werden kann als bei trockenem. Daraus folgt, dass genau dann mehr Schwefelgeist gebildet werden kann, wenn mehr Wasser vorhanden ist. Dieser Geist oder Spiritus ist den aus Vitriol und Alaun gewonnenen Säuren ähnlich, was in den folgenden §§ 16 und 17 beschrieben wird. Wenn man Schwefel mit den Spänen
20 Aus chemischer Sicht handelt es sich um Schweflige Säure (H2SO3).
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einfacher Metalle vermischt und in den erhitzten Schmelztiegel wirft, so entzündet er sich sofort und verbrennt diese zu Asche. Ohne Zusatz von Pottasche kann Schwefel das Gold nicht auflösen. Deshalb muss er zuvor mit dieser verschmolzen werden, so dass ein bräunlicher Stoff entsteht, den die Chemiker Schwefelkuchen nennen.21 Mit allen geschmolzenen Metallen verbindet sich der Schwefel zu hellen metallähnlichen Stoffen, die allerdings sehr brüchig und von gar keinem Nutzen sind. Und zwar: Mit Eisen wird er gelb wie Schüsselkupfer, mit Kupfer glänzt er goldfarben und mit Blei wird er – im Vergleich zu seiner natürlichen Farbe – erheblich heller. Lediglich dem Silber verleiht er die Weichheit des Bleis und dessen Farbe. Innerhalb der Halbmetalle reagiert Schwefel am besten mit Quecksilber und Arsen. Quecksilber mit Zusatz von Schwefel ergibt Zinnoberrot, mit Arsen einen ebenso roten Stoff, genannt Sandarack22 oder Realgar, das von den Malern gebraucht wird. Eisenspäne, vermischt mit Schwefel und mit Wasser besprüht, erhitzen sich von allein in wenigen Stunden und manchmal so stark, dass sie sich sogar entzünden können. Die zu Asche verbrannten Metalle werden von Schwefel nicht aufgenommen. In der Erde findet man ihn rein und gediegen, allerdings selten.
4 Über ausgefällte Minerale oder Salze § 15 D e f i n i t i o n u n d A n z a h l v o n M i n e r a l s a l z e n . Zu den ausgefällten Mineralen gehören jene festen Stoffe, die – im Wasser aufgelöst – dessen Durchsichtigkeit nicht beeinträchtigen, im Feuer nicht allein brennen, sondern lediglich darin schmelzen. In der Natur gibt es davon nur drei: Vitriol, Alaun und Steinsalz.
§ 16 A l a u n . Alaun ist im Geschmack ziemlich sauer, daher auch der russische Name.23 Um Alaun in Wasser auflösen zu können, ist die zehnfache Menge
21 Schwefelkuchen ist ein Gemisch unterschiedlicher Polysulfide, die bei der Reaktion von Schwefel und Pottasche oder Soda entstehen – was bereits den Alchemisten bekannt war. 22 Auch Sandarak (franz. Sandaraque rouge) – nicht zu verwechseln mit dem aus dem Sandarakbaun (Tetraclinis articulata) gewonnenen gelben Naturharz. 23 Alaun (russ. квасцы) entsprechend dem russischen Kwas (russ. квас) – ein aus Brot hergestelltes Getränk mit der ursprünglichen Bedeutung „saurer Trank“ oder „Gegorenes“.
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an Wasser im Verhältnis zum trockenen Zustand erforderlich. In der Flamme schäumt er zunächst heftig, so dass manchmal der ganze Schmelztiegel voller Schaumblasen ist. Danach schmilzt er zu einem weißen, undurchsichtigen und sehr brüchigen Stoff; und unter der Wirkung des Feuers entsteht ein sehr starker und saurer Spiritus, der über einen Retortenhals in einem beigestellten Gefäß gesammelt werden kann. Dabei unterscheidet er sich nur sehr wenig von dem Schwefelspiritus;24 denn er verursacht dieselbe Wirkung wie dieser hinsichtlich der Auflösung und Korrosion von Metallen und kann darüber hinaus sogar für die Gewinnung von Schwefel anstatt des Schwefelspiritus verwendet werden. Wenn man Pottasche mit Schwefelspiritus in einem solchen Maße gesättigt hat, dass er aufhört zu köcheln, ihn dann bei kleinem Feuer langsam verdunsten lässt und die dadurch entstandenen Kristalle mit 1/10 Kohle vermischt und zu feinem Pulver zerreibt, zusammenschmilzt, diesen Stoff im Wasser auflöst und der dadurch entstandenen Base starken Essig hinzufügt, so setzt sich auf dem Boden des Gefäßes ein weißes Pulver ab, das man als Schwefelmilch bezeichnet und das man im Feuer zu Schwefel verschmelzen kann. Würde jedoch bei diesen Experimenten statt Schwefelspiritus Alaunspiritus eingesetzt, so bekäme man als Ergebnis einen ebenso echten Schwefel wie bei der Verwendung des Schwefelspiritus. Nach der Destillation des Alaunspiritus bleibt in der Retorte eine weiße, brüchige und etwas säuerliche Substanz zurück, deren Säuerlichkeit sich erst durch längeres, langsames Kochen mit hinzugefügtem Wasser verliert; diesen gereinigten Stoff verwendet man wegen seiner reinen weißen Farbe für Aquarelle. Die im Boden befindliche schichtüberzogene Materie wird manchmal fälschlicherweise Alaun genannt; in Wirklichkeit ist sie allerdings nichts anderes als ein einfaches, mit einer Schicht überzogenes Gestein.
§ 17 V i t r i o l . Vitriol gibt es in vier verschiedenen Arten.25 Die erste ist hellgrün und blass, vom Geschmack her sauer und etwas süßlich; die zweite ist grellblau und schmeckt säuerlich-bitter; die dritte neigt in ihrem hellen Blau zu blassem Grün; die vierte ist weiß. Alle diese Vitriolarten ergeben durch Destillation in der Retorte
24 Aus Alaun und Vitriol lässt sich auf diese Art Schwefelspiritus gewinnen, manchmal mit Schwefliger Säure gemischt. 25 Entsprechend dem Anteil von Kristallwasser sprach man von siebenwässrigem Eisen-Vitriol, das hellgrüne Kristalle bildet; von fünfwässrigem Kupfervitriol, das blaue Kristalle bildet. Enthielten beide weniger Wasser, so änderte sich die Kristallfarbe bis hin zu reinem Weiß bei den wasserlosen Eisen- und Kupfersulfaten.
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einen sauren Spiritus, der nach seinen Eigenschaften dem Schwefel- und Alaunspiritus ziemlich ähnlich ist; denn es lässt sich daraus nach demselben Verfahren wie bei Alaun Schwefel gewinnen (vgl. § 16). Aus Spiritus Vitriol zu erzeugen, ist allerdings viel leichter als aus Alaun. Der in der Retorte verbleibende Stoff zeigt sich aber bei jeder der vier Vitriolarten anders: Das blasse hellgrüne Vitriol hinterlässt eine dunkelgelbe Masse, die nichts anderes ist als verrostetes Eisen. Nach dem Verdunsten des blauen Vitriols bleibt eine dunkelrote Materie zurück, die man zu Kupfer zusammenschmelzen kann; im Rest des blaugrünen Vitriols sind Eisen und Kupfer enthalten. Nach dem Verdampfen des weißen Vitriols bleibt in der Retorte ein sehr helles gelblichweißes Pulver, in dem nur noch Spuren von Kupfer zu finden sind. Man kann feststellen, dass zur Sättigung der Pottasche mehr Vitriolspiritus als Schwefelspiritus erforderlich ist, und die nach dem Eindampfen entstandenen Kristalle kleiner und dünner ausfallen. Lässt man das Vitriol auch nach dem Entstehen von Spiritus weiter verdampfen, so entsteht eine dickflüssige Säure, genannt Öl, und diese ist stärker als jede andere.26 Aus dem in der Retorte verbliebenen Stoff, der beim Verdampfen des blauen Vitriols entsteht, kann man etwas von weißem Vitriol auswaschen. Im Wasser lässt sich das grüne Vitriol viel schneller auflösen als das blaue. Wenn man diese Lösung bis zur Herausbildung eines dünnen Häutchen kocht und sie danach kalt stellt, so setzen sich daraus rhombenförmige kleine Kristalle ab, die in warmer Luft an der Oberfläche weiß werden und bei Erhitzung zu gelblichem Pulver zerfallen; dies passiert allerdings viel eher mit grünem als mit blauem Vitriol. Würde man in die Lösung aus blauem Vitriol ein Stück Eisen legen, so würde dieses von dem in der Lösung befindlichen Kupfer überzogen und in einigen Stunden in dieser Lösung fast vollständig aufgelöst werden, und das Kupfer würde anstelle des Eisens dessen Form annehmen. Auch in der grünen Vitriollösung wird das Eisen, wenngleich nur leicht, von Kupfer überzogen; denn es gibt kaum ein Vitriol, das kein Kupfer enthält – es sei denn, man würde solches selbst herstellen. Deswegen irren diejenigen, die glauben, dass manche natürlichen Vitriolwasserquellen über die Kräfte verfügen, Eisen in Kupfer umzuwandeln; denn die in diesen Quellen befindliche Vitriolsäure löst das hineingelegte Eisen auf und spült es hinweg, hinterlässt jedoch stattdessen das enthaltene Kupfer. Blaues sowie grünes Vitriol enthalten zwei Metalle, nämlich Kupfer und Eisen, einzeln oder zusammen zu jeweils 1/8, zudem 3/8 Säure und ½ Wasser. In Erzgruben findet man das grüne Vitriol manchmal in Form von Eiszapfen, auch an der Oberfläche von Erzen in weißen dünnen, der Wolle ähnlichen Fäden.
26 Durch Destillation verdünnter Schwefelsäure erhält man konzentrierte Schwefelsäure, auch Vitriolöl genannt.
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§ 18 S t e i n s a l z . Stein- oder Bergsalz unterscheidet sich von jenem, das aus den Wässern der Salzbäche ausgekocht wird, lediglich dadurch, dass es härter und im Geschmack kräftiger ist, in großen Stücken in der Erde vorkommt und sich in Wasser nicht so schnell auflösen lässt. In starker Flamme knistert es zunächst genauso wie das Kochsalz, schmilzt dann aber und wird flüssig wie Wasser. Streut man es auf heiße Kohle, so brennt es etwas bläulich. Man kann durch Erhitzen in einer Retorte keinen Spiritus oder Säure daraus gewinnen; es sei denn, man hat es vorher mit Alaun, Vitriol oder mit irgendeiner anderen Erde vermischt. Beim Zusatz der erwähnten Substanzen gewinnt man allerdings daraus einen sehr dünnen sauren Spiritus, der in der Chemie notwendig und sehr nützlich ist. Wenn man die Pottasche mit diesem Spiritus sättigen, dann in Wasser auflösen, durchseihen und bis zur Bildung eines Häutchen auskochen und schließlich kaltstellen würde, so bekäme man reines würfelförmiges Salz, das viel weicher ist als das natürliche. Diese im Leben der Menschen sehr wichtige Materie ist fast überall und im Überfluss anzutreffen; denn jeder weiß von der Menge, die im weiten Ozean und all den Meeren gelöst vorhanden ist und wie viele Salzbäche in der ganzen Welt verstreut sprudeln. Außerdem findet man ganze Berge von Salz – gut bekannt von Sibirien, Polen und Äthiopien. Das Meeressalz unterscheidet sich von Koch- und Steinsalz dadurch, dass es etwas Salpeter und alkalische Bitterstoffe enthält.
§ 19 S a l p e t e r. Obwohl Salpeter nicht im Inneren der Erde vorkommt, sondern nur auf deren Oberfläche, ist es in Form von „starkem Wodka“ für die metallurgische Chemie von großer Bedeutung. Ihn hier – soweit es für das in Rede stehende Thema notwendig ist – näher zu beschreiben, ist deshalb unumgänglich. Die Reinheit des Stoffes vorausgesetzt, besteht er immer aus sechseckigen, durchsichtigen farblosen Kristallen. Vom Geschmack her ist Salpeter etwas säuerlich, wenn auch bei weitem nicht so sauer wie Vitriol. In einem Gefäß erhitzt, zerfließt er ähnlich wie Steinsalz, und auf heiße Kohlen gestreut, reagiert er mit heller Flamme. Es ist unmöglich, daraus – wie auch aus Steinsalz – Spiritus oder „starken Wodka“ zu gewinnen, ohne vorher etwas Vitriol, Alaun oder etwas andere Erde beigemischt zu haben. Dieser „starke Wodka“ zeigt sich, indem er aus der Retorte in das beigestellte Gefäß zieht, als roter Nebel. Er löst alle Metalle auf – außer Gold. Aber auch Gold kann dem nicht lange widerstehen; denn, wenn dieses mit Salmiak oder mit Salzspiritus vermischt wird, zergeht es zu einer dichten gelben flüssigen Materie. Diese zwei zusammengeführten starken Lösungen nennt man auch Königswasser, da es das Gold als König aller Metalle auflösen kann; auf Russisch heißt es auch „Goldwodka“.
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5 Über Steine und Erden § 20 D e f i n i t i o n d e r S t e i n e . Stein ist eine harte Substanz, die im Feuer nicht entflammt, im Wasser nicht aufweicht, keinerlei Metalle enthält oder lediglich in so geringem Maße, dass sie sich nicht ausschmelzen lassen. D e f i n i t i o n d e r E r d e n . Erden unterscheiden sich nur dadurch von den Gesteinen, dass man sie mit Wasser aufschlämmen kann. Hier beschreibe ich keine edlen Gesteine sowie Heilerden, denn sie haben keinen Bezug zur Metallurgie. Ich werde deshalb nur diejenigen kurz vorstellen, die in erzhaltigen Bereichen zu finden sind. Von den Gesteinen sind folgende als wichtigste zu nennen: Kristall, Kiesel, Selenit (Marienglas, Frauenglas, Spiegelstein), Sinter, Schiefer, Gneis, metallhaltige Steine, Marmor, wilder Sandstein sowie weißer Kalkstein; und von den Erden: Kreide, Lehm, Wap27 und Ocker.
§ 21 Als K r i s t a l l bezeichnet man einen durchsichtigen und sehr harten Stein, der meist absolut farblos ist. Manchmal findet man ihn allerdings auch grün-, gelboder kirschfarben, wodurch er den Edelsteinen ähnelt; und zwar ein grüner dem Smaragd, ein gelber dem Topas und ein kirschfarbener dem Amethyst. Einige sind sehr dunkel, bis ins Schwarze, und kaum mehr durchsichtig. Von der Form her sind es sechseckige Prismen, ähnlich den Kristallen des Salpeters. Mitunter kommen sie auch in Würfelform vor, sind dabei farblich getönt oder halbdurchsichtig und viel weicher als die sechseckigen. Im Boden findet man sie entweder einzeln oder in großer Zahl an Steinen angewachsen. Die Einzelkristalle zeigen spitze Enden und werden Böhmische Diamanten oder Orientkristalle genannt. Bei den anderen ist nur das eine Ende spitz; solche sind im Berginnern an hohlen Felswänden angewachsen, man nennt sie auch Drusen. Es gibt auch unregelmäßig geformte, halbdurchsichtige Kristalle, diese nennt man Quarz.
27 In den Erläuterungen im Bd. V der Gesammelten Werke wird Wap (russ. вап) als rotes toniges Eisenerz bezeichnet, geeignet zur Herstellung von Farbe und Bleistiften.
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§ 22 K i e s e l s t e i n . Dem Kristall folgt der Härte nach der Kieselstein.28 Er ist undurchsichtig oder halbdurchsichtig und kommt in verschiedenen Farben vor. Insofern farbige Kieselsteine schöne Farben und Musterungen aufweisen, nennt man sie nicht mehr Kieselsteine, sondern gibt ihnen Namen von seltenen Edelsteinen; das heißt, den roten Kieselstein nennt man Porphyr,29 den grünen Jaspis, den gelben und bunten Achat. Dementsprechend kann man die milchfarbenen Sächsischen Opale den Kieselsteinen zurechnen.
§ 23 S e l e n i t . Selenit ist ein Stein, der aus dünnen brüchigen Schichten besteht.30 Es gibt fünf Selenitarten: Spat, Glimmer, Flussspat, Kies und das so genannte Katzensilber und Katzengold. S p a t . Der Spat ist undurchsichtig und schwer, weiß, gelb und rot. Seine Schichten sind dicker und härter als die der übrigen Selenite. G l i m m e r. Glimmer kommt in zwei Arten vor: Die erste besteht aus breiten und flexiblen Blättern, die sich sehr leicht und ganz dünn auseinander ziehen lassen; man benutzt sie anstelle von Glas als Fensterscheiben.31 Dicke Stücke sind bräunlich und kaum noch durchsichtig. Die zweite Art ist ganz durchsichtig; dessen Schichten sind nicht groß und ziemlich spröde. Im Feuer glüht er zum weißen Pulver, das man Leukas genannt hat. F l u s s s p a t . In Sachsen findet man ihn in verschiedenfarbigen großen Stücken und nennt ihn Flussspat. K i e s . Der Kies besteht aus einer Menge von kleinen bunten Steinchen, die leicht zusammengehalten werden und ganz kleine leuchtende Glimmerschichten aufweisen. K a t z e n s i l b e r und Katzengold ist nichts anderes als etwas größer geratener Kies, dessen Oberfläche mit hell leuchtenden Glimmerblättchen übersät ist, jedoch überhaupt kein Metall enthält.
28 Der Begriff Kieselstein steht eigentlich für Quarz (SiO2), der in zahlreichen Varietäten und Formen auftritt. 29 Zu Porphyr rechnete man zu jener Zeit auch verfestigten Ton, Hornstein, Jaspis, Pechstein, Obsidian und andere harte Gesteine bzw. Minerale. 30 Selenit, auch Marienglas, Frauenglas oder Spiegelstein genannt – eine Varietät des wasserhaltigen Calciumsulfats (CaSO4·2H2O) = Gips. 31 Der Muskovit (russ. мускови́т) genannte helle Glimmer in der Bedeutung „Moskauer Glas“ erhielt diese Bezeichnung 1850 von dem amerikanischen Geologen James Dwight Dana.
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§ 24 S i n t e r. Wenn in den Gruben aus dem harten Berggestein Flüssigkeit heraussickert, sich absetzt und verhärtet, dann nennen es die deutschen Bergleute Sinter. Von der Farbe her ist er fast immer weiß oder gräulich, bezüglich der Form klumpig oder lang und schmal wie die Eiszapfen am Rande eines Daches. Diese Zapfen zeigen öfters von oben nach unten eine dünne Rille, an der das Wasser herunterrinnt. In der Nähe von Freiberg gibt es eine Grube, genannt Christi Himmelfahrt; dort kann man Sinter sehen, der auf der Wasseroberfläche wie Eis auf einem See liegt. Sinter, der sich an den Grubenwänden abgesetzt hat, nennt man auch Gur.
§ 25 S c h i e f e r. Schiefer ist nichts anderes als verfestigter Schlamm; denn in der Retorte erhitzt, ergibt er genau das gleiche bräunliche und bittere Öl, welches man auf dieselbe Art und Weise aus Schlamm gewinnen kann. Außerdem findet man darin Spuren von versteinerten Fischen, die in archaischen Zeiten darin Nahrung suchten. Mitunter ist der Schiefer schwarz und deswegen gut für die Herstellung von Schreib- und Rechentafeln geeignet. Mitunter findet man ihn auch grünlich, rötlich oder gelblich.
§ 26 G n e i s . Gewöhnlich ist der Gneis grau, manchmal etwas grünlich. Er besteht überwiegend aus Kieselstein und einigen anderen Steinen, vermischt mit manch anderem, und verfügt über eine beträchtliche Härte.
§ 27 M e t a l l h a l t i g e S t e i n e . Man nennt diese Steine deswegen so, weil sie Spuren von Metall enthalten. Die bekanntesten davon sind: Galmei, Wolfram, Schörl, Magnesia und Blende. G a l m e i ist grau, etwas gelblich, dabei ziemlich brüchig und enthält Spuren von Kupfer und Eisen. Wo l f r a m nennt man ein lichtes, schwarzes, geschichtetes Gestein mit Spuren von Eisen. S c h ö r l ist ein ebenso schwarzer Stein wie Wolfram, besteht jedoch aus dünnen eckigen Aggregaten und weist zudem Merkmale von Zinn auf. M a g n e s i a ist blauschwarz und enthält nur ganz wenig Eisen. Wenn man ein wenig davon einem einfachen grünen Glas hinzufügt, ergibt es einen hellen
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durchsichtigen Kristall; wenn man aber davon deutlich mehr als erforderlich hinzugibt, so wird das Glas kirschfarben. B l e n d e . Es gibt drei Arten von Blenden: schwarze, gelbe und helle wie Blei. Die letztere verliert allerdings ihre Helligkeit, wenn sie mit Wasser angefeuchtet wird. Blenden weisen Spuren von Eisen auf.
§ 28 S o n s t i g e G e s t e i n e – Marmor, Sandstein, weißer Kalkstein, manchmal in Form ganzer Berge, in denen die oben beschriebenen Erzgänge mit unterschiedlichen Mineralen anzutreffen sind. E r d e n . Erden, die in erzreichen Gebieten vorkommen, sind ziemlich gut bekannt; es sind Kreide, Lehm, Wap und Oker. Oft ist der Lehm gelb, die deutschen Bergleute sprechen von Bleischweif; dieser Lehm kann mitunter ein Hinweis auf Silber sein.
6 Über Erze § 29 D e f i n i t i o n d e r E r z e . Als Erz definiert man eine aus zwei oder mehreren Mineralen zusammengesetzte Materie. Metallerze bestehen aus Metall und Halbmetall oder Gestein, Erde und fettigen Mineralen. Halbmetallerze bestehen gewöhnlich aus Halbmetallen und Eisen oder Schwefel und Gestein. Schwefelund Vitriolerze sind vom Bestand her wie Eisen- oder Kupfererze, nur beinhalten sie mehr Schwefel oder Vitriol als in genannten Metallen.
§ 30 G o l d e r z . Golderze als solche gibt es nur ganz wenige; denn Gold ist entweder gediegen vorzufinden oder Bestandteil anderer Metallerze – insbesondere von Silber- und Kupfererzen; aber gediegenes Gold enthält fast immer etwas Silber. Es kommt meist in Quarz und in Spat, manchmal auch in Schiefer, in schwarzem Eisengestein und in roten Erden vor; in den drei letzteren allerdings sehr feinverteilt. Im Sand findet man es in Form kleiner gediegener Körner, vermischt mit Schörl, Wolfram und feinem Zinnerz. Cassius berichtet, es gäbe in Guinea einen bestimmten Sand, aus dem man – vorausgesetzt, es hat Vitriol geregnet – mehr
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als üblich Gold waschen kann.32 In der hiesigen Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften gibt es in der Mineralienkammer ein Stück schwarzgraues Alaunerz, welches ein Gran Gold im Pfund enthalten soll. Von einem ewig anhaltenden und sich nie erschöpfenden Golderz berichtet Doktor Becher, sein Traktat gehört aber eher in den Bereich der Alchemie als in den des Bergwesens.33
§ 31 S i l b e r e r z e . Obwohl das Silber in der Erde häufig gediegen vorkommt, gibt es auch eine bedeutende Anzahl von Silbererzen. Das reichste Silbererz, das die Deutschen als Glaserz bezeichnen, nenne ich weiches Silbererz; denn es lässt sich schneiden und schmieden wie Blei, dem es an der Schnittstelle auch der Farbe nach sehr ähnelt. Es enthält bis zu 9/10 Silber bei nur 1/10 Schwefel. Je härter es ist, desto weniger Silber enthält es. Aber auch das brüchigste enthält noch bis zu 8/10 Silber. Das rote Silbererz findet man nicht selten in roten, rubinähnlichen durchsichtigen Kristallen, zumeist ist es aber nur noch rot und undurchsichtig. Oft sieht es wie frisches Blut aus, das auf eine Steinoberfläche vergossen wurde. Manchmal findet es sich auch fast schwarz, mit rötlichem Schimmer. Je härter dieses Erz und je kräftiger dessen Rot ist, desto reichhaltiger ist es an Silber. Das Beste davon enthält bis zur Hälfte Silber, das Restliche ist Arsen. Auch ist anzumerken, dass der Silbergehalt zunimmt, so es in der Nähe von reichem, weichem Silbererz vorkommt. Äußerlich ähnelt es sehr dem Zinnober, unterscheidet sich jedoch von diesem dadurch, dass es in „starkem Wodka“ aufgelöst werden kann. Weißes Silbererz bildet sich gleichzeitig mit dem Gestein, ist insbesondere mit Quarz oder anderem Erz vermischt und erscheint daran wie aufgespritzt. Auch ähnelt es sehr dem Eisen, wenn es an der Bruchstelle gleich verschütteten Sternchen glänzt und schimmert; allerdings ist es nicht so hart. Gewöhnlich enthält es circa 1/10 Silber und etwas Kupfer, in anderen reicheren Erzen gelegentlich auch mehr, wobei es umso reichhaltiger ist, je heller sein Aussehen erscheint. Das blasse Silbererz ist im Vergleich zum weißen etwas dunkler und weist kein Schimmern oder Funkeln auf. Es enthält auch nur ganz wenig Silber, nur etwa 1/100, aber auch Kupfer und dies umso mehr, je dunkler es erscheint. 32 Der Mediziner Andreas Cassius hat erstmals Gold in kolloidem Zustand, das sogenannte Cassius-Magenta, hergestellt, außerdem Verfahren zum Färben von Glas (Goldrubinglas) und Emaille (Cassius-Gold) entwickelt. Das Buch De extremo illo et perfectissimo naturae opificio ac principe terraenorum sidere auro erschien im Jahre 1685 in Hamburg. 33 Johann Joachim Becher beschrieb in seinem Buch Actorum laboratorii chymici Monacensis, seu physicae subterraneae libri duo (Frankfurt 1669) als erster chemische Merkmale zur Unterscheidung von Mineralen.
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Vom schwarzen Silbererz gibt es zwei Arten: das harte und das feine. Das harte Erz gleicht vom Gehalt her genau dem weißen. Das feine Erz ähnelt sehr dem Ruß und enthält nicht selten bis zu 1/10 Silber. In Marienberg findet man halbdurchsichtiges hornähnliches Silbererz, das so leicht schmilzt, dass dafür sogar eine Kerzenflamme genügt. Federsilbererz ist weich wie Daunen oder Federn und reich an Silber. Manche Silbererze ähneln dem Gänsekot, enthalten jedoch eher wenig Silber. Oft enthält auch der gelbe Lehm, der in Erzgruben fast immer anzutreffen ist, etwas Silber (§ 28).
§ 32 B l e i e r z e . Blei ist in mehreren Erzarten enthalten. Das erste und bekannteste ist hell und hat genau die gleiche Farbe wie Blei an seiner Schnittstelle und verliert an der Luft auch keinen Glanz. Es ähnelt sehr der hellen Blende, unterscheidet sich von dieser jedoch dadurch, dass es bei Nässeeinwirkung seine Helligkeit behält. Gewöhnlich enthält es bis zur Hälfte Blei und etwas Silber. Entsprechend seiner Form tritt es in drei Varietäten auf, und zwar erstens in Würfeln oder länglichen vierkantigen Klötzchen, zweitens in unregelmäßigen eckigen, ziemlich großen Aggregaten und drittens feinkörnig, zusammengefügt wie Gesteinsgrus – im Russischen nennt man es Weißer Koltschedan.34 Das grüne Bleierz ist blass; es gleicht dem Lederstiefelvitriol und tritt in länglichen kantigen Klötzchen auf, die miteinander kreuz und quer verwachsen sind und besteht zu ¾ aus Blei. Das weiße Erz von demselben Metall besteht aus kantigen Klötzchen, die ebenso kreuz und quer verwachsen sind; es besteht ebenfalls zu ¾ aus Blei. Im Kölner Episkopalkirchlichen Kreis findet man weißes geschichtetes Bleierz, das dem Spatgestein sehr ähnlich ist. Das rote Bleierz ist in seiner Form kantig und mehrschichtig und enthält überhaupt kein Silber.
§ 33 Z i n n e r z e . Unter allen Zinnerzen gilt das körnige als das beste. Die Erzstücke sind unterschiedlich groß, in ihrer Form eckig und von schwarzer Farbe; sehr selten findet man sie in Weiß. Die Ecken des schwarzen Zinnerzes sind meist stumpf, dabei enthalten sie neben Zinn bis zur Hälfte Arsen. Das weiße ist halbdurchsichtig und enthält zugleich Zinn und Arsen. Einen ziemlich großen Anteil an Zinn findet man gleichermaßen in schwarzen und grauen Steinen. Die schwarzen Steine unterscheiden sich von kristallisiertem Zinnerz durch ihre Form und
34 Benannt nach dem Flüsschen Koltschedanka, Rajon Irkutsk.
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ihren Zinnanteil; denn sie weisen keine eckige Form auf und enthalten weitaus weniger Zinn als das andere. Das graue Zinnerz ist nichts anderes als kleine Krümel des schwarzen, eingewachsen in Quarz oder in anderem Gestein. An vielen Orten wird Zinn in kleinen schwarzen oder grauen Körnchen aus dem Sand herausgewaschen. Verschiedene Merkmale dieses Metalls ähneln auch denen des Granats.
§ 34 Ku p f e r e r z e . Kein Mineral schmückt die Natur in solcher Weise wie die Kupfererze; denn sie weisen nicht nur die allerschönsten Farben auf, sondern stehen mitunter auch dem puren Gold an Glanz und Pracht nicht nach. Den gelben Schwefelkies, auch Pyrit genannt, kann man äußerlich vom Gold nur dadurch unterscheiden, dass er etwas blasser ist; er enthält viel Metall, der Rest ist Schwefel. Markasit nennt man jenes Kupfererz, das blassgelb ist und aus würfelförmigen und anderen eckigen Kristallen besteht, die manchmal zusammengewachsen sind oder auch einzeln liegen.35 Dieses Erz beinhaltet neben Kupfer auch Schwefel und Arsen; und je blasser es ist, umso weniger Schwefel enthält es, hingegen mehr Arsen. Das dunkle Kupfererz ähnelt in seiner Farbe dem matt gewordenen Blei und ist an der Oberfläche oft dunkelrot; neben Kupfer enthält es auch etwas Eisen. Die Oberfläche der genannten Kupfererze ist nicht selten wunderschön bunt gemustert, ähnlich wie eine Taubenbrust oder ein Pfauenschwanz. Das graue Kupfererz besteht aus einer Menge von kleinen weißen, braunen und grünlichen Steinchen sowie größeren Sandkörnchen, die alle zu einem Stein zusammengewachsen sind. Von solchen Erzen gibt es viele in Sibirien, sie führen alle einen unterschiedlichen Anteil von Kupfer. Auch gibt es schwarze, grünliche oder bläuliche Schieferarten mit einem gewissen Anteil an Kupfer. Ihr beträchtliches Gewicht und bunte Farben weisen darauf hin, dass sie Kupfer enthalten. Manchmal ist auch in rotem oder grünlichem Quarz etwas Kupfer zu finden. Das grüne Kupfererz kommt in drei Arten vor: erstens in großen Steinen, die unterschiedlich hart sind und äußerlich sehr dem Grünspan ähneln, Chrysokoll genannt; zweitens gibt es runde oder ovale erbsengroße Steinchen, die inmitten des braunen Kupfererzes vorkommen; drittens gibt es büschelartig angeordnete Nadeln, die in
35 Lomonosov folgte einer verbreiteten Auffassung, mit der sich bereits sein Lehrer Henckel auseinanderzusetzen wusste; nach dieser gab es auch zahlreiche andere Markasite – also „GoldMarcasit, Silber-Marcasit, Eisen- und Kupfer-Marcasit“ etc. Pyrit und Markasit sind jedoch EisenSchwefelverbindungen in der Zusammensetzung FeS2, allerdings mit unterschiedlicher Kristallstruktur.
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sattem Grün erstrahlen. Das blaue Kupfer kommt in zweierlei Arten vor: einmal in Form großer Steine, andererseits in Form ganz kleiner Steine, verteilt in Sandstein oder in irgendeinem anderen Gestein.
§ 35 E i s e n e r z e . Der Blutstein ist ein hartes und dunkles, etwas rötliches Erz. Seine Oberfläche zeigt sich in dreifacher Form. Erstens hat sie keine besonderen Merkmale und ist glatt wie der braune Wap und hart wie Gestein. Zweitens kann sie eine holzähnliche Maserung aufweisen und ihre Farbe ist fast schwarz. Von einem Fossil, das zu Eisenerz geworden ist, kann man den Blutstein36 dadurch unterscheiden, dass in dessen Maserung keine Spur von Ocker zu finden ist – im Unterschied zum Fossil, wo dies immer der Fall ist. Drittens kann die Form der Oberfläche des Blutsteins rundliche Aufwölbungen aufweisen, ähnlich einer dicken Traube; man nennt ihn deswegen Traubenblutstein. Das zackenförmige Eisenerz ist von heller Farbe, fast so wie das Eisen selbst, und besteht aus breiten Streifen, deren Ecken zusammenlaufen und somit einem Kamm ähneln. Der Pyrit ist etwas blasser als das Schüsselkupfer, enthält nur noch wenig Eisen, dafür aber Schwefel und Arsen. Je mehr der Pyrit dabei zu Weiß neigt, desto größer ist der Anteil an Arsen bei weniger Schwefel; ein intensiveres Gelb hingegen verweist auf mehr Schwefel und weniger Arsen. M a g n e t i t ist auch nichts anderes als Eisenerz, aber wegen seiner erstaunlichen Eigenschaft, das Eisen anzuziehen, ist sein eigentlicher Wert viel höher als das eigentliche Metall. Es gibt eine Vielzahl weiterer Eisenerze, die man hier unmöglich alle beschreiben kann; denn jede Lehmsorte, insbesondere die rote und gelbe, ist immer etwas eisenhaltig, und überhaupt besteht unsere Erdkugel fast ausschließlich aus Eisenerz.
§ 36 A n t i m o n e r z . Antimon findet man in der Erde auf zweierlei Art: weiß und rot, fast immer gediegen und nur ganz selten mit Erden oder Steinen vermischt. Das weiße ähnelt dem Blei und besteht aus langen Nadeln, die miteinander längs oder schräg zusammengewachsen sind. Das rote Antimonerz erscheint fast kirschfarben, es gleicht Daunen oder Wolle und ist auf Quarz oder Gneis aufgewachsen.
36 Blutstein = Hämatit (Fe2O3).
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§ 37 A r s e n e r z . Von allen Erzen, die Arsen enthalten, gelten Kobalt und der weiße Kies als die besten. Kobalt enthält bis zu 2/3 Arsen, der Rest ist Erde; aus einigen Sorten stellt man Farbe her, die man Golubez nennt. Von der Farbe her ist Kobalt gelblich und blass, ähnlich dem weißen Kies; nur selten ist er bräunlich, grau oder schwarz und ohne jeglichen Glanz. Arsen findet man manchmal in unterschiedlichen Verhältnissen zu Schwefel und in den Farben gelb oder rot. W i s m u t e r z . Es gibt auch Wismuterz, das eher dunkel und rötlich oder kirschfarben ist. Die Erde, die mit diesen Erzen vermischt ist, eignet sich sehr gut für die Herstellung von Golubez.
§ 38 Q u e c k s i l b e r e r z e . Quecksilber zeigt sich in folgenden Erzen: Das erste besteht aus Steinen und Erden, in denen das Quecksilber in kleinen, kaum sichtbaren Kügelchen verteilt ist. Das zweite ist Cinnabarit; es besteht lediglich aus sechs bis sieben Teilen Quecksilber und einem Teil Schwefel. Man findet es oft in reinen roten Häufchen und nur selten mit Erde oder irgendwelchen kleinen Steinchen vermischt. Schwefel und Vitriol gewinnt man aus Erzen, in denen diese an Metalle gebunden sind. Alaun extrahiert man aus zersetztem Ölschiefer und verschiedenen Sorten Steinkohle.
§ 39 Z u s a m m e n f a s s u n g . Im Großen und Ganzen halte ich es für ausgeschlossen und zudem unnötig, alle Arten und Sorten von Erzen ausführlich zu beschreiben; denn oft besteht der Unterschied nur in ihrer äußeren Form oder Farbe und nicht in der Substanz selbst. Außerdem zeigt die Kunst, dass fast jede Region der Erde über ihre eigenen spezifischen Erze verfügt, und dass in neu aufgefundenen Vorkommen immer neue Erze entdeckt werden, wovon unsere russischen und insbesondere sibirischen Lagerstätten zeugen. Bei der Untersuchung der Erze muss man jedoch vor allem auf deren Farbe und deren Gewicht achten; denn sie enthalten umso mehr Metall, je schwerer und bunter sie sind – was allerdings nicht immer gilt. Dabei kommt es vor, dass Steine, Erden und gewöhnliche Metallerze manchmal durchaus fein verteilte Edelmetalle führen können, was man mit bloßem Auge nicht erkennen kann, sehr wohl aber mithilfe einer Lupe sowie der Probierkunst – worüber im vierten Teil dieses Buches berichtet wird. Ende des ersten Teils
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II Über Erzlagerstätten und Erzgänge und deren Suche 1 Über die Lage der Vorkommen § 40 Vo n d e r S o r g f a l t d e r B e r g l e u t e . Bevor die Erzsucher nach Erzlagerstätten und Erzgängen vor Ort Ausschau halten, betrachten und beurteilen sie zunächst die Lage und den Zustand der gesamten Örtlichkeit, wobei folgende Dinge zu berücksichtigen sind: 1. ob man damit rechnen kann, dass die vorhandenen Erzvorkommen für eine längere und andauernde Gewinnung ausreichend sind, 2. ob hier Material und Mittel vorhanden sind, die man zur Errichtung von Gruben und Hüttenwerken braucht, 3. ob diese Örtlichkeit irgendwelchen feindlichen Angriffen, Überschwemmungen, schädlicher Luft oder einer anderen Widrigkeit ausgesetzt ist.
§ 41 L a g e d e r Ö r t l i c h k e i t . Man unterscheidet ebene und gebirgige Erzlagerstätten. Zu den ebenen zählen Wiesen, Sandlandschaften, Steppen oder Sümpfe. Meist finden sich diese an Ufern und Mündungen großer Flüsse, an die sie von Strömungen verbracht und abgelagert wurden, oder in weiten Tälern, wohin die Erze von Regen und Bächen aus den umliegenden Bergen heruntergespült wurden. Auf diese Weise wird ein fester Boden, in dem sich möglicherweise Metalle abgelagert haben, von zugeführten Erdschichten bedeckt. Die Mühen der Erzsucher bleiben deswegen an solchen Stellen ergebnislos. Mitunter kann jedoch – insbesondere an sandigen Stellen – von Bergbächen angeschwemmtes Gold oder Zinn ausgewaschen werden; derartige Vorkommen sind jedoch selten zuverlässig und ergiebig.
§ 42 E i n t e i l u n g d e r B e r g e . Es gibt steil oder flach aufragende Berge wie auch große oder kleinere Gebirge, Anhöhen und Hügel. Als flach aufragende Berge bezeichnet man solche, die mäßig ansteigen, so dass Menschen und allerlei Vieh diese ohne besondere Mühe ersteigen können. Derartige Berge liegen in Sachsen in der Gegend um Freiberg, wo sie auch in etwa auf eine Werst oder mehr, aber nicht höher als die Stadttürme ansteigen. Die steilen Berge ragen im Gegensatz dazu so gewaltig empor, dass Menschen wie auch Tiere diese nur noch mit großer Mühe oder gar nicht mehr besteigen können. Als großes Gebirge bezeichnet
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man ein solches, was sich über mehrere Werst lang wie auch breit erstreckt, und als kleines dasjenige, das nur noch weniger als eine Werst lang oder breit ist. Anhöhen oder Hügel sind kleine Berge, die sich einzeln auf einer Ebene oder auf einem sehr großen Berg befinden.
§ 43 I n w e l c h e n B e r g e n m a n E r z s u c h e n s o l l t e . Zuverlässige und reichhaltige Erzvorkommen finden sich meist in solchen Gebirgen, die groß und sehr flach sind. Wenngleich kleine steile Gebirge gleichermaßen Erze aufweisen können, so sind deren Vorkommen jedoch nur selten zuverlässig und reichhaltig, oft auch nur in kleinen Schichten oder Anreicherungen verteilt. Derartige Gebirge bestehen üblicherweise aus sehr hartem Gestein, das sich nur schwer durchörtern lässt. Auch gibt es in der Umgebung sehr wenig Holz, das zum Bau von Gruben sowie für die Erzeugung von Holzkohle zur Metallverhüttung erforderlich ist. Außerdem sind die Wege oft sehr schlecht und für den Transport von Erzen und anderen Dingen nicht geeignet. Schließlich gibt es an solchen Orten nur vereinzelt Bäche und Flüsschen, deren stetig fließendes Wasser für das Auswaschen der Erze oder für den Antrieb der Blasebälge Voraussetzung ist – zusammengenommen verursacht dies alles große Hindernisse bei der Arbeit oder schließt gar einen Bergbau aus.
2 Über Erzgänge § 44 E r z g ä n g e . Erzgang bezeichnet eine durch den Berg laufende Spalte, die mit den oben beschriebenen Mineralen – also grundverschieden zur Bergmaterie – ausgefüllt ist. So besteht zum Beispiel ein Berg aus grauem Quarzgestein, und die Spalte ist mit hellem Bleierz ausgefüllt. Diese Spalte nennt man dann Bleierzgang. Nach Lage, Größe und Länge sind die Erzgänge sehr unterschiedlich, daher werden sie auch verschieden benannt. Vor deren Unterteilung und Beschreibung soll zunächst – unentbehrlich für das Erkennen der Metallerzgänge und zum besseren Verständnis – deren Verteilung beschrieben werden.
§ 45 U n t e r s c h e i d u n g der Erzgänge nach der Ebene. Die Erzsucher unterteilen die Ebene – entsprechend den Stunden eines vollen Tages – in 24 gleiche Teile. Die
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Zählung beginnt ab Mittag A (Fig. 1)37 und führt bis zur Mitternacht oder zur Nordseite B, wo man – mit Zwölf endend – wieder mit Eins anfängt und dies bis zum Mittag fortsetzt. Die in der Erde verlaufenden Erzgänge werden entsprechend dieser zeitlichen Einteilung bezeichnet. Für den Fall, dass die Gänge zwischen 12 und 3 Uhr verlaufen (im Beispiel C-D und E-F), nennt man sie Stehende Gänge; diejenigen, die zwischen 3 und 6 Uhr verlaufen (wie G-H und I-K), heißen Morgengänge; von 6 bis 9 Uhr (wie L-M) Spatgänge und schließlich die von 9 bis 12 Uhr (wie O-P) Flache Gänge. U n t e r s c h e i d u n g d e r E r z g ä n g e n a c h d e r S e n k r e c h t e n . Erzgänge unterscheiden sich auch hinsichtlich ihres vertikalen Verlaufs – das heißt, sie können sowohl parallel zur Sohle verlaufen als auch davon bis zur Senkrechten abweichen. Man bezeichnet dies als Fallen (Einfallen) und das vorher Genannte als Streichen. Bezüglich des Fallens unterteilt man die Gänge noch in saigere, steile und tonnenlägige. Als saigere A-B (Fig. 2) bezeichnet man solche Erzgänge, die parallel zur Senkrechten verlaufen oder davon nur um weniger als 10 Grad in Richtung Sohle abweichen; das heißt, deren Steigung weist mehr als 80 Grad auf. Zu den steilen gehören solche, deren Einfallen zwischen 60 und 80 Grad liegt, wie C-D. Tonnenlägige Gänge sind solche, deren Neigung zur Sohle zwischen 20 und 60 Grad beträgt, wie E-F; und die flacher als 20 Grad zur Sohle verlaufenden nennt man schwebende Gänge, wie H-H. Das über den steilen, tonnenlägigen bzw. schwebenden Erzgängen befindliche Gebirge bezeichnet man als das Hangende, das darunter Befindliche als das Liegende.
§ 46 T e i l e d e r E r z g ä n g e . Den oberen Teil eines Erzgangs, der sich bis zur Erdoberfläche erstreckt, bezeichnet man als dessen Ausbiss. So ein Ausbiss ist gegen Mittag gerichtet, wenn an der Mittagsseite das Liegende, und an der nördlichen Seite das Hangende des Erzgangs zu finden sind; gegen Osten hingegen, wenn die Lage des Hangenden westlich und die des Liegenden östlich ist. Die Seite, von der aus die Erzgänge mit ihren Schichten nach unten verlaufen, trägt auch deren Namen. Liegt also beispielweise ein Erzgang parallel zur Mittagslinie und die im Berg befindlichen Schichten verlaufen von oben nach unten und neigen sich dabei von Osten zum Westen, so bezeichnet man ihn als östlichen Erzgang. Und umgekehrt, wenn die Schichten auf ihrem Weg nach unten von Westen zum Osten verlaufen, so benennt man diesen Erzgang als westlichen. Dies gilt auch für den Verlauf aller anderen Richtungen der Erzgänge. Als Haupterzgänge
37 Auf den nachfolgenden Abbildungen in Russisch (Фиг.) bezeichnet.
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bezeichnet man solche, die sich ununterbrochen durch den ganzen Berg erstrecken. Als Nebenerzgänge oder Spalten und Schwärme gelten diejenigen, die sich von Haupterzgängen abzweigen, zu ihnen zurückkehren oder sich im Berginnern verlieren und dort enden. Verläuft der Haupterzgang von Osten nach Westen, so zieht sich dessen Ausbiss in Richtung Mittag; sollte er sich von Westen nach Osten erstrecken, so ist der Ausbiss nach Norden gerichtet. Zieht er sich von Mittag nach Norden, so neigt sich der Ausbiss nach Osten, und zieht er sich von Norden zu Mittag, so richtet sich der Ausbiss gen Westen.
§ 47 Ve r ä n d e r u n g d e r E r z g ä n g e . Die genannte Lage der Erzgänge ist nicht immer beständig und wechselt oft. So verbiegen sich die Erzgänge oft in Bezug auf die Sohle, weichen also von ihrer Hauptstunde, die vom Bergkompass berechnet wurde, ab – was beim Buchstaben O gut zu sehen ist (Fig. 1, 2). In ihrem nach unten gerichteten Verlauf neigen sie sich manchmal, weichen auch zur Seite ab oder verdrehen sich sogar gänzlich. Man spricht von deren Neigung, wenn sie in der Tiefe steiler werden als am Ausbiss, wie E-F. Abweichend davon werden sie in der Tiefe flacher als am Ende, wie zum Beispiel bei D. Manchmal drehen sie sich auch derart, dass das Hangende zum Liegenden wird und umgekehrt das Liegende zum Hangenden, wie bei M-I. Sind derartige Veränderungen am Erzgang festzustellen, so meinen die Bergleute, dass die Erzgänge unregelmäßig verlaufen.
§ 48 M ä c h t i g k e i t d e r E r z g ä n g e . Hinsichtlich ihrer Mächtigkeit sind die Erzgänge ziemlich unterschiedlich – manche sind lediglich fingerbreit, andere hingegen messen einen Aršin oder etliche Sažen. So gelten bei Bergleuten schon die einen halben Fuß dicken Erzgänge als schmale, und diejenigen, die breiter sind als ein halber Fuß, als breite Erzgänge. In Kremnitz gibt es Erzgänge von 15, 18 und 20 Sažen Breite, so dass man dort jene Erzgänge als schmale bezeichnet, die weniger als einen Aršin breit sind.38 Aus dieser Perspektive ist die Mächtigkeit eines Erzgangs fast immer eine unbestimmte Größe, zumal es oft vorkommt, dass
38 Gemeint ist das böhmische Kremnica in der Mittelslowakei, bekannt durch bedeutende mittelalterliche Goldvorkommen („Goldenes Kremnitz“). Die genannten Mächtigkeiten scheinen eher unwahrscheinlich, allerdings erwähnt sie bereits Agricola für Kremnitz im dritten Buch seines Hauptwerkes.
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auch die schmalsten Erzgänge sich erweitern und ziemlich mächtig werden, so dass sie sich von einer Fingerbreite39 bis zu einem Aršin oder sogar einer Sažen ausweiten können. Im Gegenteil dazu werden manchmal die breiten Erzgänge zu ganz schmalen – was sich aber durch keine allgemeine Regel erklären lässt. Nur das eine ist den Bergleuten gut bekannt und überall bemerkt worden: Je tiefer sich die Erzgänge erstrecken, desto mächtiger werden sie, an wertvollen Metallen jedoch zunehmend ärmer.
§ 49 G a n g k r e u z . Im erzhaltigen Gebirge, wo viele Erzgänge nebeneinander liegen, kommt es oft vor, dass ein Gang den anderen kreuzt. Dies kann sowohl in Bezug auf die horizontale als auch die vertikale Erstreckung möglich sein. Im ersten Fall (Fig. 1) verlaufen zwei nicht weit voneinander entfernte Gänge in verschiedene Richtungen, so zum Beispiel kreuzen sich die Erzgänge G-H-I und L-M im Punkt H. Solch ein Gangkreuz kann als Senkrechte mit geraden Winkeln erscheinen oder auch geneigt sein, also mit spitzen und stumpfen Winkeln. In einem anderen Fall neigen sich gegenseitig zwei oder mehrere Erzgänge (Fig. 2), die nicht weit von einander liegen und beide nach unten laufen, bis sie zusammenkommen und sich kreuzen, wie an den Gängen A-B und E-F zu sehen ist. Manchmal vereinen sich beide, wie zum Beispiel hinsichtlich der Horizontalen die Gänge Q-G-I und R-I zu G werden (Fig. 1); in Bezug zur Senkrechten laufen die Gänge C-L und K-L zu L zusammen (Fig. 2). Nicht selten entzweit sich ein Gang, um sich danach wieder zu vereinen, was auch in beiden Richtungen vorkommt, wie man es bei K-S (Fig. 1) und M-I (Fig. 2) sehen kann. Der Teil des Gebirges, der zwischen den zusammenlaufenden Gängen liegt, wird Keil genannt.40 An manchen Stellen verlaufen die sich kreuzenden Gänge, die nach der Neigung den Hauptgang A-B (Fig. 2) erreicht haben, nicht direkt an deren gegenüberliegender Seite weiter, sondern etwas versetzt in Richtung des spitzen oder stumpfen Winkels, was bei I-F (Fig. 1) anschaulich dargestellt wird. Manchmal wird der Hauptgang C-F durch den Spalt41 T-V durchschnitten und zur Seite verschoben. Nicht selten kommt es vor, dass Gänge in kleine Trümer42 zerlaufen, die danach manchmal wieder zusammenkommen oder ganz zerbröseln, so dass der gesamte Gang einfach verschwindet, wie bei P.
39 Das alte Maß der Fingerbreite (Querfinger) misst ca. 18 bis 19 mm; vier Querfinger ergaben eine Querhand. 40 Im Deutschen spricht man von Zwischenmittel. 41 Gemeint ist eine Verwerfung, gebildet durch gegeneinander verschobene Gesteinskörper. 42 Ein Trum ist ein schmaler Gang, der zum Hauptgang stößt oder davon absetzt.
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Wenn mehrere Gänge sich an einer Stelle kreuzen, so ist es nicht mehr möglich zu erkennen, wo das Liegende und wo das Hangende des einen oder des anderen Ganges ist und an welcher Stelle sich die Ganggrenze befindet. Und wenn an solch einer Stelle die Winkel gebrochen und mit der Gangsubstanz vermischt sind, die sich mühelos zerschlagen lässt, so spricht man von Geröll oder Schutt. Solch ein Geröll ist normalerweise über sieben Sažen breit und enthält verschiedene Erze, insbesondere Kupferkies.
§ 50 L ä n g e u n d T i e f e d e r E r z g ä n g e . Was Länge und Tiefe der Gänge anbetrifft, so sind die Hauptgänge so lang und tief, dass die Bergleute nur selten deren Ende erreichen – es sei denn, sie zerfallen in schmale Spalten oder werden durch eine Verwerfung getrennt oder verwandeln sich nach und nach unmerklich zu demselben Gestein, aus dem auch der Berg besteht. Bei saigeren und steilen Gängen erreicht man fast nie das Ende; es sei denn, sie erreichen in der Tiefe einen tonnenlägigen Gang und vereinen sich mit diesem, wie im Beispiel M-I (Fig. 2). Erzgänge sind in den Berg mittelbar oder unmittelbar eingebunden. Den unmittelbaren Kontakt bildet oft ein Mineral, das zwischen dem Gestein und dem Erzgang liegt und das sich von beiden unterscheidet; meist ist dies weicher und trockener Lehm, der normalerweise etwas Metall führt. Unmittelbar in den Berg eingelagerte Erzgänge sind ohne Zwischenmittel, also direkt mit dem Berg zusammengewachsen.
§ 51 T a u b e E r z g ä n g e . Schließlich gibt es Gänge, die gänzlich frei von Erzen sind, also nur aus taubem Gestein bestehen. Man findet sie oft bei dem Erz, zum Beispiel in Form von Quarz, Schiefer oder Ähnlichem; solche Gänge nennt man taube Gänge.43 Fast jeder Erzgang hat über seinem Ausbiss etwas Schwarzerde, die die ganze Oberfläche an besagter Stelle bedeckt. Verschiedentlich kann man Erz auch an der Erdoberfläche, also fast ohne jegliche Bedeckung sehen, dies kommt allerdings nur sehr selten vor.
43 Auch Gangart genannt.
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§ 52 N e s t - u n d S a n d e r z v o r k o m m e n . An vielen Stellen im Erdinnern sind die Erze nicht in Gängen, sondern als Nester verteilt; manche sind mit Erde vermischt, die an der Oberfläche liegt, oder mit Sand an Flussufern. Zu all diesen Erscheinungen sind keine Regelmäßigkeiten zu bemerken, deswegen kann man auch keine allgemein gültigen Regeln aufstellen.
3 Über das Aufsuchen von Erzgängen § 53 M e r k m a l e e i n e s E r z g a n g s . Wenn ein Erzsucher aufgrund der im § 43 genannten Umstände vermutet, dass es in einer bestimmten Berglandschaft Metalle oder andere Minerale geben könnte, dann sucht er nach auffälligen und verlässlichen Merkmalen, die man in allgemeine und besondere unterteilen kann. Allgemeine Merkmale weisen darauf hin, dass es in diesem Gebirge irgendwo Erzgänge im Erdinnern geben könnte, jedoch verweisen die besonderen Merkmale genau auf jene Stelle, wo diese Gänge zu finden sind.
§ 54 A l l g e m e i n e M e r k m a l e . Zu den allgemeinen Merkmalen zählen folgende: 1. Wenn das Wasser aus Bergquellen und Bächen im Gebirge irgendwelche gelöste Minerale enthält, was man an deren Geschmack feststellen kann, und insbesondere, wenn das in dieses Wasser hineingelegte Eisen bald rostet. 2. Wenn an den Bächen oder Flüsschen, die in den Bergen entspringen, Steine liegen, die sich normalerweise an Erzgängen finden lassen und die in den §§ 21 und 27 beschrieben sind, so lässt sich vermuten, dass es in diesen Bergen Erzvorkommen geben könnte. Dabei ist genau zu beobachten, ob diese Steine scharfe Kanten haben, also nicht abgestumpft oder abgeschlagen sind. So dies der Fall ist, kann man schlussfolgern, dass die Erzgänge nicht weit entfernt sein sollten. Wenn hingegen sämtliche Kanten und Ecken stumpf und abgeschlagen aussehen, so befinden sich die Gänge in größerer Entfernung von der Stelle, wo die Steine nun liegen. 3. Wenn man die Steine, die auf dem Berg herumliegen, aneinander reibt und diese dabei stark nach gebranntem Schwefel riechen, so kann man vermuten, dass in diesem Berg Erze zu finden sind; allerdings muss man in diesem Fall ganz genau hinschauen, ob diese Steine eine ähnliche Materie aufweisen wie der Berg selbst und nicht von irgendwoher zufällig herangebracht worden sind.
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4. Wenn der Boden ein ungewöhnlich starkes Rot, Blau, Gelb oder Grün zeigt bzw. blau oder grün gefärbt ist, kann man vermuten, dass dies auf Kupfer hindeutet; ist der Boden jedoch rot oder gelb, dann deutet dies auf Eisen hin. 5. Sollte ein in einem Berg vorgefundenes Erznest ein Gestein enthalten, aus dem ein in der Nähe befindlicher Berg besteht, so muss man in diesem nach den Erzgängen suchen; denn dann ist das Erznest nichts anderes, als ein lediglich durch ein starkes Erdbeben oder durch Überflutung abgerissener Teil eines Erzgangs, der an anderer Stelle abgetragen worden ist. 6. Bäume, die auf den Bergen wachsen, in deren Innern Erze verborgen liegen, sind gewöhnlich ungesund; das heißt, ihr Laub ist blass, sie selbst sind niedrig, krumm, rau, knorrig, angefault und gehen eher ein, als wirklich alt zu werden.
§ 55 P a r t i k u l ä r e M e r k m a l e . Folgende Merkmale können auf solche Stellen hinweisen, unter denen Erzgänge verborgen sind: 1. Wenn ein länglicher Hohlweg, eine Furche oder Rille in solch eine Stelle eingebettet ist, die unmöglich durch Wasser ausgewaschen sein kann, so sollte man hier genau untersuchen, ob der Berg auch die allgemeinen Merkmale der Erzgänge offenbart. 2. Gras, das über Erzgängen wächst, ist normalerweise kümmerlich und blass. 3. Reif, der im Herbst oder auch zu einer anderen Jahreszeit die Berge bedeckt, verschwindet über den Erzgängen eher vom Boden als an anderen Stellen desselben Berges. 4. Morgentau trocknet auf solchem Gras eher, das über Erzgängen wächst.
§ 56 Beachtung von Zeit und Ort bei der Suche nach Erzgängen. Neben den oben genannten Merkmalen muss man die Umstände der optimalen Zeit und des Ortes berücksichtigen. Was den richtigen Zeitpunkt angeht, so erfolgt die Suche nach Erzgängen am besten: 1. Im Frühling, wenn der Boden nach Frost und viel Schnee vom Tauwasser aufgelockert und ausgewaschen ist und dabei manche der unteren, bis dahin verborgenen Schichten zum Vorschein kommen. 2. Nach einem starken oder lang anhaltenden Regen, der fast dieselbe Wirkung hat wie das Tauwasser im Frühling. 3. Nach einem stürmischen Wind, der des Öfteren Bäume umstürzt und manchmal den oberen Teil oder den Ausbiss eines Erzgangs unter deren
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Wurzeln freilegt. In Anbetracht einer derartigen Stelle ist es am sichersten, in eher leicht abschüssigen Bergen nach Erzen zu suchen (wie bereits im § 44 erklärt); insbesondere an deren Hängen oder Wänden und nicht im Tal, denn der Mutter- und Grundboden, der die Erzgänge verbergen kann, wird in den Tälern gewöhnlich von mächtiger Schwemmerde bedeckt. Und fast immer zeigt die flachere Seite eines Berges die bis zur Erdoberfläche reichenden Erzgänge deutlicher als die steilere. Wenn viele Merkmale auf Erz hindeuten, dieses aber nicht alsbald gefunden werden kann, sollte man die Suche nicht sogleich aufgeben; denn manchmal kommt es vor, dass nicht nur der harte Boden, sondern auch ein schwerer Stein den Gang bedeckt.
§ 57 Z u f ä l l i g e s A u f f i n d e n e i n e s E r z g a n g s . Nicht selten kommt es vor, dass man Erzgänge, ohne danach zu suchen, nur dank eines blinden Zufalls findet – wie zum Beispiel bei Feldarbeiten der Bauern, beim Graben von Brunnen oder irgendwelchen anderen Verrichtungen, bei denen man die Erde aufgräbt oder auch nur ein wenig aufwühlt. Durch ein derartiges Ereignis wurde zu Zeiten des deutschen Kaisers Otto I. das bedeutende Rammelsberger Erzvorkommen gefunden. Dieser Kaiser war ein leidenschaftlicher Jäger. Als er einmal im Harz weilte, schickte er seinen Jäger namens Rammel auf Jagd in den dortigen Wald, wo er beim Jagen nach dem Wild bis zu einem Berg kam, wo sich heutzutage eine Reihe von Erzgruben befindet. Da ihm der Wald jedoch zu dicht war, um das Wild zu Pferde zu jagen, band er sein Pferd an einen Baum fest und verfolgte die Tiere zu Fuß. Als er zum Pferd zurückkehrte, sah er, dass das Pferd – in Langeweile und Ungeduld auf seinen Herrn wartend – mit den Hufen im Boden am Baum herumscharrte und dabei etliche schwere und helle Steine herauswühlte. Rammel sammelte diese Steine und brachte sie dem Kaiser, der durch Proben feststellen ließ, dass diese metallführend waren und befahl daraufhin, am besagten Ort Erzgruben und Eisenhütten anzulegen. Dieser Berg trägt auch heute noch des Jägers Namen, nämlich Rammelsberg.
§ 58 L u c r e t i u s ’ Z e u g n i s . Lucretius, der altrömische Dichter und Philosoph, beschreibt die Entdeckung des Metallschmelzens als Folge von zufälligen Ereignissen:44
44 Die Verse entnahm Lomonosov aus dem im Jahre 55 v. Chr. verfassten Poem De rerum natura
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Schließlich nun wurde das Kupfer entdeckt und das Gold und das Eisen Und zugleich auch des Silbers Gewicht und die Wirkung des Bleies. Dies fand statt, als ein Feuer auf hohem Gebirge den Urwald Hatte verbrannt, sei’s dass dort ein Blitz aus dem Himmel gezündet, Oder dass Menschen das Feuer im Waldkrieg, den miteinander Sie dort führten, entfacht, um hierdurch die Feinde zu schrecken, Oder dass andre verlockt durch die Güte des Bodens mit Feuer Boden und fruchtbaren Acker und Weideland wollten gewinnen Oder auch Wild erjagen und sich mit der Beute bereichern; Denn das Jagen mit Feuer und Gruben ward früher erfunden Als das Umstellen des Forstes mit Netzen und Hetzen mit Hunden, Was nun auch immer der Grund zur Entstehung des Brandes gewesen, Der mit schaurigem Prasseln den Wald bis zur untersten Wurzel Hatte verzehrt und den Boden verbrannt durch die Gluten des Feuers: Aus den siedenden Adern verfloss in die Mulden der Erde Ein sich sammelnder Bach von Gold und Silber und Kupfer, ebenso auch von Blei.
§ 59 Vo n d e n Wü n s c h e l r u t e n . Manche Bergleute benutzen bei der Suche nach Erzgängen eine Rute, die ähnlich einer Gabel verzweigt ist; man nimmt diese Rute an deren losen Enden in die Hände und trägt sie so vor sich hin. Sollte sich das dicke Ende von allein in irgendeine Richtung bewegen, so vermutet man einen Hinweis auf Erz oder Metall, insbesondere auf Silber oder Gold. Inwieweit dies stimmen kann, muss jeder vernünftige Mensch selbst entscheiden. Manche glauben, es sei die Naturkraft, über die manche Metalle verfügen, so dass diese die Rute zu sich heranziehen können. Die alltägliche Kunst des Suchens und der gesunde Verstand lehren aber, dass kein Metall solch eine Eigenschaft aufweisen kann, weil sich die genannten Ruten nicht bei jedem Menschen und nicht an jeder Stelle in Richtung der Erzgänge oder der Metalle bewegen oder, einmal geneigt, nicht weiter angezogen werden. Sollten also diese Gegebenheiten tatsächlich real sein, so müssten die unumstößlichen Naturgesetze ungeachtet des Zeitpunkts und der Person überall und immer dieselbe Wirkung zeigen. Das Ganze gleicht einer Kinderuhr, wo man einen Knopf mit einem Faden, der an einem Finger angebunden ist, über einem Glas Wasser derart hin und her bewegt und dabei gegen den Glasrand schlägt, dass er dadurch die Uhrzeit anzuzeigen vermag. Wie jedoch dieser Knopf demjenigen, der die Uhrzeit nicht weiß, keine richtige Zeit anzeigen kann, so lässt sich auch mit Hilfe der gegabelten Rute
(Über die Natur der Dinge) von Titus Lucretius Carus (dt. Lukrez); die hier verwendete Übersetzung ins Deutsche folgt der Lukrez-Übersetzung von Hermann Diels (1924).
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niemals ein Erzgang finden – es sei denn, man hat nicht bereits vorher die oben genannten Merkmale an besagtem Ort vorgefunden. Viele Menschen halten dies für Zauberei und diejenigen, die bei der Erzsuche die Rute gebrauchen, gelten oft als Schwarzkünstler. Nach meiner Meinung wäre es besser, von solchem Quatsch – oder genauer gesagt von solcher Heuchelei – abzulassen und sich lieber an die oben genannten Merkmale zu halten und bei deren gelegentlicher Wahrnehmung genau dort intensiv zu suchen.
4 Über das Muten der Bergleute § 60 Wo r a u f d i e B e r g l e u t e i h r e H o f f n u n g e n g r ü n d e n . Wenn die Bergleute die obere Erdschicht abtragen, um bis zu den erzhaltigen Gängen vorzudringen, so finden sie bereits in den oberen Bereichen Anzeichen, die sie hoffen lassen oder ihnen Enttäuschung bereiten – ihnen also sagen, ob ihre Mühe bei der Suche nach Erzen mit einem Fund belohnt wird oder nicht. Diese Anzeichen offenbaren bereits die Lage der Gänge oder den Zustand und die Art der Minerale in den entsprechenden Gängen oder im Nebengestein.
§ 61 H o f f n u n g a u f e i n e g ü n s t i g e L a g e d e r G ä n g e . Gänge, die sich von Osten nach Westen oder umgekehrt von Westen zu Osten erstrecken, schätzt man in aller Regel als höffiger und erzreicher ein als die übrigen. Manche loben allerdings auch Gänge, die quer zu den Genannten liegen, das heißt, sich vom Mittag nach Norden erstrecken und das Hangende westlich, das Liegende östlich aufweisen. Diejenigen Gänge, die anderen Richtungen folgen, sind meist weniger reich vererzt. Allerdings gelten diese Regeln und Merkmale nicht immer; denn manchmal findet man auch in anderen Richtungen reiche Erzgänge. Dabei hat man festgestellt, dass: 1. der Hauptgang ohne gegen ihm zulaufende Gänge nicht besonders höffig ist; denn gerade diese liefern dem Hauptgang gute, erzreiche Partien; 2. wenn sich zwei Gänge vereinen, so enthält dieser neue Gang – gegenüber den beiden einzelnen – mehr Erze mit hohem Metallgehalt und umgekehrt; teilt sich also ein Gang auf, so wird er ärmer; 3. wenn liegende Gänge mit stehenden zusammentreffen, so verarmen diese; 4. vereinzelte Gänge zeigen nur selten gute Erzvorkommen; wenn aber mehrere nebeneinander verlaufen, sich vereinen, sich kreuzen und wieder trennen, so kann man auf reichlich Erz hoffen;
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5. in tauben Spalten verarmen manchmal die guten Gänge oder verarmen ganz; 6. obwohl ein Gang manchmal in seinem oberen Teil nicht so erzreich zu sein erscheint, passiert es oft, dass er etwas tiefer, besonders um die 30 und 40 Sažen, ziemlich reich wird, und man findet unter Kupfererz oft Silber; 7. in Amerika, im Königreich Peru, an einem Ort, der Potosi45 heißt, fand man Silber unter dem Zinnerz; 8. als schlechtes Zeichen gilt, wenn die Gänge schief und krumm verlaufen oder wenn die im Berg befindlichen Gesteinsschichten den Gängen zuwider, also in andere Richtungen verlaufen.
§ 62 H o f f n u n g a u f G a n g m a t e r i a l . Zustand und Art der Minerale, die an und in den Gängen anzutreffen sind, versprechen den Bergleuten genau dann Hoffnung, wenn sie folgende Merkmale aufweisen: 1. wenn in Kupfer- und Goldgängen blaue Steine zu finden sind; 2. wenn jeder Hauptgang etwas Schwefel und gelblichen Lehm aufweist, der Blei und etwas Silber enthält; 3. da Bergleute das Wismut als Deckelerz bezeichnen, weist dieses oft den Weg zu Silber-, Gold- und Zinnerzvorkommen; 4. ebenso oft deutet Kies auf Gold, so dass man ziemlich sicher sein kann, dass genau dort der Hauptgang verläuft, wo man den Kies dicht verteilt vorfindet; 5. Schiefer, weißer Stein und Sandstein befinden sich immer bei liegenden Gängen; 6. Antimon findet man oft neben Silbererzen; 7. gelbes Arsen hält man für einen Hinweis auf Gold, das in der Nähe liegt; 8. bei Kobalt findet man oft rotes Silbererz; 9. wenn Wasser, das aus Spalten in die Gänge sickert, Sand und Lehm transportiert, aus dem man Metalle – insbesondere Gold und Silber – auswaschen kann, so hält man dies für ein sicheres Zeichen auf benachbarte Vorkommen dieser Metalle. Es gibt noch viele andere Zeichen, welche die Bergleute auf ihrer Suche nach Erzen wahrnehmen, worauf sie hoffen und wodurch sie in ihren Bemühungen
45 Die Stadt Potosi in Bolivien, ein altes Bergbau-Zentrum in der östlichen Andenbergkette, gehörte zu alten Zeiten zu Ober-Peru. Hier entdeckte man 1545 am legendären Berg Cero Rico (dt. Reicher Berg) große Mengen von Zinn- und Silbererzen, deren Förderung den europäischen Silbermarkt erheblich beeinflusste.
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getröstet werden. Weil sie sich allerdings nicht immer sicher sind und öfters irregeführt werden, finden diese hier keine Erwähnung. Ende des zweiten Teils
III Über das Vorrichten von Erzgruben 1 Über das Schürfen und den Ausbau von Erzgruben § 63 B e r g m ä n n i s c h e We r k z e u g e . Bei der Suche nach Erz und zum Ausbau der Gruben benutzen die Bergleute folgende Werkzeuge: 1. Bergeisen mit einem scharfen und einem stumpfen Ende; das scharfe Ende drückt man gegen den Stoß, den man aufschlagen will, und schlägt mit einem schweren Hammer auf das stumpfe Ende. Manchmal fertigt man sie ganz aus Stahl, manchmal aus Eisen, wobei das scharfe Ende aus Stahl ist und nur ein Fünfzehntel des eisernen Teilstücks ausmacht. Diese Bergeisen sind meistens etwa 2/3 Pfund schwer. 2. Ritzeisen, die doppelt so lang sind, schlägt man in Spalten ein, um so das Gestein aufzubrechen. 3. Ein Sumpfeisen, das fast genau so lang ist wie das Bergeisen, aber zwei bis dreimal dicker. Man benutzt es, um den Sohlenboden von horizontalen Stolln zu bearbeiten; so ein Eisen wiegt 8 bis 10 Pfund. 4. Einen Eisenkeil zum Einschlagen in breitere Spalten, um damit große Steinbrocken aus dem Berg herauszulösen. 5. Mehrere Eisenstücke, 6 Djuim lang und breit, oben 2 Djuim, unten 1 ½ Djuim dick. Man legt sie in den Spalt und schlägt zwischen ihnen Eisenkeile ein; auf diese Weise gelingt es leichter und besser, harte Erzgänge oder Steine aus dem Berg zu lösen. 6. Eisenstangen, ebenso lang und breit, allerdings viel dünner, die man für denselben Zweck gebraucht. 7. Eisenbohrer, zwei Aršin lang, zwei Djuim im Durchmesser dick, mit vier Flächen und viereckig zulaufender Spitze. Mit diesem Bohrer schlägt man Löcher in das harte Gestein, befüllt diese mit Pulver, zündet dieses und sprengt somit große Gesteinsstücke weg, was die Arbeit sehr erleichtern kann. 8. Einen Fäustel, mit dem man auf das stumpfe Ende des Bergeisens schlägt, wobei dessen spitzes Ende gegen den Berg gedrückt wird. 9. Einen Großfäustel zum Zerschlagen von hartem Gestein. 10. Einen großen, mehr als zwanzig Pfund schweren Hammer, mit dem man Eisenkeile in die Spalten einschlägt, um große Gesteinsbrocken aus dem Berg zu
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lösen. Außerdem braucht man auch noch normale Keilhauen, Brechstangen und Schaufeln zum Graben sowie Tröge, Körbe und Förderkübel, um die aus dem Berg geschlagenen und gelockerten Stoffe und Steine herauszuholen, so die Gruben noch nicht allzu tief sind. Jedermann handhabt und gebraucht sie je nach Verstand und in Abhängigkeit von den lokalen Verhältnissen. Was die Arbeitskleidung der Bergleute anbetrifft, so tragen sie schwarze weit geschnittene Tuch-, Leinen- oder Flauschkittel, passend für die Arbeit; allerdings sollten die Ärmel unten eng anliegen und zugeknöpft sein, um Dreck und Schlamm fernzuhalten – diese Kittel sind etwa knielang. Unter der Mütze trägt man auf dem Kopf einen Kukul,46 damit Erde sowie Dreck nicht in die Haare gelangen. Hinten trägt man einen Gesäßschutz, genannt Arschleder, auf dem man auch in tonnenlägige Schächte einfahren kann. An die Knie bindet man sich ebenfalls lederne Kniebügel.
