Saul: Israels König in Tradition, Redaktion und früher Rezeption. Habilitationsschrift 9783161536847, 9783161536854, 3161536843

In dieser Studie fragt Hannes Bezzel nach Saul, dem ersten König Israels, nicht als einer historischen Gestalt der "

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German Pages 303 [316] Year 2015

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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte
2.1 Was heißt „frühe Rezeptionsgeschichte“?
2.2 „Fürst“, „Gesalbter“, „König“ – Saul bei Ben Sira
Exkurs: Anfang und Ziel der Laus Patrum
2.3 „Der(,) den Saul schlug“ – Saul in den nichtbiblischen Schriften von Qumran
2.4 „Der sie vertilgen wird, und später wird er selbst vertilgt werden“ – Saul im Liber Antiquitatum Biblicarum
2.4.1 Von Adam bis Saul? Die Frage nach dem Ziel von LibAnt
2.4.2 Rewriting Saul: Verschweigen
2.4.3 Rewriting Saul: Ergänzungen und Querverweise
2.4.4 Pseudo-Philos Saul – Zusammenfassung
2.5 „Ein Jüngling von hervorragender Gestalt und großem Wuchs, von Gesinnung und Verstand aber noch besser als nach den sichtbaren Qualitäten“ – Saul bei Flavius Josephus
2.5.1 Josephus’ Antiquitates Judaicae und Pseudo-Philos Liber Antiquitatum Biblicarum
2.5.2 Rewriting Saul: Narrative Mikrokorrekturen
2.5.3 Rewriting Saul: Explizite Kommentare
2.5.4 „Ewiges Gedächtnis“. Saul bei Josephus – Zusammenfassung
2.6 Saul in der „frühen Rezeptionsgeschichte“ – Resümee
3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“ – Saul in I Chr
3.1 Saul in I Chr – die innerchronistischen Fragen
3.2 Saul in I Chr – das Verhältnis zu I Sam
Exkurs: Saul und Goliath – Das Verhältnis von I Chr 10 zu I Sam 17
3.3 Saul in I Chr – Zusammenfassung
4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende
4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1
4.1.1 Gilboa – Eine Ellipse mit zwei Brennpunkten
4.1.2 Das literarische Verhältnis von I Sam 31 zu II Sam 1
4.1.3 I Sam 31: Der Abschluß
4.1.4 II Sam 1: Der Übergang
4.1.5 Das Ende in I Sam 31–II Sam 1 – Zusammenfassung
4.2 Das Ende vor dem Ende: I Sam 14,47–51
4.3 Das Ende Sauls in I Sam – Zusammenfassung
5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang
5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16
5.1.1 I Sam 9,1–10,16 – Die Frage nach der Grundschicht
5.1.2 I Sam 9,1–10,16 – Die Erweiterungen
5.1.3 I Sam 9,1–10,16 – Zusammenfassung
5.2 Der Anfang vor dem Anfang: I Sam 1
5.2.1 I Sam 1 – ein narrativ gefaßter Klagepsalm
5.2.2 I Sam 1 – Grundschicht und Ergänzungen
5.2.3 I Sam 1 – Zusammenfassung
5.3 Der doppelte Anfang – Konsequenzen
6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung
6.1 Esel – Ammoniter – Königtum: Die ältere Saulüberlieferung
6.1.1 I Sam 11 als direkte Fortsetzung von I Sam 9,1–10,16*
6.1.2 Die ältere Saulüberlieferung – Zusammenfassung
6.2 Samuel – Lade – Philister: Die erweiterte Saulüberlieferung
6.2.1 Saul, Jonatan und die Philister: I Sam 13–14
6.2.2 Die erweiterte Saulüberlieferung – Zusammenfassung
7. Saul in Redaktion und Rezeption – Resümee
Anhang: Textbearbeitungen aus Sam
Literaturverzeichnis
A. Textausgaben
B. Hilfsmittel
C. Sekundärliteratur
Stellenregister
1. Biblische Bücher
2. Qumranisches Schrifttum
3. Jüdisch-hellenistische Schriften und Autoren
4. Griechisch-römische Schriftsteller
Personenregister
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Saul: Israels König in Tradition, Redaktion und früher Rezeption. Habilitationsschrift
 9783161536847, 9783161536854, 3161536843

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Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Konrad Schmid (Zürich) · Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)

97

Hannes Bezzel

Saul Israels König in Tradition, Redaktion und früher Rezeption

Mohr Siebeck

Hannes Bezzel, geboren 1975; 2007 Promotion; 2014 Habilitation; seit 2010 Juniorprofessor für Altes Testament an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT.

e-ISBN PDF 978-3-16-153685-4 ISBN 978-3-16-153684-7 ISSN 0940-4155 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ biblio­­graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­­­­ verfilmungen und die Einspeicherung und Ver­arbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Times New Roman und der Frank Ruhl gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Für Anne, Lea, Mirjam und Friedemann

Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Wintersemester 2013/14 von der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Habilitationsschrift angenommen. Der erste Dank gilt daher den drei Gutachtern in diesem Verfahren, Prof. Dr. Uwe Becker (Jena), Prof. Dr. Reinhard G. Kratz (Göttingen) und Prof. Dr. Karl William Weyde (Oslo). Für die Aufnahme in die Reihe der „Forschungen zum Alten Testament“ danke ich den Herausgebern, Prof. Dr. Konrad Schmid, Prof. Dr. Mark S. Smith und Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann ­Spieckermann. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verlags Mohr Siebeck haben in kurzer Zeit in sorgfältiger Arbeit aus einem bloßen Manuskript ein schönes Buch gemacht. Für das große Entgegenkommen und die begleitende Unterstützung im Publikationsprozeß danke ich daher Dr. Henning Ziebritzki, Bettina Gade, Kendra Mäschke und Simon Schüz. Beim Korrigieren der Fahnen unterstützte mich der genaue Blick von Baccalaureus André Zempelburg, bei der Erstellung des Registers half Stud. theol. Simon Büchner. Die VG WORT unterstützte die Produktion des Buches durch die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Wie jedes Buch, so hat auch dieses eine Vorgeschichte. Es gäbe diese Arbeit zu Saul nicht ohne die vielen Gespräche, Diskussionen und Debatten mit Freundinnen wie Freunden, Kolleginnen wie Kollegen. Nennen möchte ich die Teilnehmer am Göttinger und Jenaer Oberseminar – genannt fühlen mögen sich bitte auch all die anderen. Dies gilt auch für die vielen, die mich vor, während und nach der Habilitation gefördert, begleitet und unterstützt haben. !‫תודה רבה‬ Erfurt, im Februar 2015

Hannes Bezzel

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.1 Was heißt „frühe Rezeptionsgeschichte“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 „Fürst“, „Gesalbter“, „König“ – Saul bei Ben Sira . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Anfang und Ziel der Laus Patrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 „Der(,) den Saul schlug“ – Saul in den nichtbiblischen Schriften von Qumran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 „Der sie vertilgen wird, und später wird er selbst vertilgt werden“ – Saul im Liber Antiquitatum Biblicarum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Von Adam bis Saul? Die Frage nach dem Ziel von LibAnt . . . 2.4.2 Rewriting Saul: Verschweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Rewriting Saul: Ergänzungen und Querverweise . . . . . . . . . . . 2.4.4 Pseudo-Philos Saul – Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 „Ein Jüngling von hervorragender Gestalt und großem Wuchs, von Gesinnung und Verstand aber noch besser als nach den sichtbaren Qualitäten“ – Saul bei Flavius Josephus . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Josephus’ Antiquitates Judaicae und Pseudo-Philos Liber Antiquitatum Biblicarum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Rewriting Saul: Narrative Mikrokorrekturen . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 Rewriting Saul: Explizite Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.4 „Ewiges Gedächtnis“. Saul bei Josephus – Zusammenfassung 2.6 Saul in der „frühen Rezeptionsgeschichte“ – Resümee . . . . . . . . . . .

8 13 13 27 38 38 42 47 56 58 58 60 64 75 78

3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“ – Saul in I Chr . 82 3.1 Saul in I Chr – die innerchronistischen Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Saul in I Chr – das Verhältnis zu I Sam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Saul und Goliath – Das Verhältnis von I Chr 10 zu I Sam 17 3.3 Saul in I Chr – Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 97 102 111

X

Inhaltsverzeichnis

4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Gilboa – Eine Ellipse mit zwei Brennpunkten . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Das literarische Verhältnis von I Sam 31 zu II Sam 1 . . . . . . . 4.1.3 I Sam 31: Der Abschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 II Sam 1: Der Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Das Ende in I Sam 31–II Sam 1 – Zusammenfassung . . . . . . . 4.2 Das Ende vor dem Ende: I Sam 14,47–51 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Das Ende Sauls in I Sam – Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .

114 114 119 126 131 139 142 147

5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 I Sam 9,1–10,16 – Die Frage nach der Grundschicht . . . . . . . . 5.1.2 I Sam 9,1–10,16 – Die Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 I Sam 9,1–10,16 – Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Der Anfang vor dem Anfang: I Sam 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 I Sam 1 – ein narrativ gefaßter Klagepsalm . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 I Sam 1 – Grundschicht und Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 I Sam 1 – Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Der doppelte Anfang – Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150 151 172 177 179 179 182 191 191

6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 6.1 Esel – Ammoniter – Königtum: Die ältere Saulüberlieferung . . . . . . 6.1.1 I Sam 11 als direkte Fortsetzung von I Sam 9,1–10,16* . . . . . 6.1.2 Die ältere Saulüberlieferung – Zusammenfassung . . . . . . . . . . 6.2 Samuel – Lade – Philister: Die erweiterte Saulüberlieferung . . . . . . 6.2.1 Saul, Jonatan und die Philister: I Sam 13–14 . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Die erweiterte Saulüberlieferung – Zusammenfassung . . . . . .

195 196 204 208 208 228

7. Saul in Redaktion und Rezeption – Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Anhang: Textbearbeitungen aus Sam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 A. Textausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 B. Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 C. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen in vorliegender Arbeit erfolgen nach: Siegfried M.  Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin / New York 21993 (IATG2). Bei Bibelstellen wurde der Modus der TRE eingehalten (vgl. IATG2, XXII), die Schreibweise der Eigennamen ist diejenige der Lutherbibel. Kolumnen‑ und Zeilenzählung der Hodayot (1QHa) richten sich nach: Hartmut Stegemann / Eileen Schuller, 1QHodayota with Incorporation of 1QHodayotb and 4QHodayota–f, DJD 40, Oxford 2009. In Klammern sind jedoch jeweils auch die beiden anderen verbreiteten Zählweisen angegeben, einmal, unter dem Sigel SE, nach: Florentino García Martínez / Eibert J. C.  Tigchelaar (Hg.), The Dead Sea Scrolls. Study Edition (2 Bde.), Leiden u. a. 1997/1998, sowie danach, eingeführt mit S, die der editio princeps durch E. L.  Sukenik, ‫( אוצר המגילות הגנוזות שבידי האוניברסיטה העברית‬The Dead Sea Scrolls of the Hebrew University), Jerusalem 1954, wie sie etwa der Ausgabe von Eduard Lohse, Die Texte aus Qumran. Hebräisch und deutsch. Mit masoretischer Punktation, Übersetzung, Einführung und Anmerkungen, Darmstadt 21971, zugrundeliegt.1 Darüber hinaus finden folgende Abkürzungen Verwendung: Aen. AJEC ArBG ArBib Arist.Po ATD.A BBR BCESS Bd’A BE Bibl.Interpr.S BibW BiGe CBET

P. Vergilivs Maro, Aeneis Ancient Judaism and Early Christianity Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte The Aramaic Bible Aristotelis De Arte Poetica Liber (hg. Rudolfus Kassel) Das Alte Testament Deutsch. Apokryphen Bulletin for Biblical Research Bibliothèque des Centres d’ Études Supérieures Spécialisés La Bible d’Alexandrie Biblische Enzyklopädie Biblical Interpretation Series Bibliotheca Weidmanniana Biblische Gestalten Contributions to Biblical Exegesis and Theology

1 Zur Forschungsgeschichte, die sich hinter dieser Numerierungsvielfalt verbirgt, vgl. Schuller, DJD 40, 1–11.

XII ChStHJ DCLS DCLY Dom. DSD DTMT EBR FAT II FJTC HDHL HThK.AT Il. JHS JSJ.S MJSt MuB NStK.AT OBC ÖBS OFAA OWH SBL.AIL SBL.ANEM SBL.RBS Shofar Sī nay StDSRL SThT TOBITH WUNT II

Abkürzungsverzeichnis

Chicago Studies in the History of Judaism Deuterocanonical and Cognate Literature Studies Deuterocanonical and Cognate Literature Yearbook C. Suetonius Tranquillus, De Vita Caesarum. Domitianus Dead Sea Discoveries Dictionaries of Talmud, Midrash and Targum Encyclopedia of the Bible and Its Reception Forschungen zum Alten Testament. Zweite Reihe Flavius Josephus Translation and Commentary The Historical Dictionary of the Hebrew Language Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament Homer, Ilias The Journal of Hebrew Scriptures Supplements to the Journal for the Study of Judaism Münsteraner Judaistische Studien Mitteilungen und Beiträge, Forschungsstelle Judentum Theologische Fakultät Leipzig Neuer Stuttgarter Kommentar. Altes Testament Orientalia Biblica et Christiana Österreichische Biblische Studien Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption Orientwissenschaftliche Hefte Society of Biblical Literature. Ancient Israel and Its Literature Society of Biblical Literature. Ancient Near East Monographs Society of Biblical Literature. Resources for Biblical Study Shofar. A Quarterly Interdisciplinary Journal of Jewish Studies ‫ למדע ולספרות‬,‫ ירחון דתי לאומי לתורה‬.‫סיני‬ Studies in the Dead Sea Scrolls and Related Literature Studia Theologica – Teresianum Topoi Biblischer Theologie Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. Zweite Reihe

1. Einleitung Auch 3 000 Jahre nachdem ein Mann mit dem Namen Saul ben Kisch aus Benjamin mutmaßlich im zentralpalästinischen Hügelland lebte und wirkte, vermag seine Gestalt noch zu polarisieren und die Gemüter zu bewegen. Kritische Exegese ebenso wie kritische Geschichtsschreibung des antiken Israel stehen nach wie vor und erneut vor der scheinbar einfachen Frage: Wer war Saul? Selbst der scheinbar belanglose und überdies gesicherte Aspekt seiner tradierten Herkunft birgt Zündstoff für Debatten. Die Überlieferungen über Saul im ersten Samuelbuch verorten seine Heimat im Stamm Benjamin – aber zu welchem „Staat“ oder Einflußbereich ist dieses Gebiet zu dem Zeitpunkt zu rechnen, als die Geschichten über den Helden und König erzählt und aufgeschrieben werden? Spiegelt sich in ihnen ein judäischer Blick auf die Geschichte1 oder hat man es primär mit israelitischer Literatur aus dem sogenannten „Nordreich“ zu tun?2 Für Na’aman etwa sind „the stories of Saul and his house […] no less Judahite than those of David“3 – Finkelstein dagegen interpretiert den spärlichen archäologischen Befund dahingehend, daß das fragliche Gebiet die meiste Zeit israelitisch beherrscht war: „The Saul Cycle in I Samuel preserves memories of a northern polity in the highlands of Benjamin and Ephraim“.4 Wer war Saul? Saul ben Kisch aus Benjamin erweist sich als eine schwer zu greifende Gestalt auf der Grenze – er bewegt sich im Raum zwischen Israel und Juda, wie er auch in der Darstellung des Erzählzusammenhangs der Vorderen Propheten auf der Grenze zwischen einer königslos theokratischen Richterzeit und der Einführung der Monarchie als Regierungsform in Israel erscheint. Wer dieser Saul „tatsächlich“ war, läßt sich aus den Geschichten, die von ihm überliefert sind, nicht rekonstruieren. „Die Zeiten, da von der Historizität der biblischen Berichte ausgegangen wurde und die Archäologie allenfalls zu 1 Vgl. für diese Position Na’aman, Saul I; ders., Saul II, der mit Nachdruck dafür eintritt, daß Benjamin nicht nur in der späteren Königszeit, sondern auch schon wesentlich früher zu Juda gezählt habe. 2 Vgl. für diese traditionelle Sichtweise die Replik Finkelsteins auf Na’aman: Finkelstein, Saul, insbesondere 365. 3 Na’aman, Saul II, 347. 4 Finkelstein, Saul, 361. Die Na’aman-Finkelstein-Kontroverse ist ein hervorragendes Lehrstück dafür, wie eine jeweils unterschiedliche Gewichtung des Verhältnisses von archäologischem Befund und Schriftauslegung für die Rekonstruktion der Geschichte Israels zu weit auseinander liegenden Ergebnissen führen kann.

2

1. Einleitung

ihrer Bestätigung gebraucht wurde, sind vorbei.“5 Gleiches sollte konsequenterweise jedoch auch in umgekehrter Richtung gelten: Die biblischen Schriften können nicht (mehr) ohne weiteres zur Untermauerung der Interpretation archäologischer Funde dienen. Auch in der Archäologie des Vorderen Orients hat ein methodischer Paradigmenwechsel stattgefunden, der demjenigen, den die „historische Exegese“ des Alten Testaments erfahren hat, durchaus vergleichbar ist. Gerade Tell el-Ful, spätestens6 seit Albright mit dem biblischen Gibea Benjamins identifiziert,7 gibt mit seiner seither berühmten „Residenz Sauls“ ein hervorragendes Beispiel. Finkelstein unterzieht die dortigen Grabungsbefunde einer kritischen relecture und kommt zu einem womöglich ernüchternden Ergebnis: Durch den Vergleich mit anderen Bauten ähnlichen Typs bestimmt er das, was man als Königshof des ersten israelitischen Monarchen sich vorzustellen gewohnt war, schlicht als typischen assyrischen Wachtposten aus der EisenII-C-Epoche.8 „[T]here never was a large Iron I fortress at Tell el-Ful. Saul’s headquarters is gone.“9 Neben anderem hat diese Neuinterpretation des Tells durch Finkelstein im Jahr 2011 auch eine aktuelle, tagespolitische Dimension: Im Winter 2009–2010 wurde innerhalb Israels „a heated discussion“10 um die Frage geführt, ob der Haltepunkt der neuen Jerusalemer S-Bahn (‫ )הרכבת הקלה בירושלים‬in Shuafat, der Tell el-Ful am nächsten liegt, den Namen Givʿat Binyamin tragen solle. Begründet wurde dieser Vorschlag mit dem seit Albrights Ausgrabung unumstrittenen Charakter des Ortes als Sauls Hauptstadt,11 den Finkelstein nun – natürlich nicht unwidersprochen12 – infragestellt. Die Bedeutung von Finkelsteins Lesart des archäologischen Befundes geht jedoch über die politische wie geschichtshermeneutische Frage hinaus, inwieweit und in welchen Kontexten heutige Ortschaften mit Namen aus der biblischen Überlieferung belegt werden könnten oder dürften. Sie zeigt überdies zum einen generell, wie diffizil die Interaktion von Archäologie und Exegese ist und zum  5 Dietrich / Münger,

Herrschaft Sauls, 40. vor Albright war Tell el-Ful der wichtigste Kandidat für die Identifikation mit Gibea, vgl. dazu Harris, Albright’s Identification, 19 f.  7 Vgl. Albright, Excavations and Results, 28–43.  8 Finkelstein, Tell el-Ful, 112.  9 A. a. O., 110. Finkelstein bezieht sich mit dieser Formulierung direkt auf Albright, der die Ausgrabung von Tell el-Ful mit den Samuelbüchern als Hintergrund wie folgt interpretiert: „Gibeah played an important rôle in the Philistine war, when it served as Saul’s headquarters for a time, and its commanding watch-tower enabled him to follow military operations at a distance. The fortress of the second period, which we excavated, also served in all probability as Saul’s residence“ (Albright, Excavations and Results, 51). 10 Kofoed, Cultural Memory, 124. 11 Vgl. ebd. Seit 2011 ist die Linie tatsächlich in Betrieb – die fragliche Haltestelle scheint den Ortsnamen Shuafat zu tragen (vgl. en.wikipedia.org / wiki / Jerusalem_Light_Rail [Stand: 03. 01. 2014]). 12 Vgl. Harris, Albright’s Identification.  6 Bereits

1. Einleitung

3

anderen konkret, daß der Nebel, der den „historischen Saul“ umgibt, nicht nur seitens einer ihrer Möglichkeiten und Grenzen bewußten Exegese, sondern auch archäologisch nicht zu durchdringen ist. Mit diesem „ignoramus“ soll nun freilich keinesfalls behauptet werden, einen Saul ben Kisch aus Benjamin habe es nie gegeben. Vielmehr entpuppt sich die Frage „wer war Saul?“, historisch gestellt, zwar als überaus spannend, aus den vorhandenen Quellen jedoch als nicht zu beantworten.13 Von Walter Dietrich stammt das Bonmot: „Wenn es Saul nicht gegeben hätte, wäre er nicht erfunden worden“.14 Er begründet diese Aussage mit den Problemen, welche die sperrige und ambivalente Gestalt des ersten Königs Israel späteren Überlieferern und Redaktoren offensichtlich bereitete.15 Nun kann man freilich hinterfragen, ob dieser schwierige Charakter der Erzählfigur Saul in Auseinandersetzung mit David tatsächlich bereits die ältere Überlieferung prägt oder ob nicht gerade hierin bereits ein Folgeproblem literarischer Überarbeitung liegt – die folgende Untersuchung wird eher in diese Richtung weisen. Unbenommen davon ist ein Umstand deutlich: Es „gibt“ Saul nur als literarische Gestalt, und dies wiederum nur im Plural zahlreicher übereinanderliegender und aufeinander aufbauender Bilder von Bildern. Unter dieser Vorgabe läßt sich Dietrichs Diktum aufgreifen und modifizieren: Weil es Saul gab, mußte er immer wieder erfunden werden. Freilich will „erfunden“ in diesem Zusammenhang in einem weiteren Sinne verstanden werden als er die Dietrichsche Formulierung zu bestimmen scheint. Er soll nicht die Unterscheidung einer Person der Geschichte von einer bloßen Phantasiefigur markieren, sondern im älteren Wortsinn gebraucht werden, der gerade im Partizip Passiv eine große Nähe zum bloßen „finden“ aufweist: „Jemand wird als etwas erfunden“, im Sinne von „jemand erweist sich als etwas“.16 Die Gestalt Sauls wurde in der Überlieferung vorgefunden und indem sie gefunden wurde, wurde sie im interpretatorischen Akt zugleich als jemand oder etwas erfunden. Diese „Findungen“ oder „Erfindungen“ wurden ihrerseits Bestandteil der Überlieferung und damit Grundlage für weiteres produktives Lesen (lecture) und Wiederlesen (relecture) oder eben Finden und Erfinden. Das movens dieser fortgesetzten literarischen Entwicklung ist dabei kein anderes als das, welches bis zum heutigen Tag Leserinnen und Leser bewegt. Es ist die Frage: „Wer war Saul?“ 13 Zur methodischen Problematik einer historischen Rekonstruktion der Person Sauls vgl. Edelman, Saul ben Kish in History and Tradition, 142–148. Edelmans Fazit ist freilich wesentlich optimistischer als der Ansatz der vorliegenden Arbeit; vgl., anknüpfend an Edelman, auch Shalom Brooks, Saul and the Monarchy, 1–21. 14 Dietrich, Frühe Königszeit, 150. An anderer Stelle begegnet es leicht modifiziert und um den Königstitel ergänzt: „Hätte es König Saul nicht gegeben – er wäre nicht erfunden worden“ (Dietrich / Münger, Herrschaft Sauls, 39). 15 Vgl. ebd. 16 Vgl. J. u. W. Grimm, Deutsches Wörterbuch 3, 798 f.

4

1. Einleitung

Im Rahmen der biblischen Überlieferung führt dieser kreative exegetische Prozeß aus re-reading und re-writing zu einem komplexen Ergebnis. Eine Lesung des „Endtextes“ läßt es als kaum möglich erscheinen, selbst eine einfache Antwort auf die gestellte Frage zu geben. Leserin und Leser begegnen einem nicht nur ambivalenten,17 sondern geradezu einem polyvalenten Saul, sind sie in ihrer Lektüre mit ein wenig Empathie bei der Sache, werden sie in der Tat „einem Wechselbad der Gefühle unterworfen“.18 Es ist offensichtlich und unumstritten, daß Saul diese Polyvalenz redaktioneller Tätigkeit verdankt. Ebenso selbstverständlich ist es, daß der Vorgang des Findens und Erfindens Sauls innerhalb der Grenzen der sich allmählich ausdifferenzierenden „biblischen“ Kanones zu ihrem Ende kommt. Die Redaktionsgeschichte der biblischen Bücher läßt sich nicht scharf von ihrer Textgeschichte scheiden. Bereits Wellhausen stellte – mit Blick auf die Samuelbücher – fest, es sei „schwierig die Grenze zu finden, wo die Literarkritik aufhört und die Textkritik beginnt.“19 Spätestens die Funde der Schriftrollen vom Toten Meer, bei denen sich im Einzelfall – nicht zuletzt bei der Samuelhandschrift 4Q51 – nicht immer genau bestimmen läßt, ob es sich um eine „biblical“ oder „nonbiblical scroll“ handelt,20 haben Wellhausens methodologische These bestätigt. Die Einsicht, Textvarianten seien nicht ausschließlich als Resultat von Schreiberversehen zu betrachten, sondern auch auf mögliche redaktionskritische Implikationen hin zu befragen, hat nicht nur Eingang in die neuere Methodenlehre gefunden,21 sondern spiegelt sich – gerade mit Blick auf die Samuelbücher – in zahlreichen neueren Untersuchungen wider.22 Der Frage, wer Saul sei oder gewesen sei, wird freilich nicht nur über das Medium der Mikrokorrektur in den Schriften nachgegangen, die später „biblisch“ genannt werden, sie prägt auch seine Thematisierung – oder Nicht-Thematisierung – im Kontext dessen, was ex post als apokryphe Schriften, parabiblische Literatur, rewritten Bible oder frühe Kommentarwerke erscheint. Auch hier hat die Beschäftigung mit den Schriften vom Toten Meer den Blickwinkel geändert und den Horizont geweitet. Nicht zuletzt die Beschäftigung mit dem Phänomen von rewritten Bible23 zeigt, daß nicht nur die Motivation für Modifikationen gegenüber der jeweiligen Vorlage keine andere ist als diejenige, die bereits den „innerbiblischen“ Fortschreibungsprozeß bestimmt, sondern auch die jeweilige 17 Zur Ambivalenz als Deutekategorie für Saul vgl. Dietrich, König Saul, 133, und bereits Donner, Verwerfung, 258 f. 18 Hentschel, Saul, 11. 19 Wellhausen, Text, XI. 20 Vgl. unten S. 28 f. 21 Vgl. U. Becker, Exegese, 21 f. 22 Vgl. u. a. Schenker, Textverderbnis; Hutzli, Erzählung; ders., Theologische Textänderungen; Aejmelaeus, Corruption or Correction; Bezzel, Unterschiede; zu methodologischen Fragen Hugo, Septuaginta in der Textgeschichte; Schenker, Gegenargument. 23 Zur Diskussion um Möglichkeiten und Grenzen dieses Begriffs vgl. unten, S. 9–11.

1. Einleitung

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Methodik zuweilen durchaus vergleichbar ist:24 „Die Unterschiede zwischen all diesen verschiedenen Literaturen liegen […] nicht so sehr in der Hermeneutik und auch erst allmählich in der Methodik der Auslegung, sondern […] vor allem in den unterschiedlichen Zeiterfahrungen und theologischen Konzeptionen, die die Rezeption der älteren Überlieferung steuern.“25 Der Blick auf diese Schriften des Übergangs von „innerbiblischer“ zu „außerbiblischer“ Exegese ermöglicht es darum, redaktionelle Vorgänge in extrabiblischer Autorenliteratur wie den Antiquitates des Josephus ebenso zu erhellen wie Modelle für die literargeschichtliche Entstehung der biblischen Bücher selbst zu entwickeln und zu überprüfen. Auf ein Beispiel sei bereits vorausverwiesen: Nach seiner Darstellung von Sauls Massaker an den Priestern von Nob nach I  Sam 22 fügt Josephus in den Erzählfluß zwischen Ant 6,261 und Ant 6,269 einen Kommentar ein, der das Geschehen als Beispiel für die generelle menschliche Schwäche der Korrumpierbarkeit durch Macht interpretiert. Diese längere Abhandlung kommt genau innerhalb des Verses I Sam 22,20 zu stehen und wird vom Autor dadurch eingefügt, daß er sich der klassischen Technik der Wiederaufnahme bedient: Die Aufzählung der Opfer des Massakers, die in Ant 6,260 bereits zu lesen war, wird in 6,268 erneut und diesmal als Beleg für die These des Exkurses angeführt. Hier ist mit Händen zu greifen, wie im Rahmen der relecture überkommener Überlieferungsliteratur nicht nur die Einfügung kleinerer Marginal‑ oder Interlinearglossen, sondern auch weitaus umfangreicherer literarischer Elemente nicht zuletzt auch technisch vorzustellen ist. Der Blick auf die Rezeptionsgeschichte gewinnt so an Bedeutung für die Interpretation der auszulegenden Texte selbst. Tatsächlich zeichnet sich auch die jüngere Forschung zu den Samuelbüchern im allgemeinen und zu Saul im besonderen nicht zuletzt dadurch aus, daß wirkungsgeschichtliche Aspekte miteinbezogen werden. Bereits David Gunn eröffnet seine Untersuchung zur Gestalt Sauls mit Beobachtungen zu ihrer christlichen Rezeption von der Alten Kirche bis zur Reformation.26 Die Bearbeitung der Samuelbücher in der Reihe „Biblischer Kommentar“ durch Walter Dietrich schließlich zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, daß unter dem Abschnitt „Wort“ unter Einschluß ausgewählter ikonographischer Beispiele, also gewissermaßen in Wort und Bild, auch rezeptionshistorische Ausblicke von der Antike bis in die Gegenwart gewagt werden. Auch die beiden Werke zu Saul, welche in entscheidendem Maße den Anstoß zur Entstehung dieser Arbeit in ihrer vorliegenden Form gegeben haben, spannen den Bogen weit. Der von Carl S. Ehrlich und Marsha C. White herausgegebene Aufsatzband „Saul in Story and Tradition“ aus dem Jahr 2006 vereint die Beiträge von 18 Autorinnen und Autoren und reicht von archäologischen27 24 Vgl.

Kratz, Das Alte Testament und die Texte vom Toten Meer, 200. Suche nach Identität, 175 f. 26 Vgl. Gunn, The Fate of King Saul, 23 f. 27 Vgl. Faust, Settlement Patterns. 25 Kratz,

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1. Einleitung

und historischen28 Fragestellungen bis hin zu Erwägungen über moderne Literatur29 wie auch über den hörbaren Saul bei Händel30 und den sichtbaren Saul in den Bildern Rembrandts.31 Vergleichbar, doch aus einer Hand stammend, eröffnet auch die Monographie Georg Hentschels, „Saul. Schuld, Reue und Tragik eines Gesalbten“ von 2003, mit einer Einführung, die zunächst ein literargeschichtliches Modell zur Entwicklung der biblischen Saulüberlieferung, sodann einen Überblick über die historische Situation an der Wende vom zweiten zum ersten vorchristlichen Jahrtausend und schließlich hermeneutische Reflexionen darlegt.32 Nach dem am biblischen Text von I Sam 8 bis II Sam 1 entlanggehenden Hauptteil33 findet sich auch in diesem Werk ein Ausblick auf die Wirkungsgeschichte, der ebenfalls bis in das 20. Jahrhundert reicht.34 Demgegenüber fällt die Spannweite der vorliegenden Arbeit deutlich bescheidener aus. Das Themenfeld des „historischen Sauls“ bleibt aus den oben genannten Gründen unbearbeitet, Fragen zur Archäologie und Historie Zentralpalästinas im ersten vorchristlichen Jahrtausend werden lediglich am Rande berührt. Auch der rezeptionsgeschichtliche Blick reicht weniger weit: In den Fokus soll ausschließlich die „frühe“ Rezeptionsgeschichte bis etwa gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts genommen werden – zum einen aus pragmatischen Gründen, um die Fülle des Quellenmaterials einzuhegen und einer andernfalls nahezu zwangsläufig sich einstellenden Willkürlichkeit bei der Auswahl vorzubeugen, zum anderen aber auch deshalb, weil in diesem Zeitraum mit den Antiquitates des Josephus und dem Liber Antiquitatum Biblicarum des Pseudo-Philo die Literaturform der rewritten Bible zu einem Ende kommt, wenn auch ihre Methoden im späteren Midrasch weiterleben.35 Abgesehen von diesem schmäleren Blickwinkel unterscheidet sich die vorliegende Arbeit von den beiden genannten Werken auch durch ihren Aufbau. Sie beginnt nicht bei der biblischen Überlieferung oder ihren Vorstufen, um von hier ausgehend deren weitere Rezeption in den Blick zu nehmen, sondern geht den umgekehrten Weg. Von der Analyse des vielfältigen Bildes Sauls in der „frühen Rezeptionsgeschichte“ aus soll versucht werden, die Linien, welche dieses bestimmen, zu ihren Ursprüngen innerhalb der alttestamentlichen Schriften zurückzuverfolgen. Das entspricht der klassischen redaktionsgeschichtlichen Vorgehensweise, die vom überlieferten „Endtext“ ausgehend nach dessen literar‑ 28 Vgl.

Kreuzer, Saul – not always – at War. Nicholson, Catching. 30 Vgl. Bartelmus, Handel and Jennens’ Oratorio „Saul“. 31 Vgl. Epstein, Seeing Saul. 32 Vgl. Hentschel, Saul, 11–30. 33 Vgl. a. a. O., 31–205. 34 Vgl. a. a. O., 206–232. 35 Zur Begründung der Abgrenzung und Textauswahl für die „frühe Rezeptionsgeschichte“ vgl. das folgende Kapitel 2.1. 29 Vgl.

1. Einleitung

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und theologiegeschichtlicher Genese fragt. Gleichwohl wird der Ausgangspunkt der Analyse über die Grenzen späterer Kanones hinaus bis in die außerbiblische Literatur des ersten nachchristlichen Jahrhunderts verlegt. Damit soll der oben mit Blick auf das Phänomen der Überlieferungsvielfalt in den Schriften vom Toten Meer festgestellten Unabgeschlossenheit wie Kontinuität von re-reading und re-writing36 methodisch Rechnung getragen werden. So wird die Frage „wer war Saul?“ nach dem Versuch einer Klärung dessen, was der Begriff „frühe Rezeptionsgeschichte“ heißen kann und leisten soll, zunächst an die laus patrum Ben Siras, an die nichtbiblische Überlieferung in Qumran (4Q252), sowie an die rewritten Bibles Pseudo-Philos und Josephus’ gerichtet. Über die in gewisser Weise als Bindeglied fungierende Antwort der Chronik sollen schließlich die Samuelbücher in den Blick genommen werden, um zu versuchen, in ihnen zu dem Überlieferungskern vorzudringen, der als Stammvater oder Urmutter aller inner‑ wie außerbiblisch entwickelten Saulbilder gelten kann. Dies geschieht in dem Bewußtsein, daß alle Rekonstruktionen auf diesem Weg zugleich Konstruktionen, alle Findungen zugleich Erfindungen sind – Erfindungen freilich bevorzugt im oben dargelegten Sinne, die nicht mehr aber auch nicht weniger beanspruchen, als ein methodisch erarbeiteter Beitrag zu einer an der Sache interessierten wissenschaftlichen Diskussion zu gelten.

36 Vgl.

Kratz, Das Alte Testament und die Texte vom Toten Meer, 200.

2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte 2.1 Was heißt „frühe Rezeptionsgeschichte“? Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit eröffnet mit einem in vielerlei Hinsicht problematischen Begriff. Die Gestalt Sauls soll in ihrer „frühen Rezeptionsgeschichte“ untersucht werden  – aber was ist das? Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, daß unter dieser Rubrik im folgenden das Väterlob Ben Siras, der Qumrantext 4Q252, Pseudo-Philos Liber Antiquitatum Biblicarum und Josephus’ Antiquitates Iudaicae versammelt werden. Das läßt danach fragen, was diese vier Schriften zum einen miteinander verbindet und zum anderen von anderen Texten unterscheidet, in denen Person und Werk Sauls ebenfalls interpretiert werden. Bereits im Hinblick auf das Buch Jesus Sirach wird das methodische und terminologische Problem offensichtlich. Soll mit „früher Rezeption“ eine frühe außerbiblische Aufnahme und Interpretation des „biblischen“ Stoffs gemeint sein, so wird man Sirach gewiß nicht darunter führen können. Das Buch ist schließlich Teil des Septuaginta-Kanons und hätte wohl auch in den Tanak der Masoreten Eingang gefunden, hätte es sein Verfasser nicht unter eigenem Namen publiziert, sondern es pseudepigraph etwa der Autorschaft Salomos unterstellt.1 Wäre aber nun gerade in diesem namentlichen Bekenntnis zum eigenen literarischen Werk die differentia specifica zu sehen, durch welche sich die Art der Rezeption der überlieferten Geschichtsbücher bei Ben Sira, Josephus oder Pseudo-Philo etwa von der „innerbiblischen“, beispielsweise derjenigen der Chronik, unterscheiden sollte, so fiele der Beleg aus 4Q252 aus dem Rahmen – ganz abgesehen davon, daß auch der Liber Antiquitatum Biblicarum sich nicht selbst als Werk Philos oder gar „Pseudo-Philos“ ausgibt, sondern anonym verfaßt wurde. Das angenommene Alter der jeweiligen Schriften rechtfertigt die vorgenommene Einteilung ebenfalls nicht. Nimmt man für Ben Siras Werk eine Abfassung im zweiten Jahrhundert vor Christus an,2 so ist es wohl jünger als die Bücher der Chronik in ihren wesentlichen Redaktionsphasen. Es ist damit in seinem Grundbestand aber wohl zeitgenössisch mit, wenn nicht älter noch als jüngste 1 Vgl. Marttila, Foreign Nations, 10 f.; Sauer, Ben Sira, 17–19. Zu talmudischen Sirachzitaten und zur rabbinischen Debatte um den Status des Buches vgl. Marttila, Foreign Nations, 11, n. 30 und die dort aufgeführte Literatur. 2 Vgl. Sauer, Jesus Sirach, 489 f.; Skehan/ di Lella, Ben Sira, 9.

2.1 Was heißt „frühe Rezeptionsgeschichte“?

9

Fortschreibungen und Korrekturen innerhalb von Chronik‑ wie Samuelbüchern, die sich unter anderem in textkritischen Differenzen zwischen MT und LXX widerspiegeln.3 Auch gattungskritisch geht die vorgenommene Unterteilung nicht auf. Die Bücher der Chronik, Josephus’ Antiquitates und LibAnt, die einen Gesamtüberblick der göttlichen und menschlichen Geschichte von der Schöpfung bis zur jeweiligen Gegenwart geben,4 stehen hier als je eigene Ausformungen von rewritten Bible einander und auch dem Väterhymnus aus Sirach wesentlich näher als etwa dem Genesiskommentar 4Q252.5 Freilich spielt bei dieser Beurteilung auch eine Rolle, wie weit oder wie eng man den Begriff „rewritten Bible“ fassen möchte. Von Geza Vermes 1961 zunächst im Rahmen einer Untersuchung des spätmittelalterlichen ‫ספר הישר‬ eingeführt, ist der Terminus in den folgenden Jahrzehnten breit und höchst unterschiedlich rezipiert worden. Vermes selbst bezieht ihn ursprünglich auf haggadisch ausgeschmückte Reformulierungen des biblischen Geschichtsablaufs und führt als Beispiele den palästinischen Targum, Josephus’ Antiquitates, den Liber Antiquitatum Biblicarum des Pseudo-Philo, das Jubiläenbuch und das Genesisapokryphon (1QApGen ar) an.6 Steht man nicht, wie J. Maier, dem Begriff generell skeptisch gegenüber, da die implizite Annahme eines Konzepts von „Bibel“ für den Zeitpunkt der Abfassung der fraglichen Schriften in der Tat anachronistisch ist,7 so kann der Terminus rewritten Bible entweder enger, als Bezeichnung einer bestimmten literarischen Gattung, oder aber weiter, für die Art eines bestimmten Umgangs mit in gewisser Weise als autoritativ angesehenen Texten verwendet werden. Im letzteren Sinne, vertreten etwa von Nickels-

3 Vgl.

Bezzel, Unterschiede, 137 f.; ders., Chronistisch beeinflusste Korrekturen. der überlieferten Fassung endet der Liber Antiquitatum Biblicarum mit dem Tod Sauls. Da das Werk jedoch in seiner Gesamtheit darauf abzielt, die Katastrophe von 70 n. Chr. mit derjenigen von 587 v. Chr. zu deuten, ist es wahrscheinlich, daß es auch einmal bis zu diesem Punkt geführt habe und lediglich fragmentarisch überliefert ist (vgl. James/Feldman, Biblical Antiquities, 60–65; Steck, Gewaltsames Geschick, 173, im Sinne des von ihm rekonstruierten „Deuteronomistischen Geschichtsbilds“; dazu vgl. a. a. O., 187 f.; Dietzfelbinger, PseudoPhilo, 96 f.). Ein Unterschied zur Darstellung der Chronik liegt freilich darin, daß in letzterer die Geschichte explizit bis an ihr Ziel im persischen Reich zur Zeit ihrer Verfasser herangeführt wird, während die Gegenwart in LibAnt ausschließlich im Typos oder Paradigma der Vergangenheit präsent ist – ein Verfahren, das freilich auch Chr nicht fremd ist, etwa bei der Schilderung der Verhältnisse am salomonischen Tempel I Chr 23–26 (vgl. Japhet, 1 Chronik, 385; Knoppers, I Chronicles 10–29, 889 f.). 5 Zur Diskussion um die Gattung von 4Q252 vgl. unten S. 30–32. 6 Vgl. Vermes, Scipture and Tradition, 95. 7 Vgl. Maier, Biblical Interpretation, 80. Seiner Meinung nach könne man vor dem 4. nachchristlichen Jahrhundert nicht von „Bibel“ sprechen (vgl. ebd.). Auch Crawford ist der Anachronismus des Begriffs bewußt. In diesem Bewußtsein wendet sie ihn dennoch auf die Schriften von Qumran an (vgl. Crawford, Rewritten Bible, 175 f.). Dies scheint mir sinnvoll zu sein. 4 In

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

burg,8 Harrington9 und Brooke, ist rewritten Bible „a general umbrella term“10 und nicht an eine bestimmte Form gebunden. So verstanden, würden unter diesem Schirm alle in diesem Abschnitt unter dem Stichwort „frühe Rezeption“ behandelten Schriften wie auch die Bücher der Chronik Platz finden. Dieser weite Ansatz hat seine Berechtigung insofern, als er betont, daß die Art des Umgangs mit überliefertem Schrifttum, die ihm Aktualisierungen, Leseanweisungen und Deutungen direkt beifügt, nicht an einer bestimmten literarischen Form hängt, weder was die Vorlage, noch was das neue Werk anbelangt. Er ermöglicht es darüber hinaus, auch ältere, innerbiblische Redaktions‑ und Rezeptionsprozesse besser zu verstehen. Hierin liegt die heuristische Stärke, wenn Kratz beispielsweise auch die Rezeption des Bundesbuchs im Deuteronomium und die Aufnahme von Jeremiazitaten in Jes 40–66 zum „Phänomen der rewritten bible“11 zählt. Andererseits weisen Alexander und Bernstein aber auch zurecht auf den Verlust an definitorischer Schärfe hin, den man mit einer derartigen Ausweitung in Kauf nimmt und plädieren dafür, unter rewritten Bible eine feste literarische Gattung zu verstehen, deren Grenzen sie freilich leicht unterschiedlich definieren. Während Alexander darunter ausschließlich narrative Texte versteht,12 möchte Bernstein den Begriff auch auf halachische Texte, konkret auf die Tempelrolle 11QT, anwenden.13 Um das literarische Phänomen der großangelegten interpretierenden Neufassungen des „biblischen“ narrativen – und legislativen – Stoffes als Größe eigenen Rechtes wahrzunehmen, empfiehlt es sich meiner Meinung nach in der Tat, den Begriff rewritten Bible im Sinne Alexanders und Bernsteins für derartige Werke zu reservieren und von weiteren Erscheinungsformen des „re-readings“ und „re-writings“ überlieferter Stoffe aus Prophetie und Poesie, aber auch aus der Geschichtsüberlieferung abzugrenzen. Englisch gesagt: Rewritten Bible bietet einen Spezialfall von biblical rewriting. Letzteres bezeichnet dagegen im Sinne Kratz’ einen Vorgang, wie er innerhalb der einzelnen späteren biblischen Bücher ebenso begegnet wie in eigenen Werken, die sich im Rahmen eines der späteren biblischen Kanones befinden können oder auch nicht. Das Väterlob Sir 44–50 ebenso wie Ps 105 und 106 böten damit zwar Formen biblischen re-reading und re-writings, aber eben nicht rewritten Bible im engeren Sinn. Wie steht es dann mit den Büchern der Chronik? Knoppers lehnt es vehement ab, in ihrem Zusammenhang von rewritten Bible zu sprechen, da er ihren Charakter als eigenständiges literarisches Werk dadurch nicht angemessen berück 8 Vgl.

Nickelsburg, The Bible Rewritten and Expanded, 89 f. Harrington, The Bible Rewritten, 246. 10 Brooke, Art. Rewritten Bible, 780. 11 Kratz, Innerbiblische Exegese, 140; vgl. a. a. O., 141–143. 12 Vgl. Alexander, Retelling, 116–118. 13 Vgl. Bernstein, Rewritten Bible, 193–195.  9 Vgl.

2.1 Was heißt „frühe Rezeptionsgeschichte“?

11

sichtigt sieht.14 Dem liegt offenbar das Verständnis zugrunde, der Begriff impliziere eine – pejorative – Bewertung. Dem muß aber keineswegs so sein.15 Das einzige Werturteil, das mit der Verwendung des Terminus rewritten Bible getroffen wird, bezieht sich auf den zugrundeliegenden Quelltext. Dieser wurde offenbar zu einer bestimmten Zeit für so relevant erachtet, daß man sich die Mühe machte, ihn interpretierend und ergänzend neu zu schreiben. Ein Urteil über die „Biblizität“ oder „Kanonizität“ des einen wie des anderen, von Vorlage wie von relecture, ist – in diesem Sinne gilt es, Maiers oben erwähnten Einwand festzuhalten – damit nicht getroffen: „One group’s rewritten Bible could very well be another’s biblical text“.16 Das Jubiläenbuch ist ein Beispiel dafür – die Bücher der Chronik sind ein weiteres.17 Die Trennung einer „innerbiblischen“ von einer „außerbiblischen“ Rezeption generell und speziell die Zuweisung Sirachs zu letzterer erscheinen somit zunächst einigermaßen willkürlich. Gleichwohl ist es nicht bloßer MT-Kanonspositivismus, der sich in dieser Abgrenzung manifestiert. Unbeschadet der Vergleichbarkeit der Rezeptionsvorgänge nach Methode, literarischer Form und Tendenz hier wie dort gibt es doch einen Unterschied zwischen dem Verhältnis von Sam und Chr einerseits und demjenigen beider zu Sir, 4Q252, den Antiquitates des Josephus und LibAnt andererseits. Bei den vier letztgenannten Werken ist die Richtung der Rezeption eindeutig zu bestimmen: Sie ziehen die überlieferten Schriften als Quellen heran und interpretieren sie. Zwischen Sam und Chr dagegen darf wohl oder muß mit einem komplizierteren Verhältnis der gegenseitigen Beeinflussung gerechnet werden. Auch wenn man der Mehrheitsmeinung folgt, nach welcher I Chr eine relecture der Samuelbücher (und anderer Quellen) darstellt, so lassen sich doch auch Rückkopplungsprozesse von dieser in jene beobachten oder annehmen, es sei auf der Ebene der Textvarianten oder auf der manifester, literarkritisch abgrenzbarer postchronistischer Einträge in Sam.18 Dieser Unterschied sollte nun nicht zu einer Art Kanonkriterium überhöht werden. Zwar wird Ben Siras Väterlob gerne als Referenzgröße angeführt, wenn die Anfänge eines sich entwickelnden Kanonbewußtseins in den Blick genommen werden,19 und nach Goshen-Gottstein artikuliere sich in ihm sogar bereits die Vorstellung von „Schrift“ als eines Gegenübers, das nicht mehr fort14 Vgl.

Knoppers, I Chronicles 1–9, 129–134, bes. 132. Er beschreibt die Chronik nicht mit dem Begriff des re-readings und auch nicht mit dem der relecture, sondern der „mimesis“ (vgl. ders., Relationship, 331–335). In der Sache ist der Unterschied freilich gering. 15 Vgl. Steins, Bücher der Chronik, 258. 16 Bernstein, Rewritten Bible, 175. 17 Vgl. Segal, Between Bible and Rewritten Bible, 11. Er bezieht die Chronik ausdrücklich in die Kategorie ein und nennt sie in einem Atemzug mit der Tempelrolle, dem Jubiläenbuch, dem Genesisapokryphon, Josephus’ Antiquitates und Pseudo-Philo; vgl. in diesem Sinne auch Kratz, Innerbiblische Exegese, 139 f. 18 Vgl. zu dieser Frage U. Becker /Bezzel, Rereading. 19 Vgl. Berlejung, Quellen und Methoden, 31.

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

geschrieben, sondern außerhalb seiner selbst meditiert und interpretiert wird.20 Explizit wird eine Haltung, die auf Schriften oder gar „die Schrift“ als eine Art autoritative Größe Bezug nähme in Sir 44–49 jedoch an keiner Stelle21 – anders als dann im Prolog zur griechischen Ausgabe, der das Werk des „Großvaters“ deutlich in die Tradition von „Gesetz, Propheten und anderen Büchern der Väter“22 stellt, es damit aber zugleich zumindest von den ersten beiden Kategorien deutlich abhebt.23 Dennoch: I Chr und Sam interferieren literarisch miteinander; die Geschichtspsalmen 105 und 106 werden dem Psalter und damit der „Tora Davids“24 eingefügt – die Laus Patrum präsentiert sich selbst als das Werk eines „modernen“ Autors und scheint in der Rezeption ihrer Quellen nicht mehr direkt literarisch auf diese rückgewirkt zu haben. Mag sich die Art und Weise, wie die Übernahme von und die Arbeit an geschichtstheologisch relevanten Stoffen zwischen den letzten vorchristlichen und dem ersten nachchristlichen Jahrhundert vonstatten geht, auch nicht wesentlich von ihrer „innerbiblischen“ Rezeption unterscheiden, so rechtfertigt es der skizzierte Schritt hin zu einer monolinearen Rezeptionsbeziehung doch, die Untersuchung der vier genannten Quellen von der Analyse des Saulbildes in Sam und Chr abzuheben.25 Eine anderes Problem ist freilich die Abgrenzung einer „frühen Rezeptionsgeschichte“ von einer „späteren“. Hier erscheint die vorgenommene Begrenzung auf die beiden großen rewritten Bible-Texte des späten ersten nachchristlichen Jahrhunderts noch deutlicher willkürlich als die Unterscheidung zwischen Chronik und Sirach. In der Tat ließen sich wieder gattungskritische Argumente nennen: Die Kommentierung der „biblischen“ Bücher in Gestalt ihres rewritings wird um diese Zeit mehr und mehr von expliziter Kommentierung abgelöst – doch wäre diese Begründung mit einem erneuten Blick auf 4Q252 schnell erledigt. Auch die allmähliche Herausbildung des rabbinischen Kanons um diese Zeit soll in diesem Zusammenhang bewußt nicht bemüht werden: sie dürfte für die Frage nach der Rezeptionsgeschichte schlicht nicht den kategorialen Schritt darstellen, der sie als Epochengrenze geeignet erscheinen lassen würde. Der Grund ist schlicht ein pragmatischer: Im Kontext dieser Arbeit kann der 20 Vgl. Goshen-Gottstein, Ben Sira’s Praise, 243 f. Die Art und Weise, wie im Väterlob der Übergang gestaltet ist, der von Persönlichkeiten aus der Tora zu solchen aus den Vorderen Propheten überleitet, spiegelt seiner Meinung nach das Bewußtsein eines zweigeteilten Kanons wider (vgl. a. a. O., 241 f.). 21 Vgl. aber implizit Sir 38,34b–39,3. 22 Vgl. Sir 0,8–10. 23 Vgl. Schmid, Literaturgeschichte, 214. 24 Vgl. zum Begriff: Kratz, Tora Davids. 25 Hentschel entscheidet anders und führt das Kapitel „1. Saul in der Chronik“ auf einer Ebene mit „2. Saul in der Septuaginta“, „3. Saul bei Josephus“ und anderen bis zu „6. Saul in Kunst und Literatur“ unter „C. Die Wirkungsgeschichte“ (Hentschel, Saul, 206–231). Dahinter steht (unausgesprochen) eine andere Auffassung über das Verhältnis von Samuel‑ und Chronikbüchern als die in dieser Arbeit vertretene These der wechselseitigen Beeinflussung.

2.2 Saul bei Ben Sira

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Weiterentwicklung am Bild Sauls in der rabbinischen Literatur oder bei den Kirchenvätern schlicht nicht die Aufmerksamkeit geschenkt werden, die sie verdiente. Linien der Interpretation Sauls in beiden Korpora weiterzuverfolgen, stellt ein weites Feld dar, dessen Bedeutung für die Exegese längst erkannt ist,26 dessen umfassende Bearbeitung aber noch aussteht.

2.2 „Fürst“, „Gesalbter“, „König“ – Saul bei Ben Sira Akzeptiert man nun die Zusammenstellung von Sir, 4Q252, Pseudo-Philo und Josephus, so mag es dennoch auf den ersten Blick überraschen, daß das Sirachbuch als Dokument der Rezeption Sauls überhaupt genannt und diskutiert wird. Zieht man nämlich eine Konkordanz zu Rate, fällt der Befund negativ aus: „Saul“ kommt in Sir nicht vor, weder in den hebräischen noch in den griechisch überlieferten Handschriften. Dennoch ist er zugegen, wenn auch nur in einer Nebenrolle und ohne namentlich genannt zu werden:27 im „Lob der Väter“ (Sir 44–50).

Exkurs: Anfang und Ziel der Laus Patrum Dieses Väterlob am Ende des Sirachbuches bietet die komprimierte Form einer Nachschrift der „biblischen“ Geschichte, und wäre der Terminus rewritten Bible nicht an die narrative Form gebunden,28 es läge nahe, ihn in diesem Fall anzuwenden. Der Idee nach dem Aufbau der Chronikbücher nicht unähnlich, wird ein großer Bogen geschlagen, der von den Anfängen der Welt bis zur Gegenwart des Verfassers reicht. Die Abfolge der geschilderten Ereignisse orientiert sich dabei an der „biblischen“ Vorlage, es werden dabei jedoch ganz eigene Akzente gesetzt. Geschichte erscheint in dieser Darstellung als eine Abfolge großer Männer und ihrer Taten. Dem Anfang wie dem Ziel dieser Geschichte kommt daher naturgemäß besondere Bedeutung zu. Beides ist Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Die Frage nach dem Ende ist dabei in erster Linie kompositionskritischer Natur. Bildet das Enkomium des Hohepriesters Simon, Sohn des Jochanan, womit wohl Simon II (ca. 218–192 v. Chr.) gemeint sein dürfte,29 in 50,1–24 26 Vgl. für Saul bereits Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, der die Brücke von Pseudo-Philo zur rabbinischen Literatur schlägt, wie auch Feldman, Prolegomenon; daneben die Abschnitte „Saul in der Sicht der Rabbinen“ und „Saul bei den Kirchenvätern“ in Hentschel, Saul, 217–221. 221–224; sowie Liss, Innocent King. 27 Vgl. Kofoed, Cultural Memory, 139. 28 Zur Diskussion um den Begriff vgl. oben S. 11 f. 29 ‫ שמעון בן יוחנן הכהן‬nach der hebräischen Handschrift B, die hier und im folgenden, sofern nicht anders vermerkt, immer zitiert wird nach Beentjes, Ben Sira in Hebrew, unter Abgleich

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

einen eigenen Abschnitt oder stellt es das hymnische Finale des Vorangehenden dar?30 Für eine stärkere Abgrenzung der Kapitel 44–49 spricht die Inklusion zurück zu den Anfängen durch 49,16:31 Sem, Seth und Enosch, sowie Adam bzw. Henoch32 werden genannt, und mit Henoch setzte die Darstellung in 44,16 ein. Ob dieser Bogen jedoch ursprünglich oder redaktionell ist, wird noch zu fragen sein. Davon abgesehen und darüber hinaus sind die Verbindungen von Kapitel 50 zu den vorherigen vielfältig und stark. Zwar meint Whybray, es gebe im Väterlob „no feeling of a history moving towards a recognizable goal“33, doch ist offensichtlich, daß in Simon verschiedene Linien des bisherigen Rühmens zusammengeführt werden. Sieht man die Laus Patrum nicht von vornherein als ein durch die urzeitliche Inklusion in sich geschlossenes Korpus an, so zeigt sich unter Einschluß von Kapitel 50 sehr wohl ein teleologisches Geschichtsbild: Die Darstellung läuft auf den zweiten Tempel, genauer gesagt: auf die Person des Hohepriesters Simon zu, der geradezu als Kulminationspunkt und Ziel der Geschichte erscheint.34 Der Umstand, daß das Väterlob von einem unterschiedlichen Geschichtsbild geprägt erscheint, je nachdem, ob man die Henoch-Klammer in die Überlegungen mit einbezieht oder nicht, legt redaktionskritische Überlegungen nahe. Die Beobachtung, daß der Henochvers 49,14 und der Halbvers 50,1a in der Überlieferung an unterschiedlicher Stelle begegnen,35 zeigt darüber hinaus, daß abgesehen von kompositionskritischen auch textkritische, um nicht zu sagen: literarkritische Operationen bei der Beschreibung des Väterlobs nicht nur anmit Ben-Ḥayyim, Book of Ben Sira. Zur relativ einhelligen und gesicherten Identifikation des Priesters mit Simon II (und nicht Simon III) vgl. Sauer, Sirach, 489 f.; Marttila, Foreign Nations, 3. In der griechischen Übersetzung wird er gräzisiert „Simon, Sohn des Onias“ (Σιμων Ονίου υἱὸς) genannt, wie auch von Josephus in Ant 12,157 (vgl. Skehan / Di Lella, Ben Sira, 550). 30 Vgl. zur Diskussion Di Lella, Praise, 152. 31 Vgl. Goshen-Gottstein, Ben Sira’s Praise, 260 f. 32 MS B hat „Sem, Seth und Enosch wurden geehrt“ (‫)ושמ ושת ואנוש נפקדו‬, LXX, den dritten Namen übersetzend, „Sem und Seth wurden geehrt unter den Menschen“ (Σημ καὶ Σηθ ἐν ἀνθρώποις ἐδοξάσθησαν), „aber über allen Lebewesen in der Schöpfung (LXX: ἐν τῇ κτίσει) bzw. ist der Ruhm (MS B ‫ )תפארת‬Adam(s)“. Zu sagen, „Ms. B fügt noch den Enosch hinzu“ (Becker/Reitemeyer/Fabry, Sophia Sirach, 2263), ist darum nicht zutreffend. Vg. hat weder 49,15 (Joseph) noch den Verweis auf Sem, Seth und Adam von 49,16, sondern nach Nehemia und vor Simon den Rückverweis auf Henoch nach 49,14 (‫ מעט נוצר על הארץ כהניך‬nach MS B, wohl zu lesen als ‫כהנוך‬, vgl. Sauer, Ben Sira, 335, bzw. Οὔδεὶς ἐκτίσθη ἐπὶ τῆς γῆς τοιοῦτος οἷος Ενωχ): nemo natus est in terra qualis Enoch. 33 Whybray, History, 139. 34 Vgl. Beentjes, Praise, 130; Ska, éloge, 185–192. 35 Sir 49,14 (MS B und LXX) erscheint in Vg. unmittelbar vor dem Lobpreis Simons und direkt im Anschluß an das Werk Nehemias. 50,1a nach MS B bezeichnet Simon als „Großen unter seinen Brüdern und Ruhm seines Volkes“ (‫)גדול אחיו ותפארת עמו‬, während die griechische Fassung dies in 49,14 zu Joseph zieht. Er ist dort „ein Führer der Brüder, eine Stütze des Volkes“ (ἡγούμενος ἀδελφῶν, στήριγμα λαοῦ).

2.2 Saul bei Ben Sira

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gebracht, sondern erforderlich sind.36 Offensichtlich wird dies, wenn der Anfang in den Blick genommen wird. Hier, in Kapitel 44, wird von zwei Männern der Vorzeit berichtet, sie seien als „vollkommen erfunden“37 worden: Noah, in 44,17, und eben, einen Vers früher, in 44,16, Henoch. Man kann in der Doppelung der Formulierung hier lediglich einen „Zusatz aus Vers 17“38 vermuten – man kann darin aber auch eine gezielte Anknüpfung sehen, die eine Verbindung schafft, über die Henoch vor Noah eingefügt werden kann. Denn auch ohne diese beiden Worte ist der Henochvers verdächtig: Er fällt metrisch aus dem Rahmen. Darüber hinaus fehlt er nicht nur in der syrischen Ausgabe des Buches, sondern auch in der Sirachrolle aus Masada, MS M: Zwischen dem Ende des Prologs 44,15 und 44,17 befindet sich dort eine Leerzeile.39 Das sind gewichtige äußere Gründe, um 44,16 für sekundär zu halten. Beentjes zieht diese Konsequenz und ergänzt als inneren Grund die Beobachtung, daß die Struktur des Väterlobs maßgeblich vom Bundesgedanken beeinflußt sei. Ein Anfang mit Noah sei deshalb im Gesamtkonzept schlüssiger, die Betonung Henochs dagegen als eine nachträgliche Apokalyptisierung anzusehen.40 Wenn aber das Väterlob ursprünglich einmal mit Noah, nach der Flut, einsetzte, so erscheint auch sein Ende in Kapitel 49 in einem anderen Licht. Die Inklusion über die Henochgestalt (V. 14, Vg.: V. 16) muß dann ebenfalls sekundär sein. Es stellt sich dann aber darüber hinaus auch die Frage, warum in 49,15 f. am Ende des Geschichtsrückblicks mit Josef auch noch Sem, Seth, Enosch und Adam nachgeliefert werden. Als ursprünglicher Ringschluß läßt sich dieser Rückgriff noch hinter den noachitischen Anfang in praediluviale Zeiten kaum verstehen. „Es ist, als ob Ben Sira noch einmal etwas nachholen wolle, was er noch nicht hat sagen können“41 – oder aber es handelt sich auch hier um einen Nachtrag. Dafür gibt es zusätzliche Argumente: Die Verse unterbrechen einigermaßen hart die beiden Linien von Tempel‑ und Mauerbau, die von Serubbabel und Josua einerseits (49,11 f.: Tempel [οἶκον] und Heiligtum [ναὸν]) und Ne36 A. Schmitt stellt dagegen seinem Aufsatz zu Sir 50 zwar die Übersetzungen von MS B, LXX und Peschitta voran, geht aber auf die Unterschiede nicht weiter ein und bei seiner Auslegung unkritisch von MS B aus (vgl. A. Schmitt, Lobgedicht). 37 44,17: „Der gerechte [No]ah wurde als vollkommen erfunden“ (‫]חֿ צדיק נמצא תמים‬.[; MS M hat den Namen vollständig); 44,16: „Henoch wurde als vollkommen [erfund]en“ (‫הנוך […]א‬ ‫ ;תמים‬LXX: εὐηρέστησεν). 38 Sauer, Jesus Sirach, 615. 39 Vgl. Yadin, Ben Sira Scroll, 208 f. 40 Vgl. Beentjes, Sirach en Tenach 165; 198, n. 57; ders., Apocalypticism, 217–221. Er erwähnt dabei, daß bereits Bickell aufgrund des Vergleichs der syrischen mit der griechischen Überlieferung zu diesem Ergebnis gekommen sei und verweist auf Bickell, Lied, 333. Dies wäre einmal mehr ein schöner Beleg dafür, wie ein Ergebnis der älteren textkritischen Forschung durch die Handschriftenfunde aus der Judäischen Wüste Bestätigung erführe. Es gelang mir jedoch nicht, an der entsprechenden Stelle bei Bickell die von Beentjes angeführte Aussage zu finden. 41 Sauer, Ben Sira, 336.

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hemia andererseits (49,13: Befestigung) ausgehen und im Wirken des Priesters Simon in 50,1–4 zusammenlaufen (V. 1: Tempel [οἶκον] und Heiligtum [ναὸν]; V. 4: Befestigung): „[I]n de beschrijving van de hogepriester Simon komen alle lijnen uit de Lof der Vaderen samen“.42 Einerseits stört also der Rückgriff auf die Urväter diesen Zusammenhang, andererseits führt der Lobpreis Adams von 49,16 über eine Stichwortverbindung schön zum Lob Simons, der dadurch mit diesem ins Verhältnis gesetzt wird. „Adam and Simon are thereby closely aligned“:43 Über alle Lebenden hinaus reicht der „Ruhm Adams“ (‫תפארת אדם‬, 49,16b) – und Simon ist der „Ruhm seines Volkes“ (‫תפארת עמו‬, 50,1 – in der griechischen Ausgabe erscheint der Halbvers nach 49,15 versetzt44 und wird auf Josef bezogen:45 Simons enthusiastische Bewertung wird ein wenig zurückgenommen). Gerade diese Verknüpfung im hebräischen Text ist nun für Beentjes ein Zeichen für die Ursprünglichkeit des Übergangs,46 und auch Goshen-Gottstein erkennt hier ein wichtiges Stilmittel Ben Siras, der Anfang wie Ende eines Abschnitts durch derartige „Echos“ markiere.47 Es sticht jedoch heraus, daß ‫ תפארת‬in 49,16 anders gebraucht wird als in 50,1: Simon ist der „Ruhm“, Adam aber hat „Ruhm“. Auch dies scheint mir eher dafür zu sprechen, im protologischen Rekurs das Werk einer späteren Hand zu sehen.48 Leider fehlt an dieser Stelle das Zeugnis der Masadarolle. Redaktionskritische Arbeit am Väterlob scheint derzeit freilich nicht en vogue zu sein. Statt dessen finden sich unter den neueren Arbeiten zahlreiche Stimmen, die mit der und für die literarische und kompositorische Einheitlichkeit von Sir 44–50 argumentieren. 42 Beentjes,

Sirach en Tenach, 198 (Hervorhebung Beentjes). New Elements, 274. 44 Vgl. Skehan / Di Lella, Ben Sira, 548. 45 Vgl. LXX οὐδὲ ὡς Ιωσηφ ἐγενήθη ἀνήρ ἡγούμενος ἀδελφῶν, στήριγμα λαοῦ, καὶ τὰ ὀστᾶ αὐτοῦ ἐπεσκέπησαν (kein Mann wie Joseph wurde geboren, der Brüder führte, eine Stütze des Volkes, und auch seine Gebeine wurden mit Sorge bedacht). στήριγμα, Stütze, steht in Sir 3,31 für hebräisch ‫משען‬, und in 34,15.16, ohne erhaltene hebräische Fassung. 46 vgl. Beentjes, Sirach en Tenach, 166 f. 47 Vgl. Goshen-Gottstein, Ben Sira’s Praise, 240. Er vergleicht die Anknüpfung von 49,16 an 50,1 mit dem Anfang der Laus Patrum: Die „Männer der Treue / Liebe“ (‫ )אנשי חסד‬von 44,1 schlössen sich wörtlich „den Frommen“ (τοῖς εὐσεβέσιν) von 43,33 an. Dieser Vers, 43,33, ist hebräisch und syrisch allerdings nicht erhalten. Goshen-Gottstein folgt hier der Rekonstruktion von Smend, Weiheit, 412, der hier ursprünglich ebenfalls ‫ אנשי חסד‬vermutet. Allerdings werden diese im Griechischen in 44,1 als ἄνδρας ἐνδόξους, in 44,10 ἄνδρας ἐλέους genannt, und εὐσεβής steht im auf Hebräisch erhaltenen Bestand niemals für Konstruktionen mit ‫חסד‬ oder für ‫( חסידים‬in Sir nur im Einschub 51,12o MS B, ohne Äquivalent in den Übersetzungen), sondern für ‫( צדיק‬Sir 11,15 [MS A; entspricht 11,17 LXX]; 11,20 [MS A; entspricht 11,22 LXX]; 12,2; 13,17; 16,13); ‫( טוב‬Sir 12,7 [MS A; entspricht 12,4 LXX] und in 37,12 für „einen, der beständig (Gott) fürchtet“ (}‫ איש מפחד {תמיד‬nach MS D bzw. ‫ יש מפחד תמיד‬nach MS B). 48 Auch Mack sieht 49,14–16 als Ergänzung an. Sein Argument ist, daß die exemplarische Betonung Adams dort schwer dazu passe, wie Adam sonst in Sir erwähnt wird, nämlich in Sir 15,14–20; 17,1–18; 24,28; 33,10–15; 40,1 (vgl. Mack, Wisdom 201). 43 Mulder,

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Corley etwa arbeitet mit dem Sprachbeweis und plädiert damit indirekt gegen die Annahme einer Ergänzung an dieser Stelle. Er hebt hervor, daß für Ben Sira nicht nur Stichwortverbindungen typisch seien,49 sondern bei ihm auch, wie in 49,16, gerne ‫ כל חי‬am Ende eines Gedichtes begegne.50 Das träfe allerdings auch für 46,19b zu, den rühmenden Nachruf auf Samuel, der „in den Augen JHWHs und alles Lebendigen“51 verständig erfunden wurde. Dieser Halbvers aber „fehlt im Gr. und Syr. und ist unecht“.52 Damit erweist es sich, daß der Rekurs auf den vermeintlich unimitierbaren Stil des Autors alles andere als ein zwingendes Argument ist: Auch spätere Sirachiden konnten offenbar „sirazidisch“ schreiben. Marböck wiederum sieht in 49,16b den primär beabsichtigten Ringschluß des Väterlobs, um als Höhepunkt der Darstellung zu Simon II überzuleiten, in dessen Gestalt nicht zuletzt unter dem Begriff ‫ תפארת‬alle bisherigen Ruhmestaten gebündelt würden.53 Doch auch diese Inklusion stammt schwerlich von erster Hand. Wie bereits ausgeführt, nötigt die literarkritische Entscheidung zu 44,16 zu diesem Schluß: Ist Henoch dort sekundär, gibt es auf dieser Ebene keine Inklusion mehr, unabhängig von der Einordnung der fraglichen Verse 49,14–16. Die wie von Beentjes auch von Marböck zurecht betonte Bündelung in der Gestalt Simons schließlich gelingt ohne die fraglichen Verse wesentlich besser als mit ihnen. Mulder schließlich findet im Väterlob insgesamt – und damit einschließlich 49,14–16 und Kapitel 50 – einen durchdachten Aufbau aus vier mal 61 Versen.54 Dies scheint nun in der Tat eher einer literarkritischen Abtrennung von 49,15 f. zu widerraten: Eine numerisch konsequent durchgehaltene Struktur spricht stark für die Einheitlichkeit eines Textes. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, daß das von Mulder verfochtene System alles andere als glatt aufgeht. Er geht bei seiner Zählung unkritisch von MS B aus, das heißt, auch die literarkritisch beanstandeten Verse 44,16 und 46,19b zählen bei ihm mit. Akzeptiert man den sekundären Charakter auch nur eines der beiden, so stimmt die Rechnung bereits nicht mehr. Sollen beide aber ursprünglich sein, so wäre eine Erklärung dafür zu finden, warum etwa 49,16b in der Masadarolle ausgefallen sein sollte. Darüber hinaus vermag auch Mulders Einteilung von MS B nicht durchgängig zu überzeugen. Folgt man seiner Zählung, so endet man schon mit dem zweiten Abschnitt keineswegs an einer Zäsur, sondern mitten im Stück über Salomo (47,22), und im Abschnitt über Simon kommt man nur mit einiger Mühe auf die veranschlagten 61 Verse. 49 Corley, Searching, 36, n. 45, mit Verweis auf 12,18/13,1; 13,23/24; 15,9/11; 19,17/20 und eben 49,16/50,1. 50 A. a. O., 39 f., mit Verweis auf 42,1d; 42,8; 44,23 und 49,16. 51 ‫בעיני ייי ובעיני כל חי‬. 52 Smend, Weisheit, 447; vgl. Gile, Additions, 249, n. 53. 53 Vgl. Marböck, Apokalyptische Traditionen, 150 f.; Ders., Hohepriester, 159 f.; in diesem Sinne auch Witte, Gebeine Josefs, 143. 54 Vgl. Mulder, Simon, 51–53.

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Keines der möglichen Gegenargumente gegen eine literarkritische Auswertung der Beobachtungen zu Anfang und Ende des Geschichtsrückblicks im Väterlob vermag somit zu überzeugen. Es ist darum anzunehmen, daß nicht nur der Henochvers 44,16 und der Eintrag über die Verständigkeit Samuels in 46,19b, sondern auch der protologische Rekurs von 49,14 und 49,15 f. sekundäre Erweiterungen der Laus Patrum darstellen.55 Deren ursprünglicher Bogen reichte vom Anfang bei Noah – wie ihn, wenn auch in gänzlich anderer Form und in gänzlich anderem Kontext auch der Genesiskommentar 4Q252 setzt  – bis zur Erfüllung der Geschichte in der Gegenwart durch die Gestalt Simons II. In diesem Aufbau artikuliert sich ein theokratisches Geschichtsbild. Der Eintrag der protologischen Helden, insbesondere Henochs, verändert dieses signifikant. Das von Beentjes im Zusammenhang mit der Ergänzung des ersten Henochverses eingebrachte Stichwort von der Apokalyptisierung56 dieses Konzeptes erscheint zwar ein wenig zu pointiert, und aus der Samuelstelle läßt sich schwerlich ein apokalyptischer Unterton heraushören, aber nichtsdestoweniger teilen die Einträge Ihre Hochschätzung für den Entrückten wie auch für den Urmenschen mit Teilen der apokalyptischen Literatur.57 Anhand dieses Befundes stellt sich nun die Frage, ob sich im Väterlob weitere Spuren finden lassen, die auf eine Bearbeitung des Textes in diesem Sinne hindeuten könnten. Dies ist tatsächlich der Fall. Es finden sich im Väterlob weitere Verse, an denen unterschiedliche Argumente dafür sprechen, in ihnen mehrere Hände am Werk zu sehen, und diese Verse begegnen nicht zuletzt an den Stellen, an denen die Grenze zwischen Leben und Tod in den Blick genommen wird.58 So fehlt etwa in der hebräischen Überlieferung (MS B) der Vers 46,12, in welchem als Abschluß des Stückes über die Richter für sie der fromme Wunsch geäußert wird, „ihre Gebeine mögen aus ihrer [Begräbnis]stätte erblühen“59. Bei den zwölf Propheten ist er allerdings, fragmentarisch erhalten und im Griechischen wortgleich, in 49,10 vorhanden60 – freilich als Parenthese zwischen 55 Witte meint dagegen: „Die Annahme, Sir 49,15 sei (im Verbund mit V. 14 und V. 16) ein eschatologisch orientierter Nachtrag, überzeugt weder kompositionell noch inhaltlich“ (Witte, Gebeine Josefs, 140). Er kritisiert in diesem Zusammenhang die Auffassung, der Vers zu Josef künde von einer möglichen Auferstehung des Patriarchen. Die Argumentation der vorliegenden Arbeit wird davon freilich nicht berührt. Witte deutet den Josefsvers als „interpretatio Judaica des Auftretens Alexanders [des Großen, H. B.]“ (a. a. O., 146) und sieht auch in der Betonung von Henochs Entrückung eine Parallele zu Herakles, dem postulierten Ahnherrn des Makedonen (vgl. a. a. O., 147). 56 Vgl. Beentjes, Apocalypticism, 217–221. 57 Vgl. I Hen 37,1: Henoch wird zu Beginn der Bilderreden sieben Generationen nach Adam verortet, um beider enge Verbindung miteinander zu betonen (vgl. Bunta, Art. Adam II, 301). 58 Vgl. dagegen für eine Darstellung der Haltung der sirazidischen Grundschicht: Kaiser, Verständnis des Todes, zum Verhältnis zu eschatologischen Spekulationen insbesondere 286– 292. 59 τὰ ὀστὰ αὐτῶν ἀναθάλιοι ἐκ τοῦ τόπου αὐτῶν. 60 49,10aβ: ‫תהי עצמתם פרֿ[…]תם‬.

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ihrer Nennung und dem Relativsatz, der ihr Wirken beschreibt. Eine literarkritische Ausscheidung legt sich somit hier nicht zwingend nahe, wenn sie auch nicht unmöglich erscheint. Dann müßte sie allerdings, metri causa, auch den hebräisch fragmentarisch erhaltenen vierten Viertelvers über das Rettungshandeln der Richter betreffen. Deutlicher sind die Verhältnisse bei der Schilderung Elias. Hier, wie ja auch schon bei 49,14–16, bietet die Textkritik keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer zweiten Hand: MS B hat das fragliche Stück, wenn auch nur fragmentarisch. Dennoch erscheint es als nicht unwahrscheinlich, auch beim nach Henoch zweiten Entrückten der Bibel Ergänzungen zu finden. In 48,4–11 wird Elia gepriesen. In der Form der Anrede werden dabei seine wichtigsten Taten genannt, bis hin zur Auswahl eines Nachfolgers (48,8) und seiner Entrückung (48,9). Hieran schlösse sich inhaltlich hervorragend V. 12 an, der beides aufgreift und damit zu Elisa überleitet.61 Dazwischen jedoch wird Elias Bestimmung zur Wiederkehr erwähnt und mit einer Anspielung an Mal 3,23 f. und Jes 49,6 belegt,62 woran sich wiederum ein Lobpreis derjenigen anschließt, die ihn sehend und liebend sterben,63 welcher seinerseits assertorisch kommentiert wird: „Und auch wir werden wahrhaftig leben.“64 Das Stück ist textkritisch überaus schwierig,65 doch auch abgesehen davon erscheint es als durchaus möglich, daß die Verse 49,10 f. auch in ihrer ältesten Fassung nicht von erster Hand geschrieben wurden.66 Bereits Smend sieht hier (in 49,11) eine Veränderung in der Einstellung gegenüber dem Tod, die er zwischen Niederschrift und Übersetzung des Buches sich entwickeln sieht: „Die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode ist in der Zeit, die zwischen dem Grossvater und dem Enkel liegt, aufgekommen“.67 Middendorp wertet beide Verse als „eine geschickte, spätere Ergänzung aus der Zeit der Makkabäer.“68 Es ist daher nicht nötig, sich darüber zu verwundern, daß der Weise, der ansonsten vom Gedanken einer Auferstehung der Toten nichts weiß oder wissen 61 „Elia war der, der in einem Sturm verborgen wurde, und Elisa wurde mit seinem Geist erfüllt“ (Ηλίας ὃς ἐν λαίλαπι ἐσκεπάσθη καί Ελισαιε ἐνεπλήσθη πνεύματος αὐτοῦ). 62 Vgl. Sauer, Jesus Sirach, 626; Middendorp, Stellung, 135. 63 μακάριοι οἱ ἰδόντες σε καί οἱ ἐν ἀγαπήσει κεκοιμημένοι. 64 καὶ γὰρ ἡμεῖς ζωῇ ζησόμεθα. Sauer rekonstruiert daraus und aus den von MS B am Ende des Verses überlieferten zwei Buchstaben ‫ יה‬einen hebräischen Text, der „wahrlich, er wird ganz gewiß leben“ (Sauer, Ben Sira, 326) geheißen habe: „lies: hebr. ‫( “כי אף הוא חיה יחיה‬ebd.). Das entspräche der syrischen Fassung (vgl. Skehan/ Di Lella, Ben Sira, 531; Smend, Weisheit, 461). 65 Vgl. Middendorp, Stellung, 135. 66 Vgl. ebd. Dem widerspricht Beentjes, der die Verse bereits durch die Anspielung auf Mal 3,19 in Sir 48,1 vorbereitet sieht (vgl. Beentjes, Sirach en Tenach, 40, n. 59). Die Tatsache, daß bereits dort im Zusammenhang mit Elia auf Mal 3 verwiesen wird, impliziert jedoch nicht, daß das zweite, direkte Maleachi-Zitat auf derselben literarischen Ebene zu verorten wäre. 67 Smend, Weisheit, 462; vgl. Zapff, Sirach 25–51, 360. 68 Middendorp, Stellung, 135.

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will,69 sich an wenigen Stellen, speziell bei Henoch und Elia, als erstaunlich offen für Vorstellungen zeigt, die über die Grenze von Leben und Tod hinausreichen:70 Sie stammen von einer anderen Hand als die Grundschrift. Das Väterlob, ursprünglich als Darstellung der Geschichte von Noah bis Simon II theokratisch angelegt, wurde durch einen oder eher mehrere Schreiber eschatologisiert:71 Ergänzungen in diesem Sinne ließen sich auf zweierlei Weisen bestimmen. Zum einen wurden sie durch den Vergleich der unterschiedlichen überlieferten Buchfassungen erkennbar, also gewissermaßen auf textkritischem Wege, zum anderen jedoch wurden sie aus dem Textbestand, der den verschiedenen Fassungen gemeinsam ist, durch klassische Literarkritik erhoben. Dieser Umstand spricht nun deutlich dafür, in ihnen nicht die Tätigkeit eines einzelnen zu sehen, sondern eine redaktionelle Tendenz zu erkennen, die sich über einen gewissen Zeitraum erstreckt. An ihr wird nicht zuletzt deutlich, daß es sinnvoll ist, „Redaktion“ nicht zwingend als die einmalige und systematische Überarbeitung eines biblischen Buches zu verstehen, sondern als Prozeß mit unscharfen Rändern, der durchaus die Arbeit mehrerer Schreiber mit ähnlichen Intentionen über einen gewissen Zeitraum hinweg zu umfassen vermag. Die Eschatologisierung des Väterlobs geschah nun, indem über die Gestalt Henochs (und Adams), des urzeitlichen Helden und endzeitlichen Offenbarungsmittlers, eine Klammer nicht nur um die Darstellung, sondern auch um die Geschichte selbst gelegt wurde. Mit der Vorverlegung des Anfangs erhielt sie auch ein neues Ziel: Ihre Erfüllung, das „Ende der Geschichte“ liegt nun nicht mehr im zweiten Tempel und einem konkreten Hohepriester, sondern auch dieser ist, wenn auch ruhmvoll (‫)תפארת‬, in den Stand des Vorletzten gerückt und weist über sich hinaus: Das Ende steht noch aus. Neben Henoch wird dies nicht zuletzt an der Gestalt Elias deutlich, dessen Wiederkunft mit Mal 3 erwartet und die ebenfalls in das Sirachbuch eingetragen wird. Die von ihm berichtete Auferweckung des Kindes der Witwe von Sarepta (I Reg 17,17–24) wird zum Anhaltspunkt für den Glauben an eine individuelle Auferstehung oder zumindest an ein Weiterleben derjenigen, die in der Endzeit seine Wiederkunft erleben.72

– Ende des Exkurses – 69 Vgl.

Corley, Sirach 44:1–15, 180, mit Verweis auf Sir 14,16; 17,27 f.; 38,21; 41,4. Hildesheim, Bis daß ein Prophet, 261 f.; vgl. Reiterer, Pentateuch, 49 f. 71 Der von Beentjes im Kontext der Ergänzung Henochs in 44,16 gebrauchte Begriff der Apokalyptisierung erscheint mir ein wenig zu pointiert zu sein. Auch wenn Henoch in Teilen der apokalyptischen Literatur geschätzt wird und seine Wiederkunft wie auch die Auferstehung der Toten dort begegnende Elemente sind, so sind sie doch noch nicht hinreichend, um aus dem Väterlob eine apokalyptische Schrift zu machen. Mack sieht in 44,16; 48,9–11; 49,14–16 Ergänzungen zur ursprünglichen Laus Patrum, deren Intention aber lediglich darin bestehe, midraschartig interessante biblische Gestalten zu ergänzen, die bisher noch gefehlt haben (vgl. Mack, Wisdom, 203). Erscheint Beentjes’ Deutung als zu weitgehend, so Macks als unterbestimmt. 72 Vgl. Zapff, Sirach 25–51, 360. 70 So

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Um nun Saul im Väterlob zu finden, ist man an Samuel gewiesen, den Propheten, Richter und Priester (46,13)73, dem im Kreis der rühmenswerten Gestalten immerhin acht Verse gewidmet sind (46,13–20). Saul läßt sich in ihnen dreimal entdecken, und Samuel wird in jeder der drei Funktionen seines munus triplex auf ihn bezogen.74 So ist in 46,13 davon die Rede, daß Samuel das Königtum in Israel einführte und „Fürsten salbte über das75 Volk“ (‫)וימשח נגידים על עם‬. Damit übt er – zumindest aus der Sichtweise der Zeit des zweiten Tempels, die Ben Sira vertraut ist – eine priesterliche Aufgabe aus. So ist bereits für die Priesterschrift festzustellen, daß „als Subjekt der Handlung [sc. des Salbens, H. B.] ausschließlich der P-Mose und d. h. das höchstinstanzliche Priesteramt in Frage kommt“76 – in Sir selbst sind es neben Samuel noch Mose und Elia.77 Der Wortlaut von 46,13 spielt dabei auf die Salbung Sauls nach I Sam 10,1 an,78 doch wird bereits David nach I Sam 16,13 mit einbezogen. Der erste König wird im Plural hinter dem zweiten „Fürsten“ versteckt. Daß beide namentlich nicht genannt werden, liegt sicherlich auch daran, daß an dieser Stelle der primäre Fokus auf Samuel liegt,79 es hat aber, zumindest was Saul anbelangt, noch andere Gründe. Von David wird, das ist wenig überraschend, in Kapitel 47 noch umfangreicher erzählt werden – von Saul nicht. Als Richter wird Samuel in Sir wie in I Sam nicht zuletzt in seiner Abschiedsrede dargestellt. Hier wie dort beteuert er seine Redlichkeit, „alt und grau 73 Die griechische Fassung weist ihn dagegen ausschließlich als προφήτης κυρίου aus. Hier hat wahrscheinlich der „Enkel“ (zur Frage, ob ein, und wenn ja, welches familiäre Verhältnis zwischen Autor und Übersetzer anzunehmen ist, vgl. Marttila, Foreign Nations, 5–8; Reiterer, Jesus Sirach, 19 f.) des Verfassers gekürzt (vgl. Skehan / Di Lella, Ben Sira, 517) und dabei nicht nur diese beiden Ämter, sondern auch Samuels Geburtsgeschichte und sein Nasiräat gestrichen und aus dem „Geliebten seines Volkes“ (‫ )אוהב עמו‬den „von seinem Herrn Geliebten“ (ἠγαπημένος ὑπὸ κυρίου αὐτοῦ) gemacht. Der Bezug auf sein Handeln, wie es danach geschildert wird, ist dadurch verlorengegangen. Corley vermutet, die Kürzung sei „due to a combination of three reasons: haplography, confusion about the opening of a new poetic unit, and ideological factors“ (Corley, Portrait, 34) – also gewissermaßen in Verwirrung aus Versehen absichtlich geschehen. 74 Mack sieht ihn in Bezug auf Saul dagegen ausschließlich als Propheten auftreten (vgl. Mack, Wisdom, 34), Marböck in erster Linie (vgl. Marböck, Samuel der Prophet, 214), Porzig erwägt „gar ein munus quadruplex“ (Porzig, Lade, 105) als das eines Nasiräers, Propheten, Priesters und Richters. 75 Im Griechischen „über sein Volk“: ἔχρισεν ἄρχοντας ἐπὶ τὸν λαὸν αὐτοῦ. 76 Seybold, Art. ‫מׁשַח‬ ָ , 52; vgl. Hesse, Art. χρίω, 489 f. 77 Mose salbt Aaron in 45,13, Elia salbt in 48,8 im Griechischen „Könige zur Vergeltung“ (βασιλεῖς ἐις ἀνταπόδομα), im Hebräischen ‫מלא תשלומות‬, „einen, der voll ist von Vergeltungstaten“. Dies ließe sich mit I Reg 19,15 f. nicht nur auf Hasaël und Jehu, sondern auch auf Elisa beziehen, der im zweiten Halbvers genannt wird (vgl. Skehan / di Lella, Ben Sira, 531.533). 78 „Hat nicht JHWH dich über sein Erbe zum Fürsten gesalbt?“ (‫הלוא כי־משחך יהוה על־נחלתו‬ ‫)לנגיד‬. 79 Vgl. Marböck, Samuel der Prophet, 212.

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geworden“ in I Sam 12,2,80 bereits „zur Zeit seines Ruhens auf dem [Sterbe] lager“ in Sir 46,19,81 „vor JHWH und vor seinem Gesalbten“,82 der natürlich niemand anderes als Saul ist. Doch Samuels ruhmvolles Wirken endet nicht mit seinem Leben. Der Folgevers, 46,20, weiß davon, daß er auch noch „nach seinem Tod“ (‫)אחרי מותו‬83 „dem König“ (‫ למלך‬bzw. βασιλεῖ) „seine Wege“ (‫)דרכיו‬84 ansagte (Wurzel ‫ )נגד‬und sich auf diese Weise, so Ben Siras Deutung von I Sam 28, noch „aus der Erde“ (‫ מארץ‬bzw. ἐκ γῆς)85 als Prophet bewährte. Smend erwägt die Möglichkeit, ob man ‫„ דרכיו‬auf die Sünden Sauls beziehen“86 müßte, sieht aber letztlich in der Wendung eine polemische Aufnahme von I Sam 9,6.8. Die dort geäußerte Hoffnung, Samuel werde Saul und seinen Männern vielleicht den Weg weisen (‫אולי‬ ‫יגיד לנו את־דרכנו‬, 9,6) werde von Ben Sira „in Hass gegen Saul“87 verkehrt. Die Beobachtung eines möglichen Bezugs auf I Sam 9 ist wichtig. Bereits dort wird ja mit der Wegmetapher gespielt: Die „Wege“, die Samuel mitzuteilen haben wird, führen bekanntlich nicht, wie erhofft, zu den verlorenen Eselinnen, sondern sind der Aufstieg zur Herrscherwürde – aber, in der Verlängerung, die Sir 46 in der Aufnahme von I Sam 28 mit Blick auf die weitere Saulgeschichte dann vollzieht, auf lange Sicht führen sie eben auch zu Abfall, Abstieg und Untergang. In dieser Interpretation aber „Hass“ und darin die „hässliche Kehrseite“ des „jüdische[n] Glaube[ns] an die Allmacht des Guten“88 artikuliert zu sehen, ist nicht einfach nur nicht besonders nett89 und bedient – gar nicht so sehr „unterschwellig“90 – antijüdische Sterotypen. Die emotionale Kategorie „Hass“ beschreibt m. E. auch den Umgang mit den Quellen nicht zutreffend, der sich bei der Rezeption der Gestalt Sauls im Sirachbuch beobachten läßt. Ben Sira liest, um es anachronistisch zu sagen, die Schrift mit der Schrift und von der Schrift her, oder, besser und ohne implizit vorausgesetztes Kanonverständnis formuliert: Er interpretiert die ihm vorliegenden Darstellungen der Geschichte Israels 80 ‫ושבתי‬

‫ואני זקנתי‬. ‫ועת נוחו על‬. Im Griechischen „vor der Zeit seiner ewigen Ruhe“, πρὸ καιροῦ κοιμήσεως αἰῶνος. 82 Vgl. I Sam 12,3 ‫( נגד יהוה ונגד משיחו‬LXX: ἐνώπιον κυρίου καὶ ἐνώπιον χριστοῦ ἀυτοῦ) mit Sir 46,19 ‫( העיד ייי ומשיחו‬ἐπεμαρτύρατο ἔναντι κυρίου καὶ χριστοῦ αὐτοῦ). 83 Im Griechischen euphemistisch „nach seinem Entschlafen“ (μετὰ τὸ ὑπνῶσαι αὐτὸν). 84 Im Griechischen „ausdeutend“ (Smend, Weisheit, 447) „sein Ende“ (τελευτὴν αὐτοῦ). 85 nota bene: Samuel spricht „von unten“, nicht durch seine heraufbeschworene Gestalt. Womöglich schlägt sich hier eine Generalisierung von Jes 29,4 nieder, wo es heißt: „deine Stimme wird sein wie ein Totengeist aus der Erde“ (‫והיה כאוב מארץ קולך‬, vgl. Spiro, PseudoPhilo’s Saul, 133, n. 33). 86 Smend, Weisheit, 447. 87 Ebd. 88 Ebd. 89 So bemerkt Stadelmann leicht pikiert: „Gewiß hätte man das sachgemäß auch etwas freundlicher und ohne unterschwellig antijüdische Nebentöne sagen können!“ (Stadelmann, Schriftgelehrter, 196, n. 3). 90 Ebd. 81 ‫משכבו‬

2.2 Saul bei Ben Sira

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im Lichte weisheitlicher Theologie. Als schriftgelehrter Weiser weiß er schlicht, wie es um die „Wege“ bestellt ist: „Den Weg der Gerechten kennt JHWH, der Weg der Frevler jedoch vergeht“ (Ps 1,6).91 Die „Wege“ Sauls führten nach Gilboa, und Ben Sira ist nicht der erste, der daraus den Schluß zieht, dieses Ende lasse sich aus der vorhergehenden Geschichte begründen. I Chr 10,13 f. sprechen es aus: „Saul starb wegen der Untreue, mit der er an JHWH untreu gehandelt hatte“,92 die dann – so weiß es eine erläuternde Glosse93 – nicht zuletzt darin bestanden habe, einen Totengeist zu befragen (‫ )לשאול באוב לדרוש‬anstatt JHWHs. Explizit wird hier Saul (noch) nicht als „Frevler“ tituliert, man befindet sich jedoch bereits auf dem Weg dorthin. In I Sam 14,47 ist man dann genau dort angekommen – zumindest nach der Lesung der Masoreten. Sie wissen als Fazit über Saul zu nennen: „in allem, wohin er sich wandte, frevelte er“ (‫בכל‬ ַ‫אשר־יפנה יְַרׁשִיע‬, vgl. TJon ‫)מחייב‬,94 wogegen er nach der LXX und Vetus Latina nach L9395 „gerettet wurde“ (ἐσώζετο bzw. conserbabatur [sic!]), was der Nifal-Form ַ‫ יִּוַׁשֵע‬entspräche, und für Vg. sogar aktiv „obsiegte“ (superabat; die strittige Form wohl verstanden als ַ‫)יֹוׁשִיע‬.96 Ben Sira behandelt Saul auf jeden Fall implizit der (jüngeren) Lesart der Masoreten entsprechend. Es wäre reizvoll darüber zu spekulieren, ob er sie womöglich bereits kannte97 – dann hätte diese Lesart eine erstaunlich lange Tradition –, ob er gemeinsam mit I Chr 10,13 f. zu 91 ‫תאבד‬

‫כי־יודע יהוה דרך צדקים ודרך רשעים‬. ‫וימת שאול במעלו אשר מעל‬. 93 Vgl. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 186, sowie unten S. 91 f. 94 Wellhausen leitet freilich die masoretische Form ‫ ירשיע‬aus dem Syrischen ab und übersetzt sie mit „er siegte“ (Wellhausen, Text, 95). Ähnlich unternimmt es Klein unter Bezugnahme auf Radaq, ‫ רשע‬Hifil kausativ als „‚schuldig sprechen“‘ und „‚verurteilen lassen‘“ (J. Klein, David versus Saul, 97) zu deuten, was auf ein „siegen“ hinauslaufe. Dann wäre die (chronistisch beeinflußte) Uminterpretation von Sauls Leben und Wirken erst und nur durch den Targum geschehen. Ich halte es indes für wahrscheinlicher anzunehmen, daß auch an dieser Stelle die Wurzel ‫ רשע‬keine andere Bedeutung hat als auch sonst im Alten Testament. 95 Hier und im Folgenden immer zitiert nach Vercellone, Variae Lectionis Vulgatae. 96 Vgl. dazu Bezzel, Unterschiede, 136 f; ders., Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 190 f. Auch Josephus scheint das Wort in diesem Sinne verstanden zu haben. Er berichtet in seiner Paraphrase von I Sam 14,47 in Ant 6,130, daß Saul, „mit wem er Krieg führte, als Sieger befreit wurde/sich entfernte“ (οἷς δὲ πολεμήσατε νικήσας ἀπηλλάσσετο; Begg übersetzt: „came back victorious“, Begg, Antiquities 5–7, 134). Ἀπαλλάσσω hat sowohl den Aspekt der Entfernung als auch der Befreiung (vgl. die Belege bei Rengstorf, Concordance 1, 159–161) – die Verwendung des Wortes an dieser Stelle zeigt m. E. eine wohldurchdachte Übersetzung der Wurzel ‫ ישע‬durch Josephus. 97 Pseudo-Philo jedenfalls scheint, im ausgehenden 1. Jh. n. Chr., die Stelle nicht im Sinne der masoretischen Überlieferung zu verstehen. Im Anschluß an seine Fassung von Samuels Abschiedsrede nach I Sam 12 folgt, bevor der Krieg gegen die Amalekiter nach I Sam 15 beginnt, in LibAnt 57,5 eine kurze Notiz, die davon spricht, Saul habe ein Jahr lang äußerst erfolgreich mit den Philistern gekämpft: „Et post pugnavit Saul cum Allophilis uno anno pugna expedientissima“. Da der Sieg über die Philister bereits in der Endgestalt von I Sam 14 in erster Linie dem Konto Jonatans und nicht dem seines Vaters gutgeschrieben wird, kommt als Quelle für diese überraschend positive Aussage tatsächlich in erster Linie I Sam 14,47 in Frage. Daß Pseudo-Philo, im Blick auf Saul „[a] supreme master of the black art of character assassination“ 92 ‫ביהוה‬

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

ihrer Etablierung in I Sam 14,47 beitrug oder ob diese sich unabhängig von Ben Sira, aber aus dem gleichen Geist heraus entwickelte. Belegen wird sich letztlich keine der Möglichkeiten lassen. Auf jeden Fall aber verfährt Ben Sira so, als stehe für ihn das Urteil, Saul sei ein Frevler, ‫רשע‬, gewesen, fest. Dem entspricht nicht nur der Bezug auf sein Ende im Lichte von Ps 1, sondern auch die Vermeidung der Namensnennung, um die er peinlich bemüht ist. Saul ist für ihn Fürst (‫נגיד‬, 46,13), der Gesalbte JHWHs (‫משיח‬, 46,19) und der König (‫מלך‬, 46,20). Gebraucht wird also jeweils genau der Titel für Saul, der in der entsprechenden Geschichte in I Sam Anwendung findet. Mit der Abschiedsrede Samuels in I Sam 12 hat er dabei eine Vorlage, die ihm direkt zuarbeitet, denn auch dort ist der erste König Israels bereits ganz in den Hintergrund hinter den Sprechenden getreten und erscheint in seiner Zeugenfunktion ebenfalls ohne namentliche Erwähnung.98 Anders ist dies jedoch bei der Geschichte über die „Hexe von Endor“ in I Sam 28: Dort dominiert der Eigenname (17 Nennungen), während nur einmal von „dem König“ (‫ )המלך‬gesprochen wird (I Sam 28,13) – und dies ist die Bezeichnung, auf die Ben Sira zurückgreift. Es sieht ganz so aus, als verfolge der Weise das Programm, Saul einer damnatio memoriae bzw. abolitio nominis99 anheimfallen zu lassen. Offensichtlich gehört dieser seiner Meinung nach nicht zu den Männern, deren Lob gesungen werden soll, auf daß ihr Andenken (‫ )זכר‬in Ewigkeit Bestand habe (44,13)100. In 44,1.10 werden diese Bedenkenswerten als ‫אנשי חסד‬, „Männer der Liebe / Bundestreue“, bezeichnet. Was aber ist damit gemeint? Sauer interpretiert sie in seiner Übersetzung als „begnadete Männer“.101 Damit folgt er inhaltlich der griechischen Übersetzung, die – in einer für die Septuaginta singulären Wiedergabe von ‫​חסד‬102 – in 44,1103 ἄνδρας ἐνδόξους, „berühmte Männer“, preist und die Konstruktusverbindung offensichtlich als Genitivus objectivus versteht. Hat man jedoch im Blick, daß Ben Sira das Syntagma nicht selbst erfindet, sondern bereits geformt übernimmt,104 wird es wahrscheinlicher, an einen Genitivus sub(Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, 120), seine Vorlage ohne Not zugunsten des Königs ausgelegt hätte, ist extrem unwahrscheinlich.  98 Zu I Sam 12 vgl. U. Becker, Samuel-Rede.  99 Zum Begriff vgl. Wright, Remember, 145–147. Er sieht das Konzept einer damnatio memoriae bei Ben Sira im Übergehen Esras in Sir 49,13 verwirklicht, vor allem aber sei die abolitio nominis Nehemiae eine Intention für die Komposition von I Esr (a. a. O., 161). 100 „Auf ewig bestehe ihr Andenken“ (‫)עד עולם יעמד זכר‬. Die griechische Fassung liest nicht ‫זֵכֶר‬, sondern spricht davon, daß „ihr Same“ (σπέρμα αὐτῶν) auf ewig bleiben soll – womöglich, weil in V. 11 (LXX V. 12) davon bereits die Rede war (‫( )זרעם‬vgl. Smend, Weisheit, 420). 101 Sauer, Jesus Sirach, 614 f.; Ders., Ben Sira, 300 f. 102 Vgl. Hatch / Redpath, Concordance, 471. 103 In 44,10 sind es dagegen, auch hier im Genitivus objectivus, „Männer des Erbarmens“, ἄνδρες ἐλέους. 104 Anders Beentjes: „De woordencombinatie ‫ אנשי חסד‬in Sir. 44:1.10 is […] vanuit de eigen compositie (Sir. 44:1–15) te verklaren dan als een aan Jes. 57:1 ontleende parallel“ (Beentjes, Sirach en Tenach, 161).

2.2 Saul bei Ben Sira

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jectivus zu denken. So werden in Jes 57,1, der einzigen weiteren Belegstelle für die Wendung,105 die ‫( אנשי־חסד‬dort nach LXX ἄνδρες δίκαιοι106), deren Dahingerafftwerden beklagt wird, mit „dem Gerechten“ (‫ )הצדיק‬parallelisiert. Es liegt darum nahe, in ihrem ‫ – חסד‬anders als in Sir 50,24107 – nicht die „Gnade“ oder „Liebe“ zu sehen, die ihnen von Gott zuteil wird, sondern umgekehrt ihre „Treue“ oder „Liebe“,108 die sie ihm entgegenbringen – wie es die Gruppe der „Frommen“, der ‫חסידים‬, dann mit ihrer Selbstbezeichnung ausdrückt.109 Es wäre zu überlegen, ob die Umwandlung der „frommen“ ‫ אנשי חסד‬in „berühmte“ und „begnadete“ Männer im Griechischen eben daher rührte, daß der Übersetzer in hasmonäischer Zeit „um etwa 117 v. Chr.“110 den Eindruck vermeiden wollte, Ben Sira sei ein Parteigänger der ‫ חסידים‬gewesen – oder ob er für seine Übertragung lediglich eine Formulierung wählte, die seiner mutmaßlich alexandrinischen Leserschaft vertraut war. Zapff ebnet den Unterschied zwischen beiden Fassungen jedenfalls tendenziell ein, wenn er feststellt, bereits der hebräische Terminus sei „sowohl als gen. subj. wie obj. zu verstehen“.111 Ben Sira führt also im Väterlob den Stammbaum der „Frommen“ bis in die Urgeschichte hinein zurück. Die ‚anderen‘, und unter diese ist wohl Saul zu rechnen, werden von ihm nicht genannt und damit dem Vergessen anheimgegeben. Das ist schriftgelehrte performative Exegese frommer weisheitlicher Überlieferung, wie sie sich etwa in Ps 9,6; 34,17 oder in der Rede Bildads in Vgl. Di Lella, Praise, 154. dies ist eine singuläre Übersetzung von ‫( חסד‬vgl. Hatch / Redpath, Concordance, 332). Aquila hat denn auch ανδρες ελεου, Symmachus und Theodotion ανδρεσς του ελεου (vgl. Ziegler, Isaias, 332) – wie Sir 44,10, und noch 44,23 von Mose (ἄνδρα ἐλέους), der im Hebräischen schlicht „Mann“ (‫ )איש‬tituliert wird. 107 Dort ist eindeutig Gott das Subjekt der „Liebe/Treue“, in MS B gegenüber Simon, im Griechischen gegenüber „uns“: „Beständig erhalte er bei Simon seine Liebe und richte ihm auf den Bund des Pinhas“ (‫„ – )יאמן עם שמעון חסדו ויקם לו ברית פינחס‬in Treue sei mit uns sein Erbarmen und in unseren Tagen erlöse er uns“ (ἐμπιστεύσαι μεθ᾽ ἡμῶν τὸ ἒλεος αὐτοῦ καὶ ἐν ταῖς ἡμέραις ἡμῶν λυτρωσάσθω ἡμᾶς). 108 Zur Wiedergabe von ‫ חסד‬mit „Liebe“ vgl. Feldmeier/ Spieckermann, Gott der Lebendigen, 131 f. 109 Für die Nähe von ‫ אנשי חסד‬und ‫ חסידים‬vgl. Gesenius17, 247; Duhm, Jesaja5, 425; HALAT, 323; Gesenius18, 376. Blenkinsopp hat Sir 44,1.10 offensichtlich nicht vor Augen, wenn er zu Jes 57,1 anmerkt „[that] the term […] appears only here“ (Blenkinsopp, Isaiah 56–66, 151; vgl. ders., Ṣaddiq, 116). Auch er sieht im Ausdruck ‫„ אנשי חסד‬the equivalent of ḥăsîdîm“ (ders., Isaiah 56–66, 151), meint aber, es sei „beyond evidence to claim these anšê ḥesed as the ancestors of the Hasidim (asidaioi) of Maccabean times“ (ebd.). Statt dessen seien mit dem „Gerechten“ von Jes 57,1 der Ebed des vierten Gottesknechtslieds und mit den ‫ אנשי חסד‬dessen Schüler gemeint (vgl. ders., Ṣaddiq, 119 f.). Ich halte es indes für schwer vorstellbar, daß die einen „Frommen“ mit den anderen, die wenige Jahrzehnte später als feste Größe bekannt zu sein scheinen, nichts zu tun haben sollten: „Da sie zu jener Zeit [sc. 167/166 v. Chr., H. B.] schon fest organisiert scheint, wird die Zeit ihrer Entstehung wohl wenigstens einige Jahre zurückliegen müssen“ (Hengel, Judentum, 319, unter Verweis auf I Makk 2,42); zu den dort genannten Asidäern vgl. ferner Steck, Gewaltsames Geschick, 205–208. 110 Marböck, Sirach 1–23, 24; vgl. Beentjes, Major Topics, 4. 111 Zapff, Sirach 25–51, 316. 105

106 Auch

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

Hi 18,17, am prägnantesten aber in Prov 10,7 findet: „Des Gerechten Andenken (‫ )רכז‬ist gesegnet, aber der Name der Gottlosen wird verfaulen.“112 Ob Sirach diesen Grundsatz im programmatischen Prolog zur Laus Patrum selbst explizit macht, ist umstritten und nicht leicht zu entscheiden.113 Dort verweist er auf die großen Männer der Vorzeit und unterteilt sie in 44,8 f. in solche, die sich einen Namen gemacht haben (V. 8) und solche, derer samt ihrer Nachkommen nicht mehr gedacht würde (‫)רכז ול ןיא‬. V. 10 wendet sich dann den erwähnten ‫ דסח ישנא‬zu. Bezeichnet V. 9 nun nach V. 8 die zweite Teilsumme aus den positiv zu Rühmenden nach V. 7 („all jene“, ‫ )הלא לכ‬und meint Fromme, die ungerechterweise dem Vergessen anheimgefallen sind?114 Oder ist damit die Kontrastgruppe zu den folgenden „Männern der Liebe / Treue“ gemeint, die zurecht und notwendigerweise aus dem Gedächtnis getilgt werden?115 Für die erste Interpretation spricht die parallele Konstruktion von V. 8 und V. 9, die jeweils mit „es gibt unter ihnen“ (‫ )םהמ שי‬einsetzen. Das Suffix der dritten Person Plural kann kaum anders verstanden werden, als daß es auf „all jene“ von V. 7 zu beziehen wäre. Für die zweite Deutung spricht dagegen die Darstellung des Väterlobs insgesamt, in welcher Ben Sira recht konsequent nach dem zitierten Grundsatz von Prov 10,7 verfährt.116 Die einzige Ausnahme bildet Jerobeam I in 47,23, den zu nennen sich schlicht nicht vermeiden läßt, soll das Nordreich Israel und seine Geschichte nicht gänzlich übergangen werden. Freilich wäre dies nicht undenkbar gewesen, aber es hätte auch Elia betroffen, von dem im Anschluß, in Kapitel 48, umfangreich die Rede ist und der als „Prophet wie Feuer“ (‫ שאכ איבנ‬bzw. πρόφητης ὡς πῦρ, Sir 48,1) nicht vergessen werden darf. Um seiner willen muß sogar der Name Jerobeam genannt werden,117 der jedoch von einem Späteren ganz im Geiste der Grundschrift mit dem Hinweis glossiert wurde,118 an ihn bitte nicht zu erinnern: „bis daß aufstand – nicht werde seiner gedacht – Jerobeam ben Nebat“.119 112 ‫ירקב‬

‫זכר צדיק לברכה ושם רשעים‬. Sirach 44:1–15, 171 verweist in diesem Kontext auf Sir 10,17: „Und er läßt ihr Andenken von der Erde verschwinden“ (MS A: ‫)וישבת מארץ זכרם‬. Das Objekt dort sind jedoch die Völker, der Vers taugt somit nicht recht zum Vergleich. 114 Vgl. Skehan /Di Lella, Ben Sira, 501, mit Verweis auf Jes 57,1 f. 115 Vgl. Smend, Weisheit, 419; Corley, Sirach 44:1–15, 171. 116 Freilich schließt Ben Siras Konsequenz in dieser Hinsicht nicht aus, daß er – im Sinne der ersten Deutung – um das ungerechte Vergessen mancher Gerechter weiß und es bedauert. 117 Vg. illustriert diese Notwendigkeit ex negativo. Dort fehlen die von LXX als V. 23 und 24 gezählten Verse ganz und von Salomo wird – ausgesprochen hart – direkt zu Elia übergeleitet. 118 Vgl. Smend, Weisheit, 458. 119 ‫עד אשר קם אל יהי לו זכר ירבעם בן נבט‬. LXX hat diesen Einschub nicht. Sie erwähnt nach Rehabeam schlicht καὶ Ιεροβοαμ υἱὸς Ναβατ. Skehan /Di Lella konstruieren freilich – gegen alle Zeugen – einen ursprünglichen Text, der Rehabeam bloß in Umschreibung und Jerobeam nur negativ enthalten habe („[u]ntil one arose who should not be mentioned by name“, [Skehan / Di Lella, Ben Sira, 529]). Wie es dazu gekommen sei, daß das Gedächtnisverbot in der griechischen Fassung ausgelassen und noch dazu gerade durch den Eigennamen ersetzt worden sein soll, diskutieren sie nicht. 113 Corley,

2.3 Saul in den nichtbiblischen Schriften von Qumran

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Auch bei Saul gibt sich Ben Sira Mühe, den Lehrsatz von Prov 10,7 auf die Weise umzusetzen, wie es nach dem Urteil von I Chr 10,13 f. und I Sam 14,47 in masoretischer Lesart geradezu zwingend ist. Daß es ihm nicht gelingt, den ersten König Israels vollkommen aus der Geschichte zu tilgen, liegt wohl an zweierlei: Zum einen ist die Figur Sauls zu eng mit derjenigen des frommen Samuel verbunden. Will Ben Sira in angemessener Weise über diesen berichten, der über jeden Zweifel erhaben ist, so kommt er an jenem nicht vorbei – ein Aspekt, der bei der Suche nach der ältesten Saul‑ bzw. Samueltradition noch näher zu betrachten sein wird.120 Zum anderen bleibt Saul, Frevler hin oder her, „Fürst“ und „König“, vor allem aber „Gesalbter JHWHs“. Mag auch sein Name vergehen, seine Rolle in der Geschichte Israels bleibt bestehen, soll nicht Gott selbst der Frevelhaftigkeit geziehen werden – ein Problem, dem sich auch Pseudo-Philo gegenüber sieht. Er wählt freilich eine andere Lösung als Sirach.

2.3 „Der(,) den Saul schlug“ – Saul in den nichtbiblischen Schriften von Qumran War es nötig, die Zuweisung des Sirachbuches zur „frühen Rezeptionsgeschichte“ zu begründen und definitorisch näher zu bestimmen, was unter letzterer verstanden werden solle, so gilt dies in ähnlicher Weise für den Begriff der „nichtbiblischen Schriften“, wenn von den Dokumenten aus Qumran die Rede ist. Auf den ersten Blick scheint die Unterscheidung zwischen einer „biblischen“ und einer „nichtbiblischen“ Rolle leicht zu treffen zu sein: Es genügt ein Abgleich mit den vorliegenden Ausgaben von MT und LXX. Doch die textkritische Diskussion der letzten Jahre hat gezeigt, daß die Dinge oft nicht so einfach liegen. Auch diese scheinbar so eindeutig zu bestimmende Grenze ist nicht immer leicht zu ziehen.121 Ein Musterbeispiel hierfür ist ausgerechnet 4Q51, auch bekannt als 4QSama. Diese leider nur fragmentarisch erhaltene Rolle bietet einen Text der Samuelbücher, der schwer einzuordnen ist. Zuweilen scheint er die Septuagintalesart zu stützen, zuweilen einen protomasoretischen Text zu vertreten, und – etwa bei der Geschichte von Davids Volkszählung II Sam 24 und Davids Eroberung von Jerusalem II  Sam 5  – der Fassung der Chronik näherzustehen als derjenigen der Samuelbücher sowohl nach MT als nach LXX. Worum handelt es sich also bei 4Q51? Nicht selten wird die Rolle– ähnlich wie 4QJerb und 4QJerd122 – als 120 Vgl.

unten S. 149 f.; 191 f. García Martínez /Tigchelaar, Study Edition, ix: „In several cases the distinction between biblical and non-biblical texts is not clear-cut“, bei ihnen allerdings nicht im Blick auf 4Q51, sondern auf die „Reworked Pentateuch“-Texte; vgl. in diesem Sinne auch Kratz, Das Alte Testament und die Texte vom Toten Meer, 200. 122 Vgl. Tov, DJD 15, 171 f. 121 Vgl.

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

hebräischer Repräsentant der Septuagintavorlage oder als „protolukianisch“ interpretiert.123 Auld sieht in ihr – mit I Chr – eine größere Nähe zu der von ihm vertretenen Quelle der Davidgeschichte, dem „Book of Two Houses“, als zu I–II Sam in ihrer heutigen Gestalt.124 Dietrich nimmt an, hinter 4Q51 liege eine Samuelüberlieferung, die sich vom Hauptstrom bereits zu einem Zeitpunkt abgespalten habe, der noch vor der Trennung von Proto-MT und Proto-LXX gelegen habe.125 Daneben gibt es aber auch Gründe, die dafür sprechen, hier, ähnlich vielleicht den altkirchlichen Evangelienharmonien, eher eine Art Patchwork aus verschiedenen Textformen zu erblicken. Aejmelaeus vermutet dahinter das Anliegen eines Schreibers, „to produce a perfect manuscript with the most complete collection of material“126. Wenn schließlich in dieser „Harmonie“ sowohl Samuel‑ als auch Chronikfassungen zusammenklingen – ist das dann noch ein „biblisches Buch“ oder etwas anderes, neues? Rofé geht sogar noch einen Schritt weiter als Aejmelaeus. Er bestimmt, nicht zuletzt anhand von II Sam 24 bzw. I Chr 21, 4Q51 als Midrasch, der im fraglichen Kapitel eine Art literargeschichtliches Zwischenglied zwischen Samuel und der Chronik biete, auf keinen Fall aber einen „biblischen“ Text.127 Ähnlich wie mit 4Q51 verhält es sich mit den „Reworked Pentateuch“-Texten (4Q158, 4Q364–367).128 Was für den Begriff des „Kanons“ insgesamt gilt, läßt sich demnach durch die Interpretation der Funde aus der judäischen Wüste nun auch von der Kategorie der „biblical scroll“ sagen: Sie ist eine unscharfe Größe geworden. Für unsere Zwecke jedoch ist die Frage weniger relevant, an welcher Stelle genau 4Q51 in diesem Begriffsfeld zu verorten sei. Das hat einen einfachen Grund: Was die Person Sauls anbelangt, so sind in dieser Rolle keine Fragmente erhalten, die einen anderen als den „biblischen“ Text der Samuelbücher bieten würden; auch bei wichtigen Differenzen zwischen LXX und MT fehlen die entsprechenden Stücke. Hier sind es lediglich die unterschiedlichen Rekonstruktionen der Herausgeber, die Varianten bieten, und diese sind natürlich bereits maßgeblich von der zugrundeliegenden Hypothese über den Charakter der Rolle insgesamt geprägt. Ihnen ist daher mit äußerster Zurückhaltung zu begegnen. Ein Beispiel dafür bietet I Sam 31,3, ein Stück aus der Schlacht bei Gilboa, einen Vers vor dem Tod Sauls. Nach dem MT erbebt hier der König stark vor den feindlichen Schützen (‫)וַּיָחֶל ְמאֹד ֵמהַּמֹוִרים‬, während er nach LXX von ihnen schwer im Unterleib verwundet wird (καὶ ἐτραυματίσθη εἰς τὰ ὑποχόνδρια). Die Ver123 Vgl.

Cross / Parry /Saley, DJD 17, 25–27. Auld, Imag[in]ing Editions, 120 f. 125 Vgl. Dietrich, Doch ein Text?, 157. 126 Aejmelaeus, Hannah’s Psalm, 37. 127 Vgl. Rofé, Midrashic Traits. 128 Vgl. Tov, DJD 39, 164–167; Segal, Between Bible and Rewritten Bible, 15 f. 124 Vgl.

2.3 Saul in den nichtbiblischen Schriften von Qumran

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wundung, die auch von Vg. und Vetus Latina nach L93 und L94 bezeugt wird (et sauciatus est), und von der auch Josephus weiß,129 entspräche der (biblisch nicht belegten) Nifalform ‫וַּיִחַל‬, die Vorlage für den „Unterleib“ ist unklar.130 In 4Q51 ist von all dem nichts erhalten. Die letzten beiden Buchstaben, die das Fragment 48 bietet, sind ein sehr unsicheres Mem und ein noch unsichereres Zade des vorausgehenden ‫וימצאהו‬.131 Cross, Parry und Saley rekonstruieren daraus nun ‫וימצאוהו המורים בקשת ויחלו אתו אל המתנים‬,132 „und es fanden ihn die Schützen mit dem Boden und verwundeten ihn in den Lenden.“ Offensichtlich gehen die Herausgeber dabei von LXX bzw. von der These aus, 4Q51 belege hebräisch eine protolukianische Textfassung, auch wenn sie – von keinem antiken Textzeugen belegt und ohne dies argumentativ zu begründen – mit ‫ ויחלו‬Aktiv statt Passiv lesen und hier wohl einen biblisch nicht vorkommenden Narrativ Hifil von ‫ חלה‬annehmen. Fincke dagegen orientiert sich (an dieser Stelle) am Konsonantenbestand des MT und kommt zu ‫וימצאוהו המורים אנשים בקשת ויחל מהמרים‬,133 „und es fanden ihn die Schützen, Männer mit dem Bogen, und er erbebte (oder: wurde verwundet) von den Schützen.“ Unabhängig davon also, was 4Q51 ist – aus unserer Perspektive erscheint die Handschrift nicht anders als eine Bibelhandschrift und kann darum auch als eine solche behandelt werden. Für die anderen Rollen wird ebenfalls ein pragmatischer Zugang gewählt: Als „nicht-biblisch“ werden diejenigen Schriften angesehen, die auf der entsprechenden Liste in DJD 39 als solche aufgeführt sind.134 Geht man unter dieser Prämisse auf die Suche nach Saul in Qumran, so fällt das Ergebnis numerisch nur unwesentlich üppiger aus als im Sirachbuch. Zwar findet sich die Konsonantenverbindung ‫ שאול‬insgesamt 28mal, doch ist damit in 21 Fällen relativ eindeutig die Unterwelt, ‫ׁשְאֹול‬,135 gemeint, an vier Stellen deutet das noch erhaltene Lamed womöglich auf sie hin,136 ein Fragment enthält 129 In Ant 6,370 kämpft Saul tapfer, „viele Wunden empfangend“ (πολλὰ τραύματα λαβών) (vgl. dazu Begg, Death, 489, n. 34). 130 Zur Beurteilung der Stelle, vgl. Bezzel, Unterschiede, 135 f. 131 Vgl. DJD 17, Tafel XIII b. 132 Cross / Parry/Saley, DJD 17, 101, Hervorhebung H. B. 133 Fincke, Samuel Scroll, 20, Hervorhebung H. B. 134 Vgl. DJD 39, 27–164. Das entspricht dem Vorgehen der Konkordanz von Abegg (vgl. Abegg, Concordance, ix). 135 Es handelt sich um 1QpHab VIII,4; 1Q33 (1QM) XIV,18 (mit konjiziertem Schin); 1QHa IV,25 (SE [Study Edition]: IV,13; S [Sukenik]: XVII,13); XI,10 (SE: XI,9; S: III,9); XI,17 (SE: XI,16; S: III,16); XI,20 (SE: XI,19; S: III,19); XIV,20 (SE: XIV,17; S: VI,17); XVI,29 (SE: XVI,28; S: VIII,28); XVII,4 (SE: XVII,4; S: IX,4) XVIII,36 (SE: XVIII,34; S: X,34); 4Q162 II,5; 4Q184 1,10; 4Q200 6,6; 4Q381 10–11,5; 4Q426 5,1; 8,3; 4Q428 18,4; 4Q437 2i11; 4Q491 8–10,i,15; 4Q491,10,ii,17; 5Q16 1,4 (Maier, Qumran-Essener 1, 304, liest hier allerdings das auf dem Fragment erhaltene ‫ ב̊עד שאול‬als „für Saul“; García Martínez/ Tigchelaar, Study Edition, 1142, lesen „Sheol“); 11Q5 XIX,10; 11Q10 I,2. 136 1QHa XXV,14 (4QHb 18,4); 4Q432 5,4 (nach DJD 29, 219; nach García Martínez/ Tigchelaar, Study Edition, 906 f. 4Q432 4,I,5); 4Q286 (4QBera),7a,ii,b–d,9 (nach DJD 11,

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daneben nur ein weiteres Wort,137 und einmal ist wohl eine Verbform von ‫שאל‬ gemeint.138 An einer einzigen Stelle jedoch ist eindeutig von Saul die Rede, auf Fragment vier des Textes 4Q252, der früher auch als Genesispescher bezeichnet wurde und daher zuweilen auch unter der formalen Kennzeichnung 4QPGen A oder 4QcommGen A firmiert. Das Stück umfaßt in sechs Kolumnen Auslegungen zu Stücken aus der Genesis von Gen 6 bis Gen 49, angefangen von der Flut bis zum Jakobssegen. Der Form nach ist es eine Klasse für sich. Pescher-Auslegung samt der Formel ‫פשרו‬, „seine Deutung ist“, findet sich ebenso wie, etwa im Falle der Flut, interpretierende Nacherzählung.139 Bernstein lehnt darum die früher übliche Etikettierung als Pescher ebenso ab140 wie die Bezeichnung „Florilegium“ und votiert dafür, in ihm ein bislang für seine Zeit – die Handschrift wird in die zweite Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts datiert141 – singuläres Stück Kommentarliteratur zu erkennen.142 Man könnte es als ein Bindeglied im allmählichen Übergang von der paraphrasierenden zur expliziten Auslegung bezeichnen,143 das typische Merkmale beider Gattungen aufweist, eine Art Archaeopteryx in der Evolutionsgeschichte der Schriftauslegung. Was die in ihm 27; bei García Martínez / Tigchelaar, Study Edition, 646 f. wird das Fragment mit diesem potentielle Scheol-Lamed nicht an dieser Stelle eingesetzt); 11Q11 V,9. 137 Es handelt sich um PAM 43.691 54,2 (vgl. DJD 33, 231) mit dem Inhalt ‫ו]הנה שא̊[ול‬. Pike / Skinner, DJD 33, 231 übersetzen „and] behold Sa[ul“; vgl. Abegg, Concordance, 705. 138 4Q379,22,II,4: García Martínez/Tigchelaar, Study Edition, 750 f., übersetzen ‫שאול‬ ‫ ומ‬mit „asked, and …“. (so auch Newsome, vgl. DJD 22, 278 f.; vgl. Abegg, Concordance, 706). 139 Nicht zuletzt die formale wie inhaltliche Differenz der Einzelstücke bildet noch für Stegemann den Grund, den „Midrasch zu Genesis“ nur in den Stücken zu finden, die sich mit den Patriarchensegen beschäftigen und die vorausgehenden Passagen einer anderen Handschrift zuzuweisen (vgl. Stegemann, Essener, 171). Brooke führt dagegen ins Feld, daß selbst innerhalb eines Fragmentes (nämlich in Fragment 1) formal unterschiedliche Arten des Schriftgebrauchs vorkommen, Paraphrase ebenso wie die Formel ‫( כאשר כתוב‬vgl. Brooke, Deuteronomic Character, 122). Darüber hinaus werde die Zusammengehörigkeit der Einzelstücke durch ihren jeweiligen Hintergrundbezug auf das Deuteronomium gestützt (vgl. a. a. O.). Mittlerweile ist die Rekonstruktion der kleinen Rolle durch Brooke weitgehend unumstritten – 1995 hat ihr wohl auch Stegemann zugestimmt, „[i]n a conversation with me at the Second Meeting of the International Organization for Qumran Studies“ (Brooke, Early Jewish Commentary, 386, n. 3). 140 Zur Kritik an der Einordnung als „Pescher“ vgl. aber schon Stegemann, Weitere Stücke, 213 f., noch ohne Kenntnis aller Fragmente. 141 Vgl. Brooke, DJD 22, 190. 142 Vgl. Bernstein, 4Q252. 143 Tov spricht, ein wenig unscharf, von einer „mixture“ (Tov, Biblical Texts, 133). Brooke bestimmt darüber hinaus den spezifischen Ort und Charakter von 4Q252 im genannten Sinne präziser (vgl. Brooke, Bible to Midrash, 6; ders., Early Jewish Commentary). Im letztgenannten Aufsatz führt er diese These noch dahingehend weiter aus, daß er die vorderen drei Kolumnen, die stilistisch eher rewritten Bible bieten, älteren Quellen zuweist als die hinteren drei, die eher explizit kommentieren (vgl. a. a. O., 399). Bernstein zeichnet, mit 4Q252 in einer Schlüsselrolle, den Weg von der impliziten zur kommentierenden Exegese anhand eines Vergleichs der Genesisinterpretation in den Schriften von Qumran nach (vgl. Bernstein, Contours, insbesondere 84 f.).

