Saul und David in der judäischen Geschichtsschreibung: Studien zu 1 Samuel 16 - 2 Samuel 5. Habilitationsschrift 9783161489327, 9783161577994, 3161489322

In den Erzählungen der Samuelbücher stehen Saul und David einander nicht nur als Einzelfiguren gegenüber, sondern repräs

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German Pages 256 [271] Year 2007

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 Das frühe Königtum im Deuteronomistischen Geschichtswerk – Fragestellung und Hermeneutik
1. Die Saul-David-Erzählungen
1.1 Der Textbereich und sein Zusammenhang
1.2 Form, Motivik und Intention der Aufstiegsgeschichte
1.3 Saul und David
1.4 Mehrfach- und Doppelüberlieferungen
1.5 Die (Zwei-)Quellentheorie
1.6 Motivwiederholung durch Voranstellung
1.7 Ersterwähnung und Figurenbildung
2. Form, Motivik und Intention der Überlieferung der Königszeit
2.1 Rahmenformulierungen für Saul und David
2.2 Die „synchronistische Chronik“ der Königebücher
2.3 Die Plastizität literarischer Figuren
2.4 Auswertung formaler Unterschiede der Königsüberlieferung
3. Geschichtsüberlieferung im Alten Orient
3.1 Königslisten in Mesopotamien
3.2 Paradigmatische Herrschergestalten in Vorgeschichten
3.3 Folgerungen für das Verständnis der Saul-David-Überlieferung als Vorgeschichte
4. Hermeneutik und Narratologie für Geschichtserzählungen und ihre Bedeutung für die Saul-David-Überlieferung
4.1 Paul Ricoeurs hermeneutische Theorie
4.2 Folgerungen für die Interpretation der Saul-David-Erzählungen
5. Vorgehen und Gliederung
Kapitel 2 Saul- und David-Überlieferungen 1Sam 27,1–28,2; 1Sam 29 und 31; 2Sam 1–5
1. Davids Königtum über Juda und Israel in Jerusalem nach 2Sam 5
1.1 Themen und Motive
1.2 Die Eroberung der Davidstadt, Grablege der judäischen Könige
1.3 Die Baunotiz in 2Sam 5,9b
1.4 Die vorangestellte Regierungszeitnotiz in 2Sam 5,4f
1.5 Davids Frauen und Söhne nach 2Sam 5,13–16
1.6 Das israelitisch-judäische Verhältnis
1.7 Der נגיד -Titel
1.8 Philistersieg, Mitseinsformel (2Sam 5,10.17–21.22–25); Hiskia und Salomo
1.9 Das literarische Wachstum von 2Sam 5
2. Israels Niederlage und das Ende der Sauliden 2Sam 2–4
2.1 Plot und Aufbau
2.2 Einzelanalyse und Redaktionsgeschichte
2.2.1 Ein israelitisch-judäischer Krieg 2Sam 2,12–17; 3,1.6
2.2.2 Homizid und Blutschuld. Abner, Asahel, Joab 2Sam 2,18–24.32
2.2.3 Homizid und Blutschuld. Israel und Juda 2Sam 2,25–31
2.2.4 Homizid und Blutschuld. Abner und Joab 2Sam 3,6b–39
2.2.5 Homizid, Blutschuld und Rebellion. David, Ischbaal und seine Mörder 2Sam 4,1–12
2.2.6 Davids Genealogie 2Sam 3,1.2–5
2.2.7 Davids und Ischbaals Reich 2Sam 2,1–11 (2,1–3.4a.4b–7.8–11)
2.3 Das literarische Wachstum von 2Sam 2–4
2.4 Exkurs: Topographie und Topologie: Hebron, Gilead, Gibeah/Geba/Gibeon
2.4.1 Hebron, Mahanaim und der Saul-David-Kontrast
2.4.2 Gilead
2.4.3 Gibeah/Geba/Gibeon – Israel, Benjamin und Juda in der Königszeit
3. David als Vasall der Philister 1Sam 27,1–28,2; 29
3.1 Plot und Aufbau
3.2 Achischs Vertrauen zu David
3.3 Die Transparenz der Figuren auf geschichtliche Größen
3.4 Literarische Entwicklung
3.5 1Sam 21,11–16
4. Sauls Tod 1Sam 31 (2Sam 1)
4.1 Plot und Aufbau
4.2 Philisterkampf und Philisterpolemik
4.3 Beth-Sch(e)an, Gilboa, Jabesch – Gilead und die Ammoniter
4.4 Integrität des Leichnams – Sauls Bestattung
4.5 2Sam 1
4.5.1 Exkurs: Amalek
5. Ausblick: Die Sauliden 2Sam 6,16.20–23; 9; 16,1–4; 19,25–31
6. Strukturen und Themen einer Geschichte der frühen Königszeit
Kapitel 3 Sauls Tötungsabsicht und Davids Flucht in 1Sam 23,1–26,25
1. Davids Flucht nach Juda 1Sam 23–26
1.1 Handlungsfolge und Dialoge
2. Homizid aus Vorsatz und sein traditionsgeschichtlicher Rückraum
2.1 Die juridische Auseinandersetzung um vorsätzlichen Homizid in 1Sam 24
2.2 Die messianologische Erweiterung in 1Sam 24
2.3 Exkurs: Fallerzählung und abstrakte Verhaltensvorschrift
2.4 Vorsätzliche Tötung und Eingreifen JHWHs nach 1Sam 26
2.5 Exkurs: 1Sam 25,1b–42
3. Verrat und Gottesbefragungen 1Sam 23,1–15.19–28
3.1 Der Verrat in Ziph 1Sam 23,19–28
3.2 Rettung und Verrat in Keilah 1Sam 23,1–15
3.2.1 Gottesbefragungen
4. Motivlicher Rückraum und Entstehung der Fluchtgeschichten
4.1 Der geographische Raum der Fluchtgeschichten
4.2 Die Ausgestaltung zu Fluchtgeschichten durch ברח // מלט
4.3 Das literarische Wachstum von 1Sam 22–26
Kapitel 4 Motivik, Form und Überlieferungsbildung in 1Sam 16–22
1. Aufstand und Verfolgung an Sauls Hof 1Sam 22,6–23; 19,1–21,1
1.1 Aufstand und Gottesbefragungen 1 Sam 22,6–23
1.1.1 Der Vorwurf des Aufruhrs und der Priestermord
1.1.2 Zur literarischen Entwicklung
1.2 Exkurs: Unheilsherrscher, Heilsherrscher, Herrschaftswissen
1.3 Aufstieg und Verfolgung an Sauls Hof 1Sam 19–21,1
1.3.1 Der Aufbau der idealtypischen Hofszene 1Sam 19–21,1
1.3.2 Die literarische Entwicklung in 1Sam 19–21,1
1.3.3 Davids Wissen um Sauls Tötungsabsicht
1.3.4 Bundesvorstellungen und dtr Redaktion
1.4 Zwischenergebnis
2. 1Sam 16–20 als Ausgestaltungen zur Vita Davids
2.1 Konzeptionelle Zusammenhänge des Textwachstums MT/LXX 1Sam 18
2.2 Der Sieg des jungen judäischen Höflings 1Sam 17–18,5
2.2.1 LXX[B] versus MT in der jüngeren Forschung
2.2.2 Szenenfolge
2.2.3 Vita, „vorprophetischer Berufungsbericht“, Schlachtschilderung und Einzelkämpferüberlieferungen
2.3 Zusammenfassung: Motivik und Redaktion in 1Sam 17–18 [MT/LXX]
2.4 1Sam 16,14–23 und die charismatische Herrscherlegitimation
2.4.1 Aufbau
2.4.2 Punktuelle und dynastische Legitimation (Ri – Sam; Jes 11,2)
2.4.3 Exkurs: Geist und ekstatische Prophetie in 1Sam 16,1–13; 19,18–24
2.5 Erwählung und Loswahl 1Sam 16,1–13 und 1Sam 10,17–27
3. Die Form der Herrscher(auto)biographie
3.1 Exkurs: Herrscherbiographien im Alten Orient und in der klassischen Antike
3.1.1 Die Inschrift des Idrimi von Alalah
3.1.2 Die Apologie Hattusilis III
3.1.3 Viten in der klassischen Antike
4. Das literarische Wachstum 1Sam 16–22
Kapitel 5 Die Saul-David-Geschichten und die israelitisch-judäische Geschichte
1. Forschungsgeschichte: Ein gestuftes Wachstum der Königebücher
2. Form und Themen der Quellen der Königebücher
2.1 Rekonstruktion der synchronistischen Chronik
2.2 Assyrische und babylonische Chroniken als narû-Literatur
2.3 Herrschaftsfolge und Dynastie
2.4 Bund, Bundesbruch, Grenzverläufe und Kriege
2.5 Exkurs: 1Kön 15,16–22 und 2Kön 16,5.7–9
2.6 Aufstände/Rebellionen
2.7 Exkurs: 2Kön 17,1.3–5; *2Kön 18–20 und das Sachzentrum der sC
2.8 Begräbnisnotizen
2.9 Hauptstadt und Bautätigkeit
2.10 Redaktionsvorgänge
2.11 Zusammenfassung
3. Narrative Ausgestaltung der synchronistischen Chronik
3.1 Thematischer Fokus und historischer Ort der SD-Erzählungen
Zusammenfassung
Anhang 1Kön 15,16–22 und 2Kön 16,5.7–9[10]
Literaturverzeichnis
Stellenregister
Begriffsregister
Register hebräischer Begriffe
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Saul und David in der judäischen Geschichtsschreibung: Studien zu 1 Samuel 16 - 2 Samuel 5. Habilitationsschrift
 9783161489327, 9783161577994, 3161489322

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Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski (Tübingen) • Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)

51

ARTI BUS

Klaus-Peter Adam

Saul und David in der judäischen Geschichtsschreibung Studien zu 1 Samuel 1 6 - 2 Samuel 5

Mohr Siebeck

KLAUS-PETER ADAM, geboren 1965; Studium der ev. Theologie und Altorientalistik in Berlin, Tübingen, München, Chicago; 1999 Promotion; 2002-2005 Forschungsprojekt zu den Saul-David-Erzählungen in Marburg; 2005 Habilitation; Privatdozent an der Universität Marburg.

978-3-16-157799-4 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISBN 978-3-16-148932-7 ISSN 0940-4155 (Forschungen zum Alten Testament)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2007 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Josef Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Diese Untersuchung entstand im Rahmen des von mir 2002-2005 an der Philipps-Universität Marburg durchgeführten DFG-Projekts „Die Saul-DavidGeschichten in den Samuelbüchem", wurde im Wintersemester 2004/2005 als Habilitationsschrift eingereicht und für den Druck überarbeitet. Als wichtige Voraussetzungen der Literargeschichte erwiesen sich die grundlegende Reflexion der Form und Aussageleistung narrativer Historiographie sowie der thematischen Kontinuität judäischer Geschichtsschreibung in den Samuel- und Königebüchern. Für viele kritische Fragen und Hinweise danke ich besonders Jörg Jeremias, der diese Arbeit auch begutachtete; Rainer Kessler für die Erstellung eines weiteren Gutachtens. Viele trugen durch zahlreiche Gespräche zum Gelingen bei: Friedhelm Hartenstein, der mich auch zur Durchführung ermutigte, Otto Kaiser, Erhard Blum, Judith Gärtner, Melanie Köhlmoos, die auch Teile dieser Arbeit gegenlas, Erasmus Gass, der stets mit Rat besonders zu archäologischen Fragen zur Seite stand, Hans-Ulrich Wiemer, Rosel Pientka, Arbogast Schmitt, Ralph W. Klein, Thomas Naumann, Astrid Erll, Anna K. Müller, Martina Kepper sowie Teilnehmer der Forschungskolloquien in Hamburg und Marburg. Für die Aufnahme in die Reihe Forschungen zum Alten Testament danke ich Bernd Janowski, Mark S. Smith und Hermann Spieckermann. Henning Ziebritzki war im Verlag Mohr Siebeck zuständig. Bei den Korrekturen halfen Dominik Becker, Kerstin Greifenstein und unermüdlich Sonja Becker sowie vom Verlag Tanja Mix. Unterstützt haben mich auch meine Eltern Hilde und Helmut Adam, Almuth Hammer, Jan Schirawski und, mit viel Geduld, Bernd Krock. Marburg, im August 2006

Klaus-Peter Adam

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1

Das frühe Königtum im Deuteronomistischen Geschichtswerk Fragestellung und Hermeneutik 1. Die Saul-David-Erzählungen 1.1 Der Textbereich und sein Zusammenhang 1.2 Form, Motivik und Intention der Aufstiegsgeschichte 1.3 Saul und David 1.4 Mehrfach- und Doppelüberlieferungen 1.5 Die (Zwei-)Quellentheorie 1.6 Motivwiederholung durch Voranstellung 1.7 Ersterwähnung und Figurenbildung

1 1 2 3 4 5 9 9

2. Form, Motivik und Intention der Überlieferung der Königszeit 2.1 Rahmenformulierungen für Saul und David 2.2 Die „synchronistische Chronik" der Königebücher 2.3 Die Plastizität literarischer Figuren 2.4 Auswertung formaler Unterschiede der Königsüberlieferung

10 10 10 11 12

3. Geschichtsüberlieferung im Alten Orient 3.1 Königslisten in Mesopotamien 3.2 Paradigmatische Herrschergestalten in Vorgeschichten 3.3 Folgerungen für das Verständnis der Saul-David-Überlieferung als Vorgeschichte

13 13 18 20

4. Hermeneutik und Narratologie für Geschichtserzählungen und ihre Bedeutung für die Saul-David-Überlieferung 4.1 Paul Ricoeurs hermeneutische Theorie 4.2 Folgerungen für die Interpretation der Saul-David-Erzählungen

21 22 25

5. Vorgehen und Gliederung

28

VIII

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 2

Saul- und David-Überlieferungen 1 Sam 27,1 - 28,2; 1 Sam 29 und 31; 2Sam 1 - 5 1. Davids Königtum über Juda und Israel in Jerusalem nach 2Sam 5 1.1 Themen und Motive 1.2 Die Eroberung der Davidstadt, Grablege der judäischen Könige 1.3 Die Baunotiz in 2Sam 5,9b 1.4 Die vorangestellte Regierungszeitnotiz in 2Sam 5,4f 1.5 Davids Frauen und Söhne nach 2Sam 5,13-16 1.6 Das israelitisch-judäische Verhältnis 1.7 Der T>JJ -Titel 1.8 Philistersieg, Mitseinsformel (2Sam 5,10.17-21.22-25); Hiskia und Salomo 1.9 Das literarische Wachstum von 2Sam 5

31 31 31 33 34 35 35 36 37 41

2. Israels Niederlage und das Ende der Sauliden 2Sam 2 - 4 2.1 Plot und Aufbau 2.2 Einzelanalyse und Redaktionsgeschichte 2.2.1 Ein israelitisch-judäischer Krieg 2Sam 2,12-17; 3,1.6 2.2.2 Homizid und Blutschuld. Abner, Asahel, Joab 2Sam 2,18-24.32 2.2.3 Homizid und Blutschuld. Israel und Juda 2Sam 2,25-31 2.2.4 Homizid und Blutschuld. Abner und Joab 2Sam 3,6b-39 2.2.5 Homizid, Blutschuld und Rebellion. David, Ischbaal und seine Mörder 2Sam 4,1-12 2.2.6 Davids Genealogie 2Sam 3,1.2-5 2.2.7 Davids und Ischbaals Reich 2Sam 2,1-11 (2,l-3.4a.4b-7.8-l 1) 2.3 Das literarische Wachstum von 2Sam 2 - 4 2.4 Exkurs: Topographie und Topologie: Hebron, Gilead, Gibeah/Geba/Gibeon 2.4.1 Hebron, Mahanaim und der Saul-David-Kontrast 2.4.2 Gilead 2.4.3 Gibeah/Geba/Gibeon - Israel, Benjamin und Juda in der Königszeit

43 43 46 46

3. David als Vasall der Philister lSam 27,1 - 28,2; 29 3.1 Plot und Aufbau 3.2 Achischs Vertrauen zu David 3.3 Die Transparenz der Figuren auf geschichtliche Größen 3.4 Literarische Entwicklung

73 73 75 77 81

48 50 51 54 55 56 60 64 64 64 69

Inhaltsverzeichnis

3.5 lSam 21,11-16

IX

81

4. Sauls Tod lSam 31 (2Sam 1) 4.1 Plot und Aufbau 4.2 Philisterkampf und Philisterpolemik 4.3 Beth-Sch(e)an, Gilboa, Jabesch - Gilead und die Ammoniter 4.4 Integrität des Leichnams - Sauls Bestattung 4.5 2Sam 1 4.5.1 Exkurs: Amalek

82 82 83 84 87 88 91

5. Ausblick: Die Sauliden 2Sam 6,16.20-23; 9; 16,1-4; 19,25-31

92

6. Strukturen und Themen einer Geschichte der frühen Königszeit

95

Kapitel 3

Sauls Tötungsabsicht und Davids Flucht in lSam 23,1 -26,25 1. Davids Flucht nach Juda lSam 2 3 - 2 6 1.1 Handlungsfolge und Dialoge

97 97

2. Homizid aus Vorsatz und sein traditionsgeschichtlicher Rückraum 2.1 Die juridische Auseinandersetzung um vorsätzlichen Homizid in lSam 24 2.2 Die messianologische Erweiterung in lSam 24 2.3 Exkurs: Fallerzählung und abstrakte Verhaltensvorschrift 2.4 Vorsätzliche Tötung und Eingreifen JHWHs nach lSam 26 2.5 Exkurs: l S a m 2 5 , l b - 4 2

99 99 106 107 109 113

3. Verrat und Gottesbefragungen lSam 23,1-15.19-28 3.1 Der Verrat in Ziph lSam 23,19-28 3.2 Rettung und Verrat in Keilah lSam 23,1-15 3.2.1 Gottesbefragungen

115 115 116 118

4. Motivlicher Rückraum und Entstehung der Fluchtgeschichten 4.1 Der geographische Raum der Fluchtgeschichten 4.2 Die Ausgestaltung zu Fluchtgeschichten durch 13*70 // !TQ 4.3 Das literarische Wachstum von lSam 2 2 - 2 6