§ 64 W i e m a n e i n e E r z g r u b e v o r r i c h t e t . Je nach Lage und Zustand der Erzgänge nimmt man den Ausbau der Gruben mit oben beschriebenen Werkzeugen folgendermaßen vor: Für den Fall, dass der Erzgang auf einem Berg gefunden wird (Fig. 6), so teuft man an dieser Stelle einen Schacht ab, das heißt eine tiefe Grube F-S, C-D, saiger oder zur Bergsohle geneigt – je nach Verlauf des Ganges K-K. Der Schacht ist normalerweise etwa zwei Sažen lang, zwei Drittel Sažen breit und zwischen acht bis vierzehn Sažen tief – je nach Lage des Erzgangs sowie des Wassers, das aus dem Berg in den Schacht wie in einen Brunnen hineinfließt. Danach fährt man einen oder zwei Stolln N-L auf, also eine horizontale Strecke für den freien Durchgang der Bergleute, und zwar 1 ¼ Sažen hoch und ½ Sažen breit. Der Vortrieb des Stollns erfolgt zu zweit; das heißt, einer nimmt sich den oberen, der andere den unteren Teil vor. Der Obere arbeitet etwas voraus, der Untere dahinter und auf quer gelegten Balken sitzend, die man zwischen den Seitenwänden des Stollns eingebracht hat, oder auf Knien – dann aber ohne Balken. Man baut in jeder Lagerstätte mehrere derartige Stolln und Schächte aus, je nach Größe und Erzreichtum. Manchmal teuft man den Schacht H von oben zu der schon in der Tiefe vorhandenen Grundstrecke ab, manchmal fährt man den Stolln weiter in Richtung eines Schachtes auf, der tief genug ist – wie O-E und F-G.47 Bei
46 Kukul (griech. Kukulion = Kappe) bezeichnet ursprünglich einen Umhang mit einer Kapuze, der bis zur Rückenmitte reicht. 47 Anscheinend ist auf Fig. 6 das E doppelt eingetragen worden, was fehlerhaft ist. Den links
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der weiteren Suche nach Erz teuft man von dem Stolln den nächsten Schacht E-G ab; dabei etwas versetzt zum oberen Schacht C-D, damit dort genug Platz für Erz und Gestein bleibt, die man in Handkarren aus den Stolln heranbringt, um es in die Förderkübel umzuladen und schließlich nach oben zu befördern. Mathesius berichtet in seinem Buch „Sarepta“,48 dass einige Schächte in Bohemien bei Buttenberg49 bis fünfhundert und mehr Sažen tief gebaut wurden. Verläuft der Erzgang in der Bergsohle, so fährt man einen Stolln N-B von außen auf und bringt danach von oben durch den Berg dahin einen Schacht nieder oder, je nach Gegebenheiten, von diesem Stolln aus nach unten – insbesondere an den Stellen, wo der Hauptgang von Spalten oder anderen Nebengängen durchörtert wird oder der Hauptgang sich in kleinere Gänge aufteilt oder aufspaltet. Sollten das Liegende oder der Sohlengang nur noch ganz wenig Erz führen, so teuft man einen Schacht in der Hoffnung ab, dass dort ein reicher Liegender ansteht, was durchaus oft der Fall ist. Obwohl manche Bergleute meinen, dass es – anders, als hier beschrieben – ergiebiger und sinnvoller wäre, auch bei Nebengängen, Trümern und Spalten entsprechende Schächte aufzufahren, zeigen Erfahrung und Kunst vielmehr, dass solcherart Regeln wenig sinnvoll sind. Somit werden dort entweder nur noch kärgliche oder auch gar keine Erzvorkommen mehr gefunden, obwohl man nach deren Meinung sehr viel mehr erwarten sollte. Und im Unterschied dazu findet man genau dort reichhaltige Erzgänge, wo die Spalten nach deren Behauptung eigentlich nicht höffig sein sollten. Deswegen lasse ich die hier von mir beschriebenen Regeln gelten.
§ 65 Vo m S c h i c h t w e c h s e l d e r B e r g l e u t e . Wo reichhaltiges Erz zu finden ist, arbeiten auch viele Bergleute; man treibt horizontale und vertikale Stolln in eine oder zwei Richtungen vor, so dass überall in einem Abbauort ein Arbeiter sitzt und sein Gedinge50 verrichtet, das er wöchentlich oder nach einem Pensum
verlaufenden Schacht sollte man als G-F kennzeichnen; auch das Folgende erschließt sich nicht vollkommen. 48 Johann Mathesius: Sarepta Oder Bergpostill Sampt der Jochimßthalischen kurtzen Chroniken. Nürnberg 1562; eines der wichtigsten Bücher über den Bergbau der damaligen Zeit, das Glaubensinhalte und Informationen über den Bergbau verknüpft. 49 Lomonosov meint sicher die im 12. Jahrhundert gegründete böhmische Bergstadt Kuttenberg (Kutná Hora). Bei der auch von Agricola genannten Teufe von 500 Lachtern (= ca. 1.000 m) wird es sich wohl um die Länge des gesamten Streckenvortriebs gehandelt haben; denn eine Teufe von 500 Lachtern wurde in Kuttenberg nie erreicht. 50 Gedinge ist die nach Menge und Qualität bemessene Arbeitsaufgabe für den Bergmann.
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zugewiesen bekommen hat – wie bei O-E zu sehen ist (Fig. 6). Dieser Abbau ist normalerweise zwei oder anderthalb Sažen lang, etwa eine halbe Sažen hoch und gewährleistet, dass der Bergmann darin Platz zum Arbeiten hat und dass das Wasser bis zum Abfluss T am Schachttiefsten ablaufen kann, wo es sich sammelt und nach oben befördert wird. Bergleute, die in der Grube arbeiten, teilen den Arbeitstag in drei Schichten zu je sieben Stunden ein; die übrigen drei Stunden werden für Erholung und Schichtwechsel benutzt, wenn die einen aus der Grube ausfahren und die anderen an deren Stelle einfahren. Die erste Schicht beginnt am Morgen mit Beginn der achten Stunde und endet nach Ablauf der zweiten Mittagsstunde; die zweite Schicht beginnt mit der vierten Stunde nachmittags und endet mit dem Ablauf der zehnten Stunde; die dritte Schicht läuft von zwölf Uhr Mitternacht bis zum Ende der sechsten Stunde. Die erste sowie die zweite Schicht nennt man Tagesschichten, die dritte heißt Nachtschicht. Alle Bergleute, die in einer Grube ihre Arbeit verrichten, werden von einem Steiger angeleitet, das heißt von einem Ältesten oder Vorarbeiter. Er hat die Aufgabe, streng auf den Fleiß der Bergleute zu achten, sich um den Ausbau und die Sicherung der Einbauten zu kümmern und sich insbesondere darum zu bemühen, dass man vom Haupterzgang nicht abweicht und genau dort besonders sorgfältig schürft, wo die besten Erze liegen. Ist die Grube jedoch sehr groß und arbeiten darin viele Bergleute, so muss ihm ein Untersteiger zur Seite stehen.
§ 66 W i e b e f e s t i g t m a n d i e S c h ä c h t e . Über dem Mundloch des oberen Schachts baut man eine nicht zu große Hütte, genannt Kaue, damit Menschen und Vieh nicht versehentlich in die tiefe Grube geraten, auch zum Schutz vor Regen und Schnee; schließlich, damit die Bergleute vor dem Einfahren in den Schacht bei windigem oder nassem Wetter ihr Geleucht anzünden oder nach dem Ausfahren sich etwas erholen, ihr Gezähe aufräumen und abschließen können. Besteht der Berg, in dem sich die Grube befindet, aus festem Gestein, so braucht man keinerlei Ausbau, lediglich Stützen und Balken für die Befestigung von Fahrten51 und Türen. Besteht der Berg jedoch aus lockerem Gestein, das leicht abzurollen und die Menschen in der Grube totzuschlagen oder gar zu verschütten droht, so sichert man die Schächte und Stolln folgendermaßen: Auf den Boden des Schachts stellt man in allen vier Ecken Stempel A auf (Fig. 5), verbunden
51 Fahrt ist der bergmännische Begriff für Leiter; dementsprechend „fährt“ der Bergmann ein bzw. aus oder vor Ort.
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mit starken, miteinander verzurrten Querbalken B. Diese sind mit einem nicht zu weiten Abstand aneinander gereiht, wobei die Zwischenräume bis zu den Seitenwänden der Stöße der Länge nach mit starken Brettern oder Schwarten ausgefüllt sind. Auf die Querbalken legt man Querriegel C, an die man längs von oben nach unten Bretter annagelt. Damit wird der Teil des Schachtes, in dem die Fahrten verlaufen, von jenem abgetrennt, in dem die Erzkübel nach oben befördert werden bzw. die leeren herunterfahren, so dass die Bergleute, die in den Schacht ein- oder ausfahren, durch die Kübel keinen Schaden erleiden. Denn es kann durchaus passieren, dass genau dann, wenn die Arbeiter einen mit Erz beladenen Kübel hastig hochziehen und ein leerer Kübel dabei nach unten fährt, diese beiden aufeinanderprallen oder gegen die Seite stoßen und dabei einen Menschen verletzen – selbst oder aber durch herausfallendes Erz. Schächte kann man auch auf andere Weise befestigen, und zwar, indem man in den Stempeln, die die Ecken des Schachts bilden, Fugen ausspart und in diese Bretter oder Schwarten fest hineintreibt oder auch ein ohne Stempel gefertigtes Holzgerüst in den Schacht hinablässt. Die Fahrten, auf denen man in den Schacht ein- oder ausfährt, werden aus Holzstangen gefertigt, 12 Aršin lang, etwa Dreiviertel Aršin breit und mit 24 Sprossen versehen. An einer Schachtseite befestigt man die Fahrten mittels Eisenhaken oder Klammern. In Saigerschächten wird manchmal jeweils eine Fahrt zur nächsten etwas versetzt angeordnet und an der anderen Seite des Schachtes befestigt. Am Ort des Wechsels stellt man immer eine kleine Bank auf, damit der ausfahrende Bergmann sich etwas erholen kann. In den tonnenlägigen Schächten deponiert man diese Bänkchen am Liegenden des Erzgangs. In jedem Schacht wird am oberen Balken der beschriebenen Befestigung an jener Seite, wo die Fahrt zum Ausgang führt, ein eiserner Bügel befestigt, so dass derjenige, der nach unten fährt, sich mit der Hand erst einmal daran festhalten kann. Beide Teile des Schachts – also jener, in den die Bergleute aus- und einfahren, und der, wo das Erz gefördert wird – müssen jeweils mit einer gesonderten liegenden Tür verschlossen werden, damit die Arbeiter auf der einen geschlossenen Hälfte stehen können, währenddessen sie auf der anderen das Erz mittels der Haspel hochziehen.
§ 67 W i e b a u t m a n d i e S t o l l n a u s . Die Stolln werden folgendermaßen ausgebaut: Im Stolln werden an beiden Seiten leichte, gegenüberliegende Vertiefungen eingebracht, in die jeweils ein dicker Stempel A (Fig. 5) eingesetzt wird, fast so hoch wie der Stolln. Dann setzt man in deren obere Enden dicke Querspreize B auf. Die Stempel stellt man im Stolln in drei bis vier Schritten voneinander auf und befestigt sowohl oben als auch an beiden Stoßseiten in dichter Folge
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Bretter und Schwarten, damit die Lockermassen nicht abbröckeln bzw. herabrollen können. An beiden Enden des Stollns bringt man an den letzten Stempeln Türen mit Verschluss oder Riegel an. Damit das Wasser aus dem Stolln ablaufen kann, erschürft man an einer der beiden Stoßseiten ein ziemlich tiefes, aber nicht zu breites Gerinne, das mit einem Brett für einen sicheren Durchgang abgedeckt wird und damit die mit Erz befüllten Hunte problemlos geschoben werden können. Wenn der obere Teil des Erzgangs im Stolln aufgegeben wird, jedoch noch reich erzführend ist, beginnt man dieses Erz nach oben herauszuschlagen und abzubauen. Dabei lässt man darunter gerade so viel Platz frei, dass ein Mensch mühelos hindurchgehen kann, und legt in die Gangseiten abgehauene dicke Stammenden ab, eine Sažen voneinander entfernt, auf denen der Länge nach starke Schwarten platziert werden. Auf diese kann dann das ausgeschlagene taube Gestein aufgeschüttet werden. Um den Arbeitern die Mühe zu ersparen, es nach oben befördern zu müssen, bleibt es somit unten liegen und erspart schließlich dem Grubenbesitzer die damit verbundenen Kosten. Die liegenden Erzgänge führen normalerweise ihr Erz lediglich an deren unteren oder oberen Seiten, das Zwischenmittel besteht also nur aus taubem oder erzarmem Gestein. Man sollte sie deshalb nicht durchgehend abbauen, sondern – je nach Härte des Ganges – einen Teil davon als Stützpfeiler stehen lassen, auch wenn dabei noch etwas Erz verloren geht. Auf diese Weise stürzt der schwere und bis nach oben ragende Berg nicht ein. Oft stützt man den Stolln auch mit dicken Baumstämmen ab, an deren oberen und unteren Enden mit dicken Brettern versehen, so dass sich die Stempel nicht in den Berg eindrücken können. Sind die Anforderungen hinsichtlich der Sicherung der Abbaue und Stolln weniger groß, sollte darüber in Abhängigkeit von Ort und Beschaffenheit des Berges sinnvoll entschieden werden.
2 Über Fördermaschinen § 68 E r s t e M a s c h i n e . Wenn die Bergleute beginnen, das Erz oder die Deckschicht abzutragen, verwenden sie – solange es noch möglich ist, Erde und Gestein von Hand nach oben zu schaffen – zunächst eine Schaufel oder einen Kübel. Mit zunehmender Teufe nimmt man dafür einen aus dicken Zweigen geflochtenen Korb, der an seinen Ösen mit einem Seil verbunden ist, um das eingesammelte Erz oder Erde und Gestein nach oben befördern zu können. Nachdem der Erzgang zuverlässig nachgewiesen ist und man die Grube von oben her einigermaßen befestigt hat, setzt man eine liegende Haspel (Fig. 2) ein, die mit ihrem Rundbaum N auf Stützen oder Beinchen Q steht und an den am Schacht liegenden
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Stützbalken R-S befestigt ist.52 Die Stützbalken sind an den Ecken fest zusammengefügt und im Boden mit langen Pfählen oder Pflöcken befestigt. Um den Rundbaum wird ein Seil gewickelt, an dessen beiden Enden je ein Kübel befestigt wird. Wenn nun zwei Arbeiter an den Kurbeln O-P drehen, so geht der leere Kübel nach unten und der mit Erz befüllte nach oben. Der zuvor nach unten gelangte Kübel wird dort von dem Untermann befüllt, so dass keine Minute Leerlauf entsteht, in der das Erz nicht nach oben befördert wird; denn indem der eine Kübel nach oben gezogen wird und der andere nach unten fährt, wird der dritte unten befüllt und sofort anstelle des angekommenen leeren an das Seil gehängt.
§ 69 Z w e i t e M a s c h i n e . Eine andere Haspel, mit welcher man das Erz aus tieferen Schächten befördert (Fig. 4), unterscheidet sich von der oben beschriebenen dadurch, dass an dem Rundbaum ein ziemlich großes Rad befestigt ist, das mit seiner Kraft die Bewegung der Welle und damit die Anstrengung der Arbeiter unterstützt; außerdem sind an einem Ende anstatt eines Bügels zwei gekreuzte Stäbe53 eingesteckt, mit denen man die Haspel kräftiger drehen kann. D r i t t e M a s c h i n e . Man verwendet auch noch eine zusammengesetzte Winde, bestehend aus einer stehenden Welle A und einer liegenden Welle B (Fig. 3). Die stehende Welle wird von zwei Arbeitern mithilfe einer durch das Loch gesteckten Stange C in Bewegung versetzt, woraufhin die liegende Welle über das Kammrad und das Getriebe D angetrieben wird. Über ein umlaufendes Seil, an dessen Enden jeweils ein Kübel hängt, werden diese abwechselnd nach unten gefahren bzw. nach oben gezogen. Die am Boden befestigten Leisten d gewährleisten, dass sich die Arbeiter mit ihren Füßen besser abstützen können.
§ 70 V i e r t e M a s c h i n e . Aus sehr tiefen Gruben werden Erz und Gestein von besonders großen Maschinen (Fig. 9) nach oben gefördert, welche von Pferden oder durch Wasserkraft angetrieben werden. Die von Pferden angetriebene Maschine baut man folgendermaßen: Am Boden oder an der Brücke wird ein harter und breiter Klotz A mit einer dicken Eisenplatte befestigt, in deren Mitte ein rundes Loch ist. Darein steckt man die stehende Welle B-C, deren unteres Ende mit einer
52 Im Deutschen spricht man von der Haspel mit Rundbaum (N), Haspelstützen (Q), Pfühlbaum (R-S), Förderseil usw. 53 Auch Haspelwinden genannt.
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eisernen Spitze versehen ist – in ihrer Dicke dem Loch in der Platte entsprechend; das obere Ende befestigt man an der Spitze des Schuppens D-E. An der oberen Stelle dieser Winde befestigt man den Seilkorb F mit einer umlaufenden Kette, deren Glieder über kleine Eisenrädchen G-H gezogen werden und an deren Enden je ein großer und fester Kübel hängt. Am unteren Teil der Winde, etwa in Hüfthöhe, ist ein langer und dicker Querbalken I-K angebracht, an dessen Enden Pferde eingespannt werden – ein, zwei, drei oder vier, je nachdem, wie schwer die Erzkübel sind; so lässt sich die Winde in die eine oder andere Richtung drehen und mit den Kübeln fördern, wie bereits oben beschrieben.54
§ 71 Fü n f t e M a s c h i n e . Die von Wasser in Bewegung gesetzte Maschine (Fig. 11) besteht aus einem Rad A-B und Kästen, aus denen das Wasser über die Gerinne C und D auf das Rad fließt und es somit in Bewegung setzt. Die Schaufelblätter auf dem Rad sind in zwei Reihen angebracht, so dass man das Wasser auf die erste Reihe von der einen, in die zweite von der anderen Seite laufen lassen kann. Dementsprechend wird sich das Rad rechts herum drehen, wenn das Wasser aus der Rinne C auf die Schaufelblattreihe E-F fließt, und – im Gegensatz dazu – links herum, wenn das Wasser aus der Rinne D auf die Schaufelblattreihe G-H fließt. Auf der Welle ist ein Korb befestigt, wodurch eine Kette mit je einem Kübel an deren Enden bewegt werden kann. Der oben in der Bühne L sitzende Arbeiter kann das Rad folgendermaßen steuern: Beide Gerinne, die das Wasser auf das Rad leiten, liegen im Boden dieser Bühne und führen durch die Wand, so dass man sie durch die Schützen M und N sperren oder entriegeln kann – das heißt, man kann die Schützen mit den Hebeln P und Q hineinschieben oder herausziehen. Wenn der Arbeiter also mit dem Hebel den Schützen M hochzieht, so fließt das Wasser durch das Gerinne D auf die Radseite G-H und dreht es links herum, und zwar so lange, bis der Kübel aus dem Schacht gezogen worden ist. Danach ruft der für die Leerung des Kübels zuständige Arbeiter dem am Schützen tätigen zu, dass dieser die Rinne D sperren soll und hält in der Zwischenzeit den Kübel mit einem Eisenhaken fest, den er in ein Kettenglied eingehakt hat. Solange er das Erz aus dem Kübel entleert, füllen die Arbeiter unten im Schacht den an der anderen Hälfte der Kette angekommenen leeren Kübel oder nehmen den leeren ab und hängen an seiner Stelle den bereits vorher gefüllten Kübel an. Nachdem der Maschinenwärter den Schützen N mit dem Hebel Q hochgezogen hat und das Wasser durch das Gerinne C auf die Radseite E-F geflossen ist, beginnt das Rad
54 Im Deutschen spricht man vom Göpel; den Querbalken I-K bezeichnet man als Schwengel.
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sich nach rechts zu drehen, so dass der leere Kübel nach unten fährt und der volle nach oben befördert wird. Auf diese Weise kann man durch den Richtungswechsel der Raddrehung den einen Kübel hochziehen und gleichzeitig den anderen herunterfahren lassen – und dadurch ununterbrochen arbeiten. Und weil es schneller geht, den vollen Kübel oben durch Auskippen zu entleeren als den leeren unten mit Erz zu füllen, muss man unten immer noch einen dritten Kübel haben, um – wie bereits oben beschrieben – diesen genau dann zu befüllen, wenn der leere Kübel nach unten und der volle nach oben fährt. Denn sobald der leere angekommen ist, kann er von der Kette genommen, der volle sofort angehängt und der leere umgehend befüllt werden, wodurch die Arbeit viel schneller zu verrichten ist. Obwohl Georgius Agricola im sechsten Buch seiner Metallurgie diese Maschine zum Heben von Wasser aus den Schächten empfiehlt, meine ich, dass diese besser für die Förderung von Erz geeignet ist; denn andererseits gibt es Maschinen, die sich viel besser für das Wasserheben eignen, und ich werde diese im nächsten Kapitel in ihren Besonderheiten beschreiben. Es gibt auch viele weitere Maschinen, die man für diese Zwecke gebrauchen kann; allerdings unterscheiden sie sich nicht wesentlich von den oben beschriebenen, so dass ich sie hier der Kürze halber nicht erwähnen werde.
§ 72 F ö r d e r k ü b e l u n d K a r r e n . Je nachdem, wie groß der Schacht und wie schwer das zu befördernde Material sind, fertigt man die Förderkübel von der Größe her üblicherweise zu einem Aršin oder etwas breiter und höher. Die dicken Eichenbretter, aus denen man die Förderkübel herstellt, umgibt man an der oberen und unteren Kante jeweils mit einem Eisenreifen und befestigt diese an den Brettern mit Eisenstäben. Zwei dieser Eisenstäbe haben Ösen, an denen ein eiserner Bügel befestigt wird; gleichermaßen wird der Boden des Kübels mit drei Eisenstäben verstärkt. Für den Transport des Erzes vom Abbauort zum unteren Schachtteil, wohin die Förderkübel von oben hinabgelassen werden, verwendet man einfache Schubkarren, wie sie auch bei Bauarbeiten für den Transport von Ziegelsteinen oder Erde gebraucht werden. Aus entfernteren Stolln bringt man das Erz jedoch in größeren und stärkeren, mit Eisenstäben verstärkten viereckigen Förderwagen, die mit vier dicken, kräftigen Rädern versehen sind. Am vorderen Teil des Förderwagens ist ein Ring befestigt, um diesen mit einem daran angebundenen Seil ziehen zu können. Vom Schachtmundloch aus wird das Erz in ähnlichen Förderwagen, aber auch in größeren Pferdewagen zu Schuppen gebracht. Größere, taube Gesteine verwendet man auch für verschiedene Bauzwecke, Erde und Abraum hingegen werden um die Grube herum auf Halden abgekippt.
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3 Über Maschinen zum Wasserheben § 73 E r s t e M a s c h i n e . Wasser, das aus dem Berg in die Grube hineinfließt bzw. aus den Spalten sickert, schöpft man mit Gefäßen und Pumpen heraus. Dafür gibt es einfache und zusammengesetzte Pumpen. Die einfachen nimmt man dann, wenn der Schacht nicht zu tief ist; sollte sich aber ziemlich viel Wasser ansammeln, so stellt man zwei einfache Pumpen auf (Fig. 10). Zwischen den Stützen B-C-D-E wird eine liegende Welle A befestigt und durch diese ein Querbalken F-G geschoben. An dessen Enden werden die Stangen H und I befestigt, mit denen man das Wasser aus den Pumpen mittels Kolben nach oben fördern kann. Wenn also ein Arbeiter den Stock L mit dem angehängten Balken K hin und her bewegt, so dreht sich die Welle mal in die eine, mal in die andere Richtung und bewegt so die Kolbenstangen; auf diese Weise kann das Wasser aus dem Schacht gepumpt werden. Diese Bewegung kann man auch auf andere Art erzeugen – zum Beispiel, indem man die Balken verlängert und an beiden Enden je ein Trittbrett anbringt, auf das zwei Männer abwechselnd treten und dadurch den Balken in Bewegung setzten.
§ 74 D i e z w e i t e M a s c h i n e . Zusammengesetzte Pumpen werden für Gruben gebraucht, die tiefer als dreißig Fuß sind, denn in solchen Tiefen sind die einfachen Pumpen nicht mehr wirksam.55 Hierbei wird das obere Ende der unteren Pumpe A (Fig. 13) mit dem Wasserkasten B verbunden, damit das Wasser in diesen hineinfließen kann. In denselben Wasserkasten stellt man die Pumpe C, die auf gleiche Art und Weise mit ihrem oberen Rand im Wasserkasten D mündet. Man stellt also so viele Pumpen auf, wie es die Tiefe des Schachts erfordert. Aus der obersten Pumpe wird das Wasser schließlich in das Gerinne S geleitet, das oberhalb des Bodens oder im Stolln liegt. Alle Gestänge, die das Wasser aus den Pumpen nach oben fördern, werden mit dem Krummzapfen E in Bewegung gesetzt, der an der Welle F des mit Wasserkraft getriebenen Rades G befestigt ist. Dieser Krummzapfen führt in ein Auge im breiten Gestänge H, das mit einem Eisenbolzen an dem Hebel I befestigt ist. In der Spanne dieses Hebels liegt der Bogen K-L, dessen kürzerer Teil K einen Haken hat, der mit der Schlinge am Ende der Kolbenstange der oberen Pumpe
55 Lomonosov nimmt hierfür die bei Agricola beschriebene Ehrenfriedersdorfer Radpumpe zum Vorbild; Ehrenfriedersdorf ist eine Ortschaft im Erzgebirge.
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vernietet ist. Der längere Teil dieses Bogens L ist mittels eines Bolzens an dem Hebel M und dem Bogen N auf ebensolche Art befestigt wie die Schlinge H. Die Bolzen sind so durch die Hebel und Bögen geführt, dass sich alle Teile dieser Maschine entsprechend bewegen können. Das heißt also, wenn E durch den Gang des Rades nach oben gelangt, so werden der ganze Mechanismus wie auch alle Kolbenstangen mittels der Hebel I, M und O und der Bögen K und N nach oben gezogen. Auf diese Weise wird das Wasser mitgenommen und in die oben gelegenen Wasserkästen gepumpt. Geht jedoch E nach unten, so werden die Stangen in die unteren Wasserkästen zurückgeführt, das Wasser wird von den Kolben aufgenommen und bei der nächsten Tour wieder nach oben befördert und ausgekippt. Der Kolben besteht aus einer runden Holzscheibe, die am unteren verzweigten Ende der Stange befestigt ist. Ein eingelassenes Ventil schließt die Öffnung des Kolbens beim Heben, so dass das Wasser nicht zurückfließen kann. Eine ebensolche Scheibe wird am unteren Teil der Pumpe fest eingesetzt. Stangen sowie Hebel werden aus hartem Holz gefertigt und, wenn erforderlich, mit Eisenstreifen beschlagen.
§ 75 D i e d r i t t e M a s c h i n e . Ein weiterer Fall liegt vor, wenn die Schachtöffnung irgendwo auf einem Berg oder anderswo und damit weit entfernt von einem Fluss oder Bach liegt (Fig. 12), deren Wässer das Rad in Bewegung setzen sollen. Da es wegen dieser Entfernung unmöglich ist, die Gestänge unmittelbar an einem Krummzapfen zu befestigen, errichtet man zwischen dem Wasserrad und der Schachtöffnung eine Konstruktion, die man Feldgestänge nennt. Dazu schlägt man entlang der gesamten Strecke Balken a-b in den Boden ein, in etwa drei Sažen Abstand zueinander. Zwischen den oberen Enden jedes Balkenpaares a-b befestigt man mittels Achsgelenken je einen Schwenkhebel c-d, so dass sich dieser zwischen den Balken im Gelenkstück drehen kann. Am oberen sowie am unteren Ende der Schwenkhebel laufen in einer gegabelten Führung Stangen g-g, durch Stifte mit diesen verbunden, so dass sie sich zueinander in den Achsgelenken drehen können. Die Enden der letzten unteren sowie der oberen Stange sind mit Eisenbeschlägen versehen, die in einer Schlinge zur Aufnahme der eingenieteten Haken h-h enden. Die Stangen werden oben an den Balken m-m befestigt, der mit der Haspel K verbunden ist. Wenn das vom Wasser in Bewegung gesetzte Rad N-O sich also zu drehen beginnt, schiebt es die miteinander verbundenen Stangen g-g hin und zurück, die demnach oben den Balken m-m in der Haspel hin und her bewegen und damit die Stangen mit den Kolben aus den Wasserkästen nach oben ziehen und dann
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wieder zurück in die Wasserkästen herablassen, wodurch das Wasser herausgepumpt wird.
§ 76 D i e v i e r t e M a s c h i n e . Zu den zusammengesetzten Pumpen kann man auch solche Maschinen zählen, die anstatt der Stangen und Kolben das Wasser mithilfe von Bulgen fördern (Fig. 14). Eine solche Maschine wird folgendermaßen gebaut: Über die Schachtöffnung stellt man eine Welle oder einen Kettenkorb A-B, und einen ebensolchen bringt man in der Grube im Schachttiefsten an, wo sich das Grundwasser sammelt. Um diese Kettenkörbe hängt man eine Kette oder ein Seil mit den Bulgen a-a, die im Abstand von etwa ¼ Aršin zueinander angereiht sind. Diese Bulgen nehmen, wenn sie im Rohr C von unten nach oben gezogen werden, das Wasser aus der Grube mit, lassen es also nicht zurückfließen, denn sie gleiten ganz dicht an den Innenwänden des Rohres. Oben angekommen, fließt das Wasser über den Rand in das Becken heraus und wird von da aus weggeführt. Indes gleitet die Kette über den oberen Kettenkorb weiter nach unten, und das Ganze wiederholt sich stets aufs Neue nach demselben Prinzip. Diese Welle oder der Kettenkorb können – je nach örtlichen Gegebenheiten – mithilfe von Wasserkraft oder auch durch eine Windmühle in Bewegung gesetzt werden.
§ 77 D i e f ü n f t e M a s c h i n e . Anstatt der oben beschriebenen Bulgen können für das Wasserheben aus den Gruben auch Holzkästen eingesetzt werden, die ebenfalls von den Winden oder Kettenkörben nach oben gezogen werden – nur mit dem Unterschied, dass anstelle der Bulgen an den Ketten oder Seilen entsprechende Kästen an zwei starken Ketten befestigt sind, die gleichermaßen an jeweils zwei Zahnrädern geführt werden und welche die vollen Kästen nach oben, die leeren wieder nach unten befördern. Man kann statt Kästen auch stabile und mit Eisenreifen beschlagene Kannen einsetzen.
4 Über Maschinen, die böse Wetter aus den Gruben vertreiben und frische Luft zuführen § 78 Vo n d e r L u f t i n d e n G r u b e n . In tiefen Gruben mit zahlreichen unterschiedlich verlaufenden Stolln, aber nur wenigen bis zur Oberfläche reichenden Schächten, sammeln sich üblicherweise Böse Wetter, die für die Gesundheit der
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Menschen schädlich sind. Derartige Wetter, entstanden durch fettiges Steinöl, Schwefel und Arsen, ziehen mit dem schweren Gesteins- und Bodenstaub, der durch Abbau, durch Einschlagen in den Berg, beim Schürfen und Schaufeln verursacht wird, durch alle Stolln und schädigen mit ihrem Gift die Lungen der arbeitenden Menschen. Die Bergleute spüren dies an dem schweren Geruch der durch die Grube ziehenden Wetter, die das Atmen erschweren, die Kerzen auslöschen und im schlimmsten Fall sich manchmal sogar entzünden.56 Um diese Wetter zu vertreiben, verwendet man die folgenden Maschinen.
§ 79 E r s t e M a s c h i n e . Über das Mundloch legt man über Kreuz jeweils zwei Balken A-B und C-D, darauf stellt man auf dieselbe Art und Weise breite Bretter E-F mit dem Deckel L (Fig. 5). Auf diese Weise kann der aus allen Richtungen wehende Wind aufgefangen und in den Schacht hineingeleitet werden, wodurch die in der Grube angesammelten Winde vertrieben werden und die Bösen Wetter durch andere Schächte wieder ausziehen. Z w e i t e M a s c h i n e . An manchen Orten stellt man Tonnen M mit dem Flügel N auf, der sich um die Achse r-a dreht und durch deren Mitte ein Rohr nach unten in den Schacht führt (Fig. 5). Seitlich an der Tonne befindet sich ein Fenster p-b, das mithilfe des Flügels immer windwärts gerichtet ist und somit den Wind auffängt, der durch ein Rohr in den Schacht geleitet wird. Diese beiden Maschinen sind nur bei windigem Wetter funktionstüchtig, bei stillem jedoch nutzlos.57 D r i t t e M a s c h i n e . In diesem Fall empfiehlt es sich, große Blasebälge zu verwenden, die man an der Schachtöffnung oder am Stolln so aufstellt, dass deren eiserne Rohre bis zu den langen Holzröhren am entfernten Ende des Stollns hingeführt und dort befestigt werden können. Die Blasebälge betätigt man mithilfe von schwenkbaren Hebeln, die in einem Gestell befestigt sind und durch schwere Gesteinsbrocken unterstützt werden, die man auf die Deckel der Blasebälge legt.
56 Brennbare Gase (Methan und Kohlenmonoxid) traten zu allen Zeiten auf, allerdings kannte man deren Ursprung und Wirkung noch nicht genauer. 57 Die Bezeichnungen a, b sowie p, r sind auf der Fig. 5 nicht zu erkennen.
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§ 80 V i e r t e M a s c h i n e . Hierfür empfehle ich eine sehr vorteilhafte Maschine, die von dem berühmten französischen Physiker und Mathematiker Mariotte58 erwähnt wird, obwohl ich eine solche weder in irgendeinem Bergbau in Anwendung gesehen habe, noch in einem Eisenhüttenbuch beschrieben fand. Aber diese Maschine könnte – besser als andere – in den jeweiligen Gruben eingesetzt werden, da sie erstens nicht zu kompliziert und nicht schwer zu bauen ist, außerdem von allein läuft. Schließlich kann sie mit demselben Wasser betrieben werden, welches auch die anderen Maschinen in Bewegung setzt. Man macht dies folgendermaßen: Das Wasser, das vom Rad irgendeiner Maschine herunterfließt, wie zum Beispiel von einer Wasserhebemaschine, fängt man auf, indem man in einer nicht zu großen und nicht zu tiefen Delle oder Mulde, wo sich das Wasser ansammelt, einen Kasten A-B aufstellt, der etwa eine Sažen oder etwas länger und ebenso breit wie hoch ist, versehen mit dem Deckel C, aber ohne Boden (Fig. 7). Man stellt ihn so auf, dass er sich immer mindestens bis zu einem halben Aršin tief im Wasser befindet. In diesem unteren Teil, das immer unter Wasser steht, soll der Kasten nicht zu große Löcher a-a haben, durch die das Wasser ausfließen kann, die Luft jedoch keinen Zugang findet. In den Deckel ist an der Stelle, wo das Wasser vom Rad herabfällt, ein viereckiges oder rundes Loch einzubringen, ca. ¼ Aršin oder etwas mehr – je nachdem, wie viel Wasser das Rad anbietet. In dieses Loch stellt man einen großen Trichter D. Alle Nieten und Spalten dieses Kastens müssen mit Hanf und Pech abgedichtet sein, damit die Luft nicht an irgendeiner Stelle entweichen kann, sondern lediglich aus dem extra dafür über dem Wasserspiegel angebrachten Loch E, aus dem das Rohr F bis in die Grube führt. Auf diese Weise nimmt der vom Rad M in den Trichter fallende und durch das Loch in den Kasten gelangende Wasserstrahl die Außenluft mit und zieht sie mit seinem Strom in den Kasten hinein. Von da aus kann sie nur in das Rohr F gelangen und in die Grube geleitet werden. Das Loch in dem Kasten, in das der Trichter eingebaut ist, muss deswegen so groß sein, weil das Wasser nicht wie in einem normalen Trichter üblich zu einem Strudel zusammenläuft, sondern in große und kleine Tropfen und Spritzer zerstäubt und dabei so viel als möglich
58 Edme Mariotte, ein französischer Physiker, verfasste die Arbeit Traité du mouvement des eaux et autres corps fluides divisé en V parties (1686), in der er über die physikalischen Verhältnisse in geschlossenen, gebogenen Röhren, also über den Luftdruck, befand. Sie wurde unter „großer Sorgfalt von Herrn de La Hire 1686 ans Licht gebracht“.
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Luft mitnimmt. Das Wasser fließt dann durch die Löcher a-a aus dem Kasten in die Mulde hinaus und wird von da aus fortgeleitet.59
§ 81 D i e n a t ü r l i c h e B e w e t t e r u n g d e r B e r g w e r k e . In Gruben mit zwei Schächten, die bis zur Erdoberfläche dergestalt aufgefahren wurden, dass der eine hoch auf dem Berg und der andere irgendwo im unteren Teil des Berges mündet – was bedeutet, dass das eine Mundloch höher liegt als das andere – ziehen die Wetter von allein, das heißt ohne Einsatz jeglicher Maschinen, wobei diese Luftbewegung ziemlich viele Wechsel aufweist. So fließt die Luft an warmen Frühlings- und Sommertagen durch das Mundloch des oberen Schachts hinein und verlässt, verteilt durch die Stolln, die Grube wieder durch das Mundloch des unteren Schachts. Auf diese Art und Weise werden die Wetter in der Grube ständig erneuert. Hingegen gelangt die Luft an kühlen Herbst- und Wintertagen durch das untere Schachtmundloch in die Grube und zieht durch den oben gelegenen Schacht wieder aus. Und wenn im Frühling oder im Herbst Kälte und Wärme ständig wechseln, also das Wetter einmal kühl, ein andermal warm ist, dann wechselt der Luftstrom im Laufe von etlichen Wochen (an manchen Orten auch länger) in einigen Gruben des Öfteren, so dass die Luft sowohl durch den oberen Schacht einfließt und durch den unteren die Grube verlässt als auch umgekehrt, also von unten nach oben zieht. Schon vor geraumer Zeit bemerkte der kunstreiche Metallurge und Doktor der Medizin Georgius Agricola diesen natürlichen Wetterzug und beschrieb ihn in seinem Werk.60
5 Über die Vermessung von Gruben § 82 Wo z u m u s s m a n G r u b e n v e r m e s s e n . Nicht selten ist im Bergwesen die Kenntnis der Geometrie erforderlich – insbesondere dann, wenn sich in einem Blindschacht, der nur eine Öffnung hat, stickige und gesundheitsschädliche Schwefelwetter ansammeln; in diesem Fall muss man einen Schacht zum unten verlaufenden Stolln abteufen. Um jedoch vom Berg aus den richtigen Ansatzpunkt für den Ort des Abteufens zu finden, so dass der saigere Schacht senkrecht zur Sohle verläuft und somit genau das Ende des unten liegenden Stollns trifft,
59 Auch hier fehlen der Zeichnung die Buchstaben a-a. 60 De re metallica libri XII, fünftes Buch.
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muss man zunächst die untere Grube nach geometrischen Regeln vermessen und anschließend die berechneten Werte auf dem Berg markieren. Wenn sich andererseits im Berginnern eine außerordentlich große und reichhaltige Lagerstätte befindet, die mehreren privaten Eigentümern und Gutsbesitzern gehört, von denen jeder seinen Gewinn anteilmäßig haben möchte, so muss man auch innerhalb der Stolln die Grenzen entsprechend ihrem Verlauf genau an der Oberfläche markieren – was jedoch ohne Geometrie nicht möglich ist. Deswegen möchte ich hier die wichtigsten und absolut notwendigen geometrischen Regeln und Instrumente samt deren Verwendung kurz darstellen – und dies vor allem für jene, die keine Gelegenheit hatten, die Geometrie in irgendeiner Weise kennenzulernen. Auf mathematische Erläuterungen werde ich jedoch verzichten, zeige also nur die für unser Anliegen notwendigen Lösungen.
§ 83 G r u n d l a g e n d e r Ve r m e s s u n g v o n G r u b e n . Die ganze diesbezügliche Kunst besteht im Addieren von geraden Linien aufgrund der Vermessungsverfahren, die für Gruben gelten. Zwei mit ihrem Ende verbundene Linien, die zueinander mehr oder weniger schräg verlaufen, bilden einen Winkel. Je nachdem, wie groß die Neigung ist, vermisst man den Winkel, wofür der in 180 Grad geteilte Halbkreis A-B-C-D verwendet wird (Fig. 16). Verlaufen die Seiten des Winkels 90 Grad zueinander, nennt man ihn rechten Winkel; ist er kleiner, heißt er spitzer Winkel, und der größere heißt stumpfer Winkel. Die gebrochene Linie E-G-F-H setzt sich aus zwei oder mehreren Linien E-G, F-G, F-H zusammen, die mit ihren Enden in Winkeln verbunden sind.
§ 84 R e g e l n . Eine gebrochene Linie ist einer anderen ähnlich, wenn beide aus der gleichen Anzahl von Linien bestehen, die in gleicher Anordnung, proportional und unter gleichen Winkeln miteinander verbunden sind (Fig. 16). So ist zum Beispiel die gebrochene Linie E-H der Linie e-h ähnlich, denn der Winkel G beträgt 80 Grad wie auch der Winkel g ebenso 80 Grad aufweist; dementsprechend sind alle anderen in dieser Folge auch einander gleich. Die Linie E-G ist dreimal so lang wie die Linie e-g, alle übrigen verhalten sich ebenso. Auf diesen Grundsätzen basieren folgende Regeln: 1. Wenn von je einem Ende der gebrochenen Linien E-H und e-h zum anderen Ende je eine gerade Linie gezogen wird, so werden die beiden Linien dieselbe Proportion bezüglich ihrer Länge aufweisen wie die gebrochenen Linien zueinander; wenn zum Beispiel eine der gebrochenen Linien fünfmal so lang
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ist wie die andere, so wird auch deren gerade Linie fünfmal länger als die andere. 2. Die Winkel zwischen den Linien weisen dieselbe Neigung auf, das heißt, sie beinhalten die gleiche Gradzahl, und die Linien selbst verlaufen parallel zueinander.
§ 85 I n s t r u m e n t e . Um genannte Regeln im Bergbau anwenden zu können, benötigt man folgende Instrumente: 1. Hängekompass, dessen Scheibe nicht nur in 24 Stunden und pro Stunde in 15 Grad eingeteilt ist, sondern jedes Grad auch noch in Hälften und Viertel (Fig. 15). Je größer dieser Kompass und je feiner er graduiert ist, desto genauer zeigt er die Maße an. Durch den Punkt, wo die Kompassnadel befestigt ist und an dem die Scheibe gedreht werden kann, muss man auf dem Boden eine gerade Linie A-B ziehen, wodurch der Kompass in zwei gleiche Halbkreise geteilt wird. In die beiden Seitenteile steckt man genau über dieser Linie je eine kleine, dünne Nadel a-a ein, so dass direkt über dem Scheibenrand die Gradzahl angezeigt werden kann. Die Kompassbüchse wird an einem kupfernen Bügel C-E-D-F mit den Stiften C und D befestigt, die zur Linie A-B horizontal angebracht sind. Gegen die Kompassmitte werden an dem Kupferbügel an den Punkten E und F zwei Bügel E-G und F-H horizontal zur Linie A-B befestigt, so dass der Kompass an der schräg verlaufenden Schnur waagerecht zu hängen kommt.
§ 86 2. Das zweite Instrument, der Quadrant, besteht aus einem Viertelkreis A-B-C, geteilt in 90 Grad und jedes Grad in seine Viertel (Fig. 8). An einer Seite sind zwei gleiche Halterungen r-r befestigt. An der Ecke C wird an einem dünnen seidenen Faden ein Gewicht F angehängt. Außerdem muss man noch eine dünne Schnur, ein Drei-Aršin-Sažen-Maß61 und spezielle Eisennägel bereithalten, die man in die Grubenwände einschlägt, um eine Schnur daran befestigen zu können.
61 Das Drei-Aršin-Sažen-Maß entspricht dem deutschen Feldzirkel (Schreitzirkel), der zum Vermessen größerer Strecken und Ebenen eingesetzt wurde. Obwohl gemäß Festlegung von 1649 drei Aršin einer Sažen entsprachen, wurden abweichend dazu auch 2 ½ Aršin angesetzt.
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3. Das dritte Instrument ist ein Maßstablineal, etwa ein Fuß lang und in zehn „verkleinerte Sažen“ aufgeteilt, wobei jede Sažen drei (verkleinerte) Aršin und jede verkleinerte Aršin 16 Veršok misst (Fig. 17). Der Buchstabe a bedeutet Sažen, b-c, e-h und d-g sind Aršin; die Linien 4, 8, 12 und 16 kennzeichnen Viertel und Veršok. Außerdem muss man noch ein Lineal, einen Zirkel, ein glattes Zeichenbrett oder einen Tisch haben, worauf man das Papier gerade ausbreiten kann, und einen im § 83 beschriebenen Halbkreis für die Vermessung von verschiedenen Winkeln. Mit diesen Instrumenten kann man jegliche Aufgaben lösen, die bei der Vermessung von Gruben vorkommen; die wichtigsten werde ich hier erörtern.
§ 87 E r s t e A u f g a b e . Vorausgesetzt, der Stolln verliefe horizontal und der Schacht saiger (Fig. 18), aber der Stolln wiche jedoch von der geraden Linie seitwärts ab, so wäre auf der Erdoberfläche nun jene Stelle ausfindig zu machen, von wo aus man zum Stollnende einen Saigerschacht abteufen müsste. In diesem Falle ist folgendermaßen zu verfahren: Wenn der Stolln A-B sich so in verschiedene Richtungen gewendet hat, dass es unmöglich ist, die Schnur in einer geraden Linie zu ziehen, dann muss man die Schnur in vier Abschnitte aufteilen, diese an die zuvor in die Stollnwände eingeschlagenen Nägel a-b-c-d anbinden, schließlich den Kompass an die Schnur a-b hängen und den angezeigten Gradwert sowie die Länge des Schnurabschnittes a-b notieren. In gleicher Weise sind die anderen Schnurabschnitte b-c und c-d sowie die zugehörigen Winkel zu vermessen und zu notieren. Danach verlässt man die Grube und breitet auf einem glatten Tisch oder auf einer Tafel – wie oben erwähnt – ein großes Blatt Papier aus und überträgt darauf die mit dem verkleinerten Maßstab abgeglichenen Sažen und alle anderen Maße proportional zu den notierten Linien mit ihren Winkeln g und h. Zuletzt zieht man eine Gerade zwischen den Linienenden k und l und vermisst sie mit demselben Maßstab. Dieses Maß ist die genaue gerade Entfernung zwischen dem Stollnende A und dem Mundloch des Schachtes B. Sollte die Erdoberfläche jedoch horizontal sein, so kann man vom Mundloch – entsprechend der Kompassanzeige und dem gemessenen Winkel – eine Schnur ziehen, die wie die Gerade k-l auf dem Papier verläuft und so viele Sažen und andere Teilmaße abmessen, wie im Maßstab auf dem Papier aufgezeichnet sind. Das Maßende zeigt nun genau die Stelle an, von wo aus der Schacht horizontal oder saiger zum Stollnende A abzuteufen ist.
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§ 88 Z w e i t e A u f g a b e . Wenn aber der Stolln nicht ganz söhlig verläuft oder die Erdoberfläche bergig ist, so muss man deren Neigungen und Hebungen unter Benutzung des Quadranten mit einem angehängten Wägestück vermessen und zusammen mit dem Längenmaß verzeichnen. In diesem Fall gibt es im Berg A-B den Stolln E-F-H-G mit dem bereits abgeteuften Schacht D-E (Fig. 21). Nun wäre über Tage die Stelle auf der Oberfläche zu finden, an der am Stollnende G ein Saigerschacht abgeteuft werden soll. Da aber die Erdoberfläche bergig ist und der Stolln selbst – obwohl nicht zu einer oder der anderen Seite abweichend – in der Horizontalen jedoch auf- und abwärts verläuft, so dass es unmöglich ist, eine Schnur im Stolln von einem Ende zum anderen in geradem Verlauf zu ziehen, muss man diese an den Eckpunkten F und H an die zuvor eingeschlagenen Nägel anbinden und die Neigung jedes Abschnitts mit dem Quadrant und die Länge mit dem Saženmaß vermessen. Auf ähnliche Art und Weise muss man auf der Oberfläche Pfähle in die Bergkuppen A und B und im Tal C einschlagen und dazwischen Seile spannen, wo der Stolln entsprechend der Kompassnadel verläuft, jedoch nur bis zu einer gewissen Genauigkeit. Man misst danach die Abstände D-A, A-C. Der Abstand C-B wird jedoch nicht gemessen, allerdings ist dessen Neigung mit dem Quadranten zu bestimmen. Danach überträgt man die gemessenen Längen und deren Neigungen im entsprechenden Maßstab auf das Papier; so entspricht der Verlauf der Linie e-f-h-g dem Verlauf des Seils E-F-H-G in der Landschaft. Die Linie c-b wird zunächst soweit eingezeichnet, dass sie ungefähr der Länge des Stollns entspricht oder auch etwas länger ist. Danach zieht man im rechten Winkel zum Horizont die Linie g-b, die vom Stollnende G nach oben bis zu B verläuft. Nun misst man von der Stelle, wo sie die Linie c-b kreuzt, im Maßstab den Abstand zwischen c und b. Dieser Abstand, entlang dem Seil in Sažen gemessen, zeigt genau den Punkt B an, wo der Saigerschacht abgeteuft werden muss; die Linie g-b gibt schließlich an, wie tief der Schacht sein wird.
§ 89 A u f g a b e d r e i . Die Neigung von steilen und tonnenlägigen Schächten lässt sich mit einem Quadrant (Fig. 8) vermessen, indem man diesen an die Schnur A-B (Fig. 19) anhängt und diese mit dem Saženmaß vermisst. Nachdem man die Werte auf das Papier übertragen hat, zieht man von jedem Ende des Schachts parallel zum senkrecht hängenden Wägestück je eine Linie d-a und b-c. Dann misst man mit dem Maßstab den Abstand d-b, der angibt, wie weit der untere Teil des Schachts A vom oberen Punkt B entfernt ist. Gruben, die in ihrem Verlauf sowohl horizontal als auch vertikal von einem geraden Verlauf abweichen, muss
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man nach beiden beschriebenen Verfahren gleichzeitig vermessen. Das heißt, an jedem Abschnitt der straff gezogenen Schnur sind der Kompass und der Quadrant anzuhängen, die horizontalen wie auch senkrechten Neigungen zu notieren und danach samt aller Längenmaße der Schnurabschnitte maßstabgetreu doppelt auf das Papier zu übertragen – einmal für den horizontalen, ein zweites Mal für den vertikalen Verlauf.
§ 90 P r o b l e m v i e r. Ein zweiter wichtiger Grund für Vermessungen besteht darin, die jeweiligen Endpunkte des Erzganges für die entsprechenden Bergwerke zu bestimmen (Fig. 20); in diesem Fall muss man dieselben Vermessungen vornehmen, nur in umgekehrter Reihenfolge. Gäbe es zum Beispiel einen Grubenbau D-E-F-G-H-I-L, bestehend aus zwei Schächten D-E-F und G-H sowie aus zwei Stolln F-G und H-L und einem auf der Oberfläche verlaufenden Feldrain A, so wäre im Stolln H-L ein Punkt oder eine Grenze ausfindig zu machen, die diese genau unter dem Feldrain voneinander trennt. Dazu sollte man, wie bereits vorher beschrieben, eine Schnur vom Feldrain A zum Mundloch des Schachts ziehen und an die Pfähle B-C-D anbinden, die auf den Bergkuppen und in den Tälern stehen. In gleicher Weise, wie bereits in den Stolln und Schächten praktiziert, zieht man nun die Schnur weiter und befestigt sie an den Punkten D-E-F-G-H-L. Nachdem man die Abweichungen und Neigungen an allen Schnurabschnitten vermessen hat, überträgt man das Ganze in verkleinertem Maßstab auf Papier – wie unter a-b-c-d-e-f-h-l abgebildet. Von dem Buchstaben a, der auf der Erdoberfläche als A den Feldrain bezeichnet, zieht man horizontal die Linie a-i soweit, bis sie die Linie h-l im Punkt i schneidet; von diesem Punkt aus misst man im entsprechenden Maßstab den Abstand bis zum Buchstaben h. Das Ergebnis zeigt, wie viel Sažen man real im Stolln H-L, beginnend am Punkt H, für einen Gewerken abmessen muss.62 Dieses Beispiel gilt für die Stolln, die keine seitlichen Abweichungen vorweisen und die, wie im § 85 beschrieben, mit einem Kompass vermessen werden können. In solchen Gruben, die in unterschiedliche Richtungen verlaufen, muss man jedoch alle Winkel mittels Kompass und Quadrant vermessen und alle Messdaten zweifach auf Papier übertragen.
62 Gewerken nannte man die Bergbautreibenden, die sich in einer Gewerkschaft (Bergwerksgesellschaft) finanziell zusammengeschlossen hatten und ihre Besitzanteile an einem Bergwerk in Form von Kuxen besaßen. Die 128 Kuxe einer Zeche wurden zu Schichten (32 Kuxe = 1 Schicht) und Stämmen (1 Stamm = 4 Kuxe) zusammengefasst.
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§ 91 S c h l u s s b e m e r k u n g e n . Vorausgesetzt, man folgt den hier dargelegten Regeln, kann jeder, der sie versteht, Grubenbaue in allen möglichen Fällen und Umständen vermessen. Irgendwelche Besonderheiten zu berücksichtigen, ist insofern nicht notwendig, als jede Grube ihre eigenen hat. Bei der Erörterung dieser Regeln habe ich mich nicht an die üblichen Vorschriften der Markscheider gehalten; denn deren Regeln sind mir zu lang und angefüllt mit langweiligen Berechnungen. Zudem erfordern sie auch logarithmische Tabellen, wie sie in Fochts Berggeometrie erwähnt werden, die in einigen Exemplaren zur Veröffentlichung gelangte.63 Ich folgte dabei eher Georgius Agricola, dessen Regeln der Berggeometrie lediglich zehn halbe Seiten umfassen; allerdings habe ich etliche Instrumente sowie Konditionen geändert, manche gar nicht erwähnt, da sie mir überflüssig zu sein schienen. Ende des dritten Teils
IV Über das Probieren von Erzen und Metallen 1 Über Öfen, Gefäße und Instrumente, die für das Probieren benötigt werden § 92 P r o b i e r o f e n . Für die Probierkunst benötigt man drei Öfen. Der erste, gewöhnlich als Probierofen A-B-C-D-E (Fig. 22) bezeichnet, soll etwa drei viertel Aršin lang sowie breit sein – man könnte ihn allerdings auch deutlich kleiner machen, damit er handlicher zu transportieren ist. Dessen Höhe soll die Breite um ein Viertel übertreffen. Wenn er zum Beispiel 12 Veršok lang sowie breit ist, so müsste er 15 Veršok hoch sein. Der untere Teil A-B-E-D wird aus vier gleich großen Eisenplatten zusammengefügt, jede 12 Veršok breit und 7 ½ Veršok hoch. Der Ofen muss nach oben auf C hin verjüngt werden, so dass die vier oberen Eisenplatten B-C und D-C unten jeweils 12 und oben lediglich 6 Veršok breit sind. Im unteren Vorderblatt muss man zwei übereinander liegende Öffnungen F und G ausschneiden, im Abstand von 1 ½ Veršok zueinander und 4 Veršok breit und 2 Veršok
63 Im Katalog zu Lomonosovs nachgelassener Bibliothek findet sich unter der Nummer 139 Фохть: Горная геометрия (dt. Focht: Berggeometrie) verzeichnet; gemeint ist aber die Geometria Subterranea oder Marckscheide-Kunst (Eisleben 1686) von Nicolaus Voigtel, dem Bergbeamten und Geometer, dessen Werke wesentlich zur Entwicklung der Markscheidekunst beigetragen haben.
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hoch, wobei je ein Veršok Abstand vom unteren wie vom oberen Rand einzuhalten ist. An die obere sowie an die untere Öffnung bringt man jeweils ein Eisentürchen an, das sich von beiden Seiten zuschieben lässt. An den drei anderen unteren Seiten sind unten kleine Fenster auszuschlagen mit entsprechenden Schiebetüren, und an allen oberen Seiten soll man mittig runde Löcher m, n einbringen, ungefähr einen Veršok breit. Innen bringt man querliegend zwei einen Djuim dicke Eisenstäbe an und befestigt sie rechts und links an den Seiten, so dass der vordere Stab vom unteren Rand des oberen Mundlochs eine Fingerbreite tiefer liegt und von der Vorderwand einen Veršok Abstand hat; der andere Stab soll (etwas höher als der erste) von der hinteren Wand zwei Veršok Abstand haben. Alle Innenwände des Ofens sowie beide Eisenstäbe verputzt man mit besonders zubereitetem Lehm (siehe § 105). Damit der Lehm an den Innenwänden besser hält, müssen diese rau sein, ebenso die beiden Stäbe, auf die man dann einen Boden oder eine einen Finger dicke Steinguttafel legt, so dass diese unmittelbar am Rand der oberen Öffnung liegt und von der hinteren sowie den seitlichen Wänden etwa zwei Veršok Abstand hat. Auf diesen Boden stellt man eine Muffel oder einen bodenlosen Ofen F-H, der in der hinteren Wand ein Loch und in den beiden seitlichen Wänden jeweils zwei Löcher hat.64 Diese Muffel soll in Länge und Breite dem oben genannten Boden gleich sein und so auf diesen hingestellt werden, dass die Öffnung F auf die obere Öffnung des Probierofens trifft. Den auf diese Art und Weise zusammengefügten Ofen errichtet man auf einem etwa anderthalb Aršin hohen Steinofen, der dem aufgesetzten Ofen als Fundament dient; um Kohle in den Ofen einzufüllen, bleibt der obere Teil jedoch frei.
§ 9465 P r o b i e r h e r d . Den zweiten Schmelzofen R-S zeigt (Fig. 23). Üblicherweise ist er viereckig und befindet sich auf demselben Herd, auf dem auch der Probierofen steht; er ist gemauert, einen halben Aršin lang und breit und dreiviertel Aršin hoch. Ein Viertel oder etwas mehr über dem Boden bringt man ein Eisengitter oder Querstäbe an. Hierauf kann man einen viereckigen Ziegelstein legen, der als Untersetzer für die Schmelztiegel dient. Damit die Flamme ordentlich Hitze ergibt, führt man seitlich unter das Gitter einen Blasebalg ein.
64 In der Figur 22 fehlt allerdings die Bezeichnung H. 65 Der § 93 fehlt im Original der Schrift.
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D e s t i l l i e r o f e n . Der dritte Ofen ist ein Destillierofen A-B (Fig. 22), in dem man Säuren und andere flüchtige Substanzen destillieren kann. Er ist viereckig und hat ein Eisengitter. An einer Seite hat er ein Mundloch D, durch das man Brennholz unter die Retorte schieben kann. An der anderen Seite ermöglicht die Öffnung B das Herausragen des Retortenkolbens R. Die Kohle wird durch den offenen oberen Teil A eingebracht. Alle drei Öfen soll man, abgedeckt von einem Kasten, auf einem Steinofen in einem dazu vorgesehen Gebäude aufstellen, zu dem auch ein Raum für die Aufbewahrung der Instrumente sowie der Proben und deren Versuchsprotokolle u.a. gehören soll.
§ 95 Ve r s c h i e d e n e I n s t r u m e n t e . Man braucht an den Öfen folgende Instrumente: 1. zwei oder drei Blasebälge, 2. eine normale Greifzange, 3. drei oder vier Zangen mit geraden Spitzen, 4. eine Zange mit gekrümmten Enden, 5. eine Zange, bei der das eine Ende g gespalten ist (Fig. 24), 6. einen kleinen Eisenhaken, 7. einen großen Eisenlöffel, um das Blei schmelzen zu können, 8. einen Feuerbock h mit drei Beinen und zwei Spannringen, von denen der untere schmaler ist, 9. eine viereckige längliche Kupferplatte mit dem Griff l und mit neun oder zwölf Vertiefungen für das Eingießen von Proben. Wa a g e n . In dem Raum sollten vorhanden sein: 1. drei Waagen, die erste so groß, dass man damit bis zu drei oder fünf Pfund an Material abwiegen kann; die zweite ist eine Probierwaage, mit der nur bis zu zwei oder drei Zolotnik schwere Proben gewogen werden können, und eine dritte empfindliche für das Abwägen von Proben, die nicht schwerer als einen Zolotnik sind. Die zweite wie auch die dritte Waage sollte in einem mit Glastürchen versehenen Kasten derart aufgehängt werden, dass man diese mit einer durch Rädchen geführten Schnur hochziehen oder herunterlassen kann. Ein Ende der Schnur wird mit einem Bleigewicht mit flachem Boden versehen, damit es mit seiner Last die hochgezogene Waage im Gleichgewicht hält. Die dritte Waage sollte so empfindlich sein, dass sie schon auf ein kleines Sandkorn reagiert; dafür muss der Waagebalken ganz fein und leicht sein, aber auch ziemlich lang; ebenso fein und leicht müssen die Schalen
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und Schnüre sein. In den Waagschalen der zweiten und der dritten Waage soll jeweils ein sehr leichtes Schälchen sein, um das Erz oder das Metall aufzunehmen.
§ 96 Ve r k l e i n e r t e s G e w i c h t . 66 Mithilfe der beschriebenen Waagen wiegt man die zum Probieren bestimmten Erze und Metalle in verkleinerten Mengen ab, wobei man auf ein Pfund einen Zolotnik nimmt und diesen durch vierzig teilt, dieses Gewicht kann man dann anstatt des Pfunds zum Berechnen verwenden. Dieses verkleinerte Pfund teilt man in Hälften, in Viertel, in Achtel und in Zolotnik und letztendlich in Zolotnikhälften und Zolotnikviertel. Und wenn aus dem zerkleinerten abgewogenen Erz eine bestimmte Menge Metall gewonnen worden ist, so kann man daraus schließen, dass das dementsprechende große Gewichtmaß von Erz genauso viel Metall enthält. Ein Beispiel: Bei der Probe ergibt das verkleinerte Pud Silbererz 40 verkleinerte Zolotnik Silber. Das bedeutet folglich, dass das wirkliche Pud dieses Silbererzes ebenfalls genauso viel wirkliche Zolotnik ergeben muss. Die kleinen Probiergewichte stellt man aus Kupfer oder Silber her, die kleinsten Teile schneidet man aus einem dünnen Kupferblatt oder aus einer Kupferfolie. Allerdings ist der Gewichtsatz aus Silber reiner und dauerhafter. Für alle Gewichtsstücke sollte man Kästchen p anfertigen (Fig. 24), und in jedem für das jeweilige Gewichtsstücke ein gesondertes viereckiges oder rundes „Nest“ einrichten, aus dem man diese mit kleinen spitzen Zangen herausnehmen und in die Waagschale legen kann.
66 Lomonosov arbeitete mit Gewichtssätzen des sog. Verkleinerten Gewichts, um die Berechnungen ausführen zu können. Normalerweise betrug die Verkleinerung 1/40 eines Zolotnik; daraus resultierte das Verkleinerte Pfund mit einer Verkleinerung um den Faktor 3.840. Auch sagt er, dass man das „Verkleinerte Pfund auf die Hälfte, Viertel und Achtel sowie auf Zolotnik und dessen Hälfte und Viertel teilen kann“; so ist das kleinste Gewicht, das heißt ein Viertel des Verkleinerten Zolotnik, gleich 1/15.360 des realen Gewichts oder ungefähr 0,0003 Gramm. Dies zeugt von der hohen Präzision des Abwiegens in Lomonosovs Labor. Die Methode des Verkleinerten Gewichts wird bis heute in angelsächsischen Ländern angewendet, wo die bei der Probieranalyse verwendeten Substanzen im Gewicht einer sogenannten Probiertonne (= 29,166 Gramm) genommen werden. Dabei ergibt das Gewicht von Gold oder eines anderen Metalls in Milligramm (ohne Umrechnungen) direkt deren Inhalt in Unzen (1 Unze (russ. лана) = 34,13 g) in der Kurzen Tonne (1 Kurze Tonne = 907,2 kg). Da Russland das metrische System verwendete, ist das Gewicht in Gramm (Kilogramm) auf eine Tonne bezogen – was praktisch keine Umrechnung erfordert.
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§ 97 P r o b e m i t d e m P r o b i e r s t e i n . Für die Proben, mit denen man den Feingehalt des Silbers bestimmen kann, verwendet man Nadeln, die an einem Ende gelocht und an einem Ring befestigt sind (Fig. 24). Diese Probiernadeln werden aus Legierungen hergestellt, die Kupfer und Silber in bestimmten Proportionen enthalten. Zum Beispiel bedeutet der Silberwert 18, dass dafür 18 Zolotnik Silber und 78 Zolotnik Kupfer zusammengeschmolzen worden sind; der Silberwert 72 enthält dementsprechend 72 Zolotnik Silber und 24 Zolotnik Kupfer. Die Nadeln können in Lot67 oder in Zolotnik gewogen werden. Die Probiermeister verwendeten sie, um zu bestimmen, wie viel Blei man im Probierofen zum Silber, das bereits einige Anteile Kupfer enthielt, geben sollte; denn Silber, das mehr Kupfer enthält, benötigt auch mehr Blei, wie der folgenden Tabelle zu entnehmen ist: Silberwert 6
erfordert das 20-fache an Blei
Silberwert 18
erfordert das 18-fache an Blei
Silberwert 42
erfordert das 16-fache an Blei
Silberwert 54
erfordert das 14 fache an Blei
Silberwert 72
erfordert das 10-fache an Blei
Silberwert 84
erfordert das 9-fache an Blei
Silberwert 90
erfordert das 5-fache an Blei
Silberwert 96
erfordert das 3-fache an Blei
§ 98 G e f ä ß e . Folgende Gefäße sollte man bei den Öfen haben (Fig. 24): Einige Tiegel oder runde sowie dreieckige Scherben t, Probierschüsseln n, Ascheschalen oder runde Aschetiegel mit dickem Boden r, Glas- und Tonretorten verschiedener Größen s, Rezipienten oder Glasuntersetzer, Gussformen q. In dem Raum sollte man ebenfalls Eisen- und Kupfermörser haben, zudem eine tiefe Eisenschüssel mit rundem, gewölbtem Boden sowie einem Pistill, auch Gläser verschiedener Größe zur Aufbewahrung von unterschiedlichen Stoffen, die zum Probieren erforderlich sind; für alle diese Dinge empfiehlt sich ein gesonderter Schrank.68
67 Ein Lot (russ. лот) betrug ca. 12,8 g. 68 Probiergefäße stellte man aus Ton (deshalb Scherben genannt) oder Asche (deshalb Aschetiegel oder Kapellen genannt) nach besonderen Vorschriften her.
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2 Über die Vorbereitung von verschiedenen Stoffen, die zum Probieren benötigt werden § 99 W i e b r e n n t m a n S t a r k e n S p i r i t u s .69 Um Gold von Silber zu trennen, braucht der Probiermeister Königswasser, das er mit großer Vorsicht wie folgt brennen soll: 1. man nimmt reinen Salpeter in großen sechseckigen Kristallen; 2. erhitzt davon die doppelte Menge an Schustervitriol,70 bis sie rot wird, vermengt sie mit dem Salpeter und gibt beides in eine dafür vorbereitete Retorte, die vorher mit Lehm ausgeschmiert und getrocknet wurde, so dass diese bis zu einem Drittel gefüllt ist; 3. die Retorte stellt man in den Destillierofen; dabei legt man unter deren hinteren Teil einen Ziegelstein, so dass die Retorte von allen Seiten mit Kohle umgeben ist (Fig. 22); und zu dem Retortenhals stellt man den Rezipienten R, der zu einem Viertel des Gewichts der in der Retorte eingebrachten Mischung mit Wasser befüllt wird; 4. um die Verbindung des Retortenhalses mit dem Rezipienten wickelt man eine feuchte Blase und verschmiert diese mit Lehm; dann deckt man den Ofen oben mit Ziegelsteinen ab, so dass nur eine kleine Öffnung frei bleibt, so dass das unten hinter dem Türchen angezündete Feuer nur langsam abbrennt; 5. sobald das Feuer heftiger wird, weitet man diese Öffnung etwas auf, um die Glut zu steigern; 6. wenn sich der untere Retortenteil erhitzt und im Rezipienten ein rötlicher Dampf erscheint, nimmt man die Ziegel oben ganz weg und schüttet auf die Retorte glühende Kohle und erhält damit die volle Hitze so lange, bis der rötliche Dampf aus der Retorte aufhört, in den Rezipienten zu strömen; 7. zum Schluss schließt man den Ofen vollkommen, so dass die Flamme langsam erlischt, und nimmt den Rezipienten mit dem Starken Spiritus heraus.
69 Unter Starkem Spiritus verstand man Salpetersäure. Hier wird das Verfahren beschrieben, wie man diese Säure aus einer Mischung von Sulfat und Salpeter erhält, wobei Stickstoffoxide mit Wasser reagieren. 70 Als Vitriole bezeichnet man wasserhaltige Sulfate von zweiwertigen Metallen; bis zum Anfang der Neuzeit wurden diese auch zur Lederschwärzung (Schusterschwärze) benutzt. Lomonosovs Lehrer Henckel erwähnt das Schustervitriol und dessen Verwendung bereits in seinem Werk Pyritologia, Oder: Kieß-Historie.
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§ 100 W i e r e i n i g t m a n i h n . Der destillierte Starke Spiritus muss gereinigt werden, damit er kein Vitriol mehr enthält; das macht man folgendermaßen: Man nehme vom allerfeinsten Silber zwei oder drei Zolotnik, hämmert dieses ganz dünn aus und schneidet es mit einer Schere in schmale Streifen. Ein paar davon legt man in den Starken Spiritus hinein, wovon dieser weiß und trüb wird; diese Trübe sollte sich nach einer Weile absetzten. Danach wird der klare Spiritus behutsam in ein anderes Gefäß umgefüllt. In dieses Gefäß werden zum zweiten Mal einige Silberstreifen hineingelegt, und man lässt die entstandene Trübe abermals sich absetzen. Auf diese Art und Weise legt man das Silber in kleinen Portionen so lange in diesen Spiritus hinein, bis dieser klar bleibt und kein Bodensatz mehr entsteht – was ein deutliches Zeichen seiner Reinheit ist. Danach muss man diesen unter leichtem Feuer im Destillierofen aus der Glasretorte abdestillieren; zuvor jedoch muss man eine Schüssel voll Sand unter den Retortenboden stellen, damit dieser unter der heftigen Hitze nicht platzt.
§ 101 W i e p r o b i e r t m a n i h n . Manchmal gerät der Starke Spiritus zu stark, das andere Mal viel zu schwach – beides ist für das Probieren von Nachteil. Deswegen soll man ihn erst einmal wie folgt untersuchen: Man nimmt 8 Gran vom reinsten Gold und 24 Gran vom feinsten Silber sowie 2 ½ Zolotnik Blei, erhitzt alles in einer Kapelle, wie im § 107 erklärt.71 Das entstandene Korn hämmert man zu einem dünnen Blech aus und rollt es zu einem Röhrchen zusammen, das man in den Starken Spiritus hineinlegt, den man untersuchen will, wobei die Mischung darin reagiert. Sollte sich das Röhrchen in Stücke auflösen, so ist der Spiritus zu stark – in diesem Fall müsste man ihn mit reinem Wasser verdünnen. Sollte das Röhrchen ganz bleiben und exakt 8 Gran wiegen, so ist der Spiritus zum Probieren genau richtig. Wenn das Röhrchen aber schwerer als 8 Gran ist, so bedeutet dies, dass der Spiritus zu schwach ist. Dann sollte man das überflüssige Wasser durch leichtes Erhitzen verdunsten lassen.
71 Kapellen sind kleine, namentlich aus Holz- oder Knochenasche hergestellte flache, schüsselförmige Gefäße, in denen die zu probierenden Substanzen unter Luftzufuhr geschmolzen werden, wobei das Bleioxid PbO (Bleiglätte) von der porösen Kapelle aufgesogen wird und die Edelmetalle in gediegener Form zurückbleiben.