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behandelten Stücke miteinander verbindet, ist umstritten. Brooke vertritt die Ansicht, es würden in erster Linie „unfulfilled or unresolved blessings and curses“144 der Genesis ausgelegt und die einzelnen Stücke würden durch das Thema der Landverheißung zusammengehalten, Fröhlich sieht das einigende Band darin, daß Übertretung und Befolgung sexueller Tabus mit ihren jeweiligen Konsequenzen einander gegenübergestellt würden.145 Dem widerspricht Bernstein ebenso wie der Deutung von Eisenman und Wise, die alles auf die messianische Deutung von Gen 49,10 in Kolumne fünf am Ende des Dokuments zulaufen lassen wollen,146 welche die Rolle erstmals bekannt und unter der Bezeichnung 4Q Patricharchal Blessings berühmt machte.147 Er vermutet statt dessen, daß es keinerlei inhaltlichen Zusammenhang zwischen den Einzelauslegungen gebe. Das sie einende Band liege in dem Umstand, daß sie allesamt „an interpretation of difficult passages“148 böten. Der unterschiedliche Kommentarstil dieser Passagen sowie der abrupte Anfang mit dem Tod Noahs149 deuteten zudem darauf hin, daß hier ein Kompilator Auslegungen aus verschiedenen Quellen zusammengestellt habe, um daraus eine Anthologie zu erstellen, deren Charakter nun „somewhere between rewritten bible and biblical commentary“150 liege. Saukkonen nimmt nun eine Mittelposition mit stärkerer Anlehnung an Brooke ein. Das Dokument sei zwar (mit Bernstein) eine Kompilation, gleichwohl gebe es (mit Brooke) eine thematische Kohärenz. Sie liege in der Frage von „election and rejection of descendants“,151 anhand welcher eine Linie von Noah bis zum Messias gezogen werde. Das erscheint nicht unplausibel, zumal das eschatologische Achtergewicht von 4Q252 und die terminologische Nähe zu eindeutig jachad-internen Texten – zumindest in den Kolumnen IV bis VI – nicht zu bestreiten ist.152 Einer weiteren via media, diesmal mit stärkerer Anlehnung an Bernstein, folgt nun auch Tzoref. Sie vertritt die Ansicht, 4Q252 folge in der 144 Brooke,

Thematic Content, 54; vgl. ders., Bible to Midrash, 9 f. Fröhlich, Themes; dies., Narrative Exegesis, 87 f. 146 Vgl. Eisenman/Wise, Jesus, 89–91. 147 Zur Interpretation der Messiasvorstellung von 4Q252,V vgl. Allegro, Messianic References, 174–176; Stegemann, Weitere Stücke, 211–217; García Martínez, Messianische Erwartungen, 174–177. 148 Bernstein, Method, 74. Brookes Argument gegen Bernstein ist, daß diese These für die Behandlung von Gen 22 in 4Q252 nicht zutreffe (vgl. Brooke, Early Jewish Commentary, 387 f.). 149 Es gibt die These, der Anfang des Kommentars sei verlorengegangen, vgl. Fröhlich, Themes, 81.; dies., Narratives, 111. Dagegen spricht aber die physische Beschaffenheit von Fragment 1 und 6, die es äußerst unwahrscheinlich machen, daß ursprünglich vor Kolumne 1 und nach Kolumne 6 noch Text gestanden habe, vgl. Brooke, Genre, 162–165; ders., Thematic Content, 36 f.; ihm folgend Bernstein, Method, 64 f. 150 A. a. O., 76; vgl. in diesem Sinne auch Niebuhr, Bezüge, 44. 151 Saukkonen, Selection, 71. 152 Saukkonen nennt die Pescher-Formel in IV,5 sowie die Verbindung ‫ אנשי היחד‬in V,2 (a. a. O., 80; vgl. Brooke, Genre, 174, n. 26). Dem wäre womöglich die Terminierung ans Ende der Tage (‫ )באחרית הימים‬hinzuzufügen (vgl. Steudel, Midrasch, 161 und unten S. 35). 145 Vgl.

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Kommentierung einer Art Liste der zehn Stellen in Genesis, an denen von Gottes Segenshandeln die Rede sei, achtmal in der ersten Person und zweimal im Narrativ mit Gott als Subjekt.153 Diese Liste repräsentiere mehr oder weniger weit verbreitetes Traditionsgut „pertaining to Elect figures in Genesis“154. Darauf ließen diejenigen Stellen des Jubiläenbuches schließen, an denen – möglicherweise durch einen Ergänzer155 – auf himmlische Tafeln als Quelle verwiesen wird, da diese deutliche Parallelen zu 4Q252 aufwiesen.156 Ohne es explizit zu sagen, tritt Tzoref damit in Opposition zur These Bernsteins, der den inhaltlich und formal disparaten Charakter von 4Q252 damit erklärt, daß der Autor der Schrift unterschiedliche Quellen exzerpiert habe. Die erhaltenen Fragmente von 4Q252, die Gen 15,9.7 und Gen 18,31 f. auslegen, fügen sich Tzorefs Muster der Segensliste allerdings nicht ohne einige Mühe ein, und auch die Gegenüberstellung von 4Q252 und den Himmelstafeln von Jub ist nicht unbedingt selbstevident. Es gibt einerseits keine Parallelen zu Jub 19,8–9 und 23,32 in 4Q252, andererseits fehlt eine Entsprechung des einen, hier besonders interessierenden Stücks des Genesiskommentars im Jubiläenbuch. Gleichwohl sind Tzorefs Beobachtungen nicht in Gänze von der Hand zu weisen. Vielleicht wird man ihre These dahingehend modifizieren können, daß beide Schriften, 4Q252 und Jub, durchaus den Weg zu einer exegetischen Tradition markieren, wie sie von ihr beschrieben wird, aber noch nicht selbst aus einer solchen schöpfen. Unabhängig jedoch von der Frage nach dem inhaltlichen Zusammenhang des Dokuments ist es auf jeden Fall eine der in der Tat auslegungsbedürftigen Stellen der Genesis, die nun dem Autor oder Kompilator von 4Q252 einen Anlaß gibt, im Rahmen des Großthemas „Verwerfung der Nachkommen Esaus“ auf Saul zu verweisen. So liest man auf Fragment 5 der Rolle, in Kolumne 4, Zeilen 1–3: ]‫ תמנע היתה פילגש לאליפז בן עשיו ותלד לו את עמלק הוא אשר הכ̇[ה‬1 158 ‫ שאול‬2

157

„Timna war eine Nebenfrau von Elifas, dem Sohn Esaus, und sie gebar ihm den Amalek, das ist(,) der (,) den Saul schlug.“

Hierauf folgt eine Leerstelle von der Größe etwa dreier Buchstaben, woraufhin der Text fortfährt: 153 Vgl.

Tzoref, Listenwissenschaft, 339. 344–346. Covenantal Election, 89. 155 Vgl. a. a. O., 75, n. 3 156 Vgl. a. a. O., 78 f. 157 García Martínez / Tigchelaar, Study Edition, 504 ergänzen auch das Suffix und lesen ]‫הכ[הו‬. Am Zeilenende wäre für das entsprechende Waw sicherlich noch Platz gewesen, sein Fehlen hätte allerdings auch keine Lücke verursacht. Der Unterschied ist für die Übersetzung jedoch womöglich nicht ganz unerheblich, vgl. unten S. 36 f. 158 Vgl. DJD 22, 203 und Tafel XIII. 154 Tzoref,

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‫ כאשר דבר למושה באחרית הימים תמחה את זכר עמלק‬2 159 ‫ מתחת השמים‬3

„Wie er dem Mose sagte: Am Ende der Tage wirst du das Gedächtnis160 Amaleks austilgen von unter dem Himmel.“ Damit ist diese Stelle offensichtlich geklärt, denn nach einer größeren Leerstelle schreitet das Werk zur nächsten Auslegung. Es folgt unter der Überschrift ‫ברכות‬ ‫ יעקוב‬die Behandlung des Jakobssegens, die mit Gen 49,3 einsetzt. Der kurze Abschnitt ist dreigeteilt. Zunächst wird der zu deutende Halbvers, die Genealogie Amaleks aus Gen 36,12a, zitiert, und zwar interessanterweise in einer Fassung, die weder MT noch LXX, aber Teilen der äthiopischen und arabischen Überlieferung entspricht.161 Hieran schließt sich, für Auslegungstexte aus Qumran nicht untypisch,162 mit „das ist“ (‫ )הוא אשר‬die Erläuterung an, wer dieser Amalek sei bzw. welche Rolle ihm im weiteren Verlauf der Geschichte noch zukommen werde. Dieser weitere Geschichtsverlauf wird sodann ebenfalls mit einem Zitat aus der Tora begründet, einer Adaption von Dtn 25,19,163 die auch an Ex 17,14164 erinnert.165 In einem markanten Punkt wird allerdings der Vers aus dem Deuteronomium geändert: bei der Zeitangabe. Ist dort davon die Rede, daß die Vernichtung Amaleks dann stattfinden soll, wenn JHWH 159 Vgl. ebd. In einer ersten Besprechung des Fragmentes 1967 war für Stegemann der Text nur bis ‫ הוא‬lesbar – er vermutete, daß sich eine Deutung auf Herodes den Großen angeschlossen haben könnte, die auf seine edomitische Herkunft abgezielt hätte (vgl. Stegemann, Weitere Stücke, 212–217). 160 Stegemann übersetzt hier „die männliche Nachkommenschaft Amaleks“ (Stegemann, Essener, 171), d. h., er vokalisiert nicht ‫זֵכֶר‬, sondern ‫זָכָר‬. Das ist theoretisch möglich, ich halte es jedoch für fraglich, daß innerhalb des Schriftzitats hier eine Lesart intendiert ist, wie sie in der Tradition weder für Ex 17,14 (LXX: τὸ μνημόσυνον, TO: ‫דוכרניה‬, Vg.: memoriam) noch für Dtn 25,19 (LXX: τὸ ὄνομα, TO: ‫דוכרניה‬, Vg.: memoriam) belegt ist. 161 ‫ ותלד לו‬statt ‫ותלד לאליפז‬. Vgl. Brooke, Some Remarks, 18; 24. Die Genesiszitate in 4Q252 folgen manchmal MT gegen LXX, manchmal LXX gegen MT, und zuweilen geht 4Q252 gegen beide. Das ist nach Brooke ein Beleg dafür, daß noch zur Entstehungszeit der Handschrift der exakte Text auch der Tora noch keineswegs sakrosankt war. 162 Vgl. J. Maier, Biblical Interpretation, 105. 163 ‫והיה בהניח יהוה אלהיך לך מכל־איביך מסביב בארץ אשר יהוה־אלהיך נתן לך נחלה לרשתה תמחה את־זכר‬ ‫עמלק מתחת השמים לא תשכח‬. „Und wenn dich JHWH, dein Gott zur Ruhe kommen lassen wird von all deinen Feinden ringsum in dem Land, das dir JHWH, dein Gott im Begriff ist zum Erbe zu geben, um es in Besitz zu nehmen, wirst du das Gedächtnis Amaleks vertilgen von unter dem Himmel. Vergiß es nicht!“ 164 ‫ויאמר יהוה אל־משה כתב זאת זכרון בספר ושים באזני יהושע כי־מחה אמחה את־זכר עמלק מתחת השמים‬. „Und JHWH sprach zu Mose: Schreibe dies zum Gedächtnis in das Buch und lege es in die Ohren Josuas, daß ich wahrhaft austilgen werde das Gedächtnis Amaleks von unter dem Himmel.“ 165 Eisenman / Wise, Jesus, 88 f. verweisen lediglich auf die Exodusstelle, so auch Stegemann, Essener, 171. Die Formulierung von 4Q252 ist aber eindeutig diejenige von Dtn 25,19 (vgl. Brooke, Deuteronomic Character, 126; ders., Thematic Content, 49; Bernstein, 4Q252, 15 f.). Fröhlich sieht beide Stellen im Hintergrund des Zitats (vgl. Fröhlich, Themes, 86 f., n. 18).

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seinem Volk „Ruhe verschafft hat von allen Feinden ringsum“,166 so ist hier ein eschatologischer Termin „am Ende der Tage“, also im „letzte[n] Zeitabschnitt unmittelbar vor Beginn der Heilszeit“167 angepeilt. Dieser Umstand verlangt nach einer Deutung, ebenso wie die Fragen, warum vom Autor gerade dieser Halbvers als kommentierenswert angesehen wurde, und was der Vorverweis über das Bild Sauls auszusagen vermag, das dem Kommentator vor Augen stand. Je nachdem, wie man den Charakter des Dokuments 4Q252 insgesamt beurteilt, hängen diese drei Fragen mehr oder weniger eng zusammen. Sieht man in ihm einen zusammenhängenden Text mit einer vorherrschenden Intention, so erscheint es möglich, unseren Abschnitt im Licht der anderen auszulegen. Die Vernichtung Amaleks läßt sich dann mit Brooke als eine unter mehreren Verheißungen Gottes sehen, die noch der Erfüllung harren168 oder aber gar vom Ende des Dokuments her als eine Aufgabe für den dort angekündigten „Gesalbten der Gerechtigkeit“ (‫ )משיח הצדק‬von V,3 verstehen. So sei etwa nach Eisenman / Wise, die Zeitangabe „am Ende der Tage“ in das Deuteronomiumszitat deshalb eingefügt worden, um anzuprangern, daß Saul mit seiner Aufgabe gescheitert und das göttliche Gebot daher noch nicht ausgeführt sei: „Und wer wird dies vollstrecken? Sicherlich der Messias, mit dem der Text schließt.“169 Nun weiß aber selbst der explizit „messianische“ Teil des Kommentars in V,1–7 gar nichts über irgendwelche Aufgaben des kommenden Herrschers. Ihn von dort, aus der Auslegung von Gen 49,10, eine Kolumne nach vorne, in die Deutung von Gen 36,12, zu importieren, erscheint darum in der Tat „fanciful“.170 Dies gilt umso mehr dann, wenn man mit Bernstein171 das verbindende Element innerhalb des Kommentars primär darin sieht, daß aus unterschiedlichen Gründen schwierige Stellen in der Reihenfolge ihres Vorkommens in Genesis behandelt werden – das muß thematische und Stichwortverknüpfungen wie die über das Thema „Nebenfrau“ (‫ )פילגש‬von Timna zum anschließenden Spruch über Ruben172 nicht ausschließen. Der Grund für die Behandlung von Gen 36,12 war demnach die Irritation darüber, daß an dieser Stelle die Herkunft Amaleks ohne jede ersichtliche Motivation eingeführt wird und das genealogische Schema der umliegenden Verse sprengt. Bernstein nennt dies das „Ham principle“173 und verweist auf Rashis und Rashbams Auslegung zu Gen 9,18, wo ein ähnlicher Fall vorliegt. Dort ist es die Erwähnung Hams als Vater Kanaans, die den Leser überrascht. 166 Dieser

Zustand ist bekanntlich mit Jos 21,44 erreicht (vgl., im Rückblick, Jos 23,1). Midrasch, 163. 168 Vgl. Brooke, Thematic Content, 54. 169 Eisenman / Wise, Jesus, 89. 170 Bernstein, 4Q252, 16, n. 51. 171 a. a. O., 4; ders., Method, 74. 172 Vgl. Fröhlich, Themes, 87. Sie möchte darüber hinaus eine gezielte Anknüpfung in der Homophonie von ]‫( הכ[הו‬IV,1) und ‫( הוכיחו‬IV,5) erkennen (ebd.; vgl. dies., Narratives, 116). Ich kann hier wenig Gleichklang hören. 173 Bernstein, Method, 71; vgl. ebd., n. 4. 167 Steudel,

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Die Erklärung für diese überraschende Erwähnung Amaleks muß nun darin liegen, daß er im weiteren Verlauf der Geschichte eine wichtige Rolle zu spielen hat – und die sieht der Kommentator nun eng mit dem Schicksal Sauls verbunden. Der Verweis auf die göttliche Anordnung nach Dtn 25,19 und deren Terminierung an das „Ende der Tage“ hebt dessen Bedeutung einerseits heraus, relativiert sie andererseits aber zugleich. Die Auseinandersetzung mit den Amalekitern ist die heilsgeschichtliche Aufgabe Sauls174 – daß er sie nicht erfüllt hat, wird ihm allerdings – anders als in I Sam 28,18175 – nicht als Freveltat ausgelegt, sondern ist Bestandteil des göttlichen Planes. Die Zeit dafür war noch nicht reif: Es sollte erst – gegen I Chr 4,42 f., wonach die letzten Amalekiter in den Tagen Hiskias erschlagen wurden – „am Ende der Tage“ geschehen,176 an einem Termin also, der in den Schriften aus Höhle 4 nicht selten und für die unterschiedlichsten Ereignisse genannt wird.177 Auch diesen Zeitpunkt kann man indes für unseren Fall direkt aus der Tora ableiten: Bileam tut in Num 24,14 kund, was sich zu dieser Zeit (‫ )באחרית הימים‬ereignen wird, nicht nur für Balak und die Moabiter, sondern auch für die Amalekiter: Sie werden, so Num 24,20, letztendlich untergehen (‫)ואחריתו עדי אבד‬.178 Daß dies noch aussteht, davon zeugt nicht zuletzt das Buch Esther, das den Schurken Haman – im hebräischen Text – als „Agagiter“ ausweist,179 also als Nachkommen des von Saul in I Sam 15 verschonten Amalekiterkönigs Agag. Mordechai dagegen wird in Esth 2,5 als Benjaminit vorgestellt und in die Abstammung von Schimi und 174 Und nicht etwa Davids, von dem gleichermaßen gesagt wird, daß er die Amalekiter schlug (vgl. I Sam 30,18; II Sam 1,1)! 175 ‫כאשר לא־שמעת בקול יהוה ולא־עשית חרון־אפו בעמלק על־כן הדבר הזה עשה־לך יהוה היום הזה‬. „Weil du nicht gehört hast auf die Stimme JHWHs und nicht ausgeführt hast die Glut seines Zornes an Amalek, darum hat dir JHWH heute diese Sache angetan.“ 176 Für die Rolle Amaleks als „eschatological enemy of Israel“ (Maier, Amalek, 113) verweist Maier auf 1QM (=1Q33) I,1–2 (wo der Name freilich in eine Lacuna hineinrekonstruiert werden muß) und auf Jub 24,27–32 (vgl. a. a. O., 114). 177 Vgl. Brooke, Deuteronomic Character, 127; ders., Thematic Content, 50. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem „eschatologischen Midrasch“, der durch 4Q174 und 177 repräsentiert wird (vgl. dazu Steudel, Midrasch, 161–163; dies., Eschatological Interpretation, 478 f.). Im einzelnen sind die Belege für ‫ באחרית הימים‬CD IV,4; VI,11; 1Q14,6,2 (teilweise rekonstruiert); 1Q28a,I,1; 4Q161,8–10,18 (teilweise rekonstruiert; nach García Martínez/ Tigchelaar, Study Edition, 316; in DJD 5, 14 ist es Zeile 17); 4Q174,1–2I,21,2; 1–2I,21,12; 1–2I,21,19; 4Q177,1–4,5 (vgl. DJD 5, 67; nach Steudel, Midrasch, 73: Kolumne X,5); 1–4,7 (nach ebd.: X,7); 9,2 (fragmentarisch; vgl. DJD 5, 70; nach Steudel, Midrasch, 72: IX,14); 4Q397,IV,13 (teilweise rekonstruiert); 4Q398,14–17I,6; 4Q504,XVI,14; 4Q509,7,5. Unberücksichtigt in dieser Liste sind die Wendungen ‫באחרית העת‬, ‫ באחרית‬und ‫( לאחרית הימים‬vgl. für letztgenannte noch Steudel, Midrasch, 161, n. 1). 178 Für den Verweis auf Num 24 vgl. Brooke, Thematic Content, 50. Dazu verhalten kritisch: Bernstein, Method, 71, mit der Begründung, daß in Num 24 zwischen den „letzten Tagen“ und der Nennung Amaleks sechs Verse lägen und diese Distanz zu groß sei, um einen Bezug zum Zitat von Dtn 25,19 postulieren zu können. Das halte ich nicht für überzeugend, zumal das zentrale Wort ‫ אחרית‬sowohl in Num 24,14 als auch in 24,20 begegnet. 179 Esth 3,1.10; 8,3.5; 9,24; vgl. Josephus Ant 11,277: παῖς Ἀμαληκίτης δὲ τὸ γένος.

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

Kisch eingereiht – er ist ein entfernter Großneffe Sauls. Im Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten wird so der Kampf Israels gegen Amalek ein weiteres Mal ausgetragen, und Sauls Nachfahre vollendet im Sieg über Haman die Aufgabe seines Ahnen.180 Nach 4Q252 ist die Sache jedoch zwar entschieden, aber noch nicht zu Ende gebracht. Die Konsequenz dieses eschatologischen Aufschubs für die Amalekiter ist nun eine weitgehende Entlastung Sauls. Im Spiegel der Terminierung an das „Ende der Tage“ erscheint die Verschonung Agags nicht so sehr als schuldhaftes Versäumnis, sondern als in Gottes Geschichtsplan durchaus vorgesehen – und sei die Konsequenz auch, daß daraus die spätere Existenz eines Haman abzuleiten sei.181 Der König wird damit ein gutes Stück weit rehabilitiert: „4Q252 vindicates, in a sense, Saul’s failure“.182 Eine weitere geschichtstheologische Wendung ergibt sich, wenn man die gängige Übersetzung des Sätzchens über Saul in 4Q252 hinterfragt. ‫הוא אשר‬ ‫ הכ̇[ה] שאול‬wird durchgehend in dem Sinne verstanden, daß Saul Subjekt und der vorher genannte Amalek Objekt des Schlagens sind183 – und die Rekonstruktion von García / Martínez macht das durch die Ergänzung des Suffixes der 3. Person Maskulinum Singular ]‫ הכ[הו‬auch eindeutig.184 In der Tat sprechen für diese Lesart gute Gründe: Davon, daß Saul Amalek schlagen soll oder geschlagen hat, ist im Samuelbuch mehrmals die Rede, so in I Sam 14,48; 15,3.7. Die umgekehrte Formulierung begegnet in dieser Form und mit diesen Worten nicht. Sollte der Satz dagegen in dieser Art zu verstehen sein, nämlich daß er von Amalek sage, er sei derjenige, der den Saul geschlagen habe, würde man sich die nota accusativi ‫ את‬vor dessen Namen wünschen. Freilich weiß man nicht und wird es nie erfahren, ob sie nicht womöglich noch im nicht mehr erhaltenen Rest der Zeile gestanden hat. Sie hätte sich – wie das Suffix – durchaus noch unterbringen lassen, und freilich ist ferner beim Akkusativ determinierter Nomen zwar „‫את‬ very common, but seldom necessary“.185 Der Vers ließe sich demnach auch in 180 Vgl. Paton, Esther, 194; Gerleman, Esther, 77. Amit sieht darin eine verborgene „proSaul polemic“ (Amit, Saul Polemic, 658), die sie vor dem Hintergrund eines angenommenen judäisch-benjaminitischen Gegensatzes in persischer Zeit deuten möchte (vgl. ebd.). Das dürfte eher nicht die Intention von 4Q252 darstellen, und es wäre zu fragen, ob nicht, wie dort, auch in Esth eher exegetisch-theologische Gründe ausschlaggebend waren als politische: Sauls Berufung durch Gott zum Kampf gegen Amalek war kein Fehlgriff, auch wenn es nach I Sam 15; II Sam 1 so aussieht – seine Nachkommen werden seine Bestimmung erfüllen und damit Ex 17,16 umsetzen, den Krieg JHWHs mit Amalek „von Generation zu Generation“ (‫)מדר דר‬. 181 Diese letzte Konsequenz ergibt sich natürlich nur dann, wenn man 4Q252 und Esther zusammendenkt. Ob der Schriftgelehrte, der den Kommentar zu Gen 36,12 verfaßte, dabei an diese Rolle dachte oder sie überhaupt kannte, ist nicht zu bestimmen. 182 Bernstein, Method, 72. 183 Vgl. Maier, Qumran-Essener 2, 197; Wise /Abegg/ Cook, Schriftrollen, 293; Parry/ Tov, Reader 2, 111; Eisenman/Wise, Jesus, 95; Stegemann, Essener, 171; Oegema, Studies, 162. 184 Vgl. García Martínez / Tigchelaar, Study Edition, 504. 185 Joüon / Muraoka, Grammar, 415 (§ 125 f).

2.3 Saul in den nichtbiblischen Schriften von Qumran

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der von Brooke rekonstruierten Fassung von DJD 22 nicht nur als „das ist der, den Saul schlug“, sondern auch als „das ist, der den Saul schlug“ verstehen. Die in der Übersetzung oben in Klammern gesetzten Kommata sollen dies anzeigen. Die Aussage wäre im Lichte der Samuelbücher ebenso zutreffend: Es ist nach II Sam 1 ein amalekitischer Soldat, der Saul den Gnadenstoß versetzt, auch wenn hier nicht die Wurzel ‫נכה‬, schlagen, Anwendung findet. Unsere Stelle würde dann aussagen, daß dieser Triumph Amaleks über Israel eben und nur deswegen möglich war, weil die Vernichtung dieses Feindes erst für die Endzeit vorgesehen ist – und das hieße implizit wieder gegen I Sam 28,18: nicht, weil etwa Saul gesündigt hätte. Diese Interpretation ist zweifellos die weniger wahrscheinliche, auch im Lichte späterer Traditionen, wie sie sich etwa in den palästinischen Targumin zu Ex 17,16 finden lässt. Hier wird (ebenfalls) die heilsgeschichtliche Rolle Sauls nicht darin gesehen, von einem Amalekiter erschlagen zu werden, sondern als erster den göttlichen Zorn an diesem Volk zu vollstrecken. Die endgültige Exekution wird hier allerdings nicht in die „letzten Tage“ verlegt, sondern bereits Mordechai und Esther zugeschrieben.186 Wenn also auch einiges dagegen spricht, daß die vorgeschlagene alternative Lesart hinsichtlich Sauls vom Verfasser tatsächlich intendiert worden sei, so 186 Neophyti Ex 17,16: ‫ואמר שבועה נפקת מן תחות כורסי איקרי דרבון כל עלמיא קדמיה [מלכה] דעתיד‬ ‫למיקם מן שבטא דבנימין הוא יהוי שאול בר קיש הוא יסדר קרבא עם בית עמלק ויקטול מלכין עם שלטונין ומה‬ ‫„( דמשתייר בהון ישיצון יתהון מרדכי ואסתר וייי אמר במימריה למשיציא ית דוכרנא דעמלק לדרי דרין׃‬Und er sprach: Ein Schwur ist ausgegangen von unter dem Thron der Herrlichkeit des Herrn aller Welt: Der erste [König; Konjektur Díez Macho; im Text: „hundert“, ‫]מאה‬, der erstehen soll vom Stamm Benjamin, das wird sein Saul, der Sohn Kischs, der wird Krieg führen mit dem Haus Amalek und Könige und Fürsten töten, und was von ihnen übrig bleibt, werden ausrotten Mordechai und Ester. Und JHWH sprach in seinem Wort, auszurotten das Gedächtnis an Amalek für alle Generationen“). Vgl. Klein, Genizah Manuscripts 1, 253: ‫ואמר שבועה נפקת מן‬ ‫תחות כורסי איקרה רבון כל עלמיה י׳י מלכה קדמיה דעתיד למקום מן דלבית ישראל הוא שאול בן קיש הוא יסדר‬ ‫סדרי קרבה עם דלבית עמלק ויקטל מנהון מלכין עם שולטנין ומא דמשתייר [מנ]הון ישיצון יתהון מרדכי ואדתר‬ ‫( וי׳י במימרה אמר לשיציא ית דוכרנה דעמלק לדרי דרין׃‬vgl., mit kleineren Abweichungen, Ginsburger, Fragmententhargum, 38). Oegema spricht darüber hinaus auch davon „[that] the Targum Onqelos to Exodus 17:16 (the biblical verse also being quoted in 4Q252) does not only describe how Saul fought against Amaleq (those from Amaleq who remained were beaten by Mordehai and Esther), but also expects that the battle against Amaleq will endure in this world, in the days of the Messiah and in the coming world“ (Oegema, Studies, 169, Hervorhebung H. B.). Von all dem kann ich zumindest in der Ausgabe Sperbers nichts entdecken. Dort steht zur Stelle ‫ואמר בשבועה אמירא דא מן קדם דחילא דשכינתיה על כורסי יקרא דעתיד דיתגח קרבא קדם יוי בדבית עמלק‬ ‫לשיציותהון מדרי עלמא‬, „Und er sprach Mit einem Schwur ist es gesagt vom Furchtbaren, dessen Schechina auf dem Thron ist, daß es bestimmt ist, daß Krieg geführt werden wird vor JHWH mit dem Haus Amalek, um sie auszurotten für ewige Generationen.“ Die besagten Elemente finden sich jedoch in der Fassung des Targum Pseudo-Jonathan, dort dafür freilich ohne Saul, Mordechai und Esther (zumindest in der Londoner Handschrift in der Ausgabe Clarkes): ‫וישיצי‬ ‫( יתהון לתלתי דריא מדרא דעלמא הדין ומדרא דמשיחא ומדרא דעלמא דאתי‬Clarke, Targum PseudoJonathan, 88), „und er wird sie ausrotten für drei Generationen, von der Generation dieser Welt, von der Generation des Messias und von der Generation der kommenden Welt“ (vgl. auch die Synopse bei Díez Macho, PBM 4/2, 133).

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schwingt sie doch als Möglichkeit im überlieferten fragmentarischen Text von 4Q252 mit. Sauls Schicksal ist, in Erfolg wie Scheitern, eng mit Amalek verbunden. Die vier knappen Wörter „der(,) den Saul schlug“ illustrieren bereits den starken Bogen von I Sam 15 zu II Sam 1. Eine andere Schrift wird diesen Bogen besonders herausheben, betonen und weiter ausbauen: der Liber Antiquitatum Biblicarum (LibAnt), auch bekannt als Pseudo-Philo.

2.4 „Der sie vertilgen wird, und später wird er selbst vertilgt werden“187 – Saul im Liber Antiquitatum Biblicarum 2.4.1 Von Adam bis Saul? Die Frage nach dem Ziel von LibAnt Mit dem innerhalb der christlichen Kirche unter dem Namen Philos überlieferten Liber Antiquitatum Biblicarum kommt nun ein Kommentarwerk anderen Charakters in den Blick als es die exegetische Mischform von 4Q252 oder auch die Laus Patrum des Sirachbuches darstellten. Mag auch umstritten sein, was der Begriff rewritten Bible genau bezeichnen könne und welche Schriften ihm im engeren Sinn zugeordnet werden sollten188 – daß Pseudo-Philos LibAnt dazuzurechnen sei und wie auch Josephus’ Antiquitates geradezu als ein Musterbeispiel der Gattung oder Arbeitsweise angesehen werden könne, ist Konsens. Reinmuths Charakterisierung des Werks liest sich denn auch wie eine Definition des Begriffs, wenn er zurecht feststellt, das Buch biete eine „interpretierende Nacherzählung der Erwählungsgeschichte auf die zu bewältigende Gegenwart hin.“189 Lediglich die Frage, welche Gegenwart es sei, deren Bewältigung sich das Buch stelle, ist umstritten. Die Diskussion ähnelt hier – freilich mit anderen Argumenten – ein wenig derjenigen, ob die Grundschrift des Deuteronomiums noch vorexilisch oder erst nach der Katastrophe von 587 anzusetzen sei, nur bezieht sie sich in diesem Fall nicht auf den ersten, sondern auf den zweiten Tempel: Weiß der Verfasser190 des LibAnt noch nicht von seiner Zerstörung oder setzt er sie bereits voraus, ja, ist sie gar die wesentliche Motivation für sein erneutes Durchdenken der Geschichte Israels von Adam an? Entsprechend siedeln „Frühdatierer“ die Schrift noch in der ersten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts oder früher an,191 während eine „Spätdatieeos exterminabit, et ipse postea exterminabitur“ (LibAnt 56,3). einen kurzen Überblick über diese Diskussion vgl. oben S. 9–11. 189 Reinmuth, Pseudo-Philo und Lukas, 16. 190 Ich wähle hier und im folgenden die maskuline Form, die sich an der zwar fiktiven aber grammatikalisch männlichen Gestalt eines „Pseudo-Philo“ orientiert, pace DesCamps, die davon überzeugt ist „that this text is written from the perspective of a woman“ (DesCamps, Metaphor and Ideology, xiii), weshalb sie auf den Autor immer als „she“ (ebd.) verweist. 191 Vgl. Bogaert in Perrot /Bogaert, Antiquités Bibliques, 74; Harrington, PseudoPhilo, 299 („a date around the time of Jesus“); Olyan datiert aufgrund von LibAnt 10,3 exakt 187 „Qui 188 Für

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rung“, welche (anders als im Fall des Deuteronomiums) von der Mehrzahl der Forscher vertreten wird, die theologisch entscheidenden Jahrzehnte zugibt und das Werk in die Spanne nach dem ersten aber noch vor dem zweiten Jüdischen Krieg datiert.192 Das neben anderen zentrale Argument hierfür ist seit der grundlegenden Arbeit Cohns193 LibAnt 19,7: Mose wird unmittelbar vor seinem Tod von Gott noch der „Ort“, also der Platz für den Tempel, gezeigt („demonstrabo tibi locum“),194 ehe bereits dessen Zerstörung angekündigt wird, die sich an genau dem Tag ereignen werde, an dem bereits die ersten Tafeln am Horeb zerbrochen worden seien, nämlich am siebzehnten des vierten Monats.195 Bundesbruch am Horeb, Jerusalems Eroberung durch Nebukadnezar und die Einnahme der Stadt durch Titus werden so miteinander synchronisiert und überblendet; „in dem einen Ereignis ist das andere angesagt und abgebildet“.196 Somit ist LibAnt nicht nur durch Gemeinsamkeiten in Stil und Wortschatz (im Lateinischen) mit der apokalyptischen Schrift IV Esr verbunden,197 er teilt mit ihr auch das von Odil Hannes Steck herausgearbeitete „deuteronomistische Geschichtsbild“.198 Es ist die gleiche Technik: Wie der Apokalyptiker, so läßt auch Pseudo-Philo Geschehnisse um und Deutungsmuster für den Untergang des ersten Tempels auf die Zerstörung des zweiten hin transparent werden.199 in den ersten Jüdischen Krieg, aber noch vor die Tempelzerstörung (vgl. Olyan, Israelites, 91). An der fraglichen Stelle wird geschildert, wie die vor den Ägyptern fliehenden Israeliten am Schilfmeer debattieren, ob sie Suizid begehen, sich ergeben oder kämpfen sollen. Zu Olyans Beobachtung vgl. Reinmuth, Pseudo-Philo und Lukas, 25. Ohne Zweifel werden in LibAnt 10,3 die unterschiedlichen Haltungen zum aussichtslosen Widerstand gegen die Römer in Israels Frühzeit rückprojiziert. Das muß jedoch nicht noch während des Krieges, sondern kann auch aus der Retrospektive geschehen sein. Eine Randposition vertritt Hadot, der für eine Entstehung der Schrift noch im ersten vorchristlichen Jahrhundert votiert (vgl. Hadot, Le milieu d’origine, 163). 192 Vgl. Dietzfelbinger, Pseudo-Philo, 95 f.; Feldman, Prolegomenon, XXVIII–XXXI; Jacobson, Commentary, 199–210; Kisch, Pseudo-Philo’s Liber Antiquitatum Biblicarum, 17 f. 193 Vgl. Cohn, Apocryphal Work, 326 f. 194 Der lateinische Text des Liber Antiquitatum Biblicarum, wird, soweit nicht anders vermerkt, immer zitiert nach Harrington/ Cazeaux, LibAnt. 195 „Dies autem erat septima decima mensis quarti“ (LibAnt 19,7). 196 Dietzfelbinger, Pseudo-Philo, 152; vgl. zum Datum des 17. Tammus und seiner Bedeutung in Teilen der rabbinischen Literatur auch die Ausführungen von James in James / Feldman, Biblical Antiquities, 29–33, Jacobson, Commentary, 202 f. Feldman bezweifelt die Aussagekraft von LibAnt 19,7 für die Datierung der Schrift, da „[s]ad events were often compared“ (Feldman, Epilegomenon, 306). 197 Vgl. Perrot / Bogaert, 32; James/ Feldman, Biblical Antiquities, 54 f. 198 Vgl. Steck, Gewaltsames Geschick, 187 f. 199 In IV Esr 3,1 geschieht dies nicht zuletzt dadurch, daß sich der Sprecher Esra/Salathiel 30 Jahre nach der Zerstörung des Tempels in Babylon befindlich lokalisiert. Auf diese Weise und durch die Gleichsetzung von Esra mit Schealtiël wahrt er einerseits die historische Esra-Fiktion (vgl. Metzger, Esra und das vierte Esra-Buch, 268) und gibt andererseits einen Hinweis auf den historischen Standort des Verfassers um das Jahr 100 n. Chr. (vgl. u. a. Longenecker, Locating; Schmid, Esras Begegnung; Bezzel, Art. Schealtiël).

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Im überlieferten Werk nimmt nun Saul eine überragende Stellung ein. LibAnt 65 schließt mit seinen letzten Worten auf dem Schlachtfeld von Gilboa. Wir hätten, wäre dies tatsächlich das ursprüngliche Ende des Buches, ein Opus vor uns, das von der Erschaffung der Welt bis zum Tod des ersten Königs von Israel reichte – ohne die Geschichte von Aufstieg und Fall des Hauses David anzuschließen. Dieses Ende entbehrte nicht eines gewissen dramatischen Effektes. Saul erkennt im Tod die Wahrheit der Prophezeiung, die ihm Samuel nach der Amalekiterschlacht gemacht hat (LibAnt 58,4), wonach er, weil er Agag verschont habe, von niemand anderem als von dessen Abkömmling getötet werden würde,200 und bittet diesen, in seinem Namen David von seiner Reue zu berichten: „Non memor sis odii mei, neque iniusticie mee“201 (LibAnt 65,5). In der Tat ist die Umkehr des Königs gewissermaßen auf dem Sterbebett ein Motiv, das als „versöhnende[r] Abschluß“202 eines Erzählwerks denkbar wäre. Ist es aber tatsächlich „une finale excellente“, wie Perrot meint,203 und vermag Saul das schwer auf ihm lastende Achtergewicht eines Geschichtswerks von Adam an wirklich zu tragen? In der Tat schließt sich mit LibAnt 65 zwar der Kreis um Saul, doch ist es nicht zu übersehen, daß andere Erzählfäden des Werks nicht mehr an ihr Ziel gelangen und im Sande verlaufen – James verweist unter anderem auf den Vorverweis auf Salomos Tempelbau in LibAnt 22,9.204 Gleichermaßen wäre es merkwürdig, wenn der Verfasser zwar Davids Berufung und sein Zusammentreffen mit Saul in extenso referiert, den weiteren Weg des seiner Meinung nach einzig wahren Königs und seines Geschlechts aber überhaupt nicht weiter verfolgt hätte – umso mehr als es bei Pseudo-Philo schon vor der Geburt Samuels am Horizont aufscheint. Bereits zur Zeit Elkanas, des Vaters von Samuel, der sich standhaft dagegen wehrt, vom Volk zum Herrscher ausgerufen zu werden, ergeht in LibAnt 49,7 ein Äquivalent der Nathanweissagung von II Sam 7: Nicht Elkana werde herrschen, wohl aber sein Sohn, „und von diesem an wird euch nicht fehlen ein Fürst für sehr viele Jahre“205 – wohlgemerkt für „sehr viele Jahre“, nicht „auf ewig“, „usque in aeternum“, wie es II Sam 7,15 heißt. Gleichwohl erwartet man, von der Geschichte dieser „sehr vielen Jahre“ im weiteren Verlauf des Werks noch etwas zu erfahren. Insbesondere Davids Salbung durch Samuel, auf die Pseudo-Philo in LibAnt 59 großen Wert legt, wäre komplett überflüssig, käme sie nicht eines Tages auch noch tatsächlich zum Tragen. Der Einwand, Pseudo-Philo habe hier eben sein Quellenmaterial referieren müssen, auch wenn es für seine Erzählabsicht nicht zentral gewesen sei, ver200 Zu

diesem Erzählbogen vgl. unten S. 53–56. mögest du eingedenk sein meines Hasses, noch meiner Ungerechtigkeit.“ 202 Eissfeldt, Kompositionstechnik, 350. 203 Perrot in Perrot / Bogaert, Antiquités Bibliques, 22. 204 Vgl. James / Feldman, Biblical Antiquities, 60. 205 „et ex hoc non deficiet ex vobis princeps plurimis annis“. 201 „Nicht

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fängt nicht. Ganz offensichtlich hat er als Autor die Freiheit, seiner Meinung nach weniger wichtige Passagen der Geschichte beiseite zu lassen. Dies betrifft nicht zuletzt die Auseinandersetzungen zwischen David und Saul. Die Linie geht hier von der Trennung Davids und Jonathans (LibAnt 62, vgl. I Sam 20) über das Massaker an den Priestern von Nob (LibAnt 63, vgl. I Sam 21) direkt zur Notiz über Samuels Tod (LibAnt 64,1, vgl. I Sam 25,1), an welche unmittelbar die Geschichte von der „Hexe von Endor“ (vgl. I Sam 28) angeschlossen wird – „Omnia que fecit Saul, et reliqua verborum eius, et quomodo persecutus est David, nonne scripta sunt in libro Regum Israel?“(63,5)206 Der Tod Sauls weist also in der Darstellung Pseudo-Philos über sich hinaus und ganz auf David hin, dem seine letzten Worte gelten. Er, David, ist der König, der von Gott vorgesehen war,207 und er ist auch derjenige, aus dessen Stamm dereinst ein Nachfolger geboren werden wird. Diese doch recht klare Aussage findet sich pikanterweise in LibAnt 60 als Weissagung des Sängers und Harfenspielers ausgerechnet in dem Lied, mit dem dieser es vermag, den tobenden noch amtierenden König zu beruhigen. Das mutet paradox an, doch richtet sich die darin enthaltene Drohung prima facie nicht gegen den unglücklichen Saul, sondern meint den bösen Geist, von dem dieser besessen ist. Ihm und seinesgleichen gilt: „nascetur post tempus de lateribus meis qui vos domabit“208 (LibAnt 60,3). Rießler sieht in dieser Prophezeiung eine Ankündigung des Messias,209 doch kann hier, und das ist wohl wahrscheinlicher, auch schlicht ein Verweis auf Salomo vorliegen, dessen Macht über Dämonen ebenfalls bekannt ist, zudem „LAB in general has little interest in the Messiah“.210 So oder so – die Geschichte, die LibAnt erzählt, ist mit Saul keineswegs an ihr Ziel gelangt, sondern drängt danach, mit dem Haus Davids eine Fortsetzung zu erfahren. Es wäre merkwürdig, wenn das Buch über dessen Herrschaft gar nichts mehr zu erzählen gewußt hätte. Es ist daher aufschlußreich, daß weitere Verfechter der Unversehrtheit des Liber Antiquitatum vermuten, es sei ursprünglich als komplementärer erster Teil der Chronikbücher gedacht gewesen, die mit ihrem Erzählteil in I Chr 10 bekanntlich dort einsetzen, wo LibAnt aufhört: auf 206 „Alles, was Saul tat, und seine übrigen Taten (verborum zu sehen als Äquivalent zu ‫דברים‬, vgl. Jacobson, Commentary, 1201), und wie er David verfolgte, ist das nicht geschrieben im Buch der Könige von Israel?“ Diese Übergehensformel findet sich noch in LibAnt 35,7; 43,4; 56,7. 207 Vgl. Fröhlich, Historiographie et Aggada, 372. 208 „Nach einer Zeit wird von meinen Lenden der geboren, der euch bezwingen wird“. 209 Vgl. Riessler, Altjüdisches Schrifttum, 1318. 210 Jacobson, Commentary, 1180, mit Verweis auf Josephus Ant 8,45; vgl. James in James/ Feldman, Biblical Antiquities, 60 f., sowie Dietzfelbinger, Pseudo-Philo, 255. Letzterer führt zahlreiche Stellen aus dem Testament Salomos an – die Plausibilität der Deutung unbenommen, sind doch diese Belegstellen wenig aussagekräftig, stammt doch ihre Quelle aus einem räumlich wie zeitlich ganz anderen Umfeld als LibAnt (zur Datierung des Testaments Salomos vgl. Busch, Testament Salomos, 19 f., der für das vierte nachchristliche Jahrhundert votiert).

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Gilboa.211 Doch auch in diesem Falle blieben etliche Fragen unbeantwortet und durch Pseudo-Philo geöffnete Klammern ungeschlossen – der eben erwähnte Verweis auf die geheimen Fähigkeiten Salomos ist ein Beispiel dafür.212 Daher ist, auch wenn die Annahme von Überlieferungsverlusten immer unbefriedigend bleibt, in der Tat davon auszugehen, daß LibAnt mit „hohe[r] Wahrscheinlichkeit“213 nicht vollständig erhalten ist – und entsprechend der Tod Sauls nicht als Abschluß der Geschichtsdarstellung Pseudo-Philos intendiert war. Saul ist kein Zielpunkt in der Geschichte Israels, sondern, der Interpretation der Chronik nicht unähnlich, Vorstufe zu und Negativfolie für seinen Nachfolger, David. In dieser Rolle stellt er Pseudo-Philo indes vor nicht geringe Herausforderungen literarischer wie auch theologischer Art. Wieder ist es die Frage: Wenn das Königtum mit David in seiner gottgewollten Form verwirklicht wurde, warum geschah dies erst im zweiten Anlauf? Warum gab es einen ersten Versuch, für den noch dazu von Gott selbst eine offenbar ungeeignete Person ausgewählt wurde? Das theologische Problem Sauls wurde oben bereits bei der Untersuchung der Laus Patrum erkannt. Ben Sira wählt für den Umgang mit dem ersten König von Israel den Weg, ihn soweit als möglich aus der Geschichte zu tilgen. Dies kann er, da er gewissermaßen die menschliche Seite der Historie betrachtet, in der für ihn die positiven Gestalten als Vorbilder relevant sind, deren Andenken, ‫זכר‬, zu bewahren ist – wer kein ‫ איש חסד‬war, interessiert auch nicht. Dieses Verfahren ermöglichen ihm nicht zuletzt sein eigener Standort und sein spezifisches historisches Interesse. Seine Geschichte Israels ist eine Erfolgsgeschichte, die im amtierenden Hohenpriester Simon an ihr Ziel gelangt, sein Geschichtsbild ist durch und durch positiv und optimistisch.214 Anders sieht es dagegen aus, wenn man, wie Pseudo-Philo, den Verlauf der Geschichte primär sub specie Dei und vom Standort des Scheiterns und der Katastrophe aus betrachtet. Dann sind es gerade Gestalten wie die Sauls, die nicht beiseite gelassen werden können, sondern nach einer Deutung verlangen.

2.4.2 Rewriting Saul: Verschweigen Ein literarisches Mittel teilt Pseudo-Philo dabei durchaus mit Ben Sira: das der Kürzung bzw. des Verschweigens. Versucht letzterer, Saul einer abolito nominis anheimfallen zu lassen,215 so betreibt der Erstgenannte dezidiert eine abolitio 211 Vgl. 212 Für

Riessler, Altjüdisches Schrifttum, 1315; Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, 119. weitere offene Querverweise vgl. James in James / Feldman, Biblical Antiquities,

60–65. 213 Dietzfelbinger, Dissertation, 171. 214 Auch die oben erkannte Eschatologisierung (vgl. oben S. 13–20), die u. a. durch den Eintrag der Henoch-Klammer auch Simon II und den Tempel als vorletzte Größen klassifiziert, ändert prima vista daran wenig, verschiebt aber doch die Aktzente nicht unwesentlich. 215 Vgl. oben S. 24.

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tituli. Saul mag „König“ sein – „Gesalbter“ ist er nicht. Jeder Hinweis auf einen derartigen Status Sauls wird von Pseudo-Philo sorgsam getilgt.216 So sucht man in seiner Version der Geschichte von der Begegnung Samuels mit dem eselsuchenden Jüngling nach I Sam 9–10 einen Akt der Salbung vergebens; weder wird eine solche Handlung Samuel von Gott aufgetragen (vgl. I Sam 9,16), noch wird sie durchgeführt (vgl. I Sam 10,1). Samuel erfährt in LibAnt 56,3 lediglich, „Der aber morgen zu dir kommen wird zur sechsten Stunde, der ist es, der über sie herrschen wird“,217 und entsprechend unzeremoniös ist auch der Akt von Sauls Amtseinführung. Es wird, in 56,5, gewissermaßen nur die Urkunde verlesen: „Siehe, du sollst wissen, daß dich der Herr zum Fürst für sein Volk erwählt hat zu dieser Zeit, und er hat deine Wege gelenkt, und es möge deine Zeit geleitet werden“.218 Dem korrespondiert, daß Saul in LibAnt an keiner einzigen Stelle als christus, ‫משיח‬, bezeichnet wird – anders als in I Sam 12,3.5; 15,1.17; 24,6.11; 26,9.11.16.23; II Sam 1,14.16. Der Weiheakt wie das Führen des Titels bleibt nur einem vorbehalten: David. Seine Salbung durch Samuel nach I Sam 16,13 wird in LibAnt 59,3 nicht getilgt – er ist nicht nur der „Gesalbte JHWHs“, sondern sogar der „sanctus christus Domini“.219 Besonders subtil geschieht diese Aberkennung des Titels Sauls gerade an der Stelle, an der Ben Sira ihn nicht verschweigt, sondern explizit erwähnt: in der Abschiedsrede Samuels. Nach I Sam 12,3 gibt Samuel seinen Rechenschaftsbericht und fordert das Volk auf: „Bezeugt gegen mich vor JHWH und vor seinem Gesalbten“ (‫)ענו בי נגד יהוה ונגד משיחו‬, mit welchem kein anderer als Saul gemeint sein kann, wie auch in Sir 46,19, wo davon berichtet wird, daß der Prophet und Richter „Zeugnis ablegte für JHWH und seinen Gesalbten“ (‫)העיד ייי ומשיחו‬.220 Auf den ersten Blick scheint Pseudo-Philo das in 57,3 nicht anders zu sehen. Auch sein Samuel fordert das Volk zur Antwort heraus: „Respondete in conspectu Domini et in conspectu christi eius“ – „antwortet vor dem Herrn und vor seinem Gesalbten“. Tatsächlich aber ist hier mit dem christus wohl nicht Saul,

216 Vgl.

Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, 123; Fröhlich, Historiographie et Aggada, 374. autem venturus est ad te crastino die, hora sexta, ipse est qui regnaturus est super eos“. Vgl. I Sam 9,16: „Morgen um diese Zeit werde ich dir einen Mann senden vom Land Benjamin, und du sollst ihn salben zum Fürsten über mein Volk Israel, und er wird mein Volk aus der Hand der Philister retten, denn sein Schreien ist zu mir gekommen.“ (‫כאת מחר אשלח‬ ‫אליך איש מארץ בנימן ומשחתו לנגיד על־עמי עשראל והושיע את־עמי מיד פלשתים כי ראיתי את־עמי כי באה‬ ‫)צעקתו אלי‬. 218 „Ecce scias quoniam elegit te Dominus in principem populo suo in tempore hoc, et erexit vias tuas, et dirigetur tempus tuum“ In der Formulierung in tempore hoc klingt bereits die Vorläufigkeit der Herrschaft an. Vgl. I Sam 10,1: „Und Samuel nahm den Ölkrug und goß aus über sein Haupt und küßte ihn und sprach: Fürwahr, JHWH hat dich gesalbt über sein Erbteil zum Fürsten.“ (‫)ויקח שמואל את־פך השמן ויצק על־ראשו וישקהו ויאמר הלוא כי־משחך יהוה על־נחלתו לנגיד‬. 219 Vgl. LibAnt 59,2. 220 Vgl. oben S. 21 f. 217 „Qui

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der rex von 57,1, gemeint.221 Spiro legt, nicht zuletzt mit Verweis auf die Vetus Latina, überzeugend dar, daß Pseudo-Philo die suffigierte Präposition ‫ בי‬offensichtlich nicht übersetzt hat.222 Dadurch aber verschiebt sich die Redesituation. ‫ ענה‬mit ‫ ב‬ist ein juristischer terminus technicus und meint die Zeugenaussage gegen oder über jemanden:223 Samuel setzt sich in I Sam 12 dadurch rhetorisch selbst in die Rolle des Angeklagten. Durch das Beiseitelassen der Präposition wird daraus bei Pseudo-Philo aber eine schlichte Rede des Volks in Gegenwart zweier Zeugen, von denen Gott einer und der „Gesalbte“ der andere ist, mit dem nun niemand anders gemeint ist als Samuel selbst, von dessen Salbung in 51,7 berichtet wurde.224 Saul ist verschwunden. „The brilliant ps-Philo made these almost imperceptible changes in order to deny that Saul was ‚his anointed‘.“225 Auf ähnliche Weise verändert Pseudo-Philo die Herkunft Sauls.226 Nach dem Zeugnis von I Sam 9,1 f. stammt Israels erster König aus Benjamin – im LibAnt liest man davon nichts. In I Sam 9,16 wird Samuel angekündigt, daß ihm am folgenden Tag „ein Mann vom Land Benjamin“ (‫ )איש מארץ בנימן‬geschickt werden würde, den er salben solle – in LibAnt 56,3 wird nicht nur die Salbung, sondern auch die Herkunft unterschlagen: Es ist nur die Rede von einem, der kommen werde: „qui autem venturus est“. Ebenso verhält es sich mit Sauls demütigem Einwand, mit dem er auf Samuels Andeutungen über seine Bestimmung als Herrscher reagiert. Nach I Sam 9,21 verweist er auf die geringe Bedeutung seines Herkunftsstammes: „Bin ich nicht ein Benjaminiter, vom kleinsten der Stämme Israels, und ist nicht meine Sippe die geringste von allen Sippen des Stammes Benjamin?“227 In LibAnt 56,6 bleibt davon nur der Verweis auf die eigene Familie, dem die Betonung der eigenen Unwürdigkeit ergänzt wird: „Wer bin ich und was ist meines Vaters Haus?“228 – eine Formulierung, die den Propheten Samuel wohl nicht zu Unrecht an den Berufungseinwand Jeremias in Jer 1,6 erinnert und zu dem mahnenden (und schwer zu befolgenden) Hinweis auf Leben und Werk dieses noch ungeborenen Vorbildes inspiriert: „Dennoch

221 Pace Dietzfelbinger, Pseudo-Philo, 250: „Der Christus ist wie im biblischen Bericht Saul.“ 222 Vgl. Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, 124, n. 13. VL nach Sabatier liest in der Tat für I Sam 12,3: „Respondete mihi in conspectu Dei, & in conspectu Christi ejus“ (Sabatier, Latinae Versiones Antiquae I, 490, Hervorhebung Bezzel). 223 Vgl. HALAT, 806. 224 „Quem [sc. Samuelem] statuerunt ante conspectum Domini, unxerunt eum et dixerunt: Vivat propheta in plebe, et in longo tempore sit lumen genti huic“ („den [sc. Samuel] stellten sie vor den Herrn, salbten ihn und sprachen: Es lebe der Prophet im Volk, und für lange Zeit sei er die Leuchte dieser Nation“). 225 Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, 124, n. 13. 226 Vgl. a. a. O., 120–122. 227 ‫הלוא בן־ימיני אנכי מקטני שבטי ישראל ומשפחתי הצערה מכל־שבטי ישראל‬. 228 „Quis sum ego et que est domus patris mei“.

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gib acht, daß/ weil deine Worte gleichen werden dem Propheten, dessen Name Jeremia sein wird.“229 Von Benjamin aber ist nicht die Rede. Auch Sauls Hauptwohnsitz Gibea, nach I Sam 13,2.15; 14,6 in Benjamin lokalisiert (‫ )גבעת בנימן‬wird konsequent verschwiegen. Statt dessen wird der Eindruck einer Herkunft aus Ephraim erweckt. Während der benjaminitische Sohn des Kisch in I Sam 9,4 seines Vaters Eselinnen unter anderem auch auf dem Gebirge Ephraim sucht, betritt er in LibAnt 56,4 von dort kommend die Bühne des Geschehens: „Und am nächsten Tag kam Saul, Sohn des Cis vom Berg Ephraim, auf der Suche nach den Eselinnen seines Vaters“.230 Es ist offensichtlich: Pseudo-Philo legt Wert darauf, daß der erste und verworfene König Israels eindeutig aus dem Norden stammte – und es drängt sich die nicht zu beantwortende Frage auf, ob dieses Motiv bei seiner Behandlung der Könige Israels von Jerobeam bis Hoschea womöglich erneut eine Rolle spielte. Spiro jedenfalls hat nicht nur das Phänomen beobachtet, sondern auch eine hervorragende exegetische Erklärung dafür geliefert: Er sieht im Hintergrund dieser Korrektur, deren Wirkungsgeschichte er bis in die rabbinische Literatur weiterverfolgt, eine Auslegung von Ps 78,67–71.231 Bereits dort wird womöglich die Verwerfung Sauls mit der Absage an Joseph/ Ephraim gleichgesetzt, wenn es in V. 67 f. heißt: „Und er verwarf das Zelt Josephs, und den Stamm Ephraim erwählte er nicht, sondern er erwählte den Stamm Juda, den Berg Zion, den er liebt.“232 Für sich genommen klingt das nach einer allgemeinen Aussage über das Geschick des sogenannten Nordreichs oder auch antisamaritanisch.233 Da aber der Geschichtspsalm in seinem bisherigen Verlauf der Linie von Exodus und Landnahme (V. 55) gefolgt ist, liegt es nahe, ab V. 60, der vom Heiligtum von Silo spricht (vgl. Jer 7,12; I Sam 1,3), den Erzählfaden aus I Sam zu vermuten und die Herrlichkeit (‫)תפארת‬, die nach V. 61 in die Hände der Feinde übergeben wurde, auf den Verlust der Lade nach I Sam 4 zu deuten.234 Danach folgt die genannte Verwerfung Ephraims und 229 „Tamen intende, quia assimilabuntur verba tua verbis prophete cui nomen erit Hieremias“. So klar der Ursprung dieses Jeremiavergleichs ist, so dunkel ist seine Bedeutung. Zumeist wird hier ein Vorverweis auf Sauls „düsteres Schicksal“ (Dietzfelbinger, Pseudo-Philo, 249; vgl. ders., Dissertation, 83; Bauckham, Liber Antiquitatum Biblicarum, 52) gesehen. Aber gerade in diesem Punkt gleichen sich Jeremia und Saul nicht. M. E. dürfte der Vergleichspunkt in einem Wortspiel mit den „Worten“ (verba) zu suchen sein, für die im Original hebräisch ‫ דברים‬anzunehmen ist. Sauls Antwort bei seiner Berufung ähnelt den Worten (‫ )דברים‬Jeremias – deswegen möge auch seine weitere Geschichte in Worten und Taten (‫ דברים‬im weiteren Sinne) denen des frommen Propheten gleichen. Samuel und der Leser wissen freilich, daß dem nicht so sein wird. 230 „Et alia die Saul filius Cis veniebat de monte Effraim, querens asinas patris sui“. 231 Vgl. Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, 122. 232 ‫וימאס באהל יוסף ובשבט אפרים לא בחר ויבחר את־שבט יהודה את־הר ציון אשר אהב‬. 233 Vgl. Witte, From Exodus to David, 39. 234 Vgl. für die älteren u. a. Duhm, Psalmen, 306 und die Einheitsübersetzung, welche die Lade einfach ergänzt. Dagegen führt Spieckermann mit Hinweis auf Ps 89,18 ins Feld, daß ‫„ תפארת‬nie die Lade, wohl aber das Volk“ (Spieckermann, Heilsgegenwart, 146, n. 30) bezeichnen könne, das er auch an dieser Stelle gemeint sieht. Hossfeld und Zenger stützen ihre

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Erwählung Judas wie des Zion (V. 66–68), dessen Erwähnung auf den Tempel verweisen läßt (V. 69), vor allem aber die Erwählung Davids (V. 70). Sie ist es vor allem, die es Pseudo-Philo ermöglicht, neben der expliziten Parallelisierung von Juda und David auch eine implizite von Saul und Ephraim / Joseph aus dem Psalm herauszulesen.235 Die Rede von der Verwerfung (‫ )מאס‬Ephraims in Ps 78,67 läßt nach der Rezeption der Verwerfungsaussagen über Saul in LibAnt fragen. Hier mag der Befund zunächst überraschen: Auch sie werden von Pseudo-Philo übergangen. Die Geschichte von I Sam 13 fehlt – sieht man von der bereits erwähnten236 Notiz über Sauls einjährige erfolgreiche Kampagne gegen die Philister in LibAnt 57,5 ab – komplett. Die Amalekiterschlacht nach I Sam 15 und die Beschwörung Samuels nach I Sam 28 werden zwar ausführlich berichtet, und es wird kein Zweifel daran gelassen, daß Saul in diesem Zusammenhang sündigt: Am Tag nach dem Kampf gegen die Amalekiter wirft Samuel Saul in LibAnt 58,4 vor, er habe den Willen des Herrn übertreten,237 und in 64,7 kann der tote Prophet daran anknüpfen und ihm vorhalten, zum zweiten Mal gesündigt zu haben238 – verworfen aber wird der König nicht.239 „Ps-Philo’s Lord never renounces Saul for his sins, but only denounces him for them.“240 Letzten Endes ist das nur konsequent. Saul war nicht als der „Gesalbte JHWHs“ erwählt – also kann er auch nicht verworfen werden. Seine Rolle in der Geschichte ist es, von Anfang an verworfen zu sein. Dies widerfährt ihm nicht als Strafe für seine eigenen Vergehen, sondern er ist die Strafe für das Vergehen Israels, einen König vor dem dafür vorgesehenen Zeitpunkt verlangt zu haben.

Auslegung dagegen auf die erste Vershälfte, speziell „seine Kraft“ (‫)עזו‬, verweisen (erneut) auf die „Lade deiner Kraft“ (‫ )ארון עזך‬von Ps 132,8 und kommen so wieder zur älteren Deutung (vgl. Hossfeld / Zenger, Psalmen 51–100, 438 f.). 235 Kraus erklärt Ps 78,67 mit der „Annullierung der Prärogative der mittelpalästinischen Stämmegruppe des Hauses Joseph“ (Kraus, Psalmen 60–150, 711); das ist, näher betrachtet, nichts anderes als die Paraphrase des Verses in der historisierenden exegetischen Terminologie der Nachkriegsjahre. 236 Vgl. oben S. 23 f., n. 97. 237 „Et tu missus ut faceres voluntatem Domini, transgressus es.“ – „Und du, gesandt, den Willen des Herrn zu tun, hast übertreten.“ 238 „Nunciarem tibi, quod peccaveras iam secundo neglegenter Deo“ – „ich soll dir mitteilen, daß du schon zum zweiten Mal nachlässig gegen Gott gesündigt hast“. 239 Freilich unterläuft dem ansonsten so sorgfältig arbeitenden Pseudo-Philo an dieser Stelle eine Inkonsequenz. Daß der heraufbeschworene Totengeist tatsächlich Samuel ist, erkennt Saul in LibAnt 64,6 daran, daß er einen Mantel trägt: „Und Saul erinnerte sich an den Mantel, den Samuel zerrissen hatte, als er noch lebte“ („Et memoratus est Saul diploidis quam disruperat Samuel dum viveret“). Dies geschieht in I Sam 15,27 f. bekanntlich im Kontext der Verwerfungsaussage, und entsprechend berichtet Pseudo-Philo nicht von dieser Begebenheit, an die er nun erinnert. 240 Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, 128; Hervorhebung Spiro.

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2.4.3 Rewriting Saul: Ergänzungen und Querverweise Die geschichtstheologische Lösung, mit der Pseudo-Philo das Nacheinander von Saul und David und die unterschiedlich gefärbten Darstellungen über die Einführung der Monarchie in Israel in I Sam 8–12 in den Griff zu bekommen versucht, wird bereits ex negativo deutlich. Bei der Durchführung seines Programms bedient er sich aber nicht nur des Mittels der Auslassung, sondern arbeitet auch mit Umstellungen und gegenüber I Sam ergänzten expliziten Deutungen, die nicht zuletzt von Gott selbst gegeben werden. Sie alle bringen die größtmögliche Distanz zum Projekt eines vordavidischen Königtums zum Ausdruck. So kann Saul unmöglich wie in I Sam 10,17–27 durch ein Ordal als Herrscher bestimmt werden. Pseudo-Philo läßt daher das Losorakel in LibAnt 25 und 49 daher schon einige Generationen vorher stattfinden, in der Richterzeit. In Kapitel 25 wird dadurch Kenas aus dem Stamm Kaleb als Fürst über Israel erwählt („constituerunt eum principem in Israel“, 25,2), der in LibAnt 25–28 aus der biblischen Notiz über den Vater Otniëls nach Jos 15,7; Jdc 1,13; 3,9.11241 heraus entwickelt und zur großen exemplarischen Richter‑ und Rettergestalt ausgebaut wird. Auf ihn, wie auch auf Josua, werden in gewisser Weise positive Züge Sauls übertragen, etwa die Geistbegabung, die einen neuen Menschen aus ihm macht.242 Analog zur Wahl Kenas’ wird auch in LibAnt ein neuer Herrscher sicut Cenez durch Loswahl gesucht, diesmal aber zunächst erfolglos. Nachdem in einem zweiten Anlauf nicht über die Stämme, sondern über die Städte das Los geworfen wird,243 fällt es schließlich auf Elkana, 241 Dietzfelbinger verweist statt dessen auf Gen 36,11.15.42; I Chr 1,36.53 (vgl. Dietzfelbinger, Pseudo-Philo, 169). Warum aber zur römischen Zeit eine exemplarische Heldengestalt Israels ausgerechnet aus den Söhnen Esaus, den Edomitern, abgeleitet hätte werden sollen, bleibt dabei erklärungsbedürftig – umso mehr als Pseudo-Philo ja dezidiert auf Kaleb verweist, der auch Jos 15,7; Jdc 1,13; 3,9 genannt wird, und auch bei Josephus Kenas an die Stelle Otniëls tritt (vgl. Ant 5,182, dazu Begg, Antiquities 5–7, 44). 242 Vgl. LibAnt 27,10: „indutus est spritu virtutis et transmutatus in virum alium“ („er wurde bekleidet mit dem Geist der Stärke und verwandelt in einen anderen Mann“), ähnlich LibAnt 20,2 bei Josua, mit I Sam 10,6: ‫„( וצלחה עליך רוח יהוה והתנבית עמם ונהפכת לאיש אחר‬und der Geist JHWHs wird über dich kommen und du wirst dich mit ihnen prophetisch gebärden und du wirst umgewandelt werden in einen neuen Mann“). Vgl. dazu Fisk, Do You Not Remember?, 287. Allerdings wird dadurch eher nicht Saul als „Joshua-figure“ (ebd.) gezeichnet – bei ihm ist in LibAnt ja gerade nicht von einer derartigen Umwandlung die Rede. Statt dessen wird der Aspekt aus der Gestalt des Anti-Helden Saul extrahiert und auf die „echten“ Helden Josua und Kenas transponiert. Bei letzterem dürfte daneben zusätzlich die Geistbegabung Otniëls nach Jdc 3,10 im Hintergrund stehen. 243 Es wäre zu überlegen, ob mit der Erfolglosigkeit des ersten Wahlgangs insinuiert werden soll, daß Elkana und somit Samuel zwar in Ephraim wohnten, aber nicht aus Ephraim stammten (sondern eigentlich Leviten sind). Dies wäre nötig, damit er legitimerweise der Priester sein kann, in dessen Funktion er in I Sam mehrmals auftritt, etwa beim Opfermahl I Sam 9,13 und seinem „Dienen JHWHs vor dem Priester Eli“ (‫ )והיה משרת את־יהוה את־פני עלי הכהן‬in I Sam 2,11. Nun opfert allerdings Samuel in LibAnt nicht, und bei der Erwähnung seines Dienstes wird der

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der jedoch hartnäckig ablehnt, sich zum Herrscher ausrufen zu lassen. Die richtige Deutung des Ergebnisses gibt Gott selbst: Das Los verweist auf Samuel und über diesen hinaus (natürlich) auf David.244 In LibAnt 56,1 begehrt nun aber das Volk nicht mehr nur einen Herrscher (quis si possit principari) wie in 49,1, sondern, nach I Sam 8,5, explizit einen König (regem), wobei es sich auf keinen geringeren als Mose berufen möchte und Dtn 17,15 als Argument vorbringt.245 Von daher kann, anders als es I Sam 8,7 f. sieht, der Wunsch als solcher nicht verwerflich sein – aber Samuel erkennt, daß der rechte Zeitpunkt für seine Verwirklichung noch nicht gegeben ist. Das Begehren kommt „vor der Zeit“ („ante tempus“, 56,2). Die Strafe dafür ist Saul. „Ich will ihnen nämlich einen König schicken, der sie vertilgen wird, und danach wird er selbst vertilgt werden“ (56,3).246 Spiro erkennt hierin eine narrative Auslegung, die Hos 8,4247 mit Hos 13,11248 verbindet: Einerseits hat sich das Volk selbst einen König gegen den Willen Gottes gegeben, andererseits wird ihm nun ein solcher als Instrument des göttlichen Zornes geschickt.249 Vergehen und Strafe entsprechen sich – im Hinblick auf das Volk, aber dann auch im Hinblick auf Saul, den zum Scheitern Erwählten. Er hat von Anfang an keine Chance; dies stellt aber keinen Hinderungsgrund dafür dar, ihn für seine konkreten Handlungen nicht trotzdem zu verurteilen. Die Versuchung liegt nahe, dieses Geschick Sauls tragisch zu nennen – und in der Tat ließe sich überlegen, ob Jammer (ἔλεος) und Furcht (φόβος),250 die der Leser bei der Betrachtung dieses Königs empfindet, nicht auch zu einer Katharsis führen sollen, die nun aber nicht primär in der Reinigung von Affekten, sondern in der Hinwendung zur Tora zu bestimmen wäre. Die Hauptintention des Neodeuteronomisten PseudoPhilo dürfte indes anders gelagert sein. Sein Saul soll nicht als Beispiel dienen – schon gar nicht als „model of a bad ruler“251 –, die Figur ist schlicht das Ergebnis

Priester Eli geflissentlich übergangen, doch läßt auch die Formulierung „et Samuel erat deserviens in conspectu Domini“ (LibAnt 53,1, vgl. 52,1) noch an priesterliche Tätigkeiten denken. 244 An dieser Stelle findet sich das bereits erwähnte Äquivalent zur Nathanweissagung (vgl. oben S. 40). 245 „Quoniam completum est verbum quod dixit Moyses patribus nostris in heremo dicens: Constituendo constitue de fratribus tuis super te principem“ („da ja das Wort erfüllt ist, das Mose unseren Vätern in der Wüste sagte, sagend: Wahrhaftig sollst du von deinen Brüdern über dich einen Fürsten einsetzen.“) 246 „Mittam enim illis regem qui eos exterminabit, et ipse postea exterminabitur“. 247 ‫„( הם מהליכו ולא ממני‬sie haben sich Könige gemacht, aber nicht von mir“). 248 ‫„( אתן־לך מלך באפי ואקח בעברתי‬Ich gebe dir einen König in meinem Zorn und nehme [ihn] weg in meinem Grimm“). 249 Vgl. Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, 125. 250 Die Begriffe entstammen bekanntlich der Poetik des Aristoteles, wonach die erwünschte „Nachahmung“ (μίμησις) sich nicht zuletzt auf „furchtbare und jammervolle Dinge“ (φοβερῶν καὶ ἐλεεινῶν) bezieht (Arist.Po 9,1452a,2 f). 251 So Murphy, Pseudo-Philo, 240.

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exegetisch betriebener theologischer Reflexion über das Wirken Gottes in der Geschichte und den Zusammenhang von Schuld und Strafe. Dieses Nebeneinander und Ineinander von Schuld und Schicksal versteht Pseudo-Philo meisterhaft zu inszenieren, indem er seine exegetischen Einsichten zu einem dramatischen Kniff gebraucht. Im ersten Samuelbuch selbst ist es bereits angelegt, Geschichte als die Geschichte ihrer Hauptakteure zu erzählen. Pseudo-Philo jedoch verdichtet nun die Handlung noch enorm, indem er die wichtigsten Akteure wesentlich enger aneinander bindet, als dies in seiner Vorlage der Fall ist. Er knüpft dadurch ein Netz aus Vor‑ und Rückverweisen,252 das an vier miteinander verbundenen Hauptpunkten aufgespannt ist, an denen alle zentralen Fäden des Geschehens zusammenlaufen. Diese Knotenpunkte sind: der Verlust der Lade nach I Sam 4 in LibAnt 54, Sauls Amalekiterkrieg nach I Sam 15 in LibAnt 58, die Geschichte von David und Goliath nach I  Sam 17 in LibAnt 61 und Sauls Tod nach I  Sam 31 und II Sam 1 in LibAnt 65. Die Technik zeigt sich deutlich bereits bei der Ladeerzählung nach I Sam 4. In LibAnt 54 sind nicht nur, wie in I Sam 4,4, Hofni und Pinhas „bei der Lade des Bundes Gottes“ (‫)עם־ארון ברית האליהם‬, sie halten sie auch, und das gemeinsam mit einem Dritten, nämlich mit Saul, Sohn des Kisch (LibAnt 54,3).253 Doch nicht nur ihn trifft man in dieser Szene das erste Mal im Buch an, sondern auch seinen späteren Gegenspieler. Wie in I Sam 4,11 fallen die beiden Eliden im Kampf, anders als dort aber ist ihr Gegner, der sie tötet und dadurch die Lade erbeutet, namentlich bekannt: Es ist kein anderer als Goliath (LibAnt 54,3), der auf diese Weise bereits jetzt flüchtig Bekanntschaft mit demjenigen macht, der ihm später als König von Israel gegenüberstehen – oder eben gerade nicht gegenüberstehen wird.254 „Flüchtig“ ist diese Bekanntschaft in der Tat, denn Saul, „weil er leichtfüßig war, floh vor seinem Angesicht“ (LibAnt 54,4).255 Der Philister wird später darauf zurückkommen, denn in seiner Herausforderungsrede in LibAnt 61,2 wendet er sich nicht, wie in I Sam 17,8–10, an das Heer Israels, das „einen Mann“ für den Kampf mit ihm auswählen soll (‫ברו־לכם איש‬ ‫)וירד אלי […] ונלחמה יחד‬,256 sondern spricht den König direkt an: „Bist du nicht

252 Zu diesem Verfahren Pseudo-Philos vgl. Eissfeldt, Kompositionstechnik, 341 und passim. Auch er stellt fest, daß Pseudo-Philo mit den Vor‑ und Rückverweisen „keine Neuerungen einführt, sondern nur den Weg weiter verfolgt, den die Autoren und Redaktoren […] bereits gegangen sind.“ (a. a. O., 350). 253 „Et tenebant arcam Ofni et Finees, filii Heli, et Saul filius Cis.“ 254 Vgl. zum Vorverweis von der Ladegeschichte zum Kampf von David und Goliath Eissfeldt, Kompositionstechnik, 345. 255 „Quia levis pedibus erat, fugit a facie eius“. 256 „Wählt euch einen Mann, und er soll zu mir herabkommen […] und wir wollen miteinander kämpfen“.

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Israel,257 der du vor meinem Anblick flohst, als ich von euch die Lade nahm und eure Priester tötete? Und jetzt, Herrscher, steige herab wie ein Mann und König, und du sollst uns angreifen“ (LibAnt 61,2).258 Die Furcht Sauls, mit der er (und Israel) in I Sam 17,11 (und LibAnt 61,2) auf die Rede des Philisters reagieren, wird von Pseudo-Philo als dezidiert unkönigliche Eigenschaft aufgegriffen und in die von ihm geschaffene Erstbegegnung der beiden Kontrahenten vorprojiziert. Freilich läßt gerade diese „Leichtfüßigkeit“ Saul in Kapitel 54 zunächst einmal überleben und gibt ihm so die Möglichkeit, nach der verlorenen Schlacht als Überbringer der schlimmen Nachricht an Eli auftreten zu können. In I Sam 4,12 obliegt diese Aufgabe einem ungenannten Benjaminiten (‫)איש־בנימין‬, in LibAnt 54,4 ist daraus der entronnene Augenzeuge und Ladeträger Saul geworden, der mit zerrissenen Kleidern und aschebestreutem Haupt259 nach Silo zurückkehrt.260 Bereits in I Sam 4 besteht mit dem Erzählmotiv des derangierten Boten vom Schlachtfeld eine Parallele zum amalekitischen Söldner, der in II Sam 1,2 am Tag nach Gilboa zu David kommt261 – Pseudo-Philo baut diese Linie weiter aus und verleiht ihr eine bitter-ironische Note: Saul ist nach seiner unrühmlichen Flucht in der gleichen Rolle, in der sich später sein Mörder befinden wird, dessen Auftritt vor David freilich im erhaltenen Bestand von LibAnt nicht mehr erzählt wird. 257 Da der folgende Satz sich direkt an den König direkt richtet, ändert Dietzfelbinger mit James den Text hier von „Israel“ in „Saul“ (vgl. Dietzfelbinger, Pseudo-Philo, 255; James / Feldman, Biblical Antiquities, 233). Das verstärkte noch den Rückbezug auf Kapitel 54, ist aber als Emendation ohne Grundlage in der Textüberlieferung ein zu weitgehender Eingriff, der zudem die Plurales der Personal‑ und Possessivpronomen bei Lade und Priestern bezugslos werden läßt (vgl. Jacobson, Commentary, 1181). 258 „Nonne tu es Israel qui fugisti ante conspectum meum, quando abstuli a vobis arcam et interfeci sacerdotes vestros? Et nunc regnans descende tamquam vir et rex, et expugnabis nos“. Die jussivische Übersetzung des Futurs „expugnabis“ ergibt sich aus dem imperativischen Kontext. Womöglich stand im Hebräischen an dieser Stelle eine Form im Konsekutivperfekt oder tatsächlich Jussiv. 259 „Et disrumpens vestimenta sua, imposuit cinerem in caput suum“ („Und seine Kleider zerreißend, streute er Asche auf sein Haupt“). 260 Für Dietzfelbinger ist diese Gleichsetzung Sauls mit dem Benjaminiter ein Hauptgrund, Spiros oben dargelegte These zurückzuweisen, Pseudo-Philo ziele darauf ab, den ersten König Israels als aus Ephraim kommend darzustellen (vgl. Dietzfelbinger, Dissertation, 84). Indes verfängt das Argument nicht: Natürlich weiß Pseudo-Philo von Sauls „tatsächlicher“ Herkunft, und deswegen kann er ihn auch in dem namenlosen Mann aus I Sam 4,12 erkennen. Das hindert ihn aber weder an dieser noch an anderer Stelle daran, dieses Wissen dem Leser vorzuenthalten. An Spiros Beobachtung läßt sich nicht rütteln: Ephraim wird genannt, Benjamin nicht. 261 Vgl. die Beschreibung des Benjaminiters in I Sam 4,12: ‫„( ומדיו קרעים ואדמה על־ראשו‬und seine Kleider zerrissen und Erde auf seinem Haupt“) mit der des Amalekiters von II Sam 1,2: ‫„( ובגדיו קרעים ואדמה על־ראשו‬und seine Kleider zerrissen und Erde auf seinem Haupt“). A. Fischer sieht darin ein Formelement, das die Gattung des Berichts von einer Niederlage erfordere (vgl. A. Fischer, Hebron, 18–25), Porzig schließt, m. E. überzeugender, auf literarische Abhängigkeit. II Sam 1,1–4 wurden demnach gezielt nach I Sam 4,12.16 f. gestaltet (vgl. Porzig, Lade, 138, n. 168).

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Abgesehen von der Technik, Handlung durch die Verbindung zentraler Ereignisse über die agierenden Hauptpersonen zu verdichten – wie kommen Goliath und Saul in den Ladekrieg? Den Philister bereits an dieser Stelle in einer nicht unbedeutenden Position auftreten zu lassen, liegt natürlich nahe, wenn man nach einem Namen sucht, der sich mit Israels Demütigung durch die Feinde und deren anschließender Bestrafung verbinden ließe. Das ist bereits das narrative Grundmodell von I Sam 17. Über Goliath ist man assoziativ auch schnell bei Saul, doch halte ich es darüber hinaus auch für wahrscheinlich, daß es einen exegetischen Grund für seinen Eintrag in die Ladegeschichte gibt. In der Tat besteht die Verbindung von Saul und Lade bereits innerbiblisch, und zwar in I Chr 13,3. An dieser Stelle initiiert David ihre Überführung nach Jerusalem, „denn wir haben sie nicht gesucht in den Tagen Sauls“ (‫)כי־לא דרשנהו בימי שאול‬. Vom Versäumnis an der Lade zu Zeiten Sauls hin zu einem Versäumnis Sauls an der Lade ist es nur ein kleiner Schritt. Sucht man hierfür nun einen Anhalt in der Überlieferung, bietet sich in der Samuelvorlage nur eine mögliche Gelegenheit, nämlich bei ihrem Verlust. Hier findet sich bereit der erwähnte Benjaminiter, und I Chr 13,3 zusammen mit I Sam 4,12 fügen sich schließlich in LibAnt zum Bild vom flüchtenden Ladeträger Saul. Träfe diese Interpretation zu, erhellte sie nicht nur ein exegetisches Detail, sondern wäre zugleich auch ein Zeugnis dafür, daß Pseudo-Philo bei seiner relecture der biblischen Geschichtsbücher Samuel‑ und Chronikbücher nicht als alternative, sondern als komplementäre Werke ansah und behandelte262 – ein Schluß, der sich auch insofern nahelegt, als er sein eigenes Werk in einer durchaus der chronistischen Endgestalt vergleichbaren Form im Wechsel von Genealogien, Listen und ausgeführten Erzählungen angelegt hat.263 Kann Pseudo-Philo in LibAnt 54 auf das bekannte Personal von I Sam zurückgreifen, um einen Vorverweis auf Goliath (und damit David), sowie auf Sauls Ende zu gestalten, so ist ihm das in seiner Version der Amalekiterschlacht und ihrer Folgen nach I Sam 15 in LibAnt 58 nicht möglich. Doch auch an dieser Stelle baut er einen Bogen aus, der bereits in der Samuelrolle angelegt ist und gebraucht dabei eine Technik, die derjenigen ausgesprochen ähnlich ist, mit der er schon die Geschichten von I Sam 4, I Sam 17 und II Sam 1 aufeinander bezogen hat. In LibAnt 58,1 wird Saul also aufgefordert, Amalek zu vertiligen, anders als in I Sam 15,2 nicht motiviert durch die Erinnerung an Ereignisse während des Exodus, sondern unter explizitem Rückgriff auf „die Worte, die mein Diener Mose sprach“,264 nämlich Ex 17,14. Ein spannendes und hervorzuhebendes 262 Dafür, daß Chronik und Vordere Propheten auch bereits in spätpersischer und hellenistischer Zeit als einander ergänzende Ausprägungen des kollektiven Gedächtnisses verstanden und rezipiert wurden, votiert Ehud Ben Zvi, vgl. Ben Zvi, Chronicles and Samuel-Kings. 263 Vgl. Feldman, Prolegomenon, XXII. 264 „Verba que locutus est Moyses famulus meus“.

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Detail ist, daß an dieser Stelle ein Gedanke aufblitzt, der Pseudo-Philos sonstiger Interpretation von Mission und heilsgeschichtlichem Sinn von Sauls Königtum eigentlich zuwiderläuft: Samuel, der dem König den Auftrag übermitteln soll, wird nämlich instruiert, ihn mit einer Begründung einzuleiten: „Du wurdest gesandt, um Amalek zu verderben, auf daß erfüllt würden die Worte …“.265 Hier ist nun, anders als in 56,3, nicht davon die Rede, daß Saul eigentlich zum Schaden Israels gesandt wurde,266 sondern er bekommt im göttlichen Plan eine positive Funktion als Werkzeug der Vergeltung Gottes an Israels Feinden zugesprochen. In I Sam 15 wird eine solche noch nicht explizit. Dort folgt der Auftrag zum Krieg gegen Amalek aus der von JHWH initiierten und von Samuel ausgeführten Salbung zum König. Gleichwohl ist die Begründung in LibAnt 58,1 nicht ohne Vorläufer. Sie entspricht ganz und gar der Auffassung von Sauls heilsgeschichtlicher Rolle, die in der Auslegung von Gen 36,12a in 4Q252 erkannt werden konnte.267 Womöglich, wenn nicht gar wahrscheinlich war dieser Gedanke, den das Kommentarwerk aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert anführt, etwa 100 Jahre später Pseudo-Philo als Traditionsgut derart vertraut, daß er ihn selbstverständlich übernahm – und sei es auch zu dem Preis, seiner geschichtstheologischen Konzeption ein ihr eigentlich fremdes bis entgegenstehendes Interpretament einzufügen. Bei aller Diskrepanz läßt sich aber auch dieses im inklusiven Denken PseudoPhilos mit seinem Hauptgedanken in Einklang bringen: Demnach wäre Saul gesandt worden, um Israel, sich selbst und Amalek zu verderben. Tatsächlich wird der König in LibAnt 58 allen drei Aufgaben mehr oder weniger gerecht. Er besiegt Amalek, läßt aber seinen König Agag am Leben  – von der versäumten Vollstreckung des Banns am Vieh, von der I Sam 15,9 spricht, erfährt man nichts, vielleicht deshalb, weil „no such command is found in the laws of Moses“,268 vielleicht deshalb, weil Samuels opferkritische Argumentation in I Sam 15,22 f. Pseudo-Philo selbst nicht ganz geheuer war.269 Umso wichtiger ist die Verschonung des amalekitischen Königs, die nicht anders als durch unehrenhafte Motive verstanden werden kann: Der Amalekiter habe Saul nach LibAnt 58,2 mit der Aussicht auf verborgene Schätze bestochen.270 Dadurch, so es ut disperdas Amalech, ut compleantur verba …“. enim illis regem qui eos exterminabit“. 267 Vgl. oben S. 33–38. 268 Vgl. Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, 130, n. 22 269 „Saul’s motive for sparing the animals was unholy enough, the prophet’s reply – a tirade against sacrifices – was rankest heresy“ (ebd.). 270 „Et vivificavit Agag regem Amalech, quoniam dixerat ei: Ostendam tibi thesauros absconsos“ („Und er ließ Agag am Leben, den König von Amalek, weil er ihm gesagt hatte: Ich will dir verborgene Schätze zeigen.“). Immer wenn der Leser in Gefahr geraten könnte, eine Handlung Sauls als lobenswert oder ehrenhaft anzuerkennen, wird er von Pseudo-Philo über die tatsächlichen Motive des Königs belehrt. So erkennt Gott in LibAnt 64,1, daß selbst die Ab265 „Missus

266 „Mittam

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erfährt es Samuel in einer Gottesrede in LibAnt 58,3, habe der König gezeigt, wes Geistes Kind er sei: durch Silber korrumpiert,271 habe er Agag und – was man bislang noch nicht wußte – auch dessen Frau am Leben gelassen. Die Strafe dafür folgt auf dem Fuße, auch wenn bis zu ihrem Wirksamwerden noch Zeit vergehen wird, und Samuel ist, in dritter Ordnung, das Werkzeug ihrer Vollstreckung. Er soll am nächsten Morgen Agag töten, nicht jedoch, ohne diesem zuvor noch eine gemeinsame Nacht mit seiner Frau zu ermöglichen. Den Sinn dieser Maßnahme, „crime and punishment match one another“,272 erfährt man aus einer Prophezeiung in 58,4: „Und deshalb wird der, welcher durch dich am Leben blieb, jetzt sterben […], und der von ihm stammend geboren wird, wird dir zum Anstoß werden“273 – und zwar unter dem Namen Edabus, unter dem sich auf dem Schlachtfeld von Gilboa in LibAnt 65,4 der in II Sam 1 namenlose amalekitische Soldat als der eben gezeugte Prinz dem König zu erkennen geben wird, ehe er ihn auf dessen Wunsch hin und nicht bevor der den göttlichen Plan verstanden hat, tötet.274 Somit erfüllt sich mit der Amalekiterschlacht in Kapitel 58 tatsächlich Sauls Sendung in allen drei Punkten: Amalek ist geschlagen, wenn auch nicht ganz vernichtet,275 Israel kann erneut dafür angeklagt werden, einen König verlangt zu haben, „antequam veniret tempus“ (LibAnt 58,4, vgl. 51,2), und zu dem Pulverfaß, auf dem Saul sitzt, ist nun definitiv die Lunte angezündet. Auch die Geschichte von Davids Kampf mit Goliath verweist, neben ihrer Rückbindung an die Ladegeschichte, in der Fassung von LibAnt auf Sauls Tod voraus. Das Ende des philistäischen Kämpfers präfiguriert dabei das des israelitischen Königs. So sterben beide durch ihr eigenes Schwert,276 und beide schaffung mantischer Praktiken, von der I Sam 28,3 berichtet, nicht aus Gottesfurcht erfolgte, sondern „um sich einen Namen zu machen“ („non propter timorem meum […] sed ut sibi nomen faceret“). Nicht einmal seinen Suizid begeht Saul nach LibAnt 65,1 primär aus dem trotzigen Willen heraus, nicht dem Feind in die Hände zu fallen (vgl. I Sam 31,4; LibAnt 65,2), sondern aus schlichter Resignation über Samuels Weissagung: „Was strengst du dich an zum Leben, da doch Samuel dir mit deinen Söhnen den Tod geweissagt hat?“ („Quid confortaris ad vitam cum Samuel evangelizaverit tibi mortem cum filiis tuis?“), spricht er zu sich selbst. 271 „In momento corruptus est rex argento“. 272 Spiro, Pseudo-Philo’s Saul, 131, n. 28. 273 „Et ideo qui per te vivificatus est morietur nunc […], et qui nascetur ab eo erit tibi in scandalum“. 274 Zum Vorverweis auf LibAnt 65 vgl. Eissfeldt, Kompositionstechnik, 345 f. 275 Ohne daß es in LibAnt ausgesprochen würde, korrespondiert auch dies 4Q252 insofern, als dort einerseits vom „Schlagen“ Sauls die Rede ist, die endgültige Vernichtung Amaleks aber als eschatologisches Ereignis bezeichnet wird (vgl. oben S. 35 f.). 276 In LibAnt 61,7 ergreift David nach dem erfolgreichen Steinwurf das Schwert des Philisters („evaginavit rompheam eius“), in 65,3 stürzt sich Saul erfolglos in sein eigenes, um darauf den Amalekiter zu bitten: „Hebe mein Schwert auf und töte mich“ („Tolle macheram meam, et mortifica me“) – nota bene: In II Sam 1,9 f. wird die Waffe nicht spezifiziert! Begg übersetzt machera an dieser Stelle mit „spear“ (vgl. Begg, Death, 491, n. 49). Dies scheint mir nicht der passende Begriff zu sein. Machaera, wie auch romphaea, sind griechische Lehn-

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

führen unmittelbar vor ihrem Tod noch einander ausgesprochen ähnliche Gespräche mit ihren Exekutoren. Darin bitten sie selbst, getötet zu werden,277 werden zur Erkenntnis darüber gebracht, wer es letztlich ist, der den tödlichen Streich führt278 und erkennen in ihren letzten Worten den göttlichen Plan hinter ihrem Schicksal.279 Wie der von Pseudo-Philo so stark ausgebaute Amalekiterbogen von I Sam 15 zu II Sam 1 bereits innerbiblisch angelegt ist, so sind, zumindest auf der Ebene der Endtexte, auch Goliaths und Sauls Ende bereits in I Sam und I Chr als Parallelereignisse angelegt. Dort geschieht dies allerdings durch eine Verbindung die von Pseudo-Philo nicht aufgegriffen wird oder nicht mehr erhalten ist, nämlich über das Schicksal der Leichname beider. David enthauptet Goliath in I Sam 17,51 wie in LibAnt 61,8 – ebenso wie die Philister den toten Saul in I Sam 31,9 nach der wahrscheinlich von I Chr 10,9 f. beeinflußten masoretischen Lesart.280 Hierfür ist das äquivalente Stück, so es ein solches einmal gab, im überlieferten Bestand von LibAnt nicht mehr erhalten. Definitiv aber von Pseudo-Philo nicht übernommen wurde die (vermutlich ebenfalls nachchronistische)281 Notiz von I Sam 17,54, die den Goliath-David-Vergleich weiter verstärkt. Nach ihr bringt David das Haupt des Philisters nach Jerusalem und dessen Waffen in „sein Zelt“ – analog zum Vorgehen der Feinde nach I Chr 10,10, die Sauls Rüstung „im Haus ihrer Götter“ deponieren, während sein Kopf an das „Haus Dagons“ geheftet wird, dort also, wohin nach I Sam 5 die Lade verbracht wurde. Pseudo-Philo also erkennt das Potential, das ihm die Parallelisierung der Tode des Erzfeindes Goliath mit dem des König Saul bietet, baut diese Verbindung

wörter (μάχαιρα bzw. ῥομφαία), die schlicht unterschiedliche Schwerttypen bezeichnen (vgl. Georges, Handwörterbuch 2, 747. 2407). Beggs Übersetzung mag davon geleitet sein, daß in II Sam 1, dem Kapitel, dem der Amalekiter entstammt, von einem Schwert tatsächlich nicht die Rede ist und Saul sich auf seinen Speer (‫על־חניתו‬, II Sam 1,6) stützt. Der aber ist griechisch in LXX τὸ δόρυ, lateinisch in Vg. hasta. 277 Vgl. Goliath in LibAnt 61,7: „Festina et interfice me, et exulte“ („Eile und töte mich und juble“) mit Saul in 65,3: „Hebe mein Schwert auf und töte mich“ („Tolle macheram meam, et mortifica me“). 278 So fordert David in 61,8 Goliath auf: „Antequam moriaris aperi oculos tuos, et vide interfectorem tuum qui te interfecit“ („Bevor du stirbst, öffne deine Augen und sieh deinen Totschläger, der dich tötet“), und Saul bittet in 65,4: „Antequam mortifices me, nuncia mihi quis es“ („Bevor du mich tötest, tu mir kund, wer du bist“). 279 So erblickt Goliath in 61,8 den David beistehenden Engel Zervihel und folgert: „Non solus occidisti me, sed qui tecum aderat“ („Nicht allein hast du mich erschlagen, sondern der mit dir war“), während Saul in 65,4 versteht: „Ecce nunc venerunt super me verba Samuelis“ („Siehe, jetzt sind über mich die Worte Samuels gekommen“). 280 In I Sam 31,9 MT schneiden sie sein Haupt ab (‫)ויכרתו את־ראשו‬, in LXX „drehen sie ihn um“ (καὶ ἀποστρέφουσιν αὐτὸν). Vgl. dazu Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 194–197. 281 Vgl. a. a. O., 194 f.

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aus, greift aber die sie in I Sam etablierende anachronistische Notiz von I Sam 17,54 nicht auf. In Sauls Tod, LibAnt 65, laufen nun die von den anderen Knotenpunkten ausgehenden Erzählfäden zusammen. Er ist Fokus und Ziel von Pseudo-Philos Wiedergabe des ersten Samuelbuches, und er verweist mit des Königs letzten Worten, die dieser seinem Totschläger auszurichten aufträgt, zugleich über sich selbst hinaus: „Geh aber und sage David: Ich habe deinen Feind getötet.282 Und du sollst ihm sagen: So spricht Saul: Nicht sei eingedenk meines Hasses, noch meiner Ungerechtigkeit.“283 Von der Ausführung dieses Auftrags und dem Zusammentreffen des Amalekiters mit David nach II Sam 1 erfährt man im überlieferten Bestand von LibAnt nichts mehr, und doch ist auch dieses Kapitel in Pseudo-Philos Schilderung von Sauls Ende präsent. Ihm entstammt bekanntlich der in LibAnt so wichtige Amalekiter, und dessen Schilderung der Ereignisse auf Gilboa in II Sam 1,6–10, die in nicht unwichtigen Fragen von der Darstellung in I Sam 31,3 f. abweicht, bestimmt in wesentlichen Zügen das Bild in LibAnt 65. Nach I Sam 31,4 bittet Saul seinen Waffenträger, ihn zu töten und stürzt sich dann, als dieser ablehnt, in sein eigenes Schwert. In II Sam 1,6 gibt es keinen Knappen, und der berichtende Amalekiter erfüllt des Königs Wunsch nach dem Gnadenstoß ohne zu zögern. LibAnt 65,2–5 bietet nun eine Fusion beider Varianten, wie sich denken läßt, nicht eben ad maiorem Saulis gloriam. Demnach ist Saul, resigniert, nicht verwundet,284 entschlossen zu sterben, sein Waffenträger verweigert ihm in dieser Hinsicht den Gehorsam, woraufhin der König sich in sein Schwert stürzt, aber, anders als in I Sam 31,4, damit nicht – man möchte sagen: nicht einmal damit – erfolgreich ist: „er konnte nicht sterben“ („non potuit mori“, LibAnt 65,3). Erst dann betritt der Amalekiter, Edabus, die Szene, der das Werk vollenden wird. Josephus wendet die gleiche Technik der Harmonisierung auf die beiden Berichte von I Sam 31 und II Sam 1 an, wobei er freilich ein Bild von Saul zeichnet, das in ganz anderen Farben leuchtet als dasjenige Pseudo-Philos.285 Die narrative Verdichtung des Stoffs aus dem ersten Samuelbuch über die Verknüpfung seiner von Pseudo-Philo als solchen herausgehobenen vier Schlüsselszenen läßt sich schließlich schematisch wie in Abbildung 1 darstellen.

282 Descamp gibt diese letzten Worte zumindest mißverständlich, wenn nicht mißverstanden wieder, wenn sie schreibt, der Amalekiter solle David mitteilen „that Saul has been killed by his enemy, Edabus“ (DesCamp, Metaphor and Ideology, 86). Im Text ist Saul der Feind Davids, nicht Edabus der Feind Sauls. 283 „Vade autem et dic David: Ego occidi inimicum tuum. Et dices ei: Hec dicit Saul: Non memor sis odii mei, neqe iniusticie mee“. 284 Vgl. zu Sauls Verwundung oben S. 28 f.; zur Stelle in LibAnt 65 oben S. 53, n. 270. 285 Vgl. unten S. 70–72.

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

Vorverweise

LibAnt 54

LibAnt 58

LibAnt 61

LibAnt 65

Verlust der Lade

Sauls Amalekiterkrieg

David und Goliath

Sauls Tod

Rückverweise Abbildung 1: Das narrative Geflecht in LibAnt 54–65

2.4.4 Pseudo-Philos Saul – Zusammenfassung Wie läßt sich nun Pseudo-Philos Umgang mit der Figur des ersten Königs von Israel zusammenfassend beschreiben? Für Odil Hannes Steck ist der Liber Antiquitatum Biblicarum ein maßgeblicher Zeuge dessen, was er das „Deuteronomistische Geschichtsbild“286 nennt. In der Tat bewegt sich Pseudo-Philo im Kielwasser der Deuteronomisten, insofern er Israels Geschichte unter dem Paradigma von Sünde und Gericht erzählt und die Niederlagen und Katastrophen der Vergangenheit als Exempel fruchtbar machen möchte, die als Präfigurationen der eigenen jüngsten Vergangenheit die Gegenwart zu deuten vermögen. Für diese Haltung wurde oben bereits der Begriff „Neodeuteronomismus“ gebraucht. Er empfiehlt sich deswegen, weil Pseudo-Philo nicht einfach die theologische Haltung der unterschiedlichen deuteronomistischen Bearbeitungsstufen der Vorderen Propheten aufnimmt und weiterführt.287 Sein Denken ist synthetisch und inklusiv, es fußt auf den unterschiedlichen theologischen Stimmen des Enneateuch ebenso wie auf der chronistischen Darstellung der Geschichte Israels. Besonders anschaulich ist dies bei seiner Fassung des Dekalogs, konkret: bei seiner Wiedergabe von Ex 20,5. Das Axiom von JHWH, dem „eifernden Gott, heimsuchend die Schuld von Vätern an Söhnen bis ins dritte und vierte 286 Vgl.

dazu Steck, Gewaltsames Geschick, 122–127. dazu auch Vogels Beobachtungen zur Aufnahme von Dtn 28 und Lev 26 in LibAnt 13,10 (vgl. Vogel, Geschichtstheologie, 178). 287 Vgl.

2.4 Saul im Liber Antiquitatum Biblicarum

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Glied derer, die mich hassen“,288 erscheint bei ihm in LibAnt 11,6 ergänzt und modifiziert: „Ein eifernder Gott, und vergeltend die Sünden der Entschlafenen an den lebenden Söhnen der Frevler, wenn sie in den Wegen ihrer Eltern wandeln, bis ins dritte und vierte Glied“.289 Der Gedanke der generationenübergreifenden Haftung nach Ex 20,5 wird mit der Vorstellung der Individualvergeltung zwar nicht nach Ez 18,290 wohl aber nach Dtn 24,16 zusammengebracht. Zwar wirkt die Sünde über Generationen hinweg, bestraft wird sie aber, wenn und weil sie individuell wirksam und zurechenbar wird.291 Mit der Gestalt Sauls verhält es sich ähnlich. Pseudo-Philo kennt und rezipiert offensichtlich die Deutung seines Geschicks, die I Chr 10,13 f. bietet, wonach Gott Saul sterben ließ, „wegen seiner Untreue, mit der er untreu war an JHWH“ (‫)במעלו אשר מעל ביהוה‬, womit auf der Ebene der Endgestalt der beiden Verse die beiden Vergehen identifiziert werden, die auch Pseudo-Philo detaillierter anführt: Sauls Versagen gegenüber Amalek und sein Befragen eines Totengeistes.292 Zugleich aber kennt er die Erzählungen von der Einsetzung des Königtums in Israel in I Sam 8–12, die in all ihrer Ambivalenz auf der Endtextebene doch sehr stark zu erkennen geben, daß Israels Wunsch eines Monarchen zumindest töricht, wenn nicht gar selbst eine Sünde war. Erschwerend kommt hinzu, daß die Einstellung Gottes zur Davidsdynastie, etwa nach II Sam 7, nicht so negativ dargestellt wird, wie es zu erwarten wäre, wenn die Herrschaftsform als solche konsequent nach I Sam 8,7 zu bewerten wäre. Die Sünde des Königsbegehrens ist also vorgefallen und muß eine entsprechende Antwort erhalten. Zugleich aber stehen David und seine Herrschaft jenseits der Kritik, und Sauls Scheitern ist aufgrund seiner Freveltaten zu ver288 ‫לשנאי‬

‫אל קנא פקד עון אבת על־בנים על־שלשים ועל־רבעים‬. zelans et reddens peccata dormientium in vivos filios impiorum si in viis parentum suorum ambulabunt, usque in tertiam et quartam progeniem“. Feldman führt als Parallelen für diese Qualifizierung unter Rückgriff auf Azaria de Rossis Me’or Enayim Ex 34,7 TO und bSanh 27b an (vgl. Feldman, Prolegomenon, XCV), Jacobson ergänzt bBer 7a (vgl. Jacobson, Commentary, 463). Targum Onqelos qualifiziert die Kinder, an denen die Vergehen der Väter heimgesucht werden, mit dem eingefügten Adjektiv ‫מרדין‬, „widerspenstig“, die Gemara diskutiert das Verhältnis von Ex 34,7 und Dtn 24,16, im Fall von bSanh 27b mit unter anderem durchaus mit LibAnt 11,6 vergleichbarem Ergebnis. 290 Mit der Konkretisierung des Gedankens in Ez 18,21 f.27, die den umkehrenden Frevlern Leben eröffnet, hat Pseudo-Philo offenbar Probleme. Nach seiner Darstellung verhalten sich die Söhne Elis, Hofni und Pinhas genau ihr entsprechend, wenn sie in LibAnt 52,4 sagen: „Quando senuerimus tunc penitebimur“ („wenn wir alt geworden sind, dann werden wir umkehren“) – eine Möglichkeit, die ihnen durch ihren umgehenden Tod in der Schlacht genommen wird. 291 Die Frage, ob das „si “ mehr den Charakter eines „wenn“ hat, die Söhne der „Frevler“ also real eine Möglichkeit haben, nicht in den Wegen ihrer Väter zu wandeln, oder eher einem „weil“ gleicht, also Schuld zwar individuell vergolten, gleichwohl aber qua Vorfahren zwangsläufig verübt wird, stellte eine Frage der Exegese von LibAnt dar, der noch nachzugehen wäre, wenn auch nicht im Kontext der vorliegenden Arbeit. 292 Zur Literarkritik der beiden Chronikverse vgl. unten S. 90–92, sowie Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 186 f. 289 „Deus

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

stehen. Die Summe aus diesen drei Ingredienzien ist das Konzept von LibAnt: Die Sünde des Volks liegt im Begehren des Königs ante tempus, vor David, und wird dadurch gestraft, daß es genau das bekommt, was es wünscht, nämlich einen König ante tempus: Saul. Dessen Rolle im göttlichen Plan ist es daher von Anfang an zu scheitern, und da er dieser Erwartung gerecht wird, erweist sich, daß Gott bei der Einsetzung der Monarchie nicht etwa zunächst eine falsche, sondern genau die richtige Wahl getroffen hat. Er wußte schon vorher, daß Saul scheitern würde, weil er scheitern mußte. Anders gesagt: Saul hat von Anfang an keine Chance, aber er wird dafür verurteilt, sie nicht zu nutzen. Pseudo-Philos Denken beruht auf der chronistischen Theologie des Zusammenhangs von Schuld und Strafe, aber das für sie wie auch für die Deuteronomisten zentrale Moment der menschlichen Verantwortung, die aus der Freiheit erwächst, sich tatsächlich entscheiden zu können, droht bei ihm verloren zu gehen, obwohl und gerade weil er es betonen möchte. Der Versuch, das Phänomen Saul sowohl mit seiner eigenen als auch mit der Schuld Israels erklären zu wollen, um Gottes Handeln rechtfertigend zu erklären, scheitert. In seiner vorgeblichen Transparenz erscheinen die Aktionen und Reaktionen Gottes zwar als nachvollziehbar, mit Blick auf das Individuum Saul, dessen Verantwortung für sein Geschick ja zugleich betont werden soll, aber geradezu als zynisch. Pseudo-Philo ist bestrebt, das Handeln Gottes in der Geschichte bestmöglich offenzulegen und zu erklären, und schafft gerade dadurch das Bild eines deus absconditus. Mit Blick auf Saul hat das den paradoxen Effekt, daß der Leser mit ihm gerade das Mitleid empfindet, das zu wecken der Autor am allerwenigsten beabsichtigt hat.

2.5 „Ein Jüngling von hervorragender Gestalt und großem Wuchs, von Gesinnung und Verstand aber noch besser als nach den sichtbaren Qualitäten“293 – Saul bei Flavius Josephus 2.5.1 Josephus’ Antiquitates Judaicae und Pseudo-Philos Liber Antiquitatum Biblicarum Eine Abhandlung über Saul in der „frühen Rezeptionsgeschichte“ kann nicht geschrieben werden, ohne auf das wohl größte erhaltene Werk der Gattung rewritten Bible einzugehen, auf die „Jüdischen Altertümer“, Antiquitates Judaicae, des Flavius Josephus. Im Vergleich der in diesem Kapitel behandelten vier Schriften bietet dieses Werk in seinem sechsten Buch nicht nur die umfangreichste und detaillierteste Darstellung von Person und Werk Sauls, sondern auch die am besten 293 „Νεανίας τὴν μορφὴν ἄριστος καὶ τὸ σῶμα μέγας τό τε φρόνημα καὶ τὴν διάνοιαν ἀμείνων τῶν βλεπομένων“ (Ant 6,45).

2.5 Saul bei Flavius Josephus

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bekannte und erforschte. Insbesondere der Nestor der Josephusforschung, Louis H. Feldman, sowie Christopher Begg haben, neben anderen,294 nicht nur den Antiquitates insgesamt, sondern auch dem Bild Sauls bei Josephus, das in ihnen gezeichnet wird, zahlreiche grundlegende und detaillierte Arbeiten gewidmet.295 Beider Beobachtungen sollen nun im folgenden nicht en detail durchdiskutiert oder reproduziert werden; das wäre ebenso müßig wie überflüssig. Statt dessen erscheint es als Unterfangen lohnender zu sein, den Saul des Josephus direkt mit seinem zeitgenössischen Schatten zu vergleichen, dem Saul PseudoPhilos, wie er eben in extenso vorgestellt wurde.296 Dieses Vorhaben ist umso reizvoller, als sich beide Saule durchaus als Brüder bezeichnen ließen: Beide sind sie Kinder des ausgehenden ersten nachchristlichen Jahrhunderts,297 beide sind sie gezeichnet vom ersten Jüdischen Krieg, und beide sind sie Fleisch vom Fleische der gleichen „biblischen“ Überlieferung. Dennoch, auch wenn ihre Abstammung und ihr Alter vergleichbar sind, Brüder sind sie bestenfalls κατὰ σάρκα, dem Fleische nach, nicht aber im Geiste, κατὰ πνεῦμα. Ihre Herkunft mag die gleiche sein, ihre Hinkunft ist es nicht: Pseudo-Philo und Josephus entwerfen ihre Werke für einen jeweils anderen Leserkreis und mit einer anderen Intention, auch wenn das Thema beider in gewisser Weise Ursachen und Folgen des jüngsten Krieges sind. Pseudo-Philo schreibt aus einer innerjüdischen Binnenperspektive. Ihm geht es darum, – neodeuteronomistisch – die erneute Katastrophe vor dem Hintergrund der im kollektiven Gedächtnis fest verankerten Erklärungsmuster für die älteren Katastrophen als Gericht Gottes zu verstehen und als Konsequenz daraus Israel „auf den Weg zur Umkehr zum Gesetzesgehorsam zu bringen“.298 Schon allein die anzunehmende ursprüngliche Abfassung auf Hebräisch299 schließt dabei einen weiteren paganen Adressatenkreis aus. LibAnt ist ein Beitrag zur innerjüdischen theologischen Diskussion, aber definitiv keine Apologie, auch keine „apologie indirecte“.300 Josephus dagegen schreibt auf Griechisch „zum allgemeinen Nutzen“ (εἰς κοινὴν ὠφέλειαν, Ant 1,3), „für alle Griechen“ (ἅπασι […] τοῖς Ἕλλησιν, Ant 294 Vgl.

v. a. Hentschel, Saul, 211–217. Begg, Saul’s war; ders., Massacre; ders., King Saul’s First Sin; ders., Death; ders., David’s Reaction; ders., Antiquities 5–7; ders., First Encounter; ders., Anointing of Saul; Feldman, Portrait of Saul; ders., Josephus’s Interpretation, 509–536; ders., Josephus’ View; ders., Antiquities 1–4; ders., Josephus’ Version. 296 Auch Feldman, ausgewiesener Experte für LibAnt wie Ant, vergleicht knapp beider Darstellung Sauls, vgl. Feldman, Jewish Antiquities and Biblical Antiquities, 72 f. 297 Die Vollendung der Antiquitates wird in die 90er Jahre datiert, „probably in 93 CE“ (Feldman, Antiquities 1–4, XVII). 298 Steck, Gewaltsames Geschick, 175 (im Original kursiv). 299 Vgl. zur Frage der ursprünglichen Sprache von LibAnt die ausführliche Diskussion und die umfassenden Belege bei Jacobson, Commentary, 215–222. 300 So Fröhlich, Historiographie et Aggada, 354. 295 Vgl.

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

1,5), also zumindest auch301 für ein heidnisches Publikum – und durchaus mit apologetischem Interesse, „always in dialogue with the sensibilities of a Roman audience.“302 Es geht ihm daher nicht vorrangig um theologische Geschichtsdeutung, sondern darum, interessierten Intellektuellen Geschichte und Kultur des Judentums näherzubringen, womöglich auch, um damit einen Beitrag zur verfassungspolitischen Diskussion in den Salons der imperialen Hauptstadt zu leisten.303 Entsprechend anders konturiert ist auch das Bild Sauls, das er im sechsten Buch der Antiquitates entwirft.

2.5.2 Rewriting Saul: Narrative Mikrokorrekturen Die literarischen Techniken, die Josephus gebraucht, ähneln dabei denen seines Zeitgenossen Pseudo-Philo durchaus. Auch er arbeitet mit – freilich bei weitem nicht so umfangreichen – Auslassungen und Kürzungen, mit Hinzufügungen nicht zuletzt erklärender und kommentierender Art, und auch er etabliert Querverbindungen, die in I Sam bestenfalls angedeutet sind – auch wenn bei ihm dieses Stilmittel die Struktur seiner Komposition längst nicht in dem Maße bestimmt, wie das in LibAnt der Fall ist. Ein Beispiel für das letztgenannte Phänomen verdient es genannt zu werden, auch wenn es das Thema dieser Arbeit nur am Rande berührt, zum einen gerade weil es für Josephus’ Wiedergabe von I Sam eher ungewöhnlich ist, zum anderen weil an diesem Punkt eine interessante Parallele zu LibAnt vorliegt. Die Rede ist vom Massaker an den Priestern von Nob nach I Sam 22.304 Während die Samuelvorlage nur von der Exekution selbst berichtet, deutet Ant 6,261 diese Tat als Erfüllung der Weissagung durch den Gottesmann an Eli:305 „Dies traf freilich ein, wie Gott dem Hohepriester Eli prophezeit hatte, wegen des Frevels seiner zwei Söhne, nämlich daß die Nachkommen vertilgt werden würden.“306 Ähnlich verbindet LibAnt 63 I Sam 2 mit I Sam 22 – freilich mit dem Unterschied, daß für Psesudo-Philo dem als göttliche Strafe interpretierten Tod auch ein unmittelbares Vergehen vorausgegangen sein muß. Entsprechend sterben die Priester von Nob nicht wegen der Vergehen von Hofni und Pinhas, sondern wegen ihrer eigenen, die freilich denen der erstgenannten nicht nachstehen, „weil sie wandeln 301 „For a cosmopolitan city such as Rome, we should probably not force the Judean/ gentile split too sharply“ (Feldman, Antiquities 1–4, XX). 302 A. a. O., XXXIV. 303 Vgl. ebd. 304 Für einen detaillierten Vergleich der Versionen dieser Geschichte in LibAnt und Ant vgl. Begg, Massacre, hinsichtlich des Rückverweises auf die Eliden vgl. a. a. O., 196–198; Feldman, Josephus’ Version, 19*. 305 Vgl. I Sam 2,27–36. 306 „Ταῦτα μέντοι συνέβη, καθὼς προεφήτευσεν ὁ θεὸς τῷ ἀρχιερεῖ Ἠλὶ διὰ τὰς τῶν υἱῶν αὐτοῦ δύο παρανομίας εἰπὼν διαφθαρήσεσθαι τοὺς ἐγγόνους.“

2.5 Saul bei Flavius Josephus

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auf den Wegen der Söhne Elis“ (LibAnt 63,1).307 Bei Josephus erfüllt sich eine Prophezeiung – bei Pseudo-Philo läßt gleiches Ergehen auf gleiches Vergehen rückschließen. Was die Kürzungen anbelangt, so fällt auf, daß beide Autoren sie an gänzlich anderen Stellen vornehmen. Interessant ist dabei weniger der große Rahmen, in dem Pseudo-Philo den narrativen Zusammenhang auf wenige Schlüsselszenen verdichtet, während Josephus seiner Vorlage in extenso folgt. Aufschlußreicher sind die Details. Oben konnte gezeigt werden, wie der Verfasser von LibAnt darum bemüht ist, ihm offenbar zu günstig erscheinende Aussagen über Sauls Person, seine Herkunft und seinen Weg an die Macht zu übergehen.308 Nicht so Josephus! Sein Saul kommt tatsächlich aus Benjamin (Ant 6,45), und auch dessen günstige physische Erscheinung nach I Sam 9,2; 10,23 f. wird keineswegs verschwiegen. Im Gegenteil, Sauls Vorzüge und seine offensichtliche Eignung für das höchste Staatsamt werden noch vermehrt. Kisch, sein Vater, ist nicht nur, wie in I Sam 9,1, ein „vermögender Mann“ (‫גבור חיל‬, LXX: ἀνὴρ δυνατός),309 sondern ein gebildeter Aristokrat, „ein Mann von edler Abstammung und guten Sitten“ (ἀνὴρ εὖ γεγονὼς καὶ ἀγαθὸς τὸ ἦθος, Ant 6,45).310 Er selbst zeichnet sich bei seiner Einführung in die Geschichte nicht nur durch Schönheit, sondern auch durch andere vielversprechende Begabungen aus, ist er doch „von Gesinnung und Verstand aber noch besser als nach den sichtbaren Qualitäten“ (ebd.).311 Bei der Königwahl in Mizpa bzw. Μασφὰ nach I Sam 10,17–27 wird es offensichtlich: Er ist nicht nur „eines Hauptes länger als alles Volk“ (‫ויגבה מכל־העם משכמו ומעלה‬, I Sam 10,23), sondern seine „Höhe war ausgesprochen königlich“ (Ant 6,65).312 Desgleichen hat Josephus keine Schwierigkeiten damit, von der Salbung dieses Wunderknaben zu berichten. Zwar wird der göttliche Auftrag dazu nicht berichtet und dem wartenden Propheten nur mitgeteilt, daß ihm ein Jüngling aus Benjamin geschickt werde,313 der Akt selbst erfolgt dafür gleich zweimal. ambulant in viis filiorum Heli“. Vgl. dazu Begg, Massacre, 179. oben S. 42–46. 309 Zum Begriff vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 193; Dietrich, 1Sam 1–12, 406: „einflussreicher Mann“. 310 Vgl. dazu Feldman, Portrait of Saul, 59–62. Damit erfaßt Josephus einen Akzent, der auch schon auf seiner Quelle liegen dürfte: Edelman betont, in Anlehnung an J. Sasson, daß die siebengliedrige Genealogie Sauls ebenso wie seine physischen Vorzüge den Jüngling bereits königlich zeichneten (vgl. Edelman, Saul Ben Kish, King of Israel, 173). 311 „Tό τε φρόνημα καὶ τὴν διάνοιαν ἀμείνων τῶν βλεπομένων“. 312 „Er überragte alle, und die Höhe war ausgesprochen königlich“ („ἐξεῖχε δὲ ἁπάντων, καὶ τὸ ὕψος ἦν βασιλικώτατος“). 313 Vgl. I Sam 9,16 „Morgen zu dieser Zeit werde ich zu dir einen Mann vom Land Benjamin schicken, und du sollst ihn salben zum Fürsten über mein Volk Israel“ („‫כעת מחר אשלח אליך‬ ‫ )“איש מארץ בנימן ומשחתו לנגיד על־עמי ישראל‬mit Ant 6,49: Hier versichert Gott Samuel, er werde „um diese Zeit einen jungen Mann aus dem Stamm Benjamin schicken“ („πέμψειν γὰρ αὐτός τινα νεανίσκον ἐκ τῆς Βενιαμίτιδος φυλῆς“). Vgl. dazu LibAnt 56,3: „Der aber morgen zu 307 „Quia 308 Vgl.

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

Zunächst vollzieht ihn Samuel direkt im Anschluß an beider erste Begegnung, äquivalent zu I Sam 10,1, in Ant 6,54314 – wenn auch das Schlüsselwort „salben“, χρίω, an dieser Stelle nicht gebraucht wird.315 Ein weiteres Mal wird Saul schließlich nach dem Ammoniterkrieg in Ant 6,83 gesalbt – über die „Erneuerung“ des Königtums von I Sam 11,14 f. MT hinausgehend, aber in Übereinstimmung mit LXX,316 einer der Fälle, die die Frage aufwerfen, was für eine Ausgabe der Samuelbücher Josephus eigentlich vorliegen hatte.317 dir kommen wird, zur sechsten Stunde, der ist es, der über sie herrschen wird“ („Qui autem venturus est ad te crastino die, hora sexta, ipse est qui regnaturus est super eos“). 314  Vgl. I Sam 10,1 „Und Samuel nahm den Ölkrug und goß über seinen Kopf und küßte ihn und sprach: Fürwahr, JHWH hat dich gesalbt über sein Erbe zum Fürsten“ (‫ויקח שמואל את־פך‬ ‫ )השמן ויצק על־ראשו וישקהו ויאמר הלוא כי־משחך יהוה על־נחלתו לנגיד‬mit Ant 6,54 „Und Saul schickt den Knecht weg, da nimmt der Prophet das heilige Öl, gießt auf das Haupt des jungen Mannes und umarmend sagt er: Sei König, von Gott erwählt“ („καὶ ὁ μὲν Σαοῦλος ἀποπέμπεται τὸν ἀκόλουθον, λαβὼν δ΄ ὁ προφήτης τὸ ἅγιον ἔλαιον καταχεῖ τῆς τοῦ νεανίσκου κεφαλῆς καὶ κατασπασάμενος ἴσθι, φησὶ, βασιλεὺς ὑπὸ τοῦ θεοῦ κεχειροτονημένος“). Diese Erwählung hat ein Ziel, sie richtet sich „gegen die Palästiner“ (ἐπὶ τε Παλαιστίνους). Josephus folgt damit an dieser Stelle dem LXX-Plus gegenüber MT (zur textkritischen Beurteilung von I Sam 10,1 vgl. Pisano, Additions or Omissions, 166–169, der sich nach sorgfältigem Abwägen aller Argumente mit Barthélemy (vgl. Barthélemy, Critique Textuelle 1, 163 [„non sans hésitation“]) dafür entscheidet, das LXX-Plus als „later scribal insertion“ [Pisano, Additions or Omissions, 169] zu bewerten; zur Diskussion vgl. Bezzel, Unterschiede, 134, n. 45). Müller, Pakkala und ter Haar Romeny präferieren nun freilich wieder LXX und sehen im MT eine „secondary omission“ (Müller / Pakkala /ter Haar Romeny, Evidence, 69; vgl. a. a. O., 69–77). 315 Begg schließt aus diesem Umstand, sich auf Feldman berufend, Josephus wolle bei seinen Lesern unangenehme „messianic connotations“ und damit verbundene Erinnerungen an den zurückliegenden Krieg vermeiden (Begg, Antiquities 5–7, 112; vgl. ders., Anointing of Saul, 8, n. 37; 12; vgl. Feldman, Josephus’s Interpretation, 151–154 [der freilich für seine These von Josephus’ Vermeiden messianisch interpretierbarer Formulierungen nicht auf die fragliche Stelle rekurriert]). Das klingt zunächst plausibel, erklärt aber nicht (und Begg erklärt es auch nicht, vgl. Begg, Antiquities 5–7, 121), warum Josephus wenige Abschnitte später, in 6,83, die zweite Salbung (mit dem Wort χρίω) nicht vermeidet. Rücksichtnahmen auf römische Leser generell unbenommen, kann ich doch in diesem speziellen Fall keine erkennen. 316 Vgl. I Sam 11,15 „Und das ganze Volk ging nach Gilgal und sie machten dort Saul vor JHWH zum König in Gilgal“ (‫)וילכו כל־העם הגלגל וימלכו שם את־שאול לפני יהוה בגלגל‬. In LXX ist nicht die Rede davon, daß das Volk Saul zum König macht, sondern daß Samuel ihn salbt: „καὶ ἔχρισεν Σαμουὴλ ἐκεῖ τὸν Σαοὺλ εἰς βασιλέα“. 317 An vielen divergierenden Stellen geht Josephus mit LXXB – aber nicht immer. So ist das Geschehen in Ant 6,105 näher an der Darstellung von I Sam 13,15 MT als an der (längeren) Fassung von LXXB (vgl. Begg, Saul’s First Sin, 694), die auch der sogenannte antiochenische oder lukianische Text LXXL vertritt, und in Ant 5,339 weiß Josephus (mit I Sam 2,22 MT und LXXL) von sexuellen Übergriffen der Söhne Elis am weiblichen Kultpersonal – ein Vorwurf, der in LXXB nicht begegnet (vgl. zur Stelle: Hentschel, Niedergang, 85 f.), und den auch 4Q51 nicht zu kennen scheint – freilich ist hier die entsprechende Zeile nur recht fragmentarisch erhalten (vgl. DJD 17, 39), es hängt viel daran, wie man die Rekonstruktion von Cross u. a. beurteilt. Sollte sie allerdings korrekt sein, wäre damit Ulrichs Aussage widerlegt, „[that] no readings emerge in which J agrees with MT against Q“ (Ulrich, Josephus’ Biblical Text, 82). Bei der Geschichte um Nahasch, den Ammoniter (I Sam 11), weiß Josephus davon, daß dieser zunächst „den Juden, die jenseits des Jordan wohnten“ (τοὺς πέραν τοῦ Ἰορδάνου ποταμοῦ κατῳκημένους τῶν Ἰουδαίων) Übles tut und das rechte Auge ausstechen läßt, ehe

2.5 Saul bei Flavius Josephus

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Ebenso ist es für Josephus offensichtlich unproblematisch, Saul in diesem Kontext explizit als „König“ zu titulieren, in welchem er in I Sam 10,1 „Fürst“ (‫ נגיד‬bzw. ἄρχων, vgl. princeps in LibAnt 56,5) genannt wird. In einem anderen Punkt allerdings stimmt er mit Pseudo-Philo überein. Saul ist zwar (mehrfach) gesalbt, „Gesalbter“, χριστός, wird er jedoch auch bei Josephus an keiner Stelle genannt – aber, anders als in LibAnt, trägt bei ihm auch David diesen Titel nicht, so wenig wie irgend ein anderer. Χριστός ist im Gesamtwerk von Josephus – jenseits des Testimonium Flavianum (Ant 18,63) und der Erwähnung des Herrnbruders Jakobus (Ant 20,200) – einzig eine „gestrichene Wand“ (Ant 8,137).318 Hinter dieser wohl kaum zufälligen Leerstelle mag tatsächlich die von Begg angenommene politische Rücksichtnahme stehen, in erster Linie aber wohl das Bemühen, bei seiner Leserschaft keine falschen Assoziationen zu wecken. Um 93 n. Chr. dürfte der Terminus in der römischen Öffentlichkeit im Zusammenhang mit einer Gruppe bekannt und von dieser selbst besetzt gewesen sein, die nicht nur positiv wahrgenommen wurde und mit der in Verbindung gebracht zu werden Josephus wenig Interesse gehabt haben dürfte. Bei anderen Streichungen erweist er sich dagegen vorrangig als daran interessiert, auf pagane, speziell römische Befindlichkeiten zu achten. So vergleicht zwar sein David, wie auch der von I Sam 17,36, in Ant 6,181–183 den Gegner Goliath mit den Löwen und Bären, mit denen er sich als Hirte siegreich auseinandergesetzt habe und baut die kurze biblische Notiz sogar zu einer kleinen detaillierten Erzählung aus, er vermeidet es aber, den Philister als „diesen Unbeschnittenen“ (‫הערל הזה‬, I Sam 17,36, vgl. I Sam 17,26) zu disqualifizieren.319 Das polemische Detail hätte gebildete römische Leser womöglich unangenehm er sich gegen die „Galadener“ wendet. Davon findet sich nun weder etwas in LXX noch in MT – wohl aber in 4Q51, wo von einer derartigen Aktion gegen die „Söhne Gads und die Söhne Rubens“ (‫את בני גד ואת בני ראובן‬, 4Q51 X,6) berichtet wird (vgl. dazu Kratz, Nahash). Ulrich kommt insgesamt zu dem Schluß, daß Josephus eine griechische Vorlage benutzt habe, die 4Q51 nahegestanden habe (vgl. Ulrich, Josephus’ Biblical Text, 88 f.). Begg denkt an eine erste „LXX-like“ Vorlage (Begg, Saul’s War, 410), zu der Josephus einen zweiten, „MT-like text“ (a. a. O., 411) hinzugezogen habe. Nodet dagegen nimmt, auch wegen der Bemerkung von Ant 1,5, Josephus habe „übersetzt“, eine hebräischsprachige Quelle an (vgl. Nodet, Discrepant Sources, 259–262) – womöglich „close to the source of £ [sc. LXXL; H. B.]“ (Nodet, Josephus and the Books of Samuel, 146), „[with] some marginal glosses, including variant readings“ (a. a. O., 151). Diese Rolle sei „most probably the one taken in 70 C. E. by Titus from the Temple archives (or library)“ gewesen (a. a. O., 164). Auch wenn man diesen letzten Schluß nicht mitvollziehen möchte, bleiben Nodets Beobachtungen zu den Beziehungen zwischen dem Text der Antiquitates und allen überlieferten Samuel‑ und Chronikvarianten überaus wichtig. In jedem Fall ist festzuhalten, „[que] Josèphe prend un rang honorable parmi les traducteurs de la Bible“ (Nodet, Antiquitès Juives, XLIV). 318 Vgl. Rengstorf, Concordance 4, 370; Schalit, Namenwörterbuch, 60; Feldman, Josephus’s Interpretation, 152, n. 19. 319 Gleiches gilt für Sauls Rede an seinen Waffenträger auf Gilboa. In I Sam 31,4 begründet er seine Bitte, ihn zu töten, mit dem Wunsch, „daß nicht diese Unbeschnittenen kommen und mich durchbohren und ihren Mutwillen mit mir treiben“ (‫)פן־יבאו הערלים האלה ודקרנו והתעללו־בי‬, in Ant 6,370 aber damit, daß er zu sterben wünscht, „ehe ihn die Feinde lebend ergreifen“ („πρὶν

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

berührt. Einerseits hätte eine Parallelisierung der unbeschnittenen Philister mit den unbeschnittenen Römern mehr als nahe gelegen – im Kontext der Geschichte von David und Goliath wäre das, wenige Jahre nach dem Krieg, nicht unbedingt Josephus’ Intention dienlich gewesen. Zum anderen galt die Praxis der Beschneidung vielen Römern als barbarisch, und die Ressentiments gegen sie gehörten schon damals zum Standardrepertoire antijüdischer Agitation.320 Ein David, der sich gerade über sein Beschnittensein definiert und polemisch von seinem Feind abhebt, mag Josephus daher auch aus diesem Grund als zu provokant erschienen sein. Entsprechend verlangt auch sein Saul von David als Brautpreis keine 100 Philistervorhäute (‫ )מאה ערלות‬wie in I Sam 18,25, sondern in Ant 6,201 Köpfe, dafür freilich 600 an der Zahl (κεφαλὰς αὐτῶν ἑξακοσίας). Neben diesem pragmatischen Schweigen gibt es aber auch bei Josephus ein theologisch begründetes. So hütet er sich davor, zu sagen, der böse Geist, der Saul ab I Sam 16,14321 plagt, sei ein Geist JHWHs322 – und trifft sich darin erneut mit Pseudo-Philo, nach welchem den König zwar „ein äußerst schlechter Geist würgte“,323 von dessen Herkunft aber nichts verlautet. Es ist kein Zufall, daß sich Pseudo-Philos Passivum Divinum ausschließlich auf den spiritus Domini bzw. sanctus bezieht. Nur dieser „wird genommen“ (ablatus est), der andere dagegen ist selbst aktiv (prefocabat). Ähnlich ist es bei Josephus in Ant 6,166. Verlassen wird Saul von „dem Göttlichen“ (τὸ θεῖον), das auf David „übergeht“ (μεταβαίνει) und sich bei diesem als prophetische Gabe erweist – befallen wird er aber von „einem Leiden und [von] Dämonen“ (πάθη τινὰ καὶ δαιμόνια), von welchen zwar berichtet wird, wie übel sie es mit dem König treiben, aber von denen keinesfalls behauptet wird, daß sie von Gott stammten.