119 119 121 121

X

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 4

Motivik, Form und Überlieferungsbildung in lSam 1 6 - 2 2 1. Aufstand und Verfolgung an Sauls Hof lSam 22,6-23; 19,1-21,1 1.1 Aufstand und Gottesbefragungen lSam 22,6-23 1.1.1 Der Vorwurf des Aufruhrs und der Priestermord 1.1.2 Zur literarischen Entwicklung 1.2 Exkurs: Unheilsherrscher, Heilsherrscher, Herrschaftswissen 1.3 Aufstieg und Verfolgung an Sauls Hof 1 Sam 1 9 - 2 1 , 1 1.3.1 Der Aufbau der idealtypischen Hofszene lSam 1 9 - 2 1 , 1 1.3.2 Die literarische Entwicklung in 1 Sam 1 9 - 2 1 , 1 1.3.3 Davids Wissen um Sauls Tötungsabsicht 1.3.4 Bundesvorstellungen und dtr Redaktion 1.4 Zwischenergebnis

123 123 124 126 127 130 130 132 134 134 137

2. lSam 1 6 - 2 0 als Ausgestaltungen zur Vita Davids 2.1 Konzeptionelle Zusammenhänge des Textwachstums MT/LXX lSam 18 2.2 Der Sieg des jungen judäischen Höflings lSam 17 - 18,5 2.2.1 LXX[B] versus MT in der jüngeren Forschung 2.2.2 Szenenfolge 2.2.3 Vita, „vorprophetischer Berufungsbericht", Schlachtschilderung und Einzelkämpferüberlieferungen 2.3 Zusammenfassung: Motivik und Redaktion in lSam 1 7 - 1 8 [MT/LXX] 2.4 lSam 16,14-23 und die charismatische Herrscherlegitimation 2.4.1 Aufbau 2.4.2 Punktuelle und dynastische Legitimation ( R i - S a m ; Jes 11,2) 2.4.3 Exkurs: Geist und ekstatische Prophetie in lSam 16,1-13; 19,18-24 2.5 Erwählung und Loswahl lSam 16,1-13 und lSam 10,17-27

138 139 143 143 145 146 150 150 150 152 156 158

3. Die Form der Herrscher(auto)biographie 3.1 Exkurs: Herrscherbiographien im Alten Orient und in der klassischen Antike 3.1.1 Die Inschrift des Idrimi von Alalah 3.1.2 Die Apologie Hattusilis III 3.1.3 Viten in der klassischen Antike

161 162 162 163 164

4. Das literarische Wachstum 1 Sam 1 6 - 2 2

166

Inhaltsverzeichnis

XI

Kapitel 5

Die Saul-David-Geschichten und die israelitisch-judäische Geschichte 1. Forschungsgeschichte: Ein gestuftes Wachstum der Königebücher

169

2. Form und Themen der Quellen der Königebücher 2.1 Rekonstruktion der synchronistischen Chronik 2.2 Assyrische und babylonische Chroniken als «ara-Literatur 2.3 Herrschaftsfolge und Dynastie 2.4 Bund, Bundesbruch, Grenzverläufe und Kriege 2.5 Exkurs: lKön 15,16-22 und 2Kön 16,5.7-9 2.6 Aufstände/Rebellionen 2.7 Exkurs: 2Kön 17,1.3-5; *2Kön 18 - 20 und das Sachzentrum der sC 2.8 Begräbnisnotizen 2.9 Hauptstadt und Bautätigkeit 2.10 Redaktionsvorgänge 2.11 Zusammenfassung

174 174 174 180 182 184 192 195 201 203 204 205

3. Narrative Ausgestaltung der synchronistischen Chronik

206

3.1 Thematischer Fokus und historischer Ort der SD-Erzählungen

206

Zusammenfassung

213

Anhang lKön 15,16-22 und 2Kön 16,5.7-9[10]

216

Literaturverzeichnis Stellenregister Begriffsregister Register hebräischer Begriffe

219 245 253 256

Kapitel 1

Das frühe Königtum im Deuteronomistischen Geschichtswerk Fragestellung und Hermeneutik 1. Die Saul-David-Erzählungen 1.1 Der Textbereich und sein

Zusammenhang

Leonhard Rost hatte 1926 die „Überlieferung von der Thronfolge Davids" in den Samuel- und Königebüchern untersucht. 1 In der Folge begann die alttestamentliche Forschung, kleinere Geschichtswerke im Bereich der Samuelbücher zu analysieren. Nachdem Rost der Thronfolgegeschichte die Ladegeschichte ( l S a m 4 - 6 ; 2Sam 6) als Unterquelle zugeordnet hatte, blieben die Überlieferungen von Samuels und Sauls Erhebung und Verwerfung übrig. Aber auch der Textbereich von lSam 16 - 2Sam 5 erwies sich als thematisch eigener Abschnitt. Rost sah in einem Kernbestand dieser Kapitel ein Gegenstück zur Thronfolgegeschichte (TFG) Davids, eine Geschichte von Davids „Aufstieg zum König von Juda und Israel" (AG). 2 Diese von Alt aufgenommene Hypothese 3 bildete in den folgenden Jahrzehnten vielfach den Ausgangspunkt von Analysen des Textbereichs. 4 Die Eigenart des literarischen Zusammenhangs einer AG erhob man im Vergleich mit der TFG. Weiser hob die lockerere Verkettung der Ereignisse hervor. Die AG sei, anders als die TFG, kein „Werk aus einem Guss", sondern eine „mosaikartige" Komposition 5 aus einzelnen Überlieferungen, die in Gestalt und Umfang variierten, was darauf hinweise, dass der Verfasser mit vorgegebenem Material gearbeitet habe, mithin mehr Kompositor als Autor eines Geschichtswerkes sei, was das Fehlen einer der TFG vergleichbaren Großstruktur erkläre. Die abgesehen von der Figurenkonstellation spärlichen sprachlich1

ROST, Thronnachfolge.

ROST, Thronnachfolge, 133. Arbeiten zur AG gehen von einer Entstehung der Samuelbücher aus großen Erzähleinheiten, vgl. bes. N O T H , ÜgSt., 6 1 - 6 2 , mit entsprechender Datierung im Verhältnis zu einer salomozeitlichen TFG. 3 ALT, Staatenbildung, 15.36. 4 Vgl. besonders N Ü B E L , Davids Aufstieg; MLLDENBERGER, Saul-David-Überlieferung; WEISER, Legitimation; GR0NB/EK, Aufstieg; RENDTORFF, Beobachtungen; FLCKER, Komposition; C O N R A D , Hintergrund, und zur Forschungsgeschichte DLETRICH/NAU2

MANN, S a m u e l b ü c h e r , 4 7 - 1 1 9 , b e s . 6 4 - 8 6 . 5

WEISER, L e g i t i m a t i o n , 3 3 1 .

2

Kapitel 1: Das frühe Königtum

im DtrG

formalen Hinweise auf literarische Kohärenz sah man in den heterogenen Quellen begründet. Weiser konnte auf die durchgehende Tendenz einer religiösen Legitimation des Königs David verweisen. Der Verfasser mache sie zu einer „inneren Klammer, welche die von ihm verwendeten Einzeltraditionen untereinander zu einer Gesamtkomposition zusammenhält" (334). Die Erzählung kennzeichne eine „apologetische[.] Tendenz des Verfassers, einen auf David fallenden Schatten durch einen Hinweis auf dessen zukünftiges Königtum auszugleichen" (337). 6 Dieser legitimatorischen Absicht ordnete Weiser verbindende inhaltliche Elemente zu: Eine „Mitseins-Formel", die das Urteil über David „über einen durch konkrete Einzeltraditionen nicht belegten Zeitraum" (335) 7 zusammenfasse. Das Motiv der „verborgenen Führung und Hilfe durch JHWH" (335) 8 sowie Orakelanfragen bzw. Prophetenbefragungen, die, besonders in der zweiten Hälfte der AG, Davids Handeln als unmittelbar gottgelenkt erscheinen ließen und David so als den von JHWH geleiteten, seinem Gebot jeweils gehorsamen Vollstrecker des göttlichen Willens zeigten (335). 9 Davids JHWH-Kriege 1 0 und sein Ruhm im Kampf gegen die Philister ( l S a m 18,6-8; 18,13-16; 19,5) seien in der AG Bedingung für den Wunsch des Volkes, David zum König zu haben (2Sam 3,17f; 5,2), und sollten David als König des Gottesvolkes ausweisen (341 f.). Der Verfasser der AG lege den beteiligten Personen als Zielperspektive in den Mund, dass David zum König über Israel werde (336f.).' 1 Bereits Alt verstand die AG als „geschichtskräftige Fiktion", 1 2 worin ihm Weiser folgte, 1 3 der die fiktionalen Züge aber an die Intention der religiösen Legitimation Davids rückband. Die AG wolle (gegen Alt) nicht den Übergang der Königswürde auf David historisch nachweisen. Der religiösen Legitimation Davids sei geschuldet, dass „die AG Davids an entscheidenden Punkten mit einer Fiktion arbeitet [....], dass ihr Interesse sich nicht auf die Darstellung der historischen Fakten [...] beschränkt, sondern dem Nachweis gilt, den David von Anfang an als den von Jahwe designierten Nachfolger Sauls im Königtum erscheinen zu lassen" (343).

1.2 Form, Motivik und Intention der

Aufstiegsgeschichte

Weisers Bemühungen um die Kohärenz einer Aufstiegsgeschichte gehen über Rosts lediglich negative Abgrenzung der AG als Rest zwischen Samuel- und Saulüberlieferung und TFG hinaus, indem Weiser die Motive zur Darstellung der „göttlichen Legitimation des Königs David" (354)

6

Vgl. in der David-Abigail-Erzählung lSam 25,26.30 (mit Bezügen zu 2Sam 7,16), 2Sam 3,9-11.18.19. 7 Vgl. lSam 17,37 (Saul); 18,12.14.28 und 2Sam 5,10. 8 WEISER, Legitimation, 335. Dies sprechen vor allem beteiligte Figuren aus, vgl. lSam 17,37 (Saul); 20,13; 20,23 (Jonathan); 22,3; 23,12.14; 26,10.23f.; 25,30f.34.39. 9 Vgl. die Orakelbefragungen in lSam 23,2.4.9ff.; 30,7ff.; 2Sam 2,1; 5,19.23. 10 Vgl. lSam 17,45-47; 18,17; 25,28; 2Sam 5,2. 11 Vgl. lSam 18,8; 20,15.31; 21,12; 23,15ff.; 24,21; 26,25. 12 ALT, Staatenbildung, 39.42, vgl. 38. 13 Vgl. WEISER, Legitimation, 327.333.338.343.353; zum Gegensatz zwischen Fiktion und Historie vgl. auch 353f.

1. Die Saul-David-Erzählungen

3

bündelt. Diese belegen allerdings nicht die literarische Eigenständigkeit einer AG, wie exemplarisch an drei Punkten deutlich wird. 14 1. Die Designation des zukünftigen Königs wird auch von Saul berichtet, der zunächst ohne Öffentlichkeit designiert bzw. zum König gesalbt wird (lSam 9,1-10,16). Die Salbungen Sauls lSam 10,1 und Davids lSam 16,1-13 15 verweisen jeweils aufeinander. 1 6 Salomo ist schon als König designiert, bevor er in lKön lf. auf den Thron gelangt (vgl. 2Sam 12,25b). Eine Prophetengeschichte erzählt Jehus geheime Salbung vor seiner öffentlichen Designation (2Kön 9,1-13). Die durch beteiligte Figuren ausgesprochene Erwählung findet ihr Pendant in Verwerfungsaussagen über Saul (vgl. lSam 16,1; ferner lSam 15; 13,7b-14). 2. Davids Gottesbefragungen und dem jeweils prompten Orakel korrespondiert die Verweigerung der Antwort an Saul vor entscheidenden Schlachten (lSam 14,18f.37; 28,6.15). Wird Saul eine Antwort des Losorakels zuteil, ergeben sich daraus problematische Situationen: Er scheitert gegenüber den Philistern (lSam 14,46; 31). Im Gegensatz dazu wird Davids stets glückliches Handeln aufgrund des Losorakels geschildert. Dieser markante Zug in der Überlieferung zeigt die literarische Figur Sauls immer im Verhältnis zu David. 3. Die Mitseins- oder Beistandsformel findet sich auch außerhalb der AG Davids, z. B. in 2Sam 7,3, und sie wird für weitere herausragende Königsgestalten verwendet. 17

Die als Kennzeichen der Tendenz der AG genannten Motive haben insbesondere in den Samuel- und Königebüchern Parallelen. Auch die Erzähltechnik der TFG, Äußerung von Wertungen durch beteiligte Personen auszudrücken, findet sich in anderen Textbereichen und verweist damit auf weitere Zusammenhänge außerhalb von lSam 16 - 2Sam 5 (bzw. 2Sam 7). 1.3 Saul und David Die Motive der AG weisen auf die Konzeption einer Saul-David-Überlieferung (SD-Überlieferung) mit gegensätzlich geschilderten Charakteren hin. Der religiösen Legitimation Davids entspricht die Darstellung der Figur Sauls als eines unfähigen und daher faktisch illegitimen Königs. David wird legitimiert, Saul verworfen. Da Episoden von den Sauliden in der weiteren Davidüberlieferung (2Sam 6,16.20-23; 16,1-4; 19,25-31) eben14 Die Komposition im Einzelnen lässt Weiser offen, lehnt jedoch Nübels Modell von Grundschrift und Ergänzungsschicht ab, WEISER, Legitimation, 329 Anm. 2. 15 Die Geistbegabung des Herrschers findet sich ebenfalls außerhalb der AG, vgl. lSam 16,13.14.23; 19,9 mit 10,6.10, sowie Ri 3,10; 6,34; 11,29; 13,25; 14,6.19; 15,14 und vgl. dazu Kap. 4, 2.4.2. 16 Darauf weist auch WEISER, Legitimation, 327, hin, wertet dies aber nur im Blick auf die Legitimation Davids als rechtmäßigem Saulnachkommen aus, ohne mögliche kompositioneile Hintergründe in der Saul-David-Beziehung zu erwägen. 17 Für Saul lSam 10,7, Absalom 2Sam 14,17, Salomo lKön 1,37, Hiskia 2Kön 18,7; vgl. noch Ri 1,22 (Haus Joseph); Ri 2,18; Ri 6,12 (Gideon); Ri 6,13 („wir", d.h. die Israeliten); Jos 1,9; lKön 8,57 (das Volk); Jos 1,17 (Josua) und dann „JHWH Zebaoth ist mit uns" in den Zionspsalmen 46,8.12 (vgl. 2Sam 5,10//lChr 11,9).

4

Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

falls die Figuren Saul und David verbinden, weist dies auf einen entstehungsgeschichtlichen Zusammenhang der Saul- und der Davidüberlieferung in den Saul-David-Erzählungen (SD-Erzählungen) hin. 18 1.4 Mehrfach- und

Doppelüberlieferungen

Da eine AG als literarisch eigenständige Überlieferung mit Motivwiederholungen eines einzelnen Verfassers nicht überzeugt, 19 entwickelten Untersuchungen, die nicht von vornherein von der AG als abgeschlossenem Textbereich ausgingen, folgerichtig andere Modelle der Textentstehung. 20 Ficker entdeckte in l S a m l 5 - 2 S a m 5 Abhängigkeiten von anderen Textbereichen der Könige- und Samuelbücher und erklärte die Überlieferung als Produkt mehrfacher redaktioneller Überarbeitungen, d.h. als unselbständige Einheit. 21 Für eine Form redaktioneller Bearbeitung spricht besonders die Schwierigkeit, einen Anfangs- und Schlusspunkt der AG zu erheben. Im Anfangsbereich muss man auffallige Doppelungen erklären. -

18

Saul wird mehrfach verworfen, lSara 13,13b—14; lSam 15,23; lSam 16,l. 2 2 David wird zweimal bei Saul eingeführt, lSam 16,14-23; lSam 17,55—58.23 Davids wiederholter Philistersieg als Schlusspunkt, 2 4 2Sam 5,17-21.22-25. 2 5

Vgl. dazu jüngst KLEIN, David versus Saul. Vgl. NÜBELs Modell einer Grundschicht mit Ergänzung und ähnlich GR0NB/EK, Aufstieg, bzw. DIETRICH, Überlieferung und Geschichte, 51: ,,[D]er [Verfasser] versucht, mit Hilfe solcher Verklammerungen heterogene Traditionsstoffe zusammenzufügen". 20 Vgl. für 2Sam nur das Entstehungsmodell von COOK, Notes. 21 Vgl. FICKER, Komposition, 265-268, der im Gefolge von Würthweins Analyse der TFG ein stufenweises Wachsen besonders von lSam 16 - 2 S a m 5 annimmt. Die Überlieferung von Davids Aufstieg erweist sich dabei im Wesentlichen als abhängig von der TFG, vor deren Hintergrund sie entworfen wurde. 22 Dabei wird eine nachträgliche, möglicherweise dtr Verbindung von lSam 15 und 16,1-13 als Beginn der AG Davids angenommen, vgl. WEISER, Legitimation, 326. 23 WEISER, Legitimation, 331, erklärt dieses Nebeneinander mit der Abhängigkeit zweier, dem AG-Erzähler vorgegebener Überlieferungen; erwähnt aber nicht, dass 17,55-58 nur im MT überliefert sind. 24 2Sam 5 als Ende nehmen an GR0NB^EK, Aufstieg, 257-258, 2 S a m 5 , 1 0 ; ebenso MCCARTER, AB 9, 142 ( l S a m 16,14 - 2Sam 5,10 als Grundschicht); VEIJOLA, Dynastie, 99.102 Anm.156: lSam 16,14 - 2Sam 5,10 als Abgrenzung. WEISER, Legitimation, 345, Ende in 2Sam 7; ebenso NÜBEL, Davids Aufstieg, 142f. MLLDENBERGER, Saul-DavidÜberlieferung, 5, geht ebenfalls von einem Grundbestand von 2Sam 7 als Schluss aus; vgl. auch DIETRICH/NAUMANN, Samuelbücher, 67f. zur Problematik von Anfang und Schluss der AG. 25 Vgl. die mehrfachen Philisterkämpfe lSam 17; 2Sam 21,15 (18.19.20). 19

1. Die Saul-David-Erzählungen

5

Auch innerhalb der AG wiederholen sich Motive, was kaum in den besonderen Quellen einer AG vorgegeben ist. -