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§ 102 F l u s s .72 Man nimmt 1 Pfund Salpeter und 2 Pfund Weinstein, vermahlt beides fein und vermischt es in einem Topf. Den Topf deckt man mit einem Deckel ab, lässt allerdings noch einen Spalt offen, so dass man die Mischung mittels eines glühenden Eisenstabs anzünden kann. Im Verlauf einer Viertelstunde verglüht dann diese Materie unter Auflodern zu Kohle. Diese Kohle zerstößt man und zündet sie wiederum auf dieselbe Art mit dem glühenden Eisenstab an – vorausgesetzt, es gelingt; gelingt es jedoch nicht, so war die Reaktion schon nach dem ersten Verbrennen abgeschlossen. Solcherart gebrannte und zu Pulver zerstoßene Materie nennt man Schwarzen Fluss.73 Weißen Fluss74 hingegen erhält man aus zwei Teilen Salpeter und einem Teil Weinstein, fein zermahlen oder zerstoßen und ohne zu verbrennen. Wie man diesen Fluss verwendet, wird im nächsten Kapitel erläutert.
§ 103 M a t e r i a l i e n . Blei wird folgendermaßen geschrotet: Man bringt ein oder zwei Pfund von diesem Metall in einem großen Eisenlöffel oder in einer Schöpfkelle unter gelinder Hitze zum Schmelzen. Dann gießt man etwas davon in einen mit Kreide bestäubten Trog und schüttelt es mit heftigem Auf und Ab – allerdings so, dass das Blei nicht aus dem Trog geworfen wird. Durch dieses Schütteln wird das Blei zu kleinem Schrot geschlagen. Wenn man auf diese Art und Weise das ganze geschmolzene Metall geschrotet hat, gibt man es durch ein Blechsieb und deponiert es so lange, bis man es zur Anwendung braucht. Bleiglas75 fertigt man folgendermaßen: Man nimmt beliebig viel Blei, gibt es in einen Probiertiegel, stellt diesen in den Probierofen und lässt das Blei heiß
72 In der Terminologie der Zeit verstand man unter Fluss entweder geschmolzenes Metall oder ein Produkt, das durch verschiedene glasartige Vermischungen und metallische Farben hergestellt wurde. 73 Nach dem Ausglühen einer Mischung aus saurem Weinstein und Salpeter erhält man eine Mischung aus Kaliumkarbonat und feinem Kohlenstoff. Außerdem enthält der Schwarze Fluss einen kleinen Anteil von Zyankali und Kaliumchlorid. Dieser Fluss ist ein hervorragender Regenerator und löst in geschmolzenem Zustand Quarz und Silikate auf; dabei entstehen leicht schmelzende und fließbare Schlacken. 74 Der Weiße Fluss enthält auch sauren Weinstein und Salpeter und hat außer der Eigenschaft, Substanzen aufzulösen, auch die Fähigkeit, zu oxidieren; er wird beim Probierschmelzen sulfid haltiger Erze eingesetzt. 75 Bleiglas ist Bleioxid oder Bleiglätte. Bei der Probieranalyse wird es als leicht schmelzendes Flussmittel verwendet. Das bei der Reduktion von Glätte freiwerdende Blei nimmt die Edelmetalle (z.B. Silber) auf.
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werden und schmelzen; danach reguliert man die Glut in eher unbeständigem Maße, das heißt, dass sie mal stärker, mal weniger heiß ist. Nach Ablauf einer Stunde nimmt man den Tiegel aus dem Ofen und gießt die geschmolzene Substanz in die Mulde der Ausgussform. Sobald diese abgekühlt ist, schlägt man das gelbe Glas von dem übrig gebliebenen Blei ab und zerreibt es zu Pulver. Dann gibt man dem restlichen Blei noch etwas neues hinzu, und zwar so viel, bis der Tiegel wieder voll ist, stellt diesen wieder in den Probierofen hinein und verfährt erneut wie vorher, bis man genügend Glas gewonnen hat.
§ 104 W i e s t e l l t m a n T i e g e l h e r. Um Tiegel herzustellen, nimmt man reichlich reine, gesiebte Asche, die keine zerkleinerte Kohle enthalten darf, schüttet sie in einen Trog oder einen Kübel, gießt heißes Wasser hinein und rührt mehrmals gründlich mit einer Schaufel um, so dass die Asche gespült wird. Nun lässt man sie absetzen und gießt die Lauge ab, gibt erneut heißes Wasser in den Trog und macht dies vier- bis fünfmal wie vorher, bis sich das abgegossene Wasser klar und geschmacklos zeigt. Die ausgewaschene Asche muss jetzt getrocknet werden. Danach nimmt man Schafs- oder Kalbsknochen und erhitzt sie so, dass sie weiß und brüchig werden und zerreibt sie zu Pulver. Nun nimmt man von der ausgewaschenen Asche ¾, von den gebrannten Knochen ¼ und noch 1/40 von trockenem, gesiebtem Lehm, vermischt dies ordentlich und gibt dazu so viel an reinem Wasser oder halbverdünntem Bier, dass sich die Masse zu Klumpen zusammendrücken lässt. Schließlich gibt man die so zubereitete Asche auf einen dicken Holzklotz und befüllt damit reichlich die Tiegelform f (Fig. 24). Nun setzt man das Pistill z obenauf und verfestigt die Masse durch fünf oder sechs kräftige Schläge mit einem Holzhammer. Nachdem man eine Fingerspitze gemahlener, gebrannter Knochen auf die befüllte Form gestreut hat, legt man das Pistill erneut auf die alte Stelle und klopft ein paar Mal leicht darauf, damit die aufgestreute Asche in der Form an der Masse festklebt. Dann drückt man den Boden der Form auf der Asche, die auf dem großen Klotz liegt, fest und fixiert die Form dabei nur an ihrem Rand mit den Fingern, um den Tiegel nicht zu beschädigen; so lässt er sich unversehrt aus dem oberen Teil der Form herauslösen. Die auf diese Weise hergestellten Tiegel trocknet man zuerst in der frischen Luft auf dem noch warmen Ofen; danach werden sie unten im Probierofen mit der Kohle gebrannt und langsam abgekühlt.
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§ 105 L e h m z u m Ve r s c h m i e r e n . Lehm, mit dem man den Probierofen verschmiert, vermischt man vorher mit Wolle, Pferdemist, Eisenabbrand und Salz; sollten auf dem Überzug nach dem Trocknen Risse zu sehen sein, so verschmiert man diese auch mit einer derart vorbereiteten Lehmmasse. Manche verwenden auch Lehm, der mit etwas Pottasche und zerstoßenem Glas gemischt ist. Außerdem sollte der Probiermeister folgende Materialien vorrätig haben: Antimon, Salz, zerstoßenes Glas, zerstoßenen Schaum, der sich auf der Oberfläche des geschmolzenen Glases in Glasöfen absetzt, Borax, feinen weißen Sand, Pottasche, gebrannten und zerstoßenen Quarz; die Verwendung all dieser Materialien wird in den folgenden Kapiteln vorgestellt.
3 Über das Probieren von Gold- und Silbererzen § 106 Pr o b i e r e n v o n S i l b e r e r z e n . Man nehme so viel an Silbererz, wie man braucht, zerstoße es fein in einem Eisenmörser und wiege davon mithilfe der Probierwaage ein Pud ab. Dann nehme man von reinem Bleischrot 8, 12, 14 oder 16 Mal so viel, wie man vom Silbererz genommen hat. Das entsprechende Verhältnis hängt von der Güte der Erze ab, denn die schwer schmelzbaren verlangen mehr Probierblei als die leicht schmelzbaren. Das abgewogene Erz mischt man mit der Hälfte des Probierbleis und gibt diese Mischung in den Probiertiegel und dann das restliche Blei hinzu. Den Tiegel stellt man in den schon vorher erhitzten Probierofen und behält ihn zunächst eine halbe Viertelstunde bei mäßig heißer Glut. Sobald sich der Tiegel mit der Mischung erhitzt, ist das Feuer zu verstärken, so dass der Tiegel so lange rot erhitzt bleibt, bis das Erz mit dem Blei verschmilzt und die Oberfläche glatt und hell wird. Dann mindert man die Flamme, lässt sie jedoch nach einer Weile wieder auflodern. Einen derartigen Wechsel vollzieht man so lange, bis das in Glas verwandelte Blei über den Rand des Tiegels zu fließen beginnt. Dann holt man den Tiegel aus dem Ofen und gießt dessen Inhalt in die Mulde l in der Kupferplatte (Fig. 24). Sobald die Materie erkaltet ist, schlägt man die Bleiglätte von dem reinen Blei in eine Eisenschüssel ab; dabei muss man sorgfältig darauf achten, dass darin keine Schrotkörner übrig bleiben. Um die Glut im Ofen anzufachen, muss man etwas Kohle hinzugeben und dabei die unteren Seitentürchen öffnen. Dabei kann man in verschiedenen Tiegeln gleichzeitig mehrere Proben mit dem Probierblei machen.
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§ 107 F o r t s e t z u n g . Man nehme die auf der Glut gebrannten Kapellen oder Tiegel, stelle sie in den Probierofen und gebe, wenn sie heiß sind, das jeweilige vom Probieren übrig gebliebene Blei hinein, erhitze dieses heftig bis es schmilzt und vermindere danach die Hitze mittels kleiner, flacher, gebrannter Tonziegel, die man an den Seiten der Tiegel mit einer Zange festhält. Mit diesen Tonziegeln sowie mit der heißen Glutkohle, die man von vorn durch die Ofenmündung an die Tiegel führt, lässt sich die Hitze regulieren, so dass die Proben nicht zu stark erhitzt werden bzw. andererseits auch nicht auskühlen, sondern gleichmäßig schmelzen. Wenn die Tiegel das überflüssige Blei abgegeben haben, steigert man die Hitze, indem man die Tonziegel ganz wegnimmt, die heiße Kohle an die Tiegel schiebt und so lange erhitzt, bis die Proben beginnen, in verschiedenen Farben zu spielen und letztendlich nur noch reines Silber übrig geblieben ist. Dann nehme man die Tiegel vorsichtig aus dem Ofen, kühle sie langsam ab, nehme mit einer Zange das Silber aus dem Tiegel, säubere mit einer Drahtbürste sorgfältig die Seite, die auf dem Tiegelboden lag, und wiege dann präzise an der Probierwaage mit Gewichtsstücken ab. Das Gewicht von verkleinertem Zolotnik und Viertel entspricht schließlich dem Anteil von Zolotnik und Viertel an Silber, die in einem Pud Silbererz real enthalten sind.
§ 108 P r o b i e r e n v e r s c h i e d e n e r S u b s t a n z e n a u f S i l b e r. Vermutet man in trübem Wasser gelöstes Silber, so kann man auch darauf probieren. Zunächst verkocht man dieses Wasser in einem Topf und gibt den verbliebenen, mit Blei vermischten trockenen Satz in Schüsseln oder Tiegel. Für das Probieren von Zinnerz auf Silber gibt man etwas Bleiglätte hinzu. So man das Zinn selbst auf Silber prüfen möchte, schlägt man es flach in dünnes Blech aus und zerschneidet es in kleine Stücke. Dann wiegt man ein Pud davon ab und verbrennt es in heißer Flamme zu Asche und verfährt weiter genauso wie bei der Beprobung des Silbererzes. Um Eisen auf seinen Silbergehalt zu prüfen, nimmt man ein Pud Eisenspäne, zerreibt diese mit einem Lot Schwefel, röstet die mit 20 Teilen Blei vermengte Mischung in einem Tiegel und lässt das Ganze in einem größeren Tiegel schmelzen, wobei sich das Silber vom Blei in der großen Kapelle trennt. Mit silberhaltigem Kupfer verfährt man ebenso wie mit den Silbererzen, das heißt, man fügt so viel Blei hinzu, wie in § 106 angegeben.
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§ 109 P r o b i e r e n v o n S i l b e r a u f G o l d . Sollte man in Silber, das von gemeinen Metallen raffiniert worden ist, Gold vermuten, so probiert man es mithilfe von Königswasser. Dazu wiegt man ein Pud ab, schlägt es zu dünnem Blech aus, schneidet dieses zu dünnen Streifen und rollt es zu kleinen Ringen zusammen. Danach füllt man das Glasgefäß h (Fig. 24) mit Königswasser, legt die Silberröllchen hinein und stellt das Gefäß in die fast heiße Kohle, wobei sich das Silber im heißen Königswasser auflöst und das Gold sich in schwarzen Fetzen am Boden absetzt. Sobald das Silber sich vollständig im Königswasser aufgelöst hat, gießt man die ganze Flüssigkeit behutsam ab, nimmt das Gold aus dem Gefäß und wäscht es mit klarem Wasser ab. Dann brennt man es in gemäßigter Hitze gelb und wiegt es mit der Probierwaage ab; das gewonnene Gold in verkleinertem Zolotnik entspricht nun dem real in einem Pud enthaltenen Anteil. Sollte jedoch das Silber sehr viel Gold enthalten, das heißt mehr als ein Viertel im Verhältnis zu Silber, so wäre das Königswasser nicht mehr imstande, das ganze Silber aufzulösen und aufzunehmen. In diesem Fall müsste man das Ganze mit reinem Silber so zusammenschmelzen, dass die Legierung mindestens zu drei Vierteln aus Silber besteht. Golderze, die gar keinen Anteil an Silber enthalten, probiert man ebenso wie die Silbererze entsprechend den Hinweisen in den §§ 106 und 107. Schwer schmelzenden Gold- und Silbererzen, die im Probiertiegel nur sehr langsam und schwer mit Blei reagieren – was besonders dann der Fall ist, wenn sie Blende, Wolfram oder Schörl enthalten – fügt man etwas Bleiglas hinzu.
4 Über das Probieren von gemeinen Metallen § 110 P r o b i e r e n v o n Ku p f e r e r z e n a u f S c h w a r z k u p f e r. Für das Probieren von Kupfererz nehme man davon zwei Lot, zerstoße es und lege es in eine Probierschüssel, die innen mit Kreide beschichtet ist, damit das Erz daran nicht haftet. Nun stelle man diese Schüssel in den Ofen und erhitze das Ganze so lange, bis es aufhört zu qualmen und nach Schwefel zu riechen. Dann nehme man es aus dem Ofen, lasse es abkühlen und zerstoße es fein und vorsichtig, so dass nichts davon verloren geht. Nun kommt es erneut in den Ofen und wird nochmals wie vorher geröstet. Aus dem Ofen geholt, wird das geröstete Erz nun zerstoßen und auf der Waage genau in zwei Hälften geteilt – ein Teil bleibt für das nächste Probieren, dem anderen werden zwei Lot Schwarzer Fluss hinzugefügt, wie im § 102 beschrieben. Sollte das Erz noch nicht schmelzfähig sein, fügt man dann noch ½ Lot Glasschaum und ¼ Lot Borax hinzu. Schließlich gibt man das Ganze in den Tiegel, streut etwas Salz darüber, deckt es mit einem Deckel ab und stellt den
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Tiegel in den Ofen – zunächst bei gelindem Feuer, damit sich die Probe langsam erhitzen kann. Zuletzt schürt man das Feuer mit dem Blasebalg etwas heftiger und zwar so weit, bis die Oberfläche der Substanz im Topf glatt und weiß wird und keine schwarzen Flecken mehr aufweist. Dann holt man den Tiegel aus dem Ofen und klopft paar Mal auf den Deckel, damit sich die schwere Substanz auf dem Boden absetzt. Wenn der Tiegel ausgekühlt ist, wird er vorsichtig zerschlagen, der Schwarzkupferkern vom Boden genommen und auf der Probierwaage abgewogen, um so den realen Erzgehalt zu bestimmen. Um sicher zu gehen, sollte man mit der zweiten Hälfte des gerösteten Erzes in einem anderen Tiegel genauso verfahren.
§ 111 Pr o b i e r e n v o n S c h w a r z k u p f e r a u f R e i n h e i t . Um das Schwarzkupfer auf seine Reinheit zu probieren, wiegt man ein Pfund davon ab, fügt ¼ reines Blei hinzu und packt alles in ein kleines Stück Papier ein. Dieses legt man dann in einen Probiertiegel, der schon zuvor im Probierofen erhitzt wurde und um den herum randhoch so viel glühende Kohle aufgeschichtet ist, dass nur noch die Oberfläche der enthaltenen Substanz zu sehen ist. Im unteren Teil des Ofens schürt man das Feuer mithilfe eines Blasebalgs so lange und heftig, bis Kupfer und Blei zusammenschmelzen und zu brodeln beginnen. So dies der Fall ist, verringert man den Einsatz des Blasebalgs und wartet ab, bis die Oberfläche ein dünnes weißes Häutchen zeigt. Dabei lässt sich mit gewisser Aufmerksamkeit beobachten, wie das Kupfer sich beruhigt und zur Mitte des Tiegels als Korn zusammenläuft. In diesem Fall ist der Tiegel rasch aus dem Ofen herauszunehmen und mit Wasser abzukühlen. Vorsichtig sind nun Tiegel und Angebranntes abzuschlagen und mit einem Hammer zu prüfen, inwieweit es weich genug ist und an der Bruchstelle die richtige Kupferfarbe hat. Ist dies nicht der Fall, so muss man die Probe ein zweites und ein drittes Mal durchführen. Das reine Kupfer, vom Angebrannten getrennt und mit einer Drahtbürste gesäubert, ist nun mit der Probierwaage zu wiegen, wobei dessen Gewicht vom Gewicht des eingesetzten Schwarzkupfers abzuziehen ist. Von der Differenz ist 1/10 abzuziehen, ebenso von dem hinzugegebenen Blei; beides ist dann zum Gewicht des reinen Kupfers zu addieren. Diese Summe ergibt dann das Gewicht an reinem Kupfer, das im Schwarzkupfer enthalten war. Beispiel: Das Schwarzkupfer war 96 Zolotnik schwer und ergab nach der Probe 45 Zolotnik reines Kupfer.
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Schwarzkupfer
96
Reines Kupfer nach der Probe
45
Differenz
51
Ein Zehntel des hinzugefügten Bleis
2 ½
Ein Zehntel der Differenz
5
Reines Kupfer nach der Probe
45
Summe oder der Anteil des reinen Kupfers im Schwarzkupfer
52 2/5
Ein Zehntel des Bleigewichts berücksichtigt man deshalb, weil beim Probieren mehr an Kupfer mitverbrannt wird, als beim Schmelzen in den großen Öfen verloren geht. Ein Zehntel der Differenz gibt man als Abbrand hinzu, weil erfahrungsgemäß beim Schmelzen einer Mischung von Blei und Kupfer in anderen speziellen Proben viel Kupfer verloren geht.
§ 112 P r o b i e r e n v o n B l e i e r z e n . Bleierz probiert man genauso wie Kupfererz – vgl. dazu die Beschreibung im § 110. Das heißt, man nimmt zunächst ein Pud, röstet es ab und schmilzt es zusammen mit Schwarzem Fluss in einem Tiegel. Oder man nimmt ein Pud von zerstoßenem und geröstetem Bleierz, vermengt es mit zwei Pud Schwarzem Fluss, packt es in Papier ein und legt es mit einer Zange in einen Tiegel, der bereits vorher im Probierofen stark erhitzt worden ist. Nun umgibt man den Tiegel mit glühender Kohle und facht das Feuer mithilfe eines Blasebalgs soweit an, bis sich die Oberfläche der Legierung im Tiegel ganz glatt und klar zeigt. Dann holt man den Tiegel aus dem Ofen, kühlt ihn ab, schlägt behutsam den Bleikern heraus, säubert ihn mit einer Drahtbürste und wiegt ihn auf der Probierwaage ab – das Ergebnis zeigt dann den Bleigehalt der Erzprobe.
§ 113 P r o b i e r e n v o n Z i n n e r z e n . Zinnerze probiert man mit Weißem Fluss. Manchmal werden dazu auch Weißer und Schwarzer Fluss zu gleichen Teilen vermischt. Die Zinnerze kann man genauso probieren wie die Silbererze, das heißt in einem Tiegel mit Blei, das vorher in einer Probierschüssel abgebrannt wurde, um das Arsen mittels Feuer aus dem Erz zu entfernen. Damit das Zinn im Tiegel getrennt vom Blei als Pulver zurückbleibt und mit diesem nicht von der Tiegelwand eingezogen wird, muss man darauf achten, dass das Probieren nur noch bei
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leichtem Feuer erfolgt; denn wenn man ein ebenso starkes Feuer wie bei Silber verwendet, so verbrennen Zinn und Blei vollständig oder ziehen in den Tiegel ein. Deswegen benutzt man dieses Verfahren so gut wie nie; denn auch das leichteste Feuer verursacht einen Verlust an Zinn, und die Probe verzeichnet deutlich weniger Gehalt, als wenn es beim Schmelzen im großen Ofen gewonnen würde.
§ 114 P r o b i e r e n v o n E i s e n e r z e n . Zum Probieren von Eisenerzen nimmt man zwei Pud, röstet es und teilt es in zwei gleiche Hälften. Dann gibt man zu jedem Teil doppelt so viel an Schwarzem Fluss, die Hälfte vom Erzgewicht Borax, genau so viel Pottasche und ein Viertel zerstoßene Kohle. Dies vermischt man alles ordentlich, schüttet das Ganze in einen Tiegel und bedeckt es mit Salz. Den Tiegel stellt man in den Probierofen und facht das Feuer zunächst langsam an. Bei ausreichender Temperatur belässt man den Tiegel eine volle Stunde bei starker Hitze so lange, bis die Oberfläche der Materie hell und glatt wird und helle Funken darüber zu sehen sind. Dann holt man den Tiegel aus dem Ofen, kühlt ihn im Wasser ab und schlägt behutsam mit dem Hammer den Eisenkern aus den Abbrandresten heraus. Verschiedentlich wird auch versucht, abgebrannte und zerstoßene Eisenerze mit einem Magnet herauszuheben – das heißt, die Eisenteilchen aus dem Erzpulver herauszuziehen. Diese Methode ist allerdings sehr ungenau; denn der Magnet zieht die abgebrannten Eisenteilchen nicht an, hingegen kann er solche Eisenteilchen mitnehmen, an denen Steinkörnchen haften, was jedoch kaum zu erkennen ist.
5 Über das Probieren von Halbmetallen und einigen anderen Mineralen § 115 Pr o b i e r e n v o n Q u e c k s i l b e r - , Z i n n o b e r - , W i s m u t- u n d A n t i m o n e r z e n . Quecksilbererze, Zinnober- und Antimonerze probiert man mittels zweier nicht zu großer Töpfe, ähnlich gewöhnlichen Kochtöpfen; einer davon hat in seinem Boden etliche kleine Löcher. Nun nimmt man Schwefel-, Quecksilber- oder Zinnobererze und zerkleinert das zu probierende Material in nussgroße Stücke und legt diese in den durchlöcherten Topf. Den anderen, zur Hälfte mit Wasser gefüllten Topf gräbt man bis zum Rand in die Erde ein, stellt darauf den Topf mit Erz und legt einen Deckel darauf. Die Spalten zwischen Deckel und Topf sowie zwischen beiden Töpfen dichtet man mit Lehm ab. Nun schüttet man glühende Kohle darauf, wobei das Feuer nur mäßig heiß sein sollte. Die Kohle umstellt man von allen Seiten mit Ziegelsteinen, damit sie sich nicht verstreut.
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Nun ist das Feuer etwa zwei Stunden lang zu schüren, bis sämtliches Antimon, Quecksilber oder Zinnober aus dem Erz ins Wasser im unteren Topf getropft sind. Den Schwefel eliminiert man mittels Destillation aus der Retorte und leitet ihn in einen mit Wasser gefüllten Rezipienten. Wismuterz behandelt man genauso wie Bleierz. Jedoch ist es nicht möglich, bei der Verarbeitung in der Hütte dasselbe Verhältnis von Wismut zu erzielen, wie man es aus dem Probierofen bekommt.
§ 116 P r o b i e r e n v o n V i t r i o l - u n d A l a u n e r z e n . Um Vitriol zu probieren, entnimmt man dem Erz ein „kleines“ Pud, das genau 40 „echten“ Zolotnik entspricht, also gleich einem Pfund. Dieses Erz wird bis zur Rotglut erhitzt und in Wasser geschüttet; dies wiederholt man zwei- bis dreimal, bis es so brüchig wird, so dass man es mit der bloßen Hand zerbröckeln kann. Dann zerkleinert man es zu Pulver, wäscht es in warmem Wasser aus, lässt es sich über längere Zeit absetzen oder seiht es durch ungeleimtes Papier oder ein sauberes Leinentuch. Das durchgeseihte Wasser verkocht man nun in einem Topf so lange, bis sich auf der Oberfläche ein Häutchen bildet. Dann gießt man es in ein sauberes Holzgefäß ab und lässt es abkühlen. Nun stellt man an den inneren Rand dieses Gefäßes dünne Holzstäbchen, an denen sich das Vitriol in kleinen Kristallen absetzen kann. Nachdem man die Stäbchen mit den Vitriolkristallen vorsichtig herausgenommen hat, verkocht man die verbliebene Lauge wiederum so lange, bis sich erneut an der Oberfläche ein Häutchen zeigt, stellt sie kalt, lässt die Kristalle sich absetzen und wiederholt dies so lange, bis die ganze Lauge verkocht ist. Das verkleinerte Gewicht der gewonnenen Vitriolkristalle zeigt nun in Zolotnik, wie viel echte Pfund Vitriol man aus einem Pud der Erze gewinnen kann. Um Alaunerze zu probieren, nehme man vier Pfund davon, brenne diese ab und wasche sie im Wasser aus, gebe ein Viertel an Harnstoff (Carbamid) hinzu und verkoche es so lange, bis ein Viertel vom Ganzen verdampft ist. Schließlich lasse man den Rest etwas abkühlen und absetzen, so dass sich die trübe Materie am Boden sammeln kann, gieße die saubere Lauge vorsichtig von oben ab und koche sie erneut aus, gieße sie in ein Holzgefäß und stelle sie kalt, damit sich das gelbliche Pulver am Boden absetzen kann. Nun koche man die Lauge wieder aus, bis sich nach dem Erkalten die Alaunkristalle abgesetzt haben.
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V Über das Scheiden von Metallen und Mineralen aus Erzen76 1 Über die Vorbereitung von Erzen zum Schmelzen § 117 Z u s t a n d v o n E r z e n . Erze werden für das Schmelzen durch Klauben, Zerkleinern, Waschen und Rösten vorbereitet; denn die meisten Erze beinhalten entweder eine Menge von taubem Gestein oder Schwefel und Arsen oder auch beides zusammen. Das erste bindet beim Schmelzen die Metalle, so dass diese zu Schlacke mitverbrannt werden, wohingegen Schwefel und Arsen bei starkem Schmelzfeuer erhebliche Mengen von gutem Metall mit in die Luft nehmen. Insbesondere haben mächtige Erzgänge erhebliche Mengen an den erwähnten Fremdstoffen. Obwohl die Bergleute schon in den Gruben das Erz vom tauben Gestein trennen und dieses unten zurück lassen, ist es unmöglich, das Erz bis ins Feinste abzutrennen, so dass es danach ohne zusätzlichen Einsatz von Brennholz und ohne Verlust an wertvollen Metallen geschmolzen werden könnte.
§ 118 Z u b e r e i t u n g v o n E r z e n . Um das Schmelzen möglichst verlustfrei zu realisieren, zerschlägt man das aus der Grube geförderte Erz mit einem großen Hammer in kleinere Stücke und lässt das taube Gestein samt dem Kleinschrot an der Schachtöffnung zurück; die guten Erzbrocken werden dann in einen Schuppen geschafft. Die Arbeiter, die das Zerkleinern der groben Erzbrocken vornehmen, haben dicke Leder- oder Birkenrindenstiefel an, damit die vom Block abfliegenden Splitter deren Füße und Beine nicht verletzen. In der Mitte des Schuppens sind ein langer Tisch oder eine breite Bank aufgestellt, von beiden Seiten und von hinten mit schmalen Brettern versehen und mit ebenso schmalen Brettern mehrfach quer geteilt.77 Auf diesem Tisch oder auf der Bank sortiert man die aus der Grube herbeigebrachten und zerschlagenen Erzbrocken, wobei die armen Erze und das taube Gestein mit dem Hammer abgeschlagen, in den Trog befördert und danach zum Zerkleinern weggetragen werden; die guten hingegen gibt man in ein Fass für das Rösten oder Schmelzen. Für diese Arbeit sind die Ehefrauen oder
76 Scheiden bezeichnet die Trennung der Edelmetalle voneinander, während das Entfernen von Verunreinigungen aus Metallen Raffinieren genannt wird. Eine spezielle Form der Trennung von Blei und Edelmetallen durch Überführung des Bleis in sein Oxid (PbO2) ist das Treiben. 77 Im Deutschen Scheidebank genannt.
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Kinder der Bergleute gut zu gebrauchen. Das allerbeste Silbererz – das heißt, das weiche, rote oder weiße – zerschlagen die Aufseher mit dem Hammer selbst und bewahren es für das Schmelzen gesondert auf.
§ 119 W i e z e r k l e i n e r t m a n d i e E r z e . Harte und arme Erze werden in Pochwerken zerkleinert, die den Werkzeugen zum Dreschen von Korn ähneln. Die Anzahl der Pochstempel hängt von der Kraft des Windes oder Wassers ab. Man kann davon mehr oder weniger einsetzen, also manche davon zur Seite schieben, so dass sie von den Daumen78 der Welle nicht mitgenommen werden. Üblicherweise sind diese Pochstempel sechs Aršin lang, ein Viertel Aršin dick, vierkantig und aus trockenem Ahornholz gezimmert. Am unteren Ende sind viereckige eiserne Schuhe angebracht, etwa anderthalb Pud schwer. Den Pochtrog fertigt man aus einem sehr dicken Baumstamm; dessen Boden sowie die Innenseiten werden mit zwei Djuim dicken Eisenstreifen ausgeschlagen, damit der Trog selbst von den harten Erzen nicht so schnell zertrümmert werden kann. Die zwölfkantige Welle ist zwei Fuß dick, darin werden die Daumen derart befestigt, dass nicht alle Pochstempel gleichzeitig mitgenommen werden. Eine Seite des Troges wird nur mit einem feinen Drahtgitter versehen, so dass das zerstampfte Erz hindurchrieseln und weggenommen werden kann, hingegen bleiben die größeren Stücken zum weiteren Zerkleinern zunächst noch drin. In manchen Orten lässt man zudem Wasser aus einer schmalen Rinne in den Trog hineinlaufen, so dass das Erz mit dem Zerstampfen zugleich auch gewaschen werden kann.
§ 120 W i e s i e b t m a n d i e E r z e a u s . Das zerstoßene Erz wird durch viereckige 5 Fuß lange und 3 Fuß breite Siebe gegeben. Sie bestehen aus Holzbrettern, versehen mit geflochtenem Eisendraht, so dass damit lediglich graupengroße Erzstücke gesiebt werden können. Ein Ende wird üblicherweise oben an einer Stange angebunden, die auf Stützen steht; das andere Ende steht auf dem Boden, so dass größere Erzstücke, die nicht durchgesiebt werden können, hinunterrollen können (Fig. 27). Manche verwenden Durchschläge, die einem Tragbarren ähnlich sind, auf diesen wird das aufgegebene Erz geschüttelt. Die anderen verwenden runde Durchschläge, zusammengefügt aus Holzbrettchen, ähnlich einer Schüssel (Fig. 26). Sie sind mit Eisendraht umflochten und mit einem eisernen
78 Gemeint sind die Kurbelzapfen.
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Drahtboden sowie eisernen Henkeln versehen, damit man diesen Durchschlag sicher festhalten und schütteln kann. In derartigen Durchschlägen wäscht man dann das gesiebte feine Erz aus, während man größere Erzstücke, die nicht durch das Sieb geseiht werden können und im Durchschlag liegen bleiben, wieder zum Pochwerk bringt, um sie weiter zu zerkleinern. Das zerkleinerte und gesiebte Golderz, oft auch das Zinnerz, mahlt man sogar mit Mahlsteinen und baut dafür Mühlen, ähnlich den Getreidemühlen.
§ 121 Vo m Wa s c h e n d e r E r z e . Die auf die beschriebene Art und Weise zerstoßenen und gesiebten Erze werden wie folgt gewaschen: Als Erstes gibt man das Erz in einen feinmaschigen runden Durchschlag und spült es gründlich in einem Wasserfass durch. Das darin verbleibende Erz legt man zur Seite, um es später zum Pochwerk zum weiteren Zerkleinern zu schaffen. Sobald das Fass genügend ausgewaschenes Erz aufweist, nimmt man den Stöpsel heraus, lässt das überflüssige Wasser ausfließen und gibt das Erz auf eine Bank. Je nach Güte des Erzes wiederholt man diese Arbeit mehrmals. Zweitens fertigt man zur Erzwäsche mehrere aus Brettern gezimmerte breite Gerinne, versehen mit je einem oder mehreren Staubrettern (Fig. 28), und stellt diese leicht geneigt auf. Zum oberen Rand wird eine Rinne für den Zufluss des Wassers geführt, am unteren Rand sorgt ein mit Brettern ausgelegter Kanal dafür, dass das Wasser aus dem Gerinne abfließen kann. Das zerstoßene Erz legt man nun in die Fließrinne vor das erste Staubrett, wo die Rinne etwas tiefer ist als im weiteren Verlauf, und arbeitet es mit einem Spaten oder einer eisernen Stange derart durch, dass es durchgewaschen wird und sich im nächsten Kasten absetzt, wobei das überflüssige Wasser mit dem Schlamm in den Kanal wegfließt. Vor dem ersten Staubrett ist das abgesetzte Erz immer angereichert, hingegen wird es nach unten zu immer ärmer.
§ 122 A u s w a s c h e n d e s E r z e s a u f e i n e m L e i n e n t u c h . D r i t t e n s wäscht man Erze in ähnlichen Fließrinnen, wie oben beschrieben. Jedoch verwendet man nur noch ein einziges ziemlich hohes Hauptstaubrett, und anstatt der anderen legt man den Rinnenboden mit einem reißfesten Leinentuch aus, so dass sich das feine Erz absetzen und der leere Schlamm mit dem Wasser in den Kanal gespült werden kann. Wenn das Auswaschen beendet und das Leinentuch voller Erz ist, spült man dieses in einem vollen Wasserfass aus. In das Gerinne lässt sich auch ein Einlageboden einbauen, den man am Rand anfassen, herausziehen und auf den Rinnenrand stellen kann, wobei das Leinentuch daran festgenagelt wird.
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Wenn sich also genug Erz abgesetzt hat, zieht man den Einlegeboden auf den Rinnenrand hoch und spült ihn mit Wasser aus den Eimern über dem unten stehenden Auffangtrog aus (Fig. 27 und 28). Das Waschen setzt man so lange fort, bis man so viel Erz zusammenbekommen hat, dass es zum Schmelzen reicht. Es gibt auch noch andere Waschverfahren, die ich jedoch als nicht unbedingt notwendig ansehe und der Kürze halber unerwähnt lasse.
§ 123 D a s Wa s c h e n v o n G o l d e r z . Für das Auswaschen von Golderz baut man Mühlen (Fig. 29), in denen man das Erz zermahlt, wäscht und das Gold mithilfe von Quecksilber herauslöst. Diese ganze Vorrichtung wird vom Wasserrad A in Bewegung gesetzt, auf dessen Achswelle B ein anderes kleineres Rad N befestigt ist, das mit seinen Kämmen in das Getriebe M eingreift und damit den Mahlstein K antreibt, unter den das zerstoßene Golderz gestreut wird. Aus dem Kasten F,79 in dem sich der Mahlstein dreht, gelangt das Golderz durch den Austrag H in das Fass O, in das bereits vorher Quecksilber hineingeschüttet worden ist und in das nun das Wasser aus dem Austrag hineinfließt. Am oberen Rand dieses Fasses wird beidseitig ein breites Brett befestigt, das mittig ein Loch hat und durch das ein längerer Holzstiel führt. Dieser ist mit einem kleinen Getriebe I verbunden, das vom Zahnrad X angetrieben wird. Am unteren Ende des in dem Loch drehbar gelagerten Holzstiels sind Holzflügel angebracht, die das mit Wasser und Quecksilber versetzte Erz in Bewegung bringen, wodurch die leichte Substanz vom Wasser ausgewaschen und weggespült wird; das mit dem Quecksilber verbundene Gold bleibt jedoch am Boden. Das trübe, stets noch etwas Gold aufweisende Wasser fließt aus diesem Kübel in den nächsten, etwas tiefer gestellten Kübel T, in dem sich ebenso etwas Quecksilber am Boden befindet und der einen ähnlichen Rührer mit Holzflügeln hat. Von derartigen Fässern stellt man drei oder vier hintereinander auf, so dass aus dem letzten nur noch schmutziges Wasser in den Kanal abfließt. Das abgesetzte und mit Gold verbundene Quecksilber nimmt man nun aus den Kübeln und presst es durch feste Elchledersäcke, wobei das Quecksilber hindurchsickert, das Gold jedoch zurückbleibt. Da allerdings immer noch etwas Quecksilber zurückbleibt, legt man es in eine Retorte, verbindet diese mit einem Rezipienten und destilliert es mithilfe nicht zu heftigen Feuers ab. Das in der Retorte verbliebene Gold wird geschmolzen und abgeschieden – wie im nächsten Kapitel beschrieben. Auch das durchgepresste Quecksilber enthält noch etwas Gold; deswegen kann man es weiter zur Gewinnung von Gold aus
79 Auf der Fig. 29 fehlt das F.
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anderen Erzen verwenden. Das abdestillierte Quecksilber ist allerdings nicht mehr so kräftig wie das frische, deswegen sollte man es in Salzwasser auswaschen und trocknen lassen, so dass es seine ursprüngliche Kraft zurückerhält.
§ 124 B e s c h r e i b u n g d e r R ö s t ö f e n . Sehr harte Erze, die sich nicht zerkleinern lassen, oder auch solche, die nicht schmelzbar sind und viel Gestein, Quarz und andere grobe Stoffe enthalten oder mit Schwefel und Arsen vermischt sind, muss man tempern. Die harten Erze tempert man vor dem Pochen, die weichen, mit Schwefel und Arsen vermischten, danach. Manch reichhaltige Erze ohne jeglichen Zusatz braucht man nur noch zu tempern oder zu waschen; manchmal kann man sogar auf beides verzichten, so dass sie sich direkt schmelzen lassen. Die Temperöfen haben gewöhnlich drei Wände, die unterschiedlich hoch, lang und breit sind – je nachdem, wieviel Erz zu tempern ist; üblicherweise sind sie 8, 9 oder 10 Fuß lang und unten 4 und oben 6 Fuß breit. Manche sind oben genau so breit wie unten, aber die ersteren werden bevorzugt; denn das Feuer wird darin eher heiß, und das Erz kann nicht so schnell nach unten und nach vorn rutschen. Wo die Vorderwand fehlt, muss der Ofen schmaler ausfallen, sonst wird das vorn liegende Erz nur ungenügend getempert. Die Öfen können unterschiedlich hoch sein, ein bis zwei Aršin oder auch höher. Als Baumaterial verwendet man feuerfeste Ziegel oder Steine, die man vom Erz abgeschlagen hat. Manche buddeln stattdessen tiefe Löcher in die Erde, legen den Boden mit abgebrannter Schlacke aus, damit die aus der Erde austretende Feuchtigkeit das Brennen nicht behindert. Der Boden muss dabei etwas nach vorn geneigt sein.
§ 125 W i e t e m p e r t m a n d i e E r z e (Fig. 30). Auf den Ofenboden legt man quer dickes Brennholz, ein Scheit neben dem anderen im Abstand einer Mannsspanne,80 darauf drei oder vier Schichten von derselben Dicke lang und quer, etwa einen bis zwei Fuß hoch – je nachdem, wie viel Erz getempert werden soll. Darauf gibt man das Erz in einem runden oder viereckigen Haufen, so dass die allergrößten Erzbrocken unten liegen, die etwas kleineren in der Mitte und die kleinsten oben; das Ganze deckt man mit ausgewaschenem, feuchtem Erzschlamm ab, etwa eine halbe Mannsspanne hoch. Etwas von diesem Schlamm schüttet man auch mittig zwischen die Erzbrocken, damit die hier entstehende Glut nicht zu heiß wird;
80 Auch Spanne bzw. Handspanne – ein altes deutsches Längenmaß von ca. 20 cm.
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denn in der Mitte ist es immer heißer als am Rande. Der ganze Haufen misst von unten bis oben etwa zwei Aršin oder etwas mehr. In einen Haufen sollte man aber niemals mehr als 12.000 Pud81 legen; denn wenn zu viel Erz vorhanden ist, so kann die Glut dermaßen heiß werden, dass das Erz zu schmelzen beginnt, was beim Tempern nie passieren darf. Die an Schwefel reicheren Erzbrocken legt man näher zum Brennholz, die an Schwefel ärmeren etwas weiter weg. An die Seitenwände des Ofens legt man angekohlte Holzscheite oder harte glimmende Holzkohle; ebensolches gehört auch zwischen die Holzscheite direkt im Ofen, damit sie schneller entflammen. Dabei muss man aufpassen, dass der Erzgrus nicht zwischen die Holzscheite gerät und diese nicht am Brennen hindert. An einigen Orten legt man die unteren Erzbrocken so auf, dass sie von unten so etwas wie ein Kuppelgewölbe bilden, so dass, wenn das Holz abbrennt und das Erz in der Mitte durch den eigenen Schwefel noch immer nicht ausreichend auflodert, man noch etwas Brennholz darunter schieben kann. Zwischen die Ofenwände und das eingebrachte Erz stellt man hochkant ein paar lange starke Holzscheite, um beobachten zu können, ob der Erzhaufen von allen Seiten gleichmäßig durchbrennt. Denn wenn das Scheit an einer Seite ganz stark abbrennt und von der anderen fast ganz bleibt, so bedeutet dies, dass von der einen Seite die Glut viel heißer ist als von der anderen. In diesem Falle sollte man den oben liegenden Erzgrus von der kühleren auf die heiße Seite umschichten. Manchmal begießt man die ganz großen und harten Erzbrocken vorher noch mit Wasser, damit sie weicher und brüchiger werden. Dieses Tempern dauert in eigener Schwefelglut ungefähr einen Monat, manchmal auch länger, obwohl das Brennholz unter dem Erzhaufen schon an einem Sonnentag verbrennt. Wie stark die Kraft der Glut im Innern ist, kann man nur nach der Intensität des aufsteigenden Schwefelrauches beurteilen. Während des Temperns entstehen im oberen Teil des Erzhaufens vereinzelt Spalten, die man immer wieder mit frischem Erzgrus zuschütten muss.
§ 126 F o r t s e t z u n g . Wenn der Erzhaufen von allein auskühlt oder absichtlich gelöscht wird, schlägt man ihn mit Spitzhaken und Brechstangen auseinander und trennt die gut abgebrannten von jenen, die noch nicht genügend abgebrannt
81 Die angegebene Zahl scheint nicht korrekt, da bei einer Ofengröße von ca. 5–7 m3 (vgl. § 124) erheblich weniger Erz (+ Holz) Aufnahme fände. Sollte er Pfund gemeint haben (möglicherweise ein Übertragungsfehler), ginge die Rechnung auf.
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sind. Als Merkmal des gut getemperten Erzes gilt dessen blaue Anlauffarbe, insbesondere wenn die Oberfläche etwas angeschmolzen ist. Jedoch müssen diejenigen Erzblöcke, die immer noch etwas rötlich aussehen, weiterhin getempert werden – insbesondere, wenn es um Kupfer- und Eisenerze geht, die fast immer ordentlich getempert werden müssen. Beim abermaligen Tempern in kleineren Haufen geht man genauso vor wie beim ersten Mal. Manchmal muss man das ungenügend abgebrannte und aussortierte Erz ein drittes, viertes oder gar fünftes Mal tempern. Zwischen die Eisenerzbrocken schichtet man dann kalte Holzkohle ein und bedeckt den Erzhaufen oben mit einer eine Mannsspanne starken Schicht von zerbröckeltem Kalkstein. Dieser begünstigt, mit dem Eisenerz vermischt, nach dem Tempern dessen Schmelzen. Eisenerze, die von Natur aus solchen weißen Kalkstein enthalten, brauchen keinen Zusatz mehr. Und obwohl manche Erze überhaupt keinen Schwefel enthalten, müssen sie trotzdem getempert werden, damit sie sich leichter schmelzen lassen.82 In Schweden und in manchen anderen Ländern tempert man die Eisenerze lediglich einmal. Für das Tempern von Bleierz muss der Ofenboden stark nach vorn geneigt sein, damit die geschmolzenen Elemente zur Ofenmündung abfließen können. Das Brennholz legt man in diesen Öfen nicht unter, sondern auf den Erzhaufen.
§ 127 W i e s a m m e l t m a n d e n S c h w e f e l . Den beim Tempern anfallenden Schwefel sammelt man folgendermaßen: 1. Man richtet beim ersten Tempern auf dem Erzhaufen einige Mulden ein, eine Mannsspanne tief und breit, und wenn der Schwefel durch die starke Glut aus den Erzen entweicht und sich in diesen Mulden ansammelt, gibt man ihn mit einem Schöpflöffel in Töpfe oder irgendein anderes Gefäß. 2. Über dem Ofen errichtet man einen niedrigen Schuppen mit einem dichten Dach, dabei wird eine Seite tiefer angesetzt als die andere. An der höheren Wand befestigt man ein Ablagebrett und stellt darauf mit Wasser gefüllte Kübel oder Schalen, so dass sich der schwefelhaltige Dampf, der beim Tempern entsteht, in dem Wasser absetzen kann. 3. Um den Schwefel aus dem Pyrit bzw. Schwefelkies herauszulösen, baut man besondere, mit Gitterrosten versehene Öfen, auf die man Erzbrocken legt und mit Kohle abdeckt. Unter die Roste stellt man mit Wasser gefüllte Töpfe, so dass der durch die Hitze flüssig gewordene Schwefel hinein tropfen kann.
82 Getempert wurden auch Eisenspat, Braunspat und Magnetit.
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4. Um den Schwefel explizit und möglichst gut sammeln zu können, baut man Öfen A-B-C mit fünf Öffnungen (Fig. 31), von denen H, I, K oben und L und M unten angeordnet sind; von den oberen sind die seitlichen H und K deutlich breiter als die mittlere. Der Boden des mittleren Ofens wird mit Ziegelsteinen ausgelegt; in die beiden seitlichen sind stattdessen eiserne Gitterroste eingebaut, auf die man reichhaltige Schwefelerzbrocken legt. Dann werden beide Mündungen mit eisernen Klappen fest verschlossen und mit Ton abgedichtet. Den mittleren Ofen heizt man ordentlich an, und in die unteren Ofenmündungen L und M stellt man mit Wasser gefüllte Töpfe. So werden die Erze in beiden seitlichen Öfen durch die Glut des mittleren erhitzt und getempert, und der herausgelöste Schwefel fließt durch die Roste nach unten in die beigestellten Töpfe.
2 Über das Ausschmelzen von Metallen zu Barren § 128 S c h m e l z ö f e n . Einige vergesellschaftete Erze, insbesondere von Gold, Silber, Kupfer und Blei, werden zunächst in extra dafür errichteten besonderen Schmelzöfen zu Blöcken ausgeschmolzen, wobei Eisen- und Zinnerz bereits vorher entfernt wurden, da sie den Genannten beim Schmelzen zuwider sind. Diese Öfen werden wie folgt aufgebaut (Fig. 32): Als Erstes errichtet man inmitten der Schmelzhütte eine zwei Sažen hohe und lange Mauer, zweieinhalb Fuß dick und in ihrer Länge der Anzahl der Öfen entsprechend. An diese Mauer werden vier, sechs, manchmal auch acht Öfen angebaut. Üblicherweise sind sie innen fünf und von der Vorderwand bis zur hinteren mehr als sechs Mannsspannen breit. Die Vorderwand ist ein Ziegel stark und fünf Fuß hoch, die seitlichen sind etwas höher als sechs Fuß und fast einen Aršin dick. Meist mauert man diese Öfen aus weicheren Feldsteinen ohne Spalten und Risse; denn die harten und rissigen können der Hitze nicht widerstehen, sie reißen also in der Glut. Die Öfen werden durch einen Gang, einen Aršin breit, voneinander getrennt, so dass die Schmelzer hindurchgehen können. Oben enden die Öfen mit einem Ziegelmantel und in einem Schornstein. Die Öfen stehen voneinander sechs Fuß entfernt, damit die Schmelzer bei der Arbeit durch die Hitze nicht zu sehr behindert werden. Die Ofenmaße sind allerdings nicht in allen Orten gleich, unterscheiden sich also sehr oft in den verschiedenen Schmelzhütten. In der Vorderwand lässt man unten eine viereckige Öffnung frei, drei Mannsspannen breit und anderthalb Mannsspannen hoch, damit man nach dem Metallabstich ein Loch – höher oder tiefer, je nach Beschaffenheit des Erzes – einschlagen und die Ziegel aus der Öffnung herausbrechen kann. So lassen sich
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die restliche Kohle sowie die Schlacke herauszuholen, ohne dabei die ganze Vorderwand zu beschädigen. Auch in der starken hinteren Wand lässt man – genau gegenüber der vorderen – eine Öffnung frei, allerdings etwas höher, drei Mannsspannen breit und etwa einen Aršin hoch, um dort den Blasebalg einzuführen. Den ganzen Ofen verputzt man glatt mit Lehm. Bevor man die Öfen baut, schachtet man ein bis zwei Aršin tiefe Untergruben oder Kanäle aus, etwa drei Mannsspannen breit. Diese legt man mit Ziegeln aus, bereitet also ein Fundament, so dass die Feuchtigkeit beim Erhitzen nicht aus dem Boden in den Ofen ziehen und auf diese Weise das Schmelzen behindern kann – eher fließt sie aus diesen Kanälen in dünnen Rinnsalen ab oder verdampft durch dünne Eisenrohre, die seitlich unter dem Ofenboden verlegt sind. Diese Kanäle werden stellenweise mit Steinen abgedeckt, so dass man sie bei Bedarf wegnehmen und die Kanäle reinigen kann.
§ 129 F o r t s e t z u n g . Auf das Fundament des unten eingebauten Kanals schüttet man im Inneren des Ofens zerstampfte und mit trockenem Sand vermischte Schlacke. Drauf legt man etwas angefeuchteten Lehm, vermengt mit einem Drittel zerstampfter Kohle,83 und verfestigt das alles mit einem runden Holzstößel oder einem runden Stampfer, so dass es ganz dicht wird. Dieser Boden muss etwas hohl sein und eine nach vorn geneigte Vertiefung für schwer schmelzende Erze besitzen. Für leicht schmelzende ist er jedoch etwas flacher oder gar ganz gerade, also horizontal. Der Abstand zu dem Loch in der hinteren Wand, das für das Gebläse vorgesehen ist, sollte einen Aršin oder etwas mehr betragen. Die an der Vorderwand verbliebene viereckige Öffnung setzt man mit Ziegelsteinen zu und verputzt sie dicht mit Lehm. Dabei lässt man – je nach Erzsorte – ganz dicht am Boden oder manchmal auch etwas höher ein ca. zwei oder drei Djuim breites, rundes Loch – das Auge – stehen. Dieses putzt man mit Schrot zu, also mit dem oben erwähnten Lehm und zerstampfter Schlacke unter Zuhilfenahme eines etwa eine Mannsspanne langen Holzklotzes. Etwa drei Finger oder etwas mehr unter diesem Auge richtet man eine Grube oder einen Vorherd ein, etwa einen Aršin breit und anderthalb Mannsspannen tief, legt diese mit dem Gemisch von zerstampfter Schlacke und Lehm aus und verfestigt sie mit runden dicken Holzstößeln oder Stampfern, so dass bis zu drei Pud der Schmelze hineinpassen.
83 Der Hüttenmann nennt dieses Gemisch Gestübbe.
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Direkt daneben, jedoch etwas tiefer gelegen, wird im Boden der Schmelzhütte eine zweite Grube – Stichherd genannt – angebracht. Sie wird mit Ziegelsteinen ausgelegt, mit Lehm verputzt und soll etwa dreiviertel Aršin breit und eine Mannsspanne tief sein. Beide Gruben werden durch ein Loch verbunden, ähnlich dem in der Vorderwand des Ofens. Manche Öfen baut man so, dass deren Boden bis zur Hälfte nach vorn herausragt und durch ein Auge in der Vorderwand beide Ofenhälften – also die innere und die äußere – miteinander verbindet. Beide oben beschriebenen Gruben, der Vorherd sowie der Stichherd, müssen vor dem Schmelzen erst einmal hinreichend mit Kohle ausgebrannt werden, damit innen keine Feuchtigkeit zurück bleibt; sonst würde nämlich das zerfließende Metall heftig zerspratzen und den Schmelzern möglicherweise Schaden zufügen.
§ 130 B l a s e b ä l g e . Hinter die hohe Mauer, an der die Öfen angebaut sind, stellt man mehrere große Blasebälge (Fig. 33), an jeden Ofen jeweils zwei. Üblicherweise sind sie etwa eine Sažen lang und hinten zwei Aršin, vorn einen Aršin breit. Deren beide Hälften, die untere sowie die obere, sind aus breiten und dicken Brettern gezimmert, wobei die schmalen Seiten mit Eisenstreifen an einer Vierkantholzbohle befestigt werden, die der Größe der Bretter entspricht – genauer gesagt, einen Aršin breit und anderthalb bis zwei Sažen lang. In dieses Vierkantholz wird ein Loch gebohrt und ein Kupferröhrchen fest eingedrückt, drei Djuim breit und etwa einen Aršin lang, auch größer. Zwischen beiden Brettern werden am Ende der erwähnten Holzbohle drei Halterungen befestigt, je drei Djuim dick. Die Breite der Halterungen entspricht der Länge der Bretter. An diese Halterungen wie auch an die Bretterränder nagelt man beiderseits dickes Rindsleder an. Man nimmt dafür Nägel mit breiten Köpfen, damit diese auf den Riemen, die das Rindsleder an den Bretterrändern und Haltern fixieren, flach zu liegen kommen. Die mit einer Öse versehene Lasche für das Einziehen der Luft befestigt man am oberen oder am unteren Brett und beschlägt diese oder die Ösenränder mit weichem Leder oder Stoff. Am hinteren Ende des oberen Brettes wird ein starker Bolzen oder Griff angebracht (Fig. 34). In manchen Ortschaften macht man die Blasebälge nur aus Holz, also ohne Verwendung von Leder. Sie bestehen dann aus zwei Holzkästen; der untere steht fest und der obere fährt auf und ab, wobei der untere genau in den oberen hineinpasst. Dazwischen dürfen nur ganz schmale Spalten sein, damit die Luft nicht entweichen und der obere am unteren an den Innenwänden hin- und hergleiten kann.
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§ 131 D e r e n B e w e g u n g . Der Blasebalg wird durch ein Wasserrad in Bewegung gesetzt, auf dessen Welle dicke Daumen befestigt sind, die den Balken antreiben, der unter dem Blasebalg liegt und zwischen den Pfählen so befestigt ist, dass das eine Ende sich mal nach oben und mal nach unten bewegen kann. Das Ende dieses Balkens wird mit Ringen und Eisenhaken an dem dicken Zapfen befestigt, der mit dem oberen Blasebalgbrett verbunden ist. Über dem Blasebalg werden Hebeböcke mit angehängten Schwenkhebeln angebracht, die an einem Ende mit den Zapfen des Gebläses durch Ketten oder Haken verbunden sind, am anderen Ende werden ein schwerer Stein oder eine Kiste voller Steine angehängt. Wenn also die Antriebswelle mit ihren Daumen den Balken antreibt und nach unten zieht, dann wird der Blasebalg zusammengepresst. Und nachdem der Kopf des Daumens bei dessen Fortbewegung abrutscht, zieht der am anderen Ende angehängte Stein mit seinem Gewicht die Schwinge nach unten und richtet somit den Blasebalg wieder auf. In das Fenster, das in der hinteren hohen Mauer eingebaut ist, wird ein Kupferrohr eingemauert, mit Ziegelsteinen ummantelt und mit Lehm dicht verputzt; dieses Rohr nennt man Nase, sie ist am Blasebalg breit, verjüngt sich jedoch in Richtung Ofeninneres deutlich. In dieses Rohr führt man das Gebläserohr hinein. Beim Einsatz leicht schmelzender Erze baut man dieses Rohr tiefer ein, bei schwer schmelzenden höher; denn der Ofenboden liegt bei ersteren tiefer und bei letzteren höher.
§ 132 S c h m e l z e n . In den auf diese Art und Weise eingerichteten Öfen werden Metalle aus den Erzen zu Gussblöcken geschmolzen – insbesondere von Gold, Silber, Blei und Kupfer, und zwar in vier verschiedenen Verfahren. Das erste Verfahren verwendet man für das Schmelzen von reichen Gold- und Silbererzen, das zweite ist für die mittleren Erze gut geeignet, das dritte für die armen und das vierte für Erze, die reich an Blei und Kupfer sind, aber ganz wenig bis gar kein Gold oder Silber enthalten. Beim ersten Verfahren muss das Auge der Vorwand des Ofens für längere Zeit abgedichtet bleiben. In den anderen drei Fällen muss es stets offen bleiben, damit die geschmolzene Masse aus dem Ofen problemlos herausfließen kann – wovon ich später für jeden einzelnen Fall ausführlich berichten werde. Wenn man die reichen Erze nach dem ersten Verfahren schmelzen will, beginnt man bereits in der ersten Morgenstunde mit der Arbeit. Dazu heizt man den gefüllten Ofen mit Kohle an; dazu gibt man zunächst glühende Kohle durch die Form zwischen den Röhren und dem Gebläse hinein und facht das Feuer im Ofen allmählich weiter an. Damit das Gebläse nur mäßig wirkt, muss man nicht alles Wasser auf einmal aus der Rinne auf das Wasserrad fließen lassen. Wenn in
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diesem Ofen die Erze bereits einen Tag vorher geschmolzen wurden, so wird dieser viel eher heiß als wenn er für längere Zeit kalt gestanden hat. Danach legt man alte Abschmelze und Abbrände hinein, die nach dem Schmelzen durch das Auge in den davor eingerichteten Vorherd fließen. Wenn dies vollzogen ist, stopft man das Auge mit Lehmschrot zu, nimmt die Schlacke aus dem Vorherd mit einer Eisenzange heraus und legt sie zur Seite. Sollten an Gold und Silber reiche Erze geschmolzen werden, so schichtet man im Ofen über der Kohle einhundert Pfund Blei auf; bei nicht sehr reichen Erzen jedoch nur die Hälfte. Um das Blei schneller zu schmelzen, fügt man glimmende Holzscheite hinzu. Dann legt man entsprechend der Erzmenge alte Abbrände auf, aus denen Gold oder Silber nicht ganz ausgeschmolzen worden ist und die sich normalerweise während des Schmelzens zwischen den geschmolzenen Metallen am Boden und bei mäßigen Abbränden oben befinden. Darauf schüttet man zwei Schurren Erz, mit Glätte vermischt, das heißt, mit dem Blei, das zu Glas geschmolzen wurde, und mit Fluss – wie im § 136 beschrieben. Zuletzt folgt die Kohle. Dies alles deckt man mit den Abbränden der zuvor geschmolzenen Erze ab. Wenn der Ofen auf diese Art und Weise befüllt ist, facht man das Feuer sachte an. Dabei soll man die Erze und Abbrände nicht zu dicht an die hintere Wand des Ofens legen, damit sie das Gebläse nicht verstopfen und dessen Luftstrom nicht behindern, der die Kohle entflammen soll. Die obere Kohleschicht muss der Schmelzer etwas mit Wasser befeuchten, damit sich das fein zerbröckelte Erz darauf absetzen kann und nicht von der Flamme und heißer Luft aus dem Ofen hinausgeblasen wird. In den Vorherd legt man etwas Blei, und wenn dieses durch die Hitze des Ofens zu schmelzen beginnt, öffnet man das Auge in der Vorwand des Ofens, indem man den Lehmstopfen mit einem spitzen Stemmeisen entfernt. Nun fließt durch dieses Auge die ganze geschmolzene Masse in den Vorherd hinein, und die flüssigen Metalle verbinden sich darin mit dem flüssigen Blei. Die Abbrände schwimmen jedoch oben, während sich die Metalle davon trennen und zu Boden sinken. Der Schmelzer lässt die ganze Masse aus dem Ofen fließen und verstopft danach das Auge in der Vorwand wieder mit dem Lehmschrot, zieht die Schlacke mit einem Haken von oben ab und legt sie gesondert zur Seite. Das heißt, die obere, nur ganz wenig Metall führende, die mittlere mit etwas mehr Metall, und die untere, stets reich an wertvollen Metallen, werden jeweils gesondert abgelegt, damit man sie beim nächsten Mal wieder zum Schmelzen einsetzen kann und dabei je nach Sorte mehr oder weniger Blei hinzufügen muss. Das heißt also, je mehr Metall enthalten ist, desto mehr Blei muss hinzugefügt werden – entsprechend weniger Blei bei ärmeren Massen. Die aus der Aufnahmegrube geholten Abbrände, die nur noch ganz schwach riechen, beinhalten wenig Metall, und die nach gar nichts riechen, enthalten gar kein Metall mehr.
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§ 133 F o r t s e t z u n g . Gold- und silberführendes Blei belässt der Schmelzer im Vorherd und befüllt den Ofen wieder wie oben beschrieben mit Abbrand, Erz, Blei und Kohle, lässt alles etwa eine Viertelstunde schmelzen, öffnet das Auge, lässt die geschmolzene Masse in den Vorherd fließen, zieht die Schlacke ab, wobei die Metalle darin bleiben. Die ganze Arbeit wiederholt er so oft, bis eine gewisse Menge an Metall geschmolzen und sein acht Uhr endendes Arbeitssoll erfüllt ist – vorausgesetzt, das Erz ist reichhaltig. Sollte das Erz jedoch arm sein, so braucht er mehr Zeit dafür. Die reichsten Erze erfordern allerdings keine acht Stunden, um den Vorherd zu füllen. Wenn alles vorbereitete Erz verbraucht ist, schüttet der Schmelzer eine Schurre voll Glätte in den Ofen, damit das restliche Metall aus den Ecken und Spalten im Ofen damit verschmelzen und herausfließen kann. Nachdem die letzten Abbrände abgezogen worden sind, holt er das mit Gold und Silber verschmolzene Blei mit einem eisernen Schöpflöffel aus dem Vorherd und verteilt es in die von innen mit Ton verputzten und trockenen Eisentöpfe, die drei Mannsspannen breit und drei Djuim tief sind. Sobald die Gussblöcke ausgekühlt sind, wiegt man sie mit einer festen, mit Eisen beschlagenen Waage ab. Den unteren Teil des Ofens, der extra für das Auge gefertigt wurde, bricht man heraus, holt aus dem Ofen die restliche Kohle und kratzt mit dem Schlackenhaken die in den Ecken und an den Innenwänden verbliebene Schlacke heraus. Dieses Verfahren ist für das Ausschmelzen von reichen Goldund Silbererzen insbesondere in Ungarn und Böhmen verbreitet. Sein Vorteil besteht darin, dass Gold und Silber aus den Erzen von dem der Schmelze beigefügten Blei aufgenommen werden, was man mithilfe der anderen drei Verfahren fast nie erreichen kann.
§ 134 A n d e r e S c h m e l z v e r f a h r e n . Arme Gold- und Silbererze werden bei offenem Auge geschmolzen, so dass die geschmolzene Masse ununterbrochen aus dem Ofen in den Vorherd fließen kann. Dieses Auge muss allerdings etwas schmaler sein als diejenigen im ersten und vierten Ofen. Die geschmolzene Masse wird verdeckt aus dem Ofenboden direkt zum Vorherd geführt. Nachdem die Masse in den Vorherd geflossen ist, zieht man mit einem Schlackenhaken die Schlacke ab und lässt das geschmolzene Metall in den Stichherd abfließen, aus dem man es dann mit einem eisernen Schöpflöffel in eiserne Töpfe umfüllt. Die mit Wasser abgekühlten Abbrände werden wieder in den Ofen hineingegeben, damit das restliche Metall daraus ausgeschmolzen werden kann. Bei diesem Verfahren gibt man kein Blei hinzu, lediglich noch etwas Schmelzkies, milder Fluss, Glätte und andere Schmelzmittel – je nach der Art der Erze.
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Erze mittlerer Güte schmilzt man in Öfen, deren Boden in derselben Ebene liegt wie der Vorherd. Sie sind miteinander durch das Auge in der Vorwand des Ofens verbunden, so dass die geschmolzene Masse dadurch zuerst auf den äußeren Teil des Bodens fließt. Von hier entfernt man die Abbrände und lässt die geschmolzenen Metalle wie zuvor in den Stichherd hineinfließen. Bei einer derartigen Verfahrensweise fügt man den Erzen neben anderen Schmelzmitteln auch etwas Blei hinzu. Gemische von Kupfer- und Bleierz, die nur ganz wenige bis gar keine Edelmetalle enthalten, werden in ähnlichen Öfen geschmolzen. Diese sind allerdings größer als die anderen, so dass darin zugleich mehr Metall geschmolzen werden kann – was im Vergleich zum Schmelzen in kleineren Öfen preiswerter ist. Diese Öfen haben ebenfalls einen Vorherd sowie einen Stichherd, und das Schmelzen erfolgt fast genauso, wie für die ersten drei Öfen beschrieben. Der einzige Unterschied besteht aber darin, dass das Schmelzen ohne jegliche Unterbrechung drei Tage dauert. Das Auge in der Vorderwand bleibt offen und ist etwas breiter. Blei wird nicht hinzugegeben, die anderen Schmelzmittel aber schon, wie Fluss, Sand, helles Bleierz oder weißer Kies, Kalk u.a. Bevor man die ausgeschmolzenen Metalle aus dem Vorherd in den Stichherd fließen lässt, führt man in diese einen Eisenhaken ein. Dieser bleibt im Guss beim Abkühlen fest stecken, so dass man ihn mit einem Hebel anhaken und herausnehmen kann.
§ 135 A n m e r k u n g e n u n d B e s o n d e r h e i t e n b e i m S c h m e l z e n . Da an verschiedenen Orten unterschiedliche Erze vorkommen, gemischt mit verschiedenen Bergarten und in unterschiedlichen Verhältnissen, ist es unmöglich, all diese Mischungen genau zu beschreiben – wie sich auch keineswegs allgemein gültige Regeln aufstellen lassen. Für erfahrene Schmelzer gilt zunächst, das vorgefundene Erz auf unterschiedliche Art und Weise zu schmelzen und daraufhin dasjenige Verfahren auszuwählen, welches das meiste Metall ergibt und somit am vorteilhaftesten ist. So erfährt man auch, welche Erze leicht schmelzen, welche im Feuer lange hart bleiben und der Hitze widerstehen, welche Zusätze erforderlich sind, wann das Gebläse einzusetzen ist und ob stark oder gelinde angeblasen werden muss. Wenn das Feuer im Ofen an einer Seite stärker ist, so schüttet man dorthin etwas mehr Erz, so dass die Hitze im Ofen gleichmäßig verteilt wird. Die leicht schmelzenden Erze legt man an die vordere, die schwer schmelzenden an die hintere Wand; auf diese Weise können sie nicht zu früh – also noch bevor eine ordentliche Menge an Metall ausgeschmolzen worden ist – durch das Auge in den Vorherd fließen. Am leichtesten lassen sich die Silbererze schmelzen, insbesondere das Rotgültigerz sowie das weiße und das durchsichtige oder Hornerz, die man alle
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ohne zu tempern schmelzen kann. Ihnen folgen das helle, weiße, rote und grüne Bleierz. Auch die Kupfererze – wie Lasur-, Grün- und Kupferschiefererz – erfordern keine allzu große Hitze zum Schmelzen, ebenso wie auch Quarz. Gelber Kies, Kobalt- oder Arsenfahlerz, Hornblende, Grus oder Kiessand, Wolfram, Wismut, Markasit oder Pyrit, Katzengold, Eisenerze und Glimmer widerstehen im Gegensatz zu den oben genannten Erzen in erheblichem Maße der Glut des Schmelzfeuers. Und vermischt man sie mit leicht schmelzenden Erzen, so werden auch diese schwerschmelzend, so dass man verschiedene natürlich vorkommende Flussspäte oder andere Schmelzmittel hinzufügen muss. Von einer derartigen Mischung aus Flussspäten und bestimmten Erzen setzt sich im Ofen zwischen den Ziegelsteinen eine bestimmte harte, steinähnliche, graugelbe Substanz ab, die man Galmei nennt; denn sie ähnelt dem reinen Galmei in fast allen seinen Eigenschaften. Sie zeigt auch beim Herstellen des Schüsselkupfers dieselben Eigenschaften, das heißt, sie verleiht ihm die gelbe Farbe. Auf so eine Weise findet man in den Spalten zwischen den Ziegelsteinen in den Schmelzöfen auch das Halbmetall Zink, das im ersten Teil (§ 11) beschrieben worden ist. Ob dieses Halbmetall als solches im Erdreich vorkommt oder nicht, ist noch ziemlich ungewiss. Die oben beschriebenen Substanzen findet und gewinnt man insbesondere im Harzgebirge.
3 Über das Scheiden von Metallen aus spezifischen Erzen § 136 D a s S c h e i d e n v o n G o l d e r z e n . An einigen Orten im Gebirge sind Erzgänge zu finden, die lediglich Erze eines einzigen Metalls führen – diese Erze erfordern eine besondere Art des Schmelzens. Obwohl das Gold fast immer gediegen vorkommt, ist es oft in solch kleinen Mengen und Körnchen mit Sand vermischt oder im Gestein eingewachsen, dass man es nur noch mithilfe eines Mikroskops erkennen kann. Deswegen sind bestimmte, ganz spezielle Verfahren erforderlich, um es von Sand und Gestein abzutrennen. Von all diesen Verfahren gelten folgende drei als die besten: Beim ersten verwendet man Quecksilber, beim zweiten starkes Königswasser, das dritte Verfahren ist das eigentliche Schmelzen. Das erste Verfahren, das grundsätzlich eher zum Klauben der Erze gehört, wurde im ersten Kapitel dieses Teils ausführlich beschrieben. Das für das zweite Verfahren benötigte Königswasser stellt man aus starker reiner Salpetersäure und reinem Salz her, wie im vierten Teil beschrieben. Man nehme so viel wie erforderlich von der erwähnten Salpetersäure und gebe ein Viertel von deren Gewicht an reinem Kochsalz hinzu. Diese Mischung destilliere man dann bei leichtem Feuer aus der Retorte in den Rezipienten ab, und zwar so lange, bis die Mischung in der
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Retorte zu dampfen aufhört. Das auf diese Art hergestellte Königswasser ist etwas gelblich und kann das Gold auflösen. Schließlich streut man das fein gemahlene oder zerstoßene Golderz in Glasgefäße und stellt diese in einen mit Sand versehenen flachen Topf, der auf ein glimmendes Feuer gestellt wird, so dass das Königswasser sich erwärmt, aber nicht kocht. Man erhitzt das Erz so lange in diesem Königswasser, bis keine kleinen Luftblasen mehr aus dem Erz aufsteigen. Dann gießt man das Königswasser ab und schüttet es in ein anderes Glasgefäß mit Golderz, wiederholt dies unter Umständen auch ein drittes Mal, bis das Königswasser mit Gold gesättigt ist. Das angereicherte Königswasser gießt man dann in eine Retorte und destilliert es für den weiteren Gebrauch ab. Die in der Retorte verbliebene spröde gelbe Goldsubstanz vermischt man im Schmelztiegel mit Pottasche oder mit Schwarzem Fluss und schmilzt beides so lange, bis sich das Feingold am Boden abgesetzt hat und die vom Königswasser übrig gebliebene ätzende Materie von der Pottasche und vom Schwarzen Fluss aufgesogen worden ist. Beim dritten Verfahren, das heißt beim Schmelzen, wird das Gold unter Beimischung von unterschiedlichem Fluss in großen Schmelztiegeln von Sand und Gestein getrennt. Am sichersten sowie am preiswertesten ist es jedoch, das Gold mithilfe von Quecksilber abzutrennen, da bei dieser Arbeit – abgesehen von etwas Kohle – so gut wie kein Verlust entsteht.