2.5.3 Rewriting Saul: Explizite Kommentare Ähnlich wie bei den Streichungen verhält es sich auch bei den Ergänzungen. Beide, Josephus wie Pseudo-Philo fügen neben implizit vorgenommenen Interζῶντα συλλαβεῖν αὐτὸν τοὺς πολεμίους“) – „vielleicht im Blick auf potentielle nichtjüdische Leser“ (Swoboda, Tod und Sterben, 117). 320 Vgl. Barclay, Against Apion, 240, der auf Tacitus, Juvenal, Horaz, Petronius und Martial verweist. In Ant 1,193, im Kontext von Abrahams und Isaaks Beschneidung, kündigt Josephus eine ausführliche Erklärung über die Gründe für diese Praxis im Judentum an – womöglich hat er das Werk, auf das er dort vorverweist, nicht mehr geschrieben (vgl. Feldman, Antiquities 1–4, 73). In Contra Apionem reagiert Josephus aber explizit apologetisch auf die Verspottung der Beschneidung durch seinen Gegner (vgl. Ap 2,137. 141 f.). 321 „Und der Geist JHWHs wich von Saul, und es ängstigte ihn ein böser Geist von JHWH“ (‫)ורח יהוה סרה מעם שאול ובעתתו רוח־רעה מאת יהוה‬, I Sam 16,14. 322 Vgl. Begg, First Encounter, 10. 323 „Und in jener Zeit wurde der Geist des Herrn von Saul weggenommen, und es würgte ihn ein äußerst schlechter Geist“ („Et in tempore illo ablatus est spiritus Domini [Variante: spiritus sanctus] a Saule, et prefocabat eum spiritus pessimus“, LibAnt 60,1).

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pretationen, wie der oben erwähnten Ausschmückung von Sauls Begabungen bei Josephus oder der Einfügung von intertextuellen Verbindungen bei PseudoPhilo, auch explizite Kommentare in den narrativen Zusammenhang ein. Sie sollen dem Leser dazu verhelfen, die geschilderten Ereignisse nicht nur kennenzulernen, sondern auch richtig zu verstehen. Pseudo-Philo bedient sich dafür nicht zuletzt der Stimme Gottes, um etwa Samuel und durch diesen den Leser ex cathedra an wichtigen Marksteinen über den tieferen Sinn der Geschichte zu belehren, etwa beim Königsbegehren Israels (LibAnt 56), im Kontext der Amalekiterschlacht (LibAnt 58), bei Davids Salbung (LibAnt 59) und beim Tod der Priester von Nob (LibAnt 63).324 Josephus kommentiert nun ebenfalls, doch verbirgt er sich dabei nicht hinter einer literarischen persona, um durch sie zu sprechen – schon gar nicht hinter der Stimme Gottes. Er ist als allwissender Erzähler und Historiker immer selbst neben und über dem geschilderten Geschehen stehend erkennbar und agiert in seinen Kommentaren als Sprecher aus dem Hintergrund. Im Blick auf Person und Werk Sauls geschieht dies zum einen durch kleinere, glossenartige, erklärende Bemerkungen, nicht zuletzt wieder in der Schilderung von Sauls Tod in Ant 6,368–377 und dem an I Chr 10,13 f. angelehnten Nachruf in Ant 6,378, zum anderen durch das berühmte ausführliche Enkomium vor Sauls letzter Schlacht in Ant 6,343–350. Die Kurzkommentare zu Saul finden sich  – und auch hierin ist Josephus Pseudo-Philo ähnlich – in den Antiquitates immer an den Stellen, an denen der Autor meint, ein Handeln des Königs ins rechte Licht rücken zu müssen, das für sich genommen möglicherweise ambivalent beurteilt werden könnte. Oben wurde ausgeführt, wie in LibAnt zu diesem Zweck für Sauls Abschaffung anrüchiger mantischer Praktiken wie auch für seine Verschonung Agags über die biblische Vorlage hinaus auf seine eigentlichen – finsteren – Motive rekurriert wurde.325 Genau das gleiche Verfahren wendet auch Josephus an – freilich mit einem anderen Ziel: Pseudo-Philo geht es um die Rechtfertigung Gottes für sein Handeln an Saul, Josephus dagegen vorrangig um die Rechtfertigung der Handlungen Sauls selbst, die zu dem Bild von dem in jeder Hinsicht zum König prädestinierten jungen Mann in Spannung stehen könnten. So kann nach I Sam 10,22 in Mizpa der designierte König zunächst nicht gefunden werden, weil er sich „beim Gerät versteckt“ hat (‫)נחבא אל־הכלים‬. Dieser Umstand veranlaßt nun Josephus in Ant 6,63 zu der Richtigstellung, daß dies keinesfalls als Zeichen für Sauls Feigheit zu deuten sei326 oder davon zeuge, daß 324 Nota bene: Mit dem Tod Samuels ist auch im Buch Gottes Stimme nicht mehr zu vernehmen – freilich gibt es in den letzten beiden Kapiteln auch nicht mehr viel zu erklären. Der Leser weiß nun wirklich, was Saul erwartet und vor allem, warum dem so ist. 325 Vgl. oben S. 51–53. Für den Fall Agags vgl. noch Feldman, Remember Amalek, 24. 326 Vgl. dagegen die Betonung von Sauls „Leichtfüßigkeit“ in LibAnt 54,4 und Goliaths Spott in LibAnt 61,2!

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der künftige König dazu neige, sich vor einer schweren Aufgabe zu drücken. Vielmehr habe er damit „Mäßigung und Bescheidenheit aufgezeigt“327 – zwei Tugenden, die die Befähigung zu seiner Berufung umso mehr herausstellten, als sie ihn von der Masse (τῶν πλείστων, ebd.) abhöben. Freilich bewahren auch die besten Anlagen Saul nicht davor, Fehler zu machen. Zum ersten Mal geschieht dies im Kampf gegen die Philister, als er in I Sam 14,24 die Nahrungsaufnahme bis zum Abend mit einem Fluch belegt, der bekanntlich die Folge zeitigt, daß der König in V. 43 f. in der Pflicht steht, seinen Sohn Jonathan zu töten. Ohne Zweifel: Er „verfällt auf eine schreckliche und sehr zu tadelnde Tat“, so Ant 6,116.328 Gleichwohl wird zu seinen Gunsten – mit LXX – vermerkt,329 daß dies womöglich „aus Unwissenheit“ (ὑπὸ ἀγνοίας) geschehen oder – über LXX hinausgehend – der Freude über den unerwarteten Sieg330 oder aber dem verständlichen Wunsch nach schneller Rache331 entsprungen sei. Eine doppelte Rechtfertigungsstrategie ist nun für Saul im Kontext des Amalekiterkrieges vonnöten. Wie in LibAnt 58,1 wird auch in Ant 6,133 für den casus belli explizit auf Mose und Ex 17,14 bzw. Dtn 25,19332 verwiesen,333 und Saul führt den Auftrag auch umgehend und militärisch erfolgreich aus, ehe er in Ant 6,136 daran geht, Frauen und Kinder zu massakrieren. Diese Handlung, die dem göttlichen Befehl noch entspricht, verlangt offenbar als erste nach einer Erklärung, scheint doch die Vorgehensweise nicht dem Ideal antiker Kriegspraxis zu entsprechen, wonach zumindest den Kindern gegenüber „mehr Mitleid walten zu lassen natürlich ist“.334 Josephus ist hier bei der Verteidigung des Kö327 „ἐνδείξατο

ἐγκράτειαν καὶ σωφροσύνην“. δεινὸν προπίπτει καὶ πολλὴν ἔχον κατάμεμψιν ἔργον“. Begg erkennt in dieser „foreshadowing remark“ (Begg, Antiquities 5–7, 131) das Motiv von Wohlergehen und Hybris. 329 MT spricht in der ersten Vershälfte von 14,24 davon, daß Israel an diesem Tag in schwere Bedrängnis geriet (‫)ואיש־ישראל נגש ביום ההוא‬, während in LXX von einer großen Dummheit die Rede ist, die Saul an diesem Tag beging (καὶ Σαουλ ἠγνόησεν ἄγνοιαν μεγάλην ἐν τῇ ἡμέρᾳ ἐκείνῃ). 330 „Ὑπὸ τῆς ἐπὶ τῇ νίκῃ χαρᾶς“. 331 „Denn er wollte sich selbst rächen und Vergeltung nehmen an den Palästinern“ („βουλόμενος γὰρ αὑτῷ τε τιμωρῆσαι καὶ δίκην ἀπολαβεῖν παρὰ τῶν Παλαιστίνων“ Ant 6,117). 332 „Josephus’ wording here corresponds quite closely to that of LXX Deut 25,19“ (Begg, Saul’s War, 390, n. 28). 333 Begg weist darauf hin, daß hierin eine gewisse Brisanz liegt, sei doch Amalek zur Zeit Josephus’ bereits zur Chiffre für den Erb‑ und Erzfeind schlechthin geworden, mit dem auch die Römer identifiziert werden konnten. Er sieht darum hier eine Art kodierte Trostbotschaft an jüdische Leser (vgl. Begg, Saul’s War, 414 f.; zur Entwicklung Amaleks in diese Rolle: Maier, Amalek, 110–113). Dagegen spricht freilich, daß Josephus sehr zurückhaltend ist, was die Gegnerschaft von Jakob /Israel und Esau / Edom anbelangt, war doch die Kodierung Roms durch „Edom“ weit verbreitet (vgl. a. a. O., 113). Zusätzlich lokalisiert Josephus die Amalekiter in Ant 2,4 f. auch noch in einer Region, die zu seiner Zeit nabatäisch war, „to identify the archenemy of Israel – Amalek – as an actual enemy of Rome“ (a. a. O., 117). 334 „πρὸς ἅ μᾶλλον ἔλεος γίνεσθαι πέφυκε“ (Ant 6,138) – angeführt als Kontrast zur Schonung ausgerechnet Agags. 328 „ἐις

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nigs gegen mögliche Vorwürfe indes auffällig zurückhaltend. Er spricht in Ant 6,136 nicht davon, daß Saul nichts Unrechtes getan habe, sondern hebt heraus, daß dieser dies meinte: „Er glaubte, weder eine Grausamkeit [zu begehen] noch härter als die menschliche Natur zu handeln“,335 und zwar, weil es sich bei den Amalekitern um Feinde und er selbst auf göttlichen Befehl hin gehandelt habe. Das zweite Problem, das die Amalekitergeschichte aufwirft, ist – gerade vor diesem Hintergrund – nun die Verschonung Agags. Auch hierfür nennt Josephus ein plausibles Motiv. Bei ihm sind es nun keine verborgenen Schätze, in deren Gewalt zu kommen Saul trachtet, sondern, weit edler, dieser ist von des königlichen Kollegen Schönheit gerührt: „Weil er seine Schönheit und die Höhe seines Wuchses bewunderte, hielt er ihn der Rettung für wert“.336 Man könnte sagen, Saul habe aus einer narzißtischen Regung heraus gehandelt, sind beides, körperliche Größe und Attraktivität, doch Attribute, die ihn selbst auszeichnen. Diese Gemütsregung ist zweifellos ein großer Fehler, durch den, wie der Autor dem Leser erklärt, deutlich wird, daß der König „nicht mehr entsprechend dem Willen Gottes handelt“.337 Seine anschließende Verwerfung, die Wende im Saul-Drama, ist damit vorbereitet.338 Interessanterweise ist diese Deutung des Fehlverhaltens Sauls, die mit der Größe eines göttlichen Willens arbeitet, nun zunächst eine theologische – Josephus übersetzt sie daher zusätzlich noch in allgemeinverständliche tugendethische Terminologie: Der König handelte „unterworfen von einer Leidenschaft“ (πάθει δὲ νικώμενος, Ant 6,137) und „war gnädig zur Unzeit“ (χαριζόμενος ἀκαίρος, ebd.). So wird Sauls Fehler allgemein nachvollziehbar benannt – und ist doch in seiner Motivation verständlich: „Die Schönheit des Feindes“ (τοῦ πολεμίου κάλλος, Ant 6,138) ist von allen denkbaren Motiven für eine Befehlsverweigerung in klassisch geschulten Augen nicht das unedelste.339 Doch I Sam 15 bleibt für Josephus weiter eine Herausforderung. Neben der Notwendigkeit zu erklären, warum Saul „gut“ handelte, solange er Frauen und Kinder ermordete, aber „schlecht“ in dem Moment, in dem er Milde walten ließ, bleibt noch Gottes Härte problematisch: Er läßt sich trotz Samuels Fürbitte nicht dazu bewegen, sein hartes Urteil über seinen Erwählten zu revidieren. I Sam 15,29 läßt Samuel hier mit der nicht-menschlichen Verläßlichkeit Gottes argumentieren, „denn er ist kein Mensch, daß es ihn gereute“.340 Josephus interpretiert diesen Vers nun „aufgeklärt“, man könnte fast sagen im Sinne Kants: Gott handelt aus Pflicht aufgrund der Maxime einer allgemeinen Regel, nach 335 „οὐδὲν 336 „οὗ

ὠμὸν οὐδ΄ ἀνθρωπίνης σκληρότερον διαπράσσεσθαι φύσεως ἡγούμενος“. θαυμάσας τὸ κάλλος καὶ τὸ μέγεθος τοῦ σώματος σωτηρίας ἄξιον ἔκρινεν“ (Ant

6,137). 337 „οὐκέτι τοῦτο ποιῶν κατὰ βούλησιν τοῦ θεοῦ“ (Ant 6,137). 338 Vgl. Begg, Antiquities 5–7, 136; Feldman, Portrait of Saul, 88. 339 Vgl. Begg, Saul’s War, 394, n. 56. 340 ‫כי לא אדם הוא להנחם‬. Pace Begg, Antiquities 5–7, 138, der keine biblische Vorlage für Josephus’ Begründung annimmt.

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

welcher, auch wenn es gesellschaftlich hoch geachtet werde, Vergeben ohne Strafe letztendlich mehr Schaden als Nutzen bewirke, werde doch dadurch gerade weiteres und verstärktes Sündigen befördert.341 Eine ähnliche Problematik wie der Amalekiterkrieg wirft für Josephus die Geschichte vom Massaker an den Priestern von Nob nach I Sam 22 auf. Sie stellt für ihn den zweiten großen Sündenfall des Königs dar, und so verwundert es auch nicht, daß in seiner abschließenden Bewertung Sauls nach I Chr 10,13 f. in Ant 6,378 gerade diese beiden Begebenheiten als Gründe für den frühen Tod des Königs angeführt werden. So erfüllt sich zwar im Schicksal der Stadt Nob (notwendigerweise) die Weissagung an Eli über seine Nachkommen,342 doch ist der durch den „Syrer“343 Doëg exekutierte Massenmord an 305344 Angehörigen Ahimelechs, sowie an Priestern wie Frauen und Kindern von Nob345 ein Verbrechen, das nicht beschönigt werden kann. So bemüht sich Josephus auch nicht um eine Rechtfertigung der Tat, relativiert sie aber insofern, als er sie in einem längeren Kommentar in Ant 6,262–268 nicht als individuelle Freveltat geißelt, sondern als Exempel eines generellen Sachverhalts darstellt:346 Die Tat „bietet einem jeden die Möglichkeit zu lernen und die menschliche Natur zu erkennen“.347 Es ist interessant zu sehen, wie Josephus diese „Nutzanwendung“ der Geschichte in den narrativen Kontext einfügt. Er bedient sich dabei der guten alten Technik der Wiederaufnahme und verdeutlicht so ein weiteres Mal die Kontinuität, in der inner-biblical und extra-biblical rereading und rewriting nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch-technisch zueinander stehen. Seiner Samuel341 „Weil er [sc. Gott] es nicht für gerecht hielt, Sünden zu begnadigen auf Fürbitte hin; denn aus nichts erwachsen sie mehr als dadurch, daß die, denen Unrecht getan wurde, [zu] weichlich sind, indem sie nach dem Ruhm der Milde und Güte streben, wobei ihnen verborgen ist, daß diese [sc. Sünden] entstehen“ („λογισάνενος οὐκ εἶναι δίκαιον ἁμαρτήματα χαρίζεσθαι παραιτήσει· οὐ γὰρ ἐξ ἄλλου τινὸς φύεσθαι μᾶλλον ἢ τοῦ μαλακίζεσθαι τοὺς ἀδικουμένους· θηρωμένους γὰρ δόξαν ἐπιεικείας καὶ χρηστότητος λανθάνειν αὐτοὺς ταῦτα γεννῶντας“, Ant 6,144). 342 Vgl. dazu oben S. 60 f. 343 Josephus hat hier wie LXX in I Sam 21 Σύρος, zurückgehend wohl auf die Lesung ‫ארמי‬, während der MT ihn als „Edomiter“ (‫ )אדמי‬bestimmt – der er auch in Ps 52,2 MT wie LXX (51,2) ist. Zur Interpretation dieser ‫ר‬-‫ד‬-Verwechslung vgl. Bezzel, Unterschiede, 127 f.; Grillet / Lestienne, Premier Livre, 119. 344 Die Zahl der erschlagenen Priester folgt LXX. MT spricht in I Sam 22,18 von „85“ (‫שמנים‬ ‫)וחמשה‬. Die unterschiedlichen Josephus-Manuskripte schwanken zwischen 85, 305, 385 und 530 Toten (vgl. Niese, Antiquitates 2, 61). 345 „Es waren aber alle ungefähr 305. Saul schickte aber auch in die Stadt der Priester, Naba, um sie alle zu töten, indem er nicht Frauen oder Kinder oder ein anderes Alter schonte“ („ἦσαν δὲ πάντες ὡσεὶ πέντε καὶ τριακόσιοι. πέμψας δὲ Σαοῦλος καὶ εἰς τὴν πόλιν τῶν ἱερέων Ναβὰν πὰντας τε αὐτοὺς ἀπέκτεινεν οὐ γυναικῶν οὐ νηπίων ουδ΄ ἄλλης ἡλικίας φεισάμενος“, Ant 6,260). 346 „Josephus sought to minimize the uniqueness of Saul’s atrocities“ (Spilsbury, Image, 174). 347 „μαθεῖν ἅπασι παρέσχε καὶ κατανοῆσαι τὸν ἀνθρώπινον τρόπον“ (Ant 6,262).

2.5 Saul bei Flavius Josephus

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vorlage getreu folgend, fügt er den Exkurs über die Abgründe des menschlichen Wesens exakt bei I Sam 22,19 f. ein. Er öffnet die Klammer mit der Flucht des einzigen Überlebenden, Abjatars, und er schließt sie, indem er genau diesen Vers wieder aufgreift und weiterführt. Ist der letzte Sohn Ahimelechs in Ant 6,261 erst einmal entkommen, so bringt ihn Ant 6,269 an sein Ziel, nämlich zu David.348 Die Wiederaufnahme des Erzählfadens erfolgt dabei alles andere als abrupt: Die Aufzählung der Opfer des Massakers, die in Ant 6,260 bereits zu lesen war, wird in 6,268 erneut als Beleg für die These des Exkurses angeführt. Elegant wird der Leser wieder in den Fortgang des narrativen Flusses eingeführt. Charakteristisch für „die menschliche Natur“ ist nun Sauls Vorgehen gegen Ahimelech und Nob für Josephus insofern, als es beispielhaft die Korrumpierbarkeit durch Macht illustriert. So gelte allgemein, daß Menschen, die sich, „solange sie ein Privatleben führen“ (μέχρις οὗ μέν εἰσιν ἰδιῶται, Ant 6,263) tugendhaft betrügen, an die Macht gekommen aber ihre guten Eigenschaften ablegten „wie Masken im Theater“ (ὥσπερ ἐπὶ σκηνῆς προσωπεῖα, Ant 6,264). Schienen sie vorher „bescheiden, maßvoll und nur auf Gerechtigkeit aus“349 zu sein, legten sie nun „Wagemut, Wahnsinn, Verachtung göttlicher und menschlicher Dinge“350 an den Tag. Dies äußere sich nicht zuletzt im willkürlichen Zuteilen und Absprechen von Ehren, sowie im Verhängen der Todesstrafe „auf Verleumdungen und ungeprüfte Anklagen hin“ – getötet werde nicht, wer es verdiente sondern wen zu töten möglich sei. 351 All dies läßt sich mühelos in der Geschichte Sauls mit David in I Sam 16–26 wiederfinden. Ins Grundsätzliche gehoben, mag in den Ohren eines stadtrömischen Notablen in den 90er Jahren des ersten Jahrhunderts jedoch noch weit mehr mitgeklungen haben. In diesem Zusammenhang verdient Beachtung, daß Josephus den Übergang von der Richterherrschaft zum Königtum Sauls als einen Wechsel von der Aristokratie zur Monarchie darstellt.352 Berücksichtigt man darüber hinaus, daß Domitian, im Jahr 81 nach dem Tod seines Bruders

348 Vgl. I Sam 22,20: „Und es rettete sich ein einziger Sohn von Ahimelech ben Ahitub, und sein Name war Abjatar. Und er floh zu David“ („‫וימלט בן־אחד לאחימלך בן־אחטוב ושמו אביתר‬ ‫ )“ויברח אחרי דוד‬mit Ant 6,260: „Es rettete sich aber ein [einziges] Kind von Abimelech, Abjatar mit Namen“ („διασώζεται δὲ παῖς [εἷς] Ἀβιμελέχου Ἀβιάθαρος ὄνομα“) und Ant 6,69: „Aber Abjatar, das einzige Kind Abimelechs, das aus dem Geschlecht derer, die Saul tötete, zu fliehen vermochte, floh zu David“ („Ὁ δ΄ Ἀβιάθαρος ὁ τοῦ Ἀβιμέλεχον παῖς ὁ μόνος δυνηθεὶς ἐκ τοῦ γένους τῶν ὑπὸ τοῦ Σαούλου φονευθέντων ἱερέων φυγών πρὸς Δαυίδην“). 349 „ἐπιεικεῖς εἰσι καὶ μέτριοι καὶ μόνον διώκουσι τὸ δίκαιον“ (Ant 6,263). 350 „τόλμαν ἀπόνοιαν καταφρόνησιν ἀνθρωπίνων τε καὶ θείων“ (Ant 6,264). 351 „ἐπὶ διαβολαῖς καὶ κατηγορίαις, οὐδ΄ ὅσους ἔδει τοῦτο παθεῖν, ἀλλ΄ ἀβασανίστοις ὅσους ἀποκτεῖναι δύνανται“ (Ant 6,267). 352 Vgl. „μετὰ τήν ἀριστοκρατίαν [καὶ] τὴν ἐπὶ τοῖς κριταῖς“ (Ant 6,268). Vgl. dazu Samuels Betrübnis beim Königsbegehren des Volks, da er „gewaltig die Aristokratie schätzte“ („ἥττητο γὰρ δεινῶς τῆς ἀριστοκρατίας“, Ant 6,36).

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und Josephus’ Förderers Titus an die Macht gekommen,353 seinen Prinzipat von Anfang an in offenem Gegensatz zum Senat ausübte,354 fällt es schwer, in Ant 6,262–268 nicht eine recht unverhohlene Kritik an den gegenwärtigen politischen Zuständen des Imperiums zu sehen, die hinreichend Anschauungsmaterial für die von Josephus beschriebene Verfaßtheit der „menschlichen Natur“ und „Wagemut, Wahnsinn, Verachtung göttlicher und menschlicher Dinge“ boten.355 Saul gibt hier nicht nur das Beispiel eines tragischen Helden, sondern steht auch exemplarisch für die Risiken und Nebenwirkungen der Staatsform Monarchie generell. Die grundsätzliche Abhandlung anhand des Massakers von Nob vergleicht eben Saul nicht nur mit den „lawless deeds […] ascribed by Roman authors to their former kings“,356 sondern bietet auch eine Folie für die römische Gegenwart, den Prinzipat.357 Die Untersuchung des Liber Antiquitatum Biblicarum hatte ergeben, daß der Tod des Königs im Zentrum seiner Darstellung von Person und Werk Sauls steht. Sein Untergang auf Gilboa stellt den Verfasser vor die theologische Aufgabe, dieses Geschick mit der göttlichen Erwählung des Gescheiterten zusammenzudenken. In Folge dessen entwickelt Pseudo-Philo die Geschichte Sauls im Versuch einer Synthese von Schuld und Schicksal von ihrem Ende her und, wie das narrative Geflecht in LibAnt 54–65 zeigt, auf dieses Ende hin, an dessen Eintreten von Anfang an kein Zweifel besteht. Die letzte Schlacht selbst stellt er dabei in einer harmonisierten Fassung aus I Sam 31 und II Sam 1 dar, die ihm die Möglichkeit bietet, den namenlosen amalekitischen Soldaten von II Sam 1 zu einer Verkörperung der Nemesis auszubauen und Sauls Versagen gegenüber Agag als seine letztlich entscheidende Todsünde hervorzuheben. Selbst des Königs Entschluß zum Suizid erscheint als ein Akt der Resignation, und selbst diese Tat zu vollbringen ist er nicht imstande. Auch für Josephus bietet des Königs Ende in der Schlacht eine wichtige Gelegenheit, um zentrale Züge des Bildes von Saul, wie er es von seinen Lesern gesehen wissen möchte, noch einmal auszumalen und zu verdeutlichen. Die 353 Sueton berichtet davon, daß Domitian Titus zu dessen Lebzeiten nachgestellt habe („insidias struere fratri“, Dom. 2,3) und den Tod des Bruders bereits ausgerufen habe, ehe der noch seinen letzten Atemzug getan habe („priusquam plane efflaret animan“, ebd). 354 Vgl. dazu St. Pfeiffer, Zeit der Flavier, 55–57; Gering, Domitian, 306–348. 355 Gering schreibt in seiner jüngsten Monographie zu Domitian Josephus dagegen generell „eine proflavische Tendenz“ zu (Gering, Domitian, 16). Er bezieht sich dabei jedoch nur auf das ältere Werk, Bellum, und berücksichtigt die Antiquitates nicht. Die Tatsache, daß nach Vita 429 auch Domitian Josephus steuerlich begünstigte, schließt nicht aus, daß der Schriftsteller den Regierungsstil seines Unterstützers kritisch bewerten konnte (pace Gering, Domitian, 16). 356 Feldman, Antiquities 1–4, XXVII. 357 So meint auch Feldman zu Ant 6,282–286, „[that] it is reminiscent of Herod as described by Josephus or of Domitian as described in Tacitus’ Agricola (39–43)“ (Feldman, Portrait of Saul, 90). Ergänzend sei angemerkt, daß Sueton in Dom. 10,1 Domitians Wechsel von seinen „guten“ Anfängen hin zu saevitia und cupiditas der generellen Ausführung Josephus’ über die Korruption durch Macht in Ant 6,262–268 durchaus vergleichbar darstellt.

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Geschichte, die er von den Ereignissen auf Gilboa erzählt, ist dabei auf den ersten Blick derjenigen Pseudo-Philos ausgesprochen ähnlich. Auch sie verbindet harmonisierend I Sam 31 und II Sam 1,358 so daß sich in Ant 6,370–372 ein LibAnt 65 weitgehend entsprechender Ablauf ergibt: Saul bittet den Waffenträger ihn zu töten (vgl. I Sam 31,4); dieser lehnt ab; der König stürzt sich in sein Schwert, überlebt aber und fragt einen Passanten, wer er sei. Jener gibt sich als Amalekiter zu erkennen, worauf der Sterbende ihn um den Gnadenstoß bittet; der Angesprochene erfüllt den Wunsch und – an dieser Stelle geht Ant 6 bereits über das erhaltene Ende von LibAnt hinaus – flieht mit Armreifen und Krone von II Sam 1,10, woraufhin – und hier wird der Faden von I Sam 31,5 wieder aufgegriffen – auch der Knappe stirbt. Die Erzähltechnik ist in beiden Fällen die gleiche  – die Deutung, die den einzelnen Motiven und Erzählzügen zugemessen wird, ist freilich wieder eine jeweils gänzlich andere. Pseudo-Philos Saul entschließt sich in LibAnt 65,1 aus reiner Resignation zum Suizid, ohne daß von seiner direkten Beteiligung am Kampfgeschehen etwas berichtet würde. Auch Josephus’ Saul – samt seinen Söhnen, die in LibAnt unerwähnt bleiben – ist sich des bevorstehenden Endes bewußt, doch sucht die Familie heldenhaft den Tod in der Schlacht, bestrebt, „schön zu sterben“ (καλῶς ἀποθανεῖν, Ant 6,368). Durch ihre Kühnheit ziehen sie alle feindlichen Kämpfer auf sich, werden umzingelt, und die Prinzen fallen. Erst nach weiteren heftigen Gefechten gibt der König seinem Waffenträger den Befehl, ihn zu töten – nicht aus Verzweiflung, sondern weil er, „viele Verwundungen davontragend […] zu schwach war, um sich selbst zu töten“.359 Diese Einschätzung bestätigt sich beim tatsächlichen Versuch: Er ist „nicht in der Lage, sich aufzurichten, noch sich durchbohrend auf sein Eisen zu werfen“360 – nicht aus grundsätzlicher Unfähigkeit also, wie es Pseudo-Philo nahelegt, sondern aufgrund seiner schweren Verletzungen, die er im Kampf davongetragen hat.

358 Als Konsequenz daraus erscheint Ant 7,3 f., das Äquivalent zum Bericht des Amalekiters in II Sam 1, als eine in indirekter Rede gehaltene und wenig elegante Dublette zum vorausgehenden Kapitel, die freilich ihrerseits an die dortige Harmonisierung angepaßt ist (vgl. Begg, David’s Reaction, 12). Dieser Umstand wirft die Frage auf, ob die Kombination von I Sam 31 und II Sam 1, wie sie LibAnt 65 und Ant 6,368–377 bieten, womöglich als Auslegung im ersten nachchristlichen Jahrhundert etabliert und verbreitet war, umso mehr als sie zwar für Pseudo-Philo eine zentrale konzeptionelle Rolle spielt, für Josephus’ Deutung aber eigentlich irrelevant ist. Freilich ist aber auch gut möglich, daß der beiden gemeinsame inklusive Blick auf die Schrift auch das gleiche synthetische Ergebnis gezeitigt hat, wie auch bei zahlreichen anderen harmonisierenden Auslegern nach ihnen. Ein jüngstes Beispiel dafür bietet Bar-Efrat, der bei seinem Versuch, die Schlacht von Gilboa historisch zu rekonstruieren, zu einem Ergebnis kommt, das der Fassung von Josephus und Pseudo-Philo erstaunlich ähnlich ist (vgl. Bar-Efrat, Das Zweite Buch Samuel, 10). 359 „πολλὰ τραύματα λαβών […] ἀποκτεῖναι μεν αὑτὸν ἠσθένει“ (Ant 6,370). 360 „ἀδυνατῶν δὲ μήθ΄ ἵστασθαι μήτ΄ ἐπερείσας διαβαλεῖν αὑτοῦ τὸν σίδηρον“ (Ant 6,371).

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

Suizid in auswegloser Situation war im römischen, speziell im stoisch geprägten Kontext „almost a duty“.361 Daher muß Josephus seinen Lesern weniger erklären, warum sich Saul dazu entschließt, sich selbst „in the best ‚Roman‘ fashion“362 zu töten, sondern vielmehr, warum es ihm nicht gelingt. Vielfach verwundet stirbt der König den Tod eines Helden, nicht, wie bei Pseudo-Philo, den Tod eines Frevlers, und entsprechend ehrenvoll ist auch sein Begräbnis, das die Einwohner von Jabesch-Gilead ihm bereiten, nachdem sie seinen Leichnam wie in I Sam 31,11 f. der Gewalt der Feinde entzogen haben: Sie begraben ihn in Ant 6,377 „am schönsten Ort ihres Landes mit Namen Arura“.363 Ob sie ihn entsprechend I Sam 31,12 vorher verbrannt haben oder nicht, ist eine Frage der Textkritik.364 In der Erzählung von Sauls Tod in der Schlacht und speziell dem Geschick seines und der Prinzen Leichname – die Frage ihrer Kremation einmal offengelassen – orientiert sich Josephus nicht an I Chr 10, sondern an der Fassung, die I Sam 31 von den Geschehnissen bietet: Die Rüstungen (I Sam 31,9 Singular) werden in Ant 6,374 von den Philistern ins Heiligtum der Astarte (τὸ Ἀστάρτειον ἱερόν) gebracht, die Körper „kreuzigen sie“ (ἀνεσταύρωσαν) an den Mauern 361 Newell,

Suicide Accounts, 366. The Fate of King Saul, 111, zu I Sam 31,5. 363 „ἐν τῷ καλλίστῳ τῆς χώρας τόπῳ Ἀρούρας λεγομένῳ“ (Ant 6, 377). I Sam 31,13 werden die Überreste der Sauliden „unter der Tamariske in Jabesch“ begraben (‫)תחת־האשל ביבשה‬, I Chr 10,12 „unter der Terebinthe“ dortselbst (‫)תחת האלה ביבש‬. Im letztgenannten Fall ist das in LXX eine „Eiche“ (δρῦς), im erstgenannten spricht LXX allerdings von einem „Feld“ (ὑπὸ τὴν ἄρουραν). Grillet/Lestienne vermuten dahinter theologische Gründe: „le tamaris était consacré en Égypte au dieu Osiris“ (Grillet / Lestienne, Premier livre, 347) und sei deswegen von den Übersetzern vermieden worden (vgl. auch Hutzli, Elaborated Literary Violence, 155, n. 18). Bei Josephus ist dann, wie in Ant 6,251 auch, daraus der Eigenname eines schönen Ortes geworden (vgl. Begg, Antiquities 5–7, 203) – ob auch er vom Wort ‫„ אשל‬embarrassé“ war (Grillet / Lestienne, Premier livre, 347) ist eine andere Frage. Womöglich folgte er, wie oft, schlicht der LXX-Lesart. In jedem Fall spricht das Detail eher gegen Nodets These, wonach die Samuelvorlage der Antiquitates hebräisch abgefaßt war (vgl. oben S. 62 f., n. 317). 364 Der überlieferte Text hat „κλαύσαντες θάπτουσι τὰ σώματα“, „weinend bestatteten sie die Leiber“. Niese schlägt, eben unter Verweis auf I Sam 31,13, die Konjektur in καύσαντες vor (vgl. Niese, Antiquitates 2, 87) Begg folgt dem überlieferten Text, Nodet in seiner Übersetzung Niese (vgl. Begg, Antiquities 5–7, 203; ders., Death, 497; Nodet, Antiquités Juives, 113). Die Frage, ob Josephus hier mit I Sam 31 von einer Kremation spricht oder sie, wie I Chr 10, nicht hat, oder ob er gar selbst das „Verbrennen“ (I Sam 31,13 LXX: κατακαίω) an dieser Stelle in ein „Trauern“ umgewandelt hat, ist schwer zu entscheiden – wie schon die Deutung des Verhältnisses von I Sam 31,13 und I Chr 10,12 (vgl. dazu Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 197–199). Im einen Fall hätte Josephus es vermieden, eine Praxis zu nennen, „qui est contraire à la coutumne rabbinique“ im anderen hätte er mit ihr keine Probleme gehabt (vgl. Nodet, Antiquités Juives, 113, der auf die Mischna, San 7,2 verweist. Dort geht es indes um Verbrennen als Art der Todesstrafe. Zentraler ist wohl AZ 1,3, wo eine Verbrennung [‫]שריפה‬ als Götzendienst klassifiziert wird). Vom Betrauern ist freilich weder in I Sam noch in I Chr die Rede – Josephus erwähnt es (im textus receptus) gleich doppelt: κλαύσαντες bestatten die Jabeschiten, und πένθος fasten sie. Das kann ein Argument zugunsten von Nieses Konjektur sein, muß es aber nicht: „As often in burial accounts, Josephus embellishes the notice of 1 Sam 31:13b / /1Chr 10:12b“ (Begg, Antiquities 5–7, 203). 362 Gunn,

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von Bet-Schean.365 Die Notiz jedoch, die nach dem Bericht von der Bestattung das Kapitel ‚Saul‘ und das sechste Buch der Antiquitates definitiv abschließt, orientiert sich eindeutig an der Chronik. Ihre Vorlage ist die Abschlußbewertung von I Chr 10,13 f.,366 die bereits bei der Interpretation des Saulbildes bei Ben Sira und Pseudo-Philo eine wichtige Rolle gespielt hat.367 In seiner Interpretation dieser Stelle in Ant 6,378 vermeidet nun Josephus die theologische Spitzenaussage der Chronik, wonach JHWH Saul „sterben ließ“ bzw. ihn „umbrachte“ (‫וימיתהו‬, I Chr 10,14), die narrativ umzusetzen PseudoPhilo so meisterhaft verstand. Josephus nutzt statt dessen die Gelegenheit, um einmal mehr Samuel als wahren Propheten herauszustellen, der das Ende des Königs vorhergesagt hatte (προφητεύσαντος Σαμουήλου),368 und gesteht diesem eine versöhnliche Regierungszeit von 40 Jahren zu.369 Doch ebenso wie die Chronik benennt auch er zwei konkrete Verfehlungen des Königs als Gründe für dessen Ende. I Chr 10,13 f. führen hierfür, in der Endgestalt, das NichtBewahren des Wortes JHWHs (‫ )על־דבר יהוה אשר לא שמר‬und das Befragen des Totengeists (‫ )וגם־לשאול באוב לדרוש‬an. Pseudo-Philo bezieht den ersten Vorwurf, wie es bereits in I Chr 10,13 angelegt ist, auf den Amalekiterkrieg (vgl. LibAnt 58,4), so daß in der nekromantischen Séance sein heraufgekommener Samuel Saul vorhalten kann, nun schon „zum zweiten Mal“ („secundo“, LibAnt 64,7) gesündigt zu haben. Auch bei Josephus bildet Sauls Versagen gegenüber Amalek den einen der beiden großen, todeswürdigen Frevel. Er stirbt, „weil er ungehorsam war den Geboten Gottes über die Amalekiter“.370 Sein anderes Vergehen indes hat mit dem Besuch bei der „Hexe von Endor“ nichts zu tun, auf deren Mut und Gastfreundschaft in Ant 6,340–342 ein kleines Loblied gesungen wird, das die Frau 365 In I Chr 10,9–12 dagegen wird die Rüstung im „Haus ihrer Götter“ (‫ )בית אלהיהם‬deponiert, angenagelt wird nur Sauls Haupt, die Leichname bleiben, e silentio erschlossen, auf dem Schlachtfeld zurück und werden von den Jabeschiten dort (tagsüber, nicht in einer nächtlichen Aktion) aufgelesen (Vgl. für eine Aufstellung dieser und weiterer Unterschiede Ho, Conjectures). 366 Vgl. Begg, Antiquities 5–7, 203 f; ders., Death, 498 f. 367 Vgl. oben S. 23 f. und S. 57. 368 Begg erwägt, ob sich hierin das LXX-Plus von I Chr 10,13 niederschlägt (vgl Begg, Death, 498, n. 96. 502). Dort folgt nach dem Vorwurf, den Totengeist befragt zu haben, die Notiz: „und es antwortete ihm Samuel, der Prophet“ (καὶ ἀπεκρίνατο αὐτῷ Σαμουηλ ὁ προφήτης). Das ist in der Tat nicht ganz unplausibel und könnte die Diskussion um Josephus’ Vorlage(n) noch um eine weitere Größe bereichern. 369 Die Zahl setzt sich zusammen aus 18 Regierungsjahren zu Lebzeiten Samuels (Σαμουήλου ζῶντος ἔτη ὀκτὼ πρὸς τοῖς δέκα) und 22 Jahren nach seinem Tod (τελευτήσαντος δὲ δύο καὶ εἴκοσι). Da diese Zahl zur Angabe von Ant 10,143 im Widerspruch steht, wonach Saul 20 Jahre regiert habe, Paulus dem König aber in Act 13,21 ebenfalls 40 Jahre zugesteht, wird gelegentlich überlegt, ob sich die καὶ εἴκοσι einem christlichen Glossator verdankten (vgl. Begg, Antiquities 5–7, 204; ders., Death, 499, n. 105). 370 „διὰ τὸ παρακοῦσαι τοῦ θεοῦ τῶν ἐπ΄ Ἀμαληκίταις ἐντολῶν“ (Ant 6,378).

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

in dieser Hinsicht sogar als nachahmenswertes Vorbild herausstellt.371 Josephus ersetzt diesen für pagane Leser schwer nachvollziehbaren Vorwurf  – warum sollte man sich kein Orakel bei einer mantischen Spezialistin einholen dürfen? – durch ein Verbrechen, dessen Schwere auch mit polytheistischem Hintergrund auf Anhieb zu begreifen ist, hatte es ihm doch bereits als Beispiel für seine Abhandlung über die Verderbtheit der menschlichen Natur gedient. So nimmt bei ihm den Platz des zweiten peccatum mortale das Massaker von Nob ein, das in der Chronik keine – oder noch keine – Rolle bei der Bewertung Sauls spielt.372 In Ant 6,378 findet dieser nun sein Ende zum einen wegen Amalek „und weil er das Geschlecht des Hohenpriesters Abimelech und Abimelech selbst und die Stadt der Hohepriester vertilgte“.373 Sind diese letzten Worte von Josephus über Saul stark an die Bewertung des Königs in I Chr 10 angelehnt und folgen deren Zusammenhang von Schuld und Tod, so steht dem als komplementäres Pendant das ganz der Hand des Verfassers entstammende Enkomium von Ant 6,343–350 gegenüber. Louis Feldman hat die immense Bedeutung dieses Textes für die Darstellung Sauls bei Josephus klar erkannt und im Rahmen des Gesamtwerks betont.374 Sie erschließt sich bereits durch den bloßen Umfang des Texts: Der Lobpreis Sauls nimmt den dreifachen Raum ein wie derjenige Davids oder Moses, den vierfachen Samuels und den zehnfachen Isaaks, Jakobs, Josephs, Josuas, Samsons und Salomos.375 Er schließt direkt an das Lob der Geisterbeschwörerin an und verfolgt das gleiche Ziel: Den Lesern soll ein Beispiel zur Nachahmung (μίμησις) gegeben werden.376 Der Grund dafür liegt genau in dem Entschluß und der Eigenschaft des Königs, die Pseudo-Philo ihm abspricht: im Bewußtsein des sicheren Todes eben nicht zu verzweifeln, sondern statt dessen noch im Untergang „Ruhm und ein unvergängliches Gedächtnis“ („τὸν ἔπαινον καὶ τὴν ἀγήρω μνήμην“, Ant 6,345) auf dem Schlachtfeld zu suchen. Darin wird er geradezu zum Maßstab für 371 „Schön ist es also, diese Frau nachzuahmen“ („καλὸν οὖν ἐστι μιμεῖσθαι τὴν γυναῖκα“, Ant 6,342). 372 Hutzli erwägt aus diesem Grund, ob es sich bei I Sam 22,6–23 um ein Stück handeln könnte, „[which was] composed after the formation of I–II Chronicles“ (Hutzli, Elaborated Literary Violence, 165). Das ist natürlich möglich. Zu fragen ist indes zum einen nach der ursprünglichen Gestalt von I Chr 10,13 f. (vgl. unten S. 90–93) und zum anderen, warum die Endgestalt der beiden Verse Sauls ‫ מעל‬in gerade diesen beiden Vergehen fassen zu können meint. Eine mögliche Antwort wäre, daß sie auf die Verwerfungsaussagen von I Sam rekurrieren, von denen in I Sam 22 keine begegnet. 373 „καὶ ὅτι τὴν Ἀβιμελέχου τοῦ ἀρχιερέως γενεὰν καὶ Ἀβιμέλεχον αὐτὸν καὶ τὴν τῶν ἀρχιερέων πόλιν ἀνεῖλεν“ (Ant 6, 378). 374 Vgl. Feldman, Portrait of Saul, 74–76. 375 Vgl. Feldman, Josephus’s Interpretation, 509. 376 Vgl. das „καλὸν οὖν ἐστι μιμεῖσθαι“ von Ant 6,342 mit Ant 6,347, wonach „edelherzig“ (εὔψυχοι), „Großes wagend“ (μεγαλότομοι) und „Verächter des Schrecklichen“ (τῶν δεινῶν καταφρονηταὶ) nur die genannt werden könnten, die Saul nachahmten (πάντες οἱ Σαοῦλον μιμησάμενοι); vgl. dazu auch Spilsbury, Image, 170.

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echte Tapferkeit (Ant 6,347), für „alle, die nach Ruhm nach dem Tode streben […], besonders aber für die Könige“. 377 Saul, mag sein Ende auch tragisch sein und mag er auch schuldhafte Verfehlungen begangen haben, vereint doch in sich mustergültig die Tugenden eines Herrschers, er ist „gerecht, tapfer und klug“ („δίκαιος καὶ ἀνδρεῖος καὶ σώφρων“, Ant 6,346). In diesen Eigenschaften erscheint er, mit seiner adeligen Abstammung und in seiner mehrfach erwähnten Schönheit, gerade auch durch seine Fehler, Verstrickungen und sein tragisches Ende wie die interpretatio Iudaica eines Helden der alten Epen: Nicht zuletzt die von Josephus so betonte Tapferkeit im Angesicht des sicheren Todes verbindet ihn, wie Feldman gezeigt hat,378 gleichermaßen mit Homers Achill und Hektor, wie mit Vergils Turnus.379 Feldman legt dar, und das Enkomium auf Saul zeigt es in besonderer Deutlichkeit, wie Josephus die Ideale beider großen historiographischen Schulen der Antike, der isokrateischen und der aristotelischen, miteinander verbindet: Während Isokrates die Bedeutung von Beispielen und deutenden Exkursen betont, legt die sich auf Aristoteles berufende historiographische Richtung größeren Wert auf die ethischen Aspekte der Geschichte.380 Saul ist nun, gerade im isokrateisch formtypischen Enkomium, ein Musterbeispiel für die aristotelischen Kardinaltugenden – eine perfekte Synthese.

2.5.4 „Ewiges Gedächtnis“. Saul bei Josephus – Zusammenfassung Josephus’ Blick auf Saul zusammenfassend, verdient nun noch ein Punkt im Loblied auf Saul besondere Beachtung. Das zentrale Motiv für Sauls Bereitschaft, mit seinen Söhnen im Kampf zu fallen, ist das Streben nach Ruhm. Dabei geht es dem König, und das wird zweimal betont gesagt, um ein „ewiges“ bzw. „unvergängliches Gedächtnis“ (μνήμην αἰώνιον, Ant 6,343 bzw. ἀγήρω μνήμην, Ant 6,345). Dieses Bemühen des Königs ist letztlich erfolgreich, und der für die 377 „πάντας […] τῆς μετὰ τὸν θάνατον εὐφημίας γλιχομένους […], μάλιστα δὲ τοὺς βασιλέας“ (Ant 6,349). Vgl. dazu auch Swoboda, Tod und Sterben, 353–355. Die Bewertung Swobodas an anderer Stelle, „Juden streben bei Josephus nicht nach Ruhm, sondern besitzen ihn allenfalls“ (a. a. O., 384) trifft demnach mit Blick auf Saul in dieser Zuspitzung nicht zu. 378 Vgl. Feldman, Portrait of Saul, 75. 379 Achill weiß in der Ilias in 9,413 von Thetis, daß, bleibt er vor Troja, seine Heimreise dahin sei, ihm aber unvergänglicher Ruhm blühe („ὤλετο μέν μοι νόστος, ἀτὰρ κλέος ἄφθιτον ἔσται“), während seine Rückkehr ihm zwar das Leben, nicht aber die Ehre retten werde. Er wählt die erste Möglichkeit. Hektor möchte, den Tod vor Augen, nicht „ohne Kampf und ehrlos“ („μὰν ἀσπουδί γε καὶ ἀκλειῶς“) sterben, sondern noch eine „gewaltige Tat“ („μέγα ῥέξας“, Il. 22,305 f.) vollbringen. Vergils Turnus verhält sich entsprechend. Er erklärt seiner Schwester, er wolle, „wie bitter auch immer es ist, den Tod erleiden; aber du wirst mich, Schwester, nicht weiter ruhmlos sehen“ („stat quidquid acerbi est morte pati; neque me indecorem, germana, uidebis“, Aen. 12,678–680) 380 Vgl. Feldman, Portrait of Saul, 46–48.

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Deutung Sauls durch Josephus zentrale Begriff μνήμη lenkt den Blick zurück zu Pseudo-Philo und Ben Sira. Bei ersterem spielt der Begriff des „Gedenkens“ explizit eine eher geringe Rolle, doch auch hier begegnet er wie bei Josephus an der gleichen exponierten Stelle: beim Tod Sauls. Es sind die letzten Worte des Sterbenden, in denen er David ausrichten läßt, er solle nicht seines Hasses und seiner Ungerechtigkeit eingedenk sein (LibAnt 65,5): „Non memor sis odii mei, neque inuisticie mee.“ Auch Pseudo-Philos Saul geht es also im Tod um das Gedächtnis, die μνήμη, die, während sich bei Josephus der König gerade in seinem Sterben als δίκαιος, gerecht, erweist, nicht von dessen Haß und Ungerechtigkeit bestimmt sein soll. Freilich hat in den vorangehenden Kapiteln der Autor dieser frommen Worte selbst sein bestes gegeben, damit genau dies der Fall ist: Pseudo-Philos „Mnemotechnik“ bei Saul besteht, wie dargelegt, nicht zuletzt darin, tendenziell zu positiv wirkende, seinem theologisch konzipierten Bild von Saul als Strafe und Gestraftem zuwiderlaufende Züge der biblischen Überlieferung dem Vergessen anheimfallen zu lassen und negative Motive zu betonen – die Aberkennung des Titels „Gesalbter“ ist dafür vielleicht das prägnanteste Beispiel. Die Laus Patrum des Ben Sira ist nun in dieser Hinsicht als Vergleichsstück noch interessanter als Pseudo-Philo, teilt der Siracide doch in mancherlei Hinsicht die historiographischen Interessen von Josephus. Dieser sieht sich offenbar in „the Peripatetic tradition of stressing the role of great men in history“381 – auch jener widmet sich ihnen – und nur ihnen – in seinem Lob der Väter, die er theologisch als ‫אנשי חסד‬, „Männer der Liebe / Treue“ faßt.382 Um ‫ חסד‬geht es indes auch Josephus. In seinem Vorwort betont er, was er meint, aus der Geschichte lernen und mit ihr lehren zu können, nämlich „daß denen, die der Weisheit Gottes folgen und nicht wagen, die gut gegebenen Gesetze zu übertreten […] Glückseligkeit von Gott zukommt“383 (Ant 1,14) – wogegen die Übertreter in Verwirrung fallen. Sauls Biographie kann, und hierin wären sich wohl beide Gelehrte einig gewesen, als Paradebeispiel für diesen Grundsatz gelten.384 Trotzdem dürfte gerade diese Überzeugung den Grund dafür darstellen, daß der König bei Sirach so weit als möglich aus der Geschichte verschwindet, bei Josephus dagegen eine ausgesprochen prominente Rolle zugewiesen bekommt. Das Ziel der preisenden Darstellung bei Sirach ist schließlich – nach der hebräischen Überlieferung –,385 hinsichtlich besagter Männer, daß ihr „Andenken 381 Feldman, Portrait of Saul, 52, unter Verweis auf Schalits Einleitung zur hebräischen Übersetzung der Antiquitates. Zur Betonung großer Männer bei Pseudo-Philo vgl. Nickelsburg, Good and Bad Leaders, 60–62; Feldman, Jewish Antiquities and Biblical Antiquities, 73. 382 Vgl. zu diesem Begriff in Sir 44,1.10 oben S. 24–26. 383 „τοῖς μὲν θεοῦ γνώμῃ κατακολουθοῦσι καὶ τὰ καλῶς νομοθετηθέντα μὴ τολμῶσι παραβαίνειν […] εὐδαιμονία πρόκειται παρὰ θεοῦ“. 384 Vgl. Begg, Saul’s War, 414. 385 Vgl. oben S. 24, n. 100.

2.5 Saul bei Flavius Josephus

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auf ewig bestehe“ (‫עד עולם יעמד זכר‬, Sir 44,13). ‫זכר עד עולם‬ – μνήμη αἰώνιον – ewiges Angedenken, das ist das gleiche erstrebenswerte Ideal für beide hellenistisch geprägte Denker, für den Weisen des ausgehenden dritten vorchristlichen Jahrhunderts ebenso wie für den Historiographen in Rom dreihundert Jahre später. Doch gerade im Blick auf die Gedächtniswürdigkeit Sauls kommen beide zu einem diametral unterschiedlichen Ergebnis. Sirach ist bestrebt. den ersten König der damnatio memoriae bzw. einer abolitio nominis anheimfallen zu lassen, ihn aus dem kollektiven Gedächtnis der Frommen Israels zu tilgen. Sein Name fällt nicht, und seine Gestalt erscheint nur vage und schemenhaft im Schatten Samuels. Josephus dagegen rehabilitiert Saul und führt ihn seiner paganen Leserschaft als einen jüdischen Achill oder Hektor vor, der sich durch seine Herrschertugenden, nicht zuletzt durch seine Tapferkeit, ewiges Angedenken verdient hat und als generelles Vorbild für Herrscher gelten kann.386 Das Muster, das die Helden des klassischen griechischen Epos bieten, kann Josephus dabei hervorragend nutzen. In ihrem Spiegel ist es völlig unproblematisch, Saul zwar als schönen Jüngling vornehmer Herkunft und begabt mit den vier Kardinaltugenden Weisheit, Mut, Bescheidenheit und Gerechtigkeit387 darzustellen, ohne dabei aber seine „Schattenseiten“ und sein tragisches Ende unter den Tisch fallen lassen zu müssen. Auch den (anderen) klassischen Helden sind Fehler, Versagen und tragisches Scheitern nicht fremd, und einen dramatisch geschulten Leser wird es nicht erstaunen, daß es auch in der Tragödie dieses Helden einen Wendepunkt, die Peripetie, gibt. Auf diese Weise kann Josephus die Beurteilung Sauls von I Chr 10,13 f., die Sauls Tod als Strafe für seine „Untreue“ (‫ )מעל‬bestimmt, übernehmen, ohne ihn damit generell zum „Frevler“ deklarieren zu müssen, wie dies bei Pseudo-Philo explizit und bei Ben Sira womöglich implizit der Fall ist. Gerade durch seine beiden Hauptvergehen schließlich, die Schonung Agags und der Mord an den Priestern von Nob, kann Saul für Josephus sogar noch eine zusätzliche Funktion übernehmen. Er ist nicht nur der Beleg dafür, daß auch die 386 Spilsburys Einschätzung, Josephus zeichne ein „generally negative portrayal of Saul“ (Spilsbury, Image, 170), wobei er im Enkomium krampfhaft versuche „to salvage something of Saul’s reputation“ (a. a. O., 171), kann ich daher nicht nachvollziehen. 387 Vgl. Feldman, Portrait of Saul, 63–93. Feldmans These wird insgesamt kaum zu bestreiten sein, wenn sich in der Darstellung auch die einzelnen Tugenden unterschiedlich gut belegen lassen. Nicht ohne Grund ist der Abschnitt über die „Gerechtigkeit“ nur eine knappe Seite lang (vgl. a. a. O., 82): Für mehr bietet die biblische Überlieferung keinen Anhalt. Entsprechend setzt hier die Kritik von Michael Avioz ein, der Josephus’ Saul „as a military leader only, i. e., not as a judge“ (Avioz, Just Judge, 2) sieht und das Attribut δίκαιος im Enkomium „only as a mere literary motif and not as part of his overall understanding of Saul’s character“ (a. a. O., 8) verstanden wissen möchte. Abgesehen von der Frage, was ein „bloßes literarisches Motiv“ im Vergleich zu einem von Avioz nicht benannten Gegenstück (etwa einer „tatsächlichen Meinung“?) eigentlich sei oder sein könnte, behauptet auch Feldman nichts anderes, als daß sich Josephus an den literarischen Konventionen der antiken Historiographie und einem idealen Herrscherbild orientiert, das nach den Kardinaltugenden ausgerichtet ist.

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

Geschichte Israels tragisches Heldentum kennt, das dem der Griechen in nichts nachsteht, und er gibt nicht nur durch seinen Mut und seine Todesbereitschaft ein nachahmungswürdiges Beispiel für alle nach wahrem Ruhm strebenden Herrscher. Darüber hinaus eignet er sich auch als exemplum für die Abgründe der menschlichen Natur. Kein von Gott gesandter böser Geist und auch keine besondere individuelle Schwäche oder Verderbtheit stehen hinter Sauls Wahnsinnstat in Nob, sondern ein generell zu beobachtendes anthropologisches Axiom: Macht korrumpiert.388 Bleibt Josephus hier auch im allgemeinen, so wird seine Ausführung des Gedankens doch so konkret, daß die Kritik am Prinzipat Domitians schwer zu übersehen ist. Saul gebührt also nicht nur als tragischem Helden ewiges Gedächtnis, ihm kommt als exemplarische Gestalt auch Bedeutung für die Analyse der gegenwärtigen Verfassungswirklichkeit im imperialen Rom zu.

2.6 Saul in der „frühen Rezeptionsgeschichte“ – Resümee Der Blick über 300 Jahre „frühe Rezeptionsgeschichte“, vom Väterlob des Ben Sira über das Kommentarfragment 4Q252 bis hin zu den beiden großen rewritten Bibles des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, Pseudo-Philos Liber Antiquitatum Biblicarum und Josephus’ Antiquitates Judaicae, zeigt im Hinblick auf Saul vor allem eines: Person und Geschick des ersten Königs von Israel, wie sie die Samuelbücher und die Chronik in ihrer weitgehenden Endgestalt präsentieren, verlangen danach, interpretiert zu werden – und haben das Potenzial für höchst unterschiedliche Deutungen. Angelegt ist diese Offenheit in der Ambivalenz, die den „biblischen“ Saul selbst auszeichnet:389 Er ist der von Gott erwählte und durch seinen Propheten designierte „Gesalbte JHWHs“ (‫)משיח יהוה‬, während die Einführung des Königtums an sich Sünde und Apostasie ist. Er ist der glückliche Heerführer, der gegen zahlreiche Feinde ringsum erfolgreich ist und zugleich derjenige, der Israel in eine katastrophale Niederlage gegen die Philister führt. Er stirbt als Held in der Schlacht, und er stirbt „wegen seiner Untreue“ (‫במעלו‬, I Chr 10,13), verursacht von JHWH selbst, als Verworfener. Dieses komplexe Gesamtbild wirft theologische Fragen auf, die umso drängender werden, je stärker man in der Geschichte die planvoll wirkende Hand Gottes erkennen möchte. Sauls Tod als „der Sünde Sold“ zu verstehen und in ihm die göttliche Strafe für seine Verfehlungen zu sehen, wird umso problematischer, je mehr man die Ereignisgeschichte als von göttlicher Providenz bestimmt sieht. 388 Gerade dieser ausführliche Abschnitt macht es doch eher unwahrscheinlich, daß Josephus sich mit Saul identifiziert habe, um sich selbst dadurch als zukünftigen judäischen Herrscher zu empfehlen (pace Dormeyer, Hellenistic Biographical History, 156 f.). 389 Vgl. zur Ambivalenz als Deutekategorie Sauls jetzt Dietrich, König Saul, 133 und bereits Donner, Verwerfung, 258 f.

2.6 Saul in der „frühen Rezeptionsgeschichte“ – Resümee

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Warum wurde, wenn er so war wie er war, ausgerechnet Saul erwählt? Welches ist der Platz, der ihm als erstem König in der Heilsgeschichte zukommt? Was ist schließlich die Rolle, die er in der Geschichtsschreibung spielen soll? Kurz: Zur Debatte stehen Sauls Deutung aus den „biblischen“ Quellen heraus und Sauls Bedeutung für die jeweilige Gegenwart, gewissermaßen in die neuen Schriften hinein – von der lecture in die relecture oder aus den writings ins rewriting. Kern beider Fragen, der nach Deutung wie nach Bedeutung Sauls, ist das sich im Erzählen der eigenen Geschichte konstruierende und rekonstruierende Gedächtnis – ‫ זכר‬bei Sirach, μνήμη bei Josephus, memor[ia] bei Pseudo-Philo. In diesem Raum des kollektiven Gedenkens390 hat Saul bei Sirach eigentlich keinen Platz. Sein Name soll, dem eines Frevlers gleich, nach Prov 10,7 dem Vergessen unterliegen und wird nicht genannt. Und doch verbieten es Sauls Funktionen als „Fürst“ (‫נגיד‬, Sir 46,13), als „Gesalbter“ (‫משיח‬, Sir 46,19) und „König“ (‫מלך‬, Sir 46,20), ihn ganz aus der Geschichte zu tilgen. In diesen Titeln bleibt er präsent, doch ohne selbst als „Mann der Liebe / Treue“ (‫ )איש חסד‬gelten zu können, lediglich schemenhaft, als Funktion Samuels, von dessen Licht er komplett überstrahlt wird. Gerade der Titel des „Gesalbten“ indes ist es, den Pseudo-Philo wie Josephus, die beide weder Namen noch Taten Sauls aus dem kollektiven Gedächtnis tilgen möchten, dem König absprechen. Ersterer verschweigt ihn, weil er ihn für Saul als zu viel der Ehre ansieht und es neben dem gesalbten Samuel nur Raum für einen gesalbten König gibt, den einen, echten, von Gott vorgesehenen: David. Letzterer dagegen vermeidet die Rede vom „Gesalbten“ (χριστός) vermutlich aus Rücksichtnahme auf seine römische Leserschaft, die damit womöglich eher eine neuere religiöse Bewegung verbunden hätte als ein altes israelitisches Herrscherepitheton. Die Frage nach Sauls Rolle in der Heilsgeschichte beantwortet 4Q252 IV,1–3 in einer Auslegung zu Gen 36,12 kurz und prägnant: Seine Aufgabe ist es, von Amalek geschlagen zu werden oder, wahrscheinlicher, die Amalekiter zu schlagen, ehe deren „Gedächtnis“ (‫„ )זכר‬am Ende der Tage“ (‫ )באחרית הימים‬ausgetilgt werden wird. Sauls Sinn liegt also in der Exekution der göttlichen Rache an Amalek, wenn auch nur vorläufig und noch nicht endgültig. Sowohl Josephus als auch PseudoPhilo teilen diese Ansicht (vgl. Ant 6,133; LibAnt 58,1). Im Falle des letzteren überrascht dies, billigt sie doch Saul eine positive Funktion im göttlichen Heilsplan zu, die ihm abzusprechen Pseudo-Philo sonst durchweg und nicht ohne Erfolg bemüht ist. 390 Für den Begriff des „kollektiven Gedächtnisses“ in Herleitung von Maurice Halbwachs mit Ausdifferenzierung zum „kulturellen Gedächtnis“ vgl. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, besonders 35–48; ders., Religion und kulturelles Gedächtnis, 11–20; zur Einordnung des Terminus in einen weiteren Forschungskontext vgl. Ben Zvi, Chronicles and Samuel-Kings, 43, n. 1, der sich ebenfalls auf Halbwachs bezieht.

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2. Saul in der frühen Rezeptionsgeschichte

Die Deutung Sauls im Liber Antiquitatum ist sonst eine andere: Der König „vor der Zeit“ (ante tempus, LibAnt 56,2) ist als der ehrgeizige, korrupte Feigling und Versager, als den ihn sein Autor präsentiert, in persona Gottes Strafe für Israels Sünde des Königsbegehrens. Seine Bedeutung ist die eines Beispiels für den zuweilen nicht ohne weiteres erkennbaren, aber stets verläßlich funktionierenden Zusammenhang von menschlicher Schuld und göttlicher Strafe, individuell, auf den einzelnen, wie kollektiv, auf ganz Israel, bezogen. Das ambivalente „biblische“ Bild von Saul erscheint in Pseudo-Philos relecture eindeutig und transparent: In allem offenbart sich bei genauem Hinsehen die vorhersehende Gerechtigkeit Gottes. Josephus dagegen behält die ambivalenten Züge Sauls bei. Er verstärkt sogar den Kontrast innerhalb der Person des Königs, indem er über die biblische Vorlage hinaus dessen edle Herkunft, Schönheit und positive Charakteranlagen ausmalt und ihn als mit den Kardinaltugenden begabten, nahezu idealen Herrscher darstellt. Dadurch steigert er die Fallhöhe und den dramatischen Effekt der Peripetie in der Amalekiterschlacht, die Sauls Ende als tragischer Held vorbereitet. Josephus bietet Saul seinen Lesern in einer interpretatio Graeca, als Heros, denen der klassischen Epen in nichts nachstehend – man könnte auch umgekehrt sagen: als die interpretatio Iudaica eines Achill oder Hektor. Sauls Bedeutung ist bei ihm eine vielfache: Er kann zum einen – apologetisch – zeigen, daß und wie Herrschertugenden, insbesondere die Tapferkeit angesichts des eigenen Todes, nicht nur auch, sondern in besonderem Maße bei den Helden der jüdischen Geschichte anzutreffen sind. Darüber hinaus vermag der König darin aber auch als Beispiel für jeden Herrscher der Gegenwart zu dienen – im guten wie gleichermaßen mit Blick auf seine Abgründe. In ihnen, besonders deutlich beim Massaker an den Priestern von Nob, enthüllen sich sowohl die Schwäche und Korrumpierbarkeit der menschlichen Natur schlechthin als auch die Risiken der Alleinherrschaft im Verhältnis zur Aristokratie. In dieser Hinsicht wird die Geschichte Sauls transparent für die römische Verfassungswirklichkeit der Gegenwart, und unter allem überschwenglichen Lob offenbart das Gedächtnis Sauls sein Potenzial für die Kritik am Prinzipat im allgemeinen und an dem des Domitian im besonderen. In ihrer Gesamtheit weisen alle vier untersuchten Textbereiche den Weg für die folgende Arbeit. Sirach, Pseudo-Philo und Josephus demonstrieren jeder auf seine Art, daß die Deutung von Person und Geschichte Sauls wesentlich von der Deutung seines Todes her bestimmt ist. Es wird angenommen, daß sich dies bei weiten Teilen der innerbiblischen Rezeption Sauls nicht anders verhält. Über die Analyse der unterschiedlichen Darstellungen von und Notizen zu Sauls Ende kann womöglich ein Weg zur Rekonstruktion der Genese des Bildes vom ersten König Israels gefunden werden, von seinen Anfängen bis hin zu der ambivalenten Gestalt, die ihrerseits weiteres – „außerbiblisches“ – Nachdenken über sein Geschick stimulierte.

2.6 Saul in der „frühen Rezeptionsgeschichte“ – Resümee

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Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Bild Sauls in der Chronik zu. Dieser Umstand ergibt sich zum einen aus der Beobachtung, daß sowohl Sirach (implizit) als auch Pseudo-Philo und Josephus (explizit) bei ihrer Deutung Sauls nicht nur von den Samuelbüchern, sondern auch maßgeblich von der Präsentation und Interpretation des Königs in I Chr geprägt sind: In allen drei Werken ließ sich die herausragende Wirkung des kurzen Kommentars von I Chr 10,13 f. feststellen. Zum anderen folgt die zentrale Stellung der Chronik aus ihrem Charakter als einer Art Mittelding zwischen interner und externer Rezeption,391 bietet sie doch ein Beispiel für rewritten Bible innerhalb der Grenzen (auch) des masoretischen Kanons, das sich (im Unterschied zu Sir) zudem noch dadurch auszeichnet, daß es mit seiner mutmaßlichen Vorlage, in unserem Bereich einer wie auch immer beschaffenen Fassung der Samuelbücher,392 nicht durch eine einseitige Abhängigkeit verbunden ist. Statt dessen deuten zahlreiche Indizien darauf hin, daß sich beide Korpora über einen gewissen Zeitraum hinweg gegenseitig befruchteten, also in literarischer Interdependenz standen. In welchem Maße und mit welchem Ziel dies vorzustellen sei, ist eine der Fragen, die sich bei der Betrachtung Sauls in I Chr stellen.

391 Vgl.

dazu die oben angestellten Überlegungen, S. 10–13. zur Frage des generellen Verhältnisses von Sam und Chr konzis die generell drei unterschiedlichen Positionen in Becker /Bezzel, Rereading: Kalimi betont, die Vorlage von I Chr habe im wesentlichen dem Endtext von Sam entsprochen, Auld argumentiert dafür, daß Sam und Chr auf eine gemeinsame, nicht mehr erhaltene Quelle zurückgingen, das „Book of Two Houses“, und Nihan vertritt eine Art Synthese, wonach Sam* die Vorlage von Chr* bildete und sich beide Geschichtswerke in der Folge sowohl unabhängig voneinander als auch in gegenseitiger Wechselwirkung weiterentwickelten (vgl. Kalimi, Quellen; Auld, Text of Chronicles; Nihan, Samuel, Chronicles and „Postchronistic“ Revisions). 392 Vgl.

3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“1 – Saul in I Chr Die Chronik verschwendet auf Saul nicht viel Raum. Dieser Umstand erstaunt, jedoch nicht so sehr deshalb, weil so wenig über den ersten König Israels erzählt werden würde, sondern eher aus dem Grund, daß er überhaupt auftaucht. Thema der Chronik ist Israel, genauer: die „davidische[] Restitution eben dieser Größe Israel und ihrer weiterlaufenden Verwirklichung im Laufe der Zeiten.“2 In dieser Geschichte „Israels“ ist bekanntlich kein Platz für das „Haus Israel“ (‫בית ישראל‬, vgl. I Reg 12,21; 20,31)3 in Gestalt des sogenannten „Nordreichs“, dessen Könige und Geschichte ausgeblendet werden, so gut es geht.4 „Israel“ verwirklicht sich vielmehr in Juda. Vielleicht an keiner Stelle wird dies so gut deutlich wie bei der Darstellung der sogenannten Reichsteilung. So meinen II Chr 10,16–19 in Aufnahme von I Reg 12,16–19 mit dem zentralen Begriff „ganz Israel“ (‫ )כל־ישראל‬zunächst die sogenannten Nordstämme. Doch während der Botschafter Rehabeams in I Reg 12,18 ebenfalls von „ganz Israel“ zu Tode gesteinigt wird (‫)וירגמו כל־ישראל בו אבן וימת‬, sind es in II Chr 10,18 „Israeliten“, die diese Tat begehen (‫)וירגמו־בו בני־ישראל אבן וימת‬. Auf diese Weise wird der Differenzierung innerhalb Israels Rechnung getragen, die V. 17 vornimmt, und deutlich gemacht, daß ab jetzt der Alleinvertretungsanspruch für diesen Titel bei Juda liegt. So soll auch der Prophet Schemaja, der in I Reg 12,23 nach Vollzug der Trennung zu Rehabeam „und zu ganz Juda und Benjamin und dem Rest des Volks“ (‫ )ואל־כל־בית יהודה ובנימין ויתר העם‬sprechen soll, sich an der Parallelstelle II Chr 11,3 dagegen abgesehen vom König noch „an ganz Israel in Juda und Benjamin“ (‫ )ואל כל־ישראל ביהודה ובנימן‬wenden. Die Größe „Israel“ ist die gleiche geblieben – aber ab jetzt existiert sie in Juda5 und ist, zumindest für 1 ‫וימיתהו‬

‫( ולא־דרש ביהוה‬I Chr 10,14a). 1. Chronik 1,1–10,14, 9. 3 „Der bei Jeremia und Ezechiel (und anderswo) häufig vorkommende Terminus ‚das Haus Israel‘ fehlt in Chr; in den wenigen Parallelversen, wo er steht, wird er stets verändert“ (Japhet, 2 Chronik, 141). 4 Vgl. Wellhausen, Prolegomena2, 195; ders., Prolegomena5, 186 f; Japhet, Ideology, 308–318. 5 Vgl. von Rad, Geschichtsbild, 30 f.; Rudolph, Chronikbücher, 227. Sara Japhet hält dem entgegen, „[that] the verse’s meaning in Chronicles is no different from that in its source“ (Japhet, Ideology, 273). Das mag übersetzungstechnisch zutreffen, wenn man beide Verse für sich betrachtet. Der direkte Vergleich beider Verse jedoch macht es schwer, die Änderung der 2 Willi,

2.6 Saul in der „frühen Rezeptionsgeschichte“ – Resümee

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einen wichtigen Abschnitt der Geschichte, an die Dynastie Davids und Salomos gebunden. Entsprechend liegt ein weiterer, wenn vielleicht auch nicht der Hauptakzent6 der Chronik in der Begleitung und Bewertung von Aufstieg und Fall dieses „Hauses David“. Hier ist naturgemäß wenig Platz für Saul. Faßt man mit Willi die Bedeutung der Davididen für die Chronisten eher funktional und sieht das Zentrum der Bücher im „Haus Gottes“, dem Tempel, und nicht im „Haus Davids“ als einer Dynastie,7 verschärft sich das Problem eher noch: Ein Saul aus Benjamin als „Gesalbter JHWHs“ und erster König über Israel ohne jeden Bezug zum Tempel stört in dieser Geschichte mehr, als daß er nützen könnte. Nichtsdestoweniger ist er in ihr präsent, und dies in herausgehobener Position: Nach den durch Abstammungslisten geprägten Kapiteln 1–9 eröffnet I Chr 10 den ersten großen narrativen Abschnitt der Chronik, der sich mit der Herrschaft Davids befaßt und bis I Chr 29 reicht, nicht etwa mit diesem selbst, sondern mit seinem Vorgänger. Eine einzige Episode aus dem Leben Sauls nur wird dabei erzählt: sein Tod auf Gilboa.8 Die Geschichte vom Königtum Davids beginnt somit nicht mit seiner Salbung durch Samuel nach I Sam 16, nicht mit seinem Sieg über Goliath und seinem Aufstieg am Hofe von und in Auseinandersetzung mit Saul nach I Sam 17 ff., auch nicht mit der Krönung in Hebron nach II Sam 5, von der I Chr 11 berichtet, sondern mit dem Tod seines Vorgängers. Dieser erscheint dadurch, ungeachtet seiner prominenten Stellung im Buch, als nicht mehr als eine Übergangsfigur, ein Vorläufer, dem kein eigener Platz in der Geschichte Israels zukommt, sondern der in seinem Untergang lediglich auf den Nachfolger verweist. In der Auswahl und Position des chronistischen Saulkapitels wird damit ein Zug erkennbar, der oben auf unterschiedliche Art in die frühe Wirkungsgeschichte hinein weiterverfolgt werden konnte: Sirach etwa führt die Reduktion der Saulüberlieferung in Richtung Nullpunkt weiter und läßt den König nahezu vollständig im Schatten Samuels verschwinden. Pseudo-Philo dagegen baut den von I Chr 10 her angelegten Charakter als Übergangsfigur aus, indem er Saul zum verfrühten und falschen, David dagegen zum einzig echten und heilsgeschichtlich relevanten König stilisiert. Chronik nicht in dem durch von Rad betonten Sinn zu verstehen. Warum hätte hier ein Chronist den Schlüsselterminus „ganz Israel“ eintragen sollen, wenn er den Sinn seiner Vorlage nicht modifizieren wollte? 6 Vgl. Willi, Dynastie Davids. 7 „Das Haus Gottes und seine Einbettung in ‚Ganz-Israel‘ als das Volk der Völker ist das große Thema. Die Davidsfamilie als ‚Haus Davids‘ kommt gewiss vor, aber einfach als eine der ‚Familien‘ dieses ‚Ganz-Israel‘, angefangen mit I Chr 3“ (a. a. O., 193); vgl. auch Welten, Lade, 182 f.; Schweitzer, Temple; Beentjes, Israel’s Earlier History, 62. 8 Die Parallele besteht dabei nur zur Darstellung von I Sam 31. Für Überlegungen, warum es in I Chr kein Äquivalent zu II Sam 1 gibt, vgl. Avioz, Sources.

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3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“ – Saul in I Chr

Doch nicht nur in den Erzählungen, auch im ersten Teil der Chronik, der seit Rothstein so benannten „Genealogische[n] Vorhalle“,9 begegnet Saul. Er ist dort eingefügt in den Stammbaum Benjamins: I Chr 8,33 und I Chr 9,39 nennen ihn als Sohn Kischs, Neffen Ners, Vetter Abners und Vater von vier Söhnen namens Jonatan, Malki-Schua, Abinadab und Eschbaal. In den Folgeversen wird nun seine Nachkommenschaft in der Linie Jonatan – Merib-Baal bis an das Ende der Kapitel fortgeführt. Dies überrascht insofern, als in I Chr 10,6 nicht nur, wie in I Sam 31,6, vermerkt wird, daß „Saul, sein Waffenträger, seine drei Söhne (und alle seine Männer)“10 starben, sondern vom Tod „Sauls, seiner drei Söhne und seines ganzen Hauses“ die Rede ist11 – von dessen Fortbestand über namentlich weitere 14 Generationen bis hin zu Ulam und darüber hinaus zu dessen unbenannten „vielen Kindern und Kindeskindern, 150 [an der Zahl]“ (‫ומרבים בנים ובני‬ ‫בנים מאה וחמשים‬, I Chr 8,40) in der 15. und 16. man aber wenige Zeilen zuvor hat lesen können. Aus diesem ersten oberflächlichen Survey der Rolle Sauls in den Chronikbüchern leiten sich daher zwei Gruppen von Fragen ab. Einerseits geht es um die chronikimmanente Problematik: War der erste König Israels schon immer Bestandteil ihres Geschichtskonzepts oder wurde er später ergänzt – und, wenn ja, warum? Liegen die beiden genealogischen Notizen zu Saul in I Chr 8 und 9 auf einer literarischen Ebene oder ist diese Doppelung das Ergebnis eines Wachstumsprozesses? Wie kann schließlich der scheinbare oder tatsächliche Gegensatz zwischen der fortlaufenden Genealogie nach I Chr 8 und dem Ende des „ganzen Hauses“ in I Chr 10 erklärt werden? Diese literargenetischen Fragen führen direkt zur theologischen, der nach dem Bild oder nach den Bildern von Saul und seiner Bedeutung im Rahmen der chronistischen Geschichtstheologie. Dieses Problem wiederum wird nur angemessen angegangen werden können, wenn auch die zweite Fragengruppe in den Blick genommen wird. Sie betrifft nun auf der anderen Seite das Verhältnis der chronistischen Darstellung zu ihrer Parallelüberlieferung, im Fall von Saul zu I Sam, insbesondere, aber nicht nur, zu I Sam 31. Der auffällige Unterschied in der Formulierung von I Sam 31,6 und I Chr 10,6 macht die Problematik offensichtlich: Wie sind hier die literarischen Verhältnisse zu bestimmen? Erklären sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede in diesem Bereich am ehesten mit der Annahme einer literarischen Abhängigkeit der Chronik von I Sam, umgekehrt durch „nachchronistische“ redaktionelle Tätigkeit in I Sam oder sprechen sie für die unabhängi 9 Rothstein / Hänel,

Kommentar, 3. ‫ גם‬sind ein MT-Plus im Verhältnis zu LXX. Vgl. dazu Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 192 f.; sowie unten S. 99–101. 11 Vgl. ‫( וימת שאול ושלשלת בניו ונשא כליו גם כל־אנשיו‬I Sam 31,6) mit ‫וימת שאול ושלשת בניו וכל־‬ ‫( ביתו יחדו מתו‬I Chr 10,6). 10 ‫כל־אנשיו‬

3.1 Saul in I Chr – die innerchronistischen Fragen

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ge Bearbeitung einer gemeinsamen Quelle? Welche theologischen Linien von I Sam wirken in I Chr bei Saul fort, und auf welche Weise geschieht dies? In dieser zweifachen Bestimmung, innerchronistisch wie im Verhältnis zu I Sam, wird sich das spezifisch chronistische Verständnis von Saul entwickeln lassen, dessen immense Wirkung für die Wahrnehmung des ersten Königs Israels bei Ben Sira, Pseudo-Philo und Josephus oben erkannt werden konnte.

3.1 Saul in I Chr – die innerchronistischen Fragen Die Interpretation der partiellen Doppelung des Saulidenteils der Genealogie Benjamins in 8,29–40; 9,35–44 dürfte mit Blick auf Saul das einfachste der literarischen Probleme der „genealogischen Vorhalle“ darstellen: 9,35 knüpft über das Stichwort des „Wohnens“ bzw. „sich Niederlassens“ (‫ )ישב‬ebenso formalistisch wie ohne inhaltlichen Zusammenhang an den Abschluß der Einwohnerliste von Jerusalem in 9,34 an und ahmt dabei die Verknüpfung von 8,28 und 8,29 nach.12 Darüber hinaus umschließt die Formel vom Wohnen in Jerusalem in 9,3 (‫ )ובירושלם ישבו‬und 9,34 (‫„ )ישבו בירושלם‬exakt spiegelbildlich“13 und wie ein Rahmen die ganze Liste. All dies macht es insgesamt schwer, in der Wiederholung der Sauliden von 9,35–43 keine typische Wiederaufnahme zu erkennen, die bemüht ist, nach der Einfügung von 9,1b–34 den Anschluß an die Geschichte vom Tod Sauls in I Chr 10 wiederherzustellen.14 Dabei knüpft der auf II Chr 36 vorverweisende Überleitungsvers 9,1b durchaus auch an die Erzählung vom Ende Sauls an: Dieser starb, so der chronistische Kommentar von I Chr 10,13, „wegen seiner Untreue“ (‫)במעלו‬ – und „wegen ihrer Untreue“ (‫)במעלם‬15 wurde Juda nach 9,1b in die Verbannung geführt. 12 Vgl. 8,28 f.: „Diese sind Stammhäupter, für ihre Sippen Häupter, diese wohnten in Jerusalem. Und in Gibeon wohnten …“ (‫אלה ראשי אבות לתלדותם ראשים אלה ישבו בירושלם ובגבעון‬ ‫ )ישבו‬mit 9,34 f.: „Diese sind die Stammhäupter der Leviten, für ihre Sippen Häupter, diese wohnten in Jerusalem. Und in Gibeon wohnten …“ (‫אלה ראשי האבות ללוים לתלדותם ראשים אלה‬ ‫)ישבו בירושלם ובגבעון ישבו‬. 13 Willi, 1. Chronik 1,1–10,14, 308. 14 Vgl. Kratz, Komposition, 25; Willi, 1. Chronik 1,1–10,14, 275; ders., Auslegung, 9; pace Steins, der die Wiederaufnahme nicht als literargeschichtlichen Marker, sondern als bewußt gebrauchtes Stilmittel der Wiederholung interpretiert und für literarische Einheitlichkeit plädiert (vgl. Steins, Set up, 499). Galling sieht 9,35–44 als prioritär gegenüber 8,29–40 (vgl. Galling, Bücher der Chronik, 37). 15 „Untreue“, ‫מעל‬, ist ein chronistisches Schlüsselwort; vgl.; Mosis, Untersuchungen, 29–34; Japhet, 1 Chronik, 235 f.; Willi, 1. Chronik 1,1–10,14, 330 f. Johnstone sieht in ‫ מעל‬geradezu ein Leitmotiv der chronistischen Geschichtsdarstellung, das die Genealogie der israelitischen Stämme in I Chr 2,7 und 9,1 ebenso rahme wie es den gesamten narrativen Teil präge (vgl. Johnstone, Guilt and Atonement, 116–126; ders., 1 Chronicles 1–2 Chronicles 9, 13 f). Die zentrale Bedeutung des Begriffs unbenommen, erscheint mir mit Blick auf I Chr 2–9 die These vom ‫מעל‬-Rahmen indes eher fraglich. In I Chr 2,7 geht es schließlich nicht um eine „Untreue“ der Stämme Israels insgesamt, sondern um Achar = Achan, aus einer Nebenlinie Judas.

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3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“ – Saul in I Chr

Löst man demnach die Liste von Kapitel 9 als späteren Eintrag aus ihrem Kontext aus, so ändert sich für Deutung und Bedeutung Sauls in der Chronik zunächst freilich wenig. Statt auf die Wiederaufnahme 9,35–44 folgt nun die Geschichte von Sauls Tod eben auf die ursprüngliche Genealogie Benjamins mit dem Kolophon der Vorhalle in 9,1a. Dieses schließt das Verzeichnis „ganz Israels“ ab und verweist für weitere Informationen auf „das Buch der Könige Israels“ (‫)ספר מלכי ישראל‬. Die oben bereits angedeutete Spannung zwischen einer anscheinend bekannten Nachkommenschaft Sauls über 16 Generationen einerseits und dem Tod seines „ganzen Hauses“ andererseits tritt in ganzer Härte zu Tage. Natürlich ist es durchaus sinnvoll, mit der einzigen erzählten Begebenheit aus dem Korpus der Saul-Überlieferung direkt an seine Genealogie anzuknüpfen. Willis Einschätzung jedoch, daß „1Chr 10,2, der Tod Sauls und seiner drei Söhne, […] 8,33 (wiederholt 9,33), in der Genealogie Sauls vorbereitet“16 werde, erscheint dennoch fraglich. Gerade die direkte Gegenüberstellung der beiden genannten Verse hebt, in Zusammenhang mit 10,6, den Gegensatz beider Passagen besonders hervor: 8,33 und 9,39 bereiten nicht den Tod Sauls, sondern das Weiterleben seines Geschlechts vor, das aber in 10,6 dezidiert verneint wird. In I Chr 10,2 sterben, wie in I Sam 31,2, „die Söhne Sauls“ (‫)בני שאול‬, die als Jonatan, Abinadab und Malkischua17 näher bestimmt und in 10,6 mit „seinem ganzen Haus“ parallelisiert werden. 8,33 und 9,39 wissen aber nicht von drei, sondern von vier männlichen Nachkommen Sauls in der ersten Generation: Jonatan, Malkischua, Abinadab und Eschbaal, und die weiterführende Saul-Linie läuft nicht über den anscheinend bei der Schlacht von Gilboa unbeteiligten Eschbaal weiter, sondern (in 8,34 und 9,40) über den gefallenen Jonatan und Merib-Baal. Natürlich, die Ursache dieser Verwirrung liegt in der Samuelvorlage selbst, die in I Sam 14,49 von drei Söhnen weiß, in I Sam 31,2.6 drei Söhne sterben läßt, aber in II Sam 2 gleichwohl einen (vorerst) überlebt habenden Isch-Boschet präsentiert und in II Sam 4,4 Mefi-Boschet als Sohn Jonatans (mit dessen Enkel Micha in II Sam 9,12) einführt.18 Gäbe es nicht die auf‑ und gewiß nicht zufällige Umformulierung von I Chr 10,6 auf das „Haus“ hin, bestünde kein Problem. I Chr 8,33 übernimmt die Lösung, die bereits in I Sam 31,2 für das Problem 16 A. a. O.,

61. Verhältnis dieser drei Namen zu der anders lautenden Liste von I Sam 14,49 vgl. unten S. 130 f.; Bezzel, Numerous Deaths, 334–336; ders., Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 190. 18 Mefi-Boschet ist Jonatans Sohn noch in II Sam 9,6; 21,7, ohne Filiation in II Sam 16,1.4; als „Sohn Sauls“ explizit in II Sam 19,25; 21,8, wozu Veijola auch (z. T. mit literarkritischen Eingriffen) II Sam 9,7.9.10; 16,3 rechnet. Veijola sieht die Priorität bei den letzteren Stücken (vgl. dazu Veijola, David und Meribaal, 74) – mit Blick auf II Sam 21,8 scheint mir hier indes Vorsicht geboten zu sein. Nach meiner Analyse gehört der Vers zu einer Erweiterungsschicht in II Sam 21, die begründet als „nachchronistisch“ bezeichnet werden kann (vgl. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 202–206). 17 Zum

3.1 Saul in I Chr – die innerchronistischen Fragen

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des Überlebens Isch-Boschets entwickelt wird: Danach sind die drei gefallenen Söhne nur zu zwei Dritteln mit den drei in I Sam 14 genannten identisch, die in Wirklichkeit vier waren, und ein plötzlich auftauchender Enkel Sauls ist auch als Sohn eines der Gefallenen plausibel. Dieser Umstand, daß I Chr 10,6 „weder mit der älteren Überlieferung […] noch mit der historischen Wirklichkeit, ja noch nicht einmal mit der Chr selbst […] harmoniert“,19 wird nun gelegentlich geradezu als Ausweis für die Ursprünglichkeit des literarischen Zusammenhangs von I Chr 8 und 10 erklärt. So meint Ackroyd: „[I]t is not possible to see why, granted the overall outlook of the work, any later editor should have added something so apparently out of step“.20 Dieser Satz bedeutet in letzter Konsequenz nicht weniger als die Umkehrung der klassischen literarkritischen Argumentation um 180 Grad. Demnach sollen gerade die Widersprüche und Brüche in einem Text als Argumente für seine literarische Einheitlichkeit dienen, da eine literarhistorische Differenzierung dem Redaktor zumute, bei seiner Arbeit dergleichen „Mängel“ in Kauf genommen oder übersehen zu haben. Eine Variante dieser Herangehensweise bildet der Vorwurf, die Literarkritik würde die Probleme lediglich von der Ebene der Grundschicht auf die der Redaktion verschieben und bleibe deswegen ohne Ertrag für die Auslegung. Methodologisch läßt sich der umgedrehte Spieß indes leicht ein weiteres Mal um‑ und zurückwenden: Warum sollte es eher einzusehen sein, daß ein erster Autor für Brüche und Widersprüche verantwortlich sein sollte, als daß diese unbeabsichtigt auf dem komplexen Weg sukzessiver Fortschreibung in den Text geraten wären? Freilich enthält die eben kritisierte Haltung durchaus ein Wahrheitsmoment. In der Tat bleibt die Rekonstruktion redaktioneller Bearbeitungen dann fruchtlos, wenn sie keine Gründe für die Entstehung der Auffälligkeiten anführen kann, die durch sie erklärt werden sollen. Dies ist im Falle Sauls in I Chr indes nicht der Fall. I Chr 10 ist in der Tat „keineswegs sinn‑ und grundlos angepappt.“21 Es gibt einen Grund dafür, warum „something so apperently out of step“22 wie I Chr 10 ergänzt bzw. „angepappt“ und der Widerspruch zur Genealogie von I Chr 8 in Kauf genommen wurde. Dieser Grund liegt schlicht darin, daß beide Texte, die Genealogie Benjamins wie der Bericht von Sauls finaler Niederlage, im Kontext der Chronik ein anderes Interesse an und einen anderen Blick auf Saul haben. Einmal ist er Teil der Abstammungskette des Stammes Benjamin, deren gibeonitischer Zweig, risse sie bei Saul, erlöschte, wird doch die Linie Abners nicht weiterverfolgt. Das andere Mal ist Saul Träger des Königtums und Vorgänger von wie Vorverweis auf David. Als solcher muß er mit seinem „Haus“, 19 Willi,

1. Chronik 1,1–10,14, 328. Chronicler, 3. 21 Willi, Den Herrn aufsuchen, 127. 22 Ackroyd, Chronicler, 3. 20 Ackroyd,

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seiner „virtuell vorhandenen Dynastie“,23 sterben, damit, wie es I Chr 10,14, ausdrücklich sagt, „das Königtum“ (‫)המלוכה‬, das Saul nach I Sam 14,47 „ergriffen“24 hatte, frei ist, um auf David überzugehen, analog zum Antritt der persischen Herrschaft in II Chr 36,20.25 Dieses unterschiedlich gelagerte geschichtstheologische Interesse an der Person Sauls wiederum legt es tatsächlich nahe, auch auf unterschiedliche chronistische Verfasser zu schließen. Die Reihenfolge der Einschreibung beider Texte in das chronistische Werk ergibt sich dabei aus ihrer Beziehung zueinander und zu ihrem Kontext: Ohne die benjaminitische Genealogie von I Chr 8 in Gänze oder auch nur in ihren saulidischen Teilen fehlte I Chr 10 jeder noch so schwach ausgeprägte Anknüpfungspunkt. Der Einsatz mit dem Angriff der Philister wäre so hart, wie ein Bruch nur immer sein kann. Umgekehrt ist dies jedoch nicht der Fall. Löst man Kapitel 10 aus dem Zusammenhang von 9,1a und 11,1, so erhält man einen hervorragenden Übergang von der chronistischen Vorhalle zum chronistischen Erzählteil: In 9,1a ist „ganz Israel“ (‫ )כל־ישראל‬verzeichnet – in 11,1, der „mit ‫ויקבצו‬, im Gegensatz zu 10,1 ‫ נלחמו‬einem echten Erzähltempus, einsetzt“,26 versammelt sich eben dieses „ganze Israel“ (‫ )כל־ישראל‬bei David in Hebron, um ihm die Königskrone anzutragen.27 Wie in II Sam 5,2 auch, knüpfen die Israeliten in ihrer Argumentation dabei an das Vorhergegangene an: „Schon früher, schon damals, schon als Saul König war …“ (‫גם־תמול גם־שלשום‬ ‫גם בהיות שאול מלך‬, I Chr 11,2). Auch dieser Rückverweis verbindet die Krönung Davids mit der Genealogie Benjamins: Letztere erklärt stammesgeschichtlich, wer dieser Saul war, von dem hier die Rede ist. Zugleich gibt seine Bestimmung als „König“ die Aufgabe vor, zu erklären, was es mit seinem Königtum auf sich hatte – sie wird in zweiter Hand von denjenigen erledigt, die in erneutem Rückgriff auf die Vorlage nun I Chr 10 einfügen. Eine Folgefrage ist nun, ob die Erklärung der Person Sauls durch seinen Stammbaum in Kapitel 8 ursprünglich oder, wie Kapitel 10, nicht ebenfalls mit Blick auf ‫ שאול מלך‬von 11,2 eingefügt wurde. Kratz etwa findet den Kern der chronistischen Vorhalle nicht in den Stammeslisten, sondern in den Genealogien der Königshäuser Davids wie Sauls in Kapitel 2 und 8, die sich sprachlich von ihrer Umgebung unterscheiden, miteinander aber unter anderem durch „das auf23 Willi, Chronik 1,1–10,14, 328; ders., Den Herrn aufsuchen, 129 (im Original beide Male kursiv); vgl. in diesem Sinne auch, rezeptionsästhetisch begründend, Trotter, Reading, 310. 24 ‫ושאול לכד מהלוכה‬, vgl. auch I Sam 10,16.25; 11,14; 18,8; II Sam 16,8; I Reg 2,15.22; 11,35; 12,21; 21,7. In der Chronik ist I Chr 10,14 der einzige Beleg für ‫מלוכה‬. 25 Dort freilich ‫מלכות‬. Den Zusammenhang betont besonders Willi, vgl. Willi, 1. Chronik 1,1–10,14, 328; ders., Den Herrn aufsuchen, 129; ders., Weltreichsgedanke, 82 f. 26 Willi, Chronik 1,1–10,14, 61. 27 Es läßt sich m. E. darum gerade nicht sagen, daß „[n]ach der ‚genealogischen Vorhalle‘ 1 Chr 1–9 […] seine Erzählung mit 1 Chr 10,1 nicht weniger unvermittelt [beginnt], als sie mit 1 Chr 11,1 beginnen würde, wenn 1 Chr 10 nicht dastünde“ (Mosis, Untersuchungen, 18).

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fällige yld hif.“28 verbunden sind. Da aber der Stammbaum Davids in 2,15 mit diesem endet, derjenige Sauls jedoch weitergeführt wird29 und man ohne seine Nachkommen keine anschlußfähige Verbindung zu 11,1 hätte, votiert Kratz dafür, den Ursprung von I Chr 1–9 lediglich in Kapitel 2 zu suchen, genauer: in „V. 3–4 (ohne V. 3b).5.9.10–15, mit einem Nachtrag in V. 16 f.“30 Demnach wäre die Eröffnung der chronistischen relecture der frühen Königszeit tatsächlich weitestgehend ohne Saul ausgekommen. Sie hätte die Herkunft des Königs für „ganz Israel“ dargestellt und daran direkt den Bericht von seiner Krönung angeschlossen.31 Auf dieser Ebene wäre Saul nicht mehr als ein Rückverweis auf die allen bekannte, aber nicht genannte Vorgeschichte gewesen. Diese Stufe des chronistischen Werkes hätte somit dem späteren Saul-Konzept Sirachs mit seinem Bemühen, den ersten König zu verschweigen und dem Vergessen anheim fallen zu lassen, noch wesentlich näher gestanden als die folgenden Stufen. Gleichwohl verlangte das Syntagma ‫ שאול מלך‬von I Chr 11,2 nach einer geschichtstheologischen Deutung. Sie erfolgte auf zunächst zwei Stufen: Im Rahmen des Ausbaus der genealogischen Vorhalle zur Darstellung der Genese Israels in seinen Stämmen wurde als erstes die Familie Sauls in den Stammbaum Benjamins eingetragen. Dadurch wird vor allem der erste Teil der Verbindung erklärt: ‫שאול‬. Wer war dieser Saul? Er stammte aus Benjamin, genauer gesagt: aus der in Gibeon ansässigen Linie Benjamins.32 Der zweite Teil, das Königsein (‫)מלך‬, bleibt offen. So ist zwar nun geklärt, wer Saul war, nicht aber, warum die Herrschaft offensichtlich zunächst beim Stamm Benjamin lag, ehe sie auf David und Juda übertragen wurde. Dies geschieht nun durch die Einschreibung von Kapitel 10, die Sauls Tod eben nicht nur erzählt, sondern vor allem begründet und deutet. Das zentrale Stück hierbei und für die chronistische Interpretation Sauls überhaupt ist ohne Zweifel der bereits mehrfach erwähnte geschichtstheologische Kommentar von I Chr 10,13 f. In nur zwei Versen vollzieht er den Übergang von der Herrschaft Sauls zu derjenigen Davids: Am Anfang von V. 13 steht 28 Kratz,

Komposition, 26. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 122. 30 Kratz, Komposition, 26. 31 Kratz skizziert die Entwicklung dieses Keimes im näheren Kontext, indem er sie zuerst um „Benjamin / Saul in Kap. 8 und 10 und in einem weiteren Schritt um Levi in Kap. 6“ (ebd.) ergänzt werden läßt, ehe dieses „Fachwerk“ (a. a. O., 20) sukzessive zum „System der 12 Stämme Israels“ (a. a. O., 26) ausgebaut worden sei. Ich sehe die Saulstücke in Kapitel 8 und 10 eher als auf verschiedenen Ebenen liegend an und halte die Genealogie des Königs für von ihrem Anfang an enger mit dem Stammbaum Benjamins insgesamt verbunden als nach Kratz’ Analyse. 32 Diese Verortung des Großvaters Sauls in Gibeon stimuliert später, zusammen mit Jos 9, den Eintrag einer Ergänzungsschicht in II Sam 21, die Jeïëls „Wohnen“ dort als Akt der (aggressiven) Landnahme, Verrat am Vertrag mit den Gibeonitern und damit als „Blutschuld“ interpretiert, die gemäß Dtn 5,9 par. im dritten und vierten Glied, also an den Söhnen und Enkeln Sauls gesühnt werden mußte. (Vgl. dazu Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 199–206). 29 Vgl.

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noch Saul und sein Tod: „Und es starb Saul“ (‫)וימת שאול‬, die letzten Worte von V. 14 jedoch haben den Wechsel bereits vollzogen, sie lauten: „zu David, dem Sohn Isais“ (‫)לדויד בן־ישי‬. Dazwischen steht, in auf das absolut Wesentliche konzentrierter Form, die Begründung für Sauls Tod auf dem Schlachtfeld und, als daraus folgend, die Übertragung des Königtums auf David. Beide Konsequenzen finden sich in V. 14, mit JHWH als Subjekt: Dieser „ließ ihn sterben“ (oder, drastischer übersetzt: „brachte ihn um“,33 ‫„ )וַיְמִיתֵהּו‬und wandte das Königtum David zu“ (‫)ויסב את־המלוכה לדויד‬. Dieser doppelten Folge entspricht die Begründung für Sauls Tod. Auch sie wird in zwei Anklagepunkten ausgeführt. Zunächst liegt sie, generell, in „seiner Untreue, mit der er untreu war an JHWH“ (‫במעלו אשר מעל ביהוה‬, 10,13). Dieser ‫ מעל‬aber wird nun weiter expliziert, und zwar als zweifache Negation: „wegen des Wortes JHWHs, das er nicht bewahrt hatte“ (‫)על־דבר יהוה אשר לא־שמר‬, „und er hatte nicht nach JHWH gefragt“ (‫)ולא־דרש ביהוה‬. Zwischen diesen beiden Unterlassungssünden wird schließlich auch noch eine positive Verfehlung aufgeführt, grammatisch ein wenig ungelenk, mit „und außerdem“ (‫ )וגם‬und einem Infinitiv Constructus angeschlossen: „und außerdem zu rufen einen Totengeist, um zu befragen“ (‫)וגם־לשאול באוב לדרוש‬. Es ist eindeutig: Dieser letzte Vorwurf zielt, womöglich vermittels eines Wortspiels mit der Wurzel ‫שאל‬,34 auf die Totengeistbeschwörung durch die „Hexe von Endor“ nach I Sam 28. Vor diesem Hintergrund wirkt der Vorwurf, Saul habe nicht nach JHWH gefragt bzw. JHWH nicht gesucht, durchaus ein wenig unfair: Schließlich entschließt sich Saul in I Sam 28 zur nekromantischen Verzweiflungstat erst und nur deswegen, weil ihm JHWH auf seine Befragung hin nicht antwortet (vgl. I Sam 28,6, mit der Wurzel ‫)שאל‬. Der zweite Anklagepunkt, das Wort JHWHs nicht bewahrt zu haben, läßt entsprechend schnell die anderen beiden Verwerfungstexte aus dem ersten Samuelbuch assoziieren, I Sam 13 und I Sam 15. So meint Kalimi: „Mit der ‚Treulosigkeit‘ ist wohl gemeint, daß Saul den Bann an Amalek nicht vollständig vollstreckte (1 Sam 15); das nicht gehaltene Wort des Herrn greift nicht nur auf diesen Vorfall zurück, sondern vor allem auf 1 Sam 13,13 f“.35 Kalimi ordnet auf diese Weise die Handlungen „Untreue“, „nicht Bewahren“ und „nicht Suchen“ auf einer syntaktischen Ebene an. M. E. ist es jedoch sinnvoller, im ‫ מעל‬den Überbegriff zu sehen, der durch zwei untergeordnete Elemente näher expliziert wird. In der Tat ruft die Formulierung vom nicht bewahrten Wort die Verwerfungsaussagen aus I Sam in Erinnerung und wirkt auf den ersten Blick geradezu deu33 Vgl.

LXX: ἀπέκτεινεν αὐτὸν. Kalimi, Geschichtsschreibung, 127. In der Doppelung der Verben ‫ שאל‬und ‫דרש‬ erkennt er ferner – und m. E. zurecht – die Anspielung auf Dtn 18,11 (vgl. ebd.). 35 Kalimi, Geschichtsschreibung, 186. 34 Vgl.

3.1 Saul in I Chr – die innerchronistischen Fragen

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teronomistisch.36 So besteht Sauls Torheit (Wurzel ‫סכל‬, I Sam 13,13) in I Sam 13,13 f. darin, den „Befehl“ (‫ )מצוה‬JHWHs nicht „bewahrt“ (Wurzel ‫ )שמר‬zu haben,37 in I Sam 15,26 ist es sein Fehler, das „Wort JHWHs verworfen“,38 nach I Sam 28,18 dagegen, nicht auf seine Stimme gehört (und seinen grimmigen Zorn an Amalek nicht vollstreckt) zu haben.39 Die Elemente des Vorwurfs von I Chr 10,13 sind also alle bekannt – ihre Kombination dagegen ist es nicht. Sie ist in der Tat „rein chronistisch“40. Durch sie erscheint Saul als ein erstes Gegenbild zu Josia, den nach II Chr 34,21 genau dieser Umstand, das nicht Bewahren des Wortes JHWHs durch die Väter, zutiefst erschüttert: „Auf, befragt JHWH (‫]![ לכו דרשו את־יהוה‬, in wörtlicher Aufnahme von II Reg 22,13) (…), denn groß ist der Zorn JHWHs (…), weil unsere Väter nicht das Wort JHWHs bewahrt haben“ (‫)על אשר לא־שמרו אבותינו את־דבר יהוה‬.41 Der innerchronistische Bogen, der hier geschlagen wird, ist evident, besteht er doch gerade zu dem Teil der Aussage Josias, die von der Formulierung in den Königebüchern abweicht. Nun muß dieser Bezug natürlich nicht ausschließen, daß bei Saul in I Chr 10,13 f. nicht zugleich auch die Verwerfungsaussagen von I Sam 13; 15 mitschwingen, aber er vermag es doch, ein wenig die vermeintliche Eindeutigkeit dieser These zu relativieren. Dies gilt umso mehr, wenn man sich erneut dem expliziten Bezug auf I Sam 28 in I Chr 10,13 zuwendet. Die merkwürdige syntaktische Anbindung mit ‫ וגם‬wurde oben bereits erwähnt, ebenso wie der Umstand, daß der positive Anklagepunkt der Nekromantie die Parallelisierung der beiden Unterlassungen stört.42 Hinzu kommt die auffällige Doppelung der Wurzel ‫דרש‬ – kurz: „[D]ieser Stichus [wird] beinahe nach Art einer zugesetzten Glosse angehängt“,43 noch kürzer: Er ist höchstwahrscheinlich 36 Knoppers etwa macht hier „language reminiscent of that used by the Deuteronomists“ aus (Knoppers, Israel’s First King, 202). 37 Willi meint denn auch, „eine Übernahme von dort [habe] als höchst wahrscheinlich zu gelten“ (Willi, Auslegung, 170). 38 ‫מאסתה את־דבר יהוה‬. Nicht ohne Grund konstatiert Levin eine große Nähe der Verwerfungsaussage von I Sam 15 zur chronistischen Theologie (vgl. Levin, Rez. Foresti, 107; Bezzel, Numerous Deaths, 343). 39 „Weil du nicht gehört hast auf die Stimme JHWHs und nicht vollstreckt hast seinen grimmigen Zorn an Amalek“ (‫)כאשר לא־שמעת בקול יהוה ולא־עשית חרון־אפ בעמלק‬. 40 Willi, 1. Chronik 1,1–10,14, 330, im Original kursiv. 41 In II Reg 22,13 heißt es dagegen: „weil unsere Väter nicht gehört haben auf die Worte dieses Buches“ (‫)על אשר לא־שמעו אבתינו על־דברי הספר הזה‬. Die Formulierung „das Wort JHWHs bewahren“ findet sich neben I Chr 10,14 und II Chr 34,21 nur noch in Ps 119,57. Die deuteronomistischen Formulierungen haben dagegen nie das Wort als direktes Objekt zu ‫שמר‬. Am nächsten kommt unserer Wendung, vielleicht nicht ohne Grund, Dtn 17,19, wo vom idealen König gesagt wird, er solle fleißig in diesem Buch lesen, „um alle Worte dieser Tora zu bewahren“ (‫ ;)לשמר את כל הדברי התורה הזאת‬vgl. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 185, n. 12. 42 Pace Kalimi, der hier einen durchdacht komponierten Aufbau findet, der durch zwei Parallelismen gekennzeichnet werde, die „außerdem chiastisch verschränkt“ seien (Kalimi, Geschichtsschreibung, 262, n. 34); vgl. ähnlich Knoppers, Israel’s First King, 202, sowie schon Willi, Auslegung, 170: „streng symmetrisch“. 43 Mosis, Untersuchungen, 39.

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eine solche.44 Neben der auffälligen Syntax gibt sie sich dadurch zu erkennen, daß sie in den Text ein anderes Verständnis davon einträgt, was es heißt, „JHWH zu suchen“ (‫)דרש ביהוה‬. So meint JHWH oder Gott zu „suchen“ neben unserer Stelle in der Chronik nur überaus selten eine divinatorische Praxis. Es gibt drei weitere Belege, mit dieser Bedeutung, und bei Lichte betrachtet ist es sogar nur einer, denn in II Chr 18,4.6.7 und II Chr 34,21.26 geht der entsprechende Gebrauch der Wurzel ‫דרש‬ schlicht auf die Übernahme der Vorlage aus den Königebüchern zurück (I Reg 22,5.7.8; II Reg 22,13.18). Es bleibt I Chr 21,30, und auch dort hat man es wohl, ebenso wie in I Chr 10,13, mit einer explikativen Glosse zu tun. In diesem Fall rechtfertigt sie theologisch Davids Altarbau abseits der Stiftshütte auf der Tenne Ornans.45 Ansonsten meint das Syntagma in der Chronik immer eine grundsätzliche Frömmigkeitshaltung, „wie sie den Israeliten als solchen qualifiziert oder im Nichtvollziehen […] disqualifiziert.“46 Dem nahestehend, aber doch anders nuanciert, ist ferner der gelegentliche Gebrauch von ‫ דרש‬im Sinne von „suchen, aufsuchen“ eines heiligen Gegenstandes. So wird die Einholung der Lade in I Chr 13,3 damit motiviert, daß „wir sie nicht (auf)gesucht haben in den Tagen Sauls“ (‫)כי־לא דרשנהו בימי שאול‬, und äquivalent heißt es in II Chr 1,5 über „Salomo und die Gemeinde“, daß sie den kupfernen Altar „aufsuchten“ (‫)וידרשהו שלמה והקהל‬, der vor dem Zelt mit der Lade gestanden habe. In der Tat wird in I Chr 13,3 David mit seiner Sorge um die Lade als positives Gegenbild zum in dieser Hinsicht pflichtvergessenen Saul gezeichnet – eine andere Frage aber ist, wie eng man vor dem Hintergrund des chronistischen Gesamtbefundes zu ‫ דרש‬die Beziehung dieses Verses zu I Chr 10,14 sehen kann. Willi47 sieht, in der Folge von Mosis und Williamson,48 die Verbindung denkbar eng: JHWH nicht gesucht zu haben, meine bereits in 10,14, sich nicht um die Lade gekümmert zu haben, und entsprechend zeitige dieses Vergehen die Konsequenz, daß Sauls Kopf von den Philistern nach 10,10 (anders als in I Sam 31) im Dagontempel deponiert wird – dort also, wo in I Sam 5,2 auch die Lade

44 Das haben bereits Rothstein / Hänel erkannt, die allerdings den ganzen Abschnitt V. 13aβ–14aα ChR zuweisen (vgl. Rothstein/Hänel, Kommentar, 203); für den besagten Teilvers als Glosse vgl. Ackroyd, Chronicler, 8; Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 184. Pace Williamson, der meint, der Vorwurf der Totengeistbeschwörung „need not thus necessarily be regarded as a later gloss“ (Williamson, 1 and 2 Chronicles, 95). 45 Vgl. Knoppers, I Chronicles 10–29, 759 f. mit lückenloser Argumentation. 46 Wagner, Art. ‫ּדָ ַרׁש‬, 321; vgl. Welten, Geschichte, 17. Die Belege sind: I Chr 15,13; 16,11; 22,19; 28,8.9; II Chr 12,14; 14,3.6; 15,2.12.13; 16,12; 17,3.4; 19,3; 20,3; 22,9; 25,15.20; 26,5; 30,19; 31,9.21; 34,3. 47 Vgl. Willi, 1. Chronik 1,1–10,14, 331 f.; ders., Den Herrn aufsuchen, 130 f. 48 Vgl. Mosis, Untersuchungen, 26; Williamson, Temple, 151. Vgl. auch Begg, Ark, 136, n. 11; Galling, Bücher der Chronik, 41.

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untergebracht wird. „Geschieht nun nach seinem Tod, unter Zwang, was er in seinem Leben freiwillig nicht verwirklicht hatte?“49 Die Verbindung von I Chr 10,10; 13,3 und I Sam 5 ist offensichtlich50 – die Richtung der Abhängigkeit scheint es mir indes weniger zu sein. Während Willi noch selbstverständlich davon ausgeht, daß I Sam 5 bereits in der Vorlage des Chronisten enthalten war, hat Porzig im Vergleich mit der Götzenbildpolemik von EpJer und Bel et Draco gute Argumente für das sehr junge Alter des Kapitels beigebracht.51 Es ist daher durchaus zu erwägen, daß womöglich I Sam 5 auf I Chr 10,10 (und 13,3?) aufbaut und nicht umgekehrt.52 Sauls „Nicht-Suchen“ JHWHs von I  Chr 10,14 wäre dann mehr im Kontext des allgemeinen chronistischen Gebrauchs zu verstehen als spezifisch vor dem Hintergrund von I Chr 13,3 als Versäumnis um die Lade. Das ändert indes nichts daran, daß sich durch den Eintrag der Glosse in I Chr 10,13 die Deutung und Bedeutung dessen, was es heißt, JHWH zu suchen, ebenso wie von Sauls „Untreue“ wesentlich ändert. Womöglich inspiriert durch die scheinbare oder tatsächliche Nähe von 10,13aβ zu den Verwerfungsaussagen von I Sam 13 und 15 und den Umstand, daß sich in I Sam, abgesehen von I Sam 9,9, der Prophetenglosse, die einzige Stelle, an welcher der Wunsch, jemanden zu befragen, mit der Wurzel ‫ דרש‬ausgedrückt wird, in 28,7 findet, wird aus dem eher allgemein gehaltenen Vorwurf mangelnder Frömmigkeit ein konkreter Anklagepunkt: Götzendienst durch Befragung eines Totengeistes. Dadurch verschiebt sich auch der Schwerpunkt der zweiten Negation, die vom Nicht-Bewahren des Wortes JHWHs spricht. Ist hier der Bezugspunkt zunächst vor allem intratextuell, in der innerchronistischen Antithese von Saul und Josia angelegt, wird er durch die Glosse intertextuell und verweist mit dieser auf die Verwerfungstrias von I Sam 13; 15 und 28. Auf diese Weise, diachron betrachtet, trifft sowohl die Interpretation Mosis’ zu, der in I Chr 10,14 eine Aussage erkennt, die Saul grundsätzlich, „in seinem Wesen“,53 beschreibt, als auch die explizit gegen diese These gerichtete Argumentation Zalewskis, der massiv für den direkten Bezug zu I Sam 13; 15; 28 eintritt.54 Mosis Deutung beruht eher auf der Grundschicht, Zalewski mehr auf der 49 Willi,

Den Herrn aufsuchen, 132. an den beiden Stellen begegnet Dagon im Alten Testament (neben Jes 46,1 LXXA) nur noch in Jdc 16,23, einem Vers, der am besten als Glosse zu verstehen ist, die 16,24 umschreibt. Durch sie fallen Simsons letzter heroischen Tat nicht nur viele Philister, sondern auch der Dagontempel zum Opfer, zu dem das auf zwei Säulen ruhende „Haus“ von V. 26–30 (Groß spricht von einer „Festhalle“, vgl. Gross, Richter, 728) dadurch wird. 51 Vgl. Porzig, Lade JHWHs, 142–152; ders., Postchronistic Traces, 104. 52 Freilich entfiele damit wieder die gute Erklärung für die Verwendung des „Hauses Dagons“ (‫ )בית דגון‬in I Chr 10,10 anstatt von Bet-Schean (‫ )בית שן‬in I Sam 31,10, die Willi bietet (vgl. Willi, Den Herrn aufsuchen, 132). 53 Mosis, Untersuchungen, 41; vgl., ihm folgend: Williamson, 1 and 2 Chronicles, 94 f. 54 Vgl. Zalewski, Purpose, 454 f. 50 Außer

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glossierten „Endgestalt“ des Verses. Eine weitere „Endgestalt“ baut diese nun einmal geschlagene Brücke zwischen I Chr 10 und I Sam 28 schließlich weiter aus: LXX verweist in einem Zusatz noch darauf, daß Samuel, der Prophet, Saul auch antwortete: καὶ ἀπεκρίνατο αὐτῷ Σαμουηλ ὁ προφήτης.55 Die kleine Glosse wirkt sich indes nicht nur auf das Verständnis der beiden negativen Vorwürfe des „Nicht-Bewahrens“ und „Nicht-Suchens“ aus, sondern auch auf die Bedeutung des ihnen übergeordneten Begriffs der „Untreue“ (‫)מעל‬. Der Terminus als solcher ist seit langem als „ein chronistisches Schlüsselwort“56 erkannt,57 und als ein solcher der Wurzel ‫ דרש‬nicht unähnlich. In gewisser Weise bildet er als „übergeordneter Formalbegriff“58 in seiner Abstraktheit das theologische Gegenstück zur per se nicht minder unspezifischen Frömmigkeit des „Gott Suchens“. An unserer Stelle geht seine Bedeutung allerdings über die eines hamartiologischen Standardterminus hinaus. Denn so gewöhnlich die Qualifikation als „Untreue“ für die Chronik ist, so ungewöhnlich ist die Formulierung in der figura etymologica als der „Untreue, mit der er untreu war an JHWH“. Sie findet sich neben I Chr 10,13 nur noch Lev 26,40; Jos 22,16.31; Ez 17,20; 39,26, im weiteren Sinne noch II Chr 36,14,59 und an einer einzigen weiteren Stelle mit Todesfolge: Ez 18,24. Dort wird in kasuistischer Ausführung des Grundsatzes der Individualvergeltung (18,20) der Fall des Gerechten erörtert, der dem Frevler vergleichbares „Unrecht“ (‫ )עול‬begeht. „Durch seine Untreue, mit der er untreu war und durch seine Sünde, mit der er sündigte, durch sie wird er sterben“ (‫במעלו‬ ‫)אשר־מעל ובחטאתו אשר־חטא בם ימות‬. Dies liest sich geradezu wie die Rechtsgrundlage für das Urteil von I Chr 10,13aα: „Und Saul starb durch seine Untreue, mit der er untreu war an JHWH“ (‫)וימת שאול במעלו אשר מעל ביהוה‬. Die exakt parallele Formulierung legt eine direkte Verbindung beider Stellen nahe.60 Akzeptiert man diesen Schluß, so stellt sich die übliche Frage nach der Richtung der Abhängigkeit. Bei ihrer Beantwortung wird man sich kaum noch von vorgefaßten Urteilen über absolute Datierungen sei es der Chronik, sei es des Ezechielbuches leiten lassen können: Oben wurde versucht plausibel zu machen, daß I Chr 10 nicht zur chronistischen Grundschicht zu rechnen ist – ebenso wenig, wie mit ziemlicher Sicherheit der Vers Ez 18,24 nicht Teil des Grundbestandes seines Kapitels ist.61 Der Vers greift erneut das Thema von 55 Vgl.

dazu Allen, Greek Chronicles II, 40 Verhältnis, 663. 57 Vgl. oben S. 85, n. 15. 58 Knierim, Art. ‫מעל‬, 921. 59 „Auch alle Obersten der Priester und das Volk häuften Untreue auf Untreue“ (‫גם כל־שרי‬ ‫)הכהנים והעם הרבו למעול־מעל‬. 60 Vgl. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 186. 61 Pohlmann etwa unterscheidet in Ez 18 eine „ältere Texteinheit“ (Pohlmann, Ezechiel 1–19, 261) in V. 1–20 mit einem Kern in V. 5.7*.8.9*.10a.12aα.13*, der sich ursprünglich auf Josia und seine Söhne bezogen habe (vgl. a. a. O., 270), von „ergänzenden Ausführungen“ (a. a. O., 261) in V. 21–31. Diese Grundschicht fußt nicht zuletzt aus der Stellung des Ka56 Koch,

3.1 Saul in I Chr – die innerchronistischen Fragen

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18,2 f.20 auf, dessen Konsequenzen in V. 21–23 kasuistisch erörtert wurden und das mit V. 23 bereits zu einem theologisch begründeten Abschluß gekommen ist, und durchdenkt seine Problematik nun von der anderen Seite her. Diskutiert wird nun eine Folgefrage, die bislang noch gar nicht aufgeworfen worden war. Beide Verse, I Chr 10,13 ebenso wie Ez 18,24, sind demnach im gleichen weiten, unbestimmten Raum der späten persischen und hellenistischen Zeit anzusiedeln. Das ist wenig hilfreich. Es können darum nur interne Kriterien sein, nach denen das Verhältnis von Ez 18,24 und I  Chr 10,13 zueinander näher bestimmt werden kann. Genauer gesagt: Es ist eine Frage der Plausibilität. Akzeptiert man nun die oben gezogene Folgerung, daß zwischen beiden Versen eine literarische Beziehung besteht, so ist es schlicht näherliegend anzunehmen, die Chronisten hätten im Blick auf Saul einen bereits existierenden „Lehrsatz“ zur Individualvergeltung angewandt, als umgekehrt zu postulieren, ein solcher sei aus dem Exempel der chronistischen Interpretation des Geschicks Sauls für das Ezechielbuch erst abgeleitet worden. Die Priorität liegt demnach eher bei der Ezechielstelle. Ist dies aber der Fall, so fällt auf die Charakterisierung Sauls in I Chr 10,13 f. zusätzliches Licht. Ez 18,24 bestimmt schließlich „Unrecht“ (‫)עול‬, „Greuel“ (‫)תועבות‬, „Sünde“ (‫ )חטאת‬und schließlich „Untreue“ (‫ )מעל‬als die Handlungen, die einen „Frevler“ (‫ )רשע‬als solchen qualifizieren. Wenn Saul also auf Gilboa „durch seine Untreue“ stirbt, so stirbt er den Tod eines Frevlers – eine Aussage, die deutlich über die Verwerfungsaussagen des ersten Samuelbuches hinausgeht.62 Diese frevlerische Untreue liegt zunächst grundsätzlich in des Königs fehlender Frömmigkeit: Er hat (anders als Josia) das Wort JHWHs nicht bewahrt und Gott nicht „gesucht“. Die Glosse in I Chr 10,13b identifiziert dann damit ganz konkret einzelne Handlungen aus Sauls Geschichte, und zwar genau diejenigen, mit denen in I Sam seine Verwerfung begründet wird: in erster Linie die Totengeistbeschwörung durch die „Hexe von Endor“, in zweiter Linie und implizit davon abgeleitet, Sauls Ungehorsam nach I Sam 13 und die Verschonung Agags nach I Sam 15.63 Dieser Bezugsrahmen des glossierten „Endtextes“ auf die pitels zwischen Ez 17 und 19 und der Beziehung zu Jer 22, für die Pohlmann ein vergleichsweise hohes Alter veranschlagt. Legt man diese Prämisse aber nicht zugrunde, läßt sich ein konsequenter Fortschreibungsweg vom theologischen Grundsatz in 18,2 f.20 hin zu seiner immer weitergehenden kasuistischen Differenzierung nachvollziehen, wie ihn prinzipiell auch Pohlmann vertritt. Offensichtlich ist in jedem Fall die Wiederaufnahme von V. 4 in V. 20 (bzw. umgekehrt) mit eigener theologischer Schwerpunktsetzung in V. 4, der Neueinsatz in V. 21 und der erneute Neueinsatz in V. 24 (vgl. a. a. O., 273 f.). 62 In dieser Hinsicht ist die Aussage Japhets, die in I Chr 10,13 f. „zum Ausdruck gebrachte historiosophische Haltung [sei] gar nicht so sehr anders als die Aussage von 1 Sam 28“ (Japhet, 1 Chronik, 235) doch zu modifizieren. 63 Ich bewerte den Beitrag des Glossators für das Verständnis der „Untreue“ Sauls in I Chr 10 als seine drei Hauptsünden nach I Sam 13; 15; 28 damit nun deutlich stärker als in meinem früheren Beitrag zum Thema (vgl. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 184–187).