Saul äußert mehrmals seine Tötungsabsicht, lSam 19,1-7; 20,31. Saul wirft dreimal den Speer, lSam 18,10 (nur MT); 19,9; 20,33. Die Priesterschaft von Nob begegnet David und Saul, 1 Sam 21,2-10; 22,6-23. David ist zweimal bei Achisch, lSam 21,11-16; 27,4-12. Zweimal begegnet David dem wehrlosen Saul, lSam 24; 26. Davids Salbung, lSam 16,1-13; 2Sam 2,4 über Juda; 5,3 über Israel. Drei Bundesschlüsse zwischen Jonatan und David, lSam 18,1-5 (MT); 20,8.16; 23,18. Davids zweimal mit derselben Wendung beschriebene Flucht. 26 Dreimal wird das Siegeslied wiederholt, lSam 18,7; 21,12; 29,5. 2 7

1.5 Die

(Zwei-)Quellentheorie

In den Mehrfachüberlieferungen erkannte Eißfeldt das Hauptargument gegen die von ihm als Dokumentenhypothese bezeichnete Entstehungstheorie Rosts, schienen doch insbesondere die Doppelüberlieferungen die Zweiquellentheorie zu bestätigen, deren Gültigkeit er besonders für das erste Samuelbuch mehrfach nachzuweisen versuchte. 28 Bis Ende des 19. Jahrhunderts verfolgte man die Pentateuchquellen J und E entweder bis in die Samuelbücher oder man teilte den Text der Samuelbücher in zwei Quellenbücher S a und S b auf. 2 9 Steuernagel wandelte die (Zwei-)Quellentheorie ab 3 0 durch die zusätzliche Annahme einer ,,fortlaufende[n] Bearbeitung und Ergänzung durch Nachträge [...],

26 uVo / / r r n „und David floh und entrann", lSam 19,12.18; ferner 22,20 und vgl. übü lSam 19,10f.l7; 20,29; 22,1; 23,13; 27,1; m a l S a m 2 0 , l ; 21,11; 22,17; 23,6; 27,4. Zur Sache schon GR0NB/EK, Aufstieg, 135; RENDTORFF, Beobachtungen, 428^139 mit Hinweis auf den als Kompositionsprinzip verstandenen Stilwechsel zwischen Erzählpassagen und Summarien ab lSam 18. 27 Vgl. über Sam hinaus den Sezessionsruf 2Sam 20,1; lKön 12,16. 28 Vgl. EISSFELDT, Komposition, 55, und DERS., Einleitung, 360-368; vgl. ähnliche Beobachtungen z. B. bei BUDDE, Richter und Samuel 167-276; DERS., KHC Samuel; HÖLSCHER, Geschichtsschreibung 364-379; SCHULTE, Geschichtsschreibung, 115-117 mit der Übersicht für die Davidüberlieferung, ebd., 115: lSam 16,14-23 // 17,1-58; 18,2.5 // 18,12a. 13—16; 18,10f. // 19,9f.; 18,20.2la(?).22-26a.27.(25b?) // 18,17a.l8f.21b.26b. 28f.; 19,8 // 18,30; 1 9 , 1 1 - 1 7 / / 2 0 , 3 5 - 4 2 ; 2 0 , l b - 7 . 1 0 . 1 2 f . 2 4 - 3 4 / / 19,1.4-7. 29 Vgl. zuvor WELLHAUSEN, Composition, 263, mit Einteilung in lSam 1-14; 1 Sam 1 4 , 5 2 - 2 S a m 8,18; 2 S a m 9 - l K ö n 2 ; CORNILL, Quellenkritik, 25-59; BUDDE, Richter und Samuel, 167-276. 30 Für lSam 1 - 2 S a m 8 nimmt er zwei Quellen, eine vor-dtr und eine dtr Redaktion an. S a biete eine ältere und glaubwürdigere Erzählung, während S b „in der Art des E eine mehr geistliche Tonart anschlägt und im elohistischen Kreis beheimatet ist", EISSFELDT, Einleitung, 361. Darüber hinaus finde sich mit Davids Familiengeschichte eine dritte Quelle, der der Hauptbestand von 2Sam 9 - 20 + lKön 1 - 2 angehöre; vgl. STEUERNAGEL, Einleitung, 323.325.337 mit zwei Quellen für das erste Samuelbuch und bis 2Sam 8 sowie einer dritten im Wesentlichen für 2Sam 9 - 20.

6

Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

deren Stadien wir im einzelnen nicht unterscheiden können". 31 Kittel wies den Versuch zurück, die älteren Pentateuch- oder Hexateuchquellen bis ins Königebuch hinein zu verfolgen. 32 In vielfältigen größeren und kleineren Komplexen sah er den Grundbestand von Richter bis Könige: Heldengeschichten, Königsgeschichten, Ladegeschichten, Prophetengeschichten und weitere Stoffe. Kittels Analyse führte in der Konsequenz zu einer „Fragmentenhypothese". 33 An diese, sowie sachlich auch an die Fragmenten- und Ergänzungshypothese Steuernagels anknüpfend, erklärte Caspari den Kompositionscharakter der Samuelbücher durch „eine kombinierte Fragmenten- und Ergänzungshypothese". 34 Unzusammenhängende Einzelerzählungen wie Kampf-, Heiligtumserzählungen und Berichte von Neuigkeiten stehen am Anfang. In einem längeren literarischen Prozess wurden diese verbunden und durch Einfügungen Zusammenhänge zwischen ihnen hergestellt. 35 Daran knüpfte das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte, vor allem von Eißfeldt 36 vertretene Erklärungsmodell an. In lSam fanden sich drei keineswegs zusammenhanglose, herauslösbare Reihen von Einzelerzählungen, nämlich fortlaufende Erzählwerke. In 2Sam sei der große Abschnitt von 2Sam 2 - 8 (ohne 4,4 und Kap. 7) als Nebenüberlieferung erkennbar und könne einheitlich der Quelle I zugeordnet werden. Die zweite literarische Einheit II liege in 2Sam 9 - 20; 21,1-14; 24; lKön lf. vor. Die Quellen seien hier nicht wie in 1 Sam ineinandergearbeitet, sondern nebeneinandergestellt worden. Dieses Verfahren sah Eißfeldt in der Heterogenität des Erzählstoffs von I, II und noch einer dritten Quelle III in 2Sam begründet, so dass die Redaktion nicht anders habe vorgehen können. 37 Den Bemühungen, die Einheit der TFG aufgrund ihres Stiles zu begründen, stellte Eißfeldt die Bezüge zwischen den Doppelüberlieferungen entgegen, 38 die

31

Vgl. STEUERNAGEL, Einleitung, 339, im Original z.T. hervorgehoben. Vgl. KITTEL, Urkunden, 44-71. 33 Vgl. EISSFELDT, Einleitung, 326. An Kittels Position knüpft GRESSMANN, Geschichtsschreibung, insofern an, als er den Schwerpunkt auf die seines Erachtens lose nebeneinander gestellten Einzelüberlieferungen legt und Aspekte der Komposition weitgehend unbeachtet lässt. 34 EISSFELDT, Text-, Stil- und Literarkritik, 660f., zu CASPARI, KAT VII. Vgl. zu CASPARI auch EISSFELDT, Literarische Art, 314-347. 35 Vgl. CASPARI, KAT VII, 10-13. Casparis Theorie greift FISCHER, Hebron, bes. 291-318, zu 2Sam 1 - 5 auf. 36 Vgl. EISSFELDT, Komposition; DERS., Text-, Stil- und Literarkritik, 657-664; DERS., Noch einmal, 801-812 (Rezension zu ROST); DERS., Art. Samuelisbücher, 106-108; DERS., Einleitung, 357-376. Weitere Vertreter der Quellenhypothese sind SMEND, JE, 181-217; BENZINGER, Jahvist und Elohist; sowie HÖLSCHER, Buch der Könige, 158-213; 32

und DERS., Geschichtsschreibung. 37

In 2Sam 2 - 6,8 haben nach EISSFELDT beide Fäden den Hauptinhalt der Erzählung enthalten, während es sich in 2Sam 9 - 20; 21,1-14; 24; lKön 1 - 2 möglicherweise beim zweiten von ihm postulierten Faden um Ergänzungen der Haupterzählung handeln könnte, die jedoch „Glieder einer fortlaufenden Kette" darstellen; EISSFELDT, Komposition, 55; vgl. ebd. 42. 38 Vgl. zu diesem wichtigen Argument für Quellen statt Einzelüberlieferungen, EISSFELDT, Einheit, 334: „Die Grenzen einer selbständigen Erzählungs-Einheit sind darnach so weit zu stecken, wie der Horizont der jeweiligen Erzählung reicht. Reicht dieser über eine ,Einzelerzählung' hinaus und sind ihre nach rückwärts und nach vorwärts weisenden Elemente integrierender Bestandteil von ihr, so ist sie keine selbständige literarische Einheit, sondern Teil einer größeren." (im Original teilweise hervorgehoben).

1. Die

Saul-David-Erzählungen

1

gegen eine „Dokumentenhypothese" sprächen. Die Zweiquellentheorie erkläre „das Nebeneinander von einheitlichen Parallelerzählungen (I 13,9-14// c[ap.] 15; 2 3 , 4 b - l 8 / / c[ap.] 24// c[ap.] 26 usw.) und von uneinheitlichen Stücken, die sich als eine Addition mehrerer Erzählungen verstehen lassen (I 17-19; II 6 usw.)" 3 9 am besten. Als nicht-quellenhafte Einzelüberlieferungen erwiesen sich neben kleinen Stücken lediglich die Listen und Lieder von 2Sam 21,15 - 2 3 , 3 9 .

Mit seiner These einer ursprünglich selbständigen TFG und von Unterquellen lieferte Rost40 den wirkungsgeschichtlich wichtigsten Beitrag zur Erklärung der Entstehung der Samuelbücher,41 die mit Noths These vom Deuteronomistischen Geschichtswerk (DtrG) weite Verbreitung fand. Die von Eißfeldt als „Urkunden-Hypothese"42 bezeichnete Theorie, d.h. eine „Dokumentenhypothese" ausgehend von einer ursprünglich unabhängigen Thronfolge- oder Aufstiegs- und einer Ladegeschichte im Bereich der Samuelbücher, stellte man häufig nicht mehr eigens zur Diskussion.43 Dennoch höhlten redaktionsgeschichtliche Modifikationen die Rost'sche Entstehungstheorie der Samuelbücher aus. In der TFG ermittelte Würthwein eine redaktionelle Bearbeitung. Eine antidavidische Grunderzählung wurde joabfeindlich und damit davidfreundlich (= prodynastisch) redigiert. Würthwein knüpft an einzelnen Stellen an Eißfeldts Beobachtungen von 1931 zu einer Bearbeitung des Textbereichs an, verwirft jedoch die Vorstellung von Parallelerzählungen zugunsten nachträglicher Redaktion. 4 4 Langlamet 4 5 rechnet mit komplexen redaktionellen Eingriffen in 2Sam, besonders in der TFG. Er findet drei Überarbeitungen: Eine erste „histoire de la succession" (SI) nehme die kritischen Erzählungen über die Ursprünge und Anfange der salomonischen Herrschaft auf. Sie ergebe, zusammen mit der „révolte" und einer Amnon-TamarÜberlieferung einen salomokritischen, ersten Bericht (2Sam * 10 - 12 + *13 - 14 (?) + 15 - 20 + lKön *1 - 2,35). Sodann nehme (der möglicherweise mit S1 identische) S2 die benjaminitischen Episoden, die Meribaalszenen und die strukturell ähnlichen SchimiBarsillai-Geschichten auf und verarbeite diesen Stoff zur jetzt vorliegenden TFG. Ein dritter Redaktor S3 sei prosalomonisch-davidisch und fuge entsprechende Zusätze an.

39

EISSFELDT, Text-, Stil- und Literarkritik, 663 (vgl. die Rezension zum Kommentar

CASPARIS) u n d v g l . i n d e r E i n l e i t u n g , 3 6 2 - 3 6 7 . 40

ROST, Thronnachfolge, 104-108. Vgl. zur neueren Forschung zur TFG seit ROST, DIETRICH/NAUMANN, Samuelbücher, 169-295, und DIETRICH, Thronfolgegeschichte, 39. 42 EISSFELDT, Text-, Stil- und Literarkritik, 660 (Rezension zu Caspari). 43 Darauf weist zurecht EISSFELDT, Einleitung, 324f., hin. Rosts immense Wirkung zeigt sich allein darin, dass auch alternative Deutungen und Datierungen des Textbestandes seine Hypothese übernehmen, z. B. zunächst auch VAN SETERS, History, 278. Vgl. zur literarischen Abgrenzung DIETRICH/NAUMANN, Samuelbücher, 175-181. 44 Vgl. WÜRTHWEIN, Erzählung, 36 Anm. 62, der hier an EISSFELDT anknüpft, sich aber bezüglich der Parallelerzählungen auch von ihm abgrenzt, ebd., 47. 45 Vgl. LANGLAMET, Les récits, 161-200; OERS., Maison; DERS., David, Fils de Jessé, 5-47; DERS., De David, 321-357. 41

8

Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

Ihm folge die dtr Redaktion. 4 6 Darüber hinaus zeige DtrN mit seiner prodavidischen Tendenz sachliche Nähe zu lSam 15 - 2Sam 5. 4 7

Während die beiden Grundmodelle, Quellenhypothese und die Theorie abgeschlossener Dokumente TFG/AG bei der faktischen Zuweisung vieler Stücke zum DtrG weitgehend übereinstimmen,48 kann die Quellenhypothese mindestens zwei vor-dtr Stufen ansetzen. Innerhalb dieses Modells ist deshalb eine diachrone Differenzierung, die auch neuere Erklärungen des Überlieferungswachstums der Samuelbücher voraussetzen,49 bereits in vorexilischer Zeit denkbar. Außerdem bemüht sich die Quellentheorie, die auffalligen Doppelüberlieferungen von lSamzu erklären, was im Noth'schen DtrG-Modell Probleme bereitet. Die ausgetauschten Argumente für die Entstehung der Samuelbücher sind noch einmal unter folgenden Frageperspektiven zu besehen: Grundsätzlich ist mit Erweiterungen des Geschichtswerks zu rechnen. Die Geschichtsschreibung in Israel dürfte sich allmählich, Generation für Generation, entwickelt haben.50 Falls mindestens eine vor-dtr Stufe eines DtrG existierte, müsste eine Entstehungstheorie erklären, wie sich die Samuelbücher, die „zunächst den Eindruck eines wirren Durcheinanders vieler selbständiger loser Werkstücke" machen, „als Teile wohlgefügter Bauten, ... rekonstruieren lassen".51

46

Die Darstellung folgt hier BLETENHARD, General, 223-228. Vgl. Veijolas Nachweise für dtr Bearbeitungen mit Bezug zu David und seiner Dynastie ausgehend von lKön lf. Für den die Daviddynastie legitimierenden DtrN verkörpere David eine ideale Gestalt. VEIJOLA, Dynastie, 141f. Vgl. DERS., Königtum, 119-122. Vgl. ferner zu verschiedenen Textbereichen in DERS., David. 48 Eine gemeinsame Schwachstelle beider Hypothesen besteht in der Annahme der Auswahl und Kürzung von Überlieferungsgut, das teilweise nachträglich wieder eingefügt worden sein soll, wie ELSSFELDT, Einleitung, 328, zu Recht bemerkt. 49 DIETRICH, BE 3, 229-273, nimmt anstelle von TFG und AG als unabhängigen literarischen Größen ein unter Aufnahme literarischer Quellen entstandenes „Erzählwerk der Frühen Königszeit" bis lKön 11 mit Vorstufen in Einzelüberlieferungen bzw. Einzelerzählungen in „Erzählkränzen und Novellen" an (Samuel-Saul-Geschichte, Ladeerzählungen, Aufstieg und Niedergang der Sauliden, Erzählkranz vom Freibeuter David, Batscheba-Salomo-Novelle, Buch der Salomogeschichte). Damit liegt für die Samuelbücher eine „Fragmenten-" und „Ergänzungshypothese" vor. KRATZ, Komposition, 190-193 geht ebenfalls von ältesten Überlieferungen in Sam-Kön als aus Erzählkränzen zusammengefassten israelitischen Erzählungen aus, die zusammen mit den judäischen Hoferzählungen in 2 S a m - l K ö n 2 (TFG) „Brückenköpfe" einer ersten Komposition I Sam l K ö n 2 seien. Vgl. auch mit viel vorexilischem Quellenmaterial VERMEYLEN, Loi, 471-624. 47

50 Vgl. BUDDE, Buch der Richter, 1897, XIV, „(D)ie Geschichtsschreibung in Israel [hat] mit der Gegenwart, bald nach David, begonnen und dann, allmählich rückwärts schreitend, zuletzt die Überlieferungen über die ältesten Zeiten aufgegriffen". 51 EISSFELDT, Einleitung, 329.