§ 137 D a s R a f f i n i e r e n v o n G o l d m i t h i l f e v o n A n t i m o n . Das aus Erz ausgeschmolzene Gold beinhaltet fast immer einen kleinen Anteil oder Spuren von anderen Metallen, insbesondere von Silber oder Kupfer, weswegen man es auch mithilfe von Antimon oder Zement84 abtrennen kann. Dazu nimmt man die doppelte oder dreifache Menge Antimon (im Verhältnis zu Gold), gibt diese in einen erhitzten Tiegel und stellt diesen in einen Schmelzofen. Dann gibt man das Gold hinein, das zuvor in dünne Scheiben geschlagen und klein geschnitten worden ist. Nach etwa einer halben Viertelstunde nimmt man den Tiegel aus dem Schmelzofen und kippt das mit Antimon verschmolzene Gold in ein starkes Kupfergefäß mit zugespitztem Boden m (Fig. 24),85 das zuvor erwärmt und innen mit Kerzentalg ausgeschmiert worden ist. Sobald das Gold mit dem Antimon in diesem Gefäß fest geworden ist, dreht man es mit dem Boden nach oben und
84 Zum Begriff Zement s. u. 85 Die Figur 24 zeigt das spitze Gefäß (hüttenmännisch auch Gießbuckel genannt) auf dem Tisch, allerdings ohne die Bezeichnung m.
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schlägt mit einem Hammer darauf, so dass die darin eingegossene Substanz herausfällt. Das spitze Ende besteht aus dem harten Anteil von Antimon, genannt Regulus, das andere weite Ende aus Schwefel und der vom Gold abgetrennten restlichen Substanz, die sich leicht von dem harten Teil abschlagen lässt. Diese Substanz, die immer noch etwas Gold enthält, vermischt man mit der gleichen Menge Antimon und schmilzt sie zum zweiten Mal, gießt sie wiederum in das Gefäß m um, lässt sie erkalten und schlägt das Schwefelende ab; dies wiederholt man zwei- oder dreimal. Danach schmilzt man den Regulus mit dem in ihm enthaltenem Gold in einem flachen Schmelztiegel. Dabei bläst man leicht, aber ununterbrochen, mit dem Blasbalg auf die geschmolzene Substanz, und zwar so lange, bis der Regulus sich vollständig in der Luft aufgelöst hat und im Schmelztopf nur noch das Feingold übrig geblieben ist. Das auf diese Art und Weise raffinierte Gold enthält keine anderen Metalle mehr, auch nicht die geringste Spur davon; denn das Antimon nimmt alle Metalle und Minerale mit und verteilt sie in der Luft. Allerdings darf man in diesem Verfahren nicht zu viel Gold auf einmal raffinieren, denn das Antimon zerfrisst sogar die Schmelztiegel und nimmt einen Teil des Goldes mit in die Luft – insbesondere, wenn eine beträchtliche Menge an Gold raffiniert werden soll und der Ofen zu stark angefeuert wird. Deshalb ist es vorteilhafter, das Gold in größeren Mengen mithilfe von Zement zu raffinieren.
§ 138 W i e r a f f i n i e r t m a n G o l d m i t h i l f e v o n Z e m e n t . Hierzu empfiehlt sich folgende Vorgehensweise: Man nimmt so viel wie nötig von weißgebranntem Stiefelvitriol, die doppelte Menge an Kochsalz und das Vierfache an zerstoßenem, weichem, nicht zu sandigem Ziegelstein; also zum Beispiel: ein halbes Pfund Vitriol, ein Pfund Salz und zwei Pfund Ziegelstein. Dies vermischt man sorgfältig und feuchtet es leicht mit Urin oder starkem Essig an – und schon ist der Zement fertig. Manche fügen noch etwas Salpeter, Grünspan und Salmiak hinzu. Das Gold schlägt man feinblättrig flach. Dann nimmt man einen flachen Topf und schüttet fingerbreit Zement hinein, legt darauf die zuvor abgenommenen und mit Urin befeuchteten Goldblättchen – ein Blatt neben dem anderen in nur einer Schicht –, streut darauf wiederum Zement, und zwar fingerdick. Im Wechsel von mehreren Zementschichten und Gold befüllt man den Topf, legt den Deckel darauf und dichtet den Topf mit Lehm ab, so dass keine Luft entweichen kann. Nun stellt man den Topf in den Zementofen, der unten einen Aršin lang sowie tief, oben jedoch etwas schmaler und etwa drei- oder zweiviertel Aršin hoch ist. Im unteren breiten Teil des Ofens befinden sich vorn zwei Augen A und B (Fig. 35), das eine etwas höher, das andere tiefer. Im Innern werden die Ebenen durch Eisenstäbe voneinander abgetrennt, so dass Asche und kleine Kohlestück-
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chen aus dem oberen Teil des Ofens in den unteren hindurchfallen können. An allen vier Seiten finden sich auf je einem Vorsprung Abzugslöcher D-D und oben mit E ein weiteres, etwa einen Finger breit. Der ganze Ofen kann mit einem Deckel zugedeckt werden. Nachdem man den Topf mit Zement und Gold auf die Eisenstäbe gestellt hat, legt man darauf rundherum heiße Kohle und schüttet danach so viel kalte Kohle hinzu, bis der Ofen voll ist. Dann verschließt man den Deckel sowie das Auge A. Sobald die Kohle im Ofen entzündet ist, muss man den ganzen Sonnentag über eine gleichmäßige Glut aufrechterhalten. Die Glut wird mithilfe der Abzugslöcher reguliert, denn falls das Feuer zu heftig brennen sollte, stopft man davon zwei oder drei Löcher zu; sollte jedoch die Hitze nachlassen, öffnet man auch alle auf einmal. Die Glut sollte so heiß sein, dass das Gold nicht schmilzt und der Tiegel in der Glut lediglich dunkelrot anläuft. Nachdem ein ganzer Tag verstrichen ist, wird der Ofen abgekühlt, das Gold aus dem Zement herausgeholt, in Urin gekocht und mit Wasser abgespült. Sollte es immer noch nicht fein genug ausgebrannt sein, legt man es – wie oben beschrieben, in Zement eingeschichtet – nochmals in den Ofen und behandelt es wie vorher, bis es ganz fein wird.
§ 139 W i e t r e n n t m a n d a s S i l b e r v o m E r z . Silbererze werden meist unter Hinzufügung anderer Metalle geschmolzen, wie in den §§ 133 und 134 ausführlich dargestellt. An einigen Orten löst man Silber aus den Erzen mithilfe von Quecksilber heraus, also wie man gleichermaßen mit Gold verfährt – so zum Beispiel in Amerika, im Königreich Peru, Provinz Potosí. Allerdings ist diese Methode – analog derjenigen, wo starke Säuren oder Königswasser Einsatz finden – viel besser für die Gewinnung von solchem Feinsilber geeignet, das man als feine Beimengung in Sand oder Gestein findet, als es im Gegensatz dazu aus den Mischerzen herauszulösen, die neben Silber auch Schwefel oder Arsen enthalten. Denn Quecksilber kann nämlich solches Silber nicht aufnehmen, das mit Schwefel oder Arsen vermischt ist. Zwar löst das Königswasser – nachdem Schwefel und Arsen verbrannt sind – fast das ganze Silber auf; dabei geht aber sehr viel davon verloren, so dass eher nachteilig ist, das Silber aus den Erzen auf diese Art und Weise abzutrennen.
§ 140 W i e s i n d B l e i - u n d Z i n n e r z e z u s c h m e l z e n . Bleierze werden in den üblichen Schmelzöfen nach dem dritten Verfahren geschmolzen, wobei das Auge in der Vorwand des Ofens immer offen bleibt. Das Bleierz lässt sich auch in Sonderöfen schmelzen, versehen mit zwei Querwänden, je einen Aršin hoch, zwei
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oder zweieinhalb Aršin lang und mit einem Aršin Abstand zwischen den beiden Querwänden. Der Boden wird aus Lehm, vermischt mit fein gestampfter Kohle, gemacht und ist nach vorn geneigt. Am vorderen Rand der beiden Querwände wird ein runder und nicht sonderlich tiefer Tiegel angebracht, fast so breit wie der Abstand zwischen den beiden Ofenwänden. Quer über dessen Rand legt man zuerst nasses dickes Holz. Darauf kommt trockenes Holz, dann geröstetes Bleierz – zuerst das grob gestückelte, danach das feinere. Durch das angezündete Holz wird das Blei aus dem Erz ausgeschmolzen und fließt schließlich durch das Holz nach unten auf den geneigten Boden. Von da aus gelangt es in den Vorherd, woraus es mit Eisenkellen entnommen und in eine Eisenschüssel oder in Kästen befördert wird, die vorher mit Lehm ausgeschmiert und getrocknet wurden. Das Zinn wird in ähnlichen Öfen wie für Blei und Silber geschmolzen; deren Boden wird aus gestampfter Kohle gemacht, die mit einem Viertel Lehm vermischt ist. Das Erz sollte nicht zu klein zerstampft werden und nur leicht geröstet sein. In den Ofen gibt man keine metallhaltigen Minerale, sondern lediglich fettige Flüsse, wodurch das Erz bei heftiger Glut schmilzt.
§ 141 W i e s i n d S c h w a r z k u p f e r o d e r G u s s e i s e n a u s z u s c h m e l z e n .86 Nach dem Rösten – für schwefel- und arsenhaltige Erze ist dies erforderlich, für manche weiche Schiefererze jedoch nicht – wird das Kupfererz in Öfen geschmolzen, welche im § 132 beschrieben wurden. Vor deren Vorwand werden ein Vorherd und daneben ein Stichherd angebracht, und dem Erz gibt man ein Drittel der alten Kupferabbrände hinzu. Zuerst legt man glühende Kohle in den Ofen hinein, darauf schüttet man eine Portion Abbrand, dann ebenso viel Erz, auf dieses schüttet man dieselbe Menge an Kohle, und so geht es weiter – man gibt also kontinuierlich in den Ofen Abbrände, Erz und Kohle hinein. Sobald der Vorherd mit der geschmolzenen Masse voll ist, zieht man die Abbrände von der Oberfläche ab, lässt das geschmolzene Rohkupfer in den Stichherd fließen und auskühlen. Und sobald es nicht mehr flüssig ist, gießt man Wasser darauf, um es vollkommen abzukühlen. Dabei muss man aufpassen, dass man das Wasser nicht
86 In diesem und den nachfolgenden §§ beschreibt Lomonosov diese Redox-Schmelzprozesse der oxidierten oder getemperten Kupfererze, die im Ergebnis eine Kupfer-Eisen-Legierung ergeben; bei der Teil-Oxidation der erhaltenen Legierung und dem weiteren Schmelzen wird die meiste Eisenmasse entfernt und von der Schlacke aufgenommen; die Fertigstellung erfolgt durch die Oxidation des Eisens in geschmolzenem Zustand mithilfe der auf die Oberfläche eingeblasenen Luft – der Vorbote des Bessemer-Verfahrens.
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auf das zu heiße Kupfer gießt, das heißt, wenn sich seine flüssige Konsistenz noch nicht ganz in eine feste verwandelt hat. Danach holt man den gelöschten Kupferstein am darin eingeschmolzenen Eisenhaken aus dem Stichherd heraus. Weil das Kupfer noch sehr unrein ist und ziemlich viel Anteil an Eisen und verschiedenen anderen Substanzen enthält, schlägt man diese runden Kupfersteine mit einem Hammer klein, ungefähr zur Größe eines Hühnereis. Danach brennt man die Steine dreimal, manchmal aber auch vier-, fünf- oder sechsmal in Öfen weiter, die außerhalb des Schmelzortes aufgebaut sind, nur drei Wände haben und 8 Fuß lang, 6 Fuß breit und 4 Fuß hoch sind. Auf den Boden legt man Holz, darauf schüttet man Kohle und gibt schließlich die zerschlagenen Kupfersteine auf; das Rösten dauert etwa eine Woche. Dann schlägt man die abgebrannte und ausgekühlte Substanz noch kleiner und brennt sie weiter ab, bis aus den Steinen an verschiedenen Stellen das Schwarzkupfer herauszusickern beginnt. Das auf diese Weise abgebrannte Schwarzkupfer schmilzt man dann in fast ebensolchen Öfen, nur soll deren Stichherd etwas größer sein. Beim Schmelzen legt man etwas von den alten Abbränden dazu, jedoch viel weniger als beim ersten Schmelzen. Aber auch nach diesem Schmelzen ist das Kupfer immer noch nicht fein genug, es sieht schwarz aus und ist brüchig; so ist also noch eine letzte Raffinierung erforderlich, die im Folgenden beschrieben wird.
§ 142 W i e r a f f i n i e r t m a n S c h w a r z k u p f e r. Nachdem das Silber vom Schwarzkupfer abgetrennt worden ist (dies wird im nächsten Kapitel erläutert), raffiniert man es in besonderen runden Tiegelöfen A (Fig. 36), zwei Aršin im Durchmesser und anderthalb Aršin tief. Das Gebläse stellt man so ein, dass die Luft direkt in der Mitte der Feuerstelle zugeführt wird. Diese Öfen werden aus einer Substanz gefertigt, die je zur Hälfte aus Kohle und Lehm besteht. Man verfestigt sie unter Einsatz von Stampfern, schmiert sie mit dünnflüssigem Lehm aus und bestreut sie dünn mit feinem Sand. Erst wenn der Tiegelofen trocken ist, schüttet man zwei bis drei reichlich gefüllte Portionen Kohle hinein und feuert sie an. Sobald es zur Glut kommt, gibt man 18 bis 20 Pud Schwarzkupfer hinzu und belegt dieses rundherum mit großen Kohlebrocken und facht dann das Feuer langsam mit dem Gebläse weiter an. Wenn die Form von der Schlacke verdeckt wird, muss man sie zwischen den Gebläserohren mithilfe eines eisernen Hakens säubern. Sobald das Kupfer schmilzt, verteilt sich die überflüssige Substanz kreisförmig am Oberflächenrand und verbrennt letztendlich vollkommen. Nach etwa drei Stunden, manchmal auch früher, prüft man, ob das Kupfer nun ganz rein ist, wofür man einen Eisenstab benutzt. Wenn das an ihm haftende Kupfer eine gute Farbe hat, sich leicht biegen lässt und nicht bricht, so bedeutet dies, dass es gar
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ist. Dann hört man auf, den Blasebalg zu betätigen, die Kohle wird abgezogen und der Staub weggeblasen. Inzwischen wird der letzte Anteil an Blei verbrannt, er verflüchtigt sich mit dem aufsteigenden Rauch, während die oberste Schicht des Kupfers zu einer Scheibe erstarrt, die mit einer Eisenstange abgelöst wird. Inzwischen erstarrt bereits die nächste Schicht der Schmelzoberfläche, die ebenso abgehoben wird. Auf diese Weise holt man das ganze Kupfer in runden Scheiben aus dem Ofen und kühlt sie jeweils mit Wasser ab. Diese Arbeit erfordert insgesamt etwa fünf Stunden. Dasselbe führt man manchmal auch in einfachen Schmelzöfen aus. Dann hebt man die raffinierten Kupferscheiben aus dem Stichherd heraus und legt sie in längliche Roheisenkästen. Während dieses Verfahrens verbrennen ca. 2 bis 4 Pfund an Schwarzkupfer eines Puds, bis es ganz rein ist.
§ 143 H o c h o f e n . Eisenerz wird in besonderen großen Öfen geschmolzen (Fig. 37), man nennt sie deshalb Hochöfen. Sie werden an einem trockenen und hohen Ort errichtet. Wie bei den anderen Öfen auch, wird als Fundament eine tiefe Grube mit Gewölbe eingerichtet, woraus zu allen Seiten schmale und tiefe Kanäle die Feuchtigkeit ableiten oder als Dampf durch enge Röhren an die Oberfläche abgeben sollen. Am besten baut man solche Hochöfen auf grobsandigem Boden oder auf einer großen Halde alter Schlacken, die keine Feuchtigkeit an den Ofen leiten und so das Brennen und Schmelzen nicht beeinträchtigen können. Jede der Ofenwände besteht aus drei Schichten. Für die erste innere Reihe A verwendet man solche Steine, die – ohne Schaden zu nehmen – für längere Zeit der größten Gluthitze ausgesetzt werden können. In der zweiten, die erste unmittelbar ummantelnde Reihe werden rohe Steine eingebaut. Die alleräußerste, dritte Reihe wird aus verschiedenen Steinen gemauert, die aus Lehm und Schlacke geformt und um der Festigkeit willen von dicken Holzbalken umschlossen sind. Von innen ist der Ofen rund, von außen viereckig. Die Wände sind eine Sažen dick, drei oder mehr als drei Sažen hoch. Der Innendurchmesser beträgt oben drei, in der Mitte vier und unten zwei Aršin. Der Boden dieses Ofens muss wegen der schweren Last sehr fest sein, alle Spalten zwischen den Ziegelsteinen muss man mit sandigem Lehm abdichten. Um das Ofeninnere zu verputzen, das oben und unten schmal und in der Mitte breit ist, baut man eine Leiter N, deren eine Seite a-a ausgebaucht und die andere b-b gerade ist. Diese stellt man genau in die Mitte des Bodens und befestigt sie an eine Winde, so dass sich die ausgebauchte Seite der Leiter an der Innenwand des Ofens kreisförmig bewegen kann. So kann der Mensch, der darauf steht, bequem und sicher seine Arbeit verrichten, die Innenwand an der Ausbuchtung glätten und verputzen. Auf das Gewölbe der Grube unter dem Ofen, das mit Eisenplatte verstärkt und mit hitzebeständigem
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Lehm verputzt wird, schüttet man fußdick trockenen Sand, so dass der ganze Boden damit bedeckt ist, um der Glut und schweren Lasten über mehrere Wochen widerstehen zu können. Feuchte und frisch aus dem Berg gewonnene Steine sind dafür nicht zu gebrauchen, erst einmal müssen diese in der Sonne und in frischer Luft über längere Zeit trocknen. Auf diesem Fundament errichtet man den Feuerherd, und zwar viereckig und etwas länglich, von drei kleinen Sandstein- oder festen Kalksteinmauern umgeben, 3 ½ Fuß lang, 1 ½ Fuß breit, ¾ Fuß hoch, so dass er etwa einhundert Pud des Schmelzroheisens fassen kann. Alle Fugen zwischen den Mauern und dem Fundament werden sorgfältig mit einem Lehm-SandGemisch verputzt. Damit dieser Feuerherd gleichmäßig an die Ofeninnenwand angeglichen wird, errichtet man darauf eine Mauer d-d,87 drei Aršin hoch, so dass das ganze Ofeninnere gleichmäßig rund wird. Die Herdmitte befindet sich dabei nicht direkt unter der Mitte der oberen Öffnung, sondern derart, dass ein von oben herunter hängendes Seil mit einem Ende am Kastenrand zu liegen kommt. Anstatt der vierten Wand stellt man vorn an diesen Herd einen dicken Stein, ½ Fuß hoch, 1 ½ Fuß breit, also niedriger als die restlichen drei Mauern, damit die Abbrände vom Roheisen abfließen können. Ganz unten lässt man eine Öffnung C frei, etwa eine Hand breit, um das flüssige Roheisen ausfließen zu lassen; zunächst bleibt diese Öffnung jedoch mit der Lehm-Sand-Mischung verschlossen. Das obere längliche Fenster deckt man mit einer Eisenplatte ab. Die Blasebälge, die für diesen Ofen verwendet werden, baut man aus Holzbrettern wie im § 130 geschildert; sie sind zwei Sažen lang, hinten zwei Aršin und vorn einen Aršin breit; sie werden durch das Wasserrad mittels der Daumen D in Bewegung gesetzt.
§ 144 W i e g e w i n n t m a n a u s E i s e n e r z e n d a s R o h e i s e n . In den auf die beschriebene Weise gebauten Hochofen stellt man auf den Boden dicke angekohlte Holzscheite, lehnt sie an die Wände und entzündet sie, um so den Ofen trocknen zu lassen; dieses Feuer sollte einige Tage brennen. Dann füllt man den Ofen mit Kohle und deckt ihn oben mit Eisenplatten oder dicken Holzbrettern ab, so dass nur ein kleines Zugloch offen bleibt, so dass die Kohle nur langsam und ganz sachte brennt. In dieser mäßigen Glut lässt man den Ofen ein bis zwei Wochen ruhen, bis er richtig trocken wird. Dann nimmt man die Abdeckung ab, betätigt die ersten 12 Stunden die Blasebälge jedoch noch nicht, so dass in dieser Zeit das Feuer von alleine sachte am Glühen bleibt. Danach gibt man Wasser auf
87 Die Zeichen d-d fehlen auf der Zeichnung.
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das Rad, so dass die Blasbälge in Bewegung kommen und das Feuer im Ofen entfacht wird. Auf diese Weise heizt man den Ofen 10 oder 14 Tage ununterbrochen an. Am ersten Tag, nachdem man den Ofen geöffnet hat, schüttet man auf die Kohle vier oder fünf Fuhren Erz mit je 40 bis 50 Pfund. Auf dieses Erz schüttet man einen großen Korb Kohle, der mit einem Wagen zum oberen Rand des Ofens über eine Auffahrt gefahren wird. Am zweiten Tag schüttet man 7 oder 8 Fuhren Erz hinein, den Rest befüllt man mit Kohle. Am dritten Tag kommen 9 oder 10 Fuhren Erz hinein, am vierten 11 oder 12, am fünften 14 oder 15 und so weiter, bis der Ofen ordentlich brennt und genügend Erz eingebracht worden ist. In den ersten Schmelztagen, wenn der Ofen noch nicht heiß genug ist, legt man das Erz zunächst mittig hinein, mit etwas Abstand zu den Innenwänden; sobald aber die Glut im Ofen richtig stark wird, schüttet man das Erz gleichmäßig überall hin, verteilt es also an die Wände wie auch in die Mitte. Zum Erz gibt man bis zu einem Drittel oder auch mehr Kalk – je nachdem, welches Erz man hat. Je nach Zusammensetzung des Erzes und dessen Zustand gibt man dementsprechend im Verhältnis mehr oder weniger Kohle auf – in der Regel weiß dies ein erfahrener Schmelzer ziemlich genau. Dabei sind auch der Zustand des Ofens sowie die Qualität der Kohle zu beachten. Für den Fall, dass man verschiedene Sorten Erz hat, muss man diese vorher miteinander vermischen, um gutes Eisen bekommen zu können. Durch die eigene Kunst und Erfahrung lässt sich das alles sicher besser herausfinden als nach vorgeschriebenen Regeln. Wenn im Verhältnis zur Kohle zu wenig Erz im Ofen ist, so kann man auf der aus dem Ofen abgezogenen flüssigen Masse oder dem Abbrand häufig Funken wahrnehmen, ähnlich den Fischschuppen oder feinem Glimmer; in diesem Falle sollte man gleich weiteres Erz hinzugeben. Dasselbe muss man tun, wenn der Schmelz im Abbrand zu hell und zu flüssig ist. Wenn aber das Gusseisen und die Abbrände in der Form zu dickflüssig sind und sich etwas absetzen, so muss man dem Ofen mehr Kohle hinzufügen, so dass die Glut heißer wird. Dasselbe tut man, wenn die Abbrände so etwas wie eine Art Rost zeigen. Schließlich signalisiert eine aus dem Ofen hell und spitz lodernde Flamme, dass sich das Roheisen von der restlichen Materie richtig gut gelöst hat. Wenn allerdings der Ofen qualmt, mit Funken übersät ist und die Flamme rot lodert, so zeugt dies vom Gegensätzlichen. Löcherige und dunkle, fast schwarze Abbrände weisen auf einen guten Schmelzprozess hin.
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§ 145 W i e z i e h t m a n d a s R o h e i s e n a u s d e m H o c h o f e n a b . Wenn der Feuerherd bis zur darüber liegenden Form mit der abzustechenden Eisenmasse gefüllt ist und die Abbrände in die Form hineinfließen sollen, muss man das Eisen abziehen. Bevor man das tut, rührt man es im Feuerherd mit einer dicken Eisenstange kräftig durch und schlägt die Schlacke vom Boden, aus den Ecken und von den Seitenwänden ab. Dank ihres leichten Gewichts steigen sie von allein nach oben und lassen sich mitsamt den anderen Abbränden abschöpfen. Vom abzustechenden Eisen sind sie dadurch leicht zu unterscheiden, dass sie glühend weiß sind, wohingegen das Eisen feuerrot leuchtet. Das auf diese Weise aus dem Erz gewonnene Roheisen wird durch das untere Loch C abgezogen, wofür man Lehm und Sand mit Brechstangen und Hämmern herausschlägt, so dass das abzustechende Eisen gleich einem schnellen Bach in die dafür vorbereiteten Sandkanäle mit spitz zulaufendem Boden, vier Djuim tief und über eine Mannsspanne breit, herausfließen kann. Das abgezogene Roheisen wird dünn mit Sand oder Asche bestreut, damit es nur langsam und gleichmäßig abkühlt. Auf die Stellen, an denen es später geteilt werden soll, wirft man nassen Sand, wodurch das Eisen genau dort spröde wird und sich leichter zerbrechen lässt. Danach lässt man den Kasten erneut mit dem aus Erz gewonnenen abzustechenden Eisen volllaufen, zieht es ab und lässt es in die Gerinne abfließen. Diese Arbeit wird so lange fortgesetzt, wie der Hochofen standhält. In dieser Zeit baut man aber an einer anderen Stelle bereits einen neuen Hochofen.
§ 146 D e r O f e n , i n d e m m a n a u s R o h e i s e n S t a h l g e w i n n t .88 Das aus Erz gewonnene Roheisen wird in besonderen viereckigen Öfen (Fig. 38), die in verschiedenen Bergbauregionen unterschiedliche Größe haben, zu Stahl umgeschmolzen. Üblicherweise sind sie 4 Aršin lang, 4 ½ Aršin breit und bestehen aus nur zwei Wänden C-C und einer Mantelhülle mit dem Abzug B. Anstatt von zwei weiteren Wänden stellt man eine dicke Eisenstange oder eine aus Stein gefertigte Säule H in die Ecke B. Im Ofenboden, der gleichermaßen stabil und über einem Kanal oder an einer trockenen Stelle errichtet worden ist, errichtet man eine Vertiefung (Tiegel), einen Aršin lang und etwas weniger breit sowie einen Fuß tief. Dessen Boden und dessen drei Seitenwände bestehen aus drei Djuim dicken Eisenplatten, wohingegen der hintere Teil des Ziegelsteinofens, an dem
88 Hier und im § 147 wird diese Methode des Frischens für die Gewinnung des Eisens aus Roheisen beschrieben.
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ein Einlass für den Blasebalg angebaut ist, als vierte Wand dient. Am oberen Rand der Vorderwand lässt man eine Vertiefung oder bringt ein Loch ein, damit Schmelze und Abbrand wegfließen können. Der genannte Einlass in der Hinterwand wird nicht mittig, sondern etwas seitlich eingefügt und so geneigt, dass der Luftstrom aus dem Blasebalg ganz tief am Boden in Richtung Vorderwand einfließen kann. Die Nase des Blasebalgs soll etwa einen halben Fuß vor dem Einlass angebracht werden.
§ 147 Den vorbereiteten und sauber gereinigten Tiegel füllt man bis zu einem Drittel mit Schlacke oder alten Abbränden; darauf schüttet man genauso viel an zerkleinerter Kohle, vermischt mit Eisenzunder, Lehm, Sand und Asche. Auf diesen Haufen legt man den ausgegossenen Roheisenblock, der abgetrennt werden soll, etwa vier oder fünf Djuim neben den Rand der Haufens, damit der Luftstrom bis an dessen untere Kante gelangen kann, und bedeckt das Ganze vollständig mit Kohle, so dass das Eisen vollkommen abgedeckt ist. Dann setzt man mit dem Wasserrad den Blasebalg in Bewegung und heizt den Ofen an. Wenn das Roheisen am Rand schon etwas weich wird, schiebt man es näher an den Haufen heran, so dass nirgendwo mehr als fünf Djuim Abstand bleiben. Dabei muss man beachten, dass Schmelze und Abbrände nicht in den Tiegel gelangen und den Luftstrom nicht behindern; gegebenenfalls zieht man diese mit einem Eisenhaken durch die Öffnung des Blasebalgs hinter der Mauer ab. Den Roheisengussblock schiebt man mithilfe von Stangen oder großen Zangen abwechselnd von allen Seiten auf den Haufen, die Seiten werden mit heißer Kohle umgeben, und zwar so lange, bis er weich wird. Dann schmiedet man ihn auf einem großen Amboss mit schweren Schmiedehämmern so lange aus, bis die Schlacke entfernt und das reine Eisen dicht ist.
§ 148 S t a h l . Bei dieser Art des Umschmelzens steigen zur Oberfläche des Roheisens Stahlschichten empor, die wegen ihrer hellen, ja fast weißen Farbe von der restlichen Masse abstechen und die man abzieht, zur Seite legt und aufbewahrt. Bei jedem Schmelzvorgang scheidet sich Stahl in der Glut vom Roheisen ab, allerdings ist er nicht immer von gleichbleibender Güte. Beginnt das Roheisen abzukühlen, öffnet man das vordere Loch, das vorher mit einer Sand-Lehmmischung zugestopft war, lässt die leichtere Schmelze ausfließen und zieht die Schlacke oben ab. Die voll ausgekühlten Eisenklumpen (Massel) holt man mit Eisenstangen aus dem Herd heraus, dreht sie mit der unteren Seite nach oben, schüttet
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Gruskohle mit Eisenzunder hinein und gibt von allen Seiten reichlich Kohle hinzu. Nun heizt man den Ofen an, betätigt den Blasebalg, schiebt die Eisenklumpen von allen Seiten abwechselnd zur Mitte hin, damit sie gleichmäßig heiß und weich werden. Wie bereits beschrieben, wird diese Arbeit so lange verrichtet, bis das Eisen ganz geschmolzen ist und ähnlich wie Wasser zu kochen beginnt. Wenn es schließlich hart zu werden beginnt, holt man das noch heiße Eisen mit Eisenstangen und Hebeln aus dem Herd, legt es auf den Boden und schlägt die Abbrände und den Eisenzunder ab und begradigt schließlich mit Hämmern die Höcker. Schließlich legt man den Eisenklumpen auf einen großen Amboss, um ihn mit dem vom Wasserrad getriebenen schweren Schmiedehammer dünn auszuschmieden, so dass er danach leichter zu zerteilen ist. Solange das Eisen noch heiß ist, stellt man umgehend einen Eisenkeil unter den Hammer und zerschlägt den Eisenklumpen in fünf oder sechs Teile. Den Keil lässt man immer wieder im Wasser auskühlen, damit er sich nicht erhitzt und dabei weich wird. Die auf diese Weise hergestellten Eisenplatten schmiedet man danach zu längeren Streifen oder Stangen aus.
4 Über das Scheiden von zusammengeschmolzenen Metallen § 149 W i e t r e i b t m a n G o l d u n d S i l b e r v o n B l e i a b . Im Kapitel zwei (§ 132) wurden Masseblöcke beschrieben, in denen verschiedene Metalle – insbesondere Gold, Silber, Kupfer und Blei – zusammengeschmolzen sind. Wie lassen sich die Metalle nun voneinander abtreiben? Wenn Blei mit Silber oder zudem mit Gold zusammengeschmolzen ist, verwendet man für das Ausschmelzen derartiger Barren einen runden Ofen A-B-C (Fig. 34). Der Ofen hat ein rundes Gewölbe und zwei Ofenlöcher B und C. Das Ofenloch B ist zwei Aršin breit und einen Aršin hoch, das zweite liegt direkt gegenüber und ist etwa einen Aršin hoch und nur einen halben Aršin breit. Die Höhe des Ofens beträgt etwa zwei Sažen. Der Ofenboden liegt anderthalb Aršin hoch über dem Erdniveau; er wird aus Asche gemacht, die durch ein feines Sieb geseiht und zwei bis drei Mal in heißem Wasser gespült und ausgekocht worden ist. Anschließend verfestigt man ihn mit dicken runden Stampfern und glättet ihn. Zur Mitte läuft der Ofenboden etwas geneigt zu und mündet in eine flache Grube, einen Fuß oder etwas mehr im Durchmesser und zwei Finger tief. Sobald dieser Ascheboden trocken geworden ist, schichtet man die Blei, Gold und Silber enthaltenden Barren, die oft bis zu hundert Pud oder sogar mehr wiegen, nebeneinander auf. Dann wird darauf Kohle geschüttet und das Feuer durch den Blasebalg angefacht.
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Die Rohre des Blasebalgs werden seitwärts in den Ofen eingeführt. Um zu vermeiden, dass der Blasebalg durch die aus dem Ofen aufsteigende Flamme beschädigt wird – beim Einziehen der Luft könnte dies passieren –, werden vor der Ofenwand über den Rohren des Blasebalgs zurechtgeschnittene Eisenplatten auf Eisenstangen angebracht. Zum Anfeuern verwendet man lange Rundhölzer, die durch die beiden gegenüber liegenden Ofenlöcher eingeschoben werden und – durch das Gebläse angefacht – zusammen mit der Kohle das Blei zu Asche und Glas verbrennen. Durch das kleinere Ofenloch C werden sie schließlich mit Eisenhaken herausgenommen. Solange die angekohlten Rundhölzer noch nicht ganz verbrannt sind und noch nicht auseinanderfallen, zieht man sie aus dem Ofen heraus und schiebt dafür frische hinein. Wenn das Blei schon größtenteils in gelblich gefärbten Abbränden von dem geschmolzenen Metall abgezogen und das restliche fast ganz vom Ascheboden aufgenommen ist, sammelt sich das Silber mit einem geringen Bleianteil in der mittigen Grube. Nun gilt es, aufmerksam zu beobachten und zu registrieren, wann verschiedene Farben auf der Oberfläche zu spielen beginnen und ein auffälliges weißes Häutchen von einem Rand zum anderen läuft. So dies der Fall ist, wartet man ab, bis dies aufhört und das Silber dichter wird. In dem Moment gibt man durch das kleinere Ofenloch über eine Fließrinne Wasser auf, um den Ofen zu kühlen und den Blasebalg nicht mehr zu betätigen. Das gewonnene Silber entnimmt man nun dem Ofen und trägt es zum Reinigen weg; den Ofenboden bricht man heraus, um das verbliebene Blei in einem gewöhnlichen Schmelzofen weiter zu verarbeiten oder als Flusszusatz samt den gelben Abbränden und der Asche beim Schmelzen von anderen Erzen zu verwenden.
§ 150 W i e r a f f i n i e r t m a n d a s S i l b e r. Man raffiniert das Silber in mit einem Ascheboden versehenen eisernen Ringen, die – je nach zu raffinierender Silbermenge – unterschiedlich groß sein können. Diese Ringe oder Reifen sind üblicherweise vier Querfinger hoch, einen Finger dick und oben etwas breiter als unten. In diese Ringe schlägt man mit einem Hammer feine, zwei bis dreimal durchgewaschene Asche hinein, wobei in der Mitte eine Aussparung bleibt, die mit einer Eisenkugel glatt geformt wird. Dann wird der Ascheboden mit gebranntem und gesiebtem Knochenmehl fein bestreut und mit derselben Eisenkugel fest angedrückt. Die auf diese Art vorbereitete und langsam ausgetrocknete Kapelle stellt man unter die runden Muffel in den Brennofen und umgibt sie von allen Seiten mit Kohle. Damit die Kohle nicht auseinanderfällt, sichert man sie von allen Seiten mit Ziegelsteinen. Erst danach facht man das Feuer mit einem handlichen Blasebalg an. Sobald die Muffel glühend heiß ist, zieht man die glü-
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hende Kohle zur Seite, legt das fein zerteilte Silber in die Kapelle, umgibt diese wiederum mit Kohle und facht das Feuer noch stärker an. Sobald man ein Stück Kohle zur Seite schiebt, kann man das Silber beim Abscheiden beobachten; und wenn es weiß und dickflüssig geschmolzen erscheint, begießt man es durch eine schmale Rinne mit Wasser und nimmt das dadurch abgekühlte Feinsilber heraus. Da die Kapelle nach dem Abstich immer noch etwas Silber enthält, gibt man sie nach dem Abstich wieder zu den Silbererzen in den Schmelzofen.
§ 151 W i e s c h e i d e t m a n G o l d v o n S i l b e r. Sollte nach der Probe noch so viel Gold im Silber enthalten sein, dass sich weitere Arbeit und weitere Kosten lohnen, so scheidet man das Gold vom Silber mittels Königswasser nach dem im § 109 beschriebenen Verfahren. Sollte im Silberbarren mehr als ein Viertel an Gold enthalten sein, so verschmilzt man diesen mit etwas Feinsilber, so dass nur noch ein Fünftel vom Gold darin zurückbleibt. Schließlich kühlt man es ab und schlägt es fein zu Blättchen, schneidet diese mit der Schere zu schmalen Schnipseln und legt sie zusammengerollt in Königswasser. Das befindet sich in einem schmalhalsigen Glasgefäß, eingebettet in einen flachen, mit Sand gefüllten Topf. Schüttet man nun heiße Kohle hinzu, löst sich das Silber in dem warmen Königswasser auf, und das Gold setzt sich in schwarzen Krümeln am Boden ab. Die ganze Flüssigkeit wird nun in ein anderes Gefäß abgegossen und die ätzende Materie, die noch am Gold haftet, behutsam mit warmem Wasser abgespült. Schließlich wird das ausgewaschene Gold geschmolzen und verfeinert – wie in § 137 beschrieben. Um das im verbliebenen Königswasser aufgelöste Silber zu gewinnen, gibt man Kupfer hinzu und verschmilzt es am besten mit Schwarzem Fluss. Zuletzt gibt man in das Königswasser etwas Salpeter und treibt es aus der Retorte in einen Rezipienten ab, wobei es wieder seine ursprüngliche Stärke gewinnt. Die in der Retorte zurückgebliebene Substanz kann man schließlich in einer größeren Kapelle abbrennen und dabei das Silber vom Blei abtreiben.
§ 152 W i e t r e i b t m a n S i l b e r v o m Ku p f e r a b . Schwarzes silberhaltiges Kupfer wird in einem Schmelzofen zusammen mit Blei verschmolzen, von dem man auf 18 Pfund ein Lot Kupfer hinzugibt. Wenn beispielsweise ein Zentner Kupfer 7 Lot Silber enthält, so sollte man 126 Pfund Blei hinzugeben. Allerdings sollte dieses Blei keinen besonders auffälligen Anteil an Silber haben, damit es genug Kraft behält, das Silber beim Schmelzen aufzunehmen. Sollte das hinzugegebene Blei allerdings noch Silber führen, so würde der Gussblock zu weich werden,
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das Kupfer mit Blei und Silber zusammenschmelzen und aus dem Ofen fließen, anstatt davon abgetrieben zu werden. Die speziellen Öfen dafür fertigt man aus Sandstein oder aus festen Ziegeln, wobei zuerst zwei dicke Wände A-B (Fig. 39), eine Sažen lang und einen Aršin hoch, errichtet werden. Deren hintere Teile sind miteinander durch die Wand C verbunden, wobei diese einen Aršin höher ist; der Abstand zwischen beiden Wänden beträgt eine Mannsspanne. Auf die zur freien Seite geneigten Wände legt man dicke Roheisenplatten D-D auf, wobei der darunter liegende Boden E mit einem Gemisch aus Schlacke, Lehm und Sand eingestampft wird. Der ganze Ofen, insbesondere der Boden, muss nach vorn geneigt sein. Auf die Roheisenplatten stellt man mit der schmalen Kante nach unten die Gussblöcke F-F,89 die man vorher aus der Mulde des Schmelzofens geholt hat; dazwischen legt man dicke angekohlte Holzscheite, so dass die Gussblöcke einander nicht berühren können. Dann gibt man oben und von allen Seiten reichlich brennende Kohle auf und feuert den Ofen mäßig an, so dass nur Blei und Silber ausschmelzen und – vom Kupfer abgetrieben – auf den Ofenboden saigern und in die mit heißer Kohle befüllte Grube H vor dem Ofen fließen. Hier werden sie mit einer Eisenkelle abgeschöpft und in Roheisenpfannen oder Kästen gegeben, um danach auf dem Ascheboden im Ofen (wie im § 149 beschrieben) daraus Silber abzutreiben. Das auf den Roheisenplatten zurückgebliebene Kupfer wird schließlich in extra dafür gebaute Öfen befördert, um es dort zu raffinieren.
§ 153 E i n r i c h t u n g f ü r d e n T r a n s p o r t d e r G u s s b l ö c k e i n d e n O f e n . Die Gussblöcke werden in den oben beschriebenen Ofen mit einem Kran A (Fig. 41) transportiert, in dessen oberen Teil zwei Balken B-B waagerecht angebracht sind. Zwei eiserne Räder C-C, an Achsen drehbar gelagert, garantieren die Führung einer eisernen Kette, wobei das eine Kettenende eine starke Zange trägt, das andere hingegen ist um die Winde E gewickelt. Auf diese Weise kann man einen Gussblock mit der Zange aufnehmen und ihn mithilfe der Winde in Ofenhöhe heben und soweit drehen, bis er direkt über dem Ofen hängt. Dann stellt man ihn mit der schmalen Kante nach unten an die hintere Ofenwand, so wie oben beschrieben. Am Rad G sind im Abstand von ½ Aršin weitere zwei Räder L-M befestigt, damit man auch eine kürzere Kette einsetzen kann, um die Gussblöcke an die Seitenwände oder in die Mitte des Ofens zu befördern.
89 Auf Fig. 39 steht f statt F.
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§ 154 W i e t r e i b t m a n B l e i v o n Ku p f e r a b . Kupfer, das nach dem Abtreiben von Blei und Silber auf den Eisenplatten zurückbleibt, enthält in der Regel immer noch etwas Blei. Deswegen wird es in speziellen Öfen A-B-C (Fig. 42) feingebrannt. Am Boden dieser Öfen ist eine Reihe von Ziegelsteinen d-d, einen Aršin hoch und mit einer Mannsspanne Abstand zueinander, aufgebaut. Auf diese Ziegelreihe legt man das oben genannte Kupfer auf, es liegt also über den Ziegelsteinen und den Zwischenräumen. Von unten gibt man nun lange trockene Holzscheite hinzu und facht das Feuer an, so dass das verbliebene Blei aus dem Kupfer herausgeschmolzen wird. Dabei verschließt man den Ofenmund mit einer starken Eisenklappe E, die sich vom Führungsarm F bewegen lässt. Das Feuer soll in diesem Ofen etwa 10 bis 12 Stunden brennen. Dann lässt man den Ofen auskühlen, zieht das Blei aus den Zwischenräumen der Ziegelsteine heraus und treibt dann das Silber vom Blei ab. Das Kupfer jedoch wird anschließend in der Garmacherei im Ofen, wie im § 142 beschrieben, raffiniert. Nach der abschließenden Probe bleibt immer noch etwa ein Zolotnik pro Pud an Silber im Kupfer zurück; dies lässt sich jedoch durch kein bis jetzt bekanntes Verfahren daraus abtreiben.
5 Über die Trennung von Halbmetallen und anderen Mineralen § 155 Wi e g e w i n n t m a n H a l b m e t a l l e u n d M i n e r a l e a u s d e n E r z e n . Die Gewinnung von Schwefel aus den Erzen ist im Kapitel eins ausführlich beschrieben worden. Man kann dazu auch große Tonretorten einsetzen. Diese werden bis zur Hälfte oder etwas mehr mit zerkleinerten und gewaschenen Erzen befüllt und in lange Öfen gestellt und zwar so, dass deren Hälse nach außen zeigen. Darunter stellt man mit Wasser gefüllte Tonrezipienten. Dann wird am Ofenboden das Feuer entfacht, so dass der Schwefel durch die Hitze aus den Erzen entweichen kann. In den oberen Teil der Retorten bringt man runde Löcher ein, die man zunächst mit Lehmstopfen verschließt. Auf diese Weise kann man prüfen, ob schon der gesamte Schwefel aus den Erzen vertrieben ist. Denn wenn die Retorte nicht mehr qualmt, nachdem man den Lehmstopfen herausgezogen hat, so bedeutet dies, dass die Erze keinen Schwefel mehr enthalten. Auf diese Art und Weise werden auch Arsen und Quecksilber aus den Erzen abgetrieben. Beim Abtreiben vom Arsen muss man allerdings seine Eigenschaften berücksichtigen, die im ersten Kapitel (§ 8) beschrieben wurden.
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§ 156 Für das Ausschmelzen von Wismut aus den Erzen verwendet man gusseiserne Schüsseln, die man an freien und windigen Standorten aufstellt. Dazu legt man lange trockene Holzscheite quer zur Windrichtung, zündet sie an und stellt dann die mit Erz befüllten Schüsseln in den Windschatten. Durch die Hitze schmilzt das Wismut und sammelt sich auf dem Schüsselboden, wohingegen das verbleibende Gestein sich davon absondert und auf der Oberfläche als Schlacke schwimmt, so dass man diese leicht abschöpfen kann. Jedoch sollte man das Wismut nicht zu lange im Feuer behalten, da sonst ein Großteil davon in der starken Hitze verbrennen würde.
§ 157 Vitriol kocht man aus gelbem Kies aus, der Schwefel mit Kupfer oder Schwefel mit Eisen enthält. Zuerst röstet man den Kies im Ofen, dann lässt man ihn für einige Wochen im Freien ausgeschüttet liegen, dem Regen und der Sonne ausgesetzt. Sobald er rostfarben, krümelig und locker wird, zerkleinert man ihn und wäscht ihn mit klarem Wasser aus. Nachdem das Wasser genügend abgestanden ist, füllt man es in große Eisenkessel oder Tontöpfe um und lässt es darin so lange kochen, bis sich auf der Oberfläche ein Häutchen gebildet hat. Dann gießt man es in flache breite Absetzbottiche ab, in die man vorher einige Holzstäbchen hineingestellt hat. Dadurch kann sich das Vitriol beim Erkalten an den Stäbchen oder auf dem Bottichboden in kleinen Kristallen absetzen. Das restliche Wasser seiht man ab, gibt es zur anderen, noch nicht ausgekochten Schwefelkieslauge und kocht es erneut aus. Auf diese Weise wird eine derartige Arbeit ununterbrochen fortgesetzt. Man kann das Vitriol aber ebenso aus den Vitriolquellen oder aus Rinnsalen gewinnen, die aus den Erzgruben fließen.
§ 158 Alaunerze werden auf ebensolche Weise mit klarem Wasser ausgewaschen, wobei die Alaunlauge mit Harnstoff in großen Tontöpfen bis zur Bildung eines Häutchens auf der Oberfläche ausgekocht und schließlich in Absetzbottiche verkippt wird; danach läuft es weiter wie im § 116 beschrieben.
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§ 159 Das Auskochen von Salpeter gehört eigentlich eher zur Herstellung von Schießpulver in einer Fabrik als in den Bereich des Erzbergbaus. Ebenso muss man auch die Salzkochwerke gesondert behandeln. Deswegen wie auch der Kürze halber verzichte ich hier auf die Beschreibung der Gewinnung dieser beiden Materien. Ende des fünften Teils und der kurzen Anleitung zur Metallurgie
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6 Erste Beilage – Über den natürlichen Wetterzug in Bergwerken, aus dem ersten Band der neuen Kommentare1 Während des Studiums der Chemie und des Bergbaus in Freiberg in Sachsen habe ich bei der Besichtigung von Erzgruben mehrmals eine Luftbewegung bemerkt, die in den Schächten und Stolln – auch bei stillstem Wetter ohne jeglichen Einsatz von irgendwelchen Maschinen, also ohne Zutun – zu spüren war und wodurch die Kerzen und Lampen der Bergleute erloschen. Ich hatte damals keine Gelegenheit gefunden, nach den Ursachen dieser zu forschen, gehörte doch meine ganze Aufmerksamkeit vielmehr der Praxis, die sich überall und in Fülle meinen Augen darbot. Als ich allerdings, in mein Vaterland zurückgekehrt, im Begriff war, diese Abhandlung zu verfassen – was 1742 geschah – und dazu die Werke unterschiedlicher Autoren sichtete, die sich mit dem Bergbau befasst hatten, fand ich bei Georgius Agricola eine ausführliche Beschreibung der oben erwähnten Erscheinung. Der Wortlaut seiner Aussage ist folgender: „Die Außenluft dringt von allein in die Hohlräume der Erde ein und, wenn sie durch sie durchdringen kann, auch wieder hinaus; doch pflegt dies auf verschiedene Weise zu geschehen. In den Tagen des Frühjahrs und des Sommers nämlich fällt sie in den höher angesetzten Schacht ein und geht durch den Stolln oder das Feldort und fällt aus dem niedriger angesetzten wieder aus; in ähnlicher Weise ergießt sie sich in denselben Tagen in den höher angesetzten Stolln, fällt durch den dazwischen liegenden Schacht in den niedriger gelegenen Stolln und zieht aus diesem wieder ab. In der Herbst- und Winterszeit dagegen tritt die Luft in den niedriger gelegenen Stolln bzw. Schacht ein und geht aus dem höher gelegenen hinaus; aber diese Änderung der Luftströmungen geschieht in den gemäßigten Gegenden und Orten am Anfang des Frühjahrs und am Ende des Herbstes, in den kalten aber am Ende des Frühjahrs und am Anfang des Herbstes; doch unterliegt die Luft zu beiden Zeiten, bevor sie jenen ihr gewohnten Kurs beständig innehält, in einem Zeitraum von vierzehn Tagen meist häufigen Schwankungen, indem sie bald in den höher gelegenen Schacht bzw. Stolln einfließt, bald in den niedriger gelegenen.“2
1 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 521–529. 2 Lomonosov besaß die letzte lateinische Gesamtausgabe Agricolas (erschienen 1657 in Frankfurt/M.) und verfügte damit über dessen sämtliche Schriften zum Montanwesen, darunter auch das im Original von 1556 abgedruckte De re metallica libri XII. Das hier Zitierte wurde der AGA, Bd. VIII, S. 168, entnommen. https://doi.org/10.1515/9783110424065-011
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Durch diese Beschreibung, die uns von einem im Bergbau kundigen Meister hinterlassen worden ist, bin ich auf den Gedanken gekommen, dass man diese Erscheinungen sicher mithilfe von aerometrischen sowie hydrostatischen Grundlagen auf mathematischer Basis berechnen könnte.
Definition 1 § 1. Als Schacht bezeichnet man eine tiefe schmale Grube (Fig. 40), ähnlich einem Brunnen, die als A-B im rechten Winkel zum Horizont verläuft oder etwas geneigt dazu wie C-E verläuft.
Definition 2 § 2. Als Querschlag bezeichnet man einen tief gelegenen, schmalen unterirdischen Stolln B-E, der im Berginnern die unteren Schachtenden verbindet.
Ergänzung § 3. Eine Grube, die aus zwei Schächten besteht, die unten durch einen Querschlag verbunden sind, ähnelt doppelt gebogenen Röhren, die man in der Physik verwendet, um den Flüssigkeitsausgleich zu demonstrieren; deswegen entsprechen Flüssigkeiten, die in derartige Gruben gelangen, denselben hydrostatischen Gesetzen.3
Anmerkung § 4. Die beiden Schächte A-B und E-C, die durch den Querschlag B-E miteinander verbunden sind, unterliegen somit gleichermaßen diesen Gesetzmäßigkeiten.
Definition 3 § 5. Als oberen Schacht C-E bezeichnet man denjenigen Schacht, dessen Mundloch C höher am Berg liegt, hingegen liegt das Mundloch A des unteren Schachtes näher an der Sohle.
3 Gemeint ist das Prinzip kommunizierender Röhren.
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Ergänzung § 6. Wenn beide Schächte und der Stolln mit einer Flüssigkeit gefüllt wären, die im Verhältnis leichter wäre als das Umgebende, so wäre deren Masse im oberen Schacht größer als die im unteren.
Definition 4 § 7. Als offenen Stolln (Fig. 43) bezeichnet man einen horizontal verlaufenden Stolln F-G oder H-K, dessen Mundloch F oder H sich am Berghang befindet; je nach Lage des Mundloches nennt man ihn oberen bzw. unteren Stolln.
Definition 5 § 8. Der Schacht G-K befindet sich mitten im Berg und verbindet den oberen offenen Stolln F-G mit dem unteren Stolln H-K.
Ergänzung § 9. Die Grube F-G-K-H stellt an sich ebenfalls ein gebogenes hydrostatisches Rohr dar, so dass bezüglich der Flüssigkeitsbilanz dieselben Gesetze gelten sollten.
Kunst 1 § 10. Die Luft in den Gruben bleibt zu jeder Jahreszeit in einem gleichmäßigen Zustand, so dass die Bergleute weder durch die Sommerhitze noch durch die Winterkälte gestört werden. Im Gegensatz dazu herrschen außerhalb im Sommer oft Hitze und im Winter Frost.
Ergänzung § 11. Deswegen ist die Luft in den Gruben im Sommer kälter und im Winter wärmer als draußen.4
4 In seiner Handschrift verweist Lomonosov auf den Umstand, dass kalte Luft entsprechend schwerer, warme hingegen leichter ist.
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Kunst 2 § 12. Wenn die Außenluft – sowohl im Sommer als auch im Winter – von allein oder mittels einer Windkunst in die Grube gelangt, verliert sie unmittelbar ihre Wärme oder Kälte, nimmt also sofort die in der Grube herrschende Temperatur an.
Anmerkung § 13. Wie schnell die Luft erwärmt wird oder ihre Wärme verliert, zeigt uns deutlich unser Atem, indem wir die kalte Luft in unsere Lunge einatmen und schon im nächsten Moment die warme ausatmen, so dass die an den Mund gehaltene Hand erwärmt oder schon in geringer Entfernung gekühlt wird. Im strengen Winter von 1739 zu 1740, der in Sachsen so kalt war wie bei uns in Russland normalerweise ein üblicher guter Winter, konnte ich mehrmals beim Einfahren in die Gruben sowie beim Ausfahren bereits in zwei Aršin Tiefe Reif an den Schachtwänden feststellen; hingegen war in einer Tiefe von etwa zwei Sažen schon gar kein Frost mehr zu spüren.
Ergänzung § 14. Die Wetter, die durch die Grube ziehen, sind im Winter im Verhältnis leichter und im Sommer schwerer.
Annahme 1 § 15. Im Sommer ziehen die Wetter von außen durch den oberen Schacht C-E in die Grube ein und durch den unteren wieder aus.
Beweis In der Sommerzeit ist die Luft in der Grube im Verhältnis schwerer als außerhalb (§ 14), sie überwiegt zudem im oberen Schacht C-E (Fig. 40) gegenüber der Luft im unteren Schacht A-B (§ 6). Folglich sinkt sie von C bis D hinab, um im Gleichgewicht zur Luft im Schacht A-B zu bleiben. Beim Absinken verdrängt sie jedoch aus dem Schacht A-B den entsprechenden Anteil an Luft, der sich im Teil C-D des Schachtes E-C befand. Die inzwischen unter ihrem eigenen Gewicht in die Strecke C-E bis zum Punkt D eingedrungene Außenluft übernimmt nun die Wärme und den Zustand der in der Grube enthaltenen Luft (§ 12) und wird somit schwerer als die Außenluft (§ 14). Folglich überwiegt die Luft im Schacht C-E wiederum wie vorher die Luft, die im Schacht A-B enthalten war und sinkt im Teil C-D bis zum
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Punkt D, treibt somit die Luft durch das Mundloch A hinaus und macht Platz frei für die durch C weiter einziehende Außenluft. Auf diese Art und Weise erfolgt die Bewetterung in der Grube, solange die Luft darin proportional schwerer ist als die Außenluft; das heißt, die Außenluft zieht durch den oberen Schacht ein und durch den unteren wieder aus.
Anmerkung § 16. Die Wetter, die aus dem unteren Schacht ausziehen, können mit ihrem Gewicht auf den weiteren, noch tiefer gelegenen Schacht keine Wirkung mehr ausüben und somit auch kein Gleichgewicht in der Grube bewirken; denn – kaum aus der Mündung A in Richtung L ausgezogen – erwärmen sie sich sofort, werden dünner und entweichen, vermischt mit der Außenluft, bald ins Freie.
Annahme 2 § 17. In der Sommerzeit gelangen die Wetter von außen durch den oberen offenen Stolln F-G (Fig. 43) hinein und durch den unteren Stolln H-K wieder hinaus.
Beweis Auf den beiden Mundlöchern H und F lasten die Luftsäulen, die von der Öffnung bis zum oberen Rand der Atmosphäre reichen. Die Luftsäule auf dem Mundloch F ist kürzer als diejenige auf dem Mundloch H, und zwar um die Länge H-P; dieser Nachteil wird durch die Luft im verborgenen Schacht G-K ausgeglichen. Sobald aber die Grubenluft in der Sommerzeit im Verhältnis schwerer wird als die Außenluft (§ 14), wird demnach auch die Luftsäule G-K schwerer als diese im Luftsäulenteil P-H. Der restliche Teil der bis zum Atmosphärenoberrand reichenden Luftsäule hat die gleiche Höhe und ist im Verhältnis zueinander gleich schwer; denn beide enden in derselben Höhe, nicht weit voneinander entfernt. Auf diese Weise überwiegt die auf der Mündung F ruhende Luftsäule, zusammen mit dem Abschnitt G-K, der proportional schwerer ist, die andere Luftsäule, die auf dem Mundloch H steht und deren Teil H-P im Verhältnis leichter ist. Folglich ist das Gleichgewicht im verborgenen Schacht G-K gestört; die Luft sinkt deshalb in den unteren Stolln H-K ab und führt somit die entsprechende Luftmenge aus dem Mundloch H hinaus. Hingegen zieht die Luft aus dem Stolln F-G in den verborgenen Schacht G-K, wobei deren Platz die Außenluft einnimmt, die abgekühlt (§ 12) in den Schacht GK gelangt und wiederum unter Störung des Gleichgewichts durch den Stolln H-K auszieht. So werden die Wetter ununterbrochen durch den oberen Stolln ein- und durch den unteren ausziehen, so lange die Außenluft
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wärmer und leichter bleibt als die Grubenluft, das heißt solange Frühjahr und Sommer andauern.
Ergänzung 1 § 18. Dort, wo der Sommer länger dauert, bewegen sich die Wetter länger nach diesem Muster, wobei sie durch den oberen Schacht ein- und durch den unteren ausziehen; im Gegensatz dazu ist dort, wo der Sommer kurz ist, diese Wetterbewegung auch von kürzerer Dauer.
Ergänzung 2 § 19. Deswegen verwundert es auch nicht, dass diese Wetterbewegung in mäßigen Klimazonen schon sehr zeitig im Frühjahr einsetzt und erst im Spätherbst endet, in den kälteren Regionen hingegen erst ziemlich spät im Frühjahr anfängt und mit dem Herbstanbruch endet.
Annahme 3 § 20. In der Winterzeit zieht die Luft in den unteren Schacht A-B ein und aus dem oberen Schacht C-E wieder aus.
Beweis Der Schacht C-E liegt höher als der Schacht A-B (Fig. 40), und die Luft in der Grube ist im Winter leichter als die Luft außerhalb (§ 14). Deswegen muss der Teil A-L der Luftsäule, die auf dem Mundloch A ruht, schwerer sein, als der Teil C-D der anderen Luftsäule, die über dem Niveau D steht (§ 14). Deshalb überwiegt die Luftsäule L-A-B die von C-D-E. Folglich fließt die Außenluft in das Mundloch A des Schachtes A-B und verdrängt die Grubenwetter durch das Mundloch C. Und weil die Außenluft, die in die Grube einzieht, im Winter sofort leichter wird (§ 14) und somit das Gleichgewicht fortwährend stört, zieht sie in das untere Mundloch ein und aus dem oberen wieder aus.
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Ergänzung 1 § 21. Die Ergänzung bezieht sich auch auf die Grube F-G-H-K (Fig. 43), deren Lage dem Schacht A-B-C-E (Fig. 40) entspricht; das heißt, der Teil U-P der Luftsäule,5 die auf dem Mundloch H ruht und der sich bis zur Atmosphärenoberfläche erstreckt, ist im Winter kälter und demnach schwerer als der Teil G-K, der sich im dazwischen liegenden Schacht befindet; deswegen muss die Luft im Winter im Schacht F-G-H-K durch das untere Mundloch ein- und aus dem oberen wieder ausziehen.
Ergänzung 2 § 22. Die Außenluft zieht ununterbrochen durch die unteren Schächte und Stolln ein und durch die oberen wieder aus, solange sie im Verhältnis schwerer als die Luft im Schacht ist. Folglich währt diese Art der Bewetterung aus dem unteren in den oberen Schacht genau dort länger, wo der Winter auch länger anhält – im Vergleich zu den Gegenden, wo der Winter kürzer ist. Das heißt natürlich, dass sie in kälteren Regionen eher einsetzt und länger dauert als in wärmeren.
Ergänzung 3 § 23. Im Frühjahr und im Herbst, wenn Kälte und Wärme gegeneinander kämpfen und die Außenluft mal wärmer, mal kälter ist als die Wetter in den Gruben, wird sie somit bald leichter, bald schwerer als diejenige in der Grube. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass zu diesen Zeiten die Wetter in den Gruben im Laufe einiger Wochen, manchmal auch länger, ihre Richtung mehrmals wechseln.
Ergänzung 4 § 24. Aus den oben dargelegten Thesen folgt, dass mit zunehmendem Höhenunterschied zwischen den Mundlöchern der offenen Schächte der Wetterzug zunimmt und damit schneller die Erneuerung von schlechten Wettern erfolgen kann.
Anmerkung 1 § 25. Diese theoretischen Darlegungen vom natürlichen Wetterzug in den Gruben wird, so hoffe ich, den Grubenbesitzern von großem Nutzen sein; denn (natür-
5 Die oberhalb von P liegende Position U ist in der Abbildung nicht zu sehen.
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lich nur, wenn die Lage es hergibt) der Bau von Schächten und Stolln nach den oben angeführten Regeln ist für die Arbeit der Bergleute von Vorteil und für die Grubenbesitzer viel günstiger. Der Bau und das Betreiben von Wettermaschinen hingegen sind demgegenüber eher arbeitsaufwändig und kostspielig.
Anmerkung 2 § 26. Auf denselben Prinzipien beruht die Befeuerung eines Treibeofens, wobei die Annahme 3 zur Wirkung kommt (§ 20). Denn der Ofen oder sein Schlot A-B (Fig. 44) sind nichts anderes als ein Schacht, in dem die Luft im Vergleich zur Außenluft wärmer und dementsprechend leichter ist. C-D ist die zugehörige Luftsäule, die viel kälter und dichter ist als diejenige in A-B. Deswegen ist die Luftbewegung von D zu B umso intensiver, je höher A-B selbst ist und je heftigere Hitze darin herrscht. Dieser Umstand kann in den Eisenhüttenwerken insbesondere dort von Nutzen sein, wo zum Antrieb von Blasebälgen nicht ausreichend Wasser vorhanden ist. Eine ausführliche Beschreibung und Inbetriebsetzung derartiger Einrichtungen erfordert allerdings eine spezielle Abfassung sowie praktische Erprobung.
Anmerkung 3 § 27. Mit oben beschriebenen Darlegungen lassen sich viele Erscheinungen der Natur erklären. So strömt zeitweise aus manchen Höhlen in Italien Luft heraus und verursacht auf den umherliegenden Feldern eine Luftbewegung, die wie ein Wind erscheint; zweifelsohne kann dies mit Hilfe der Annahme 1 (§ 15) erklärt werden.
7 Zweite Beilage – Über die Erdschichten1 1 Über die Erdoberfläche §1 Wenn wir, die wir auf der Oberfläche der Erde leben und uns auf ihr bewegen, sehen könnten, was unter unseren Füßen in ihrem Innern verborgen ist, würden wir manchmal alle Möglichkeiten ausschöpfen, um in ihr tiefstes Inneres einzudringen. Manchmal würden wir sogar alles, auch die äußere Welt, vergessen und von unserem durch die Natur gegebenen Wohnsitz fortlaufen. Denn oft verbirgt sich vor unseren Blicken und unserem Wissen, nur durch eine dünne Schicht getrennt, ein überaus großer Reichtum, der von der Natur hervorgebracht wurde und zu dem man mit wenig Mühe und Aufwand gelangen kann. Andererseits liegt manchmal unter den Wohnstätten der Menschen ein schrecklicher Schlund, dessen Gewölbe Städte und Dörfer tragen, die aber selbst nur ungenügend durch feste Säulen gestützt werden und die, so ihre Zeit gekommen ist, auf Grund von ureigenen Ursachen einstürzen und alles, was sie trugen, im Fallen mitreißen, so dass es der Rachen der Erde verschlingt.
§2 All dies und dessen Nützlichkeit hängen von der unterschiedlichen Beschaffenheit der Erdschichten ab. Diese nach menschlichem Ermessen möglichst genau zu kennen, ist ein bereits am Anfang dieses Kapitels zu artikulierendes Erfordernis. Denn es ist etwas Großartiges, mit Hilfe des Verstandes in die Tiefe der Erde einzudringen, dorthin, wo die Natur den Händen und dem Auge den Zutritt verwehrt, vermittels der Gedanken in der Unterwelt umherzuwandern, mit unseren Überlegungen in enge Erdspalten einzudringen und in ewige Nacht gehüllte Dinge und Vorgänge ans Licht der Sonne zu befördern.
§3 Diese Dinge sind so wichtig, dass sie mich dazu anregten, bei der Herausgabe meiner schon lange fertigen Arbeit nicht zu versäumen, den Liebhabern der Naturwissenschaften und der Metallurgie – soweit dies möglich ist – die Kenntnis dieses Teils der physischen Geographie zusammen mit meinen eigenen Meinun-
1 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 530–631. https://doi.org/10.1515/9783110424065-012
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gen zu vermitteln. Diese dienen dazu, gesicherte Lehren zu bestätigen und jene vagen Vermutungen zu widerlegen, die zum größten Teil aus leeren Vorurteilen und Annahmen stammen.
§4 Um diese Sache in richtiger Reihenfolge zu beginnen, halte ich es für notwendig, kurz darzulegen, inwieweit ich in den folgenden Beschreibungen davon ausgehe, die oberste Schicht als Kruste aller übrigen anzusehen, das heißt als das Alleräußerste der Erdkruste; denn sie ist ein Teil tieferer Schichten und hat diesen viel für ihre Zusammensetzung entnommen. Beide heben sich jedoch voneinander ab, was im Folgenden deutlich gemacht werden wird.
§5 Für meine Betrachtung muss ich als Erstes die Gestalt der Erde, zweitens deren innere Merkmale und Eigenschaften in Betracht ziehen. Insofern sie von der Meeresoberfläche bedeckt ist, soll die Gestalt des ganzen Erdballs hier nicht untersucht werden. Berühmte Geometer und Astronomen haben durch mühsame astronomische Beobachtungen und geometrische Messungen festgestellt, dass sie rund und nach den Polen zu abgeplattet ist, wobei der Durchmesser von Pol zu Pol oder die Erdachse um 1/179 oder um etwa 70 Werst kürzer als der Durchmesser am Äquator ist.2 Meine Absicht ist es nun, mich mit den Unebenheiten der Erdoberfläche, Berge und Täler genannt, zu befassen.
§6 Erhebungen haben unterschiedliche Höhe, und dementsprechend werden sie in verschiedene Arten eingeteilt. Solche sind: Anhöhen, Kuppen, Hügel, Vorberge und Berge. In den Hochgebirgssystemen finden sich die größten Berge; denn die hohen Bergketten der Rhiphaei Montes, des Kaukasus, des Mondgebirges, des Atlantischen Gebirges, der Alpen, der Kordilleren und anderer sind hinsichtlich ihrer Höhe und Ausdehnung nichts anderes als Erhöhungen, Hügel oder Vorberge.3 Die Behauptung, dass die Erdteile Berge sind, kann niemand bestreiten; denn die weltberühmten Gebirge sind ihre Gipfel, der tiefliegende Meeresboden
2 Lomonosov bezieht sich wohl auf Pierre Bouguer: La figure de la terre … Paris 1749; sowie Pierre Louis Moreau de Maupertuis: Eléments de la géographie, Paris 1742. 3 Lomonosov verwendet die Gebirgsnamen der antiken Autoren (Rhiphaei Montes – Ural; At-
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ihre Täler. Dessen Tiefe kann zum größten Teil gar nicht gemessen werden und wäre eigentlich als Erdoberfläche anzusehen, 1. weil er an vielen Stellen täglich zweimal durch Ebbe und Flut bloßgelegt wird, 2. weil an flachen Stellen oft der Grund zu sehen ist, besonders bei ruhigem Wetter, 3. weil die Seefahrer an den Stellen, an denen er durch das Lot zu erreichen ist, seine Beschaffenheit leicht erkennen können, 4. weil man ihn ebenso wenig von der Erdoberfläche ausschließen kann, wie die Gipfel hoher Berge, die dem Menschen wegen ihrer dichten und hohen Wälder nicht zugänglich sind, in denen von Ewigkeit her keine Stimme eines vernunftbegabten Geschöpfes gehört wurde, ebenso wenig wie die Länder, die an den beiden Polen liegen, wo die unaufhörlich wütende Kälte dem Menschengeschlecht keine Gastfreundschaft gewährt; dieses Recht muss man gleichermaßen dem Grund der Flüsse und Seen einräumen.
§7 Ebenso, wie man jene durchweg gewaltigen Erhebungen, wie sie die Erdteile darstellen, als Berge ansehen muss, muss man gerechterweise auch die Inseln – wenngleich in geringerem Maße und in Abhängigkeit von ihrer Höhe und Umgebung – bewerten. Dazu gehören auch die Sandbänke, die sich aus der Tiefe erheben und mit einer dünnen Wasserschicht bedeckt sind.
§8 Die fünf Haupterhebungen, und zwar ganz Asien, Afrika, Europa, Südamerika und Nordamerika, bilden die vier bekannten Erdteile. Die Trennung Afrikas von Asien und Südamerikas von Nordamerika ist signifikant; denn die niedrigen und schmalen Landengen zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer, zwischen dem Stillen Ozean und dem Golf von Mexiko bilden nur eine schmale Verbindung. Aber zwischen Europa und Asien muss man die Grenze wie zwischen zwei Gebirgen markieren. Sie besteht nicht in einer schmalen Landenge, sondern in einer Niederung, die sich von der Mündung des Don bis zum Nördlichen Eismeer erstreckt und beinahe überall den Gewässern eine Verbindung gestattet;
lantisches Gebirge – Atlas; Kordilleren – Anden und Rocky Mountains). Das Mondgebirge ist ein legendäres Gebirge am Äquator, in dem der Nil entspringen sollte.
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denn der Don ist nur durch eine kleine Distanz von der Wolga getrennt und mit ihr durch einen Kanal verbunden. Die Gipfel, auf denen der Fluss Wjatka entspringt, der in die Kama und von da in die Wolga fließt, sind – besonders zur Frühjahrszeit – mit den Gipfeln, aus denen der Fluss Pečöra entspringt, durch einen Wasserlauf verbunden. Wenn man dies bedenkt und die Ebenen in Russland und Polen betrachtet und schließlich in Asien auf den Ural und den Kaukasus, in Europa auf die Karpaten, die Alpen und den Rücken der Pyrenäen schaut, erkennt man deutlich zwei große Hauptberge. Diese werden von den erwähnten Höhen oder Vorbergen durch ein weites und fruchtbares Tal getrennt, das von zahlreichen großen Gewässern durchzogen wird.
§9 Asien als dem größten Berg von allen gebührt der erste Platz bei der allgemeinen Beschreibung. Es wird im Osten durch den Stillen Ozean, im Süden durch den Indischen Ozean, im Norden durch das Nördliche Eismeer, im Westen durch das Rote Meer und das Mittelmeer, durch den Archipelagos, das Schwarze Meer und das Asowsche Meer und durch ein großes Tal, das heißt durch Russland, begrenzt. Wie tief die übrigen Täler sind, beweisen die Nachrichten der Seefahrer über den Indischen Ozean und den Stillen Ozean. Sie berichten nämlich, dass das Lot den Grund zum größten Teil nicht erreicht. Über die Tiefe des Eismeeres in seinen entlegenen Teilen haben wir keine Kenntnis. Und so verlassen wir die Täler, die diesen Berg umgeben und betrachten seine Gipfel, seine Abhänge und die Flächen am Fuße des Berges.
§ 10 Ursprung und Quellen der großen Flüsse weisen auf die höchsten Punkte eines jeden dieser Berge hin, so dass man sie, betrachtet man die Erdkarte, leicht erkennen kann. Aus Asien ergießen sich nach Osten in den Stillen Ozean der Amur, der Gelbe und der Blaue Fluss,4 nach Süden in den Indischen Ozean der Ganges und der Indus, nach Norden in das Eismeer Ob, Jenissei und Lena, nach Westen der Amu-Darja und der Syr-Darja in den Aralsee. Zwischen diesen fließen noch andere kleinere wie auch große Flüsse. Alle haben ihren Ursprung in einem gemeinsamen großen Gipfel des Asien-Berges, der den Namen Tibet trägt und
4 Hwangho (Gelber Fluss) und Jangtsekiang (Langer Fluss).
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dessen kurze Beschreibung, soweit dies unsere Absichten berührt, hier unerlässlich ist.