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3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“ – Saul in I Chr

Verwerfungen von I Sam erklärt auch, warum die anderen Vergehen des Königs – etwa sein Verhalten gegenüber David oder das dann für Pseudo-Philo und Josephus so wichtige Massaker an den Priestern von Nob64 – nicht angeführt werden: An ihnen hängt auch in I Sam nicht das Urteil über Sauls Regentschaft. Mit dem Bezug zu Ez 18,24 erhält das chronistische Bild von Saul also eine weitere wichtige Facette, die dazu beiträgt, die Einschreibung von Kapitel 10 zwischen 9,1a und 11,1 zu erklären. Der Stimulus für die Ergänzung der Vorgeschichte Davids zum chronistischen Grundbestand konnte oben in I Chr 11,2 ausgemacht werden, im Rückbezug auf die Zeit, als „Saul König war“ (‫בהיות‬ ‫)שאול מלך‬. Eine erste Fortschreibung erklärte im Stammbaum Benjamins von 8,33–40 genealogisch, wer dieser „Saul“ im Kontext Israels war. Die zweite Fortschreibung, Kapitel 10, widmet sich nun der schwierigeren Hälfte von ‫שאול‬ ‫מלך‬, seinem Königtum, und erläutert, was es damit auf sich gehabt habe, vor allem aber, warum nach seinem Tod nicht einer seiner Söhne, sondern David legitimerweise seine Nachfolge antrat. Der Abschlußkommentar in den Versen 13 und 14 stellt dabei zum einen klar, daß es sich beim Übergang der Herrschaft auf den Sohn Isais (Willis translatio imperii) nicht um Usurpation, sondern um einen Akt der göttlichen Gerechtigkeit gehandelt habe, der als Antwort auf Sauls „Untreue“ zu verstehen sei. Darin zeichnen die Verse Saul zum zweiten als ein Gegenbild zum frommen Davididen Josia nach II Chr 34,21, der, anders als der erste König Israels, mit ganzer Kraft danach strebt, „das Wort JHWHs zu halten“. Wenn man eine Beziehung zwischen I Chr 10,14 und I Chr 13,3 über das „Suchen“ (‫ )דרש‬JHWHs bzw. der Lade annehmen möchte – gewissermaßen zum zweieinhalbten – erscheint Saul in seiner Unfrömmigkeit zudem auch als Antithese des pius David. Zum dritten aber erlangt das Geschick Sauls sowohl geschichtstheologisch als auch hamartiologisch paradigmatische Bedeutung. Sein Tod führt die Alternative von „Untreue“ und „Suchen JHWHs“ offen vor Augen und zeigt bereits zu Beginn der narrativen Darstellung der Geschichte Israels eindrücklich die Konsequenz der ersteren auf. Zugleich aber gerät Saul, Ez 18,24 im Hintergrund, zum prominenten Beispiel für die grundsätzliche theologische Erkenntnis von der Individualvergeltung. Wendet sich ein Gerechter – und sei er auch der von Gott erwählte König – von seiner Gerechtigkeit hin zur „Untreue“, so wird er sterben. Die Handlungen Sauls, als ‫ מעל‬qualifiziert, erscheinen so als diejenigen eines Frevlers, ‫רשע‬. Diese Interpretation ist es schließlich, die wirkungsgeschichtlich so einflußreich werden sollte. Sie spiegelt sich in der masoretischen Lesart von I Sam 14,4765 ebenso wider wie im Verschweigen Sauls bei Ben Sira, im Nach64 Vgl.

oben S. 60 f. dazu Bezzel, Unterschiede, 136 f; ders., Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 188 f., sowie oben S. 23. 65 Vgl.

3.2 Saul in I Chr – das Verhältnis zu I Sam

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ruf des Josephus von Ant 6,378 ebenso wie – ganz besonders – in der generellen Art der Pinselführung, mit der Pseudo-Philo sein Bild von Saul konturiert. Inwiefern diese Beurteilung Sauls sich nicht nur aus dem explizit chronistischen Kommentar erheben läßt, sondern auch in die Übernahme des Stoffs von Sauls Untergang auf Gilboa Eingang gefunden hat, soll im folgenden knapp untersucht werden.

3.2 Saul in I Chr – das Verhältnis zu I Sam Die zahlreichen kleineren und größeren Unterschiede des ersten synoptischen Stückes im Corpus der Chronik sind schon oft und gründlich untersucht worden, am sorgfältigsten wahrscheinlich von Craig Ho.66 Bei der Lektüre der entsprechenden Studien fällt jedoch auf, wie sehr die zugrundegelegte Hypothese über das grundsätzliche literarische Verhältnis von Samuel‑ und Chronikbüchern zueinander die Interpretation der für sich genommen ja unstrittigen Phänomene beeinflußt. Lassen sie sich einmal, etwa für Willi, alle als Änderungen „des“ Chronisten gegenüber seiner in I Sam 31 erhaltenen Vorlage deuten und geben in diesem Sinne „eine eindeutige Richtung und ein Konzept“67 zu erkennen, so stellt sich die Sachlage aus der Perspektive Hos genau entgegengesetzt dar. Ho rechnet mit einer (nicht mehr erhaltenen) Vorlage als Quelle sowohl der Samuelbücher als auch von I Chr, die weitgehend mit dem beiden erhaltenen Geschichtswerken gemeinsamen synoptischen Material identisch gewesen sei, aber – und hier geht er über die von ihm rezipierte These Graeme Aulds68 hinaus – bereits die Geschichte vom Kampf Davids gegen Goliath und den Besuch bei der „Hexe von Endor“ enthalten habe.69 Für diese These führt er wichtige Beobachtungen aus dem Vergleich von I Sam 31 und I Chr 10 an – und es überrascht nicht, daß für ihn sämtliche Differenzen beider Darstellungen von Sauls letztem Kampf auf Änderungen der Samuel-Herausgeber an ihrer Vorlage zurückzuführen seien, die in I Chr 10 deutlich besser erhalten sei. Natürlich ist ein voraussetzungsfreier Zugang zur Interpretation von Textphänomenen generell nicht möglich. Dies gilt nicht nur für die eben skizzierten Ansätze, es trifft auch auf den in der vorliegenden Arbeit verfolgten Weg zu, der damit rechnet, daß die Vorlage der chronistischen Grundschrift – ebenso wie ihrer Erweiterungen, als deren eine I Chr 10 bestimmt wurde – durchaus als Samuelrolle zu bezeichnen wäre, die freilich mit keiner ihrer erhaltenen Fas66 Vgl.

Ho, Conjectures. 1. Chronik 1,1–10,14, 327; vgl. auch Japhet, 1 Chronik, 230–234. 68 Zur These von Aulds Quelle eines „Book of Two Houses“ (BTH) vgl. u. a. Auld, Kings without Privilege; ders., Main Source; ders., What if; ders., I & II Samuel, 9–14; ders., Text of Chronicles. 69 Vgl. Ho, Conjectures, 99–101. 67 Willi,

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3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“ – Saul in I Chr

sungen identisch gewesen sein dürfte. Für die interpretatorische Praxis im Blick auf Saul bedeutet das: Es ist sowohl mit chronistischen Änderungen gegenüber I  Sam 31 als auch dort mit (nach)chronistischen Einflüssen, gewissermaßen „Rückkopplungen“ aus I Chr 10 zu rechnen.70 Die Kriterien, die unter dieser Prämisse für eine dann jeweils separat und erneut zu treffende Entscheidung anzulegen sind, können freilich nur solche sein, die ihrerseits aus der Analyse der jeweiligen Texte gewonnen wurden – in unserem Fall nicht zuletzt aus der Interpretation der beiden Verse I Chr 10,13–14. Auch dieser Weg der Auslegung bewegt sich also in einem hermeneutischen Zirkel. Er erscheint mir dennoch den beiden anderen insofern vorzuziehen zu sein, als er dem Textbefund selbst mit einer größeren und meiner Meinung nach notwendigen erneuten interpretatorischen Offenheit gegenübertritt. In diesem Zusammenhang verspricht es nun wenig Ertrag, ein weiteres Mal en détail alle kleineren und größeren Differenzen beider Fassungen der Geschichte gegenüberzustellen und durchzudiskutieren. Statt dessen möchte ich drei Punkte herausgreifen, bei denen eine im Sinne der chronistischen Bewertung von I Chr 10,13 f. geschichtstheologisch orientierte Arbeit am Bild Sauls, wie es die Vorlage transportierte, möglich oder wahrscheinlich ist. Es handelt sich dabei um die von mir bereits anderer Stelle71 besprochenen Fragen nach dem Abschluß der Darstellung von Sauls Tod in V. 6, sowie um das Geschick seines Leichnams, genauer: die nach dem Verbleib seines Hauptes und die nach der Art seiner Bestattung durch die Männer von Jabesch Gilead. Ob ein als Modifikation erkennbares Textphänomen in diesem Kontext jeweils einem Bearbeiter der Chronik oder der Samuelrolle zuzuschreiben ist, spielt dabei für die Interpretation naturgemäß eine zentrale Rolle: Zwar spiegelte auch ein aus der Vorlage unverändert übernommenes Stück gewissermaßen durch schweigende Übereinstimmung im weiteren Sinne den „chronistischen Saul“ wider  – im engeren Sinne greifbar ist er jedoch nur dort, wo explizit Veränderungen von chronistischer Hand auszumachen sind. Dies war oben bereits stillschweigend vorausgesetzt worden, als der Gegensatz von I Chr 10,6, dem Tod von Saul und „seinem ganzen Haus“, zur genealogischen Darstellung von 8,33–40 und 9,39–44 erörtert wurde. Dieses „Haus“ gibt es im längeren Parallelvers I Sam 31,6 nicht. Dort wird aufgezählt, daß neben Saul und seinen drei Söhnen noch „sein Waffenträger, auch alle seine Männer“ auf Gilboa den Tod fanden und der Tag dieses Geschehens hervorgehoben.72 Ho und, ihm folgend, Hunziker-Rodewald werten nun sowohl den 70 Vgl.

zur grundlegenden Problematik U. Becker / Bezzel, Rereading, 1–3. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 190–199. 72 Vgl. ‫וימת שאול ושלשלת בניו ונשא כליו גם כל־אנשיו ביום ההוא יחדו‬, „und es starb Saul und seine drei Söhne und sein Waffenträger, auch alle seine Männer, an jenem Tag gemeinsam“ (I Sam 31,6) mit ‫וימת שאול ושלשת בניו וכל־ביתו יחדו מתו‬, „und es starb Saul und seine drei Söhne und sein ganzes Haus, gemeinsam starben sie“ (I Chr 10,6). 71 Vgl.

3.2 Saul in I Chr – das Verhältnis zu I Sam

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„Waffenträger“ als auch die „Männer“ in I Sam 31 als eine exegetische Ausdifferenzierung des abstrakten „Hauses“ aus Chr, während Japhet, Kalimi, Willi und andere73 die genau entgegengesetzte Auffassung vertreten. Demnach seien Waffenträger und Männer beide im „Haus“ zusammengeflossen, um Nebenfiguren aus der Darstellung der Niederlage Israels auszublenden und sie ganz auf Saul zu zentrieren,74 um mit dem Tod der ganzen Familie ein „dynastisches Vakuum“75 entstehen zu lassen, das David dann legitim füllen kann oder um, wie oben bereits dargestellt, die „translatio imperii“76 vom Haus Saul auf das Haus David zu verdeutlichen. McCarter und McKenzie schließlich vertreten einen Sonderweg, indem sie aus dem beiden Fassungen gemeinsamen Bestand via subtractionis eine Version herausdestillieren, welche die Vorlage beider Versionen dargestellt habe und in der Folge jeweils unterschiedlich erweitert worden sei. Demnach habe die Urfassung des Verses lediglich vom Tod Sauls und seiner Söhne gesprochen.77 In gewisser Weise ist dies nicht unelegant, beide ignorieren jedoch die große inhaltliche Nähe zwischen „seinem Haus“ einerseits und „seinem Waffenträger und seinen Männern“ andererseits, die doch eher ein direktes Abhängigkeitsverhältnis nahelegt, wie auch die Bedeutung, die Sauls Knappe im Verlauf der Darstellung von I Sam 31 hat. Zieht man den textkritischen Befund zu I Sam 31,6 mit heran, der von den Vertreterinnen und Vertretern der ersten beiden Positionen oft gleichermaßen unberücksichtigt bleibt, so ergibt sich ein Bild, das eine Lösung plausibel werden läßt, nach welcher alle drei Vorschläge in gewisser Hinsicht – auf der Ebene einer Art Synthese – recht haben.78 Ausgangspunkt ist die schlichte, aber regelmäßig ignorierte Beobachtung, daß in I Sam 31,6 die Formulierung „auch alle seine Männer“ (‫ )גם כל־אנשיו‬kein Äquivalent in LXXB hat.79 Ein Grund für eine Auslassung seitens der LXXÜbersetzer oder auch seitens der Überlieferer ihrer Vorlage ist schwer vorstellbar, es sei aus Versehen oder intentional, eine im Vergleich zur LXX-Vorlage spätere Ergänzung wird jedoch dann durchaus plausibel, wenn man sie als durch die Lektüre von I Chr 10,6 beeinflußt ansieht.

73 Vgl.

etwa Jonker, Revisiting, 285 f.; Amit, Why Denigrate Saul?, 240. Japhet, Ideology, 133 f. n. 381. 75 Kalimi, Geschichtsschreibung, 261. Amit möchte hierin einen polemischen Zug sehen, vgl. Amit, Saul Polemic, 650. 76 Willi, 1 Chronik 1,1–10,14, 328; vgl. auch schon Koch, Verhältnis, 663. 77 Der Vers soll demnach ursprünglich gelautet haben: „‫( “וימת שאול ושלשת בניו יחדו‬Und es starb Saul und seine drei Söhne gemeinsam) (vgl. McCarter, I Samuel, 440 f.; McKenzie, Use, 58). 78 Vgl. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 192 f. 79 Für eine Aufstellung der griechischen Handschriften, die die „Männer“ bezeugen, vgl. den Apparat bei Brooke/McLean/ Thackeray, I and II Samuel, 104. 74 Vgl.

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3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“ – Saul in I Chr

Die älteste zugängliche Fassung von V. 6 (LXXB) enthielt demnach in Konsequenz aus und in Kohärenz mit den vorangehenden Versen die Information über den Tod derjenigen Personen, die in ihnen aufgetreten waren, nämlich Sauls, seiner drei Söhne und seines Waffenträgers. Den letztgenannten nicht mit zu nennen, wie dies McCarter und McKenzie für ihre Urfassung postulieren, wäre nach der bedeutenden Rolle, die er in den Versen 4 und 5 gespielt hatte, einigermaßen seltsam gewesen  – zumindest im Kontext der Samuelfassung. Der Schlachtbericht dort ist zunächst frei von jeder theologisch oder anders motivierten Kritik an Israels erstem König. Sein Abgang von der Bühne der Geschichte ist tragisch, aber ehrenvoll, und er stirbt im Kreis seiner Getreuen nach heldenhaftem Kampf und schwerer Verwundung.80 Der chronistische Schriftsteller, der dieses Stück übernahm, konnte es sich ungeachtet des damit in Kauf genommenen leichten erzählerischen Bruchs erlauben, den Waffenträger zu übergehen und ‫ ונשא כליו‬durch das dem Konsonantenbestand nahezu gleich lange ‫„ וכל־ביתו‬und sein ganzes Haus“ zu ersetzen. Ihm ging es nicht so sehr um eine Würdigung der heldenhaft Gefallenen, sondern darum, den theologischen Punkt zu setzen, den u. a. Willi und Kalimi herausgearbeitet haben: Das „Haus Saul“ im Sinne seiner Dynastie ist mit Gilboa abgeschlossen, und die Herrscherwürde ist frei, um auf das Haus David übertragen zu werden,81 ganz so, wie es I Chr 10,14 explizit formuliert: „Und er wandte die Herrschaft David zu, dem Sohn Isais“ (‫)ויסב את־המלוכה לדויד בן־ישי‬. Die Übertragung der Herrschaft geschieht auf einmal, ganz und ohne eigenes Zutun Davids – eine längere Auseinandersetzung „zwischen dem Haus Sauls und dem Haus Davids“ (‫ )בין בית שאול ובין בית דוד‬in einer Art Interregnum, von der II Sam 3,1 weiß,82 wird auf diese Weise dezidiert ausgeschlossen. Der Umstand, daß einerseits der Akzent darauf gelegt wird, dass Saul mit seinem „ganzen Haus“ fällt, andererseits aber in der unserer Analyse nach vor der Einschreibung von I Chr 10 bereits vorliegenden Genealogie I Chr 8,29–40; 9,35–40 die saulidische Linie Generation über Generation weiterverfolgt wird, muß dieser Sicht auf die Geschichte nicht widersprechen.83 Das „Haus Saul“ als seine Dynastie 80 In I Sam 31,3b ist, wie auch in I Chr 10,3b, bei der Form ‫ ויחל‬nicht die masoretische Herleitung von ‫חיל‬, „zittern“, „beben“, als ursprünglich zu betrachten, sondern, wie von LXX, Vg. und Josephus belegt, von einem Verbum auszugehen, daß von Sauls Verwundung sprach, herzuleiten von ‫ חלל‬oder ‫( חלה‬vgl. Bezzel, Unterschiede, 135 f. und oben S. 28 f.). 81 Damit korrespondiert die Auslassung des „mit ihm“, ‫עמו‬, in I Chr 10,5. Des Waffenträgers Tod wird von dem Sauls abgehoben, weil letzterer hervorgehoben werden soll (vgl. Zalewski, Purpose, 461). 82 Abgesehen von I Chr 12,30 finden sich alle Belege für das „Haus Sauls“ (‫ )בית שאול‬ausschließlich zwischen II Sam 3 und II Sam 19, zuletzt im Kontext des Absalomaufstands. Es sind im einzelnen: II Sam 3,1.6.8.10 (Abners Dialog mit Isch-Boschet; vgl. V. 10 mit I Chr 10,14!); 9,1.2.3 (Davids Sorge um Mefi-Boschet); 16,5.8; 19,18 (Absalomaufstand). 83 Kalimi rechnet ihn unter die „Reihe von Inkonsequenzen, die sich bei der Neubearbeitung älteren Materials durch den Chronisten“ (Kalimi, Geschichtsschreibung, 334) nicht vermeiden ließen – es mußte einerseits Davids legitimer Weg an die Macht und durfte andererseits die

3.2 Saul in I Chr – das Verhältnis zu I Sam

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ist bei Gilboa gestorben, auch wenn weitere Mitglieder dieses „Hauses Saul“, verstanden als seine Familie,84 noch leben. Ein Glossator, der zeitlich später anzusiedeln ist als die Septuagintavorlage der Samuelbücher,85 interpretierte oder re-interpretierte nun „sein ganzes Haus“ in einem anderen Sinne, nicht als die Dynastie, sondern als die Gesamtheit der Saul nahestehenden Gefolgsleute, und trug diese in Form „aller seiner Männer“ in I Sam 31,6 ein – unbeschadet des Umstands, daß einige dieser „Männer“ in II Sam 2–4 noch einmal auftreten sollten.86 Die (sekundäre) Inkonsistenz der Chronik führte somit an dieser Stelle zu einer (sekundären) Inkonsistenz der Samuelvorlage. Die Vorlage für I Chr 10,6 bestand also, im Sinne McCarters und McKenzies, in einer Samuelfassung, die nicht mit dem masoretischen Text gleichzusetzen ist. Sie wurde, im Sinne Willis, Japhets und Kalimis, durch einen Chronisten theologisch bearbeitet und führte, im Sinne Hos und Hunziker-Rodewalds, zu einer glossierenden Ergänzung in I Sam 31,6. Das Beispiel zeigt, welch große Rolle der Textkritik bei der Beurteilung der synoptischen Stücke von Samuel‑ und Chronikbüchern zukommt. Dies gilt indes nicht nur für den vergleichsweise marginalen Fall der „Männer“ von I Sam 31,6, sondern betrifft auch das deutlich kompliziertere Problem des Schicksals von Sauls Leichnam ab V. 8, zumindest deren ersten Unterpunkt, die Frage nach dem Verbleib speziell seines Kopfes am Tag nach der Schlacht.87 Die Unterschiede sind bekannt: Im Bericht der Samuelfassung enthaupten die Philister in V. 9 den toten König und fleddern den Leichnam: „Und sie schnitten sein Haupt ab und plünderten seine Rüstung“ (‫)וכרתו את־ראשו ויפשיטו את־כליו‬. Anschließend senden sie Freudenboten aus und deponieren in V. 10 die Rüstung im „Tempel der Astarte“ (‫)בית עשתרות‬, während Sauls Leichnam (‫ )גויה‬an der Mauer von Bet-Schean befestigt wird. Von dort wird er, ebenso wie die Leichen seiner Söhne, in einer nächtlichen Kommandoaktion der Einwohner von Jabesch entwendet und in ihre Stadt überführt. In Jabesch verbrennen88 sie die Toten und Treue zu seinem Versprechens gegenüber Jonathan nach I Sam 20,5; 24,22 f. nicht in Frage gestellt werden (vgl. ebd.). Meiner Meinung nach war die bewußte Inkonsequenz noch nicht Bestandteil der ältesten Fassung der Chronik und entstand erst durch die erneute „Neubearbeitung älteren Materials“. 84 Freilich wird die Sippe Sauls in I Chr 8; 9 nicht „Haus“ genannt! 85 Pace Barthélemy, Critique Textuelle 1, 224. Für ihn sind die drei Wörter zwar ein Zusatz, aber ein vorchronistischer, der von den Überlieferern der protoseptuagintarischen Tradition von Sam dann absichtlich beiseite gelassen worden sei. 86 Josephus, der – nota bene! – an dieser Stelle nicht nach der LXX-Fassung paraphrasiert, sondern MT vorliegen zu haben scheint (vgl. Grillet / Lestienne, Premier Livre, 415), identifiziert diese „Männer“ in Ant 6,372 mit des Königs Leibgarde, von denen keiner überlebt habe (οὐδεὶς τῶν σωματοφυλάκων τοῦ βασιλέως). 87 Vgl. zum Folgenden auch Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 195–199. 88 Die Lutherbibel in der Revision von 1964 nach der Ausgabe von 1984 liest hier für ‫סרף‬ „salben“. Damit folgt sie einem Vorschlag Drivers aus dem Jahr 1954 (vgl. Driver, Burial

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3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“ – Saul in I Chr

begraben die Überreste unter der dortigen Tamariske (‫)אשל‬. In der Tat stellt sich bei diesem Ablauf die von Hunziker-Rodewald aufgeworfene Frage: „Wo nur ist Sauls Kopf geblieben?“89 I Chr 10 ist, was diesen Punkt anbelangt, absolut eindeutig. Hier plündern in V. 9 die Philister „ihn“ (sc. Sauls Leichnam), sein Kopf und seine Rüstung werden „aufgehoben“: ‫ויפשיטהו וישאו את־ראשו ואת־כליו‬. Nach der Verkündung der Freudenbotschaft finden beide Beutestücke in V. 10 sodann einen unterschiedlichen Zielort. Die Rüstung kommt in den „Tempel ihrer Götter“ (‫)בית אלהיהם‬, der Schädel, ab jetzt nicht mehr ‫ראש‬, sondern ‫ גלגלת‬genannt, wird, analog zur Leiche Sauls in I Sam 31,10, „befestigt“ (beide Male Wurzel ‫)תקע‬, allerdings nicht an einer Stadtmauer, sondern im Dagontempel (‫)בית דגון‬ – der, mit Blick auf I Sam 5, offenbar ein beliebter Ort zu sein scheint, wenn es darum geht, Kriegsbeute aufzubewahren.90 Die Leichname (nun mit dem Wort ‫ גופה‬bezeichnet) von Saul und seinen Söhnen scheinen dagegen auf dem Schlachtfeld zurückgeblieben zu sein, denn sie werden von den Jabeschiten in V. 12 ohne Nachtmarsch91 und ohne Verweis auf die Stadtmauern in ihre Stadt gebracht und – ohne vorherige Kremation – unter der Terebinthe (‫ )אלה‬bestattet.

Exkurs: Saul und Goliath – Das Verhältnis von I Chr 10 zu I Sam 17 Ho macht völlig zu Recht darauf aufmerksam, dass die Version von I Chr 10 eine gewisse Affinität zum Schicksal Goliaths in I Sam 17 aufweist,92 und zwar in Custom, 314 f.). Stoebe stellt zurecht fest, daß eine Einbalsamierung „nur bei gerade Verstorbenen durchgeführt werden konnte, außerdem nicht zu ‫ עַצְמוׂתֵיהֶם‬V. 13 paßt“ (Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 522). 89 Vgl. Hunziker-Rodewald, Kopf. 90 Vgl. Sugimoto, Independent Literature, 66, der den Vergleichspunkt nicht zuletzt darin sieht, daß in I Sam 5 auch das Haupt der Statue Dagons fällt: „the heads of those who do not fear the ark of the covenant will be cut off“ (ebd.). In dieser Auslegung klingt Willis oben besprochene Deutung von I Chr 10,13 an, nach welcher Sauls mangelhaftes „Suchen“ (‫)דרש‬ JHWHs mit I Chr 13,3 direkt auf die Lade zu beziehen sei (vgl. oben S. 92; Willi, Den Herrn aufsuchen, 132; ders., 1 Chronik 1,1–10,14, 331 f.). Porzig zieht in Erwägung, daß I Sam 5 als Gegenstück zu I Sam 31,9b–10 geschrieben worden sein könnte; „die Chronik liest beides zusammen“ (Porzig, Lade Jahwes, 144). Die Parallelen bestehen jedoch nur zwischen I Chr 10 und I Sam 5. Wird man hier mit einiger Sicherheit eine intertextuelle Verbindung annehmen können, ist dies für I Sam 31 und I Sam 5 eher schwierig. In seiner jüngeren Studie zum Thema zieht Porzig indes verstärkt die Möglichkeit in Erwägung, I Sam 5 könnte seitens der Chronik beeinflußt worden sein (vgl. Porzig, Postchronistic Traces, 104). 91 Die Fassung der Chronik ist hier konsistent: Wenn die Männer von Jabesch nicht in Feindesland eindringen müssen, um ein Husarenstück zu schlagen, können sie das verlassene Schlachtfeld auch bei Tageslicht aufsuchen (vgl. Ho, Conjectures, 91). 92 Vgl. a. a. O., 93; Auld, I & II Samuel, 350. Ho (anders als Auld) leitet daraus die Folgerung ab, die von ihm angenommene nicht mehr existente gemeinsame Vorlage von Sam und Chr habe nicht erst mit Sauls Tod eingesetzt, sondern auch schon den Kampf von David gegen Goliath enthalten (vgl. Ho, Conjectures, 99). Auf diese Weise untergräbt er indes latent die von

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größerem Maße, als dies für I Sam 31 der Fall ist. Die Parallelen sind offensichtlich. Sie bestehen zur Enthauptung des philistäischen Helden93 in I Sam 17,51,94 vor allem aber zu der Notiz von I Sam 17,54. Ihr zufolge „nimmt“95 David den Kopf Goliaths und bringt ihn – im Erzählkontext im höchsten Maße anachronistisch96 – nach Jerusalem, während er die Rüstung seines Gegners in seinem Zelt aufbewahrt. Wie bei Saul in I Chr 10 werden Haupt und Rüstung getrennt und gelangen an jeweils unterschiedliche Adressen. Wie aber ist der Vers I Sam 17,54 literargeschichtlich innerhalb seines Kapitels einzuordnen? Bei Dietrich97 und auch bei Heinrich98 ist er Bestandteil ihrer jeweils recht unterschiedlich konturierten alten Überlieferung bzw. Grundschicht. Für Heinrich liegt der Grund für seine Entscheidung darin, daß David in I Sam 17,54 ein eigenes Zelt zur Verfügung zu stehen scheint, er also nicht als unbekannter Schafhirt gezeichnet wird.99 Von I Chr 10 her gedacht und mit Blick auf die Parallele Saul – Goliath, erscheint indes auch das „Zelt“ nicht mehr nur als die Unterkunft eines privilegierten Soldaten: Es nimmt antithetisch die Stelle und die Rolle ein, die in I Chr 10,10 vom „Götterhaus“ (‫ )בית אלהיהם‬der Philister ausgefüllt wird. Ist in I Sam 17,54 beim ‫ אהל‬womöglich an das Zeltheiligtum gedacht? Auf den ersten Blick erscheint diese Überlegung als weit hergeholt, auf den zweiten Blick allerdings gilt es zu bedenken, daß an allen anderen (wenigen) Stellen, an denen in Sam und Chr von einem „Zelt Davids“ die Rede ist, kein anderes als das Zelt gemeint ist.100 Bereits Galling betont die Parallele des Geschicks von Goliaths und Sauls Kopf und votiert aus diesem Grund dafür, in I Sam 17,54 ‫ באהלו‬in ‫ 'באהל 'י‬zu konjizieren.101 Unabhängig davon, ob man dieser, argumentativ zugegebenermaßen nicht auf allzu starken Beinen stehenAuld übernommene These von der „Common Source“: Wenn damit zu rechnen ist, daß sie ein Stück enthalten habe, das von Chr nicht aufgenommen wurde, ist es nur noch ein sehr kleiner Schritt zu der Annahme, es habe mehrere Passagen dieser Art gegeben – und dann kann man diese gemeinsame Vorlage auch wieder Sam* nennen.  93 Nota bene: Formuliert mit der Wurzel ‫ כרת‬wie in I Sam 31,9, nicht mit ‫ נשא‬wie in I Chr 10,9!  94 Stoebe nimmt denn auch an, dieser Zug der Goliathgeschichte sei „von der Saulüberlieferung her bestimmt“ (Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 529).  95 Nota bene: Formuliert mit ‫לקח‬, nicht mit ‫נשא‬, wie in I Chr 10,9!  96 Vgl. Dietrich, 1Sam 17,1–18,30, 371.  97 Vgl. a. a. O., 325–330. 371 f. ist der Vers Teil der alten Quelle, die vom „Höfischen Erzähler“ übernommen wurde.  98 Vgl. Heinrich, David und Klio, 207. Er betrachtet denn auch I Sam 31,9b–10a als „eine Art Replik auf 17,54“ (a. a. O., 164. – während er jedoch gleichzeitig die Lesart von LXXB favorisiert, die keine Enthauptung Sauls hat [vgl. ebd., n. 149]). Das ist latent widersprüchlich. Die Parallele zu I Sam 17,54 liegt in I Chr 10,9 f. – und erst von dieser Stelle her gelesen in I Sam 31,9 f.  99 vgl. a. a. O., 164. 100 Vgl. II Sam 6,17; I Chr 15,1; 16,1; II Chr 1,4. 101 Vgl. Galling, Goliath, 151, n. 5. Heinrich sieht diese Deutung des „Zeltes“ indes als „harmonisierender Zusammenschau mit Kap. 21 f.“ entsprungen an (Heinrich, David und Klio, 164, n. 149).

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3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“ – Saul in I Chr

den Deutung von Davids Zelt folgen mag oder nicht, scheint mir der Vers I Sam 17,54 doch eher zu den jüngeren bis jüngsten Zusätzen dieses komplizierten Kapitels als zu seinem Grundbestand zu gehören.102 Die durch ihn zugespitzte Parallelisierung von Goliath und Saul läßt sich meiner Meinung nach am besten als eine direkte Rückkopplung aus I Chr 10 verstehen.103

– Ende des Exkurses – Die zahlreichen kleineren und größeren Differenzen zwischen I Sam 31 und I  Chr 10 scheinen es nahe zu legen, daß man es hier mit einer überlieferten Erzähltradition zu tun habe, die einmal so und einmal anders bearbeitet worden sei.104 Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß die Anzahl der eigentlichen Änderungen überschaubar ist, wenn man berücksichtigt, daß sie zum Teil konsequent aufeinander aufbauen: Der Nacht‑ bzw. Tagmarsch der Jabeschiten als Konsequenz des jeweiligen Umgangs mit Sauls Leichnam ist ein Paradebeispiel dafür. Eine direkte literarische Abhängigkeit beider Fassungen ist daher wahrscheinlicher als der jeweilige Rückgriff auf eine gemeinsame, nicht mehr greifbare Überlieferung, und gerade anhand des Geschicks von Sauls Haupt läßt sich dies schön belegen. Hunziker-Rodewald leistet in ihrer Studie zu beiden Fassungen der Geschichte von Sauls Tod einen wichtigen Beitrag zu ihrer spezifischen Interpretation. Im Vergleich mit Berichten und Bildern von der Enthauptung des elamischen Königs Te’umman zeigt sie, wie die Version von I Sam 31 dadurch, daß sie den Schwerpunkt auf das Ergehen der Leiber der königlichen Familie legt, eher den „Opferstandpunkt“ der Verlierer einnimmt, während die chronistische Fassung mit ihrem Herausstellen des isolierten Hauptes eher aus der Siegerperspektive geschrieben ist.105 Diese Wahrnehmung ist wichtig und meiner Meinung nach zutreffend. Mit Blick auf V. 10 verschärft sie allerdings die Frage, warum dann ausgerechnet in der Samuelfassung dezidiert vom „Abschneiden“ (‫ )כרת‬des Kopfes die Rede ist, während die Chronik lediglich vom „Aufheben“ (‫)נשא‬ desselben spricht. Warum hätte ein Chronist den expliziten Hinweis auf die Enthauptung des Königs beiseite lassen sollen,106 wenn es seine Absicht war, den Fokus gezielt auf dessen weiteres Schicksal zu legen? 102 „Die Verse 52, 53 und 54 sind wahrscheinlich spätere Auffüllungen“ (Aurelius, David, 60); vgl. auch Stoebe, der zumindest in der Nennung Jerusalems das „Zeichen einer jüngeren Hand oder eher der Endredaktion“ erkennt (Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 334). 103 Vgl. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 194 f. 104 Vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 522. 105 Vgl. Hunziker-Rodewald, Kopf, 294. 106 Pace Jonker, Revisiting, 286, der konstatiert, I Chr 10,9 habe „the explicit reference to the cutting-off of Saul’s head“ absichtlich ausgelassen.

3.2 Saul in I Chr – das Verhältnis zu I Sam

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Die Lösung des Problems liegt einmal mehr in der Septuaginta. Zwar konstatiert McCarter beim Vergleich der unterschiedlichen antiken Überlieferungen: „In all versions there is reference to Saul’s beheading“,107 für die griechische Fassung von I Sam 31 stimmt dies jedoch nicht. Sie weiß und berichtet von einer Enthauptung des Königs schlicht: nichts. Ihrer Darstellung zufolge kommen, wie auch im MT, am Morgen nach dem Kampf die Sieger zurück aufs Schlachtfeld, finden die Leichen Sauls und seiner Söhne „und sie wenden ihn um und zogen seine Rüstung aus und senden sie“ im Land umher: „καὶ ἀποστρέφουσιν αὐτὸν108 καὶ ἐξέδυσαν τὰ σκεύη αὐτοῦ καὶ ἀποστέλλουσιν αὐτὰ“. Das Vorgehen als solches ist sinnvoll und leuchtet ein: Saul hat sich nach V. 5 am Tag zuvor vornüber in sein Schwert gestürzt; am nächsten Morgen liegt er also vermutlich auf dem Bauch. Wollen die Philister den königlichen Gefallenen identifizieren,109 so müssen sie die Körper umdrehen, um ihnen ins Gesicht blicken zu können. Weniger einleuchtend jedoch ist, wie und warum ein Übersetzer aus der MT-Formulierung „und sie schnitten sein Haupt ab“ (‫ )ויכרתו את־ראשו‬ein „und sie wenden ihn um“ hätte machen sollen. Aus dem vorliegenden Konsonantenbestand läßt sich die Übersetzung beim besten Willen nicht ableiten, wollte man nicht ein Maß an übersetzerischer Freiheit annehmen, wie es den Übersetzern der Samuelseptuaginta ansonsten fern liegt.110 Anders ist dies jedoch mit der Formulierung, die I Chr 10,9 überliefert, wenn sie vom „Aufheben“ des Kopfes spricht: ‫וישאו את־ראשו‬. Transitiv „das Haupt aufheben“ meint „zählen“,111 drückt im Alten Testament ferner einen Gestus des Gunstbeweises,112 beim eigenen Haupt ferner begründetes Selbstbewußtsein113 aus und wird, abgesehen von unserer Stelle, niemals sonst im Kontext einer Enthauptung gebraucht. Gen 40 ist in diesem Kontext instruktiv, Josefs Deutung der Träume seiner Zellengenossen.114 Des Mundschenken Haupt wird der Pharao erheben (‫ )נשא ראש‬und ihn wieder in sein Amt einsetzen (Gen 40,13), ebenso wie das des Bäckers, der jedoch aufgehängt werden wird (Gen 40,19). Im zweiten Fall wird mit der an sich positiv konnotierten Wendung gespielt: „Der Pharao wird dein Haupt erheben / nehmen von über dir“ (‫)ישא פרעה את־ראשך מעליך‬. In keinem Fall ist also die Wendung „das Haupt aufheben“ gleichbedeutend mit 107 McCarter, I Samuel, 441. Gleichwohl entfernt er die Enthauptung aus dem von ihm rekonstruierten vermeintlichen Urtext. 108 Andere griechische Textzeugen, u. a. der sogenannte lukianische Text, haben sich an MT angeglichen und die Enthauptung übernommen: και αποκοπτουσιν την κεφαλην αυτου bzw. αποκεφαλιζουσιν (vgl. Brooke/McLean/Thackeray, I and II Samuel, 105; Marcos/Busto Saiz, Texto Antioqueno, 89). 109 Vgl. Hunziker-Rodewald, Kopf, 281, n. 5. 110 Vgl. zur Übersetzungstechnik in I Sam: Aejmelaeus, How to Reach; dies., Seputagint of 1 Samuel, insbesondere 140 f. 111 Vgl. Ex 30,12; Num 1,2.49; 4,2.22; 26,2; 31,26.49. 112 Vgl. II Reg 25,27; Jer 52,31; in gewisser Weise zählt hierzu auch Ps 24,7.9. 113 Vgl. Jdc 8,28; Sach 2,4; Ps 83,3; Hi 10,15. 114 Den Hinweis auf Gen 40 verdanke ich Cynthia Edenburg.

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einer Enthauptung, sie kann aber, das illustriert der Fall des Bäckermeisters von Gen 40, durchaus im Sinne von „den Kopf wegnehmen“ interpretiert werden – und sie vermag es, in ihrer ursprünglichen Bedeutung „aufheben“, als Umdrehen eines Leichnams verstanden zu werden, wie dies in der Septuagintafassung von I Sam 31,9 geschieht. Ich denke daher, daß an dieser Stelle I Chr 10,9 die Formulierung bewahrt hat, die auch in der Septuagintavorlage von I Sam 31,9 enthalten war: Die Philister finden die Körper Sauls und seiner Söhne und heben zum Zwecke der Identifikation seinen Kopf in die Höhe – ‫וישאו את־ראשו‬ –, was vom Übersetzer ganz richtig verstanden und mit „umdrehen“ verdeutlichend wiedergegeben wurde.115 In der Terminologie der Hunziker-Rodewaldschen Frage gesprochen: Ursprünglich blieb Sauls Kopf nach seinem Tod dort, wo er vorher auch gewesen war, nämlich auf seinem Rumpf. Dem entspricht auch das weitere Geschick des Leichnams. Ihn durch Aufhängen an der Stadtmauer von Bet-Schean zum Zwecke der Demütigung und zum Beweis des Sieges öffentlich auszustellen, ist nur dann sinnvoll, wenn er noch durch sein Antlitz erkennbar ist.116 Ein kopfloser Leichnam würde daher an dieser Stelle seinen Zweck nicht erfüllen – die Chronisten sind daher in ihrer Erzählung auch darin absolut konsistent, daß sie die enthaupteten Leiber auf dem Schlachtfeld zurücklassen. Ihre Philister haben dafür schlicht keine Verwendung mehr, sondern sind einzig am königlichen Haupt interessiert. Dies rührt daher, daß die Verfasser von I Chr 10 bei der Übernahme ihrer Vorlage die Wendung ‫ נשא ראש‬nicht als Aufheben, sondern als Hinwegnehmen des Kopfes deuten – möglicherweise, aber nicht beweisbar, inspiriert von Gen 40,19 – und ihn auf die Reise schicken – sollte es I Sam 5 zu diesem Zeitpunkt schon gegeben haben, womöglich, um einen Bezug zur Ladegeschichte herzustellen. Mit der Fokussierung auf das isolierte Haupt des toten Königs nehmen sie dabei, wie Hunziker-Rodewald gezeigt hat, eine „Siegerperspektive“ ein. Durch sie wird illustriert, was der Kommentar in I Chr 10,13 f. theologisch konzentriert ausdrückt: Sauls Tod ist als Strafhandeln Gottes zu verstehen. Die Philister erscheinen dadurch als das exekutierende Werkzeug, durch welches dieser ihn „sterben ließ“ bzw. „umbrachte“ (‫)וימיתהו‬. Sauls Enthauptung und das postmortale Geschick seines Hauptes wie seiner Rüstung könnte wiederum einen Glossator dazu inspiriert haben, I Sam 17,54 einzutragen und der Goliathgeschichte eine Pointe zu geben, die Israels ersten König mit dem gottlosen Schlagetot aus den Reihen des Erzfeindes parallelisiert und zugleich (einmal mehr) mit seinem Nachfolger David in scharfer Form kon115 Pace Schorch, der ‫ נשא‬als euphemistische Korrektur zu ‫ כרת‬von I Sam 31 versteht und dabei den LXX-Befund zu I Sam 31,9 nicht berücksichtigt (vgl. Schorch, Euphemismen, 83). 116 Ein Vergleichsbild aus der neueren Geschichte bildet etwa die Präsentation der Leichen von Benito Mussolini und Clara Petacci, die am 29. 04. 1945 in Mailand an den Füßen aufgehängt wurden. Ein kopfloser Leichnam wäre hierfür denkbar ungeeignet gewesen.

3.2 Saul in I Chr – das Verhältnis zu I Sam

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trastiert: David ist siegreich gegen die Philister – Saul ist es nicht. Des Philisters Haupt reist nach Jerusalem – Sauls dagegen in die Stadt des Feindes. Sauls Rüstung findet ihren Platz in einem Götzentempel – Goliaths dagegen im „Zelt“ (‫ )באהלו‬Davids.117 Der Sieg Davids über Goliath antizipiert damit bereits seinen Sieg über den ihn später verfolgenden Saul. Die Deutung, welche die Verfasser von I Chr 10 dem „Aufheben“ des Kopfes gaben, fand wiederum in begrenztem Umfang den Weg zurück in die Samuelrolle, indem die nun zweideutig gewordene Formulierung ‫ נשא ראש‬dort in das auch in I Sam 17,51 verwendete Syntagma „Kopf abschneiden“, ‫כרת ראש‬, geändert wurde.118 Im Fall von Sauls Enthauptung läßt sich somit zeigen, wie sich die chronistische Interpretation des Geschehens auf Gilboa, die sich in I  Chr 10,13 f. explizit artikuliert, implizit auch in der Rezeption der Samuelvorlage aus I Sam 31 niedergeschlagen hat. Beim zweiten großen Unterschied zwischen beiden Fassungen, der Art und Weise, wie die Leichname Sauls und seiner Söhne nach ihrer Rückerbeutung (mit I Sam) respektive ihrer Überführung (mit I Chr) durch die Einwohner von Jabesch Gilead bestattet werden, ist dies dagegen nicht ohne weiteres möglich. Die Differenzen wurden oben schon benannt: I Chr 10,12 spricht davon, daß nach dem Transfer der Leichname (‫ )גופת‬die Gebeine (‫ )עצמותהם‬der gefallenen Mitglieder des Königshauses unter der Terebinthe (‫ )תחת האלה‬bestattet werden. Auch nach I Sam 31,12 werden die Toten (hier ‫ )גוית‬nach Jabesch gebracht, dort aber zunächst verbrannt (‫)וישרפו אתם שם‬, ehe auch hier (in V. 13) die Gebeine unter einem Baum ihre letzte Ruhe finden,119 der indes eine Tamariske (‫ )אשל‬ist. Die botanische Frage scheint hierbei die leichtere zu sein. Bei der Behandlung des entsprechenden Abschnitts bei Josephus wurde oben schon auf die (von ihm übernommene) Lesart der Septuaginta von I Sam 31,13 hingewiesen. In ihr wird aus dem Baum ein „Feld“ (ἄρουρα) gemacht – möglicherweise, um Assoziationen an zumindest in hellenistischer Zeit populäre Kulte zu vermeiden, in denen die Tamariske eine besondere Rolle spielte.120 Dies könnte auch bereits 117 Zur Frage der Einordnung dieses Verses, sowie der Bedeutung des „Zeltes“, vgl. oben den Exkurs, S. 102–104. 118 Ähnlich nimmt Auld an, Sauls Enthauptung sei sowohl in I Chr 10 als auch in I Sam 31 sekundär nachgetragen worden, „presumably on the basis of what was reported of Goliath’s head (1 Sam 17:51)“ (Auld, I & II Samuel, 350). Die vorliegende Analyse schließt aus dem Befund indes nicht nur auf die jeweilige Bearbeitung sowohl in Chr als auch in Sam, sondern macht eine direkte wechselseitige Beeinflussung am wahrscheinlichsten. 119 Mit Blick auf II Sam 21,12 erscheint indes auch diese Ruhestätte nur als vorläufig letzte (zur Sekundärbestattung durch David vgl. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 199–206). 120 Vgl. oben S. 72, n. 363, mit den Verweisen auf Grillet/ Lestienne, Premier livre, 347 („le tamaris était consacré en Égypte au dieu Osiris“); Hutzli, Elaborated Literary Violence, 155, n. 18.

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für einen Chronisten ein hinreichender Grund gewesen sein, sie durch eine Terebinthe zu ersetzen.121 Dagegen ist das Fehlen der Kremation der Leichname Sauls und seiner Söhne ungleich schwerer, wenn nicht unmöglich zu beurteilen.122 Die Schwierigkeiten rühren dabei nicht zuletzt daher, daß der in I Sam 31,12 f. geschilderte Vorgang innerbiblisch singulär ist, „un cas unique d’usage de l’incinération“.123 Keine der für ihre Erklärung gelegentlich herangezogenen Vergleichsstellen vermag daher über die Bedeutung dieser Handlung im Kontext von I Sam 31 etwas Signifikantes auszusagen. In Lev 20,14; Lev 21,9; Jos 7,25 etwa ist das Verbrennen die Strafe für ein Vergehen. Entsprechend ruht Berges’ Interpretation von I Sam 31 auf dem Vergleich mit Achan: Seiner Meinung nach stelle die Kremation Sauls und seiner Söhne eine letzte Entehrung durch die Einwohner von Jabesch dar.124 Diese Deutung, wonach „ein Glossator dem verhassten Saul noch im Tode einen Schimpf angethan hat“,125 würde es nahelegen, die drei Wörter in I Sam 31,12 als von der Chronik inspiriert zu verstehen, die mit der Schändung von Sauls Leichnam die Richtung vorgegeben hätte. Andererseits aber erscheint diese Deutung Buddes wie Berges’ vor dem Hintergrund der nächtlichen Kommandoaktion der Männer von Jabesch erzählerisch wenig sinnvoll. Warum hätten sie unter Lebensgefahr die saulidischen Leichname bergen sollen, wenn es ihnen nur daran gelegen gewesen wäre, sie zu entehren? Das hatten die Philister ja bereits sachkundig unternommen. Kalimi plädiert denn auch mit dem gleichen Verständnishintergrund, wonach „die Verbrennung einer Leiche als schweres Verbrechen“126 gegolten habe, für die entgegengesetzte literarische Beurteilung: Es sei hier eine Streichung durch den Chronisten anzunehmen, „denn die Leute von Jabes in Gilead wollten ihrem Wohltäter Saul Gutes tun“.127 Auch das Verbrennen von Menschengebein nach I Reg 13,2; II Reg 23,16.20; II Chr 34,5; Am 2,1 führt als Parallele nicht weiter. An den ersten vier genannten Stellen geht es um den illegitimen Altar, der durch die Kremation verunreinigt werden soll, nicht darum, was diese Handlung für die dafür gebrauchten Leichenteile bedeutet.128 Die Amosstelle hingegen ist selbst reichlich dunkel. Warum wird es Moab zum Vorwurf gemacht, die Gebeine (‫ )עמצות‬des Königs von 121 Willi sieht hier indes, wie auch in der Verbrennungsfrage, lediglich den erzählerischen Wunsch nach „Abwechslung“ (Willi, 1. Chronik 1,1–10,14, 330) im Hintergrund. So schwer sie auch zu erklären sein mögen – mit diesem Begriff halte ich die Varianten für unterbestimmt. 122 Zum folgenden vgl. auch Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 197–199. 123 Kuberski, Crémation, 189. 124 Vgl. Berges, Verwerfung, 257. 125 Budde, Bücher Samuel, 192. 126 Kalimi, Geschichtsschreibung, 48. 127 A. a. O., 49. 128 Pace Ho, der mit diesen Stellen dafür argumentiert, die Verbrennung in I Sam 31,12 stelle eine nachträgliche Verunglimpfung des Königs dar (vgl. Ho, Conjectures, 94 f.).

3.2 Saul in I Chr – das Verhältnis zu I Sam

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Edom verbrannt zu haben? Jeremias zieht in Erwägung, daß der Kern des Vorwurfs hier in der völligen „Vernichtung der Knochen und damit der Existenz“129 liegen könnte, den die Formulierung ‫לשיד‬, „zu Kalk“ enthalte. Dies zeigt, daß die Stelle für die Deutung von I Sam 31,12 komplett ausfällt: Bei Sauls Kremation findet ja gerade keine derartige Totalvernichtung statt. Seine Gebeine (‫)עצמות‬ werden im Anschluß bestattet.130 Es ist offensichtlich: Das Fehlen eines passenden innerbiblischen Vergleichstexts macht eine einigermaßen gesicherte Deutung der Stelle nahezu unmöglich. Wenn nicht sicher gesagt werden kann, wie die Verbrennung der Leichname im Kontext von I Sam 31 aufzufassen ist, so kann auch ihr Fehlen in I Chr 10 nicht interpretiert werden. Dies gilt umso mehr, als es durchaus vorstellbar ist, daß ein Chronist die Handlung  – sollte sie in seiner Vorlage schon enthalten gewesen sein – womöglich selbst gänzlich anders verstand und bewertete als die Verfasser der Samuelstelle. So ist die Anzahl der Unbekannten auf nahezu allen Verstehensebenen des Textes derart hoch, daß eine wirkliche Lösung der Gleichung nicht gelingen kann und man mehr noch als sonst darauf angewiesen ist, mit Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten zu operieren. Entsprechend weit ist in der Auslegungstradition das Deutungsspektrum für die Handlung der Jabeschiten in I Sam 31,12.131 Diskutiert werden zum einen schlicht hygienische Gründe.132 Diese hätten dann in der Tat für die Fassung der Chronisten keine so große Rolle gespielt, ist doch bei ihrer Darstellung der Ereignisse nach der Schlacht davon auszugehen, daß die Leichen wesentlich schneller einer Bestattung zugeführt werden als in I Sam 31. Zum zweiten wird der bereits besprochene Fall erwogen, die Kremation stelle eine posthume Herabwürdigung des Königs dar. Eine weitere gängige Deutung besagt schließlich, Feuerbestattung sei eine „non-Israelite practice“133 gewesen, welche die Chronisten getilgt hätten, weniger in Sorge um die Reputation Sauls als vielmehr deswegen, weil nach ihrer Vorstellung Jabesch Gilead ein Teil Israels war.134 Hinsichtlich des literarischen Verhältnisses zu I  Chr 10 läßt sich bei allen diesen Deutungen die Argumentation in beide Richtungen wenden: In jedem der

129 Jeremias,

Prophet Amos, 16; Wolff, Joel und Amos, 197. Stolz, Samuel, 184; Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 532. 131 Vgl. den Überblick mit nicht weniger als 15 Unterpunkten bei Zwickel, Quadratbau, 167 f. 132 Vgl. bereits David Kimchi (Radaq): ‫ שהעלה רמה ולא רצו לקברם עם‬,‫ויתכן לפרשו׃ כי הבשר שרפו‬ .‫ ושרפו הבשר וקברו העצמות‬,‫ כי לא היה דרך כבוד‬,‫התולעים‬, „Und man kann es dahingehend deuten, daß sie das Fleisch verbrannten, das verdorben war, und sie wollten sie nicht mit den Würmern begraben, denn das wäre nicht ehrenhaft gewesen, und sie verbrannten das Fleisch und bestatteten die Gebeine“ (Mikra ot Gedolot, 153, zit. bei Kalimi, Geschichtsschreibung, 49, n. 61); neuzeitlich vgl. Hertzberg, Samuelbücher, 190. 133 Wright, David, 68. 134 Vgl. Koch, Verhältnis, 663. 130 Vgl.

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drei Fälle kann man damit für eine chronistische Streichung in I Chr 10 ebenso votieren wie für eine nachchronistische Ergänzung in I Sam 31. Für die vierte Variante dagegen, welche die Verbrennung im Kontext von I Sam 31 positiv wertet und in ihr einen besonderen Ausdruck der Wertschätzung der Jabeschiten gegenüber dem König erkennt, der sie einst, in I Sam 11, aus der ammonitischen Unterdrückung befreit hat, ist die Annahme eines nachchronistischen Eintrags ausgesprochen unplausibel.135 Bei aller Unsicherheit scheint mir diese Interpretation in der Tat die wahrscheinlichste zu sein. So hat Kuberski in seinem 2009 erschienenen Beitrag deutlich gemacht, daß der archäologische Befund es eindeutig nicht erlaubt, die Praxis der Feuerbestattung als „unisraelitisch“ oder „unjudäisch“ zu bezeichnen: Sie ist von der Eisenzeit I bis mindestens in die Perserzeit belegt.136 Freilich bedeutet auch dieser Befund keineswegs, daß sie nicht von den Chronisten in diesem Sinne, also als unrein, heidnisch oder verboten, verstanden werden konnte, doch gibt zu denken, daß von den Übersetzern des Targum Jonathan die Handlung in I Sam 31,12 definitiv nicht negativ konnotiert sondern positiv interpretiert wurde. Dort wird der fragliche Versabschnitt paraphrasiert: „Sie zündeten über ihnen Feuer an, wie man Feuer anzündet über Königen“ (‫וקלו‬ ‫)עליהון כמא דקלן על מלכיא‬. Damit ist offensichtlich eine Praxis im Blick, wie sie in Jer 34,5; II Chr 16,14; 21,19 geschildert wird. Auch Rashi schließt sich dieser Deutung an137 – womöglich aber gerade deswegen, um eine derartige Praxis von einer als anstößig empfundenen tatsächlichen Verbrennung abzuheben138 und mit Blick auf Saul den Gedanken an letztere auszuschließen. Wie dem auch immer sei – der Kontext von I Sam 31 jedenfalls spricht stark dafür, literarisch hier die Feuerbestattung eher als Erweis einer besonderen Ehrbezeugung denn als negativ konnotiert zu verstehen, wie es Kuberski auch historisch für die Eisenzeit annimmt: „une des formes honorables de funérailles peut-être réservées aux rois.“139 Es ist daher durchaus vorstellbar, daß die Chronisten die Verbrennung aus ihrer Vorlage tilgten. Ein literarisches Indiz dafür, wenn auch keines mit zwingender Beweiskraft, ist ein in I Chr 10 fehlender Zwischenschritt: Überführt werden dort „Leichen“ (‫)גופת‬, bestattet werden aber „Gebeine“ (‫)עצמות‬. I Sam 31 berichtet mit der dazwischenliegenden Verbrennung dagegen davon, wie aus dem einen das andere wird und erklärt die Transformation. Freilich lassen sich 135 Gleichwohl ist dies die Lösung, die McKenzie vorschlägt (vgl. McKenzie, Use, 59 f.), allerdings ohne einen Grund für die angenommene Ergänzung in I  Sam 31 anzugeben. Er argumentiert rein technisch textkritisch mit der lectio brevior. 136 Vgl. Kuberski, Crémation, 185–189. „En Palestine […] la crémation […] commence à être en usage à partir de l’âge du Fer I (1200–900 av. J.-C.) mais surtout de l’âge du Fer II (900– 587 av. J.-C.) et reste pratiquée jusqu’à l’époque perse (538–332 av. J.-C.)“ (a. a. O., 185 f.). 137 Vgl. Mikra ot Gedolot, 153. 138 Vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 522. 139 Kuberski, Crémation, 200; vgl. Zwickel, Quadratbau, 173.

3.3 Saul in I Chr – Zusammenfassung

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aber auch gegen dieses Argument Einwände geltend machen.140 Welcher der oben angeführten möglichen Gründe für die Chronisten bei ihrer Kürzung den Ausschlag gegeben haben mag, ist ein weiteres Problem. Womöglich ging es ihnen dabei aber nicht so sehr darum, zu vermeiden, den Einwohnern von Jabesch eine „unisraelitische“ Praxis anzulasten. Mit Blick auf II Chr 16,14; 21,19 ist es statt dessen durchaus vorstellbar, daß ein derartiges Totenfeuer, wie sie es für Asa vorbehalten, für Joram dagegen explizit verneinen, auch für Saul als zu viel der Ehre ansahen.

3.3 Saul in I Chr – Zusammenfassung Ausgangspunkt der Untersuchung zum Bild Sauls in der Chronik war die Verwunderung darüber, daß er in dieser um den Tempel und darum um David zentrierten relecture der Geschichte Israels überhaupt Erwähnung findet. Die vorgelegte Analyse rechtfertigt dieses Erstaunen insofern, als sie zu dem Schluß gelangt, daß in einer ersten Fassung des Geschichtswerks über den ersten König Israels wohl tatsächlich nicht mehr berichtet wurde, als daß David auch unter seiner Herrschaft bereits als Heerführer eine zentrale Rolle gespielt habe (I Chr 11,2). Demnach zielte der Stammbaum Davids von I Chr 2 ursprünglich direkt auf seine Krönung in 11,1, und von seinem Vorgänger wurde in Gestalt eines Rückblicks nicht mehr erzählt als „das bloße Daß“ seines Königseins – oder besser: seines Königgewesenseins: „schon als Saul König war“ (‫)גם בהיות שאול מלך‬. Dieser schwer zu leugnende Umstand, daß es in der Person Sauls bereits ante Davidem einen König über Israel gegeben hatte, schien späteren Überlieferern der Chronik nach einer Erklärung zu verlangen. Sie wurde in erneutem Rückgriff auf die Vorlage gegeben, analog den beiden zu deutenden Worten ‫שאול מלך‬, in zwei Schritten. Deren erster gilt der Person von Davids Vorgänger: Wer war dieser Saul? Die Antwort gibt die Genealogie, indem seine Sippe samt Kindern und Kindeskindern in den Stammbaum Benjamins, in I Chr 8,33–40 mit Abschluß in 9,1a, eingetragen wird. Ein zweiter Eintrag widmet sich der schwierigeren Frage, dem Wort ‫מלך‬: Was hatte es mit seinem Königtum auf sich? Zu diesem Zweck wurde in I Chr 10 auf die Geschichte von Sauls Tod in I Sam 31 zurückgegriffen, die nun sowohl durch 140 Wie die meisten Begründungen, so läßt sich auch diese umkehren und die Verbrennung eben deswegen als sekundär bestimmen, weil sie etwas erklärt. Desgleichen können die ‫עמצות‬ auch allgemeiner, als „Leiber“ oder „sterbliche Überreste“ verstanden und die Differenz zu den ‫ גופת‬damit eingeebnet werden (vgl. Thr 4,7; womöglich I Reg 13,31) (vgl. Rudolph, Chronikbücher, 95 mit Verweis auf II Sam 21,12 f.; Am 6,10. Die erste Belegstelle trägt hier indes nicht viel aus, da in II Sam 21,10 durchaus davon die Rede ist, daß die Toten über längere Zeit hinweg aufgehängt bleiben und man bei ihnen deswegen eher nicht von „sicher noch nicht verwesten Gehenkten“ [ebd.] ausgehen sollte).

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3. „Und er suchte nicht JHWH, und der ließ ihn sterben“ – Saul in I Chr

kleine Änderungen in der Darstellung als auch durch einen angehängten verständnisleitenden Kommentar die Zusammenhänge ins geschichtstheologisch rechte Licht rückt. Sauls Ende und damit die translatio imperii auf das Haus David werden in I Chr 10,13a.14 anhand des theologischen Gegensatzpaares „JHWH suchen“ (‫ )דרש יהוה‬und „untreu sein“ (‫ )מעל‬erklärt. Der erste König gerät so zum Gegenbild des exemplarisch frommen Josia nach II Chr 34,21, vielleicht auch des Ladesuchers David nach I Chr 13,3, vor allem aber zugleich zum exemplum für den theologischen Lehrsatz von der Individualvergeltung in der Form, wie ihn Ez 18,24 für den Fall des frevelnden Gerechten durchspielt. Niederlage und Tod auf Gilboa erscheinen auf diese Weise als direkt von Gott in die Wege geleitete Folge, die aus des Königs fehlgeleitetem Handeln resultiert. Dieses Handeln wiederum verknüpft ein Glossator in V. 13b konkret mit den Verwerfungsaussagen von I Sam 13; 15; 28, indem er den zunächst eine generelle Frömmigkeitshaltung bezeichnenden Terminus des „Suchens JHWHs“ (‫ )דרש יהוה‬als divinatorische Praxis versteht und auf Sauls nekromantische Verzweiflungstat bei der Hexe von Endor nach I Sam 28 bezieht. In Form kleiner, aber wirkmächtiger Modifikationen fließt die im Kommentar von V. 13 f. explizite theologische Deutung auch in die Erzählung von den Ereignissen bei und nach Sauls letzter Schlacht ein. So artikuliert sich der Gedanke der Herrschaftsübertragung darin, daß in V. 6 nicht, wie in der Samuelvorlage, vom Tod des Waffenträgers die Rede ist, sondern davon gesprochen wird, daß mit Saul und seinen Söhnen „auch sein ganzes Haus“ (‫ )וכל־ביתו‬untergegangen sei. V. 9 f. schließlich verdeutlichen den entehrenden, strafenden Charakter von des Königs Tod, indem sie das „Aufheben“ (‫ )נשא‬seines Hauptes durch die Philister, womit in der Vorlage mutmaßlich ein Umdrehen des Leichnams zum Zwecke der Identifizierung gemeint war, als Enthauptung verstehen und den abgetrennten „Schädel“ (‫ )גלגלת‬in den Dagontempel verbringen lassen. Dieser Erzählzug wiederum führte zu einer mehrfachen literarischen Rückkopplung in die Samuelrolle, in Form von I Sam 17,54, in Form der Änderung von „aufheben“ (‫ )נשא‬in „abschneiden“ (‫ )כרת‬in I Sam 31,9, womöglich, aber das ist schwer zu entscheiden, auch in Form der Episode von der Lade im Tempel Dagons in I Sam 5. Auch das Auslassen der Notiz über die Verbrennung der Leichname von Saul und seinen Söhnen durch die Männer von Jabesch Gilead in I Chr 10,12 gegenüber I Sam 31,12 f. könnte vor dem Hintergrund der Deutung von I Chr 10,13 f. und dem Schicksal des königlichen Hauptes verstanden werden. Demnach hätten es die Chronisten vermieden davon zu berichten, daß dem König bei seiner Bestattung durch die Jabeschiten tatsächlich königliche Ehren erwiesen worden wären. Bereits die Interpretation der Handlung in I Sam 31,12 f. ist indes mit derart großen Unsicherheiten behaftet, daß in diesem Punkt eine Entscheidung nur unter größtem Vorbehalt getroffen werden kann.

3.3 Saul in I Chr – Zusammenfassung

113

Wie schon die Untersuchung zur Rezeption der Saulüberlieferung bei Sirach, in 4Q252, bei Pseudo-Philo, Josephus und nun in der Chronik gezeigt hat, ist die Deutung von Sauls Tod zentral für das Bild, das von seinem Leben und Wirken in der jeweiligen Schrift entworfen wird. So legt es sich nahe, auch mit der Untersuchung seiner Entwicklung im Kontext der Samuelrolle mit der Darstellung seines Todes einzusetzen. Näher betrachtet handelt es sich dabei nicht um eine, sondern um mehrere.

4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende 4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1 4.1.1 Gilboa – Eine Ellipse mit zwei Brennpunkten Saul fällt im Kampf gegen die Philister in I Sam 31,4 im Kreis seiner Söhne und Getreuen. Und ebensowenig wie der Tod des Königs ein isoliertes Ereignis im Zusammenhang der Erzählung ist, in deren Zentrum er steht, ist auch diese selbst im weiteren Kontext der Samuelrolle isoliert. Gilboa hat eine Vor‑ ebenso wie eine Nachgeschichte. Im weiteren Sinne ließe sich die erstere über das ganze erste Samuelbuch spannen. Ohne weiteres könnte man sie bereits mit der Suche des benjaminitischen Jünglings nach seines Vaters Eselinnen in I Sam 9 oder gar mit Israels Wunsch nach einem König in I Sam 8 beginnen lassen. Dies entspräche dann völlig der Art und Weise, auf die Pseudo-Philo das erste Samuelbuch gelesen und in LibAnt neu geschrieben hat.1 Äquivalent dazu ließen sich mit Davids Krönung nicht nur das ganze zweite Samuelbuch, sondern auch beide Königebücher als Nachgeschichte dieses Ereignisses verstehen: Ohne Tod Sauls keine Krönung Davids, ohne Königtum Davids keine Geschichte der Davididen bis zur Begnadigung Jojachins. Zumindest auf der Ebene des Endtextes von Sam– Reg kann die Geschichte Israels in der Königszeit in diesem Sinne verstanden werden. Auch diese Sichtweise ist belegt: Die Endgestalt der Chronik kommt einer derartigen Geschichtsauffassung sehr nahe. Saul stirbt, damit David leben, herrschen und sich um Lade und Tempel kümmern kann. Der Übergang vom ersten zum zweiten Samuelbuch markiert damit eine entscheidende Zäsur. Hier laufen die Schicksale Sauls und Davids endgültig zusammen. „The Crossing Fates“, Fokkelmans Überschrift über seinen Kommentar zu I Sam 13–II Sam 1 insgesamt,2 könnte daher auch allein für den Textbereich um die heutige Grenze der beiden Samuelbücher stehen. Im engeren Sinne läßt sich freilich der Kreis, in dessen Zentrum Gilboa liegt, mit deutlich kleinerem Radius ziehen. Er beschreibt den Raum, in dem die an der dargestellten Krise beteiligten Akteure zusammengeführt und wieder getrennt 1 Vgl. 2 Vgl.

oben S. 47–49. Fokkelman, Crossing Fates.

4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1

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werden. Für die Weichenstellung hin zur davidischen Herrschaft über Israel sind dies drei: der bisherige König, Saul, sein Nachfolger, David, und schließlich die Philister, deren Rolle als Katalysator des Regierungswechsels keine geringe ist. Gerade das Auf‑ und Abtreten der Letztgenannten ermöglicht es schön, den genannten Bereich abzustecken. So dominant sie im ersten Samuelbuch insgesamt auch erscheinen mögen, so sind sie doch keineswegs ständig auf der Bühne der Ereignisse anzutreffen. Nach der Niederlage in der Goliathschlacht von I Sam 17 und ihrer Nachgeschichte in Kapitel 18 erscheinen sie zwar in I Sam 27 als Lehnsherren für den flüchtigen Warlord David, als Feinde Israels spielen sie indes erst einmal und über eine längere Zeit hinweg keine Rolle mehr.3 Das ist auch kein Wunder, geht es doch in diesem Teil des ersten Samuelbuches zuallererst um die Auseinandersetzung der beiden Hauptakteure, David und Saul miteinander. Die Beobachtung verdient es dennoch, festgehalten zu werden. Mit I Sam 28,1 ändert sich dann die Lage. Die Philister sammeln ihr Heer, um mit Israel zu kämpfen; das gab es zuletzt in 17,1 (und davor in 13,5).4 Hier ziehen gewissermaßen die Gewitterwolken herauf, die sich drei Kapitel später entladen werden. 29,1 erwähnt den Umstand des Aufmarschs erneut, und 29,11 läßt die Philister nach Jesreel hinaufziehen – jetzt sind sie an Ort und Stelle für das Finale, das mit I Sam 31,1 eingeleitet wird. So sorgfältig wie sie an den Ort des Geschehens herangeführt werden, so gründlich sind die Philister indes nach vollbrachter Tat verschwunden. Zu Beginn von II Sam spielen sie überhaupt keine Rolle, bis sie nach Davids Krönung und seiner Einnahme von Jerusalem in II Sam 5,17 offenbar erneut ihr Haupt erheben, diesmal jedoch nicht zum Sieg, sondern um gründlich geschlagen zu werden. Der Abschnitt I Sam 28–II Sam 5 ist somit durch Auf‑ und Abtreten der philistäischen Heeresmacht markiert. Der erste, der nun in Kapitel 28 von diesem Aufmarsch des philistäischen Heeres erfährt, ist David, der in 28,1 f. mit seinen Getreuen durch seinen Herrn, Achisch von Gat, ebenfalls einberufen und von diesem in 28,2 zu nicht weniger 3 Entsprechend begegnen „Israel“ als Volk und „die Philister“ nach I Sam 17,53 erst wieder in 28,1 gemeinsam im gleichen Vers. 4 Vgl. I Sam 28,1: „Und in jenen Tagen sammelten die Philister ihr Heer zum Krieg, um gegen Israel zu kämpfen“ (‫ )ויהי בימים ההם ויקבצו פלשתים את־מחניהם לצבא להלחם בישראל‬mit 17,1: „Und die Philister versammelten ihr Heer zum Kampf“ (‫ )ויאספו פלשתים את־מחניהם למלחמה‬und 13,5: „Und die Philister versammelten sich, um mit Israel zu kämpfen“ (‫ופלשתים נאספו להלחם עם־‬ ‫)ישראל‬. Vgl. sonst nur noch II Sam 23,9.11; I Chr 11,13; I Sam 28,4; 29,1 für das „Versammeln“ der Philister mit ‫ אסף‬bzw. ‫קבץ‬ – und I Sam 4,1LXX in einem Plus gegenüber der MT-Fassung, die dadurch nicht wie MT von einem Angriffskrieg Samuels, sondern von einer Defensivreaktion Israels berichtet (vgl. Pisano, Additions or Omissions, 33 f.) – McCarter denkt freilich an eine „long haplography“ (McCarter I Samuel, 103) seitens MT (vgl. auch Dietrich, 1Sam 1–12, 199: „Vermutlich hat umgekehrt M gekürzt […] – sei es willentlich […], sei es versehentlich, infolge von Homoioarkton“). Trebolle beurteilt LXX‑ wie MT-Fassung als jeweils unterschiedliche Verknüpfungen der Kapitel 3 und 4 (vgl. Trebolle, Textual Criticism, 269–272).

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

als zum „Bewahrer für mein Haupt“ (‫)שמר לראשי‬, also zu seinem Leibwächter, eingesetzt wird. Mit Blick auf die Art und Weise, wie sich David in einem anderen Fall, bei Goliath, um ein Philisterhaupt gekümmert hat, erscheint dieser Vertrauensbeweis als kaum zu überbieten. 28,4 bringt nun mit den sich versammelnden Philistern auch Saul ins Spiel. Er reagiert auf die feindliche Bedrohung mit der Mobilmachung Israels und geht auf Gilboa in Stellung. So sind nun alle drei Akteure miteinander auf dem Plan, und ihr unmittelbar bevorstehendes Zusammentreffen erscheint beinahe als zwangsläufig. Zur tatsächlichen Begegnung kommt es allerdings bekanntlich zu Sauls Lebzeiten nicht mehr. Beide Erzählstränge werden tunlichst getrennt weiterverfolgt. So ist das weitere Kapitel 28 ausschließlich mit Saul und seiner nekromantischen Erfahrung vor der Schlacht beschäftigt  – der Name seines Rivalen wird nicht einmal genannt. Noch weniger haben es die Kapitel 29 und 30 im Sinn, die beiden Gegenspieler zusammenzuführen, im Gegenteil. Die Szenerie wechselt. Vom Heerlager Israels springt der Erzähler zurück auf die andere Seite, zu den Philistern. Deren „Fürsten“ (‫סרני פלשתים‬, 29,2)5 bzw. ihre „Obersten“ (‫שרי פלשתים‬, 29,3) schätzen die Zuverlässigkeit von Achischs frisch ernanntem Leibgardisten weniger zuversichtlich ein als dieser, und so wird David von der bevorstehenden Schlacht suspendiert und nach Hause geschickt. Dort, so weiß Kapitel 30, in Ziklag, ist er dann mit den Amalekitern im Negev (erfolgreich) beschäftigt. Vom Geschehen auf der weit nördlich gelegenen Anhöhe Gilboa ist er damit so weit entfernt, wie es nur irgend möglich ist und hat, was mögliche Verdachtsmomente mit Blick auf den Tod seines späteren Vorgängers betrifft, ein perfektes und unumstößliches Alibi. Kapitel 31 ist dagegen wieder ganz bei Saul und greift den Faden dort auf, wo er in Kapitel 28 abgelegt worden war: auf Gilboa. So ausführlich von der Mobilisierung der Philister und ihrem Marsch in den Krieg die Rede gewesen war, so wenig erfährt man nun über den Beginn der Feindseligkeiten. Mit 31,1 befindet man sich mitten in der Schlacht, und deren Ausgang ist längst entschieden: Das erste, was man über ihren Verlauf erfährt, ist bereits, daß „die Männer Israels flohen“ (‫)וינסו אנשי ישראל‬. Der Tod der Mitglieder des Königshauses stellt lediglich den letzten, wenn auch offenbar wichtigsten Akt der Niederlage dar. So verfolgt der Leser über drei Verse hinweg, wie der Tod näher und immer näher an Saul heranrückt, ehe er ihn in V. 4 schließlich erreicht: Zunächst, in V. 2, fassen die Philister ihr Ziel, „Saul und seine Söhne“ (‫ )את־שאול ואת־בניו‬ins Auge und 5 Hinter dem Wort ‫ סרן‬verbirgt sich, wie wohl Klostermann erstmalig vermutete womöglich der griechische τύραννος (vgl. Klostermann, Bücher Samuelis und der Könige, 17; Knauf, Umwelt, 108 f.; vgl. auch Gesenius18, 903; detailliert Pintore, Seren, Tarwanis, Tyrannos), und dieses Wort „betritt […] erstmals im 7 Jh. v. Chr. die Bühne“ (Porzig, Lade, 157). Schunck dagegen findet die Wurzel auch im Ugaritischen (s/śrn, vgl. HALAT, 727) und hält das Wort ‫ סרן‬für „semit. Ursprungs“ (Schunck, Art. ‫סרן‬, 956).

4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1

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töten die Letztgenannten, identifiziert als Jonatan, Abinadab und Malkischua. Anschließend, in V. 3, gerät der König selbst ins Fadenkreuz. Er wird zum Ziel der Bogenschützen und von diesen schwer verwundet.6 In dieser aussichtslosen Situation bittet er nun in V. 4 seinen Waffenträger um den Gnadenstoß, um nicht lebend „diesen Unbeschnittenen“ (‫)הערלים האלה‬7 in die Hände zu fallen. Der jedoch weist dieses Ansinnen zurück, woraufhin sich Saul in sein Schwert stürzt. Sein Knappe lebt gerade noch lange genug, um in V. 5 den Tod seines Herrn feststellen zu können,8 dann folgt er dessen Vorbild und begeht ebenfalls Suizid. V. 6 zieht das Resümee des Tages: Saul, seine Söhne und sein Waffenträger9 fanden den Tod. So beginnt mit 31,7 das Nachspiel, wobei mit der Veränderung der Besiedelungsstrukturen im Gefolge der Schlacht zunächst einmal Vorgänge in den Blick kommen, die im Erzählkontext einen eigenartigen zeitlichen Vorgriff auf langfristige Auswirkungen bedeuten, ehe sich V. 8 den wesentlich näherliegenden Folgen zuwendet: „die übliche Auszahlung der Rendite eines Sieges in der kleinen Münze der Plünderung“10 „am nächsten Morgen“ (‫)ממחרת‬. Die Philister berauben den König seiner Rüstung und stellen seinen und die Leichname seiner Söhne an der Stadtmauer von Bet-Schean aufgehängt zur Schau,11 von wo die Einwohner von Jabesch Gilead sie des Nachts entwenden und in Jabesch einer ehrenvollen Bestattung zuführen.  6 Die Verwundung Sauls durch die Bogenschützen folgt der Lesart von LXX („er wurde im Unterleib verwundet“ [ἐτραυματίσθη εἰς τὰ ὑποχόνδρια]), Vg. („er wurde schwer verletzt“ [vulneratus est vehementer]) und VL nach L93 und L94 („er wurde verwundet in jenem Treffen“ [sauciatus est in congressione illa]), die auch von Josephus belegt wird (vgl. Ant 6,370: „viele Wunden empfangend“ [πολλὰ τραύματα λαβών]). Dafür ist die Verbform ‫ ויחל‬entweder von ‫ חלה‬oder aber, eher, als ein (sonst nicht belegter) Nifal von ‫חלל‬, „durchbohren“, abzuleiten und ‫ וַּיִחַל‬zu vokalisieren. Die Masoreten indes haben hier ‫ וַּיָחֶל‬punktiert. Sie lesen nach der Wurzel ‫ חול‬oder ‫חיל‬, „und er erbebte“ (vgl. TJon ‫)ודחיל‬. Der Unterschied ist klein, aber fein. Es ist nicht von einer Verwundung die Rede, sondern von des Königs Angst: „[E]r geriet in lähmende Furcht“, übersetzt Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 520. Ich halte die masoretische Lesart für die jüngere (pace Wellhausen, Text, 147, der die angenommene Vorlage von LXX für „unhebräisch“ [ebd.] hält). In ihr zeigt sich eine pejorative Tendenz, wie sie bei Pseudo-Philo dann ausgearbeitet greifbar wird: Sein Saul flieht nicht nur bei der ersten Begegnung mit Goliath in LibAnt 54,4 – auch den Freitod sucht er aus Resignation; von einer Verwundung oder auch nur Beteiligung am Kampfgeschehen ist keine Rede (vgl. LibAnt 65,1); zur textkritischen Beurteilung von I Sam 31,3 vgl. Bezzel, Unterschiede, 135 f.; anders: A. Fischer, Hebron, 28, der umgekehrt die LXX-Lesart als „auslegende Änderung des hebräischen Textes“ ansieht.  7 Die von Josephus hier wie bei seiner Wiedergabe von I Sam 17 bewußt beiseitegelassene Abwertung der Philister (vgl. oben S. 63) als „unbeschnitten“ (‫ )ערל‬ist nicht übermäßig häufig. Neben I Sam 31,4 (und I Chr 10,4) findet sie sich noch bei Simson, Jdc 14,3; 15,18, und in I Sam 14,6; 17,26.36; II Sam 1,20.  8 „Und sein Waffenträger sah, daß Saul tot war“ (‫)וירא נשא־כליו כי מת שאול‬. Dieses Detail ist wichtig im Vergleich mit der Fassung, die II Sam 1 vom Geschehen gibt.  9 Zum MT-Plus gegenüber LXX „auch alle seine Männer“ (‫ )גם כל־אנשיו‬vgl. oben S. 99 f. 10 Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 529. 11 Nach der Untersuchung des Abschnitts im Vergleich mit I Chr 10 war von der Enthauptung des Königs wie in LXX zunächst nicht die Rede, vgl. oben S. 102–107.

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

II Sam 1 vollzieht nun den Schwenk zu David. Hatte I Sam 31 mit Saul an dem Ort wieder eingesetzt, an dem man ihn in Kapitel 28 zuletzt gesehen hatte, in Gilboa, so ist man mit II Sam 1 in gleicher Weise wieder bei David in Ziklag, wo man ihn I Sam 30 nach seinem Sieg über die Amalekiter zurückgelassen hat. Dort erfährt er nun am dritten Tag12 nach der Schlacht durch einen Boten von der Niederlage Israels und vom Tod Sauls wie Jonatans. Der angebliche Augenzeuge gibt sich dabei als Angehöriger eben des Volks zu erkennen, das David eben vernichtend geschlagen hat, und er liefert einen Bericht, der nicht in allen Zügen mit dem in I Sam 31 gelesenen übereinstimmt. Schließlich bekennt er, derjenige gewesen zu sein, der Saul getötet habe und überreicht zur Beglaubigung – und wohl auch in der Hoffnung auf Belohnung – dem ehemaligen Rivalen des Gefallenen die Herrschaftsinsignien, Krone (‫ )נזר‬und Armreif (‫אצעדה‬, II Sam 1,10). Der jedoch will davon nichts wissen, läßt den mutmaßlichen Totschläger unter Verweis auf die sakrosankte Würde Sauls als des „Gesalbten JHWHs“ (‫משיח‬ ‫יהוה‬, II Sam 1,14.16) hinrichten und stimmt anschließend eine Klage über die beiden Gefallenen Saul und Jonatan an, das berühmte „Bogenlied“ (V. 17–27). Die Begegnung Davids mit Saul im Zenit ihres Konfliktes, die am Ende von I Sam ausgeblieben ist, wird so über die Rückblende von II Sam 1 posthum nachgeholt. Nun ist der Konflikt zwischen beiden eigentlich entschieden, und es wäre angebracht, daß sich die verbliebenen Akteure nun wieder trennten. Die Philister, das wurde oben schon herausgestellt, treten zu diesem Zweck, um sich zu verabschieden, in Kapitel 5 extra noch einmal auf. Saul ist eigentlich schon abgetreten – und dennoch verläuft die Trennung von ihm nicht so glatt, wie es zu erwarten wäre. Bevor David in 5,3 zum „König über Israel“ gesalbt wird, muß er sich in den Kapiteln 2–4 noch mit Überlebenden des „Hauses Saul“ auseinandersetzen, unter anderem mit einem Sohn seines Vorgängers namens Isch-Boschet oder Eschbaal, der offensichtlich nicht unter den Gefallenen von Gilboa war, aber in Kapitel 4 ein ähnliches Schicksal erleidet wie diese: In 4,7 wird auch er getötet – und enthauptet.13 Seine Mörder, die das Haupt David bringen wollen, unternehmen dafür einen Nachtmarsch – genauso wie die Einwohner von Jabesch, als sie die Leichname der Sauliden bargen.14 Sie erleiden indes bei David das gleiche Schicksal wie der amalekitische Söldner von Kapitel 1 und werden für ihre vermeintliche Heldentat mit dem Tod bestraft. 12 Auch in I Sam 30,1 beginnt die Handlung (in diesem Fall Davids Ankunft in Ziklag) „am dritten Tag“ – vgl. „und als David und seine Männer am dritten Tag nach Ziklag kam“ (‫ויהי בבא‬ ‫ )דוד ואנשיו צקלג ביום השלישי‬mit „und am dritten Tag“ (‫ )ויהי ביום השלישי‬von II Sam 1,2. 13 „Und sie schlugen ihn und töteten ihn und trennten sein Haupt ab“ (‫ויכהו וימתהו ויסירו‬ ‫)את־ראשו‬ – nota bene: nicht mit ‫ כרת‬wie in I Sam 31,9! 14 Vgl. „und sie gingen die ganze Nacht“ (‫ )וילכו כל־הלילה‬I Sam 31,7 mit „und sie gingen den Weg durch die Senke, die ganze Nacht“ (‫ )וילכו דרך ערבה כל־הלילה‬II Sam 4,7. Überhaupt wird im Alten Testament ausschließlich zwischen I Sam 31,7 und II Sam 4,7 „die ganze Nacht“ marschiert, vgl. noch Abner und seine Männer in II Sam 2,29 (‫)הלכו בערבה כל הלילה‬, sowie Joab und seine Männer II Sam 2,32 (‫)וילכו כל־הלילה‬.

4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1

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Als Kreis mit dem Zentrum Gilboa waren die Ereignisse vom erneuten Auftritt der Philister in I Sam 28,1 und ihrem vorläufigen Abgang in II Sam 5,17–25 oben bezeichnet worden. Die nähere Betrachtung zeigt indes, daß sein Mittelpunkt, Gilboa, nicht einer ist, sondern zwei. Angemessener als das Bild des Kreises wäre darum womöglich das einer Ellipse mit zwei Brennpunkten. Der eine von ihnen liegt in I Sam 31 und hat den Fokus auf Saul. Der andere findet sich in II Sam 1 und ist in erster Linie an David interessiert. Das Verhältnis dieser beiden Brennpunkte zueinander gilt es im folgenden zu bestimmen. Ein wichtiger Ansatzpunkt dafür sind die bereits angedeuteten Unterschiede in den jeweiligen Darstellungen des Todes Sauls.

4.1.2 Das literarische Verhältnis von I Sam 31 zu II Sam 1 Es sind im wesentlichen vier Punkte, in denen die Version, die der amalekitische Bote von den Ereignissen auf Gilboa in II  Sam 1 gibt, von derjenigen des auktorialen Erzählers in I Sam 31 abweicht. Deren erster betrifft die feindlichen Kämpfer. Durch welche Truppenteile wird Israels König in die Enge getrieben und verwundet beziehungsweise zum Erbeben gebracht? Nach I Sam 31,3 sind es „die Schützen, Männer mit dem Bogen“ (‫)המורים אנשים בקשת‬. Der Amalekiter dagegen spricht in II Sam 1,6 davon, daß „der Wagen und die Herren der Pferde / Gespanne“ (‫)הרכב ובעלי הפרשים‬ Saul nachjagten (Wurzel ‫דבק‬, vgl. I Sam 31,2) – ungeachtet der Frage, wie militärisch sinnvoll der Einsatz von Kriegswagen auf der Höhe von Gilboa gewesen sein mag.15 Des weiteren erscheint Israels König in beiden Darstellungen unterschiedlich bewaffnet: I Sam 31 erwähnt ausschließlich sein „Schwert“ (‫החרב‬, V. 4), in das er sich schließlich stürzt, während der Bote den Bedrängten „auf seinen Speer gestützt“ (‫נשען על־חניתו‬, II Sam 1,6) gesehen haben will. Zum dritten stellt sich im Vergleich die nicht unwesentliche Frage, wer es denn letztlich war, der Saul den tödlichen Streich versetzte. Stirbt der König durch sein eigenes Schwert durch Suizid in Gegenwart seines Waffenträgers (I Sam 31,4) oder durch die Hand eines Dritten, wie es der vermeintliche Täter in II Sam 1,10 darstellt, in dessen Bericht eine weitere Person, konkret der Knappe von I Sam 31, überhaupt nicht auftaucht? Wer aus dem Königshaus schließlich findet in diesem Kampf den Tod? I Sam 31,6 nennt – neben dem Waffenträger – „Saul und seine drei Söhne“ (‫שאול ושלשת‬ ‫)בניו‬, denen in V. 2 die Namen Jonatan, Abinadab und Malkischua zugewiesen werden. In II Sam 1 ist dagegen durchgehend nur vom Tod des Königs und 15 Vgl.

dazu A. Fischer, Hebron, 25.

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

seines Erstgeborenen, Jonatan, die Rede (II Sam 1,4.5.12), und ausschließlich diese beiden werden im Bogenlied besungen (V. 17.23). Dieser bekannte und offensichtliche Befund kann nun auf unterschiedliche Weise interpretiert werden. Eine Möglichkeit besteht darin, die Erklärung in der Überlieferungsgeschichte zu suchen. Demnach seien hier zwei unterschiedliche Traditionen verarbeitet worden, die beide unabhängig voneinander vom gleichen historischen Ereignis irgendwann im zehnten Jahrhundert vor Christus berichteten, einmal aus israelitischer Perspektive (I Sam 31) und ein andermal von einem judäischen Standpunkt aus (II Sam 1).16 Diese Ansicht vertreten etwa Walter Dietrich17 und Georg Hentschel.18 Die Annahme von voneinander unabhängigen Überlieferungen über das gleiche Geschehen bieten in jedem Fall ein Modell, mit dem sich neben den Differenzen auch die Übereinstimmungen von Parallelgeschichten leicht erklären lassen. Gleichwohl stellt sich beim Vergleich von I Sam 31 und II Sam 1 die Frage, ob dies beim Tod Sauls tatsächlich der Fall ist oder ob die unleugbar bestehenden Verbindungen zwischen beiden Kapiteln nicht eher literarisch zu interpretieren sind denn historisch oder überlieferungsgeschichtlich. So schildern beide Fassungen das Ende Sauls nicht nur der Sache, sondern auch dem Wortlaut nach übereinstimmend: Der König wird verfolgt, eingeholt (Wurzel ‫ דבק‬Hifil, I Sam 31,2; II Sam 1,6) und fällt (Wurzel ‫נפל‬, I Sam 31,4; II Sam 1,10) – wie auch viele vom Heer, sofern sie nicht geflohen sind.19 Auch von Sauls Verwundung berichten beide Fassungen in einer Art, die mir eher durch direkte Bezugnahme als durch unabhängige Überlieferung erklärt werden zu können scheint. I Sam 31,3 weiß, wie oben dargelegt, mit der Form ‫ ויחל‬je nach Lesart entweder von des Königs Verwundung oder von seinem (ängstlichen) Erbeben in der Konfrontation mit den philistäischen Bogenschützen. In II Sam 1,9 nun berichtet der amalekitische Bote, Saul habe gebeten, ihn zu töten, „weil mich der ‫ שבץ‬gepackt hat.“ Dieser ‫שבץ‬, üblicherweise übersetzt mit „Krampf“ oder „Schwindel“, könnte eine erste Interpretation der Form ‫ויחל‬ 16 Vgl.

Dietrich, David, Saul und die Propheten, 24. etwa spricht von einem „Autor“ (sc. der Aufstiegsgeschichte Davids), der „es nicht als Mangel, sondern gerade als Vorteil empfunden haben [könnte] […], daß zwei Versionen von Sauls Tod vorlagen.“ (Dietrich, Frühe Königszeit, 218, Hervorhebung H. B.). An anderer Stelle präzisiert er diesen Standpunkt insofern, als er I Sam 31 gegenüber II Sam 1 „überlieferungsgeschichtlich offenkundig Priorität“ (a. a. O., 235, Hervorhebung H. B.) zuweist. Zugleich schreibt er freilich auch, bei I Sam 29 und II Sam 1 „scheint es sich um konstruierte Erzählungen, nicht um alte Einzelüberlieferungen zu handeln“ (a. a. O., 249). Während er an der ersten Stelle so klingt, als gehe er von zwei separat überlieferten Fassungen aus, scheinen doch die späteren Aussagen im gleichen Werk diesen Standpunkt eher dergestalt zu modifizieren, daß II Sam 1 mehr und mehr als literarische Entwicklung aus I Sam 31 verstanden wird. 18 Vgl. Hentschel, 2 Samuel, 5; ders., Saul, 200; ders., Saul und das deuteronomistische Geschichtswerk, 220. 19 Vgl. die Kombination der Wurzeln „kämpfen“ (‫)לחם‬, „fallen“ (‫ )נפל‬und „fliehen“ (‫ )נוס‬in I Sam 31,1 und II Sam 1,4. 17 Dietrich

4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1

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darstellen, die beide in ihr liegenden Möglichkeiten der Deutung in sich vereint. Freilich ist dies mehr als unsicher, ist doch ‫ שבץ‬selbst wieder ein hapax legomenon und stellt seit der Antike keine geringere crux als die Verbform dar, die es nach dieser Deutung erklären sollte.20 Mag diese letztgenannte mögliche Verbindung auch mit einigen Unsicherheiten behaftet sein, so läßt sich die folgende kaum als direkte literarische Bezugnahme bezweifeln. Sie betrifft das Motiv der Furcht angesichts von Sauls Verlangen nach Tötung und ist antithetisch konstruiert. Während der Waffenträger von I Sam 31,4 davor zurückschreckt, den Befehl seines Herrn auszuführen, „weil er sich sehr fürchtete“ (‫)כי ירא מאד‬, hat der Amalekiter offenbar weniger Skrupel – und dies ist es, was ihm von David in II Sam 1,14 zum Vorwurf gemacht wird: „Wie konntest du dich nicht fürchten?“ (‫)איך לא יראת‬.21 Freilich liegen diese Bezüge keineswegs notwendigerweise auf der gleichen literarischen Ebene und ließen sich auch der Arbeit späterer Redaktoren zuweisen. Der Lackmustest für die Annahme zweier unabhängiger Überlieferungen besteht dann jedoch darin, zu fragen, ob beide Geschichten ohne die sie verbindenden Elemente für sich genommen erzähl‑ und verstehbar sind. Dies ist meiner Meinung nach für die Fassung von II Sam 1 nicht der Fall.22 Denn unabhängig davon, in welchem Bestandteil von II Sam 1 man die erhaltenen Traditionselemente vermutet, wird man die Geschichte nur dann verstehen, wenn man weiß, wer in der Schlacht, aus welcher der Bote entronnen zu sein vorgibt, überhaupt gegeneinander kämpfte, wo dies geschah und warum David davon nichts wußte. Der Name „Philister“ fällt indes im Kapitel nicht vor dem Bogenlied (II Sam 1,20), und „Gilboa“ wird in V. 6 eher beiläufig erwähnt. Davids Abwesenheit (mit der Ortsangabe Ziklag in V. 1, die den Abschnitt an I Sam 30 rückbindet oder ohne sie) versteht man überhaupt nur, wenn man die vorangegangenen Kapitel kennt, aus denen auch die nötigen Informationen über die Aufmärsche des israelitischen wie des philistäischen Heeres zu beziehen sind. Aus diesen Gründen erscheint mir die These, I Sam 31 und II Sam 1 basierten auf voneinander unabhängigen Überlieferungen, nicht überzeugend zu sein. Unbenommen davon bleibt der Unterschied der jeweiligen Perspektive als wichtige Beobachtung festzuhalten. In der Tat spielt David in I Sam 31 keine Rolle, während in II Sam 1 der Fokus ganz auf ihm liegt. 20 So spricht LXX von „schrecklicher Finsternis“ (σκότος δεινόν), Aquila dagegen vom „Krampf“ (σφιγκτηρ, vgl. Brooke / McLean / Thackeray, I and II Samuel, 107), TJon schließlich vom „Zittern“ (‫)רתיתא‬, Vg. von der „Angst“ (angustiae) vgl. zum Problem Stoebe, Das zweite Buch Samuelis, 85, der sich nach gründlicher Diskussion für das Setzen dreier Punkte entscheidet (vgl. a. a. O., 84). 21 Vgl. Bar-Efrat, Death of King Saul, 277. 22 Pace Lehnart, welcher der Auffassung ist, „dass 2 Sam 1 ohne Kenntnis von 1 Sam 31 in sich voll verständlich ist“ (Lehnart, Prophet und König, 104) und „unabhängige[] Tradition“ (ebd.) annimmt.

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

Ein zweiter Vorschlag argumentiert nun formkritisch und geht von der Ursprünglichkeit der Abfolge von I Sam 31 und II Sam 1 aus, sei es, daß er auf der Ebene einer Grundschicht angenommen wird, sei es, daß ausschließlich mit diesem Zusammenhang in seiner jetzigen Gestalt gearbeitet wird. Die Differenzen erklären sich dann aus den unterschiedlichen Gattungen der jeweiligen Texte: Ein auktorialer Erzähler legt Wert auf andere Dinge als ein Augenzeuge in einem Selbstbericht. Alexander Fischer etwa plädiert dafür, in einer Grundschicht von II Sam 1 die ursprüngliche Fortsetzung von I Sam 31,1–723 zu sehen. Sein Hauptargument dafür ist der Vergleich von II Sam 1,3 f. mit dem Botenbericht, der in I Sam 4,16 f. nach der verlorenen Ladeschlacht gegeben wird. Die in der Tat hervorstechenden Parallelen zwischen beiden Stücken erklärt er formkritisch mit „einer literarischen Konvention, die sich an die Gattung der Schlachtberichte in Kriegserzählungen anlehnt“.24 Auf diesem Weg rekonstruiert er eine Grundschicht, von II Sam 1, die V. 1aα.2aα2βγ.3–4.11.12*.17.18aα(‫)ויאמר‬.19–27 umfaßt:25 Nach dem Tod Sauls kommt ein derangierter „Mann“ (‫איש‬, V. 2)26 zu David, der sich auf Nachfrage hin als aus dem Lager Sauls kommend ausweist und nach erneuter Anrede die Nachricht von der Niederlage Israels sowie dem Tod Sauls und Jonatans überbringt. David reagiert (V. 11) mit Klagen und Weinen und stimmt anschließend das Bogenlied an. Es fällt auf: Die gesamte zweite Schilderung des Todes Sauls wird auf diese Weise literarkritisch ausgeschieden. Der Bote berichtet in Fischers Grundschicht nicht, wie Saul und Jonatan starben, sondern nur die Tatsache ihres Todes. Drei der vier oben aufgeführten Spannungen zwischen I Sam 31 und II Sam 1 fallen somit auf dieser Ebene weg, und man kann kaum noch von einer Doppelung der Berichte zu Sauls Tod sprechen. Die literarkritischen Argumente, die zu Fischers Analyse führen, sind gewichtig  – auch wenn man seinen Ausgangspunkt, die Beziehung zwischen I Sam 4 und II Sam 1, anders interpretiert als er es unternimmt und die These von der gemeinsamen Gattung „Schlachtbericht“ mit dem Formelement des knapp entronnenen Boten kritisch betrachtet. Die „Annahme literarischer Abhängigkeit“,27 die von Fischer kategorisch abgelehnt wird, ist womöglich doch so abwegig nicht.28 23 Warum von Fischer allerdings ausgerechnet der schwer einzuordnende Vers I Sam 31,7 zur Grundschicht dieses Kapitels gezählt wird, bleibt offen. 24 A. Fischer, Hebron, 18; vgl. in diesem Sinne auch McCarter, II Samuel, 58; Anderson, 2 Samuel, 7. 25 Vgl. A. Fischer, Hebron, 18–23.334 f. 26 Völlig zurecht betont Fischer den Unterschied, daß in V. 2 ein „Mann“ auftritt, der den Eindruck erweckt, zu den israelitischen Soldaten zu gehören, während ab V. 5 nur noch von einem „Knaben“ oder „Knecht“ (‫ )נער‬die Rede ist, der sich noch dazu als Amalekiter zu erkennen gibt (vgl. a. a. O., 20). 27 A. a. O., 18. 28 Wörtliche Entsprechungen wie die Beschreibung des jeweiligen Boten als eines Mannes

4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1

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Offen bleibt in Fischers Modell schließlich die Frage, warum die beiden anderen königlichen Gefallenen im Bericht des Boten keine Erwähnung finden. Dieser Punkt ließe sich freilich erzählpragmatisch erklären: Der Melder referiert die Daten, die ihm für seinen Adressaten von besonderem Interesse zu sein scheinen, und das wäre bei David neben dem Ende des Königs noch der Tod desjenigen Prinzen, der ihm und dem er besonders verbunden gewesen war. Dies wiederum wäre allerdings nur dann sinnvoll, wenn der Leser der entsprechenden Passage entweder bereits von einer derartigen speziellen David-Jonatan-Beziehung weiß oder aber zumindest Geschichten (wie diejenige in I Sam 14) kennt, die dem Kronprinz besonderes Augenmerk schenken. Auch Fischers Grundschicht in ihrem Minimalbestand setzt eines von beidem also bereits literarisch voraus. Das mag zunächst banal klingen, und in Fischers Konzept ist damit auch kein Problem verbunden: Er bewertet das gesamte „zum älteren Bericht gehörende Leichenlied“29 in V. 19–27, das ebenfalls nur von Saul und Jonatan spricht und in V. 26 des letzteren und Davids Liebe besingt, relativ unbesehen als Traditionsstück. Nach jüngeren Untersuchungen zur sogenannten Aufstiegsgeschichte Davids ist es jedoch keineswegs mehr eine Selbstverständlichkeit, die besondere Freundschaft zwischen dem jüngsten Sohn Isais und dem ältesten Sohn Sauls als Bestandteil der älteren Überlieferung zu betrachten. Nach Kratz’ Analyse etwa ist die „intime Freundschaft zwischen David und dem Sohn Sauls, Jonatan […] überall nachträglich aufgesetzt“30 – wie es um den Prinzen in I Sam 14 steht, wird sich unten erweisen.31 Mit der narrativen Strategie des Erzählers argumentieren naturgemäß auch diejenigen Ausleger, die sich der Endfassung beider Kapitel zuwenden und literarkritische Differenzierungen generell als passé und Methode einer lange vergangenen Vorzeit „a generation ago“32 ansehen. Die vermutlich älteste Erklärung für die Unterschiede der beiden Darstellungen von Sauls Tod ist dann, der

„mit zerrissenen Kleidern und Erde auf seinem Haupt“ (‫ובגדיו קרעים ואדמה על־ראשו‬, II Sam 1,2, vgl. ‫ומדיו קרעים ואדמה על־ראשו‬, I Sam 4,12) könnten doch eher auf eine direkte literarische Beziehung hindeuten. Eine solche nimmt etwa Porzig an: „2Sam 1,1–4 verwendete die Szene aus 1Sam 4,12.16 f.“ (Porzig, Lade, 138, n. 168). 29 A. Fischer, Hebron, 35. 30 Kratz, Komposition, 184; auch in der Untersuchung Heinrichs gibt es in der Grundschicht noch keine Beziehung zwischen den beiden (vgl. Heinrich, David und Klio, 193–195; 352). Von dieser Erkenntnis herkommend wäre auch das „Bogenlied“ einer erneuten kritischen Untersuchung zuzuführen, das im Allgemeinen als ein „altüberlieferte[s] Trauerlied“ (Dietrich, Königszeit, 249) angesehen wird, das „in einer eigenen Liedersammlung aufgezeichnet“ (ebd.) war. Die Quellenangabe mit ihrem Verweis auf das „Buch des Aufrechten“ sollte, wie auch bei Jos 10,13, indes nicht vorschnell als Ausweis hohen Alters gewertet werden (vgl. Kaiser, König Saul II, 12 f.). 31 Vgl. unten S. 208–228. 32 Green, How Are the Mighty Fallen, 436.

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

Amalekiter, „dieses unsaubere[] Subjekt[]“,33 habe schlicht gelogen.34 Bar Efrat wählt freilich einen anderen Weg. Sein Ansatz ist es darzulegen, daß die vermeintlichen Gegensätze bei Lichte betrachtet gar keine seien. So widersprächen etwa die Bogenschützen des ersten schlicht deswegen nicht den Kriegswagen des zweiten Berichtes, da ein Teil von deren Besatzung entsprechend bewaffnet gewesen sein dürfte.35 Selbst der Umstand, daß Saul nach I Sam 31,4 durch Suizid, nach II Sam 1,10 aber durch die Hand des Amalekiters stirbt, müsse demnach nicht irritieren. Demnach habe Saul nach seinem Sturz noch gelebt, und das Werk des Fremden sei es gewesen, ihm den Gnadenstoß zu versetzen. Bar-Efrat führt hierfür die Unterscheidung von ‫ מות‬Hifil, „jemandes Tod verursachen“ und ‫ מות‬Polel, „jemand endgültig töten“ (II Sam 1,10) ins Feld.36 Er verweist dafür auf die in der Tat interessante Parallele von Abimelechs Tod in Jdc 9. Dieser bittet, vom Mühlstein bereits tödlich getroffen, seinen Waffenträger ebenfalls, ihn zu töten (‫מותתני‬, Jdc 9,54).37 Auf diese Weise kommt Bar-Efrats 33 Dietrich,

Frühe Königszeit, 249. aus neuerer Zeit Hertzberg, Samuelbücher, 194; Fokkelman, Crossing Fates, 640; Hentschel, 2 Samuel, 5; kritisch dieser Deutung gegenüber: Stoebe, Das zweite Buch Samuelis, 88. 35 Vgl. auch Hentschel, 2 Samuel, 6. 36 Vgl. Bar-Efrat, Death of King Saul, 272–279; ders., Das Zweite Buch Samuel, 9 f. 37 Abimelechs Tod ist nicht zuletzt deswegen interessant, weil seine Darstellung in Jdc 9 sowohl zu I Sam 31 als auch zu II Sam 1 Parallelen aufweist. Abimelech bittet seinen Waffenträger mit den gleichen Worten und mit der gleichen Begründung um den Tod wie Saul nach I Sam 31: „Zieh dein Schwert […], damit nicht“ (‫שלף חרבך […] פן‬, Jdc 9,54; I Sam 31,4). Doch im Falle Abimelechs erfüllt der Diener die Bitte seines Herrn, eher wie es der Amalekiter von II Sam 1 von sich behauptet, und der Imperativ von Jdc 9,54 entspricht dem von II Sam 1,9, „töte mich“ (‫)מותתני‬, nicht dem von I Sam 31,4, „durchbohre mich“ (‫)דקרני‬. Gleichwohl ist es diese Wurzel, ‫דקר‬, die bei der Ausführung im Falle Abimelechs zur Anwendung kommt: „und er durchbohrte ihn“ (‫וידקרהו‬, Jdc 9,54 – vgl. „und ich tötete ihn“, ‫ואמתתהו‬, II Sam 1,10). Gewöhnlich – und wohl völlig zurecht – sieht man in dem Vers Jdc 9,54, das ursprüngliche Ende der Abimelecherzählung (vgl. etwa U. Becker, Richterzeit, 205; Würthwein, Abimelech, 20; Gross, Richter, 494 [mit anderer Abgrenzung des Grundbestands als Becker]). Des weiteren pflegt man ihn in diesem Zusammenhang als literarisch einheitlich zu behandeln. Dies erscheint mir indes angesichts der Parallele zu I Sam 31 wie II Sam 1 fraglich, auch wenn zu berücksichtigen ist, daß man es hier mit einem „konventionellen Erzählmotiv“ zu tun hat (A. Fischer, Hebron, 26. Bei seinen Vergleichsstellen ist der Hinweis auf die Annalen Assurbanipals hilfreich, der auf Jdc 8,21; I Sam 22,17 m. E. weniger). Bei näherer Betrachtung fällt auf, daß der Dialog Abimelechs mit seinem Waffenträger insofern aus dem Kontext heraussticht, als es der einzige Vers des Abschnitts 9,46–54 aus dem „Erzählungskranz“ (U. Becker, Richterzeit, 205) ist, dessen (neues!) Subjekt nicht direkt im Anschluß an das Prädikat namentlich genannt wird, und zwar sowohl am Beginn des Verses (zerschmettert wird am Ende von V. 53 „sein Schädel“ [‫]גלגלתו‬, aber direkt im Anschluß ruft „er“ [‫)]ויקרא‬, als auch an seinem Ende (es durchbohrt ihn „sein Knabe“ [‫]נערו‬, worauf „er“ stirbt [‫)]וימת‬. Ich halte es daher für durchaus denkbar, daß Abimelech ursprünglich unmittelbar in Folge des letalen Mühlsteinwurfs starb (‫ותרץ את־גלגלתו‬ ‫)וימת‬. Angelehnt an sowohl I Sam 31 wie II Sam 1 wurde später der Dialog mit dem Waffenträger und die Tötung auf Verlangen eingeschoben. Abimelech, der erste König aus dem Norden ante tempus, wird so durch sein Ende mit Saul, dem zweiten König aus dem Norden, der bei Pseudo-Philo für Israel der König ante tempus sein wird, gleichgestellt. 34 Vgl.

4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1

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Auslegung der Harmonisierung beider Berichte erstaunlich nahe, die bereits von Josephus und Pseudo-Philo vorgenommen wurde.38 Dies zeigt, daß man, wenn man will, den Zusammenhang derart verstehen kann, aber es heißt nicht, daß er primär so verstanden werden sollte. Dagegen spricht immerhin massiv die plausible Annahme, daß sich der Waffenträger in I Sam 31,5 tatsächlich erst nach dem tatsächlichen Tod seines Herrn selbst ins Schwert stürzt und nicht schon zu einem Zeitpunkt, zu dem er ihn lediglich tödlich getroffen am Boden liegen sieht und es durchaus noch möglich wäre, daß des Königs schlimme Befürchtungen hinsichtlich seiner Behandlung durch die Feinde wahr werden könnten. Des Knappen Suizid wäre sonst nicht das Zeugnis ultimativer Treue, als das er in I Sam 31,5 erscheint und wohl auch erscheinen soll. V. 6 schließlich stellt definitiv den bereits eingetretenen Tod aller Personen fest, die bisher im Kampfgeschehen namentlich aufgeführt worden waren. Gerade aber dieser dreifache Befund, daß erstens die Differenzen zwischen beiden Versionen wirkliche und nicht nur scheinbare sind, die sich zweitens aber gleichwohl, wenn man dies möchte, miteinander harmonisieren lassen, und drittens unleugbare direkte Verbindungen zwischen beiden Kapiteln bestehen, ist ein deutliches Indiz dafür, daß man es weder mit zwei unabhängigen Überlieferungen noch mit einem ursprünglichen literarischen Zusammenhang zu tun hat. Das Verhältnis ist vielmehr das einer direkten literarischen Abhängigkeit. Eine der beiden Fassungen wurde auf Grundlage der anderen geschrieben, um einen neuen Aspekt am Tod Sauls zu beleuchten. Dafür gibt es, wie immer, zwei Möglichkeiten: Entweder liegt die ältere Fassung in I Sam 31 vor oder in II Sam 1. Die letztgenannte Option vertreten unter anderem Vermeylen und Adam. Letzterer meint zu I Sam 31: „Eine Grunderzählung in *1–6 entstand unter Kenntnis von 2Sam 1 als Variante und wurde erweitert“39 – unklar bleibt indes die Motivation für deren Abfassung. Desgleichen erhebt sich der Einwand, der bereits gegen die Annahme zweier selbständiger Überlieferungen ins Feld geführt wurde: Nicht beide Fassungen sind in der Lage, als Erzählung für sich allein zu stehen. Dies vermag einzig I Sam 31. Bereits Wellhausen erkennt: „Das letztere Kapitel ist als Schluss hier ganz unentbehrlich und kann auf keine Weise durch 2. Sam. 1 ersetzt werden“.40 Ebenso, wie sich schließlich keine plausible Erklärung dafür finden läßt, warum dieses „letztere Kapitel“ als „Variante“ von II Sam 1 hätte geschrieben worden sein sollen, ist die umgekehrte Annahme sehr gut zu begründen. Es ist eigentlich schon mehrfach gesagt worden: II Sam 1 beleuchtet die Bedeutung von Gilboa für David und lenkt damit den Blick des Lesers in die Zukunft, auf 38 Vgl.

oben S. 70 f. Saul und David, 83. Ähnlich Vermeylen: „l’auteur de 1  S 31 (dans sa forme actuelle) connaît le récit de 2 S 1“ (Vermeylen, Loi, 182). 40 Wellhausen, Composition, 252. 39 Adam,

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

seine nun kommende Regentschaft. I Sam 31 ist ein Abschluß, II Sam 1 dagegen ein Anfang oder Übergang.

4.1.3 I Sam 31: Der Abschluß Diese Entscheidung zum generellen Verhältnis der beiden Kapitel zueinander schließt freilich keineswegs die Annahme aus, daß in beiden Fällen, in I Sam 31 wie in II Sam 1, durchaus mit einem gewissen literarischen Wachstum zu rechnen ist. Bereits beim ersten Durchgang durch den Text war aufgefallen, daß I Sam 31,7 aus dem Zusammenhang heraussticht.41 Er blickt voraus auf längerfristige Folgen der Schlacht von Gilboa, die – V. 1 aufgreifend – aus der Flucht der Israeliten und – an V. 5 wie V. 6 anschließend42 – aus dem Tod Sauls und seiner Söhne für die Israeliten (‫)אנשי־ישראל‬43 „jenseits der Ebene und jenseits des Jordan“ (‫ )אשר־בעבר העמק ואשר בעבר הירדן‬abgeleitet werden. Auch sie ergreifen die Flucht, woraufhin die Philister ihre Städte in Besitz nehmen. Diese „merkwürdige Notiz“44 wird gerne für einen Nachtrag gehalten,45 und ist es wohl auch – sie speist sich eindeutig aus den Formulierungen der Verse 1, 5 und 6, um einen neuen Aspekt einzutragen.46 Doch so leicht sie als ein solcher Eintrag zu erkennen ist, so schwierig ist sie zu interpretieren, sieht man in ihr nicht, wie Stoebe, ungeachtet ihres literarisch nachträglichen Charakters schlicht Tatsachen referiert und findet den Niederschlag „einer Zeit […], in der die Erinnerung an die Folgen der Niederlage noch ganz lebendig war“.47 Womöglich führt eine theologische Erklärung aber weiter als eine historische. Zentral für beide bleibt indes, welches „Jenseits des Jordan“ hier gemeint ist: die westliche Seite oder die östliche. Sieht man im Vers eine Reminiszenz an tatsächliche Machtverhältnisse im 10. Jahrhundert, so wird „jenseits“, ‫בעבר‬, westlich verstanden – denn was hätten die Philister für ein Interesse an der 41 Vgl.

oben S. 117. „und sie sahen […] daß die Männer Israels geflohen waren“ (‫ויראו […] כי־נסו אנשי‬ ‫ישראל‬, 31,7) mit „und die Männer Israels flohen“ (‫וינסו אנשי ישראל‬, 31,1), sowie „und es starb Saul und seine drei Söhne“ (‫וימת שאול ושלשת בניו‬, 31,6) sowie „und er sah […] daß Saul und seine Söhne tot waren“ (‫וירא […] כי־מת שאול ובניו‬, 31,5) mit „und daß Saul und seine Söhne tot waren“ (‫וכי־מתו שאול ובניו‬, 31,7). 43 Völlig zurecht macht Stoebe darauf aufmerksam, daß „Männer Israels“ hier, in V. 7, etwas anderes meint als in V. 1. Dort sind es die Kämpfer im Heer Sauls, hier die israelitischen Einwohner der genannten Gegend (vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 528). 44 Heinrich, David und Klio, 355. 45 Vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 528; Heinrich, David und Klio, 355. 46 Pace Fischer, der den Vers formkritisch beurteilt und als „viertes Glied zur Gattung des Schlachtberichts“ gehörend für seine Grundschicht reklamiert (vgl. A. Fischer, Hebron, 75, n. 114). 47 Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 528. 42 Vgl.

4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1

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Besiedelung des Ostjordanlandes gehabt?48 In der Tat spricht der Parallelvers I Chr 10,7 lediglich vom „ganzen Mann Israel, der in der Ebene“ (‫כל־איש ישראל‬ ‫ )אשר־בעמק‬war.49 Die Samuelfassung indes blickt vom ziemlich sicher westjordanischen Standpunkt des Erzählers mit „jenseits“ eindeutig in das Ostjordanland. Verloren geht damit nach der Schlacht auf Gilboa für Israel nicht nur die Jesreelebene, sondern auch ein Teil des Gebietes, das nach Jos 13,27 dem Stamm Gad zugesprochen worden war50 – und das bei Sauls erster feindlicher Begegnung mit den Philistern den fliehenden „Hebräern“ (‫)עברים‬51 in I Sam 13,7 noch als Rückzugsraum dienen konnte.52 Das Königtum Sauls endet also mit einer Gefährdung des seinerzeit unter Josua zugesprochenen Landbesitzes – und damit mit einer Aufgabe für David: „We are forced to look ahead for consolation to the successful and liberating Philistine wars of David described in II Sam 5:17–25“.53 Sollte diese Interpretation zutreffen, würde der Vers also bereits eine Verbindung der Saul-David-Geschichte mit dem Buch Josua voraussetzen. Mit den Nahfolgen von Sauls Niederlage, die in den Versen 8–13 ab dem „nächsten Morgen“ (‫ )ממחרת‬geschildert werden, verhält es sich, verglichen mit V. 7, genau umgekehrt: Die Geschichte von der Demütigung des königlichen Leichnams durch die Feinde und seiner letzten Ehrung durch die mutige Tat der Einwohner von Jabesch-Gilead ist leichter zu deuten als literarkritisch einzuordnen. Ihr Bogen zu I Sam 11, Sauls Rettertat gegen Nahasch, den Ammoniter, ist offensichtlich. Diese Aktion ist offenbar bei den Jabeschiten nicht vergessen, 48 Vgl.

a. a. O., 529. sieht hier die ursprüngliche Fassung, vgl. McCarter, I Samuel, 441 – Willi dagegen „Verkürzung der Vorlage durch Subtraktion“ (Willi, 1. Chronik 1,1–10,14, 329). 50 Gad bekommt dort Städte „in der Ebene“ (‫)בעמק‬, womit hier freilich die Jordansenke weiter südlich gemeint ist, sowie „das Gebiet bis zum Ende des Sees Kinneret, jenseits des Jordan im Osten“ (‫)וגבל עד־קצה ים־כנרת עבר הירדן מזרחה‬. 51 I Sam 13,7, „und die Hebräer gingen hinüber“ (‫ )ועברים עברו‬dürfte ein Wortspiel darstellen (LXX übersetzt als figura etymologica: διαβαίνοντες διέβησαν). Sonst findet sich in I Sam die Bezeichnung „Hebräer“ für die Israeliten ausschließlich im Munde oder aus der Perspektive der Philister, vgl. I Sam 4,6.9; 13,19; 14,11.21; 29,3. Ein textkritischer Sonderfall ist I Sam 13,3: Nach dem MT läßt an seinem Ende Saul ins Horn stoßen, damit „die Hebräer hören“ (‫ישמעו‬ ‫)העברים‬, während in LXX seine Botschaft ist, daß „die Knechte abgefallen sind“ (ἠθετήκασιν οἱ δοῦλοι). Gelesen wurde offenbar als Subjekt ‫ העבדים‬in Kombination mit einer Form von ‫פשע‬ oder ‫( שמט‬vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 243; Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 26) – VL nach L93 und L94 hat eine Kombination aus beidem: audiant Haebrei dereliquerunt servi. Oft behilft man sich damit, die zwei Wörter an das Ende des ersten Halbverses zu stellen und daraus die Kunde zu machen, welche die Philister hörten, gerne noch in einer Mischfassung aus griechisch und hebräisch überliefertem Text: „The Hebrews have revolted“ (McCarter, I Samuel, 224; vgl. die Lutherbibel in der Fassung von 1984). Diese eingängige Fassung wird indes von keinem antiken Textzeugen belegt. 52 Vgl. Adam, Saul und David, 67. Gegenüber einem Zusammenhang von I Sam 31,7 und I Sam 13,7a ist freilich Zurückhaltung geboten: Das Geschehen von I Sam 13 spielt wesentlich weiter südlich als I Sam 31, direkte wörtliche Verbindungen gibt es – anders als zwischen Jos 13,27 und I Sam 31,7 – nicht. 53 McCarter, I Samel, 444. 49 McCarter

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

und sie nützen die Gelegenheit, um sich im Rahmen des noch Möglichen zu revanchieren. Nötig ist diese kleine Einzelepisode für das Verständnis des Geschehens von I Sam 31 sicherlich nicht, und in der Tat ist ein guter Abschluß der Geschichte Sauls bereits mit der summarischen Notiz von V. 6 gegeben. V. 8 setzt demgegenüber erzählerisch neu ein. Heinrich beurteilt denn auch den Abschnitt 8–13 insgesamt als sekundär gegenüber V. 1–6.54 Erscheint die Einschätzung als solche nicht unplausibel, so ist doch Heinrichs Argumentation in diesem Fall schwierig: Er geht vom sekundären Charakter von II Sam 2,4b–7 aus, dem Abschnitt, in dem David vom Verhalten der Männer von Jabesch erfährt. In der Einschätzung dieses Stücks als „apologetischer Zusatz“55 folgt er Kratz. In der Tat bietet die Klammer durch die Salbung Davids durch die „Männer“ bzw. das „Haus“ Judas in V. 4a und V. 7 ein Indiz für die Annahme, das Stück könnte zwischen 2,4a und 2,8 eingeschrieben worden sein.56 Wichtig für Kratz’ Deutung ist indes, daß hierin eine Reaktion auf I Sam 31,11–13 vorliegt – Heinrich dagegen schreibt nun auch deren Vorlage, I Sam 8–13, „demselben Bearbeiter“57 zu, der beides eingetragen habe, „um einen Anlaß für Davids noble Geste zu schaffen“58. Daß jemand die ganze Geschichte um das Geschick von Sauls Leichnam samt Entehrung, Bergung und Bestattung in I Sam 31 eingetragen haben soll, nur um David einen Grund zu geben, sich zwei Kapitel später als dankbar und edelmütig zu erzeigen, erscheint mir jedoch als eher unwahrscheinlich. Kratz dagegen beurteilt nun eben nicht den ganzen Abschnitt um Sauls postmortales Geschick als Zusatz zu Kapitel 31, wohl aber V. 9b–10a,59 die von den philistäischen Freudenboten und dem Verbleib von des Königs Rüstung im Tempel der Astarte handeln. In der Tat deuten die „Götzen“ (‫ )עצביהם‬der Philister ebenso wie das „Haus der Astarte(n)“ (‫)בית עשתרות‬60 darauf hin, daß auch in diesen beiden Halbversen, welche wie V. 7 die Handlung weit über die nähere Umgebung des Geschehens ins philistäische Kerngebiet hin ausweiten, eine Glosse vorliegt. Sie spannt – ebenfalls wie V. 7, doch auf andere Art – einmal mehr den Bogen vom erfolglosen Bekämpfer der Philister, Saul, hin zu ihrem Bezwinger David: Er wird es sein, der in II Sam 5,21 „ihre Götzen“ (‫)את־עצביהם‬ erbeutet und damit bloßstellt. 54 Vgl.

Heinrich, David und Klio, 355. Kratz, Komposition, 186, n. 94. 56 In V. 4a kommen die Männer von Juda und salben David zum König über das Haus Juda (‫)ויבאו אנשי יהודה וימשחו־שם את־דוד למלך על־בית יהודה‬, in V. 7 erinnert der neue König daran: „und außerdem hat mich das Haus Juda zum König über sich gesalbt“ (‫וגם־אתי משחו בית־יהודה‬ ‫)למלך עליהם‬. 57 Heinrich, David und Klio, 355. 58 Ebd. 59 Vgl. Kratz, Komposition, 186. 60 Die Belege für ‫ עשתרת‬finden sich neben I Sam 31,9 ausschließlich in deuteronomistischer Polemik, so Jdc 2,13; 10,6; I Sam 7,3.4; 12,10; I Reg 11,5.33; II Reg 23,13. I Chr 10,10 liest „Haus ihrer Götter“ (‫)בית אלהיהם‬. 55 Vgl.