1. Die

1.6 Motivwiederholung

durch

Saul-David-Erzählungen

9

Voranstellung

Die Zweifel an einer unabhängigen vor-dtr Texteinheit „Thronfolgegeschichte" liegen unter anderem wie bei der AG in der Schwierigkeit der Abgrenzung von Anfang und Ende begründet, 52 und dies führt zur Frage nach dem Verhältnis zwischen den im zweiten und ersten Samuelbuch beobachteten Phänomenen. Einige der Mehrfachüberlieferungen im ersten Samuelbuch, bei denen literarische Abhängigkeit nahe liegt, sind gewachsen. Sauls Speerwurf wird erweitert, von lSam 20,33 (gegen Jonatan) zu 19,9f. (gegen David; aufgrund eines HV1 mn'' m i ) , zu dem nur im MT überlieferten lSam 18,10. Nachdem ein böser Gottesgeist (Hin D'H^X i m ) über Saul kam, gerät er in „prophetische Ekstase" (¡03 hitp). Diese im jetzigen Text voranstehende Variante ist die vergleichsweise ausführlichste und deshalb späteste. Einige Motiv- bzw. Textwiederholungen wuchsen durch Voranstellung. Im jetzigen Text „hinten" stehende Episoden setzten entsprechende, vorangestellte Abschnitte aus sich heraus. 53 Dies erklärt verschiedene weitere Probleme im Handlungsverlauf: In lSam 19,1-7 wird damit verständlich, warum sich David auf dem „Feld" (mti? 19,3) vor Saul versteckt, was erst lSam 20,11.24 erwähnen. Die isoliert betrachtete Szene 21,11-16 ist in ihrer Intention nicht leicht verständlich. Ihr Verständnis erschließt sich nur als Voranstellung vor 27,4-12. Ebenso stammt das Siegeslied Davids aus lSam 29, wanderte von dort in 21,12 und dann in 18,6f. Sauls Hinrichtung der Priesterschaft von Nob 22,6-23 stellte man die Gegenerzählung lSam 21,2-10 voran. 54 1.7 Ersterwähnung und Figurenbildung Die Voranstellung von Episoden oder Motiven eröffnet besondere Möglichkeiten der Figurenbildung. Die Ergänzung einer Erzählung im Anfangsbereich, besonders vor der ersten Nennung einer Figur, stellt alles 52 Vgl. ferner die Disparatheit von 2Sam 1 0 - 1 2 ; l K ö n l f . in der Figurenkonstellation gegenüber 2Sam 15 - 20, vgl. DIETRICH, Thronfolgegeschichte, 40f. Die ältere Forschung hat Einwände gegen die von Rost für die Isolierung der TFG verwendete Stilkritik und seine Abgrenzung aufgrund inhaltlicher Kriterien erhoben. Rost verwechsle die literarische mit der stofflichen Einheit, so Eissfeldt. Stilkritik sei deshalb nicht relevant, weil Autoren in der Antike den Stil j e nach den Erfordernissen der Form wechseln konnten. Für literarkritische Scheidungen reiche in der antiken Literatur das Kriterium des Stils grundsätzlich nicht aus und sei daher auch für die literarische Analyse von 2Sam ungeeignet; vgl. EISSFELDT, N o c h einmal, 803.807. 53

Vgl. d a z u WILLIS, Function, 2 9 4 - 3 1 4 , zu l S a m 18,5.9ff. bes. 3 0 6 - 3 1 0 . Vgl. dazu im Einzelnen unten Kap. 4, 1.1.2. 2Sam 1 setzt l S a m 3 1 voraus; vgl. Kap. 2, 4. Nicht alle Erzählungen entstanden durch Voranstellung; l S a m 2 6 kennt 24; vgl. Kap. 3, 2. 54

10

Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

weitere Auftreten derselben unter das Vorzeichen dieses ersten Eindrucks. Durch Voranstellung kann der Bearbeiter eines Textbestandes mit der ersten Erwähnung einer Figur seine Intention (die z. B. mit dieser bestimmten Figur verknüpft ist) einer bestehenden Überlieferung vorordnen und den Leser lenken. Bei der Rezeption (moderner) literarischer Werke steuern die Eindrücke der Ersterwähnung einer Figur den Synthetisierungsprozess: Der Entwurf des Gesamtbildes einer Figur aus verschiedenen geschilderten Episoden ist besonders von der Ersterwähnung geprägt (primacy effect). 55

2. Form, Motivik und Intention der Überlieferung der Königszeit Da sich zwar eine klare prodavidische Tendenz der Überlieferung aufweisen lässt, eine AG Davids als literarische Einheit jedoch nicht aus der Überlieferung selbst heraus begründet werden kann, ist nach Zusammenhängen der Überlieferung im DtrG zu fragen. Die SD-Erzählungen beziehen sich auf nicht-dtr Ebene auf Überlieferungen im Bereich des DtrG. 56 Innerhalb des historiographischen Zusammenhangs stellt die SD-Überlieferung die Anfange des Königtums dar und hängt als Vorspann mit der salomonischen und der israelitisch-judäischen Königszeit zusammen. 2.1 Rahmenformulierungen

für Saul und David

Formale Bezüge zwischen früher und späterer Königszeit bilden die „Rahmenformulierungen" zu Saul, David, Salomo mit der Regierungszeit lSam 13,1; 2 S a m 2 , l l ; 5,4f. / lKön 2,11; lKön ll,41f. In lSam 13,1 fehlt das Alter Sauls, und die zwei Jahre als Regierungszeit machen stutzig; in LXX[B] fehlt der ganze Vers, so dass Vieles auf spätere Ergänzung der Angabe hinweist. Von David existieren drei Notizen, für Hebron (2Sam 2,11), Jerusalem (2Sam 5,4f.), sowie für das gesamte Reich mit den Regierungszeiten von Hebron über Juda und Jerusalem über Israel. Während keine baulichen Aktivitäten in Hebron überliefert sind, wird Davids Ausbau Jerusalems nach der Einnahme (2Sam 5) erwähnt, was sich der legitimatorischen Tendenz der Davidüberlieferung einfügt; 2Sam 5 gestaltet das Rahmenschema aus. 2.2 Die „synchronistische

Chronik" der Königebücher

Die Daten der Könige in den Rahmenformulierungen bilden ein chronologisches Gerüst. Jepsen rekonstruierte im Anschluss an Lewy und in kritischer Auseinandersetzung mit Begrich daraus die „synchronistische Chro55 56

Vgl. GRABES, Personen, 418-420. Vgl. die bei DIETRICH/NAUMANN, Samuelbücher, 83, genannten Bezüge.

2. Form, Motivik und Intention der Überlieferung der Königszeit

11

nik S" (sC), von David bis Hiskia ( l K ö n 1,2.10-12 - 2Kön 18,lf.,8). 5 7 Diese lag nach Jepsen dem Redaktor RI der Königebücher vor. Ihre literarische Einheitlichkeit sah er im lückenlosen ereignisgeschichtlichen Zusammenhang und den durchgehenden Formelementen 58 begründet (36). Jepsen datierte die Entstehung der Chronik in die Zeit zwischen 705 und 701 v. Chr., bzw. unter Manasse in priesterlichen Kreisen (60). Unter dem Eindruck der Zerstörung des Nordreichs stelle sie der Kontinuität der Daviddynastie in Juda den ständigen Wechsel der israelitischen Herrscherhäuser entgegen. Während in der Liste jede theologische Reflexion fehle, enthalte sie heute nicht mehr rekonstruierbaren schriftlichen Quellen entnommene Angaben über Landschaftsnamen und Zahlen. Anders als die orientalische Hofannalistik habe der Chronist auch die für Juda und die Davididen ungünstigen Nachrichten festgehalten (39f.). Die sC bilde die Grundlage für die Einfügung der Erzählungen aus dem Annalenwerk. Neben dieser Königschronik habe einem ersten priesterlichen Redaktor (RI) für die Zeit ab Salomo Erzählüberlieferung aus der Hofannalistik 59 , den Tagebüchern Salomos (nD^U!1 '"im 130), sowie der Könige von Juda/Israel vorgelegen, mit Heldentaten (nTQJ), Kämpfen (on1? ni) und Revolutionen (Wi?) einerseits und Bauten (¡133) andererseits, aus denen der priesterliche RI die Geschichte Israels und Judas vollständig und zusammenhängend habe darstellen wollen und der er fast alle Ereignisse chronologisch genau habe einordnen können (56). Der priesterlichen Redaktion der Königebücher RI nach der Zerstörung Jerusalems und der Exilierung Judas 60 folgte eine nebiistische Redaktion RII in der Zeit zwischen der Begnadigung Jojachins und der Rückkehr der Exilierten aus Babylon 561-550 v. Chr (94), schließlich eine levitische Redaktion RIII (59) am Ausgang des 6. Jahrhunderts (104).

2.3 Die Plastizität

literarischer

Figuren

Die Entsprechungen zwischen den von Jepsen festgehaltenen inhaltlichen Schwerpunktbildungen, namentlich der Gegensatz zwischen der Konstanz der judäischen Daviddynastie und den fortwährenden israelitischen Revolten in der sC zur Geschichtsüberlieferung der SD-Überlieferung ist im Folgenden im Einzelnen zu behandeln. Zunächst ist der grundlegende formale Unterschied zwischen den SD-Erzählungen und Überlieferungen der israe57 Vgl. JEPSEN, Quellen, 30-36. Die folgenden Seitenzahlen beziehen sich auf dieses Werk. 58 Vier formale Eigenheiten im Sprachgebrauch der Chronik S wies Jepsen nach: Die Formel f ' 3 nn'H nanVül (lKön 14,30; 15,7b.l6); der wiederholte Beginn mit TS (lKön 9,16.24 [LXX]; 16,21; 22,50; 2Kön 8,22; 15,16); die Einleitungsformel 1'ö'a (lKön 16,34; 2Kön 8,20; 15,19 [LXX].29) und das explizit genannte Subjekt (OH (2Kön 14,7.22.25a; 15,35b; 18,8), JEPSEN, Quellen, 36. 59 Schriftliche Quellen des Tempel- oder Palastarchivs: lKön 5,15a.27f.31f.; 6,1 - 7,51 (später stark überarbeitet); 8,2-8a (überarbeitet); 9,10.1 lb.15.17b.18.19a.23; 10,16 20a; 1 l,27b.28. Ferner lKön 14,25-28; 15,15.17-22; 2Kön 12,5-19; 14,8-14; 16,5.7-18; 18,14-16; JEPSEN, Quellen, 54. 60 Vgl. JEPSEN, Quellen, 67; sie entspricht in etwa Noths Dtr.

12

Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

litisch-judäischen Königszeit festzuhalten. Abgesehen von den formalen Parallelen zwischen der sC und Vermerken zu Königen der frühen Königszeit, unterscheiden sich die Überlieferungen der frühen von denen der späteren Königszeit grundlegend durch die Ausgestaltung einzelner Funktionsträger zu markanten Erzählfiguren. Die sC nennt, abgesehen vom König, Funktionsträger im Staat nicht namentlich; Inhaber des Titels „Feldhauptmann" (N3S "liP) der Könige Israels und Judas werden, abgesehen vom nachmaligen König Omri (lKön6,16), nicht namentlich genannt. Daher fallt die Erwähnung der Amtsinhaber in den SD-Erzählungen auf (Abner lSam 14,50, ein Onkel Sauls). 61 Von Joab 6 2 als zentralem Funktionsträger werden Verhalten und Ergehen bis zu seinem Tod lKön 2,5.28-33 nuancenreich beschrieben. Verglichen damit nimmt sich die bloße Erwähnung des Titels „Feldherr" in den Königebüchern blass aus. 63 Ähnliche Befunde zeigen sich für weitere Funktionsträger. 64 Die unterschiedlichen Textsorten bestimmen den jeweiligen Informationsgehalt. Den Gattungsunterschieden zwischen sC und Erzählungen und den damit verbundenen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen entsprechen unterschiedliche Intentionen.

2.4 Auswertung formaler

Unterschiede der

Königsüberlieferung

Diese deutlichen Unterschiede zwischen den Überlieferungen der Könige von Israel/Juda und denen der frühen Königszeit weisen auf verschiedene Kontexte der Erinnerung und auf unterschiedliche funktionale Zusammenhänge als „Haupt-" und „Vorgeschichte" innerhalb des DtrG bzw. Sam/ Kön hin. Abgesehen von den formalen Unterschieden zwischen (vereinfacht) Erzählung und Liste, hat die Davidüberlieferung innerhalb von 61 Vgl. die 60 weiteren Erwähnungen Abners in Sam/Kön mit hoher Dichte in 2Sam 2 - 4: lSam 14,51; 17,55 (3x); 17,57; 20,25; 26,5.7.14 (3x); 2Sam 2,8.12.14.17. 19-26.29-31; 3,6-9.1 lf.,16f.,19-28,30-33.37; 4,1.12; lKön 2,5.32. 62 Vgl. 117 Belege für Joab in Sam/Kön, mit hoher Dichte in 2Sam 2 - 4 sowie in 2Sam 11; 14; 18; 19: lSam 26,6; 2Sam 2,13f„ 18.22.24.26-28.30.32; 3,22-24,26f., 29-31; 8,16; 10,7.9.13f.; 11,1.6f.l 1.14.16-18.22.25-27; 14,1-3.19-23.29-33; 17,25; 18,2.5.10-12.14-16.20-22.29; 19,2.6.14; 20,7-11.13.15-17.20-23; 23,18.24.37; 24,2-4. 9; lKön 1,7.19.41; 2,5.22.28-31.33; ll,15f.,21. 63 24 Mal findet sich der Titel „Feldherr" im DtrG; für namentlich genannte Personen Sisera Ri 4,2.7; Abner lSam 12,9; 14,50; 17,55; 26,5; 2Sam 2,8; lKön 2,5 (mit Amasa); lKön 2,32; Sobach 2Sam 10,16.18; Amasa 2Sam 19,14; lKön2,32; Joab lKön 1,19 (lKön 2,5 mit Abner), lKön 11,15.21; Omri lKön 16,16; Naaman 2 K ö n 5 , l ; ohne Namensnennung Dtn 20,9; Jos 5,14.15; 1 Kön 1,25; 2Kön4,13; vgl. noch 2Kön 25,19 Schreiber des Feldhauptmanns von Zedekia; der Name des Feldhauptmanns des Königs fehlt auch hier. 64 Vgl. die detaillierten, so nur von David und Salomo überlieferten Beamtenlisten, 2Sam 20,23-26 (vgl. 8,16-18) mit namentlicher Nennung von Feldherr, Herr über die „Krethi und Plethi", Frondienstaufseher, Herold, Schreiber und Priestern. Um drei Ämter erweitert ist lKön 4,2b-6 (einer „über den königlichen Beamten"; ein „Freund des Königs" V 5b; „über dem Haus" V 6a, zwei Schreiberämter V 3a), während die Herrschaft über die „Krethi und Plethi" dem Feldhauptmann obliegt.

3. Geschichtsüberlieferung

im Alten

Orient

13

l S a m l 6 - 2 S a m 5 deutlich legitimatorische Tendenz, 65 während die sC das Geschehen auf den ersten Blick neutraler darzustellen scheint. Der Abfolge von narrativem Vorspann in den Samuelbüchern und bericht- oder listenartigem Hauptteil ab 1 Kön 11 (mit späteren narrativen Ergänzungen), entsprechen im weitesten Sinne konzeptionell vergleichbare altorientalische Textzusammenhänge mit der Abfolge von legitimatorischen Erzählungen vor Berichten oder Listen.

3. Geschichtsüberlieferung im Alten Orient 3.1 Königslisten Aufbau von

in

Mesopotamien

Königslisten

Bei der Erstellung oder Bearbeitung mesopotamischer Königslisten fügte man diesen häufig Notizen und Erzählungen ein oder stellte sie ihnen voran. Letzteres entspricht mit der Abfolge Vorgeschichte - Liste der Königsnamen der Makrostruktur der biblischen Königsüberlieferung. Von besonderem Interesse ist dabei der Einsatzpunkt der eigentlichen Liste nach der Vorzeitüberlieferung. Dieser Übergang in die Vorzeit ist in den Königslisten bewusst fließend durch Überlieferungen von „mythischen" Herrschern ausgestaltet. Zwischen den Frühzeitkönigen und den „geschichtlichen" Königen wird kein grundsätzlicher Gegensatz konstruiert, wie exemplarisch die sumerische Königsliste zeigt. Aus moderner Sicht beschreibt diese die Abfolge der Dynastien als Fiktion, indem sie Gleichzeitiges hintereinander ordnet und die Dynastien bis in mythische Zeit hineinreichen lässt, 66 was sich sowohl an den Königsnamen als auch an deren Regierungszeiten zeigt. Bei der Umsetzung der Abfolge der Liste in (lineare) Chronologie erscheint die mythische Zeit konzeptionell als Vorgeschichte der sumerischen Könige und entspricht dem, was Vansina in oralen Gesellschaften als Überlieferung vor dem „floating gap" bezeichnete. Die Fülle der Informationen aus der Vorzeit können als Überlieferungen vom Ursprung 67 allerdings nicht chronologisch verortet werden. Analog führt in der Vorstellung der sumerischen Königsliste die Überwindung des „floating gap" zur Vorzeit der „mythischen" Könige.

65 Daher bezeichnet NAUMANN, David, 31, die Erzählungen als „Davidmythos" (im Original in Anführungszeichen) statt „Davidgeschichtsschreibung". 66 Vgl. WLLCKE, Königsliste, 115. Vgl. zur Affiliation der Könige an die mythische Urzeit in ägyptischen Königslisten BAINES, Concept, 157-184, SLLVERMAN, Nature, 4 9 - 9 2 und die Beiträge in GUNDLACH/RAEDLER, Selbstverständnis. 67 Vgl. VANSINA, Oral Tradition, 23f.; 168f.

14

Kapitel 1: Das frühe Königtum

im DtrG

Legitimationsfunktion Diese Erwähnung einer Vorzeit jenseits der chronographisch erfassten Vergangenheit scheint in den Schriftkulturen in den Kontext legitimatorischer Funktion gestellt worden zu sein. Sie ermöglicht die fiktive Affiliation des gegenwärtigen Herrschers zu mythischen Trägern des Königtums und hat als dynastische Verbindung Begründungsfunktion für einen bestimmten aktuellen Machtanspruch des Königs oder dient dessen grundsätzlicher Legitimierung. Die Königsliste ist eine „Anspruchsgenealogie", 68 die den aktuellen König an den ersten Träger des Königtums anschließt, so dass dieser sich vom „mythischen" König her verstand, den er in seiner Position vertrat.69 Beeindruckendes Beispiel ist die sogenannte Königsliste von Lagas, ein politisch-satirisches Werk, mit dem die Herrscher aus Lagas auf die sumerische Königsliste reagieren. 7 0 Der überlieferten Königsliste stellen die Bewohner von Lagas eine Fluterzählung voran, womit der Schreiber der Königsliste zeigen will, dass die Könige von Lagas ihre dynastische Sukzession bis zur Vorzeit, nämlich bis zur großen Flut, belegen könnten. Zudem demonstriert die Liste Ortskontinuität eben dieses Königtums, das im Vergleich zu anderen, vergänglichen Königtümern als urzeitliche, an Lagas gebundene Institution erscheint. 7 1 Dass diese Vorgeschichte unter Rückgriff auf bekannte literarische Texte erfolgte, zeigen mehrere zitathafte Anspielungen. Die Auslassung der vorsintflutlichen Teile in einigen Versionen zeigt entweder, dass diese keinen integralen Teil der sumerischen Königsliste darstellen, oder dass der Autor der Lagas-Liste sie bewusst ausließ. 7 2

Durchdringung

mythischer und historischer

Ebenen

Die legitimatorische Funktion der Vorzeit als Gegensatz zur unmittelbaren Vergangenheit bedingt, dass mythische und historische Ebenen einander durchdringen, wie sich in akkadischen Epen beobachten lässt, in denen sich historisches Geschehen auf die Ebene der Götter verlagert. Historisch-politische Dimensionen mesopotamischer Literatur finden sich auch in der Klage um Ur und Sumer, in der Überlieferung um den König Lugalbanda, den Vater der

68 Die sumerische Königsliste vertritt mit ihren Wiederholungen den Anspruch der Dynastie von Isin, indem sie den gegenwärtigen Zustand aus deren Perspektive darstellt; vgl. MlCHALOWSKI, History, 242, mit Verweis auf JACOBSEN. 69 Vgl. WlLCKE, Königsliste, 120. In Anlehnung an Vorgänge im Luapula-Tal im Grenzgebiet von Sambia/Zaire nimmt Wilcke „positional succession" an. Gemeint ist, dass eine verstorbene Person in ihrem spezifischen Umfeld komplett durch eine andere Person ersetzt werden kann, die die Funktion und Identität des Verstorbenen annimmt. Der in der Urzeit ausgesprochene Wille der Gottheit kann z. B. der Begründung eines temporären Anspruchs einer Stadt auf das Königtum dienen, vgl. WlLCKE, Königsliste, 119. 70

SOLLBERGER, R u l e r s , 2 7 9 .