§ 11 Dieses große Reich liegt im südlichen Teil Asiens. Im Norden beginnt es beim 35. Breitengrad, innerhalb seiner Grenzen liegt eine große Sandwüste, die Gobi genannt wird; es erstreckt sich nach Süden bis zum 26. Grad, berührt das Gebiet der Mongolen und Peguanen. Im Osten grenzt es an das Chinesische Reich, im Westen an Buchara. Was die geographische Länge anbetrifft, so dehnt es sich vom 95. bis zum 115. Grad aus, das heißt es hat eine Länge von ungefähr 1.500 und eine Breite von nahezu 1.000 Werst.
§ 12 Trotz der Lage dieses Staates, der im nördlichen Teil klimatisch Spanien, Neapel, Achaia, Syrien und Palästina entspricht und dessen südlicher Teil auf der gleichen Breite wie Marokko, Ägypten und das glückliche Arabien liegt,5 ist der Winter dort ebenso heftig und ebenso lang wie in unseren mitternächtlichen Gebieten,6 so dass er die Erde bis zu fünf Monaten mit Schnee bedeckt hält. An einigen Stellen gibt es manchmal überhaupt keinen Sommer. Deshalb wächst in jenen Gegenden nur Roggen und Hafer. Früchte, wie sie im benachbarten Indien und China wachsen, bringt Tibet nicht hervor – außer guten Zuckermelonen. Die Bewohner tragen wollene Gewänder, denn sie besitzen reichlich Vieh; hingegen ist es wegen der Kälte unmöglich, Seide herzustellen. Dies bezeugen die Nachrichten von Bernier und Desideri.7
§ 13 Zu diesem ganzen Asien-Gipfel gehören die Sandwüste Gobi, Klein-Buchara und die hochgelegene Steppe, die Sibirien von China trennt; denn sie erstrecken sich über den ganzen Gebirgsrücken und sind außerordentlicher Kälte ausgesetzt – im
5 Aus dem zweiten Teil des Satzes geht hervor, dass Lomonosov hiermit das Sommerklima meint. 6 Das heißt nördlichen Gebieten (vgl. Kompassrichtungen). 7 Bernier François: Voyages, contenant la description des États du grand Mogol. Nouvelle édition, tt. I et II, Amsterdam 1723–1724, sowie Ippolito Desideri: Bibliotheca Pistoriensis a Francisco Antonio Zacharia … descripta. Augustae Taurinorum 1752, pp. 185–186; Lettres édifiantes et curieuses écrites des missions étrangères, Nouv. Éd.t. XII, pp. 430–445.
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Gegensatz zu der Wärme, die andere Länder genießen, welche auf dem gleichen Breitengrad oder noch weiter entfernt vom Äquator liegen.
§ 14 Wem die Entfernung des ewigen Frostes, das heißt der kalten Schicht der Atmosphäre, von der darunterliegenden Erd- oder Meeresoberfläche bekannt ist und wer sich andere Gebiete vor Augen führt, die auf der gleichen Breite liegen, wird nicht daran zweifeln, dass aus bestimmten Ursachen in Tibet eine derart große Kälte herrscht. Zweifelsohne wird er feststellen, dass Tibet hoch über dem Meeresspiegel liegt, nahe an der Frostschicht, aus der sie, ungeachtet der sommerlichen Hitze, nicht nur in unseren Gegenden, sondern selbst in der heißesten Zone, herabfallen und davon zeugen, dass nicht allzu weit über unseren Köpfen ständig grimmige Kälte herrscht. Auf die bedeutende Höhe weisen die ewig mit Schnee und Eis bedeckten Gipfel der hohen Berge hin. Auf diese Weise haben erfahrene Astronomen und Geographen ausgemessen, dass am Äquator die Frostschicht der Atmosphäre etwa vier Werst über dem Meeresspiegel liegt. In der Nähe der Polarzone, das heißt bei 66 ½ Grad, erreicht sie bereits die Erde. Jedoch verändert sich die Distanz: Sie verschiebt sich im Sommer nach Norden, im Winter hingegen nach Süden; und dort, wo die Frostschicht der Atmosphäre bis zur Erde reicht, ist es Winter.
§ 15 Daher nimmt man auf Grund von Berechnungen an, dass im Sommer die Frost atmosphäre in Tibet 3 ½ Werst, auf der Breite von St. Petersburg jedoch 1 ¼ Werst über dem Meeresspiegel liegt. Außerdem nimmt man an, wie oben gezeigt, dass in Tibet die Zusammensetzung der Luft dieselbe ist wie bei uns, so dass der ganze Raum jenes asiatischen Rückens 2 ¼ Werst über dem Meere liegen müsste. Das heißt, er ist der Frostschicht der Atmosphäre viel näher als die mit ihm auf einer Breite am Meer und an anderen niedrigen Stellen liegenden oben erwähnten Länder.
§ 16 Es scheint zu verwundern, wenn jemand über die Verschiedenartigkeit des Klimas und des Auftretens von Wärme und Kälte in St. Petersburg, in Moskau und in Kiew nachdenkt. Denn Kiew liegt 50° nördlich vom Äquator, jenes 60°, und Moskau liegt in der Mitte, das heißt in 55° nördlicher Breite; deshalb müsste der Winter in Moskau eine Mittelstellung zwischen dem St. Petersburger und
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dem Kiewer Winter einnehmen. Der Moskauer Winter unterscheidet sich jedoch kaum merklich vom hiesigen, und der Kiewer ist im Gegensatz dazu um zwei, manchmal auch um drei Monate kürzer als der Moskauer. Betrachten wir jedoch den Lauf der Flüsse, so sehen wir, dass Moskau auf einem Berg, aber St. Petersburg und Kiew in der Ebene liegen. Und so wird deutlich, dass Moskau wegen seiner größeren Entfernung vom Pol ein wärmeres Klima als St. Petersburg haben müsste. Diesen Vorteil verliert es aber durch seine hohe Lage, durch die es näher an der Frostschicht der Atmosphäre liegt. Im Gegensatz hierzu liegt Kiew näher am Äquator und ist auch weiter von der Frostschicht entfernt – zwei Faktoren, die in der gleichen Richtung wirken und somit ein wärmeres Klima bedingen.
§ 17 Auf dem erwähnten Gipfel Asiens, auf seinen Vorbergen und den Flächen, die an seinen Abhängen liegen, erstrecken sich in verschiedenen Bereichen steinerne Erhöhungen, die gemeinhin Berge genannt werden. Entsprechend der Größe der Gesamterhebung bilden sich schroffe Höhen und Vorgebirge, wie der Taurus und der Kaukasus und die Rhiphaei Montes. Sie bestehen aus großen Felsen und für das Auge schrecklichen Brocken wilden Gesteins, dessen kompakte Blöcke oder Stücke zuweilen in Werst, die mittleren und kleineren in Sažen gemessen werden müssen. Die Gipfel ragen umso höher empor, je ungeordneter und ungleichmäßiger die Blöcke zerteilt sind; und je niedriger sie sind, umso höher sind sie mit feinen Steinen, Sand und Erde bedeckt.
§ 18 Auf die gewaltigsten Erhebungen des Berges Afrika weist der Ursprung der Flüsse Nil, Gambia, Sanaga, Sambesi und anderer hin. Da aber die geographischen Kenntnisse über das Innere Afrikas sehr unvollkommen sind, kann man weder die allerhöchste Erhebung feststellen, noch genau bestimmen, ob es sich nur um eine einzelne oder um mehrere handelt. Es ist lediglich bekannt und unbestritten, dass der große Fluss Nil bereits als breiter Strom Abessinien verlässt und in Stromschnellen herunterstürzt, wodurch bewiesen ist, dass seine Quellen in einer bedeutenden Höhe liegen. Die Überschwemmungen in Ägypten weisen darauf hin, dass sich große Wassermassen durch das Auftauen der großen Eisund Schneemassen bilden, mit denen die abessinischen Berge dauerhaft bedeckt sind und die demnach bis in die Frostschicht der Atmosphäre reichen.
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§ 19 Die höchsten Punkte Süd- und Nordamerikas hingegen sind bekannter; denn sie stehen zum größten Teil unter europäischer Herrschaft und sind in der Hand europäischer Außenposten, wobei wissensdurstige und gelehrte Männer bis ins tiefste Innere des Landes vorgedrungen sind. Französische und spanische Astronomen, die zu Gradmessungen nach Peru geschickt worden waren, wiesen auch Flüsse nach, die in die benachbarten Meere fließen und bezeugen, dass die höchsten Punkte dieses Teils die Kordilleren sind. Deren höchste Spitzen ragen weit über die Wolken hinaus in die Frostatmosphäre und sind – obwohl aus vielen von ihnen ununterbrochen Rauch aufsteigt und nicht selten auch Feuer heraussprüht – doch mit ewigem Schnee bedeckt. Zwischen diesen Bergen liegt die Provinz Quito in einer Höhe, welche die Mitte zwischen dem Meeresspiegel und den Gebieten der Frostatmosphäre darstellt, das heißt, von beiden ist sie etwa zwei Werst entfernt. Deshalb besitzt sie ein gemäßigtes Klima wie Frankreich, obgleich sie direkt am Äquator liegt.
§ 20 In Nordamerika muss man Kanada und Neu-Frankreich8 für den Hauptgipfel halten. Riesenflüsse – der Mississippi, der Sankt-Lorenz-Strom und andere – bestätigen dies dadurch, dass sie von dort herabfließen; außerdem zeigt sich dies an der großen Kälte, die dort herrscht. Obgleich Kanada auf denselben Breitengraden wie Frankreich und Spanien liegt, hat es ähnliche strenge Winter wie unsere nördlichen Gebiete. Dadurch kann man die von dorther wehenden kalten Winde in anderen, benachbarten Gebieten spüren, die an niedrigen warmen Stellen nahe des Meeres liegen, wie in Neuengland und ganz Virginia.
§ 21 Der Berg Europa ist kleiner und niedriger als all die anderen und liegt dadurch glücklicherweise weiter von der Frostschicht der Atmosphäre entfernt. Denn wenn er so hoch wäre wie Tibet oder Quito, dann wäre er wegen der anhaltenden großen Kälte unbewohnbar. Denn schon die Alpen und die Pyrenäen,
8 Neufrankreich (franz. la Nouvelle-France) bezeichnete ursprünglich allgemein das in Nordamerika durch Frankreich zwischen 1534 und 1763 in Besitz genommene und teilweise kolonialisierte Territorium. 1608 wurde der Name Neufrankreich auch zur offiziell gewählten Bezeichnung der nun zu einer französischen Kolonie zusammengefassten französischen Gebiete. (Wikipedia 30.6.2017)
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weniger hoch als die Kordilleren, sind teilweise mit Schnee bedeckt. In Europa muss man vier Haupterhebungen annehmen. Die erste sehr steile liegt bei der Rshewer Heide und anderen nahegelegenen Gegenden.9 Von da strömen große und bekannte Flüsse in alle vier Himmelsrichtungen: die Wolga nach Osten, der Dnepr nach Süden, die Dwina nach Westen, der Wolchow nach Norden. Als zweiten Gipfel muss man die Karpaten ansehen, als dritten und vierten die Pyrenäen und die Alpen. Die anderen Gebirge sind – trotz ihrer Höhe im Verhältnis zu den vorher erwähnten – doch eher kleinere Vorgebirge, wenngleich auch einige von ihnen durch die Fabeln der alten Griechen und Römer bis über die Wolken erhoben worden sind.
§ 22 Von all diesen Haupterhebungen der Weltteile gehen große Gebirgsketten mit bekannten Bergen aus, die zum größten Teil zu den Ebenen herabführen, die Ufer des Meeres erreichen und nicht selten sogar in diesen weitergehen und ihre Gipfel nur als Inseln oder Luda10 zeigen. Dies kann man recht gut auf den Landkarten erkennen, auf denen der Lauf großer Flüsse verzeichnet ist. Sie bestätigen in der Tat, dass zwei bedeutende Flüsse, die von einer der Haupterhebungen aus in ein und dasselbe Meer fließen, zu unterschiedlicher Höhe getrennt werden, so sich ein Gebirgsrücken zwischen ihnen bis zum Meer erstreckt.
§ 23 Nachdem ich einen allgemeinen Begriff von den Hauptmerkmalen der Oberflächengestalt der Erde gegeben habe, lasse ich alles Überflüssige beiseite, um ebene und steile, glatte und raue Stellen, steile Bergwände, Felsen, Höhlen, Erdspalten und Abgründe zu beschreiben. Dabei gibt es für die folgenden Darlegungen über die stofflichen Eigenschaften der obersten Schicht oder der Erdoberfläche Beispiele in Hülle und Fülle.
9 Rschew (russ. Ржев) ist eine russische Stadt in der Oblast Twer. 10 Das Wort Luda steht für einen kahlen Felsen im Meer, gefährlich für die Schiffe. In den Gebieten Russlands, die vom Meere entfernt liegen, wird das Wort kaum gebraucht, in Küstengebieten hingegen schon.
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§ 24 Den größten Teil von ihr nimmt die Schwarzerde ein,11 die – soweit sie durch den Menschen gedüngt und fruchtbar gemacht wurde – Acker- oder Gartenerde genannt wird. Es ist allgemein beobachtet worden, dass die Erde, je mehr sie gedüngt wird, eine umso dickere, schwarze Schicht bildet. Die bewohnten Stellen, besonders dort, wo allerlei Vieh gehalten wird, sind umso höher mit Schwarzerde bedeckt, je älter die Siedlung ist. Die natürliche Schwarzerde unterscheidet sich von der durch Siedlungen entstandenen dadurch, dass der letzteren verschiedene, von Menschen verursachte Abfälle beigemischt sind. Hierzu muss man die großen reinen Sümpfe und Tundren12 rechnen, die sich manchmal über einige hundert Werst erstrecken; ebenso einige Steppen, in denen auf der Schwarzerde Gras wächst.
§ 25 Ein kaum kleinerer, wenn nicht sogar größerer Teil der Erdoberfläche ist mit Sand bedeckt. Dafür muss man nicht nur die großen Sandwüsten ins Auge fassen, die in Libyen, in Nigritien,13 in der Wüste Arabien,14 zwischen dem Kaspischen Meere und dem Aralsee liegen, sowie die Wüste Gobi und viele andere, kleinere und uns noch unbekannte, sondern auch die Ufer der Oberflächengewässer betrachten, die ebenfalls mit Sand angefüllt sind. Und wenn man hierzu den Meeresboden hinzuzählt, der ebenfalls als Erdoberfläche betrachtet werden muss, und zudem die großen Sandbänke, die sich zwischen England und Holland befinden (wo die Heringe vor den Walfischen Zuflucht suchen), sowie die Sandbänke an den Mündungen der großen Flüsse, und wenn man dazu noch die Berichte der Seefahrer nimmt, die fast immer Sand am Lot vom Meeresboden heraufholen, dann gibt es für uns keinen Zweifel, dass der größte Teil der Erde mit Sand bedeckt ist.
§ 26 Dann folgen die verschiedenen Tonsorten, die sich jedoch nicht unmittelbar an der Erdoberfläche in einer so großen Menge wie die Schwarzerde und der Sand zeigen, jedoch oft mit ihnen vermischt vorkommen. Wie viel verschiedene Arten
11 Schwarzerde, ein dunkler Humusboden, auch Tschernosem genannt. 12 Tundren werden die mit Moos bewachsenen Gebiete genannt, die neben Sümpfen und Wäldern den größten Teil der Küsten des Nördlichen Eismeeres bedecken. 13 Alte Bezeichnung für den Sudan. 14 Sandwüste Roba el-Chali (Wüste Dehna) im südlichen Teil von Saudi-Arabien.
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es davon gibt, zeigen das in der ganzen Welt verbreitete, für das Leben der Menschen in der Gemeinschaft sehr notwendige Töpferhandwerk und das Ziegeleiwesen.
§ 27 Der dem Ton verwandte Schlamm ist überall auf der Erdoberfläche zu finden, jedoch selten rein, öfter mit Sand, Humus und mit anderen fremden Substanzen vermischt. Er kommt am häufigsten auf dem Grund stehender Gewässer vor, wo er den verschiedenen, in den Seen lebenden Tieren als Nahrung und Zufluchtsort dient.
§ 28 Ein großer Teil der Erde wird von steinigen kahlen Gebirgen bedeckt. Bedenkt man ihre nackten hohen Gipfel, ihre Felsen, Klüfte sowie die Ufer von Flüssen und die Küsten der Meere, die aus wildem Gestein bestehen, die steinernen Inseln und Ludas, die jeglicher Pflanzenwelt entbehren, so muss man schlussfolgern, dass jene feste Substanz einen nicht geringen Teil der Erdoberfläche bildet. Obgleich das wilde Gestein am häufigsten vorkommt, sind doch auch Sand- und Kalksteine sowie noch andere Arten vielerorts in großer Menge verbreitet.
§ 29 Ein bedeutender Teil der Erdoberfläche wird von Eis und Schnee bedeckt. Neben den in den Polarmeeren schwimmenden dicken Eisschollen und dem an den Küsten befindlichen Packeis muss man weltweit die grauen Gipfel der hohen Berge, auf denen ewiger Schnee liegt, und jene Ebenen in Betracht ziehen, von denen der Schnee nicht wegtaut – wie man sie zwischen der Lena und den Ufern des Ochotskischen Meeres finden kann. Ebenso die engen Täler und Schluchten der Felsgebirge, die hinter der Polarzone liegen, aber auch Gegenden, die näher am Äquator liegen, wie das sogenannte Feuerland hinter der Magellanstraße, wo in der Nähe des 55. Breitengrades nicht nur auf den Gipfeln von Bergen, die viel Rauch und Feuer ausstoßen, sondern auch in Tälern und Schluchten die Schneemassen niemals wegtauen. Das ist insofern nicht verwunderlich, weil auf der südlichen Hälfte der Erde eine größere Kälte herrscht als auf unserer nördlichen. Die Ursache liegt darin, dass der Wind dort in jener Hälfte des Jahres herrscht, in der sich die Erdkugel in einer größeren Entfernung von der Sonne befindet – und zwar ist sie, nach Berechnung von Cassini, um 1/30 ihrer Gesamtentfernung,
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das heißt um ungefähr fünf Millionen Werst, weiter entfernt.15 In der Nähe der Magellanstraße und gegenüber dem Kap der Guten Hoffnung, ungefähr bei 53° südlicher Breite, befinden sich große Eismassen. Daher besteht kein Zweifel, dass in größerer Entfernung Inseln und festes Land mit großen und niemals tauenden Schneemassen bedeckt sind und dass in der Nähe des Südpols ein größerer Teil der Erdoberfläche von ihnen bedeckt ist als in der Nähe des Nordpols. Obgleich dies die eigentlichen Eigenschaften der Erde nicht betrifft, wird es doch hinzugezogen, um das Folgende zu erklären.
§ 30 Im Gegensatz zu Schnee und Eis hat die Wirkung des Feuers ebenfalls einen gewissen Anteil an der Gestaltung der Erdoberfläche. Helle Flammen schlagen nicht nur aus Feuer speienden Bergen, sondern auch aus Ebenen. Die von französischen Ansiedlern bewohnte Bourbon-Insel16 im Indischen Ozean ist wegen des Feuers, das aus der Erde hervorbricht, zur Hälfte nicht bewohnbar. Die brennenden Liparischen Inseln17 und das Feuer von Baku, das aus der Erdoberfläche dringt, sind auch hinreichend bekannt.
§ 31 Die Substanz für die oberirdischen Feuersbrünste zeigt sich an verschiedenen Stellen und vielfach in offener Form. Gewaltige Schichten brennbaren Schwefels kann man an den Berghängen und den steilen Bergen in Indien und in Amerika beobachten; schließlich auch auf der Insel Island wie in Puteoli in Italien.18
§ 32 Salpeter hingegen findet sich in dünnen Schichten in der Nähe von bewohnten Orten, längs alter Steinwände, bei Resten prähistorischer Siedlungen und in Dünger; deshalb macht man in Salpeterfabriken besondere Haufen, von denen man das dem Reif ähnliche Salz in dünnen Gefäßen sammelt und dann auskocht.
15 Unter der Leitung von Giovanni Domenico Cassini wurde 1673 in Paris und Cayenne die Parallaxe der Sonne (das heißt ihre Entfernung von der Erde) bestimmt. 16 Île Bourbon, 1793 in La Réunion umbenannt, heute Réunion, Insel im Indischen Ozean. 17 So genannt wegen mehrerer schon seit dem Altertum tätiger Vulkane, darunter der Stromboli, der „Leuchtturm des Mittelmeeres“. 18 Antike Siedlung, heute Pozzuoli; in der Nähe befindet sich ein Vulkankrater, genannt Solfatara.
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In Arabien sind große Flächen mit Salpeterreif bedeckt, der mit Salz vermischt ist, so dass die Erde durch dieses Übermaß unfruchtbar geworden ist.
§ 33 Auch an Salz zeigt die Erdoberfläche einen großen Überfluss. So weiß man von heißen Ländern, wo Salzkrusten stellenweise die Küsten bedecken. Der „Basun“ von Astrachan und der „Solontschak“19 der dortigen Gegend versorgen eine Menge Menschen. Erwähnenswert ist auch der Ingersker Salzsee, der auf der östlichen Seite von Jaika liegt und linker Hand abfließt. Er hat eine Länge von neun und eine Breite von sechs Werst; von Osten, Norden und Westen her ist er von Bergen eingeschlossen, nach Süden zu schließt sich flaches Gelände an. Gleich einer Schale ist er mit Salz und Salzlake gefüllt. Bis zu einigen Sažen vom Ufer entfernt ist das Salz so hart, dass man darauf reiten kann. Weiter nach innen zu wird es schwächer, und in der Mitte ist es vollkommen mit Salzlake bedeckt. Stellenweise springt sie aus dem Salz ähnlich kleinen Springbrunnen heraus, läuft auseinander und wird durch die Sonnenhitze zu Salz verwandelt. Unter den Wundern der Neuen Welt ist ein Ort besonders beachtenswert, der „Große Quellen“ genannt wird.20 Er liegt im Königreich Peru, hat eine Länge von 160 und eine Breite von 64 Werst und ist reichlich mit Salz bedeckt. In seiner Mitte liegen Quellen, deren Grund unerreichbar ist und in denen eine Menge Fische vorkommt. Es ist sehr gefährlich, über jene Stelle zu fahren, und man muss achtgeben, dass man das Augenlicht nicht verliert; denn die Sonnenstrahlen, die von den kristallähnlichen Flächen zurückstrahlen, stechen heftig in die Augen, obgleich diese wie mit schwarzem Taft bedeckt erscheinen. Außerdem kommt es vor, dass Reisende mitsamt den Pferden und allem andern spurlos verschwinden.
§ 34 Es lassen sich noch viele Stellen der Erdoberfläche erwähnen, die zahlreiche Relikte enthalten, welche ursprünglich am Meeresboden oder am Strande lagen. Gipfel vieler Berge, die uns zugänglich sind, sind mit versteinerten Schalen von Seemuscheln bedeckt; und sie kommen in solcher Menge vor, dass man in Amerika, im Gebiet von Peru und in Schweden wie auch an anderen Orten Kalk aus ihnen brennt. In der Schweiz besteht ein Berg der Alpen, der Pilatus heißt, ganz aus versteinerten Seemuscheln. Hierher gehört auch eine große Anzahl
19 Basun = Kochsalz; Solontschak (auch Solonchak) = weißer, verkrusteter Salzsteppenboden. 20 Vermutlich ist der Salar de Uyuni im heutigen Bolivien gemeint.
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runder unhandlicher Steine, die sich längs hoher Felsen manchmal über einige Werst und einige Sažen breit erstrecken. Der Form und der Lage nach ähneln sie ganz und gar den Wällen, die am Meeresstrand ununterbrochen durch die Brandung gebildet werden.
§ 35 Nachdem wir die obere Schicht des Erdballs oder dessen Oberfläche betrachtet haben, die der Form nach aus Hauptbergen, Gebirgsketten und großen Erdrücken, aus gewöhnlichen Bergen, aus Vorbergen, aus Erhöhungen und Hügeln, aus Tälern, aus Ebenen, aus abschüssigen, glatten und rauen Flächen, aus Felsen, Abgründen, Höhlen und Klüften besteht, deren verschiedene Bestandteile aus Sand, Schwarzerde, Ton, Schlamm, Stein, Eis und Schnee, Feuer, Schwefel, Salpeter und endlich aus Erzeugnissen des Meeres bestehen, wollen wir weiter in das Erdinnere vordringen. Und diese Reise werden wir bis zu den Grenzen fortsetzen, die wir – unseren Bemühungen entsprechend – erreichen können.
2 Über Erdschichten, die durch Menschenhand freigelegt wurden § 36 Die Arbeiten der Menschen, die das Erdinnere erschließen, muss man einteilen in solche, die bewusst zu Forschungszwecken durchgeführt werden, und in Arbeiten, die nebenbei anfallen. Wenn die Menschen Äcker bestellen, Gräber ausheben, Furchen ziehen, Kanäle, Gräben, Keller, Brunnen und unterirdische Gänge anlegen, so geschieht dies nicht, um den Schoß der Erde in seinem Zustand zu erforschen oder nützliche Minerale zu suchen, sondern meist aus anderen Erfordernissen heraus. Deshalb interessiert man sich sehr wenig für den Zustand des Erdinnern, obgleich fast überall etwas Beachtenswertes zu Tage tritt und es sich bisweilen ereignet, dass etwas Gewinnbringendes oder Nützliches entdeckt oder aufgefunden wird.
§ 37 Die Arbeit in den Erzgruben, in den Salz- und Kohlebergwerken, in den Torf-, Tonund Sandgruben sowie in den Steinbrüchen, wo Kalkstein und Schiefer, Marmor und Alabaster sowie andere Rohstoffe für den menschlichen Bedarf gewonnen werden, erfolgt allerdings in dieser speziellen Absicht.
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§ 38 Bei all diesen Arbeiten ist selten ein wissensdurstiges Auge anwesend, das neben dem Gewinn, den diese Arbeit bringt, auch zu erkennen vermag, was für die Erforschung der Natur notwendig ist. Jedoch darf das Auge auch die Arbeit erleichtern und im Erkennen der Eigenschaften der Erde einen direkten Weg zu verborgenen Dingen weisen. Wieviel Erde wird jährlich mit dem Hakenpflug umgewendet, obwohl er, nicht sehr tief in die Erde eindringend, doch sehr breite Bereiche erfasst. Aber der Landmann hat nur Interesse daran, den Samen in die Erde zu bringen, ebenso wie der Baumeister nur auf die Festigkeit der Erde achtgibt, bevor er den Baugrund aushebt. Der Sappeur21 beeilt sich nur, recht flink Pulver herbeizuschaffen und die feindlichen Mauern zu unterminieren. Mit einem Wort, bei allen großen und kleinen Erdarbeiten ist der Arbeiter nur bestrebt, möglichst bald seine Aufgabe zu erledigen oder den Tag hinter sich zu bringen; der Herr sieht nicht überall hin bzw. vermag nicht alles zu tun. Und so verbleibt der Schoß der Erde, durch unsere Arbeit hinreichend geöffnet, ohne interessierte und sachkundige Betrachter. Hat die Naturwissenschaft nicht viel gewonnen von den großen Gräben und Kanälen, die nicht allein die Städte umgeben, sondern auch die getrennten Meere verbinden? Es ist sonderbar, dass bei kleineren Arbeiten von Liebhabern der Naturwissenschaft mehr Erkenntnisse gewonnen wurden als bei größeren, obgleich deren Aufzeichnungen nur selten die gelehrte Welt erreichen. Einige Beispiele davon führe ich jetzt hier an.
§ 39 Beim Graben eines Brunnenschachtes in Amsterdam fand man bis zu einer Tiefe von 232 Fuß folgende Schichten: Schwarzerde 7 Fuß, Rasenstein 9 Fuß, weicher Ton 9 Fuß, Sand 8 Fuß, Erde 4 Fuß, nochmals Ton 10 Fuß, Erde 4 Fuß, Sand 10 Fuß, Ton 2 Fuß, weißer grobkörniger Sand 4 Fuß, trockene Erde 5 Fuß, verschiedene gemischte Erden 1 Fuß, Sand 14 Fuß, toniger Sand 3 Fuß, sandiger Ton 5 Fuß, Sand mit kleinen Muscheln 4 Fuß, Ton 102 Fuß, Sand aus basischem Gestein oder Kies 31 Fuß.
21 Ein Sappeur (franz. sapeur) war ein Belagerungspionier oder Truppenhandwerker.
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§ 40 In Modena und seiner Umgebung fand man beim Graben eines Brunnens folgende Schichten: 1. in der oberen, 14 Fuß dicken Schicht zeigten sich deutliche Spuren und Überreste einer alten Stadt, die mehrmals zerstört und unter ihren Trümmern begraben wurde; 2. darunter feste Erde, die offensichtlich niemals gepflügt wurde; 3. etwas tiefer eine gemischte Aufschüttung mit Schilf und Riedgras, die in Sümpfen wachsen; 4. dann folgte fruchtbare Schwarzerde, die sich sicherlich ursprünglich auf der Erdoberfläche gebildet hat und für den Ackerbau verwendet wurde; denn sie enthielt allerlei Geräte, die für den Ackerbau gebraucht wurden, und man fand in einer Tiefe zwischen ungefähr 24 und 26 Fuß ganze Garben, ebenso Haselnüsse, die noch an den Sträuchern hingen, Eicheln, Walnüsse und andere Bäume und Blätter; 5. bei 28 Fuß Tiefe stieß man auf eine 11 Fuß dicke Schicht aus Kreide; in ihr konnte man Reste von Seetieren aller Art, Muscheln, Austern und Reste von anderen Schaltieren finden; 6. darauf folgte eine Schicht leichte schwarze Erde, mit Blättern und Zweigen von Bäumen, 2 Fuß dick; 7. nach dieser Schicht folgte in einer Tiefe von 52 Sažen Kreide; 8. eine Schicht Moderboden; 9. darunter wieder Kreide; 10. aufs neue Moderboden, mit Kieselsteinen und Kies sowie mit feinen Muscheln und Sand gemischt, wie er gewöhnlich am Meeresstrand vorkommt; 11. noch eine Kreide- und Gipsschicht und 12. Sand und Kieselsteine. Bei all diesem fällt auf, dass Überreste von Pflanzen in der Schwarzerde und im Moderboden, nicht jedoch in der Kreide zu finden sind, und dass sich umgekehrt Teile von Seetieren in der Kreide und im Sand, aber nicht im Moderboden und in der Schwarzerde befinden. Ferner stieß man beim weiteren Ausschachten des Brunnens auf Knochen von verschiedenen Tieren und auf Kohle; ebenso konnte man hier angespitzte Feuersteine, Eisenstücke, Tafeln und aus Marmor gearbeitete Gegenstände ausgraben. In der Nähe von Modena und Reggio gibt es nicht nur mit Muscheln gefüllte Hügel, die am Ufer des Adriatischen Meeres liegen, sondern man hat auch Brunnen bis zu einer Tiefe von 80 Fuß gegraben, in denen man das Gleiche fand.
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§ 41 Auf der ganzen Welt werden bei Arbeiten unter der Erde, verrichtet zur besseren Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse, in verschiedenen Tiefen und Schichten große Mengen dieser und anderer Arten verschiedener Tiere gefunden. Hier in Ingermanland22 sind mit dem Kalkstein von Pudosh23 zahllose kleine Seeschaltierchen vermischt. In Sibirien, ja sogar in Groß- und Kleinrussland,24 ebenso in den nördlichen Gegenden bei Pustosersk25 wurden Mammutknochen gefunden; als tierische Überreste ähneln sie dem Elefanten bzw. stammen tatsächlich aus dessen Familie. Es ist nur bedauerlich, dass die Geschäftsleute darüber keine Einzelheiten mitteilen; denn welch großen Nutzen würde die Naturwissenschaft haben, wenn man Niederschriften nach dem folgenden Beispiel anfertigte:
§ 42 In Sachsen, unweit von Erfurt, wurden beim Dorf Tonna26 in einem kleinen Berge Elefantenknochen gefunden. Dieser Berg, oder besser gesagt Hügel, besteht aus weißem, feinem Sand, der dort gewonnen und zum Gebrauch für Gewerbetreibende in verschiedene Gegenden geliefert wurde. Im Dezember 1695 wurden dort Teile der Hinterbeine mit einem Gewicht von 9 bis 10 Pfund ausgegraben, außerdem ein menschlicher Schädel, ein runder, ungefähr 9 Pfund schwerer, zu einem Gelenk gehörender Knochen und noch ein großes, 32 Pfund schweres Stück eines Schenkels. Im nächsten Frühjahr wurde beim Graben nach Sand in derselben Grube eine Wirbelsäule mit Rippen gefunden; noch tiefer fand man zwei große rundliche Knochen mit Resten von Vorderbeinen und Schulterblättern, die eine Länge von 4 und eine Breite von 1 ½ Fuß hatten. Schließlich fand man einen rundlichen Kopf von ungeheurer Größe mit 4 Backenzähnen, von denen jeder 12 Pfund wog und zum Schluss zwei große Zähne oder Hörner, die aus dem Kopf herausragten und eine Länge von 8 Fuß und 2 ⅓ Handbreite Dicke hatten. Die Tiefe, in der dieses Tier ausgegraben wurde, betrug 24 Fuß. Darüber lag Schwarzerde in einer Höhe von 4 Fuß, gefolgt von Kies, 5 Fuß hoch und mit lockerem Gestein und klebrigem Sand vermischt. Darunter 6 Fuß Ton mit demselben Sand vermischt sowie nochmals 6 Fuß Kies; und endlich erreichte man unter diesen
22 Ingermanland, eine historische Provinz im nordwestlichen Russland, rund um das heutige St. Petersburg gelegen. 23 Ort östlich des Onegasees. Vermutlich meinte Lomonosov einen anderen Ort mit ähnlichem Namen, denn bei Pudosh gibt es kein Kalksteinvorkommen. 24 Ort in der Ukraine. 25 Am Unterlauf der Petschora gelegen. 26 Das heutige Gräfentonna.
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Schichten den gewünschten weißen Sand, in dem die erwähnten Knochen gefunden wurden.
§ 43 Zunächst dachte man, es wären die Knochen eines ungeheuren Riesen; andere meinten, dass es Elefantenknochen wären und dachten zunächst an ein Einhorn. Manche behaupteten auch, es sei eine Laune der Natur, die aus ihrem Überfluss derartige, Tierknochen ähnliche Gebilde geschaffen habe. Ein Gelehrter am Hofe des Prinzen von Gotha,27 der zufällig Zeuge dieses Fundes war, versicherte, dass diese Knochen echte Elefantenknochen seien und bewies dies späterhin in einer Beschreibung.28 Auf welche Art und Weise dieses fremde Tier an einen so entfernten und unpassenden Ort gelangen und so tief eingegraben werden konnte – dies zu erklären überlassen wir dem vierten Kapitel dieses Anhanges, in dem Betrachtungen über die hier beschriebenen Gegenstände angefügt werden.
§ 44 In Holland gewinnt man in der Nähe von Utrecht Torf an Örtlichkeiten und in Schichten, die folgendermaßen beschaffen sind: Zuerst gräbt man die Erde von oben her 1 ½ oder 1 ⅓ Fuß auf. Man stößt dabei auf Wasser und kann die Substanz freilegen, aus der Torf gebildet wird. Sie hat eine schwarze, leicht rötliche Farbe und – obgleich sie zäh ist – kann man sie zwischen den Fingern zu feinem, weichem Mehl zerreiben. Sie ist ungefähr zwei Fuß dick. Aus ihr kann man den allerbesten Torf gewinnen. Dann folgt eine Substanz in kräftigem Rot und mit gröberen Fasern, woraus Torf zweiter Güte hergestellt wird. Darunter liegt eine dritte Schicht mit groben Fasern und lockerer Substanz, ähnlich verfaultem Holz. Der Torf, den man hieraus gewinnt, ist schlechter als der aus den beiden ersten Schichten. Die Substanz verliert sich schließlich in sandigem Schlamm, der zu nichts zu gebrauchen ist. Die Schicht der torfigen Substanz ist insgesamt 10 bis 14 Fuß dick.
27 Es dürfte sich um Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg gehandelt haben, in dessen Diensten Tentzel (s.u.) stand. 28 Es handelt sich wahrscheinlich um das 1696 in Jena erschienene Buch Epistola de sceleto elephantino, Tonnae nuper effoso von Wilhelm Ernst Tentzel.
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§ 45 Man gewinnt sie aus den Sümpfen und vom Ufer aus mit Netzen und mit Booten; dann wird sie festgetreten, wodurch eine Masse entsteht, die man wie Ziegelsteine zu viereckigen Tafeln formt und an der Sonne trocknet. In fertigem Zustand verwenden ihn die Holländer an Stelle von Holz, versenden ihn auch zum Verkauf oder führen ihn nach anderen Ländern aus. Da Torf einen nicht unbedeutenden Anteil an ihrem Handel darstellt, entstand hieraus auch die scherzhafte Redensart, dass die Kaufleute und Gewerbetreibenden, die damit handeln, ihr Land, ihr Vaterland, verkaufen bzw. sich von faulen Sümpfen ernähren. Tatsächlich ist der Gewinn aus dem Torf derartig groß, dass Weiden und Wiesen aufgegeben werden, um das darunterliegende Material zur Herstellung von Torf zu gewinnen.
§ 46 Obwohl der Torf oft mit herrlichem und gutem Weideland bedeckt ist, liegt – im Gegensatz dazu – unter ihm allerhand Faulendes und Sumpfiges mit verschiedenen Überresten und Spuren alter Ablagerungen. In Holland und in Flandern befinden sich in der Nähe einiger Dörfer unter dem Torf große Eichen mit Blättern und Eicheln, Bäume mit Walnüssen, Sträucher mit einfachen Nüssen, Schilf und Riedgras – alles in horizontaler Lage. Auch findet man zerbrochene Teile von Schiffen, Schiffsaurüstungen, Ruder, Bugteile, Riemen, eiserne Instrumente, Tabakspfeifen und Töpfe, bisweilen auch Waffen, behauene und mit Inschriften versehene Steine, alte Münzen und andere Dinge.
§ 47 Torf ist – je nach verschiedenen Beimischungen und Umständen sowie der Zusammensetzung des Sumpfes – außerordentlich unterschiedlich, so dass einige Substanzen nur den Namen Torf tragen, in Wirklichkeit aber etwas ganz anderes sind. Außer den oben erwähnten drei Torfarten, die direkt der Gewinnung zugeführt werden, kennt man noch andere, schlechte. Einige bestehen aus Schilf, das nach Abbau der guten Torfschicht zu Tage tritt und mit Schmutz vermengt ist; diese Art Torf wird von armen Leuten verwendet. Sie heben ihn aus dem Sumpf heraus, vermengen ihn mit Viehdung, stellen daraus torfähnliche Steine her, trocknen sie und verwenden sie an Stelle von Holz als Brennmaterial. Stellenweise werden auch Rasen und sumpfiger Schlamm mit Wurzeln, Blättern, Sand und Kies gesammelt; ebenso gewöhnliches Moos mit sumpfiger Erde und Wurzeln von Sumpfgewächsen, mit Ästen von Bäumen und mit Gesträuch. All das wird zu einer Art Torf verarbeitet, der jedoch keineswegs dessen Qualität besitzt. Er spendet keine große Hitze, entflammt schnell und verbrennt in kurzer
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Zeit oder kann überhaupt kaum entzündet werden. Er ist leicht, locker und bröckelig, und in seiner Asche hinterlässt er viel Erde und Sand. Im Gegensatz hierzu ist der richtige Torf fest und kompakt, entzündet sich langsam, brennt aber dafür lange. Er hinterlässt eine reine und weiße Asche, aus der man durch Ausspülen Pottasche gewinnen kann.
§ 48 Folgende Umstände sind beim Torfstechen erwähnenswert: 1. Die Gewerbetreibenden lassen nach dem Abbau der guten Torfsubstanz große sumpfige Seen zurück, die sich über einige Werst erstrecken; sie selbst oder diejenigen, denen sie abgetreten wurden, benutzen sie längere Zeit zum Fang von Fischen, die das sumpfige Wasser lieben und sich schnell und reichlich vermehren, sobald sie einmal in ihm ausgesetzt sind. 2. Häufig kommt es auch vor, dass diese weiten sumpfigen Torfstiche von wohlhabenden Leuten aufgekauft werden, um darauf Windmühlen zu errichten. Dazu pumpen sie das Wasser heraus, grenzen es mit Dämmen ab und trocknen es durch Kanäle vollkommen aus. Die verbleibende fette Erde eignet sich gut dafür, Wiesen, Heuschläge, Äcker und Obstgärten anzulegen, die umso fruchtbarer sind, je länger der See mit der Fischzucht bestanden hat. Den unter dem Torf gelegenen Windbruch entfernt man und verwendet ihn als Brennholz oder als Baumaterial, besonders für Pfahlbauten. 3. Nicht allzu tiefe Wasserbecken, die zur Torfgewinnung ausgehoben wurden, werden bisweilen sich selbst überlassen und wachsen mit Sumpfgras wieder zu; sie trocknen aus und dienen den Gewerbetreibenden nach vielen Jahren wieder als neue Quelle zur Torfgewinnung. 4. Manchmal kommt es vor, dass beim Torfstechen Bruchholz zusammen mit Schilf, anderen Sumpfpflanzen und Wurzeln an die Wasseroberfläche emporsteigt. Dieses wächst in zwei oder drei Jahren mit Moos oder Sumpfgras zu und bringt dann auch Sträucher hervor, wie sie an Seen und im Moos wachsen, sowie Weiden, Birken und andere Bäume. Die Winde, die durch das Gebüsch und das Wäldchen wehen, tragen ihre Samen von einem Ufer der Insel zum anderen – ebenso wie das Vieh, das auf ihr herumstreift. Ähnliches wurde in China beobachtet, wo Leute auf schwimmenden Inseln leben. Jedoch werden dort diese Eilande künstlich hergestellt; wegen der Bevölkerungsdichte bauen viele ihre Häuser auf Flöße und umgeben sie wie ein Schloss mit Wällen.
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§ 49 In solchen nicht besonders erheblichen Tiefen findet man oft Überreste von Tieren, die auf dem Lande, im Wasser und in der Luft gelebt haben. In der Nähe von Kremsmünster an der Ems in Deutschland wurden in fettem Lehm (den man an Stelle von Mist zum Düngen der Äcker verwendete) Vogelschnäbel und Krallen ausgegraben. In der Nähe dieser Stellen wurden nicht selten auf den dem Wind stark ausgesetzten Feldern Zähne und ganze Schädelknochen unbekannter Tiere freigelegt. Die Mineralienkabinette zeigen in einer reichen Auswahl viele Beispiele versteinerter Gegenstände, die von Menschen, die sich dafür interessierten, gesammelt und beschrieben worden sind.
§ 50 Gruben, die durch solche Arbeiten geschaffen werden, lassen sich durch andere ergänzen, die tiefer in die Erde hineinreichen. Das sind die Steinkohle- und Steinsalzbergwerke sowie die Erzgruben. Man kann sich leicht vorstellen, dass der Mensch bei diesen Arbeiten tiefer in die Erde eindringt. Das Salz ist für unser Geschlecht unumgänglich, da es täglich für die Speisen gebraucht wird; und der Mangel an Holz für Heizzwecke und andere Bedürfnisse hat zur Gewinnung von Steinkohle geführt. Die Metalle verlocken uns, tief in das Erdinnere einzudringen – nicht nur, weil wir sie begehren, sondern weil wir sie benötigen, wobei weder das härteste Gestein noch die übelriechende und schädliche Feuchtigkeit der Gase den Anstrengungen des Menschen widerstehen können.
§ 51 In vielen europäischen Staaten, besonders in England, verwendet man an Stelle von Holz, an dem Mangel besteht, Steinkohle, die mit großer Mühe aus dem Innern der Erde gewonnen wird. Die Kohlenflöze tauchen zum größten Teil – geneigt zum Horizont – verschieden tief in die Erde ein und befinden sich zwischen Schichten anderer Substanzen, die über oder unter ihnen liegen und Hangendes bzw. Liegendes genannt werden. Man darf nicht annehmen, dass die weiter folgenden Erdschichten senkrecht in den Schoß der Erde hinabreichen; auch sie liegen schräg zum Horizont und reichen mit ihrem oberen Ende beinahe bis an die Oberfläche – ähnlich einem Holz, das von einer Fuhre seitlich abgeworfen wurde.
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§ 52 Als Beispiel solcher Flöze – oder besser gesagt Sohlen, die sich in erzführenden Gebirgen finden lassen – möge hier ein Berghang dienen, der in der Nachbarschaft der Erzvorkommen im Harz liegt, und zwar in der Grafschaft Hohenstein, bei Ihlefeld, bei Neustadt und bei anderen benachbarten Orten. Unter der Schwarzerde und der oberen Erdschicht befinden sich in verschiedener Stärke: 1. Eine Schicht stinkende Steine, die beim Reiben nach Katzenurin riechen, in einer 6 Sažen dicken Schicht, 2. Alabaster – 4 bis 30 Sažen, 3. lockeres Gestein – 12 Sažen, 4. Kalkstein – 2 Sažen, 5. unreiner Kalkstein mit Sand und Ton vermischt – ½ Sažen, 6. zu Stein verhärteter Ton – 1 Djuim, 7. ein Gemisch aus Ton und Kalkstein – ¾ Sažen, 8. grauer Stein – 16 Djuim, 9. schwarzer, tonartiger Schiefer, der etwas Kupfer enthält – 6 Djuim, 10. schwarzer Schiefer, der ganz wenig Kupfer enthält – 1 Djuim, 11. noch eine Schieferschicht, die noch weniger Kupfer enthält – 4 Djuim, 12. es folgt eine an Kupfer reiche Schieferschicht – 1 Djuim, 13. flözartige Kupfererze im Schiefer und im Sandstein – 1 Djuim; hier fällt auf, dass diese Schichten an vielen Stellen Erzgängen gleichen, steil ansteigen und harte gelbe Kupfererze, Kobalt und weißen Kies, das heißt helles Bleierz enthalten, kalk- und tonhaltige Steine mit Sand gemischt – ½ Sažen, 14. blauer Ton – 2 bis 8 Djuim, 15. eine rote Schicht, die aus Ton, Kalk, Kies, Leukas29 und Sand besteht und vom Eisenerz rot gefärbt ist – 1 Sažen, 16. ein sehr fester Stein, der aus Kalkerde und grobem Sand und Kies besteht, die mit einer eisenartigen Substanz vereinigt sind – 20 bis 60 Sažen, 17. ein fester, roter, eisenartiger, feuersteinartiger Stein,30 den man polieren kann; er liegt in Nestern 16 Sažen tief, 18. ein roter, eisenhaltiger Sandstein – ¾ Sažen, 19. roter feiner Sand – 1 Sažen, 20. eisenhaltiger roter Ton – 4 bis 8 Sažen, 21. darunter dunkelgrauer Lehm – ¼ und ½ Sažen,
29 Eine Art Kreide. 30 Gemeint ist Porphyr (Rhyolith).
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22. darunter Steinkohle – ¼ Sažen, 23. dann folgt schwarzer bläulicher Schiefer mit Spuren von versteinertem Gras – ¼ Sažen, 24. sehr harter Schiefer – 6 bis 15 Sažen, 25. eine Schicht toniger, kalkiger, feinkörniger und grober Stein – 7 bis 10 Sažen, 26. eine Schicht roter Stein von gleicher Beschaffenheit mit runden Steinen aus der gleichen Substanz – bis zu 30 Sažen, 27. eine Steinschicht, die zum Erzberg selbst gehört.
§ 53 An vielen anderen Stellen in Deutschland werden ähnliche Abfolgen gefunden, die zum Teil gefördert werden, um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, zum Teil durch interessante Untersuchungen an ihren oberen Grenzen, die bis an die Erdoberfläche reichen und deren Lagerung mit den Schichten im Innern der Erde übereinstimmt, erforscht werden. Durch sie werden Schächte und Stolln getrieben. Zum größten Teil bestehen sie aus den erwähnten Schichten und sind oft in derselben Abfolge vorzufinden. Jedoch kann man dies keinesfalls verallgemeinern, besonders nicht bei Schichten außerhalb Deutschlands, wo sich sehr viele Wissensdurstige bemühten, das Innere der Erde zu beschreiben und ihre Erkenntnisse der gelehrten Welt mitzuteilen. Alle diese Arten von Schichten sind bemerkenswert, die größte Aufmerksamkeit erfordern jedoch die Steinkohle, das Steinsalz und die erzführenden Gänge, die wir möglichst ausführlich und nach dem erforderlichen Maß der Dinge betrachten wollen.
§ 54 Um eine größere Klarheit zu erreichen und als Beispiele für deren natürliches Vorkommen sind dem Obenerwähnten in Bezug auf die Lage der Steinkohle noch einige weitere hinzufügen. Von den Wettiner Flözen31 ist bekannt, dass sich unter der oberen Erdschicht folgendes befindet: 1. eine Schicht lockeres graues Gestein, 2. gelbliches hartes Gestein, 3. graues weiches Schiefergestein, 4. graues, helles, bläuliches, festes Gestein,
31 Wettin, nordwestlich von Halle gelegen; der Abbau von Steinkohle begann hier bereits im 15. Jahrhundert.
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5. graues weiches Gestein, 6. nach oben gelbliches, nach unten schwarzes Gestein, 7. grauer Ton. Die Zwickauer Steinkohle liegt in einer Tiefe von einer Sažen in der Erde unter lockerer Kohle, die man ihrer schlechten Beschaffenheit wegen die äußere nennt; auf diese folgt drei Sažen tiefer die richtige gute, schwarze glänzende Kohle, in der man vereinzelt auch Kobalt- und Vitriolerze findet.
§ 55 Die liegenden Flöze verlaufen in der Erde nicht immer kontinuierlich, sondern sind oft durch steinerne Schollen32 unterbrochen. Davon sind auch andere Schichten betroffen, die in gleicher Höhe wie die Kohle liegen. Es kostet viel Arbeit, Geld und Mühe, diese Schollen zu durchbrechen, besonders, wenn das Steinkohlenflöz dahinter nicht in der gleichen Richtung weiterführt, sondern höher oder tiefer und damit entgegen der Vermutung. Trifft man auf eine derartige Scholle, so ist das Flöz fast immer nach oben oder nach unten verschoben. Es ist auffällig, dass – so sich das Flöz vor der Scholle nach unten neigt – es sich hinter ihr nach oben oder horizontal ausrichtet. Wenn das Flöz jedoch zunächst ansteigt, dann senkt es sich, im Gegensatz dazu, hinter der Scholle wieder. Derartige Schollen erstrecken sich zum größten Teil längs eines Hanges.
§ 56 Manchmal findet man in den Bergen zertrümmerte Steinkohleschichten wie unweit von Altdorf in einem engen tiefen Tal oder, besser gesagt, in einem unwirtlichen, waldigen Abgrund, der von den dortigen Bewohnern Teufelshacke genannt wird. Dort hat man in einem Berg eine alte Höhle entdeckt. Die Steinkohle liegt hier im festen Gestein und in toniger Erde, und zwar in Stücken von einigen Aršin Länge und einer Breite von einem halben und einer Mächtigkeit von einem viertel Aršin. Hierbei ist noch zu bemerken, 1. dass die großen Stücke eine ovale Form haben, 2. dass sie horizontal liegen, 3. dass man bei der Kohle echten grauen Kies findet, 4. dass einige Stücke mit einer kiesigen Substanz durchsetzt sind, die an der Luft zerfällt und durch Auswaschen Vitriol ergibt,
32 Der geologische Begriff für Gesteinsbereiche, die eine Verwerfung verursachen.
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5. dass die Kohle selbst sehr schwer und dicht ist und wegen der großen Hitze, die sie entwickelt, sich sehr gut für Schmiedearbeiten eignet, 6. dass ihre Asche weiß und leicht ist und dass man durch Kochen aus der Lauge echte Pottasche erhält, 7. dass die Kohle, wenn sie lange an der Luft liegt, in Längsrichtung wie gespaltenes Holz zerspringt, 8. dass manchmal Stücke gefunden wurden, die Äste wie von einem Baum haben, 9. dass einige Stücke zum Teil schwarz wie Kohle waren oder aber wie verfaultes Holz erschienen.
§ 57 Außer diesen Eigenschaften und den Umständen, unter denen die Steinkohle gefunden wurde, ist Folgendes bemerkenswert: 1. Ihre Güte besteht in ihrer Festigkeit, ferner darin, dass sie an Bruchstellen glänzt, sich leicht entzünden lässt, hell brennt und dabei einen schwarzen Rauch entwickelt, nur schwach nach Schwefel riecht, und wenn sie verbrannt ist, wenig Schlacke sowie fast nur Asche hinterlässt. Solche Eigenschaften hat reine glänzende Kohle fast immer. Wenn sie jedoch mit Schiefer oder vermodertem Holz oder anderen fremden Substanzen vermischt ist, hinterlässt sie im ersten Falle viel Schlacke, im zweiten brennt sie nicht hell und gibt keine so große Hitze. 2. Neben der Kohle findet man in den Schichten in feinen Nebentrümern brennbaren Schwefel, und es verwundert deshalb nicht, dass sie oft mit bläulicher Flamme brennt. 3. Die fettige Substanz, die sie enthält, zeigt sich in Pfützen, die in der Nähe liegen, diese sind immer mit einer dünnen Ölschicht bedeckt; besonders macht sich die fettige Substanz durch Gase bemerkbar, die sich an den Lampen der Grubenarbeiter mit großem Getöse entzünden und sie betäuben. 4. Im Freien entzündet sich die Kohle durch den Regen; dann löscht man sie, indem man die Haufen auseinanderwirft, ohne Wasser zu verwenden. 5. Bei der Destillation erhält man aus der Steinkohle ein schwarzes bitteres Öl und eine säuerliche Substanz. Die Kohle, die man aus der Retorte herausnimmt, hat sich durch die Hitze in Asche verwandelt, von der 2 Unzen 7 Gran Pottasche ergeben. In England lassen sich in der Steinkohle viele Spuren von Pflanzen nachweisen.
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§ 58 Bei der Kohle findet man auch Schichten von Schiefer, Sand und Kalkstein; selten kommt also die eine Substanz ohne die andere vor. Und wie schon aus dem oben Beschriebenen hervorgeht, liegt oft zwischen ihren Schichten graues Gestein in verschiedenen Farbtönungen, auch Ton und andere Minerale in Schichten und vermischt. Die Zahl der Schichten ist unbestimmt, auch liegen sie nicht immer in derselben Reihenfolge. Manchmal befindet sich zwischen dem Schiefer und der Steinkohle eine Schicht von Kalk- oder Sandstein, zuweilen berühren sie unmittelbar einander. Obgleich sich manche Leute bemühen, für deren Lage eine gewisse Ordnung zwischen den Schichten nachzuweisen – dies in der Annahme, dass in dem einen Berg die Entstehung der Schichten genauso vor sich gegangen sei wie in dem anderen –, bezeugen doch die von ihnen zum Beweis ihrer Meinungen und Beobachtungen herangezogenen Beispiele gerade das Gegenteil, insofern man sie mit entsprechender Aufmerksamkeit miteinander vergleicht.33
§ 59 Wenn Steinkohle und Schiefer in Schichten unmittelbar aneinander liegen, kommt es oft vor, dass sie sich vermischen, so dass sie schwer auseinanderzuhalten sind. Überdies wurden ganz verschiedene Arten von Schiefer gefunden, je nach Farbe, Festigkeit und deren Bestandteilen. Sie ähneln sich hauptsächlich darin, dass sie normalerweise in Schichten in einer Stärke von einem halben Djuim bis zu einer Linija34 vorkommen, bisweilen aber auch stärker oder schwächer sind; ferner, dass sie sich leicht in Stücke zerschlagen und zu Mehl verreiben lassen. Viele dieser Minerale sind mit fettiger Substanz angereichert. Diese verbrennen zum Beispiel bei gelinder Hitze, das heißt, wenn sie mit Sand oder Ton bedeckt sind und somit keine helle Flamme entstehen kann, zu Kohle, die sich gut zum Zeichnen eignet und an Stelle von schwarzer Kreide verwendet wird. In bewegter Luft des Feuers verlieren sie jedoch die schwarze Farbe.
§ 60 In solchen Flözen, besonders aber in Schiefern, aber auch in Sand- und Kalksteinen, am seltensten jedoch in Steinkohle – aus diesen holt man eher Schwefel und Kies heraus – findet man vor allem Relikte, die von Natur aus nicht zum
33 Vgl. hierzu die Anmerkung zu § 119. 34 Linija (russ. линия) = 2,54 mm.
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Innern der Erde gehören, z.B. Muscheln, Fische, Tierknochen, Kräuter, Früchte und Bäume.
§ 61 Edle Metalle und Erze findet man selten und bzw. nur vereinzelt in derartigen Schichten, ebenso sind Zinn und Quecksilber seltene Gäste – mit Ausnahme der Vorkommen in Idria, wo man bekanntlich gediegenes Quecksilber aus einer weichen Erdschicht gewinnt. Im Unterschied dazu führen solche Schichten in reichem Maße Kupfer, Blei und Eisen; Erden, Steine und brennbare Substanzen wurden bereits oben erwähnt.
§ 62 Beachtenswert ist, dass an verschiedenen Stellen der ganzen Welt unermesslich große Mengen an Steinsalz in Schichten in der Erde liegen. Wie bedeutend diese Menge ist, die einen Teil der Erdoberfläche bedeckt, sahen wir bereits weiter oben; aber wieviel davon liegt verborgen, ist von anderen Schichten bedeckt? Es ist anzunehmen, dass es mehr ist als man von außen sehen kann. Allein mit dem Verzeichnis der bekannten Salzbergwerke der Welt könnte man ein ganzes Buch füllen. Nun, wir wollen dies nicht weiter behandeln, sondern auf das abessinische Steinsalz zu sprechen kommen, das dort an Stelle von Geld verwendet wird, wobei man für drei oder fünf Steine, die ähnlich wie Ziegelsteine hergestellt werden, einen Leibeigenen kaufen kann. Die berühmtesten Salzbergwerke in Europa sind die polnischen, unweit von Krakau bei Bochnia und Wielitzka gelegen; durch sie werden fast ganz Polen und andere benachbarte Gebiete versorgt. Hierbei soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Steinsalz mehr oder weniger an weit vom Meer entfernten Stellen gefunden wird; auf die Nennung der zahlreichen Salzquellen, die dem Schoße der Erde entspringen, möchte ich verzichten.
§ 63 Zum größten Teil sind die Orte, an denen das Salz vorkommt, sandig, das heißt, sie bestehen aus Sand oder Sandstein. Gewöhnlich findet sich in der Nachbarschaft des Steinsalzes Kalk. Sandsteine werden auch Schleifsteine genannt. Wegen der lockeren Verbindung seiner Bestandteile kann jedoch nicht jeder Sandstein als Schleifstein angesprochen werden, denn die Festigkeit dieser Art von Steinen ist sehr unterschiedlich. Auch muss man zwischen Steinsalz und Salzstein unterscheiden. Steinsalz ist reines Bergsalz und gleicht einem Kristall; es löst sich meist vollständig in Wasser auf und erfordert für den Verbrauch keine
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besondere Reinigung. Eine bestimmte Art hinterlässt, wenn sie aufgelöst wird, auf dem Boden des Gefäßes etwas Erde oder Sand. Im Gegensatz hierzu ist der Salzstein nichts anderes als irgendeine sandige oder poröse, im Gestein vorkommende Substanz, die mit Salzlake getränkt wurde und dann erhärtete. Deshalb kann man ihn nicht zum Würzen von Speisen verwenden, ohne ihn vorher durch Schleifen, Auswaschen und Auskochen gereinigt zu haben. Hierdurch unterscheiden sich in den großen polnischen Salzbergwerken diese beiden Arten voneinander.
§ 64 Das Salz von Ilezk35 weist folgende Schichtfolge auf: 1. Sand in zwei Sažen Dicke, 2. Ilezker natürliches Salz, ein Aršin mächtig und rein, aber weniger durchsichtig als das darunterliegende „Herz“ genannte Salz, in dem reine und durchsichtige Kristalle von ungefähr einem halben Fuß Länge gefunden werden, 3. darunter hartgewordener Kies. Es ist bemerkenswert, dass in die Gruben, in denen Salz abgebaut wird, fast unmerklich Lauge hineinfließt und die Gruben damit stets aufs Neue mit Salz gefüllt werden. Die Lagerstätten befinden sich in einer ebenen Gegend, vier Werst vom Fluss Ilezk entfernt.
§ 65 Erzschichten oder Gänge unterscheiden sich von dem oben Beschriebenen deutlich durch ihre Lage, das heißt, sie neigen sich mehr von der horizontalen zur perpendikularen oder gar senkrechten Lage. Als Unterscheidungsgrenze zwischen Flözen und Erzgängen nimmt man gewöhnlich 10° gegenüber dem Horizont an. Jedoch dürfte diese Einteilung nicht genau sein, sie muss also durch die Eigenschaften jener Substanz untermauert werden, aus der die Erdschichten und die Berge bestehen. Wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, bestehen die Flöze immer aus Schiefer, Sand- und Kalkstein sowie aus Steinkohle. Die Erzschichten hingegen – oder besser gesagt die Gänge – bestehen aus großen Spalten im Gestein der Berge, die mit Erzen und den gemeinsam mit ihnen vorkommenden Mineralen ausgefüllt sind; sie wurden in den Anfangsgründen des Berg- und Hüttenwesens, §§ 21, 22, 23, 24 und 27, beschrieben. Daher muss man zur Unterschei-
35 Sol-Ilezk (russ. Соль-Илецк), ein Stadt in der Region Orenburg.
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dung zwischen Gängen und Flözen die Neigung der Schichten wie auch die Substanzen berücksichtigen.
§ 66 Oft fallen die Erzgänge steil ein, und in der Nähe der Flöze enthalten sie reichlich Schiefer, der mit Erz durchsetzt ist. Umgekehrt, steigen die erzhaltigen Flöze, die sich erzhaltigen Bergen nähern, in einem solchen Maße an, dass der dadurch gebildete Winkel zum Horizont mehr als 10° beträgt. Wenn jedoch Gänge bei ihnen enden oder sich mit ihnen vereinigen, fallen sie steil ab.
§ 67 In welchem Ausmaß sich nicht bloß Flöze und Gänge, sondern auch Gänge in der Erde miteinander vereinigt haben, beweisen Bruchstellen oder Blöcke zwischen den Gängen. Sie bestehen aus vielen zerstörten Gängen, welche sich ungeordnet miteinander vereinigt haben, so dass der Teil des Berges, durch den sie hindurchgehen, sich mit ihnen vermengt hat und mit ihnen eine neue Substanz bildet, welche die Gänge ausfüllt. Solche Gerölle im Schoße der Erde haben keine regelmäßige Form und kein bestimmtes Ausmaß, ihre Größe schwankt zwischen einem, zwanzig und noch mehr Sažen. Die Gänge, die ihnen seitwärts zulaufen, enden oft an ihnen oder verändern zumindest die Richtung, in der sie verlaufen.
§ 68 Wenn ich auch nicht die Vielzahl von Nebengängen, die mit Erzmineralen gefüllt sind, und die hohlen Erdspalten erwähne, so muss ich doch von den Gebirgswässern sprechen, die aus ihnen herausfließen und die verschiedene Substanzen in die Bergwerke hineintragen. Die oberen und die unteren Tropfsteine, deren Größenzuwachs man beinahe beobachten kann, gehören zu den alltäglichen Erscheinungen dieser Art. Sie bedecken normalerweise die Wände in den Schächten und Stolln, setzen sich also ab wie ein ungleichmäßig wuchernder Schwamm auf einem Baum oder wie dicker Moder in den Kellern. Sie bestehen aus einer lockeren, steinigen gelblichweißen Substanz, die man häufig zwischen den Fingern zerbröseln kann. Oft setzt sich in ihnen auch gelber und weißer Kies mit Spuren von edlen Metallen ab.
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§ 69 Der obere Tropfstein ähnelt ganz und gar einem Eiszapfen. Er hängt an dem natürlichen Gewölbe der Stolln. Durch die Zapfen, von denen manchmal etliche mit unterschiedlicher Länge und Breite zusammengewachsen sind, verlaufen von oben nach unten Röhrchen mit unterschiedlichem Durchmesser. Aus ihnen tropft Bergwasser. Auf diese Weise verlängert sich der Stalaktit, und es wird ein Stalagmit gebildet, der dadurch wächst, dass Tropfen aus dem oberen Zapfen auf ihn herabfallen. Die Farbe der Tropfsteine, insbesondere der oberen, ist – wie auch die der Stalagmiten – größtenteils weißgräulich, bisweilen wie kräftiger Grünspan, also grün oder auch ganz ockerfarbig. Oft deuten Anzeichen darauf hin, dass sie – mitunter in erheblichen Mengen – Kupfer, Blei und Eisen mit Spuren von Edelmetallen enthalten.
§ 70 Neben den Tropfsteinen füllen Quarz und andere Gesteine, gemeinsam mit verschiedenen Erzen, die Bergwerke aus, so dass die verlassenen Schächte und Stolln im Verlaufe von zwanzig und dreißig Jahren aufs Neue aufgewältigt werden müssen – beinahe so, als handelte es sich um einen neuen Gang. Zuweilen geschieht es, dass Bergleute auf alte, völlig verlassene Erzgruben stoßen, die man nur dadurch von neuen und noch nicht erschlossenen unterscheiden kann, als dass man in ihnen zurückgelassene Stempel und liegengebliebene Werkzeuge findet, die mit den Tropfsteinen, Erzen und anderen Mineralen verwachsen sind. In solchen Fällen sagen die Bergleute, dass „sie sich bis zum Alten Mann durchgegraben haben“.36
§ 71 Bei Freiberg sind in einem alten, verlassenen Bergwerk im Gestein eingeschlossene menschliche Gebeine und zudem Bergmannswerkzeug37 gefunden worden. Henckel hat dies in seinen Schriften veröffentlicht,38 und ich hatte Gelegenheit, es von einem Augenzeugen dieses Fundes, dem damaligen Markscheider Beier, zu hören.
36 Der Begriff Alter Mann galt im Mittelalter zunächst für die Bergleute, später dann für abgesoffene oder mit verstürzten Bergen verfüllte ehemalige Abbaue. 37 Bergmännisch Gezäh genannt. 38 Johann Friedrich Henckel: Von dem Ursprung der Steine. Dresden und Leipzig 1744.
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§ 72 Die Minerale, die in den Bergen die Gänge ausfüllen, bestehen – außer den schon erwähnten Stalagmiten und Stalaktiten – zum größten Teil aus verschiedenen Arten von Erzen und erzhaltigem Gestein, die miteinander wahllos vermischt sind. Zum Beispiel liegt manchmal Kies in Quarz und manchmal Quarz in Kies, und zwar in Form von Tropfen, Stücken, Strahlen und Äderchen in verschiedenen Verhältnissen. Einige Gänge sind vollständig mit Erz gefüllt, andere nur mit erzhaltigem Gestein. Hierbei ist zu bemerken: 1. je dünner die Erzschicht oder der Erzgang, um so größer ist der Gehalt an Metallen – besonders an edlen, 2. je tiefer der Gang in die Erde hinabreicht, umso mächtiger wird er, 3. in den Erzgängen kommen ganz selten fremde, nicht zu den Mineralen gehörige Substanzen vor.
§ 73 Ganz besondere Aufmerksamkeit verdienen die Drusen, welche in den Höhlen oder Hohlräumen des Berges vorkommen bzw. die sich in den Gängen oder an den Verbindungsstellen zwischen dem Berg und den Gängen gebildet haben. Ein großer Teil von ihnen besteht aus Kristallen, die man bei uns „östliche“ nennt39 und deren Reinheit unterschiedlich ist; außerdem aus vollkommen durchsichtigen Kristallen und schließlich solchen, die eine milchige Farbe oder eine trübe, schwarze, gallefarbene und grüne Beimischung haben. Die meisten haften mit einem Ende fest an den Wänden, mit dem anderen ragen sie wie Zapfen in den Hohlraum hinein. Bisweilen sind sie so klein, dass man sie kaum sieht, bisweilen fingergroß oder noch größer. In Sibirien kommt es oft vor, dass ihre Größe einen Aršin übersteigt und dass sie einige Pud wiegen, jedoch sind sie dann unrein und trübe und haben eine dunkle Beimischung.
§ 74 Oft werden Kristalle gefunden, die fest mit den Erzen verwachsen sind oder umgekehrt von den Erzen überwuchert werden, die auf ihnen in Form kristallähnlicher eckiger Körper sitzen. Manchmal sind Kristalle, die vom Gestein abgebrochen wurden, wieder an einer anderen Stelle vermittels irgendeines Erzes angewach-
39 In früherer Zeit unterschieden die Juweliere die Edelsteine – unabhängig von der geographischen Lage – in eine „westliche“ und in eine „östliche“ Varietät. Die letztere war schwächer gefärbt und von höherer Transparenz. Lomonosov meint hier allerdings den Bergkristall (Quarz).
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sen. Das kommt besonders bei gelbem oder weißem Kies vor und es sieht aus, als ob sie absichtlich daran angeklebt worden wären. Die Natur ist überreich oder besser gesagt, sie schwelgt in ihrem unterirdischen Reich, indem sie dem Auge unzählige Variationen vielgestaltiger Arten, Formen und Farben darbietet, die oft die Begleiter großer Schätze sind oder den Weg zu ihnen weisen.
§ 75 Die Teufe, in der die Metalle am häufigsten zu finden sind, nimmt man am besten zwischen 30 und 40 Sažen an. In größerer Tiefe gibt es zwar mehr Erz, aber nur von unedlen Metallen. Mehr zur Oberfläche hin finden sich eher weniger Erze. Diese Beobachtung stellt zwar keine allgemeine Regel dar, doch geben häufige Beispiele Veranlassung, bei der Erzgewinnung darauf zu achten. Sehr tiefe Bergwerke locken zwar nicht durch die Aussicht, Silber oder Gold zu gewinnen, doch verheißen sie eine bedeutende Menge von Blei, Kupfer und anderen Mineralen. So musste ich, als ich ein Bergwerk in Sachsen besichtigte, beinahe 40 Fahrten40 senkrecht in den Berg hinabsteigen, jede vier Sažen lang. Noch weiter hinunterzusteigen gestattete das Wasser nicht, da es ungefähr sieben Fahrten hoch stand. Wie einige schreiben, gibt es in Ungarn Bergwerke, die bis zu 500 Sažen tief sind.41
§ 76 Zwar bringt die Natur in den Bergwerken viel Beachtenswertes hervor, aber der gelehrten Welt ist dies nur selten bekannt. Denn Arbeiter und Besitzer denken vor allem an ihren Gewinn. Die jungen Leute hingegen, die herkommen, um den Bergbau zu studieren, vertiefen sich mehr in die praktische Arbeit, wissen jedoch nicht, was sie beobachten müssen, um die physische Geographie zu erklären. Und die alten und erfahrenen Bergleute können sich nicht mehr zu interessanten Beobachtungen aufraffen.
40 Eine Fahrt, der bergmännische Begriff für Leiter, maß 12 Freibergische Ellen (1 Elle = ca. 0,5 m, auch mehr) und besaß 24 Sprossen. Nach solchen Fahrten berechneten die Bergleute die Teufe. Lomonosov nannte 40 Fahrten á 4 Sažen – das wären nach seiner Rechnung ca. 340 m. 41 Vgl. dazu auch die Anfangsgründe, § 64.
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3 Über das Erdinnere und die Erdschichten, die von der Natur bloßgelegt wurden § 77 Die Natur legt das Erdinnere auf zweierlei Weise bloß: einmal durch die gewaltsame Einwirkung von Elementen, die sich außerhalb befinden, zum anderen durch Bewegungen im Erdinnern selbst. Zu den äußeren Einwirkungen zählen heftige Winde, Regen, der Lauf der Flüsse, die Wellen des Meeres, Eismassen, Waldbrände und Überschwemmungen; für die Vorgänge im Erdinnern zählt allein das Erdbeben.
§ 78 Die Gewalt des Windes jagt das Wasser in die Höhe und treibt die Wellen an die Ufer und wäscht sie aus. Überdies reißt sie bisweilen eine Menge Bäume mitsamt ihren Wurzeln und der daran hängenden Erde heraus. Obgleich man gewöhnlich nur die folgende, unmittelbar unter der Oberfläche liegende Schicht sehen kann, lassen sich doch bisweilen Anzeichen von Mineralgängen entdecken. Dies ist besonders in Wäldern der Fall, die auf erzhaltigen Bergen oder auf Flözen stehen.
§ 79 Manchmal öffnen Winde das Innere der Berge, wenn sie steile Felsen abbrechen. Jedoch müssen diese vorher durch irgendeine andere Kraft hierfür vorbereitet worden sein; denn auch der heftigste Wirbelsturm hat nicht einmal so viel Gewalt, dass er feste Gebäude umreißen kann – es sei denn, er vereinigt sich während eines Gewitters mit der furchtbaren Kraft der Elektrizität. Der Wind stürzt auch Steine von den Gipfeln hoher und steiler Berge herab; diese müssen sich jedoch bereits in einer solchen Lage befinden, dass sie sich leicht lösen können.