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Der in den Versen 8–13 ursprünglich erzählte Ablauf für den Morgen nach der Schlacht berichtete demnach und mit dem oben über das Geschick von Sauls Kopf Erschlossenen davon, daß die Philister die Leichname Sauls und seiner Söhne finden, den des Königs zum Zwecke der Identifizierung umdrehen,61 seiner Rüstung berauben und an der Mauer von Bet-Schean aufhängen, von wo er – mitsamt den nun wieder genannten Leichen seiner Söhne62 – von den Einwohnern Jabeschs nachts entwendet und anschließend einer ehrenvollen Bestattung zugeführt wird. Die literarische Beurteilung dieses Stücks hängt nun in erster Linie daran, wie sein Bezugstext, I  Sam 11* im Verhältnis zur Saulüberlieferung eingeschätzt wird. Mit einem Ende der Geschichte Sauls in I Sam 31,6 braucht das durch sie abgeschlossene Korpus von einem Sieg des Königs über Nahasch noch nichts gewußt zu haben – unter Einschluß der Verse 8.9a.10b–13 dagegen kannte sie eine wie auch immer geartete Fassung davon mit Sicherheit.63 Von den bisher diskutierten literarkritischen Fragen tangiert nun keine das Verhältnis des Berichts von I Sam 31 zu seiner Parallele ein Kapitel später. Beim letzten Fall, den es zu betrachten gilt, ist dies in gewisser Weise anders. Es handelt sich dabei um die Namen der Söhne Sauls, die mit ihm auf Gilboa gefallen sein sollen. I Sam 31,6 spricht davon, daß „Saul und seine drei Söhne starben“ (‫)וימת שאול ושלשת בניו‬. Aus dem, was man in den Kapiteln vor I Sam 31, genauer: in I Sam 14,49, über die königliche Familie erfahren konnte, weiß man, daß damit eigentlich die vollständige Zahl seiner männlichen Nachkommen im Blick ist: „dort hat Saul überhaupt nur drei Söhne, während hier ihrer drei, die mit in den Streit gezogen sind, fallen und doch noch einer übrig bleibt, der zu Hause gebliebene Isbaal“,64 so Wellhausen. Das Problem, das diese Rechnung 3 − 3 = 1 aufwirft, erklärt er auf der Basis der Quellentheorie: I Sam 31 habe einer anderen Überlieferung angehört als I Sam 14,49.65 Näher liegt indes eine redaktionsgeschichtliche Lösung, nicht zuletzt deshalb, weil der Widerspruch streng genommen auch innerhalb des gleichen Kapitels, zwischen 31,2 und 31,6 besteht. Denn grammatikalisch sterben in V. 6 nicht „drei der Söhne Sauls“ (aus einer unbestimmten Anzahl n), sondern determiniert „die drei Söhne Sauls“ (von dreien). Hätte man statt dessen hier die Bedeutung „3 aus n“ ausdrücken wollen, so wäre es korrekterweise notwendig gewesen, eine Konstruktion mit ‫ מן‬zu bilden oder die genannten drei näher zu bestimmen– wie etwa in I Sam 61 Vgl.

oben S. 105. nennt hier nur „den Körper seines Sohnes Jonatan“ (καὶ τὸ σῶμα Ἰωναθὰν τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ), womöglich unter dem Einfluß von II Sam 1 oder als „correction to II Sam 21:12“ (McCarter, I Samuel, 442). 63 Es sei denn, man nimmt mit Wellhausen an, daß Sauls Kampf für Jabesch „ein Ereignis der Wirklichkeit [ist], welches nicht bloss durch 1.  Sam. 11 bekannt war“ (Wellhausen, Composition, 253). 64 Ebd. 65 Vgl. ebd. 62 LXX

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

17,13.66 Dort werden „die drei ältesten Söhne Isais“ (‫( )שלשת בני־ישי הגדלים‬von den insgesamt acht aus 17,12) genannt, die mit Saul in den Krieg ziehen, im Unterschied zum „kleinsten“ (‫)הקטן‬, David (17,14)67. Ich halte es daher für wahrscheinlich, daß ursprünglich nicht nur in I Sam 31,6, sondern auch in 31,2 (nur) vom Tod der (drei) Söhne Sauls die Rede war: „Und die Philister jagten hinter Saul und seinen Söhnen her, und die Philister erschlugen […] die Söhne Sauls“.68 Mit diesen Söhnen waren keine anderen gemeint als die auch in 14,49 genannten: „Jonatan, Jischwi und Malkischua“ (‫יונתן‬ ‫)וישוי ומלכי־שוע‬. Das Einfügen oder Einschreiben des Kranzes um den offensichtlich aber doch überlebt habenden Isch-Boschet in II Sam 2–4 machte es nötig, die drei Söhne von I Sam 31,2 näher zu spezifizieren. Gerade die oben erwähnte Stelle I Sam 17,13 zeigt, daß es in der Tat nicht gänzlich abwegig war, bei einer entsprechenden Namensnennung „die drei Söhne“ von 31,6 als „drei der Söhne“ zu verstehen, und so wurden diese namentlich nachgetragen.69 Zwischen die Bekannten Jonatan und Malkischua rückte auf die zweite Stelle ein sonst nicht erwähnter Abinadab.70 Damit wurde die Fassung von I Sam 31 in einem Punkt mit ihrer Parallele von II Sam 1, die nur vom Tod Sauls und Jonatans spricht, konvergent: Jischwi alias Eschbaal alias Isch-Boschet konnte die Katastrophe überstanden haben, dadurch in seiner Rolle als von den Nordstämmen favorisierter Gegenkönig David noch über drei Kapitel hinweg Probleme bereiten und das Thema der „Reichsteilung“ sowie des Nord-Süd-Gegensatzes bereits vor der Krönung Davids aufscheinen lassen. Voraussetzung für diese Deutung ist freilich die Gleichsetzung von Jischwi, Eschbaal und Isch-Boschet, die durchaus nicht unumstritten ist.71 Die Chronisten freilich, davon zeugt I Chr 8,33, haben ihre 66 „The partitive notion is expressed: a) either by means of a construct phrase […] or b) through a prepositional phrase, e. g. Nu 31.47 ‫( “ ֶאחָד מִן ַה ֲח ִמׁשִים‬Joüon/Muraoka, Grammar, § 142 ma, S. 495). 67 Vgl., mit genau diesem Beispiel, ebd. 68 ‫( וידבקו פלשתים את־שאול ואת־בניו ויכו פלשתים את־ […] בני שאול‬vgl. Bezzel, Numerous Deaths, 335 f.). 69 Vgl. Heinrich, David und Klio, 358. 70 Womöglich, aber das ist definitiv jenseits des Belegbaren oder auch nur solide Begründbaren, verdankt dieser Abinadab auch seinen Namen der Vergleichsstelle I Sam 17,13 – erscheint doch auch dort ein Bruder Davids gleichen Namens an zweiter Stelle, zwischen Eliab und Schamma. 71 Dietrich etwa hält Isch-Boschet = Eschbaal für eine andere Person als Jischwi (vgl. Dietrich, 1Sam 14,1–15,35, 119–120; 124–125, anders noch ders., Frühe Königszeit, 152), während Willi der Identifikation durch die Chronisten folgt (vgl. Willi, 1. Chronik 1,1–10,14, 276). Fischer betrachtet Isch-Boschet als Kunstfigur, die aus einer Kombination von Jischwi und Mefi-Boschet zu erklären sei (vgl. A. Fischer, Hebron, 73), den er als durch II Sam 3–4 LXX belegten vierten Saulsohn (zusammen mit Armoni als dem fünften, vgl. II  Sam 21,8) annimmt (vgl. a. a. O., 70). Mit II Sam 21 in welcher Form auch immer als alter Überlieferung wird man aber kaum rechnen dürfen (vgl. zum Kapitel Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 201–207). Zur Frage der Namensänderung vgl. jetzt wieder R. Müller, Element Baal, der gegen die These vom theophoren Namenselement bšt (vgl. dazu Schorch,

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Vorlage ganz in diesem Sinne verstanden: Sie führen als Söhne Sauls vier auf, Jonatan, Malkischua, Abinadab und Eschbaal.72 Nach dieser Analyse ergibt sich für I  Sam 31 eine Grundschicht in V.  1–6 (ohne die Namen in V. 2).8–9aLXX.10b–13, die vom Tod Sauls und seiner ganzen männlichen Nachkommenschaft im Kampf gegen die Philister, sowie von der Schändung seines Leichnams durch die Feinde und seiner letztens ehrenvollen Bestattung durch die Männer von Jabesch-Gilead berichtet. Ihr Fokus liegt ganz auf Saul, durch ihr Ende spannt sie einen Bogen von seinem tragischen Ende hin zu den heldenhaften Anfängen bei der Befreiung von Jabesch-Gilead in I Sam 11.73 Demgegenüber etablieren die Ergänzungen bereits mehr oder weniger deutliche Verbindungen zur folgenden Geschichte Davids: Die von 14,49 abweichende Nennung der Namen der gefallenen Prinzen in V. 2 trägt dem Umstand des offensichtlichen vorläufigen Überlebens Isch-Boschets Rechnung. V. 7 führt als Konsequenz von Sauls Scheitern den Verlust von durch Josua verteiltem Gebiet bis ins Ostjordanland hinein an und kontrastiert den ersten König so mit seinem Nachfolger David, der in II Sam 5 die Feinde wieder zurückdrängen wird. Doch nicht nur das: Im Rahmen dieses Feldzugs wird er auch deren „Götzen“ erbeuten, denen in der polemischen Ergänzung von V. 9b–10a Sauls Rüstung als Trophäe vorgeführt worden war.

4.1.4 II Sam 1: Der Übergang Wie steht es nun um die Einheitlichkeit von II Sam 1? Fischers Vorschlag zur Rekonstruktion einer Grundschicht wurde oben bereits vorgeführt. Er unterscheidet einen alten „Botenbericht“ von einer Bearbeitungsschicht und folgt dabei im Baal oder Boschet) erneut die klassische Ansicht einer Verunglimpfung bzw. Dysphämisierung Baals verficht. 72 Edelman rechnet freilich umgekehrt damit, daß der Eintrag der Namen in I  Sam 31,2 (und I Chr 10,2!) aufgrund von I Chr 8,33 erfolgte (vgl. Edelman, King Saul, 98). Ich halte es indes in diesem Fall für wesentlich plausibler anzunehmen, daß die Chronisten aus der Not der widersprüchlichen bzw. sich ergänzenden Angaben von I Sam 14,49 und I Sam 31,2 eine Tugend machten und sie per Addition miteinander in Einklang brachten (vgl. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 192). 73 Hutton sieht die direkte Fortsetzung von I Sam 31,11–13 in II Sam 2,4b–7; 21,12–13a*.14aα* (vgl. Hutton, Transjordanian Palimpsest; 241; 286 f.). Selbstverständlich beziehen sich die beiden Stücke aus II Sam auf I Sam 31 zurück – doch dürfte dieser Bezug kaum mit der Grundschicht von I  Sam 31 auf einer literarischen Ebene anzusiedeln sein. II Sam 2,4b–7 ist von Kratz als „apologetischer Zusatz aufgrund von I Sam 11–13“ (Kratz, Komposition, 186, n. 94) innerhalb seines gegenüber I Sam 31* sekundären Kontexts erkannt worden; die genannten Verse von II Sam 21 zählen dagegen m. E. zu einer auf II Sam 16,8 aufbauenden Geschichte, die David eine Blutschuld am Haus Sauls tilgen läßt (vgl. Bezzel, Chronistisch beeinflusste Korrekturen, 201–207).

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wesentlichen dem bereits von Budde gewiesenen Pfad.74 Das Grundstratum findet Fischer aufgrund des formkritischen Vergleichs mit I Sam 4,16 f. in II Sam 1,1aα.2aα2βγ.3–4.11.12*.17.18aα(‫)ויאמר‬,19–27,75 für die zweite Schicht bleibt der Rest: V. 5–10.12aβbα2.13–16.76 Fischer gründet seine sorgfältige Analyse auf wichtigen Textbeobachtungen, die bei einer kritischen Auseinandersetzung mit seinem Modell Grundlage der Überlegungen sein müssen. In diesem Zusammenhang wird erstens nach der Plausibilität der von ihm abgegrenzten Grundschicht und zweitens nach der Abgrenzung und Einheitlichkeit der abgehobenen Ergänzungen zu fragen sein. Zur Grundschicht: Zentral für Fischers Analyse sind nun abgesehen von Details drei Punkte: 1. Der Vergleich mit I Sam 4,16 f. auf formkritischer Basis mit der Annahme einer beiden Texten zugrundeliegenden Gattung des Schlachtberichts; 2. die Textbeobachtung, daß in II Sam 1,2 ein „Mann“ eingeführt wird, von dem bis V. 4 nur in Form eines Pränominalsuffixes gesprochen wird, der aber ab V. 5 (noch in V. 6 und 13) immer „der Knabe, der ihm berichtete“ (‫הנער המגיד‬ ‫ )לו‬genannt wird,77 sowie 3. die These, die Grundschicht habe die ursprüngliche Fortsetzung von I Sam 31,1–7 gebildet. Punkt 1 wurde oben bereits in Zweifel gezogen und statt dessen die Annahme eines direkten literarischen Verhältnisses von I Sam 4,16 f. zu II Sam 1* favorisiert. Das ändert für die Bestimmung der literarkritischen Verhältnisse innerhalb von II Sam 1 nicht viel, verschiebt aber ein wenig die argumentativen Gewichte. Doch unabhängig davon, ob die Abfolge von I Sam 31* und II Sam 1* bereits auf der Ebene einer gemeinsamen Überlieferung gegeben war (Punkt 3) oder ob es sich um einen Fortschreibungszusammenhang handelt – in beiden Fällen muß der Übergang verständlich sein. Dieses Problem betrifft die „doppelte Einleitung“78 von II Sam 1, die das Geschehen in V. 1 und V. 2 zweimal datiert, einmal mit Blick auf Saul („und es geschah nach dem Tod Sauls“ ‫ויהי אחרי מות שאול‬, V. 1), sowie erneut mit Blick auf Davids Aufenthalt in Ziklag („und es geschah am dritten Tag“, ‫ויהי ביום השלישית‬, V. 2). In der Tat wirkt dieser Einsatz etwas überladen, und Fischer weist daher alle darin enthaltenen Rückbezüge auf die Kapitel vor I Sam 31 der Ergänzung zu. Als Ergebnis tritt nach dem Tod Sauls ein derangierter Mann auf, der in V. 3 von einem gewissen David angesprochen wird. Wer aber ist dieser David und wo ist er vorzustellen? Fischers Rekonstruktion setzt voraus, daß der Erzähler (und 74 Vgl. Budde, Bücher Samuel, 193, der freilich mit dem Quellenmodell operiert. Budde weist dabei „v. 1–4 11 f. der einen, v. 6–10 14 f. […] der andren Quelle zu“ (ebd.). 75 Vgl. A. Fischer, Hebron, 18–23. 76 Vgl. a. a. O., 23–42. 77 Vgl. schon Budde, Bücher Samuel, 193. 78 A. Fischer, Hebron, 14

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der Leser) sich selbstverständlich in dessen Gegenwart lokalisieren – dort, bei David, waren beide aber in I Sam 31 dezidiert nicht. Ein Schwenk von Gilboa hin zu David und seinen Männern funktioniert erzählerisch – auf der Ebene einer angenommenen Überlieferung ebenso wie auf einer redaktionellen – nicht ohne das Minimum einer Einleitung. Die Parallele I Sam 4 ist instruktiv: Auch hier wird der Empfänger der schlimmen Nachricht, Eli, erst eingeführt und lokalisiert (4,13), ehe er in den Dialog mit dem Überbringer der Botschaft eintritt.79 Das heißt: Mindestens eine der zwei Nennungen Davids und seine Lokalisierung sind bereits für die Grundschicht von II Sam 1 zu veranschlagen. Dies muß nicht zwingend der Rückbezug auf den Amalekiterfeldzug Davids nach Kapitel 30 sein, an den sich auch die Datierung „am dritten Tag“ anschließt,80 aber dann doch sein Aufenthalt in Ziklag. Dieser aber setzt mindestens voraus, daß a) David diese Ortschaft als Lehen erhalten hat (I Sam 27,6) und daß er b) von Achisch daran gehindert worden war, am Feldzug gegen Israel teilzunehmen (I Sam 29,10 f.). Möglich wäre eine Einleitung etwa mit: „Und nach dem Tod Sauls (und nach der Rückkehr Davids vom Schlagen Amaleks) saß David in Ziklag (zwei Tage, und am dritten Tag,) und siehe, ein Mann …“.81 Nicht zu bestreiten ist dagegen das von Fischer festgestellte ursprüngliche Ende der Geschichte in V. 12 f. mit der Reaktion Davids und seiner Männer auf die Unglücksbotschaft durch Selbstminderungsriten, Weinen und Kleiderzerreißen, sowie durch das in seiner praktischen Umsetzung durchaus aushaltbare „Fasten bis zum Abend“ (‫)ויצמו על־העבר‬. In letzterem sieht Fischer eine Ergänzung, die aus einer spontanen Reaktion Davids eine rituelle Klagefeier macht. Diese Folgerung halte ich nicht für zwingend,82 ebensowenig wie die auch von Fischer zurückgewiesene Ansicht Veijolas, V. 11 f. seien insgesamt ein „den Dialog (V. 3–10.13–15) unterbrechender Zusatz“.83 Die Nachricht von der Niederlage erfordert eine adäquate Reaktion – wie sie an der Parallelstelle (und Vorlage) in I Sam 4 zunächst durch den fatalen Sturz Elis in V. 18a, auf einer wahrscheinlich späteren Ebene84 durch die ebenfalls tödliche Sturzgeburt seiner Schwiegertochter in V. 19–22 gegeben ist.

79 Das betrifft die Endgestalt der Geschichte ebenso wie einen zu rekonstruierenden Grundbestand, vgl. zu diesem Porzig, Lade, 136–142. 80 Vgl. I Sam 30,1 mit II Sam 1,2. 81 …‫ויהי אחרי מות שאול ודוד שב מהכות את־העמלק וישב דוד בצקלג ימים שנים ויהי ביום השלישי והנה איש‬ 82 Vgl. A. Fischer, Hebron, 32. Das sprachliche Argument dafür gibt ihm die Präposition ‫ על‬bei Saul und Jonatan, die auf das Trauern und Weinen des Versanfangs zurückzubeziehen sei. Dies ist kein sehr starkes Argument, denn auch beim Fasten kann der Grund mit ‫ על‬benannt werden, vgl. Est 4,16 „fastet um meinetwillen“ (‫)צומו עלי‬. 83 Veijola, Klagegebet, 186, n. 66. Er verweist dabei auf Esr 9,4 f., doch sind m. E. beide Stellen in vielerlei Hinsicht zu verschieden, um einander erhellen zu können. 84 Vgl. Porzig, Lade, 140 f.

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Die Häufung der Größen, die nach V. 12 betrauert werden, mutet dagegen in der Tat an, als sei hier sukzessive aufgefüllt worden: Geklagt wird, da sie durchs Schwert gefallen seien (‫)כי נפלו בחרב‬, nicht nur über Saul und seinen Sohn Jonatan (‫)על־שאול ועל־יהונתן בנו‬, sondern auch über „das Volk JHWHs85 und über das Haus Israel“ (‫)ועל־עם יהוה ועל־בית ישראל‬. In dieser merkwürdigen Formulierung klingt sowohl I Sam 31,1 an, wo davon die Rede ist, daß die „Männer Israels“ (‫ )אנשי ישראל‬flohen und „Durchbohrte fielen“ (‫ )ויפלו חללים‬als auch II Sam 1,4, wonach „viele vom Volk gefallen sind“ (‫)הרבה נפל מן־העם‬. In der Regel wird darum hier auch das „Volk JHWHs“ von V. 4 her interpretiert und im Sinne des ‚Heerbanns‘ verstanden.86 Fischer führt nun aber auf überzeugende Weise an, daß der einzige Beleg für das Syntagma ‫ עם יהוה‬im militärischen Kontext, Jdc 5,13, wenig zur Erhellung von II Sam 1,12 beitragen kann – ist doch, abgesehen von der Frage nach dem Alter des Deboraliedes insgesamt,87 keineswegs sicher, ob hier überhaupt eine Konstruktusverbindung vorliegt.88 In der Tat ist die Anzahl der Belegstellen für ‫ עם יהוה‬überschaubar und gibt wenig Anlaß, in der Formulierung einen geprägten Begriff aus einer alten Tradition der JHWH-Kriege zu sehen.89 Statt dessen ist der Unterschied zum ‫ עם‬von V. 4 eklatant. Dort ist tatsächlich das Heer gemeint, hier jedoch, in V. 12aα2, erscheint der Begriff über sein nomen rectum, JHWH, theologisiert, um nicht zu sagen: bundestheologisch reformuliert. Im Blick ist das ganze Gottesvolk in seinem Verhältnis zu eben diesem Gott. I Sam 9,16 hatte Samuel von JHWH den Auftrag bekommen, einen „Fürsten über mein Volk Israel zu salben“ (‫ומשחתו לנגיד‬ ‫)על־עמי ישראל‬90 – mit dessen Tod ist daher auch das führerlos gewordene „Haus Israel“, zu verstehen als das „Volk JHWHs“, zu beklagen. Beide Begriffe, „Volk JHWHs“ und „Haus Israel“ wollen daher an dieser Stelle synthetisch verstanden wissen; sie erklären einander.91 85 LXX beklagt an dieser Stelle „das Volk Judas“ (τόν λαόν Ἰούδα) – ‫ יהודה‬anstatt ‫ יהוה‬ist als Verlesung leicht vorstellbar und in Parallele zu „Israel“ als die lectio facilior erklärlich. 86 „Das ‫ ]…[ עַם יְהֹוָה‬ist als das Heer Jahwes zu verstehen und weist in den Vorstellungsbereich der Jahwekriege“ (Stoebe, Das zweite Buch Samuelis, 88 f., unter Bezugnahme auf Lohfink, Beobachtungen, 282). 87 Levin etwa bestimmt Jdc 5 als „ein ‚Lied zum Text‘“ (Levin, Alter des Deboralieds, 140) von Jdc 4 und datiert entgegen der Mehrheitsmeinung entsprechend jung (vgl. zur Forschungsgeschichte a. a. O., 124–126); für eine differenzierte Auseinandersetzung mit neueren Positionen vgl. Gross, Richter, 337–349. Er selbst hält Jdc 4 und 5 für voneinander literarisch unabhängig und datiert das Lied ins 9. Jahrhundert (vgl. a. a. O., 348). 88 Die Masoreten etwa teilen den Vers zwischen ‫ עם‬und dem Tetragramm. LXXB dagegen hat λαὸς Κυρίου; zur Stelle vgl. Gross, Richter, 321, der mit Blick auf 5,11 die Septuagintalesart favorisiert. 89 Die Belegstellen sind Num 11,29; 17,6; Jdc 5,11.13; I Sam 2,24; II Sam 6,21; II Reg 9,6; Ez 36,20; Zef 2,10. 90 Auf dieser Ebene liegen im weiteren Kontext auch II Sam 6,21 und II Reg 9,6, auf die Fischer zurecht verweist (vgl. A. Fischer, Hebron, 34). 91 Der Verdacht liegt nahe, daß auch dieses Verhältnis ein gewachsenes ist und man es hier mit einer eine Glosse glossierenden Glosse zu tun haben könnte, dergestalt, daß zunächst, aus-

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Ist mit der Trauer Davids und seiner Männer ein gutes Ziel der Botengeschichte erreicht, an das sich das Bogenlied 1,17–27 hervorragend anschlösse, so überrascht, daß in V. 13 das Gespräch mit dem Botschafter noch einmal anhebt, unabhängig davon, ob direkt davor schon vom Fasten bis zum Abend die Rede war oder nicht. Ohne Zweifel ist dieses Stück, bereits von Budde einer anderen Quelle zugewiesen als V. 1–4.11 f.,92 gegenüber der Grundschicht des Kapitels sekundär. Dies zeigt nicht nur die im Vergleich zu V. 11 f. ganz andere Art der Trauerarbeit, der sich David nun zuwendet, indem er den Boten töten läßt. Das wichtigste Indiz für eine literarische Naht ist vielmehr die seit langem getroffene Beobachtung, daß der erneute Redegang, der diese Hinrichtung zum Ziel hat, mit einer bereits gestellten und mehrfach beantworteten Frage einsetzt: „Woher bist du?“ (‫)אי מזה אתה‬. Bereits in V. 3 hatte David sie an den Boten gerichtet (‫אי‬ ‫)מזה תבוא‬, und in dessen Erzählung begegnete sie auch im Mund Sauls: „Wer bist du?“ (‫מי אתה‬, V. 8). Warum also stellt David sie in V. 13 ein drittes Mal? Eigentlich wäre sie überflüssig.93 Sie ist es insofern jedoch nicht, als sie die literarische Funktion erfüllt, das Gespräch von neuem beginnen zu lassen. Darüber hinaus ist sie als Frage nach der Herkunft nun anders bestimmt als in V. 3: Dort zielte sie auf den Ort des Geschehens, von dem der „Mann“ zu berichten in der Lage sein würde, hier geht sie nach seiner Abstammung, denn der „Knabe“ weist sich als Sohn eines amalekitischen Fremdlings aus. Als solchem wird ihm der mangelnde Respekt vor dem sakrosankten Charakter des „Gesalbten JHWHs“ (‫משיח‬ ‫יהוה‬, V. 14.16) vorgehalten, was letztlich sein Schicksal besiegelt. Dieser Abschnitt basiert nun eindeutig auf der Erzählung des Boten in den Versen 6–10, die ihrerseits anhand des neuen Redesubjekts des „Knaben“ von Budde wie von Fischer als separate Schicht innerhalb der Botenerzählung erkannt werden. Die Frage ist nun, ob beide Fortschreibungen auf der gleichen Ebene liegen oder ob V. 13–16 eine erneute, dritte Schicht innerhalb von II Sam 1 darstellen. Ihr besonderes Profil liegt unbestritten darin, daß sie das Verhalten des Amalekiters zum einen in scharfen Gegensatz zu dem des Waffenträgers von I Sam 31,5 bringen, der sich, anders als der Bote, tatsächlich davor fürchtet (Wurzel ‫)ירא‬, das zu tun, was ersterem von David in II Sam 1,14 vorgehalten wird (Wurzel ‫)ירא‬. Zum anderen jedoch und noch prominenter erscheint der unglückselige Königsmörder geradezu als abgespaltener Schatten Davids selbst. Er führt das aus, was zweimal (in I Sam 24 und 26) in des letzteren Händen liegt, gehend von V. 4, das gefallene „Volk“ – freilich schon JHWHs! – ergänzt worden wäre, welches dann in einem nächsten Schritt die Identifizierung mit dem „Haus Israel“ erfahren habe. In diese Richtung weisen Wellhausens textkritische Überlegungen, der am Anfang den ‫עם יהוה‬ sieht, der in der LXX-Vorlage als „Volk Judas“ verlesen und durch das „Haus Israel“ ergänzt wird, welches wiederum seinen Weg in die protomasoretische Überlieferung gefunden habe (vgl. Wellhausen, Text, 151). Gegen beide Überlegungen sprechen freilich die wichtigen Parallelstellen II Sam 6,21 und II Reg 9,6. 92 Vgl. Budde, Bücher Samuel, 193. 93 Vgl. Stoebe, Das zweite Buch Samuelis, 89.

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tatsächlich zu vollstrecken ihm aber seine Pietät und der Respekt gegenüber dem „Gesalbten“ verwehrt. Dieser Titel, „Gesalbter JHWHs“ in Verbindung mit dem Vorwurf, die „Hand auszustrecken gegen“ ihn (‫ )שלח יד ב‬bilden das Zentrum beider Kapitel.94 Der betonte Gebrauch des nicht eben häufigen Titels95 impliziert dabei sowohl in I Sam 24; 26 als auch in II Sam 1 weniger eine alte Vorstellung von der Unverletzlichkeit des Königs96 als daß er einen Umstand heraushebt: Die Loyalität und Zurückhaltung Davids gilt nicht der Person Sauls, sondern der Funktion, die er qua Salbung ausfüllt. Sie gilt damit letztlich demjenigen, der sie initiiert hat und garantiert, und der in der Konstruktusverbindung als nomen rectum begegnet: JHWH selbst und keinem anderen. Den „Gesalbten JHWHs“ achten heißt JHWH selbst achten, und „Hand an den Gesalbten JHWHs zu legen“ ist deshalb ein Sakrileg, weil sich die Handlung gegen Gott selbst richtet. Wenn David also den amalekitischstämmigen Boten töten läßt, so ist dies nicht nur ein letzter Akt der Loyalität des pius David gegenüber seinem König, sondern vor allem ein Beleg seiner JHWH-Treue, der in direkter Konsequenz der beiden Verschonungen von I Sam 24 und 26 liegt, und durch den sich David zugleich denkbar weit von der sich ihm damals selbst eröffneten Möglichkeit distanziert. Selbst die Identifizierung des Täters als eines Amalekiters liegt auf dieser Linie. In Kombination mit dem – ebenfalls sekundären – Rückbezug in V. 1 auf Davids Beschäftigung im Süden nach I Sam 30 rundet sich das Bild eines kommenden Herrschers, dessen ganze Loyalität Israel, seinem König und seinem Gott JHWH gilt. Während er an der Südfront den amalekitischen Erzfeind vernichtend schlägt, kann er im Norden nur noch (aber immerhin) den durch diesen gemeuchelten König rächen. Nicht zuletzt dadurch handelt er selbst königlich und erweist sich der kommenden Erhebung zum Nachfolger Sauls als würdig. Damit korrespondiert auch die Darstellung des Todes seines Vorgängers in den Versen 6–10. Im Unterschied zur Vorlage von I Sam 31, die (in ihrer Grundschicht) den Blick ganz auf das Ende Sauls richtet und nicht darüber hinausblickt, geht es II Sam 1 um den Übergang der Herrschaft vom einen auf den anderen. Dies gilt bereits für das ältere Stratum im Botenbericht, das Davids 94 Vgl. für ‫ שלח יד ב‬I Sam 24,7.11; 26,9.11.23, immer mit dem „Gesalbten JHWHs“ als Objekt. 95 Er begegnet in I Sam 24,7.11; 26,9.11.16.23; II Sam 1,14.16; 19,22; Thr 4,20 – in I Sam 26 und II Sam 19,22 jeweils in Verbindung mit einem Tötungsvorschlag seitens Abischais, der dadurch David „zum Satan“ (‫לשטן‬, II Sam 19,23) wird – „Offenbar haben wir es an all diesen Stellen mit ein und demselben Erzähler zu tun“ (Dietrich, Frühe Königszeit, 264). 96 Stoebe etwa datiert II Sam 1,13–16 gerade wegen der Formulierung „in eine frühe Zeit Davids“ (Stoebe, Das zweite Buch Samuel, 89). Dagegen fällt auf, daß in I Sam 24 und 26 die Wendung ganz offensichtlich nicht zum Grundbestand der Erzählungen gehört (vgl. Dietrich, Zweifache Verschonung, 236, mit Zuweisung zum „Höfischen Erzähler“ des späten 8. Jahrhunderts, vgl. a. a. O., 247). Den sekundären Charakter in I Sam 24 betont auch Edenburg. Sie sieht die Wendung freilich als aus I Sam 26 entnommen an (vgl. Edenburg, How not to Murder, 76).

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Erhebung zum König vorbereitet. In den ergänzten Versen 6–10 wird dieser Zug jedoch noch deutlich ausgebaut. Zum einen geschieht dies durch die Übergabe der Königsinsignien Krone und Armreif durch den Boten und dessen Huldigung in Form einer Proskynese vor dem zu erwartenden Nachfolger in V. 2b.10.97 Zum anderen wird dies jedoch auch in einem bereits erwähnten von I Sam 31 abweichenden Detail des Botenberichts deutlich: in Sauls Bewaffnung. Nach I Sam 31,4 stürzt sich der König in sein Schwert – nach II Sam 1,6 findet ihn der „Knabe“ dagegen „auf seinen Speer gestützt“ (‫)נשען על־חניתו‬. Das dürfte nicht nur der Tatsache geschuldet sein, daß beide Waffen für die jeweils mit ihnen ausgeführte Handlung das geeignete Werkzeug darstellen. Der Speer (‫ )חנית‬ist hier mehr als nur ein besserer Krückstock. Ihm kommt in Verbindung mit Saul im Rahmen der „Aufstiegsgeschichte Davids“ im weitesten Sinne mehr und mehr die Rolle eines Leitmotivs zu.98 Während David dem Goliat ohne einen Speer naht (17,45) und selbst auf seiner Flucht über keinen verfügt (21,9), erscheint die ‫ חנית‬als Waffe Sauls schlechthin und vermag geradezu als Symbol für sein tragisches Geschick und seine Herrschaft insgesamt zu stehen. Das beginnt bereits bei seiner ersten Auseinandersetzung mit den Philistern: Sie versuchen den Besitz von „Schwert oder Speer“ (‫חרב‬ ‫ )או חנית‬durch das berühmte „Metallmonopol“ zu verhindern (13,19) – aber Saul und Jonatan verfügen gleichwohl über letzteren (13,22). Seinen ältesten Sohn wiederum (20,33) ebenso wie David (18,10 f.; 19,9 f.) sucht der König später erfolglos damit zu töten – und gerät erstmals durch Abischai ernsthaft in Gefahr, selbst dieser Waffe zum Opfer zu fallen (26,8). Dies jedoch verhindert die Frömmigkeit des pius David, und das Dingsymbol, das in 22,6 geradezu wie ein Szepter in der Hand des Königs ruht, wird von ihm lediglich entwendet und, ungeachtet aller damit bisher gemachten negativen Erfahrungen, dem Eigentümer zurückgegeben (26,22). David bringt den Speer in seinen Besitz – damit ist die Übergabe der Herrschaft bereits symbolisch antizipiert. Der Umstand wiederum, daß David nicht nur die Gelegenheit nicht nutzt, sie mit seiner Hilfe nicht nur symbolisch, sondern auch tatsächlich zu erlangen, und statt dessen die wichtige Waffe nicht einmal behält, zeigt überdeutlich und einmal mehr, daß er weder mit List noch mit Gewalt die Macht an sich zu reißen gewillt und genötigt ist. Nun also, in II Sam 1,6 erscheint Saul gewissermaßen erneut „auf seinen Speer gestützt“ – und angesichts seiner Vorgeschichte mit dieser Waffe wird in dieser Haltung seine ganze Tragik offenbar, zumindest dann, wenn man I Sam 26 kennt. Diesem Kapitel kommt ohne Zweifel eine Schlüsselfunktion für das symbolische Verständnis des Speeres zu, nicht nur deswegen, weil in ihm die 97 Zum sekundären Charakter von V. 2b (erneuter Einsatz mit ‫ )ויהי‬vgl. A. Fischer, Hebron, 16; zur Krone vgl. a. a. O., 29–31. 98 Vgl. Bezzel, Numerous Deaths, 336, sowie Bar-Efrat, Das Zweite Buch Samuel, 12–13; Meier, Sword. Die Belegstellen sind: I Sam 13,19.22; 17,7.45.47 (von Goliats Speer); 18,10.11; 19,9.10 (bis); 20,33; 21,9; 22,6; 26,7.8.11.12.16.22.

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

Hauptzahl der Belege (sechs an der Zahl) zu finden ist. Es selbst wiederum ist (mit seinem Geschwisterstück I Sam 24) über das Thema der Immunität des „Gesalbten JHWHs“ auf das engste mit dem Nachspiel in II Sam 1,13–16 verbunden. Es liegt darum in der Tat nahe, die Botenrede in V. 5–10 auf einer Ebene mit dem zweiten Redegang in V. 13–16 anzusiedeln, wie es bereits die gleichartige Benennung des „Knaben, der ihm berichtete“ (‫ )הנער המגיד לו‬vermuten ließ.99 Auf Gilboa geht die Herrschaft von Saul auf David über, ohne daß dieser sich eines frevlerischen Aktes gegen den „Gesalbten JHWHs“ hätte zuschulden lassen kommen. Eine Ausnahme innerhalb des einheitlichen Ergänzungszusammenhangs von V. 5–10.13–16 stellt jedoch möglicherweise V. 8 dar, Sauls Frage nach der Identität des seinem Ruf Folge leistenden Fremden. Sprachliche Indizien dafür, hier einen späteren Eintrag zu erkennen, sind freilich rar. Es läßt sich immerhin ins Feld führen, daß die Rede Sauls mit dem doch eher ungewöhnlichen „und er sagte mir“ (‫ )ויאמר לי‬eingeleitet wird,100 während in V. 9 die weit gebräuchlichere Formulierung mit der Präposition ‫ אל‬steht: „und er sagte zu mir“ (‫ויאמר‬ ‫)אלי‬101 – doch sollte dieses Argument nicht gepreßt werden. Erwägenswerter sind inhaltliche Gesichtspunkte: Einmal läßt sich fragen, warum einem schwer verwundeten Saul, den bereits der ‫ שבץ‬gepackt hat, so viel daran gelegen ist, sich mit seinem Gegenüber noch näher bekannt zu machen, ehe der ihn töten soll. Zum anderen ist es eben dieser Vers, der die zweite Frage Davids nach der Herkunft des Boten in V. 13 zur insgesamt dritten und einer ohne Erkenntniszuwachs werden läßt. Gesetzt den Fall also, es handelte sich bei V. 8 um einen späteren Eintrag, worin hätte die Intention eines Ergänzers bestanden, diese Doppelung in Kauf zu nehmen? Ich denke, Absicht wie Wirkung dieser potentiellen Glosse können in einer Aufnahme und Modifikation des Amalekitertmotivs gesehen werden. V. 1aβ.13–16 schlagen den Bogen zurück zu I Sam 30, zu Davids erfolgreichem Kampf gegen den Erzfeind. Das Amalekiterthema hat hier zum einen die Funktion, erneut Davids räumliche Distanz zum Geschehen auf Gilboa herauszustreichen, zum anderen, sein königliches Wirken und Handeln zugunsten Israels schon vor seiner Thronbesteigung herauszustellen. In V. 8 ist dies jedoch anders. Hier hat die amalekitische Herkunft des Königsmörders nicht Davids, sondern Sauls Beziehung zu diesem Volk im Blick. Der Bogen spannt sich nicht nach I Sam 30, sondern nach I Sam 15, und Sauls Tod erscheint als das Wirksamwerden seiner Verstoßung, die sich an sein dortiges Fehlverhalten gegen 99 Vgl. A. Fischer, Hebron, 35 f. In meinem anderen Beitrag zum Thema betone ich die Differenz zwischen V. 1–12 und 13–16, ohne ausreichend auf die literarkritische Differenzierung innerhalb des ersten Abschnitts einzugehen (vgl. Bezzel, Numerous Deaths, 336–338). 100 In den Samuelbüchern findet sich diese Art der Redeeröffnung nur hier, sonst noch Jdc 13,7; Jes 49,3; Prov 4,4; Neh 2,2.4.6; I Chr 28,6. 101 Neben unserer Stelle noch weitere 58 Stellen, in Samuel noch I Sam 21,3.

4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1

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über Amalek angeschlossen hatte. Mit einem Wort: II  Sam 1,8 ist darin, die Verwerfung Sauls und seinen Tod aufeinander zu beziehen, schon sehr nahe an der Deutung von I Chr 10,13 f. und gibt bereits die Linie vor, die Pseudo-Philo später breiter ausziehen wird, wenn er in LibAnt 65,4 den Amalekiter von II Sam 1 mit Edabus, dem Sohn König Agags identifizieren wird.102

4.1.5 Das Ende in I Sam 31–II Sam 1 – Zusammenfassung Die zweifache Darstellung des Todes Sauls auf Gilboa gleicht in ihrer näheren Vor‑ und Nachgeschichte einer Ellipse mit zwei Brennpunkten. I Sam 31 legt dabei den Fokus ganz auf Saul, während II  Sam 1 in erster Linie an David interessiert ist und bereits in seinem Grundbestand inhaltlich wie literarisch auf der ersten Version der Geschichte aufbaut. Die älteste Schicht von I Sam 31 wurde in den Versen 1.2*(ohne die Namen der Söhne).3–5.6LXX.8.9aLXX.10b–13 ausgemacht. Sie schildert das tragische, aber heldenhafte Ende des Königs und aller seiner drei Söhne im Kampf gegen die Philister, sowie das Geschick seines Leichnams, der (ungeköpft) von den Feinden öffentlich ausgestellt, aber nachts durch die Einwohner von JabeschGilead zurückerobert und einer ehrenvollen Bestattung zugeführt wird. Auf diese Weise wird ein literarischer Bogen zu Sauls siegreicher Rettertat von I Sam 11 geschlagen. Kleinere Ergänzungen stellen dagegen das Ereignis in einen größeren Zusammenhang. So eröffnen die drei eingetragenen Namen der Söhne Sauls in V. 2 die Möglichkeit für den in II Sam 2–4 folgenden kleinen Saulidischen Erbfolgekrieg, indem sie durch die Nennung des bis dato unbekannten Abinadab den Prinzen Isch-Boschet alias Jischwi implizit aus der Zahl der gefallenen drei Sauliden ausschließen. Auch V. 9b–10a, die Zurschaustellung der Beutestücke durch die Philister vor ihren „Götzen“, blickt voraus auf die weitere Davidgeschichte. Er, David, wird in II Sam 5 nicht nur die Philister schlagen, sondern eben auch diese „Götzen“ erbeuten und so die Scharte von I Sam 31 auswetzen. Ebenso blickt V. 7 auf Davids endgültigen Sieg über die Philister von II Sam 5 voraus – auch wenn freilich die Kampfhandlungen dort ein gutes Stück weiter südwestlich stattfinden werden. Der Verlust eines Teils des Ostjordanlands als Konsequenz der Schlacht von Gilboa hat indes noch eine weitere Konnotation: Der Vers hat womöglich die Verteilung dieses Gebiets durch Josua in Jos 13,27 im Blick. Demnach verliert Saul durch die Niederlage nicht nur sein Leben, sondern er setzt auch den Besitz des verheißenen und verteilten Landes aufs Spiel. Noch kleinere Modifikationen wiederum lassen sich bereits auf den Einfluß der chronistischen Interpretation der Schlacht von Gilboa in I Chr 10 zurück102 Vgl.

oben S. 53.

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

führen. Dies betrifft den Eintrag von „allen seinen Männern“ (‫ )גם כל־אנשיו‬in der masoretischen Fassung der Gefallenenliste von V. 6. Hierbei handelt es sich um eine Rückkopplung der chronistischen Deutung des Verses, nach welcher mit Saul und seinen Söhnen auch „sein ganzes Haus“ (‫ )וכל־ביתו‬untergegangen sei. Auch die masoretische Fassung von V. 9a, die, anders als LXX, nicht von einem „Umwenden“ des Leichnams Sauls, sondern von seiner Enthauptung spricht, zeigt sich als chronistisch beeinflußt. Hier wirkt sich die chronistische Interpretation des mutmaßlich im Text ursprünglichen „Aufhebens des Hauptes“ (‫ )נשא ראש‬aus. In I Chr 10 wird diese Handlung in der Tat als ein Hinwegnehmen des Kopfes verstanden und auf der Grundlage dieses Verständnisses eine antithetische Parallele zwischen Saul und Goliat konstruiert. Im Verb ‫ ויכרתו‬von I Sam 31,9 MT findet diese schließlich ihren Weg zurück in die Samuelvorlage. II Sam 1 weist nun erheblich umfangreichere Bearbeitungen auf als sein Vorgängerkapitel. Für die Analyse seiner Grundschicht hat sich, von wenigen Einzelentscheidungen abgesehen, die Einschätzung Buddes in ihrer Verfeinerung durch Fischer bestätigt, bei freilich anderer Beurteilung der übergeordneten literarischen Verhältnisse. Demnach ist der älteste Botenbericht in V. 1aα. bα.2aα2.β.3.4.11.12a.bα1β zu finden. In Kenntnis von und in Bezugnahme auf I Sam 4,16 f., die Meldung an Eli von der Niederlage in der Ladeschlacht gegen die Philister, sowie in direkter Anknüpfung an das vorangegangene Kapitel in seinem Grundbestand, wird der Blick von Saul auf David gerichtet, der sich weitab vom Kampfgeschehen in Ziklag befindet – I Sam 27,6 und 29,10 f. sind vorausgesetzt, ebenso wie eine besondere Bedeutung des Kronprinzen Jonatan, berichtet doch der vom Schlachtfeld entronnene „Mann“ nicht vom Tod aller möglicher Thronfolger, sondern nur von dem des ältesten – und eröffnet so seinerseits die Möglichkeit für den Eintrag des Isch-Boschet-Interregnums in II Sam 2–4. Eine umfangreiche Ein‑ und Fortschreibung in V. 1aβ.bβ.2aα1.b.5–7.9.10.13–16 gestaltet das Kapitel sodann unter erneutem Rückgriff auf I Sam 31 zur längeren Rekapitulation der Ereignisse auf Gilboa um und setzt dabei wichtige neue Akzente. Der namenlose und mutmaßlich israelitische „Mann“ der Grundschicht wird zum „Knaben, der ihm berichtete“, welcher sich als mutmaßlicher Totschläger Sauls amalekitischer Abstammung entpuppt, welcher David nicht nur die Nachricht von der Niederlage, sondern auch die königlichen Insignien überbringt und ihm als dem mutmaßlichen kommenden Herrscher huldigend anträgt. Davids Reaktion hierauf ist indes eindeutig: Er läßt den Überbringer einer nur vermeintlich guten Nachricht hinrichten – auch indirekt will er nicht daran beteiligt sein, „Hand an den Gesalbten JHWHs zu legen“. In direkter Fortsetzung der beiden Verschonungsgeschichten der Kapitel 24 und 26 (in ihrer bereits fortgeschriebenen Fassung) erweist er dadurch einmal mehr seine Frömmigkeit und wahrhaft königliche Gesinnung. Sein „Schlagen“ (lassen) (‫ נכה‬V. 15) dieses einen Amalekiters schließt direkt an sein „Schlagen“ (‫ )נכה‬der Amalekiter ins-

4.1 Das Ende auf Gilboa: I Sam 31–II Sam 1

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gesamt von I Sam 30,17 an, auf das mit der erweiterten Einleitung in II Sam 1,1 (‫ )נכה‬ebenfalls rekurriert wird. Von dieser größeren Ergänzung noch einmal abzuheben dürfte schließlich noch V. 8 sein. Er trägt die amalekitische Herkunft des „Knaben“ bereits in den Dialog mit dem sterbenden Saul ein und beleuchtet so nicht Davids, sondern dessen Verhältnis zu diesem Volk. Noch einmal ist nicht David, sondern sein Vorgänger Gegenstand der Deutung: Der kleine Eintrag spannt den Bogen nicht zur Schlacht von I Sam 30, sondern zu derjenigen von I Sam 15 zurück – nicht Davids Erfolg gerät auf diese Weise in den Blick, sondern Sauls Versagen samt seiner Verwerfung.103 Die Deutung, die dieser Bogen impliziert, ist nicht mehr weit von der chronistischen Interpretation des Todes Sauls als Folge seiner „Untreue“ (‫ )מעל‬entfernt, wie sie I Chr 10 dann expliziert – und sie legt bereits den Grund für die narrative Ausgestaltung dieses fatalen Amalek-Bogens durch Pseudo-Philo. I  Sam 31–II  Sam 1 spiegeln auf diese Weise diachron und synchron die Entwicklung, die das Bild Sauls im Rahmen der Redaktionsgeschichte der Samuelbücher erfährt, nahezu in seiner Gesamtheit wider und schlagen zugleich eine Brücke zu seiner ambivalenten Rezeption in der Chronik ebenso wie „außerbiblisch“. Saul ist – in der Grundschicht von I Sam 31 – der tragisch unterliegende und heldenhaft sterbende König, den Josephus als Ideal und Vorbild herausstellen wird. Saul ist sodann – vor allem in II Sam 1 – der Vorgänger des frommen Königs David, als der er in I Chr 11,2 erwähnt wird und als der er 103 Dieser Schluß, daß die Amalekitische Herkunft des „Knaben“ von II  Sam 1,8 durch einen literarischen Bogen zu I Sam 15 auch den Gedanken an die Verwerfung Sauls evozieren möchte, erscheint zunächst keineswegs zwingend, ist doch I Sam 15 selbst kaum als literarisch einheitlich zu betrachten. Dietrich findet als Grundschicht in I Sam 15,4.5.7a.8a*.12b.13a.32.33 einen „Bericht von einem Amalekiter-Feldzug Sauls“ (Dietrich, 1Sam 14,1–15,35, 148 [Hervorhebung Dietrich]; vgl. ders., David, Saul und die Propheten, 11 mit noch ein wenig größerem Umfang: V. 4–8a.12b.13a.31b–33), der „kaum nach dem Untergang des Nordreichs“ (Dietrich, 1Sam 14,1–15,35, 149) entstanden sein könne, und der von einer Verwerfung Sauls naturgemäß noch nichts gewußt habe. Für Foresti dagegen ist bereits die Grundschicht des Kapitels, von der zwei Ergänzungen abzuheben seien, deuteronomistisch (vgl. Foresti, Rejection, 166–177). Die Verbindungen von I Sam 15 zu II Sam 1 gingen auf das Konto von DtrN (vgl. a. a. O., 140–148). Heinrich verortet nun seine Grundschicht des Kapitels zwischen Ex 17,8–16 und Dtn 25,17–19 und datiert bereits sie nachpriesterschriftlich (vgl. Heinrich, David und Klio, 81 f.), während Römer auch die Deuteronomiumsfassung des Befehls über Amalek in I Sam 15 vorausgesetzt sieht (vgl. Römer, So-Called Deuteronomistic History, 146, n. 86). Das ist ein denkbar weites Spektrum. Unbenommen dessen, wie man die Grundschicht des Kapitels bestimmen und datieren möchte, halte ich es mit Blick auf II Sam 1,8 für nicht sehr wahrscheinlich, daß der Amalekiter hier eingetragen wurde, um an einen erfolgreichen Feldzug in Sauls Frühzeit zu erinnern. Gerade wenn die Tendenz von II Sam 1 von seiner Grundschicht an bedacht wird, die darin liegt, von Saul zu David überzuleiten, ist der Bogen zu I Sam 15 nur dann sinnvoll, wenn auch er die Ablösung des einen Königtums durch ein anderes erklärt, wie es am prägnantesten I Sam 15,28 ausdrückt: „JHWH hat heute die Königsherrschaft über Israel von dir gerissen und sie deinem Nächsten gegeben, der besser ist als du“ (vgl. Bezzel, Numerous Deaths, 342 f.).

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

damit die Notwendigkeit schafft, die Übertragung der Herrschaft von ihm auf seinen Nachfolger theologisch zu deuten. Und Saul ist schließlich der Schläger und Geschlagene Amaleks, wie ihn 4Q252 heilsgeschichtlich einordnet – und als solcher, nach II Sam 1,8, durch sein Versagen in I Sam 15 verworfen und zum Scheitern verurteilt: I Chr 10,13 f. schließen hier an und geben dem Bild Sauls die Farben, die seine kräftige Ausmalung durch Pseudo-Philo ebenso wie die versuchte damnatio memoriae durch Ben Sira vorbereiten. Eine wichtige Facette des biblischen wie außerbiblischen Saul freilich wird von I Sam 31–II Sam 1 nicht beleuchtet: die des erfolgreichen Herrschers. Auch sie ist im Samuelbuch zu finden, doch muß man dafür ein wenig weiter zurückblättern.

4.2 Das Ende vor dem Ende: I Sam 14,47–51 Saul fällt im Kampf gegen die Philister in I Sam 31,4 im Kreis seiner Söhne und Getreuen. Doch bereits 17 Kapitel vorher, am Ende von I Sam 14, findet sich ein Text, der sein Leben und Wirken – wie es scheint vorläufig – zusammenfaßt und seine näheren Familienumstände beleuchtet. Nachdem mit I Sam 14,46 die Auseinandersetzung mit den Philistern zu einem vorläufigen Abschluß kommt, indem sich gewissermaßen beide Sparringspartner wieder in ihre jeweilige Ecke zurückziehen – Saul zieht hinauf (‫)ויעל‬, die Philister gehen an ihren Ort (‫)הלכו למקומם‬ – wird ab V. 47 Bilanz gezogen. In einem invertierten Verbalsatz wird in singulärer Formulierung konstatiert, daß Saul „die Königsherrschaft über Israel ergriff“ (‫)ושאול לכד המלוכה על־ישראל‬, ehe in zwei Schüben von seinen erfolgreichen Kriegen die Rede ist. V. 47 führt unter der Rubrik „alle seine [sc. Israels] Feinde“ (‫ )בכל־איביו‬zunächst Moab, Ammon und Edom,104 sowie den König (so LXX und 4Q51) bzw. die Könige (so MT) von Zoba und die Philister auf, woraufhin V. 48 erneut anhebt und, nachdem das „Schlagen Amaleks“ (‫ )ויך את־עמלק‬nachgetragen ist, dieses sieghafte Handeln des Königs als Errettung von „seinen [sc. Israels] Bedrückern“ (‫ )שסהו‬qualifiziert. Es folgt die Aufzählung der königlichen Familie nach Söhnen, Töchtern, Ehefrau und einem Vetter, dem Heerführer Abner, der hier samt dem bis dato unbekannten Onkel Ner eingeführt wird,105 während der abschließend genannte Vater, Kisch ben Abiël, aus 9,1 bereits vertraut ist. 104 LXX nennt zusätzlich noch „Baitheor“ (καὶ εἰς τὸν Βαιθεωρ) – nach Stoebe „eine in der Linie dieser Angaben liegende Erweiterung nach 2 Sam 10,6“ (Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 276). Dort, II Sam 10,6 werben die Ammoniter im Kampf gegen Israel noch „Aram Bet-Rehob“ (‫את־ארם בית־רחב‬, LXX: τὴν Συρίαν Βαιθροωβ) an. Budde verweist zudem auf II Sam 8,3, wo der König von Zoba (Singular!) ein „Sohn Rehobs“ (‫ )בן־רחב‬ist (vgl. Budde, Bücher Samuel, 105). 105 Abner tritt mit seiner Filiation „Sohn des Ner“ neben I Sam 14,50 f. nur noch auf in I Sam 26,5.14; II Sam 2,8.12; 3,23.25.28.37; I Reg 2,5.32; I Chr 26,28 – ohne diese in I Sam 17,55.57;

4.2 Das Ende vor dem Ende: I Sam 14,47–51

143

14,52 nimmt sodann den Philisterfaden wieder auf und spricht vom fortgesetzten Krieg, in dem „jeder tapfere und kampffähige Mann“ (‫כל איש־גבור‬ ‫ )וכל־בן־חיל‬von Saul mobilisiert und mit offenen Armen empfangen worden sei – eine hervorragende Überleitung, um die Begegnung mit David vorzubereiten.106 Dieser Vers läßt die Erzählung von neuem beginnen, während V. 47–51 das Kapitel „Saul“ eigentlich bereits abgeschlossen haben. Sie bilden sein Kolophon oder, anders ausgedrückt, sie lassen sich am besten als Nachruf beschreiben.107 Ein solcher Text, man nenne ihn abschließende Bilanz, Kolophon, „Saul-Summarium“,108 „Schlussbemerkung“109 oder eben Nachruf ist dann am sinnvollsten, wenn einigermaßen gewiß ist, daß sich über die behandelte Person nichts weiteres mehr wird sagen lassen – am ehesten also nach ihrem Tod, er sei physisch oder literarisch verstanden. So stellt bereits Wellhausen fest: „Dies muss zugleich der Abschluss der Geschichte Sauls selber sein, deren Summe und Resultat hier angegeben wird.“110 Diese Beobachtung rechtfertigt, redaktionsgeschichtlich gedacht, zwei Folgerungen. Zum einen läßt sich daraus ableiten, daß die älteste Saultradition vor diesem Abschluß zu finden sein dürfte.111 Zum anderen macht sie es nicht eben wahrscheinlich, den Abschnitt 14,47–51 insgesamt einer deuteronomistischen Hand zuzuweisen,112 gleich welches Siglum man für sie führt, es sei DtrG113 oder „Sek.-dtr.“.114 Dieses apodiktische Urteil ergibt sich aus einer einfachen Frage: Welche Intention hätte ein Deuteronomist haben können, an dieser Stelle ein derartiges Fazit einzufügen? Die Frage nach dem Deuteronomismus in den Samuelbüchern generell einmal dahingestellt,115 ist es schließlich aus guten 20,25; II Sam 2,14.17.19.20.21.22.23.24.25.26.29.30.31; 3,7.8.9.11.12.16.17.19.20.21.22.24.​ 25.26.27.28. 30.31.32.33; 4,1.12. 106 Vgl. Wellhausen, Composition, 252; Budde, Bücher Samuel, 103; Kratz, Komposition, 183 f.; Aurelius, David, 65 f.; freilich mit durchaus anderer Einschätzung dessen, was ursprünglich darauf folgte – 16,14 (so Wellhausen, Budde und Kratz) oder 17,1 (so Aurelius). 107 Vgl. Bezzel, Numerous Deaths, 340. 108 Dietrich, 1Sam 14,1–15,35, 120. 109 Kaiser, König Saul II, 6. 110 Wellhausen, Composition, 244. 111 Trifft dieser Schluß zu, ergeben sich Folgerungen für die literargeschichtliche Beurteilung nicht zuletzt von I Sam 15*. Die These, das Kapitel fuße in seinem Grundbestand auf einer alten Tradition von einem Feldzug des historischen Saul gegen die Amalekiter (vgl. Edelman, Saul’s Battle, 79 f.; Dietrich, 1Sam 14,1–15,35, 148 und oben S. 141, n. 103), büßt dadurch nicht unerheblich an Wahrscheinlichkeit ein. Warum hätte ein früher, nicht an der Verwerfung des Königs interessierter Redaktor, diese Überlieferung an dieser Stelle, nach dem das Saul-Kapitel abschließenden Kolophon, einfügen sollen? Sinnvoll ist es hingegen in seinem jetzigen Kontext mit seiner jetzigen Intention. 14,47–51 trennen so eine erste, erfolgreiche Regierungsphase des Königs von einer zweiten, die durch sein Versagen und seine Verwerfung bestimmt ist. 112 Vgl. schon Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 63. 113 Vgl. Veijola, Königtum, 79–82. Die familiären Angaben haben nach ihm DtrG in einer Quelle vorgelegen (vgl. a. a. O., 80). 114 Kaiser, König Saul II, 6. 115 Vgl. dazu die Beiträge bei Edenburg /Pakkala, Samuel Among the Deuteronomists?

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

Gründen weitgehender Konsens, daß die erste Verbindung von Saul‑ und Davidgeschichten nach I Sam 14 in der „Aufstiegsgeschichte Davids“ nicht nur nichtdeuteronomistisch, sondern auch vordeuteronomistisch genannt werden kann. So hätte ein Deuteronomist wohl gewußt, daß Saul nicht immer „gerettet wurde,“ wohin er sich wandte. Veijolas Beobachtungen, nach welchen der Abschnitt I Sam 14,47–51 aus dem deuteronomistischen Umfeld bekannte Formulierungen aufweist und die bekannte Parallele bei David in II Sam 8, „das genaue Seitenstück“,116 müssen dem nicht widersprechen. Nur ist hier weniger von einer einzigen redaktionellen Hand auszugehen, die für beides verantwortlich ist als eher von literarischen Abhängigkeiten, die durchaus in beiden Richtungen denkbar sind. Ein Grundbestand von I Sam 14,47–51 wäre demnach der Anlaß gewesen, eine derartige zwischengeschaltete Bestandsaufnahme des königlichen Wirkens, die das Stück durch die Fortschreibung des David-Saul-Komplexes inzwischen geworden war, auch bei David einzufügen – selbstverständlich eine Nummer größer. Von hier könnte wiederum die Liste der Feinde ergänzt worden sein, mit denen bereits Saul zu tun gehabt haben soll.117 Auf diese Weise erhalten Saul‑ wie Davidgeschichte in ihrer ausgestalteten Form eine ähnliche Struktur. Nach dem Summarium ist jeweils noch von einem Feldzug des jeweiligen Königs die Rede – im Falle Sauls in I Sam 15 gegen die Amalekiter, bei David in II Sam 10 gegen die Ammoniter. Danach geht es, grob gesagt, bei beiden um die Frage der Thronnachfolge. Instruktiv für die These, daß die beiden Zwischenevaluationen Sauls und Davids nicht ursprünglich auf die gleiche redaktionelle Hand zurückzuführen sind, ist schließlich der direkte Vergleich der beiden Schlüsselverse I Sam 14,47 und II Sam 8,14b.15. I Sam 14,47: ‫ושאול לכד המלוכה על־ישראל וילחם סביב בכל־איביו במואב ובבני־עמון ובאדום ובמלכי צובה ובפלשתים‬ ‫ובכל אשר־יפנה ירשיע (יושיע)׃‬ „Und Saul erlangte die Königsherrschaft über Israel und kämpfte ringsum mit allen seinen Feinden, mit Moab und den Söhnen Ammon und mit Edom und mit den Königen von Zoba und mit den Philistern, und bei allem, wohin er sich wandte, wurde er gerettet (lies: ַ‫יִּוַׁשֵיע‬118 ​ ).“

116 Budde,

Bücher Samuel, 104. ebd.; Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 277. Dietrich dagegen bestimmt aus Gründen der „politisch-traditionsgeschichtliche[n] Wahrscheinlichkeit“ das Verhältnis „genau umgekehrt“ (Dietrich, 1Sam 14,1–15,35, 117), d. h. von I Sam 14,47–51 insgesamt hin zu II Sam 8. Fischer geht auf I Sam 14 überhaupt nicht ein und sieht im Grundbestand von II Sam 8,2–10 ein spätkönigszeitliches Dokument auf der Grundlage „neuassyrischer Kommemorativinschriften“ (A. Fischer, Literarische Entstehung, 117). 118 Vgl. oben S. 23. 117 Vgl.

4.2 Das Ende vor dem Ende: I Sam 14,47–51

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II Sam 8,14b.15 ‫ויושע יהוה את־דוד בכל אשר הלך׃ וימלך דוד על־כל־ישראל ויהי דוד עשה משפט וצדקה לכל־עמו׃‬ „Und JHWH rettete David in allem, worin er wandelte. Und David war König über ganz Israel, und David tat Recht und Gerechtigkeit für sein ganzes Volk.“

So parallel diese beiden Verse aufgebaut zu sein scheinen, so sehr stechen die Unterschiede ins Auge. Abgesehen davon, daß in I Sam 14,47 die Völker aus II Sam 8,5.12 nachgetragen sein dürften und es durchaus möglich ist, daß II Sam 8,15b, die Partizipialkonstruktion, die Davids Regierungsweise als beständiges „Tun von Recht und Gerechtigkeit“ qualifiziert, seinerseits ein Nachtrag ist,119 fällt auf: 1. Die beiden Elemente der Aussage, Rettung durch JHWH und Herrschaft, begegnen in umgekehrter Reihenfolge – allein dies muß nicht, kann aber nach „Seidel’s law“ auf einen Zitierzusammenhang hinweisen.120 2. Dem ungewöhnlichen Terminus „die Königsherrschaft erlangen“, der in I Sam 14,47 den Regierungsantritt Sauls bezeichnet, entspricht in II Sam 8,15 das konventionelle „König sein“, das mehr auf den Vollzug der Herrschaft abzielt. 3. Diese Tätigkeit nun wird von David „über ganz Israel“ (‫ )על־כל־ישראל‬ausgeübt – Sauls Königtum erstreckt sich „über Israel“ (‫)על־ישראל‬. Während letztere Formulierung die Deutung zumindest zuläßt, es handele sich hierbei um das sogenannte „Nordreich“ im Unterschied zu Juda, ist es in II Sam 8 absolut eindeutig, daß von der einer Gesamtheit der Israeliten als theologischer Größe die Rede ist. 4. Vom göttlichen Beistand ist im Falle Sauls im Passivum Divinum die Rede,121 bei David wird JHWH aktiv als Retter benannt. Ihm, David, gilt diese Bewahrung für seinen ganzen Lebenswandel, im Falle Sauls ist sie auf seine (genannten) aktiven Unternehmungen bezogen. Das mag eine feine Nuance sein, doch ist die Wendung von II Sam 8 nicht nur gebräuchlicher als die von I Sam 14, das semantische Feld von „wandeln“ (‫)הלך‬, speziell in der Dreierfor119 Vgl. Veijola, Ewige Dynastie, 97, mit Verweis auf I Reg 10,9, eine „dtr Erweiterung der Rede der Königin von Saba“ (ebd.). In der Tora begegnet die vertraute Formel des „Tuns von Recht und Gerechtigkeit“ einzig in Gen 18,19 (invertiert), in Anlehnung an sie formuliert Dtn 33,21, in den Vorderen Propheten findet sie sich neben unserer Stelle einzig bei Salomo, I Reg 10,9, sonst Ps 99,4; 103,6; 106,3; Prov 21,3 und bei den Hinteren Propheten mit dem Schwerpunkt in Ez 18 und 33 (Jes 9,6; 56,1; 58,2; Jer 9,23; 22,3.15; 23,5; 33,15; Ez 18,5.19.21.27; 33,14.16.19; 45,9). 120 Der Begriff geht zurück auf Moshe Seidels (hebräischsprachigen) Beitrag aus dem Jahr 1955 und 1956 (vgl. Seidel, ‫ ;)מקבילות‬in Westeuropa bekannt wurde die These durch Weiss, Wege der neuen Dichtungswissenschaft (vgl. besonders a. a. O., 279 f.), sowie Beentjes, Inverted Quotations. 121 Klein negiert den göttlichen Beistand bei Saul, weil er die masoretische Fassung des Verbs, ‫ירשיע‬, für ursprünglich hält (vgl. Klein, David versus Saul, 97).

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

mel ‫בכל אשר הלך‬, ist mit Sicherheit auch weiter und theologisch stärker besetzt122 als dasjenige des „sich Wendens“ (‫)בכל אשר פנה‬.123 All dies deutet stark darauf hin, daß sich die erste Fassung von II Sam 8 bereits auf I Sam 14,47–51 in einer Grundform bezog, um ein paralleles und zugleich überbietendes Äquivalent für David zu schaffen. Diese Grundform von I Sam 14,47–51 wiederum dürfte zurecht als ursprünglicher Abschluß einer eigenständigen Saulerzählung gesehen werden. Diese Grundschicht indes gilt es näher zu bestimmen, nicht zuletzt im Hinblick auf die von Veijola bemerkten Elemente, die der Abschnitt mit deuteronomistisch geprägten Texten teilt. Dietrich etwa identifiziert vier Entstehungsstufen des Abschnitts: 1. Ein quellenhaftes „Saul-Summarium“ in V. 47bLXX.48aα.49–50, das über 2. V. 47a mit der Samuel-Saul-Geschichte verbunden worden sei, wohingegen 3. V. 51–52 zum Höfischen Erzählwerk zu zählen und schließlich 4. V. 48aβb einer deuteronomistischen Redaktion zuzuweisen seien.124 In der Tat verweisen die „Plünderer“ (‫ )שסים‬von V. 48 auf deuteronomistische Zusammenhänge,125 ebenso wie die Rettertätigkeit mit dem Wort ‫נצל‬.126 Was für V. 48aβb aber recht ist, sollte für V. 47bα billig sein, Sauls Kampf gegen die Feinde Israels „ringsum“. Veijola verweist hier auf I Sam 10,1LXX.127 Das ist freilich kein sehr tragfähiger Beweis, denn er impliziert die Annahme, das dortige Septuaginta-Plus sei im MT durch Haplographie ausgefallen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich dieses Stück jedoch als in der Tat „suspiciously similar to the surrounding verses“,128 weshalb es von Pisano nach gründlicher Überlegung – und m. E. zurecht – eher als Ergänzung im protoseptuagintarischen Text beurteilt wird. Damit hätte es für die Beurteilung von I Sam 14,47bα keine Beweiskraft mehr. Das ändert jedoch nichts am Wert der Beobachtung Veijolas: Die „Feinde ringsum“ begegnen, ebenso wie die Plünderer, im Richterrahmen, 122 Vgl. Gen 28,15; Jos 1,1.9; II Sam 7,7.9; (parallel I Chr 17,6.8); II Sam 8,6.14 (parallel I Chr 18,6.13). 123 Vgl. als nächste Parallelen zu I Sam 14,47 die äußerst heterogenen Verse I Reg 2,3 und Prov 17,8. 124 Vgl. Dietrich, 1Sam 14,1–15,35, 120 f; in seiner älteren Studie grenzt er lediglich V. 48 als „von DtrP verfaßt“ aus (ders., David, Saul und die Propheten, 104). 125 Vgl. bereits Richter, Bearbeitungen, 29, mit Blick auf die Parallele Jdc 2,14; II Reg 17,20. 126 Vgl. u. a. Veijola, Königtum, 80; Dietrich, David, Saul und die Propheten, 72, n. 51; R. Müller, Königtum, 156; Dietrich, 1Sam 14,1–15,35, 119, n. 26. 127 Vgl. Veijola, Königtum, 80, gefolgt von R. Müller, Königtum, 156. 128 Pisano, Additions or Omissions, 169. Dietrich dagegen übernimmt in 10,1 die Septuagintafassung, (vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 387), wie auch McCarter (vgl. McCarter, I Samuel, 171) und Aejmelaeus (vgl. Aejmelaeus, How to Reach, 191). Auch Müller, Pakkala und ter Haar Romeny präferieren jüngst wieder für LXX und sehen im MT geradezu ein Lehrbeispiel für eine „secondary omission“ (Müller / Pakkala/ ter Haar Romeny, Evidence, 69; vgl. a. a. O., 69–77).

4.3 Das Ende Sauls in I Sam – Zusammenfassung

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in Jdc 2,14 sogar im gleichen Vers129 – die Formulierung ist ebenso deuteronomistisch wie es die „Plünderer“ von V. 48 sind. Müller schüttet nun freilich das Kind mit dem Bade aus, wenn er aufgrund dieser Beobachtung die ganzen Verse 47b und 48 für sekundär erklärt. Denn sosehr die beiden eben genannten Wendungen deuteronomistisch sind, so wenig sind es die singuläre Nifalform von 130‫ ישע‬und die Rede vom „Taten vollbringen“ respektive „den Sieg davontragen“ (‫)עשה חיל‬.131 Beide Wendungen sind daher der Grundschicht zu belassen, folgten einmal direkt aufeinander und bildeten ein komplementäres Paar, dessen Beziehung aufeinander erst durch die Einfügung der bekämpften Völker von V. 47 und V. 48 auseinandergezogen wurde: ‫ושאול לכד המלוכה על־ישראל […] ובכל אשר־יפנה יושיע ויעש חיל‬ „Und Saul erlangte die Königsherrschaft über Israel […] und wohin er sich wandte, wurde er gerettet und errang den Sieg.“

Daran mag sich ohne weiteres direkt die Liste der Familienangehörigen angeschlossen haben, deren literarische Einheitlichkeit nicht eben wahrscheinlich ist, deren sekundäre Elemente sich aber nicht leicht zu erkennen geben. Am ehesten käme m. E. für eine Ergänzung der zweimal genannte Abner samt seinem Vater Ner in Frage – darauf deutet ein wenig der Konkordanzbefund zur Nennung des Heerführers mit Filiation hin.132 Ohne Zweifel schlägt V. 51 (mit oder eher noch ohne Abner samt Ner) den Bogen zu Kapitel 9 – ob man ihn deshalb auf eine andere literarische Ebene hebt als die Grundschicht des Summariums sonst, hängt davon ab, ob man, wie Dietrich, nach unabhängigen Traditionsstücken fragt oder ob man stärker redaktionskritisch arbeitet und sich, wie die vorliegende Arbeit, damit begnügt, die ältesten literarischen Zusammenhänge herauszuarbeiten.

4.3 Das Ende Sauls in I Sam – Zusammenfassung Drei, wenn nicht vier „Enden“ Sauls mit je eigenem Blick auf den König konnten als Hauptlinien in I–II Sam herausgearbeitet werden. 1. Der älteste Abschluß der Saulüberlieferung findet sich bereits in seinem Nachruf in I Sam 14,47a.bβ.48aα.49–51 (womöglich ohne Abner und Ner). Saul 129 Vgl. sonst noch Dtn 12,10; 25,19; Jos 23,1; Jdc 8,34; I Sam 12,11; II Sam 7,1; I Chr 22,9; Ps 27,6. Dieser Befund ist einigermaßen eindeutig. 130 Müller verweist hier auf Num 10,9; Dtn 33,29; Jes 45,17; Ps 18,4 für ‫ ישע‬Nifal (vgl. R. Müller, Königtum, 156, n. 42). Für die Beurteilung der Wendung von I Sam 14,47 als deuteronomistisch tragen diese Vergleichsstellen indes m. E. wenig aus. 131 Klein versteht die beiden Worte dahingehend, „dass Saul ein Heer gegründet hat“ (Klein, David versus Saul, 97). Diese Bedeutung ist indes an keiner der Belegstellen im Blick, vgl. Num 24,18; Dtn 8,17.18; Rut 4,11; Ps 60,14; 108,14; 118,15.16; Prov 31,29; Ez 28,4. 132 Vgl. oben S. 142 f., n. 105.

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4. Saul in den Samuelbüchern – Das Ende

erscheint hier als erfolgreicher Herrscher und Heerführer, sowie eingeordnet in den Kreis seiner Familie. Die Feinde, mit denen er sich auseinanderzusetzen hatte, sind noch nicht namentlich spezifiziert. 2. Die Grundschicht von I Sam 31 in den Versen 1.2*(ohne die Namen der Söhne).3–5.6LXX.8.9aLXX.10b–13 sieht ihn als heldenhaft gegen die Philister kämpfenden König, der samt (allen) seinen drei Söhnen den tragischen Tod auf dem Schlachtfeld von Gilboa findet, und dessen Leichnam von den Einwohnern von Jabesch-Gilead einer ehrenvollen Bestattung zugeführt wird. Der Blick ist nach wie vor ganz auf Saul gerichtet. 3. Dies ändert sich mit der an I Sam 31 angefügten Grundschicht von II Sam 1 in V. 1aα.bα.2aα2.β.3.4.11.12a.bα1β. Sie vollzieht den Schwenk zu David und gibt dabei ein Wissen zumindest von Teilen der Aufstiegsgeschichte zu erkennen. Vorausgesetzt werden (neben der Grundschicht von I Sam 4 und 31) Davids Lehen in Ziklag (I Sam 27,6) und seine Demission durch die Philister vor der Schlacht in I Sam 29,10 f., sowie eine besondere Bedeutung Jonatans. 4. Auch die größere Fortschreibung in V. 1aβ.bβ.2aα1.b.5–7.9.10.13–16 ist in erster Linie an David und seiner Frömmigkeit interessiert. Saul ist der „Gesalbte JHWHs“, dessen Herrschaft, symbolisiert durch den Speer, auf den er sich im Sterben stützt, gleichwohl schon auf David übergegangen ist. 5. Der Nachtrag II Sam 1,8 schließlich rückt diesen Herrschaftswechsel in ein weiteres Licht. Er schlägt den Bogen zu Sauls Verwerfung nach dem Amalekiterkrieg von I Sam 15 und verbindet auf diese Weise implizit des Königs Verfehlung mit seinem Tod in einer Weise, die derjenigen nicht ferne steht, die in I Chr 10,13 f. explizit wird.

5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang Die Geschichten um Saul, so wurde im vorangegangenen Kapitel versucht zu zeigen, führen zu einem zweifachen Ende. In I Sam 31–II Sam 1 wird von seinem Tod auf dem Schlachtfeld berichtet, während bereits 17 Kapitel zuvor, in I Sam 14, in einer Art Nachruf, ein Resümee über sein Leben und Wirken gezogen worden ist. Diesem doppelten Schluß korrespondiert in gewisser Weise ein doppelter Anfang. Freilich, expressis verbis betritt der schöne junge Benjaminiter aus gutem Hause1 nur einmal die Bühne des Geschehens. Als Sohn eines gewissen Kisch wird er in I Sam 9,2 präsentiert, welcher selbst einen Vers vorher samt Vater und Vatersvätern mit dem womöglich klassischsten aller Erzählanfänge vorgestellt wird: „Es war einmal ein Mann“ (‫)ויהי־איש‬. Diese Formulierung markiert klar einen Neueinsatz, und doch ist sie gerade als ein solcher mit einem anderen Anfang verbunden. „Es war einmal ein Mann“ (‫)ויהי איש אחד‬,2 mit eben diesen Worten beginnt in I Sam 1,1 noch eine andere Geschichte – diejenige Samuels. Auf seine Vorstellung muß man freilich länger warten als auf diejenige Sauls: Er wird, lange ersehnt, erst in 1,20 geboren, während letzterer beim Einsatz seiner Geschichte in 9,1 bereits fraglos vorhanden ist. Doch ungeachtet dessen: Die Parallele betrifft nicht nur die ersten zwei oder drei Worte. Beider Väter, der des späteren Priesters, Propheten und Richters ebenso wie der des späteren Königs, werden in einer derart vergleichbaren Weise, unter Nennung ihrer Väterlinie über vier Generationen und Anführung ihrer jeweiligen Stammeszugehörigkeit eingeführt, daß es gerechtfertigt ist, von einem zweifach erfolgenden Erzähleinsatz der Samuelbücher zu sprechen. Darüber hinaus blitz t der Sohn Kischs bereits bei der Namensgebung des Sohnes Elkanas als Vorverweis auf: „Samuel“ soll Hannas Sohn heißen, „denn ich habe ihn von JHWH erbeten“ (‫כי מיהוה שאלתי‬, I Sam 1,20) – nicht etwa, wie es womöglich ein wenig näherliegend gewesen wäre „denn Gott hat gehört“ (‫כי‬ 1 Kisch wird vorgestellt als ‫גבור חיל‬. Das weckt zunächst kriegerische Assoziationen – „da aber im Folgenden auf kriegerische Tüchtigkeit nicht abgehoben ist, versteht man ‫ חיל‬besser als ‚Vermögen, Einfluss‘“ (Dietrich, 1Sam 1–12, 384). 2 Offensichtlich wurde die Parallele von I Sam 1,1 und 9,1 schon sehr früh, wenn nicht schon immer wahrgenommen. Davon zeugt nicht zuletzt der textkritische Befund: Wenige hebräische Handschriften, sowie die Peschitta und targumische Manuskripte bezeugen in offensichtlicher Angleichung an 1,1 auch für 9,1 das Zahlwort „eins“ (vgl. de Boers Apparat in der BHS).

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

‫)שמע אלהים‬.3 In 1,28, als sie den Knaben an Eli übergibt, wird diese Begründung erneut aufgegriffen: er ist „ein Erbetener für JHWH“ (‫ – )שאול ליהוה‬überspitzt formuliert: Samuel ist ein Saul,4 weniger überspitzt: „Man könnte sagen, daß, wenn Samuel nicht eben Samuel hieße, er nach diesen Versen eigentlich Saul heißen sollte.“5 Beide Figuren sind auf diese Weise erzählerisch denkbar eng aneinander gebunden,6 und von daher hat die Rede von einer „Samuel-SaulGeschichte“7 ihre gute Berechtigung. Eine andere Frage ist, ob dem immer so gewesen ist oder ob diese enge Beziehung beider das Ergebnis überlieferungs‑ oder redaktionsgeschichtlicher Prozesse darstellt. Sollte sich die letztere Vermutung erhärten, schließt sich die Folgefrage an, auf welcher literargeschichtlichen Ebene diese Verknüpfung Sauls mit Samuel erfolgte. Beidem soll im folgenden nachgegangen werden, indem zunächst beide Anfänge separat betrachtet werden.

5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16 Die märchenhafte Geschichte von einem, der „auszog, seines Vaters Eselinnen zu suchen und statt dessen eine Königskrone fand“,8 die in I Sam 9,1–10,16 erzählt wird, dürfte neben der von David und Goliath nicht nur zu den bekanntesten, sondern auch zu den am häufigsten untersuchten der Samuelbücher, wenn nicht des Alten Testaments überhaupt gehören. Dies mag nicht nur daran liegen, daß sie ein gutes Stück narrativer Literatur darstellt, sondern auch damit zusammenhängen, daß sie im Kontext derjenigen Kapitel steht, die sich mit der Einführung des Königtums in Israel befassen, I Sam 8–12. Dieser Vorgang erscheint im Erzählzusammenhang der Vorderen Propheten als eine Art Quantensprung von immenser Bedeutung, und entsprechend intensiv wird er geschichtstheologisch reflektiert. Daß diese Reflexion ihrerseits das verstärkte Interesse 3 Tatsächlich hat die Etymologie des Namens Samuel ebensowenig mit ‫ שאל‬wie mit ‫ שמע‬zu tun. Der im semitischen Sprachraum verbreitete Name wird entweder als Name einer Gottheit mit Prädikat ‫ אל‬als „Šm ist Gott“ aufgefaßt (vgl. Noth, Personennamen, 123; Zadok, Anthroponymy, 46), vom Nomen ‫ ׁשֵם‬herkommend im Sinne von „Nachkomme Gottes“ gedeutet oder von einer Wurzel ‫ׁשמה‬, „hoch, erhaben sein“ abgeleitet: El / Gott ist erhaben (vgl. HALAT, 1438; Gesenius18, 1376). 4 Womöglich hat Ben Sira diese Anspielung wahrgenommen und versucht, sie zu vermeiden. Er führt jedenfalls in Sir 46,13 Samuel mit einem auf dessen Namen wesentlich besser zugeschnittenen „wordplay“ (Corley, Portrait, 34) ein, das sich zwar auch der Wurzel ‫שאל‬ bedient, dabei aber eine mögliche Saul-Assoziation ein gutes Stück erschwert: Samuel (‫)שמואל‬ ist der „vom Leib seiner Mutter Erbetene“ (‫)המשואל מבטן אמו‬. 5 Noth, Personennamen, 136, n. 2. 6 Dietrich sieht hierin eine „absichtsvoll hergestellte, redaktionelle Verknüpfung zwischen beiden Männern“ (Dietrich, 1Sam 1–12, 52*). 7 A. a. O., 53*. 8 Gressmann, Älteste Geschichtsschreibung 2, 36.

5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16

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der Ausleger zwar nicht der Chronik,9 aber doch spätestens seit Pseudo-Philo stimulierte, sei es unter theologischer, sei es unter historischer Fragestellung, ist daher nicht verwunderlich. In ihrer vorliegenden Gestalt erweist sich die Erzählung als offensichtlich dreigliedrig strukturiert. Zu diesem Ergebnis kann man auf zweierlei Wegen kommen, einmal, wenn man die Szenerie, den Ort des Geschehens, näher betrachtet, und zum anderen, wenn man nach den jeweils handelnden Hauptpersonen fragt. Nach dem ersten Kriterium ergibt sich eine Gliederung, die zunächst Saul auf dem Weg zum Zentrum der Handlung zeigt (9,1–14). Eine zweite Szene weiß ihn sodann in der Stadt, wo durch den Gottesmann Samuel dem Unternehmen der Suche in Wort und Tat ein neuer Sinn verliehen wird (9,15–10,8). In diesem Innenbereich erfolgt nicht nur ein gemeinsames Opfermahl, sondern auch, kurz bevor er verlassen wird, die Salbung zum „Fürsten“ (‫נגיד‬, 10,1). Eine dritte Szene zeigt bereits den Abspann (10,9–16). Wieder ist Saul auf dem Weg, diesmal jedoch zurück zu seiner Familie, von der er in 9,4 aufgebrochen war.10 Diese Einteilung bestätigt sich, wenn man auf die jeweils handelnden Subjekte blickt. Zunächst, oder, präziser, in 9,4–14, ist Saul derjenige, der die Handlung voranbringt. 9,15 dagegen ändert sich die Perspektive: Eine Rückblende berichtet von einer Offenbarung, die an Samuel in der vorangegangenen Nacht ergangen war und die sein weiteres Agieren im folgenden Abschnitt bis 10,8 erklärt. Sauls Rolle ist hier eine rein passive und reagierende. Im Ausklang dagegen, 10,9–16, ist es erneut seine Perspektive, die seitens des Erzählers und Lesers eingenommen wird.11

5.1.1 I Sam 9,1–10,16 – Die Frage nach der Grundschicht Sosehr diese Gliederung nach Szenen und die Handlung bestimmenden Personen von einer durchdachten Komposition der Erzählung zeugt, sosehr läßt gerade dieser Blick auf das narrative Kunstwerk Zweifel an dessen literarischer Einheitlichkeit aufkommen. Die Kernszene, das Zusammentreffen Sauls mit  9 Die Einführung od e r Infragestellung der Monarchie ist für die Chronisten überhaupt kein Thema. Die „Königsherrschaft“ (‫ מלוכה‬bzw. ‫ )מלכות‬ist gottgegeben und wird von diesem zugeteilt oder entzogen (vgl. I Chr 10,14; II Chr 36,20). Von daher kann sie nicht in einem Gegensatz etwa zur direkten Gottesherrschaft stehen, wie ihn etwa I Sam 8,7b pointiert. 10 Auch Dietrich gliedert dreifach, setzt den zweiten Einschnitt jedoch schon nach 10,1 (vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 389). Damit legt er den Fokus ganz auf den Akt der Salbung und betrachtet die folgende Rede Samuels, in der dieser dem scheidenden Saul mehrere Zeichen zur Bestätigung des eben Geschehenen ankündigt, bereits als Teil der Schlußszene. Ich halte es indes für sinnvoller, diese Rede, die ja auch noch intra muros stattfindet, mit zum Kern der Geschichte zu rechnen. Die Trennung der beiden Hauptakteure erfolgt erst in 10,9. 11 Vgl. für diese zweite Beobachtung zur Gliederung Buber, Der Gesalbte, 775; ihm folgend: D. Wagner, Geist und Tora, 47, n. 97.

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

Samuels in der Stadt, kann nicht anders denn als überladen bezeichnet werden. Viel, allzu viel müssen die beiden in der kurzen Spanne zwischen einem Nachmittag und dem nächsten Morgen zusammen erledigen: Ein ausgedehntes Opfermahl (9,22–24), ein nächtliches Gespräch auf dem Dach, über dessen Inhalt der Erzähler wie beide daran Beteiligten Stillschweigen bewahren (9,25),12 eine Salbung am frühen Morgen (10,1) und schließlich ein längeres Abschiedsgespräch über die nähere Zukunft (10,2–8). Diese enorme Ereignisdichte weckt den Verdacht, daß die zentrale Bedeutung der Begegnung des Sehers mit dem jungen Benjaminiter nicht nur für den näheren Erzählkontext früh erkannt und der Kern der Szene entsprechend ausgebaut wurde. Dieser Verdacht erhält weitere Nahrung bei einer genaueren Betrachtung der Perikope. Zahlreiche Auffälligkeiten in ihr sind seit langem bekannt. Von Walter Dietrich sind sie nun in seinem Kommentar umfassend und übersichtlich zusammengestellt worden.13 Nichtsdestoweniger ist es sinnvoll, sie an dieser Stelle zu referieren. Es sind, nach dem Textverlauf der Geschichte geordnet, folgende Punkte: 1. Der Verweis auf den hohen Wuchs des Sohnes von Kisch in 9,2 als „größer als alles Volk von der Schulter an aufwärts [= eines Hauptes länger als alles Volk]“ (‫ )משכמו ומעלה גבה מכל־העם‬verbindet die Stelle mit 10,23 (‫ויגבה מכל־העם‬ ‫)משכמו ומעלה‬. 2. 9,9, die berühmte Prophetenglosse, ebnet die begriffliche Differenz zwischen „Gottesmann“ (‫)איש האלהים‬, „Seher“ (‫ )ראה‬und „Prophet“ (‫ )נביא‬ein und schärft dadurch gerade den Blick dafür, daß 3. Saul und sein Knecht zunächst (ab 9,6), einen „Gottesmann“ suchen, sich in 9,11 nach einem „Seher“ erkundigen, in 9,14 aber ganz selbstverständlich einen gewissen „Samuel“ treffen. 4. Als Gottesbezeichnung wird in der Erzählung durchgehend „Gott“ (‫)אלהים‬ verwendet, ausgenommen jedoch 9,15.17; 10,1.6. Dort steht das Tetragramm. 5. Saul und Samuel treffen sich zweimal, einmal „inmitten der Stadt“ (‫בתוך‬ ‫העיר‬, 9,14), ein weiteres Mal „inmitten des Tores“ (‫בתוך השער‬, 9,18).14 12 Dies gilt für den MT. Nach LXX bereitet Samuel dem Saul lediglich ein Lager. Zur Textkritik des Verses vgl. unten S. 161. 13 Vgl. Dietrich 1Sam 1–12, 396 f.; mit geringfügigen Unterschieden (und in fünf Punkten): vgl. Birch, Rise, 30 f. 14 Völlig zurecht stellt Dietrich fest: „bei G […] besteht diese Spannung nicht“ (a. a. O., 396, kursiv Dietrich). In LXX gehen Saul und sein Knecht in 9,14 „in die Mitte der Stadt“ (εἰς μέσον τῆς πόλεως), und gleichermaßen tritt auch in 9,18 Saul auf Samuel zu, „in die Mitte der Stadt“ (εἰς μέσον τῆς πόλεως). Diese Lesart ist ohne Zweifel die lectio facilior und versucht m. E. gezielt, beide (ursprünglich divergierenden) Angaben miteinander in Einklang zu bringen. Dietrich folgt ihr dennoch, nicht ohne jedoch zu vermerken: „Möglicherweise deutet die Unebenheit im hebräischen Text aber auch auf literarisches Wachstum“ (a. a. O., 385). Völlig ohne Anhalt an der Textüberlieferung ist indes die gleichwohl beliebte umgekehrte Angleichung, die in 9,14 wie 9,18 „Tor“ (‫ )שער‬lesen möchte (vgl. etwa bereits Thenius, Bücher Samuels, 36;

5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16

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6. Die Lösung des Eselinnenproblems wird dem treu suchenden Sohn mehrmals und auf unterschiedliche Weise mitgeteilt: In 9,20 beruhigt ihn Samuel bereits mit der Auskunft, sie seien gefunden (‫)כי נמצאו‬, und in 10,16 gibt der Heimgekehrte seinem Onkel genau dies als den Inhalt der Rede Samuels an ihn wieder – den Abschiedsworten des Gottesmanns von 10,2 gemäß aber soll Saul dies (‫ )נמצאו האתונות‬erst auf seinem Weg von zwei Männern beim Grabmal Rahels erfahren. Diese Männer bestätigen darüber hinaus den beiden Wanderern, daß Sauls Befürchtung von 9,5 eingetroffen ist: Sein Vater sorgt sich mehr um sie als um die Tiere.15 7. 9,16 führt ein bis dato unbekanntes Motiv für Sauls Salbung zum „Fürsten“ (‫ )נגיד‬an: Die Rettung von den Philistern. „Von einer Philisternot aber war in der Erzählung zuvor und ist in ihr hernach nichts zu vernehmen.“16 Dem ist noch hinzuzufügen, daß diese Motivation in 9,16b selbst wieder begründet wird: Gott hat sein Volk gesehen und sein Schreien ist zu ihm gekommen. Dieser Halbvers hat ganz offensichtlich einen wesentlich weiteren Horizont als nur die Samuelbücher, findet sich doch eine derart formulierte Begründung für das rettende Eingreifen Gottes nur an einer einzigen weiteren Stelle, in Ex 3,9.17 8. Sauls Verwandlung wird in 10,6 dergestalt angekündigt, daß der Geist JHWHs (‫)רוח יהוה‬18 über ihn kommen werde, woraufhin er „zu einem anderen Mann“ (‫ )לאיש אחר‬umgewandelt werde (Wurzel ‫)הפך‬. In der Durchführung nach 10,9 f. wird ihm aber zunächst „ein anderes Herz“ (‫ )לב אחר‬umgewandelt (Wurzel ‫)הפך‬, und erst anschließend kommt der Geist über ihn, der diesmal als „Geist Gottes“ (‫)רוח אלהים‬19 ausgewiesen ist.20 9. Nach 10,7 wird Saul nach seiner Heimkehr von selbst sehen, was zu tun ist („tu, was deine Hand findet“ [‫)]עשה לך אשר תמצא ידך‬, um einen Vers später, in 10,8, von Samuel äußerst präzise Anweisungen zu erhalten. Erst nach dessen Eintreffen werde er von ihm über das weitere Procedere informiert werden („ich

dann Wellhausen, Text, 72; Budde, Bücher Samuel, 62; Hertzberg, Samuelbücher, 58; McCarter, I Samuel, 169). 15 Vgl. 9,5: „Auf, laß uns zurückkehren, damit nicht mein Vater abläßt von den Eselinnen und sich um uns sorgt“ (‫ )לכה ונשובה פן־יחדל אבי מן־האתונות ודאג לנו‬mit 10,2: „Aufgegeben hat dein Vater die Angelegenheit der Eselinnen und sorgt sich um euch“ (‫נטש אביך את־דברי האתונות‬ ‫)ודאג לכם‬. Die seltene Wurzel ‫ דאג‬begegnet nur an diesen beiden Stellen in den Samuelbüchern (sonst noch Jes 57,11; Jer 17,8; 38,19; 42,16; Ps 38,19). 16 Dietrich 1Sam 1–12, 396. 17 Vgl. I Sam 9,16b: „denn ich habe angesehen mein Volk, denn sein Schreien ist zu mir gekommen“ (‫ )כי ראיתי את־עמי כי באה צעקתו אלי‬mit Ex 3,9: „das Geschrei der Israeliten ist zu mir gekommen, und ich habe die Bedrückung gesehen“ (‫)צעקת בני־ישראל באה אלי וגם־ראיתי את־החלץ‬. 18 Vgl. I Sam 11,6LXX; 16,13.14; 19,9. 19 Einige hebräische Handschriften, wie auch Manuskripte von LXX, Peschitta und Vg. lesen – angleichend – auch hier das Tetragramm (vgl. de Boers Apparat in der BHS). 20 Vgl. I Sam 19,20.23; 11,6; sowie, vom „bösen“ Geist, 16,15.16.23; 18,10.

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

werde dich wissen lassen, was du tun sollst“ [‫)]והודעתי לך את אשר תעשה‬ – „hier werden Saul die Hände gebunden.“21 Zu diesen neun von Walter Dietrich zusammengestellten Beobachtungen gesellt sich noch eine zehnte von Otto Kaiser. Sie betrifft das auffällig lange negative Itinerar in 9,4 f.22 An ihm erstaunt zum einen, daß der junge Benjaminit mit seiner Suche nicht in seiner Heimat, sondern in Ephraim beginnt (9,4) und daß ihn ferner seine Reise schließlich in das mysteriöse und sonst unbekannte Land Zuf führt (9,6). Kaiser erkennt hierin das Bestreben, die sonst unbenannte Stadt, in welcher der Gottesmann und Saul zusammentreffen, mit Rama zu identifizieren – stammt doch Samuels Vater ausweislich I Sam 1,1 „aus Ramatajim-Zofim“ (‫)מן־הרמתים צופים‬, wie auch dessen Urgroßvater ein gewisser Zuf gewesen sein soll. „So scheint das vorliegende Itinerar auf die Begegnung mit Samuel hin konstruiert zu sein“23 – Kaisers Beobachtung fußt demnach auf der oben unter 3. angeführten Differenz von Gottesmann und Samuel. Über die Tatsache, daß die eben aufgeführten zehn Punkte Auffälligkeiten im Verlauf der Geschichte von Sauls Begegnung mit Samuel darstellen, besteht ein weitgehender Konsens – über die Art und Weise, wie diese Auffälligkeiten zu interpretieren und diachron auszuwerten seien, dagegen nicht. Hier hängt die Entscheidung nicht zuletzt davon ab, welcher exegetischen Methode man vorrangig folgt und welches Grundmodell von der Entstehung der biblischen Schriften generell und der erzählenden Bücher speziell im Hintergrund der eigenen Auslegungspraxis steht. Geht man etwa davon aus, daß die Textbereiche, zu denen I Sam 9–10,16 direkte Bezüge aufweist, also Ex 3, I Sam 1 oder I Sam 10,17–27 selbst ein hohes Alter aufweisen und einem Autor der allerfrühesten Königszeit bekannt waren, brauchen die entsprechenden Beobachtungen nicht mehr zu irritieren und können schnell zu lediglich „putative ‚discrepancies‘“24 herabgestuft werden. Das Ergebnis der Analyse ist dann konsequenterweise eine weitgehend literarisch einheitliche Geschichte, deren Inkonsistenzen kompositorischer Absicht entspringen. Die zentrale Auffälligkeit etwa, daß der aufgesuchte religiöse Spezialist als „Gottesmann“ hier und als „Samuel“ dort benannt wird, kann dann daraus resultieren, daß jeweils unterschiedliche Aspekte seines Seins und Handelns in den Blick genommen werden.25 Als sekundär verbleibt ein Minimalbestand aus 21 Dietrich,

1Sam 1–12, 397. die Rekonstruktion einer „Reiseroute“ Sauls auf der Grundlage dieser Angaben in Kartenform vgl. McCarter, I Samuel, 163, der zwei Alternativen anbietet, die er in der Tat beide nach Rama führen läßt. Vgl. für die Diskussion seit Ewald: Edelman, Saul’s Journey, 44–48. Sie selbst rekonstruiert unter Rückgriff auf II Reg 4,42 und I Chr 7,35–44 „a cogent, sequential course“ (a. a. O., 58), eine Art Rundreise durch Ephraim. 23 Kaiser, König Saul I, 531, n. 50. 24 White, History of Saul’s Rise, 284. 25 Vgl. a. a. O., 285 f. 22 Für

5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16

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der Prophetenglosse 9,9, dem Vorverweis auf 13,8–15a, Sauls Verwerfung, in 10,8, und dem Sprichwort von Saul unter den Propheten 10,11 f.26 Auf ähnliche Weise wird es die Analyse der Perikope vorbestimmen, wenn der Exeget oder die Exegetin vornehmlich formkritisch arbeitet. Der Bezug zu Ex 3 etwa wird dann eher als Gattungselement eines hier wie dort vorliegenden Berufungsberichts erscheinen denn als eine intertextuelle Beziehung.27 So arbeitet Walter Richter eine solche Erzählung von der Berufung Sauls heraus, indem er 9,2b.9.13c.20 f.23b.24b; 10,8.9aβ.10–13a.14–16 als Zusätze identifiziert: neben der Prophetenglosse und dem Verweis auf Kapitel 13 also noch Sauls Größe nach 10,23, die umständlichen Erklärungen zum Vorgang des Opfermahls durch die Mägde, einige Details der Mahlszene, sowie praktisch die ganze dritte Szene.28 Nicht vernachlässigt werden darf aber der zuweilen unberücksichtigte Umstand, daß diese Berufungserzählung – Richters Meinung nach die älteste im Alten Testament29 – bereits eine Überarbeitung (aus prophetischen Kreisen) darstellt, der eine nicht mehr vollständig rekonstruierbare Geschichte vom Suchen und Finden von Eselinnen zugrunde gelegen habe.30 Damit weist die gattungskritische Analyse Richters bereits über sich selbst hinaus. Die Geschichte von Saul und Samuel in ihrer vorliegenden Form erinnert ohne Zweifel an die Berufung Moses, und in der Tat lassen sich alle typischen „Gattungselemente“ eines Berufungsberichts finden – doch daß sie diese Charakterzüge deswegen von Anfang an getragen haben soll, entspringt dem formkritischen Postulat, wonach das reine und identifizierbare Gattungsexemplar immer am Anfang der literarischen Entwicklung eines Textes stehe. Dies hat einiges für sich, ist aber für unseren Fall keineswegs zwingend. Genausogut ist es möglich, daß die Geschichte von Sauls Suche nach den Eselinnen erst sekundär als seine Berufung verstanden wurde und verstanden werden sollte – und dementsprechend ausgestaltet wurde. H.-C. Schmitt etwa weist denn auch die entsprechenden Züge samt der Salbung zum „Fürsten“ einer „Bearbeitungsschicht“31 zu. Mit dieser Überordnung der literarkritischen Methode über die formkritische verschieben sich die Gewichte zugunsten einer Argumentation, die ungeachtet 26 Vgl. a. a. O., 291. Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt Wagner, der sogar nur 9,9; 10,8 und 10,9aβ (‫ )ויהפך לו אלהים לב אחר‬ausscheidet (vgl. D. Wagner, Geist und Tora, 61–63). 27 Vgl. W. Richter, Berufungsberichte, 50. 28 Vgl. a. a. O., 27–29. Als geprägte Formeln scheidet er ferner aus: 9,15–17.20 f.; 10,1.7 (vgl. a. a. O., 53). 29 Vgl. a. a. O., 176. 30 Vgl. a. a. O., 53 f. Vgl. ähnlich Birch, Rise, der eine „folcloristic tradition“ (a. a. O., 34) von der Eselsuche herausarbeitet, die 9,1–13.18–19.22–24; 10,2–4 umfaßt habe (vgl. ebd.) und später zu einer „call narrative“ (a. a. O., 40) umgearbeitet worden sei. 31 H.-C. Schmitt, Berufungsschema, 208. Er findet diese Schicht in 9,14b–17.21; 10,1LXX.​ 7 f.; spätere Glossen und Nachträge in 9,2b.9; 10,10–13a; vgl. für die Kritik am Berufungsschema auch schon Mettinger, King and Messiah, 73.

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

einer angenommenen literarischen Gattung primär von den Auffälligkeiten im Text ausgeht. Die ältere literarkritische Forschung rechnete hier mit zwei ursprünglich selbständigen, ineinander verwobenen Quellenschriften oder Überlieferungen.32 Beim Versuch jedoch, diese voneinander zu trennen, erhält man keineswegs mehrere literarisch lebensfähige Geschichten.33 Will man nicht mit zusammenhangslosen Traditionsfragmenten operieren, ist daher eher von einer Grunderzählung auszugehen, die – vermutlich – mehrfach und umfangreich umgearbeitet und fortgeschrieben wurde. Spätestens seit Ludwig Schmidts Studie von 197034 wird dies auch kaum noch in Frage gestellt,35 und seine literarkritische Analyse der Perikope kann als Grundlage der seitdem publizierten zahlreichen Modifikationen gelten. Schmidt arbeitet eine Grundschicht heraus, die 9,1–2a.3–8.10–13aα.β.b.​14a.​ 18 f.22a.24b–27; 10,2–4.7.9 umfaßt.36 Hinter dieser Zahlen‑ und Buchstabenreihe verbirgt sich eine nahezu unangetastete Eröffnungsszene von Sauls Reise bis zu den Toren der Stadt – aussortiert wird lediglich Sauls Größe (V. 2b), die Prophetenglosse (V. 9) und ein wenig von der Verwirrung der Verse 13 und 14, in denen nicht ganz deutlich zu sein scheint, ob der gesuchte Seher nun in der Stadt wohnt oder als Gast zu Besuch kommt. Das Mittelstück der Geschichte indes, das oben als tendenziell überladen bezeichnet wurde, wird von Schmidt deutlich verschlankt: Die Mahlszene ist gestrafft, und die Salbung entfällt – wie auch fast die gesamte dritte Szene von Sauls Heimweg, von der lediglich eine Abschlußbemerkung über das Eintreffen der Zeichen (10,9) übrigbleibt. Wichtig ist das Ergebnis. Bei dieser rekonstruierten Grunderzählung geht es mitnichten um die Einführung des Königtums in Israel und auch nicht darum, wie Saul zu seiner monarchischen Würde kam, sondern darum, wie er „von einem Seher zu kriegerischen Taten aufgefordert wird.“37 In diesem Punkt liegt die Pointe der Auslegung Schmidts – und an ihr scheiden sich die Geister im Verlauf der weiteren Diskussion. Mettinger etwa folgt der Analyse Schmidts weitestgehend, jedoch mit dem feinen Unterschied, daß er nicht nur 9,18 f., sondern auch V. 20 der Grundschicht zuschlägt – und damit die Anspielung auf die königliche Be-

32 Vgl.

Caspari, Samuelbücher, 95 f.; Hertzberg, Samuelbücher, 61. wurde freilich immer schon gesehen, nur störte es nicht, daß die „zwei Vorstufen […] im einzelnen nicht klar – und schon gar nicht literarisch greifbar – voneinander zu scheiden sind“ (Hertzberg, Samuelbücher, 61), wenn man sie auf einer diffusen mündlichen Überlieferungsstufe vermutete. 34 Vgl. L. Schmidt, Menschlicher Erfolg. 35 Eine Ausnahme ist etwa Birchs Studie, die (wieder oder noch) zwei unabhängige Überlieferungen findet, von denen die erste allerdings bereits die Gottesmann-Samuel-Diskrepanz einschließt und die zweite lediglich Sauls Verzückung in 10,10–13 umfaßt haben soll (vgl. Birch, Rise, 29–42). 36 Vgl. L. Schmidt, 101. 37 Ebd. 33 Das

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stimmung Sauls, welche die rhetorische Frage Samuels von V. 20b ohne Zweifel darstellt.38 Diese Entscheidung Mettingers, nun doch wieder die Einsetzung Sauls zum König bereits in der ersten Fassung der Eselinnengeschichte verankert zu finden, prägt die Mehrheit der weiteren Forschung. Kratz findet das Königtum nicht nur wie Mettinger als Anspielung, sondern sogar explizit im Akt der Salbung in einem Kernbestand von 10,1 (ohne „die Bestimmung ‚über sein Erbe zum Fürsten‘ in 10,1b“39) im Rahmen einer Grundschicht in 9,1.2aα.3–8.​ 10.(11–14.)18–19.24b–27; 10,(1.)2–4.7.9.10aα.14–16.40 Auch Mommer beläßt Mahlszene wie Salbung – freilich nicht den Dialog mit Sauls namenlosem Onkel – zunächst in seiner „vorläufigen Grunderzählung“,41 die er weitgehend unbeschnitten in 9,1–2a.3–8.10–27; 10,1–4.7.9 ausmacht,42 von der er jedoch noch eine „Bearbeitungsschicht“43 abhebt, die „9,12bα2.13aβ.14b.15–17.20 f. 22b.23b(?).24aα2; 10,1“44, also das „heutige“ Kommen des Gottesmanns, die Ankündigung seines Segens über der Mahlzeit, die erste Begegnung mit Samuel samt der dadurch eingeschlossenen Rückblende, königliche Bezüge im Rahmen des Festmahls und die Salbung umfaßt habe. Damit ist er wieder ziemlich genau bei Schmidts Analyse. Der Bestand, den Lehnart dagegen jüngst herausgearbeitet hat, entspricht mit 9,1.2a.3–8.10–14.18 f.22.23a.24aαb.25a.26; 10,1–4.7.9 weitgehend der „vo rläufigen“ Fassung Mommers.45 Lediglich die Mahlszene ist ein wenig differenzierter gestaltet. Auch Dietrichs „Grundsage“, die er „[m]it dem ausdrücklichen Vorbehalt [versieht], dass sich deren genauer Wortlaut kaum mehr bestimmen lässt“,46 umfaßt mit 9,1.2a.3–8.10–14.18–27; 10,1a.9a.10aα.13b–1647 in ihrem Zentrum Opfermahl, Salbung (wenn auch nicht zum ‫ )נגיד‬und Rede Samuels. Es fällt auf, daß Dietrich dabei nur einen Bruchteil der von ihm notierten und oben angeführten literarischen Auffälligkeiten des Stücks in literarkritische Entscheidungen überführt. Deutlich näher an Schmidts Analyse liegen dagegen die Vorschläge von Otto Kaiser und Alexander Fischer. Ersterer findet das Grundstratum in 9,1–3​[4–5*].​ 6–8.10–14a.18–19.22a.24b.27aβ1; 10,2–4.7.948 – das ist Schmidt mit kleinen 38 Vgl.

Mettinger, King and Messiah, 70 f. Komposition, 176, n. 78. 40 Vgl. ebd. 41 Mommer, Samuel, 97 (kursiv Mommer). 42 Vgl. ebd. 43 A. a. O., 102 (kursiv Mommer). 44 Ebd. 45 Vgl. Lehnart, Prophet und König, 46 f. Er befindet sich damit also gar nicht so sehr im „Unterschied zur überwiegenden Meinung der neueren Forschung“ (a. a. O., 46), wie er meint. 46 Dietrich, 1 Sam 1–12, 405, n. 50. 47 Vgl. a. a. O., 405. 48 Vgl. Kaiser, König Saul I, 534. 39 Kratz,

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

Korrekturen,49 wie der überzeugenden Reduktion des Itinerars von 9,4 f., das Kaiser als von I Sam 1 beeinflußt erkennt. Bei Letztgenanntem sieht es ähnlich aus: Fischers Quelle liegt in „9,1.2aα.3–8.10.14a.18.19aαγb.22aα.24b.25b–27; 10,2–4.5abα(bis ‫)נביאים‬. 6aβb.7“50. Das wirkt auf den ersten Blick kompliziert, entpuppt sich bei näherem Hinsehen aber als Schmidt abzüglich der Mädchenszene am Tor (9,11–13) und der Bestätigung des Eintreffens der Zeichen (10,9), aber dafür zuzüglich der Ankündigung, daß sich Saul prophetisch gebärden werde (10,6aβb). Die grundsätzliche Differenz des hier summarisch ausgebreiteten und keineswegs vollständigen Analysespektrums51 soll noch einmal benannt werden: Fischer und Kaiser finden, im Anschluß an Ludwig Schmidt und im Unterschied zu den anderen aufgeführten Untersuchungen, keine Designation, Erwählung oder gar Salbung Sauls zum König in der Grundschicht der Erzählung. Bei der Bewertung dieser Thesen und der erneuten Untersuchung des Texts ist nun ebenfalls von der Arbeit Schmidts auszugehen. Ansatzpunkt ist sein m. E. argumentativ stärkster Punkt, der indes zugleich eine Schwäche seiner Analyse darstellt, dabei aber – soweit ich sehen kann – von allen, die sich in der Folge mit ihm auseinandergesetzt haben, übernommen worden ist: Das Hauptkriterium für die Literarkritik von I Sam 9,1–10,16 bildet der oben unter 3. aufgeführte Punkt, nämlich die Unterscheidung von „Gottesmann“ und „Samuel“. Ersterer wird von den Wanderern für die Lösung der Eselinnenfrage gesucht, letzterer wird von Saul in der Stadt getroffen, speist mit ihm und salbt ihn. Dieses Argument zum literarkritischen Schlüssel für die Perikope gemacht zu haben, darin liegt die große Stärke der Untersuchung Schmidts – wie auch, ihr folgend, derjenigen Fischers und Kaisers. Es ist jedoch zugleich in seiner Durchführung mit einem nicht geringen Problem behaftet. Ein Blick auf die Verse hinter der Zahlen‑ und Buchstabenkombination, mit der Schmidts Grundschicht chiffriert ist, zeigt: Ungeachtet der literarkritischen Grundentscheidung fällt der Name „Samuel“ hier auffällig oft, nämlich in der ganzen Kernszene 9,18 f.22a.24b–27 (mit der Ausnahme von V. 25) und in 10,9. Schmidt ist des Problems wohl gewahr und möchte es lösen, indem er angibt, an den betreffenden Stellen sei der Eigenname jeweils durch das Wort „Seher“ oder „Mann“ zu ersetzen.52 Derartige Konjekturen sind jedoch nicht nur innerhalb der Grenzen der Literarkritik methodisch grundsätzlich problematisch, in diesem konkreten Fall hat die Maßnahme auch das Potenzial, das der Untersuchung insgesamt zu Grunde liegende Hauptargument komplett auszuhebeln: Wenn in der rekonstruierten Grundschicht ab 9,18 49 Kaiser verweist denn auch auf die Analyse Schmidts, „dessen literarkritische Zuverlässigkeit mir stets vorbildlich erschienen ist“ (a. a. O., 532). 50 A. Fischer, Saul-Überlieferung, 167, n. 17. 51 Vgl. für die Forschung bis in die früheren 1990er Jahre noch Dietrich / Naumann, Samuelbücher, 29–32. 52 Vgl. Schmidt, Menschlicher Erfolg, 101; ihm folgend: Mommer, Samuel, 102.

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der Name auszutauschen sein soll, warum nicht auch an anderer Stelle – und welchen Wert hat das Gottesmann-Kriterium dann überhaupt noch?53 Diese Konsequenz liegt ausgesprochen nahe – sie zu ziehen wäre gleichwohl verfehlt. Die nähere Betrachtung führt nicht dazu, die These vom sekundären Charakter der Identifizierung des Gottesmannes mit Samuel grundsätzlich in Frage zu stellen, sondern gibt ihr im Gegenteil weitere Nahrung. So finden sich die stärksten Störungen im Text eben an der Stelle, an der „Samuel“ die Bühne betritt – und dort, wo er sie wieder verläßt. Besonders deutlich ist dies im ersten Fall. Saul und sein Knecht erreichen in 9,10 die Stadt und erkundigen sich in V. 11 nach dem Seher. Ab hier ballen sich in den folgenden Versen die Ungereimtheiten. So beantworten die angesprochenen Mägde zunächst die Frage mit einem schlichten „ja, siehe vor dir“ (‫יש הנה‬ ‫לפניך‬, 9,12a), um anschließend mehrmals Details über das wo, wie und warum der Möglichkeit eines Treffens nachzureichen. Sie sollen eilen (‫מהר‬, 9,12b), und sie würden ihn finden, wenn sie in die Stadt hineingehen (‫כבאכם העיר כן תמצאון‬, 9,13a) – worauf die Wanderer nochmals aufgefordert werden, genau dies zu tun: „Steigt hinauf, denn ihn, heute werdet ihr ihn finden“ (‫עלו כי־אתו כהיום תמצאון‬ ‫)אתו‬. Und nicht nur werden die Besucher mehrmals aufgefordert, in die Stadt hinein‑ oder hinaufzugehen; wie oben bemerkt (Punkt 5), treffen sie Samuel auch zweimal, nach 9,14 „inmitten der Stadt“ (‫ )בתוך העיר‬und nach 9,18 „inmitten des Tores“ (‫)בתוך השער‬. Vom gesuchten Gottesmann wiederum scheint es nicht ganz klar zu sein, ob er, wie es 9,6 eigentlich vermuten läßt, in der fraglichen Stadt wohnt, oder ob er lediglich zum Zwecke des Opfers gerade „heute“54 anreist und deswegen anzutreffen ist – so die Auskunft der Mägde nach 9,12. Die Trennung der beiden Hauptfiguren ist nicht in gleichem Maße auffällig wie ihre Begegnung, doch auch hier finden sich mehrere der oben notierten Auffälligkeiten: Die Botschaft von den gefundenen Eselinnen wird in 10,2 mit Blick auf 9,20 wiederholt, (Punkt 6), und Saul soll nach 10,5 in Gibea Gottes vom „Geist JHWHs“ überschattet werden und in einen neuen Menschen verwandelt werden, bekommt aber bereits in 10,9 ein neues Herz und wird in 10,10 vom „Geist Gottes“ inspiriert (Punkte 4 und 8).55 Dazu kommt die Diskrepanz 53 Ähnlich problematisch, aber weniger folgenreich, ist auch Kaisers Vorschlag, aufgrund der sekundären Glosse 9,9 die Bezeichnung des religiösen Experten, der in 9,6–10 aufgesucht werden soll, in einen vermeintlich ursprünglichen „Seher“ zu konjizieren (vgl. Kaiser, König Saul I, 530), der „erst nachdtr. durch den Gottesmann ersetzt worden“ sei (ebd.). Daß David in Neh 12,24 mit dem Titel eines Gottesmanns belegt wird, sagt aber über das Alter der Bezeichnung an sich genauso wenig aus, wie sich aus der Titulierung der Erzväter als „Gesalbte“ und „Propheten“ in Ps 105,15 eine generelle Datierung für die Termini ‫ משיח‬und ‫ נביא‬ableiten ließe. 54 „Heute“ (‫ )היום‬wird in V. 12 f. mehrfach betont: „Heute kommt er zur Stadt, denn heute ist ein Schlachtopfer […], heute werdet ihr ihn finden“. 55 Vgl. 10,6: „Und es wird über dich kommen der Geist JHWHs […] und du wirst zu einem anderen Mann umgewandelt werden“ (‫ )וצלחה עליך רוח יהוה […] ונהפכת לאיש אחר‬mit 10,9: „und es wandelte ihm Gott ein anderes Herz um“ (‫ )ויהפך־לו אלהים לב אחר‬und 10,10: „und es kam über ihn der Geist Gottes“ (‫)ותצלח עליו רוח אלהים‬.

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

zwischen den unterschiedlichen Handlungs‑ oder Nichthandlungsanweisungen nach 10,7 und 10,8 (Punkt 9). Diese Reibungen, die mit dem Auf‑ und Abtreten Samuels in der Geschichte einhergehen, können als eine Art literarisches Narbengewebe bestimmt werden. Es zeugt nicht nur davon, daß gerade die dazwischenliegende Kernszene der Geschichte massiv bearbeitet wurde, sondern auch, daß ein wichtiger Bestand‑ teil dieser Bearbeitungen die Identifikation des zuvor namenlosen Gottesmannes oder Sehers mit Samuel ist. Die Folge daraus, Schmidts postulierte Rück-Umbenennung Samuels in den „Mann“ oder „Seher“ nicht mitzuvollziehen, kann demnach nicht sein, das Got‑ tesmann-Kriterium aus der Literarkritik von I Sam 9,1–10,16 zu verabschieden. Statt dessen könnte es sich womöglich lohnen, es einmal konsequent anzuwen‑ den. Unternimmt man diesen Versuch, ergibt sich folgendes Bild: Saul und sein Knecht erreichen in 9,10 die Stadt, in welcher sich ausweislich der Kenntnis des letzteren nach 9,6 der Gottesmann befinden soll, von dem die Kunde geht, daß alles, was er sage, wahrhaftig eintreffe (‫כל אשר־ידבר בוא‬ ‫יבוא‬, 9,6). Sie treffen in V. 11 die Mägde und erkundigen sich nach dem Seher. Die Antwort der Angeredeten, die sich in ihrer jetzigen Form durch viele und nicht unbedingt miteinander übereinstimmende Angaben auszeichnet, dürfte ursprünglich deutlich schlichter gewesen sein: V. 12b etwa zeichnet ein neues Bild des Gesuchten. Während er nach der Kenntnis von Sauls Knecht in der ungenannten Stadt zu Hause zu sein scheint, kommt er laut Auskunft der Mägde gerade „heute“ (‫ )היום‬zum Schlachtopfer. In V. 13 wiederum erscheint die ganze längliche Erklärung über den Modus der Durchführung des Opfermahls und die Rolle des Gottesmanns dabei von der Ansage „ihr werdet ihn finden“ (‫תמצאון‬ ‫ )אתו‬gerahmt. Das ist eine typische Wiederaufnahme, die um einen Eintrag gelegt ist, für dessen Autor der in der Stadt Gesuchte schon längst Samuel ist. Diesem Beiträger kommt es darauf an, seine Rolle beim Schlachtopfer zu präzisieren. Indem er genau angibt, was der Gesuchte machen wird, nämlich das offenbar schon vollzogene Opfer zu segnen (‫)יברך הזבח‬, erklärt er implizit, was er nicht macht, nämlich selbst das Opfer darzubringen. Dieser Glossator weiß bereits, daß Samuel laut Kapitel 1 nicht aus einer priesterlichen Familie stammt,56 und er legt Wert darauf, daß er auch innerhalb der für ihn damit gesetzten Grenzen agiert. Anders gesagt: Sein Samuel spricht für das Festmahl nur mehr das Tischgebet. Die Mägdeszene reduziert sich somit auf V. 11.12a.13aα, die Auskunft, ja, es gebe einen (Gottesmann / Seher), und er sei in der Stadt zu finden. Die Begeg‑ 56 Die Chronik löst das Problem nicht zuletzt auch seines kultischen „Dienens“ (‫)משרת‬ nach I Sam 2, indem sie Samuel kurzerhand einen levitischen Stammbaum verpaßt (vgl. I Chr 6,18–23). Josephus folgt dem und erklärt ebenfalls Elkana zum Leviten: Er ist „ein levitischer Mann aus dem Mittelstand der Bürger des Gebietes Ephraim“ (Λευίτης ἀνὴρ τῶν ἐν μέσῳ πολιτῶν τῆς Ἐφράμου κληρουχίας, Ant 5,342).

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nung komplett aus der Grundschicht auszuscheiden, besteht kein Anlaß.57 Die von Fischer hierfür vorgebrachten Argumente58 betreffen in ihr ausschließlich die identifizierten Erweiterungen. Nach ihrem Kern ist es indes nur folgerichtig, daß die beiden Wanderer auch tatsächlich zur Stadt hinaufgehen (‫ויעלו העיר‬, V. 14a) – und damit tritt Samuel auf den Plan und verbleibt dort nahezu omni‑ präsent bis 10,1. Die Ausnahme ist 9,25. Von diesem Vers aber hängt die erste Hälfte, die von der Rückkehr von der Kulthöhe in die Stadt spricht, am voran‑ gegangenen Opfermahl, das sich in der vorliegenden Gestalt vom Akteur Samuel nicht trennen läßt, so daß lediglich die zweite Vershälfte übrigbleibt: „Und er redete mit Saul auf dem Dach“ (‫)וידבר עם־שאול על־הגג‬. Dieser Halbvers steht im jetzigen Kontext einigermaßen erratisch zwischen dem Festessen einerseits und der Salbung samt Unterweisung am nächsten Morgen andererseits, umsomehr als nichts über den Inhalt dieses (nächtlichen) Gesprächs zu verlauten scheint. Dieses Problem wurde offenbar schon früh erkannt, und so läßt die Septuaginta auch den Gottesmann hier nicht mit Saul sprechen, sondern ihm als guter Gast‑ geber ein Bett richten: „Und sie polsterten aus für Saul auf dem Dach“ (καὶ διέστρωσαν τῷ Σαούλ ἐπὶ τῷ δώματι)59 – womöglich wurde nicht nach ‫דבר‬, sondern nach der äußerst seltenen Wurzel ‫ רבד‬gelesen.60 M. E. ist nicht die Lesart des MT die sekundäre, weil sie auf dem Dach „Bedeutenderes ereignen [läßt] als nur de[n] Nachtschlaf des Gastes“,61 sondern in ihrer jetzigen Position klar die vorzuziehende lectio difficilior. Die Septuaginta zeugt dagegen davon, wie versucht wurde, eine literarische Naht zu glätten und damit die womöglich letzte Spur der Begegnung Sauls mit dem vorsamuelischen Gottesmann zu tilgen.62

57 Pace

A. Fischer, Saul-Überlieferung, 172. a. a. O., 166 f. 59 VL nach L115 hat diesen gastfreundlichen Zug noch weiter ausgebaut: „er führte ihn weg nach Hause und breitete für ihn aus“ (et deduxit Saul in domo et stra[vi]t ei). Dietrich folgt hier der Lesart von LXXB und L91.93.94, die im Unterschied zu L115 den Plural straverunt belegen, und meint, der plötzliche Wechsel in den Singular sowie die Doppelung der Lokalität „Dach“ (‫ )גג‬mit V. 26 lasse „wenig Vertrauen in diese Version“ (Dietrich, 1Sam 1–12, 386) [sc. des masoretischen Textes] erstehen. Das ist aber eher ein literarkritisches Argument denn ein textkritisches, das möglicherweise für eine Naht zwischen 9,25b und 9,26 spricht. Nichts‑ destoweniger erhält Dietrich eine Version ohne Numeruswechsel nur, indem er in 9,25a der pluralischen Verbalform von MT gegen LXX folgt und auf diese Weise eine Hybridfassung des Verses erschafft. Dabei nimmt er mit LXX einen Subjektswechsel in Kauf: In 9,25 machen „sie“, (bzw. „man“, so a. a. O., 382), Saul ein Bett, worauf hin „er“, nämlich Saul, schläft (καὶ ἐκοιμήθη, was hebräisch ‫ וישכב‬entspräche) – im MT stehen „sie“ (Plural) bei diesem Verb bereits wieder auf (‫)וישכמו‬. 60 Vgl. Budde, Bücher Samuel, 65; Barthélemy, Critique Textuelle 1, 162. ‫ רבד‬begegnet ausschließlich in Prov 7,16. Während Budde jedoch diese Lesart als ursprünglich postuliert, plädiert Barthélemy für MT. 61 Dietrich, 1Sam 1–12, 386. 62 Pace Aejmelaeus, die zur Stelle urteilt: „The Vorlage of the Septuagint must have had the original text“ (Aejmelaeus, How to Reach, 190). 58 Vgl.

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

Der Inhalt der im jetzigen Kontext geheimnisvollen Rede auf dem Dach ist gleichwohl erhalten – in beiden Fassungen –, nur daß sie nun am anderen Morgen und wieder auf dem Erdboden stattfindet. Sie findet sich an der Stelle, an der wieder nicht mehr von „Samuel“ die Rede ist: in 10,2–7*. Einerseits beantwortet sie in 10,2 die Frage des Bittstellers nach dem Verbleib der Eselinnen, wobei sie auf dessen Sorge um die Beunruhigung seines Vaters von 9,5 eingeht. Andererseits geht sie aber deutlich darüber hinaus, indem dem Fragenden drei Ereignisse der näheren Zukunft angekündigt werden. Diese Zeichen führen zum eigentlichen Ziel der Begegnung Sauls mit dem Gottesmann: der Umwandlung des Helden in einen „anderen Mann“ durch den „Geist JHWHs“ (10,6), die an einem nicht zufälligen Ort stattfinden wird: in Gibea Gottes (10,5). Von diesen drei als „Zeichen“ interpretierten Begebenheiten erregt vor allem die dritte, die Begegnung mit den Derwisch-Propheten von Gibea, den Verdacht, ein späterer Eintrag zu sein, nicht zuletzt deshalb, weil sie das einzige der drei ist, von dessen tatsächlichem Eintreten berichtet wird. Darüber hinaus spielt eine Rolle, daß in I Sam 19,19–24 ein weiteres Mal eine Geschichte erzählt wird, in deren Verlauf Saul sich prophetisch gebärdet und auf diese Weise zur Herleitung des Sprichworts von „Saul unter den Propheten“ dienen kann. Nicht selten wird daher die Grundschicht auf die eher unspektakulären Ankündigung der Begegnung mit zwei Männern von 10,2 und mit drei Männern von 10,3 reduziert.63 Eine Ausnahme bildet Alexander Fischer. Er erkennt die Bedeutung des dritten Zeichens darin, daß es „Saul an seinen ‚Bestimmungsort‘ nach Gibeat-Elohim“64 bringt. Freilich gilt das nur für einen Kern, der in V. 5abα (bis ‫)נביאים‬.6aβb zu greifen sei.65 Das heißt, Fischers Propheten kommen nicht von der Kulthöhe und machen keinen Lärm, und Saul wird auch nicht vom Geist JHWHs ergriffen. Gleichwohl „prophezeit“ er mit ihnen und wird in einen anderen Menschen verwandelt. Alles andere sei auf die Arbeit eines deuteronomistischen Redaktors zurückzuführen.66 Hinter dieser Einschätzung steht in der Folge Ludwig Schmidts die – m. E. zutreffende – Überzeugung, daß der Grundbestand der Erzählung mit einer Erhebung Sauls zum König noch nichts im Sinn gehabt habe. Die inkriminierten Versteile werden von Fischer daher aus dem Grund ausgeschieden, weil er das Treiben des prophetischen „Haufen“ von 10,5 mit dem Verweis auf I Reg 1,40 als eine Art Huldigungsjubel interpretiert und die „Begeisterung“ 63 Vgl. L. Schmidt, Menschlicher Erfolg, 101; Mettinger, King and Messiah, 70 f.; Kratz, Komposition, 176, n. 78; Lehnart, Prophet und König, 46 f.; Kaiser, König Saul I, 534. Dietrich hat in seiner „Grundsage“ keine der drei Begegnungen, auf seiner nächsten Ebene, dem „Sauliden-Erzählkranz“, aber alle drei (10,2–7.9b.10aβb–13a) (Dietrich, 1Sam 1–12, 405). 64 A. Fischer, Saul-Überlieferung, 168. 65 Vgl. a. a. O., 167, n. 17. 66 Vgl. a. a. O., 174 f.