71

SOLLBERGER, R u l e r s , 2 7 9 .

72

SOLLBERGER, R u l e r s , 2 8 0 .

3. Geschichtsüberlieferung

im Alten

Orient

15

Könige von Ur, in den Mythen über den Mondgott Nanna-Su'en, über den Weisheitsgott Enki-Ea, in Inanna- sowie in Ninurta-Mythen. 7 3 Gilgames hat nach einem Teil der Überlieferung eine Schwester, Enmebaragesi, die ihrerseits Mutter von Akka, dem König von Ki§ war. 7 4 In der Überlieferung von Gilgameä und Akka kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Gilgames als dem Repräsentanten von Uruk und Akka bzw. dem „Haus von Kiä>".75 Zwar handelt der Text ,Fluch über Akkade' vornehmlich von Naram-Sin, seiner Stadt und dem Gott Enlil. Gleichwohl preist er die Göttin Inanna, die, indem sie sich von Akkade abwandte, bewirkte, dass die Stadt fiel.76 Ein weiteres Beispiel für die Durchdringung epischer Werke mit historisch-politischen Hintergründen ist der Bericht des Stadtfürsten Entemena von Lagas über den Konflikt zwischen Umma und Lagas, der mit einem „Prolog im Himmel" beginnt: „Enlil, der König der (Berg)länder, der Vater aller Götter, hat mit seinem gerechten Ausspruch fiir (die Götter) Ningirsu und Sara die Grenze gezogen." 7 7

Folgerungen für die

Redaktionsgeschichte

Die Parallelen zur Vorgeschichte des biblischen Königtums zeigen sich deutlich und legen nahe, auch die Erzählungen über die frühen Königszeit als mythische Vorzeitüberlieferung mit legitimatorischer Funktion zu verstehen, aus moderner Sicht als „Fiktion" 78 . Ein vermutetes literarisches Wachstum im Bereich der Vorgeschichte ließe sich dann in mesopotamischen Vorzeitüberlieferungen rekonstruieren. Vorgeschichten entstanden im allgemeinen im Anschluss an die Chroniken und wurde diesen vorangestellt. 79 Abgesehen von der Vorgeschichte ermittelte Jacobsen in der sumerischen Königsliste eine Reihe von ihm als „notes", „Anmerkungen", bezeichneter Einschübe, die sich aus Epen, Legenden und Chroniken speisen, aus denen der Verfasser der Königsliste geschöpft hat.80 Die Stilisierung dieser Notizen berührt sich mit sogenannten „historischen Omina" aus Mesopotamien und Kleinasien, von Goetze als „accidents" mit historischer Bedeutung bezeichnet. 81 Diese historischen 73

Vgl. WLLCKE, Politik, 36-70. Vgl. die entsprechenden Belege für Enmebaragesi bei SHAFFER, Gilgamesh, 311 f. Sumerische Königsliste II 35ff.; Tummal-Inschrift; Sulgi „O", Gilgameä und Akka I 49. 75 Vgl. „das Haus von Kiä" in Gilgames und Akka 8.14.23.29 und ebenso in Sulgi „O" 56 in der Textedition von KLEIN, Sulgi, 278. Vgl. dazu SHAFFER, Gilgamesh, 313. 76 Vgl. WlLCKE, Politik, 34f. 77 Vgl. STEIBLE/ BEHRENS, Weihinschriften, 230, Ent. 2 8 - 2 9 i 1-7. 78 Vgl. die Bezeichnung als Fiktion bei ALT, Staatenbildung, 39.42; vgl. bes. 38, und WEISER, Legitimation, 327.333.338.343.353. 79 Der Abschnitt über die Könige vor der Flut, der einer anderen Quelle entstammt, wurde der Liste über die späteren Könige vorangestellt, vgl. JACOBSEN, King List, 70 Anm. 1 zum sekundären Charakter der Liste der Könige vor der Flut in I 1—42. 80 Vgl. JACOBSEN, King List, 146. Dabei muss nach WlLCKE, Königsliste, 123, nicht unmittelbar auf die Epen zurückgegriffen worden sein. 81 Vgl. GOETZE, Allusions, 253-266, hier 265. 74

16

Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

Omina deuteten einen bestimmten Omenbefund, z. B. aus der Opferschau, Sternbeobachtung oder bei Geburten, mit einem Ereignis aus der Vergangenheit, wobei die Wiederholung des Befundes in späterer Zeit das Eintreten analoger Geschehnisse zur Folge hat. 82 Diese begründende Funktion der Vergangenheit für die Zukunft prägt das geschichtliche Denken des Alten Orients und liegt der Königsliste zugrunde. In der literarischen Form schlug sich die Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft meist nicht in ausführlicher Zitation eines Gesamtzusammenhanges, sondern in Anspielungen nieder. Für die Zeit Sargons und davor gilt: „Nie wird die ganze Geschichte erzählt; es gibt nur Hinweise, Andeutungen. [....] Sargon scheint in der Omina-Tradition ebenso wie in der Königsliste an der Stelle in der Vergangenheitsüberlieferung zu stehen, an der das Wissen über wirkliches Geschehen aufhört und das Fabulieren beginnt." 83 Beispiele literarischen Wachstums durch

Vorzeitüberlieferung

Vorangestellte Vorzeitüberlieferungen deuten die historische Gegenwart im Bezug zu einer Vergangenheit. Oft führt dies zur Verwendung derselben Stoffe in verschiedenen (historischen) Kontexten, so dass sich der historische Kontext innerhalb der Stoffe verschiebt, wie exemplarisch an den beiden Versionen des Etana-Epos deutlich wird. Die ältere, altbabylonische Fassung geht mit dem Bericht von einer Beratung der Götter und einer Zustandsbeschreibung sogleich medias in res, um dann in der Erzählung fortzufahren. Es ergibt sich die Abfolge: Erzählung (1-6) - Kurzes Verharren im impliziten Vergleich (7-13) - Fortführung der Erzählung (14ff.) - längeres Verharren und Beschreibung - erneutes Einsetzen der Erzählung. „1)

Die Großen Anunna, die Bestimmer der Geschicke, setzten sich, hielten Rat über es, das Land. Die Bildner der Weltufer, die alles setzen, erhaben sind für die Menschen die Götter, die Igigü 5) bestimmten für die Menschen ein Fest. Einen König setzten sie nicht ein unter all den zahlreichen Menschen. Bei diesen ist die Kopfbinde nicht geknüpft, die Kappe, und das Szepter mit Lapislazuli nicht besetzt. Nicht sind die Hochsitze allesamt erbaut. 10) Siebenfach sind die Tore verschlossen vor einem Mächtigen. Szepter, Kappe, Stirnband und Hirtenstab sind vor An im Himmel niedergelegt; nicht gibt es Beratungen für ihr Volk. Die ... stieg vom Himmel herab, 15) [...] ..., [I]§tar war auf der Suche nach ein[nem] Kö[nig]." 84

82

Vgl.

83

WlLCKE,

84

Königsliste, 124. Königsliste, 127. Übersetzung nach W l L C K E , Anfänge, 157f. WlLCKE,

3. Geschichtsüberlieferung

im Alten

Orient

17

Die neubabylonische Fassung des Etana-Epos ist in ihrem Anfangsteil erheblich erweitert worden. 8 5 Es wurde nicht um einen Herausgeberprolog, sondern um einen narrativen Abschnitt ergänzt, der die ersten Zeilen der altbabylonischen Version ausführt: "1)

5)

They planned the city [...], [The Gods? laid its foundations], [They planned the city? Kish?], [The gods?] laid its foundations. The Igigi-gods founded its brickwork [...] Let [...] be their (the people's) shepherd, 'Let Etana be their architect, ...' " 8 6

Die literarische Verlängerung des Epos „nach vorne" konstatiert das Fehlen des Königtums und Inannas Ausschau nach einem König. Dieser erste Teil verweist auf den Protagonisten, König Etana von Ki§, den die Verlängerung der Geschichte nach vorne bereits als Kandidaten für den „Architekten" der Stadt nennt. Abgesehen von diesen vorangestellten Zeilen ist die Fassung des Epos dieselbe geblieben. 8 7 Der im Prolog festgehaltene Zustand scheint zwar der Königsliste zu widersprechen, nach der Etana erst der 13. Herrscher von Kis war. Aber Etanas Vorgänger hatten eigentümliche Namen: „Sie-warenalle-Herr" und die Könige 7-12 haben Namen wie „Hund", „Lamm", „Skorpion", „Gazelle" und „Bock". So spiegelt die Erzählung von Adler und Schlange im Etana-Epos vermutlich diese Tier-Zeit der Königsliste, und darauf mag auch Etanas Epitheton „Hirte" anspielen. Der Adler, der Etana im Epos anredet („Du, Etana, bist der König der Tiere"), wäre dann im Zusammenhang mit dieser Zeit der Tier-Könige zu verstehen. 8 8

Die Beispiele literarischen Wachstums zeigen den Bezug der Vorgeschichten in geschichtlicher Überlieferung 89 auf einen bestimmten historischen Aspekt eines späteren Herrschers, den sie in einer spezifischen Ausgestaltung aufgreifen, 90 nicht auf eine chronologisch frühere Zeit.

85

Dies ist insofern von Bedeutung, als Anfänge vergleichbarer Werke, wie etwa von der neubabylonischen Fassung des Gilgameä-Epos, nicht erhalten sind. 86 Übersetzung nach FOSTER, Muses, 449. 87 Vgl. WLLCKE, Anfänge, 214; die weiteren Unterschiede zwischen den Fassungen lassen sich aus einer beschädigten Vorlage erklären. 88 Vgl. WLLCKE, Königsliste, 134. 89 Vergleichbare Vorgeschichten finden sich in hethitischen Vasallenverträgen, die den historischen Rahmen des jeweiligen Bündnisses skizzieren; vgl. auch HAAS, Literatur, 86f. GOETZE, Hethiter, 73 rückt sie in die Nähe der Historiographie des AT. Die Vorgeschichte verleiht den aktuellen Bündnissen ihr Gewicht. Nach ALTMANN, Prologue, 4 6 . 4 8 2 ^ 9 5 . 5 0 4 geben die Vorgeschichten die Geschichtssicht des überlegenen Bündnispartners wieder und dienen der Rechtfertigung von Maßnahmen gegenüber dem untergeordneten Bündnispartner. 90 Vgl. die Ergebnisse der älteren formgeschichtlichen Schule und besonders SMEND, Elemente, sowie die Beiträge in LONG (Hg.), Past.

18 3.2 Paradigmatische

Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

Herrscher gestalten in Vorgeschichten

Die mit der legitimatorischen Tendenz verbundene Transparenz von Vorgeschichten auf historische und politische Zusammenhänge lässt sich in den alttestamentlichen Erzählungen von Saul und David zeigen. Motivik und Figurengestaltung mesopotamischer Vorzeitüberlieferungen lieferten vermutlich konzeptionelle Vorbilder für die Ausgestaltung der Figurenkonstellation. Die Konstellation Sargon - Naram-Sin Vorgeschichten in assyrisch-babylonischen Chroniken erwähnen häufig Sargon und Naram-Sin als Heils- und Unheilsherrscher. 91 Sargon als Vorbild militärischer

Leistung

Auf Sargon berufen sich Texte unterschiedlicher literarischer Form. 92 Besondere Taten und andere biographische Daten, wie den Begräbnisort einer Dynastie brachte man mit Sargon in Verbindung. 93 Die Bestattung bei Sargon sollte die Legitimation des jeweiligen Königs ausdrücken. Auch hethitische Herrscher verglichen sich mit Sargon. Die Annalen des {jattusili (I) von seinem Feldzug gegen die Stadt Qahhum (ca. 1640 v. Chr.) beziehen sich auf Ereignisse, die sich fast sieben Jahrhunderte vor ihm zutrugen. „Niemand hatte den Euphrat überschritten, (aber) ich, Großkönig Tabarna, überschritt ihn zu Fuß, und meine Truppen überschritten ihn nach mir zu Fuß. (Nur) Sargon überschritt ihn (außer mir); er besiegte die Truppen von öajihum, aber tat der Stadt tJahbum nichts. ... Ich [brannte] sie mit Feuer nieder..." 9 4

Die Bezüge dieses Textes zum großen Epos von Sargon, dem „Herrn des Kampfes" liegen in der Überquerung des Euphrats zur Eroberung einer Stadt. Neben der Sargon-Überlieferung waren auch zwei Werke des Vorzeitkönigs Naram-Sin in gattuäa bekannt. 9 5 Bei ihrem militärischen Engagement, durch das die Hethiter im 91 Vgl. die Begriffe bei GÜTERBOCK, Tradition, 75; zur Sache auch VEENHOF, Geschichte, 28 und unten Kap. 4, Exkurs 1.2. 92 Vgl. die Sammlung von Omina-Apodosen in der Form einer (Pseudo-)Chronik Chronik 20 und Chronicle of Early Kings bei GRAYSON, ABC, 47. 93 Vgl. das „Haus Sargons" in der „Dynastischen Chronik", GRAYSON, ABC, Chronicle 18, und vgl. unten Kap. 5, 3.2.5. 94 Übersetzung der ausführlicheren hethitischen Fassung nach GÜTERBOCK, Literatur, 218; vgl. zur Sache auch DERS., Sargon, 1 - 6 und HAAS, Literatur, 41. 95 Eines schildert den Sieg des Königs über 17 feindliche Herrscher (hethitisch überliefert), ein anderes schildert seinen vergeblichen Kampf gegen überlegene Feinde, vgl. GÜTERBOCK, Tradition, 4 9 f f ; GÜRNEY, Sultantepe Tablets, 93 ff., und vgl. HAAS, Weltreichsidee, 138f.; DERS., Literatur, 67-76.

3. Geschichtsüberlieferung

im Alten

Orient

19

Jahre 1531 v. Chr. das 2000 km von Ijattusa entfernte Babylon einnahmen, orientierten sie sich am politischen Konzept Sargons, des Begründers des legendären Reiches von Akkade. 9 6 Dass annalistische Berichte der Hethiter, wie die Fünf-Jahres-Annalen des iJattuSili, Sargon erwähnen, bestätigt dessen Popularität, sowie die Verbreitung dieses Stoffes in der historiographischen Überlieferung.

Herrscher als Heilsgestalt undparadigmatisches

Unheil

Die Beeinflussung gegenwärtigen und zukünftigen Geschehens durch Herrscher der Vergangenheit bezog sich auf viele Lebensbereiche. 97 Die umfassende Bedeutung der „früheren Könige" für die gegenwärtigen Herrscher impliziert auch den Glauben an eine Wiederkehr, vermutlich der Akkade-Dynastie, und an eine in ferner Zeit erwartete Gerechtigkeit, die die hethitisch-hurritische Literatur als „glückliche Epoche" idealisiert. Im Gegensatz zum neuzeitlichen Verständnis von der Einzigartigkeit und Abgeschlossenheit vergangener Ereignisse lag die Bedeutung der Vergangenheit für altorientalische Kulturen in deren Potential zur Erklärung der Zukunft. „The experience of a single dynasty, if it was of sufficient duration, and spectacular in its rise, its glories as well as its reverses and final demise, constituted, as it were, the complete requisite paradigm for the fortunes that any ruler or dynasty would be likely to encounter in the future. For the Mesopotamians, the fortunes of the Akkad dynasty served precisely as that paradigm." 98 Die Bedeutung vergangener Ereignisse für die Zukunft beschränkt sich nicht auf die Heilszeit, sondern umfasst ebenso den Niedergang von Herrschaft, wie ihn die Dichtung „Fluch über Akkad" paradigmatisch abbildet.99 Paradigmatik in historischen Omina und Chroniken Historisches Denken im Paradigma, Typos oder Präzedenzfall 100 liegt als Logik auch mesopotamischen Omina zugrunde, die einen historischen Vorgang von einem anderen her verstehen und erläutern, während ein der modernen Historiographie zugrunde liegendes lineares Zeitempfinden da96

Vgl. HAAS, Weltreichsidee, 135; vgl. auch MERIGGI, Fragmente, 2 5 9 - 2 6 7 . Ein hethitisches Reinigungsritual erwähnt die „frühen Könige". Durch Waschung wurden Schadensstoffe von behexten Personen entfernt. Beim letzten Akt der Ritualhandlung deponierte und versiegelte man das durch Waschung Entfernte. Man sprach dazu: „Wenn die früheren Könige zurückkommen und das Land und die Satzungen prüfen werden, erst dann soll auch dieses Siegel ebendort gebrochen werden." CTH 4 0 4 2e version nach ROST, Ritual, 3 4 5 - 3 7 9 , RS IV 2 6 - 3 1 . 97

98

FlNKELSTEIN, Historiography, 466. Vgl. GLASSNER, Chute, 87, mit Verweis auf FlNKELSTEIN, Historiography, 466. 100 Y g ] ( j j e s e Grunderkenntnis über die biblische Historiographie bei SMEND, Elemente, 20. 99

20

Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

bei untergeordnet ist. Der paradigmatische Vorgang kann in der Gegenwart, der Vergangenheit, der Zukunft oder in allen drei Zeitebenen zugleich liegen. Das paradigmatische Ereignis wiederholt sich als analoger Geschichtsablauf in einer anderen Situation. 101 3.3 Folgerungen für das Verständnis der Saul-David-Überlieferung Vorgeschichte

als

Der Paradigmatik der Geschichtsschreibung in Mesopotamien entsprechen die von ihr hervorgebrachten Formen historiographischer Überlieferung, zu der Vorgeschichten von Chroniken gehören. 102 Als legitimatorische, paradigmatische Abschnitte der Historiographie „vom Anfang" hat deren sachliches „prä" Bedeutung für die Interpretation der Figuren und des Handlungsverlaufs auch in den SD-Geschichten. Die literarischen Figuren der legitimatorischen Vorgeschichten sind keinesfalls individuelle Charaktere, vergleichbar Figuren der neuzeitlichen Literatur, sondern wesentlich durch ihre Repräsentationsfunktion für die jeweiligen geschichtlichen Größen zu verstehen und innerhalb übergreifender geschichtlicher Zusammenhänge zu interpretieren. Mit David bezeichnet die Vorgeschichte stets den Dynastiegründer, mit Saul stets den ersten Vertreter des israelitischen (bzw. benjaminitischen) Königtums. Dem homerischen Epos bzw. der poetischen Tradition Hesiods sind die SDÜberlieferungen insofern verwandt, als Figuren und Narrationen Anknüpfungspunkte lokaler historischer Größen bilden. 1 0 3 Die entsprechenden Größen gehören in die Zeit Hesiods oder wenig früher. Lokale Geschichte und damit Konstellationen aktueller politischer Macht werden dadurch in bereits vorliegende Konzeptionen eines „Sukzessionsmythos" 1 0 4 eingeordnet. Dieser bildet den Grundstamm der Theogonie, von dem sich die Genealogien, zu denen Hesiod selbst beitrug, abzweigten. Die verschiedenen genealogischen Seitenzweige binden Gegebenheiten der Gegenwart an existierende Konzeptionen mythischer Vergangenheit an und erklären so ihre Entstehung. 1 0 5

101

102

V g l . SMEND, E l e m e n t e , 2 0 f .