§ 80 Regenfälle, besonders die lang anhaltenden, wie sie im Frühjahr und im Herbst in unserer Klimazone vorkommen, und die Winterunwetter in der heißen Zone, die nichts anderes sind als eine ununterbrochene Regenperiode, die fünf Monate und noch länger dauert, spielen eine ähnliche Rolle. Sie weichen die Erdoberfläche gründlich auf, waschen sie aus und legen das Erdinnere frei. Außerdem schwemmen schwere, von Wolkenbrüchen begleitete Gewitter – besonders in heißen Ländern, ähnlich der Strömung von Flüssen – nicht nur die oberste Erdschicht aus, sondern transportieren auch sehr schwere Steine von ihren Plätzen
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an weit entfernte andere Orte. Auch entwurzeln sie Bäume, bringen Gebäude zum Einsturz und reißen Furchen und neue Flussbetten auf.
§ 81 Das ist der Grund, weshalb viele leichtgläubige Menschen annehmen, dass an irgendeiner beliebigen Stelle Steine aus den Wolken fallen. Dabei ziehen sie nicht in Betracht, dass die Steine von dem Erdreich aus, wo ihr natürlicher Platz ist und aus dem sie durch die Kraft eines heftigen Platzregens ausgewaschen wurden, einen viel kürzeren Weg haben, als wenn sie sich vorher in die Wolken erhoben hätten oder gar dort entstanden wären und dann auf die Erde herunterfallen würden. Allerdings kann dies auch der Fall sein, wenn eine Gewitterwolke mit außergewöhnlicher elektrischer Kraft Steine hochreißt und sie an einer anderen Stelle fallen lässt. Das kann jedoch nicht so häufig auftreten und die gleiche Wirkung haben wie der Regen, der die Steine aus dem Boden herauswäscht. Außerdem dringt der Regen tief in die Erde ein und wäscht mit dem Quellwasser auch tief im Verborgenen liegende Minerale heraus.
§ 82 Diejenigen, die an den Ufern großer Flüsse wohnen, sind Zeuge, welch große Veränderungen die Strömung des Wassers an den Ufern und in den Fahrrinnen – meist im Frühjahr – verursacht. Die Sandmassen, die in jedem Frühjahr und in jedem Herbst ausgewaschen werden, und die Wiesen, die die Stromschnellen am oberen Teil wegreißen und unten wieder anschwemmen, möchte ich jedoch unberücksichtigt lassen. Dafür möchte ich aber näher auf die Ursachen eingehen, durch die das Innere der Berge bloßgelegt wird und dabei auf die steilen Bergwände verweisen, von denen sich manchmal große Stücke zusammen mit Gemüsegärten und Gebäuden loslösen und – da sie unterspült sind – in die Flüsse stürzen. Oft sieht man Teile von Uferbergen, die unmittelbar bis ans Wasser reichen, mit Wald bedeckt sind und – gleich einem Ladentisch – senkrecht abfallen. An einer anderen Stelle ist Geröll unregelmäßig herabgestürzt, große Eichen und Tannen hängen mit ihren Wipfeln nach unten und finden an den steilen Hängen nur noch mit wenigen Wurzeln Halt. Einige Bäume ragen horizontal in die Luft, und es ist noch verwunderlich, dass sie es überhaupt fertigbringen, Knospen und Laub auszutreiben. Auf diese Weise werden Jahr für Jahr die Erdschichten bloßgelegt, die sich durch die Verschiedenheit ihrer Farben und Eigenschaften unterscheiden. Das Wasser jedoch spült – soweit es dies vermag – die losgerissenen Teile der Berge hinweg.
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An den Ufern bleibt das feste Gestein zurück, wo wir es sehen und untersuchen können. Auf diese Weise offenbart die Natur viele unterirdische Geheimnisse.
§ 83 Die in den Bergen verborgenen Schätze, derer sich viele Staaten rühmen, also kostbare Steine – Diamanten, Edelsteine, Smaragde und andere Steine, die vom Menschen als Schmuck verwendet werden – wie auch goldhaltiger Sand, werden durch die Flüsse aus Uferbereichen, wo sie reichlich vorkommen, herausgewaschen und an den Ufern wieder abgelagert. Dies alles bleibt oft viele Jahrhunderte lang ungenutzt und wartet voll Ungeduld, dass wir es suchen und uns seinetwegen bemühen.
§ 84 Das Meer, dessen Wellen und Fluten an die Küsten schlagen und sie überschwemmt, hinterlässt ähnliche Spuren seiner Kraft. Ob es nun weniger mit dem Erdinnern in Berührung kommt und nicht wie die Flüsse den Weg zu den Mineralen weist oder ob die Küstenbewohner mehr auf die Beute achten, die sie dem Meer entreißen, oder ob die Meeresküsten schon seit Jahrhunderten ausgewaschen und keinen weiteren Veränderungen mehr unterworfen sind oder ob es nun eine andere Ursache hat – jedenfalls ist es allgemein bekannt, dass die Meeresküsten als Stätten für den Bergbau und als Fundorte wertvoller Steine keineswegs so berühmt sind wie Orte, die fernab vom Meer liegen.
§ 85 Bernstein wird an den Meeresküsten gefunden, und berühmt sind die Fundstellen an der Ostsee, im Königreich Preußen; er kommt jedoch auch in Sizilien, in der Provence und in Schweden vor, aber auch bei uns im Eismeer, in der Tschaiskaja-Bucht,42 wo er Meeresweihrauch genannt wird. Obgleich er auch in China reichlich vorhanden ist, wird er dort künstlich, dem natürlichen sehr ähnlich, aus Harz hergestellt, das aus den Bäumen fließt. Man findet den Bernstein auch landeinwärts an Stellen, die weit vom Meere entfernt sind, jedoch kommt das eher selten vor.
42 Die heutige Tschoscha-Bucht (russ. Чёшская губа), an der Barentssee gelegen.
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§ 86 Bedeutende Veränderungen auf der Erdoberfläche wurden auch von großen Überschwemmungen und Sintfluten verursacht, die – wie verschiedene Erdschichten vermuten lassen – oft eintraten, wovon noch ausführlich gesprochen werden wird. Es ist aber noch zweifelhaft, ob durch derartige Naturereignisse der Schoß der Erde eher geöffnet oder eher zugeschüttet wird. Es gibt zweierlei Arten von Überschwemmungen: Die eine entsteht durch einen Überfluss an atmosphärischem Wasser, das heißt durch heftige und außerordentlich starke Regengüsse oder plötzliches Tauen des Schnees, die andere entsteht durch das Meer und die Seen, die über ihre Ufer treten. Diese Naturerscheinungen sind fast immer von Erdbeben oder einem nicht wahrnehmbaren und lang andauernden Heben und Senken der Erdoberfläche begleitet. Die erste Erscheinung zählt zum Lauf der Flüsse (§ 77), die zweite zum Erdbeben, wie weiter unten beschrieben (§ 90).
§ 87 Frost und Eis beweisen ihre große Kraft an festem Gestein; die Erde wird durch den Frost, noch mehr aber durch das Eis, in erheblichem Maße verändert. Durch die große Menge an Schmelzwasser im Frühling übermütig geworden, durchbrechen die Flüsse ihre schwere Winterdecke und reißen dadurch oft Uferteile los und reißen sie durch die Stromschnellen mit sich fort. Mit unerhörter Kraft stemmen, schlagen und reiben sie an den Ufern, unterhöhlen steile Bergwände, bringen sie zum Einsturz und reißen sie als kleine Inselchen mit sich fort, um sie endlich mit großem Getöse zu zerstören. Wenn sie von den Ufern zurücktreten, reißen sie die Steine, die im Winter eingefroren sind, von den Bergen los und tragen sie mit sich weit fort. Nach dem Herbstregen dringt die Feuchtigkeit in die Spalten des Gesteins ein und wirkt – wenn sie bei den kommenden starken Frösten gefriert – wie ein Keil, den man in die Spalten hineingetrieben hat. So zerbersten die Felsen mit großem Getöse und fallen von oben herab.
§ 88 In entgegengesetzter Weise wirkt das Feuer. Durch große und verheerende Waldbrände, die den Menschen schaden – rauben sie ihnen doch sowohl Nutzholz wie auch die Möglichkeit zur Jagd –, wird gelegentlich das Erdinnere freigelegt. Dabei zerschmelzen durch diese Hitze die Metalle und weisen uns auf die Orte, wo sie zu finden sind. Alte Schriftsteller bezeugen derartige Wirkungen von Bränden für die Pyrenäen, die den Anlass zur frühen Entdeckung der Erzvorkommen des Königreichs Spanien gegeben haben. Die Ergiebigkeit der Goldbergwerke in
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diesen Gebieten hat sich jedoch sehr verringert, und nach der Entdeckung der Goldvorkommen in Amerika wurden sie fast völlig stillgelegt.
§ 89 Die Kraft des Feuers auf der Erde, das sich im Verhältnis zum unterirdischen Feuer nur auf einen kleinen Teil der Erdoberfläche erstreckt, kann außer Acht gelassen werden. Und alles, was die Mühen der Winde, die Regengüsse, die Stromschnellen und der Übermut der Flüsse, die Brandung der Wogen und der Gezeiten des Meeres, die Überschwemmungen und Sintfluten, die Eismassen und Fröste zur Entblößung des Erdinnern beitragen, ist – obgleich an sich erheblich – gegenüber dem Erdbeben doch sehr gering. Und wenn man den Gesamtzustand der Erdoberfläche und der Schichten beurteilt, so sind alle großen Veränderungen, die durch die erwähnten Naturkräfte hervorgerufen werden, in unseren Augen kaum der Beachtung wert. Wodurch wurden der Kaukasische und der Taurische Gebirgsrücken, die Kordilleren, die Pyrenäen und die anderen Gebirge sowie die Hauptberge, das heißt die Erdteile, emporgehoben? Natürlich weder durch die Winde noch durch die Regengüsse, die jetzt noch die Erde von ihnen hinwegspülen, natürlich nicht durch die Flüsse, die jetzt noch auf ihnen entspringen; natürlich nicht durch Platzregen und Sintfluten, die ihnen nichts anhaben können, da sie die schwere Substanz der Gesteine, aus der ihre Gipfel bestehen, weder antasten noch zu einer solchen Höhe emporheben können. Wodurch also wurde der ungeheure und unerreichbare Abgrund der Meerestiefe aufgerissen? Natürlich nicht durch Regen und Stürme, die in der Tiefe nur eine sehr geringe Wirkung haben, natürlich nicht durch die Strömung der dahineilenden Flüsse, die an deren Mündung aufhört. Im Herzen der Erde gibt es eine andere unermessliche Gewalt, die sich von Zeit zu Zeit auf der Erdoberfläche bemerkbar macht und deren Spuren wir überall dort erkennen, wo wir von den Bergen den Boden des Meeres und auf dem Boden des Meeres Berge sehen – im folgenden Kapitel soll darüber ausführlich gesprochen werden.
§ 90 Über die Veränderungen, die durch Erdbeben hervorgerufen werden, sollte man in meiner Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben nachlesen – eine sehr gute Ergänzung zu dieser Beilage und zu diesem Büchlein. Hier soll gezeigt und erklärt werden, was durch diese unheilvolle und todbringende Wirkung aus dem Erdinnern bloßgelegt wird und wie dies erfolgt. Bedauerlicherweise werden bei solchen gefährlichen Veränderungen die Umstände, unter denen dies
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geschieht, nur wenig beschrieben. Aber der Schrecken und die offensichtliche Todesgefahr entschuldigen jene Menschen, die sonst sehr wissensdurstig sind. Denn nicht jeder möchte ein unglücklicher Plinius43 sein und ohne Nutzen für sich und die Menschheit den brennenden Vesuv beobachten.
§ 91 Erwägt man, wie häufig Erdbeben in der ganzen Welt auftreten – besonders in der heißen Zone und in den ihr benachbarten Himmelsstrichen und außerdem noch in gebirgigen Gegenden und auf Inseln –, so kann man zweifelsohne feststellen, dass kaum ein Tag ohne ein Beben vergeht. Die Philippinen und andere der indischen Küste vorgelagerten Inseln, ebenso die Azoren im Atlantischen Ozean, die Zykladen im Archipel, die Antillen im Golf von Mexiko und unzählige verstreut liegende Inseln lassen uns oft traurige Nachrichten über verheerende Veränderungen zukommen, die durch innere Bewegungen hervorgerufen werden. Die Menschen, die in der Nähe großer und hoher Gebirgsrücken leben, werden oft mitsamt ihren Wohnstätten von dem Herabstürzenden begraben – Unglücksfälle, deren Kunde selten bis zu uns dringt. Das Gleiche ist auch für Regionen anzunehmen, die nicht nur unbewohnbar, sondern für das Menschengeschlecht überhaupt unerreichbar sind.
§ 92 Obgleich wir von den bedeutendsten jüngsten Erdbeben ausführliche Beschreibungen haben, hat man doch mehr und beinahe von überall nur den traurigen und beklagenswerten Zustand der Gebäude und der Bewohner vor Augen, weniger also die Veränderungen und Umstände, die der Naturwissenschaft dienen. Unter vielen derartigen mir bekannten Veränderungen in der Natur scheint mir der Ort eines Erdbebens in Nordamerika am beachtenswertesten zu sein, und zwar Quebec und dessen Umgebung.44 Abgesehen von phantastischen und wenig glaubwürdigen Berichten, ging dies folgendermaßen vor sich: Plötzlich war in der ganzen Stadt ein Krachen wie bei einer großen Feuersbrunst zu hören. Die Leute liefen alle auf die Straße hinaus. Da sahen sie zu ihrem Schrecken auf
43 Plinius der Ältere (23 oder 24–79); der römische Gelehrte, Offizier und Verwaltungsbeamte konnte den Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 beobachten und starb möglicherweise durch dessen Exhalationen. 44 Lomonosov meint das Beben von 1663 bei Trois Rivières in der Nähe von Quebec, das eine schwere Katastrophe darstellte.
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deren beiden Seiten schwankende Häuser, die mit den Dächern beinahe die Erde berührten. Die Türen wurden durch die Stöße in Bewegung versetzt, sie sprangen auf und zu, die Glocken begannen von allein zu läuten, die Zäune hüpften auf und nieder, die Wände barsten krachend auseinander, das Vieh brüllte, und die Erde wogte wie das sturmgepeitschte Meer. Die Bäume schlugen mit den Wipfeln gegeneinander, wurden entwurzelt und an andere Stellen geschleudert. Dann waren lärmende Geräusche der verschiedensten Art zu hören: Einmal klang es wie das Tosen der Brandung, ein anderes Mal, als ob viele Wagen schnell auf gepflasterten Straßen dahinführen, als ob Steinhaufen zusammenschlügen und wieder auseinanderfielen. Gleichzeitig erhob sich eine dichte Staubwolke, die man für Rauch hielt, so dass man einen allgemeinen Brand zu befürchten glaubte. Einige meinten sogar das Kriegsgeschrei des dortigen Volksstammes, der Irokesen, zu vernehmen. Die Felder zeigten sich voller Spalten und Klüfte, ganze Berge wurden mit ihrem Untergrund weggerissen und an andere Stellen versetzt. Einige stürzten in Flüsse hinein und behinderten deren Lauf. Andere sanken so tief in die Erde hinein, dass nicht einmal die Wipfel der Bäume zu sehen waren, die sie bedeckten. Einige Bäume flogen so hoch, als wenn sie von einer Mine gesprengt worden wären, und beim Zurückfallen bohrten sie sich mit ihren Wipfeln in die Erde. Viele Quellen und Bäche versiegten, in anderen hatte das Wasser einen schwefligen Geruch angenommen. Einige Gräben, in denen Wasser floss, wurden eingeebnet; an einer Stelle wurde das Wasser rot, an einer anderen gelb. Der Sankt-Lorenz-Strom nahm auf eine Strecke von 120 Werst eine weiße Farbe an. Die Luft war von einem ununterbrochenen Dröhnen erfüllt, Feuerzeichen flammten auf, und eine Art Winseln vermehrte den Schrecken.
§ 93 In einem Gebiet, das 1.200 Werst von Osten nach Westen und 600 von Norden nach Süden maß, wurden die Erde, das Wasser und die Ufer in bestimmten Intervallen durch die Erdstöße aufs Heftigste erschüttert. Das erste Beben dauerte eine ganze Stunde, wurde aber nach der ersten Viertelstunde wieder schwächer. Einige Leute zählten in der darauf folgenden Nacht zweiunddreißig Stöße. Übrigens schien es vielen – oder sie bildeten es sich ein –, dass die Erde unaufhörlich schwanke wie das Meer, und sie hatten das Gefühl von Übelkeit wie jene Seeleute, die sich noch nicht an den Wellengang gewöhnen konnten. Am folgenden Tage, am 6. desselben Monats, fühlten sie aufs Neue ein starkes und lang anhaltendes Beben. In Tadousac ging eine halbe Stunde lang ein Ascheregen nieder. Einige amerikanische Eingeborene, die nach dem Beben zu ihren Hütten zurückkehrten, fanden an deren Stelle nur noch große Pfützen. Auf dem Wege von Quebec nach Tadousac stürzten zwei Berge in einen
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Fluss, wodurch sich ein Kap in der Länge von einer halben Werst bildete. Zwei Franzosen fuhren damals in einer Schaluppe von Gaspé weg und bemerkten zunächst nichts, bis sie sich dem Fluss Saguenay näherten. Hier begann die Schaluppe wie bei einem starken Sturm zu schaukeln. Sie sahen zum Ufer und erblickten einen Berg, der – wie der Psalmist sagt – sich wie ein Lamm erhob und bald, einem drehenden Mühlrad ähnlich, auf die Erde stürzte. In der Nähe des Kap Tourmente brach eine große Menge unterirdischen Wassers hervor und unterspülte alles, was ihm in den Weg kam. An derselben Stelle sowie oberhalb von Quebec veränderte der Fluss seinen Lauf. Ein Teil des Flussbettes versiegte, und an einer anderen Stelle senkten sich die höchsten Ufer bis zur Wasseroberfläche herab, und das ganze Flusswasser blieb ein Vierteljahr lang trübe und gelblich. An einigen Stellen, an denen früher Stromschnellen waren, fließt jetzt das Wasser ruhig; und umgekehrt sind jetzt einige Flüsse, auf denen man völlig ungehindert fahren konnte, voller Klippen.
§ 94 Obwohl kein einziger Ort in der Welt völlig von Erdbeben verschont bleibt, so werden doch vor allem bergige Gegenden, wie oben gezeigt wurde, durch diese Naturerscheinung in Schrecken versetzt – besonders dort, wo ein unterirdisches Feuer wahrzunehmen ist. Die Feuer speienden Berge, die man mit schwärenden Stellen des Körpers vergleichen kann, weisen einen Überfluss von Substanz auf, die – ähnlich einer inneren Krankheit – nach außen dringt und alles in der Nähe Liegende in Bewegung versetzt und aufbläht. Am Ende erfolgt ein Ausbruch, und die dies alles verursachende Substanz wird ausgeworfen – und zwar umso reichlicher, je notwendiger eine Entlastung scheint. Die Wunde schließt sich dann wieder – entweder für längere Zeit oder für immer. Auf diese Weise erheben sich neue Berge, speien eine Zeitlang Feuer und erlöschen wieder; andere erneuern ihre alte Kraft oder sind völlig zerstört, haben somit ihren Schrecken verloren – so zumindest scheint es uns; denn wir nehmen unser kurzes Leben als Maßstab und halten zwei- oder dreitausend Jahre beinahe für die ganze Ewigkeit. Alte Überlieferungen derartiger Erscheinungen sind entweder ganz verlorengegangen oder die Fabeln, die davon erzählen, scheinen zum überwiegenden Teil eher unwahrscheinlich.
§ 95 Im Jahre 1640 wuchs auf der Insel Mindanao in Ostindien ein großer Berg aus der Erde, der Rauch und Feuer ausstieß und eine riesige Menge Asche auswarf. In der gleichen Gegend, auf der Insel Java, unweit der Stadt Panaroekan, wurde im
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Jahre 1586 ein Berg zum ersten Mal aktiv (das heißt, soviel uns nach den Erzählungen der Inder bekannt ist), spie Asche und Steine und verschüttete damit die ganze Stadt. Drei Tage lang waren weder Sonne noch Licht zu sehen, dabei kamen ungefähr zehntausend Einwohner um. Im Gegensatz hierzu nimmt man an, dass im Peruanischen Königreich, in der Provinz Peru, der Pichincha und auf der Insel Teneriffa der Pico vollständig erloschen sind. Aber diesbezüglich lassen zum Beispiel der Vesuv und der Ätna, die zeitweilig – mitunter fünfzig Jahre lang – erloschen sind, durchaus den Verdacht aufkommen, dass dieser Ruhezustand eher als eine lang andauernde Krankheit des Erdinnern, weniger jedoch als ewig angesehen werden kann.
§ 96 Wer sehen möchte, wieviel Schichten und welchen Teil des Erdinnern die Erdbeben und Feuer speienden Berge freilegen, der gehe zu den großen und kleinen Bergen, die aus massivem Gestein bestehen, und schaue, wie die großen Blöcke und Stücke des wilden grauen Gesteins gelagert sind. Dann wird er sehen, dass einige in geordneten Schichten liegen, andere zerstörten Ruinen eines eingestürzten großen steinernen Gebäudes gleichen. Risse, Brüche, abgerissene Stücke, Einstürze, Schutt – alle zeigen es uns, ja sie scheinen direkt zu sagen: So ist das Erdinnere beschaffen, hier sind die Schichten, hier die Gänge aus anderen mineralischen Substanzen, die die Natur in der Tiefe entstehen ließ. Bewertet auch ihre unterschiedliche Anordnung, ihre Farbe, ihr Gewicht und zieht bei eurer Betrachtung die Mathematik, die Chemie und besonders die Physik zu Rate; streift in den Tälern und Ebenen der Umgebung umher und studiert die großen zerstreut auftretenden Gesteine! Stellt euch bei der Beurteilung ihrer Zusammensetzung vor, dass sie früher einmal tief in der Erde gelegen haben und dass sie ein Teil des Erdinnern sind! Geht an den Ufern der Flüsse oder am Meeresstrand entlang, wo sich ein sandiges Steilufer oder steile Felsen, wo sich Kies und Klippen befinden – dann werdet ihr an den Abhängen verschiedene Schichten aufeinander liegender Gesteinsformationen mit ihren unterschiedlichsten Veränderungen beobachten können! Dort zeugen nicht nur größere Blöcke, sondern auch feine Kieselsteine, ja selbst Sandkörnchen vom Zustand des Erdinnern, aus dem sie – durch die Wirkung des eingeschlossenen Feuers befördert – an die Oberfläche emporgestiegen sind. Mit einem Wort: Alle steinigen und sandigen Teile der Erdoberfläche sind durch Erdbeben und Feuer speiende Berge entstanden, wie im Nachfolgenden belegt wird. All dies dient letztendlich dazu, ein klares Bild über den Zustand des Herkunftsortes zu erlangen, auch kann dies alles das wissensdurstige Auge befriedigen und den allgegenwärtigen Scharfsinn erfreuen.
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4 Betrachtungen über die Schichten und das Innere der Erde § 97 Wir haben gesehen, wie die Erdoberfläche hinsichtlich ihrer Form und ihrer Substanz beschaffen ist und wie die Schichten und die übrigen Teile des Erdinnern gebildet wurden, nachdem sie durch das menschliche Handeln und durch die Wirkungen der Natur bloßgelegt worden sind. Nun muss man die dabei erarbeiteten Untersuchungsmethoden und die oben dargelegten Erkenntnisse zu einer weiteren, ausführlicheren und klareren Erkundung des Erdinnern anwenden, indem man dazu die hohen Wissenschaften zu Hilfe nimmt – besonders die Mechanik der festen und flüssigen Körper, um die in der Natur wirkenden Kräfte zu bestimmen, die metallurgische Chemie, um die Vielfalt der Minerale, aus denen sich die Schichten zusammensetzen, auseinanderzuhalten; schließlich die allgemeine Geometrie, die für all jene Untersuchungen in Frage kommt, die wir mit Hilfe unserer Überlegungen anstellen.
§ 98 Um sich damit zu befassen, muss man solch zuverlässige Grundsätze und Regeln aufstellen, auf die man sich unbedingt verlassen kann. Dabei ist zuerst und mit Nachdruck daran zu erinnern, dass die sichtbaren körperlichen Dinge auf der Erde und die ganze Welt nicht seit Anbeginn der Schöpfung in dem Zustand waren, in dem wir sie heute vorfinden, sondern dass große Veränderungen vor sich gegangen sind. Ein Vergleich der Geschichte und der alten Geographie mit der heutigen verdeutlicht die Veränderungen der Erdoberfläche, die sich in unserem Jahrhundert vollzogen haben. Wenn sich sogar die großen Himmelskörper, die Planeten und selbst die Fixsterne verändern, am Himmel verschwinden und erneuert auftauchen, kann man dann bei der Erörterung jener so überaus kleinen Teilchen unseres kleinen Erdballs, das heißt der Berge (die in unseren Augen riesige Kolosse sind) annehmen, sie seien frei von Veränderungen? Viele nehmen irrtümlicherweise an, dass alles, was wir sehen, seit Anbeginn vom Schöpfer in der vorliegenden Art erschaffen wurde. Sie glauben also, dass nicht nur die Berge, Täler und Gewässer, sondern auch die verschiedenen Arten von Mineralen gleichzeitig mit der ganzen Welt entstanden sind und halten es deshalb nicht für erforderlich, die Ursachen dafür zu ergründen, warum sie sich in ihren inneren Eigenschaften und hinsichtlich ihres Fundortes unterscheiden. Solche Auffassungen schaden dem Fortschritt aller Wissenschaften erheblich und folglich auch der Erkenntnis über die Natur des Erdballs, besonders aber der Kunst des Hüttenwesens, obgleich es diesen Neunmalklugen nicht einmal schwer fällt, den Philosophen zu spielen, indem
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sie die Worte „Gott hat es so erschaffen!“ auswendig lernen, um mit diesen anstatt aller Argumente zu antworten.
§ 99 Die zweite grundlegende Erkenntnis ist die, dass die mineralischen Substanzen umso einfacher sind, je mehr sie sich den Elementen annähern, aus denen die Welt besteht; und je komplizierter ihre Zusammensetzung ist, umso weiter sind sie davon entfernt. Zum Beispiel besteht Wasser aus sich selbst und kann nicht in andere Substanzen zerlegt werden. Und obgleich man durch die Chemie irgendwelche fremden Bestandteile daraus eliminieren kann, darf man diese keineswegs als einen notwendigen Bestandteil des Wassers ansehen. Denn auch dann, wenn sie entfernt wurden, bleibt das Wasser immer noch Wasser, es ist nur reiner geworden als vorher. Im Gegensatz hierzu zerfällt das Salz durch chemische Einwirkung in Säure und alkalisches Salz. Die Salzsäure wird von den erfahrensten Chemikern noch als zusammengesetzte Substanz betrachtet, da sie sich von anderen Säuren unterscheidet, was ohne Beimischung irgendeiner anderen Substanz nicht möglich sein kann. Das alkalische Salz zerfällt in eine flüchtige saure Substanz und in eine geschmackfreie Erde. Betrachtet man die mineralischen Körper, aus denen das Erdinnere und die Erdschichten bestehen, dann muss man diesen Umständen große Beachtung schenken, das heißt, man muss diese als ursprüngliche Substanzen ansehen oder als solche, die im Laufe der Zeit aus diesen entstanden sind; denn die Schöpferkraft Gottes ist allein die unmittelbare Ursache der ersten und bedarf keiner Beweise. Das Entstehen der anderen hängt von den Eigenschaften, Mitteln und Umständen der wirkenden Natur ab, so dass es – obwohl alles von einem allesschaffenden Geist ausgeht – auch dem menschlichen Scharfsinn Gelegenheit gibt, zu den Ursachen vorzudringen und eine klare Erkenntnis der Dinge in unserem Leben zu erlangen, die nutzbringend angewendet werden kann und zu unserem Wohl bestimmt ist.
§ 100 Aus diesen Gründen sage ich unumwunden, dass wir aus dem Zustand der Erdoberfläche, aus ihrer Gestalt und den unserem Anblick verborgenen Bereichen durchaus zu schließen und zu urteilen vermögen, dass ihr heutiger Zustand nicht mit der Entstehung der Welt gleichzusetzen ist, sondern mit der Zeit eine andere Gestalt angenommen hat. Solche Überlegungen sind nicht nur leere Phantasiegebilde, die unsere Neugierde befriedigen und uns dadurch erfreuen. Nein, sie zeigen auch klar den Zustand und den Aufbau unseres gemeinsamen Hauses, in dem wir wohnen und uns bewegen, sie belehren uns und zeigen uns den direk-
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ten Weg zu jenen Orten, an denen wir die reichen Schätze suchen müssen und von denen sie uns auf diese Weise Kunde geben. Es ist wahr, dass hier zahlreiche Überlegungen präsentiert werden können, die von solchen Vorhaben und einem solchen Resultat weit entfernt sind. Aber ihr wirkliches Wesen entspricht dem hier Gesagten; und deshalb müssen sie für die Liebhaber des Hüttenwesens ebenso notwendig und willkommen sein, wie eine menschliche Spur für einen, der sich an einem unwirtlichen und unbekannten Ort verirrt hat, oder wie ein in der Ferne aufsteigender Rauch für denjenigen, der – Landvögeln gleich, die ihm entgegenfliegen – in der Winterkälte verzweifelt umherirrt, schließlich für jemanden, der auf unbekannten Meeren umherfährt, obgleich andererseits weder menschliche Spuren noch aufsteigender Rauch und entgegenfliegende Vögel auch nur die geringste Aufmerksamkeit erheischen.
§ 101 Am Anfang der vorliegenden Betrachtung stehen erstens die höchsten Berge, das heißt die Erdteile, die unzweifelhaft nicht von Anfang an da waren, sondern aus den Wassern emporgestiegen sind, als das Festland zum Vorschein kam und sich das Wasser in großen Becken sammelte, nämlich in den großen, das Festland umgebenden Meeren. Natürliche und ins Auge fallende Zeugnisse dafür sind sie selbst, das heißt die Berghänge, die Gebirgsrücken und die Gipfel jener Erhebungen sowie die auf ihnen in unzähligen Mengen liegenden Schalentierchen, die Meeresbewohner waren und über die genügend gesagt worden ist (§ 34).
§ 102 Die gegen den Horizont geneigte Lage des wilden Gesteins zeigt, dass jene Schichten aus ihrer ursprünglichen Lage gebracht wurden. Nach den Gesetzen der Mechanik und der Hydrostatik müssten sie horizontal liegen; denn unbestreitbar befanden sich die Gesteine zuerst in flüssigem Zustand, umgaben zunächst andere feste Körper und schlossen jene mit zunehmender Abkühlung in sich ein. Flüssige Substanzen haben die Eigenschaft, eine horizontale Oberfläche zu bilden. Als die Berge durch die innere Kraft gezwungen waren, vom Meeresgrunde aufzusteigen, musste das Gestein, aus dem sie bestanden, sich unbedingt verfalten, krachend zerbersten, Erdspalten, schiefe Ebenen, Abhänge und Klüfte bilden – verschieden groß und in wechselnden Formen. Daraus resultierte die vielgestaltige und verschiedenartige Lage der Kontinente, der sie umgebenden Inseln und der Untiefen, die vom Meeresboden beinahe bis an die Wasseroberfläche emporreichen. Die Kraft, die eine solche Last zu heben vermochte, kann niemand anderem als der im Schoße der Erde herrschenden Hitze zugeschrie-
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ben werden – einer Naturkraft also, die Gottes Geboten gehorcht. Da sie noch heute, wenngleich über die vielen Jahrhunderte abgeschwächt, oft ganze Regionen bewegt und so das Antlitz der Erde verändert, kann man sich leicht ein Bild davon machen, wie gewaltig ihre Kräfte am Anfang gewesen sein müssen. Die Hauptgebirge, besonders ihre Rücken und Gipfel, stehen auf verworfenen Kanten anderer Gesteinsschichten. Zwischen diesen liegen Hohlräume und große Schluchten, die einerseits mit Wasser, andererseits mit noch heftig brennender Glut gefüllt sind, die oft aus ihrem Verlies hervorbricht und an die Oberfläche kommt, Beben in der Umgebung hervorruft und manchmal das Wasser durch die sich ausdehnende Luft heraustreibt – wie im § 93 erläutert.
§ 103 Dass die Schalentiere des Meeres, die jetzt auf Berggipfeln liegen, auf dem Meeresgrunde entstanden sind, bezweifelt heute niemand mehr – außer Menschen, die nur sehr kümmerliche Vorstellungen von der Größe und dem Alter der Welt haben. Obgleich ich dies schon genügend in meiner Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben erläutert habe, halte ich es doch für erforderlich, hier noch einige meiner neuen Argumente für diejenigen hinzuzufügen, welche in Wort und Schrift die Auffassung vertreten, dass die im Innern der Berge und an ihrer Oberfläche befindlichen Muscheln irgendein Spiel der verschwenderischen Natur seien, einem Überfluss ihrer Kräfte entspringend. Das würde bedeuten, dass die Muscheln dort, wo wir sie sehen, entstanden und gewachsen sind, also ohne eine Ursache dafür und ohne einen Zweck zu erfüllen. Nun frage ich jene, was sie von einem Taucher halten würden, der aus den Tiefen des Meeres Münzen, Waffen oder Gefäße, die während einer Seeschlacht oder infolge eines Sturmes untergegangen und schon seit langem im Schlamm versunken sind, heraufbrächte und der ihnen dann sagte, dass die kühle Natur dort unten eine Menge davon erzeuge und sich an ihrem Überfluss ergötze. Was wäre, wenn der Grund des Mittelmeeres oder selbst des Großen Ozeans freigelegt würde, auf dem die kämpfenden Phönizier, Griechen, Karthager und Römer den Tod fanden und wo die aus dem östlichen Indien oder Amerika heimkehrenden Flotten Gut und Leben verloren, und es kämen bekannte, durch menschliche Kunstfertigkeit hergestellte Waffen, Geschirre, Geräte und Münzen mit Abbildungen verschiedener Herrscher hervor, die jenen sehr ähneln, die wir auf gültigen oder in Münzkabinetten aufbewahrten Münzen sehen oder die sogar die gleiche Prägung haben? Und begännen nun einige zu überlegen, ob dies nicht alles die Natur selbst hervorbringt, das heißt sie in den Tiefen des Meeres eine Schmiede-, Waffen-, Kupfer- und Münzwerkstatt unterhält? Würden solche Gedanken nicht den beißenden Spott der Menschen hervorrufen, die ein klares Urteil besitzen?
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Nicht weniger Gelächter und Spott verdienen jene Philosophen, die sich nicht entblöden zu behaupten, dass die in den Bergen liegenden Muscheln nicht aus dem Meere stammen, sondern willkürliche Einfälle der launischen Natur seien, obgleich sie dieselben Muscheln in ihrer ungeheuren Vielfalt an Form, Größe, Farbe, Linienführung und in all dem die Verschiedenheit an Merkmalen und Eigenschaften sehen, durch die sich diese Lebewesen der Natur voneinander unterscheiden wie auch durch chemische Analysen genau dieselben Stoffe in ihrem Aufbau nachgewiesen werden können – schließlich entspricht doch ihr Aussehen völlig dem der im Meere lebenden Muscheln.
§ 104 Es gibt noch eine der genannten Auffassung entgegengesetzte Meinung, nämlich, dass die Berge vom Meeresgrunde emporgestiegen und die Muscheln dabei mit in die Höhe gelangt seien – und sie wird keineswegs nur von Schriftstellern der gelehrten Gesellschaft vertreten.45 Deren Meinung schreibt jene Erscheinung einzig der Sintflut zu, jedoch lässt sie sich mit gewichtigen Beweisen leicht entkräften: 1. Das heranflutende Wasser des Meeres kann die Muscheln wegen ihres großen Gewichts nicht in die Höhe heben. Auch zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass sie niemals mit der Flut an den Strand gespült werden, die an vielen Stellen nicht langsamer ansteigt, als es den Beschreibungen nach bei dem Wasser der Fall gewesen sein muss, welches die Sintflut hervorgebracht hat, was man leicht folgendermaßen berechnen kann. Es ist bekannt, dass es in der geographisch erforschten Welt keinen Berg gibt, der sich höher als eine Meile über den Meeresspiegel erhebt. Nehmen wir nun an, dass das Wasser in 40 Tagen auf 3.500 Sažen gestiegen sei – das wären stündlich 4 Sažen. Das Gleiche ist an vielen Stellen der Fall, an denen das Wasser zur Zeit der Neumond- und Vollmond-Tagundnachtgleichen an engen Stellen mit maximaler Geschwindigkeit ansteigt; denn obwohl das Ansteigen 6 Stunden dauert, so verläuft es doch zu Beginn und gegen Ende sehr langsam. Die stärkste Wirkung jedoch dauert etwa 2 Stunden an und lässt das Wasser 6 bis 7 Sažen steigen. 2. Bei Noah stürzte das Wasser der Sintflut in heftigen Regengüssen hernieder; folglich ergoss es sich von oben, floss den Muscheln entgegen und hinderte sie, auf die Berge zu kriechen.
45 Vermutlich zielt Lomonosovs Bemerkung u.a. auf Johann Friedrich Henckel, Georg Wolfgang Krafft und Karl Nikolaus Lange.
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3. Es ist auch unmöglich anzunehmen, dass die Schaltiere in den 150 Tagen, als das Wasser über der Erde stillstand, auf die Berge gekrochen wären, weil sich diese Tiere nur sehr langsam fortbewegen; außerdem suchen große Muscheln immer Vertiefungen auf. 4. Es widerspricht der Natur, dass sie sich auf die Berge begeben hätten, um einen unbekannten Aufenthaltsort und Nahrung zu suchen, dabei aber das ihnen von der Natur Gegebene im Stich ließen.
§ 105 Es ist bekannt, dass eine ungemein große Menge Sand im Meere liegt und dort ausgedehnte Erhebungen bildet, die von uns schlechthin als Sandbänke bezeichnet werden. Sie ähneln, obwohl sie nicht so hoch sind, der Wüste Gobi im Gebiet des Chanats von Buchara.46 Diese liegt höher über dem Meeresspiegel als die bekanntesten Berge im europäischen Russland, und solche Sandmassen bestätigen allem Anschein nach nicht weniger als die Schalentierchen auf den Alpengipfeln, dass sie vom Meeresgrund emporgehoben wurden. Die alten Schriftsteller hinterließen ein historisches Zeugnis darüber, dass die weiten libyschen Sandwüsten früher Meeresboden waren, der sich in alten Zeiten durch ein Erdbeben gehoben hat. An einigen Stellen rückt mit der Zeit durch das Zurückweichen des Wassers der Strand des Meeres so weit vor, dass von einigen Gelehrten die Frage aufgeworfen wurde, wohin das Meereswasser verschwinde und sich verliere. Das ist jedoch eine unnütze Frage, denn an anderen Stellen geschieht das Gegenteil: Die Ufer weichen mit der Zeit vor dem Wasser zurück. Und so ist diese Frage müßig; denn beides – das Heben und Senken der Erdoberfläche – kann leicht durch innere Bewegungen verursacht werden, ohne dass ein Verlust an Wasser auftritt.
§ 106 Bei meinen wiederholten Reisen durch die Landgrafschaft Hessen hatte ich Gelegenheit, zwischen Kassel und Marburg eine ebene, sandige, horizontale, mit Wiesen bedeckte Gegend wahrzunehmen, die lediglich niedrige, nur 4 bis 6 Sažen
46 Das Chanat von Buchara, ein feudaler Staat auf dem Gebiet des heutigen Usbekistans und eines Teils Tadschikistans. Üblicherweise versteht man unter der Wüste Gobi (Lomonosov schreibt Kobi /russ. Коби) die Wüste und Halbwüste im südlichen Teil der Mongolei und in den nordwestlichen Provinzen Chinas. Vermutlich meint Lomonosov die zentralasiatische Taklamakan-Wüste.
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hohe Erhebungen oder Hügel aufwies, welche mit spärlichem Gesträuch bewachsen waren. Dies alles zog sich nach einer Senke hin, in der eine große Menge kleiner, ganzer wie auch zerbrochener Seemuscheln lag, die locker angehäuft waren. Beim Betrachten dieser Stelle erinnerte ich mich an die vielen Sandbänke am Ufer des Weißen Meeres und des Nördlichen Eismeeres, die während der Ebbe hervortreten, und ich konnte mir nichts vorstellen, das sich ähnlicher wäre, als diese beiden Teile der Erdoberfläche, die in einer so völlig verschiedenen Umgebung liegen – das heißt der eine im Meer, der andere auf einer erhöhten Stelle des Festlandes. Hier sind es spärlich bewachsene Hügel auf einem sandigen, ebenen Felde, dort kahle steinige Felsen auf dem ebenen sandigen Meeresboden. Hier in der Ebene sind die Schaltierchen mit rostfarbener Erde vermengt, dort halten sich die Seemuscheln an vertrockneten Algen47 und den Felsen fest. Weist hier die Natur nicht selbst auf die Kräfte hin, die im Schoße der Erde eingeschlossen sind und von denen die Erhebungen und die Senkungen der Oberfläche abhängen? Sagt sie nicht, dass die Ebene, auf der jetzt die Menschen fahren, sich bewegen und Dörfer und Städte bauen, in alter Zeit Meeresboden gewesen ist, obgleich sie jetzt ungefähr 300 Werst vom Meer entfernt und durch den Harz und andere Berge von ihm getrennt ist?
§ 107 Nunmehr betrachten wir die wirkenden Ursachen im Innern. Wie groß sie sind, das zeigen uns ihre Folgen von selbst; aber wie tief sie sich in dem Erdinnern befinden, müssen wir eingehender untersuchen. Als ungefähre Anhaltspunkte – nicht als genaue Bestimmung – dienen vier Kriterien: 1. Erdbeben, die in der Gegenwart an entfernten Orten auftreten, 2. die verschiedenen Arten der Erdbeben, 3. die langanhaltende Tätigkeit Feuer speiender Berge, 4. der Vergleich der Höhe großer und kleinerer Berge in ihrer horizontalen Erstreckung.
§ 108 Oft kommt es vor, dass sich die Erdoberfläche gleichzeitig an zwei voneinander entfernten Orten bewegt, und zwar auf zweierlei Art: 1. Das ganze Gebiet bewegt sich durchgehend von einem Ende bis zum anderen,
47 Es handelt sich um Seegras oder Seekohl.
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2. mit Unterbrechungen, so dass zwischen den erschütterten Stellen ein Gebiet liegt, das von der Bewegung der Erde nicht erfasst wird. Wenn man hierüber nachdenkt, muss man sich vorstellen, dass erstens ein unterirdischer Abgrund bestehen muss, der sich von einem Ende bis zum anderen ausdehnt und nur eine unterschiedliche Gestalt hat. Im ersten Falle liegt der Abgrund in einer gleichmäßigen oder sich nur wenig verändernden Tiefe unter der Erdoberfläche, weil die Kraft, die das Beben hervorbringt und auf der das Gewicht der Erde nahezu gleichmäßig lastet, in ihren Wirkungen sich nur geringfügig unterscheidet. Im anderen Falle kann jener Schlund in der Tiefe keine Ebene sein, sondern muss etwa die Form einer gebogenen Röhre haben, bei der das Mittelteil nach unten durchgebogen ist, wobei das größere Gewicht der darüber liegenden Erde der unterirdischen Hitze nicht nachgibt. In diesem Falle verteilt sich die Energie auf die geringer belasteten Ränder und ruft gleichzeitig an weit voneinander entfernten Stellen ein Beben hervor. In beiden Fällen zeigt es sich ganz deutlich, wie unheimlich die Tiefe jener unterirdischen Schlünde und wie dick ihre Gewölbe sein müssen. Nach dem Umfang der in der Gegenwart auftretenden Erdbeben haben sie manchmal eine Ausdehnung bis zu 3.000 Werst, wobei sie nicht allerorts durch Stützen, das heißt durch unterirdische Berge, gehalten werden, sondern auch durch ihre eigene Festigkeit und Mächtigkeit. Wenn wir dafür nur den hundertsten Teil im Verhältnis zu ihrer Ausdehnung annehmen, so kommen wir auf 30 Werst – eine Höhe, welche die der allerhöchsten Berge um das Vierfache übertrifft. Aller Wahrscheinlichkeit nach trennt uns die enorme Mächtigkeit jener Gewölbe noch weitaus mehr von den ungeheuren Abgründen.
§ 109 Die zweite Art von Erdbeben, dem Aufruhr des Meeres ähnelnd, setzt voraus, dass die Ursache der Bewegung nicht allzu tief liegt und dass die aufliegende Schicht nicht sehr dick ist; denn eine dicke Erdschicht kann sich nicht so oft verfalten – daher wird schon von den Autoren des Altertums ein derartiges Erdbeben für nicht besonders gefährlich gehalten. Meiner Meinung nach hängt dies mit der Entzündung der Flöze zusammen, die – wie sich weiter unten erweisen wird – auf der Erdoberfläche aus Pflanzen entstehen und die nicht sehr tief in die Erde hinabreichen. Senkrechte und horizontale Stöße zeigen eine viel größere Tiefe an; sie sind durch die Entzündung echter Minerale entstanden, die ganz zuunterst liegen. Das Beben des Meeresbodens, wie es manchmal von Seefahrern für eine Tiefe wahrgenommen wird, die das Lot nicht erreicht, ist ein nachdrücklicher Beweis dafür, in welcher Tiefe die unterirdischen Kräfte wirken. Solcherart Beben wird durch die Zerstörung und das Zerbersten großer Gesteinsmassen verursacht,
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die durch die Hitze gespalten und aus in der Nähe befindlichen Schlünden mit Wasser überspült werden. Dies alles gehört jedoch zu einer ausführlichen und spezifischen Beschreibung und Auslegung des Erdbebens. Deshalb werden hier nur die ungefähre Tiefe sowie die Verschiedenartigkeit beschrieben, von denen jene Kraft ausgeht, die die Berge erhebt und zum Einsturz bringt.
§ 110 Das dritte Kriterium finden wir in dem lang anhaltenden Ausstoß von Rauch und Feuer aus den Gipfeln außerordentlich hoher Berge, die man gewöhnlich zu Unrecht „brennende“ nennt; denn eigentlich stellen sie nichts anderes als Schlote oder Kamine dar, durch die der obere Bereich des unterirdischen Feuers entweicht. Betrachtet man den Ätna oder den Vesuv, die viele Jahrhunderte lang die Bewohner der Umgebung in Schrecken versetzten und ihnen Schaden zufügten, so kann man ungefähr ermessen, wieviel Substanz aus ihnen durch die Luft nach entfernten Gegenden gelangt ist – manchmal über das Mittelmeer bis nach Nordafrika, manchmal sogar bis nach Ägypten. Würde diese große Menge an Substanz direkt aus den Bergen oder aus dem Untergrund von Neapel oder Sizilien stammen, dann wären die schwachen Gewölbe über den dort ausgehöhlten Abgründen schon längst eingestürzt – auch weil das Gleichgewicht der Feuer speienden wie der sie umgebenden Berge gestört worden wäre. Die unermessliche Tiefe des unterirdischen Schlundes und die dementsprechenden Gewölbe großer Mächtigkeit lassen es jedoch nicht zu, dass jene Gebiete einstürzen, die so dicht besiedelt und herrlich bebaut sind und einen Überfluss an vielerlei Früchten und Reichtümern haben.
§ 111 Das vierte Kriterium, das heißt das Vergleichen der Berggipfel – besonders der Hauptberge mit dem sie umgebenden Flachland – zeugt in hohem Maße von der unermesslichen Tiefe, in der sich die schwefligen brennenden Minerale im Innern der Erde bei der Entstehung des Festlandes befanden. Asien ist ein Berg, wie oben erläutert wurde; sein ausgedehntester Hauptgebirgsrücken in Tibet und den angrenzenden Gebieten stellt eine Art von Gewölbe dar, dessen Enden an den Ufern der Meere liegen, die diesen Erdteil umgeben. Obgleich diese Gewölbe nicht ohne hinreichende Stützen sind, müssen sie trotzdem eine ungeheure Festigkeit aufweisen, um nicht einzustürzen. Und wenn man nur den hundertsten Teil ihres Durchmessers annimmt, so dürften sie auf jeden Fall eine Stärke von 70 Werst haben, so man die gesamte Erstreckung Asiens mit 7.000 Werst annimmt.
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§ 112 Es ist sehr bemerkenswert, dass das Festland oder die Hauptteile der Erde aus von Meeren umgebenen Bergen bestehen, die Länder also nicht die Meere in sich einschließen. Das bedeutet also, die Oberfläche der Erdkugel ist rau – nicht weil sie Vertiefungen oder Ausbuchtungen hätte, sondern weil sich Erhebungen auf ihr befinden, und deshalb ist die ganze bewohnte Welt auf dem Seeweg zu erreichen. Im entgegengesetzten Falle jedoch wäre dieser durch das Land unterbrochen, auf dem man ungehindert trockenen Fußes überallhin reisen könnte. Ähnliches kann man von den Mondflecken annehmen, wo die blassen Stellen aller Wahrscheinlichkeit nach und entsprechend der Ansicht der berühmtesten Physiker und Astronomen von hellen Landbereichen umgeben sind. So würde die Oberfläche unseres Erdballs beschaffen sein, wenn die Meere durch deren Einstürze entstanden wären, aber nicht, wie wir heute sehen, durch das Emporsteigen des Meeresbodens.
§ 113 Wenn nämlich Berge entstehen, müssen sich gleichzeitig auch Täler bilden, und umgekehrt bedeutet die Bildung von Tälern auch das Entstehen von Bergen. Der Unterschied liegt darin, dass im ersten Falle die Berge von Tälern umgeben werden, im zweiten Fall aber die Täler von Bergen. Die erste Art und Weise ist auf der Erde vorherrschend, obwohl es nicht wenig große Gewässer gibt, die durch Einbrüche entstanden sind – zu sehen am Kaspischen Meer und am Aralsee sowie an anderen großen Seen. Der zweite Fall lässt sich auf dem Mond beobachten.
§ 114 Wenn gegen eine feste Substanz ein Schlag geführt wird – zum Beispiel gegen ein festes Brett, einen Spiegel oder Fensterglas, gegen Eis, Steinplatten und andere Gegenstände dieser Art –, dann laufen meist Risse von der getroffenen Stelle aus wie Strahlen von einem Mittelpunkt nach allen Seiten hin, und zwar nicht ganz gleichmäßig und gerade, sondern in verschiedenen Formen und Windungen, was sich durch die Mechanik begründen lässt. Als sich die ebene Fläche des Meeresbodens in die Höhe hob, entstanden auf ähnliche Art vom Kraftzentrum und von den Teilen der Erde aus, die sich über alle anderen erhoben, große Risse. Dabei wurden Vertiefungen und Täler erzeugt, wie es oben bezüglich der Berghänge und der Erhebungen der Hauptberge beschrieben wurde (§ 22). Von ihnen fließt das Wasser, das sich auf den Erhebungen gesammelt hat, herab und strömt in Flüssen ins Meer. Nicht anders muss man die Vertiefungen beurteilen, die sich auf die zweite Art und Weise in Binnenmeere und Seen verwandelt haben;
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denn eine Vertiefung in der Erdoberfläche kann nichts anderes sein als deren Herabsinken in einen unterirdischen Abgrund. Aber so, wie der Schwerpunkt der über jenem Abgrund liegenden Oberfläche einem Zentrum wirksamer Kräfte entspricht, das sich aus dem Innern eines Berges erhebt, so verlaufen auch die Risse von jener Stelle nach allen Seiten zu den Gipfeln der Berge, die ein solches Meer oder einen solchen See in sich einschließen.
§ 115 Diese verschiedenen Wirkungen haben nur eine Ursache: Es ist einzig und allein die Wirkung des Feuers, obwohl die Erdoberfläche zum einen emporgehoben wird und das andere Mal einsinkt. Im ersten Falle zerreißt die im Überfluss vorhandene glühende Substanz, die eine starke und weit um sich greifende Hitze entwickelt, an der betreffenden Stelle die auf ihr liegende Schicht und sucht sich durch die Risse einen Weg nach außen. Wenn sie dann im Freien ist, überlässt sie die zerrissenen Schollen ihrem eigenen Gewicht, so dass die zertrümmerten Teile nicht wieder in ihre frühere Lage und Ordnung gelangen können. Sie zerfallen wie zerstörte Gewölbe aus Ziegelstein in verschiedene Stücke, eins auf das andere, verkantet, kreuz und quer, mit den Rändern aufeinanderliegend; so verteilt nehmen sie einen viel größeren Raum ein, da zwischen den einzelnen Teilen große Zwischenräume bleiben. Auf diese Weise erheben sich die Berge über die übrige Erdoberfläche. Wenn nun eine große Menge brennbarer Sub stanz jahrhundertelang gebrannt hat, wobei sie an einer anderen Stelle Rauch und Flammen ausstieß und somit eine sehr große Fläche ausgebrannt ist, über der sich die nunmehr frei hängende Oberfläche nicht länger mit ihren Enden an der sie umgebenden Erde halten kann, dann stürzt diese infolge ihres eigenen Gewichtes ein, fällt in die Tiefe und gibt dem Wasser Raum, so dass sich Meere und Seen bilden können.
§ 116 Berge und Erhebungen nehmen verschiedene Gestalt an, weil Umfang, Größe, Kraft und Tiefe der in der Erde verborgenen brennbaren Substanzen unterschiedlich sind. Im Hinblick auf den Umfang und die Kraft erscheint dies ohne weiteres begreiflich. Die Tiefe erfordert allerdings einen besonderen Hinweis. Weiter oben sahen wir, dass sich in den Teilen des Erdinnern, die durch Menschenhand oder durch die Natur bloßgelegt wurden, in geringer oder sehr mäßiger Tiefe viel brennbarer Schiefer, Steinkohle und Holz befinden. Ganz im Gegensatz dazu finden wir keine ausgedehnten Schichten brennbaren Schwefels. Bei Feuer speienden Bergen jedoch tritt er oft in großen Mengen zutage, und in den allertiefs-
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ten Bergwerken kommt der Schwefel reichlicher vor als in den weniger tiefen, nahe der Oberfläche liegenden. Daraus ergibt sich, dass die Hauptvorkommen des brennbaren Schwefels viel tiefer im Erdinnern liegen als die des Schiefers und der Steinkohle, die tatsächlich auf der Erdoberfläche entstanden sind, wie weiter unten ausführlich bewiesen werden wird. Daher sind die unterirdischen Brände sowie Erdbeben und das Entstehen neuer Berge, die durch Schiefer- und Steinkohlenflöze verursacht werden, niemals so heftig wie jene, die der in großer Tiefe befindliche mineralische Schwefel hervorruft.
§ 117 Weiter oben wurde gezeigt, dass Flöze, je näher sie zu erzführenden Bergen liegen, entsprechend steiler zum Horizont führen und sich schließlich mit den Erzgängen vermischen und vereinigen. Denkt man genauer darüber nach, so kann man daraus schließen, dass solche Flöze vor den erzführenden Bergen bestanden haben müssen; denn diese könnten durch eine innere unterirdische Kraft, die in der Nähe einer mit erzführenden Schichten durchsetzten Ebene wirkte, emporgehoben und in die Höhe gestiegen sein. Die weiter entfernt liegenden Stellen spürten die Wirkung dieser Kraft jedoch weniger und veränderten daher ihre horizontale Lage in einem nur geringen Maße. Daher muss man die Auffassung, dass die Flöze überall nach der Seite hin geneigt wären, als unbegründet ansehen; denn diese müssten sich dadurch, dass sie zu den Bergen hin ansteigen und von ihnen hinweg abfallen, nach allen Seiten hin neigen.
§ 118. Nicht nur die Flöze entstanden unabhängig zu den Erzgängen, auch diese selbst, die Gänge, entstanden nicht alle zu gleicher Zeit. Dies wird bestätigt, 1. durch das unterschiedliche gegenseitige Durchdringen der Gänge, 2. durch den Kontakt zwischen den Gängen und dem Berg selbst, durch den die Gänge verlaufen, 3. durch die tauben Spalten. Vergleicht man die Beschreibung der Erzgänge in den Anfangsgründen des Berg- und Hüttenwesens (Teil 2, Kapitel 2), so kann man sich deutlich vorstellen, dass ein kreuzender Gang, der einem anderen genau folgt, durchbrochen wird, wodurch sich ein neuer Spalt gebildet hat, der sich dann später mit Metall füllte. Das bestätigen die kreuzenden Gänge am besten dadurch, dass sie unterschiedliche Minerale führen; denn wenn sich die Spalten gleichzeitig gebildet hätten,
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dann wären sie mit derselben Substanz gefüllt worden. Die Grenzflächen48 bestehen oft aus einer Substanz, die sich von den Mineralen des Gebirges und denen der Gänge unterscheidet; denn der Gang wurde im Laufe der Zeit breiter, die Minerale des Berges hingegen blieben zurück und gaben einer neuen Substanz Raum. Einen ähnlichen Beweis liefern die leeren Spalten; wenn diese gleichzeitig mit den Gängen entstanden wären, dann hätten sie sich natürlich zur selben Zeit wie diese mit Erz gefüllt.
§ 119 Aus dem oben Gesagten ergeben sich folgende Schlüsse: 1. An vielen Stellen hat alles, was wir auf der Erdoberfläche sehen, einst in der Erde gelegen; folglich befindet sich auch vieles von dem in der Erde, was einst auf der Oberfläche war. Das sehen wir deutlich an den Beispielen, die im zweiten und dritten Kapitel angeführt wurden. 2. Wo immer man zerklüftete Felsen und verstreute Steine findet, hat ein großes Erdbeben stattgefunden, und Feuer oder Rauch sind aus dem Erdinnern ausgetreten. 3. Solch große Veränderungen gingen in der Welt nicht nur einmal vor sich, sondern traten zu verschiedenen Zeiten unzählige Male auf, ereignen sich auch heute noch und werden wohl kaum irgendwann einmal aufhören. 4. Meistens ist ein Berg umso höher, je älter er ist; die höchsten Berge sind früher als alle anderen entstanden, weil sich damals unvergleichlich viel mehr brennbare Substanz in der Erde befunden hat, welche sich zweifellos während vieler tausend Jahre dadurch verringerte, dass sie sich über die Erdoberfläche verteilte. 5. Schließlich sind solch große Veränderungen, besonders das Aufsteigen neuer Berge durch Erdbeben, umso weniger zu befürchten, je länger die Welt besteht. 6. Es ist unmöglich und in dem Bemühen vergebens, eine geordnete Lage und einen regelmäßigen Verlauf der Berge zu bestimmen.49
48 Im Deutschen Salbänder genannt; meist sind sie mit Letten, einer tonartigen Substanz aus verwittertem Gestein, gefüllt. 49 Wie schon im § 58, so wendet sich Lomonosov auch hier gegen eine unbegründete Schematisierung der Schichtenanordnung und der geographischen Lage der Gebirgszüge. Eine derartige Auffassung wurde u.a. von dem Chemiker und Mineralogen Johann Gottlob Lehmann, einem aus Deutschland stammenden und in St. Petersburg wirkenden Gelehrten, vertreten; seine diesbezügliche Schrift lautet Specimen orographiae generalis (Versuch einer allgemeinen Orographie), St. Petersburg 1762. Diese von Lomonosov zu Recht abgelehnte Theorie über den Ursprung der
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§ 120 Das oben Gezeigte bestätigt, dass durch äußere Einwirkungen Erhebungen und Vertiefungen der Erdoberfläche entstehen; jedoch ist dies fast nur bei leicht transportierbaren Substanzen wie Sand, Ton, Schwarzerde u.a. feststellbar. Die Meeresufer werden durch den Sand erweitert, der durch den Regen von den Bergen heruntergeschwemmt wird; dies lässt sich an vielen Stellen beobachten, wo sich Sandbänke gebildet haben, die etwas vom Ufer entfernt liegen. Einerseits werden diese durch Gewässer verursacht, die von den Bergen herabfließen und Erde anhäufen; andererseits formt sie das Meer durch seine ans Ufer schlagenden Wogen. Auch bedecken die Winde Häuser und Türme mit Sand; und von den hohen ägyptischen Pyramiden ragen kaum noch die obersten Spitzen aus dem Sand heraus. Die hohen Berge sind diesen Kräften jedoch nicht unterworfen. Das bezeugen die felsigen Gebirgsrücken und Gipfel, die den großen Stürmen und Wolken trotzen und die schrecklichen Sturmfluten des Großen Ozeans missachten. Auch die kleinen Inseln und Stromschnellen am Dnjepr und am Nil, die Niagarafälle u.a. werden durch die Strömung der mit ungeheurem Tosen herabstürzenden schweren Wassermassen keineswegs verändert. Da bedurfte es auf der Erdoberfläche schon einer ganz anderen Kraft, um ganz Asien oder wenigstens einen Teil desselben, das Uralgebirge, über den Meeresspiegel emporzuheben. Es musste eine ganz andere Bewegung stattfinden, ein ganz anderer Lärm, ein anderes Getöse, ein anderer Donner als der, den wir während eines heftigen Gewitters oder eines Sturmes verspüren; schließlich als der, den wir vernehmen, wenn die Brandung an das Meeresufer schlägt oder das Wasser über große Stromschnellen tosend herabstürzt. Damals gab es ein anderes Stöhnen der unterwürfigen Natur, als der Schöpfer befahl: Es erscheine das Festland!
§ 121 Wenn auch das Entstehen von Bergen und Tälern mit schrecklichen und gefährlichen Wirkungen verbunden ist, empfangen wir doch dadurch von Gott große Wohltaten. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass das menschliche Herz von Natur aus Veränderungen liebt und verschiedene Ideen für seine Erheiterung sucht; einförmig und langweilig wäre ein überall gleiches Antlitz der Natur, so es keine Höhen gäbe, von denen aus man in weite Ferne schauen könnte. Denken wir weiterhin an den einzigartigen Schatten steiler Erhebungen, der jedem Lebe-
Kettengebirge vertrat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufs Neue der französische Geologe Élie de Beaumont.
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wesen in der Sonnenhitze angenehme Kühle gewährt oder umgekehrt ihm Schutz vor heftigen und rauen Winden bietet. Vergegenwärtigen wir uns die klaren Quellen, die den Bergen entspringen, die Bäche und auch die Flüsse, die zum Tränken des Viehs und zur Beförderung der Güter dienen, derer wir bedürfen, und führen wir uns schließlich die Metalle und andere Minerale vor Augen, die gleichermaßen unsere mannigfaltigen Freuden verursachen.
§ 122 Allein die Gestalt der Erdoberfläche lässt bereits erkennen, welch große Kraft zu ihrer Bildung erforderlich war. Nun gilt es zu erklären und nach Möglichkeit zu beweisen, wie die Erdschichten wirklich entstanden sind, indem man jene Substanzen beurteilt, aus denen sie bestehen, wobei zuerst mit der obersten Schicht der Erdoberfläche zu beginnen ist. Wir wollen die Reihenfolge einhalten, die wir im ersten Kapitel aufgestellt haben und zunächst die Schwarzerde betrachten. Ihr Ursprung ist nicht mineralisch, sondern sie entstammt zwei anderen Reichen der Natur – dem Tier- und Pflanzenreich –, was jeder akzeptiert, der die oben erwähnte Beschreibung und die Eigenschaften der Dinge in Betracht zieht. Auch ist bekannt, dass die schwarze Acker- und Gartenerde durch Tiere und Pflanzen verbessert wird. Bewohnte Gegenden und Äcker, die mit Mist gedüngt werden, bestätigen dies generell. Aber wie ein solcher Dung in die Wälder und Wiesen gekommen ist, darüber wäre etwas genauer unter Beachtung der verschiedenen Umstände zu befinden.
§ 123 In den Wäldern, die ständig grün sind und im Winter ihre Nadeln nicht verlieren, wie in unseren Gegenden bei den Fichten- und Tannenwäldern der Fall, ist die Erde gewöhnlich sandig. Im Gegensatz dazu besteht in Birken- und anderen Wäldern, die ihre Blätter im Herbst verlieren, der Boden vorzugsweise aus Schwarzerde. Aber bekanntlich verfaulen die Blätter am Boden und vermodern zu Dünger; daher verwundert es nicht, dass der aus Sand, Ton oder anderen Stoffen bestehende Boden mit Schwarzerde bedeckt wird, und zwar umso mehr, je dichter und höher der Wald ist. Die Nadeln der Fichten, der Tannen und ähnlicher Bäume fallen in nur geringer Menge herab und können daher nicht mit den Blättern gleichgesetzt werden. Wenn sich irgendwo in einem Tannenwald Schwarzerde befindet, dann ist sie gewiss durch die Nähe und die Nachbarschaft anderer Bäume entstanden. Und umgekehrt, wenn ein Wald, dessen Bäume Blätter abwerfen, auf Sand steht, dann ist hier der Sand gewiss so tief, dass er die Schwarzerde in sich aufnimmt. Oder es sind niedrige und abschüssige Stellen, wo
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die leichten Bestandteile der Schwarzerde durch den Regen ausgewaschen und weit fortgetragen werden, währenddessen sich der Sand schneller auf dem Boden absetzt und gern an der alten Stelle liegenbleibt. Dasselbe muss man für die Wiesen annehmen, die auf Schwarzerde stehen; dort wird das Gras nicht gemäht oder vom Vieh abgeweidet, es verfault zu Dung und vermehrt dadurch dessen Anteil an der Erde. Woher die Fichten neue Säfte sammeln und wovon sie weiter wachsen, danach wird nur derjenige fragen, der nicht weiß, dass die unzähligen Nadeln mit ihren nichtwahrnehmbaren Öffnungen eine fettige Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen, die sich durch feinste Äderchen in der ganzen Pflanze verteilt, zur Nahrung der Bäume wird und deren Körper aufbaut. Daher darf man keinesfalls annehmen, dass die alten Nadeln über die Wurzeln wieder in die Fichten zurückkehren; vielmehr dienen die Wurzeln der Stabilität des Baumes, weniger also zur Nahrungsaufnahme, obgleich sie auch das Wachstum fördern.
§ 124 Fast überall wächst auf der Schwarzerde Moos. Aber wodurch entsteht es? Möglicherweise standen früher an deren Stelle große Wälder, die aber durch Sturm oder Fluten zusammenbrachen, verfaulten und dem Moos, dem sie ihren Platz überließen, als Nahrung dienten. Denn nicht nur auf Windbruch, sondern überall, also auch auf gesunden Bäumen, wachsen verschiedene Moosarten. Auch steinige kahle Berge sind oft mit dem Grün jungen Mooses überzogen, das später schwarz wird und sich in Erde verwandelt. Im Laufe der Zeit reichert sich diese an und dient so dem Wachstum großer Moose und anderer Pflanzen. Aber bekanntlich wächst das Moos nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter unter dem Schnee, und es ist daher nicht verwunderlich, dass diese an und für sich kleine Pflanze eine sehr dicke Schicht bildet, so dass man an einigen Stellen nicht bis auf deren Grund kommen kann. Dabei fault sie wahrscheinlich von unten her und verwandelt sich so in Schwarzerde.
§ 125 Es besteht kein Zweifel, dass die Schwarzerde keine ursprüngliche und neu erschaffene Substanz ist, sondern mit der Zeit durch Verfaulen von Pflanzen und Tieren entstand. Nun wollen wir auf die gleiche Weise die großen Sandmengen betrachten und bewerten, über die im § 25 gesprochen worden ist. Dazu muss man zunächst ihre Arten, Qualitäten und Eigenschaften hinzuziehen. Die Arten unterscheiden sich vor allem durch Farbe und Korngröße. Am häufigsten kommen der gelbe und der weiße Sand vor, den roten und grauen gibt es weniger; grüner, blauer, kirschroter und schwarzer wird sogar nur in geringer Menge gefunden.
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Hinsichtlich der Korngröße der einzelnen Sandarten sind die Unterschiede unendlich groß; denn in jeder Varietät sind sie anders und vielgestaltig, so dass man aus einer unendlich großen Anzahl kaum zwei finden würde, die sich in Größe und Gestalt glichen. Dies lässt sich durch mikroskopische Beobachtungen hinreichend beweisen. Abgesehen davon gibt es ein gewisses Maß an Feinheit, das bevorzugt als Unterscheidungsmerkmal für verschiedene Arten dient. So gilt allgemein, dass der weiße Sand stets feiner als der gelbe, rote und graue ist.
§ 126 Kies nimmt betreffs seiner Korngröße die dritte, die oberste Stufe ein; er ist fast immer grau und in verschiedenen anderen Farben gemischt. Der weiße allerbeste Sand kommt nirgends in dieser Größe vor. Steinchen, die mehr als erbsengroß sind, werden schlichtweg Kiesel genannt und zu den Steinen gerechnet. Wenn man dies in Betracht zieht, kann man sich gut vorstellen, dass zwischen den allergrößten Gesteinsbrocken und Blöcken, aus denen die Berge zusammengesetzt sind, bis zu den kleinsten und feinsten Sandkörnchen ein unendlicher Größenunterschied besteht, so dass seinen Maßen nach das allergrößte Sandkörnchen dem allerkleinsten gegenüber wie ein Berg erscheint – vergleichbar mit einem Zentralberg gegenüber einem großen Steinblock.
§ 127 Außer diesen Unterschieden zeigt die Chemie, dass der weiße Sand leichter schmelzbar ist als der gelbe und andere Sorten; das heißt also, je dunkler der Sand ist, umso größer ist die Beständigkeit gegenüber Feuer. Bei der Glasherstellung ist dies zu berücksichtigen; hier erfordert der weiße Sand weniger Pottasche, Mennige oder Salpeter zum Erweichen und Verglasen als der gelbe und andere Sorten. Als hauptsächliches Kennzeichen gilt der Umstand, dass sich der Sand umso besser zur Glasherstellung eignet, je feiner er ist – und zwar nicht nur deshalb, weil sich der feine besser mit den hinzugefügten Substanzen vereinigt, die man zum Schmelzen braucht, sondern auch wegen der natürlichen Milde. Denn selbst wenn farbige Sandsorten vor dem Schmelzen durch Schleifen und Mahlen zubereitet wurden, leisten sie im Feuer doch noch immer einen großen Widerstand infolge der Eisenteilchen, die sie enthalten und die für die Farbe verantwortlich sind.
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§ 128 Für die Glasherstellung verwendet man an Stelle des Sandes auch gemahlene Steine, die – je nach deren unterschiedlichen Eigenschaften wie auch den verschiedenen Sandsorten – eine vorzügliche Festigkeit und Transparenz zeigen. Zur Porzellanherstellung dient anstelle der Steine allerfeinster weißer Sand, der uns vor allem dadurch überzeugt, dass diese beiden Materialien ein und dieselbe Zusammensetzung haben. Der Sand verhilft so der Auffassung zum Siege, dass er in der ganzen Welt auf diese Art entstanden ist und nichts anderes darstellt als zerkleinertes Gestein. Die Ursachen derartige Prozesse sind in den folgenden Erscheinungen zu suchen.
§ 129 Es ist bekannt, dass ins Wasser geworfene glühende Steine ihre ursprüngliche Festigkeit verlieren, brüchig werden oder tatsächlich zu Kies zerfallen und danach mit nur noch geringem Kraftaufwand zu Sand zermahlen werden können. Stellen wir uns eine ungeheure Menge glühender Steine vor, die von den Feuer speienden Bergen in die Meere, die Flüsse, die Seen und an feuchte Stellen geworfen wurde und bei diesem Wechsel infolge der plötzlichen Abkühlung zerfiel oder zum Zerfall vorbereitet und dann später durch andere Kräfte immer weiter zerkleinert wurde. Stellen wir uns gleichermaßen eine große Menge felsiger Berge vor, die durch die Gewalt des unterirdischen Feuers aufgerissen wurde, und zwar in einem weit größeren Maße als die Haupterhebungen, das heißt die Erdteile, die vom Meeresboden emporstiegen. Als die glühende steinerne Substanz aus der Tiefe hervorbrach und noch nicht ins Freie gekommen war, bildeten sich in ihr viele kleine Teilchen, die genau dann zerfielen, als sie aus der Luft in den tosenden Abgrund zurückstürzten. Gerade diesem Umstand verdankt der größte Teil der unermesslichen Sandmenge seinen Ursprung – wobei diese später durch die verschiedenen Bewegungen des Meeres und der anderen Gewässer noch feiner zermahlen wurde.