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Sauls analog als das Herrschercharisma deutet, das auf ihm bleibt, bis es ihm I Sam 16,14 wieder entzogen wird.67 Gegen diese Deutung sprechen indes einige Bedenken: 1. Die „große Freude“ (‫ )שמחה גדולה‬des Volks (‫ )עם‬von I Reg 1,40 scheint mir ein Phänomen zu sein, das der prophetischen Raserei (‫ )מתנבאים‬der Derwische von I Sam 10,5 jenseits der Gemeinsamkeit, daß in beiden Fällen die Flöte (‫)חליל‬68 zum Einsatz kommt, nicht unbedingt vergleichbar ist. 2. Warum sollte ausgerechnet ein deuteronomistischer Redaktor Wert darauf legen, daß die besagten Propheten „von der Kulthöhe“ (‫ )מהבמה‬kommen? 3. Es erscheint ein wenig merkwürdig, daß Saul zwar auf einmal anfängt, „mit ihnen zu prophezeien“ (‫והתנבית עמם‬, 10,6), aber noch nicht die Rede davon gewesen sein soll, daß sich die Angehörigen des Prophetenhaufens selbst auch gerade entsprechend gebärden. 4. Ebensowenig ist zu verstehen, warum Saul in einen anderen Mann verwandelt wird (10,6b), wenn von einer Ursache dafür, wie sie das Ergriffenwerden vom Geist JHWHs in 10,6a zweifellos darstellt, nichts verlautet. Ungeachtet dieser vier Bedenken zur literarkritischen Entscheidung Fischers im Fall von 10,5 f. gilt es zwei seiner Beobachtungen festzuhalten. Zum einen ist ihm darin zuzustimmen, daß das dritte Zeichen nicht aus der Grundschicht entfernt werden sollte. Dafür sprechen, abgesehen von dem Umstand, daß Saul an einen vorläufigen Zielort kommen muß, schon schlicht narratologische Gründe: Drei Zeichen sind eine Einheit, zwei Zeichen aber sind ein Torso, und den klimaktischen Aufbau der Begegnungen (Saul trifft erst zwei, dann drei, dann einen „Haufen“) sollte man auch nicht ohne Not auseinanderreißen. Zum anderen aber, und das ist der zweite Punkt, gilt diese angenommene Ursprünglichkeit wohl tatsächlich nicht für die beiden Verse 10,5 f. in ihrer Endgestalt, sondern für einen zu rekonstruierenden Kernbestand. Für die Bestimmung dieser potentiellen Grundschicht indes sind womöglich andere Kriterien anzulegen als es Fischer unternimmt. Als Ansatzpunkt empfehlen sich weniger eine Hypothese über das Verhältnis der ursprünglichen Saulerzählung in I Sam 9,1–10,16 zur Einsetzung des Königtums als vielmehr 67 Vgl.

ebd. Konkordanzbefund mag den Ausgangspunkt für Fischers Überlegung gegeben haben. Die Flöte (‫ )חליל‬wird sonst noch erwähnt in Jes 5,12; 30,29; Jer 48,36; Sir 40,21 – im ersten Fall (gemeinsam mit Zither, Harfe und Tamburin wie in I Sam 10,5!) zur Begleitung eines Saufgelages, im zweiten Fall in der Hand eines Wallfahrers, im dritten, um eine Klage über Moab anzustimmen, und im vierten als exemplarisches Musikinstrument in einer weisheitlichen Sentenz. Die Belege sind also allesamt höchst unterschiedlich konnotiert, und eine Verbindung von I Sam 10,5 ausgerechnet zum Jubel von I Reg 1,40 eher unwahrscheinlich. Näher liegt tatsächlich der Blick auf Jes 5,12 – aber auch hier wird man den Vergleichspunkt schlicht im Moment der Ekstase zu sehen haben, sei sie neben Musik von „Zither, Harfe, Tamburin und Flöte“ (‫כנור ונבל תף וחליל‬, Jes 5,12) bzw. „Harfe, Tamburin, Flöte und Zither“ (‫נבל ותף וחליל וכנור‬, I Sam 10,5) zusätzlich durch Wein oder religiöse Praktiken induziert. 68 Der

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

die Beobachtungen am Text. Bedeutsam erscheinen in diesem Zusammenhang drei bereits erwähnte Auffälligkeiten: Zum einen ist das dritte Zeichen das einzige, von dessen tatsächlichem Eintreffen en détail berichtet wird. Zum zweiten erfolgt dieser Bericht in den Versen 10–13, also nachdem das „Kommen aller jener Zeichen an jenem Tag“ (‫ויבאו כל־האתות האלה ביום ההוא‬, 10,9) bereits konstatiert worden ist. Zum dritten schließlich wird Saul, wie oben unter Punkt 8 vermerkt,69 angekündigt, er werde vom „Geist JHWHs“ (‫ )רוח יהוה‬ergriffen werden (10,5) – in der Ausführung ist dann aber von einem „Geist Gottes“ (‫רוח‬ ‫אלהים‬, 10,10) die Rede. Die ersten zwei Beobachtungen, das nachgeholte und singuläre Erzählen vom Eintreffen der Begegnung mit den Propheten in Gibea, ist ein starkes Argument dafür, eben diese Verse, 10,10–13, gegenüber ihrer Ankündigung für sekundär zu halten. Dafür spricht auch der Umstand, daß sie von einer typischen Wiederaufnahme gerahmt sind. So weiß bereits 10,10 vom Eintreffen der Wanderer in Gibea („und sie [so MT] bzw. er [so LXX] kam[en] dorthin [so MT] bzw. von dort [so LXX] nach Gibea“, ‫)ויבא{ו} [מ]שם הגבעתה‬,70 und genau dies wird am Ende von V. 13 erneut vermerkt – sofern man den Vers textkritisch rekonstruiert. MT hat dort ein einigermaßen unverständliches „und er kam zur Kulthöhe“ (‫)ויבא הבמה‬, und auch im Griechischen kommt Saul „auf die Höhe“ (καὶ ἔρχεται ἐις τὸν βουνόν) – wie auch in 10,10 (καὶ ἔρχεται ἐκεῖθεν ἐις τὸν βουνόν). Daß der Ortsname „Gibea“ von der Septuaginta mit „Höhe“ übersetzt wird, kommt durchaus häufiger vor – die Wiedergabe von ‫ במה‬mit βουνός dagegen ist innerhalb der Samuelbücher singulär.71 Dafür begegnet in unserer Perikope der fiktive Name „Bama“ (Βαμα) als der des Ortes, an dem sich Saul und Samuel treffen.72 Dies läßt darauf schließen, daß zumindest in der Vorlage von LXX an dieser Stelle nicht „Kulthöhe“, sondern „Gibea“ stand.73 Durch das Versehen eines Abschreibers mag aus diesem Eigennamen mit der Bedeutung „Höhe“ im Blick auf die Ankündigung von 10,5, wonach die Propheten in Gibea von der Kulthöhe herabsteigen werden (‫)ירדים מהבמה‬, die andere „Höhe“ (‫ )במה‬geworden sein. Die 69 Vgl.

oben S. 153. liest „von dort“ (ἐκεῖθεν) und hat den Singular. 71 Vgl. Grillet /Lestienne, Premier Livre, 110–114, insbesondere die Tabelle auf Seite 113. Die einzige Stelle, an der ‫ במה‬mit βουνός übertragen wird, ist Ps 78,58 (vgl. Hatch / Redpath, Concordance, 228). 72 I Sam 9,12.13.14.19.25; 10,5; sonst noch 11,8; I Chr 16,39; 21,29; II Chr 1,13. An den anderen Samuelstellen, an denen ‫במה‬ – offensichtlich in einem nicht kultisch konnotierten Sinn – begegnet, hat LXX für „Höhe“ ὕψος: II Sam 1,19.25; 22,34. Für die kultisch illegitimen Höhenheiligtümer der Königebücher ist der terminus technicus sonst ὑψηλός. Offensichtlich soll der Eindruck vermieden werden, Samuel könnte auf einem solchen Höhenheiligtum aktiv gewesen sein (vgl. Hutzli, Theologische Textveränderungen, 222; Schenker, Textverderbnis, 244, n. 9). 73 Anders freilich Grillet /Lestienne, Premier Livre, 215. Sie nehmen an, daß der Übersetzer hier ‫ במה‬mit βουνός wiedergab, um zu vermeiden, daß Sauls Reise wieder dort endete, wo sie eben begonnen hatte, im fiktiven Ort „Bama“; vgl. Barthélemy, Critique Textuelle 1, 164. 70 LXX

5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16

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LXX-Lesart dagegen zeugt noch von der um die Verse über das Eintreffen des dritten Zeichens liegenden Wiederaufnahme74 – es liegt also gewissermaßen der umgekehrte Fall vor wie in 9,25 f. Dort ist die literarische Naht im MT spürbar und in LXX geglättet, hier, in 10,13, ist das Indiz hierfür im griechischen Text erhalten und im Hebräischen verwischt. Dieses durch 10,10 und 10,13 gerahmte Stück setzt nun zwei inhaltliche Schwerpunkte. Zum einen dient es dazu, das Sprichwort von Saul unter den Propheten aus 19,24 im Kontext der Samuel-Saul-Geschichte zu verankern.75 Zum anderen zeichnet es sich durch ein dezidiertes Verständnis dessen aus, was es heißt, daß „der Geist Gottes über Saul kam“, nämlich daß er in Raserei verfiel. Damit deckt es sich zwar mit der Ankündigung von 10,5 f. auf der Ebene des Endtextes vollkommen, nicht jedoch mit der Bedeutung, die diesem Phänomen an den anderen Stellen seiner Erwähnung zukommt, und auch nicht mit dem Ziel einer Erzählung, die davon gehandelt haben soll, daß und wie Saul zu einer besonderen Tat ausgerüstet wurde. Das Ergriffenwerden vom Geist wird ausschließlich in Jdc und I Sam mit dem Verb „eindringen, durchdringen“ (‫ )צלח‬beschrieben, und die Anzahl der Belege ist überschaubar. Diese Formel vom Geist JHWHs (oder Gottes), der über jemanden kommt (‫ )צלח רוח יהוה \ אלהים על \ אל‬sollte zunächst nicht mit der ähnlichen und weiter verbreiteten Wendung in einen Topf geworfen werden, die mit dem Verb „sein“ (‫ )היה‬oder „bekleiden“ (‫ )לבש‬operiert.76 Der Geist JHWHs „durchdringt“ lediglich drei biblische Gestalten: Simson, Saul und David. Ersteren befähigt er zu Großtaten, „und dann vollführt er tolle Streiche, die Israel 74 Die LXX-Lesart wird u. a. vertreten von Thenius, Bücher Samuels, 40; Budde, Bücher Samuel, 70. Wellhausen konjiziert ein „nach Hause“ (‫( )הביתה‬vgl. Wellhausen, Text, 75). Ihm folgt u. a. McCarter, der ergänzend auf Josephus Ant 6,58 verweist (vgl. McCarter, I Samuel, 172). Stoebe diskutiert den Fall, bleibt unentschieden und gibt das fragliche Wort durch drei Punkte wieder (vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 192; 199). 75 I Sam 19,18–24 scheint mir der ältere Ort für die Herleitung des Sprichworts zu sein. Dort läuft die ganze kleine Geschichte von der Flucht Davids zu Samuel einzig und allein auf diese Pointe zu. In I Sam 10,11 f. dagegen ist das Stück sekundär und lediglich durch die Kombination von Propheten und Geist JHWHs stimuliert (pace Dietrich, David, Saul und die Propheten, 60 f., der damit argumentiert, daß 10,11 f. die Wendung mit Blick auf Saul positiv zu konnotieren scheint, während sie in 19,18–24 zur negativen Zeichnung Sauls beitrage. M. E. scheint mir die erste Interpretation – die positive Deutung des Rasens Sauls in 10,11 f. – alles andere als zwingend zu sein (vgl. Adam, And He Behaved, 13 f.); pace simile Nihan, der zwar ganz anders datiert als Dietrich (beide Stellen sind „post-Dtr creation[s]“ [Nihan, Saul among the Prophets, 97. 106]), für den aber gleichermaßen feststeht, daß die Wendung in Kapitel 10 positiv konnotiert sei, während sie in Kapitel 19 polemisch gebraucht werde (vgl. a. a. O., 109; vgl. Gunn, The Fate of King Saul, 63). Nota bene: In I Sam 19,20.23 ist es nicht der Geist JHWHs, sondern Gottes (‫)רוח אלהים‬, und das von ihm Überkommenwerden wird nicht mit ‫צלח‬ formuliert, sondern mit ‫היה על‬. 76 Pace Richter, Berufungsberichte, 49, der für das ältere Verständnis der Formel neben den Simsonbelegen in Jdc 14,6.19; 15,14 noch Gideon (Jdc 6, 34, mit ‫[ לבש‬vgl. indes I Chr 12,19; II Chr 24,20!]) und Jeftah (Jdc 11,29, mit ‫ )היה‬anführt.

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

nichts nützen.“77 Simson zerreißt einen Löwen (Jdc 14,6), tötet dreißig Männer in Askalon (Jdc 14,19) und kann sich von seinen Fesseln befreien, um zum berühmten Eselskinnbacken zu greifen (Jdc 15,14). Auch Saul wird in I Sam 11,678 auf diese Weise zu einer militärischen Heldentat – mit größerem Nutzen – befähigt, wenn er sie auch nicht im Alleingang, sondern als Führer eines Heeres vollbringt. Anders verhält es sich mit der Gabe des Geistes bei David. Hier, in I Sam 16,13, ist daraus tatsächlich ein Amtscharisma geworden, dessen Übertragung mit der Salbung durch Samuel einhergeht. Nicht mehr eine einzelne Tat, sondern die ganze Existenz als Gesalbter steht für David von nun an im Zeichen des Geistes JHWHs: So kommt dieser auch nicht schlicht über ihn, sondern betont „von jenem Tag und fortan“ (‫)מהיום ההוא ומעלה‬. In der Doppelung von Salbung und Inspiration wird hier in der Tat auf Saul in I Sam 10 rekurriert – jedoch nicht in dem Sinne, daß eine gleiche Hand hier wie dort den Geist als Ausrüstung zum Königtum eingetragen hätte,79 sondern dergestalt, daß in I Sam 16 auf der Basis einer Fassung von I Sam 9,1–10,16, die bereits den Akt der Salbung enthält, eine Neubewertung der Ankündigung Samuels von 10,6 stattfindet.80 Diese neue Fassung des Motivs im Sinne einer Auszeichnung des von JHWH erwählten Herrschers über Israel ist als Entwicklung aus der situativen Befähigung zu einer Heldentat wohl vorstellbar – eher weniger jedoch aus der Vorstellung, dabei handele es sich lediglich um ein ekstatisches Sich-Gebärden in der Manier von Derwischen. In diesem Zusammenhang ist nun wiederum zu berücksichtigen, daß der gegenüber 10,6* sekundäre Vers 10,10 eben nicht vom Geist JHWHs, sondern Gottes (‫ )רוח אלהים‬spricht. Von einem solchen, und zwar einem bösen, wird Saul auch in I Sam 18,10 befallen,81 zu einem Zeitpunkt also, da der Geist JHWHs schon längst von ihm gewichen ist (I Sam 16,14). In diesem Bedeutungsspektrum der Wendung, vom Geist durchdrungen zu werden, in dem durchaus eine begriffsgeschichtliche Entwicklungslinie zu erkennen ist, sind nun I Sam 10,6.10 zu verorten. Die ‫ רוח אלהים‬von 10,10 ent77 Wellhausen,

Komposition, 225. spricht hier von einem „Geist Gottes“ (‫)רוח ־ א ל הים‬, LXX jedoch vom „Geist des Herrn“ (πνεῦμα κυρίου). Kratz betrachtet hier die MT-Lesart als ursprünglich und sieht in LXX die späte Auswirkung einer Tendenz, I Sam 11 mit den Richtergeschichten in Verbindung zu bringen (vgl. Kratz, Nahash). Konsequent meint er denn auch, daß 10,6 „is aimed neither at 11:6 nor at any wars“ (a. a. O.). Vgl. dagegen die literarkritische Differenzierung innerhalb von 10,6, unten S. 167 f. Die oben skizzierte Entwicklung in der Art und Weise, wie in I Sam von Sauls Geistbegabung gesprochen wird, läßt eine andere Tendenz erkennen. Sie geht dahin, aus dem positiv verstandenen „Geist JHWHs“ etwas ambivalentes bis fragwürdiges zu machen. Damit einher geht die Transformation in einen „Gottesgeist“ (‫)רוח אלהים‬, wie sie sich dann auch in der MT-Lesart von 11,6 niederschlägt. 79 Pace A. Fischer, Saul-Überlieferung, 174 f. 80 Vgl. Richter, Berufungsberichte, 49. 81 „Und es kam ein böser Gottesgeist über Saul“ (‫)ותצלח רוח אלהים רעה אל־שאול‬. 78 MT

5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16

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spricht dabei nicht nur in ihrer Formulierung derjenigen von 18,10, sondern auch ihre ekstatische Wirkung ist die gleiche: Saul „gebärdet sich prophetisch“ (‫)ויתנבא‬, in 18,10 wie in 10,10, und das heißt im Kontext der erstgenannten Stelle, daß er unkontrolliert rast, ehe er den Speer auf den vor ihm musizierenden David schleudert. Diese Raserei scheint somit in 10,10 bereits antizipatorisch auf – und sie wirft darum auch dort schon ein für Saul keineswegs günstiges Licht auf die sprichwörtliche Rede von 10,11 f.82 Mit Blick auf den Vers 10,5, in dem die Rede vom Geist JHWHs ist, offenbart sich diese Verbindung von Inspiration und Tobsucht als Reinterpretation in malam partem Saulis. Sekundär ist somit nicht die Ankündigung Samuels, daß Saul vom Geist JHWHs durchdrungen und in einen anderen Menschen verwandelt werde, sondern die durch den Kontext der Derwischpropheten angestoßene pejorative Deutung dieses Geistes als eines zum Rasen anstiftenden „Gottesgeistes“. Diese Interpretation ist ihrerseits bereits jünger als die Aufnahme von I Sam 10,1*.6 in 16,13. Zum Kernbestand der Ankündigung des dritten Zeichens zählt demnach 10,5*.6aα.b: Saul wird einer Gruppe von Propheten begegnen, wie vorher bereits den Männern von V. 2 f., und im Anschluß daran vom Geist JHWHs durchdrungen werden. Dieser Vorgang schließlich stellt, vollkommen in Einklang mit den Belegen von Jdc 14; 15; I Sam 11, nichts anderes dar als eben die Befähigung zu einer im direkten Anschluß geschilderten Heldentat, auf welche die Grunderzählung nach den Analysen Schmidts wie Fischers ja zuläuft. Diese Entscheidung, 10,6aα.b zum ursprünglichen Bestand der Geschichte von Saul und dem Gottesmann zu rechnen, wirft zugleich ein Licht auf die angeführten Parallelstellen, I Sam 11,6 und die Simson-Belege in Jdc 14 und 15. In beiden Fällen wird die Wendung, der Held sei vom Geist JHWHs durchdrungen worden, nicht selten als sekundär angesehen.83 Das hat damit zu tun, daß hinter ihr die im Richterbuch auch sonst erkennbare Tendenz vermutet wird, vermittels der Geistbegabung „Richter“ und „Retter“ aneinander anzugleichen und als Vorläufer der Könige zu schematisieren und zu stilisieren.84 In der Tat ist dies für die von Kratz hierfür genannten Belege der Fall, deutlich in Jdc 3,10 (Otniël) 82 Pace

Dietrich, David, Saul und die Propheten, 60 f. Kratz, Komposition, 213, der einen Kern der Simson-Überlieferung in Jdc 14,1– 15,8 ausmacht, davon aber (neben 14,4 und 15,3) die Formel vom Geist JHWHs ausdrücklich ausnimmt (vgl. a. a. O., 213, n. 115), wie auch im Grundbestand von Kapitel 15 (vgl. a. a. O., n. 116). Gleichermaßen scheidet Kratz I Sam 11,6 aus der Grundschicht aus (vgl. a. a. O., 176, n. 80), hierin gefolgt von Müller, der in diesem Kontext von einer „Gotteskriegsbearbeitung“ spricht (R. Müller, Königtum, 261; vgl. a. a. O., 48: „Nachträge im Rahmen von Jahwekriegsbearbeitungen“ im Hinblick auf Jdc 13,25; 14,6; 14,19; 15,14; I Sam 11,6). Inwiefern der Geist aus dem Zerreißen eines Löwen (Jdc 14,6) sekundär einen Jahwekrieg macht, leuchtet mir allerdings nicht ein. 84 Vgl. Kratz, Komposition, 201 f. 83 Vgl.

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

und wahrscheinlich auch in 6,34 (Gideon).85 An diesen Stellen ist jedoch wieder, ebenso wie innerhalb von I Sam, die jeweilige Rede vom Geist JHWHs genau zu betrachten. Die jeweiligen Formulierungen scheinen mir dabei ebenso zu unterscheiden zu sein wie die Frage wichtig ist, ob es sich tatsächlich um den schematischen Gebrauch einer stereotypen Formel handelt. Für die Fassung mit „sein“ (‫ )היה‬wie in 3,10 (und 11,29) oder, wie in 6,34, mit „bekleiden“ (‫)לבש‬ scheint mir dies der Fall zu sein – bei dem bei Simson (und Saul) gebrauchten „durchdringen“ (‫ )צלח‬eher nicht. Es empfiehlt sich daher eher, den erstgenannten Gebrauch aus dem (älteren) zweiten entwickelt anzunehmen.86 In den Simsongeschichten (und m. E. gleichermaßen bei Saul in I Sam 10,5; 11,6) erscheint die Formel – anders als in Jdc 3,10 – somit nicht als einem geschichtstheologischen Schema geschuldet, sondern vielmehr als originärer Bestandteil einer Heldengeschichte. Selbstverständlich bedarf der Held für seine übernatürliche Tat übernatürlicher Kräfte – und woher sonst sollte er sie beziehen, wenn nicht von der Gottheit. Das theologische Stereotyp eines geistbegabten Richters und Retters wird daraus – im Richterbuch ebenso wie bei Saul in Jdc 11 – erst in einem nächsten oder übernächsten Schritt. Ein Punkt der Verse I Sam 10,5 f. bleibt schließlich noch zu klären: die Näherbestimmung des Zielortes Gibea als „wo der Posten der Philister ist“ (‫אשר־שם‬ ‫)נצבי פלשתים‬.87 Es ist eindeutig: Dieser kleine Relativsatz verweist voraus auf den Philisterkampf von Kapitel 13 f. – ebenso wie die Geistbegabung von 10,6 Sauls Furor von 11,6 vor dem Ammoniterkampf assoziieren läßt, der gleichermaßen von Gibea aus anheben wird. Für welche besondere Tat wird nun also Saul vom Gottesmann ausgerüstet – für die Kommandoaktion gegen die Philister oder für die Schlacht gegen die Ammoniter? Hinsichtlich des Endtexts wird sich mit Fug und Recht sagen lassen, daß dem für beide Fälle so ist, doch dürfte dies kaum von Anfang an so gewesen sein. Die Ergänzung von 10,8 jedenfalls hat ihren Bezugspunkt in der Auseinandersetzung mit den Philistern, und in der Erzählung von diesem Kampf sieht Fischer 85 Vgl. a. a. O., 201. Im ebenfalls in diesem Zusammenhang aufgeführten Richterschema Jdc 2,11–19 taucht das Stichwort „Geist“ (‫ )רוח‬indes nicht auf. 86 Auch Groß betont die unterschiedlichen Formulierungen und sieht darum in Jdc 14; 15 keinen literarkritischen Anlaß für eine Ausgrenzung der Rede vom Geist JHWHs (vgl. Gross, Richter, 653 f.). Witte betont gleichfalls den Unterschied der Rede vom Geist bei Otniël, Gideon und Jefta ggü. der bei Simson (vgl. Witte, Simson, 531, n. 23). Er möchte freilich die entsprechenden Wendungen in Jdc 14,6.19; 15,14 als „[l]iterarisch eindeutig sekundär“ (a. a. O., 545) ausgliedern, sieht er hier doch eine frühe Redaktion am Werk, „die nur den Komplex von Jdc 13,25–15,16* bearbeitet hat“ (a. a. O., 531). Ihr sei damit „der älteste literarische Zyklus von Simsonerzählungen“ (a. a. O., 545) zu verdanken. 87 LXX hat hier eine hübsche Doppelwiedergabe von ‫ נצבי פלשתים‬und spricht, nach der Wurzel ‫ נצב‬übersetzend, einmal von der „Höhe der Andersstämmigen“ (ἀνάστημα τῶν ἄλλοφύλων), wo außerdem ein gewisser „Nasib, der Andersstämmige“ (Νασιβ ὁ ἀλλόφυλος) sein soll, der dann entsprechend in 13,3 f. von Jonatan respektive Saul erschlagen wird (vgl. dazu Bezzel, Unterschiede, 128).

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auch den ursprünglichen direkten Anschluß an 10,7 gegeben, „auch wenn dort in I Sam 13 die literarischen Verhältnisse verwickelter sind“.88 Mit der oben getroffenen Entscheidung für den ursprünglichen Charakter von 10,6aα.b ist indes neben dem Ortsnamen Gibea auch die direkte Verbindung zu Kapitel 11 in der Grundschicht verankert – und umgekehrt erscheint der Relativsatz von 10,5aβ als sekundärer Eintrag und Vorverweis auf 13,3 der zudem das dort genannte Geba mit dem Gibea von I Sam 10 (und 11) gleichsetzt.89 Somit erscheint der Bezug zu den Philistern in der Grundschicht von 9,1–10,16 als sekundär, derjenige zur Geschichte vom Kampf Sauls mit den Ammonitern dagegen primär verankert zu sein und die Ausführung dessen, „was deine Hand findet“ nicht in Kapitel 13, sondern in Kapitel 11 zu liegen.90 Den Höhepunkt erreicht die Mittelszene der Erzählung schließlich mit 10,7. Hier wird dem frisch gebackenen Helden das weitere Ziel gesteckt: zu handeln, wenn es zu handeln gilt. Zahlreiche Ausleger lassen die Geschichte mit diesem „Cliffhanger“ enden – sie kann jedoch getrost einen kleinen Abspann vertragen, ohne daß deswegen der Spannungsbogen zur Fortsetzung in Kapitel 11 geschwächt würde oder risse. Da dort mit dem Blick auf die Aktion Nahaschs, des Ammoniters, eine gänzlich neue Perspektive eingenommen und erzählerisch neu eingesetzt wird, spricht vieles dafür, V. 9b, der vom Eintreffen der Zeichen spricht und vielleicht auch V. 10aα, die Ankunft in Gibea, mit zum Grundbestand zu rechnen – anders als das Gespräch mit dem Onkel in V. 14–16, das nicht nur vom Namen „Samuel“, sondern auch vom Königtum bereits weiß. Um es zusammenzufassen: Die kritische Analyse, insbesondere in Auseinandersetzung mit den Arbeiten Ludwig Schmidts, Alexander Fischers und 88 A. Fischer, Saul-Überlieferung, 169. Auch Mommer meint: „Man wird nicht fehlgehen, dahinter [s.c. hinter der Beauftragung von 10,7] die militärischen Erfolge Sauls gegen die Philister zu vermuten.“ (Mommer, Samuel, 103; vgl. auch Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 8). Gleichwohl sieht Mommer (anders als Fischer) in Kapitel 13 nicht die Fortsetzung von 9,1–10,16* (vgl. a. a. O., 92, n. 205), da Saul in Kapitel 13 (im Unterschied zu Kapitel 9) bereits „ein längst erwachsener, erfahrener Krieger mit einem wehrfähigen Sohn“ (ebd.) sei. Beide Aussagen Mommers gehen nur dadurch zusammen, daß er, der I Sam 9–10,16* „zu Beginn der Herrschaft Sauls“ (a. a. O., 103) datiert, für diese Zeit fraglos eine Philisterbedrohung voraussetzt, von der man freilich nur aus I Sam 13 f. und den jüngeren Schichten von 9,1–10,16 weiß. Hier geht der Zirkelschluß aus literargeschichtlicher und historischer Rekonstruktion ins Leere. 89 Nota bene: Dort wird der Relativsatz genau umgekehrt g e bildet wie in 10,5: Jonatan erschlägt „den Posten der Philister, der in Geba war“ (‫)את נציב פלשתים אשר בגבע‬. Inwieweit der unterschiedliche Ortsname literargeschichtlich auszuwerten ist, ist eine schwierige Frage: „The names Geba (gbʿ), Gibeah (gbʿh), and Gibeon (gbʿwn) constitute a notorious set of puzzles“ (Auld, I & II Samuel, 140). Stoebe sieht hier freilich eine eigene alte Jonatan-Tradition bewahrt: Ursprünglich habe (wie später bei Fischer) die Erzählung von Sauls Sieg über die Philister direkt an 10,7 angeschlossen; als Kapitel 11 eingefügt worden sei, sei sie jedoch „in den Schatten der Tat Jonathans bei ‫ ּגֶבַע‬getreten“ (Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 247). 90 Vgl. u. a. Kaiser, König Saul I, 533. Bereits Smith findet die Fortsetzung dessen, was mit 9,1 „like a separate book“ beginnt in „[c]hapters 11, 132–1452“ und sieht in dieser Quelle „a life of Saul“ (Smith, Books of Samuel, xviii).

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

Otto Kaisers, führt demnach für den Abschnitt I Sam 9,1–10,16 zu einer rekonstruierbaren Grundschicht in 9,1.2a.3.4bβ.5aβ.b–8.10–12a.13aα.14a.25b; 10,2–5aα.b.6aα.b.7.9b.10aα. Eine derart lange Zahlenkolonne, die bis in Viertelverse hinein literarkritisch differenziert, erregt heutzutage leicht den Unwillen, wenn nicht gar den Spott der Leserin und des Lesers,91 und dies erfahrungsgemäß in umso stärkerem Maße, je schmaler die veranschlagte literarische Basis ausfällt. Im vorliegenden Fall besteht die Szene von der Begegnung Sauls mit dem Gottesmann aus nur mehr sieben Worten: „Und sie stiegen zur Stadt hinauf, und er redete mit Saul auf dem Dach.“ (‫)ויעלו העיר וידבר עם־שאול על־הגג‬. Dann folgt bereits der Inhalt der Rede. Eine derartige Grundschicht scheint der Apologetik zu bedürfen, und so gilt es, zwei vorhersehbare Einwände zu antizipieren. Zum einen wird man diesem Ergebnis vorhalten, hier werde Literarkritik mit der Axt betrieben, womöglich gar „Hyperkritik“;92 zum anderen wird der Mangel bemerkt werden, daß dieser minimale Bestand einen Subjektswechsel umfaßt und die ab 10,2 folgende Rede vollkommen uneingeleitet anhebt. Das zweite Argument ist das sachliche und damit gewichtigere. Der Subjektswechsel stellt dabei das geringere Problem dar, ist doch auch die Endtextfassung (MT) von 9,25 mit einem solchen behaftet. Ganz ähnlich der Rekonstruktion aus V. 14a und 25b heißt es dort: „Und sie stiegen93 von der Kulthöhe zur Stadt hinab, und er redete mit Saul auf dem Dach“ (‫וירדו מהבמה העיר וידבר עם־שאול‬ ‫)על־הגג‬. Man könnte mit Blick auf V. 14a beinahe von einer Wiederaufnahme sprechen; auf jeden Fall wird die ganze Opferfestthematik schön durch die (sekundäre) Klammer des Hinauf‑ und Hinabsteigens zur Stadt umschlossen – wie auch die Unterszene auf der Kulthöhe selbst durch Auf‑ und Abstieg in 9,19 und 9,26 eingegrenzt ist.94 Anders als der Subjektswechsel ist das Fehlen einer Redeeinleitung zwischen 9,25b und 10,2 tatsächlich ein Makel. Es ist davon auszugehen, daß die Grundschicht der Erzählung, sollte sie auch nur einen Teil der Rede des Gottesmannes respektive Samuels von 10,2–8 enthalten haben – was meines Wissens tatsächlich von niemandem bestritten wird –, diese Worte auch entsprechend eingeleitet hat. Natürlich gibt es die erforderliche Wendung auch jetzt noch – sogar 91 Dieser milde Spott klingt etwa in der Darstellung der Analyse Ludwig Schmidts durch Dietrich an: „Schmidt weiß bis auf Viertelverse genau den Text auf die vier Stufen zu verteilen“ (Dietrich, 1Sam 1–12, 397; kursiv Dietrich) – wie übrigens Dietrich – mit anderem Ergebnis – bei seiner eigenen Analyse, die ebenfalls vier Schichten umfaßt, selbst auch (vgl. a. a. O., 405). 92 Vgl. Dietrichs Vorwurf gegenüber Müllers Analyse von I Sam 11, a. a. O., 494. 93 LXX hat hier den Singular. Zur Textkritik von 9,25 vgl. oben S. 161. 94 Eine weitere Rahmung durch Verben der Bewegung geschieht durch die Partizipialsätze von 9,14bα und 9,27aα: „Sie gehen hinein in die Mitte der Stadt, und siehe, Samuel“ (‫המה באים‬ ‫בתוך העיר והנה שמואל‬, 9,14) eröffnet die dort spielende Handlung, während sie in 9,27 (erneut) abgeschlossen wird: „Sie steigen hinab an die Grenze der Stadt, und Samuel“ (‫המה יורדים בקצה‬ ‫)העיר ושמואל‬.

5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16

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zweimal: einmal vor der Salbung (9,27: „und Samuel sprach zu Saul“ [‫ושמואל‬ ‫)]אמר אל־שאול‬, sowie ein weiteres Mal danach (10,1: „und er küßte ihn und sprach“ [‫)]וישקהו ויאמר‬. Die erste dieser Redeeröffnungen hängt fest am Subjekt Samuel, die zweite ist zu stabil im Salbungsvers integriert, um sie guten Gewissens auslösen zu können. So ist an dieser Stelle die immer unbefriedigende, da zwangsläufig hypothetisch bleibende Annahme einzuführen, eine ursprüngliche Eröffnung der Rede (etwa ein ‫ )ויאמר‬sei bei einer der Samuel-Überformungen gewissermaßen verschluckt worden. Dieser Punkt leitet jedoch gut zum ersten möglichen Einwand über, zum Vorwurf des literarkritischen Kahlschlags. Denn letztlich resultiert das Problem der fehlenden Redeeinleitung genauso wie der geringe Umfang der Begegnungsszene aus der gleichen methodischen Entscheidung: der oben begründeten95 konsequenten Anwendung des Arguments, die Rede vom Gottesmann oder vom Seher hier und von Samuel dort spiegele zwei unterschiedliche Stufen des literarischen Wachstums der Geschichte wider. Die oben praktizierte Art und Weise, dieses Argument auszuwerten, bedeutet nun aber gerade keine hybride Überschätzung der Möglichkeiten, welche die Literarkritik für die Rekonstruktion der Genese eines Textes bietet, also „Hyperkritik“, sondern im Gegenteil eine Einsicht in ihre methodischen Grenzen. Sie verzichtet auf die sonst übliche und in der Tat zwangsläufig willkürlich erscheinende Konjektur von „Samuel“ in den „Seher“ oder „Gottesmann“ ab 9,14, aus der sich tatsächlich einige der kritischen Fragen ableiten, die Dietrich der Analyse Ludwig Schmidts entgegenhält.96 Klarzustellen ist nun, daß mit der vorliegenden Arbeit keinesfalls behauptet werden soll, die Begegnung der beiden Hauptfiguren sei ursprünglich exakt in der Form geschildert worden, wie dies in den beiden von ihr erhaltenen Halbversen der Fall ist. Im Gegenteil: Es ist überaus wahrscheinlich und nahezu erzählerisch zwingend, daß nach der Auskunft der Mägde von 9,12a.13aα auch das Eintreffen dieser Ankündigung berichtet wurde, etwa im Stile von V. 18. Nur erweist sich die Gottesmanngeschichte in diesem Bereich als derart stark von der Samuel-Bearbeitung überlagert, daß es – wie auch bei der Redeeinleitung für 10,2 – schlicht nicht mehr möglich ist, beide zu trennen, um deren Erstfassung zu erhalten. Aus diesem Grunde erscheint es mir methodisch geboten, die entsprechenden Stücke so zu behandeln, als stammten sie von der Hand, die ihnen ihre älteste – literarkritisch – rekonstruierbare Form gegeben hat. Die Grundschicht muß darum, so unbefriedigend dies auch ist, in diesem Bereich als fragmentarisch angesehen werden – auch wenn sie sich durchaus als geschlossener und in sich runder Text lesen läßt. Sie berichtet davon, wie Saul 95 Vgl.

oben S. 158–160. betrifft insbesondere die Fragen, warum in Schmidts Grundschicht die Aussagen über das Kultmahl ausgelöst werden und gleichermaßen der Abschluß (10,13b–16) nicht zum ersten, sondern zum zweiten Stratum gehört (vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 398). Die vorliegende Analyse wird von beiden Kritikpunkten nicht getroffen. 96 Dies

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

auf der Suche nach den Eselinnen seines Vaters einen Gottesmann aufsucht, der ihn nicht nur über den Verbleib der Tiere in Kenntnis setzt, sondern ihm darüber hinaus das Vollbringen einer Großtat weissagt, auf die der Leser nun gespannt ist, gilt doch: „alles, was er sagt, trifft wahrhaftig ein“ (‫כל אשר־דבר בוא יבוא‬, 9,6). Dieses Eintreffen erschöpft sich nicht in den drei angekündigten Zeichen (10,9b), sondern wird auch mit einschließen, worauf diese Zeichen verweisen,97 nämlich daß Saul vom Geist JHWHs durchdrungen und in einen anderen Menschen verwandelt werden wird. Dies aber geschieht diachron betrachtet zunächst nicht dadurch, daß er sich für kurze Zeit der ekstatischen Schar der Derwisch-Propheten anschließt (10,10), ebenso wenig bei der Königswahl in Mizpa (10,17–27), und auch nicht angesichts einer angenommenen philistäischen Suprematie (Kapitel 13–14) in Geba, sondern dort, wo die Reise Sauls und seines Knechts endet: in Gibea, mithin im Kampf gegen die Ammoniter von Kapitel 11.

5.1.2 I Sam 9,1–10,16 – Die Erweiterungen Das literarkritische Ergebnis einer gerade im Bereich der Kernszene deutlich reduzierten Grundschicht evoziert die Frage nach dem Charakter ihrer Erweiterungen. Nicht selten wird in 9,1–10,16 lediglich die Gottesmannerzählung von ihrer Neuinterpretation als Samuelgeschichte unterschieden. Fischer etwa versieht letztere mit dem Epitheton „deuteronomistisch“ und sieht sie auf einer Ebene mit 10,17–25*, der Erzählung von der Loswahl zu Mizpa, der er das Sigel DtrH zuweist.98 Doch gibt es, auch abgesehen von per se schwer einzuordnenden Einzelglossen wie 9,9, gute Gründe, die gegen die literarische Einheitlichkeit aller Ergänzungen in 9,1–10,16 sprechen. Einer davon betrifft den Wohnort des Gottesmanns Samuel. Die Grundschicht weiß ihn in der Stadt zuhause (9,6), und die Mägde am Tor kennen ihn (sekundär) als auswärtigen Gast, der anläßlich des Schlachtopfers kommt (9,12b) – aber die von Kaiser als solche erkannte ebenfalls nachgetragene Auffüllung des Itinerars in 9,4 f., die darauf zielt, Saul in Samuels Heimat Zuf zu bringen und die „Stadt“, von LXX „Bama“ benannt,99 mit „Rama“ zu identifizieren,100 ist als solche nur dann sinnvoll, wenn Samuel auch (erneut wieder) dort ansässig ist.101 Gleichermaßen  97 Mit A. Fischer, Saul-Überlieferung, 169, gegen Mommer, Samuel, 92, n. 205, der davon ausgeht, „daß mit 9,1–10,16 eine selbständige Überlieferungseinheit vorliegt“ (ebd.). Fischer sieht die ursprüngliche Fortsetzung freilich in Kapitel 13 f.  98 Vgl. A. Fischer, Saul-Überlieferung, 169–177. Als spätdeuteronomistisch, da königtumsfeindlich, hebt er davon „10,18aβγb.19a (zuzüglich 10,25a)“ (a. a. O., 176) ab.  99 Vgl. oben S. 164, n. 72. 100 Vgl. Kaiser, König Saul I, 531, n. 50. 101 Zusammengenommen läßt sich daraus die Vorstellung ableiten, daß Samuel zwar in Rama wohnt, aber dienstlich oft unterwegs ist und nur gelegentlich nach Hause zurückkehrt – ein Bild, wie es I Sam 7,16 f. von Samuel, dem mobilen Richter, zeichnen.

5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16

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lassen sich die Vorverweise von 9,2b und 10,8 schwerlich unter einen gemeinsamen deuteronomistischen Hut bringen. Der erstgenannte Halbvers hebt Sauls körperliche Vorzüge heraus, die ihn beim Losentscheid in Mizpa als die richtige Wahl Gottes erscheinen lassen (10,23 f.), während der letztere nichts anderes im Sinn hat, als die Falle vorzubereiten, in die Saul in 13,8–15 dann tappen muß, um verworfen zu werden. Wie läßt sich dann der doch relativ umfangreiche Bestand an Bearbeitungen und bearbeitetem Material sortieren? Neben inhaltlichen Kriterien geben gerade innerhalb der Kernszene auch klassische literarkritische Marker Hinweise auf ihre relative Schichtung. Es handelt sich dabei einmal um Wiederaufnahmen, wie das zweifache „ihr werdet ihn finden“ (‫ )תמצאון אתו‬der Mägde in 9,13, zum anderen um die oben beobachtete rahmende Funktion für kleinere Abschnitte, die einander zuzuordnende Paare von Bewegungsabläufen übernehmen. Konkret sind dies: das Hinauf‑ und das Herabsteigen zur Stadt in 9,14a (‫)ויעלו העיר‬ und 9,25a (‫)וירדו מהבמה העיר‬, das Hineingehen in die Mitte der Stadt und das Herantreten Samuels inmitten des Tores in 9,14b (‫)המה באים בתוך העיר והנה שמואל‬ und 9,18 (‫)ויגש שאול את־שמואל בתוך השער‬, und schließlich wiederum das partizipiale Betreten des Stadtzentrums zusammen mit dem ebenso konstruierten Aufbruch an die Grenzen des Ortes in 9,14b (‫ )המה באים בתוך העיר והנה שמואל‬und 9,27 (‫)המה יורדים בקצה העיר ושמואל‬. Dieser letztgenannte große Bogen umschließt den ganzen ersten Teil der Begegnung Sauls mit dem nun eindeutig Samuel genannten Gottesmann. Einen Zwischenpfeiler darin stellt der Abstieg von der Kulthöhe zur Stadt von 9,25a dar. Durch ihn wird die Unterredung der beiden auf dem Dach von Samuels Haus aus der Grundschicht aufgenommen und in Anbetracht des Umstands, daß nun ein längeres Opferfest vorausgegangen ist, in eine Übernachtung umgewandelt.102 Schließlich hatte Samuel Saul in 9,19 angekündigt, er werde ihm „am Morgen“ (‫ )בבקר‬alles Erforderliche mitteilen und ihn dann „senden“ (‫)ושלחתיך‬. Genau dies macht er ab 9,26 wahr: Als die Morgenröte heraufsteigt (‫)כעלות השחר‬, will er ihn „senden“ (‫)ואשלחך‬ – und teilt ihm dann (mit dem Bestand der Grundschicht) mit, was er wissen muß. In diesen Zusammenhang, der den Schwerpunkt der Geschichte von der Abschiedsrede des Gottesmanns ein gutes Stück zum gemeinsamen Festessen Sauls und Samuels am Abend zuvor verschiebt, erscheint nun die Rückblende von V. 15–17 einigermaßen merkwürdig. Sie verschiebt erneut den Höhepunkt nach hinten – schließlich war ihr gemäß Samuel von JHWH103 nicht aufgetragen worden, mit dem ihm gesandten (Wurzel ‫ )!שלח‬Benjaminiten ein großes Fest zu feiern, sondern ihn zu salben. Die Rahmung durch die doppelte Begeg102 In dieser redaktionell bedingten Notwendigkeit hat die LXX-Variante von 9,25 ihren Ursprung (vgl. zur Textkritik des Verses oben S. 161). 103 Das ist aus Dietrichs Liste der Auffälligkeiten Punkt 4; vgl. oben S. 152.

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

nung Sauls mit Samuels gibt diese Audition insgesamt als Eintrag im Eintrag zu erkennen – und damit auch 10,1, der die angeordnete Salbung vollzieht und mit dem vorangehenden Vers 9,27 als „Hörenlassen des Wortes Gottes (!)“ (‫)ואשמיעך את־דבר אלהים‬104 erscheinen läßt. Diese tertiäre Rückblende verschiebt mit wenigen Worten die Gewichte der Erzählung. Nicht nur verlegt sie den Akzent vom Wort auf die Tat, indem sie den Akt des Salbens in den Mittelpunkt rückt. Was zuvor eine Ankündigung oder Ausrüstung des jungen Benjaminiten für etwas Kommendes war, erhält nun eine eigene Bedeutung: Mögen die verschiedenen Erhebungen Sauls zum König auch noch ausstehen, das Entscheidende, die Salbung zum „Fürsten“ (‫ )נגיד‬ist nun bereits geschehen. Das verheißene Durchdrungenwerden vom Geist JHWHs wird – wie explizit bei David in I Sam 16,13 – von der Begnadung für eine große Tat zum Amtscharisma umgewandelt.105 Schon 10,9 hatte (mutmaßlich auf der Ebene der ersten Samuelergänzung) die Umwandlung Sauls in einen neuen Menschen direkt mit der Begegnung mit Samuel verknüpft – die Salbung zum Nagid führt diesen Gedanken weiter. Dieser Eintrag hat dabei einen weiteren Horizont als nur die Saulüberlieferung oder eine Samuelrolle. So erinnert der Umstand, daß Saul dazu berufen wird, „mein Volk aus der Hand der Philister zu retten“ (‫והושיע את־עמי מיד פלשתים‬, 9,16) weniger an den Saul der Grundschicht von 14,47 f., der einer ist, dem allezeit geholfen wurde (‫)יושיע‬, wohl aber an die (deuteronomistischen) Erweiterungen dieses Nachrufs, welche die besiegten Völker und „Plünderer“ Israels eintragen.106 Zugleich ist (in beiden Fällen) auch deutlich das Richterschema zu hören: „Und JHWH erweckte ihnen Richter, und die retteten sie aus der Hand ihrer Plünderer“ (‫ויקם יהוה שפטים‬ 104 Auld macht darauf aufmerksam, daß ein Hörenlassen der Worte JHWHs mit ‫ שמע‬Hifil sonst nur noch Dtn 4,10; Jer 18,2 begegnet (vgl. Auld, I & II Samuel, 107). Ob sich aus dieser Beobachtung literargeschichtliche Schlüsse ableiten lassen, ist eine andere Frage. Jer 18,2 wird im allgemeinen zur Grundschicht des Töpfergleichnisses gerechnet, die in Jer 18,1–6* gesehen wird (vgl. Bezzel, Konfessionen, 190 f.; McKane, Jeremiah 1–25, 423–428). Levin grenzt hieraus noch V. 4b.6b aus (vgl. Levin, Verheißung, 176 f.). Freilich ließe sich überlegen, ob hier V. 2b sekundär mit der Absicht zugefügt worden wäre, den Akzent vom Gesehenen ganz auf das Gehörte zu legen, doch wäre damit wenig gewonnen: Auch ohne den Halbvers liegt der Schwerpunkt des Töpfergleichnisses auf seiner Deutung in V. 6. Ein Einfluß von oder auf Dtn 4,10 ist eher unwahrscheinlich. 105 Es erscheint daher durchaus sinnvoll zu sein, beide Salbungen, diejenige Sauls und die Davids, auf der gleichen literarischen Ebene anzuordnen. Kaiser schreibt dieser „Salbungsbearbeitung“, der er das Sigel DtrP zuweist, nicht nur alle Ergänzungen in I Sam 9,1–10,16 (außer 9,9 und 10,8) zu (das heißt bei seiner Analyse: „9,4–5.14b–17.20–21.22b–24a.27aβ2b; 10,1.5–6.10–13.14–16“ [Kaiser, König Saul I, 534]), sondern auch I Sam 15–16*, sowie die auf den „Gesalbten JHWHs“ verweisenden Einschreibungen in I Sam 24,7.11; 26,8–12 (vgl. ders., König Saul II, 12 f.) – soweit ich sehe, aber nicht I Sam 26,23 und II Sam 1,13–16. Diese Stücke nennt er zwar auch im Zusammenhang mit der „Salbungsbearbeitung“, doch ohne die von ihm angenommenen literargeschichtlichen Verhältnisse ganz eindeutig zu machen (vgl. ders., König Saul I, 533 f.); für den Zusammenhang von I Sam 15*; 16,1–13* vgl. auch Heinrich, David und Klio, 108–111. 106 Vgl. dazu oben S. 146 f.

5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16

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‫ויושיעום מיד שסיהם‬, Jdc 2,16).107 Der Salbungseintrag von 9,14b–17; 10,1 wird sich daher guten Gewissens „deuteronomistisch“ nennen lassen, und dies gilt, wie Alexander Fischer betont hat, auch für den Titel des „Fürsten“ (‫)נגיד‬.108 Einen noch weiteren Bogen schlägt freilich innerhalb des Auftrags für Samuel die doppelte Begründung von 9,16, „denn ich habe mein Volk angesehen, denn sein Schreien ist zu mir gekommen“ (‫)כי ראיתי את־עמי כי באה צעקתו אלי‬. Hier wird ein enneateuchischer oder doch zumindest oktateuchischer Bogen geschlagen: Im Hintergrund steht Ex 3,9.109 Weiter innerhalb der Mahlszene literarkritisch zu differenzieren, erscheint im großen und ganzen nicht erforderlich. Die meisten derartigen Vorschläge beziehen sich auf die jeweilige Differenz zur Grundschicht. Wenn man sich jedoch insgesamt bereits auf der Ebene einer (ersten) Bearbeitung befindet, verlieren die entsprechenden Argumente an Kraft: Die beruhigende Vorwegnahme der Lösung für die Eselinnenproblematik in 9,20 etwa ist gegenüber der Grunderzählung zweifellos sekundär – für die erste Erweiterung jedoch ist sie nahezu notwendig. Sauls Sorge gilt dem Verbleib der Tiere, und entsprechend wird auf der Ebene der ursprünglichen Erzählung diese Frage gleich zu Beginn der Rede des Gottesmanns geklärt (10,2). Wird nun durch den Eintrag Samuels und, damit verbunden, des gemeinsamen Opfermahls diese Antwort auf den nächsten Morgen verlegt, so fragt man sich zurecht, wie der suchende Jüngling und sein Knecht den ganzen Abend unbeschwert feiern können, ohne an ihren Auftrag zu denken. Diesem Verdacht wird dadurch vorgebeugt, daß – ganz analog zur Grundschicht – dieses Thema als allererstes geklärt wird. Ähnliches gilt für diejenigen Elemente der Szene, die zweifelsohne bereits das Königtum Sauls im Blick haben: die nicht sehr verklausulierte Anspielung Samuels von 9,20b und der „Berufungseinwand“ Sauls in 9,21 ebenso wie die Teile von 9,22–24, die das Opfermahl als „ein vorweggenommenes Krönungsmahl“110 erscheinen lassen, das es zweifelsohne ist.111 107 Vgl. für „retten aus der Hand von“ mit menschlichem – gleichwohl göttlich vermittelten – Subjekt noch Jdc 8,22; 12,2; 13,5; II Sam 3,18; II Reg 13,5; Neh 9,27; von Gott selbst Jdc 2,18; 10,12; I Sam 7,8; II Reg 14,27; 19,9; Jes 37,20; Jer 42,11; Ps 106,10; Hi 5,15; II Chr 32,22. 108 Vgl. A. Fischer, Saul-Überlieferung, 170 f. ders., Hebron, 220: „Summa summarum halten wir dafür, daß kein einziger nāgîd-Beleg in I Sam–II Reg zum vor-dtr Betand gehört“. Den Titel leitet Fischer in der Folge Lipińskis über das aramäische ngd vom akkadischen nāqidu / nōqēd für „Hirte“ ab (vgl. a. a. O., 217–221; Lipin´ski, Leadership, 509–514; Glück, Nagid – Shepherd, 144–150). Für eine Aufstellung der unterschiedlichen Herleitungen und Deutungen vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 418 f; für eine deuteronomistische Deutung des Titels in Sam vgl. auch McKenzie, Saul in the Deuteronomistic History, 60 f. 109 Vgl. Ex 3,9: „das Geschrei der Israeliten ist zu mir gekommen, und ich habe die Bedrückung gesehen“ ‫צעקת בני־ישראל באה אלי וגם־ראיתי את־החלץ‬. 110 L. Schmidt, Menschlicher Erfolg, 85. Diesen Punkt betont auch A. Fischer, Saul-Überlieferung, 173 f., mit Verweis auf Absaloms Festmahl in Hebron in II Sam 15,12 und Adonijas Bankett bei der Quelle Rogel von I Reg 1,9. 111 Josephus macht diesen impliziten Hinweis auf die Bestimmung Sauls zum König explizit, indem er die „Keule“ (‫שוק‬, LXX: κωλέα), die der „Schlachter“ in 9,24 diesem vorsetzt,

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

Eine Ausnahme stellt womöglich V. 22 dar, der Saul an den Kopf der Tafel der etwa dreißig „Geladenen“ (‫ )הקרואים‬setzt. Fischer zeigt überzeugend, daß das seltene Wort für den Ort der Veranstaltung, ‫לשכה‬, „eine Art Banketthalle“,112 griechischer Herkunft ist und durchweg in „späten“ Texten begegnet: „Der überhaupt älteste Beleg für ‫ לשכה‬findet sich […] im Reformbericht II Reg 23,11 und läßt sich dem deuteronomistischen Historiker zuweisen.“113 Diesem Argument läßt sich ergänzend beibringen, daß die „Geladenen“ in der Geschichte erstmals in dem durch eine Wiederaufnahme gerahmten Nachtrag von 9,13 begegnen – im Unterschied zu 9,12, wo das „Schlachtopfer heute für das Volk“ (‫)זבח היום לעם‬ stattfindet. Dieser Nachtrag von 9,13, dem es darauf ankommt zu betonen, daß Samuel, der nicht aus priesterlichem Geschlecht stammt, das Opfer nicht selbst vollzieht, sondern lediglich segnet, ist offensichtlich jünger als der bereits als sekundär erkannte V. 12. Entsprechendes kann demnach auch von 9,22 angenommen werden – wie womöglich auch für die masoretische Lesart im textkritisch außerordentlich schwierigen V. 24, die den Opfermeister sagen läßt: „Folgendermaßen: das Volk habe ich gerufen / eingeladen“ (‫)לאמר העם קראתי‬. Auch diese kleine Glosse vermittelt den Anschein, die Regie für das kultische Geschehen habe nicht bei Samuel gelegen, sondern beim Schlachtmeister (‫)טבח‬ – anders als dies V. 23 ausdrückt, indem es klar heißt, daß das für Saul zurückzuhaltende bevorzugte Fleischstück diesem von Samuel übergeben worden ist. Dies jedoch ist nur dann sinnvoll, wenn Samuel das Opfer auch vollzogen hat. Wenn diese Einschätzung der literarischen Verhältnisse innerhalb der Kernszene im wesentlichen zutrifft, bedeutet dies für die erste Ergänzungsschicht, daß sie nicht nur die Person Samuels einträgt, sondern auch das Ziel der Erzählung von einer zu vollbringenden großen Tat des benjaminitischen Jünglings hin zu dessen Bestimmung zum König über Israel verschiebt – wenn auch noch ohne ihn zum „Fürsten“ zu salben. Dadurch werden die Worte Samuels in der Tat zur „Sache vom Königtum“ (‫דבר המלוכה‬, 10,16), auch ohne daß dieser Begriff in als „königlichen Anteil“ (μερίδα βασιλικήν, Ant 6,52) interpretiert. Dietrich sieht hierin eine Wiedergabe dessen, was im Text von 4Q51 auf die „Keule“ folgt. MT hat hier ‫וְ ֶהעָלֶי ָה‬, was zumeist – „hebräisch höchst ungewöhnlich“ (Dietrich, 1Sam 1–12, 386) als Präposition ‫ על‬+ Artikel und Suffix im Sinne von „und das, was darüber ist“ oder als Hifil von ‫ עלה‬und somit Doppelung zum Verb ‫( וירם‬so Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 196) verstanden wird. Der Umstand, daß LXX [auch nach dem „lukianischen“ Text!], L115 und Vg. kein Äquivalent dafür haben, spricht in der Tat dafür, das Wort als Glosse zu betrachten, die eine regelrechte Elevation des besonderen Fleischstücks zum bloßen Heraufholen aus dem Kessel hinzufügt, (vgl. Budde, Bücher Samuel, 65). Häufig wird indes die seit Abraham Geiger bekannte Konjektur in den „Fettschwanz“ (‫ ) ָה ַאלְי ָה‬vertreten, die bereits bis zur talmudischen Tradition zurückreicht (vgl. Geiger, Urschrift, 380 f. mit Verweis auf jMeg 1,12 und bAZ 25a). 4Q51 hat nun an der fraglichen Stelle das mutmaßliche Adjektiv ‫[ה]ע̊לינ̇ה‬, die „höchste Keule“ – und Dietrich sieht dies als die Vorlage für den „königlichen Anteil“ von Ant 6,52 (vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 386). Das halte ich nicht für zwingend. 112 A. Fischer, Saul-Überlieferung, 174. 113 Ebd.

5.1 Der Anfang in Benjamin: I Sam 9,1–10,16

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der ganzen Geschichte auch nur ein einziges Mal explizit fallen müßte. Der Ausklang von 10,14–16 paßt damit ohne weiteres zum Profil der Samuel-Ergänzung. Anders ist dies mit dem durch die Wiederaufnahme des Kommens nach Gibea von 10,10aα in 10,13b114 gerahmten Stück von Sauls Rasen. Dieser Abschnitt, 10,10aβ–13 (und 10,6aβ), interpretiert ein weiteres Mal die Geistbegabung Sauls. Sie ist nun nicht mehr eine rein positiv verstandene Befähigung zu einer Heldentat wie in der Grundschicht (10,6*) und auch kein Amtscharisma, das mit der Salbung übertragen wird (wie in der Interpretation von 10,6 und 10,9a durch 16,13), sondern ein in hohem Maße zweifelhafter unkontrollierbarer ekstatischer Zustand, der bereits den „anderen Saul“, den vom bösen Geist Geplagten von 16,14–23 und tobsüchtigen Verfolger von 18,10 (und der für 10,10aβ–13 gebenden Stelle 19,18–24) aufscheinen läßt.

5.1.3 I Sam 9,1–10,16 – Zusammenfassung Die märchenhafte Geschichte von einem, der auszog, seines Vaters Eselinnen zu suchen, aber etwas ganz anderes fand, hat sich erneut als literarisch vielschichtig erwiesen. Nimmt man die bekannte Beobachtung, daß ab 9,14 nicht mehr von einem Gottesmann die Rede ist, sondern dieser mit Samuel identifiziert wird, konsequent als Schlüsselkriterium für die Analyse, so ergibt sich folgendes Bild. 1. Eine erste Stufe bildet die mutmaßlich nicht mehr ganz vollständig rekonstruierbare Grunderzählung in 9,1.2a.3.4bβ.5aβ.b–8.10–12a.13aα (nur ‫כבאכם‬ ‫)העיר כן תמצאון אתו‬.14a.25b; 10,2–5aα.b.6aα.b.7.9b.10aα. In ihr findet der junge Eselsucher einen Gottesmann, der ihm ankündigt, daß er, Saul, in naher Zukunft vom Geist JHWHs durchdrungen und so zu einer nicht näher spezifizierten großen Tat befähigt werden würde. Drei Zeichen bestätigen diese Weissagung, ehe der Wanderer mit seinem Knecht nach Gibea gelangt. Mit diesem offenen Schluß drängt die Erzählung auf eine Fortsetzung hin. Sie wird in Kapitel 11 erfolgen: Von Gibea ausgehend erlangt Saul, tatsächlich durchdrungen vom Geist JHWHs, den Sieg über die Ammoniter. 2. Eine erste und umfangreiche Bearbeitung in 9,12b.18–21.23.24 (ohne ‫)לאמר העם קראתי‬.25a.26 f.; 10,5aβ.9a.14–16 identifiziert nun den Gottesmann mit Samuel. Jetzt findet der Sucher Saul zunächst ein Festessen, in dessen Verlauf er als der zukünftige König Israels behandelt wird. Zu diesem Ziel soll ihn nun auch der verheißene Geist treiben. Mit dem Verweis auf die „Wache der Philister“ in Gibea wird nicht nur Sauls Ammoniterfeldzug von Kapitel 11, sondern auch seine Auseinandersetzung mit den Philistern nach Kapitel 13–14 114 Um in V. 13b eine Wiederaufnahme erkennen zu können ist freilich anstelle der masoretischen Lesart „Kulthöhe“ (‫ )במה‬in Rückübersetzung der griechischen „Höhe“ (βουνός) „Gibea“ (‫ )גבעה‬zu lesen (vgl. oben S. 164 f.).

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

als zu erwartende Taten in den Blick gerückt. Bereits die Begegnung mit Samuel bewirkt beim Thronprätendenten eine Umwandlung des Herzens und somit Vorbereitung für die kommenden Aufgaben. Aus der Eselinnensuche ist eine „Sache von der Königsherrschaft“ (‫ )דבר המלוכה‬geworden, von der jedoch einstweilen nur ihr direkter Adressat und der Leser etwas wissen. 3. Weitere kleinere Einträge können deuteronomistischen Händen zugeordnet werden: Das erweiterte Itinerar der Eselsuche in 9,4aα.5aα ist darauf aus, die namenlose Stadt der Geschichte mit Rama zu identifizieren, wo nach I Sam 7,16 f. das Haus des Richters Samuel steht, um auf diese Weise die divergierenden Informationen über den Aufenthaltsort des Gottesmannes Samuel von 9,6 und 9,12 miteinander in Einklang zu bringen. Umfangreicher ist wiederum die vermittels der gedoppelten Begegnung der beiden Hauptakteure von 9,14 und 9,18 eingeschaltete Rückblende von 9,14b–16a.17 mit der Ausführung in 10,1. Sie läßt nun Samuel etwas oder jemanden finden: den von JHWH auserwählten Retter aus der Philisternot, der zum „Fürsten“ (‫ )נגיד‬über Israel gesalbt werden soll. Damit liegt der Höhepunkt der Geschichte nicht mehr außerhalb ihrer selbst in dem, wozu der Geist Saul treiben soll. Statt dessen bekommt sie im Vollzug der Handlung, die Samuel am Vortag aufgetragen worden ist, ein eigenes Zentrum. Der Geist JHWHs ist nun nicht mehr eine besondere Gabe für eine einmalige Aufgabe, sondern gerät zum Amtscharisma, das an die Salbung gebunden ist. Möglicherweise auf eine weitere Hand geht dabei die Begründung von 9,16b zurück. Sie schlägt den Bogen zurück bis zu Ex 3,9 und parallelisiert auf diese Weise die Erwählung Sauls zum rettenden „Fürsten“ mit nichts geringerem als der Berufung Moses zum Zwecke der Befreiung Israels aus Ägypten. Deutlich zurückhaltender gegenüber Saul ist dagegen der ebenfalls deuteronomistische Vorverweis von 10,8 auf 13,8–15. Er dient keinem anderen Zweck, als das bereits anvisierte Scheitern des noch nicht gekrönten Königs vorzubereiten. Man könnte sagen: Mit diesem Vers findet Saul nicht nur ein Königreich, sondern auch bereits sein Schicksal, das darin liegt, es wieder zu verlieren. Die Bemerkung über Sauls Körpergröße von 9,2b verknüpft ferner den Abschnitt mit der Beschreibung Sauls im Rahmen des Losentscheids zu Mizpa (10,23 f.). Einen deutlich stärker negativ gefärbten Blick auf den kommenden König tragen schließlich 10,6aβ.10aβ–13 in die Geschichte ein. Auch nach ihnen findet Saul bereits jetzt den verheißenen Geist – aber nicht als die ‫רוח יהוה‬, die ihn zu großen Taten oder zum Königtum befähigte, sondern als einen Gottesgeist (‫רוח‬ ‫)אלהים‬, der ihn zu nichts als sinnlosem Toben treibt und der bereits den Wahn des Königs in den Kapiteln 16–19 erahnen läßt. Weniger an Saul als am rechten Verhalten Samuels interessiert sind schließlich noch die zwei kleinen Ergänzungen in 9,13 (ohne das einleitende ‫כבאכם העיר כן‬ ‫)תמצאון אתו‬, möglicherweise 9,22 und 9,24 (nur ‫)לאמר העם קראתי‬. Ihr Anliegen ist

5.2 Der Anfang vor dem Anfang: I Sam 1

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es, den Eindruck zu vermeiden, Samuel, der nicht aus priesterlichem Geschlecht stammt, habe seine Kompetenz überschritten und selbst ein Opfer vollzogen. Auch zusammengefaßt und tentativ in eine relative Chronologie gebracht, erscheint das Ergebnis der Analyse von I Sam 9,1–10,16 somit einigermaßen unübersichtlich. Wie auch immer man die hier getroffenen literarkritischen Entscheidungen und vorgenommenen redaktionsgeschichtlichen Zuweisungen im einzelnen aber beurteilen mag – drei (alles andere als neue) Erkenntnisse sollten auch mit Blick auf das folgende festgehalten werden: 1. Die Grundschicht von I Sam 9,1–10,16 kennt noch keinen Samuel. 2. Sie ist noch ohne Bezug auf die Frage, wie und warum Saul König wurde. 3. Sie findet ihre Fortsetzung in Kapitel 11.

5.2 Der Anfang vor dem Anfang: I Sam 1 Saul und Samuel, so wurde oben festgestellt, sind durch den doppelten Anfang von I Sam 1 und 9 ausgesprochen eng miteinander verbunden. Für Kapitel 9 wurde diese Verbindung als vergleichsweise alt, aber nichtsdestoweniger sekundär herausgestellt. Die gleiche Frage, wie es sich mit der Verknüpfung Samuels mit Saul verhalte, gilt es nun an Kapitel 1 zu richten, die Geburtsgeschichte Samuels.

5.2.1 I Sam 1 – ein narrativ gefaßter Klagepsalm I Sam 1, eigentlich keine Geschichte Samuels, sondern Hannas,115 erweist sich als deutlich weniger komplex aufgebaut und geschichtet als die Erzählung von Sauls Eselinnensuche. Nach der Einführung der Protagonistin über ihren Ehemann in V. 1 f. wird das Problem ihrer Kinderlosigkeit mit den daraus für sie resultierenden Konsequenzen bis V. 8 vorgestellt, ehe Hanna in V. 9 die Initiative ergreift: Betend wendet sie sich an JHWH, auch gegen den Widerstand des Priesters Eli, von dem sie aber schließlich doch gesegnet wird, nachdem sie ihn von der Aufrichtigkeit ihres Anliegens hat überzeugen können (V. 9–17). Damit ist bereits die Wende eingeleitet.116 Die Heimkehr vom Heiligtum in Silo erfolgt in anderer Stimmung als die Anreise, und tatsächlich ist die Ursache für Hannas Kummer zwei Verse später behoben: Samuel wird geboren (V.  20). Als Abschluß würde man nun eigentlich eine Notiz über das Aufwachsen des Knaben erwarten, wie sie sich etwa bei der in mancherlei Hinsicht vergleichbaren Ge115 Vgl.

Auld, I & II Samuel, 20. vertritt dagegen eine Zweigliederung der Perikope in V. 1–7 und V. 8–28, mit der Begründung, daß ab V. 8 „the syntactic structure of 1 Samuel 1 becomes relatively straightforward.“ (Frolov, Turn, 62). 116 Frolov

180

5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

schichte von der Geburt Simsons in Jdc 13,24,117 aber auch bei Ismael,118 sowie Jakob und Esau119 findet – doch diese Information erfolgt erst deutlich später, in 2,21b und 3,19abα. Die Verse 21–28 und der Abschluß in 2,11 nach dem Lied Hannas wirken demgegenüber beinahe wie eine Umkehrung: An ihrem Ende ist der erbetene Knabe am Heiligtum von Silo und seine Mutter damit erneut kinderlos – in gewisser Weise ist die Ausgangslage wiederhergestellt. 2,18–21 freilich werden sich dieses Folgeproblems annehmen und das Paar Elkana und Hanna mit weiteren fünf Kindern segnen, „anstelle des Erbetenen, den sie zu etwas Erbetenem für JHWH gemacht hat“.120 Angesichts dieses langen Nachspanns, der zudem offenbar ein Ziel vor Augen hat, das über dasjenige der Lösung von Hannas Problem hinausgeht, stellt sich die Frage, worin der Höhepunkt der Erzählung eigentlich liegt. Mommer macht nicht weniger als deren drei aus:121 Ein erster liegt in 1,20, bei der Geburt Samuels. Die schwierige Situation des Anfangs ist gelöst, die scheinbar unfruchtbare Frau hat mit Gottes Hilfe einen Sohn geboren, der narrative Bogen geht von Rama zum Heiligtum nach Silo und wieder zurück. Demgegenüber stellen 1,27 f. einen weiteren Gipfelpunkt dar. Dieser liegt nun nicht in Rama, sondern wieder am Heiligtum, an das Samuel, dessen Name erneut etymologisch gedeutet wird, nun überstellt wird. Nicht Hanna hat einen Sohn, sondern JHWH hat einen „Erbetenen“ (‫)שאול‬. Mommer sieht nun noch einen dritten Höhepunkt am Ende von Kapitel 3. Hier, in 3,19–21, werde der Akzent nun auf das Aufwachsen und das „Amt“ des früheren Knaben gelegt.122 117 Vgl. Jdc 13,24: „Und die Frau gebar einen Sohn und nannte ihn Simson; und der Knabe wuchs auf und JHWH segnete ihn“ (‫)ותלד האשה בן ותקרא את־שמו שמשון ויגדל הנער ויברכהו יהוה‬ mit I Sam 1,20: „Und Hanna wurde schwanger und gebar einen Sohn und nannte ihn Samuel, denn: Von JHWH habe ich ihn erbeten“ (‫)ותהר הנה ותלד בן ותקרא את־שמו שמואל כי מיהוה שאלתיו‬ und I Sam 2,21b: „Und der Knabe Samuel wuchs auf mit JHWH“ (‫( )ויגדל הנער שמואל עם־יהוה‬so MT; 4Q51 hat: „Und es wuchs dort auf [Samuel] vor J[HWH]“ (]‫)ויג̇ד̊ל [שמואל] לפני י[הוה‬ – LXX hat den „Knaben“ (τὸ παιδάριον, wie MT) und die Präposition „vor“ (ἐνώπιον, wie 4Q51) bzw. I Sam 3,19abα: „Und Samuel wuchs auf, und JHWH war mit ihm“ (‫)ויגדל שמואל ויהוה היה עמו‬. 118 Vgl. Gen 21,20: „Und Gott war mit dem Knaben, und er wuchs auf“ (‫ויהי אלהים את־הנער‬ ‫)ויגדל‬. 119 Vgl. Gen 25,27: „Und die Knaben wuchsen auf“ (‫)ויגדלו הנערים‬. 120 MT hat hier „anstelle der Bitte, die er für JHWH erbeten hat“ (‫תחת השאלה אשר שאל‬ ‫)ליהוה‬ – das „ist unübersetzbar“ (Dietrich, 1Sam 1–12, 113), zumindest nicht sinnvoll, denn Subjekt wäre JHWH selbst. LXX und Vg. lassen Elkana angesprochen sein: „anstelle der Bitte, die du erbeten hast vom Herrn“ (ἀντὶ τοῦ χρέους οὗ ἔχρησας τῷ κυρίῳ bzw. pro fenore quod commodasti domino). Die obige Übersetzung folgt 4Q51: ]‫ת ֯ ח[ת השאלה] אשר השאיל[ת לי‬ ‫(  ה֯ וה‬vgl. Cross / Parry / Saley, DJD 17, 39) mit Blick auf den Hifil, nicht jedoch mit Blick auf das rekonstruierte ‫ת‬, das (an LXX orientiert) eine 2. Person Singular annimmt. Ich gehe eher von ‫ השאילה‬aus, wie auch (implizit) Dietrich, 1Sam 1–12, 109. 113, der nicht zuletzt auf I Sam 1,28 verweist. 121 Vgl. Mommer, Samuel, 19. 122 Vgl. ebd.

5.2 Der Anfang vor dem Anfang: I Sam 1

181

Ein wenig anders stellen sich die Dinge dar, wenn die Geschichte von Hannas scheinbarer Unfruchtbarkeit und der Geburt ihres Sohnes unter anderen als narratologischen Gesichtspunkten betrachtet wird. Es ist kein Zufall, daß bereits in der frühen Rezeptionsgeschichte Hanna „zur vorbildlich-exemplarischen Beterin“123 stilisiert wird, und dieser Umstand dürfte wohl in der Tat nicht nur dem Hannalied von 2,1–10 zuzuschreiben sein: Bei näherer Betrachtung wirkt das ganze Kapitel wie das Musterbeispiel eines Klagepsalms – nur eben nicht in Gebetsform, sondern in narrativer Gestalt. Dieser erzählende Charakter des Kapitels bedingt es selbstverständlich, daß an seinem Beginn nichts begegnet, was der Anrufung in einer gebeteten Individualklage entspräche – der Fortgang der Geschichte jedoch läßt sich hervorragend anhand der klassischen Gattungselemente einer solchen Klage124 interpretieren. Die Verse 1–8 erscheinen so als die einleitende Schilderung der Not, die einerseits in der vermeintlichen Unfruchtbarkeit und andererseits in der darauf fußenden Bedrückung durch die Rivalin besteht. Gerade mit Blick auf die Letztgenannte kann nicht zuletzt auch anhand der gebrauchten Terminologie verdeutlicht werden, daß die Assoziation mit einem Klagepsalm nicht aus der Luft gegriffen ist – zumindest, und auf diesen Umstand wird noch zurückzukommen sein, nach dem masoretischen Text von 1,6 f.125 Natürlich läßt sich hinter Peninnas Unfreundlichkeit gegenüber Hanna das erzählerische Motiv der eifersüchtigen Rivalin ausmachen, wie es bei Sarai und Hagar (vgl. Gen 16,4) und in gewisser Weise auch bei Lea und Rahel (vgl. Gen 30,1) begegnet. Andererseits verweist die gebrauchte Terminologie nicht auf die Erzelternerzählungen, sondern erinnert eher an die Sprache der Klage:126 Denn während in den erzählenden Büchern, speziell von Dtn bis II Reg die Wurzel ‫כעס‬, „reizen, ärgern“ abgesehen von unserer Stelle immer vom Ärgern Gottes (durch Höhenkult, Fremdgötterverehrung und dergleichen) gebraucht wird,127 beschreibt sie im Psalter auch128 die Not des Beters: Dessen Auge ist in Ps 6,8 wie auch in Ps 31,10 trüb „vor Ärger“ (‫)מכעס‬, der einmal auf die „Bedrücker“ (‫ )צררים‬zurückzuführen ist (Ps 6,8), einmal illustriert, was es heißt, daß er selbst „in Bedrängnis 123 Dietrich,

1Sam 1–12, 58; vgl. dazu die Belege bei Bronner, Hannah’s Prayer. zu diesen Gunkel /Begrich, Einleitung, 212–251. 125 LXX hat hier weder die Bezeichnung Peninnas als Widersacherin (‫ )צרה‬noch den Umstand, daß diese Hanna ärgert (‫)כעס‬ – wie auch diese Wurzel in 1,16 kein Äquivalent im Griechischen hat. Zur textkritischen Diskussion dieses Sachverhalts vgl. unten S. 189 f. 126 Dieser Umstand wird auch dadurch nicht tangiert, daß ‫ צרה‬im talmudischen Hebräisch „terminus technicus für die Zweitfrau“ wird (Dietrich, 1Sam 1–12, 39; vgl. Levy, Wörterbuch 4, 217 f.). 127 Dtn 4,25; 9,18; 31,29; 32,16. 19.21.27; Jdc 2,12; I Reg 14,9.15; 15,30; 16,2.7.13.26.33; 21,22; 22,54; II Reg 17,11.17; 21.6.15; 22,17; 23,19.25. Nota bene: In den Samuelbüchern erscheint die Wurzel ‫ כעס‬abgesehen von den drei fraglichen Verwendungen in I Sam 1,6.7.16 überhaupt nicht. 128 Die Ausnahmen finden sich in den Geschichtspsalmen 78 und 106. Hier (Ps 78,58; 106,29) findet sich der stereotype deuteronomistische Gebrauch im Sinne von „JHWH reizen“. 124 Vgl.

182

5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

ist“ (‫כי צר־לי‬, Ps 31,10) – wogegen Ps 10,14 weiß, daß JHWH den ‫ כעס‬ansieht, um ihn zu beheben. Auf diese Notschilderung folgt Hannas Bitte um Rettung (V. 10–13), an die eine Beteuerung ihrer Unschuld anzuschließen sie durch Elis Vorwurf der Trunkenheit genötigt wird (V. 15 f.). V. 17, der die Wende bringt, ist unter dieser Betrachtungsweise etwas Besonderes: Elis Erwiderung stellt, auch wenn sie nicht mit „Fürchte dich nicht“, sondern mit „Geh hin in Frieden“ (‫ )לכי לשלום‬eingeleitet wird, tatsächlich genau das Heilsorakel dar, das von Gunkel und Begrich für den kultischen Sitz im Leben der Klagepsalmen an der Stelle des berühmten Stimmungsumschwungs postuliert wurde.129 Entsprechend ändert sich auch Hannas Gemütszustand mit V.  18. Sie ißt wieder, und „ihre Gesichtszüge sind nicht mehr (wie vorher)“.130 Ein Gattungsmerkmal der Individualklage fehlt nun noch: das abschließende Lobgelübde.131 An seiner Stelle steht nun dessen tatsächliche Erfüllung durch Hanna in V. 21–28. Nach V. 11 hat sie tatsächlich ein Gelübde abgelegt, das sie nun erfüllt, indem sie den Knaben Samuel als den für JHWH Erbetenen an das Heiligtum in Silo zurückgibt.132 Auf der Ebene der Endgestalten von I Sam 1, im masoretischen Text mehr als in der Fassung der Septuaginta, erscheint Hanna somit in der Tat als paradigmatische fromme Beterin, die nach der Darstellung der Geschichte ihr Gebet nicht nur im Heiligtum vorbringt, sondern geradezu verkörpert und lebt.

5.2.2 I Sam 1 – Grundschicht und Ergänzungen Dieser Umstand, daß I Sam 1 in seinen Endgestalten der narrativen Umsetzung eines Klagepsalms gleicht, bedeutet freilich nicht, daß dies auch von seinem Anfang an so war. Einige wenige Bereiche innerhalb des Kapitels gibt es, die mit Hinblick auf eine mögliche literargeschichtlich diachrone Entstehung in den Blick genommen werden müssen. Es handelt sich dabei um folgende Punkte:

129 Vgl.

Gunkel / Begrich, Einleitung, 243–247, besonders 246 f. Wendung ‫ ופניה לא־היו־לה עוד‬ist singulär. Die gewählte Übersetzung folgt Dietrich, 1Sam 1–12, 20. LXX hat: „und ihr Gesicht war nicht mehr zusammengefallen“ (καὶ τὸ πρόσωπον αὐτῆς οὐ συνέπεσεν ἔτι, vgl. Gen 4,5). So oder so: Hannas Stimmung hat sich aufgehellt. 131 Vgl. etwa Ps 22,26; 56,13; 61,8; 66,13; 116,14.18. 132 In I Sam 1,21 ist freilich davon die Rede, daß Elkana sein Gelübde (‫ )נדרו‬erfüllen möchte. Dieses muß freilich mit demjenigen Hannas keineswegs identisch sein (vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 52) – aber es mag einer der stimuli für die sekundäre Ergänzung von V. 11 gewesen sein (dazu vgl. unten S. 184–186). 130 Die

5.2 Der Anfang vor dem Anfang: I Sam 1

183

1. V. 3b, die Nennung der Söhne Elis, verweist voraus auf deren frevelhaftes Treiben nach 2,12–17, aber abgesehen davon haben die beiden in der Geschichte von der Geburt Samuels überhaupt keine Bedeutung und tauchen auch nicht erneut auf. 2. In V. 6 f. liegt ein text‑ wie literarkritisch interessanter Fall vor: Zum einen weiß LXX hier – wie auch in V. 16 – von keiner „Widersacherin“ oder Hannas „Ärger“. Zum anderen erscheint V. 6 über die nach V. 5 zweite Erwähnung des verschlossenen Mutterleibes – in MT wie in LXX – als durch eine Wiederaufnahme eingeklammert. 3. Das Gelübde von V. 11, das den noch ungezeugten Samuel zum Nasiräer erklärt, berührt sich terminologisch eng mit Jdc 13,5: „Einzig dort noch (und in Ri 16,17) heißt das ‚Schermesser‘, das von dem Nasiräer ferngehalten werden soll, nicht ‫]…[ תער‬, sondern ‫מורה‬.“133 4. Schließlich wirft die oben beobachtete Mehrgipfeligkeit der Erzählung die Frage nach ihrem ursprünglichen Schluß auf: War die Übereignung Samuels an das Heiligtum von Silo schon immer Bestandteil der Geschichte oder endete sie zunächst mit seiner Geburt und Benennung? Im Hinblick auf die Punkte 1 und 3 besteht ein weitgehender Konsens: In beiden Fällen hat man es mit literarischen Nachträgen zu tun – und dies gilt im Fall von V. 3b sowohl für die masoretische Fassung, die von den Söhnen Elis als Priester in Silo spricht,134 als auch für LXX, welche diese Glosse135 an den Erzählverlauf von I Sam 1 angleicht. In diesem Kapitel tritt ja in priesterlicher Funktion ausschließlich Eli in Erscheinung, und so nennt sie „Eli und seine zwei Söhne“ als Priester136 – „an understandable expansion“.137 Auch bei V. 11 steht außer Frage, daß Samuels Nasiräat, von dem im weiteren Verlauf des Buches nichts mehr zu hören ist, sekundär in die Geschichte eingetragen wurde, um den noch nicht geborenen Knaben mit Simson zu parallelisieren und so eine literarische Brücke zwischen Richter‑ und Samuelbuch zu schlagen.138 Der primäre Stimulus für diese Einschreibung dürfte in Hannas 133 Dietrich,

1Sam 1–12, 45. dort waren die zwei Söhne Elis, Hofni und Pinhas, Priester für JHWH“ (‫ושם שני‬ ‫)בני־עלי חפני ופנחס כהנים ליהוה‬. 135 Vgl. bereits Budde, Bücher Samuel, 5 – unter der Vorgabe, daß man dem überlieferten Text folgte und nicht seiner rekonstruierten Fassung, nach der hier einmal ausschließlich von Eli die Rede gewesen sei (vgl. ebd). Die Namen der beiden Eliden erwecken darüber hinaus auch an den anderen Stellen, an denen sie begegnen, den Eindruck, nachgetragen zu sein, nämlich in 2,34; 4,4.11.17 (vgl. Veijola, Ewige Dynastie, 101 f.; Mommer, Samuel, 17; Hutzli, Erzählung, 15 f. 182–188). 136 „Und dort waren Eli und seine zwei Söhne Hofni und Pinhas Priester des Herrn“ (καὶ ἐκεῖ Ἠλεὶ καὶ οἱ δύο υἱοὶ αὐτοῦ Ὁφνεὶ καὶ Φεινεὲς ἱερεῖς τοῦ κυρίου). 137 McCarter, I Samuel, 51; Dietrich folgt freilich LXX (vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 17). 138 Vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 46; pace Mommer, Samuel, 18, der aus der Kindheits‑ und Jugendgeschichte Samuels in I Sam 1 ausschließlich V. 3b ausgrenzt. 134 „Und

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

Rechtfertigung gegenüber Eli zu suchen sein: Seiner Unterstellung entgegnet sie, daß ihr auffälliges Verhalten nicht durch vorangegangenen Alkoholkonsum zu erklären sei: „Wein und Rauschtrank“ (‫ )יין ושכר‬habe sie nicht getrunken (V. 14) – dies aber ist genau das, was Simsons Mutter vor ihrer Schwangerschaft mit Blick auf das Nasiräat des zu erwartenden Kindes aufgetragen wird.139 An diesem Eintrag in I  Sam 1,11 läßt sich schön beobachten, wie er nun seinerseits in der weiteren Textgeschichte das Nachdenken anregte. So zeigen die Varianten, wie in der Folge der nasiräische Charakter Samuels stärker betont wurde. Nach der Septuagintafassung von V. 11 wird auch er selbst keinen Wein trinken dürfen,140 wie es die Vorschrift in Num 6,3 fordert, und nach 4Q51 begründet Hanna auch die Überstellung des abgestillten Knaben an das Heiligtum von Silo in V. 22 explizit mit dessen Nasiräat auf Lebenszeit – erneut in deutlicher Anlehnung an Jdc 13,7.141 Bei weitem nicht so einhellig ist jedoch die Meinung darüber, welche Teile von I Sam 1,11 diesem sekundären Bezug auf die Simsongeschichte nun zuzurechnen seien. In der Tat spielt hier die Entscheidung hinsichtlich des vierten oben aufgeführten Punktes, der Frage nach dem ursprünglichen Ziel der Geburtsgeschichte, nicht unerheblich in die Erwägungen hinein. Betrachtet man V. 21–28, den Weg Samuels als „Erbetenen“ (‫שאלה‬, V. 27 oder ‫שאול‬, V. 28) nach

139 „Jetzt aber, trinke nicht Wein noch Rauschtrank“ (‫ועתה אל־תשתי יין ושכר‬, Jdc 13,7; vgl. 13,14). 140 Vor dem Hinweis auf das Schermesser findet sich in LXX der Zusatz: „und Wein und Rauschtrank wird er nicht trinken“ (καὶ οἶνον καὶ μέθυσμα οὐ πίεται); vgl. Num 6,3: „Von Wein und Rauschtrank soll er [sc. der Nasiräer] sich enthalten, Essig von Wein und Essig von Rauschtrank soll er nicht trinken“ (‫)מיין ושכר יזיר חמץ יין וחמץ שכר לא ישתה‬. 141 Nach dem MT soll Samuel „auf ewig dort [sc. in Silo]“ (‫ )שם עד־עולם‬sein (vgl. LXX ἐκεῖ ἕως αἰῶνος), während der erhaltene Text in 4Q51 davon spricht, er solle „ein Gottgeweihter sein auf ewig, alle Tage [seines Lebens]“ (]‫)נזיר עד עולם כול ימי [חייו‬ – wie auch Simson nach Jdc 13,7 ein Gottgeweihter sein soll „vom Mutterleib bis zum Tag seines Todes“ (‫מן־הבטן עד־יום‬ ‫)מותו‬. Nota bene: Die LXX-Lesart von I Sam 1,11 ist noch ein Stück näher an Jdc 13,7 als I Sam 1,22 nach 4Q51 und I Sam 1,11 MT, spricht sie doch auch hier nicht von „allen Tagen seines Lebens“ (‫)כל־ימי חייו‬, sondern davon, das Kind zu weihen „bis zum Tag seines Todes“ (ἕως ἡμέρας θανάτου αὐτοῦ) (vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 19). Vgl. auch Sir 46,13, wonach Samuel (in der hebräischen Fassung, nicht im griechischen Text) „Nasiräer JHWHs im Prophetsein“ (‫ )נזיר ייי בנבואה‬war. Rofé sieht bei dem Eintrag in 4Q51, m. E. völlig zurecht, die Tendenz zu nomistischen Korrekturen am Werk (vgl. Rofé, Nomistic Correction, 251; ders., 4QMidrash Samuel, 70). Aejmelaeus freilich betrachtet den MT als gekürzt (vgl. Aejmelaeus, Corruption or Correction, 11–16). Sie vermutet dahinter die gleiche Tendenz, die auch Hannas Aufenthalt „vor dem Herrn“ in 1,9 und 1,14 gestrichen habe und die „from a theological, religious-conservative or even sexist viewpoint“ (a. a. O., 16) bestimmt sei. M. E. liegt es nicht nahe, für alle textkritischen Phänomene in I Sam 1 das gleiche Erklärungsmodell heranzuziehen. In 1,9 und 1,11 mag die Intention zu greifen sein, Hanna aus dem als Allerheiligstes verstandenen Tempelinnenraum herauszuholen – 1,11 beschäftigt sich mit einem anderen Thema. Gemeinsam ist den hier in beiden Textüberlieferungen erkennbaren Bearbeitungen indes der von Rofé herausgestellte nomistische Impetus.

5.2 Der Anfang vor dem Anfang: I Sam 1

185

Silo als Teil der Grundschicht, so wird man geneigt sein, auch einen Kern von Hannas Gelübde, das diesen Weg vorbereitet, für ursprünglich zu erachten.142 Findet man jedoch das ursprüngliche Ende bereits in der Notiz über die Geburt des erbetenen Knaben, so wird zwangsläufig auch Hannas Gelübde von V. 11 und damit der Vers in seiner Gesamtheit als sekundär erscheinen.143 Kratz führt in diesem Zusammenhang an, die Lokalisierung von Hannas Erstgeborenem am Heiligtum von Silo erweise sich deshalb als nachgetragen, weil Kapitel 9 f. und 7,17 voraussetzten, „daß Samuel bei seinen Eltern in Rama, im Lande Zuf, aufwächst.“144 Nun haben beide Belegstellen, I Sam 7 wie I Sam 9 f., ja nicht mehr den jugendlichen Samuel im Blick, sondern bereits den Gottesmann oder Richter eher gesetzten Alters und bieten keinerlei direkte Information darüber, wo dessen Ausbildung einmal stattgefunden haben soll. I Sam 7,17 weiß lediglich davon, daß er in späteren Jahren in Rama ein „Haus“ besaß, also seine Familie dort ansässig war, und in 9,1–10,16 ist es nur das sekundär aufgefüllte Itinerar in 9,4aα.5aα, welches die „Stadt“ der Geschichte ins Land Zuf verlegt. Beides muß darum nicht zu einer in Silo verbrachten Kindheit in Widerspruch stehen, wie sie ab I Sam 2,11 mit dem Vorspann in 1,21–28 skizziert wird. Beides reibt sich auch nicht unbedingt damit, daß der Knabe nach V. 11 „alle Tage seines Lebens“ (‫ )כל־ימי חייו‬JHWH gehören soll (V. 11) – allerdings steht es aber tatsächlich nicht mit der Bestimmung im Einklang, diese Zeit, nämlich „auf ewig“ (‫)עד־עולם‬ auch „dort“ (‫שם‬, V. 22), in Silo, zu verbringen.145 Stärker als dieser latente Gegensatz wiegt jedoch m. E. zugunsten von Kratz’ Entscheidung in diesem Fall ausnahmsweise das formkritische Argument. Die von Mommer getroffene, aber literarkritisch nicht ausgewertete Beobachtung, daß die Geschichte von I Sam 1 in ihrer vorliegenden Form mindestens zwei Höhepunkte hat, ergänzt durch den Vergleich mit anderen Geburtsgeschichten wie denjenigen Ismaels, Jakobs und Esaus, sowie Simsons, spricht stark dafür, das ursprüngliche Ziel von I Sam 1 in V. 20 zu sehen146 – freilich ergänzt durch eine der Notizen, die vom Aufwachsen des erbetenen Kindes sprechen. Die Ergänzung von V. 21–28 verschiebt dann den Fokus der ganzen Geschichte nicht unwesentlich. Endet sie in V. 20 zunächst damit, daß Hannas Problem gelöst ist, so führt ihre Fortsetzung, die wie die Grundschicht auch mit einer Ätiologie des Namens Samuels schließt, dazu, daß die Problemlage – 142 So

etwa Dietrich, der lediglich 1,11bβ ausgrenzt (vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 28). Kratz, Komposition, 176, n. 79. Kratz schließt in diese Ergänzung auch V. 12a ein. Dies erscheint mir indes zum einen mit Blick auf V. 11 nicht nötig und zum anderen mit Blick auf V. 12b fraglich. Wenn dort Eli auf Hannas Mund achtet, kann sich dies zwar auch auf das heftige Weinen von V. 10 beziehen, sinnvoller aber auf das viele (und stille, vgl. V. 13) Beten nach V. 12a. Diese Entscheidung ändert freilich nicht viel. 144 Ebd. 145 Zu den unterschiedlichen Zeitangaben von 1,11 und 1,22 in MT, LXX und 4Q51, vgl. oben S. 184, n. 141. 146 Vgl. Porzig, Lade, 114. 143 Vgl.

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

gewissermaßen auf einer höheren Ebene – erneut besteht. Ein weiteres Mal ist Hanna kinderlos. Die beiden scheinbar so ähnlichen Erklärungen des Namens für das Wunschkind sind nun, vergleicht man sie einmal direkt miteinander, zusätzlich instruktiv: Nach V. 20 wird der Knabe Samuel genannt, weil Hanna ihn von JHWH erbeten hat (‫)כי מיהוה שאלתיו‬ – das Kind ist Hannas Kind. Auch in V. 27 hat sie ihn erbeten (‫)שאלתי מעמו‬, aber zu dem Ziel, daß er nach V. 28 ein Erbetener für JHWH sein soll (‫)שאול ליהוה‬ – das Kind ist JHWHs Kind. Die literarische Funktion dieser Fortschreibung in den Versen 21–28 (und damit auch von V. 11) ist offensichtlich. Der Aufenthalt Samuels am Heiligtum von Silo ermöglicht es nicht nur, in Kapitel 3 von seiner dortigen Berufung zum Propheten zu berichten, sondern macht ihn und die Leserin wie den Leser mit Kapitel 2 auch zum Zeugen der dort herrschenden korrupten Zustände: Auch die Abschnitte über die Bosheit der Eliden und die ihnen deshalb angekündigte Strafe können hier angeschlossen werden. Die sukzessive Entstehung der beiden Kapitel 2 und 3 läßt sich dabei in ihren Grundzügen schön an den immer wiederkehrenden Notizen über entweder Dienst oder Aufwachsen des Knaben ebendort nachvollziehen. Sie finden sich in 2,11b.18.21b.26; 3,1a.19abα und waren schon des öfteren Gegenstand der kritischen Untersuchung.147 So erkennt Mommer völlig zurecht, daß jede dieser kleinen Zwischenbemerkungen einen eigenen thematischen Abschnitt abschließt und auf diese Weise rahmt: 2,11b das Hannalied (2,1–10), 2,18 die Beschreibung der Verfehlungen der Söhne Elis (2,12–17), 2,21b das Stück über die fünf jüngeren Geschwister Samuels (2,19–21a), 2,26 Elis Reaktion über die Kunde vom Verhalten seiner Sprößlinge (2,22–25), 3,1a die Rede des Gottesmannes (2,27–36), und 3,19abα schließlich Samuels Berufung (3,1b–20) mit der abschließenden Bemerkung über sein weiteres prophetisches Wirken in Silo in 3,19bβ–21. Mommer beurteilt nun alle dieser Notizen als „redaktionell“.148 Diese Einschätzung ergibt sich (erneut) konsequent aus einer primär überlieferungsgeschichtlich orientierten Methodik, die in Kategorien von zunächst jeweils separat umlaufenden (mündlichen) Traditionsstücken denkt. Redaktionskritisch und auch formkritisch betrachtet stellt sich der Befund jedoch anders dar: Nach Geburt und Benennung des erbetenen Kindes erwartet man eine Information, und sei sie noch so knapp gehalten, über dessen weiteren Werdegang.149 Die übrigen Wendungen erscheinen dann in der Tat als redaktionell bedingt: Sie erfüllen den typischen Zweck einer jeden Wiederaufnahme, nämlich eingearbeitete Stücke – ob selbständiger Überlieferung oder direkt der Hand des entsprechenden Schreibers entstammend sei dahingestellt – mit dem Erzählfaden zu vernähen. Diese Auffassung leitet denn auch 147 Vgl. insbesondere Mommer, Samuel, 16; Wonneberger, Redaktion, 227–240 mit den Tafeln 17–24. 148 Mommer, Samuel, 6. 149 Vgl. Wonneberger, Redaktion, 234, n. 209.

5.2 Der Anfang vor dem Anfang: I Sam 1

187

die Untersuchung Wonnebergers, der auf diese Weise eine Grundschicht von I Sam 1–3 in den (in sich noch weiter literarkritisch auszudifferenzierenden) Blöcken 1,1–2,11* (ohne Hannalied);150 2,18–21*; 3,19–4,1a* findet.151 An dieser Einteilung fällt auf, daß Wonneberger offensichtlich mehrere Abschlußnotizen für die Grundschicht veranschlagt, nämlich die von 2,18, welche vom Dienen Samuels vor JHWH spricht, ebenso wie diejenige von 3,19, welche sein Aufwachsen vermerkt. Mit der oben getroffenen literarkritischen Entscheidung, die 1,21–28 und damit die Übergabe des Knaben an das Heiligtum als sekundär veranschlagt, stellt sich die Grundlage für die Beurteilung der sechs Notizen indes anders dar. Zu fragen ist dann, welche von ihnen diesen Erzählzug voraussetzen und bei welchen dies nicht notwendigerweise der Fall ist. Ersteres gilt auf jeden Fall für die Variante, die vom Dienen JHWHs (‫משרת‬ ‫את־יהוה‬, 2,11b; 3,1a bzw. ‫משרת את־פני יהוה‬, 2,18) des Knaben spricht, denn sie geht eindeutig davon aus, daß man ihn sich als am Heiligtum befindlich vorzustellen habe. Bei der anderen Formel ist die Lage differenzierter zu beurteilen. 2,21b läßt Samuel „mit JHWH“ aufwachsen (‫)ויגדל הנער שמואל עם־יהוה‬, nimmt also wohl ebenfalls an, daß er seine Jugend am Heiligtum verbringt. An den anderen beiden Stellen sieht dies jedoch anders aus. So formuliert 3,19abα zwar fast identisch, aber doch in diesem einen Punkt auffällig unterschieden. Nicht Samuel ist mit oder bei JHWH (wie in 2,21b), sondern JHWH ist mit Samuel: „Und Samuel wuchs auf, und JHWH war mit ihm“ (‫ויגדל שמואל ויהוה‬ ‫)היה עמו‬. Eine wieder andere Verwendung der Präposition „mit“ und auch sonst einen Sonderfall stellt schließlich noch 2,26 dar, wonach Samuel kontinuierlich größer152 und besser wird „bei JHWH und auch bei Menschen“ (‫עם־יהוה וגם‬ ‫)עם־אנשים‬. Insgesamt spricht der Unterschied von 3,19abα zu 2,21b dafür, die erstgenannte Stelle als die ältere und damit als den ursprünglichen Abschluß der Geburtsgeschichte Samuels anzusehen.153 2,26 dürfte dagegen noch jünger sein als beide, wenn auch nicht aufgrund des gleichen Kriteriums, sondern weil der

150 In diesem, hier speziell interessierenden Bereich liegt für ihn die Grundschicht in I Sam 1,1 f.4–6.7b–11.19b–20bα.23b (ohne ‫)ותשב האשה‬.24aβ.b (mit ‫ נזיר‬für das zweite ‫ ;)נער‬2,11 (vgl. a. a. O., 315–318). 151 Vgl. a. a. O., 239. 152 LXXB hat freilich kein Äquivalent für ‫ !גדל‬Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Wort in sekundärer Angleichung an 2,21 und 3,19 in den Vers gelangt ist – aber auch möglich, daß „GB das Nebeneinander von ‚groß‘ und ‚gut‘ schwierig gefunden“ hat (Dietrich, 1Sam 1–12, 114). 153 Auch Wonneberger erkennt 3,19abα die Priorität vor 2,21b zu, nicht zuletzt aus dem gleichen Grund wie oben angeführt: 2,21 verortet Samuel am Heiligtum (vgl. Wonneberger, Redaktion, 238). Dem ist voll und ganz zuzustimmen, es überrascht jedoch dann um so mehr, daß Wonneberger sowohl Nasiräat als auch Übergabe an Eli als Bestandteile seiner Grundschicht anführt.

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

Vers an der Rede des Gottesmanns hängt, die ihrerseits eine Ergänzung innerhalb der Geschichte von Eli und seinen Söhnen darstellt.154 Für die Analyse von I Sam 1 im Kontext der vorliegenden Arbeit gilt es damit festzuhalten: 3,19abα stellt den ursprünglichen Abschluß der Geburtsgeschichte Samuels dar und schloß auf der Ebene ihrer Grundschicht einmal unmittelbar an 1,20 an. Alles, was dazwischensteht, Samuels Überstellung an das Heiligtum von Silo, die Schuld der Söhne Elis samt angekündigter Vergeltung in Kapitel 2 und die Berufungsgeschichte von Kapitel 3 verdankt sich längerer und intensiver Fortschreibungstätigkeit.155 Für die Fragen im Hinblick auf die Verbindung von Samuel und Saul von geringer Relevanz ist nun schließlich noch die Beurteilung von I Sam 1,6 f. An dieser Stelle überschneiden sich text‑ und literarkritisch zu behandelnde Beobachtungen. So ist es auffällig, daß das große textkritische Problem der beiden Verse sich genau zwischen der gedoppelten Aussage über Hannas scheinbar verschlossenen Schoß findet, mit der V. 5 wie V. 6 enden.156 In der Septuaginta ist die Parallele noch stärker, wird sie doch in beiden Fällen auch noch erklärt: Der verschlossene Mutterleib bedeutet, daß der Herr ihr kein Kind gab.157 Was nun innerhalb dieses Rahmens steht, ist im Griechischen wie im Hebräischen schwer zu übersetzen, scheint aber in etwa auf dem gleichen Konsonantenbestand zu beruhen.158 Nach dem MT ist davon die Rede, daß „ihre Widersacherin“ (‫)צרתה‬ Hanna überaus ärgerte (‫)וכעסתה […] גם כעס‬, wörtlich „wegen des Donnerns“ oder „wegen des donnern Lassens“ (‫)בעבור הרעמה‬, wofür man sich in jedem Fall mit einer interpretatorischen Notlösung behelfen muß, etwa mit „um sie zu bedrücken“.159 LXX dagegen sieht in ‫ צרתה‬offensichtlich nicht Peninna, sondern Hannas „Mutlosigkeit ihrer Betrübnis“ (κατὰ τὴν ἀθυμίαν τῆς θλίψεως αὐτῆς),160 154 Vgl. dazu jetzt Hentschel, Niedergang, 88, mit Verweis auf Pisano, Prophecy, 103 und Frolov, Man of God, 68. 155 Vgl. ähnlich Kratz, Komposition, 179. Diese Fortschreibungskette en détail aufzuschlüsseln, überschreitet die Aufgabenstellung dieser Arbeit. Porzig sortiert die Stücke grob in der Reihenfolge I Sam 1,11–12a.21–28; 2,18–21 | 2,12–17.22–25 | 2,27–36 | 3 | 2,1–10 (vgl. Porzig, Lade, 104–121; besonders 121). 156 Vgl. „Und JHWH hatte ihren Mutterleib verschlossen“ (‫ויהוה סגר רחמה‬, V. 5) mit „denn verschlossen hatte JHWH ihren Mutterleib“ (‫כי־סגר יהוה בעד רחמה‬, V. 6). Völlig zurecht spricht Porzig von einer „Wiederaufnahme“ (Porzig, Lade, 114). 157 Vgl. „Und der Herr verschloß ihren Mutterleib, 6 weil ihr der Herr kein Kind gab“ (καὶ Κύριος ἀπέκλεισεν τὰ περὶ τὴν μήτραν αὐτῆς 6 ὅτι οὐκ ἔδωκεν αὐτῇ Κύριος παιδίον, V.  5 f.) mit „weil der Herr verschloß ihren Mutterleib, indem er ihr kein Kind gab“ (ὅτι συνέκλεισεν Κύριος τὰ περὶ τὴν μήτραν αὐτῆς τοῦ μὴ δοῦναι αὐτῇ παιδίον, V. 6). 158 Pace Hutzli, der für die LXX-Vorlage ‫ כצרתה וככעס צרתה‬rekonstruiert (Hutzli, Erzählung, 55). Sein Vorgehen bei der Rückübersetzung ins Hebräische erscheint mir dabei etwas zu schematisch zu sein (vgl. dazu unten S. 189, n. 161). 159 So Dietrich, 1Sam 1–12, 14. 17, mit Verweis auf die für diese Stelle und sonst nur noch in Ez 27,35 angenommene Wurzel ‫רעם‬2 (vgl. Gesenius18, 1257). Dort, an der Ezechielstelle, ist im Qal davon die Rede, daß „Gesichter donnern / verstört sind“ (‫)רעמו פנים‬. 160 „Betrübnis“ (θλίψις) gibt offensichtlich (und anders als in V. 7) beide Male ‫ כעס‬wieder,

5.2 Der Anfang vor dem Anfang: I Sam 1

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und bei den schwierigen zwei Worten ‫ בעבור הרעמה‬behalfen sich ihre Übersetzer damit, erneut die Trostlosigkeit hervorzuheben: „und deswegen war sie betrübt“ (καὶ ἠθύμει διὰ τοῦτο).161 So weit, so scheinbar klar: Das Plus der Septuaginta ist eine Ergänzung in ihrer Vorlage, und die betonte Betrübnis resultiert aus Übersetzungsproblemen. Nun ist jedoch noch zu berücksichtigen, daß auch an den beiden anderen Stellen, an denen in I Sam 1 davon die Rede ist, daß Peninna Hanna ärgerte, LXX davon nichts berichtet: So weiß V. 7 MT davon, daß die Rivalin alljährlich ihr Spiel wiederholte („und sie [sc. Peninna] reizte sie [sc. Hanna]“ [‫)]כן תכעסנה‬, während LXX das Verb offensichtlich reflexiv versteht: „Sie [sc. Hanna] war bekümmert“ (καὶ ἠθύμει) – also eine unsuffigierte Form im Qal wiedergibt. In V. 16 schließlich hat LXXB lediglich ein Äquivalent für den „Kummer“ (‫שיח‬, nämlich ἀδολεσχία), nicht aber für ‫כעס‬. Dies ändert die Beurteilung der Gesamtproblematik, deren Lösung nur text‑ und literarkritisch kombiniert zu erreichen ist. Die Erklärung für V. 6 wird dabei durch die Wiederaufnahme nahegelegt: Es handelt sich um eine Glosse.162 Diese Annahme wird noch dadurch gestützt, daß das maskuline Subjekt von V. 7 („so macht er“ [‫ )]וכן יעשה‬sinnvoll nur an V. 5 anschließt und Elkanas Essensverteilung beim Opfermahl meint.163 Wenn dem aber so ist, stellt sich die Frage, was diese Ergänzung der Geschichte von Hannas Kummer hinzuzufügen wünscht. Die Antwort kann nur lauten: Die zusätzliche Problematik der Widersacherin.164 Sie nimmt ihren Ausgang bei der Betrübnis Hannas nach V. 7, ihrem Weinen trotz aller Liebe ihres Mannes nach V. 5. Diesen Ärger versteht ein Glossator nun – durchaus mit den oben angeführten Psalmbelegen im Hinterkopf 165 – als die Bedrängnis durch die Nebenbuhlerin und führt diese über die Wurzel ‫כעס‬ mit V. 6 und in V. 7166 ein. Dabei handelt es sich nicht in erster Linie um eine pace Hatch / Redpath, Concordance, 30, die ‫ כעס‬in der ἀθυμία finden. Beide, θλίψις und ἀθυμία, können freilich nahezu synonym sein, wie die häufige Widergabe von ‫ צרה‬,‫ צר‬und ‫צרר‬ mit θλίψις belegt (vgl. a. a. O., 652 f.). 161 Hutzli nimmt dagegen an, die zwei Worte in LXX beruhten nicht auf der Vorlage, sondern seien vom Übersetzer geschaffen worden (vgl. Hutzli, Erzählung, 56. 131). Das überzeugt nicht. διὰ τοῦτο ist klar ‫ – בעבור‬es liegt daher näher anzunehmen, daß auch καὶ ἠθύμει schlicht versucht, die schwierige hebräische Form ‫ הרעמה‬sinnvoll aus dem Kontext zu deuten. Zur generell ausgesprochen literalen Übersetzungstechnik bei der Samuelseptuaginta vgl. Aejmelaeus, Seputagint of 1 Samuel, insbesondere 140 f. 162 Vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 91. 96. 163 Die Syrische Lesart, die explizit Peninna als Subjekt einträgt (vgl. de Boer, Apparat der BHS), bezeugt das durch V. 6 hervorgerufene Problem. 164 Das heißt für die Beurteilung der Septuagintalesarten: In V. 6 wie in V. 7 hätte sie die Glossen nicht in dem vom Ergänzer intendierten Sinne verstanden. 165 Vgl. oben S. 181 f. 166 Die Imperfektform ‫תכעסנה‬, die LXX reflexiv versteht, erscheint so als eine „[s]pätere Erweiterung, die den Gedanken von V. 6 ausspinnt“ (Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 91). Dafür spricht nicht zuletzt die oben aufgeführte Beleglage für die Wurzel ‫( כעס‬vgl. oben S. 181).

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

„gefühlsmäßig betonte Erweiterung“.167 Durch die Ergänzung geht vielmehr Hanna einen weiteren großen Schritt in Richtung ihrer Rolle als exemplarische Beterin:168 Ihre Klage befaßt sich nicht mehr nur mit ihrer scheinbaren Unfruchtbarkeit, sondern wird darüber hinaus zur Feindklage. Auf dem Weg hin zur Gestaltung von I Sam 1 als narrativer Inszenierung eines Klagegebets ist damit der letzte Pflasterstein gelegt, der schließlich durch den Eintrag des „Ärgers“ in (den gleichwohl möglicherweise ebenfalls sekundären) V. 16169 noch verfugt wird.170

167 Vgl.

Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 96. diesem Hintergrund könnte man – zugegebenermaßen einigermaßen spekulativ – weiter überlegen, ob die schwierige und seltene Wurzel ‫רעם‬, „donnern“ nicht sogar schon auf das Hannalied schielt (vgl. 2,10). Bei Pseudo-Philos erscheint ein Vorverweis auf das Lied der Hanna (in dessen LXX-Fassung!) dezidiert bereits bei der Schilderung von Peninnas Feindschaft: Der Liber Antiquitatum Biblicarum weiß nämlich nicht nur, daß die Nebenfrau Hanna ärgerte, sondern auch, welche Worte sie dabei gebrauchte. Zum einen verweist sie in der Tat auf die geliebte, aber zunächst unfruchtbare Rahel – zum anderen aber stellt sie die provokante These auf: „Wer sich rühmt, der rühme sich, wenn er seinen Samen vor seinem Angesicht sieht“ (Qui gloriatur glorietur cum videt semen suum ante conspectum suum, LibAnt 50,2) – ein klarer Gegensatz zu Hanna, die in I Sam 2,10LXX (mit Jer 9,23) betont: „Sondern darin soll sich der Rühmende rühmen, Einsicht zu haben und den Herrn zu erkennen“ (ἀλλ΄ ̓ ἢ ἐν τούτῳ καυχάσθω ὁ καυχώμενος συνίειν καὶ γινώσκειν τὸν κύριον). (Die Herausgeber von DJD 17 rekonstruieren diesen Vers auch für 4Q51, was möglich, aber keineswegs gesichert ist, sind doch an der fraglichen Stelle von den erhaltenen sechs Buchstaben nicht mehr als zwei ‫ ל‬eindeutig und die vier weiteren durchaus fraglich (vgl. DJD 17, 32). 169 Stoebe geht auf dieses kleine LXX-Plus gar nicht ein (vgl. Stoebe, Das Erste Buch Samuelis, 89. 91); Dietrich urteilt, ‫ כעס‬im MT diene „vielleicht der Verdeutlichung“ (Dietrich, 1Sam 1–12, 19). Anders Hutzli, der einen „Ausfall des fraglichen Minus durch Parablepsis in G-Vorlage“ annimmt (Hutzli, Erzählung, 70). Einen Anlaß für ein derartiges „Versehen“ vermag ich im Text nicht zu erkennen. 170 Porzig geht noch einen Schritt weiter und erwägt, darüber hinaus, auch V. 7 f.16–18 einer in diesem Sinne arbeitenden Hand zuzuschreiben. Er spricht in diesem Zusammenhang von „eine[r] regelrechte[n] ‚Niedrigkeitsredaktion‘“ (Porzig, Lade, 114). Seine Argumente hierfür sind nicht in toto von der Hand zu weisen: der Infinitiv Constructus mit der femininen Endung ‫ אכלה‬in V. 9a, der nicht zu Hannas Fasten von V. 7 paßt (und der oft mit LXX als ‫ אכלם‬gelesen wird), wie auch ihr folgendes Trinken [‫]ואחרי שתה‬, das in LXX fehlt, als Zusatz betrachtet wird (vgl. zu diesem Zusatz Aejmelaeus, Corruption or Correction, 12, die darin insinuiert sieht, daß Hanna eben doch betrunken gewesen sei; zu beiden Problemen ferner Dietrich, 1Sam 1–12, 18, der [mit den Masoreten] bei der „Sonderform“ [ebd.] ‫ אכלה‬kein weibliches Suffix gegeben sieht [vgl. auch Barthélemy, Critique Textuelle 1, 139; Hutzli, Erzählung, 60, die für die Vokalisierung ‫ אׂכְלָה‬plädieren]), ferner der vermeintliche Bezug von V. 16 auf V. 11 (‫ )אמה‬und die Gottesbezeichnung „Gott Israels“ (‫)אלהי ישראל‬, deren Belege „nicht unbedingt in früheste Zeit“ (Porzig, Lade, 115, n. 53) verwiesen, und schließlich die Verbindung von V. 16 zu 2,12 über die Formulierung „schändliche Person“ (‫)בת־בליעל‬. Gleichwohl läßt sich fragen, ob die Geschichte ohne Elis Sendung und Segen noch „funktioniert“. Die Heimreise folgte doch etwas unvermittelt guter Stimmung direkt auf die Vorwürfe des Priesters. Zu erwägen ist allerdings durchaus der sekundäre Charakter von V. 16, der, neben den genannten Argumenten Porzigs, auch schlicht eine Doppelung zu V. 15 darstellt. 168 Vor

5.3 Der doppelte Anfang – Konsequenzen

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5.2.3 I Sam 1 – Zusammenfassung Die literarkritische Analyse von I Sam 1 läßt die Entwicklung des Kapitels von der Geschichte über die wundersame Geburt Samuels hin zum in narrative Form gegossenen Klage‑ und Bittpsalm seiner zur exemplarischen Beterin gewordenen Mutter Hanna nachvollziehen. 1. An ihrem Anfang steht die Grunderzählung in I Sam 1,1–3a.4 f.​7aα.b.8–10.​ 12–15.17–20; 3,19aα: Hannas scheinbare Unfruchtbarkeit wird behoben, nicht zuletzt dadurch, daß sie den Widerstand des Priesters Eli überwindet und dessen Segen erlangt. Das erbetene Kind erhält den über die Wurzel ‫ שאל‬gedeuteten Namen Samuel. 2. In einer größeren Fortschreibung, die mit der sukzessiven Entstehung der beiden Folgekapitel eng verbunden ist, gibt sie den „Erbetenen“ wieder an JHWH zurück (I Sam 1,21–28*; 2,11). 3. Ein Eintrag in I Sam 1,11 interpretiert dies als Nasiräat auf Lebenszeit und parallelisiert auf diese Weise Samuel mit Simson. 4. Kleine Ergänzungen in V. 6.7aβ.16 schließlich fügen zu Hannas Problem der Kinderlosigkeit noch die Rivalität Peninnas hinzu und bieten so in erzählter Form das Äquivalent zur psalmtypischen Feindklage – ein Weg, der durch die Ergänzung des „Ärgers“ (‫ )כעס‬in V. 16 MT abgeschlossen wird. 5. V. 3a etabliert einen Vorverweis auf das Treiben der Söhne Elis. Mit Blick auf die Fragestellung der Arbeit sind nun wiederum folgende Punkte festzuhalten: 1. Die Grundschicht der Erzählung führt einen Samuel ein, von dessen weiterer Bestimmung in diesem Kontext noch nichts verlautet. 2. Folgt man der oben vorgenommenen Abgrenzung dieser Grundschicht, so enthält sie mit V. 20bβ bereits eine Anspielung, die auf Saul hinweist. 3. Eingeführt werden weiterhin die Figur des Priesters Eli sowie der Ort Silo. 4. Die explizite Verbindung zur Geburtsgeschichte Simsons, die über die Ähnlichkeit von I Sam 1,1 zu Jdc 13,2 hinausgeht, ist sekundär. Aus diesen vier Punkten ergeben sich zusammen mit den Erträgen der Analyse von I Sam 9,1–10,16 weitere Folgerungen.

5.3 Der doppelte Anfang – Konsequenzen Saul und Samuel, so wurde zu Beginn dieses Kapitels festgestellt, sind durch die Geschichten, mittels derer sie beide in die Erzählung der Samuelbücher eingeführt werden, eng aufeinander bezogen. Gerade in I Sam 1 ist diese Nähe

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

überaus intensiv zu spüren. Es verwundert nicht, daß die von Hylander breit ausgebaute These, hier sei eine ursprüngliche Geburtsgeschichte Sauls aufgegriffen und auf Samuel hin überarbeitet worden,171 breit rezipiert wurde.172 Dieser Gedanke ist verlockend und faszinierend. „Aber diese These ist doch nicht durchführbar“173 – zumindest nicht literar‑ und redaktionskritisch zu erhärten, geschweige denn zu begründen.174 Unter der methodischen Vorgabe indes, Hypothesen auf der Grundlage des überlieferten Textes zu bilden, erscheint I Sam 1 bestenfalls im übertragenen Sinne als eine Geschichte, die von der Geburt des ersten Königs über Israel erzählt: Der Knabe Samuel, von dem sie berichtet, wird es sein, der des letzteren Weg auf den Thron maßgeblich beeinflußt. Wesen und Ziel von I Sam 1 für sich werden darum im direkten Vergleich mit I Sam 9,1–10,16 deutlich, genauer: in der Bestimmung des Verhältnisses beider Grundschichten zueinander. Für I Sam 9,1–10,16* ergab sich hier eine Erzählung von Saul und einem Gottesmann, welcher sekundär, im Rahmen einer umfangreicheren Bearbeitung, mit Samuel identifiziert wurde. Demgegenüber konnte in I Sam 1 eine älteste Ebene erkannt werden, die von den Umständen um die Geburt dieses Samuel berichtet, und in welcher gleichwohl im Kontext seiner Benennung auf die Gestalt Sauls vorausverwiesen wird. Kurz gesagt: In I Sam 9,1–10,16* ist Samuel sekundär, in I Sam 1* jedoch der Bezug auf Saul primär verankert. Dieser Umstand legt die Vermutung nahe, daß beide Anfänge nicht auf der gleichen literargeschichtlichen Ebene anzusiedeln sind, sondern in einem diachronen Verhältnis zueinander stehen. Konkret: I Sam 1, der Anfang in Ephraim, wurde I Sam 9, dem Anfang in Benjamin, vorgeschaltet – unter anderem mit der Folge, daß Samuel in das Gewand des Gottesmannes der älteren Saulgeschichte schlüpfen konnte. Dies allein erscheint jedoch als Grund für eine derartige Operation nicht ausreichend. Das Profil des jüngeren Anfangs wird indes klarer, wenn der durch ihn angepeilte literarische Bogen mit demjenigen des mutmaßlich älteren Textes verglichen wird. I Sam 9,1–10,16* bereiten Saul darauf vor, durchdrungen vom Geist JHWHs eine große Tat zu begehen und bringen ihn nach Gibea. Von hier aus wird er in Kapitel 11 erfolgreich gegen die Ammoniter zu Felde ziehen – und entsprechend wird sein Nachruf in 14,47–51* davon künden, daß er Großes vollbrachte (‫ויעש‬ 171 Vgl.

Hylander, Samuel-Saul-Komplex, 13. u. a. McCarter, I Samuel, 65 f. White teilt diese Auffassung nicht, sieht aber gleichwohl im siebenmaligen Gebrauch der Wurzel ‫ שאל‬ein Schlüsselwort des Kapitels, mit dem auf Saul verwiesen werde – wie auch „the seven words of the ntn root“ (White, Saul and Jonathan, 125) bereits den Namen des Kronprinzen Jonatan anklingen ließen. 173 Noth, Samuel und Silo, 152. 174 Hylander arbeitet denn auch – freilich auf der Grundlage des literarisch vorliegenden Textes  – form‑ und überlieferungsgeschichtlich und rekonstruiert eine ursprüngliche Saulgeschichte, indem er Bausteine aus Jdc 13 und I Sam 1 zusammenfügt – nicht zuletzt die oben als literarisch sekundär erkannten Stücke zum Nasiräat (vgl. a. a. O., 30 f.). 172 Vgl.

5.3 Der doppelte Anfang – Konsequenzen

193

‫חיל‬, 14,47). Keine Rede ist (wenig überraschend) von David und keine Rede ist (vielleicht ein wenig überraschender) von den Philistern. I Sam 1* bringt nun, wie gesehen, nicht nur Samuel ins Spiel, sondern als integralen Bestandteil der Grundschicht auch Eli und Silo. Beide spielen, abgesehen von den als sekundär erkannten Stücken in Kapitel 2 und 3, ihre Rolle in I Sam 4*, der Grundschicht der Ladegeschichte:175 Elis vornehmste Aufgabe ist es in diesem Zusammenhang, in beiden Geschichten auf einem Stuhl zu sitzen (vgl. 1,9 und 4,13) und zu beobachten (vgl. 1,12 und 4,13) – um schließlich von diesem Sitz zu stürzen und zu sterben (4,18). Vor allem aber treten mit Kapitel 4 die Philister auf den Plan, die in der Tat (in jeder Hinsicht) später beim Aufstieg Davids eine wichtige Rolle einnehmen werden, mit denen indes auch – bereits vorher – Saul zu tun bekommt: in I Sam 13–14 ebenso wie schließlich in Kapitel 31. Korrespondiert also dem Anfang Sauls ohne Samuel in 9,1 eine Saulgeschichte samt Nachruf ohne Philister, so entspricht dem Anfang der mit 1,1 um die Ladeepisode zum „Samuel-Saul-Komplex“ samt Philistern erweiterten Saulgeschichte auch ein Ende mit und durch diese: I Sam 31.176 Dieser Bogen umschließt nun also sehr wohl die Philister, aber gleichwohl (noch) keinen David und darf auch daher – und nicht nur aus sprachlichen Gründen – wohl getrost vordeuteronomistisch genannt werden.177 175 Porzig arbeitet diese Grundschicht, von der in einem ersten Schritt II Sam 6 ebenso abhängt wie in einem (mindestens) zweiten I Sam 5–6, überzeugend heraus in, grob gesagt I Sam 4,1 f.10–18a (ohne die Namen der Söhne Elis in V. 17), feiner gesagt in: „ISam 4,1b–2aα.10aα2–17aα.[aβ–bβ?.]–18a“ (Porzig, Lade, 141; vgl. ähnlich Kratz, Komposition, 179 [4,1b–2.11–22, also unter Einschluß der Geburt Ikabods]). Über Porzigs Analyse hinausgehend wäre zu erwägen, ob nicht auch 4,15 sekundär ist, der Vers, der Elis Alter (vgl. 4,18, aber auch 2,22 und 3,21LXX) und seine Blindheit hervorhebt. Die Notiz ist eingeklammert zwischen die Mitteilung des Boten, der am Ende von 4,14 (‫ )ויגד לעלי‬wie am Anfang von 4,16 (‫ויאמר האיש‬ ‫ )אל־עלי‬seinen Bericht beginnt und steht in latentem Widerspruch zu 4,13, wonach Eli auf seinem Stuhl sitzt und Ausschau hält (‫( )מצפה‬vgl. zur Stelle, unter Einbeziehung der längeren LXX-Fassung Trebolle, Textual Criticism, 273 f.). Ferner dürfte, folgt man in 4,1 LXX, der ganze Vers der Grundschicht angehören. Für die ursprüngliche Eigenständigkeit einer Ladegeschichte und den ihr gegenüber redaktionellen Charakter von I Sam 1–3* vgl. auch (mit freilich jeweils weit umfangreicheren Grundbeständen) Eynikel, Relation, 100–106. 176 Mit Kratz und Porzig sehe ich somit die ursprüngliche Fortsetzung von I Sam 4* in 9,1, anders als beide aber Kapitel 1* nicht als ursprüngliche Vorgeschichte zu Kapitel 9, sondern mit Kapitel 4* als Einleitung eines erweiterten Samuel-Saul-Kreises (vgl. Kratz, Komposition 176; Porzig, Lade, 122). 177 Daraus folgt aber auf keinen Fall, daß I Sam 1,1 nicht zugleich auch als der Anfang eines deuteronomistisch gestalteten literarischen Zusammenhangs von Samuel‑ und Königebüchern anzusprechen sei. Diese These, vorbereitet durch Würthwein (vgl. Würthwein, Erwägungen, 6 f.) und Schmid (vgl. Schmid, Erzväter und Exodus, 39), ist von Kratz durchdacht und ausgearbeitet worden (vgl. Kratz, Komposition, 174–191) und hat breitere Rezeption erfahren (vgl. u. a. Schmid, Literaturgeschichte, 80–85 [mit anderer, nämlich josiazeitlicher Datierung]). Levin, gefolgt von R. Müller, stellt sie indes nun in Frage, indem er auf die vergleichbaren Erzählanfänge in Jdc 13,2; 17,1 verweist. Beide kommen zu dem Schluß, „[that a]t no time was there […] a Deuteronomistic History composed only of the books of Samuel and Kings“

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5. Saul in den Samuelbüchern – Der Anfang

Diese letzten Überlegungen greifen indes schon voraus. Zwei weitere Einzeltexte gilt es zunächst noch detailliert zu analysieren, ehe das Bild der beiden postulierten Saulkreise, des inneren Saul-Gottesmann-Ammoniterkreises ebenso wie des äußeren Samuel-Lade-Saul-Philisterkreises Kontur gewinnen kann: die Geschichte von Sauls Ammoniterfeldzug in I Sam 11 und die Kapitel, die von seinen ersten Auseinandersetzungen mit den Philistern berichten, I Sam 13–14.