Chroniken entstanden in Mesopotamien vergleichsweise spät, vor allem im ersten Jahrtausend als schriftgelehrte Kompositionsarbeit. Vgl. unten Kap. 5, 3.2.1. 103 Vg] z u Hesiod WEST, Hesiod, 31f.,407. Z . B . die Namen der Horai (Theogonie 902) haben politische Bedeutung zur Zeit Hesiods; vgl. auch die Herleitung der Theogonie aus Parallelen in vorderasiatischen Texten, ebd., 28-30, und in DERS., East Face, passim. Vgl. die Funktion der Ilias als Dokument identitätsfundierender Erinnerung und Spiegel der Geschichte einer panhellenischen Koalition gegen einen Feind im Osten, ASSMANN, Gedächtnis, 43, und DERS., Kulturelles Gedächtnis, 272-276. 104 Vgl. WEST, Hesiod, 18, und zu vergleichbaren Sukzessionsmythen im hurrischhethitischen, akkadischen, phönizischen Bereich, 19-28. 105 Die Entstehungsbedingungen der israelitischen Geschichtsüberlieferung entsprechen insofern denen der altorientalischen Traditionsliteratur, als sie anonym tradiert und redigiert wurde, im Unterschied zur griechischen Autorenliteratur, vgl. BLUM, Anfang, 4-14

4. Hermeneutik

und Narratologie

für Geschichtserzählungen

21

Im Unterschied zur Anbindung von Genealogien an einen bestehenden Sukzessionsmythos konzipieren die SD-Erzählungen die Geschichte des Dynastiegründers neu. Als literarische Figuren spiegeln die beiden Könige aufs Engste die von ihnen repräsentierten politisch-geschichtlichen Reiche bzw. Dynastien. Sie tragen Züge der nationalen Größe, für die sie stehen und in deren Überlieferung sie weitertradiert wurden und sind somit Allegorien. 106 Die beobachtete legitimatorische Intention beeinflusst auch die Handlungsabfolge in einem extrem von Herrschaftsansprüchen aufgeladenen Raum. Eine Vorgeschichte hat als Mythos begründende Funktion und ist vergleichbar der mündlichen Überlieferung jenseits des floating gap konzipiert. Aus dem Anwachsen der Vorgeschichte der frühen Königszeit in einem langen Zeitraum erklärt sich ihre Länge verglichen mit der Überlieferung zur Darstellung der übrigen Zeit. Konzeptionell ist diese Sonderstellung der Vorgeschichte in der Überlieferung der Königszeit plausibel, weil das dort Berichtete als paradigmatisch für die kommende Zeit verstanden und deshalb jeweils in den vorderen Bereich der historiographischen Überlieferung eingestellt wurde. Bereits im Anfang zeichnet sich paradigmatisch das Folgende ab. Insofern unterscheiden sich Handlungsablauf und Figurenkonzeption in Vorgeschichten grundlegend von der neuzeitlicher Erzählungen mit Figuren, die autonom handelnde Individuen darstellen.

4. Hermeneutik und Narratologie für Geschichtserzählungen und ihre Bedeutung für die Saul-David-Überlieferung Legitimatorische Funktion, Figurenkonstellation und z.T. auch durch den historiographischen Rahmen 107 begründete Konzeption bestimmen das Verständnis der SD-Erzählungen. Das Verständnis der Geschichtserzählungen 108 in Sam/Kön hängt jedoch auch von grundsätzlichen hermeneutisch zu reflektierenden Bedingungen ab. 106 v g l . biblisch Edom/Esau, Zion/Jerusalem und Pallas Athene. Zur Allegorie vgl. KURZ, Metapher, 3 0 - 6 9 , bes. 35.60-63. Eine zweite, nicht mit der initialen Bedeutung identische, zusätzliche Bedeutung wird rekonstruiert; während die Personifikation Unbelebtes und Nichtpersonenhaftes in Personenhaftes transformiert, z. B. Justitia. Bei der Figurendeutung sind entsprechend Eigenschaften allegorisch auf die judäische Königsdynastie bzw. auf das Land Juda zu beziehen. 107 Auf einer bestimmten literargeschichtlichen Stufe das DtrG als historiographisches Werk, bzw. noch allgemeiner: als Sammlung geschichtlicher Überlieferungen. 108 Vgl. auch NAUMANN, David, 31.

22

Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

4.1 Paul Ricœurs hermeneutische

Theorie

Der Verstehensprozess narrativer Texte ist als Sonderfall einer allgemeinen Theorie des Verstehens zuzuordnen. 109 Ricœur, dessen Überlegungen hier aufgegriffen werden, sieht die Aufgabe einer allgemeinen Hermeneutik darin, „die Gesamtheit der Vorgänge zu rekonstruieren, durch die ein Werk sich von dem undurchsichtigen Hintergrund des Lebens, Handelns und Leidens abhebt, um von einem Autor an einen Leser weitergegeben zu werden, der es aufnimmt und dadurch sein Handeln verändert"110. Indem Ricœurs Hermeneutik den Prozess rekonstruiert, durch den die Konfiguration des Textes zwischen einer Vorgestaltung (préfiguration) und seiner Neugestaltung (refiguration) in der Rezeption des Werkes vermittelt, ergibt sich das Verständnis des Lesers als einem ,,Agierende[n] im besonderen Sinne" (I 88). Er gewährleistet die Einheit des Weges von der in einer Erzählung vorausgesetzten Welt des Handelns mit ihren Sinnstrukturen, symbolischen Ressourcen und ihrem spezifischen zeitlichen Charakter über die Erzählung selbst hin zur eigenen Gegenwart. Ricœur unterscheidet in der Hermeneutik zwischen fiktionalen und historischen Erzählungen und ordnet biblische Texte letzteren zu. Wenn hier fur biblische Texte die hermeneutische Theorie angewandt wird, die Ricœur fur die Analyse literarischer Erzählungen vorsieht, bedarf dies der Rechtfertigung. Ricœurs Unterscheidung der Analysemethoden für fiktionale Erzählungen von derjenigen fur historische Erzählungen gründet in einem Gegensatz zur Sicht von White, 111 der keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen historischen und fiktiven Erzählungen macht. White ordne, so Ricœur, das Verfahren der Fabelkomposition 112 der narrativen Struktur der Geschichtsschreibung zu (I 242), und damit gehören die narrativen Strukturen von Fabelkomposition und Geschichtsschreibung, d.h. Fiktion und Geschichtswissenschaft, letztlich zur selben Klasse. Er stelle die Fabel (plot) 113 zwischen die erzählte Geschichte (story) und das Argument (argument). Unter „story" verstehe White eine wesentlich als Sequenz gestaltete Erzählung mit Anfang, Mitte und Ende (I 245). Die Fabelkomposition (emplotment) stelle White zwischen mehrere Operationen. Sie habe eine „Erklärungswirkung, die von der erzählten Geschichte (story) verschieden ist, indem sie nicht die Ereignisse der erzählten Geschichte, sondern die Geschichte selbst erklärt und dabei die Klasse identifiziert, der diese Erzählung angehört" (I 247). Für Ricœur vollzieht sich, anders als für White, in der Fabelkomposition der entscheidende Übergang zwischen „Erzählen" und „Erklären" (I 254). 1 1 4 Whites 109

Das Verstehen biblischer (Geschichts-)Erzählungen ist kein grundsätzlicher Sonderfall und wird daher ausgehend von einer allgemeinen Hermeneutik von Erzählungen untersucht. 110 RlCŒUR, Temps et récit, zitiert nach der deutschen Ausgabe, hier I 88. 111

V g l . z u m V e r h ä l t n i s v o n RICŒUR u n d W H I T E u n d z u r M i m e s i s - K o n z e p t i o n AUER-

BACH und GOMBRICH im S a m m e l b a n d von STOCKRATH/ZBINDEN (Hgg.), Metageschichte,

sowie die Einleitung der Herausgeber, 11-22. 112 Mimësis II, vgl. dazu unten. 113 Vgl. zur Unterscheidung von plot und Handlungsablauf unten 4.2. 114 Vgl. französisch I 301: „La mise en scène est beaucoup plus qu'un niveau parmi d'autres: c'est elle qui fait la transition entre raconter et expliquer."

4. Hermeneutik

und Narratologie

für Geschichtserzählungen

23

Grundlegung der Geschichtswissenschaft als Kunst des Schreibens ist für Ricceur zwar von Bedeutung, er selbst unterscheidet aber anders als dieser zwischen historischem Erklären und narrativem Verstehen (I 140). Ricceur weist daher die These des gemeinsamen Ursprungs fiktionaler und historischer Erzählung zurück. Demgegenüber stellen meines Erachtens die emplotments geschichtlicher Narrationen eine Analogie zum emplotment fiktionaler Erzählung dar. Der Plot konzipiert historische Realität. Das mit der Entstehung der literarischen Erzählung verbundene Moment des „Fiktiven" darf nicht schlicht als „historisch Unwahres" abgewertet werden. Dies berücksichtigt die Theorie Ricoeurs, indem sie die literarische Konfiguration als einen Wirklichkeiten erzeugenden, aktiv gestaltenden Vorgang, mit Aristoteles als eine Form ontologisch verstandener poiesis (I 107) versteht. 1 1 5 Ricceur weist zudem d a r a u f h i n , dass in seiner hermeneutischen Theorie der Erzählung seine grundsätzliche Unterscheidung zwischen historischer und Fiktionserzählung nicht berücksichtigt sei und diese daher zumindest in ihrer Minimalform für beide gelten könne (I 87), womit er den prinzipiellen qualitativen Unterschied selbst einschränkt. Dies lässt es umso mehr gerechtfertigt erscheinen, Ricoeurs Hermeneutik fiktiver Erzählungen zum Verständnis der SD-Erzählungen anzuwenden.

Das in „Zeit und Erzählung" entworfene hermeneutische Modell geht von einem „Kreis der mimesis" (I 115) aus, anhand dessen Ricceur das erschlossene Verhältnis von phänomenologischer Wirklichkeit und Literatur 115 Vgl. zur mimësis II unten und vgl. dazu auch den Begriff „Fiktion" für die geschichtliche Überlieferung in der neueren Historik bei ROSEN, Narrativität, 99. Die Historik betont, dass auch die gegenwärtige Geschichtsschreibung sich notwendig der Narrativität bedienen muss, um ihre Ergebnisse zu vermitteln und so ihrer kulturellen Funktionen gerecht zu werden: „Die historische Interpretation ist grundsätzlich dieser Form verpflichtet; sie hat die empirisch gesicherten Informationen über die Vergangenheit in eine Erzählung zu bringen, zur ,Geschichte' zu machen." RÜSEN, Narrativität, 112. Narrativität verleiht der Historie die Qualifikationen Retrospektivität, Perspektivität, Selektivität und Partikularität - und konstituiert damit das historische Wissen als kommunikabel. Diese durch die „Integration der Geschichte in die menschliche Lebenspraxis" (RÜSEN, Narrativität, 113) gegebene Ausrichtung der Geschichte wird häufig einer „Objektivität" historischer Fakten entgegengestellt, und in einer unglücklichen Zuspitzung ergibt sich die unsachgemäße Konfrontation von „objektiven Fakten" und „Fiktionalität": „Der Terminus ,Fiktionalität' bestätigt zugleich eine weit verbreitete Auffassung von der historischen Methode, in der diese auf den Mechanismus und die Technologie der Quellenkritik eingeschränkt wird. Alles, was über diese methodische Prozedur der historischen Erkenntnis hinausführt, ist dann nicht mehr .rational', sondern etwas anderes - eben: fiktional und poetisch." (RÜSEN, Narrativität, 115). Diese Entgegensetzung ist allerdings eine „wechselseitige Verblendung von Rationalität und Ästhetik" (RÜSEN, Narrativität, 116), die letztlich von einer positivistischen Sicht ausgeht, nach der nur Tatsachen von der nackten Faktizität einer Information ,wirklich' seien, während alles andere entsprechend als „fiktional" abzuwerten sei. Die Historik weist d a r a u f h i n , dass auch die moderne Geschichtsschreibung ihre Ergebnisse in der Form narrativer Sinnbildung präsentieren muss und wertet die damit verbundene Weise historischen Denkens positiv. Eine Entgegensetzung zwischen „Faktizität" und „Fiktion" und eine entsprechende Abwertung des „Fiktiven" sei weder der Analyse narrativer Geschichtsüberlieferungen noch der Selbstbestimmung historischen Arbeitens angemessen.

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Kapitel I: Das frühe Königtum im DtrG

beschreibt. Literarische Werke erzeugen Wirklichkeitsversionen und dieser Akt der Erzeugung beruht auf dynamischen Transformationsprozessen, die sich als dreifache mimesis erklären lassen. 116 Ricoeur bezieht sich auf den auf Aristoteles zurückgehenden mimesis-Begriff, unterscheidet jedoch „in spielerischem Ernst" (I 88) drei Darstellungsstufen, mimesis I - III. Die Präfigurationen des Textes, d.h. sein Bezug zur außertextuellen, vorgängigen Welt (mimesis I) wird zur textuellen Konfiguration und damit zu einem fiktionalen Gebilde (mimesis II). Schließlich refiguriert der Leser in einem mimesis III genannten Prozess die beschriebene Wirklichkeit. Der literarische Prozess ist als aktiver, konstruktiver Vorgang verstanden, an dem kulturelle Sinnsysteme, literarische Verfahren und Rezeptionspraxis gleichermaßen beteiligt sind. Realität wird nicht einfach abgebildet, sondern zuerst in einem „Akt des Konfigurierens" (I 107) poietisch erzeugt und dann „ikonisch bereichert" (I 127). Die symbolische Ordnung außertextueller Wirklichkeit und die im Medium der Fiktion erzeugten Welten treten in ein Verhältnis wechselseitiger Beeinflussung und Veränderung. Ricceurs Beitrag zum Verständnis narrativer Hermeneutik soll hier nicht im Ganzen dargestellt und gewürdigt werden, sondern wird auf das für die Analyse der biblischen Erzählungen von Saul und David Relevante beschränkt. Die Unterscheidung dreier Stufen der mimesis ermöglicht die Rekonstruktion dreier zentraler Aspekte des Verstehens von Geschichtsliteraturen überhaupt (und damit auch von biblischen Geschichtserzählungen): die erinnerungskulturelle Präfiguration, die Konfiguration neuartiger Geschichtsnarrative und ihre Refiguration durch die Leserschaft dieser Texte. Diese Theorie trägt dazu bei, die Weisen narrativer Gedächtniserzeugung alttestamentlicher Geschichtserzählungen differenziert wahrzunehmen. Für Entstehung und Verständnis der SD-Erzählungen ausgehend von diesem Modell sind besonders zwei Fragen zu stellen: Erstens interessieren die Austauschmodi zwischen Gedächtnisliteratur und Erinnerungskultur auf den Darstellungsstufen der mimesis I. Zweitens sind die Formen der ästhetischen Verdichtung zu Gedächtnisnarrativen und literarischen Erinnerungsfiguren auf der Ebene der mimesis II zu bedenken. Zunächst zum Begriff der mimesis I. Damit erfasst Ricoeur die kollektive und symbolische Dimension der vorgängigen außertextuellen Wirklichkeit: Jede „Fabelkomposition ist in einem Vorverständnis der Welt des Handelns verwurzelt, ihrer Sinnstrukturen, ihrer symbolischen Ressourcen und ihres zeitlichen Charakters" (I 90). Unsere Wirklichkeitserfahrung ist immer schon symbolisch präformiert, wie Ricoeur in Anlehnung an Cassirer formuliert. In der kulturellen Praxis wird ein Begriffsnetz etabliert, das praktisches Verstehen erst ermöglicht (I 91 f.). Kulturen schaffen sich sym116

Vgl. dazu auch ZBINDEN, Krise, 180-198; bzw. zur Verwendung des MimesisBegriffes AUERBACH, Mimesis.