§ 130 Bekanntlich kam es hiernach an verschiedenen Stellen zu häufigen Erdbeben und Vulkanausbrüchen, die sich auch heute noch oft genug in der Welt vollziehen, so dass es außer jedem Zweifel steht, dass der Sand weiterhin ununterbrochen vermehrt wird. Wer könnte übrigens daran zweifeln, wenn er die Ufer der Meere und der Flüsse betrachtet und, wie oben erwähnt, abgerundete Steine sieht? Solche also, die ihre scharfen Kanten verloren haben und bekanntermaßen durch die Wogen des Wassers und durch die Strömung fast ständig geschüttelt
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und gedreht werden, so dass sie sich ständig aneinander reiben? Könnte man nicht auch sagen, dass sie voneinander eine Menge feiner Teilchen, das heißt Sandkörnchen, abnagen?50
§ 131 Wenn wir auf der ganzen Welt Schuttberge, Einstürze und Bergrelikte sehen, die durch die gleichen Ursachen wie der Sand entstanden sind, wenn wir ferner bedenken, dass längs der Ufer aller Flüsse, der großen wie der kleinen, und längs der engen Buchten der weiten, Festland und Inseln umgebenden Meere die Steine sich immer aneinander reiben und sich abschleifen, kurz gesagt, dass die Natur ununterbrochen daran arbeitet, Sand zu erzeugen, und wenn man letztlich bedenkt, dass dieser keinesfalls wie Pflanzen und Tiere entsteht und vergeht, dann können wir es wohl kaum als ein Wunder betrachten, dass er überall in so großen Mengen auftritt. Wenn wir uns an den zuvor angenommen ersten Grundsatz erinnern, so lässt sich behaupten, dass der Sand keine ursprüngliche oder erschaffene Substanz ist, sondern im Laufe der Zeit entstand und sich zu der Menge vermehrte, die uns heute in Erstaunen versetzt.
§ 13151 Die folgenden Bemerkungen sollen diese Überzeugung weiter festigen: 1. Das spezifische Gewicht des Sandes stimmt mit dem der Steine überein. 2. Die im Sande vorkommenden Gold- und Silberkörner beweisen eindeutig, dass sie unter Umständen durch die Zerstörung erzhaltigen Gesteins entstanden sind; denn in den Sand wird Gold auf ebenso natürlichem Wege eingebracht wie Gerstenkörner, die ihrer Hülle entblößt sind; 3. Unterschiedliche und unregelmäßige Größe und Gestalt der Sandkörnchen beweisen, dass sie zufällig entstehen, wie dies auch beim Schleifen der Steine durch Menschenhand der Fall ist; denn eine unmittelbare und ursprüngliche Schöpfung Gottes würde sich erheblich vom Sandkorn unterscheiden. Das sehen wir an den kleinen Samen der zahllosen Pflanzen und Tiere, deren
50 Heute erscheint diese Ansicht selbstverständlich. Um Lomonosovs für die damalige Zeit hervorragende Gedankenklarheit richtig zu würdigen, muss man sich aber vor Augen halten, dass z.B. sein Lehrer Henckel in Bezug auf die „Rundsteine“ noch von einem „schicksalbestimmten ewigen Naturgeheimnis“ sprach, das die Wissenschaft angeblich nie enträtseln könne. 51 Doppelte Nummerierung entsprechend dem Lomonosovschen Original.
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Arten auf Grund ihres bestimmten und unabänderlichen Maßes und Aussehens untrüglich einander ähneln oder sich voneinander unterscheiden.
§ 132 Wenn man die Steine unterscheiden will, muss man sich mit der Mineralogie befassen. Doch dies würde den Rahmen dieser kurzen Beschreibung und Darlegung der Erdschichten sprengen. Deshalb kann ich für unser Ansinnen nur die wichtigsten Arten besprechen, wobei der unvergleichlich größere Teil von ihnen 1. wildes Gestein darstellt, ihm folgen 2. der Kalkstein, 3. der Schiefer, 4. der Sand- oder Schleifstein, 5. der Kiesel, 6. die Kristalle.
§ 133 Das wilde Gestein, aus dem der größte Teil der hohen Gebirge besteht, muss – obwohl jedem genügend bekannt – doch nach seiner Herkunft und seiner Struktur betrachtet werden, insofern dies zur Kenntnis der Erdschichten erforderlich ist. Es ist deshalb zu untersuchen, wie es entstanden ist. Die Frage, ob die Steine immer wieder neu entstehen oder ob alle am Anfang auf einmal entstanden sind, ist schon längst durch das wahrhafte Zeugnis neuer Werke der Natur entschieden worden. Allerdings geht dies nicht so vor sich, wie sich das manche denken, dass sie nämlich wie Früchte dieser Erde einfach auf den Feldern und an den Ufern wachsen.
§ 134 Diese kompakten Körper bringt die Natur in erster Linie durch Verfestigung hervor – wenn also weiche Substanzen, wie z.B. Schlamm oder Ton, sich mit der Zeit so zusammenballen, dass sich die Teilchen durch einen inneren, langsamen und nicht wahrnehmbaren Prozess fester aneinander schmiegen, wodurch ihr gegenseitiger Verband stärker und der Körper fester wird. So entstanden die großen Blöcke des wilden Gesteins aus Ton, der sich mit der Zeit verfestigte. Folgende Umstände zeugen davon, dass sie sich früher in einem weichen oder besser gesagt flüssigen Zustand befanden: 1. Das wilde Gestein ist zum größten Teil in horizontalen Schichten angeordnet, die nicht derartig gelagert wären, hätte dies nicht ihr unverfestigter Zustand
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zugelassen; Trocknung und Verfestigung des Gesteins waren das Resultat einer langandauernden, mäßigen unterirdischen Wärme.52 2. Wildes Gestein ist an Bruchstellen immer körnig; es zerbricht in kleine eckige Teile mit flachen Seiten, die oft regelmäßige Winkel aufweisen, wodurch bewiesen ist, dass es im Zuge der Verfestigung – ähnlich dem Salz – in einem gewissen Maße kristallisierte. Fördert man Ton, besonders den gelblichen und rötlichen, an trockenen Stellen aus einem Berg, so zeigt er beinahe immer graupenförmige Gebilde – vorausgesetzt, er wurde noch nicht angefeuchtet und geknetet. Dies weist deutlich auf kristallines Gestein hin, das sich aus ihm durch Verfestigung bildete. Es mag hierbei seltsam erscheinen, dass ein trockener Körper Kristalle bildet. Aber derjenige, der weiß, dass der geschliffene, körnige Kies mit der Zeit wieder zu Kristallen zusammenwächst, dass die trockene Pottasche entlang der Wände eines Fläschchens zum Pfropfen hin wandert und sich in bestimmten eckigen Aggregaten absetzt, ferner, dass viele mineralische Lösungen nach dem Verkochen Gebilde aus feinen trockenen Kristallen erzeugen, die sich im flüssigen Zustand nicht erkennen ließen, der wird die Möglichkeit keinesfalls bestreiten, dass Kristalle auch auf trockenem Wege entstehen können. 3. In wildem Gestein findet man auch Steine ganz anderer Art eingeschlossen; diese konnten jedoch nur hineingelangen, als das wilde Gestein noch unverfestigt war.
§ 135 Die zweite Art ist das Anwachsen oder Niederschlagen, wobei sich die schlammigen Komponenten aus dem Wasser absondern, auf dem Boden absetzen und auf diese Weise in verschiedenen Zeitabständen eine Schicht nach der anderen hinzu wächst.53 Schieferarten in verschiedener Farbe, Festigkeit und Zusammensetzung entstehen auf folgende Weise: Wenn im Frühjahr das trübe Wasser durch die Bäche von den Ufern in die Seen geschwemmt wird, klärt es sich mit der Zeit, indem sich die festen Bestandteile auf dem Boden absetzen und bis zum nächsten Frühjahr zusammenbacken. Dieser Niederschlag muss fester sein als die zweite Schlammschicht, die sich im nächsten Frühjahr absetzt. Wenn schließlich der See durch einen neu gebildeten Abfluss sein Wasser verloren hat oder durch ein Erdbeben emporgehoben und ausgetrocknet wird, hinterlässt er solche Schichten, die viele Jahre alt sind und die sich schließlich zu Schiefer verfestigen.
52 Heute Diagenese genannt. 53 Heute Sedimentation genannt.
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Deshalb braucht man sich nicht zu wundern, wenn man im Schiefer oft Reste von Pflanzen und Fischen aller Art findet. Es ist beachtenswert, dass im Schiefer von Eisleben unten Fische, oben hingegen Farnkraut und Riedgras liegen – was beweist, dass sich jene Pflanzen im natürlichen Zustand vor der Verschlammung in einem höheren Niveau befanden als die Fische, die sich am Boden aufhielten. Ein weiteres Beispiel dafür ist der fischreiche Latschasee (in der Nähe von Kargopol), dessen Ausfluss die Onega ist und der mit hohen Gräsern bewachsen ist, die erheblich über die Oberfläche des Wassers herausragen.
§ 136 Eine dritte natürliche Art, wie Steine entstehen oder erzeugt werden, ist die Injektion. Diese erfolgt, wenn Wasser in Ton oder Sand eindringt und eine feine erdige, nicht wahrnehmbare Substanz mit sich führt, die später den bröckeligen Sandoder Lehmteilen als Bindemittel dient. In Karelien gibt es an dem steilen Ufer des Flusses Vuoksi54 einen grauen Ton, der ausgewaschen wird, in diesen Fluss gelangt und sich nach einiger Zeit in einen grauen Stein verwandelt und endlich durch die vielen Drehungen im Wasser eine runde Gestalt annimmt. Hierher gehören auch die Sandsteine, die nichts anderes sind als Sand, der mit tonhaltigem Wasser getränkt ist und mit der Zeit mit diesem verhärtet, nachdem er viele Jahrhunderte vorher durch die Zersetzung von Steinen entstanden war (§ 129).
§ 137 Obgleich sich gleichwohl Steine zu Kalk brennen lassen – allerdings mit dem Unterschied, dass die einen mehr Hitze als die anderen erfordern, und dass der Kalk umso besser ist, je fester das Gestein ist –, gibt es doch einige Arten, die dazu besonders geeignet sind und von denen viele so weich sind, dass sie nur ein leichtes Feuer zum Brennen benötigen. Diese Eigenschaften haben der weiße Kalkstein, der Alabaster, der Kreidekalk und der weiche Marmor. Daraus erkennt man, dass viele Autoren der Naturgeschichte diese Gesteine zu Unrecht einer besondere Klasse oder einer generellen Gesteinsart zuweisen, die jener ähnelt, die man davon ausnimmt und die verglast werden kann; denn kein einziger Stein kann dem Feuer widerstehen, so dieses nur genügend heiß ist. Dies erkläre ich nur, um die echten Kalksteine deutlich von den scheinbaren zu unterscheiden; denn ihre charakteristische Eigenschaft besteht nicht darin, dass sie zu Kalk gebrannt werden können, sondern dass sie bereits Kalk waren und aufs Neue
54 Die finnische Namensform (russ. Вуокса).
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durch die Injektion (§ 136) zu Stein verwandelt wurden, was je nach den verschiedenen Umständen zu unterschiedlichen Arten führte.
§ 138 Das Entstehen der echten Kalksteine geht folgendermaßen vor sich: Wenn die Kraft des unterirdischen Feuers bis zur Erdoberfläche reicht, dann verwandeln sich die härtesten Steine in Kalk. Zeugnis darüber erlangten wir durch die Reisen nach Ostindien, nach der oben erwähnten Bourboneninsel, wo an den Stellen, an denen das Feuer nicht mehr brannte, sich der Stein in Kalk verwandelt hat. Stellenweise ist er ganz bröckelig, stellenweise nur halb verbrannt, und an anderen Stellen liegen ganze Berge desselben neben dem verbrannten. Solche verbrannten Steine erhalten Feuchtigkeit aus der Luft, aus den Nebeln, vom Regen und vom Schnee, von den über die Ufer tretenden Flüssen und Quellen und nehmen sie in sich auf. Das Wasser hingegen ist rein oder enthält salzige, saure, schweflige, fettige Substanz oder verschiedene Arten toniger Substanz, die durch das Eindringen in verschiedene Arten von Steinen verändert wird. Dies hängt von der unterschiedlichen Kraft des Feuers beim Brennen ab, von der Unterschiedlichkeit der Substanz, durch die es genährt wird, von den unterschiedlichen Wasserarten und deren Zusammensetzung, von ihrer Menge und ihren Eigenschaften und von der unterschiedlichen Dauer der Einwirkung. So braucht man sich nicht darüber zu wundern, dass es eine Menge verschiedener Kalksteine, Gips- und Marmorsorten und ihnen ähnlichen Gattungen und Arten gibt, die dann leicht zu Kalk gebrannt werden können. Dass gebrannte Steine durch die Feuchtigkeit erneut fest werden, weiß ein jeder, dem es bekannt ist, wie allerlei Figuren aus Alabaster gegossen werden und wie man Kalk und Zement bei steinernen Gebäuden verwendet. Wer könnte – abgesehen von diesen Vorgängen auf der Erdoberfläche – leugnen, dass die Natur im Erdinnern das wilde Gestein durch die dort herrschende starke Hitze in Kalk verwandelt und seine Bestandteile dadurch aufs Neue in eine feste Verbindung bringt, dass mineralhaltige Wässer verschiedener Farbe und Eigenschaften es durchdringen und dass sie jene aufs Neue entstandenen Steine unterschiedlich färbt und endlich durch ein starkes Erdbeben ins Freie bringt.
§ 139 Hier könnte jemand mit Recht fragen: Wenn die Kalksteine dadurch entstehen, dass wildes Gestein zu Kalk verbrannt wird und dann durch die hinzukommende Feuchtigkeit erhärtet, wie kann es dann die zahllosen Schalentierchen enthalten, von denen oben die Rede war? Auch hier in Ingermanland sind sie im Kalk-
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stein von Pudosh zu finden. Wenn die Schaltierchen von Anbeginn im wilden Gestein gewesen wären, müssten sie zusammen mit ihm oder sogar noch vor ihm durch die Hitze verbrannt und zerstört worden sein. Dass sie später zusammen mit der eindringenden Feuchtigkeit durch Dampf hereingekommen wären, ist unmöglich. Hierauf antworte ich: Der gebrannte Kalk könnte durch eine große Überschwemmung bald weggeschwemmt worden sein; und nachdem er sich an anderer Stelle wieder abgesetzt hatte, wurde er am Boden von Muscheln umgeben und erhärtete schließlich mit der Zeit mit ihnen und schloss sie in sich ein. Auf diese Weise zeigt die vielgestaltige Natur ihre zahlreichen Unterschiede und ihre neuen Erzeugnisse. So lässt sie aus Ton wildes Gestein, aus wildem Gestein Sand und aus dem Sand wieder Sandstein, aus wildem Gestein Kalk und aus Kalk verschiedene Arten von Mineralen durch verschiedene Injektionen entstehen. Den Ton, besonders den reinweißen, wie er am Isset55 vorkommt, muss man als den Ursprung aller Steine und gemischter Erden ansehen.
§ 140 Nun folgen die festen Steine, die weder durchsichtig sind, noch eine kristalline oder eine schichtartige Struktur haben und keine naturgegebene Gestalt besitzen, sondern gegossenen Metallen ähneln. Ihre Härte ist größer als die der anderen Steine und wird nur von den Edelsteinen, den Achaten, den Karneolen, den Opalen und anderen übertroffen, die man alle wegen ihrer ähnlichen Zusammensetzung Kiesel nennen könnte. Diese kommen sehr viel seltener vor als die oben beschriebenen Gesteinsarten; zum größten Teil befinden sie sich in Hohlräumen und Spalten derselben und sind ausschließlich als geronnene Lösung anzusehen, die sich aus den Bergen in den erwähnten Hohlräumen gesammelt und die Farbe der metallischen Teilchen angenommen hat, welche die betreffenden Berge reichlich enthalten. Diese eigentümliche Entstehung von Steinen kann man als Verdichtung56 bezeichnen.
§ 141 Schließlich seien die Steine genannt, die durch ihre wunderbare Gestalt bekannt sind und den größten Wert besitzen. Es sind jene, die bei ihrer Entstehung nach geometrischen Gesetzen Winkel und Flächen bilden und die sich durch Härte und Transparenz auszeichnen. Viele von ihnen entstehen in rhomboida-
55 Ein Fluss im Ural. 56 Heute unter der Bezeichnung Koagulation bekannt.
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len Formen und haben zwei Winkel zu 60° und zwei zu 120° – was ich speziell bei einem großen ungeschliffenen Diamanten und bei anderen durchsichtigen Steinen gemessen habe. Andere haben die Form sechseckiger Parallelepipeden, ähnlich den Kristallen verschiedener Salze. Zweifelsohne setzen sie sich auch auf ähnliche Weise ab, weil 1. ihre Anordnung an den Rändern der Drusen in den Bergen der des Salzes, des Salpeters und des Alauns gleicht, die an den Wänden von Gefäßen anwachsen, 2. sich in solchen Drusen die Bergkristalle in einem leeren Raum befinden, was darauf hinweist, dass das überflüssige Wasser, nachdem sie sich abgesetzt hatten, im Laufe der Zeit verflüchtigte. Diese Kristallisation oder Kornbildung unterscheidet sich von der oben beschriebenen Verdichtung wie das Kochen des Leims, der endlich in einen trockenen Zustand übergeht, oder vom Kochen des Salzes, bis sich dieses in Kristallen absetzt. Weil er das Wasser sehr beharrlich festhält, kann jener sich so lange nicht von ihm trennen, bis alles verdunstet ist. Dieses hingegen erfordert, um im Wasser zu verbleiben, eine gewisse Menge; mangelt es daran, so trennt es sich vom Wasser, vereinigt sich mit anderen, ihm verwandten Teilchen und bildet die erwähnten Kristalle.
§ 142 Ich habe fünf Arten der Entstehung von Steinen gezeigt; diese sind 1. die Verfestigung aus Ton, 2. das Eindringen einer verbindenden flüssigen Substanz, 3. das Anwachsen oder die Ablagerung, 4. die Verdichtung, 5. die Kristallisation. Obgleich ich nicht leugnen möchte, dass es noch andere Arten gibt, sind dies zweifellos die grundlegenden, so dass man die übrigen in sie einbeziehen kann. Außerdem ergibt sich daraus ganz eindeutig, dass Steine keine ursprüngliche und zuerst erschaffene Substanz sind, sondern aus Ton hervorgegangen sind. Um diesen kurz zu charakterisieren, möchte ich erklären, dass auch nicht jeder Ton ursprünglich ist, denn man kann bei Ton eine beinahe unendliche Zahl von Arten unterscheiden. Hier wäre zudem die Meinung der Philosophen des Altertums beizuziehen, welche die Erde (zweifellos reiner Ton) aus dem Wasser entstehen ließen. Von den neueren Philosophen pflichtet der berühmte englische Naturforscher Robert Boyle diesem Gedanken bei, und er wollte dies mit folgendem
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Versuch beweisen: Er steckte einen Kürbiskern in die Erde, die er vorher im Ofen getrocknet und genau gewogen hatte. Nachdem der Kürbis in jener Erde gewachsen und er mit so viel Wasser wie erforderlich begossen worden war, wurde die Erde aufs Neue getrocknet und gewogen, wobei ein im Vergleich zum Gewicht des getrockneten Kürbisses kaum in Erscheinung tretender Verlust festgestellt wurde. Daraus schloss er, dass sich Wasser in Erde verwandeln kann. Wer aber erwägt, wieviel das Wasser, das während des Wachstums zum Gießen verwendet wurde, jenem Kürbis von der Erde abgab, die es immer enthält, und wieviel von dem in ihr enthaltenen feinen erdigen Staub die Luft, die durch die Blätter der wachsenden Pflanze aufgenommen wurde, in diese hineintrug, der wird niemals behaupten, dass sich Wasser in Erde verwandeln kann. Der Schöpfer der Elemente, aus denen die ganze Welt besteht, vermochte es und hielt es für notwendig, beständige Prinzipien und Grundlagen für ein so außergewöhnliches und weise ersonnenes Gebäude zu schaffen. So gab er schließlich den Teilchen, die den ungeheuer schnellen und mächtigen Bewegungen in der Natur standhalten müssen, eine unveränderliche und durch keine Kraft zerstörbare Größe und Gestalt.
§ 143 Es gibt unzählig viele Erdarten. Abgesehen von der oben beschriebenen Schwarzerde unterscheiden sie sich schon nach den äußeren Eigenschaften – wie Farbe, Konsistenz, Streubarkeit, Geschmack, Geruch und spezifisches Gewicht – erheblich voneinander. Durch chemische Versuche lassen sich die ihnen beigemischten salzigen und fetten Teilchen abtrennen, womit ihre Vermischung mit den anderen Elementen klar erwiesen ist. Die erfahrenen Physiker unterteilen die Erden – außer reinem Wasser und der Erde ohne jegliche Beimischung – in drei Substanzen, nämlich in saure, brennbare und merkurische. Ich nenne sie aus gewichtigen Gründen salzige, giftige und gelbe; denn sie dominieren unser gewöhnliches Salz sowie die giftigen Minerale, und gemäß meiner Farbenlehre57 sind sie mit den gelben Strahlen verwandt. Aus all dem lässt sich entnehmen, dass es kaum irgendwo auf der Welt die ganz reine Erde gibt, die also keine Beimischung enthält und von den Chemikern jungfräulich genannt wird – es sei denn
57 Lomonosov bezieht sich hierbei auf seine 1756 auf der öffentlichen Versammlung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften abgehaltene Rede Über das Entstehen des Lichtes, eine neue Farbenlehre darstellend; sie zählt zu den bedeutendsten naturwissenschaftlichen Arbeiten und fasst die Ergebnisse seiner langjährigen theoretischen und experimentellen Forschungsarbeiten über die Natur des Lichtes zusammen.
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unter jenen Tonsorten, die für die Porzellanherstellung verwendet werden, wie unser Ton von Gshel oder auch vom Isset, dessen weiße Farbe von keiner anderen Fundstelle übertroffen wird. Jeder, der sich die großen und unzähligen Veränderungen des Erdballs von Anbeginn der Welt in all ihren Bereichen vor Augen hält, kann sich leicht vorstellen, wie sich die Tonarten miteinander vermischt haben.
§ 144 Man kann darauf verzichten, Betrachtungen über das Feuer und das Eis auf der Erdoberfläche anzustellen, lässt sich doch deren Entstehung leicht beurteilen – ebenso wie die des Schwefels, der durch die unterirdische Hitze an die Erdoberfläche getreten ist. So kommen wir nun zu einer angesehenen Substanz, die fast überall auf der Erdoberfläche in flüssigem oder festem Zustand vorkommt – zum Salz. Hierzu sind zwei Fragen zu beantworten: 1. Ist dies eine ursprüngliche Substanz oder eine solche, die im Lauf der Zeit entstand? 2. Gehört sie zu den Mineralen oder zu den Pflanzen und Tieren? Obgleich ich dies schon klar und deutlich in meiner Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben erläutert habe, kann ich nicht darauf verzichten, meiner damaligen Beweisführung durch neue Argumente zu größerem Nachdruck zu verhelfen.
§ 145 Auf Grund ihrer Ähnlichkeit teilen wir die Dinge in verschiedene Gattungen und Arten ein, wie z.B. die Vögel nach ihren Flügeln, die Pferde nach der Mähne und nach gleichen Hufen, und fassen sie so unter einer gemeinsamen Bezeichnung zusammen. So müssen auch das Steinsalz und das abgelagerte Salz auf Grund ihrer körnigen Struktur als gleichartig angesehen werden, obgleich der Zufall sie dem Ort nach voneinander trennte und unterschied. Die im Steinsalz befindlichen Muscheln gleichen jenen, die im abgelagerten Salz an den Meeresufern an natürlicher Stelle vorkommen. Wenn das Seesalz durch Erdbeben in den Schoß der Erde eindringt, so bemühen sich einige Gelehrte vergeblich, das Schwarze Meer durch Steinsalz salzig zu machen. Angeblich würde es in diesem durch Herauslösung reichlicher als in allen anderen Meeren vorhanden sein – was in Wirklichkeit wohl kaum der Wahrheit entspricht. Man kann nicht leugnen, dass das süße Regen- und Flusswasser nicht wenig Sole aus den Quellen und aus den Salzen der Gebirge ins Meer trägt. Jedoch bedeutet dies nichts anderes, als dass dasjenige dem Meer zurückgegeben wird, was ihm früher entnommen
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wurde. Diese Sole unterscheidet sich durch nichts von jener, die durch Regen aus dem noch am Ufer liegenden Sediment ausgewaschen wurde, wodurch das Meer zurückerhält, was kurz vorher durch die Sonnenwärme aus ihm abgesondert wurde. Daher muss man nach einer anderen Ursache, einem anderen Ursprung für den Salzgehalt des Meeres suchen. Vorher jedoch muss man noch beweisen, dass es einstmals eine Zeit gab, in der der ganze Ozean und alle übrigen Meere aus Süßwasser bestanden, wie wir es heute noch an vielen großen Seen sehen – z.B. bei uns am Ladogasee, Onegasee, Peipussee, Ilmensee und an anderen Seen, in Nordamerika am Eriesee, am Oberen See und an den übrigen Seen, in denen das Süßwasser frei zu- und abfließt.
§ 146 Weiter oben haben wir gesehen, dass die hohen Berge wilden Gesteins früher aus Ton bestanden; der Ton war weich und fließend sowie im Wasser gelöst und hat sich mit der Zeit daraus in Schichten abgesetzt. Das Wasser, das daraus verdunstete, konnte – wenn es damals salzig gewesen wäre – keinesfalls das Salz mit sich nehmen, sondern musste es im Ton zurücklassen. Deshalb müssten alles wilde Gestein und aller Ton, aus dem der Erdball zum größten Teil besteht, einen nachweisbaren Salzgehalt aufweisen. Und wenn damals das Wasser aus dem Ton nicht durch Verdunstung entwichen, sondern auf der abschüssigen Oberfläche ins Meer geflossen wäre, so müssten trotzdem noch Salzspuren im Ton nachweisbar sein. Da wir aber solches kaum feststellen und fast überall Ton- und Steingefäße und andere Dinge, Berge und selbst die Meeresufer ohne jeglichen Salzgehalt vorfinden, ist daraus unbedingt zu schließen, dass sich jener Ton noch zu einer Zeit in Schichten abgelagert hat, als das Meerwasser noch sehr wenig oder gar kein Salz enthielt. Der Salzboden von Astrachan und an anderen Orten wie auch an vielen Stellen des Festlandes in Indien und Amerika, aus denen die dortigen Einwohner das Salz für ihren Bedarf mit reinem Wasser auswaschen, sondert beim Filtrieren oder Dekantieren Erde ab, die dann ausgekocht wird. Dadurch ist bewiesen, dass hier das Gegenteil des oben Gesagten der Fall ist, dass sie nämlich erst entstanden und ausgetrocknet sind, als die Meere schon salzig waren; dadurch unterscheiden sie sich von den Orten, die bereits vor dem Salzigwerden des Meeres entstanden.
§ 147 Es ist nicht zu leugnen, dass der Sand und einige andere Substanzen, die erst zu einer Zeit in der Natur entstanden, da das Meer bereits salzig war, ihren Salzgehalt auch dadurch verlieren können, dass das Salz durch von außen eindringendes
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Wasser – das heißt von Fluss- oder Regenwasser – ausgewaschen wird. Für Ton und für das wilde Gestein trifft dies jedoch nicht zu. Bezüglich dieser übergroßen und beeindruckenden Menge an Ton und Steinen, die kein Salz enthalten, folgt, 1. dass der Zeitraum, in dem die Meere noch keinen Salzgehalt aufwiesen, unvergleichlich größer war als die Zeitspanne, in der das Meer Salz aufgenommen hat; 2. dass der größere Teil der bedeutenden und wesentlichen Veränderungen des Erdballs vor der salzlosen Zeit und nicht danach anzusetzen ist.
§ 148 Bedenkt man, dass das Salz eine zusammengesetzte Substanz ist, so kann es natürlich keine ursprüngliche sein. Sie wird also in der Natur gebildet, ähnlich anderen Substanzen, die eine salzige Struktur besitzen, z.B. Alaun aus schwefliger Säure, weißer Erde und Wasser, Vitriol aus Säure, Wasser und Metall – diese wie auch weitere den Chemikern gut bekannte Arten von Salzen lassen sich künstlich herstellen. Salz kann auch in nichtsalzige Stoffe überführt werden 1. durch chemische Destillation; 2. in den Seefischen, die – abgesehen davon, dass sie im salzigen Wasser ihr Leben erlangten, darin aufwachsen und sich von salzhaltigen Meerespflanzen und Schlamm ernähren –, wenn sie in frischem Zustand erhalten und vor dem Verfaulen bewahrt werden sollen, nicht weniger Salz benötigen als frische Flussfische. All dies zeugt übereinstimmend davon, dass zu Anbeginn der Welt kein Salz vorhanden war. Dasselbe muss man auch aus der ihm ähnlichen zusammengesetzten salzigen Substanz, dem Salpeter, schließen, der auf der Erdoberfläche entsteht. Wenn er sich jedoch in der Erde befinden sollte, ist er rein zufällig dort hineingeraten.
§ 149 Jetzt folgt eine Betrachtung zu Substanzen, die eher seltener als die oben beschriebenen auf der Erdoberfläche zu finden sind und meist unter ihr verborgen liegen. In erster Linie ist der Torf zu erwähnen, jedoch nicht der oben beschriebene, so genannt und diesen Namen tragend, sondern der ganz reine, echte. Viele Unwissende halten ihn für eine fettige Erde – in Wirklichkeit ist er jedoch eine Art unterirdisches Moos, dessen zahlreiche Arten selbst den eifrigsten Botanikern nicht vollkommen bekannt sind. Bis jetzt wurden etwa fünfhundert bekannte Spezies
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beschrieben; aber da diese Pflanzen meistens an sumpfigen Stellen wachsen und kaum für medizinische Zwecke verwendet werden, interessieren sich nur wenige für deren Beschreibung. Folglich sollte die Wissenschaft nicht daran zweifeln, dass der Torf wirklich ein Moos ist, obgleich die Naturgeschichtsschreiber keinerlei Auskunft darüber geben, zu welcher Art es gehört. Überhaupt sind fast alle Moose viel fetter und nahrhafter als das Gras. Das kann man an den Hirschen im Norden unseres Landes erkennen, die bereits durch eine kleine Menge satt werden. Aber jene Moosarten, die sich von anderen Pflanzen ernähren und die von Botanikern Parasiten, das heißt Schmarotzer, genannt werden, sind noch viel fetter als die anderen – ebenso wie bei uns die Mistel, eine kleine Baumart, die gewöhnlich auf anderen großen Bäumen, besonders auf Linden, wächst. Ihr Saft ist so fettig, dass man mit daraus hergestelltem Leim Vögel für die Käfige fangen kann; denn wenn sie sich darauf setzen, bleiben sie sofort kleben. Wegen des außerordentlichen Fettgehalts wächst und grünt sie nur in der Winterzeit, während der stärksten Fröste; im Sommer aber trocknet sie allmählich aus.
§ 150 Zu diesen Moosarten gehört auch das ganz feine Torfmoos, das unter der obersten Schicht, also unter der schwarzen und sandigen Erde, wächst, was durch folgende Eigenschaften und Besonderheiten bewiesen wird: 1. Der Torf ist ganz fettig, wie bei parasitären Moosen nachzuweisen ist. 2. Unmittelbar unter dem Torf befinden sich große Eichen und verfaulende Bäume (§ 46), die deutlich zeigen, dass die Torfmoose sich von niedergebrochenen Wäldern, die unter der Erde liegen, ernähren und so gedeihen. 3. Ein hinreichendes und überall anzutreffendes Beispiel sehen wir in den Wäldern, wo der Windbruch unvergleichlich häufiger mit Moos bewachsen ist als die aufrecht stehenden Bäume. 4. Gleichermaßen lässt sich immer das Grün beobachten, das die Holzdächer und Außenwände bedeckt, besonders in regnerischen Zeiten wie auch dann, wenn ein Gebäude bereits alt geworden ist. Dieses Grün ist nichts anderes als fettes feines, dem Torf ähnelndes Moos mit der Besonderheit, dass es an heißen Tagen durch die Luft austrocknet und sich in Staub verwandelt, den der Wind fortträgt und den starke Regengüsse auswaschen. Deshalb kann es nicht ebenso wachsen und sich vermehren wie Torf, der an feuchten Orten immer mit Erde bedeckt ist. 5. Wenn echter Torf brennt, hinterlässt er Asche, aus der sich – wie auch aus anderen Pflanzen – Pottasche herstellen lässt. Dies lässt schließen, dass er nicht dem Reich der Minerale, sondern dem der Pflanzen entstammt.
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6. Chemische Versuche ergeben bei der Destillation aus reinem Torf dieselben Produkte, die man aus Pflanzen erhält. Das bittere dunkelbraune Öl hingegen lässt sich in größerer Menge gewinnen, da das unterirdische Moos einen besonders hohen Fettgehalt hat. Sollte einmal ein Geruch von mineralischen Substanzen oder von Schwefel bemerkt werden, so wird dieser wohl durch zufällige Beimischungen mineralischer Teilchen verursacht; bei dem ganz echten und reinen Torf ist ein derartiger Geruch jedoch nicht festzustellen.
§ 151 Der Ort unter der Erde, an dem sich Torf und die ihn begleitenden Stoffe befinden, lässt nicht daran zweifeln, dass diese unterirdische ökonomische Schatzkammer durch gewaltige Überschwemmungen in früherer Zeit entstanden ist. Begleitet von Stürmen, wurden große Wälder niedergerissen, versanken in Schlamm und Sand und wurden im Lauf der Zeit mit Pflanzen und Schwarzerde bedeckt. Daraus folgt: 1. Es ist erwiesen und von berühmten Gelehrten bezeugt, dass in Torfgebieten und auch an anderen Stellen in Deutschland, die im Norden liegen und gegen die Ostseeküste abfallen, die Wipfel der unter der Erde liegenden Wälder fast immer nach Süden gerichtet sind und dadurch anzeigen, dass eine von den nördlichen Meeren herrührende Gewalt sie zerbrochen und vernichtet hat. 2. Außer den Pflanzen bezeugen auch von Menschen verfertigte Gebrauchsgegenstände (§ 47), dass die Gegend genau dort, wo Torf wächst, früher bewohnt war. 3. Wenn der Torf bereits gestochen wurde, wächst er aufs Neue in den Stichen nach, an die man sich längst nicht mehr erinnern kann, und wird dort ein weiteres Mal für denselben Verwendungszweck abgebaut (§ 48). Hierdurch lassen sich die kontinuierliche Erneuerung und das Wachstum dieser Sub stanz beweisen. 4. Die Mikroskope führen uns vor Augen, dass die torfige Substanz tatsächlich gemäß ihrer ganzen Struktur und nach Lage ihrer Bestandteile ein ganz feines Moos ist.
§ 152 Diese Erklärung stellt einen keineswegs geringen Trost für die Menschen dar, die sich bei uns in Russland sehr um die Erhaltung der Wälder sorgen – unter gewissen Umständen keinesfalls grundlos. Denn in Anbetracht des Holzmangels sollte man dem Beispiel der Holländer folgen, die in ihrem kleinen Ländchen, das mit Städten und Dörfern sehr dicht bebaut und von vielen Viehweiden bedeckt ist –
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man stelle sich deren Umfang entsprechend der großen Menge von Vieh, Käse und Butter, die in der ganzen Welt verkauft wird, vor –, einem Ländchen, das überdies noch von vielen Kanälen durchzogen ist und auch Garten- und Ackerland besitzt, so viel Torf gewinnen und herstellen, dass sie nicht nur sich selbst damit versorgen, sondern ihn auch noch an die Nachbarländer verkaufen können. Zweifelsohne gibt es auch in Russland Torf. Denn auch bei uns gab und gibt es Überschwemmungen, und unter der oberen Erdschicht liegen umgebrochene Wälder. Dies wird von niemandem angezweifelt, der unsere großen Flüsse befuhr und im Geröll viele ausgewaschene Bäume gesehen hat. Auch wir haben in nicht geringerem Maße als die Holländer Wiesen, Sümpfe, Moraste und Windbrüche, in denen Moos wächst und unter denen unzweifelhaft Torf entsteht. Doch dies müsste ausführlich in einer besonderen Betrachtung über die Erhaltung der Wälder erklärt werden, an deren Stelle an vielen Orten anstatt Brennholz Steinkohle verwendet wird. Über deren Entstehung ist nun zu sprechen.
§ 153 Weiter oben (§§ 55–60) sahen wir, 1. dass die glänzende Steinkohle ein bitteres schwarzes Öl, eine saure Substanz und Asche absondert, die Pottasche enthält; 2. dass bei minderwertiger Steinkohle viel Schlacke zurückbleibt – beides trifft auch auf Torf zu; 3. dass bei der Steinkohle, ebenso wie beim Torf, verfaultes Holz gefunden wird; 4. bei der Steinkohle immer Schiefer vorkommt, der sich – wie oben gezeigt – aus dem Schlamm der Seen gebildet hat. Aber die tief liegenden Torfvorkommen befinden sich stets in der Nachbarschaft von Seen. Im Schiefer lassen sich auch Reste von Fischen finden, in der Steinkohle hingegen eher seltener, und dann auch nur in den Bereichen, die mit Schiefer vermischt sind. Hier können sich Reste von ihnen erhalten, weil die Fische oft auf dem Boden des Schlamms liegen, bevor sich dieser in Schiefer verwandelt. Hingegen können Fische nicht in das Torfmoos gelangen, das unter dem Rasen entstand. Aus all dem geht hervor, wie sehr die Steinkohle mit dem Torf verwandt ist und dass sie natürlich, da sie aus Torf entstanden ist, auch zu demselben Zweck verwendet wird.
§ 154 Diese Ausführungen zur Entstehung der Steinkohle dienen nicht nur der Erklärung, sondern auch dazu, die dargelegten Beweise mit Nachdruck zu untermau-
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ern. Aus obiger Schilderung ist bekannt, welche Veränderungen durch die unterirdischen Brände im Schoße der Erde und auf ihrer Oberfläche vor sich gehen, so dass man – wenn man die Umwandlung des wilden Gesteins in Kalk erwägt und als Beispiel nimmt – sich leicht vorstellen kann, was mit dem Torf geschehen ist. Denn infolge der ersten Wärme muss die überflüssige Feuchtigkeit durch die dünne Decke entweichen, und auf diese Weise wird der Torf zu seiner Umwandlung in Kohle vorbereitet. Dann verkohlt die Substanz und wird durch das von oben her wirkende Gewicht der Decke zusammengepresst. Gleichzeitig steigert sich die Hitze bis zum Feuer – das jedoch ohne frischen Luftzug glimmt – und verwandelt sich, ohne Flammen zu entwickeln, in Kohle. In gleicher Weise verfahren die Maler, wenn sie für ihren Bedarf Holzstäbchen in Ton brennen.
§ 155 Indes entweicht durch die unterirdische Hitze aus der Steinkohle, die sich im Entstehen befindet, jene braune oder schwarze fettige Substanz und dringt in verschiedene trockene, feuchte oder mit Wasser gefüllte Erdspalten und Hohlräume ein – vergleichbar mit der Destillation eines solchen Öles und dem ihm beigemischten Wasser, das sich dann in einem gläsernen, untergestellten Gefäß sammelt. Dabei entstehen verschiedene flüssige, brennbare und trockene, verhärtete Substanzen, wie Steinöl, Asphalt, Naphtha, Gagat58 u.a., die zwar unterschiedliche Reinheit besitzen, jedoch ein und denselben Ursprung haben. Chemische Versuche haben ergeben, dass die Destillation dieser fettigen Substanzen, so sie bei starkem Feuer erfolgt, schwarzes und dickes Öl ergibt. Erfolgt sie jedoch bei schwachem Feuer, dann ist das Öl hell und durchscheinend. Auch Erdpech, das bei starker Hitze aus dem Torf entsteht, der sich in Steinkohle umwandelt, ist dick und schwarz wie Judenpech,59 das auf dem Toten Meere schwimmt – ähnlich den verhärteten Steinen des Gagats. Das Erdpech steigt durch die sanfte Wirkung der unterirdischen Hitze schließlich empor. Die feinste Substanz, die unmittelbar aus Torf oder aus dem zuerst destillierten Öl entsteht und sich in irgendeinem warmen Hohlraum sammelt, kann man einer weiteren Prozedur unterwerfen, die der Chemiker Rektifikation nennt. An Hand ihres geringen Gewichts können wir uns davon überzeugen, dass die genannten unterirdischen Substanzen aus pflanzlichen Stoffen entstehen, denn alle Minerale versinken im Wasser. Petroleum hingegen schwimmt darauf –
58 Ein durch Humusgel oder Bitumen imprägniertes fossiles Holz, auch Jett oder Pechkohle genannt; benannt nach der Fundstätte Gagas in Lykien (Türkei). 59 Plinius der Ältere gab dem Asphalt den Namen Bitumen Iudaicum – „Judenpech“.
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ungeachtet dessen, dass es sich im Schoße der Erde befunden und etwas von der schweren Substanz der Berge in sich aufgenommen hat. Auch der festeste Gagat ist nur ein wenig schwerer als Wasser, obgleich er aus groben Teilen besteht und dadurch erhärtet ist, dass er in der Erde viele Steinteilchen aufgenommen hat.
§ 156 Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, Betrachtungen über die Entstehung des Bernsteins anzustellen. Wenngleich es auch meine Absicht ist, mich ausschließlich mit den Erdschichten zu befassen und diese „Beilage“ keine ausführliche Beschreibung der Dinge enthalten kann, die sich in der Erde befinden, bereitet doch diese Substanz auch angesehenen Mitgliedern der gelehrten Gesellschaft Kopfzerbrechen, da doch der größte Teil von ihnen den Bernstein für einen echt mineralischen Körper hält. Mir scheint, dass die verschiedenen Arten von kriechenden und fliegenden Insekten, die im Bernstein eingeschlossen sind – Fliegen, Schmetterlinge, kleine Libellen, Spinnen, Ameisen, allerlei Arten von Käfern und dazu Blätter und Ästchen feinster Pflanzen – hinreichend sind, um das Gegenteil zu beweisen. Dessen ungeachtet schreiben jedoch Mineralographen, die zu den besten der Welt gezählt werden, dass der Bernstein im Schoße der Erde durch die Vereinigung einer schwefelhaltigen Säure mit erdigen und fettigen Teilchen entstanden sei. Dieser Auffassung halte ich als erste und einfachste Widerlegung von deren Meinung entgegen, dass noch kein einziger Chemiker aus schwefliger Säure, aus irgendeiner brennbaren Bergmaterie und aus Erde Bernstein zusammengesetzt hat; und nach allen Erkenntnissen und chemischen Versuchen muss man zugeben, dass dies auch nicht möglich sein kann. Doch den unechten Bernstein stellt man meistens aus durchsichtigem Harz und Terpentin her, wobei man beide mit einigen anderen Substanzen vermischt. Betrachten wir nun den Ort, an dem der Bernstein gefunden wird und unter welchen Umständen dies geschieht. Besonders an der preußischen Küste ist zu sehen, dass er nach starken Stürmen an seichten Stellen mit Netzen gefischt wird. Wellen und Winde heben niemals etwas aus der Tiefe des Meeres empor, was im Wasser untergeht. Deshalb muss man die Ursache dafür, dass der Bernstein zutage gebracht wird, eher darin suchen, dass ihn die Wellen des Meeres aus den Ufern und Sandbänken, die ihrer Wirkung ausgesetzt sind, herauswaschen. Außerdem überzeugen uns die verfaulenden Bäume und ihre Überreste, die man zusammen mit Bernsteinstücken findet, davon, dass sie nicht von jenem Ort, sondern von irgendeinem anderen herstammen. In den Karpaten liegt die erwähnte Substanz an erzhaltigen Stellen, noch öfter aber in Flözen und in der Nachbarschaft von versteinertem und verfaultem Holz. In Italien kommt Bernstein an Stellen vor, an denen man Steinöl
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gewinnt, welches jedoch, wie oben gezeigt wurde, aus Torf und Steinkohle entsteht – gebunden an versunkene Wälder. Dies alles beweist, dass der Bernstein ein Produkt des Pflanzenreichs ist. Hinzu kommt noch, dass er nicht nur unvergleichlich leichter als die echte mineralische, brennbare Substanz des Schwefels, sondern auch leichter als die Steinkohle ist, die keineswegs ein echtes Mineral darstellt. Der brennende Bernstein erzeugt einen wohl riechenden Rauch wie das Zypressenharz, und er wird deshalb in den russischen Küstengebieten, wo man ihn ebenfalls findet, Meeresweihrauch genannt. Durch chemische Versuche wird er in brennbares Öl und in flüchtiges, saures, trockenes Salz zerlegt, das in der Retorte etwas erdige Substanz zurücklässt und beim Destillieren noch ein wenig Wasser aufweist. All das lässt an ihm nichts mineralisch Grobes erkennen.
§ 157 Wer diesen klaren Beweisen nicht glauben will, der möge sich anhören, was die Würmchen und anderen Insekten, die im Bernstein eingeschlossen sind, erzählen: Die Sommerwärme und den Sonnenschein genießend, ergingen wir uns auf Pflanzen, die durch ihre Feuchtigkeit üppig prangten, und suchten und fanden alles, was zu unserer Nahrung diente; wir genossen die Annehmlichkeit der wohltuenden Jahreszeit und krochen und flogen, angelockt von wohlriechenden Düften, auf Gräsern, Blättern und Bäumen umher, ohne von ihnen Unheil zu befürchten. So setzten wir uns auch auf das flüssige Harz, das aus den Bäumen quoll; es hielt uns durch seine Klebrigkeit fest, machte uns zu Gefangenen, und da es unaufhörlich weiter ausfloss, wurden wir von ihm bedeckt und ringsum eingeschlossen. Dann senkte sich unser Wald durch ein Erdbeben, und das Meer ergoss sich darüber; die Bäume stürzten um und wurden – zusammen mit dem Harz und mit uns – von Schlamm und Sand bedeckt. Dort drangen im Laufe einer langen Zeit mineralische Stoffe in das Harz ein und verliehen ihm große Festigkeit, mit einem Wort: Sie verwandelten es in Bernstein, in dem wir eine herrlichere Grabkammer erhielten, als sie die vornehmen und reichen Menschen besitzen können. Und in die Erzlager gelangten wir nicht anders und zu keiner anderen Zeit als das in unserer Umgebung befindliche versteinerte und verfaulte Holz.
§ 158 Nun komme ich dazu, den eigentlichen Gegenstand meines Vorhabens, das heißt die Entstehung der Metalle zu behandeln. Obgleich die dafür speziell veröffentlichte Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben bekannt ist,
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habe ich doch noch einiges zur Ergänzung genannter Betrachtung hinzuzufügen und mitzuteilen. Insofern wäre zu bestätigen, 1. dass die Metalle keine ursprüngliche oder erstgeschaffene Substanz sind, 2. dass sie auch jetzt noch gebildet werden, 3. dass sie von Ort zu Ort wandern und, 4. dass einige allgemeine Merkmale jener Orte zu nennen sind, wo Metalle entstehen können, so dass man sie auffinden kann.
§ 159 Die Zerstörung der unedlen Metalle, das heißt des Kupfers, des Eisens, des Bleis und des Zinns, ist den Chemikern gut bekannt, und dabei wurde zweifelsfrei beobachtet, dass das eine Metall zu seiner Zerstörung einer größeren, das andere einer geringeren Kraft bedarf. Das Eisen widersteht keineswegs einer Säure, sondern wird schon durch Feuchtigkeit rostig; Zinn ist gegenüber jeder Säure schon etwas beständiger und gegen Feuchtigkeit kaum empfindlich. Daher ist anzunehmen, dass dies auch bei edleren Metallen der Fall ist. Und in der Tat, Silber wird durch Antimon zerstört und – obgleich diesem das Gold nicht untertan ist – scheint es doch unmöglich, es aus einer Rubinglassubstanz wieder herauszulösen. Daraus lässt sich zweifelsfrei schließen, dass die Metalle gemischte Körper sind, die aus anderen, einfacheren Komponenten bestehen und infolgedessen keine ursprünglichen Körper darstellen, sondern erst im Verlauf der Zeit entstanden sind. Daraus resultieren folgende Überlegungen: Gemäß dem bereits erwähnten flüssigen Zustand jener Substanzen, aus denen der Erdball besteht – was auch die Kugelgestalt der ganzen von uns bewohnten Erde bestätigt –, mussten die Metalle während der Ausrichtung der Materie (wobei sich natürlich jede Sub stanz ihrer Schwere nach absondern und absetzen musste) unbedingt zum Erdmittelpunkt hinstreben und sich an Stellen absetzen, die ihnen näher lagen als die, an denen sie heute liegen, am wenigsten aber auf der Erdoberfläche selbst. Und daher ist es nicht zu bestreiten, dass die Metalle erst dann entstanden sind, als das Weltgebäude bereits erschaffen, die Erde schon erhärtet und das Festland schon aufgetaucht war und alle übrigen Bedingungen gegeben waren, um Erzlagerstätten entstehen zu lassen.
§ 160 Metalle entstehen auf verschiedene Art und wandern von einem Ort zum anderen. Wenn man mir sagt, dass sich die erschöpften Erzgruben aufs Neue mit Erz füllen, dass man metallhaltige versteinerte Bäume, Muscheln und Korngarben findet,
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dass man in Amerika in alten Silbergruben mit Silber überzogene Knochen der Ureinwohner ausgräbt, kann man getrost antworten, dass diese Metalle durch irgendeinen natürlichen Anlass von einer anderen Stelle dorthin gewandert sind, also dort nicht ihren Ursprung hatten. Und wenn Bergleute, im Gegensatz dazu, in einem Schacht bestimmte Örtlichkeiten und hohle Stalaktiten und Stalagmiten ohne eine Spur von Metall auffinden und nach dem spontanen Auftreten von Schwefeldämpfen entlang eines Stollns plötzlich glänzende Erze entdecken, die Blei, Kupfer, Silber und Spuren von Gold enthalten, so folgern sie zu Recht, dass das Metall wirklich nur hier entstanden sein kann, das heißt, dass es durch eine Vermischung schwefliger flüchtiger Substanz mit den Erd- und Steinteilchen jener Tropfsteine gebildet wurde. Denn die Metalle können nicht mit all den Elementen, aus denen sie bestehen, durch die Luft fliegen. Wenngleich viele chemische Versuche, die man vornahm, um Metalle herzustellen oder geringere in edlere zu verwandeln, sich größtenteils als trügerisch erwiesen und deshalb anzuzweifeln sind, so ist doch nicht zu bestreiten, dass viele von ihnen auf Wahrheit beruhen. Und obwohl sich die eitlen Hoffnungen der Alchemisten auf großen Reichtum bislang nicht erfüllt haben, so bestätigen sie doch, dass es möglich sein muss, Metalle neu zu erzeugen und in andere zu verwandeln.
§ 161 Betrachtet man besonders die Entstehung der wesentlichen Bestandteile der Erdschichten, so kann man sich den allgemeinen Zustand des Erdballs und die Wirkungen vorstellen, denen er ausgesetzt war und was sich mit ihm bis dahin in der Natur ereignete. In den obigen Abschnitten sahen wir, dass Schalen von Meerestierchen auf den Gipfeln der hohen Berge und tief im Schoße der Erde begraben liegen und mit Mineralen vereint sind, welche den Platz der Lebewesen einnehmen. Und in der Tiefe der Erde sahen wir Wälder und Dinge, die Werke der Natur und Werke von Menschenhand sind, auch weit vom Meere entfernt liegende Steine, die durch die Meereswellen an den Ufern abgeschliffen wurden, schließlich Überreste von Fischen und Pflanzen in Steinen, in Bernstein eingeschlossene Insekten, in Europa und in den nördlichen Teilen von Sibirien tief in der Erde vergrabene, seltsam große Tiere, die wie Elefanten aussehen. Und in den Tiefen der Erde, durch die Mühen der Menschen freigelegt, fanden wir Schichten verschiedener Substanzen. Diese enthielten bald schwarze fruchtbringende Erde mit Spuren der Tätigkeit vernünftiger Wesen, bald Sand und Muscheln, wie sie den Meeresboden bilden, bald Ruinen zerstörter Städte – worüber wir kürzlich am Beispiel des untergegangenen und dem Verfall entrissenen Herculanum Kunde erhalten haben, das mehr als anderthalb Jahrtausende unberührt blieb. Durch beweiskräftige Tatsachen folgerten wir, dass Schwarzerde aus verfaulten
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Tier- und Pflanzenkörpern besteht. Aus ihnen wird der Schlamm herausgewaschen, er wird durchspült und gesammelt und setzt sich in Seen ab, dort verwandelt er sich schichtweise zu Stein. Auch sahen wir, dass das wilde Gestein aus verhärtetem Ton entstanden ist, dann zu Sand zerfiel und aus dem Sand durch Eindringen von Ton, der sich im Wasser aufgelöst hat, aufs Neue zu Sandstein zusammenbuk, dass die erwähnten Kalksteine, Alabaster und andere ihnen ähnliche Sorten durch die starke unterirdische Hitze zu Kalk gebrannt wurden und dann infolge des Kontaktes mit einer flüssigen Substanz ein zweites Mal versteinerten oder – so sie jene flüssige Substanz nicht erreichte – Kreide blieben. Die Beweise haben gezeigt, dass das Salz durch langanhaltenden Zufluss von Süßwasser ins Meer entstanden ist; das Süßwasser transportiert also, wie dies in der Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben bereits erklärt worden ist, das Salz als ein Produkt der Zerstörung von Tier- und Pflanzenkörpern. Am Ende wurde es durch die Sonnenstrahlen an verschiedenen Stellen der Meeresufer ausgetrocknet und durch nachhaltige Veränderungen der Erdoberfläche in den Bergen eingeschlossen. Von dort wurde es durch das Wasser der Niederschläge erneut ausgewaschen und gelangte durch die Quellen in die Flüsse und kehrte ins Meer zurück. Auf ähnliche Weise wächst das Moos auf umgebrochenen, mit Sand, Schlamm und Rasen bedeckten Wäldern; es trocknet dann durch das unterirdische Feuer aus und verbrennt zu Steinkohle. Welche Vorstellungen von der Größe der Werke Gottes können all diese Verwandlungen der großen Natur, die uns überall Nutzen bringen und die durch von Gott geschaffene Naturgesetze hervorgerufen werden, in unserem Innern erwecken!
§ 162 In der Beschreibung der Erdbeben wurden deren Ursachen hinreichend aufgezeigt. Sie dienen jedoch lediglich als Erklärung dafür, wie das Erdinnere an die Erdoberfläche trat oder weshalb die äußeren und die Erdoberfläche formierenden Dinge in die Tiefe der Erde versinken konnten; sie sollten mithin erklären, weshalb Meeresufer in das Wasser versinken und die Meere sich in bewohnbares Land verwandeln können. Aber nach all dem scheint es unmöglich zu sein, dass Dinge von sehr weit entfernten Orten verbracht werden, dann in die Erde einsinken und versteinern. Es ist schwer vorstellbar, wie derart viele Elefantenknochen von so außerordentlicher Größe an Stellen vorkommen, deren Lebensbedingungen für diese Tiere ungeeignet sind, besonders in den rauen nördlichen Gebieten Sibiriens und selbst bis zu den Ufern von Pustosersk. Viele glauben, dass sie in Kriegszeiten aus warmen Ländern von asiatischen Völkern dorthin gebracht wurden, dort verendet sind oder in Kämpfen erschlagen und in die Erde eingegraben wurden, damit sie die Luft nicht durch Gestank verpesten. Die Kriege, die
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Rom mit Pyrrhus und Hannibal führte, die Feldzüge der tatarischen Zaren, die diese von Indien bis in den Norden führten, sind Beispiele für eine solche Möglichkeit. Allerdings widersprechen dem drei wichtige Punkte: 1. Die erwähnten Elefantenknochen findet man überall zusammen mit den Zähnen – dies steht im Widerspruch zu der Gewinnsucht der Menschen; denn es ist eher unwahrscheinlich, dass die Menschen das Elfenbein – nicht nur heute, sondern auch in alten Zeiten hochgeschätzt und von großem Wert, besonders in Europa, wo es damals zusammen mit dem Gold verarbeitet wurde – so wenig beachtet hätten. 2. Jene Stoßzähne wurden durch Zufall gefunden, wie im § 42 gezeigt; auch bei uns in Sibirien findet man sie meistens ausgewaschen an steilen Uferhängen, einige Sažen tief in der Erde, ebenso wie der schon erwähnte Elefant in Sachsen in 26 Fuß Tiefe. Es ist also unwahrscheinlich, dass sich viele Menschen damit abmühten, eine tiefe Grube auszuheben, um dieses Tier einzugraben. Nehmen wir aber ruhig einmal an, dass sie sowohl das eine wie das andere taten, dann spricht Folgendes gegen die Wahrscheinlichkeit, dass sie eingegraben wurden. 3. Es ist wohl eindeutig, dass beim Ausheben der aus verschiedenen Schichten bestehenden Erde, auch wenn sie in die Grube zurückgeworfen wird, das Material durcheinander gerät und wild durcheinander liegend auftürmt. Beim Ausgraben der Elefantenknochen in Sachsen wurde jedoch beobachtet, dass die über ihm liegenden Schichten nicht durcheinander geworfen waren, sondern geordnet aufeinander folgten; und der weiße Sand, der ausgegraben wurde, war rein, das heißt ohne Beimischungen und wurde lange Zeit von Künstlern verwendet. Es ist offensichtlich, dass nicht die Menschenhände, sondern eine andere Kraft diese toten exotischen Tiere begraben hat; diese Kraft ist nicht nur als Ursache anzusehen, sondern verweist auch auf eine generelle und sich wiederholende Wirkung in der Natur, indem sie Schicht auf Schicht folgen ließ.
§ 163 Angenommen, dass die Elefanten als große und weiter Märsche fähige Tiere bis zu uns gelangten, wo sie auch begraben sein mögen – umso erstaunlicher sind jedoch die Schalentiere des Meeres; denn dieses sind Kriechtiere, die nicht auswandern und ihren Wohnort wechseln können. Und man findet sie versteinert im Festland auf Bergen, die im Norden liegen, wo keine benachbarten Meere sie gezeugt haben können, stammen sie doch in großer Anzahl aus den Gewässern der heißen Zone.
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Noch erstaunlicher ist, dass im Felsgestein der kalten Klimate Spuren indischer Gewächse in deutlichen Abdrücken zu finden sind und damit die Echtheit ihrer Herkunft bestätigen. Für diese Beobachtungen haben die Naturforscher zwei verschiedene Erklärungen. Die einen nehmen an, dass sich in früheren Zeiten grundlegende Veränderungen des Erdballs vollzogen haben, wodurch jene großen Gebiete durch außerordentlich gewaltige unterirdische Kräfte von einer Stelle zu einer anderen verschoben wurden. Andere schreiben dies der nicht wahrnehmbaren Neigung des gesamten Erdballs zu, der im Verlauf vieler Jahrhunderte den Abstand der Ekliptik zum Pol verändert. Diodor von Sizilien, der Geschichtsschreiber des Augusteischen Zeitalters, überlieferte uns alte Nachrichten, wonach sich die chaldäischen Astronomen mit ihren Beobachtungen damit brüsteten, die sie angeblich über einen Zeitraum von 403.000 Jahren bis zur Ankunft Alexanders des Großen in Babylon angestellt hätten. Herodot berichtet aus den Überlieferungen der ägyptischen Philosophen, dass die Ekliptik einstmals senkrecht zum Äquator gestanden hätte. Nach alten und jetzigen Berechnungen dauerte es 399.000 Jahre, bevor sie ihre heutige Entfernung vom Pol – ungefähr 66 ½ Grad – erreichte. Daraus folgt, dass in alten Zeiten in den nördlichen Gebieten eine große Hitze geherrscht haben muss, die es gestattete, dass sich Elefanten und andere Tiere entwickeln konnten und sich vermehrten, ebenso, dass Pflanzen existierten, die gewöhnlich nur in der Nähe des Äquators zu finden sind. Deshalb können auch deren Überreste, die hier gefunden werden, nicht dem Puls der Natur widersprechen.
§ 164 Es ist nachvollziehbar, dass der Ehrgeiz und die Sucht vergangener Generationen, mit ihrem Alter zu prahlen, die Glaubwürdigkeit der erwähnten Überlieferungen einschränkt und jene Vermutung über den Ursprung exotischer und ungewöhnlicher Körper in unseren Gegenden in Zweifel stellt. Besonders sind diejenigen nicht damit einverstanden, die gewohnt sind, die Heilige Schrift im ausschließlich wörtlichen Sinne zu interpretieren und diesbezüglich Basilios dem Großen nicht folgen, der ein in Gott weiser Heiliger und tiefsinniger Philosoph war und genügend Beispiele dafür erbracht hat, wie man die scheinbar mit der Heiligen Schrift in Widerspruch stehenden Wahrheiten der Natur mit ihr in Einklang bringen kann. Deshalb halte ich es für erforderlich, hier Erklärungen beizufügen, um die Entdeckungen in der Natur zu rechtfertigen. Ich folge dabei den Kirchenlehrern, die sich bemühen, die voneinander abweichenden Auffassungen der vom Geiste Gottes erfüllten Evangelisten zu den Wahrheiten der Natur in Übereinstimmung zu bringen. Denn auch die Natur ist eine Art Evangelium, das laut und vernehm-
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bar die frohe Botschaft der schöpferischen Kraft, Allweisheit und Größe verkündet. Nicht nur der Himmel, sondern auch der Schoß der Erde lobpreist den Ruhm Gottes.
§ 165 Wem es nicht einleuchtet, dass die Veränderung und das Entstehen der Dinge in der Natur eine lange Zeit, also mehr als Jahrhunderte in Anspruch nimmt und damit unsere kirchliche Zeitrechnung übersteigt, der sollte Folgendes überdenken: 1. Es ist kein Glaubensdogma, auch keine gesetzliche Bestimmung, die durch die Kirchenkonzile bestätigt wurden, sondern nur eine alte Methode, um zurückliegende Zeiten mit darauf folgenden zu vergleichen und um die Taten verschiedener Herrscher, verschiedene Ereignisse usw. der Reihe nach aufzuzählen. 2. Obgleich unsere östliche christliche Kirche in dem Zeitraum seit der Erschaffung der Welt zur westlichen um mehr als 15 Jahrhunderte differiert, kam es doch zwischen ihnen niemals zu Streitigkeiten. 3. Auch wegen der unklaren und zweifelhaften Zahlen im hebräischen Alten Testament, die – ähnlich der vielen anderen Stellen in diesem – selbst die erfahrensten Lehrer jener Sprache bis heute noch nicht endgültig deuten konnten, dürfen keine Streitigkeiten entstehen. 4. Dies ist nicht zuletzt der Grund dafür, dass alle christlichen Völker die Zeitrechnung mit Christi Geburt beginnen und die alte fallen lassen, weil diese nicht genau stimmt und anzuzweifeln ist. 5. Außerdem besteht betreffs der alten Zeitrechnung zwischen unseren christlichen Chronologen keine Übereinstimmung. Theophilius, Bischof von Antiochia, nimmt z.B. von Adam bis Christus 5.515 Jahre an, Augustinus 5.351, Hieronymus 3.941. Gleichermaßen kann man keinesfalls die nichtchristlichen Zeitrechnungen verwerfen, welche die alten Schriftsteller von den Chaldäern, Ägyptern und Persern dem Gedächtnis der Nachwelt überlieferten und wie sie heutzutage die Chinesen gegenüber ihrem Volk bezeugen. Wollte man alle verwerfen, so wäre dies dasselbe, als stellte man alle alten historischen Überlieferungen als Lüge und Fabel dar – trotz aller wahrnehmbaren Zeugnisse langwieriger menschlicher Arbeit, wie es z.B. die Pyramiden sind, die selbst die ältesten Schriftsteller bereits als archaische Altertümer ansahen. Sollte jemand damit nicht zufrieden sein, so möge er die oben beschriebenen Werke der Natur in jene Zeit verlegen, in der die Erde noch nicht sichtbar, noch nicht errichtet war, das heißt vor der sechstägigen Erschaffung aller Dinge. Da
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gäbe es keinerlei Streit und Zweifel über die Zeit, die noch nicht beschrieben und noch nicht durch den Lauf der Gestirne bestimmt wurde. Mir scheint, die sechs Tage allein genügten auch schon, wenn ich daran denke, dass vor Gott tausend Jahre wie ein Tag erscheinen. Möge ein anderer alle kirchlichen und weltlichen, alle christlichen und heidnischen Chroniken durchforsten und die hohe Mathematik zu Hilfe rufen; mag er Jahr, Tag und dessen kleinsten Teil für den Augenblick der ersten Schöpfungshandlung bestimmen; mag er am Himmel den Stand und die gegenseitige Stellung der Sonne, des Mondes und der Planeten errechnen und festlegen, wie weit entfernt sie voneinander standen, als sie zum ersten Male aufleuchteten, und ob über Europa oder über Amerika die erste Vereinigung großer Gestirne stattfand. Gern werde ich alles zugeben und über nichts streiten. Dafür bitte ich aber um die Erlaubnis, dasselbe in meiner Chronik zu suchen. Indessen muss ich gestehen, dass ich keinerlei Anhaltspunkte, keinerlei Anzeichen für derart genaue Bestimmungen finde. Ich kann jedenfalls nur sagen, dass aus der ältesten aller Chroniken das Alter der Welt klarer hervorgeht, als nach jenen komplizierten Berechnungen.
§ 166 Es besteht kein Zweifel, dass sich die Wissenschaften gegenseitig sehr unterstützen, wie die Physik die Chemie, die Mathematik die Physik, die Sittenlehre und die Geschichte der Dichtkunst – allerdings hilft nicht jede der anderen. Was nützen gute Reime, wenn es darum geht, den pythagoreischen Lehrsatz zu beweisen? Oder was hilft die Kenntnis der Ursachen des Aufstiegs und des Falls der römischen Kaiser, wenn es gilt, den Blutkreislauf der tierischen Körper zu erklären? Ebenso hat der Student der Astronomie keinen Nutzen vom Uloshenije und vom Nomokanon,60 aber andererseits stören sie sich auch nicht gegenseitig. Diejenigen, die dies fordern, verdienen verspottet zu werden, ebenso wie sich einige katholische Philosophen unterstehen, die unbegreiflichen Wunder Gottes und die tiefsten christlichen Geheimnisse mit der Physik zu erklären. Dieser Übertreibung steht auf der anderen Seite ein ähnliches, der Bereicherung der Wissenschaften zudem schädliches Verhalten jener gegenüber, welche die Wissenschaften, besonders jedoch die neuen Entdeckungen in der Natur, verhöhnen, indem sie das Gerücht verbreiten, sie wären gegen das Gesetz gerichtet. Nach außen hin
60 Uloshenije (russ. уложение) war das Gesetzbuch des Zaren Aleksej Michajlovič, gültig bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts; Nomokanon (russ. номоканон) war das vom Patriarchen Nikon (Nikita Minin) zusammengestellte Kirchengesetzbuch, das sowohl zivile als auch kanonische Gesetzte umfasste.
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nehmen sie Gott in Schutz, in Wirklichkeit aber lästern sie ihm, indem sie ihn als Feind der Natur hinstellen, die ja gleichermaßen von Gott erschaffen worden ist, und das alles Versuchung nennen, was sie selbst nicht begreifen. Aber jeder von ihnen möge wissen, dass er genau dann ein Streitsüchtiger ist, wenn er sich bemüht, zwischen Gottes Tochter, der Natur, und zwischen der Braut Christi, der Kirche, Feindschaft zu säen. Außerdem behindert er die Forschungen, die für die menschliche Gesellschaft nützlich sind, die uns außer der Ehrfurcht, die man dem Schöpfer gegenüber empfindet, wenn man über die Schöpfung nachdenkt, die Möglichkeit geben, das jetzige Wohlergehen zu steigern, und die eine große Hilfe für die Herrscher darstellen, um den Wohlstand ihrer Völker, die ihnen von Gott anvertraut worden sind, zu vermehren.
§ 167 Wer sich in solche Gedankengänge nicht vertiefen will oder nicht kann oder außerstande ist, in die allweisen göttlichen Werke der Natur einzudringen, der begnüge sich damit, die Heilige Schrift und andere, dem Seelenheil nützliche Bücher zu lesen; er lebe nach ihren Lehren. Dafür wird er Gottes Segen erhalten, die Gnade des regierenden Monarchen erwerben und in der Gesellschaft beliebt sein. Alles Übrige lasse er in Frieden und ergötze sich daran, wie weise Gott die Natur eingerichtet hat, die dazu geschaffen wurde, den Nutzen zu erbringen, den auch er genießt und zu genießen hofft.
§ 168 Allen, die sich mit den Wissenschaften befassen, ist bekannt, dass Regeln durchaus ohne Erklärungen aufgestellt werden können. Sie sind dann jedoch bei Weitem nicht so sicher und überzeugend, als wenn sie begründet werden, wodurch sie unvergleichlich viel mehr Nutzen bringen. So kann auch die Wissenschaft von den Mineralen und vom Schürfen der Erzlagerstätten viel verständlicher werden, wenn man erklärt, wie die Minerale entstehen, wofür sie da sind und an welchen Stellen sie entstehen können bzw. an welchen nicht – was zur großen Erleichterung unserer Arbeit dient. Das wird teilweise im folgenden, letzten Kapitel gezeigt. Die restlichen Kennzeichen wird derjenige, der sich genügend mit den obigen Kapiteln beschäftigt hat, je nach den Umständen selbst finden.
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5 Über den Nutzen der dargelegten Untersuchungen und Betrachtungen über die Erdschichten, speziell für unser Vaterland § 169 Nunmehr seid ihr Liebhaber des Berg- und Hüttenwesens mit einem vorzüglichen Blick ausgestattet, mit dem ihr nicht nur die Erdoberfläche betrachten, sondern auch tief in ihren Schoß eindringen könnt. Das heißt, nun könnt ihr nach dem Äußeren kritische Betrachtungen über das Innere anstellen oder – einfach gesagt – es am Faden erkennen und über den Knäuel61 erreichen. Durchwandern wir jetzt unser Vaterland; beginnen wir, die Lage der Orte zu betrachten und teilen wir sie ein in solche, die für die Gewinnung von Erzen geeignet sind und solche, die dafür ungeeignet sind, um dann an den geeigneten Stellen jene verheißungsvollen Merkmale zu bestimmen, welche zu den jeweiligen erzführenden Gebieten führen. Machen wir uns daran, Metalle zu suchen – Gold, Silber und andere; dringen wir vor bis zu den wertvollen Steinen: dem Marmor, dem Jaspis, ja sogar bis zu den Smaragden, Rubinen, Saphiren und Diamanten. Der Weg dahin wird nicht langweilig sein; zwar werden wir dabei nicht auf Schritt und Tritt Schätzen begegnen, doch werden wir überall Minerale sehen, welche die Gesellschaft braucht und deren Ausbeute nicht wenig Gewinn abwerfen wird.
§ 170 Allgemein wird angenommen, dass die nördlichen Länder nicht so reich an Mineralen sein können wie die südlichen, weil die Sonnenstrahlen weniger intensiv in die Erde eindringen; das habe ich jedoch in meiner Rede über den Nutzen der Chemie widerlegt.62 Auf Grund vieler Beweise folgere ich, dass auch im Norden die Natur im Schoß der Erde freigiebig und großzügig waltet. Aber daran, dass edle Metalle und Gesteine nicht so reichlich gefunden werden, ist nicht die Kälte schuld, sondern folgende naturbedingte und politische Ursachen, nämlich,
61 Motiv, ähnlich dem Ariadnefaden der griechischen Sage; im russischen Märchen wird oft die Spur eines Menschen mit Hilfe eines Garnknäuels, dessen Ende man ihm heimlich zugesteckt hat, verfolgt. 62 Lomonosov trug diese bedeutsame Rede (Слово о пользе химии, в публичном собрании императорской Академии Наук сентября 6 дня 1751 года говоренное Михайлом Ломоно́совым) auf der öffentlichen Versammlung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften am 6. September 1751 in russischer Sprache vor.