(Levin, Cohesion, 152 f.) und postulieren statt dessen eine „pre-Deuteronomistic collection of stories that also [neben I Sam 1, H. B.] included the narrative about Saul’s anointment in 1 Sam 9–10*, as well as the cycles about Samson in Judg 13–16* and about Micah and the Danite sanctuary in Judg 17–18* (Müller, 1 Samuel 1, 219; vgl. in ähnlichem Sinne schon Frolovs „sequence of six ‚biographies‘ covering Judg 13:2–1 Sam 12:25“ [Frolov, Turn, 205]). Dieser Einwand Levins wie Müllers verdiente es, umfangreicher, zumindest in einem Exkurs, diskutiert zu werden. In aller Kürze sei aber vorläufig angemerkt: M. E. treffen beider Argumente nicht. Selbstverständlich sind alle vier Erzählanfänge miteinander verbunden und aufeinander bezogen. Daraus jedoch ihre gleichzeitige Datierung abzuleiten, ist alles andere als zwingend. Die oben angestellte Analyse etwa kommt zu dem Schluß, daß I Sam 9* und I Sam 1* nicht gleichursprünglich sind. Folgt man dem, ist die angenommene „collection“ bereits hinfällig. Was für I Sam 1 und I Sam 9 gilt, ist ferner auch für die beiden anderen Stellen möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich: Sie stehen literarisch nicht auf der gleichen Ebene, sondern beziehen sich auf die bereits vorliegenden Samuelkapitel (vgl. u. a. Gross, Richter, 649 für Jdc 13,2; U. Becker, Richterzeit, 230 f. 296 für Jdc 17,1). Müllers weiteres Argument, in I Sam 1–12 ließen sich keine deuteronomistischen Stücke finden, die nicht bereits eine Verbindung mit dem Richterbuch voraussetzten (vgl. Müller, 1 Samuel 1, 218 f.), verdient ebenfalls, überprüft zu werden. Die oben in I Sam 9,15–17; 10,1 erkannte deuteronomistische Hand jedenfalls braucht weder Richterzeit noch Richterbuch, genauso wenig wie der Vorverweis von 10,8 auf 13,8–15a. Überdies läßt sich fragen, ob Müllers Beobachtung tatsächlich dazu taugt, seine These zu stützen – und der Umstand, daß in den ersten Kapiteln von I Sam offensichtlich jüngere deuteronomistische Hände darum bemüht sind, eine Verbindung zu Richterzeit und ‑buch zu etablieren, nicht viel eher dafür spricht, daß eine solche eben noch nicht bestand, sondern allererst hergestellt werden mußte. Eine ausführliche Diskussion verdiente auch die These Knaufs, nach welcher I Sam 1(–3) in persischer Zeit als Verbindungsstück mit dem Richterbuch konzipiert worden sei (vgl. Knauf, Samuel Among the Prophets, 154–159). Sie muß und wird an anderer Stelle erfolgen.

6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung 6.1 Esel – Ammoniter – Königtum: Die ältere Saulüberlieferung Die Grundschicht der Geschichte, durch welche die Gestalt des Benjaminiten Saul ben Kisch eingeführt wird, endet, mit einem „Cliffhanger“: Saul ist in Gibea angekommen, versehen mit der vagen Andeutung des Gottesmannes, er sei bei sich bietender Gelegenheit zu einer Großtat berufen. Diese Gelegenheit ergibt sich, so 10,27b, vielleicht „ungefähr einen Monat später“1 – und Saul ergreift sie. Er „hat von jener Unterredung her den Stachel im Herzen und eingedenk der Mahnung des Sehers tut er, was seine Hand findet“,2 und zwar in I Sam 11. 1 So die Lesart von LXX (ὡς μετὰ μῆνα), der womöglich die Lesart ‫מחֹדֶ ׁש‬ ֵ ְ‫ ּכ‬für das schwierige masoretische ‫ּכְ ַמחֲִריׁש‬, „als ob er stumm wäre“, zugrunde liegt. Es ist offensichtlich: MT bezieht den Halbvers auf das Vorangegangene, LXX auf das Folgende. Weniger offensichtlich ist indes, welches die ältere Variante ist. Für Interpretationen des MT vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 474 f.; ein Beispiel bieten Klein/ Klein, ‫ויהי כמחריׁש‬, die sich dafür aussprechen, hier nach ‫​חרש‬1 zu lesen und Sauls heimliche Rachepläne angedeutet sehen (vgl. a. a. O., 191 f.). LXX folgen u. a. Wellhausen, Text, 76; Kratz, Komposition, 176, n. 80; R. Müller, Königtum, 160 f., n. 61. MT ist freilich die lectio difficilior (vgl. Barthélemy, Critique Textuelle 1, 171 f.; Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 214; Dietrich, 1Sam 1–12, 474). Der Anschluß an 10,10aα ist jedenfalls mit der MT-Lesart von 11,1 ebensogut möglich wie mit der LXX-Fassung von 10,27b. 4Q51 hat an dieser Stelle bekanntlich ein umfangreicheres Plus, welches nicht anders denn midraschartig bezeichnet werden kann (vgl. Rofé, Acts of Nahash, 131; ders., 4QMidrash Samuel, 66; R. Müller, Königtum, 161, n. 61; detailliert, auch Josephus mit einbeziehend: Kratz, Das Alte Testament und die Texte vom Toten Meer, 201–203; ders., Nahash; Müller/ Pakkala / ter Haar Romeny, Evidence, 79–99; den Terminus „Midrasch“ ablehnend, aber gleichermaßen von einer „amplification of a motif“ sprechend: Kallai, Samuel in Qumran, 590). McCarter hat diesen Zusatz, Cross folgend, in den auszulegenden Text übernommen, auf der Grundlage des Arguments, „[that i]t cannot be regarded as secondary, for it introduces completely new material with no epexegetical or apologetical motive“ (McCarter, I Samuel, 199; vgl. Cross, Ammonite Oppression, 156; Tov, Textual Criticism3, 311–313). Das nötige exegetische Motiv, das McCarter vermißt, stellt Kratz nun heraus: „The city of Jabesh-Gilead, which was devoid of inhabitants according to Judg 21, needed to be filled with people again in order to be attacked by Nahash. At the same time, the city had to be explicitly and irrefutably populated by Israelites (Gadites and Reubenites) in order to justify the intervention of Saul and the people of Israel ‚as one man‘“ (Kratz, Nahash; vgl. ders., Das Alte Testament und die Texte von Qumran, 202 f.). 2 Wellhausen, Composition, 242.

196 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung

6.1.1 I Sam 11 als direkte Fortsetzung von I Sam 9,1–10,16* Im ersten Samuelbuch in seinen jetzigen Gestalten folgt freilich die militärische Großtat Sauls im Kampf gegen die Ammoniter nicht mehr unmittelbar auf seine Ankunft in Gibea – zumindest nicht auf diejenige, die in 10,10aα seine Eselinnensuche abgeschlossen hat. Der Feldzug steht nun zwischen zwei Erhebungen zum König, derjenigen in Mizpa (10,24 f.) und der zweiten, „erneuernden“, in Gilgal (11,14 f.). Das bringt es mit sich, daß Saul zum Zweck der ersten Designation erst einmal wieder von dem Ort weggeführt wird, an dem ihn in 11,4 die Boten der bedrängten Stadt Jabesch erreichen werden. Dadurch wiederum wird es erforderlich, daß er nach der Episode in Mizpa auch wieder nach Gibea zurückgebracht wird. Diese Aufgabe erfüllt 10,26, der die vorangegangene Exkursion abschließt und auf diese Weise zugleich – neben zahlreichen anderen und guten Gründen3 – den Abschnitt 10,17–27 als Einschub erweist. Der Abschluß der Geschichte in Kapitel 11 dagegen führt ihren Helden nach Gilgal – dorthin also, wohin er nach Samuels Geheiß von 10,8 beordert worden war, und wo in Kapitel 13–14 ein Teil der insgesamt in ihren einzelnen Operationen nicht leicht zu überblickenden militärischen Auseinandersetzung mit den Philistern stattfinden wird. Auf diese Weise ergibt sich auf der Endtextebene die etwas merkwürdige Situation, daß Saul nach 10,8 einerseits in Gilgal auf Samuel warten soll, dieser andererseits aber bereits nach 11,14 f. mit ihm eben dort ist,4 dann jedoch wieder, ohne daß man von seiner Abreise etwas erfahren hätte, in 13,7 f. verschwunden zu sein scheint, um in 13,10 pünktlich erneut aufzutauchen, um den König zu verwerfen. Die einfachste Erklärung hierfür ist, daß Saul zunächst in 11,15 vom Volk (‫ )כל־העם‬und ohne das Beisein Samuels zum König gemacht wird. Hieran knüpft 13,7bα an, der davon weiß, daß Saul „noch“ in Gilgal weilt (‫)ושאול עודנו בגלגל‬. Der Aufenthalt dort wird durch 10,8; 13,8–15 zu einer Geduldsprüfung gemacht, 3 Das Stück 10,17–27 ist als bereits in seiner Grundschicht deuteronomistisch erkannt und weitgehend anerkannt. Diese wird bestimmt etwa „in 10,17.18aα1.19b–21–26“ (Kaiser, König Saul I, 538; vgl. ähnlich Veijola, Königtum, 48–51; Kratz, Komposition, 178); bei Müller ein wenig kürzer: 10,17.20.21bα.23b.24 f. mit Fortsetzung in 11,14.15b (vgl. R. Müller, Königtum, 163–168. 261 f.), was bei seinem Vorschlag die Schwierigkeit mit sich bringt, daß Saul auf dieser Ebene gerade nicht in Gibea ist, als der Ammoniterkrieg ausbricht. Anders als die Genannten beurteilt freilich Dietrich die literarischen Verhältnisse. Er findet zwei unabhängige alte und nur mehr fragmentarisch erhaltene Traditionen, deren eine von einer Loswahl Sauls, die andere von einer Orakelanfrage gewußt habe und die vom Samuel-Saul-Erzähler miteinander verbunden worden seien. Deuteronomistisch (DtrN) ist für ihn nur V. 18*.19a (vgl. Dietrich, 1Sam 1–12, 457 f.). 4 Dieser Umstand ist im MT nicht explizit, folgt aber aus dem Kohortativ von V. 14 (pace R. Müller, Königtum, 150). LXX verschärft dieses Problem noch, indem sie Samuel explizit als Salbenden, Opfernden und sich Freuenden einträgt, in dem Bestreben, die unterschiedlichen Akte der Königswerdung Sauls, speziell mit Blick auf 10,1, aneinander anzugleichen (vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 223; McCarter, I Samuel, 201).

6.1 Esel – Ammoniter – Königtum: Die ältere Saulüberlieferung

197

an welcher der frischgebackene König scheitert. 11,14 schließlich wird durch die (demnach spätere)5 Einfügung von 10,17–27* erforderlich und bringt damit zwangsläufig Samuel, der bei der Loswahl die Hauptrolle spielt, vorzeitig nach Gilgal. Die nun zwischen den Krönungsfeierlichkeiten der Kapitel 10 und 11 stehende Geschichte ist denkbar einfach aufgebaut und geradeheraus erzählt. Eine scheinbar ausweglose Notlage, die darin besteht, daß die Ammoniter die Stadt Jabesch belagern (V. 1–4), wird durch den vom Geist JHWHs dazu befähigten Helden gelöst (V. 5–11). V. 12 f. und V. 14 f. bieten anschließend zwei unterschiedliche Nachspiele,6 durch welche die Erzählung in ihren Kontext eingepaßt wird:7 V. 12 f. verbindet Kapitel 11 mit 10,27, V. 14 f. (erneut) mit Kapitel 13 f. Akteure dieser Geschichte, die „legendäre mit pseudohistorischen Gesichtspunkten“8 verbindet, sind eigentlich nur der Held und sein Gegenspieler, der Schurke Nahasch, der ebenso böse wie dumm ist. Ersteres illustriert sein zynisches Friedensangebot an die Belagerten von 11,2, letzteres der Umstand, daß er offenbar sehenden Auges und seelenruhig Kundschafter aus der belagerten Stadt „im ganzen Gebiet Israels“ (‫ )בכל גבול ישראל‬umherziehen läßt. Diese Entscheidung, mit der er letztlich seinen eigenen Untergang heraufbeschwört, kann nicht anders erklärt werden als durch das typische – märchenhafte – Erzählmotiv der törichten Hybris des Bösen9 – „Ob es reiner Sadismus ist, der diesen Mann treibt, oder Größenwahn […] bleibe dahingestellt.“10 Die Einwohner von Jabesch spielen dagegen nur eine Nebenrolle; die Israeliten und mehr noch die Ammoniter sind letztlich schlicht Komparsen. Aber selbst Nahasch erfüllt bei näherem Hinsehen nur eine dienende Funktion. Ab V. 3 ist er aus der Geschichte bereits verschwunden. Es kommt zu keinem „Showdown“ zwischen ihm und  5 Vgl.

in diesem Sinne Kratz, Komposition, 178. synchronen Auslegungen Bar-Efrats und Fokkelmans sehen denn auch, in gewisser Weise durchaus schlüssig, das Ende der Erzählung in V. 13 (vgl. Fokkelman, Vow and Desire, 454; Bar-Efrat, Das Erste Buch Samuel, 173).  7 Dietrich gliedert dagegen in 1–3 (Ammonitischer Angriff) | 4–9a („Eingreifen Sauls“) | 9b–14 („Sieg Israels bei Jabesch, Diskussion um Sauls Königswürde“) | 15 (Krönung) (Dietrich, 1Sam 1–12, 483). Diese Einteilung orientiert sich in erster Linie an den Schauplätzen der Handlung: Jabesch – Gibea – Jabesch – Gilgal und weniger an der Handlung selbst: In V. 4 etwa hat Saul die Bühne noch gar nicht betreten (außer in der Bezeichnung des Ortsnamens).  8 Kaiser, König Saul I, 540.  9 Um nur einige bekannte und gattungsmäßig verwandte Beispiele zu nennen: Rumpelstilzchen kann seinen Mund nicht halten; der Zauberer kann der Versuchung nicht widerstehen, sich vor dem Gestiefelten Kater in eine Maus zu verwandeln; die Hexe setzt sich selbst auf den Ofenschieber, um Hänsel und Gretel zu zeigen, wie man sich am besten braten läßt … 10 Dietrich, 1Sam 1–12, 486, der indes als gar nicht märchenhafte „moderne Analogien […] Adolf Hitler und Saddam Hussein“ anführt (a. a. O., 487, n. 10). Diese „Nutzanwendung“ von I Sam 11 erscheint mir als in mehr als einer Hinsicht hermeneutisch problematisch, sowohl was die Nennung beider Diktatoren in einem Atemzug als auch was ihren direkten Vergleich („moderne Analogien“) mit einer legendarischen bis märchenhaften Gestalt aus der vorderorientalischen Literatur des ersten vorchristlichen Jahrtausends anbelangt.  6 Die

198 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung seinem Gegenspieler, welcher der einzige ist, um den es der Erzählung wirklich zu tun ist: Saul. Erkennt man nun die Verse 12–14 als die redaktionellen Verklammerungen mit dem Kontext, die sie sind, reduziert sich der Grundbestand der Ammoniterkriegserzählung tatsächlich zunächst auf die Zweiteilung von Problem und Lösung in V. 1–11.11 Auch innerhalb dieses Bereichs wird mit der Arbeit mehrerer Hände zu rechnen sein – bereits das deutlich nachklappende „und hinter Samuel“ (‫ )ואחרי שמואל‬von V. 7 weist darauf hin. Die Beurteilung ausschließlich dieser beiden Worte als sekundär stellt im Spektrum der insgesamt nicht weit auseinander liegenden Analysen von 11,1–11 die Minimalposition dar.12 Am entgegengesetzten Ende befindet sich die Einteilung Müllers, der, darin weitgehend Kratz folgend, V. 2b.6–8 ausgrenzt13 und auf verschiedene Schichten verteilt. V. 11,2b.6b.7 weist er (ohne die Samuel-Glosse) einer „‫כל ישראל‬-Bearbeitung der Ammoniterkriegserzählung“14 zu, und 11,6a.8 rechnet er gemeinsam mit 10,26b zu einer jüngeren „Gotteskriegsbearbeitung“.15 Damit hat Müller viel erkannt. In der Tat fällt es auf, daß nach V. 7 die Boten (‫ )המלאכים‬die Fleischstücke „im ganzen Gebiet Israels“ (‫ )בכל־גבול ישראל‬verteilen, aber in V. 9 noch (oder wieder?) anwesend sind – ganz abgesehen von der Frage, ob es auch mit einer so nachdrücklichen Handlungsempfehlung wie sie V. 7aα2β darstellt, möglich wäre, innerhalb der durch V. 3 gesetzten engen Frist ein derartiges Heer auf die Beine und an den Einsatzort zu bringen. Als Argument für den Charakter von V. 7 als einer „späten“ Ergänzung läßt sich ergänzend zu Müller noch beibringen, daß die Formulierung vom „Schrecken JHWHs“ (‫ )פחד־יהוה‬zwar recht archaisch klingt, ihre weiteren Belege aber ausschließlich in der Chronik und in Bereichen von Jes 2 hat, die vom eschatischen

11 Edelman vermutet entsprechend die alte, ihrer Meinung nach nicht mehr rekonstruierbare Quelle in „information in VV. 1–2a or b, 4a, 8a, and 9–11“ (Edelman, Saul’s Rescue, 206). Diese Eingrenzung, speziell der Anschluß von V. 8a an 4a, funktioniert freilich nicht literarisch, sondern nur unter ihrer überlieferungsgeschichtlichen Prämisse. 12 Vgl. D. Wagner, Geist und Tora, 102. Er betrachtet den Zusammenhang von 10,26–11,13 ansonsten als literarisch einheitlich (vgl. ebd.). 13 Vgl. Kratz, Komposition, 176, n. 80, der aufgrund des Plurals ‫ ויאמרו‬im MT auch erwägt, V. 5 als Zusatz einzustufen: „Der Plural in V. 9 schließt an V. 4 an“ (ebd.). Danach würde Saul erst in V. 11 die Bühne betreten, und die Kommunikation mit den Boten Jabeschs wäre durch das Kollektiv der Einwohner Gibeas erfolgt. Für die LXX-Lesart (καὶ εἶπεν) sieht er den Anschluß in V. 5 (vgl. ebd.), der indes auch mit dem MT möglich ist (vgl. ders., Nahash). „It is difficult to say which reading is the original“ (a. a. O.). M. E. ist in der Tat bei der Lesart der Verbalform LXX vorzuziehen. Der masoretische Plural ist sekundär und bezieht sich nicht auf die Einwohner von Gibea nach V. 4, sondern auf die 330 000 Soldaten von V. 8. (Anders Müller, der meint, „der Plural des MT am Anfang von V. 9 dürfte durch die Glosse ‫ ואחרי שמואל‬in V. 7 veranlaßt sein“ [R. Müller, Königtum, 162, n. 18]). 14 R. Müller, Königtum, 261; vgl. a. a. O., 151 f. 15 A. a. O., 261; vgl. a. a. O., 151 f.

6.1 Esel – Ammoniter – Königtum: Die ältere Saulüberlieferung

199

Tag JHWHs handeln.16 Dieser Eintrag (I Sam 11,7) mag nun in der Tat mit V. 2b zusammengehören – warum aber der Halbsatz, der davon berichtet, daß Saul vom Zorn gepackt wurde, ebenfalls dieser Bearbeitungsschicht angehören sollte, leuchtet mir nicht ein. Der sekundäre Charakter von V. 8 liegt ebenfalls auf der Hand. Der Vers vertritt mit der Nennung von Israel und Juda in der Tat eine Perspektive, die ein „ganz Israel“ vor Augen hat17 – anders als dies in V. 3 der Fall ist: Die dort genannte Bezeichnung des „ganzen Gebiets Israels“ (‫)כל גבול ישראל‬, auf die V. 7 sekundär rekurriert, kann und wird wohl zunächst nur das sogenannte „Nordreich“ im Blick haben.18 Mit Blick auf V.  6 indes stellt sich mir die Lage anders dar als Kratz und Müller. Ich halte es nicht für angebracht, ihn qua Terminologie als sekundäres Element zu betrachten, durch welches eine Verbindung zum Richterbuch etabliert werde.19 Die Gründe hierfür wurden oben bei der Diskussion von 10,6 im Verhältnis zu 10,10 ausgeführt.20 Der Geist JHWHs,21 der Saul in 11,6 durchdringt, ist kein anderer als derjenige, der ihm in 10,6 verheißen wird – „[i]m Unterschied zu den Richtergeschichten gehört die Erwählung der rûaḥ älohîm hier zur ursprünglichen Erzählungsschicht“.22 Somit ergibt sich ein direkter Anschluß von 11,923 an 11,6: Saul hört von der Not der Belagerten, und ganz wie es ihm der Gottesmann angekündigt 16 Vgl. Jes 2,10.19.21; II Chr 14,13; 17,10; 19,7. Dietrich verweist (ohne die Belege von Jes 2 zu nennen) daneben auch auf Ex 15,16; Dtn 2,25; Jes 24,17; Jer 48,43; 49,5; II Chr 20,29 (wo sich indes jeweils nur die Wurzel ‫ פחד‬findet) und „in anderer Begrifflichkeit“, auf Gen 35,5; Jdc 5,20; I Sam 14,15, sowie „assyrische Königsinschriften“ (Dietrich, 1Sam 1–12, 509). Hier ist m. E. doch zwischen der allgemeinen Vorstellung eines „Gottesschreckens“ und der speziellen Terminologie zu differenzieren. 17 Vgl. R. Müller, Königtum, 151; Kaiser, König Saul I, 539. Kaiser grenzt (neben der Erwähnung Samuels in V. 7) ausschließlich V. 8 als sekundär aus. Dem kommt die Analyse Lehnarts nahe, der in „1 Sam 11,1–6.7*.8a.9–11 […] eine ehemals selbständige Einzelerzählung“ findet (Lehnart, Prophet und König, 64); vgl., auch Dietrich, 1Sam 1–12, 492–496, der darüber hinaus noch V. 15 zur Grundschicht dazurechnet. 18 V. 8 fügte sich demnach gut einer Schicht ein, die „‫ “כל ישראל‬im Blick hat. Es ist daher fraglich (und die Gründe dafür werden bei Müller nicht recht transparent), ob es sinnvoll ist, hier eine „Gotteskriegsbearbeitung“ von einer „‫כל ישראל‬-Bearbeitung“ abzuheben, wie es Müller unternimmt (vgl. R. Müller, Königtum, 151 f. 261). 19 Pace Kratz, Nahash. Auch Pfeiffer scheidet V. 2b.6a.7b.8 (und Samuel in 7a) aus (vgl. Pfeiffer, Sodomie, 283) – das heißt, sein Saul wird in der Grundschicht ohne Geist JHWHs so in Zorn versetzt, daß er Rinder zerstückt und den Israeliten droht – von deren Antwort in Wort oder Tat auf die fleischernen Sendschreiben soll man aber nichts erfahren. Das ist erzählerisch nicht besonders schön. V. 8 hängt an V. 7a und umgekehrt. 20 Vgl. oben S. 165–167. 21 11,6 gelesen mit LXX (πνεῦμα κυρίου); zu dieser Entscheidung vgl. oben S. 166, n. 78. 22 Stolz, Kriege, 130, zu I Sam 11,6, der hier freilich dezidiert MT liest und die Bezeichnung ‫ רוח אלהים‬generell für älter hält als ‫( רוח יהוה‬vgl. ebd.). Dagegen spricht der Befund der weiteren Verwendung in I Sam. 23 Die einführende Redeeinleitung ist mit LXX im Singular zu lesen, vgl. oben S. 198, n. 13.

200 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung hat, kommt der Geist JHWHs über ihn und läßt ihn die Initiative ergreifen. Er kündigt den jabeschitischen Boten die Rettung an und zieht mit dem bereits in Gibea befindlichen lokalen Heerhaufen24 zum erfolgreichen Entsatz der Stadt. Als Ergänzungen innerhalb von I Sam 11,1–11 sind daher V. 2b.7 f. anzusprechen. Das literarische Verhältnis dieser Verse zueinander kann, muß aber nicht zwingend weiter literarkritisch differenziert werden. Eine Ausnahme stellt freilich die tertiäre Samuelglosse in V. 7 dar. Eine andere Frage ist schließlich die nach Ende und Ziel der Ammoniterkriegserzählung. Liegt es lediglich in der Vernichtung des Gegners, von der V. 11 spricht oder erst in der sich als Konsequenz daran anschließenden Erhebung Sauls zum König? Im Fortgang der bisher herausgearbeiteten älteren Saulüberlieferung deutet in der Tat bis zu diesem Punkt, I Sam 11,11, noch wenig auf ein Königtum Sauls als Ziel wenn nicht der, so doch dieser Geschichte hin. Als für sich abgeschlossene narrative Einheit betrachtet, ist das Kapitel zudem auch ohne Inthronisation in sich rund und stimmig: Ein Problem entsteht und wird durch den Helden gelöst. Zwar stellt die Krönung Sauls in Gilgal nach V. 15 als durchaus nachvollziehbare Konsequenz des Geschehens ihrerseits ebenfalls einen guten Abschluß der Erzählung dar25 – nötig ist ein solcher freilich nicht.26 Dieser Umstand allein begründet freilich noch nicht die Beurteilung des Verses als literarisch sekundär gegenüber V. 1–11*. Der Charakter der Krönungsnotiz – etwa in einer der von Müller herausgearbeiteten vergleichbaren Grundfassung27 – wird jedoch dann deutlich, wenn man ihre Funktion für die 24 Das folgt aus dem sekundären Charakter von V. 7 f. (vgl. R. Müller, Königtum, 152). Auch der jüngeren Anbindung von Kapitel 11 an den vorangehenden Abschnitt ist noch daran gelegen, dafür zu sorgen, daß Saul bereits Truppen zur Verfügung hat, ohne sie erst ausheben zu müssen: 10,26 läßt darum „die Streitmacht“ (‫החיל‬, so MT) bzw. „Leute von der Streitmacht“ (υἱοὶ δυνάμεων, so LXX, ‫ בני החיל‬nach 4Q51), deren Herz von Gott angerührt wurde, mit ihm ziehen. 25 Der Vers wird daher meist zur Grundschicht gerechnet, vgl. u. a. Veijola, Königtum, 51; Mettinger, King and Messiah, 84 f.; Dietrich, 1Sam 1–12, 495. 26 Müller plädiert – m. E. völlig zurecht – für den sekundären Charakter von V. 15* gegenüber der Grundschicht von I Sam 11. Seine literarkritischen Argumente hierfür sind indes nicht unangreifbar. So meint er, daß der Begriff „das ganze Volk“ (‫)כל־העם‬, der in V. 4 die Einwohner von Gibea bezeichnet, in V. 15 „die Israeliten meinen muß“ (R. Müller, Königtum, 151). Das aber ist nicht zwangsläufig der Fall. Saul kann auch – ähnlich den römischen Soldatenkaisern – zunächst von seinen Prätorianern auf den Schild gehoben werden. Ein demokratisches Mandat ganz Israels benötigt er eher nicht. Auch der Vergleich mit Ex 14,28; Jdc 4,16 (vgl. a. a. O., 152, n. 20) ist zwar in der Tat instruktiv, aber eine eher schwache Stütze für die These vom Ende in I Sam 11,11: In beiden Fällen endet mit der vergleichbaren Formulierung zwar der Kampf (wie in I Sam 11,11), aber eben noch nicht die erzählte Geschichte. Ausschlaggebend ist dagegen das von Müller ebenfalls beobachtete kompositionskritische Argument mit Blick auf Kapitel 13–14 (vgl. a. a. O., 155). 27 Müller reduziert den Grundbestand von V. 15 auf „Und das ganze Volk ging nach Gilgal, und sie machten dort Saul zum König“ (a. a. O., 151). Seine Argumente dafür, „vor JHWH in Gilgal“ auszuscheiden (sekundäre Angleichung an 10,19.25 und II Sam 5,3, vgl. a. a. O., 150) ebenso wie die Heilsopfer als Ergänzung zu betrachten (Konkordanzbefund zu den ‫זבחים‬

6.1 Esel – Ammoniter – Königtum: Die ältere Saulüberlieferung

201

Komposition der umliegenden Kapitel betrachtet. Zwei Beobachtungen sind in diesem Zusammenhang relevant: 1. 11,15 übernimmt im Erzählzusammenhang nicht zuletzt die Aufgabe, Saul nach Gilgal zu bringen: „Daß die Königserhebung Sauls in Gilgal stattfindet, dient so der geographischen Verbindung von Ammoniterkriegserzählung und Philisterkriegserzählung“.28 Die Letztgenannte folgt dann in den Kapiteln 13–14. 2. Genau genommen ist 11,15 nicht die zweite von zwei Notizen über den Aufstieg Sauls zum König, sondern die zweite von dreien, wenn nicht von vieren: Auch der oben bereits behandelte „Nachruf“ von I Sam 14,47–51 beginnt mit der Bemerkung, daß Saul das Königtum über Israel erlangt habe,29 und auch die annalistische Notiz von 13,1 setzt an diesem Punkt ein. Berücksichtigt man diese dritte und vierte Krönungsnotiz, so ergibt sich zwischen 10,17 und 14,51 eine erkennbare Struktur der Saulüberlieferung: Auf die Einführung des Helden in die Geschichte und seine vorbereitende Begegnung mit dem Gottesmann / Samuel in 9,1–10,16 folgen vier narrative Blöcke, die jeweils von einer Inthronisation Sauls abgeschlossen werden. Die Loswahl von Mizpa zielt auf die Akklamation von 10,24, der Feldzug nach Jabesch auf die Krönung in Gilgal von 11,15, die mahnende Rede Samuels von Kapitel 12 in gewisser Weise auf die pseudoannalistische Notiz in 13,1, und die Auseinandersetzung mit den Philistern schließlich auf Sauls Ergreifen der Königswürde von 14,47. Das Bild, das sich auf diese Weise ergibt, ähnelt der Struktur, die bekanntermaßen die sogenannte Jugendgeschichte Samuels in I Sam 1–3 prägt.30 Werden dort die einzelnen Erzählabschnitte durch die eingefügten Notizen über das Aufwachsen und den Dienst Samuels voneinander abgegrenzt, so geschieht das gleiche hier, zwischen 10,17 und 14,47, durch die Bemerkungen über Sauls Königtum – auch wenn die jeweiligen Verse 10,24; 11,15; 13,1; 14,47 bei weitem nicht den gleichen Grad an wörtlicher Übereinstimmung aufweisen wie dies bei den Vergleichsstücken in 2,11b.18.21b.26; 3,1a.19abα der Fall ist. Dort, im Rahmen von I Sam 1–3, ließen sich die entsprechenden Verse als Marker auswerten, mit deren Hilfe die sukzessive Entstehung des gesamten Abschnitts rekonstruiert werden kann. Mutatis mutandis dürfte dies auch für Kapitel 10–14 gelten. Die diachrone Reihenfolge der Einzelblöcke ist dabei auf der Grundlage der bisherigen Untersuchung vergleichsweise eindeutig: I Sam 11* wurde als ursprüngliche Fortsetzung von 9,1–10,16* erkannt. Die Analyse dieses Zusammenhangs ergab ferner, daß im Rahmen der Kapitel 9 und 10 die Philisterthematik sekundär ist. Damit ist nicht nur ausgeschlossen, daß 10,24 die ‫שלמים‬, vgl. ebd.) sind überzeugend – im Fall der Königsfreude Sauls und „aller Männer Israels“ (V. 15b) nicht im gleichen Maße. Eine Angleichung an 10,24 (vgl. a. a. O., 151) ist hier nicht ohne weiteres zu erkennen. 28 R. Müller, Königtum, 153. 29 Vgl. a. a. O., 155 f. 30 Vgl. oben S. 186 f.

202 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung älteste Krönungsnotiz über Saul darstellt,31 sondern ebenfalls unwahrscheinlich geworden, sie in 11,15 zu finden – erklärt sich doch der Ort Gilgal in diesem Vers in erster Linie durch seine Verbindung zu Kapitel 13–14. Somit erweist sich 14,47 als der älteste Vers, der Saul in Verbindung mit der Königsherrschaft über Israel bringt – ein Stück mithin, das oben zum Kern des Textes gezählt wurde, welcher als das älteste erhaltene Ende einer Saulüberlieferung angesprochen werden kann.32 Die Folgerung liegt nun nahe, in diesem Stück auch den ursprünglichen Anschluß an 11,1–11* zu sehen. Der ältere Abschluß von 14,47–51* korrespondiert so dem älteren Anfang von 9,1–10,16*, und beide umschließen das Kapitel, auf welches die Eselinnenerzählung ursprünglich zielte: 11,1–11*. Damit ist die ältere Saulüberlieferung in ihrem Umfang vollständig erfaßt. Diesem Zusammenhang gegenüber sekundär ist nun Sauls Inthronisation in Gilgal. Sie wird, nach Art einer Wiederaufnahme, durch die Einfügung des Philisterthemas mit dem Grundbestand der Kapitel 13–14 erforderlich.33 Der Ammoniterkrieg hatte bereits damit geendet, daß Saul König wurde – daran wird nicht gerüttelt, auch wenn weitere Kriegsgeschichten eingetragen werden. Damit ist bereits eine Art Muster geschaffen, das von den Schreibern aufgegriffen werden kann, welche die Episode von der Loswahl zu Mizpa einfügen: Der zukünftige König erweist sich und wird designiert. Einen besonderen Fall stellt nun freilich noch 13,1 dar. Der Vers schließt in vergleichbarer Weise die dem Zusammenhang als letztes zugewachsene Rede Samuels von I Sam 12*34 ab, indem er den Stil der Annalennotizen der Köni-

31 Vgl.

für die Priorität von 11,15 vor 10,24 u. a. Kratz, Komposition, 176. oben S. 142–147. 33 Müller erwägt gleichermaßen, „daß 11,15* die Spur einer älteren redaktionellen Arbeit darstellt, die die beiden Kriegserzählungen Kap. 11* und Kap. 13f* miteinander verknüpft hat“ (R. Müller, Königtum, 157). Abgesehen davon sieht er „einige Indizien dafür […], daß 11,15* mit 13,1 zusammengehört“ (ebd.). Diese Vermutung stützt sich letztendlich auf Beobachtungen zur Verwendung der Wurzel ‫ מלך‬Hifil, die „keine eindeutigen Schlußfolgerungen“ erlauben (a. a. O., 155). M. E. gehört der Vers 13,1, der ohne Zweifel die annalistischen Notizen der Königebücher imitiert und von Noth zu dem wenigen gerechnet wurde, was er in I Sam 1–14 deuteronomistisch zu nennen bereit war (vgl. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 63), in eine andere Schublade. Anders gesagt: 11,15* ist nicht deuteronomistisch. 34 Die Rede, für Noth ein wichtiger Pfeiler in der redaktionellen Struktur, nach welcher der Deuteronomist seine Geschichte Israels ausgerichtet habe (vgl. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 5), wird seit Veijolas Analyse als „Schöpfung des DtrN“ (Veijola, Königtum, 91) eingeordnet. Daß dieses Sigel bei Veijola nicht zu starr im Sinne eines einzigen Schreibers verstanden werden darf, sondern eher einen Sammelbegriff darstellt, erhellt aus seiner Beobachtung, daß dem Verfasser der Rede „auch die jüngste Rezension, die wir dem DtrN zugewiesen haben“ bereits bekannt ist (a. a. O., 83). Becker konstatiert für das Kapitel jüngst „eine geradezu gefährliche Nähe zur chronistischen Geschichtsschreibung und Theologie“ (U. Becker, Samuel-Rede, 132). 32 Vgl.

6.1 Esel – Ammoniter – Königtum: Die ältere Saulüberlieferung

203

gebücher nachahmt.35 Abgesehen von der fehlenden Altersangabe für Saul,36 welche die kuriose Folge zeitigt, daß er nach MT (und Vg.) im Alter von einem Jahr den Thron bestiegen und dann nicht mehr als zwei Jahre regiert haben soll,37 besteht das textkritische Problem, daß der ganze Vers in LXX fehlt. Eine technische Erklärung, wonach 13,1 durch das Versehen eines Schreibers ausgelassen worden sei, läßt sich beim besten Willen nicht anführen, und so wäre eigentlich die nächstliegende Erklärung des Befundes diejenige Wellhausens, wonach „LXX [diese Notiz] noch nicht las“.38 Die Alternative bestünde in der Tat darin, „daß G diesen Text als unsinnig fortgelassen hat“.39 Das ist möglich. In der Regel wird aber zugunsten der Priorität des MT nicht damit, sondern mit dem chronologischen System von Noths Deuteronomisten argumentiert, das auf die 480 Jahre von I Reg 6,1 ziele40 und in dessen Kontext die zweijährige Regierungszeit Sauls von I Sam 13,1 einen integralen Bestandteil darstelle.41 Nun geht indes die Rechnung schon bei Noth nicht auf – er kommt auf 481.42 „Wie sich Dtr mit der Differenz von einem Jahre abgefunden hat, ist nicht sicher zu sagen.“43 Dies gilt freilich in gleichem Maße auch für die 479 Jahre, auf die man ohne die Regierungszeit Sauls von I Sam 13,1 MT kommt.44 I Sam 13,1 ist daher eher als Teil der Mikrostruktur der Kapitel I Sam 10–14 denn als Pfeiler der Makrostruktur eines deuteronomistischen Geschichtswerks von Dtn–II  Reg anzusehen. In diesem kleineren Kontext hängt der Vers nun aber nicht an 11,15,45 sondern steht „an sachgemäßer Stelle hinter I. Sam 12“.46 Damit entspricht er in seiner Funktion den anderen drei Krönungsnotizen – ob 35 Aus diesem Grund wird der Vers in der Regel „demjenigen Redaktor“ zugeschrieben, „der den Rahmen der Königsbücher geschaffen hat“ (Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 6, für die communis opinio). 36 Vgl. Wellhausen, Text, 79. 37 Vgl. hebräisch ‫ בן־שנה […] ושתי שנים מלך‬mit filius unius anni […] duobus annis autem regnavit in Vg.; zu unterschiedlichen Versuchen seit der Antike, diese Angabe mit Sinn zu füllen, vgl. Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 37–39. 38 Wellhausen, Text, 80; vgl. Budde, Bücher Samuel, 82 f. Kreuzer referiert dagegen detailliert den textkritischen Befund, um dann ohne Begründung den MT als „die älteste erreichbare Textgestalt“ anzunehmen (Kreuzer, Saul war noch zwei Jahre König, 266). Sie dient ihm als Basis für die historische Rekonstruktion der Folgegeschichte: Unmittelbar nach Sauls und Jonatans Erfolg hätten die Philister zum Gegenschlag ausgeholt (vgl. a. a. O., 269 f.). 39 Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 243. 40 Vgl. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 24–27. 41 Vgl. Barthélemy, Critique Textuelle 1, 176; R. Müller, Königtum, 153 f. 42 Vgl. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 25. 43 Ebd. 44 Darüber hinaus gilt ein Konsequenzargument: Wer die großen Reden und Reflexionstexte zwischen Jos und II Reg nicht mehr, wie Noth, dem einen Deuteronomisten zuschreibt, sondern redaktionskritisch differenziert und etwa für I Sam 12 einen DtrN veranschlagt, kann sich zugleich schwerlich argumentativ auf das von diesem einen Deuteronomisten Noths etablierte chronologische System stützen. 45 Pace R. Müller, Königtum, 154 f. 46 Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 24.

204 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung bereits vor der Trennung der protoseptuagintarischen und protomasoretischen Samuelüberlieferung oder erst als noch jüngerer Nachtrag, ist letztlich schwer zu entscheiden. Graphisch läßt sich schließlich diese Entwicklung des Zusammenhangs von I Sam 9–14 in etwa wie in Abbildung 2 darstellen.

I Sam 9,1–10,16* Befähigung

I Sam 11,1–11* Ammoniter

I Sam 14,47–51* Königtum König: 14,47

König: 11,15 I Sam 10,17–27* Loswahl

I Sam 13–14* Philister

König: 10,24 I Sam 12* Rede Samuels

König: 13,1

Abbildung 2: Diachrone Auswertung der Krönungsnotizen Sauls in I Sam 11–14

6.1.2 Die ältere Saulüberlieferung – Zusammenfassung Als Grundschicht der Erzählung vom Sieg Sauls über die Ammoniter konnten I Sam 11,1.2a.3–6.9–11 bestimmt und als ursprüngliche Fortsetzung von I Sam 9,1–10,16* identifiziert werden. Innerhalb von Kapitel 11 stellen V. 2b.7 f. einen – ausweislich des Konkordanzbefundes zu V. 7 vergleichsweise jungen – Nachtrag dar, der das geschilderte Geschehen in einen panisraelitischen Kontext stellt. V.  15 verbindet die Episode sekundär mit den Philisterkapiteln 13–14, V. 12–14 dagegen mit der Königswahl in Mizpa von 10,17–27. Dabei setzt V. 14 auf jeden Fall einen Grundbestand des Abschnitts, V. 12–13 auch den (möglicherweise jüngeren)47 Vorbehalt der Ruchlosen von 10,27 voraus. Der Umstand, daß Saul dem Eintrag von V. 7 f. zufolge für seinen Feldzug erst noch ein Heer aufstellen muß, erweist dieses Stück nun nicht nur als sekundär 47 Vgl.

R. Müller, Königtum, 160 f.

6.1 Esel – Ammoniter – Königtum: Die ältere Saulüberlieferung

205

gegenüber dem Grundbestand von Kapitel 11, sondern auch als jünger denn die Verknüpfung mit 10,17–27: Nach 10,26 sind die erforderlichen Kämpfer bereits bei Saul. Der Kern der älteren Saulüberlieferung läßt sich schließlich wie folgt beschreiben: Nachdem die vom Gottesmann angekündigten Zeichen eingetroffen sind, beherzigt Saul in Gibea tatsächlich dessen Auftrag, indem er tut, was seine Hand findet. Entsprechend wird er vom Geist JHWHs durchdrungen und schlägt die ammonitischen Feinde vernichtend. Damit ist die Geschichte von der Bedrohung Jabeschs durch Nahasch, den Ammoniter, ebenso an ihr Ziel gekommen wie die vom Jüngling, der Eselinnen suchte, aber einen Gottesmann fand. Eine Erhebung des Helden zum König über Israel folgt aus beidem nicht zwingend. Gleichwohl wird davon berichtet, daß Sauls Laufbahn auch diesen Karriereschritt mit eingeschlossen habe. Der Umstand, daß davon nicht nur in 10,24 und 11,15, sondern auch in 13,1 und 14,47 die Rede ist, läßt in diesen Notizen ein diachron auswertbares Strukturmerkmal innerhalb von I Sam 10–14 erkennen, das in dieser Hinsicht denjenigen Versen vergleichbar ist, durch welche im Rahmen von I Sam 2–3 die Jugendgeschichte Samuels synchron wie diachron gegliedert wird. Anhand des Vergleichs dieser Bemerkungen erscheint 14,47–51* als der älteste direkte Anschluß an 11,1–11*. Direkt auf den Ammoniterkrieg folgt demnach bereits Sauls Nachruf, der sein Leben und Wirken summarisch bündelt und von seinem Königtum, seinem militärischen Erfolg und seiner Familie spricht. Jünger und mittels 11,15 erneut in den Rahmen einer Königserhebung gestellt erscheint demgegenüber das Doppelkapitel 13–14*, das sich mit den Philistern auseinandersetzt. Eine weitere diachrone Ebene wird ferner von 10,17–27* mit der Akklamation von 10,24 repräsentiert: Saul erlangt nicht nur die Herrschaft (14,47) und wird vom Volk oder Heer zum König gemacht (11,15), sondern von JHWH durch die Vermittlung Samuels dazu berufen. Jüngstes Glied in dieser Kette ist schließlich Kapitel 12* mit der den annalistischen Notizen der Königebücher nachgebildeten Notiz von 13,1MT. Hier geht es nun definitiv nicht mehr um Saul, sondern um die theologische Reflexion der Institution Monarchie als möglicher oder unmöglicher Regierungsform für Israel als Volk Gottes. Der Umstand, daß nach dieser Analyse der älteste Bestand der Saulüberlieferung im Bereich von I Sam 11–14 liegt, überrascht nicht – ihre Bestimmung en détail dagegen womöglich schon, sticht doch ins Auge, daß nach der vorliegenden Abgrenzung in diesem Kern von zwei Punkten nicht die Rede ist, die sonst häufig mit der Gestalt Sauls verbunden werden. So spricht der Text mit 14,47 zwar davon, daß Saul die Königsherrschaft (‫ )מלוכה‬über Israel erlangte – daß in seiner Person indes der Übergang von einer wie auch immer gearteten anderen Regierungsform zur Monarchie vollzogen worden sei, geht nicht daraus hervor, im Gegenteil: „Hier sieht es so aus, als

206 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung ob Saul ein schon bestehendes Königtum in Form einer territorialen Herrschaft eingenommen habe“.48 Dies ändert sich auch unter Einbeziehung des Bogens von 11,15 über Kapitel 13–14* nicht. Saul wird hier zum König gemacht (‫מלך‬ Hifil), wie zahlreiche nach ihm – und möglicherweise einige vor ihm. Erst 10,17–27* (mit Anschluß an Kapitel 8*) und damit eine deuteronomistische Hand sehen hierin einen grundlegenden Epochenwechsel. Diese „Einführung der Monarchie in Israel“ wird ferner als historischer Schritt oft mit der Philisternot begründet: „Der Hauptfeind, mit dem es Saul und auch noch David zu tun hatten, waren die Philister. Sie scheinen, wenn auch unfreiwillig, bei Sauls Aufstieg eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Ihre Überlegenheit in Palästina wurde derart drückend, daß in Israel die Bereitschaft zur Gegenwehr wuchs“,49 so Dietrich. „[M]ost scholars agree that the introduction of kingship in Israel came about quite reluctantly and late, and that the resistance against it was finally overcome because of the military threat posed by the Philistines,“50 so Kreuzer.51 Nach der vorliegenden Untersuchung aber begegnen in der Grundschicht der Saulüberlieferung als Feinde Sauls und Israels zwar die ostjordanischen Ammoniter, aber keine Philister.52 Das schließt natürlich nicht per se aus, daß in den innerhalb des Saul-Zyklus literarisch jünger erscheinenden Partien ältere Überlieferungen verarbeitet sein könnten, und dies muß natürlich ebensowenig heißen, daß der „historische Saul“ keine Konflikte mit den Bewohnern der Küstenstädte gehabt haben könnte – auch wenn man sich mit einem Blick auf die Karte fragen mag, worin der Interessengegensatz beider Parteien eigent48 R. Müller,

Königtum, 155. Frühe Königszeit, 193; vgl. auch Fritz, Deutungen, 361; Schunck, König Saul, 196; ein wenig zurückhaltender nun Frevel, Grundriss, 744. 50 Kreuzer, Saul – not always – at War, 39. Für Kreuzer stellen I Sam 11–14 eine zentrale Quelle für die Rekonstruktion der Geschichte Israels zur Zeit Sauls dar. Danach sei Saul nach der Befreiung von Jabesch zum (ersten) König über Israel ausgerufen worden – zunächst mit Billigung der Philister, aus deren Vasallität er sich dann später zu lösen versucht habe (vgl. a. a. O., 54 f.; ders., Art. Saul; ders., Saul unter den Philistern, 71 f.; Kreuzer folgend: Kaiser, König Saul II, 9). 51 Es ist hervorzuheben, daß Knauf in diesem Zusammenhang deutlich zurückhaltender ist: „Saul’s tiny tribal kingdom emerged at the very periphery of the Philistine periphery“ (Knauf, Saul, David, and the Philistines, 17). Auch Kratz nennt das Motiv der Philisterbedrohung historisch betrachtet „stark übertrieben“ (Kratz, Geschichte Israels und Judas, 18 f.). Noch zurückhaltender ist Berlejung: Philister tauchen bei ihrer vorsichtigen Skizzierung der frühen Häuptlingstümer nicht auf (vgl. Berlejung, Geschichte und Religionsgeschichte, 101–103). 52 Nota bene: Diesen Zug teilt die Grundschicht der Saulüberlieferung mit dem zweiten Kondensationskeim der späteren Samuelbücher, den judäischen Hofgeschichten aus dem Bereich der „Thronfolgegeschichte“ in II Sam 11–I Reg 2 – unabhängig davon, ob man ihren Grundbestand nun ausgesprochen schmal faßt (vgl. Rudnig, Davids Thron, 330 f.), oder ihn etwas großzügiger bemißt (vgl. Kratz, Komposition, 180–182). Abgesehen vom Summarium in II Sam 8 und den Stücken aus dem Annex in II Sam 21; 23 werden die Philister in II Sam überhaupt nur einmal erwähnt, nämlich in II Sam 19,10 – im Kontext des sekundären Fluchtberichts (vgl. Rudnig, Davids Thron, 296 f. 377; Kratz, Komposition, 181). 49 Dietrich,

6.1 Esel – Ammoniter – Königtum: Die ältere Saulüberlieferung

207

lich hätte bestehen sollen.53 Eine derartige Negation positiv zu behaupten wäre indes lediglich die methodisch nicht minder problematische Umkehrung des klassischen circulus vitiosus aus Textexegese und historischer Rekonstruktion. Ebenso verfehlt wäre es, den potentiell freiwerdenden Posten als Katalysator für Sauls Karriere in der Geschichte Israels nun durch die Ammoniter zu besetzen. Auch dies hieße, die älteste rekonstruierbare Stufe der literarischen Genese eines Textes mit der historischen Wirklichkeit der in ihm erzählten Ereignisse zu verwechseln. Logisch käme dies einer μετάβασις εἰς ἄλλο γένος gleich – um so mehr, wenn das literarische Werk, wie im vorliegenden Fall, deutlich die Züge der Genera Märchen, Legende und Sage trägt. Eines läßt sich freilich sagen: Plausibler werden die oben angeführten Thesen zum historischen Verhältnis zwischen Philistern und Israel in der frühen Königszeit nicht, wenn man bereit ist, der vorliegenden Analyse zu folgen. Das plötzliche Auftauchen der Philister als der Erzfeinde Israels auf der nächstjüngeren literarischen Ebene bleibt indes ein bemerkenswertes Phänomen. Vermutlich hat darin tatsächlich eine bestimmte historische Situation ihren literarischen Niederschlag gefunden – dabei dürfte es sich jedoch kaum noch um die der „frühen Königszeit“ handeln. Die oben angestellten Beobachtungen zur relativen Chronologie der Texte treffen sich mit Finkelsteins Auswertungen des archäologischen Befunds zur Philisterproblematik. Finkelstein hebt hervor, daß die Art und Weise, wie diese Gruppe in den biblischen Schriften dargestellt werde, nicht in das 11. oder 10., sondern frühestens in das 8. Jahrhundert, in die Assyrerzeit, verweise: „Philistia reached its peak power and prosperity only with the Assyrian conquest and the transformation of its cities into agents of Assyrian economic and political interests. Then, and only then, do the Philistines of achaeology become the Philistines of the Bible.“54 Dies könnte einen Hinweis für die Datierung der entsprechenden Texte darstellen. Die Philister spielen eine Rolle – mit Blick auf die Saulüberlieferung in der Ladegeschichte I Sam 4*, die über die Erzählung von der Geburt Samuels in I Sam 1,1–20* mit I Sam 9,1–10,16 verwoben wurde, ebenso wie bei Sauls „zweitem Tod“ auf Gilboa in I Sam 31* – und eben in I Sam 13–14. Diesen Zusammenhang gilt es darum nun noch näher in den Blick zu nehmen. 53 Shalom Brooks meint, das expansionistische Motiv der Philister habe in der landwirtschaftlichen Überschußproduktion des Hügellandes gelegen (vgl. Shalom Brooks, Saul and the Monarchy, 39 f.). 54 Finkelstein, Philistine Paradigm, 522. Vgl. auch den ebenso konzisen wie instruktiven Exkurs bei Porzig, Lade, 157 f. Den für die Aufstiegsgeschichte Davids so wichtigen Achisch von Gat identifiziert Finkelstein in der Folge Navehs mit einem gewissen Ikausu, der in Ekron inschriftlich aus der Zeit Asarhaddons und Assurbanipals, also in der ersten Hälfte des siebten Jahrhunderts, belegt ist (vgl. Naveh, Achish-Ikausu; Finkelstein, Philistine Paradigm, 521). Das trifft sich vorzüglich mit Kratz’ Datierung der „Aufstiegsgeschichte“ als Bindeglied zwischen Saul‑ und Davidüberlieferung in der Zeit zwischen 720 und 597 (vgl. Kratz, Komposition, 188).

208 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung

6.2 Samuel – Lade – Philister: Die erweiterte Saulüberlieferung Einem inneren Saulzirkel, bestehend aus der Geschichte von der Begegnung des jungen Benjaminiters mit einem Gottesmann und seines sich daran anschließenden militärischen Erfolgs gegen die Ammoniter, abgerundet von einem Summarium, das von seinem Aufstieg zu königlicher Würde und seinen Familienverhältnissen, nichts aber von den Philistern weiß, korrespondiert nun ein zweiter, ein wenig weiter gesteckter Rahmen. Er ergibt sich aus der Beobachtung, daß nach dem ersten Abschluß des Kapitels „Saul“ mit dem Nachruf von I Sam 14,47–51* der König in I Sam 31, literarisch gesprochen, ein weiteres Mal stirbt – wie auch seine Geschichte mit der auf ihn vorverweisenden Geburtsgeschichte von I Sam 1 einen zweiten – oder, der Kapitelfolge nach, ersten – Anfang erhält. Im Vergleich mit den Stücken, die den älteren Erzählkranz ausmachen, gibt es nun ein herausragendes Thema, das diesen weiteren Rahmen auszeichnet und dominiert, und das ist eben die Philisterthematik. Auf sie zielt bereits die Geschichte von der Geburt Samuels, dient sie doch nicht zuletzt dem Zweck, über seine wie die Person Elis die Überlieferung vom Verlust der Lade mit dem Saulkranz zusammenzubinden. Die Feinde aus den Küstenstädten, spielen schließlich auch keine ganz unwesentliche Rolle bei der Geschichte von Sauls Tod auf dem Schlachtfeld – ebenso wie auch in zwei Kapiteln, die gewissermaßen noch intra muros des durch I Sam 9 und 14 abgesteckten älteren Saulbestandes liegen: I Sam 13 und 14. Eine diachrone Auswertung der Stellen, die von Sauls Erlangen der Königsherrschaft sprechen (10,24; 11,15; 13,1; 14,47) führte zu dem Schluß, daß dieser gesamte Bereich seinem Kontext gegenüber als sekundär zugewachsen erscheint. Sein Grundbestand dürfte über 11,15 mit der bereits vorliegenden Ammonitererzählung verknüpft und zwischen diese und 14,47 eingeschoben worden sein. Dieses älteste literarische Stratum von I Sam 13–14 ist nun seinerseits von möglichen Ergänzungen abzuheben, um dem vermuteten erweiterten Samuel-Saul-Kranz Profil zu verleihen.

6.2.1 Saul, Jonatan und die Philister: I Sam 13–14 Waren die literarischen Verhältnisse innerhalb von I Sam 11 vergleichsweise einfach zu bestimmen  – ein durchgehender Erzählfaden ließ sich leicht von späteren Erweiterungen abheben  – so stellen sich die Dinge in den Kapiteln 13 und 14 wesentlich komplizierter dar, und das liegt nicht nur daran, daß die schiere Textmasse deutlich größer ist.55 Auf der Ebene der Endtexte eine sinn55 Vgl.

Fokkelman, Crossing Fates, 25.

6.2 Samuel – Lade – Philister: Die erweiterte Saulüberlieferung

209

volle Ereignisfolge zu erkennen, ist schwierig. Dies gelingt nur dann, wenn man etwas gröbere Linien zieht und gewisse Einzelzüge übergeht.56 Kapitel 13 besteht dann im wesentlichen aus Bewegungen der einzelnen Akteure und Truppenteile. Davon ausgenommen sind die Verse 13,3 f. Sie folgen auf eine Notiz in 13,2, die davon spricht, daß Saul, den man nach dem vorangegangenen Kapitel eigentlich noch in Gilgal wähnt, ein Heer aufgestellt habe, das sich teilweise bei ihm in Michmas befinde und teilweise einem gewissen, bis dato völlig unbekannten Jonatan in Gibea unterstellt sei. Nun jedoch heißt es, ein Anschlag auf einen Wachtposten oder „Vogt“ (‫ )נציב‬der Philister in Geba (‫)בגבע‬ sei unternommen worden, welcher einmal besagtem Jonatan (V. 3), einmal aber Saul selbst (V. 4) zugeschrieben wird. Diese Provokation eröffnet nun als Initialzündung den Reigen der Auf‑ und Abmärsche des weiteren Kapitels. Zunächst wird, noch in V. 4, das Volk Israel mobilisiert – zu Saul „nach Gilgal“ (‫)הגלגל‬, dann ziehen die Philister herauf und sammeln sich in Michmas (V. 5). Diese Situation deutet nun der Folgevers als „Bedrängnis“ (‫ )צר‬für den „Mann Israels“ (‫)איש ישראל‬, die offenbar nicht wenige aus der Truppe zur Desertion bis über den Jordan veranlaßt (V. 6–7). Saul, „noch in Gilgal“ (‫עודנו בגלגל‬, V. 7b), wartet, wie in 10,8 vorgeschrieben, sieben Tage auf Samuel und bringt, als dieser, von dessen Abreise nach der „Erneuerung des Königtums“ an eben diesem Ort man nichts erfahren hatte, sich verspätet, das Brandopfer dar, um vom daraufhin umgehend eintreffenden Propheten dafür getadelt zu werden (V. 7b–15). Dieser nun reist postwendend wieder ab, und auch Saul begibt sich mit dem verbliebenen Restheer nach „Gibea Benjamins“ (‫)גבעת בנימן‬ – zumindest nach der Lesart von LXX; MT weiß – mutmaßlich aufgrund einer aberratio oculi57– nichts von dieser Truppenbewegung. Der folgende Vers 16 jedenfalls findet Saul, das Volk und nun auch wieder Jonatan gemeinsam in „Geba Benjamins“ (‫)בגבע בנימן‬, während die Philister immer noch dort sind, wo sie bereits elf Verse vorher waren: in Michmas. Nun aber kommt auch in ihre Reihen Bewegung. Ihr Heer, „der Verderber“ (‫)משחית‬, zieht in drei Abteilungen aus, nord-, west‑ und womöglich ostwärts58 56 Long freilich findet in I  Sam 13–14 „a connected, coherent and sequential narrative“ (Long, Reign, 131). 57 Die Annahme, ein Schreiber sei aus Versehen vom einem „von Gilgal“ (‫ )מן־הגלגל‬zum anderen gesprungen und habe dabei den Abschnitt dazwischen ausgelassen, ist an dieser Stelle überaus plausibel (vgl. Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 27; Wellhausen, Text, 82) – nicht zuletzt auch deshalb, weil der MT-Text die literarische Naht verwischt, welche die Einfügung der Visite Samuels anzeigt (vgl. in diesem Sinne, nach eingehender Diskussion der Problematik, Pisano, Additions or Omissions, 182 f.). Stoebe votiert freilich mit dem gleichen Argument für das Gegenteil: LXX biete „eine schwerfällige Erweiterung“, welche „die Spannung harmonisieren [soll], die durch das Zusammenkommen zweier Erzählungseinheiten entstanden ist“ (Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 245). 58 Vgl. Bar-Efrat, Das Erste Buch Samuel, 196. Seiner Meinung nach ziehen die Philister in alle Richtungen, „nur nicht nach Süden, denn dort befinden sich Saul und Jonatan mit ihren

210 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung (V. 17 f.), sowie, nach einem „kulturgeschichtliche[n] Rückblick“59 in V. 19–22, der das ohnehin nicht mehr besonders umfangreiche Heer Sauls zu einer Truppe ohne Waffen macht, ein „Posten“ (‫ )מצב‬in Richtung des Passes von Michmas. Je nachdem also, wie man die Richtungsangabe mit dem Tal Zeboïm interpretiert, würde auf diese Weise ein Zusammenstoß mit den Israeliten entweder vermieden oder gerade provoziert. Saul und seine Mannen haben sich ja mittlerweile nach Gibea verlegt, und bei einer eher südlichen Route des dritten philistäischen Flügels müßte es nun eher über kurz als über lang automatisch zur Konfrontation kommen.60 Dies geschieht freilich nicht; die Kampfhandlungen entzünden sich auf andere Weise und an anderer Stelle. Damit betritt man bereits Kapitel 14, in dem die sich nun lange angebahnt habende militärische Auseinandersetzung endlich ausgetragen wird. Dies geschieht zunächst (mit Blick auf 13,3: erneut) durch eine Provokation Jonatans, der sich „eines Tages“ (‫ויהי היום‬, 14,1) mit seinem Waffenträger aufmacht und gemeinsam mit diesen eben jenen „Posten“ (‫ )מצב‬einnimmt und niedermacht (14,1–14), was zu einem großen „Getümmel“ (‫ )המון‬führt (V. 16.19). Dies bleibt auch im Lager Sauls in Gibea nicht unbemerkt und veranlaßt jenen kurzerhand – noch ohne die Lade (‫ארון האלהים‬, V. 18MT bis) respektive den Ephod (τὸ εφουδ, V. 18LXX bis)61 herbeigeholt zu haben – in das Geschehen einzugreifen. V. 20–23 sieht es schließlich so aus, als bahne sich, auch unter Beteiligung der in 13,6 f. Desertierten, ein umfassender Sieg Israels an.

Leuten“ (ebd). Die Richtung „des Gebiets, das auf das Tal Zeboïm wüstenwärts schaut“ (‫הגבול‬ ‫הנשקף על־גי הצבעים המדברה‬, I Sam 13,18) ist freilich nicht ganz eindeutig. Nach Dietrichs Beschreibung kommt man damit entweder mehr östlich (Richtung Gilgal) oder mehr südlich (Richtung Gibea) (vgl. Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 49). 59 Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 254. 60 Vgl. die Karte bei Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 11. 61 Diese Stelle ist in der Tat textkritisch spannend. Nach I Sam 4(–6) ist die Lade zu diesem Zeitpunkt bekanntlich verloren bzw. zurückgebracht und in Kirjat-Jearim im Hause Abinadabs untergestellt. MT ist demnach die lectio difficilior und wird darum u. a. von Stoebe vertreten (vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 260), der sich gleichwohl gegen alle Spekulationen wendet, die sich an dieser Lesart entzündet haben, wie derjenigen, es habe eben mehrere Laden gegeben (so Gressmann, Älteste Geschichtsschreibung 2, 57, der darin die Kiste vermutet, in welcher der Ephod aufbewahrt wurde). Dietrich folgt dagegen LXX, indem er sich der Argumentation Scherers anschließt, der für den Ephod neben dem leinenen Priesterschurz auch einen „kastenartigen Orakelbehälter“ (Scherer, Ephod, 602) vermutet, „in dem sich das nomadische Erbe der Frühisraeliten widerspiegeln mag“ (ebd.) Die eine Kiste (‫ )אפוד‬könnte mit der anderen Kiste (‫ )ארון‬verwechselt worden sein: Sauls ‫ אפוד‬habe die Form einer ‫ ארון‬gehabt – hier liege der Ursprung des Durcheinanders (vgl. Dietrich, 1Sam 14,1–15,35, 87 f.). Porzig argumentiert dagegen eher mit einer bewußten Abänderung für die Priorität von LXX: „Daß man den Ephod ersetzte, dürfte mit dem Zusammenhang des Heiligen Krieges zusammenhängen, hinzu kommt, daß es offenbar Kreise gab, denen der Ephod als ein ‚abgöttisches Kultobjekt‘ galt“ (Porzig, Lade, 160, in Anlehnung an Veijola, Königtum, 109 f. mit dem dortigen Verweis auf Jdc 8,27).

6.2 Samuel – Lade – Philister: Die erweiterte Saulüberlieferung

211

Doch offenbar ist dem nicht so, denn bereits einen Vers später wird „der Mann Israels“ (‫)איש־ישראל‬ – wie in 13,6 – erneut bedrängt (‫)נגש‬,62 weshalb Saul das Volk mit einem Fluch belegt: Bis zum Abend wird dem Volk verboten zu essen. Diese Geschichte, die beinahe Jonatan den Kopf kostet, bestimmt das Kapitel bis V. 45 und damit fast bis zu seinem Ende. Doch nicht nur Jonatan ißt etwas – auch das Volk fällt, vom Kampf ermattet, in V. 32 über das anscheinend – denn davon war noch nicht die Rede – erbeutete Vieh der Feinde her, ohne sich darum zu kümmern, es rite zu schlachten. Durch Sauls Intervention wird der Frevel gemildert: er läßt einen Altar bauen, auf dem „in der Nacht“ (‫הלילה‬, 14,34MT)63 noch geschächtet wird, also unmittelbar vor dem Entschluß, die Feinde weiter zu verfolgen (‫לילה‬, V. 36). Das Schweigen Gottes bei der Orakeleinholung vor der Verfolgungsjagd bringt schließlich den Prinzen als den Schuldigen an den Tag, der vom Heer jedoch vor der konsequenten Haltung seines Vaters in Schutz genommen wird. Über all dem Suchen und Finden eines Schuldigen gerät nahezu völlig aus dem Blick, daß man, ehe sich in V. 46 beide Heere wieder trennen und Israel in die Berge, die Philister aber in ihre Küstenebene zurückkehren, ausweislich von V. 31 eigentlich an diesem Tag oder am Vortag einen großen Sieg errungen hat, „von Michmas bis nach Ajalon“ (‫)ממכמש אילנה‬. Die große Freude jedenfalls, welche die Ammoniterexpedition gekrönt hatte, scheint auszubleiben. Der Überblick über beide Kapitel macht die zentralen Schwierigkeiten deutlich. Bei der Darstellung des Kampfes gegen die Philister sind drei Punkte in hohem Grade unklar, die im allgemeinen für eine zusammenhängende Erzählung konstituierenden Charakter haben: Personen, Ort64 und Ablauf der Handlung. 1. Wer führt auf Seiten der Israeliten die militärischen Aktionen gegen die Philister – Saul, Jonatan oder beide zusammen? Das Nebeneinander der Verse 13,3 und 13,4, die das „Schlagen“ der „Wache“ oder des „Vogts“ (‫ )נציב‬der

62 So MT. LXX weiß davon nichts, sondern läßt Saul eine große Dummheit begehen: καί Σαοὺλ ἠγνόησεν ἄγνοιαν μεγάλην ἐν τῇ ἡμέρᾳ ἐκείνῃ. McCarter urteilt: „MT is corrupt“ (McCarter, I Samuel, 245). Dieses Urteil macht es sich womöglich ein wenig zu leicht. Auf jeden Fall betont MT die Verbindung, die bereits durch 14,21 f. zu 13,6 f. besteht – ob ursprünglich oder sekundär, ist eine andere Frage – während LXX das Geschehen nicht nur darstellt, sondern bereits ein Urteil über das folgende abgibt. 63 Dieses „nachts“ fehlt in LXX. Es erklärt sich gut als sekundäre Einfügung in MT (vgl. McCarter, I Samuel, 247), die deutlich machen möchte, daß das große Schlachtfest (im Unterschied zu Jonatans Honigkostprobe) nicht gegen den Schwur des Königs verstoßen habe. Stoebe meint dagegen (oder darum?), es sei „hier zur Kennzeichnung der Situation unentbehrlich“ (Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 269; vgl. Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 65). Das erklärt freilich nicht das Fehlen des Wortes in LXX. 64 Vgl. für die Betonung der Namens‑ und Ortsdifferenzen auch Dietrich, 1Sam 13,1– 14,46, 9.

212 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung Philister einmal dem Kronprinzen, einmal seinem Vater zuschreiben, illustriert das Problem, das die Kapitel 13 und 14 insgesamt durchzieht.65 2. Wo spielt sich ferner die Handlung ab – in Geba, Gibea, Gilgal oder Michmas? Die unterschiedlichen Angaben speziell in Kapitel 13 sind schwerlich unter einen Hut zu bringen.66 3. Schließlich ist nicht leicht zu verstehen, wie sich die einzelnen Kampfhandlungen mit den jeweils unterschiedlich benannten philistäischen Einheiten zueinander verhalten. Der Angriff auf die „Wache“ oder den „Vogt“ (‫ )נציב‬nach 13,3 f. mag als Provokation und Auftakt des Folgenden gelten – wie aber verhält sich der in drei Gruppen ausrückende „Verderber“ (‫ )משחית‬von 13,17 f. zur „Wache“ (‫)מצב‬, die sich in 13,23 ebenfalls auf den Weg macht und gegen die sich Jonatans Husarenstück ab 14,1 richtet? In 14,15 wird deutlich versucht, beide zusammenzuführen: Der Vers berichtet zunächst davon, daß „im Feldlager“ (‫ )במחנה‬Entsetzen (‫ )חרדה‬ausbricht, in das zunächst „das Volk der Wache“ (‫ )ובכל־העם המצב‬einbezogen wird, ehe festgestellt wird, daß „auch der Verderber, auch sie, sich entsetzten“ (‫)והמשחית חרדו גם־המה‬. Zu guter Letzt stellt sich die Frage nach dem Ausgang des Kampfes: Ist er als israelitischer Sieg oder als Niederlage zu beurteilen? Eine Möglichkeit, mit diesen Schwierigkeiten umzugehen, ist, die divergierenden Angaben auf unterschiedliche Überlieferungen zu verteilen, welche redaktionell zusammengearbeitet und harmonisiert hätten werden müssen. Kaiser etwa vermutet hinter der Grundschrift von Kapitel 14 mehrere unabhängige Quellen, von denen die erste (A) von der Aktion Jonatans und seines Waffenträgers berichtet, die zweite (B) das Eingreifen Sauls und die dritte (C) Sauls fluchbeladenes Verbot der Essensaufnahme enthalten habe.67 Daran ist zum einen problematisch, daß zwar der Fluch des Königs quellenhaft zur Grundschicht gehören soll, seine Auswirkung und die Folgen jedoch erst einer zweiten Fortschreibungsschicht zugerechnet werden,68 zum anderen, daß die Fragmente B und C für sich genommen kaum literarisch lebensfähig sind. Das brauchen sie nach diesem überlieferungsgeschichtlichen Modell natürlich auch nicht zu sein, 65 Diesen Umstand im Rahmen einer synchronen Lesart allein für 13,3 f. zu erklären, stellt Long vor nicht geringe Schwierigkeiten (vgl. Long, Reign, 78–83). 66 Schunck gelingt dies freilich. Er erkennt in der Kumulation der Ortsangaben von 13,2 f. nicht weniger als einen strategischen Geniestreich des historischen Saul: „Damit hatten israelitische Einheiten sowohl die Hauptstraße auf dem westjordanischen Gebirge von Jerusalem über Gibea (tell el-fūl) und Mizpa (tell en-naṣbe) nach Betel und weiter nach Sichem als auch den Nebenweg über Geba (dschebaʿ) und den Paß von Michmals nach Betel blockiert“ (Schunck, König Saul, 197). 67 Die Abgrenzung im einzelnen ist: „A: V.1–2.3b.4–11a.12–14; B: V.15–17.19aβ.20.23.46; C: 24–31“ (Kaiser, König Saul II, 6). Es wird aus seiner Darstellung nicht ganz klar, ob die ersten beiden der mit Großbuchstaben bezeichneten Abschnitte einer oder zweier Quellen angehören. Für C gilt aber nach Kaiser eindeutig: „Offensichtlich wechselt der Verfasser des Kapitels nun zu einer anderen Quelle“ (a. a. O., 4). 68 Vgl. ebd.

6.2 Samuel – Lade – Philister: Die erweiterte Saulüberlieferung

213

werden sie doch noch auf einer Ebene angesiedelt, die vor der Abfassung einer mehr oder weniger kohärenten Grundschicht angesiedelt wird – dennoch wird die literarkritische These von diesem Umstand belastet. Kaisers methodischer Ansatz ist an dieser Stelle der gleiche wie der Walter Dietrichs, welcher gleichwohl zu einem anderen Ergebnis kommt. Dietrich findet bei der Analyse von Kapitel 13 „Reste einer alten Saul-Erzählung“69 in 13,4.5a.15b, die er später in Kapitel 14 weiterverfolgt70 und von drei weiteren „aus unterschiedlichen Kontexten stammende[n] Stoffe[n]“71 abhebt: Einer Jonatangeschichte (B),72 einer Erzählung von der Verhängung und Verletzung des Speisegebots (C) und einem Stück vom „Einsatz Sauls zur Vermeidung eines kultischen Tabubruchs“73 (D) in 14,32–35.74 Die Saul-Erzählung (A) habe demnach davon berichtet, wie eine philistäische Armee aufgrund eines Gottesschrecken kollektiven Selbstmord begeht und es daher für Saul, als er auf dem Schlachtfeld eintrifft, letztlich nichts mehr zu tun gibt. Angesiedelt wird dieses Ereignis in Gibea – ungeachtet der Tatsache, daß dieser Ort weder in 13,4 noch in 13,5a, sondern erst in 14,2 genannt wird.75 Zusammengenommen ergibt dies kaum einen kohärenten Text – und muß es, unter der überlieferungsgeschichtlichen Prämisse der fragmentarischen Einzeltraditionen, bei denen „sich an mündliche wie auch an schriftliche Überlieferungen denken [läßt]“76 ja auch wieder nicht. Denkt man dagegen primär in Fortschreibungskategorien und auf literarischer Ebene, stellt sich der Sachverhalt anders dar und wird die Beurteilung der gleichen Textbeobachtungen gewissermaßen automatisch in eine andere Richtung gelenkt. Zu einem derartigen, primär redaktionsgeschichtlichen Vorgehen nötigen die Ergebnisse der bisherigen Arbeit. Die These, daß der Themenkomplex, der sich mit den Philistern befaßt, der älteren Saulüberlieferung in einem zweiten Schritt zugewachsen sei, schließt zwar nicht aus, daß auf dieser Ebene auch selbständige Überlieferungen wie etwa die Ladegeschichte in I  Sam 4 eingearbeitet wurden, richtet aber den Blick zwangsläufig eher auf die Suche 69 Dietrich,

1Sam 13,1–14,46, 36. findet sich in 13,4.5a; 14,2.3a*.15b.16.18a.19 f.20.46 (vgl. a. a. O., 73). Der Halbvers 13,15b begegnet in dieser Aufstellung nun nicht mehr – mutmaßlich aus Versehen. 71 A. a. O., 72. 72 Sie findet sich in 13,16*.17 f.19–23; 14,4–11a.12–15a.21–23.31; vgl. ebd. 73 Ebd. 74 Mit dieser Einteilung knüpft Dietrich an die Arbeit Joblings an, der ebenfalls in Kapitel 14 drei einstmals unabhängige Traditionen findet: „A. Jonathan’s exploit and the battle, vv. 1–23a. B. Saul’s building of an altar, vv. 32–35. C. Jonathan’s sin and its consequences, vv. 24*, 25–30, 36–46.“ (Jobling, Saul’s Fall, 372 f.). 75 Gibea muß Dietrich aus 13,3 übernehmen, wo von Jonatans Tat in Geba die Rede ist. 13,4 hat dagegen explizit Gilgal – dieses letzte Wort (‫ )הגלגל‬schließt Dietrich daher von der Grundschicht aus als einen „Zusatz des Höfischen Erzählers zur Vorbereitung von 13,7b–15a“ (Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 73, n. 8.). 76 A. a. O., 72, n. 6. 70 Sie

214 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung nach einem kohärenten Erzählfaden denn auf potentielle Fragmente einstmals frei umlaufender Einzelerzählungen. Um diesen Faden nun freizulegen, empfiehlt es sich, bei dem zu beginnen, was als weitgehender Konsens gelten kann. Dieser umfaßt zum einen den innerhalb der Schilderung des Kriegs mit den Philistern besonderen Charakter der Stücke, die von Sauls Speiseverbot und dem spontanen Altarbau handeln (Dietrichs Überlieferungen C und D, also zum einen 14,14–30.36–4577 und zum anderen 14,32–3578), wobei zunächst dahingestellt bleiben kann, ob bei ihnen eigenständige Traditionen im Hintergrund stehen oder nicht. Zum anderen ist darin eingeschlossen, daß Samuels plötzliches Auf‑ und Abtauchen in Gilgal in Kapitel 13 ein gegenüber dem Umfeld sekundäres redaktionelles Element darstellt: „Dass die ganze aus dem Zusammenhang fallende Gilgal-Episode 1Sam 13:7b–15a […] ein sekundärer Einschub ist, bedarf keines Nachweises mehr.“79 Letzterer Abschnitt wird in der Regel entweder im Kern oder insgesamt noch einer vordeuteronomistischen Bearbeitung zugewiesen,80 bei Dietrich dem „Höfischen Erzähler“,81 die in V. 13–14 deuteronomisch geprägt wurde. Die je nach 77 Die Szene „wirkt innerhalb der Philisterkriegserzählung wie ein Fremdkörper und lässt sich mühelos herausheben“ (a. a. O., 8). 78 Vgl. a. a. O., 9. 79 Veijola, Ewige Dynastie, 55. 80 Vgl. Donner, Verwerfung, 251–253, der das Stück insgesamt in den „Umkreis Davids“ (a. a. O., 253) einordnet; ähnlich Foresti, Rejection, 157–162, der in 10,8; 13,7b–15a ein vordeuteronomistisches Verbindungsstück zwischen Saulüberlieferung und Aufstiegsgeschichte Davids sieht (vgl. a. a. O., 162); anders Kratz, Komposition, 176 f., der hier die Nähe zur deuteronomistischen Fassung des Samuel-Königebuches erkennt (vgl. auch die folgende Fußnote). Adam rechnet I Sam 10,8; 13,7–13a dagegen zusammen mit 10,17–27; 14,24–46; 26*; 28*; 31 zu einer „‚tragic‘ layer inspired by Greek tragedy“ (Adam, What Made, 162, n. 4). 81 Vgl. Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 35 f. Dietrich betrachtet nur V. 13bα und 14bβ als deuteronomistisch (DtrN), die Rekurse auf den „Befehl“ (‫ )מצוה‬JHWHs (vgl. ähnlich Mommer, Samuel, 137–140 mit 13b.14bβ als dtr). Die Analyse geht auf Veijola zurück, der V. 13 f. insgesamt einer jüngeren Bearbeitung zuweist (vgl. Veijola, Ewige Dynastie, 56 f.; vgl. auch Kratz, Komposition, 191). Heinrich grenzt dagegen nur V. 13b aus – mit der Konsequenz, daß der hierfür verantwortliche Glossator eigentlich gar nichts neues in den Text eingetragen habe, „denn die nomistische Tendenz und Sprache von V. 14b sind offensichtlich und zudem wiederholt festgestellt worden“ (Heinrich, David und Klio, 92). Folgt man Dietrichs minimalinvasivem Eingriff, hat man im Abschnitt auf jeden Fall den Ausblick auf einen nächsten „Fürsten“ (‫)נגיד‬ – und dieser Terminus war oben mit Fischer als im Rahmen der Samuelbücher deuteronomistisch erkannt worden (vgl. oben S. 175, n. 108). Nota bene: Die exakte Formulierung „zum Fürsten bestellen“ (‫ נגיד‬mit dem Verb ‫ )צוה‬begegnet außer in 13,14 nur noch I Sam 25,30 (David und Abigajil); II Sam 6,21 (Davids Tanz vor der Lade); I Reg 1,35 (Davids Designation Salomos). Berges schließlich betrachtet 13,2–15 als Einheit und sieht in ihrem Hintergrund das deuteronomische Königsgesetz nach Dtn 17 und 20. Es stelle die ‫ מצוה‬dar, gegen die Saul verstoßen habe – zu allererst durch seine Furcht und sein fehlendes Gottvertrauen im Anblick der feindlichen Übermacht (I Sam 13,5.7b mit Dtn 20,1–3; vgl. Berges, Verwerfung, 171–173). Für die Endgestalt mit den Versen 13,13 f. mag dies zutreffen – für den übrigen Bestand von 13,8–15a fällt indes auf, daß hier zu Dtn 17; 20 kaum terminologische Übereinstimmungen bestehen.

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Beschreibung des Kerns der Verse 13 und 14 Ermahnung, Zurechtweisung oder Verwerfung in Gilgal bildet dabei das Gegenstück zu ihrer Vorbereitung in 10,8. Dies ist völlig eindeutig in 13,8: Explizit wird dort auf Samuels Auftrag Bezug genommen, Saul solle in Gilgal auf ihn warten – der Name des Propheten fällt zweimal, und auch der des Ortes wird, ungeachtet seiner Nennung im vorherigen Vers, noch einmal wiederholt. Inwiefern aber Sauls Aufenthalt dort, in Gilgal, wie ihn bereits V. 7b notiert, ebenfalls mit 10,8 in Verbindung steht, ist eine andere Frage. Freilich wird der König von Samuel in diesem Vers genau dorthin beordert – es wäre jedoch zu bedenken, ob dies nicht eben deshalb geschieht, weil sich Saul (literarisch) zu dieser Zeit bereits dort befindet. Die Beobachtung, daß der Halbvers 13,7b gegenüber V. 6 und V. 7a „mit Subjekt‑ und Ortswechsel eindeutig einen Neueinsatz initiiert“,82 ist zweifellos zutreffend. Ihr Wert als Argument für die Zugehörigkeit der Ortsnotiz von V. 7b zu V. 8–15a sinkt indes rapide, wenn man die eineinhalb Vorgängerverse, die von der Furcht und Flucht des „Mannes Israel“ (V. 6) und der „Hebräer“ (V. 7a) sprechen, ebenfalls als sekundär erkennt. Kaiser etwa findet hier eine „folkloristische Bearbeitung […], die vom Verhalten der Hebräer handelt“83 in 13,3b–4.7a.19–22; 14,11b – und 14,21 f.84 Zählt man – m. E. zurecht – zu dieser Schicht die Rückkehr nicht nur der „Hebräer“ (14,21), sondern auch des „ganzen Mannes Israel, die sich im Gebirge Ephraim verborgen hatten“ (‫כל איש ישראל המתחבאים בהר־אפרים‬, 14,22),85 so liegt es überaus nahe, auch 13,6 auf dieser Ebene anzusiedeln, ist doch hier von eben dem Vorgang die Rede, auf den sich 14,22 bezieht: „Und der Mann Israel sah, daß ihm eng wurde […] und sie verbargen sich“ (‫ואיש ישראל ראו כי‬ ‫)צר־לו […] ויתחבאו‬. Nimmt man also V. 6.7a aus ihrem Kontext heraus, schließt V. 7b direkt an V. 5 an: Die Philister versammeln sich, ziehen herauf und lagern in Michmas – Saul aber ist noch in Gilgal. Mit der Vermutung eines Zusammenhangs von V. 5 und V. 7b ist nun freilich der Bereich des oben angesprochenen breiten Konsenses verlassen – sie erhält indes weitere Nahrung durch eine weitere Beobachtung. Vom Aufmarsch der Philister in Michmas ist in Kapitel 13 nicht weniger als dreimal die Rede: 13,5 im Munde des Erzählers, 13,10 als apologetisches Argument Sauls gegenüber 82 Heinrich,

David und Klio, 89. König Saul II, 2 (vgl. ähnlich Kratz, Komposition, 177, n. 81, der „HebräerGlossen in I Sam 13,3b.7a.19–22“ [ebd.] ausmacht). Die Bezeichnung „Hebräer“ findet sich in den Samuelbücher nur im Kontext des Philisterthemas  – neben den aufgeführten Stellen noch in I Sam 4,6.9 (gleichfalls literarisch sekundär, vgl. Porzig, Lade, 141) und in I Sam 29,3, hier schwerlich aus der Grundschicht des Kapitels zu lösen, die jedoch (nach Heinrich), möglicherweise bereits insgesamt eine Ergänzung zur Aufstiegsgeschichte Davids darstellt (vgl. Heinrich, David und Klio, 241 f.). 84 Vgl. Kaiser, König Saul II, 6. 85 Vgl. auch 14,11b! Hier spotten die Philister darüber, daß in Gestalt von Jonatan und seinem Waffenträger „die Hebräer aus den Höhlen hervorkommen, in denen sie sich verborgen haben“ (‫)עברים יצאים מן־החרים אשר התחבאו־שם‬. 83 Kaiser,

216 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung Samuels Vorwurf und, wieder aus der Außenperspektive, in 13,16. Diese, vom sekundären Abschnitt 13,8–15a abgesehen zweimalige Philisterversammlung wirkt wie eine typische Wiederaufnahme, und dies um so mehr, wenn man die Zahlenangaben von 13,5 (also V. 5aα2.β) zunächst außer Acht läßt: Sie passen gut zum Konzept einer „Gotteskriegsbearbeitung“, wie sie bereits in 11,7 f. ausgemacht werden konnte. Die Quasi-Wiederaufnahme des Philisteraufmarsches umschließt so Samuels Kurzbesuch in Gilgal ebenso wie die Hebräerbearbeitung und V. 15b – und sie bietet in V. 16 ein gegenüber V. 5 nicht unwesentlich verändertes Bild der Lage: Nach V. 16 sitzen Saul, sein Sohn Jonatan und das Volk, das sich bei ihnen findet (‫)והעם הנמצא עמם‬,86 also die Vereinigung der Truppen, die Saul in V. 15b gemustert hat („das Volk, das sich bei ihm fand“, ‫העם הנמצאים‬ ‫ )עמו‬in „Geba Benjamins“ (‫)בגבע בנימן‬, während die Philister in Michmas lagern. V. 5 berichtet dagegen nur von letzteren – die Gegenseite bleibt unerwähnt. Dies ändert sich indes, wenn man V. 7b in die Betrachtung mit einbezieht. Auf diese Weise erhält man mit V. 5.7b einerseits und V. 16 andererseits zwei chiastisch angeordnete parallele Aussagen über die Vorbereitungen zur Schlacht, die sich im Hinblick auf die israelitische Seite gleichwohl enorm unterscheiden. Anders gesagt: Erst mit V. 7b als Fortsetzung von V. 5 wird die Wiederaufnahme durch V. 16 komplett und in ihrer Bedeutung voll erkennbar. Diese jedoch kann für die Analyse der Kapitel 13 und 14 kaum unterschätzt werden; der Interpretation des Verhältnisses beider Stellen zueinander kommt geradezu ein Schlüsselcharakter zu. Aus diesem Grunde ist es sinnvoll, einmal beide Stellen direkt nebeneinanderzustellen und Gemeinsamkeiten wie Unterschiede hervorzuheben – unten in der deutschen Übersetzung, im hebräischen Text in Abbildung 3. V. 5.7b: „Und die Philister versammelten sich […] und zogen herauf und lagerten sich in Michmas, östlich von Beth-Awen, und Saul war noch in Gilgal, und das ganze Volk hinter ihm war in Angst.“ V. 16: „Und Saul und Jonatan, sein Sohn, und das Volk, das sich bei ihnen fand, saßen in Geba Benjamins, und die Philister lagerten sich in Michmas.“ I Sam 13,5.7b ‫ופלשתים נאספו […] ויעלו ויחנו במכמש קדמת בית און ושאול עודנו בגלגל וכל־העם חרדו אחריו‬

‫ושאול ויונתן בנו והעם הנמצא עמם ישבים בגבע בנימן ופלשתים חנו במכמש‬ I Sam 13,16 Abbildung 3: Die Wiederaufnahme von I Sam 13,5.7b in I Sam 13,16 86 LXX

hat an dieser Stelle wie in V. 15 das Partizip im Plural (εὑρεθέντες).

6.2 Samuel – Lade – Philister: Die erweiterte Saulüberlieferung

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Wenn man der Entscheidung folgt, V.  16 analog einer Wiederaufnahme von V. 5.7b zu betrachten, läßt sich damit der oben beschriebene Knoten aus unterschiedlichen Orten, agierenden Personen und Handlungssträngen entwirren. Denn entweder wäre davon auszugehen, daß der einsame Saul in Gilgal über die Philisterbrücke der Lokalisierung mit Jonatan in Geba sekundär vorgeschaltet worden wäre oder umgekehrt. Für die erstgenannte Variante spricht nicht viel: Nicht nur die Begegnung mit Samuel in V. 8–15a und die jüngere Hebräerglosse in V. 6.7a, sondern, und das ist das entscheidende Argument, auch die Musterung des Heeres von V. 15b – in der masoretischen wie in der Septuagintafassung – setzen eine akute Bedrohungslage bereits voraus, wie sie der philistäische Aufmarsch von V. 5 darstellt. Daraus aber folgt: Die Priorität liegt bei 13,5.7b und damit bei Saul und Gilgal gegenüber 13,16 mit Jonatan und Geba. 13,16 dient demnach dazu, zum einen den Sohn Sauls, als der er hier im Unterschied zu 13,2.3 über die Filiation kenntlich gemacht wird, in die Geschichte einzuführen, zum anderen, den über 13,15bLXX vollzogenen Ortswechsel von Gilgal nach Geba (LXX Γαβεὲ Βενιαμείν) respektive Gibea (LXX Γαβαὰ Βενιαμείν)87 abzuschließen. Warum diese Truppenbewegung einem Ergänzer wichtig ist, ist eine andere Frage, die später aufgegriffen werden soll. Zunächst gilt es, die gewonnene Erkenntnis für die Analyse des näheren Kontexts auszuwerten. Allein durch sie erweist sich etwa der „kulturgeschichtliche Rückblick“88 über das berühmte Metallmonopol der Philister in V. 19–22 als nicht zur Grundschicht der Erzählung gehörend89 – es setzt Saul und Jonatan als gemeinsam Handelnde voraus und dient dem erzählerischen Zweck, das Wunder des errungenen Sieges zu vergrößern. Es ist das typische Motiv vom Sieg des Schwachen mit göttlicher Hilfe über den scheinbar unbezwingbaren Gegner, das hier eingetragen wird.90 Der Umstand, daß in 13,16 offenbar Saul und sein Sohn sekundär zusammengeführt werden, wirft des weiteren auch Licht auf den Beginn von Kapitel 14, eine Geschichte, aus der Jonatan nicht wegzudenken ist – Saul wiederum aber zunächst keine andere Rolle spielt, als unter einem Baum zu sitzen (14,2). Und selbst diese könnte dem König erst sekundär zugewachsen sein: Ähnlich wie bei 13,5.7b und 13,16 liegt auch in 14,1 und 14,6 eine Doppelung vor, die an eine Wiederaufnahme erinnert: Zweimal teilt der Prinz seinem Waffenträger mit, was zu tun er sich anschickt, aber nur einmal (V. 7) antwortet dieser. Von diesen 87 Zur

Verwirrung um die beiden Ortsnamen vgl. Auld, I & II Samuel, 140. Das erste Buch Samuelis, 254. 89 Wellhausen beschreibt den Abschnitt als „[u]nschuldigerer Natur“ (sc. als 13,7b–15), „gleichwol nicht ursprünglich“ (Wellhausen, Composition, 246). 90 Pace Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 49–53, der hier historisch auswertbare Informationen findet, und Kreuzer, Saul – not always – at War, 41, der aus dem Stück Erkenntnisse über den Stand der ökonomischen israelitisch-philistäischen Vorkriegsbeziehungen ableitet und an anderer Stelle meint: „An der Nachricht von I Sam 13,19–21 ist eigentlich nicht zu zweifeln“ (ders., Saul unter den Philistern, 68). 88 Stoebe,

218 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung beiden Aufforderungen gibt sich auch hier die zweite deutlich als die jüngere Fassung zu erkennen: V. 6 folgt der Formulierung von V. 1 nahezu wörtlich, aber nun soll der Ausflug nicht „zur Wache der Philister“ (‫)אל־מצב פלשתים‬ gehen, sondern „zur Wache jener Unbeschnittenen“ (‫)אל־מצב הערלים האלה‬. Des weiteren wird sie doppelt theologisch motiviert, zunächst als eine zu erhoffende Tat JHWHs gewissermaßen unter dessen Schutz gestellt und dann, in V. 6b, zu einem Exempel der Macht Gottes im allgemeinen erhoben und generalisiert. Diese letztgenannte Begründung mag eine Glosse darstellen – doch auch die „Weihe“ der bevorstehenden Aktion in V. 6aβ („vielleicht wird JHWH es uns schaffen“ [‫ )]אולי יעשה יהוה לנו‬sakralisiert bereits die zu erwartenden Kämpfe91 und trifft sich darin mit der Erwähnung des ephodtragenden Priesters in V. 3.92 Es wäre zu erwägen, ob die Wiederaufnahme von V. 1 in V. 6 nicht in der Tat den sekundären Charakter des ganzen Stücks von V.  2–5 nahelegt. Das würde bedeuten, daß nicht nur mit V. 2 Saul, die geringe Truppenstärke aus 13,15 und mit V. 3 der ephodtragende Priester aus dem Geschlecht der Eliden nicht zur Grundschicht der Erzählung zu rechnen sind, sondern ebensowenig die detaillierte und aus diesem Grunde scheinbar so unerfindbar wirkende Ortsbeschreibung in V. 4 f.93 In der Tat erfüllt sie – zumindest mit V. 5 – genau die gleiche Funktion wie schon der unter dem Granatapfelbaum sitzende König von V. 2: Über die Lokalisierung in der Nähe von Michmas bringt sie Jonatans Heldentat mit Sauls Krieg in Verbindung und ordnet sie als eine, wenn nicht die zentrale Episode in diesen Kontext ein. Das Motiv des Nichtwissens, das V. 3 nach V. 1 erneut wieder aufgegriffen wird und die Randbemerkung über Saul und seinen Priester mit der Ortsbeschreibung von V. 4 f. verknüpft, gibt erstere, V. 2 f., darüber hinaus noch als Einschub im Einschub zu erkennen. Ohne diesen gestuften Eintrag indes ist die Geschichte ebenso ort‑ wie zeitlos. So wie sie sich „eines Tages“ (14,1) ereignet, findet sie auch gewissermaßen 91 Diese Beobachtung deckt sich mit einer von Rofé festgestellten Tendenz, Rettungstaten mehr und mehr nicht auf die Großtat einzelner Helden (mit göttlichem Beistand), sondern explizit auf JHWHs Handeln selbst zurückzuführen. Rofé demonstriert dies anschaulich am Vergleich von I Sam 11,9 im MT und in 4Q51. Ersterer läßt den Belagerten in Jabesch ausrichten: „Morgen wird es für euch Rettung geben“ (‫)מחר תהיה־לכם תשועה‬, während letzterer expliziert, daß diese „Rettung von JHWH“ (‫התש [ועה‬ ̊ ‫ )מיהוה‬sein wird (vgl. Rofé, 4QMidrash Samuel, 63 f.). 92 Vgl. Kratz, Komposition, 177, n. 81, der den Priester hier unter die sekundär eingetragenen „Requisiten des heiligen Krieges“ (ebd.) rechnet. 93 Auch Schicklberger sieht V. 6a als „Wiederaufnahme und Wiederholung der Aufforderung Jonatans“ (Schicklberger, Jonatans Heldentat, 328), möchte aber lediglich V. 1b.2 f. als sekundär ausscheiden (vgl. ebd.). V. 4 f. bestimmt er dagegen „als Digression mit textsemantisch redundanter Funktion“ (a. a. O., 329), die sie zweifellos sind – allerdings, nimmt man die Wiederaufnahme ernst, nicht auf der Ebene der Grundschicht. V. 1b, Jonatans Verschweigen seines Vorhabens gegenüber seinem Vater aus dem ersten literarischen Stratum zu tilgen, ist möglich, aber nicht nötig. Zugleich beraubt man sich dadurch des Anknüpfungspunktes für die Fortschreibung in V. 2: „Der Hinweis darauf, dass Jonatan seinem Vater nichts von seinem Vorhaben mitteilt, mag dazu initiiert haben, Saul in Vers 2 […] näher vorzustellen“ (a. a. O., 328).

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„eines Ortes“ statt: Der Angriff richtet sich auf den philistäischen Posten, der „jenseits von hier“ (‫ )מעבר הלז‬liegt – ohne daß dieses „hier“ näher spezifiziert würde. Diese Geschichte von Jonatan und seinem Waffenträger ist dann in sich rund. Der Plan wird vorgelegt, erfolgreich durchgeführt und, in V. 14, mit einem kleinen Nachwort, als „der erste Schlag“ (‫ )המכה הראשנה‬der beiden biographisch kontextualisiert – erst im Rahmen des Gesamtkapitels, das von weiteren Taten Jonatans weiß, wird daraus auch der Erstschlag im Philisterkrieg. In ihrem Grundbestand dagegen bezieht sich die kleine Erzählung von der Heldentat ausschließlich auf sich selbst, ihr „Text ist nicht texttranszendent definiert bzw. deliminiert, sondern vorzüglich durch die textimmanenten Kriterien einer syntagmatischen Substitution.“94 Anders gesagt: Von allen Bausteinen, die Kapitel 14 in seiner Endform konstituieren, erweist sich einzig die Heldengeschichte 14,1–14* als ein Text, der in sich abgeschlossen und ohne seinen heutigen Kontext verständlich ist. Bei ihr ist es in der Tat möglich, eine eigenständige Jonatan-Überlieferung als „Kristallisationspunkt“95 des Kapitels anzunehmen. Ihre Ergänzungen indes weisen bereits über diese Geschichte hinaus und verknüpfen sie mit ihrem Kontext. Dies gilt für die unterschiedlichen Teile der Verse 2–4 ebenso wie für weitere Bestandteile, die aus der Heldentat der beiden jungen Männer vornehmlich eine Tat Gottes, einen JHWH-Krieg machen. Im Rahmen von V. 1–14 sind dies neben V. 2 f. und V. 6aβ die Verse 9 f.12b und, über das ursprüngliche Ende der Erzählung hinausreichend, der Gottesschrecken von V. 15, in gewisser Weise auch die von Saul erwogene Gottesbefragung in V. 17–19, sowie die heillose Verwirrung (‫ )מהומה גדולה מאד‬von V. 20b,96 die bewirkt, daß die Feinde sich gegenseitig selbst niedermetzeln. Hierzu paßt gleichermaßen der Abschluß nach V. 23, der weder von einer Heldentat Jonatans noch von einem Sieg Sauls oder Israels spricht, sondern davon, daß „an jenem Tag“ (‫ )ביום ההוא‬JHWH Israel rettete97 – im Unterschied zu V. 31: Dieser Vers weiß davon, daß „an jenem Tag“ (‫„ )ביום ההוא‬sie“ (3. Person Plural) die Philister von Michmas bis Ajalon heftig schlugen. In ihrem Bestreben, den Sieg über die Feinde in den Bereich des Wunderbaren, mit menschlicher Kraft und Tapferkeit allein nicht zu Erklärenden zu rücken, trifft sich diese Gotteskriegsschicht in Kapitel 14 mit der Intention des Abschnitts, der Israels Wehr‑ und Waffenlosig94 A. a. O.,

333. Das erste Buch Samuelis, 261. Stoebe betrachtet freilich Kapitel 14 weitgehend als literarische Einheit (vgl. ebd.). 96 Vgl. Porzig, Lade, 159, n. 273. Für die Formulierung, daß „des einen Schwert gegen den anderen geht“, vgl. Jdc 7,22, für die „Verwirrung“ (‫ )מהומה‬vgl. Dtn 7,23; 28,20; I Sam 5,9.11; in gewisser Weise auch Jes 22,5; Ez 7,7 f.; Sach 14,13. 97 Vgl. zu dieser Beurteilung von V. 20b.23 erneut Rofé, 4QMidrash Samuel, 63 f., und die vorhergehende Fußnote. Kratz sieht die Bearbeitungen im Geiste des heiligen Krieges, von der vorliegenden Analyse leicht divergierend, in „13,5aβ; 14,3.6–7.10aβb.12b.14b.15 f.18 f.23b“ (Kratz, Komposition, 177, n. 81). 95 Stoebe,

220 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung keit herausstellt (13,19–22) und der Notiz über Sauls Musterung in Gibea, von 13,15, die das angesichts der in 13,5 genannten Zahlen auch in 14,2 genannte lächerliche Ergebnis von 600 Mann ergibt.98 Wenn auch nicht sicher gesagt werden kann, daß alle diese Stücke von derselben Hand eingetragen wurden, so teilen sie doch die gleiche Tendenz und lassen sich demnach im weiteren Sinne der gleichen Bearbeitungsstufe zuweisen.99 In Kapitel 14 erweist sich diese Gotteskriegsbearbeitung nun als jünger im Vergleich zur ersten Verbindung der Jonatangeschichte mit Saul und dem Kontext. Dafür sprechen nicht nur die vor V. 4 eingeschobenen V. 2 f., sondern auch der direkte Vergleich von V. 16 mit V. 19. Auch hier liegt wieder eine Doppelung vor, die einen Einschub umschließt: Zweimal wird vom Standpunkt Sauls aus ein großes „Getümmel“ (‫ )המון‬auf seiten der Feinde beobachtet, das hin und her wogt.100 Abgesehen davon, daß V. 19 die Unruhe im „Lager“ (‫ )מחנה‬der Feinde lokalisiert, der Angriff der beiden Einzelgänger jedoch ursprünglich gegen deren „Posten“ (‫ )מצב‬gerichtet war, offenbart die faktische Wiederaufnahme erneut die diachrone Reihenfolge der Bearbeitungen. V. 17–19 setzen Sauls (erste) Kenntnisnahme der Vorgänge auf der anderen Seite der Front voraus, liegen aber offensichtlich mit dieser nicht auf der gleichen Ebene. Umgekehrt ist diese Gotteskriegsschicht101 vermutlich älter als die Hebräerbearbeitung der Kapitel 13 und 14. Zu letzterer zählt 14,11b, der die Philister zunächst untereinander über „die Hebräer“ spotten läßt, ehe sie mit dem zur Grundschicht zählenden V. 12 mit erneuter Redeeinleitung Jonatan und dem Waffenträger antworten. Zu ihr zählen aber auch und vor allem 14,21 f. – zwei  98 Vgl.

Jdc 7,2 und dazu Stolz, Kriege, 119. im Falle von Sauls Musterung von 13,15b und dem Rekurs darauf in 14,2 ist die Zuweisung alles andere als eindeutig. Die kleine Zahl 600 allein macht sicherlich noch keinen Gotteskrieg – sie wird erst in Verbindung mit den anderen als sekundär erkannten Elementen zu einem typischen Motiv. Die literarkritische Beurteilung von 13,15 wird überdies dadurch erschwert, daß man hier, folgt man der textkritischen Entscheidung zugunsten von LXX, mit einem rekonstruierten Text arbeiten muß. Die griechische Partizipialkonstruktion mit Genitivus Absolutus (αὐτῶν παραγενομένων) läßt es schwierig erscheinen, hier eine Naht vorzufinden – McCarter rekonstruiert hier indes, Driver folgend, den hebräischen Narrativ „wyb w“ (McCarter, I Samuel, 227; vgl. Driver, Notes, 101 f.). Hieran ließe sich gleichermaßen gut der Narrativ von V. 15b (‫ )ויפקד שאול‬anschließen wie der Partizipialsatz V. 16. Die Wiederholung und unterschiedliche begriffliche Füllung des „Volks, das sich findet“ in V. 15b und V. 16 spricht für eine diachrone Naht – gleichwohl würden sich sowohl 13,15b wie 14,2 auch hervorragend in die ältere Schicht fügen, welche die Verbindung zwischen Saul‑ und Jonatangeschichte etabliert. 100 Vgl. 14,16: „und siehe, das Getümmel wogte und ging hin und her“ (‫והנה ההמון נמוג וילך‬ ‫והלם‬ – vermutlich liegt hier eine Haplographie aus ‫ הלם והלם‬vor, vgl. LXX ἔνθεν καὶ ἔνθεν, so Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 260), mit 14,19: „Und das Getümmel, das im Lager der Philister war, ging und wurde groß“ (‫)וההמון אשר במחנה פלשתים וילך הלוך ורב‬. 101 Die Beurteilung von V. 19 als Wiederaufnahme von V. 16 erklärt die Zuweisung von V. 17 zur Gotteskriegsbearbeitung, eines Verses, der für sich genommen keinerlei Anlaß dazu geben würde.  99 Besonders

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Verse, die den Zusammenhang von V. 20b zu 23 (Gotteskriegsbearbeitung) unterbrechen. Den Zusammenhang beider scheint nun wiederum schon die Geschichte von Sauls Fluch vorauszusetzen: Ihre Exposition in 14,24a knüpft terminologisch sowohl an V. 22 als auch an V. 23 an: „Es wurde der Mann Israels bedrängt“ (‫ואיש־‬ ‫ישראל נגש‬, vgl. V. 22, aber auch 13,5!) „an jenem Tag“ (‫ביום ההוא‬, vgl. V. 23). Ehe aber an dieser Stelle die Kette der Fortschreibungen weiterverfolgt werden kann, ist es wichtig, ein Zwischenresümee einzuschalten, um nicht den Überblick zu verlieren. Bisher wurde einerseits in Kapitel 13 ein noch nicht exakt abgegrenzter Kern erkannt, der vom Krieg Sauls (ohne Jonatan) von Gilgal aus gegen die Philister spricht, welche sich in Michmas versammelt haben. Demgegenüber findet sich in 14,1.7 f.11a.12a.13 f.102 eine Heldengeschichte über den Anschlag Jonatans und seines Waffenträgers auf einen philistäischen Posten (‫)מצב‬, die von Sauls Krieg nichts zu wissen scheint. Während letztere nun schon näher bestimmt werden konnte, gilt es nun zunächst, den weniger leicht aufzufindenden Erzählfaden der Saul-Geschichte weiter zu verfolgen. Die Analyse der Jonatan-Geschichte von Kapitel 14 im Vergleich zu Kapitel 13 ist eine wichtige Voraussetzung dafür. Sie ermöglicht es bereits, Antworten auf die oben aufgeworfenen drei großen Fragen des Abschnitts zu geben, nämlich wie sich die darin handelnden Personen in ihren Handlungen zueinander und zu den jeweiligen Ortsangaben verhalten. So konnte einerseits Saul von Jonatan und andererseits des ersteren Krieg gegen das philistäische Heer von des letzteren Angriff auf den „Posten“ (‫ )מצב‬getrennt werden. Schwieriger verhält es sich indes mit den jeweiligen Orten. Der Vergleich von 13,5.7b mit 13,16 ließ für Saul die Priorität von Gilgal und Michmas über Geba / Gibea erkennen – die Analyse der Jonatangeschichte ergab indes, mit der Beurteilung von 14,4 f. als sekundär, für ihre mutmaßliche Grundschicht eine Fassung ohne jede konkrete Ortsangabe. Das evoziert die Frage, wie Geba oder Gibea überhaupt Eingang in die Geschichte finden konnten. Zwei Erklärungen dafür sind m. E. denkbar. Zum einen ist es bei einer unlokalisierten Geschichte, die „eines Tages“ einsetzt, nicht unplausibel anzunehmen, daß sie vom Heimatort ihres Hauptakteurs ausgeht – und das wäre Gibea. Zum anderen und damit nicht zwangsläufig in Widerspruch stehend, nötigt es spätestens die Verbindung von Saul‑ und Jonatangeschichte, den Ausgangspunkt für die Exkursion des Prinzen den Gegebenheiten anzupassen. Geht man davon aus, daß Saul (literarisch) zunächst mit 13,7b „noch in Gilgal“ weilt, während die Philister sich in Michmas versammeln, so belehrt ein Blick auf die Karte,103 daß eine Kommandoaktion, wie sie in 14,1–14* beschrieben wird, von dort 102 Die abgegrenzte Grundschicht ähnelt, von Details abgesehen, derjenigen von Schicklberger („Verse 1a.4–11a.12*.13a.14“, Schicklberger, Jonatans Heldentat, 332) und Kratz („etwa V. 1.(2.4–5.)8–10aα.11a.12a.13a.14a“, Kratz, Komposition, 176). 103 Vgl. z. B. den instruktiven Ausschnitt bei Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 11.

222 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung aus kaum möglich ist. Die zu überwindende Distanz (ca. 20 km Luftlinie) ist schlicht zu groß. Jonatan muß dafür näher an den Feind (in Michmas) gebracht werden – und diese Funktion erfüllt sein Heimatort Gibea ebenso wie – in noch größerem Maße – Geba. Diese Überlegungen sind schließlich wichtig für die Beurteilung der Verse 13,2–4, durch welche das Thema des Philisterkriegs allererst angeschlagen wird. Abgesehen von der – textkritisch spannenden104 – Hebräerglosse in 13,3b105 erweist sich das Stück 13,2.3a.4 als perfekte Ouvertüre für das folgende Doppelkapitel: Alle Personen und Ortschaften, die im folgenden eine Rolle spielen, werden zusammengebracht und unter das zentrale Thema gestellt. Es treten auf: Saul, Jonatan, die Philister, ganz Israel und das Volk, es werden vorgestellt: Michmas, Bethel (vgl. 13,5; 14,23),106 Gibea Benjamins und Geba. Worum es schließlich gehen wird, ist ebenfalls eindeutig: „Israel hat sich bei den Philistern stinkend gemacht“ (‫נבאש ישראל בפלשתים‬, 13,4)107 – das bedeutet Krieg. Die genannten Namen erscheinen also als aus den folgenden zwei Kapiteln gesammelt – die Handlung, der zweifach erwähnte Anschlag auf den „Posten“ oder „Vogt“ (‫ )נציב‬der Feinde erweist sich als „aus 14,1–14 gesponnen[…]“.108 Der dortige Angriff auf den „Posten“ (‫ )מצב‬wird gedoppelt und an den Anfang der vereinten Kriegsgeschichte verlagert. Daß beide Begriffe, ‫ נציב‬und ‫מצב‬, nahezu synonym verwendet werden können, belegt II Sam 23,14 (‫ )מצב‬im Vergleich mit der Parallelstelle I Chr 11,16 (‫)נציב‬.109 Technisch ist das Vorgehen, das sich in dieser Ergänzung des Vorspanns erkennen läßt, das gleiche, welches Rofé hinter dem Plus von 4Q51 in I Sam 11,1 erkannt hat, nämlich „a characteristic midrashic feature: the duplication of biblical events.“110 „[A] single deed of one

104 Im MT stößt Saul ins Horn und läßt verkünden: „die Hebräer sollen hören“ (‫)ישמעו העברים‬, während die Botschaft nach LXX lautet, daß „die Knechte abgefallen“ seien (ἠθετήκασιν οἱ δοῦλοι). Hinter den „Knechten“ steht wohl eine Daleth-Resh-Verwechslung (‫ עבדים‬statt ‫)עברים‬, und beim Verb könnte man erwägen, ob eine Form der Wurzel ‫ פשע‬gelesen wurde (vgl. I Reg 12,19). Die VL-Zeugen L93 und L94 scheinen nun beides zu kombinieren: „audiant Haebrei dereliquerunt servi“ – wenn man nicht annehmen möchte, daß dies die ursprüngliche Lesart sei und LXX wie MT ein jeweils durch Haplographie entstandenes Derivat darstellten. 105 Womöglich umfaßt diese Glosse nur V. 3bβ: Das Stoßen ins Horn von 3bα paßt hervorragend zur Gotteskriegsbearbeitung. 106 Das in 13,5; 14,23 genannte Bet-Awen ist wohl als Dysphämierung von Bethel zu verstehen (vgl. Gesenius18, 144) – oder „ein eigener Name dafür“ (Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 26 f.). LXX hat in 13,4 Βαιθωρων, Bet-Horon (vgl. 13,18), in 14,23 Βαμωθ, Bamot, „Höhen“, sowie ein längeres Plus, das Sauls Heerschar als 10 000 Mann stark beziffert (nach Grillet/ Lestienne, Premier Livre, 258, „un ajout délibéré“). Zu den Ortsnamen vgl. a. a. O., 107–110. 107 So wie David in den Augen Achischs bei Saul (I Sam 27,12), die Ammoniter bei David (II Sam 10,6) und Absalom bei seinem Vater (II Sam 16,21). 108 Kratz, Komposition, 176, n. 81. 109 Vgl. Gesenius18, 722. 110 Rofé, Acts of Nahash, 131. Vgl. die zahlreichen Beispiele aus Pseudo-Philos Liber Antiquitatum Biblicarum wie aus der rabbinischen Literatur a. a. O., 131 f.

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hero is multiplied, thus being transformed into a salient aspect of his character.“111 Nahasch, der Ammoniter, erscheint somit in 4Q51 „as an inveterate ‚eye-gouger‘“112 – und Jonatan in I Sam 13 f. als ein im Kampf gegen philistäische Stützpunkte generell herausragender Einzelkämpfer. Sauls Stoßen ins Horn von V. 3bα. läßt es möglich erscheinen, diesen Viertelvers mit der oben diskutierten Gotteskriegsergänzung in Verbindung zu bringen,113 V. 3bβ zählt zweifellos zur Hebräerbearbeitung – 13,2.3a.4 dürfte am ehesten zu derjenigen Schicht zählen, die Saul‑ und Jonatangeschichte miteinander verbindet, oder auf dieser aufbauen. Diese Analyse von 13,2–5 aber bedeutet, daß der Anfang der Geschichte von Sauls Krieg gegen die Philister in 13,5 liegt und damit, wie I Sam 4,1LXX, ganz klassisch mit dem Aufmarsch der Feinde beginnt. Wie oben dargelegt, zählt zu diesem Anfang die korrespondierende Information über den Aufenthalt des israelitischen Heeres von V. 7b. Hier aber ist davon die Rede, daß Saul „noch“ (‫ )עודנו‬in Gilgal weilt. Dorthin gelangt er durch den eben als sekundär erkannten V. 4. Dieser aber ist nur deshalb nötig geworden, weil V. 2, im Bestreben, alle Lokalitäten der folgenden Ereignisse unterzubringen, Saul nach Michmas transportiert. Auch ohne die Einschreibung von 13,2–4 indes ist der König – samt dem „Volk“ (‫„ )עם‬noch“ in Gilgal – von 11,15 her. Hier, in der zweiten Königserhebung, liegt der direkte literarische Anschluß für die Grundschicht der Philisterkriegserzählung Sauls.114 Hier finden wir auch die gleichen Akteure wie in 13,7b: Einerseits Saul, andererseits „das ganze Volk“ (‫)כל־העם‬. Die weitere Fortsetzung dieses Stratums ist aufgrund des bisher Erarbeiteten nun vergleichsweise leicht zu erkennen. V. 8–16 wurden oben anhand der als Wiederaufnahme von V. 5.7b fungierenden Wiederholung des Aufmarschs der Kontrahenten in V. 16 als (in sich geschichtetes) sekundäres Stück erkannt. V. 17 dagegen nimmt den Faden von V. 5.7b wieder auf. Aus dem feindlichen Lager rückt der „Verderber“ (‫ )משחית‬in drei Abteilungen aus. Ähnlich wie dies bereits bei der Schilderung des Aufmarschs der Fall war, gibt es auch zu diesem Ausrücken aus dem Lager eine Doppelung, nämlich in 13,23. Hier ist es nun nicht der „Verderber“, sondern der „Posten“ (‫)מצב‬, der sich, wie in V. 17,115 aufmacht und zum Paß von Michmas zieht. Diese Notiz erfüllt eine zweifache Funktion. Zum einen bringt sie die Orte und die Bezeichnungen der 111 Ders.,

4QMidrash Samuel, 66. Acts of Nahash, 132. 113 Vgl. von Rad, Der Heilige Krieg, 6. 114 Auch Vermeylen sieht den Anknüpfungspunkt für den „récit primitif“ (Vermeylen, Loi, 78) in 11,15 – bestimmt diese Grundschicht aber gänzlich anders als die vorliegende Arbeit in „13,3bα.4a.15b–16; 14,1.13–14.24.25b–30.36–46*“ (ebd.), also bereits mit Jonatan. Unter anderem verblüfft an dieser Einteilung der nicht unabrupte Anschluß von 14,24 an 14,14, sowie der Einschluß der ganzen Fluchgeschichte. 115 Vgl. 13,17: „Und es zog aus der Verderber vom Lager der Philister“ (‫ויצא המשחית ממחנה‬ ‫ )פלשתים‬mit 13,23: „Und es zog aus der Posten der Philister“ (‫)ויצא מצב פלשתים‬. 112 Ders.,

224 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung feindlichen Truppenteile aus der Saulgeschichte einerseits und der Jonatanerzählung andererseits zusammen und dient auf diese Weise als ein Bindeglied zwischen Kapitel 13 und 14. Der „Posten“ aus 14,1 erscheint anstelle des „Verderbers“ von 13,17,116 und der Lagerplatz des Philisterheeres (Michmas) von 13,5 wird mit einem „Übergang“ (‫ )מעבר‬verbunden, in welchem sich unschwer das transformierte Ziel von Jonatans Attacke aus 14,1 erkennen läßt, die nach „jenseits von hier“ (‫ )מעבר הלז‬zielt.117 Zum anderen wird durch diese Wiederholung erneut ein eindeutig eingeschobener Block umfangen, diesmal der Abschnitt über das sogenannte Metallmonopol in 13,19–22. Es folgt ab 14,1 der Angriff des Prinzen und seines Waffenträgers. Ohne Verbindung mit seinem Sohn und zu der über ihn erzählten Geschichte begegnet Saul erst wieder in V. 20a – als Subjekt erneut in Gemeinschaft mit dem „ganzen Volk“ (‫)כל־העם‬, wie in 13,7b (und 11,15!). Sie stimmen das Kriegsgeschrei an und ziehen dem in 13,17 (f.)118 ausgerückten Feind entgegen. Hieran knüpfen nun die beiden kurzen Beschreibungen dessen an, was sich „an jenem Tag“ (‫ביום‬ ‫ )ההוא‬ereignete: V. 23 und V. 31. Der direkte Vergleich beider Stellen führte oben dazu, die erstgenannte einer Gotteskriegsbearbeitung des Kapitels zuzuweisen. Die ältere und direkt an V. 20a anschließende ist demnach 14,31, die von einem Sieg des israelitischen Heeres von Michmas bis Ajalon berichtet.119 Michmas – Ajalon, das bedeutet erneut eine Strecke von gut 20 km Luftlinie im Verfolgungskampf – „Kein Wunder, wenn das Volk erschöpft war“120 („und das Volk wurde sehr müde“, ‫)ויעפ העם מאד‬. Als kluger Feldherr erkennt Saul nun offensichtlich das Risiko, das diese Situation für ihn darstellt und handelt entsprechend – nicht, indem er, wie es 14,36 im Rahmen der Fluchgeschichte meint, jetzt das momentum zu seinen Gunsten auszunutzen und den Gegner ein für alle Mal zu vernichten trachtet, sondern so, wie es sich nach Abzug aller als solcher erkannten Ergänzungen darstellt: Er bricht, mit 14,46, die Verfolgung ab, und die geschlagenen Philister ebenso wie die siegreichen Israeliten ziehen sich auf den status quo ante zurück. 116 Vgl. in diesem Sinne auch 14,15aβ – hier wird, möglicherweise als eine Glosse, „der Verderber, auch sie“ (‫ )משחית […] גם המה‬noch zum erzitternden „ganzen Volk des Postens“ (‫ )כל־העם המצב‬hinzugefügt. 117 Im sekundären Vers 14,4 sind bereits aus dem „drüben“ (‫„ )מעבר‬Übergänge“ (‫)מעברות‬ zwischen zwei Felszinnen geworden, von denen eine „diesseits“, die andere „jenseits von dort“ (‫ )מהעבר מזה‬steht. 118 Die Analogie zu einer Wiederaufnahme bei der Betrachtung von 13,17 und 13,23 läßt es denkbar erscheinen, daß auch 13,17b.18, die vom Weg der drei „Abteilungen“ (‫ )ראשים‬sprechen, eine explikative Glosse darstellen. Dies würde freilich wenig ändern – abgesehen davon, daß dann das Zusammentreffen beider Heere, wie es 14,31 „von Michmas bis Ajalon“ vermerkt, leichter vorstellbar wäre. 119 Pace Donner, der 14,31 zur Geschichte vom Altarbau hinzunimmt (vgl. Donner, Verwerfung, 256, n. 111). 120 Hentschel, Saul, 78 f.

6.2 Samuel – Lade – Philister: Die erweiterte Saulüberlieferung

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Damit ergibt sich eine Grundschicht der Erzählung vom erfolgreichen Krieg Sauls über die Philister, welche sich direkt an 11,15 anschließt. Sie umfaßt 13,5aα1.b.7b.17a(–18); 14,20a.31.46. In einem weiteren Schritt wurde in sie eine für sich abgeschlossene Überlieferung von einer Heldentat Jonatans (14,1.7 f.11a.12a.13 f.) eingearbeitet. Von diesem Standpunkt aus ist nun noch einmal ein Blick auf den eben zur Grundschicht gerechneten Vers 14,31 zu werfen, der von der Erschöpfung des israelitischen Heeres spricht. Er bildet die Grundlage für die Einschreibung der beiden großen Blöcke von Kapitel 14, der Fluchgeschichte einerseits und Sauls Altarbau andererseits. Auf der ältesten literarischen Ebene (14,20a.31.46) ist die Müdigkeit die Folge des langen und erfolgreichen Kampfes. Die eingetragenen Verse 14,24–30 stellen die Lage indes ganz anders dar. Nach ihnen ereignet sich „an jenem Tag“ (‫ביום ההוא‬, V. 23.24.31) noch mehr und anderes. Der „Mann Israels“ gerät in die Defensive, Saul spricht sein törichtes Verbot121 aus – und dies hat nun zur Folge, daß die Kämpfer ermatten („und das Volk wurde müde“, ‫ויעף העם‬, 14,28) und nach V. 30 der „Schlag an den Philistern nicht groß“ ist (‫)לא־רבתה מכה בפלשתים‬. 14,30 relativiert auf diese Weise die doch recht weitgesteckte Ortsangabe von V. 31 in erheblichem Maße, und 14,28 gibt eine Erklärung für die scheinbare Kraftlosigkeit des Heeres an, die im Vergleich mit V. 31 seinen Anführer nicht im besten Licht erstrahlen läßt. Diese Verknüpfung einer Ergänzung mit der Grundschicht der Erzählung, indem bestimmte Schlüsselbegriffe aufgegriffen und derart modifiziert werden, daß eine neue Deutung des gesamten Geschehens in den Text eingetragen wird, spricht m. E. massiv dafür, hier keine weitere selbständige Überlieferung oder Quelle eingearbeitet zu sehen, sondern einen ausgedehnten Fortschreibungszusammenhang anzunehmen.122 Gleiches gilt für den Eintrag in 14,32–35.123 Er setzt an Jonatans Bemerkung über die Beute (‫ )שלל‬von 14,30 an und spinnt sie zu einer priesterlich inspirierten Episode fort. Das Volk agiert in V. 32 so, als habe es Jonatans Ausruf „als Vertreter einer neuen Zeit, die viel profanere Züge trägt“124 vernommen und beginnt, unkontrolliert die erbeuteten Tiere zu schlachten und „über dem Blut“ (‫ )על־הדם‬zu essen – was nach dem Gebot einer neuen Zeit, dem Heiligkeitsgesetz, Lev 19,26,125 121 Pace White, die in Sauls Gelübde „originally a pious act“ (White, Saul and Jonathan, 132) erkennt und es mit demjenigen Hannas parallelisiert (vgl. a. a. O., 128). 122 Pace Jobling, Saul’s Fall, 372 f.; Dietrich, 1Sam 13,1–14,46, 72. Kaiser, König Saul II, 4. 123 Auch Adam beobachtet, daß „vv. (31)32–35 may seem as a strange addition“ (Adam, Saul as a Tragic Hero, 164), gleichwohl betrachtet er den ganzen Abschnitt 14,24–46 als literarisch einheitlich und sieht in dem Stück von V. 32–35 ein dramatisches Element einer Tragödie (vgl. ebd.). 124 Conrad, Junge Generation, 71. 125 „Essen über dem Blut“ (‫ )אכל על־הדם‬gibt es in dieser Formulierung neben unserer Stelle nur in Lev 19,26 und Ez 33,25.

226 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung streng verboten ist. Das Errichten eines Schlachtsteins126 soll die Sünde (Wurzel ‫ חטא‬in 14,33.34) abwenden. Insgesamt erscheint der Abschnitt so als eine Einschreibung, die von einer Tendenz zeugt, wie sie Rofé erkannt hat, wenn er den „nomistic concern“127 als eine wichtige Motivation für späte redaktionelle Arbeit an den Texten bestimmt: „Actions and persons of Israel in the past were measured by the yardstick of the Torah.“128 Mit dieser Bestimmung von I Sam 14,32–35 liegt nun eine komplette Analyse des komplexen Doppelkapitels I  Sam 13–14 vor. Zusammengefaßt stellt sich deren Ergebnis nun folgendermaßen dar: Die Entstehung des Kapitelzusammenhangs, der vom Beginn von Sauls Auseinandersetzung mit den Philistern erzählt, läßt sich nicht nur durch die Annahme mehrerer, in unterschiedlichem Grad fragmentarisch erhaltener eigenständiger Überlieferungen erklären, die durch die Hände diverser Redaktoren in die heutigen Textgestalten gebracht worden seien. An Stelle der oft angenommenen bruchstückhaften Überlieferungen kann eine in sich kohärente und abgeschlossene literarische Grundschicht herausgearbeitet werden, die von Sauls erfolgreicher Verteidigung gegen einen philistäischen Angriff und einem Sieg von Michmas bis Ajalon berichtet. In diese Erzählung wurde eine in der Tat womöglich einmal unabhängige Geschichte über eine Heldentat Jonatans eingearbeitet. Dadurch entstand ein Kompositum, das seinerseits die Grundlage für eine vielfältige, unterschiedlich motivierte und unterschiedlich dimensionierte Fortschreibungstätigkeit bildete. Insgesamt lassen sich, kleinere Glossen unberücksichtigt, acht literarische Ebenen voneinander abheben. 1. Die Grundschicht in 13,5aα1.b.7b.17a(–18?); 14,20a.31.46. Sie erzählt, in direktem literarischen Anschluß an Sauls Erhebung zum König in 11,15, von einem erfolgreichen Defensivschlag des frisch Gekrönten. Während Saul und das Volk sich noch in Gilgal aufhalten, marschieren die Philister bei Michmas auf und beginnen in drei Abteilungen das Land zu verwüsten. Sauls Truppe eilt herbei und schlägt den Feind. Die Kontrahenten ziehen sich auf die jeweiligen Ausgangsstellungen zurück. 2. Die Jonatan-Überlieferung in 14,1.7 f.11a.12a.13 f. Ohne Orts‑ und Zeitangabe berichtet dieses Stück von der ersten Heldentat Jonatans, die in einem mit seinem Waffenträger spontan ausgeführten Attentat auf einen philistäischen „Posten“ (‫ )מצב‬besteht. 126 Es wäre zu überlegen, ob V. 35, der diesen Stein zu einem „Altar“ (‫ )מזבח‬und dann sogar zu Sauls erstem von offensichtlich mehreren erklärt und damit eine per se rite vollzogene Profanschlachtung nach Dtn 12,15 f. in den Ruch eines Verstoßes gegen die Kultzentralisation und einer illegitimen Opferhandlung bringt. Anders sieht dies freilich Dietrich, der meint, hier erscheine „Saul als Altarbauer – und damit in einer Pose, die jedem antiken Herrscher wohl anstand“ (Dietrich, 1Sam 14,1–15,35, 95). 127 Rofé, 4QMidrash Samuel, 69. 128 Ebd.