4. Hermeneutik

und Narratologie

für Geschichtserzählungen

25

bolische Ordnungen, die u. a. eine Wertehierarchisierung und ein Verständnis zeitlicher Prozesse einschließen. Innerhalb dieser komplexen, symbolisch vermittelten „Welt des Handelns" machen wir Erfahrungen, die sich nach Ricœur durch eine pränarrative Struktur (I 118) auszeichnen. Auf der mimësis II genannten Ebene werden die im Rahmen der mimësis I ausgewählten Elemente syntagmatisch miteinander verknüpft und zu einer bestimmten Geschichte geformt. Ricœur meint mit mimësis II den „konkreten Prozess, durch den die Textkonfiguration zwischen der Vorgestaltung {préfiguration) des praktischen Feldes und seiner Neugestaltung (;refiguration) in der Rezeption des Werkes vermittelt" (I 88). Im literarischen Text wird eine exemplarische temporale und kausale Anordnung konstruiert, so dass eine narrative Struktur entsteht, in der jedes Element seinen Platz und damit auch seine Bedeutung erhält. „Dieser Übergang vom Paradigmatischen zum Syntagmatischen ist gerade der Schritt zwischen mimësis I und mimësis II. Er ist das Werk der Konfigurationstätigkeit." (I 106). Mit der mimësis II treten wir nach Ricœur „in das Reich des Als ob" ein (I 104). Die literarische Konfiguration ist ein Wirklichkeiten erzeugender, aktiv gestaltender Vorgang ontologisch verstandener poiesis (I 107). Neben der Strukturierung der Elemente im Konfigurationsprozess tragen auch literarische Darstellungsverfahren in hohem Maß zur semantischen Dimension des Erzählten und zur literarischen Konstruktion von Geschichtsnarrativen bei. Im Kreis der mimësis ist die Lebenswirklichkeit des Alltags (mimësis I) über den literarischen Text als Mittelstück (mimësis II) mit der Lebenswirklichkeit des Lesers verbunden (mimësis III). Damit wurzelt das Konzept in der Lebenswelt des Textes und wird an die Lebenswelt des Lesers zurückgebunden. 4.2 Folgerungen für die Interpretation

der

Saul-David-Erzählungen

Die narratologische Analyse der SD-Erzählungen beachtet zunächst die auf der Ebene der mimësis I vorgegebene Lebenswelt. Als pränarrative Struktur ist im Bereich der alttestamentlichen Erzählungen konkret die altorientalische Herrscher- oder Königsideologie in ihrer spezifischen israelitischen Ausprägung zu beachten. Dazu kommen weitere, spezifische Strukturen im ersten vorchristlichen Jahrtausend, innerhalb derer das verhältnismäßig kleine Juda als Macht auf der syropalästinischen Landbrücke existierte und, um als politische Größe zu überleben, der Kooperation mit fremden Mächten bedurfte. Die Geschichtsliteraturen des Alten Testaments beziehen sich auf Elemente narrativ verfasster Vergangenheitsversionen, z. B. Personen, Ereignisse, Zeitpunkte und Orte. Doch bilden nicht nur solche Inhalte des kollektiven Gedächtnisses (die story-Ebene ihrer Narrative) den Referenzbereich. Auch Elemente einer kollektiven Diskurs-Ebene, durch die in der außertextuellen Erinnerungskultur das zu Erinnernde konstituiert und perspektiviert wird, finden Eingang in die Geschichtsliteraturen des Alten Testaments.

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Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

Grundsätzlich wirkt die hermeneutische Reflexion sich auf der Ebene der mimesis II auf das Figuren- und Gattungsverständnis aus. Dies setzt die folgende Untersuchung der SD-Erzählungen von forschungsgeschichtlichen Vorgaben ab. Je nach erzähltheoretischem Ausgangspunkt differierten die Beurteilungen der historiographischen Bedeutung der Erzählungen in den Samuelbüchern. Sah E. Meyer in der TFG noch den Beginn wirklicher Geschichtsschreibung, galten sie Gunn als seriöse Unterhaltung ohne Anspruch auf Wiedergabe geschichtlicher Ereignisse. 117 Das Urteil der älteren Forschung beruht unter anderem auf der Einordnung der Daviderzählungen als Novellen, 1 1 8 mit als Individuen verstandenen Figuren. 119 In der ausgebauten novellistischen Geschichtsschreibung sah man den Beitrag des Einzelnen zur Geschichte hervorgehoben, „denn sie leitet die Ereignisse nicht her aus dem Zwang der Umstände, sondern allein aus den Entschlüssen der Personen, die als Führer hervortreten", 1 2 0 und so formt sich der „Charakter" 121 der Einzelpersonen. Folgerichtig verglich man die Erzählungen der frühen Königszeit mit der griechischen Überlieferung und erkannte ihr Proprium in „ihrem Interesse an dem Novellistischen und Individuellen, an dem Handeln und dem Schicksal der Einzelpersönlichkeiten, hinter denen die Massen ganz zurücktreten". 122 Die Geschichten von Saul und Jonatan (bzw. die älteren von David) trügen „einen nicht mehr so streng historischen Charakter", der abschnittweise „schon ans Sagenhafte streift" 123 . Ein individualistisches Figurenverständnis vernachlässigt politisch-geschichtliche Bezüge der Figuren als Allegorien und gibt so ein entscheidendes Interpretationsmuster der Daviderzählungen vor. 1 2 4

117 Vgl. GuNN, Story, mit entsprechender Datierung um mehrere Jahrhunderte nach David; vgl. zur Frage der literarischen Gattung der TFG NAUMANN in: DLETRICH/DERS., Samuelbücher, 208-213. 118 LUTHER, Novelle, 181. „Stofflich" entstamme sie dem Mythos; formal nahm man eine Entwicklung aus Heldenliedern an. 119 Auch außerhalb der TFG, in den „Erzählungen anekdotischer Art" von Saul und David, erkennt Luther in David im Unterschied zum König von Israel ein Individuum. LUTHER, Novelle, 187 : „Er ist lediglich Privatmann und wird nicht ohne Sentimentalität geschildert, von politischem Verständnis ist keine Spur. [...] Es ist [...] ein Versuch, die Menschen nicht nur als Vertreter ihres Standes aufzufassen, sondern in das Menschliche, Individuelle einzudringen." 120 LUTHER, Novelle, 197. 121 Vgl. LUTHER, Novelle, 196, im Bezug auf Absalom. 122 E. MEYER, Israeliten, 486f. mit einer Datierung weit vor vergleichbarer griechischer Erzählliteratur; vgl. VON RAD, Geschichtsschreibung, 148-188. 123

E. MEYER, Israeliten, 486.

124 Ygj besonders zum Ansatz der „cultural narratology" und für einen knappen Überblick über das breite Feld narratologischer Analysen NÜNNING, Narratology, 345-373, bes. 355ff. Kulturelle Narratologie analysiert narrative Fiktionen und die Ubiquität von Erzählungen in Kulturen der Vergangenheit und der Gegenwart, ebda., 357. Cultural narratology beachtet besonders die kulturwissenschaftliche Analyse und ordnet die jeweilige literarische Fiktion bewusst in ihren geschichtlichen Rahmen ein.

4. Hermeneutik und Narratologie für Geschichtserzählungen

27

A u f der E b e n e der mimesis II ist d i e Struktur der H a n d l u n g s a b f o l g e ( d e s p l o t s ) 1 2 5 a u f der T e x t o b e r f l ä c h e d a r z u l e g e n , 1 2 6 v o n der a u s g e h e n d ein W a c h s t u m s m o d e l l z u rekonstruieren ist. B e i der f o r m a l e n A n a l y s e der G e schichtsliteratur sind d i e j e w e i l s v e r w e n d e t e n Narrationen v o n B e d e u t u n g , 1 2 7 da traditionelle kulturelle Narrative als Muster bereitstehen, 1 2 8 die in der b i b l i s c h e n Erzählüberlieferung h ä u f i g d e m altorientalischen K o n t e x t entstammen. Zur Bestimmung der Handlungsabfolge der SD-Überlieferung in lSam 15 - 2Sam 5 (und 2Sam 6; 9; 16; 19) bietet sich auf den ersten Blick die Erzählstruktur an, die Propp in der „Morphologie des Märchens" 1 2 9 aufgezeigt hat. Anders als in der Sequenz über einen einzelnen Helden, beschreiben die SD-Geschichten allerdings die zwei Protagonisten Saul und David, deren Figurenkonstellation wesentlich für die Erzählungen ist. Daher dürften Typologien, die die Konstellation der Figuren zum Ausgangspunkt nehmen, angemessenere Kategorien liefern. Ricceur v e r w e i s t in Zeit und Erzählung a u f e i n e E r z ä h l t y p o l o g i e a u f der G r u n d l a g e s p e z i f i s c h e r R e a k t i o n s m u s t e r der Figuren. D e r Strukturalist 125 Unter „plot" („Fabel") ist die unter ein Ordnungsprinzip gestellte Geschehensfolge zu verstehen. Bezeichnet „story" (Geschichte) die einfache Abfolge der Begebenheiten oder Handlungen, die als zeitlich folgende Ereignisse notiert sind, so bezieht der plot Kausalität mit ein. So verstanden geht der plot über die bloße chronologische Handlungsabfolge hinaus. „In der Einheit des ,plot' liegt also bereits ein Beziehungssystem von spezifischer Sinnträchtigkeit vor...", LÄMMERT, Bauformen, 25. Der Begriff „Handlungsabfolge" wird in dieser Untersuchung mit der Bedeutung von „plot" verwendet. 126 Die Analyse des Gesamtplots der SD-Geschichten und seiner Bedeutung wird bei literar- und redaktionskritischen Rekonstruktionen häufig vernachlässigt. Diskursnarratologische Analysen von Erzählerebenen, vgl. BAL, Narratology, 43-77, müssen m. E. zunächst der Plot-Analyse untergeordnet bleiben. Sie sind an vielen Stellen ebenso heranzuziehen, dienen aber eher der Präzisierung des bereits Erarbeiteten. Die Bedeutung der Diskursanalyse für die Frage nach der Eigenart der israelitischen Geschichtsschreibung wird darin deutlich, dass sie bereits ROST, Thronfolge, 128f.,133, einbezog: Wertungen auf der Erzählerebene oder O-Ebene fehlen mit Ausnahme von drei Stellen, was Rost als Distanz des Geschichtsschreibers zu seinem Gegenstand interpretierte. 127 vgl. die Erkenntnisse der cultural narratology in der Literaturwissenschaft und die entsprechenden Arbeiten von A. NÜNNING, Narratology und DERS./V. NÜNNING (Hgg.), Erzähltheorie. Vgl. exemplarisch die Rekonstruktion von Prozessen kultureller Sinnproduktion ausgehend von den Ideen des New Historicism durchgeführt im Blick auf englische und deutsche Romane aus dem ersten Weltkrieg bei ERLL, Gedächtnisromane, 135-145, bzw. ERLL/ROGGENDORF, Narratologie, 73-113. 128 Auf die Beilegung einer bestimmten Bedeutung einer Geschichte („story") durch einen Historiographen, indem er sie in eine bestimmte Form einkleidet, weist besonders WHITE, Metahistory, 7 hin, der dies als „Erklärung durch Einordnung der Art des Plots" („explanation by emplotment") bezeichnet und darin eine Form der Metahistorie erkennt. Vgl. RICCEURS Auseinandersetzung mit der von FRYE eingeführten Systematik der „fiktionalen" Modi und den thematischen Modi Romanze, Tragödie, Komödie und Satire in Zeit und Erzählung I 27ff., und RICCEUR, Anatomy, 1-13. 129

PROPP, Morphologie.

28

Kapitel 1: Das frühe Königtum im DtrG

Bremond teilt Erzählungen vor allem anhand der Reaktionen der Figurentypen ein, d. h. aufgrund ihrer gegenseitigen Bezogenheit aufeinander. So ergibt sich die Konstellation des Handelnden und des Leidenden, die einander stets gegenseitig bedingen und nicht unabhängig voneinander gesehen werden dürfen. Der Leidende („le patient") kommt nämlich erst aufgrund der Handlungen des Handelnden in der Interaktion selbst zu Handlungen, die er sonst nicht vornähme. 130 Solche Erzählungen zeichnen eine Konfliktstruktur zwischen den beiden Protagonisten nach, die Dramenanalyse nennt sie „Kontrastrelation". 131 Die Beobachtung hat Folgen für die Figureninterpretation. Denn von einem der beiden Handlungspartner erzählte Handlungen betreffen auf einer Ebene stets auch die Interaktion der beiden Handelnden. Für ein Verständnis der Saul-David-Geschichten auf der Grundlage einer Kontrastrelation zwischen den Protagonisten spricht, dass die Überlieferung über weite Strecken gerade diese Figurenkonstellation thematisiert. Die häufige Wahl der Konfiguration 132 Saul und David prägt die Form und zum Teil den Inhalt der Geschichtserzählung. Bei der narratologischen und diachronen Differenzierung der Texte muss sich erweisen, welche weiteren Abschnitte der Überlieferungen von Saul und David ebenfalls der Kontrastrelation zwischen den beiden Protagonisten zugeschrieben werden müssen.

5. Vorgehen und Gliederung Die synchronen Zusammenhänge der SD-Erzählungen in den Samuelbüchern jenseits der literarischen Abgrenzungen werden zunächst innerhalb des übergreifenden Erzählzusammenhanges der Handlungsabfolge (plot) ermittelt. Erzählstruktur und Einzelaspekte werden dann diachron untersucht. Die Frageperspektive bestimmt das (hier vorab angedeutete) Ergebnis: Es finden sich Querverbindungen von den Erzählungen über die Figuren Saul und David zur Überlieferung von den späteren Königen und ihren Reichen. Die frühe Königszeit betrachteten die Autoren dieser Erzählungen stets im Zusammenhang mit der späteren Zeit der beiden Reiche Israel und Juda. Daher werden übergeordnete motiv- und traditionsge-

130

Vgl. BREMOND, Logique, 139. Vgl. PFISTER, Drama, 234. Vgl. zu dieser Erkenntnis in der exegetischen Literatur zu Saul und David auch das durchgängige (vor-dtr) Vergleichssystem bei KLEIN, David versus Saul, 4 0 - 4 2 zum Ansatz mit Verweis auf ABRAMSKI/GARSIEL, VsiÖU;', 114.195 und GARSIEL, Samuel, 11.19. 132 Yg] ¿ a s Verständnis von Konfiguration in der Dramentheorie als „Teilmenge des Personals, die jeweils an einem bestimmten Punkt des Textverlaufs auf der Bühne präsent ist", PFISTER, Drama, 235. 131

5. Vorgehen und

Gliederung

29

schichtliche Verbindungen zwischen mittlerer, später und früher Königszeit aufgezeigt. An ausgewählten Abschnitten der Saul-David-Überlieferung in 2Sam 2 - 5 ; lSam 27,1 - 28,2; 29; 31 und 2Sam 1 untersucht Kapitel 2 die Kontrastrelation zwischen Saul und David, deren Einzeichnung in die israelitisch-judäische Geschichte des Königtums und ihr literarisches Wachstum. Die Hintergründe der Motivik von Davids Flucht vor Saul in 1 Sam 23 - 27, die die gesamte Davidüberlieferung prägt, stellt Kapitel 3 dar. Kapitel 4 zeichnet die Entfaltung traditionsgeschichtlicher Linien und formaler Vorgaben der Überlieferung als Hofgeschichte in lSam 1 6 - 2 2 nach. Für Gestaltung und literarisches Wachstum der Erzählungen sind Aufstand und Verfolgung und die Vita als Formvorgabe entscheidend und geben die Systematik der Darstellung vor. Kapitel 5 bündelt die judäische Geschichtsschreibung der Königebücher als Ausgangspunkt und Referenzrahmen der Erzählungen der frühen Königszeit und zeigt motivliche Vorgaben der vor-dtr Geschichtsschreibung in Sam/Kön auf. 133

133 Die Untersuchung beschränkt sich auf einzelne Abschnitte aus lSam 1 6 - 2 S a m 5 und lässt lSam 15 und 28 als literarisch von ihrem unmittelbaren Kontext zu trennende Abschnitte unberücksichtigt.

Kapitel 2

Saul- und David-Überlieferungen 1 Sam 27,1 - 28,2; 1 Sam 29 und 31; 2Sam 1 - 5 1. Davids Königtum über Juda und Israel in Jerusalem nach 2Sam 5 1.1 Themen und Motive 2Sam 5 reiht Ereignisse und Motive der Davidgeschichte aneinander und hat daher kompositioneilen Charakter: 1 Die Regierungseinsetzung des Dynastiebegründers, seine Regierungszeiten (vgl. 2 S a m 2 , l l ; l K ö n 2 , l l ) , die Salbung, den Titel "P1J, die Eroberung und Befestigung der Hauptstadt, eine Genealogie (V 13-16), seinen Erfolg als Heerführer 2 gegen die Philister als Erzfeinde Israels, sowie Gottesbefragungen. Die um die Figur Davids herum angelegte Themen- und Motivsammlung hat eine kompositionelle Funktion innerhalb der judäisch-israelitischen Königsgeschichte. Davids Herrschaft über Juda und Israel in Personalunion ist mit der nachmaligen judäischen Hauptstadt Jerusalem verbunden und damit als Gründungsereignis des judäischen Staates innerhalb der israelitisch-judäischen Geschichte hervorgehoben. Entsprechend der Funktion des Abschnittes sind die Anspielungen auf weitere Überlieferungen der Königszeit in Israel und Juda zu verstehen. 1.2 Die Eroberung der Davidstadt, Grablege der judäischen

Könige

Die nach dem Dynastiegründer benannte Stadt (V 9) mit ihrer Festung Zion ( r r m ö V 7 ; vgl. V9.17) muss David einnehmen (73t? V 7a). Als Gründungsereignis in der Dynastiegeschichte ist dies vor dem Hintergrund 1 Im Rahmen eines Abschlusses einer AG deuten dies NOTH, ÜgSt, 63f., GR0NB,€K, Aufstieg, 258, mit der Schichtung: V 1 - 3 . 1 7 - 2 1 Salbung als Einsetzung (V 1-3) und Angriff der Philister (V 17-21) sind verbunden (V 3.17); V 6 - 1 0 . 1 2 sind Ergänzung des Aufstiegserzählers; sekundäre Einfiigung von V 13-16 aufgrund der Voraussetzungen der TFG; V 12 noch vor-dtr Zusatz (wegen des weiteren Verständnisses von „Israel"); V 11 vom Dtr eingesetzte Notiz, vermutlich aus 2Sam 8,1-14. 2 Vgl. V 1 Auszug und Einzug Israels zum Krieg XXVX"D hi und vgl. diesen Merismus lSam 18,13.16 Ein- und Auszug Davids; 29,6 (Achisch über David); lKön 3,7 (Salomo); lKön 15,17 (Baesa); 2Kön 19,27 (//Jes 37,28); vgl. noch 2Kön 7,12; 11,8.