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1. dass das steinerne Erdinnere zum größten Teil von Schwarzerde und Sand bedeckt ist, die zudem noch mit Wald bewachsen sind oder die für die Landwirtschaft und die Viehzucht verwendet werden; 2. dass niemand da ist, der diese Schätze heben könnte – und zwar nicht so sehr ob deren Unkenntnis, sondern wegen des Mangels an Menschen. Stellen wir uns die Länder Indiens vor, in denen menschenreiche Völker wohnen, die mächtige und ruhmvolle Staaten bilden, und vergleichen wir sie mit unseren um vieles größeren Weiten des sibirischen Landes, wo es manchmal auf fünfhundert oder sogar tausend Werst nicht einen einzigen Bewohner gibt. Die Metalle und Minerale fallen uns jedoch nicht in den Schoß, vielmehr sind Augen und Hände notwendig, um sie zu gewinnen. Zu ergänzen wäre noch, dass das Erdinnere mehr als ein halbes Jahr durch Fröste und Schneemassen verschlossen ist und die Menschen deswegen überhaupt nicht schürfen können. Schließlich ist die im Verhältnis zu Indien an Zahl geringe sibirische Bevölkerung gewöhnt, ihr Leben in Ruhe zu verbringen; sie ernährt sich durch Viehzucht und verschafft sich auf diesem Wege die verschiedenen notwendigen Gegenstände aus Metall. Auf ähnliche Weise wurden unsere Vorfahren mit Waffen, Geschirren und kirchlichen Geräten durch die Landwirtschaft und andere ländliche Gewerbe versorgt, obwohl sie keine Bergwerke besaßen. Natürlich hätten ihnen diese Gewinn bringen können, jedoch richteten sich die früher herrschenden Gewohnheiten nicht auf das Schürfen. Und so besteht überhaupt kein Zweifel, dass es in den Gebieten Russlands Mineralien aller Art zur Genüge gibt. Man muss nur die entsprechende Mühe, gepaart mit dem nötigen Wissen, aufwenden und sich danach orientieren. So werden wir jetzt kurz die wichtigsten bereits beschriebenen Stätten und Schichten prüfen, die in den ersten drei Kapiteln gezeigt und im vierten erklärt wurden. § 171 Erstens: Die Schwarzerde lässt am wenigsten den Fund von Mineralen erhoffen – es sei denn, dass man bei alten Wohnstätten auf Schätze stößt, doch dies gehört dann nicht zum Bergbau. Hingegen befindet sich Sand tatsächlich in der Nachbarschaft von Metallen; jedoch muss man die Stellen kennen, an denen der Sand zu suchen ist, der Metalle – besonders Silber und Gold – enthält. Die übrigen Metalle kommen im Sand eher selten und in geringem Maße vor; denn wir sahen, welche Verwandlungen nötig sind, bis Sand gebildet wird, zumal sie in so vielen Jahrhunderten auch der Zerstörung durch Feuer, Wasser und Luft ausgesetzt sind. Silber und Gold, die durch diese Gewalten nicht zerstört werden können, befinden sich in jenem Sand, der an Erzvorkommen gebunden ist. Vergleichen wir taubes Gestein in der ganzen Welt mit edelmetallhaltigem, so ist es nicht
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anders vorstellbar, als dass der gold- und silberhaltige Sand den millionsten Teil des Sandes darstellt, der überhaupt keine Metalle oder diese nur in äußerst geringem Maße enthält. Die Aussicht, solchen Sand zu finden, ist am größten längs der Flüsse, deren Quellgebiet in erzhaltigen Gebirgen liegt. Diese brauchen nicht immer durch Gold- und Silbererze berühmt zu sein, welche des Öfteren zwischen anderen Erzen verborgen liegen. Gold- und silberhaltiger Sand weist daher immer auf flussaufwärts gelegene Goldvorkommen hin. Es kann auch vorkommen, dass die Vorkommen weiter vom Fluss entfernt liegen; in diesem Falle muss man annehmen, dass an jener Stelle früher irgendein Flusslauf gewesen ist.
§ 172 Den Sand muss man durch Auswaschen in Wasser auf folgende Weise prüfen: Zuerst nimmt man ein enges und hohes, hölzernes Gefäß oder fertigt es speziell dafür an, 10 oder 12 Veršok hoch und 3 bis 4 Veršok breit, so dass es ungefähr ein Pud Sand zu fassen vermag. Man füllt es nun bis zur Hälfte, in den übrigen Teil gießt man Wasser, das bis zum Boden gelangen muss, rührt den Sand mit einer Schaufel eine Viertelstunde lang um, so dass es mit dem Wasser in horizontale Bewegung komm. Je gleichmäßiger es sich im Wasser verteilt, umso besser ist es. Zwischendurch lässt man es einige Male absetzen. 1. Von dem zuletzt abgesetzten Sand nimmt man – nach der Höhe bemessen – vier Teile ab, den fünften mit den abgesonderten schweren Teilchen belässt man auf dem Boden. 2. Dann nimmt man den Bodensatz heraus, legt ihn beiseite und schüttet neuen, mit Wasser versehenen Sand in das Gefäß und verfährt erneut wie vorher. Auf diese Weise wäscht man fünfmal immer neuen Sand durch, bis der schwere Bodensatz ein halbes Gefäß füllt. 3. Jenen durchgewaschenen Sand schüttet man von neuem mit Wasser in dasselbe Gefäß, rührt wie vorher um, lässt ihn absetzen und füllt aufs Neue das Gefäß mit diesem zum zweiten Mal durchgewaschenen Sand. Dessen fünfter Teil stellt – im Verhältnis zum ursprünglich eingesetzten, noch nicht gewaschenen Sand – also 1/25 vom gesamten durchgewaschenen Sand dar und ist damit 25-mal reicher an Gold. Nachdem man dieses Waschen erneut durchgeführt hat, wird sich das Gold im Sande immer mehr anreichern und schließlich 125-mal mehr enthalten sein als ursprünglich. Wenn also ein Pud des ungewaschenen Sandes ein Gran Gold enthielte, so würde ein Pud gewaschenen Sandes 125 Gran, das heißt 1 4/5 Zolotnik Gold enthalten.
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§ 173 Den ein letztes Mal durchgewaschenen Sand kann man entweder mit einem Tropfen Quecksilber oder kräftiger Säure probieren, nachdem man ihn vorher in mäßigem Feuer geglüht hat. Je höher und je enger die Gefäße sind, die man zu dem erwähnten Durchwaschen verwendet, umso besser ist es. An Stellen, an denen man goldhaltigen Sand findet, sollte man Mühlen bauen und Kübel in Höhe von ungefähr einer Sažen und einer Breite von einem Aršin aufstellen. Sie sollten mit aufrecht stehenden Stangen versehen sein, die mit quer durch sie hindurchgehenden Speichen drehbar gelagert sind und so den Sand durch die Drehung verwirbeln. Den Boden des Gefäßes sollte man zu einem Fünftel desselben auswechselbar machen, damit man den unteren, schweren Teil des Sandes wegnehmen und den Rest ablassen kann. Dann stellt man das entleerte Bodenstück erneut darunter und füllt das Gefäß ein weiteres Mal mit Sand. Gold befindet sich im Sand in Form kleiner Krümelchen, die von ihm getrennt sind, oder es ist mit Sandkörnchen verbunden bzw. in diese eingeschlossen. Im letzteren Falle muss man den Sand bis zum Glühen erhitzen und dann in Wasser schütten. Nachdem man dies einige Male getan hat, muss man den Sand vor dem Waschen fein zermahlen.
§ 174 Obwohl die Tone und manche Schlammarten, besonders die dunklen und roten, auch Metall enthalten, so ist dies aber zum größten Teil nur Eisen. In den Erzgruben wird im gelben Ton oft Silber gefunden. Im Semigrader Land63 gewinnt man aus Ton, der mit Sand vermischt ist, eine ansehnliche Menge Gold, das aus den erzführenden Bergen ausgewaschen und von den dortigen kleinen Flüssen fortgeschwemmt wird. Aber bei uns in Sibirien führt der gelbe Ton der Erzgruben von Kolywanowoskressensk unter anderem auch Gold. Dabei sollte man wissen, dass Gold- und Silberkörnchen auf einem Schleifstein Spuren ihrer Farbe hinterlassen; leerer, kiesiger Flitter jedoch weist keinen derartigen Glanz auf. Um den Ton auf seinen Silber- und Goldgehalt zu prüfen, muss man in der gleichen Weise verfahren, wie dies für den Sand empfohlen wurde.
§ 175 Felsengebirge sind die eigentliche Heimat und die echten Lagerstätten der Metalle und der anderen Minerale. Deshalb muss man ihren allgemeinen und besonderen, ihren äußeren und inneren Zustand aufhellen und erwägen, was der
63 Ein Landstrich im rumänischen Siebenbürgen.
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Erzbergbau und das Hüttenwesen zu erhoffen haben, nachdem deren führende Rolle in der Untersuchung und Bewertung der Berge bereits gezeigt wurde.
§ 176 Wir haben festgestellt, dass die Hauptgebirge auf zweierlei Weise entstanden sind: Einmal dadurch, dass sie eine innere unterirdische Kraft emporhob und schließlich, dass die oberen Schichten in die Hohlräume einsanken, welche die ausgebrannte Substanz hinterlassen hat (§§ 12 bis 15). Im ersten Falle wendet die Natur aus folgenden Gründen eine größere Kraft auf: 1. Die Blöcke, die in die Höhe gehoben wurden und dann regellos herunterfielen, gerieten – wie es der Zufall wollte – wild durcheinander; dabei hinterließen sie ziemlich große Zwischenräume und Klüfte, in denen sich die metallhaltige Substanz, die sich später in flüssigem Zustand dort sammelte, nicht halten konnte, sondern in die Tiefe, also in die bodenlosen Abgründe floss. 2. Die große Hitze, welche durch die Erdkruste drang, zerstörte gleichzeitig Schwefel und andere Substanzen, die zum Entstehen der Erze Voraussetzung sind, und beförderte sie zum größten Teil durch ihr Feuer ins Freie. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Feuer speiende Berge, die jetzt noch tätig sind oder Spuren früherer Aktivität aufweisen, selten reiche und beständige Erzvorkommen aufweisen. Dies muss man auch bei den hohen Hauptgebirgen bedenken, die sich auf dieselbe Weise erhoben haben. Ich rate deshalb davon ab, reiche Erzvorkommen auf den Gipfeln der Haupt- und Nebengebirge zu suchen; denn entdeckt man zufällig an diesen Stellen Erzvorkommen, so sind sie nicht als dauerhaft, sondern als abgerissene Nester anzusehen – was vielen Bergwerksbesitzern überflüssige Arbeit und Verluste einbringt.
§ 177 Im Gegensatz dazu bekamen die Berge, die durch Aushöhlung entstanden sind und dabei Täler in sich aufnahmen, die Gewalt des Feuers nicht so stark zu spüren. Sie wurden nicht aufs Äußerste bewegt – das heißt durch Erschütterungen von oben und Stöße von unten –, sondern die Erde senkte sich sanft, so wie die Substanz unter ihr ausbrannte und an einer anderen Stelle ins Freie trat. Sie bildete deshalb keine breiten Klüfte, sondern setzte sich an der Sohle der Schlucht fest, die damit einen festen Grund erhielt, wo sich die gebirgige Substanz sammelte, das Wasser absonderte und, Schwefeldämpfe in sich aufnehmend, mit diesen Metalle bildete. Welche mineralhaltigen Wässer aus den Bergen in die Erzgruben und Gänge hineinfließen, wurde im § 68 und den folgenden erläutert. Dass jenes von oben zufließende Wasser Regenwasser ist, registrieren die Bergleute durch-
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aus und bestätigen damit, dass in trockenen und regenlosen Jahren mineralhaltige Wässer nicht so reichlich in den Gruben auftreten wie in regnerischen.
§ 178 Auf Grund dessen ist es am aussichtsreichsten, Erze an folgenden Orten zu suchen: 1. an Berghängen, in der Nähe von Senken, unweit von Ufern großer Seen, wie dem Ladogasee, dem Onegasee, dem Baikalsee und anderen; 2. in der Nähe von völlig von Land umgebenen Binnenmeeren, wie dem Kaspischen Meer, dem Aralsee und anderen; 3. in der Nähe von nur teilweise eingeschlossenen Binnenmeeren, wie dem Weißen Meer und dem Adriatischen Meer; 4. in großen Tälern, die von Bergen eingeschlossen sind, wie im Königreich Peru die Provinz Quito und andere ähnliche Stellen, die höchstwahrscheinlich von steinigen, ausgedehnten Gebirgen umgebene Einbruchsstellen sind, zu deren Seiten sich Täler ausbreiten mit Gewässern, die in sie hinein- oder aus ihnen herausfließen.
§ 179 Beispiele aus dem eigenen Lande sollte man stärker beachten. Die Hänge und Täler der Riphaei Montes, die sich über das Gebiet von Solikamsk, Ufa, Orenburg und Jekaterinburg, zwischen den ineinander verflochtenen Quellgebieten der Flüsse Tobol, Isset, Tschussowaja, Belaja, Jaik und anderer erstrecken, führten an seenreichen Stellen recht erhebliche Mengen gewöhnlicher Metalle, außerdem aber auch Silber und Gold, so dass viele Hüttenbesitzer zu ansehnlichem Reichtum gelangt sind. Die Kolywan-Woskressensker Werke liegen ebenfalls an einem See, der Kolywan-See genannt wird; aus diesem entspringen die Flüsse Alei und Loktowka. Sie sind reich an Silber und Gold und bringen dem Fiskus bedeutenden Gewinn. Der Fluss Argun entspringt dem See Dalai – einem großen Einbruch zwischen hohen, felsigen Bergen. Von alters her sind dies durch Gold- und Silberbergwerke bekannte Plätze, die jetzt eine neue Ausrüstung erhalten haben. Obgleich das Gold von Olonez in eher unbedeutender Menge vorkommt, so ermahnen uns doch die Seenlage der Fundorte sowie weitere Erzarten, uns mehr um die Erkundung der dortigen unterirdischen Schätze zu bemühen. Dasselbe bestätigt auch die nicht weit davon entfernte Bäreninsel, die uns reines, gediegenes Silber in großen Aggregaten liefert; die dortigen Erze zeugen von beständigen Gängen, die eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen. Die Küsten des Weißen Meeres, das einem großen See ähnelt, müssten auf Grund des genannten und aus den Gesetzen und Veränderungen der Natur abgeleiteten Grundsatzes in den Gestein führenden Bereichen reich-
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lich Erz enthalten. Und selbst die Kunst ist neben der erwähnten Bäreninsel mit dem Glimmer von Keret und den Erzen von Tri Ostrowa zufrieden. Die erhebliche Zahl der dortigen Salzgruben weist ebenfalls auf bedeutende Veränderungen der Erdschichten hin, ähnlich wie die Salzsiedereien an der Kama und die Salzseen in der Nähe vieler Erzvorkommen in Sibirien. Vergleichbares erfuhren wir bereits von anderen Gebieten – besonders im Königreich Peru, in der Provinz Potosí in der Nähe der reichen Gold- und Silberbergwerke (siehe § 34).
§ 180 Dies sei im Allgemeinen zu den erzführenden Bergen gesagt. Besonders erwähnen möchte ich aber ihre Schichten, die Flöze genannt werden (siehe oben im § 51 und den folgenden §§). Diese aufeinanderliegenden Substanzen unterschiedlicher Art lassen erkennen, dass sie nicht zu gleicher Zeit entstanden sind, sondern gemeinsam durch ein unterirdisches Feuer je nach ihrer Natur allgemeine und besondere Veränderungen erfuhren. Die mit Sandstein vermischten Sandschichten bildeten ehemals den Grund des Meeres oder großer Flüsse; der Kalkstein entstand aus verbrannten Blöcken wilden Gesteins; halbversteinerte Erden schwarzer und anderer Farbe sind das Ergebnis herangewehter Asche aus Feuer speienden Bergen; Steinkohle entstand aus Torf und Schiefer aus Schlamm. Alle diese Substanzen haben sich zu verschiedenen Zeiten aufeinander abgelagert. Sie wurden zunächst durch die unterirdische Hitze gebrannt, dann durch das Eindringen von aktivierendem Wasser zu Gestein umgewandelt – in Sandstein, in Kalkstein, in grauen Stein verschiedener Arten, in Steinkohle und in Schiefer verschiedener Härte – je nach Stärke der Temperatur und deren Reichweite.
§ 181 Daher führen alle Flöze nur wenig edle Metalle; meist führen sie nur jene Metalle, die an viel Schwefel gebunden sind, der aus dem heißen Erdinnern stammt. Und nach ihrer Bildung mussten sie mehrere Erdbeben über sich ergehen lassen, wodurch sie zerbrachen und neu gebildete Spalten füllten. Aus diesen entstanden nach ihrer Abkühlung und Verfestigung die trennenden Wände (§ 55). Obgleich die Flöze kaum edle Metalle enthalten, führen sie doch zu Erzgängen hin, da sie gegen den Horizont geneigt liegen – was natürlich auf das Heben der Erdkruste oder auf ihr Einsinken zurückzuführen ist. Wer nach der Lage der benachbarten Orte oder aus anderen Umständen schließen möchte, dass das Letztere dafür verantwortlich ist, der kann mit berechtigter Hoffnung diesen Schichten als einem vertrauenswürdigen Wegweiser folgen – besonders jedoch dort, wo man gelben oder weißen Kies feststellt, denn dieser kündigt Silber, der andere Gold
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an. Granate mit kiesigem Mineral deuten manchmal auf die Anwesenheit dieses vortrefflichen Metalls hin, zu anderen Anzeichen siehe Anfangsgründe, Teil 2.
§ 182 Nachdem ich die Orte erläutert habe, an denen man mit größter Hoffnung auf Erfolg Metalle suchen kann, möchte ich mich noch ein wenig mit den Edelsteinen befassen. Dass diese im russischen Reich vorkommen müssen und ihr Entstehen nicht dem Sonnenschein zu verdanken ist, beweisen die an vielen Stellen gefundenen Steine mittleren Wertes, wie Marmor, Jaspise, Achate, Karneole, Porphyrite und andere. Durch ihre Größe und Farbe können sie leicht wahrgenommen werden, während sich die Edelsteine durch ihre geringe Größe und ihr unscheinbares Äußeres – kurz Schale genannt – dem Blick entziehen, handelt es sich doch dabei um nichts anderes als eine zerkratzte und abgeschlagene, ehemals glatte und helle Oberfläche. Die Diamanten entstehen durch Kristallisation; folglich mussten sie ursprünglich ebenso eckig und durchsichtig gewesen sein. Denn die vielen eckigen benutzen die Glaser gern zum Glasschneiden, weil die natürlichen Ecken viel schärfer und dauerhafter sind als die, die man künstlich durch Schleifen herstellt. Man findet viele Diamanten, die ganz abgeschlagen und abgeschliffen sind. Bekanntlich erfordert es große Mühe, Diamanten zu facettieren, was harte Schleifmittel und schnelllaufende Maschinen voraussetzt. Daraus lässt sich schließen, wieviel Zeit es erforderte, ihn – im Sande liegend – seiner Ecken zu berauben. Dabei ist es unstrittig, dass der Diamant manchmal einige Jahrhunderte lang unverändert an einem Orte lag und er von seinen Ecken nicht einmal eine Winzigkeit verlor.
§ 183 Wenn wir jene Zeit in Betracht ziehen und uns vergegenwärtigen, als Elefanten und Pflanzen der südlichen Länder im Norden vorzufinden waren (§ 162), so ist nicht daran zu zweifeln, dass auch Diamanten, Rubine, Saphire und andere Edelsteine entstehen konnten und dass sie ebenso gefunden werden können wie neuerdings Gold und Silber, die unseren Vorfahren noch unbekannt waren. Die Hoffnung, sie aufzufinden, ist folgendermaßen begründet: 1. Kristalle findet man in Kreide- und Kalksteinbergen in Form von Nieren,64 wie an der Dwina bei Orlez und in der Nähe von Rshew. Oft findet man sie auch in Erzgängen.
64 Gemeint sind Drusen, Geoden oder Mandeln, entsprechend den in der deutschen geologischen Literatur üblichen Termini.
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2. Indische Unternehmer suchen in Sand nach Diamanten, wo sie selten gemischt vorkommen, was natürlich ist. Der Sand wurde durch einen lang andauernden Schleifprozess zermahlen, die Diamanten aber blieben zwischen ihm in großen Stücken zurück und konnten der äußeren Gewalt sehr viel länger widerstehen. Deshalb führt der Sand auch kleine seltene Kiesel mit großer Härte, die zu den Achaten zählen. Diamanten und andere wertvolle Edelsteine werden in Indien auch in Bergschluchten zusammen mit sandigem Ton gefunden. Darüber wurden jedoch keine ausführlichen Beschreibungen veröffentlicht; denn dieser Erwerbszweig wird an entlegenen Orten betrieben, die überdies geheim gehalten werden und unter scharfer Bewachung stehen. 3. Steine mittleren Wertes, unter denen man auch Edelsteine finden kann, sucht man am besten längs der mit kleinen Steinen bestreuten Flussufer, aber auch längs der Bäche, die durch Gebirgsgegenden fließen. 4. Marmor kann man in Felsgestein vermuten, das aus mehrfarbigen und verschiedenen festen Schichten besteht. 5. Weiße Tone lagern aller Wahrscheinlichkeit nach über weißem Marmor oder in dessen Nähe.
§ 184 Es ist langweilig und verspricht nur zweifelhaften Erfolg, wenn man Steine sucht, ohne sie zu prüfen. Deshalb empfehlen sich hierfür folgende Merkmale und Versuche: 1. Diamanten, Rubine, Saphire und andere Edelsteine prüft man mit Glas, das der ungeschliffene Diamant mühelos mit seinen natürlichen Ecken durchschneiden kann; man kann das Glas dann nicht nur längs des Schnittes leicht mit der Hand zerbrechen, sondern es fällt auch von selbst längs der Schnittlinie auseinander. Mit den anderen Edelsteinen kann man auch schneiden, aber nicht so gut. Man muss das Glasschneiden vom Ritzen unterscheiden; denn auch mit einem Kieselstein kann man Glas tief einritzen, allerdings nicht tief genug – für den Fall müsste man sehr fest aufdrücken. Der Diamant hingegen wirkt schon durch eine leichte Berührung. 2. Der Diamant und andere farbige Steine mit geringerem Wert machen die Säge sehr schnell stumpf; mit den ebenen Seiten gleiten sie eher auf dem Schleifstein, mit den Ecken jedoch reißen sie darauf sofort eine tiefe Furche ein. 3. Von gewöhnlichen Steinen kann man die Edelsteine schnell nach ihrer Farbe und ihrer Transparenz unterscheiden; vor allem ist aber ihre Härte maßgebend, deren Unterschiedlichkeit man bestimmen muss. Steine in den einfachen Farben Rot, Gelb und Blau verweisen auf purpurfarbenen Rubin und
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kornblumenblauen Saphir sowie auf Topas und Granat; sie sind härter als die Steine mit zusammengesetzten Farben. Solche sind Erzgelb, Grün und Kirschfarben und verweisen auf Hyazinth, Chrysolith, Smaragd und Amethyst. 4. Achate, Karneole und andere Steine mittleren Wertes, halbdurchsichtige und opake, gehören zum größten Teil der Gattung der Kiesel an oder – genauer gesagt – sie sind bunte Kiesel, die umso willkommener sind, je passender ihre Farbe und ihr Farbengemisch sind. 5. Marmor kann man an seiner mäßigen Härte erkennen und dadurch von einfachen Steinen unterscheiden. Er lässt sich gut mit dem Meißel bearbeiten, wobei er, ohne dass man sich besondere Mühe gibt, nicht zerbröckelt und keine Stücke abbrechen; ebenso lässt er sich gut polieren. Wert- und Preisunterschiede werden von Farbe, schön geformten Flecken und Streifen bestimmt.
§ 185 Wenn wir nun an Stellen gelangt sind, an denen man mit einer gewissen Hoffnung unterirdische Schätze auffinden kann, wären noch einige Methoden zu erläutern, wie man Erze und Steine am besten aus der Erde fördern kann. Am besten sind dazu der Erdbohrer oder die Sonde geeignet, die aber in Russland wenig bekannt, geschweige denn in Gebrauch sind. Um die Erdschichten in geringen Tiefen zu erforschen, kann man einen gewöhnlichen Bohrer benutzen, der aber nicht zu spitz sein darf; diesen setzt man auf eine dünne Stange und befestigt diese an einem hohen Baum. Mit Hilfe eines Strickes, den man über einen Ast gezogen hat, kann man den Bohrer hochziehen und niedersenken, um die herausgebohrte Substanz zu prüfen; drehen kann man ihn durch Knebel, die an der Stange befestigt sind und sich frei an ihr auf und ab bewegen müssen. Wenn man einer aussichtsreichen Stelle nahe ist oder schneller zum Ziel kommen will, kann man das Gestein auch mit Pulver sprengen. Es ist bekannt, wie viele Veränderungen bei uns in Russland im Frühling die großen Flüsse hervorrufen (§ 82). Mächtige Riesen, von uns in ihrer Wut vorstellbar, können keinesfalls mehr Erdschichten umstürzen. Oder, konkreter ausgedrückt: In allen Erzgruben der ganzen Welt wird in hundert Jahren nicht so viel Erde durcheinandergebracht und es werden nicht so viele Steine umgewälzt, wie im Frühjahr im Resultat der Zerstörung durch die Eismassen und die Stromschnellen der außergewöhnlichen und gewaltigen russischen Gewässer. Diejenigen, die mineralische Substanzen, Metalle und Steine suchen, sollten genau jene Jahreszeit nutzen, in der die Natur ihre eigenen Kräfte mobilisiert, um verborgene Schätze bloßzulegen; denn sie harrt unserer Bemühungen und würde sie mit großen Belohnungen vergelten.
8 Mitteilung über die Verfassung einer Mineralogie Russlands1 Der Autor des Buches Anfangsgründe des Berg- und Hüttenwesens, Staatsrat und Professor Herr Lomonosov, beabsichtigt zur Bereicherung des allgemeinen Wissens und zur Entwicklung des Bergwesens im Russischen Imperium eine Beschreibung der Erze und anderer Minerale zu verfassen, die allen russischen Betrieben zur Verfügung stehen soll. Daraus sollen ein allgemeines System der in Russland vorhandenen Minerale entstehen und bestimmte Regeln und Indikatoren für das Auffinden von Lagerstätten nach physikalischen und chemischen Merkmalen definiert werden – viel genauer im Vergleich zu dem, was bisher bekannt ist. Da es unmöglich ist, dieses Vorhaben zu realisieren, ohne über Erzproben von allen russischen Werken zu verfügen, die aber zur Beschreibung erforderlich sind, wünscht und bittet der oben genannte Staatsrat Herr Lomonosov alle Führungskräfte der Werke, sich um die Verfassung einer Mineralogie Russlands insofern zu bemühen, als sie von ihren Werken verschiedene typische Erzproben auf ihre eigenen Kosten nach St. Petersburg an Hr. Lomonosov senden. Und damit diese Sendungen der Werkleiter und Staatsbediensteten der Lagerstätten diesem nützlichen Vorhaben entsprechen und nicht durch eine zu große Anzahl an Erzproben beeinträchtigt werden, bittet er um Folgendes: 1. Erze in nicht zu großer Anzahl zu senden, insofern die Erzarten keine großen Unterschiede aufweisen, und dabei die zusammen vorkommenden Erzstücke nicht zu trennen, sondern in ihrem vorgefundenen Zustand zu belassen, damit man die jeweiligen, dem Erz eigenen Eigenschaften bestimmen kann. 2. Die Erzprobe sollte auch ein kleines Stück des Nebengesteins aufweisen. 3. Sand- und Lehmproben sowie kleine Steinchen, die sich bei diesen Erzlagerstätten finden lassen, insbesondere von Flussufern und Schutthängen, sollten in nicht zu großen Mengen den Erzproben beigefügt werden; sie sind ebenfalls willkommen und zur Untersuchung von Nutzen. 4. Nicht selten findet man in Lagerstätten Fossilien tierischer oder pflanzlicher Herkunft, die zu Stein oder Erz umgewandelt worden sind. Da diese zur Aufklärung der Genese der Minerale und der physischen Geographie dienen, sind auch sie erwünscht. 5. Sollte jemand von den Werks- und Grubenbesitzern eine geographische Karte zur Lage ihrer Werke haben, wäre der Verfasser für die Überlassung dieser
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äußerst dankbar; denn sie wäre zur Erfassung der Lage der Erzvorkommen in Russland wie auch als Hinweis für das Auffinden vergleichbarer Lagerstätten dienlich. 6. Die Übersendung der genannten Dinge könnte ganz bequem zusammen mit den allgemeinen Transporten, die vom Werk üblicherweise nach St. Petersburg vorgenommen werden, oder aber persönlich über einen zuverlässigen privaten Reisenden erfolgen. 7. Kämen jedoch Sendungen von den am weitesten entfernten Ortschaften nicht rechtzeitig an, so könnten sie nicht mehr in die geplante Mineralogie aufgenommen werden, da die Verzögerung deren fristgemäße Fertigstellung verhindern würde. 8. Jede Probe ist in Papier einzuwickeln und deutlich mit einer Nummer zu beschriften und in einer beigefügten Liste ausführlich und möglichst genau mit dem Fundpunkt zu beschreiben, an dem sie entnommen worden ist, insbesondere aus welcher Tiefe in der Erde. Zur Erläuterung des Vorhabens wird nachfolgend die Gliederung der Mineralogie vorgestellt, nach der der Verfasser das System der von ihm ausgewählten Minerale darzustellen und zu beschreiben gedenkt: 1. Über die allgemeine Naturgeschichte und insbesondere über die Mineralogie, einschließlich einer Liste der ausländischen Autoren, die sich mit der Mineralogie beschäftigt haben, zuzüglich Anmerkungen des Verfassers 2. Das eigentliche System der Mineralogie, das heißt Angabe der Lagerstätten in Russland sowie im Vergleich mit ausländischen Lagerstätten – allgemein und speziell 3. Physikalische Merkmale der Minerale 4. Merkmale von Erzen und Erzlagerstätten in Russland 5. Alphabetische Liste der beschriebenen Minerale 6. Zum Zweck einer besseren Bestimmung der Erze und Minerale, vor allem der besonders begehrten, werden sie auf durchnummerierten Papierblättern und in natürlichen Farben abgebildet. Als Dank verspricht der Verfasser den Übersendern: 1. Bei der Beschreibung der Minerale in der Mineralogie Russlands, insbesondere hinsichtlich seltener oder wertvoller Minerale, werden die Namen der Werksbesitzer erwähnt, von denen er die Mineralproben bekommen hat. 2. Alle erhalten ein kostenloses Exemplar der Mineralogie. 3. Diejenigen Werksbesitzer, die schon in dem Monat vor Beginn der Druckarbeiten oder noch eher die gewünschten Erzproben geliefert und sich bemüht haben, seltene Mineralproben mit besonderer Sorgfalt auszusuchen und zu
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versenden, erhalten zur Befriedigung ihrer Neugier bereits einzelne Blätter der Mineralogie, sobald sie gedruckt sind; die Druckarbeiten beginnen im Januar des kommenden Jahres 1765. 4. Jeder Grubenbesitzer darf die allgemeinen Erkenntnisse aus der Beschreibung aller russischen Gruben, also deren Regeln und Besonderheiten, die einer Verbesserung der Erzgewinnung dienen, verwenden. 5. Zu guter Letzt wird die ganze Gesellschaft jenen, die sich daran beteiligt haben, dafür dankbar sein, dass sie beim Abfassen eines solch nützlichen Buches behilflich waren.
9 Programm einer Allgemeinen Mineralogie1 1. Allgemeine physische Erkenntnis der Erdschichten und Sonstiges 2. Das allgemeine System der Körper mit Definitionen 3. Minerale Europas Minerale Amerikas unterirdische Schatzkammer Minerale Indiens 4. Minerale Großrusslands 5. Minerale Sibiriens 6. Allgemeines System der Minerale 7. System der Minerale Russlands
1 Ломоно́сов, Труды по металлургии, стр. 639–641. https://doi.org/10.1515/9783110424065-014
10 Petrificatio Artificialis Die Versteinerungen, die unter die echten Minerale gerechnet werden, können offenbar nach ihrer inneren Beschaffenheit in zwei Typen eingeteilt werden, jedenfalls meiner Meinung nach. Der eine Typus lässt die verwandtschaftliche Zugehörigkeit des Tiers oder der Pflanze nicht nur in der äußeren Erscheinung erkennen, sondern auch im inneren Gewebe und bestätigt den Eindruck der Oberfläche durch die Anordnung der Teile; der andere (zeigt) neben der äußeren Erscheinung nichts an innerer Struktur.
https://doi.org/10.1515/9783110424065-015
Anhang
Gewichts- und Längenmaße Das russische Maßsystem war im Laufe der Zeit zahlreichen Veränderungen unterworfen und zeigte erhebliche regional abhängige Unterschiede. Für das Längenmaß Sažen wurden beispielweise 39 unterschiedliche Zusatzbezeichnungen ermittelt, darunter städtische, dörfliche, zarische, kirchliche Sažen, Vermessungssažen, Drei-Aršin-Sažen usw. Obwohl in der Zeit von 1736 bis 1742 eine Kommission des Regierenden Senats berufen wurde, um Maße und Gewichte zu vereinheitlichen und entsprechende Etalons zu bestimmen – ihr gehörte beispielsweise auch der Mathematiker Leonhard Euler an –, wurden erst durch Gesetz vom 11. Oktober 1835, und zwar unter Berücksichtigung englischer Normative, Maß und Gewicht einheitlich festgelegt. Eine vollständige Umsetzung blieb jedoch aus, was nicht nur dazu führte, dass man sich weiterhin der überkommenen Maße bediente, sondern vor allem bei großregionalen Vermessungen erhebliche Unterschiede in Kauf nehmen musste. So wurde 1689 eine (Vermessungs-)Werst mit 1.000 Sažen, zu Beginn des 19. Jahrhunderts aber mit 500 Sažen (= Wege-Werst) angesetzt. Ähnliche Beispiele ließen sich auch hinsichtlich der verwendeten Flächen- und Raummaße anführen. Einschlägige Quellen geben hierzu genauer Auskunft, deshalb sei bezüglich weiterer Einzelheiten auf diese verwiesen.1 Im Nachfolgenden werden nur jene Gewichte und Längenmaße erläutert, die in Lomonosovs Schriften Verwendung fanden.
Gewichte 1 Gran (russ. гран) = 62,2 mg (unter Zugrundelegung des Nürnberger Systems) 1 Gran (russ. гран) = 64,798 mg (unter Zugrundelegung des Englischen Systems) 1 Zolotnik (russ. золотник) = 4,266 g 1 Lot (russ. лот) = 12,8 g 1 Unze (russ. лана) = 34,13 g 1 Pfund (russ. фунт) = 0,4095 kg 1 Pud (russ. пуд) = 40 Pfund = 16,38 kg (die Gewichtseinheit, auf die alle anderen Gewichtsangaben bezogen wurden) 1 kurze Tonne = 907,2 kg
1 Vgl. Hoffmann, Peter: Handbuch der Geschichte Russlands. Bd. 6: Einführung in Literatur, Quellen und Hilfsmittel. Stuttgart 2004; sowie Belobrov, Vladimir A.: Russische Systeme der Längenmaße In: https://www.academia.edu/10147145/Russische_Systeme_der_Längenmaße_ Kurzbeschreibung (30.6.2017). https://doi.org/10.1515/9783110424065-016
328
Anhang
Längenmaße 1 Linija (russ. линия) = 2,54 mm 1 Djuim (russ. дюйм) = 2,54 cm 1 Fingerbreite (russ. палец шириной) = ca. 18 bis 19 mm 1 Veršok (russ. вершок) = 4,445 cm 1 Mannsspanne (russ. пядь) = 17,78 cm 1 Fuß (russ. фут) = 30,48 cm 1 Aršin (russ. аршин) = 71,12 cm 1 Sažen (russ. сажень) = 2,1336 m 1 Werst (russ. верста) = 1,0668 km 1 (geographische) Meile (russ. миля) = 7,42 km
Chronik: Lomonosovs Biographie und Schriften Biographie12 1711
8./19. November – Lomonosov (L.) wird in Mischaninskaja in der Nähe von Cholmogory (Archangelsk) geboren2
1722/1723
Erster Unterricht in Lesen und Schreiben beim Bauern Ivan Šubnoj und dem Küster der Gemeinde Semen Nikitič Sabel‘nikov
1730
Dezember – L. verlässt mit einem Pass der Gemeinde seine Heimat in Richtung Moskau
1731
15. Januar – Beginn einer Ausbildung an der 1687 gegründeten Slawisch-Griechisch-Lateinischen Akademie in Moskau
1733/1734
Zwischenaufenthalt an der von Petro Mohyla 1632 gegründeten Kiewer MohylaAkademie (Києво-Могилянська академія)
1735
23. Dezember – L. verlässt mit elf weiteren auserwählten Kandidaten Moskau, um an der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften seine Ausbildung zu vervollkommnen
1736
1. Januar – Immatrikulation als Student der St. Petersburger Akademie 3. März – L. wird für einen Studienaufenthalt im Ausland vorgeschlagen, um sich Spezialkenntnisse im Berg- und Hüttenwesen anzueignen 23. September – L. tritt, gemeinsam mit seinen Kommilitonen Ulrich Raiser und Dmitrij Ivanovič Vinogradov, von Kronstadt aus die Reise ins Ausland an 3./14. November – L. trifft in Marburg ein, wo er am 17. November an der Philipps-Universität immatrikuliert wird und das Studium bei Christian Wolff beginnt
1739
20. Juli – Abreise von Marburg nach Freiberg/Sachsen 25. Juli – Ankunft in Freiberg, Beginn der Ausbildung bei Bergrat Johann Friedrich Henckel sowie weiteren Spezialisten des Berg- und Hüttenwesens 8./19. November – Geburt von L.s vorehelicher Tochter Katharina Elisabeth in Marburg
1 Zusammengestellt auf der Grundlage von Morosow, S. 581–584; Hoffmann, Lomonosov, S. 263– 266, sowie Lomonossow, Ausgewählte Schriften, S. V–VII. 2 Die Daten werden, soweit verfügbar, im „Alten Stil“/„Neuen Stil“ genannt. https://doi.org/10.1515/9783110424065-017
330 1740
Anhang
Mai – L. verlässt nach einem Streit mit Henckel Freiberg und kehrt via Leipzig und Kassel nach Marburg zurück 6. Juni – Eheschließung in der reformierten Kirche von Marburg mit Elisabeth Christine Zilch, der Tochter des Bierbrauers Heinrich Zilch und seiner Frau Katharina Elisabeth Zilch Juni/Oktober – L. bereist zu Studienzwecken Holland, den Harz und Hessen, befährt auch verschiedene Gruben
1741
8. Juni – Rückkehr nach St. Peterburg Juli/November – Arbeit am Mineralien-Katalog der Kaiserlichen Kunstkammer unter Leitung von Johann Amman
1742
1. Januar – Geburt von L.s Sohn Johannes (Iwan) in Marburg (am 7. Februar verstorben) 8. Januar – Ernennung zum Adjunkt der physikalischen Klasse der St. Petersburger Akademie mit einem Jahresgehalt von 360 Rubel
1743
28. Mai/19. Januar 1744 – L. wird „wegen Strafbarkeit“ unter Hausarrest gestellt, arbeitet aber wissenschaftlich weiter Oktober – Ankunft von L.s Frau Elisabeth Christine, deren Bruder Hans Zilch sowie Tochter Katharina Elisabeth in St. Petersburg
1745
25. Juli – Ernennung zum Professor für Chemie mit einem Jahresgehalt von 600 Rubel
1746
30. Juni – erste öffentliche Vorlesung über Experimentalphysik 1. Juli – Beschluss zur Errichtung eines chemischen Laboratoriums
1748
Oktober – Eröffnung des ersten wissenschaftlichen chemischen Laboratoriums nach den Empfehlungen L.s
1749
21. Februar – Geburt der Tochter Elena Michajlovna
1751
1. März – Ernennung L.s zum Kollegienrat
1752
4. September – L. vollendet ein Madonnenbildnis, ein Mosaik nach italienischer Vorlage 25. September – L. überreicht dem Senat einen „Vorschlag“ bezüglich der Einführung der Mosaikbildnerei in Russland Dezember – Ukas zur Errichtung einer Fabrik für farbiges Glas
1753
22. Februar/23. März – Reise nach Moskau 15. März – Zuteilung eines Grundstücks in Ust Rudiza zur Errichtung einer Fabrik für farbiges Glas
1754
Mai/Juni – L. empfiehlt in einem Brief an Ivan Ivanovič Šuvalov die Gründung der Universität Moskau
Chronik: Lomonosovs Biographie und Schriften
1755
26. Juli – Eröffnung der Moskauer Universität
1756
L. eröffnet eine Mosaikwerkstatt
1757
1. März – Ernennung zum Rat der Akademischen Kanzlei
331
September – Umzug in das neue Haus am Fluss Moika 1758
8. März – Übernahme der Leitung des Geographischen Departements
1760
19. Januar – Übernahme der Leitung der akademischen Universität und des akademischen Gymnasiums 30. April – Ernennung zum Ehrenmitglied der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften (Kungliga Vetenskapsakademien)
1761
26. Mai – L. entdeckt beim Durchgang der Venus vor der Sonne die Venus-Atmosphäre
1763
10. Oktober – Ernennung zum Ehrenmitglied der 1754 gegründeten St. Petersburger Akademie der Künste 20. Dezember – Ernennung zum Staatsrat bei einem jährlichen Gehalt von 1.875 Rubel
1764
April – Ernennung zum Ehrenmitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zu Bologna (Istituto delle Scienze di Bologna) 7. Juni – Kaiserin Katharina II. besucht L. in dessen Haus an der Moika
1765
28. Januar – letztmalige Teilnahme an der Sitzung der St. Petersburger Akademie 4./15. April – L. verstirbt in St. Petersburg 8./19. April – Beisetzung L.s auf dem Friedhof am russisch-orthodoxen Aleksander-Newski-Kloster in St. Petersburg
Schriften (Auswahl)3 1738
Über die Umwandlung eines festen Körpers in einen flüssigen, abhängig von der Bewegung einer vorhandenen Flüssigkeit – L.s erstes wissenschaftliches Werk; er sendet es nach St. Petersburg
3 Eine vollständige Übersicht zu Lomonosovs hinterlassenen Schriften ist zu finden unter https://iling.spb.ru/lomonosov/Library.htm (Михаил Васильевич Ломоносов: электронная научная библиотека – к 300-летию со дня рождения).
332
Anhang
1739
Physikalische Dissertation über den in der Kohäsion der Korpuskel bestehenden Unterschied gemischter Körper, welche Michailo Lomonossow, Student der Mathematik und Philosophie, im März des Jahres 1739 zur Übung schrieb Aus Anlass der Eroberung der türkischen Festung Chotin verfasst L. in vierfüßigen Jamben die Ode über die Einnahme von Chotin und übersendet sie – zusammen mit dem Brief über die Regeln der russischen Dichtkunst – an die St. Petersburger Akademie
1741
Die Elemente der mathematischen Chemie Commentatio de instrumente caustico catoptrico-dioptrico Meditationes physico-chimicae de convenientia argenti et mercurii
1742
Anfangsgründe der Montan-Wissenschaften
1743
Abendbetrachtung über die Größe Gottes anlässlich des großen Nordlichtes Morgenbetrachtung über die Größe Gottes Kurzer Leitfaden der Rhetorik
1743/1744
Über die nicht wahrnehmbaren Teilchen der Körper und über die Ursachen der partikulären Eigenschaften überhaupt
1744
De Motu aeris in fodinis observato
1744/1745
De actione menstruorum in corpore solvendo (Über die Wirkung eines Lösungsmittels im zu lösenden Körper)
1745
5. Februar – Veröffentlichung des Mineralien-Katalogs der Kaiserlichen Kunstkammer in lateinischer Sprache als dritter Teil des ersten Bandes Musei imperialis petropolitani Русский перевод Mинерального каталоrа (Адъюнкт Михайла Ломоносов, Февраля 5 дня 1745 года) Dissertation Über die generelle Einwirkung chemischer Lösungsmittel Dissertation Über die Ursachen von Wärme und Kälte Dissertation De tincturis metallorum (Über Metallglanz) Übersetzung der Wolffschen Experimentalphysik aus dem Lateinischen ins Russische
1747
Überarbeitete Fassung der Kurzen Anleitung zur Rhetorik Ode zum Jahrestag der Thronbesteigung der Kaiserin Elisabeth I.
1748
Kurzer Leitfaden der Beredsamkeit 5. Juli – L. formuliert in einem Brief an den Mathematiker Leonhard Euler das Gesetz von der Erhaltung der Materie (des Stoffes) und der Bewegung (Energie) 30. September – Versuch einer Theorie der elastischen Kraft der Luft (Kinetische Gastheorie)
1749
Chronik: Lomonosovs Biographie und Schriften
333
21. Februar – Öffentliche Lobrede auf die Kaiserin Elisabeth I. Dissertatio de generatione et natura nitrii
1749/1750
Bemerkungen zur Abhandlung von G. F. Müller „Über die Herkunft des russischen Volkes und seines Namens“
1750
Tragödie Tamira und Selim
1751
Juli – Edition der ersten Werkausgabe der Schriften L.s (Bd. 1) durch die Druckerei der Akademie 6. September – Rede über den Nutzen der Chemie
1752
September – Vollendung der Tragödie Demofont Dezember – Brief über den Nutzen des Glases
1752/1754
Ausarbeitung des Kurses der wahren physikalischen Chemie
1753
26. November – Rede Über die atmosphärischen Erscheinungen in der Luft, die von der elektrischen Kraft herrühren (Theorie der atmosphärischen Elektrizität)
1755
26. Juli – Lobrede auf Peter den Großen September – Abschluss der Arbeiten an der Russischen Grammatik
1756
127 Bemerkungen zur Theorie der Farbe und der Elektrizität 1. Juli – Bemerkungen zur Theorie des Lichts und der Elektrizität Theorie der Elektrizität, nach mathematischer Methode dargelegt (unvollendet) Über das Entstehen des Lichts, eine neue Farbenlehre darstellend Über den gegenwärtigen Stand der literarischen Wissenschaften in Russland
1757
Über den Nutzen der Kirchenbücher für die russische Sprache 6. September – Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben
1757/1759
Edition der zweiten Auflage der Schriften L.s durch die Druckerei der Moskauer Universität
1758/1759
Denkschrift über die Notwendigkeit einer Reform der Akademie der Wissenschaften Teil I: Über den schlechten Zustand der Akademie der Wissenschaften Teil II: Über die Ursachen des Verfalls der Akademie der Wissenschaften Teil III: Über die Verbesserung der Akademie der Wissenschaften
1759
Abhandlung über die Verbesserung der Orientierungsmöglichkeiten auf Seefahrten Über die Herausgabe der russischen „Wedemosti“ durch die Akademie Fragen zur Anforderung geographischer Nachrichten aus sämtlichen Städten aller Gouvernements und Provinzen des russischen Staates für die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften zwecks Schaffung eines neuen, verbesserten „Russischen Atlasses“ jener Akademie
334
Anhang
1760
Abhandlung über die Festigkeit und Flüssigkeit der Körper November – Kurzes Jahrbuch der russischen Regenten
1760/1761
Poem Peter der Große Nova methodus observandi refractiones radiorum in omni genere pellucidorum corporum (Manuskript)
1761
Erscheinung der Venus vor der Sonne, beobachtet bei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, den 26. Mai 1761 7. Juni – Alleruntertänigster Antrag an den Regierenden Senat über das Sammeln von Mineralproben 1. November – Aufsatz Über die Erhaltung und Vermehrung des russischen Volkes
1763
13. Oktober – Beendigung der Drucklegung zur Schrift Anfangsgründe des Bergund Hüttenwesens Kurzgefasste Beschreibung verschiedener Forschungsreisen auf dem Nordmeer und Angabe einer möglichen Durchfahrt auf dem Sibirischen Ozean nach Ostindien Kurzer Plan eines zu schaffenden Wirtschaftslexikons der russischen Produkte und Angabe der für sie in Frage kommenden inneren und äußeren Verkehrswege nebst dazugehöriger Landkarten
1764
Januar – Konspekt der wichtigsten Theoreme, mit denen sich M. V. Lomonosov bemühte, die Naturwissenschaften zu bereichern
1766
Alte russische Geschichte Teil 1 – Von Rußland bis Rurik Teil 2 – Von dem Anfange der Regierung Ruriks, bis auf den Tod Jaroslaws des Ersten (1768 folgt die von H. L. C. Bacmeister ins Deutsche übersetzte Ausgabe unter dem Titel Alte russische Geschichte von dem Ursprunge der Russischen Nation bis auf den Tod des Großfürsten Jaroslaws des Ersten, oder bis auf das Jahr 1054)
1768
An der St. Petersburger Akademie erscheint die dritte Auflage der Lomonosovschen Schriften (in zwei Bänden)
1778
An der Moskauer Universität erscheint eine dreibändige Werkausgabe der Lomonosovschen Schriften
1784/1787
Die St. Petersburger Akademie ediert eine Vollständige Sammlung der Schriften Lomonosovs in sechs Bänden (Nachdruck 1795/1797 sowie 1803/1804)
1891/1946
Erste wissenschaftliche Ausgabe der Lomonosovschen Schriften in acht Bänden
1953/1959
Vollständige Ausgabe der Lomonosovschen Schriften in zehn Bänden
1987
Band elf der Gesamtausgabe erscheint als Ergänzungsband mit Register
Bildnachweis I.1 – © Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr. 1.451.038 / Gustav Creutzer 1847 I.2 – https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Wolff_(Philosoph) – gemeinfrei (30.6.2017) I.3 – Archiv der Philipps-Universität Marburg, UniA MR 305m 1 Nr. 4 I.4, I.11, I.12, I.13, I.14 – Archiv Naumann I.5, I.7, I.8 – Henckel: Pyritologia I.6 – Henckel: Henckelius in Mineralogia Redivivus I.9 – Staatliche Bibliothek Regensburg, 999/Philos. 363 I.10 – Михаил Васильевич Ломоносов. К 300-летию со дня рождения: по материалам Музея М. В. Ломоносова. СПб., 2011, стр. 43 I.15, I.16 – Музей антропологии и этнографии им. Петра Великого (Кунсткамера) РАН; МЛ-01039 и МЛ-01095 I.17, I.18, I.19, I.20, I.21, I.22, I.23 – Первые основания металлургии или рудных дел/De re metallica libri XII/Bericht vom Bergwerck (Archiv Naumann) I.24, I.25, I.26 – Ломоносов: Труды по металлургии и горному делу 1741–1763, Ленинград 1954 I.27 – Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ) Portrait Michail Vasil‘evič Lomonosov – Zeitgenössische Radierung von Étienne Fessar und Christian-Albert Wortmann, St. Petersburg 1757. In: Каталог художественных произведений с изображениями Михаила Васильевича Ломоносова из собрания Московского университета. / Сост. Е. В. Зименко, Г. А. Широкова. Под ред. А. П. Лободанова. — М.: Издательство Московского университета, 2011 Bildanhang zu Kap. 5 (Anfangsgründe des Berg- und Hüttenwesens) – Ломоносов: Труды по металлургии и горному делу 1741–1763, Ленинград 1954
https://doi.org/10.1515/9783110424065-018
Quellen und Literatur 1 Archive Archiv der Philipps-Universität Marburg (Immatrikulationsnachweis der Studenten Raiser, Lomonosov und Vinogradov) Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 40040 Fiskalische Risse zum Erzbergbau, Nr. B3361 (1711) Dgl., Bestände Kammerkollegium, Geheimes Finanzkollegium (ehem. Finanzarchiv), Geheimes Kabinett, Geheimes Konsilium, Bd. 2 – Bergsachen, Bd. 10, Bd. 47: Russland, Gesandtschaften, Berg- und Hüttenwesen Dgl., 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 00697/06 Dgl., 10036 Finanzarchiv, Loc. 33397, Rep. 32, Dresden, Nr. 0016 Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover. Leibniz-Nachlaß. Ms. XXXIII, Bl. 90, 91 Архив Российской академии наук Санкт-Петербургский филиал / АРАН (St. Petersburger Filiale der Russischen Akademie der Wissenschaften / ARAN) Центральный государственный исторический архив Санкт-Петербурга / ЦГИА СПб (Zentrales Staatliches Historisches Archiv in St. Petersburg / ZGIA) Роcсийский Государственный Исторический Архив (РГИА) (Staatliches Historisches Archiv Russlands / RGIA)
2 Lomonosov-Ausgaben Полное собрание сочинений и писем в 11 томах (АН СССР, 1950–1983) –– Том первый: Труды по физике и химии, 1738–1746 гг. (М.; Л.: 1950) –– Том второй: Труды по физике и химии, 1747–1752 гг. (М.; Л.: 1951) –– Том третий: Труды по физике и химии, 1753–1765 гг. (М.; Л.: 1952) –– Том четвертый: Труды по физике, астрономии и приборостроению, 1744–1765 гг. (М.; Л.: 1955) –– Том пятый: Труды по минералогии, металлургии и горному делу, 1741–1763 гг. (М.; Л.: 1954) –– Том шестой: Труды по русской истории, общественно-экономическим вопросам и географии. 1747–1765 гг. (М., 1952) –– Том седьмой: Труды по филологии (М., 1952) –– Том восьмой: Поэзия, ораторская проза, надписи, 1732–1764 (М., 1959) –– Том девятый: Служебные документы. 1742–1765 гг. (М., 1955) –– Том десятый: Служебные документы. Письма. 1734–1765 гг. (М., 1952) –– Том одиннадцатый, дополнительный, справочный: Письма. Переводы. Стихотворения. Указатели (М., 1983)
https://doi.org/10.1515/9783110424065-019
Quellen und Literatur
337
3 Gedruckte Quellen Agricola, Georgius: De re metallica libri XII. Basel 1556. Bacmeister, Hartwig Ludwig Christian: Katalog von Büchern, gesammelt von H. L. C. Bacmeister. Petersburg 1798. Bacmeister, Hartwig Ludwig Christian: Russische Bibliothek, zur Kenntniß des gegenwärtigen Zustandes der Literatur in Rußland. St. Petersburg, Riga und Leipzig. Leipzig 1772–1778. Becher, Johann Joachim: Actorum laboratorii chymici Monacensis, seu physicae subterraneae libri duo. Frankfurt 1669. Bernier, François: Voyages, contenant la description des États du grand Mogol. Nouvelle édition, tt. I et II. Amsterdam 1723–1724. Borelli, Giovanni Alfonso: Historia et meteorologia incendii Aetnaei anni 1669. Reggio 1670. Bouguer, Pierre: La figure de la terre, Déterminée par les Observations de Messieurs Bouguer & de La Condamine, de l’Académie Royale des Sçiences, envoyés par ordre du Roy au Pérou, pour observer aux environs de l’Equateur. Paris 1749. Boyle, Robert: Some considerations touching the usefulnesse of experimental naturall philosophy. [bound with] certain physiological essays. Oxford 1663. Cassius, Andreas: De extremo illo et perfectissimo naturae opificio ac principe terraenorum sidere auro. Hamburg 1685. Charpentier de Cossigny, Jean-François: Extrait d’une lettre écrite de Besançon à M. de Réaumur le 29 novembre 1743 sur la grotte qui se trouve à quelque distance de Besançon et qu’on et nomme la glacière. In: Mémoires de mathématique et de physique, présentés à la Académie royale des sciences par divers savants et lûs dans les assemblées, t. I, 1750, pp. 195–211. Delius, Christoph Traugott: Anleitung zu der Bergbaukunst nach ihrer Theorie und Ausübung. Wien 1773. Desideri, Ippolito: Bibliotheca Pistoriensis a Francisco Antonio Zacharia … Descripta. Torino 1752, pp. 185–186. Ercker, Lazarus: Aula Subterranea Domina Dominantium Subdita Subditorum. Das ist: Untererdische Hofhaltung / Ohne welche weder die Herren regieren / noch die Unterthanen gehorchen können. Frankfurt/M. 1672. Georgi, Johann Gottlieb: Zur Geschichte des Russischen Bergbaues und Hüttenwesens. In: Geographisch-physikalische und naturhistorische Beschreibung d. Russ. Reiches zur Uebersicht bisheriger Kenntnisse von demselben, Teil 1. Königsberg 1797. Henckel, Johann Friedrich: Flora Saturnizans, Die Verwandschafft Des Pflanzen mit dem Mineral-Reich nach der Natural-Historie und Chymie aus vielen Anmerckungen und Proben, Nebst einem Anhang vom KALI GENICULATO GERMANORUM oder Gegliederten Saltz-Kraut. Insonderheit Von einer hieraus neu-erfundenen dem allerschönsten Ultramarin gleichenden Blauen Farbe. Leipzig 1722. Henckel, Johann Friedrich: Pyritologia, Oder: Kieß-Historie. Als des vornehmsten Minerals, Nach dessen Nahmen, Arten, Lagerstätten, Ursprung, Eisen, Kupffer, unmetallischer Erde, Schwefel, Arsenic, Silber, Gold, einfachen Theilgen, Vitriol und Schmeltz-Nutzung, Aus vieler Sammlung, Gruben-Befahrung, Umgang und Brief-Wechsel mit Natur- und Berg-Verständigen, vornehmlich aus Chymischer Untersuchung, mit PhysicalischChymischen Entdeckungen, nebst lebhaften und nöthigen Kupffern, wie auch einer Vorrede Vom Nutzen des Bergwercks, insonderheit des Chur-Sächsischen, gefertiget von
338
Anhang
D. Johann Friedrich Henckel, Königl. Poln. und Kurfürstl. Sächs. Land- Berg- und StadtPhysico in Freyberg. Leipzig 1725. Henckel, Johann Friedrich: Von dem Ursprung der Steine. Dresden und Leipzig 1744. Henckel, Johann Friedrich: Kleine mineralogische u. chymische Schriften, auf Gutbefinden des Herrn Autoris, nebst einer Vorrede von den Bergwercks-Wißenschafften zu Vermehrung der Cameral-Nutzungen, und mit Anmerckungen herausgegeben von Carl Friedrich Zimmermann. Dresden und Leipzig 1744. Henckel, Johann Friedrich: Henckelius In Mineralogia Redivivus. Das ist Hencklischer aufrichtig und gründlicher Unterricht von der Mineralogie oder Wissenschaft Von Wassern, Erdsäften, Salzen Erden, Steinen und Erzen: Nebst angefügtem Unterrichte von der Chymia Metallurgica wie selbigen der wohlselige Herr Bergrath, Johann Friedrich Henckel, sowohl seinen in der Mineralogie und Chymie gehabten Scholaren discursive ertheilet, als auch der Nachwelt zum Dienst in Manuscripto hinterlassen. Dreßden 1759. Henckel, Johann Friedrich: Mineralogische, Chemische und Alchymistische Briefe von reisenden und anderen Gelehrten an den ehemaligen Chursächsischen Bergrath J. F. Henkel. Bde. 1 u. 2: Dresden 1794, Bd. 3: Dresden 1795. Hermann, Benedict Franz Johann von: Statistische Schilderung von Russland, in Rücksicht auf Bevölkerung, Landesbeschaffenheit, Naturprodukte, Landwirthschaft, Bergbau, Manufakturen und Handel. St. Petersburg 1790. Hermann, Benedict Franz Johann von: Ueber die Entstehung der Gebürge, und ihre gegenwärtige Beschaffenheit. Leipzig 1797. Kern, Johann Gottlieb: Unterricht vom Bergbau nebst dazugehörigen Rißen. 1. Ausführlicher und gründlicher Bericht vom Berg-Bau. Freiberg 1740. Krafft, Georg Wolfgang: Hrn. Georg Wolfgang Kraffts Kurtze Einleitung zur mathematischen und natürlichen Geographie, nebst dem Gebrauch der Erd-Kugeln und Land-Charten, zum Nutzen der Rußischen studirenden Jugend. St. Petersburg 1738. Krünitz, Johann Georg: Oekonomische Encyklopädie. Berlin 1773–1858. Lehmann, Johann Gottlob: Specimen orographiae generalis (Versuch einer allgemeinen Orographie). St. Petersburg 1762. Lehmann, Johann Gottlob: Versuch einer Geschichte von Flötz-Gebürgen, betreffend deren Entstehung, Lage, darinne befindliche Metallen, Mineralien und Foßilien, gröstentheils aus eigenen Wahrnehmungen, chymischen und physicalischen Versuchen, und aus denen Grundsätzen der Natur-Lehre hergeleitet, und mit nöthigen Kupfern versehen, von D. Johann Gottlob Lehmann. Berlin 1756. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Protogæa oder Abhandlung von der ersten Gestalt der Erde und den Spuren der Historie in den Denkmaalen der Natur : Aus seinen Papieren herausgegeben von Christian Ludwig Scheid. Aus dem Lateinischen ins Teutsche übersetzt. Leipzig 1749. Löhneiß, Georg Engelhard(t): Bericht vom Bergwerck, wie man dieselben bawen vnd in guten wolstande bringen sol, sampt allen dazu gehörigen arbeiten, ordnung und Rechtlichen processen durch G. E. Löhneyß (o.O. 1650). Mariotte, Edme: Traité du mouvement des eaux et autres corps fluides divisé en V parties. Paris 1686. Mathesius, Johann: Sarepta Oder Bergpostill Sampt der Jochimßthalischen kurtzen Chroniken. Nürnberg 1562. Maupertuis, Pierre Louis Moreau de: Eléments de la géographie. Paris 1742. Novi commentarii academiae scientiarum imperialis Petropolitanae. T 1 – 20. Petropoli 1750–1776.
Quellen und Literatur
339
Oppel, Friedrich Wilhelm: Bericht vom Bergbau. Freiberg 1769. Pallas, Peter Simon: Reise durch verschiedene Provinzen des Rußischen Reichs. St. Peterburg 1771–1776. Rösler, Balthasar: Speculum Metallurgiae Politissimum. Oder: Hell-polierter Berg-Bau-Spiegel. Dresden 1700. Ryčkov, Nikolaj: Tagebuch über seine Reise durch verschiedene Provinzen des rußischen Reichs: in den Jahren 1769, 1770, und 1771. Riga 1774. Stählin, Jacob: Originalanekdoten von Peter dem Großen. Leipzig 1785. Stenonis, Nicolai: De solido intra solidum naturaliter contento dissertationis prodromus. Florentiae 1669. Swedenborg, Emanuel: Regnum subterraneum, sive minerale de ferro. Dresden u. Leipzig 1734. Tentzel, Wilhelm Ernst: Epistola de sceleto elephantino, Tonnae nuper effoso. Jena 1696. Thümmig, Ludwig Philipp: Allerhand nützliche Versuche, dadurch zu genauer Erkänntnis der Natur und Kunst der Weg gebähnet wird. Halle 1721–1723. Thümmig, Ludwig Philipp: Institutiones philosophiae Wolfianae. Frankfurt/M., Leipzig 1725–1726. Voigtel, Nicolaus: Geometria Subterranea oder Marckscheide-Kunst. Eisleben 1686. Wolff, Christian: Vollständiges Mathematisches Lexicon, Darinnen alle Kunst=Wörter und Sachen, Welche In der erwegenden und ausübenden Mathesi vorzukommen pflegen, deutlich erkläret, Uberall aber Zur Historie der Mathematischen Wissenschafften dienliche Nachrichten eingestreuet, Und die besten und auserlesensten Schrifften, welche jede Materie gründlich abgehandelt, angeführet; Ferner auch Die Mund- und Redens-Arten der Marckscheider, auch hieher gehöriger Künstler und Handwercker beschrieben; Und endlich alles zum Nutzen so wohl gelehrter als ungelehrter Liebhaber der vortreflichen Mathematik eingerichtet worden. Leipzig 1734.
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Namenregister Agricola, Georgius (1494–1555) 1, 18, 34, 36, 37, 41, 64, 104, 110, 132, 143, 149, 150, 155, 161, 217 Aleksej Michajlovič (1629–1676) 307 Aleksej Petrovič (1690–1718) 5 Alexander der Große (356–323 v. Chr.) 305 Amman, Johann (1707–1740) 19, 330 Augustinus von Hippo (354–430) 306
Elisabeth I. (Elizaveta Petrovna Romanova, Kaiserin von Russland, 1709–1762) 22, 28, 88, 101, 332, 333 Engel, Frank-Michael (*1944) VII Epinus, Franz Ulrich Theodor (1724–1802) 32 Ercker, Lazarus (um 1528–1594) 36, 38, 110 Euler, Leonhard (1707–1783) 32, 52, 53, 327, 332
Bacmeister, Hartwig Ludwig Christian (1730–1806) 54, 334 Becher, Johann Joachim (1635–1682) 124 Berg, Ernst von (1782–1855) 54 Beyer, August (1677–1753) 17, 36 Boerhaave, Herman (1668–1738) 107 Borelli, Giovanni Alfonso (1608–1679) 81 Boyle, Robert (1627–1692) 50, 52, 290 Braun, Joseph Adam (1712–1768) 26, 32 Bravais, Auguste (1811–1863) 43 Bromell, Magnus von (1679–1731) 48 Bubnoff, Serge von (1888–1957) 55, 56 Buffon, Georges Louis Leclerc de (1707–1788) 2, 56
Fischer, Johann Eberhard (1697–1771) 31 Flasch, Carl Gottlieb (1704–1754) 17 Friedrich August von Sachsen (August II., gen. August der Starke, 1670–1733) 5, 12 Friedrich II. (Herzog von Sachsen-GothaAltenburg, 1693–1732) 242 Friedrich IV. (dän. König, 1671–1730) 108 Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) 6 Füchsel, Georg Christian (1722–1773) 3
Cassini, Giovanni Domenico (1625–1712) 235, 236 Cassius, Andreas (um 1600–1673) 123, 124 Charlotte Christine von BraunschweigWolfenbüttel (1694–1715) 5 Charpentier de Cossigny, Jean-François (1736–1809) 74 Charpentier, Johann Friedrich Wilhelm von (1738–1805) 48 Cicero, Marcus Tullius (106–43 v. Chr.) 81 Dana, James Dwight (1813–1895) 121 Delius, Christoph Traugott (1728–1779) 2 Demidov, Akinfij Nikitič (1678–1745) 15 Diels, Hermann (1848–1922) 138 Diodor von Sizilien (1. Jhd. v. Chr.) 306 Duysing, Justin Gerhard (1705–1761) 9 Élie de Beaumont, Jean-Baptiste Armand Louis Léonce (1798–1874) 279
https://doi.org/10.1515/9783110424065-020
Georgi, Johann Gottlieb (1729–1802) 54 Gercen (Herzen), Alexandr Ivanovič (1812–1870) 24, 25 Gmelin, Johann Georg (1709–1755) 19, 53 Goebel, Friedemann Adolph (1826–1895) 19, 20 Grundig, Christoph Gottlob (1707–1780) 14, 17 Gur’ev, Michael Michajlovič (1710–1780) 31 Henckel, Johann Friedrich (1678–1744) VI, 5, 10, 11, 12, 13, 14, 17, 18, 25, 26, 31, 32, 33, 126, 166, 254, 270, 284, 329, 330 Hermann, Benedict Franz Johann von (1755–1815) 54, 55 Herodot (490/480–um 424 v. Chr.) 305 Hieronymus (347–420) 306 Hoffmann, Peter (*1924) VII, 4, 27, 52, 53, 327, 329 Hooke, Robert (1635–1703) 3 Horaz (Quintus Horatius Flaccus, 65–8 v. Chr.) V Hutton, James (1726–1797) 56 Kant, Immanuel (1724–1804) V, 6
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Anhang
Katharina II. (Jekaterina Alekseevna, gen. die Große, 1729–1796) 47, 96, 331 Kern, Johann Gottlieb (?–1745) 2, 17 Keßler von Sprengseysen, Christian Friedrich (1730–1809) 55 Klotzsch, Johann Andreas (1709–1777) 17 Konfuzius (551–479 v. Chr.) 6 Korff, Johann Albrecht von (1697–1766) 9, 14 Korovin, German Michajlovič (1910–1958) 15 Kotel’nikov, Semjon Kirillovič (1723–1806) 32 Kozickij, Grigorij Vasil’evič (1724–1775) 32 Krafft, Georg Wolfgang (1701–1754) 20, 270 Kühnal, Olga (*1951) VI La Hire, Philippe de (1640–1718) 154 Lange, Karl Nikolaus (1670–1741) 270 Lehmann, Johann Gottlob (1719–1767) 3, 32, 278 Leibniz, Gottfried Wilhelm von (1646–1716) 3, 6, 7, 8 Löhneiß, Georg Engelhard(t) von (1552–1622) 36, 39, 41, 110 Lomonosov, Johannes (1742–1742) 330 Lomonosov, Katharina Elisabeth (1739–nach 1743) 329, 330 Lomonosov, Michail Vasil’evič (1711–1765) V, VI, VII, IX, XI, 1, 2, 4, 5, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 14, 15, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 52, 53, 54, 55, 56, 59, 61, 62, 63, 64, 66, 76, 78, 79, 85, 89, 93, 96, 97, 102, 105, 106, 109, 110, 114, 126, 137, 143, 150, 161, 164, 166, 195, 217, 219, 226, 229, 241, 255, 262, 270, 271, 278, 284, 291, 309, 319, 327, 329, 331, 334, 335, 336 Lomonosova, Elena Michajlovna (1749–1772) 330 Lukrez / Titus Lucretius Carus (99/94–55/53 v. Chr.) 138 Lyell, Charles (1797–1875) 40, 43, 56 Mariotte, Edme (1620–1684) 154 Mathesius, Johannes (1504–1565) 16 Meuder, Ernst Peter (1675–1741) 11 Meyer, Bernd (*1952) VII
Mohyla, Petro (1596–1647) 4, 329 Moiseenko, Fedor Petrovič (1754–1781) 56 Möller, Andreas (1598–1660) 15 Moro, Anton Lazzaro (1687–1764) 55 Motonis, Nikolaj Nikolaevič (?–1787) 32 Müller, Gerhard Friedrich (1705–1783) 25, 333 Nikolaus I. (1825–1855) 106 Nikon (Nikita Minin, 1605–1681) 307 Noël, François (1651–1729) 6 Oppel, Friedrich Wilhelm von (1720–1769) 2, 42 Otto I. (der Große, 912–973) 137 Pallas, Peter Simon (1741–1811) 53 Pander, Christian Heinrich von (1794–1865) 54 Peter I. (der Große, 1672–1725) 4, 5, 6, 8, 10, 17, 23, 91, 101, 108, 333, 334 Peter III. (Kaiser, 1728–1762) 96 Plato (428/427–348/347 v. Chr.) 70 Plinius der Ältere (23/24–79) 69, 71, 262, 298 Protasov, Aleksej Protasevič (1724–1796) 32 Puškin, Alexandr Sergeevič (1799–1837) 24 Raiser, Ulrich (1718–1762) VI, 5, 9, 329 Raiser, Vinzenz (um 1680–1755) 5 Renovantz, Hans Michael (1744–1798) 57, 58 Reuss, August Emanuel Rudolf (1811–1873) 48 Romé de l’Isle, Jean-Babtiste Louis (1736–1790) 43 Rösler, Balthasar (1605–1673) 41 Ryčkov, Nikolaj Petrovič (1746–1784) 54 Sabel’nikov, Semen Nikitič (17./18. Jhd.) 329 Šafranovskij, Illarion Ilarionovič (1907–1994) 56 Schiffner, Carl (1865–1945) 56, 57 Schramm, Dietmar H. (*1944) VII Schumacher, Johann Daniel (1690–1761) 17, 52 Sevastjanov, Alexandr Fedorovič (1771–1824) 56
Namenregister
Severgin, Vasilij Michajlovič (1765–1826) 48, 49, 54, 56 Severus, Cornelius (1. Jhd. v. Chr.) 81 Silanus, Marcus Iunius (14–54) 69 Sokolov, Dmitri Ivanovič (1788–1852) 56 Stählin, Jacob von (1709–1785) 31, 96 Stein, Christine (*1951) VII Stensen, Nicolaus (Niels) (1638–1686) 3, 43 Šubnoj, Ivan (17./18. Jhd.) 329 Šuvalov, Ivan Ivanovič (1727–1797) 330 Swedenborg, Emanuel (1688–1772) 36 Taubert, Johann Kaspar (1717–1771) 31, 96 Tentzel, Wilhelm Ernst (1659–1707) 242 Theophilius, Bischof von Antiochia (?–183) 306 Thümmig, Ludwig Philipp (1697–1728) 22 Vernadskij, Vladimir Ivanovič (1863–1945) 15, 45, 48
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Vinogradov, Dmitrij Ivanovič (1720–1758) VI, 5, 9, 17, 329 Voigtel, Nicolaus (1658–1713) 161 Wargentin, Pehr Wilhelm (1717–1783) 46 Wedel, Georg Wolfgang (1645–1721) 11 Werner, Abraham Gottlob (1749–1817) 43, 44, 55 Wolff, Christian (1679–1754) 6, 8, 9, 14, 19, 22, 329 Zeiher, Johann Ernst (1725–1784) 32 Zeisig, Johann Caspar (1676–1755) 17 Zilch, Elisabeth Christine (1720–1766) 330 Zilch, Hans (1719–nach 1783) 330 Zilch, Heinrich (gest. vor 1736) 330 Zilch, Katharina Elisabeth (geb. Sergel, 17./18. Jhd.) 330