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3. Die Verbindung beider in 13,2.3a.4.15aβLXX.16; 14,4–6aα(β?).16. Diese Bearbeitungsschicht lokalisiert Jonatans Attacke an den Ort des philistäischen Aufmarsches der Grundschicht. Zugleich bringt sie Saul samt seinen Getreuen näher an das Heer des Feindes, um die Heldentat in ihrem jetzigen Kontext allererst zu ermöglichen und schafft darüber hinaus einen Vorspann, der, einer Ouvertüre gleich, die nunmehr bereits zahlreichen unterschiedlichen Personen und Orte in eine sinnvolle Ordnung zu bringen trachtet. Durch die Art und Weise, wie sie die Jonatan-Überlieferung in ihren späteren Kontext integriert, verändert sie das Bild vom Kriegsgeschehen nicht unerheblich. Die Initiative liegt nun nicht mehr beim König, sondern beim Kronprinzen – dieser ist der eigentliche Held geworden, der durch seine Tollkühnheit das Treffen eigentlich schon entschieden hat, als jener mit dem Rest des Heeres die Wallstatt allererst betritt. Ab jetzt geht es primär nicht mehr um Saul, sondern um Saul und Jonatan, oder, eher noch: um Jonatan und Saul. Mit diesem betonten Interesse am ältesten Sohn des Königs berührt sich diese Schicht mit der Darstellung der Schlacht von Gilboa in II Sam 1* gegenüber deren älterer Fassung in I Sam 31*. 4. Die Gotteskriegsbearbeitung in 13,3bα (ohne ‫)לאמר‬.5aα2.β.15b.19–23; 14,2 f.6(aβ?).b. 9 f.12b.15.17–19.20b.23. Die Frage, wer primär und eigentlich für den Sieg verantwortlich sei, bestimmt auch dieses literarische Stratum, das womöglich die Arbeit mehrerer Hände umfaßt. Ihnen zufolge ist der Erfolg weder Saul noch Jonatan noch dem Volk in seiner Gesamtheit zuzuschreiben, sondern zuallererst JHWH selbst. Trotz der beängstigend kleinen Zahl des israelitischen Aufgebots und trotz der für einen Krieg denkbar ungünstigen Situation weitgehender Waffenlosigkeit gibt JHWH die Feinde in die Hand Israels. Ein Gottesschrecken in deren Lager tut das übrige: Sie, die über Waffen verfügen, fallen damit selbst übereinander her – JHWH hat Israel an jenem Tag gerettet (14,23). 5. Die Verwerfung Sauls in 13,8–15aαLXX. Dieses Stück läßt sich samt der in ihm seinerseits nachgetragenen Elemente in mindestens V. 13bα und 14bβ innerhalb seines unmittelbaren Kontexts von Kapitel 13 eindeutig als sekundär bestimmen und damit im Vergleich mit den bisher dargestellten Stufen 1.–4. gut relativ datieren – wie es sich allerdings zu den im folgenden unter 6.–8. aufgeführten Schichten verhält, ist schwer zu sagen: Es steht zu ihnen in keiner unmittelbaren literarischen Beziehung. In jedem Fall nimmt der Abschnitt eine neue und den Stufen 1.–4. entgegenstehende Bewertung des Geschehens vor. Diese rücken zwar Schritt für Schritt Sauls Anteil am errungenen Schlachtenruhm in den Hintergrund  – der Erfolg als solcher indes steht bei ihnen noch außer Frage. Nun jedoch erscheint dieser zumindest für den König als zweifelhaft. Seine Herrschaft wird bereits von ihrem Ende her betrachtet: Israel mag dank JHWHs Eingreifen gerettet werden (14,23), Saul wird es nicht. Der Sieg wird für ihn zum Pyrrhussieg, und er und sein Königtum geraten durch eigenes Verschulden zum Kollateralschaden dieses Krieges. Der Blick auf Saul ähnelt

228 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung hier demjenigen, wie er auch die Fortschreibung prägt, die von seiner törichten Verfluchung des Volkes handelt (7.).129 6. Die Hebräerbearbeitung in 13,3bβ (mit ‫)לאמר‬.6 f.; 14,11b.21 f. dagegen ist weniger an der Gestalt des Königs, sondern in erster Linie am Volk interessiert, das vor den Feinden zunächst erzittert und flieht, dann aber am militärischen Erfolg teilzuhaben wünscht.130 7. Sauls Speiseverbot und seine Folgen in 14,24–30.36–45. Eine umfangreiche Fortschreibung rankt sich um die Notiz der Grundschicht in 14,31, wonach das Volk im Verlauf des Kampfes müde geworden sei. Ist dies dort aber das Resultat eines langen und erfolgreichen Kampfes, so wird hier zum einen dessen Ergebnis relativiert und zum anderen die Erschöpfung auf einen törichten Schwur des Heerführers zurückgeführt. Nicht nur hat Saul wenig bis gar keinen Anteil mehr an Israels Sieg, er setzt sogar alles daran, diesen und das Leben des heldenhaften Prinzen zu verspielen. Über der langen Prozedur des Gottesurteils, die wie eine Umkehrung der Loswahl von Mizpa in 10,17–27 erscheint, ist von einem erfolgreichen Ausgang der Schlacht kaum mehr etwas zu bemerken. 8. Das Schlachten der Beutetiere in 14,32–34(35). In diesen Zusammenhang fügt sich schließlich noch eine weitere Einschreibung ein, die Jonatans Ausruf, das Volk hätte sich besser am erbeuteten Vieh gesättigt, in die Tat umsetzt. Hieraus indes entsteht ein Frevel: Man ißt „über dem Blut“ (‫)על־הדם‬ – ein Verstoß gegen Lev 19,26, den Saul durch das Errichten einer improvisierten Schächtstätte korrigiert. Handelt hier der König auch entsprechend der ‫מצוה‬, so läßt dies der möglicherweise noch nachgetragene V. 35 wieder zweifelhaft erscheinen, wenn er den herbeigebrachten Stein zu einem „Altar“ (‫ )מזבח‬erklärt. Die nomistische Tendenz, die in diesem Abschnitt zu spüren ist, entspricht derjenigen, die in I Sam 9,13.22.24 Wert darauf legt, Samuel, der keinem priesterlichen Geschlecht entstammt, vom Vollzug eines Opfers zu distanzieren.131

6.2.2 Die erweiterte Saulüberlieferung – Zusammenfassung Die mit 11,15 zwischen Ammoniterschlacht in Kapitel 11* und Sauls Nachruf in 14,47–51* eingeschobene Grundschicht in 13,5aα1.b.7b.17a(–18?).20a.31.46, welche von der Auseinandersetzung Sauls mit den Philistern weiß, endet offen. Sauls Sieg bleibt ein Sieg nach Punkten, und der Leser erwartet geradezu, daß die 129 Donner sieht denn auch in 14,23b–46, einem Text, hinter dem er eine alte Tradition vermutet, die „Wurzel des Gedankens von der Verwerfung Sauls“ (Donner, Verwerfung, 259). 130 Aufgrund des Terminus „Hebräer“ (‫ )עברים‬und „bedrängen“ (‫ )נגש‬sieht Berges „unsere Stelle in die Nähe des Exodusgeschehens“ (Berges, Verwerfung, 166) gerückt und eine Parallele zwischen Ägypter‑ und Philisternot etabliert. Dies ist m. E. nicht ausgeschlossen. In diesem Punkt träfe sich diese Bearbeitung mit dem Halbvers 9,16b, der den Bogen zu Ex 3,9 schlägt. 131 Vgl. oben S. 176.

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Feindseligkeiten erneut ausbrechen werden, nachdem mit 14,46 beide Parteien „an ihren Ort“ (‫ )למקומם‬zurückgekehrt sind. Darum könnte zwar der Abschluß der älteren Saulüberlieferung in 14,47–51* seinem Charakter nach durchaus auch als Nachruf über Saul, den Philisterkämpfer fungieren, die Frage nach der weiteren Entwicklung dieses Konfliktes wäre damit jedoch merkwürdig offengelassen. Dem bleibt jedoch nicht so, wenn man die Geschichte von Sauls Niederlage auf Gilboa als Bestandteil dieses erweiterten Erzählzusammenhangs begreift. Dort treffen die Kontrahenten ein weiteres Mal aufeinander, und diesmal bleibt es nicht bei einem Punktsieg, sondern es gibt ein eindeutiges Ergebnis: Saul verliert alles: Königreich, Nachkommen und das eigene Leben. In der Tat ist I  Sam 31* auf der Ebene der erweiterten Saulüberlieferung als direkte Fortsetzung von 14,51* denkbar. Das Kapitel teilt mit den anderen Texten dieses Zusammenhangs das Interesse an der Philisterproblematik, und es betrachtet dabei ausschließlich Saul und seine Familie – die Bedeutung des Ereignisses für David rückt erst durch die Fortschreibung in II Sam 1,1–12* in den Blick.132 Allerdings böte I Sam 31 im direkten Anschluß an Kapitel 14 eine überaus abrupte Fortsetzung des bislang Erzählten. Eben waren die Philister mit 14,46 noch in ihre Städte zurückgekehrt, nun kämpfen sie bereits wieder mit Israel.133 Es liegt daher nahe anzunehmen, daß, wie dies in I Sam 13,5 der Fall ist, auch Sauls letzter Schlacht ein (erneutes) Aufziehen beider Heere vorangeht: „Der Aufmarsch der Gegner […] wird vorausgesetzt.“134 Tatsächlich wird von einem solchen nicht weniger als dreimal berichtet: Die Philister versammeln sich (‫ )ויקבצו פלשתים‬in I Sam 28,1, in 28,4 und in 29,1. Auch in diesem Fall unterscheiden sich die drei ähnlichen Notizen wieder in Details, die sich für ihr diachrones Verhältnis zueinander auswerten lassen. So datiert 28,1 das Ereignis in „jene Tage“ (‫ )ויהי בימים ההם‬und läßt sich damit kaum an 14,51 anschließen. Statt dessen wird damit der Faden der Davidgeschichte aufgenommen, die im vorhergehenden Kapitel davon wußte, daß der Sohn Isais in die Dienste Achischs von Gat getreten war – dementsprechend ist es auch schwer möglich und kaum sinnvoll, den Bezug auf beide Personen in 28,1b.2 von der Aufmarschbemerkung in 28,1a zu trennen. 132 Vgl.

oben S. 140. der Endtextebene kämpft freilich Saul zunächst noch in Kapitel 15 gegen die Amalekiter. Dieses Kapitel dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit weder Bestandteil der älteren noch der erweiterten Saulüberlieferung gewesen sein. Gegen ersteres spricht seine in diesem Kontext nicht erklärbare Stellung nach dem Nachruf von 14,47–51*, gegen letzteres der Umstand, daß es den Zusammenhang, den 14,52 über das Philisterthema zwischen Saul‑ und Davidüberlieferung herstellt, unterbricht. I Sam 15 erklärt sich nicht von Saul, sondern von David her: Die Geschichte gibt vorgeschaltet eine Erklärung, warum es zu der in Kapitel 16 berichteten Salbung Davids ante mortem regis und zu dessen ab Kapitel 17 beschriebenem unaufhaltsamen Aufstieg kommen konnte und mußte (vgl. Kaiser, König Saul II, 11 f.). 134 Hentschel, 1 Samuel, 157. 133 Auf

230 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung 28,4 wiederum spricht nicht nur (wie u. a. der sekundäre Halbvers 11,2b) dezidiert von „ganz Israel“ (‫)כל־ישראל‬, sondern bietet auch bereits die Lokalitäten der späteren Schlacht (die Philister sind in Schunem in der Jesreel-Ebene und die Israeliten auf der Höhe von Gilboa), hinter die 29,1 in gewissem Sinne wieder zurückfällt. Nach diesem Vers stehen die Philister (erst) in Afek,135 Sauls Truppen aber „an der Quelle, die in Jesreel ist“ (‫)בעין אשר ביזרעאל‬. 28,4 greift also über den Aufmarsch hinweg bereits auf das Schlachtgeschehen voraus – 31,1 wird „übel antecepirt“136 und damit kenntlich, daß „28,3–15 deutlich auf späterer Ergänzung beruht, worin in üblicher, hier höchst wirksamer Weise das drohende Ereignis seinen Schatten vorauswirft“.137 Somit ergibt sich 29,1 als der älteste Hinweis auf die erneuten philistäischen Kriegsvorbereitungen zu erkennen. Nota bene: Man trifft sich dabei für den kommenden Feldzug am gleichen Ort, an dem man sich bereits vor der Ladeschlacht in 4,1 gelagert hatte. An diese zweite Versammlung in Afek schließt sich auf der Ebene der Endtexte die Episode an, welche von Davids Demission aufgrund des entsprechenden Votums der „Fürsten der Philister“ (‫סרני פלשתים‬, 29,2) berichtet, woraufhin der scheinbar unsichere Kantonist sich mit seinen Mannen ins Land der Philister (‫אל־ארץ פלשתים‬, 29,11a) zurückzieht. Einem Stichwortanschluß nicht unähnlich folgt daraufhin mit der Nennung des neuen Subjekts („und die Philister“ [‫]ופלשתים‬, 29,11b) wieder eine kurze Bemerkung über den weiteren Truppenaufmarsch, der die Feinde nun genau dorthin bringt, wo bereits das Heer Israels steht: nach Jesreel (‫)יזרעאל‬. Dies wiederum ist der Anknüpfungspunkt für 31,1 („und die Philister“ [‫ )]ופלשתים‬und die folgende Schilderung des Kampfes. Die Lokalitäten stimmen: „[I]n der Schlacht werden sie [sc. die Israeliten] auf den Gilboa zurückgetrieben“.138 Die eineinhalb Verse 29,1.11b stellen daher auf der Ebene der erweiterten Saulüberlieferung die direkte Fortsetzung von Kapitel 14 dar und leiten zur Schilderung von Sauls Tod auf dem Schlachtfeld in 31,1–12* über. 135 Die Lage von Afek ist allerdings nicht gesichert. Alt und Albright identifizieren es mit Antipatris in der Scharonebene (vgl. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, 129, der dem folgt und weitere Vorschläge anführt). 136 Wellhausen, Composition, 252. 137 Ebd. Freilich steht das Kapitel I Sam 28 in äußerst enger Beziehung zur Darstellung von Sauls Tod in I Sam 31. Das Verhältnis ist jedoch nicht gleichwertig: „Kap. 31 ist zwar ohne 28, nicht aber 28 ohne 31 verständlich“ (Donner, Verwerfung, 235). Diese Beobachtung gilt unabhängig davon, ob man 28,3–25 als weitgehend literarisch einheitlichen und polemischen Text begreift (vgl. u. a. Nihan, 1 Samuel 28, 32–43) oder ob man in dem Kapitel noch Spuren einer älteren Überlieferung findet, die von einer als völlig unanstößig empfundenen nekromantischen Seance des Königs gewußt habe (vgl. u. a. A. Fischer, Tod und Jenseits, 115–122). Die Stellung der Perikope zwischen den beiden Aufmarschnotizen, von denen die jüngere in 28,1 sich um das Verhältnis Davids zu Achisch rankt, das ab 29,2 erneut thematisiert wird, läßt 28,3–25 stark nach einem jüngeren Einschub aussehen. Das schließt natürlich nicht aus, daß darin ältere Überlieferungen aufgegriffen werden, macht es aber auch nicht übermäßig wahrscheinlich. 138 Wellhausen, Composition, 252.

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Die Niederlage bei Gilboa erscheint so in einem besonderen Licht. Direkt an den Nachruf von 14,47–51* anschließend, komplimentiert und korrigiert sie den Blick auf Person und Werk Sauls. „Wohin immer er sich wandte, wurde er gerettet und errang den Sieg (‫“)ויעש חיל‬, hatten 14,47 f. festgehalten. Mit dem über 29,1.11b anschließenden Kapitel 31* jedoch wird daraus ein: „bis jetzt“. Der Nachruf wird zu einer positiven Zwischenevaluation, und vom neuen Ende her betrachtet stellen sich Leben und Werk Sauls ein wenig anders dar. Der König errang den Sieg – fast – überall, wohin er sich wandte, nicht jedoch im Widerstand gegen die Philister, denen er in heldenhaftem Kampf unterlag. Die Parallele zur Grundschicht der Ladegeschichte in Kapitel 4 liegt damit nicht nur darin, daß der Ort für den Aufmarsch der feindlichen Armee in beiden Fällen der gleiche ist. Hier wie dort geht die Schlacht verloren, und hier wie dort wird Israel eines zentralen Gutes beraubt, der Lade ebenso wie seines Königs.139 Damit läßt sich der Bestand dieser erweiterten Samuel-Saulüberlieferung im untersuchten Bereich zusammenfassend bestimmen. Er liegt in I Sam 1*; 4*; 13–14*; 29,1.11b; 31*, sowie in der Samuel-Überarbeitung von I Sam 9,1– 10,16. Das heißt, zusammengenommen mit der älteren Saulüberlieferung umfaßt diese literarische Stufe I Sam 1,1–5.7aα.b.8–10.12–15.17–20; 3,19aα; 4*;140 9,1.2a.3.4bβ.5aα.b–8.10–12.13aα (nur ‫)כבאכם העיר כן תמצאון אתו‬.14a.18–21.23. 24 (ohne ‫)לאמר העם קראתי‬.25–27; 10,2–6aα.b.7.9.10aα.14–16; 11,1.2a.3–6.9–11; 13,5aα1.b.7b.17a(–18?).20a.31.46; 29,1.11b; 31,1.2* (ohne die Namen der Söhne).3–5.6LXX.8.9aLXX.10b–13. Damit werden ihr, insbesondere mit I Sam 31, Stücke zugerechnet, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Position im Rahmen der Samuelbücher nicht selten zur „Aufstiegsgeschichte Davids“ gezählt werden.141 In der Tat erfüllt dieses Kapitel mit seiner Nichterwähnung Davids in diesem Kontext eine wichtige Funktion: Mit I Sam 31 „ist der Weg […] für David frei“142 – und an der Räumung dieses Weges soll der Sohn Isais offensichtlich nicht beteiligt gewesen sein. Es stellt sich darum die Frage, wie sich das, was oben als erweiterte Saulüberlieferung herausgearbeitet wurde, zu einer „Aufstiegsgeschichte Davids“ verhalte, die vom Brückenvers 14,52 ausgehend als Bindeglied zwischen israelitischer Saul‑ und judäischer Davidüberlieferung eingeschrieben wurde.143 Ist das, was hier als Samuel-Saul-Erweiterung gefaßt wird, nicht einfach Bestandteil dieser verbindenden Redaktionsschicht? 139 Pseudo-Philo, der den jungen Saul in LibAnt 54 dezidiert in die Ladegeschichte einträgt, mag diese bereits recht alte Parallele erneut wahrgenommen haben. 140 Zur Grundschicht von I Sam 4 vgl. Porzig, Lade, 141; Kratz, Komposition, 179, und dazu oben, S. 193, n. 175. 141 Vgl. Kratz, Komposition, 186; Heinrich, David und Klio, 355. 142 Heinrich, David und Klio, 355. 143 Für diese Sichtweise der Aufstiegsgeschichte als Einschreibestück vgl. die beiden gleichzeitig entstandenen und von gänzlich unterschiedlichen Prämissen aus operierenden Arbeiten von Kratz und White (Kratz, Komposition, 182–186; White, History of Saul’s Rise, 281 f.).

232 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Der Umstand, daß offenbar die ältere Saulüberlieferung ohne Philisterbedrohung auskommt, diese aber als Gegner wie als Steigbügelhalter Davids eine zentrale Rolle in der Aufstiegsgeschichte spielen, wäre eher ein Indiz dafür, die oben auch in I Sam 1; 4; 9; 13–14 erarbeitete Schicht mit auf deren Ebene anzusetzen. Dafür scheint auch die oben beobachtete strukturgebende Funktion der Philisteraufmärsche innerhalb von I Sam 4–29 zu sprechen,144 spielt doch einer davon, der von I Sam 17,1, eine wichtige Rolle dabei, die Geschichten der schließlich einander zeitlich nachgeordneten Könige miteinander zu verweben.145 Dagegen läßt sich freilich ins Feld führen, daß sich im Rahmen dieser Untersuchung mehrfach gezeigt hat, daß gleich oder ähnlich konstruierte Ein‑ und Überleitungen nicht unbedingt auf gleiche Verfasserschaft rückschließen lassen müssen, sondern im Gegenteil nicht selten literarische Wachstumsfugen markieren. Auch die drei Philisterversammlungen von I Sam 28,1; 28,4; 29,1 liegen nicht auf einer Ebene – warum sollten es dann I Sam 4,1LXX; 13,5 und 17,1? Im Gegenteil bietet gerade der Vergleich von I Sam 28,1 f. mit der Parallelstelle 29,1 ein Indiz dafür, daß hier eine ältere, noch nicht an David interessierte Schicht (29,1) mit der Geschichte von David als philistäischem Lehnsmann (28,1 f.) aus der „Aufstiegsgeschichte“ überarbeitet wurde. Ähnliches gilt für die Abfolge von I Sam 31* und II Sam 1*. Zwar fügt sich, wie erwähnt, bereits die Schilderung von Sauls Tod auf das beste in das Programm einer „Aufstiegsgeschichte“ – in ihren Konsequenzen für David weitergeführt wird sie jedoch erst dadurch, daß der Sohn Isais davon Kunde erlangt (II Sam 1,1aα. bα.2aα2.β.3.4.11.12a.bα1β) und entsprechend handelt. Dabei fällt auf, daß dezidiert auf die beiden großen Niederlagen des erweiterten Samuel-Saul-Kranzes zurückgegriffen wird: Inhaltlich wird, wenig überraschend, I  Sam 31* aufgegriffen – die Form des Botenberichts jedoch bezieht sich deutlich zurück auf I Sam 4*. Die Betonung der Rolle Jonatans in dieser zweiten Version über die Ereignisse auf Gilboa trifft sich dabei mit derjenigen, die der Prinz in I Sam 14 dadurch erlangt, daß – sekundär – eine Erzählung über seinen Heldenmut in die Geschichte von Sauls Kampf mit den Philistern eingearbeitet wird. Durch sie – aber erst durch sie – wird dort bereits die Problematik aufgerissen, wer Saul auf dem Thron nachfolgen könnte, indem der Kronprinz als würdiger Prätendent eingeführt wird: „Jonathan’s Yhwh-inspired bravery establishes him as heir to the throne“.146 In diesem Sinne ist zwar mit I Sam 31* der Weg für David frei, doch erst II Sam 1* ruft diesem wie auch dem Leser ins Bewußtsein, daß auf Gilboa

144 Vgl.

oben S. 115, n. 4. dazu Aurelius, David, insbesondere 60 f. 66. 146 White, Saul and Jonathan, 127. 145 Vgl.

6.2 Samuel – Lade – Philister: Die erweiterte Saulüberlieferung

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nicht nur der König stirbt, sondern auch der bewährte wie beliebte natürliche Kandidat für die Thronfolge ausfällt. Es sind dies Indizien, keine handfesten Beweise, aber sie sprechen doch dafür, die erweiterte Samuel-Saul-Überlieferung als zunächst von ihrer Verbindung mit judäischen Davidtraditionen unabhängig anzusehen. Gleichwohl ist es von diesem gerahmten Erzählkranz um Saul, der auf zweifache Weise von Israels Niederlage gegen die Philister kündet, nur mehr ein kleiner Schritt dahin, im Kampf gegen eben diesen Feind dann David als legitimen Nachfolger und erfolgreiches Gegenbild zum israelitischen König zu etablieren. Die ältere Saulüberlieferung weiß vom erfolgreichen Kampf Sauls gegen die Ammoniter, nichts jedoch von einer Bedrohung Israels durch die Philister. Diese werden jedoch das Thema des erweiterten Samuel-Saul-Kranzes: Die Geburtsgeschichte Samuels gibt nicht nur dem namenlosen Gottesmann von I Sam 9,1–10,16* ein Gesicht, sie führt darüber hinaus auch den Ort Silo und die Person des Priesters Eli ein, die beide mit der Überlieferung vom Verlust der Lade verbunden sind. Über diese Erzählung wiederum betreten die Philister die Bühne des Geschehens. Zwar werden sie zunächst von Saul zurückgedrängt, doch letzten Endes verliert durch sie Israel nicht nur einen Gegenstand hoher Heiligkeit, sondern auch seinen König  – man könnte überspitzt auch sagen: Thron und Altar. Die Erweiterung durch den vorgelagerten Anfang von I  Sam 1* und das nachgelagerte Ende von I  Sam 31* legt sich dabei ringförmig um die ältere Saulüberlieferung – ein Vorgang, der seine Analogie im Bereich der Väterüberlieferung findet: Um die ältere Jakob-Laban-Überlieferung legt sich der Jakob-Esau-Kranz, der Jakob / Israel mit der judäischen Isaak-Tradition verbindet, woraufhin beiden Abraham vorgeschaltet wird.147 Kratz erklärt diese Verbindung „am ungezwungensten […] aus dem Fall Samarias um 720 v. Chr. und der Situation zwischen den Zeiten, zwischen 720 und 587 v. Chr.“.148 Die Verbindung der Vätergestalten sagt „damit ungefähr dasselbe, was Sam– Reg mit der Vereinigung der Reiche, des Hauses Saul und des Hauses David, im Großreich David zum Ausdruck bringt“.149 Ist man dadurch auf überzeugende Weise für den terminus a quo mit dem Konzept der „Aufstiegsgeschichte“ Davids in das ausgehende achte und frühe siebte Jahrhundert gewiesen, und ließ sich im Rückgriff auf Finkelstein Auftauchen und Darstellung der Philister in den Samuelbüchern ebenfalls mit der Assyrerzeit in Verbindung bringen,150 so liegt es nahe, die erweiterte Samuel-Saul-Überlieferung nicht wesentlich 147 Vgl. zum Erzählkranzmodell bei der Jakob-Überlieferung: Blum, Komposition, 194– 203; zur These der Verbindung von Jakob mit Isaak über Abraham: Kratz, Komposition, 278 f. 148 A. a. O., 269. 149 Ebd. 150 Vgl. oben S. 207.

234 6. Saul in den Samuelbüchern – Von der älteren zur erweiterten Saulüberlieferung älter anzusetzen.151 Mit aller Vorsicht könnte erwogen werden, ob nicht bereits diese Erzählung vom zweifachen heroischen Scheitern Israels mit ihrem Verlust von Lade wie König bereits den Untergang Samarias widerspiegele. Mit noch größerer Zurückhaltung ließe sich darüber spekulieren, ob nicht gar die Philister selbst als Chiffre für die Assyrer zu verstehen seien, welche diese Katastrophe heraufführten – direkte Hinweise hierauf gibt es freilich nicht. Ein Indiz hierfür könnte indes womöglich der Ort von Sauls Niederlage in I Sam 31 geben: Es ist schwer einzusehen, warum die Philister sich in die Jesreelebene begeben sollten, um Israel zu treffen – aber die Gegend bildet seit der Bronzezeit und bis ins 20. Jahrhundert den natürlichen Ort für eine Feldschlacht gegen einen Feind aus dem Norden. Verbunden mit Saul und den Philistern gibt der Ort freilich Rätsel auf – Finkelstein kann ihn sich nur dadurch erklären, daß er uralten Erinnerungen – „vague memories“152 – aus der Spätbronzezeit entstammte, in die später die Philister als literarische Feinde eingesetzt wurden.153 Befriedigen kann dieser Lösungsversuch gewiß nicht – ob es Spekulationen über einen assyrerzeitlichen Hintergrund der Erzählung insgesamt eher vermögen, ist eine andere Frage. Sauls Tod auf Gilboa im Kampf gegen die Philister bleibt ein Rätsel, und es soll an dieser Stelle nun nicht noch der Fehler begangen werden, auf einer literarhistorischen These eine ereignisgeschichtliche Spekulation aufzubauen, um damit wiederum die erstere zu stützen. Wie dem auch sei: Israel in Saul scheitert am philistäischen Feind – Israel im judäischen David, so wird es die daran anknüpfende „Aufstiegsgeschichte“ zu postulieren wagen, wird ihm gewachsen sein.

151 Auch Dietrich findet, erzählkranzartig, eine „Samuel-Saul-Geschichte“, die bei ihm freilich von I Sam 1–14,52* reicht, dafür weite Teile von I Sam 7*; 8*; 10,17–27* umfaßt habe (vgl. Dietrich, Frühe Königszeit, 237–239) und „vor 722 v. Chr. (aber kaum sehr viel früher!) im Nordreich“ (a. a. O., 239) anzusiedeln sei (vgl. ders., 1Sam 1–12, 51*–54*). Lehnart seinerseits hat eine „vordtr Samuel-Saul-Komposition (SSK)“ (Lehnart, Prophet und König, 99), die jedoch (abgesehen davon, daß I Sam 1 nicht dazugehört), sich vom Ergebnis der vorliegenden Arbeit dadurch unterscheidet, daß ihr in I Sam 13 u. a. bereits der Verwerfungsabschnitt in V. 7b–13a.14a.15a (vgl. a. a. O., 100), sowie weite Stücke von Kapitel 15 und 28 angehören (vgl. ebd.). Lehnart datiert diese Fassung in den „Zeitraum zwischen der Reichsteilung und 800 v. Chr.“, (a. a. O., 165) wobei „innerhalb dieses Zeitraums eher an einen früheren Termin zu denken“ sei (ebd.), nämlich „[d]ie erste Hälfte des 9. Jhd.“ (ebd.). 152 Finkelstein, Forgotten Kingdom, 54. 153 Vgl. a. a. O., 53 f.

7. Saul in Redaktion und Rezeption – Resümee Die Anfänge des literarischen Saul sind dem Umfang nach bescheiden. Aufgelistet nimmt die Angabe der Stücke, welche sie nach der Analyse der vorliegenden Arbeit umfassen, beinahe ebensoviel Raum ein wie ihr Text selbst. Dieser nun liegt nach der vorangegangenen Untersuchung in I Sam 9,1–10,16*; 11*; 14,47–51*, genauer gesagt, in: I Sam 9,1.2a.3.4bβ.5aα.b–8.10–12a.13aα (nur ‫)כבאכם העיר כן תמצאון אתו‬.14a.25b; 10,2–5aα.b.6aα.b.7.9b.10aα; 11,1.2a.3– 6.9–11; 14,47a.bβ.48aα.49–51. Erzählt wird hier die Geschichte von Saul ben Kisch, einem Jüngling aus gutem Hause, der auszieht, um seines Vaters Eselinnen zu suchen, aber statt dessen einen Gottesmann findet, der ihm voraussagt, daß er in naher Zukunft vom Geist JHWHs ergriffen und dadurch zu einer Großtat befähigt werde. Die entsprechende Situation ergibt sich mit der Bedrohung von Jabesch-Gilead durch die Ammoniter. Saul zieht im Geist JHWHs aus und schlägt den Feind. Ein Nachwort erwähnt, daß dieser Held letztendlich nicht nur einen Seher, sondern, unvorhergesagt, auch das Königtum über Israel gefunden hat, und gibt summarisch Auskunft über die nähere königliche Familie. Das Bild, welches diese Überlieferung von ihrem Protagonisten zeichnet, ist einigermaßen blaß und eindimensional. Saul erscheint als ein sagenhafter König aus Israels Frühgeschichte. Davon, daß mit seiner Person die Regierungsform der Monarchie eingeführt worden sei, erfährt man genauso wenig wie von einer Bedrohung oder Unterdrückung durch die Philister: Der Feind steht im Osten, nicht im Westen. Bereits die erste große Überarbeitung dieser Erzählung jedoch verleiht der Darstellung des Königs Farbe. Um die ältere Saulüberlieferung werden ein neuer Anfang wie ein neues Ende gelegt, und in ihren bisherigen Zusammenhang wird ein neues Kapitel über Sauls Kriege eingeschrieben: Es entsteht die erweiterte Saulüberlieferung oder ein Samuel-Saul-Erzählkranz, der zusammengenommen mit dem älteren Bestand nun I Sam 1*; 4*; 9,1–10,16*; 11*; 13–14*; 29,1.11b; 31* umfaßt – detailliert aufgeschlüsselt heißt das: I Sam 1,1–5.7aα.b.8–10.12–15.17–20; 3,19aα; 4*; 9,1.2a.3.4bβ. 5aα.b–8.10–12.13aα (nur ‫)כבאכם העיר כן תמצאון אתו‬.14a.18–21.23.24 (ohne ‫)לאמר העם קראתי‬.25–27; 10,2–6aα.b.7.9.10aα.14–16; 11,1.2a.3–6.9–11; 13,5aα1.b.7b.17a(–18?).20a.31. 46; 29,1.11b; 31,1.2* (ohne die Namen der Söhne).3–5.6LXX.8.9aLXX.10b–13. Mit der Geburtsgeschichte Samuels erhält nicht nur der anonyme Gottesmann von I Sam 9–10* eine Identität. Sie dient auch und in erster Linie dazu, die Über-

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lieferung vom Verlust der Lade einzubinden und über sie das Thema der Philisterfeindschaft einzuführen. Die Erzählung über den siegreichen König Saul wandelt sich zu einer, die von einem zweifachen schweren Schlag der Philister gegen Israel kündet. Bei Eben-Eser geht die Lade verloren, auf Gilboa fällt auch der König. Zwar hat Saul die Philister zunächst von Michmas bis Ajalon zurückschlagen können – ein zweiter Angriff der sich wie vor der Ladeschlacht erneut bei Afek versammelt habenden Feinde drängt ihn jedoch von der Jesreelebene auf die Höhe von Gilboa, wo er samt seinen drei Söhnen den Tod findet. Diesem Ausgang entsprechend ist bereits in I Sam 13–14* im Unterschied zu Kapitel 11 nicht mehr die Rede davon, Saul sei auch für den Kampf mit diesem Feind vom „Geist JHWHs“ (‫ )רוח יהוה‬durchdrungen gewesen – und gleichermaßen wird auch bei der Erstbegegnung mit Samuel der Akzent verschoben. Im Vordergrund des Treffens beider steht nicht mehr die Geistbegabung für den militärischen Erfolg, sondern das Königtum als solches – das mögliche tragische Scheitern an und in diesem Amt ist dabei nicht ausgeschlossen. Aus dem heldenhaft kämpfenden und siegenden König wird ein heldenhaft kämpfender und scheiternder König. So ist die erweiterte Samuel-Saul-Überlieferung in erster Linie eine Geschichte vom Untergang. Das Auftreten der Philister als der Erzfeinde Israels auf dieser literarischen Ebene verweist auf die assyrische Zeit als Entstehungshintergrund – das narrative Profil und vor allem die Lokalisierung von des Königs letzter Schlacht in der Jesreelebene läßt die – vage – Vermutung aufkommen, der erweiterte Erzählkranz könne womöglich auf die Zeitumstände des späten achten Jahrhunderts hin transparent gemacht und die philistäischen Feinde aus dem Westen gar als Chiffre für die assyrischen Feinde aus dem Nordosten verstanden werden. Dieser Samuel-Saul-Kranz führt zu einem Ende, ohne das Problem zu behandeln, wie eine weitere Zukunft Israels „nach Saul“ gestaltet werden könnte. Gerade indem diese Frage jedoch ausgespart wird, kann sie aus judäischer Perspektive beantwortet werden: Die Zukunft Israels liegt in Juda, die Nachfolge Sauls liegt bei David. Dieses Programm verfolgt die „Aufstiegsgeschichte Davids“, welche die erweiterte Saulüberlieferung mit den Jerusalemer Hofgeschichten in II Sam 11–I Reg 2* verbindet. Im untersuchten Bereich geht auf sie nicht nur der Brückenvers 14,52 zurück – ihr nahestehend und entweder bereits der Grund‑ oder einer frühen Bearbeitungsschicht zugehörig sind ferner die Einarbeitung Jonatans in I Sam 13–14 und die relecture von Sauls Ende sub specie Davidis in II Sam 1*. Erstere rückt den bis dato erfolgreichen Feldherrn Saul massiv in den Schatten seines Sohnes, indem in die Erzählung von der Schlacht bei Michmas eine eigenständige Legende von einem Husarenstück des Kronprinzen (in 14,1.7 f.11a.12a.13 f.) über die Verse 13,2.3a.4.15aβLXX.16; 14,4–6aα(β?).16 eingearbeitet wird. Damit ist das Thema angeschlagen, wer Israels König dereinst auf dem Thron beerben werde und zugleich der natürliche Prätendent für dieses Amt benannt und aufgebaut. II Sam 1,1aα.bα.2aα2.β.3.4.11.12a.bα1β las-

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sen dementsprechend in Anknüpfung an I Sam 31* und in Aufnahme von I Sam 4* den ab dieser Schicht faktischen Thronerben nicht nur vom Ende seines Vorgängers, sondern auch dezidiert vom Tod Jonatans erfahren und diesen beklagen. Spätestens mit diesem Schritt sind alle notwendigen Elemente gegeben, aus denen sich die spätere literarische Entwicklung der Gestalt Sauls speist. Bereits mit seinem Untergang auf Gilboa im Kontext der erweiterten Saul-Überlieferung ist sein weiteres Schicksal als ambivalente Figur angelegt: Er ist der mit dem göttlichen Geist begabte Feldherr, der trotzdem unterliegt, der König, der überall „gerettet wurde“ (‫יושיע‬, I Sam 14,47), und dem angesichts der philistäischen Übermacht trotzdem nichts anderes übrig bleibt, als sich, schwer verwundet, in sein Schwert zu stürzen (I Sam 31,4). Unter der Prämisse der Gerechtigkeit und Geschichtswirksamkeit Gottes liegt in dieser Spannung der Keim für die Frage, welche sich als eine der wesentlichen, wenn nicht die hauptsächliche Motivation für die weitere geschichtstheologische Auseinandersetzung mit dem dann bald zum ersten König Israels Gewordenen erweisen sollte: Warum konnte oder mußte dies also geschehen? Wie läßt sich in der Person Sauls göttliche Erwählung und Beistand einerseits und tragisches, katastrophales Scheitern andererseits zusammendenken? „Die Tatsache war überliefert, dass Saul von Jahve zum Könige ersehen war. Wie ist es denn möglich, dass seine Herrschaft trotzdem keinen Bestand hatte?“1 Innerhalb der Samuelbücher antworten darauf vielschichtig die deuteronomistischen Verwerfungstexte in I Sam 13,8–15aαLXX; 15; 28,3–25 – in besonderem Maße wirksam wurde indes die kurze Antwort der Chronikbücher in I Chr 10,13 f. Den chronistischen Geschichtsschreibern zunächst nicht mehr als ein Rückverweis auf die vordavidische Zeit in I Chr 11,2 wert, forderte eben der Umstand, daß die Herrschaft vor David bereits in anderen Händen gelegen hatte, zu einer Deutung heraus. Die Antwort wurde zunächst in I Chr 10,13a.14 allgemein in der fehlenden Frömmigkeit Sauls gefunden: Er habe JHWH nicht gesucht (‫ )דרש יהוה‬und untreu gehandelt (‫)מעל‬. Ein Glossator verknüpfte dies in einem weiteren Schritt in I Chr 10,13b mit den Verwerfungen in I Sam 13; 15; 28. Dieser Kommentar macht Saul zu einem Gegenbild des frommen Königs Josia, der an zentralen Punkten seiner Herrschaft versagt und dafür gestraft wird – die Rezeption dieses Kommentars geht noch einen Schritt weiter: Hier ist die Tendenz zu greifen, Saul generell und gleichsam wesenhaft zum Frevler zu erklären. Spürbar ist diese Tendenz im textkritischen Vergleich der Varianten zu I Sam 14,47, wo die masoretische Lesart den König, der nach LXX gerettet wird (Wurzel ‫„ )ישע‬freveln“ läßt (Wurzel ‫)רשע‬. Spürbar ist sie ferner in „nachchronistischen“ Korrekturen in I Sam, womöglich in 17,54 und in Kapitel 5, wahrscheinlich jedoch in 31,9MT: Aus dem 1 Wellhausen,

Prolegomena5, 263.

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„Aufheben“ (‫ )נשא‬des Hauptes des gefallenen Königs zum Zwecke seiner Identifikation wird mit der Deutung dieses Vorgangs in I Chr 10,9 f. ein „Abschneiden“ (‫)כרת‬ – in seinem Schicksal post mortem wird Saul mit dem Gottesfeind Goliat parallelisiert. Spürbar ist sie auch beim Versuch Ben Siras, Saul in seiner laus patrum einer abolitio nominis anheimfallen zu lassen und, entsprechend Prov 10,7 wie dem eigenen Grundsatz Sir 44,13, seinen Namen aus dem kollektiven Gedächtnis Israels zu tilgen. Spürbar ist sie gleichermaßen und wohl am deutlichsten in Pseudo-Philos Liber Antiquitatum Biblicarum. Nach dem Konzept dieser neodeuteronomistisch ausgerichteten rewritten Bible wird nicht nur Saul für seine eigenen Vergehen gestraft – er ist selbst zugleich die Strafe für Israels Begehren nach einem König ante tempus. Für Ambivalenz ist in dieser Darstellung nur mehr wenig Raum. Saul ist bei Pseudo-Philo beinahe ganz zurückgekehrt zur Eindimensionalität seiner Anfänge – wenn auch freilich mit diametral gegensätzlicher Bewertung. Eine Ausnahme dazu stellt freilich selbst in LibAnt der göttliche Auftrag zum Kampf gegen Amalek dar. Hierin hätte, bei aller seiner negativen Determination, der heilsgeschichtlich positive Auftrag Sauls gelegen (vgl. LibAnt 58,1). Diese Ansicht teilt Pseudo-Philos Zeitgenosse Josephus (vgl. Ant 6,133) – und sie findet sich gleichermaßen im deutlich älteren einzigen außerbiblischen Beleg Sauls in den Schriften vom Toten Meer. In einem exegetischen Kommentar zu Gen 36,12 bemerkt 4Q252 IV,1–3, es sei Aufgabe Sauls, von Amalek geschlagen zu werden oder aber, wahrscheinlicher, Amalek zu schlagen, um dessen Gedächtnis (‫ )זכר‬von der Erde zu tilgen – ein Vorgang, der schließlich „am Ende der Tage“ (‫ )באחרית הימים‬erwartet und so mit einem eschatologischen Vorbehalt versehen wird. Josephus schließlich behält in seiner interpretatio Graeca des israelitischen Königs, die er als interpretatio Iudaica eines klassisch griechischen Helden gestaltet, die ambivalenten Züge seiner Vorlagen aus möglicherweise unterschiedlichen Fassungen der Samuel‑ und Chronikbücher bei. Saul erscheint als Musterbeispiel eines tugendhaften Helden und Herrschers, der jedoch der Versuchung unterliegt, welche die Macht für die Leidenschaften eines jeden Menschen bereithält. Beispielhaft ist er dabei nicht nur als Held, sondern auch in seinem Versagen. Gerade in seinen Verbrechen dient er als Paradigma für die Schwäche der menschlichen Natur generell – genauso wie als Anschauungsobjekt zu Risiken und Nebenwirkungen der Regierungsform Alleinherrschaft im Vergleich zur von Josephus favorisierten Aristokratie. Dieser „moderne Saul“ kann auf diese Weise nicht nur interessierten Zeitgenossen jüdische Geschichte als der griechischen gleichwertig präsentieren, sondern zugleich als Vehikel für kaum verhohlene Kritik am römischen Prinzipat im allgemeinen und dem des Domitian im besonderen dienen – eine Rolle, welche sich der Benjaminiter Saul ben Kisch ein Jahrtausend früher wohl auch nicht mit Hilfe eines Gottesmannes hätte träumen lassen.

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Das Finden, Erfinden und Wiederfinden Sauls innerhalb wie außerhalb der lecture und relecture der biblischen Schriften indes ist auch zweitausend Jahre nach Josephus nicht abgeschlossen – und wird es hoffentlich vor dem ‫אחרית‬ ‫הימים‬, dem „Ende der Tage“, auch nicht sein.

Anhang Textbearbeitungen aus Sam I Sam 1 1 Es war einmal ein Mann von Ramatajim-Zofim, vom Gebirge Ephraim, und sein Name war Elkana, Sohn Jerohams, des Sohnes Elihus, des Sohnes Tohus, des Sohnes Zufs, ein Ephratiter. 2 Und er hatte zwei Frauen, der Name der einen war Hanna und der Name der zweiten Peninna. Und Peninna hatte Kinder, und Hanna hatte keine Kinder. 3 Und jener Mann ging hinauf von seiner Stadt von Zeit zu Zeit um anzubeten und für JHWH Zebaoth (LXX: den Herrn, den Gott Zebaoth) in Silo zu opfern. Und dort waren die zwei Söhne Elis, Hofni und Pinhas Priester für JHWH (LXX: Eli und seine zwei Söhne, Hofni und Pinhas).

4 Und es kam der Tag und Elkana opferte, und er gab Anteile für Peninna, seine Frau und für alle [> LXX] ihre Söhne und Töchter. 5 Aber Hanna gibt er einen doppelten (?) Anteil, denn Hannah liebte er, aber JHWH hatte ihren Mutterleib verschlossen. (LXX: Und er gab Hannah einen Anteil, weil sie kein Kind hatte, aber Elkana liebte Hannah mehr als jene, und der Herr hatte ihren Mutterleib verschlossen.) 6 Und ihre Widersacherin ärgerte sie, auch Ärger wegen ihres Donnerns, denn JHWH hatte ihren Mutterleib verschlossen. (LXX: weil ihr der Herr kein Kind gab zu ihrer Betrübnis und zur Niedergeschlagenheit ihrer Betrübnis, und sie war mutlos, weil der Herr ihren Mutterleib verschlossen hatte und ihr kein Kind gab). 7 Und so macht er Jahr für Jahr, so oft sie [LXX-Mss.: er] hinaufsteigt zum Haus JHWHs, so ärgert sie sie (Lxx: und sie war mutlos), und sie weinte und aß nicht. 8 Und Elkana sagte zu ihr: Frau, Hanna, warum weinst du und warum ißt du nicht und warum ist dein Herz schlecht? Bin ich dir nicht besser als zehn Söhne?

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9 Und Hanna stand auf nach dem Mahl in Silo [und nach dem Trinken >LXX] [LXX+: Und stellte sich vor den Herrn] und Eli, der Priester saß auf dem Stuhl an der Pforte des Tempels JHWHs. 10 Und sie hatte eine bittere Seele und betete bei JHWH und weinte weinend. 11 Und sie gelobte ein Gelübde und sprach: JHWH Zebaoth, wenn du wahrhaftig ansiehst das Elend deiner Magd und meiner gedenkst und deine Magd nicht vergißt, und deiner Magd einen männlichen Nachkommen gibst, so will ich ihn für JHWH geben alle Tage seines Lebens, und ein Schermesser soll nicht auf sein Haupt kommen. 12 Und als sie des Betens viel machte vor JHWH, achtete Eli auf ihren Mund. 13 Und Hanna sprach zu ihrem Herzen, nur ihre Lippen bewegten sich, aber eine Stimme ward nicht gehört, und Eli dachte, sie sei betrunken. 14 Und Eli sprach zu ihr: Wie lange willst du betrunken sein? Laß deinen Wein von dir weichen. 15 Und Hanna antwortete und sprach: Nein, mein Herr, eine Frau harten Geistes (LXX: an einem harten Tag) bin ich, und Wein und Rauschtrank habe ich nicht getrunken, sondern ich habe meine Seele vor JHWH ausgeschüttet. 16 Halte deine Magd nicht für eine Tochter Belials, denn wegen der Menge meiner Sorge und meiner Verärgerung [> LXX] habe ich bis jetzt gesprochen. 17 Und Eli antwortete und sprach: Geh in Frieden, und der Gott Israels gebe deine Bitte, die du von ihm erbeten hast. 18 Und sie sprach: Möge deine Sklavin Gnade finden in deinen Augen. Und die Frau ging ihres Wegs und aß, und ihr Gesicht war nicht mehr wie vorher (LXX senkte sich nicht mehr) 19 Und sie machten sich früh auf am Morgen und beteten an vor JHWH und kehrten zurück und kamen zu ihrem Haus nach Rama. Und Elkana erkannte Hanna, seine Frau, und JHWH gedachte ihrer. 20 Und es geschah nach einer Wendung der Tage war Hanna schwanger und gebar einen Sohn. Und sie nannte ihn Samuel, denn: von JHWH habe ich ihn erbeten. 21 Und der Mann Elkana ging hinauf und sein ganzes Haus, um für JHWH zu opfern das Schlachtopfer der Tage und sein Gelübde. [LXX + nach Silo, + und den ganzen Zehnt von seiner Erde]. 22 Aber Hanna zog nicht hinauf, denn sie sagte ihrem Mann: Bis der Knabe entwöhnt ist, dann werde ich ihn bringen und er wird erscheinen vor JHWH und dort wohnen auf ewig. (4Q51: beim Antlitz JHWHs und wohnen vor […], [und ich habe gege]ben ihn als Gottgeweihten auf ewig, alle Tage […])

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23 Und Elkana sagte ihr: Frau, tu, was gut ist in deinen Augen. Bleibe, bis du ihn entwöhnt hast. Nur JHWH möge sein Wort aufrichten [4Q51: was aus deinem Mund ausgegangen ist; LXX: den Ausgang deines Mundes], und es blieb die Frau und stillte ihren Sohn bis sie ihn entwöhnte. 24 Und sie ließ ihn mit ihr heraufziehen, als sie ihn entwöhnt hatte, mit drei Jungstieren (4Q51 und LXX: mit einem dreijährigen Stier und Broten) und einem Epha Mehl und einem Schlauch Wein und sie brachte ihn zum Haus JHWHs nach Silo. Und der Knabe war ein Knabe (LXX: Und der Knabe mit ihnen). 25 Und sie schlachteten den Jungstier und brachten den Knaben zu Eli. (LXX: Und sie führten ihn vor den Herrn, und sein Vater schlachtete das Opfer, das er Jahr für Jahr gemacht hatte, dem Herrn, und führte das Kind her und schlachtete den Jungstier. Und Hanna, seine Mutter, führte den Knaben zu Eli). 26 Und sie sprach: Hier, mein Herr, so wahr deine Seele lebt, mein Herr. Ich bin die Frau die hier bei dir gestanden hat, um zu JHWH zu beten. 27 Wegen dieses Knaben habe ich gebetet, und JHWH hat mir meine Bitte gegeben, die ich von ihm erbeten habe. 28 Und auch ich werde ihn für JHWH als Erbetenen geben, alle Tage, die er lebt ist er ein Erbetener für JHWH. Und sie betete dort an für JHWH. […] 3,19aα Und Samuel wurde groß und JHWH war mit ihm. Legende 10 p fett: Grundschicht, erweiterte Samuel-Saul-Überlieferung in I  Sam 1,1–3a.4 f.7aα.b.8–10.12–15.17–20; 3,19aα, mit Fortsetzung in Kapitel 4,1– 18*. 10 p recte: Fortschreibung einer „Jugendgeschichte Samuels“ in I Sam 1,21– 28*, mit Fortsetzung in 2,11. 10 p kursiv: Eintrag, der Samuel als Nasiräer auf Lebenszeit interpretiert und mit Simson parallelisiert: I Sam 1,11. 10 p Kapitälchen: Einträge im Sinne einer „Feindklage“ in I Sam 1,6.7aβ.16. 9 p recte: Vorverweis auf das Treiben der Söhne Elis, in I Sam 1,3a.

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I Sam 9,1–10,16 9,1 Es war einmal ein Mann von Benjamin, und sein Name war Kisch, Sohn Abiëls, des Sohnes Zerors, des Sohnes Bechorats, des Sohnes Afiachs, des Sohnes eines Benjaminiters, ein vermögender Mann. 2 Und er hatte einen Sohn, und sein Name war Saul, ein Held und gut, und kein Mann der Israeliten war besser als er – von seinem Nacken an aufwärts überragte er alles Volk. 3 Und die Eselinnen gingen verloren dem Kisch, Vater Sauls, und Kisch sagte zu Saul, seinem Sohn: Nimm doch mit dir einen von den Knechten und auf, geh, such die Eselinnen. 4 Und er zog umher (LXX: Pl.) im Gebirge Ephraim und er zog umher (LXX: Pl.) im Land Schalischa, und sie fanden nicht. Und sie zogen umher im Land Schaalim – und nichts. Und er zog umher (LXX: Pl.) im Lande Jemini und sie fanden sie nicht. 5 Sie kamen ins Land Zuf, und Saul sprach zu seinem Knecht, der bei ihm war: Auf, laß uns zurückkehren, damit nicht mein Vater abläßt von den Eselinnen und sich um uns sorgt. 6 Und er sagte ihm: Sieh doch, ein Gottesmann ist in dieser Stadt, und der Mann ist geehrt, alles, was er sagt, trifft wahrhaftig ein. Jetzt laß uns dorthin gehen, vielleicht wird er uns unseren Weg sagen, auf dem wir gehen sollen. 7 Und Saul sprach zu seinem Knecht: Siehe, wir werden gehen, aber was werden wir dem Mann bringen, denn das Brot ist ausgegangen von unseren Gefäßen, und es gibt keine Gabe, um sie dem Gottesmann mitzubringen. Was ist bei uns? 8 Und der Knecht fuhr fort Saul zu erwidern und sprach: Siehe, es fand sich in meiner Hand ein Viertel Schekel Silber, und ich will [ihn] dem Gottesmann geben und er wird uns unseren Weg sagen. 9 Vor Zeiten sagte man in Israel, wenn man ging, um Gott zu befragen: Auf, laß uns zum Seher gehen, denn was heute Prophet genannt wird, hieß vor Zeiten Seher. 10 Und Saul sprach zu seinem Knecht: Dein Wort ist gut. Auf, laß uns gehen. Und sie gingen zur Stadt, wo der Gottesmann war. 11 Als sie auf dem Aufstieg zur Stadt hinaufgehen, fanden sie Mägde, die herauskamen, um Wasser zu schöpfen. Und sie sprachen zu ihnen: Ist hier der Seher? 12 Und sie antworteten ihnen und sprachen: Ja, siehe, vor dir. Eile jetzt, denn heute kommt er zur Stadt, denn heute ist ein Schlachtopfer für das Volk auf der Kulthöhe. 13 Wenn ihr hineingeht in die Stadt, dann werdet ihr ihn finden, bevor er hinaufsteigt zur Kulthöhe, um zu essen, denn das Volk ißt nicht, bis er kommt,

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denn er segnet das Schlachtopfer, danach essen die Gerufenen. Jetzt aber steigt hinauf, denn ihn, heute werdet ihr ihn finden. 14 Und sie gingen zur Stadt hinauf. Sie gehen in die Mitte der Stadt, und siehe: Samuel kommt heraus, ihnen entgegen, um auf die Kulthöhe hinaufzugehen. 15 Aber JHWH hatte das Ohr Samuels geöffnet, einen Tag bevor Saul kam, folgendermaßen: 16 Morgen zu dieser Zeit will ich zu dir schicken einen Mann vom Land Benjamin, und du sollst ihn zum Fürsten über mein Volk Israel salben, und er wird mein Volk retten aus der Hand der Philister,   denn ich habe mein Volk angesehen, denn sein Schreien ist zu mir gekommen. 17 Und Samuel sah Saul, und JHWH antwortete ihm: Siehe der Mann, von dem ich zu dir gesagt habe, der soll über mein Volk herrschen. 18 Und Saul näherte sich Samuel inmitten des Tores und sprach: Sag mir doch, wo ist das Haus des Sehers? 19 Und es antwortete Samuel dem Saul und sprach: Ich bin der Seher, steig vor mir hinauf zur Kulthöhe und eßt mit mir heute. Und ich will dich senden am Morgen und alles, was du auf dem Herzen hast, werde ich dir mitteilen. 20 Und wegen der Eselinnen, die dir heute seit drei Tagen verloren sind, richte dein Herz nicht auf sie, denn sie sind gefunden, und wem gehört alles Begehrliche Israels? nicht Dir und dem ganzen Haus deines Vaters? 21 Und Saul antwortete und sprach: Bin ich nicht ein Benjaminiter, vom kleinsten Stamm Israels, und meine Sippe ist die geringste von allen Sippen der Stämme Benjamins? Warum also sprichst du zu mir wie diese Sache? 22 Und Samuel nahm Saul und seinen Knecht und brachte sie zur Kammer und gab ihnen einen Platz am Kopf der Herbeigerufenen, und es waren etwa 30 Mann.

23 Und es sprach Samuel zum Schlachtmeister: Gib den Teil, den ich dir gegeben habe, von dem ich zu dir gesagt habe: Leg ihn zu dir. 24 Und der Schlachtmeister erhob die Keule (und das darüber > LXX) und setzte [sie] vor Saul und sprach: Siehe, der Rest steht vor dir. Iß, denn für den Zeitpunkt ist es für dich bewahrt worden, folgendermaßen: das Volk habe ich gerufen. Und Saul aß mit Samuel an diesem Tag. 25 Und sie stiegen hinab von der Kulthöhe zur Stadt, und er redete mit Saul auf dem Dach. 26 Und sie machten sich früh auf, als die Morgenröte aufstieg, und Samuel rief Saul auf das Dach hinauf, folgendermaßen: Steh auf und ich will dich senden. Und Saul stand auf und (die beiden > LXX) gingen hinaus, er und Samuel, auf die Gasse. 27 Sie gehen hinunter am Ende der Stadt, und Samuel sagt zu Saul: Sag dem Knecht, er soll vor uns vorausgehen. Und er ging voraus (> L115). Du aber, bleib stehen. Jetzt will ich dich hören lassen das Wort Gottes. 10,1 Und Samuel nahm den Ölkrug und goß aus über seinen Kopf und küßte ihn und sprach: Fürwahr, JHWH hat dich gesalbt über sein Erbe zum Fürsten.

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2 Wenn du heute gehst von mir, so wirst du zwei Männer finden beim Grab Rahels im Gebiet Benjamins, bei Zelzach, die werden zu dir sagen: Gefunden sind die Eselinnen, die du zu suchen gegangen bist. Aufgegeben hat dein Vater die Angelegenheit der Eselinnen und sorgt sich um euch, indem er sagt: Was soll ich für meinen Sohn tun? 3 Und du sollst von dort weggehen und weiter, und du wirst kommen zur Eiche Tabor, und dort werden dich drei Männer finden, die zu Gott hinaufsteigen nach Bethel. Einer trägt drei Böckchen, und einer trägt drei Laibe Brot, und einer trägt einen Schlauch Wein. 4 Und sie werden dich grüßen. Und sie werden dir zwei Brote geben, und du sollst sie aus ihrer Hand nehmen. 5 Danach wirst du nach Gibea Gottes kommen, wo die Wache der Philister ist, und wenn du dorthin kommst in die Stadt, wirst du einen Haufen Propheten treffen, die von der Kulthöhe herabkommen, und vor ihnen Harfe und Tamburin und Flöte und Zither, und sie sind in Verzückung. 6 Und es wird dich überschatten der Geist JHWHs und du wirst mit ihnen verzückt sein, und du wirst in einen anderen Menschen verwandelt werden. 7 Und wenn diese Zeichen für dich kommen, tu für dich, was deine Hand findet, denn Gott ist mit dir. 8 Und du sollst vor mir nach Gilgal hinabsteigen, und siehe, ich werde zu dir hinabsteigen, um Brandopfer zu opfern und Schlachtoper, Heilsopfer, zu schlachten. Sieben Tage sollst du warten bis zu meinem Kommen zu dir, und ich werde dir zeigen, was du tun sollst. 9 Und als er seine Schulter wandte, um von Samuel zu gehen, verwandelte ihm Gott ein anderes Herz. Und es kamen alle diese Zeichen an jenem Tag. 10 Und sie kamen dorthin nach Gibea, und siehe, ein Haufen Propheten ihnen entgegen, und es überschattete ihn der Geist Gottes und er war mit ihnen verzückt. 11 Und alle, die ihn kannten von gestern und vorgestern, als sie sahen, siehe, er war mit den Propheten und prophezeite, sprach das Volk, einer zum anderen: Was ist dem Sohn von Kisch geschehen? Ist etwa auch Saul unter den Propheten? 12 Und ein Mann von dort antwortete und sprach: Und wer ist ihr Vater? Darum wurde es zum Sprichwort: Ist auch Saul unter den Propheten. 13 Und er hörte auf verzückt zu sein und kam zur Kulthöhe/nach Gibea. 14 Und der Onkel Sauls sprach zu ihm und zu seinem Knecht: Wohin seid ihr gegangen? Und er sprach: Die Eselinnen zu suchen, und als wir sahen, daß sie nicht da waren, sind wir zu Samuel gekommen. 15 Und der Onkel Sauls sprach: Erzähl mir doch, was hat euch Samuel gesagt?

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16 Und Saul erzählte seinem Onkel: Er hat uns wahrhaftig erzählt, daß die Eselinnen gefunden wurden, aber die Sache mit dem Königtum erzählte er ihm nicht, die Samuel gesagt hatte. Legende 10 p fett: Grundschicht, ältere Saulerzählung, mit Fortsetzung in Kapitel 11, in 9,1.2a.3.4bβ.5aβ.b–8.10–12a.13aα (nur ‫)כבאכם העיר כן תמצאון אתו‬.14a.25b; 10,2–5aα.b.6aα.b.7.9b.10aα. 10 p recte: Erweiterte Samuel-Saul-Erzählung, zum Teil (etwa 10,5aβ) offensichtlich schon mit Kenntnis der „Aufstiegsgeschichte Davids“, in 9,12b.18– 21.23.24 (ohne ‫)לאמר העם קראתי‬.25a.26 f.; 10,5aβ.9a.14–16. 10 p kursiv: (Deuteronomistische) Zusätze unterschiedlicher Provenienz in 9,4aα.5aα; 9,14b–16a.17; 10,1; 9,16b; 10,8; 9,2b. 10 p Kapitälchen: Vorverweis auf Sauls Raserei in 10,6aβ.10aβ–13. 9 p recte: Korrekturen am Verhalten Samuels in 9,13.22.24 (nur ‫)לאמר העם קראתי‬.

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I Sam 11 10,27bLXX Und ungefähr nach einem Monat 1 Und es zog herauf Nahasch, der Ammoniter und lagerte sich gegen Jabesch-Gilead. Und alle Männer von Jabesch sprachen zu Nahasch: Schließ mit uns einen Bund, und wir wollen dir dienen. 2 Und Nahasch, der Ammoniter, sagte zu ihnen: Darin werde ich mit euch [einen Bund, so LXX und L115] schließen, daß ich euch allen das rechte Auge aussteche und (es) als Schande über ganz Israel bringe. 3 Und es sprachen zu ihm die Ältesten von Jabesch: Laß uns sieben Tage, und wir wollen Boten schicken im ganzen Gebiet Israels, und wenn es keinen Retter für uns gibt, werden wir zu dir herauskommen. 4 Und die Boten kamen nach Gibea Sauls und redeten die Worte in die Ohren des Volks, und das ganze Volk erhob ihre Stimme, und sie weinten. 5 Und siehe, Saul kommt hinter dem Großvieh vom Feld, und Saul sprach: Was ist dem Volk, daß sie weinen, und sie erzählten ihm die Worte der Männer von Jabesch. 6 Und der Geist JHWHs (mit LXX, MT liest „Geist Gottes“) durchdrang Saul, als er jene Worte hörte, und sein Zorn entbrannte sehr. 7 Und er nahm ein Paar Rinder und zerstückte sie und sandte im ganzen Gebiet Israels durch die Boten, sprechend: wer nicht herauszieht hinter Saul und hinter Samuel, so wird getan werden seinem Rind. Und es fiel der Schrecken JHWHs auf das Volk, und sie zogen heraus, wie ein Mann. 8 Und er musterte sie in Basek, und die Israeliten waren 300 000 Mann und die Männer Judas 30 000. 9 Und er sprach (mit LXX, MT liest Plural) zu den Boten, als sie kamen: So sollt ihr den Männern von Jabesch Gilead sagen: Morgen wird euch Rettung sein, wenn die Sonne heiß wird. Und die Boten gingen und teilten den Männern von Jabesch mit und sie freuten sich. 10 Und die Männer von Jabesch sprachen: Morgen werden wir zu euch herausgehen und ihr sollt mit euch machen, wie es gut ist in euren Augen. 11 Und am Morgen stellte Saul das Volk in drei Abteilungen auf, und sie kamen inmitten des Lagers zur Zeit der Morgenwache, und sie schlugen Ammon, bis der Tag heiß wurde, und die Übriggebliebenen verfolgten sie und es blieben bei ihnen nicht übrig zwei zusammen. 12 Und das Volk sprach zu Samuel: Wer ist es, der sagt: Soll Saul über uns König sein? Gib (mit LXX und L115, MT liest Plural) die Männer heraus, und wir wollen sie töten. 13 Und Saul sprach: Nicht soll sterben ein Mann an diesem Tag, denn heute hat JHWH Rettung geschaffen in Israel. 14 Und Samuel sprach zum Volk: Auf, wir wollen nach Gilgal gehen und dort das Königtum erneuern.

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15 Und das ganze Volk ging nach Gilgal und sie machten dort Saul zum König vor JHWH in Gilgal und sie opferten dort Schlachtopfer, Heilsopfer vor JHWH, und dort freute sich Saul und alle Männer Israels gar sehr. Legende 10 p fett: Grundschicht, ältere Saulerzählung, im Anschluß an 10,10aα, in (10,27bLXX) 10,1–2a.3–6.9–11. 10 p recte: Krönungsnotiz, erweiterte Samuel-Saul-Überlieferung, als Bindeglied zu I Sam 13–14*, in 10,15. 10 p Kapitälchen: In sich literarisch geschichtete Verknüpfung mit 10,17–27 in 11,14; 11,12–13. 10 p kursiv: „Ganz-Israel-Bearbeitung“ in 11,2b.7*–8. 9 p recte: Samuel-Glosse in 11,7.

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I Sam 13,2–14,46 2 Und Saul erwählte sich 3000 aus Israel, und es waren bei Saul 2000 in Michmas und auf dem Berg Beth-Els und 1000 waren mit Jonatan in Gibea Benjamins. Und den Rest des Volks entließ er, einen jeden zu seinen Zelten. 3 Und Jonatan schlug die Wache (‫ )נציב‬der Philister, die in Geba war, und die Philister hörten, und Saul stieß ins Horn im Ganzen Lande, folgendermaßen: Es sollen die Hebräer hören. [LXX: Abgefallen sind die Hebräer!] 4 Und Ganz Israel hörte: Saul hat die Wache (‫ )נציב‬der Philister geschlagen, und Israel hat sich stinkend gemacht bei den Philistern, und das Volk wurde hinter Saul her nach Gilgal zusammengerufen. 5 Und die Philister versammelten sich, um mit Israel zu kämpfen, 30 000 Wagen und 6 000 Gespanne, und Volk wie Sand, der am Ufer des Meeres liegt, so viele, und sie zogen herauf und lagerten in Michmas, ostwärts von Beth-Awen.

6 Und der Mann Israels sah, daß ihm eng wurde, denn das Volk wurde gedrängt, und das Volk verbarg sich in Klüften und in Höhlen und in Felsen und in Gewölben und in Gruben. 7 Und Hebräer überschritten den Jordan ins Land Gad und Gilead,

und Saul war noch in Gilgal, und das ganze Volk zitterte hinter ihm.

8 Und er wartete sieben Tage auf den Zeitpunkt, den Samuel [gesagt hatte], aber Samuel kam nicht nach Gilgal. Und das Volk fiel von ihm ab. 9 Und Saul sprach: Bringt mir das Brandopfer und das Heilopfer. Und er opferte das Brandopfer. 10 Und als er fertig war mit seinem Opern des Brandopfers, siehe, Samuel kommt, und Saul zieht heraus, ihm entgegen, um ihn zu segnen. 11 Und Samuel sagte: Was hast du getan? Und Saul sagte: Daß ich gesehen habe, daß das Volk von mir abfiel, du aber kamst nicht zur Vereinbarung der Tage, und die Philister versammelten sich in Michmas. 12 Und ich sprach: Jetzt werden die Philister herabziehen gegen mich in Gilgal, und ich habe nicht das Angesicht JHWHs besänftigt, da habe ich mir ein Herz gefaßt und das Brandopfer geopfert. 13 Und Samuel sprach zu Saul: Töricht hast du gehandelt. Nicht hast du bewahrt den Befehlt JHWHs, deines Gottes, den er dir befohlen hat, denn jetzt hätte JHWH deine Königsherrschaft über Israel auf ewig aufgerichtet. 14 Aber jetzt wird deine Herrschaft nicht bestehen. JHWH hat sich einen Mann nach seinem Herzen gesucht, und JHWH wird ihn bestellen zum Fürsten über sein Volk, denn nicht hast du bewahrt, was dir JHWH befohlen hat. 15 Und Samuel stand auf und ging hinauf von Gilgal nach Gibea Benjamins. [LXX-Plus: Und Samuel ging hinauf von Gilgal seinen Weg

und der Rest des Volks ging hinter Saul her dem Kriegsvolk entgegen. Und als sie von Gilgal nach Gibea kamen,] Und Saul musterte das Volk, das sich bei ihm fand, ungefähr sechshundert Mann.

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16 Und Saul und Jonatan, sein Sohn, und das Volk, das sich bei ihnen fand, saßen auf der Höhe/in Geba Benjamins. Und die Philister lagerten in Michmas. 17 Und es ging aus der Verderber (‫ )משחית‬vom Lager der Philister, drei Köpfe; und ein Kopf wendet sich zum Weg nach Ophra zum Land Schual. 18 Und ein Kopf wendet sich zum Weg nach Bet Horon, und ein Kopf wendet sich zum Weg ins Gebiet, das emporragt über dem Tal Ziboim zur Wüste hin. 19 Und ein Schmied fand sich nicht im ganzen Land Israel, denn die Philister sagten: Daß die Hebräer sich nicht machen Schwert oder Speer. 20 Und ganz Israel ging zu den Philistern, um zu schärfen, ein jeder seine Pflugschar und sein Beilblatt und seine Axt und seine Pflugschar/Sichel. 21 Und es war das Schärfen (?) des Mundes/der Klinge (?) für eine Pflugschar und für Beilblätter und für einen Dreizack (?) und für Äxte und um den Ochsenstecken geradezumachen (MT). 22 Und es war am Tag des Kampfes, und kein Schwert und Speer wurden gefunden in der Hand des ganzen Volks, das bei Saul und bei Jonatan war, aber er fand sich für Saul und für Jonatan, seinen Sohn. 23 Und es zog aus die Besatzung (‫ )מצב‬der Philister zum Paß von Michmas. 14,1 Und eines Tages sagte Jonatan, der Sohn Sauls zum Knaben, der seine Waffen trug: Auf, wir wollen hinübergehen zum Posten der Philister, die jenseits von diesem ist, und seinem Vater teilte er nichts mit. 2 Und Saul saß am Ende von Gibea unter dem Granatapfelbaum, der in Migron ist. Und das Volk, das mit ihm war, waren ungefähr sechshundert Mann. 3 Und Ahija, Sohn Ahitubs, des Bruders von Ikabod, Sohn Pinhas, Sohn Elis, Priester JHWHs in Silo, trug den Ephod. Und das Volk wußte nicht, daß Jonatan gegangen war. 4 Und zwischen den Pässen, die Jonatan suchte, um hinüberzugehen auf den Posten der Philister war ein Felszahn auf der einen Seite und ein Felszahn auf der anderen Seite, und der Name des einen war Bozez und der Name des anderen Senne. 5 Der eine Zahn, eine Säule, von Norden vor Michmas, und der andere vom Süden vor Gaba. 6 Und Jehonatan sprach zum Knaben, der seine Waffen trug: Auf, laß uns hinübergehen zum Posten dieser Unbeschnittenen. Vielleicht wird JHWH es uns tun, denn es gibt nicht für JHWH ein Hindernis zu retten, im großen oder im kleinen. 7 Und es sagte ihm sein Waffenträger Tu alles, was in deinem Herzen ist! Brich auf für dich, siehe, ich bin bei dir wie dein Herz. 8 Und es sprach Jehonatan: Siehe, wir gehen hinüber zu den Männern und werden uns ihnen zeigen.

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9 Wenn sie so zu uns sprechen: Seid still, bis wir zu euch gelangen, dann wollen wir bei uns stehenbleiben und nicht zu ihnen hinaufgehen. 10 Und wenn sie so sprechen: Kommt gegen uns hinauf, so wollen wir hinaufziehen, denn JHWH hat sie in unsere Hand gegeben, und dies ist uns das Zeichen. 11 Und die beiden zeigten sich zum Posten der Philister, und die Philister spra-

chen: Siehe, Hebräer kommen heraus aus den Bergen, die sich dort verborgen haben.

12 Und es erwiderten die Männer des Postens Jonatan und seinem Waffenträger und sprachen: Kommt zu uns herauf und wir wollen euch ein Wort zu wissen geben. Und es sprach Jonatan zu seinem Waffenträger: Geh nach mir hinauf, denn JHWH hat sie in die Hand Israels gegeben. 13 Und Jonatan stieg hinauf auf seinen Händen und Füßen und sein Waffenträger nach ihm und es fielen sie vor Jonatan, und sein Waffenträger tötete sie hinter ihm. 14 Und es war der erste Schlag, den Jonatan schlug und sein Waffenträger, ungefähr zwanzig Mann, ungefähr auf einer halben Furchenlänge Ackers. 15 Und es entstand ein Schrecken im Lager auf dem Feld und im ganzen Volk des Postens, und der Verderber (‫ )משחית‬erzitterte, auch sie. Und es erbebte das Land und es wurde zum Gottesschrecken. 16 Und es sahen die Wächter bei Saul in Gibea Benjamins, und siehe, das Getümmel wogte und ging hin‑ und her. 17 Und Saul sprach zum Volk, das bei ihm war: Mustert doch und seht, wer von uns gegangen ist? Und sie musterten, und siehe, kein Jonatan und sein Waffenträger. 18 Und Saul sprach zu Ahija: Bring doch herbei die Lade Gottes (LXX: den Ephod), denn es war die Lade Gottes (LXX: der Ephod) an jenem Tag und (LXX: mit) den Söhnen Israels. 19 Und als Saul zum Priester redete, ging das Getümmel, das im Lager der Philister war, sehr und war stark. Und Saul sprach zum Priester: Sammle deine Hand ein! 20 Und es schrie Saul und das ganze Volk, das bei ihm war, und sie kamen zum Krieg, und siehe, es ging das Schwert eines Mannes gegen seinen Gefährten, eine sehr große Verwirrung. 21 Und die Hebräer waren den Philistern wie früher, die mit ihnen hinaufgezogen waren im Lager ringsum. Und auch sie, um zu sein mit Israel, das mit Saul und Jonatan war. 22 Und der ganze Mann Israel, die sich verborgen hatten im Gebirge Ephraim, hörten, daß die Philister flohen, jagten auch sie ihnen nach im Kampf.

23 Und JHWH rettete an jenem Tag Israel und der Krieg ging hinüber nach Bet-Awen.

24 Und der Mann Israel wurde bedrängt an jenem Tag, und Saul verfluchte das Volk, folgendermaßen: Verflucht der Mann, der Brot ißt bis zum Abend und ich mich an meinen Feinden gerächt habe, und das ganze Volk kostete kein Brot.

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25 Und das ganze Land ging in den Wald/Honigwabe (‫יער‬2), und es war Honig auf dem Feld. (LXX: Und das ganze Land aß. Und es war Jaar, ein Eichengestrüpp, ein Bienenstock auf dem Felde.) 26 Und das Volk kam zum Wald/Honigwabe, und siehe: fließender Honig, und keiner holte seine Hand ein zu seinem Mund, denn das Volk fürchtete den Fluch. 27 Aber Jonatan hatte nicht gehört, als sein Vater das Volk verfluchte und streckte das Ende des Stabes aus, den er in seiner Hand hatte und tauchte ihn ein in die Honigwabe und führte seine Hand zu seinem Mund und es glänzten (Qere; Ketib: es sahen) seine Augen. 28 Und es erwiderte ein Mann vom Volk und sprach: Wahrlich, dein Vater hat das Volk verflucht: Verflucht der Mann, der heute Brot ist. Und das Volk ist müde geworden. 29 Und Jonatan sprach: Unglücklich gemacht hat mein Vater das Land. Sieh doch, denn es glänzen meine Augen (LXX: sahen, vgl. 27), denn ich habe ein wenig von diesem Honig gekostet. 30 Nur wenn doch das Volk heute wahrhaftig gegessen hätte von der Beute seiner Feinde, die es gefunden hat. Denn jetzt ist der Schlag an den Philistern nicht groß.

31 Und sie schlugen an jenem Tag die Philister von Michmas bis Ajalon, und das Volk war sehr müde.

32 Und das Volk fiel über die Beute her und sie nahmen Kleinvieh und Großvieh und Kälber und schlachteten sie erdwärts, und das Volk aß über dem Blut. 33 Und sie teilten dem Saul mit: Siehe, das Volk versündigt sich an JHWH, indem es über dem Blut ißt. Und er sprach: Ihr habt treulos gehandelt. Wälzt zu mir heute (LXX: hierher) einen großen Stein. 34 Und Saul sprach: Zerstreut euch im Volk und sagt ihnen: Es bringe zu mir ein jeder sein Rind und ein jeder sein Schaf und schlachtet es hier und eßt, und sündigt nicht an JHWH zu essen über dem Blut. Und das ganze Volk trat herzu, ein jeder sein Rind bei der Hand [des nachts], und sie schlachteten dort. 35 Und es erbaute Saul einen Altar für JHWH, mit ihm begann er das Altarbauen für JHWH. 36 Und Saul sprach: Wir wollen hinter den Philistern hinabziehen des Nachts und sie berauben bis der Morgen aufstrahlt und unter ihnen keinen Mann übriglassen. Und sie sprachen: Das in deinen Augen Gute tue! Und es sprach der Priester: Wir wollen hierher zu Gott herantreten. 37 Und es befragte Saul Gott: Soll ich hinter den Philistern herabsteigen? Wirst du sie in die Hand Israels geben? Und er antwortete ihm nicht an jenem Tag. 38 Und Saul sprach: Bringt hierher alle Oberhäupter des Volkes und erkennt und seht, wodurch diese Sünde heute geschehen ist. 39 Denn so wahr JHWH lebt, der Israel errettet, wenn es an Jonatan, meinem Sohn wäre, er müßte wahrhaftig sterben. Und keiner antwortete ihm vom ganzen Volk. 40 Und er sprach zu ganz Israel: Ihr sollt sein auf einer Seite und ich und Jonatan, mein Sohn, werden sein auf der anderen Seite, und das Volk sprach zu Saul: Das in deinen Augen Gute tue!

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41 Und Saul sprach zu JHWH, dem Gott Israels: Gib Vollkommenheit! Und es wurde Jonatan ergriffen und Saul, und das Volk kamen heraus. 42 Und Saul sprach: Laßt fallen zwischen mir und zwischen Jonatan, meinem Sohn. Und es wurde ergriffen Jonatan. 43 Und Saul sprach zu Jonatan: Teile mir doch mit, was hast du getan? Und Jonatan teilte ihm mit und sprach: Wahrlich, ich habe gekostet mit dem Ende des Stabes, der in meiner Hand war, Honig. Siehe, ich werde sterben. 44 Und Saul sprach: Gott soll mir dies und das tun – Jonatan, du wirst wahrhaftig sterben. 45 Und das Volk sprach zu Saul: Soll Jonatan sterben, der diese große Rettung gemacht hat in Israel? Das sei ferne! So wahr JHWH lebt, kein Haar seines Hauptes soll zur Erde fallen, denn mit Gott hat er heute dies getan. Und das Volk löste Jonatan aus und er starb nicht.

46 Und Saul zog herauf von hinter den Philistern und die Philister gingen an ihren Ort. Legende

10 p. fett: Grundschicht, erweiterte Samuel-Saul-Überlieferung im direkten Anschluß an 11,15, in 13,5aα1.b.7b.17a(–18?).20a.31.46. 10 p. fett kursiv: Jonatan-Überlieferung, in 14,1.7.(8?).11a.12a.13 f. 10 p. Kapitälchen: Verbindung von Saulgeschichte und Jonatanüberlieferung, in 13,2.3a.4.15aβLXX.16; 14,4–6aα(β?).16. 10 p. unterstrichen: Gotteskriegsbearbeitung, in 13,3,bα (ohne ‫)לאמר‬.​5aα2.β.​15b.​ 19–​23; 14,2 f.6(aβ?).b.(8?).​9 f.​12b.15.17–19.20b.23. Verwerfung Sauls (mit mindestens 13,13bα–14bβ als Nachtrag), in 9 p. 13,8–15aαLXX. 9 p kursiv: Hebräerbearbeitung, in 13,13bβ (mit ‫)לאמר‬.6 f.; 14,11b.21 f. 9 p Kapitälchen: Sauls Speiseverbot und seine Folgen, in 14,24–30.36–45. 9 p. unterstrichen: Schlachten der Beutetiere, 14,32–34 mit 14,35 als Nachtrag.

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I Sam 14,47–52 47 Und Saul erlangte die Königsherrschaft über Israel und führte Krieg ringsum mit allen seinen Feinden, mit Moab und mit den Söhnen Ammons und mit Edom und mit den Königen Zobas und mit den Philistern, und überall, wohin er sich wandte, wurde er gerettet.1 48 Und er vollbrachte Großes und schlug Amalek und errette Israel aus der Hand seiner Bedrücker. 49 Und die Söhne Sauls waren Jonatan und Jischwi und Malkischua, und der Name seiner zwei Töchter war, der Name der erstgeborenen Merab und der Name der kleinen Michal. 50 Und der Name der Frau Sauls war Ahinoam, Tochter von Ahimaaz, {und der Name seines Heerführers war Abner, Sohn des Ner, des Onkels Sauls}. 51 Und Kisch war der Vater Sauls, {und Ner war der Vater Abners, Sohn Abiels}. 52 Und der Krieg war stark gegen die Philister alle Tage Sauls, und wenn Saul irgendeinen tapferen und wehrhaften Mann sah, sammelte er ihn zu sich. Legende 10 p fett: Grundschicht, Ende der älteren Saulerzählung, in 14,47a. bβ.48aα.49–51 (womöglich ohne Abner und Ner). 10 p recte: Brückenvers zur „Aufstiegsgeschichte Davids“, in 14,52. 10 p kursiv: Deuteronomistische Ergänzungen im Stil des Richterschemas, in 14,47,bα1.48aβ.b. 9 p recte: Nachgetragene Völkerliste aus II Sam 8,5.12 in I Sam 14,47bα2β.

1 Lies

mit LXX ַ‫יִּוַׁשֵיע‬.

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I Sam 31–II Sam 1 I Sam 31 1 Und die Philister kämpften mit Israel, und die Männer Israels flohen vor den Philistern, und Erschlagene fielen auf dem Berg Gilboa. 2 Und die Philister holten Saul und seine Söhne ein, und die Philister erschlugen Jonatan, Abinadab und Malkischua, die Söhne Sauls. 3 Und der Kampf wurde schwer zu Saul hin, und es fanden ihn die Schützen, Männer mit dem Bogen, und er wurde schwer verwundet2 von den Schützen. 4 Und es sprach Saul zu seinem Waffenträger: Zieh dein Schwert und durchbohre mich damit, damit nicht jene Unbeschnittenen kommen und mich durchbohren und Mutwillen mit mir treiben. Aber sein Waffenträger wollte nicht, denn er fürchtete sich sehr. Und Saul nahm das Schwert und stürzte sich darauf. 5 Und sein Waffenträger sah, daß Saul tot war, und auch er stürzte sich auf sein Schwert und starb mit ihm. 6 Und es starb Saul und seine drei Söhne und sein Waffenträger (, auch alle seine Männer > LXX) an jenem Tag gemeinsam. 7 Und es sahen die Männer Israels, die jenseits der Senke und die jenseits des Jordan waren, daß die Männer Israels flohen und daß Saul und seine Söhne gestorben waren, und sie verließen die Städte und flohen, und es kamen die Philister und wohnten darin. 8 Und am nächsten Tag kamen die Philister, um die Erschlagenen zu plündern, und sie fanden Saul und seine drei Söhne, gefallen auf dem Berg Gilboa. 9 Und sie hoben sein Haupt auf (MT: schnitten sein Haupt ab) und plünderten seine Rüstung und sandten im Land der Philister umher, um zu verkünden im Haus ihrer Götzen und dem Volk. 10 Und seine Rüstung stellten sie ins Haus der Astarten, und seine Leiche befestigten sie an der Mauer von Bet-Schan. 11 Und es hörten davon die Einwohner von Jabesch Gilead, was die Philister Saul angetan hatten. 12 Und es standen auf alle kriegstüchtigen Männer und gingen die ganze Nacht und nahmen die Leiche Sauls und die Leichen seiner Söhne von der Mauer Bet-Schans und kamen nach Jabesch und verbrannten sie dort. 13 Und sie nahmen ihre Gebeine und begruben sie unter der Tamariske in Jabesch. Und sie fasteten sieben Tage.

2 Lies

mit LXX ‫וַּיִחַל‬.

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II Sam 1 1 Und nachdem Saul gestorben war und David zurückgekehrt war vom Schlagen des Amalekiters, saß David in Ziklag zwei Tage 2 Und am dritten Tag, siehe, ein Mann kommt vom Lager bei Saul und seine Kleider zerrissen und Erde auf seinem Haupt, und als er zu David kam, fiel er nieder auf dieErde und huldigte. 3 Und David sprach zu ihm: Woher kommst du? Und er sagte ihm: Vom Lager Israels habe ich mich gerettet. 4 Und David sagte zu ihm: Wie ist die Sache, erzähl mir doch! Und er sagte, daß das Volk geflohen ist vom Kampf und auch viel gefallen ist vom Volk und gestorben sind und auch Saul und Jonatan, sein Sohn, sind gestorben. 5 Und David sagte zu dem Knaben, der ihm berichtete: Wie weißt du, daß Saul und sein Sohn Jonatan gestorben sind? 6 Und der Knabe, der ihm berichtete, sagte: Zufällig kam ich vorbei auf dem Berg Gilboa, und siehe: Saul gestützt auf seinen Speer und siehe, der Wagen und die Herren der Gespanne jagten ihm nach. 7 Und er blickte hinter sich und sah mich und rief nach mir, und ich sprach: Hier bin ich. 8 Und er sagte mir: Wer bist du: und ich sprach zu ihm: Ein Amalekiter bin ich. 9 Und er sagte zu mir: Stell dich doch über mich und töte mich, denn der Krampf hat mich gepackt, denn noch ist meine ganze Seele in mir. 10 Und ich stellte mich über ihn und tötete ihn, denn ich erkannte, daß er nicht leben würde nach seinem Fall. Und ich nahm die Krone, die auf seinem Kopf war und den Armreif, der an seinem Arm war und brachte sie zu meinem Herrn, siehe. 11 Und David packte seine Gewänder und zerriß sie und auch alle Männer, die mit ihm waren. 12 Und sie trauerten und weinten und fasteten bis zum Abend über Saul und über Jonatan, seinen Sohn und über das Volk JHWHs und über das Haus Israel, denn sie waren durchs Schwert gefallen. 13 Und David sprach zu dem Knaben, der ihm berichtete: Woher bist du? [V. 3!!] Und er sprach: Ein Sohn eines amalekitischen Fremdlings bin ich. 14 Und David sprach zu ihm: Wie konntest du dich nicht fürchten, deine Hand zu strecken um zu verderben den Gesalbten JHWHs? 15 Und David rief zu einem der Knaben und sprach: Tritt herzu, schlage ihn nieder. Und er schlug ihn und er starb. 16 Und David sprach zu ihm: Dein Blut über dein Haupt, denn dein Mund hat gegen dich erwidert, indem du sagtest: Ich habe den Gesalbten JHWHs getötet.

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Legende I Sam 31 10 p fett: Abschluß der erweiterten Samuel-Saul-Erzählung, I  Sam 31,1.2*(ohne die Namen der Söhne).3–5.6LXX.8.9aLXX.10b–13. 10 p recte: Unterschiedliche kleinere Einträge, die auf die Davidgeschichte vorausverweisen, I Sam 31,2 (die Namen der Söhne).9b–10a; I Sam 31,7. 9 p recte: Chronistisch beeinflußte Modifikationen in I Sam 31,6.9 (MT).

II Sam 1 10 p recte: Botenbericht, der von Saul zu David überleitet, in II  Sam 1,1aα. bα.2aα2.β.3.4.11.12a.bα1β 10 p kursiv: Fortschreibung des Botenberichts mit Blick auf die Frömmigkeit Davids (vgl. I Sam 24; 26), in II Sam 1,1aβ.bβ.2aα1.b.5–7.9.10.13–16. 10 p Kapitälchen: Amalekiter-Eintrag, der den Bogen zu I Sam 15 schlägt, in II Sam 1,8. 9 p kursiv: Glosse, die das Schicksal des Volks in den Blick nimmt, in II Sam 1,12aα2.

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Stellenregister 1. Biblische Bücher Genesis 6 30 9,18 34 15,7 32 15,9 32 16,4 181 18,19 (145) 18,31 32 18,32 32 21,20 (180) 22 (31) 25,27 (180) 30,1 181 36,11 (47) 36,12 33, 34, 52, 79, 238 36,15 (47) 36,42 (47) 40 105, 106 40,13 105 40,19 105, 106 49 30 49,3 33 49,10 31, 34 Exodus 3 155 3,1 154 3,9 153, 175, 178, (228) 17,8–16 (141) 17,14 33, 51, 66 17,16 (36), 37 20,5 56, 57 34,7 (57) Leviticus 19,26

225, 228

20,14 108 21,9 108 26 (56) 26,40 94 Numeri 6,3 184 24,14 35 24,20 35 Deuteronomium 4,10 (174) 5,9 (89) 12,15  f.​ (226) 17 (214) 17,15 48 17,19 (91) 18,11 (90) 20 (214) 24,16 57 25,17–19 (141) 25,19 33, 35, 66 28 (56) 33,21 (145) Josua 7,25 108 9 (89) 10,13 (123) 13,27 127, 139 15,7 47 21,44 (34) 22,16 94 22,31 94

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Stellenregister

Richter 1,13 47 2,11–19 (168) 2,14 147 2,16 175 3,9 47 3,10 (47), 167, 168 3,11 47 4 (134) 5 (134) 5,11 (134) 5,13 134 6,34 168 7,2 (220) 9 124 9,46–54 (124) 9,53 (124) 9,54 124 11 168 11,29 168 13 (192) 13,2 191, (193), (194) 13,5 183 13,7 184 13,24 180 14 167, (168) 14,6 166, (167), (168) 14,19 166, (168) 15 167, (168) 15,14 166, (168) 16,7 183 I Samuel 1

160, 179, 182, 183, 185, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 208, 231, 232, 233, 235 1,1 149, 154, 158, 179, 191, 193, 194 1,1–3 191 1,1–5 231, 235 1,1–8 181 1,1–20 207 1,1–2,11 187 1,2 179 1,3 183, 191 1,4 191 1,5 183, 188, 189

1,6 1,7

181, 183, 188, 189, 191 189, (190), 191, 231, 235 1,8 179, (190) 1,8–10 191, 231, 235 1,9 179, (184), (190), 193 1,9–17 179 1,10–13 182 1,11 182, 183, 184, 185, 186, (190), 191 1,12 (185), 193 1,12–15 191, 231, 235 1,14 184 1,15 182, (190) 1,16 (181), 182, 183, 189, 190, 191 1,16–18 (190) 1,17 182 1,17–20 191, 231, 235 1,18 182 1,20 149, 179, 180, 185, 186, 188, 191 1,21–28 180, 182, 184, 185, 186, 187, 191 1,22 184, 185 1,27 180, 184, 186 1,28 150, 180, 184, 186 1–3 187, (193), (194), 201 2 60, (160), 186, 188, 193 2,1–10 181, 186 2,10 (190) 2,11 (47), 180, 185, 186, 187, 191, 201 2,12 (190) 2,12–17 183, 186 2,18 186, 187, 201 2,18–21 180, 187 2,19–21 186 2,21 180, 186, 187, 201 2,22–25 186 2,26 186, 187, 201 2,27–36 (60), 186 2–3 205 3 180, 186, 188, 193 3,1 186, 187, 201 3,1–20 186 3,19 180, 186, 187, 188, 191, 201, 231, 235

Stellenregister

3,19–21 180, 186 3,19–4,1 187 4 45, 49, 50, 51, 122, 133, 148, 193, 207, (210), 213, 231, 232, 235, 237 4,1 (193), 223, 230, 232 4,4 49 4,11 49 4,12 50, 51 4,13 133, 193 4,16 f.​ 122, 132, 140 4,18 133, 193 4,19–22 133 4–29 232 5 54, 93, 102, 106, 112, 237 5,2 92 7 185 7,16  f.​ (172), 178 7,17 185 8 6, 114, 206 8–12 47, 57, 150 8–13 128, 129 8,5 48 8,7 48, 57 8,8 48 9 22, 114, 147, 179, 185, 192, 194, 201, 208, 232 9,1 44, 61, 142, 149, 157, 158, 170, 177, 193, 231, 235 9,1–2 156, 157, 158 9,1–3 157 9,1–14 151 9,1–10,16 150, 154, 158, 160, 163, 166, 169, 170, 172, 179, 185, 191, 192, 201, 202, 204, 207, 231, 233, 235 9,2 44, 61, 149, 152, 155, 156, 157, 170, 173, 177, 178, 231, 235 9,3 170, 177, 231, 235 9,3–8 156, 157, 158 9,4 45, 151, 154, 158, 170, 172, 177, 178, 185, 231, 235 9,4–5 157 9,4–14 151

9,5

289

153, 154, 158, 162, 172, 178, 185 9,5–8 170, 177, 231, 235 9,6 22, 152, 154, 159, 160, 172, 178 9,6–8 157 9,8 22 9,9 93, 152, 155, 156, 172 9,10 157, 158, 159, 160 9,10–12 170, 177, 231, 235 9,10–13 156 9,10–14 157 9,10–27 157 9,11 152, 159, 160 9,11–13 158 9,11–14 157 9,12 157, 159, 160, 171, 172, 176, 177, 178 9,13 (47), 155, 156, 157, 159, 160, 170, 171, 173, 176, 177, 178, 228, 231, 235 9,14 152, 156, 157, 158, 159, 161, 170, 171, 173, 177, 178, 231, 235 9,14–16 178 9,14–17 175 9,15 151, 152 9,15–17 157, 173 9,15–10,8 151 9,16 43, 44, 134, 153, 174, 175, 178 9,17 152, 178 9,18 152, 156, 157, 158, 159, 171, 173, 178 9,18–19 157 9,18–21 177, 231, 235 9,18–27 157 9,19 156, 157, 158, 170, 173 9,20 153, 155, 156, 157, 159, 175 9,21 44, 155, 157, 175 9,22 156, 157, 158, 176, 178, 228 9,22–24 152, 175 9,23 155, 157, 176, 177, 231, 235

290 9,24

Stellenregister

155, 157, 158, 176, 177, 178, 228, 231, 235 9,24–27 156, 157, 158 9,25 152, 157, 158, 161, 165, 170, 173, 177, 235 9,25–27 158, 231, 235 9,26 157, 165, 170, 173, 177 9,27 157, 171, 173, 174, 177 9–10 43, 235 9–14 204 10 166, 169, 185, 197, 201 10,1 21, 43, 62, 63, 146, 151, 152, 157, 161, 167, 171, 174, 175, 178 10,1–4 157 10,2 153, 159, 162, 167, 170, 171, 175 10,2–4 156, 157, 158 10,2–5 170, 177, 235 10,2–6 231, 235 10,2–7 162 10,2–8 152, 170 10,3 162, 167 10,5 158, 159, 162, 163, 164, 165, 167, 168, 169, 177 10,6 152, 158, 162, 163, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 177, 178, 199, 235 10,7 153, 156, 157, 158, 160, 169, 170, 177, 231, 235 10,8 151, 153, 155, 160, 168, 173, 178, 196, 209, 215 10,9 (151), 153, 155, 156, 157, 158, 159, 164, 169, 170, 172, 174, 177, 231, 235 10,9–16 151 10,10 153, 157, 159, 164, 165, 166, 167, 169, 170, 172, 177, 196, 199, 231, 235 10,10–13 155, 164, 177, 178 10,11 f.​ 155, (165), 167 10,13 164, 165, 177 10,13–16 157 10,14–16 155, 157, 169, 177, 231, 235 10,16 153, 166, 176 10,17 201

10,17–25 172 10,17–27 47, 61, 154, 172, 196, 197, 204, 205, 206, 228 10,22 65 10,23 61, 152, 155, 173, 178 10,24 61, 173, 178, 196, 201, 205, 208 10,26 196, 198, (200), 205 10,27 195, 197, 204 10–14 201, 203, 205 11 110, 127, 129, 131, 139, 167, 169, 172, 177, 179, 192, 194, 195, 196, 197, 201, 204, 205, 208, 228, 235, 236 11,1 204, 222, 231, 235 11,1–4 197 11,1–11 198, 200, 202, 205 11,2 197, 198, 199, 200, 204, 230, 231, 235 11,3 197, 198, 199 11,3–6 204, 231, 235 11,4 196, 197 11,5 228 11,6 166, 167, 168, 198, 199 11,6–8 198 11,7 f.​ 198, 199, 200, 204, 216 11,9 198, 199, (218) 11,9–11 204, 231, 235 11,11 200 11,12 197 11,12–13 204 11,12–14 198, 204 11,13 197 11,13–14 169 11,14 62, 196, 197, 204 11,15 62, 196, 197, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 208, 223, 224, 225, 226 11–14 204, 205, (206) 12 24, 44, 201, 202, 203, 205 12,2 22 12,3 43, (44) 12,5 43 13 46, 90, 91, 93, 95, 112, 155, 168, 169, 197, 208,

Stellenregister

209, 212, 213, 214, 215, 216, 220, 221, 223, 224, 227, 237 13,1 201, 202, 203, 205, 208 13,2 45, 209, 217, 222, 223, 227 13,2–4 222, 223 13,2–5 223 13,3 (127), 169, 209, 210, 211, 212, 217, 222, 223, 227, 228 13,3–4 215 13,4 209, 211, 212, 213, 222, 223, 227 13,5 115, 209, 213, 215, 216, 217, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 231, 232, 235 13,6 210, 211, 215, 217, 228 13,6–7 209 13,7 127, 196, 209, 210, 215, 216, 217, 221, 223, 224, 225, 226, 228, 231, 235 13,7–15 209, 214 13,8 196, 215 13,8–15 155, 173, 178, 196, 215, 216, 217, 227, 237 13,8–16 223 13,10 196, 215 13,13 90, 91, 215, 227 13,13–14 214 13,14 215, 227 13,15 45, 216, 217, 218, 220, 227 13,16 209, 216, 216, 217, 221, 223, 227 13,17 210, 212, 223, 224, 225, 226, 228, 231, 235 13,18 210, 212, 224, 226, 228, 231, 235 13,19 137 13,19–22 210, 215, 217, 220, 224 13,19–23 227 13,20 228, 231, 235 13,22 137 13,23 212, 223 13,31 228, 231, 235 13,46 228, 231, 235

13–14

291

172, 177, 193, 194, 196, 201, 202, 204, 205, 206, 207, 208, 226, 231, 232, 235, 236 14 (23), 87, 123, 142, 144, 145, 149, 168, 197, 208, 210, 212, 213, 216, 217, 219, 220, 221, 223, 224, 229, 230, 232 14,1 210, 212, 217, 218, 221, 224, 225, 226 14,1–14 210, 219, 221, 222 14,2 213, 217, 218, 219, 220, 227 14,2–4 219 14,2–5 218 14,3 218, 219, 220, 227 14,4 218, 220, 221, (224) 14,4–6 227 14,5 218, 221 14,6 217, 218, 219, 227 14,7 217, 221, 225, 226 14,8 221, 225, 226 14,9  f.​ 219, 227 14,11 215, 220, 221, 225, 226, 228 14,12 219, 220, 221, 225, 226, 227 14,13 221, 225, 226 14,14 219, 221, 225, 226 14,14–30 214 14,15 212, 219, 227 14,16 210, 220, 227 14,17–19 219, 220, 227 14,18 210 14,19 210, 220 14,20 219, 221, 224, 225, 226, 227 14,20–23 210 14,21 f.​ 215, 220, 228 14,22 221 14,23 219, 221, 222, 224, 225, 227 14,24 66, 221, 225 14,24–30 225, 228 14,28 225 14,30 225

292 14,31

Stellenregister

211, 219, 224, 225, 226, 228 14,32 211, 225 14,32–35 213, 214, 225, 226, 228 14, 33 226 14,34 211, 226 14,35 (226), 228 14,36 211, 224 14,36–45 214, 228 14,43  f.​ 66 14,45 211 14,46 142, 211, 224, 225, 226, 229 14,47 23, 24, 27, 96, 142, 144, 145, 146, 147, 174, 193, 201, 202, 205, 208, 231, 235, 237 14,47–51 143, 144, 146, 192, 201, 202, 205, 208, 228, 229, 231, 235 14,48 36, 142, 146, 147, 174, 231, 235 14,49 86, 129, 130, 131 14,49–50 146 14,49–51 147, 235 14,51 147, 201, 229 14,51–52 146 14,52 143, 231 15 35, 38, 46, 49, 51, 52, 54, 67, 90, 91, 93, 95, 112, 138, 141, 142, 143, 144, 148, 213, (229), 237 15,1 43 15,2 51 15,3 36 15,7 36 15,9 52 15,12 51 15,17 43 15,22 52 15,23 52 15,26 91 15,29 67 16 83, 166 16,13 21, 43, 166, 167, 174, 177 16,14 64, 163, 166

16,14–23 177 16–19 178 16–26 69 17 49, 51, 83, 102, 115 17,1 115, 232 17,8–10 49 17,11 50 17,12 130 17,13 129–130 17,14 130 17,26 63 17,36 63 17,45 137 17,51 54, 103, 107 17,54 54, 55, 103, 104, 106, 112, 237 18 115 18,10 137, 166, 167, 177 18,11 137 18,25 64 19,9  f.​ 137 19,18–24 (165), 177 19,19–24 162 19,24 165 20 41 20,33 137 21 41 21,9 137 22 5, 60, 68 22,6 137 22,19 69 22,20 5, 69 24 28, 135, 136, 138, 140 24,6 43 24,11 43 25,1 41 26 135, 136, 137, 140 26,8 137 26,9 43 26,11 43 26,16 43 26,22 137 26,23 43, (174) 27,6 133, 140, 148 28 22, 24, 41, 46, 90, 91, 93, 94, 112, 115, 116, 118, (230), 237 28,1 115, 119, 229, 232

Stellenregister

28,2 115, 229, 232 28,3–15 230 28,3–25 237 28,4 116, 229, 230, 232 28,6 90 28,7 93 28,13 24 28,18 35, 37, 91 29 116 29,1 115, 229, 230, 231, 232, 235 29,2 115, 230 29,10 133, 140, 148 29,11 115, 133, 140, 148, 230, 231, 235 30 116, 118, 121, 133, 136, 138, 141 30,17 141 31 49, 55, 70, 71, 72, 84, 92, 97, 98, 99, 103, 104, 105, 107, 108, 109, 110, 111, 116, 118, 119, 120, 121, 122, 125, 126, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 136, 137, 139, 140, 141, 148, 193, 207, 208, 227, 229, 231, 232, 233, 234, 235, 237 31,1 115, 116, 126, 134, 139, 148, 230, 231, 235 31,1–6 128, 131 31,1–7 122, 132 31,1–12 230 31,2 86, 116, 119, 120, 129, 130, 131, 139, 148, 231, 235 31,3 28, 55, 117, 119, 120 31,3–5 139, 148, 231, 235 31,4 55, 71, 114, 116, 117, 119, 120, 121, 124, 137, 142, 237 31,5 71, (72), 105, 117, 125, 126, 135 31,6 84, 86, 98, 99, 101, 117, 119, 125, 126, 128, 129, 130, 139, 148, 231, 235 31,7 117, 126, 127, 128, 131, 139

293

31,8

101, 117, 128, 129, 139, 148, 231, 235 31,8–9 131 31,8–13 127, 128 31,9 54, 72, 101, 106, 112, 129, 139, 140, 148, 231, 235, 237 31,9–10 128, 131, 139 31,10 101, 102, 104 31,10–13 129, 131, 139, 148, 231, 235 31,11 72 31,11–13 128 31,12 72, 107, 108, 109, 110, 112 31,13 (72), 107, 108, 112 II Samuel 1

6, 37, 38, 49, 51, 53, 54, 55, 70, 71, 118, 119, 120, 121, 122, 125, 126, 130, 131, 132, 133, 135, 136, 139, 140, 141, 148, 227, 232 1,1 121, 132, 136, 138, 140, 141, 148, 232 1,1–4 (50), 135 1,1–12 229 1,2 50, 122, 132, 137, 140, 148, 232 1,3 122, 132, 135, 140, 148, 232 1,3–4 132 1,3–10 133 1,4 120, 122, 132, 134, 140, 148, 232 1,5 120, 132 1,5–7 140, 148 1,5–10 132, 138 1,6 55, 119, 120, 121, 132, 137 1,6–10 55, 135, 136, 137 1,8 135, 138, 139, 141, 142, 148 1,9 120, 138, 140, 148 1,10 71, 118, 119, 120, 124, 137, 140, 148

294 1,11

Stellenregister

122, 132, 133, 135, 140, 148, 232 1,12 120, 132, 133, 134, 135, 140, 148, 232 1,13 132, 133, 135, 138 1,13–15 133 1,13–16 132, 135, 138, 140, 148 1,14 43, 118, 121, 135 1,15 140 1,16 43, 118, 135 1,17 120, 132 1,17–27 118, 135 1,18 132 1,19–27 123, 132 1,20 121 1,23 120 1,26 123 2 86 2,4 128 2,4–7 128 2,7 128 2,8 128 2–4 101, 130, 139, 140 3,1 100 4 118 4,4 86 4,7 118 5 27, 83, 118, 131, 139 5,2 88 5,2–4 118 5,3 118 5,17 115 5,17–25 119 5,21 128 6,21 (134), (135) 7 40, 57 7,15 40 8 144, 145, 146 8,5 145 8,12 145 8,14 144 8,15 144, 145 9,12 86 10 144 19,10 (206) 21 (86), (89), (130), (131) 21,8 (86) 21,10 (111)

23,14 222 24 27 I Könige 1,40 162, 163 6,1 203 10,9 (145) 12,16–19 82 12,18 82 12,21 82 12,23 82 13,2 108 17,17–24 20 20,31 82 22,7 92 22,8 92 II Könige 9,6 (134), (135) 22,13 91 23,11 176 23,16 108 23,20 108 Jesaja 2 198 40–66 10 49,6 19 57,1 25 Jeremia 1,6 44 9,23 (190) 18,2 (174) 34,5 110 Ezechiel 17,20 94 18 57 18,2 95 18,4 (95) 18,20 94, 95 18,21 (57), (95) 18,21–23 95 18,23 95 18,24 94, 95, 96, 112 18,27 (57)

Stellenregister

39,26 94 Hosea 8,4 48 13,11 48 Amos 2,1 108 Maleachi 3 20 3,23 19 Psalmen 1 24 1,6 23 6,8 181 9,6 25 10,14 182 31,10 181, 182 34,17 25 78,55 45 78,60 45 78,61 45 78,66–68 46 78,67–71 45 78,67 45, 46 78,67  f.​ 45 78,69 46 78,70 46 105 10, 12 106 10, 12 Hiob 18,17 26 Proverbien 10,7

26, 27, 79, 238

Esther 2,5 35 I Chronik 1–9 83, 89 2 88, 89, 111 2,3–4 89 2,5 89 2,9 89

295

2,10–15 89 2,15 89 2,16  f.​ 89 8 84, 87, 88 8,28 85 8,29–40 85, 100 8,29 85 8,33 84, 86, 130 8,33–40 96, 98, 111 8,34 86 8,40 84 9 84, 86 9,1 85, 86, 88, 96, 111 9,1–34 85 9,3 85 9,33 86 9,34 85 9,35 85 9,35–40 100 9,35–43 85, 86 9,39 84, 86 9,39–44 98 9,40 86 10 41, 72, 74, 83, 84, 85, 87, 88, 89, 94, 96, 97, 98, 100, 102, 103, 104, 106, 107, 109, 110, 111, 139, 140, 141 10,1 88 10,2 86 10,4 100 10,5pßp 100 10,6 84, 86, 87, 98, 99, 100, 101, 112, 140 10,7 127 10,9 54, 102, (103), 105, 106, 112, 140, 238 10,9–12 (73) 10,10 54, 92, 93, 102, 103, 238 10,12 (72), 102, 107, 112 10,13 78, 85, 94 10,13 f.​ 23, 27, 57, 65, 68, 73, 77, 81, 89, 90, 91, 92, 93, 95, 96, 98, 106, 107, 112, 139, 142, 148, 237 10,14 88, 100 11 83

296

Stellenregister

11,1 11,2

88, 89, 96, 111 88, 89, 96, 111, 141, 237 11,6 222 13,3 51, 92, 93, 96, 112 21 28 21,30 92 29 83 II Chronik 1,5 92 10,16–19 82 10,17 82 10,18 82 11,3 82 16,14 110, 111 18,4 92 18,6 92 18,7 92 21,19 110, 111 34,5 108 34,21 91, 92, 96, 112 34,26 92 36 85 36,14 94 36,20 88 Jesus Sirach 0,8–10 12 44 15 44,1 24 44,7 26 44,8 26 44,9 26 44,10 24, 26

44,13 24, 77, 238 44,15 15 44,16 14, 15, 17, 18 44,17 15 44–49 12, 14 44–50 10, 13, 16 46 22 46,12 18 46,13 21, 24, 79, (150) 46,13–20 21 46,19 17, 18, 22, 24, 43, 79 46,20 22, 24, 79 47 21 47,22 17 47,23 26 48 26 48,4–11 19 48,8 19 48,9 19 48,12 19 49 15 49,10 18, 19 49,11 15, 19 49,12 15 49,13 16 49,14 14, 15, 18 49,14–16 17, 19 49,15 15, 16, 17, 18 49,16 14, 16, 17 50 14, 17 50,1 14, 16 50,1–4 16 50,1–24 13 50,24 25

2. Qumranisches Schrifttum 1QApGen ar 4Q51

9 4, 27, 28, 29, (62–63), 142, 184, (190), 222, 223 4Q158 28 4Q252 7, 8, 9, 11, 12, 18, 30, 31, 32, (33), 34, 36, 38, 52, 53, 78, 142

4Q252 IV,1–3 79, 238 4Q364–367 28 4QJerb 27 4QJerd 27 11QT 10

Stellenregister

3. Jüdisch-hellenistische Schriften und Autoren IV Esra 3,1 (39) Josephus Antiquitates Iudaicae 1,3 59 1,5 59–60 1,14 76 5,339 (62) 6 71 6,45 61 6,54 62 6,63 65 6,65 61 6,83 62 6,105 (62) 6,116 66 6,130 (23) 6,133 66, 79, 238 6,136 66, 67 6,137 67 6,138 67 6,166 64 6,181–183 63 6,201 64 6,260 5, 69 6,261 5, 60, 69 6,262–268 68, 70 6,263 69 6,264 69 6,268 5, 69 6,269 5, 69 6,340–342 73 6,343 75 6,343–350 65, 74 6,345 74, 75 6,346 75 6,347 75 6,368 71 6,368–377 65, (71) 6,370–372 71 6,374 72 6,377 72 6,378 65, 68, 73, 74, 97 7,3 (71)

8,137 63 18,63 63 20,200 63 Vita 429 (70) Jubiläenbuch 19,8–9 32 23,32 32 Pseudo-Philo Liber Antiquitatum Biblicarum 11,6 57 19,7 39 22,9 40 25 47 25,2 47 25–28 47 49 47 49,1 48 49,7 40 51,2 53 51,7 44 52,4 (57) 54 49, 50, 51 54–65 56, 70 54,3 49 54,4 49, 50 56 65 56,1 48 56,2 48, 80 56,3 43, 44, 48, 52 56,4 45 56,5 43, 63 56,6 44 57,1 44 57,3 43 57,5 (23), 46 58 49, 51, 52, 53, 65 58,1 51, 52, 66, 79, 238 58,2 52 58,3 53 58,4 40, 46, 53, 73 59 40, 65

297

298

Stellenregister

59,3 43 60 41 60,3 41 61 49 61,2 49, 50 61,8 54 62 41 63 41, 60, 65 63,1 61

63,5 41 64,1 41, (52) 64,7 46, 73 65 40, 49, 55, 71 65,1 (53), 71 65,2–5 55 65,3 55 65,4 53, 139 65,5 40, 76

4. Griechisch-römische Schriftsteller Homer

Vergil

Ilias 9,413 (75) 22,305 (75)

Aeneis 12,678–680 (75)

Sueton Vita Domitiani 2,3 (70) 10,1 (70)

Personenregister Abegg, M. G.  29, 30, 36 Ackroyd, P. R.  87, 92 Adam, K.-P.  125, 127, 165, 214, 225 Aejmelaeus, A.  4, 28, 105, 146, 161, 184, 189, 190 Albright, W. F.  2, 230 Alexander, P. S.  10 Allegro, J. M.  31 Allen, L. C.  94 Amit, Y.  36, 99 Anderson, A. A.  122 Assmann, J.  79 Auld, A. G.  28, 81, 97, 102, 103, 107, 169, 174, 179, 217 Aurelius, E.  104, 143, 232 Avioz, M.  77, 83

98, 99, 100, 101, 104, 107, 108, 117, 130, 131, 137, 138, 141, 143, 168, 174 Bickell, G.  15 Birch, B. C.  152, 155, 156 Blenkinsopp, J.  25 Blum, E.  233 Bogaert, P.-M.  38, 39, 40 Bronner, L. L.  181 Brooke, A. E.  99, 105, 121 Brooke, G. J.  10, 30, 31, 33, 34, 35, 37 Buber, M.  151 Budde, K.  108, 132, 135, 140, 142, 143, 144, 153, 161, 165, 176, 183, 203 Bunta, S. N.  18 Busch, P.  41 Busto Saiz, J. R.  105

Bar-Efrat, S.  71, 121, 124, 137, 197, 209 Barclay, J. M. G.  64 Bartelmus, R.  6 Barthélemy, D.  62, 101, 161, 164, 190, 195, 203 Bauckham, R.  45 Becker, E.-M.  14 Becker, U.  4, 11, 24, 98, 124, 194, 202 Beentjes, P. C.  13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 24, 25, 83, 145 Begg, C. T.  23, 29, 47, 53, 54, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 66, 67, 71, 72, 73, 76, 92 Begrich, J.  181, 182 Ben-Ḥayyim, Z.  14 Ben Zvi, E.  51, 79 Berges, U.  108, 214, 228 Berlejung, A.  11, 206 Bernstein, M. J.  10, 11, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36 Bezzel, H.  4, 9, 11, 23, 29, 39, 54, 57, 62, 68, 72, 84, 86, 89, 91, 92, 94, 95, 96,

Caspari, W.  156 Cazeaux, J.  39 Clarke, E. G.  37 Cohen, M. Cohn, L.  39 Conrad, J.  225 Conte, G. B. Cook, E.  36 Corley, J.  17, 20, 21, 26, 150 Crawford, S. W.  9 Cross, F. M.  28, 29, 62, 180, 195 DesCamp, M. T.  38, 55 Di Lella, A. A.  8, 14, 16, 19, 21, 25, 26 Dietrich, W.  2, 3, 4, 5, 28, 61, 78, 103, 115, 120, 123, 124, 127, 130, 136, 141, 143, 144, 146, 147, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 157, 158, 161, 162, 165, 167, 169, 170, 171, 173, 175, 176, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 187, 188, 190, 195, 196, 197, 199, 200, 203, 206, 209, 210, 211, 213, 214, 217, 221, 222, 225, 226, 234

300

Personenregister

Dietzfelbinger, C.  9, 39, 41, 42, 44, 45, 47, 50 Díez Macho, A.  37 Donner, H.  4, 78, 214, 224, 228, 230 Dormeyer, D.  78 Driver, G. R.  101 Driver, S. R.  220 Duhm, B.  25, 45 Edelman, D. V.  3, 61, 131, 143, 154, 198 Edenburg, C.  105, 136, 143, 266 Eisenman, R.  31, 33, 34, 36 Eissfeldt, O.  40, 49, 53 Epstein, M. M.  6 Eynikel, E.  193 Fabry, H.-J.  14 Faust, A.  5 Feldman, L. H.  9, 13, 39, 40, 41, 42, 50, 51, 57, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 67, 70, 74, 75, 76, 77 Feldmeier, R.  25 Fincke, A.  29 Finkelstein, I.  1, 2, 207, 233, 234 Fischer, A. A.  50, 117, 119, 122, 123, 124, 126, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 137, 138, 140, 144, 157, 158, 161, 162, 163, 166, 167, 168, 169, 172, 175, 176, 214, 230 Fisk, B. N.  47 Fokkelman, J. P.  114, 124, 197, 208 Foresti, F.  141, 214 Frevel, C.  206 Fritz, V.  206 Fröhlich, I.  31, 33, 34, 41, 43, 59 Frolov, S.  179, 188, 194 Galling, K.  85, 92, 103 García Martínez, F.  27, 29, 30, 31, 32, 35, 36 Geiger, A.  176 Georges, K. E.  54 Gering, J.  70 Gerleman, G.  36 Gesenius, W.  25, 116, 150, 188, 222 Ginsburger, M.  37 Gile, J.  17

Glück, J. J.  175 Goshen-Gottstein, A.  11, 12, 14, 16 Green, B.  123 Gressmann, H.  150, 210 Grillet, B.  68, 72, 101, 107, 164, 222 Grimm, J.  3 Grimm, W.  3 Groß, W.  93, 124, 134, 168, 194 Gunkel, H.  181, 182 Gunn, D. M.  5, 72, 165 Hadot, J.  39 Hänel, J.  84, 92 Harrington, D. J.  10, 38, 39 Harris, H.  2 Hatch, E.  24, 25, 164, 189 Hayward, R. Heinrich, A.  103, 123, 126, 128, 130, 141, 174, 214, 215, 231 Hengel, M.  25 Hentschel, G.  4, 6, 12, 13, 59, 62, 120, 124, 188, 224, 229 Hertzberg, H. W.  109, 124, 153, 156 Hesse, F.  21 Hildesheim, R.  20 Ho, C.  73, 97, 102, 108 Hoffmann, D. Hossfeld, F.-L.  45, 46 Hugo, P.  4 Hunziker-Rodewald, R.  98, 101, 102, 104, 105, 106 Hutton, J. M.  131 Hutzli, J.  4, 72, 74, 107, 164, 183, 188, 189, 190 Hylander, I.  192 Jacobson, H.  39, 41, 50, 57, 59 James, M. R.  9, 39, 40, 41, 42, 50 Japhet, S.  9, 82, 85, 95, 97, 99, 101 Jeremias, J.  109 Jobling, D.  213, 225 Johnstone, W.  85, 86 Jonker, L. C.  99, 104 Joüon, P.  36, 130 Kaiser, O.  18, 123, 143, 154, 157, 158, 159, 162, 169, 170, 172, 174, 196, 197, 199, 206, 212, 213, 215, 225, 229

Personenregister

Kalimi, I.  81, 90, 91, 99, 100, 101, 108, 109 Kallai, Z.  195 Kisch, G.  39 Klein, J.  23, 195 Klein, M. L.  37 Klein, R.  195 Klostermann, A.  116 Knauf, E. A.  116, 194, 206 Knierim, R. P.  94 Knoppers, G. N.  9, 10, 11, 91, 92 Koch, K.  94, 99, 109 Kofoed, J. B.  2, 13 Kratz, R. G.  5, 7, 10, 11, 12, 27, 63, 85, 88, 89, 123, 128, 131, 143, 157, 162, 166, 167, 168, 185, 188, 193, 195, 196, 197, 198, 199, 202, 206, 207, 214, 215, 218, 219, 221, 222, 231, 233 Kraus, H.-J.  46 Kreuzer, S.  6, 203, 206, 217 Kuberski, P.  108, 110 Lehnart, B.  121, 157, 162, 199, 234 Lestienne, M.  68, 72, 101, 107, 164, 222 Levin, C.  91, 134, 174, 193, 194 Levy, J.  181 Lipiński, E.  175 Liss, H.  13 Lohfink, N.  134 Long, V. P.  209, 212 Longenecker, B. W.  39 Mack, B. L.  16, 20, 21 Maier, J.  9, 11, 29, 33, 35, 36, 66 Marböck, J.  17, 21, 25 Marcos, N. F.  105 Marttila, M.  8, 14, 21 McCarter, P. K. Jr.  99, 100, 101, 105, 115, 122, 127, 129, 146, 153, 154, 165, 183, 192, 195, 196, 211, 220 McKane, W.  174 McKenzie, S. L.  99, 100, 101, 110, 175 McLean, N.  99, 105, 121 Meier, S. A.  137 Mettinger, T. N. D.  155, 156, 157, 162, 200 Metzger, P.  39

301

Middendorp, T.  19 Mommer, P.  157, 158, 169, 172, 180, 183, 185, 186, 214 Mosis, R.  85, 88, 91, 92, 93 Mulder, O.  16, 17 Müller, R.  62, 130, 146, 147, 167, 170, 193, 194, 195, 196, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 206 Münger, S.  2, 3 Muraoka, T.  36, 130 Murphy, F. J.  48 Na’aman, N.  1 Naumann, T.  158 Naveh, J.  207 Newell, R.  72 Newsom, C.  30 Nicholson, S.  6 Nickelsburg, G. W. E.  10, 76 Niebuhr, K.-W.  31 Niese, B.  68, 72 Nihan, C.  81, 165, 230 Nodet, É.  63, 72 Noth, M.  89, 143, 150, 192, 202, 203 Oegema, G. S.  36, 37 Olyan, S. M.  38, 39 Pakkala, J.  62, 143, 146, 195 Parry, D. W.  28, 29, 36, 180 Paton, L. B.  36 Perrot, C.  38, 39, 40 Pfeiffer, H.  199 Pfeiffer, S.  70 Pike, D. M.  30 Pintore, F.  116 Pisano, S.  62, 115, 146, 188, 209 Pohlmann, K.-F.  94, 95 Porzig, P.  21, 50, 93, 102, 116, 123, 133, 185, 188, 190, 193, 207, 210, 215, 219, 231 von Rad, G.  82, 83, 223 Redpath, H. A.  24, 25, 164, 189 Reinmuth, E.  38, 39 Reitemeyer, M.  14 Reiterer, F. V.  20, 21 Rengstorf, K. H.  23, 63

302

Personenregister

Richter, W.  146, 155, 165, 166 Riessler, P.  41, 42 Rofé, A.  28, 184, 195, 218, 219, 222, 226 Römer, T.  141 Rothstein, W.  84, 92 Rudnig, T. A.  206 Rudolph, W.  82, 111 Sabatier, P.  44 Saley, R. J.  28, 29, 180 Sauer, G.  8, 14, 15, 19, 24 Saukkonen, J. M.  31 Schalit, A.  63, 76 Schenker, A.  4, 164 Scherer, A.  210 Schicklberger, F.  218, 219, 221 Schmid, K.  12, 39, 193 Schmidt, L.  156, 157, 158, 160, 162, 167, 169, 170, 171, 175 Schmitt, A.  15 Schmitt, H.-C.  155 Schorch, S.  106, 130 Schuller, E.  XI Schunck, K.-D.  116, 206, 212 Schweitzer, S.  83 Segal, M.  11, 28 Seidel, M.  145 Seybold, K.  21 Shalom Brooks, S.  3, 207 Ska, J.-L.  14 Skehan, P. W.  8, 14, 16, 19, 21, 26 Skinner, A. C.  30 Smend, R. [d. Ä.]  16, 17, 19, 22, 24, 26 Smith, H. P.  169 Sperber, A.  37 Spieckermann, H.  25, 45 Spilsbury, P.  68, 74, 77 Spiro, A.  13, 22, 24, 42, 43, 44, 45, 46, 48, 50, 52, 53 Stadelmann, H.  22 Steck, O. H.  9, 25, 39, 56, 59 Stegemann, H.  30, 31, 33, 36 Steins, G.  11, 85 Steudel, A.  31, 34, 35 Stoebe, H. J.  61, 102, 103, 104, 109, 110, 117, 121, 124, 126, 127, 134, 135, 136, 142, 144, 165, 169, 176, 189, 190, 195,

196, 203, 209, 210, 211, 217, 219, 220, 230 Stolz, F.  109, 199, 220 Sugimoto, T.  102 Sukenik, E. L.  29 Swoboda, S.  64, 75 ter Haar Romeny, B.  62, 146, 195 Thackeray, H. S.  99, 105, 121 Thenius, O.  152, 165 Tigchelaar, E. J. C.  27, 29, 30, 32, 35, 36 Tov, E.  27, 28, 30, 36, 195 Trebolle, J.  115, 193 Trotter, J. M.  88 Tzoref, S.  31, 32 Ulrich, E.  62, 63 VanderKam, J. Veijola, T.  86, 133, 143, 144, 145, 146, 183, 196, 200, 202, 210, 214 Vercellone, C.  23 Vermes, G.  9 Vermeylen, J.  125, 223 Vogel, M.  56 Wagner, D.  151, 155, 198 Wagner, S.  92 Weiss, M.  145 Wellhausen, J.  4, 23, 82, 117, 125, 129, 135, 143, 153, 165, 166, 195, 203, 209, 217, 230, 237 Welten, P.  83, 92 White, M. C.  5, 154, 155, 192, 225, 231, 232 Whybray, R. N.  14 Willi, T.  82, 83, 85, 86, 87, 88, 91, 92, 93, 96, 97, 99, 100, 101, 102, 108, 127, 130 Williamson, H. G. M.  92, 93 Wise, M.  31, 33, 34, 36 Witte, M.  17, 18, 45, 168 Wolff, H. W.  109 Wonneberger, R.  186, 187 Wright, J. L.  24, 109 Würthwein, E.  124, 193 Yadin, Y.  15

Personenregister

Zadok, R.  150 Zalewski, S.  93, 100 Zapff, B. M.  19, 20, 25

Zenger, E.  45, 46 Ziegler, J.  25 Zwickel, W.  109, 110

303