32

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

anderer Stadteroberungen zu lesen. Während mit 1DV meist eine Belagerungssituation verbunden ist, 3 wird dies hier nicht erwähnt. 4 Davids Einnahme der besetzten 5 Festung spielt terminologisch als Gründungserzählung in 2Sam 5,7.9.17 auf entsprechende Erfahrungen, wie Samarias Einnahme und Jerusalems Belagerung an. Die Eroberung durch den Dynastiegründer David ist als ihnen gegenüber außergewöhnlich geschildert, wie 5,6b.8 zeigen. 6 Im Unterschied zum Festungscharakter bezeichnet „Davidstadt" 7 in der sC die Grablege der judäischen Könige, inklusive der gewaltsam ums Leben gekommenen, die bis zur Zeit des Ahas von Juda „bei ihren Vätern in der Stadt Davids" bestattet wurden. Die Begräbnisformeln der judäischen

3 Vgl. besonders die Eroberung Samarias nach dreijähriger Belagerung durch Salmanassar V/Sargon II (2Kön 17,5f.; 18,10 "D"?) vgl. unten Kap. 5,2.7, und vgl. dazu NA'AMAN, Background, 206-225; BECKING, Chronology, 52-62. Vgl. 13V 2Sam 12,26.29 Rabba; lKön 9,12 Geser; 16,18 Thirza; 2Kön 12,18 Gat; vgl. im Jeremiabuch die Einnahme Jerusalems: Jer 32,3.24.28; 34,22; 37,8; 38,3.28 (2x); die Einnahme Babylons 50,24; 51,31.41 (HPK1).56 (Babylons Helden); sowie in späten Landnahmeerzählungen Jos 6,20 Jericho; 8,19.21 Ai; 10,28 Makkeda; 10,32 Lachisch; 10,35 Eglon; 10,37 Hebron; 10,39 Debir; Ri 1,8 Jerusalem; l,12f. Kirjat-Sefer; 9,45 Sichern; 9,50 Tebez. 4 Von einer dezidiert friedlichen Einnahme der Stadt durch Vertrag mit den Jebusitern

geht SCHÄFER-LICHTENBERGER, David, 1 9 7 - 2 1 1 aus; vgl. zuvor FLOSS, David, 29—42

und FISCHER, Hebron, 224. Für eine mit 1D7 bezeichnete Einnahme gegen den Willen der Bewohner spricht die übliche Bedeutung des Verbs, die als summarische Bezeichnung die konkreten Umstände der Eroberung offen lässt. 5 Vgl. zu den Jebusitern HÜBNER, Jerusalem, 31^12; Gen 10,16; 15,21; Ex 3,8.17; 13,5; 23,23; 33,2; 34,11; Num 13,29; D t n 7 , l ; 20,17; Jos 3,10; 9,1; 11,3; 12,8; 15,8.63 (2x); 18,16.28; 24,11; Ri 1,21 (2x); 3,5; 19,11; 2Sam 24,16.18 (Arauna); lKön9,20 und vgl. noch Sach 9,7; Esr 9,1; Neh 9,8; IChr 1,14; 11,4.6; 21,15.18.28; 2 C h r 3 , l ; 8,7; vgl. Jebus: Ri 19,10f.; l C h r l l , 4 f . ; vgl. zum dtr Ursprung der Jebusiter in Listen BLUM, Komposition, 379f. Anm. 125. 6 Diese Aussagen haben zwar keine Parallelen in weiteren Eroberungsberichten, doch belegt dies nicht ihre Herkunft aus der Davidzeit. Vgl. zu „Jerusalem" in V 6 als dtr Red b e i FLOSS, D a v i d , 5 0 ; v g l . VERMEYLEN, L o i , 2 1 4 f . 7

V 7.9.17. Es finden sich 44 Belege für die Davidstadt. Als Ort der Grablege der judäischen Könige vgl. lKön2,10 David; 11,43 Salomo; 14,31 Rehabeam; 15,8 Abiam; 15,24 Asa; 22,51 Jehoschafat; 2Kön 8,24 Joram; 9,28 Ahasja; 12,22 Joasch; 14,20 Amazja; 15,7 Asarja; 15,38 Jotam; 16,20 Ahas. Vgl. ferner 2Sam 6,10.12.16, abhängig von den Belegen in der sC; l K ö n 3 , l ; 8,1; 9,24; 11,27 (Millo, Mauerbau Salomos); vgl. noch in Jes 22,9; Neh3,15; 12,37; IChr 11,5.7; 13,13; 15,1.29; 2Chr 5,2; 8,11; 9,31; 12,16; 13,23; 16,14; 21,1.20; 24,16.25; 27,9; 32,5.30; 33,14. Vgl. unten Kap. 5, 2.8. Die Lage der Königsgräber im spätbronzezeitlichen bzw. eisenzeitlichen Jerusalem lässt sich nicht bestimmen, vgl. den Überblick bei HACHMANN, Königsgrab, 228-241 zu den vermuteten judäischen Königsgräbern und der Grabung von Weill vgl. BIEBERSTEIN/BLOEDHORN, Jerusalem, Bd. 3, 113-118; Bd. 1, 64.80-85.

1. Davids Königtum über Juda und Israel

33

Könige Y 3 -Dp^l VIVOX Di? X 33UP1 erwähnen diesen Ort, 8 während Begräbnisorte israelitischer Könige nicht immer genannt werden; bei zwei israelitischen Königen, die „bei ihren Vätern liegen", fehlen Begräbnisnotizen ganz. 9 Mit der Grablege in der Davidstadt verband man die dynastische Kontinuität in Juda, der eine wechselnde Königs- und Hauptstadtfolge der israelitischen Könige gegenüberstand. 10 Das Begräbnisformular findet sich bis Ahas und war bis zur Zeit Hiskias gebräuchlich, der vermutlich Ahas' Grabnotiz verfassen ließ.11 Beginnend mit Hiskia bestattete man die judäischen Könige im Garten des Ussia. Eine mögliche Zerstörung der Grablege oder eine teilweise Einnahme der „Davidstadt" in der Hiskiazeit ist nicht erwähnt. Hingegen bezieht die Geschichtsschreibung die Davidstadt als Ort der Königsgruft bis Ahas auf die Eroberung Jerusalems durch David als Gründungsereignis des judäischen Königtums und verbindet damit Ereignisse der Hiskiazeit mit Davids paradigmatischer Stellung 12 als Dynastiegründer. 1.3 Die Baunotiz in 2Sam 5,9b Nach der Eroberung Jerusalems führt David Baumaßnahmen „rundherum vom Millo und zum Haus hin" 13 durch. Auch zur Einordnung dieser Baunotiz erweisen sich Parallelen in der weiteren älteren Geschichtsüberlieferung der Königszeit als aufschlussreich. Neben Todes- und Begräbnisnotizen erwähnt die sC auch (seltener) Baunotizen (¡133). Abgesehen von Salomos Ausbau von Geser, Megiddo und Hazor (lKön 9,15; vgl. 9,17-19), wird der Ausbau des „Millo" erwähnt (lKön 9,15.24; 11,27). Asas Bauten aus dem Holz und den Steinen der israelitischen Grenzfestung Ramah in Geba und Mizpa (lKön 15,22 7733) ragen als Parallelen ebenso heraus wie 8 Vgl. HALPERN/VANDERHOOFT, Editions, 189-191; vgl. ferner PRO VAN, Hezekiah, 134-143; wobei auch für Abia lKön 15,20 im MT ein Begräbnis „bei seinen Vätern" berichtet ist, vgl. HALPERN/VANDERHOOFT, Editions, 191 Anm. 26; EYNIKEL, Reform, 122-135; NA'AMAN, Death Formulae, 245-247. 9 Jerobeam I lKön 14,20; Menachem 2Kön 15,22. 10 Vgl. unten Kap. 5, sowie NA'AMAN, Death Formulae, 249; HALPERN/VANDERHOOFT, Editions, 194. 11 Dies legt die Entstehung der Chronik unter Hiskia nahe, vgl. JEPSEN, Quellen, 38. 12

13

V g l . SMEND, E l e m e n t e ,

18-23.

Auf die Lage der „Davidstadt" und ihr Verhältnis zur „Festung", die V 7b identifiziert, das sich verändert haben mag, kann hier nicht eingegangen werden. Es muss offen bleiben, wie zu interpretieren ist, dass die „Festung", mit der die Davidstadt identifiziert wird, unterhalb einer Oberstadt gelegen hat: Nach 2Sam 5,17 geht David „zur Festung hinab 0 1 ' ) " . So gut möglich ist, dass dies aus der Sicht eines Späteren formuliert ist, der den Höhenunterschied zum tiefer gelegenen Südosthügel bezeichnet haben mag (dies erwägt FISCHER, Hebron, 259f.), so wenig lässt sich dies aus 2Sam 5 belegen. Mit einem Einzug von Hebron aus „herab" nach Jerusalem rechnet NOORT, Philister, 210-212.

34

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

der omridische (Aus-)Bau Samarías lKön 16,24. Aus der Perspektive der judäischen Geschichtsschreibung musste der Ausbau des Millo erstmals in der Frühzeit unter David erwähnt werden. Kompositionen verarbeitet V 9 außer den Erfahrungen der Hiskiazeit noch spätere Ereignisse. 14 Das seltene S'DD ¡"¡33 ohne Objekt findet sich auch l K ö n 3 , l bei Salomos Stadtmauerbau und für den Bau der Seitengemächer des Tempels lKön6,15. Die Babylonier errichteten zur Belagerung nach Jer 52,4 und 2Kön25,l einen Wall rings um die Mauer der Stadt. 15 Die parallelen Formulierungen H33 verweisen auf die Bewahrung und Eroberung Jerusalems. In der Konzeption von 2Sam 5 führt die paradigmatische Bedeutung des Mauerbaus und die Einnahme auf den Dynastiegründer zu: Davids Ausbau der Mauer hielt dem Assyreransturm zur Zeit Hiskias stand, fiel aber 597/587. 1.4 Die vorangestellte Regierungszeitnotiz

in 2Sam 5,4f.

Zur Einsetzung als König gehört die Notiz 2Sam 5,4f., 16 die formal der dreiteiligen Anlage der Rahmenformulierungen der Königebücher entspricht und Königseinsetzung, Alter bei Regierungsantritt, Herrschaftsdauer und zusätzlich Regierungsort und Herrschaftsbereich nennt. 2Sam 5,4f. und lKön 2,11 sind literarisch verwandt. 17 Die Notiz über Davids Regierungszeit in lKön 2 dürfte älter als 2Sam 5,4 sein, weil 2Sam 5,4 zusätzlich Davids Alter ergänzt und die Regierungszeit in die Biographie Davids in den Erzählungen einordnet. 18 Eine Stilisierung der

14

„David baute ringsum vom Millo bis zum Haus" (2Sam 5,9), ist wegen der ungeklärten Bedeutung des „Millo" umstritten. Wörtlich häufig mit „Füllung, Aufschüttung" {quttul-¥orm zu S^D „voll sein") wiedergegeben, lässt sich nur vermuten, was gemeint ist. Vgl. zur naheliegenden Annahme einer Terrassierung bzw. Hangverkleidung an der Nordostecke der Davidstadt: WEIPPERT, Palästina, 457f. Vgl. zur These eines Bauwerks im Zusammenhang mit der Stadtbefestigung STEINER, Light, 18f. Vgl. ferner FISCHER, Hebron, 2 4 5 - 2 4 7 und GASS, Ortsnamen, 311 f. zum XlVa n ' 3 in Sichern Ri 9,6.20 und ebda., 17 zur Deutung der eisenzeitlichen „stepped structure" in Jerusalem mit Literatur. 15 ITH; vgl. Ez 4,2; 17,17; 21,27; 26,8. Zuvor wurde die Stadt mit Belagerungsmaschinen umgeben, vgl. 2Kön 25,1/Jer 52,4. FISCHER, Hebron, 248 geht davon aus, es bezeichne in 2Sam 5 „die Einbeziehung eines künftigen Bauplatzes für die Wohnung der Davididen und ihres Gottes". 16 Nach NOTH, ÜgSt 63, vom Dtr eingestellt; zur Form vgl. VEIJOLA, Königtum, 91f.; insbesondere bei den judäischen Königen. Zu der (unabhängig von der Beurteilung von lSam 12) gegen VEIJOLA vor-dtr Form vgl. unten Kap. 5, 2.3. 17 Vgl. NOTH, Könige, 8: Dtr wiederholt lKön 2,10f. leicht gekürzt 2Sam 5,4f. 18 Vgl. entsprechende Angaben z . B . von Hiskia in 2Kön 18,1; von Manasse 2Kön 21,1. Dass 2Sam 5,4f. eine Regierungsangabe wiederholt, liegt überdies nahe, weil sie in 4QSam a fehlt; vgl. ULRICH, Samuel, 52-60. FISCHER, Hebron, 222 Anm. 33, nimmt eine Ursprünglichkeit von 5,4f. gegenüber 4QSam a an.

1. Davids Königtum

über Juda und Israel

35

Regierungsdauer Davids legt die Analogie zur 40-jährigen Regierungsdauer Salomos nach lKön 11,42 nahe. 19 1.5 Davids Frauen und Söhne nach 2Sam

5,13-16

Bereits Noth deutete 2Sam 5,13-16 als inhaltlich auf die TFG bezogene Voranstellung, die vorbereitend auf den Absalomaufstand (2Sam 15,16b; 20,3) Nebenfrauen (Ü,Uto'?3)20 und ihnen nachgeordnet Frauen erwähnt. 21 Dass von den Söhnen nur Salomo namentlich später auftaucht, liefert einen Grund für die Voranstellung von V 13-16 vor diese Überlieferung und es zeigt den kompositioneilen Charakter von 2Sam 5.22 1.6 Das israelitisch-judäische

Verhältnis

Davids Regierungszeit nach 2Sam 5,4 fügte man an die Eroberungsnotizen von V 7.9.17.(18-21) an. In der Folge wurde die Übernahme der Herrschaft über die Israeliten in V 3 ergänzt. V 3 verbindet mit VNIty die Vorstellung der Zweistaatlichkeit (im Unterschied zu 2Sam 5,1 f.). Die Institution der Ältesten Israels, die die sC nirgends erwähnt, entscheidet nach 2Sam 5,3 über Israels Geschicke. Während 2Sam 5,3 den israelitisch-judäischen Bundesschluss erwähnt, nennt 2Sam 5,4 nicht die Abstraktterminologie n , - D (1113) für dieses zuvor 2Sam3,12f.l7 erwähnte Verhältnis; auch dort sind die Ältesten Israels Bündnispartner, die mit David in Hebron konferieren (3,19f.). Die Ältesten als Führer Israels agieren in 2Sam 5,3 und in 2Sam 3,12.17f. Wurde 2Sam 5,3 im Stil der Rahmenformulierungen der Königebücher erweitert, bedurfte Davids Einsetzung zum König über Israel einer Erklärung. Warum die Ältesten Israels zu ihm kamen und ihn zum König machten, obwohl er doch König der Judäer war (2Sam 5,3), gestalten die Erzählungen von Abner, dem Sauliden Ischbaal, von Joab und (in passiver Rolle) David in *2Sam 2 - 4 aus. 23 Auch hier wertet der Erzähler: Verführt durch eine Intrige des Heerführers Abner wenden die Ältesten sich an den Judäer David. Daher ist zu erwägen, ob 2Sam 5,3 die Erzählungen mit Figuren aus Sauls Hof in 2Sam 2 - 4 aus sich herausgesetzt hat. Die Funktion dieser Erzählungen zur Legitimation des Königs bestätigen Einzelzüge, wie das Verschweigen jedweder Beteiligung Davids und die Betonung der Un19

Als Stilisierung versteht dies schon NOTH, ÜgSt, 66 Anm. 1. Für einen Nachtrag der Haremsfrauen statt der „Frauen" sprechen die sekundären Stellen 2Sam 15,16b; 20,3; vgl. WORTHWEIN, Erzählung, 3 5 - 4 0 . 21 Vgl. schon NOTH, ÜgSt, 63 Anm. 3. FISCHER, Hebron, 262. 22 Die Einfügung als Genealogie ist im Anschluss an priesterschriftliche Formulierungen zu verstehen; vgl. ITU31 Q'33 Gen 5,4.7.10.13.16.19.22.26.30; 11,11.13 u . a . ; vgl. 20

VERMEYLEN, Loi, 2 2 0 . 23

Vgl. unten 2. Israels Niederlage und das Ende der Sauliden nach 2Sam 2 - 4 .

36

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

fähigkeit des israelitischen Königs, der den Untergang seines Reiches selbst verschuldete. 1.7 Der

7'JTJ

-Titel

Bildeten die Hauptstadtnotiz und Davids Königtum über Israel den Ausgangspunkt (V 3f.7.9.17 (V 17-21?)), so ergeben sich weitere Wachstumsstufen. Die literarische Einordnung von V i f . stützt sich unter anderem auf den Titel TJU in V 2. 24 Für das Verständnis des Titels liegen zwei Vorschläge vor. Zum einen will man ihn vom akkadischen nägld sowie näqidu/nöqed „Hirte" ableiten, 2 5 während man seine Bedeutung andererseits zuvor ausgehend von der Verbalwurzel 113 erschloss. Als Partizip Passiv hi „eine Sache vor jemandem hoch tun" verstand man ihn als den von J H W H „Kundgegebenen". Leitet man eine Bedeutung von dem präpositionalen 113 „angesichts, vor" ab, ergibt sich als Bedeutung „derjenige, der vor anderen ist". 2 6 Letzteres liegt innerhab der Saul- und Davidüberlieferung deshalb nahe, weil die Verbalwurzel hi häufig in Zusammenhang mit dieser Herrschaftsbezeichnung verwendet wird. 2 7 Als (/«/-Bedeutung lässt sich „etwas, jemand ist/steht gegenüber; wird konfrontiert" und als /¡¿-Bedeutung J e m a n d e m etwas gegenüberstellen", „vor jemanden hinstellen" J e m a n d e n mit etwas konfrontieren" im Sinne von „vorbringen, berichten" erschließen. Da die qatil-Formen aktivisch oder passivisch gedeutet werden können, 2 8 „vor jemanden gestellt", J e m a n d e m gegenüber gestellt", 2 9 kann man in der Situation der Mitteilung als Bedeutung annehmen: „derjenige, der einem (Boten) gegenüber gestellt ist" bzw. „dem zu berichten ist". Die Einsetzung des 7'13 von J H W H in 1 Sam - 2Kön hebt dessen Verantwortlichkeit gegenüber J H W H hervor. 3 0

Die für Hiskia verwendete ehrenvolle Herrscherbezeichnung bleibt den übrigen Königen verwehrt. 31 Während Jerobeam und Baesa, von den Pro24 Vgl. ALT, Staatenbildung, 23 Anm. 2. Im Unterschied zu "I^Ü verstand Alt T J 3 als sakralen Titel, ausgehend von der W-Bedeutung „der von J H W H Kundgegebene". MILD E N B E R G E R , Saul-Davidüberlieferung, 32-34.51, verstand den Titel im Rahmen der nebiistischen Redaktion im 8. Jahrhundert, vgl. M E T T I N G E R , King, 155-162. 25 Vgl. erstmals R I C H T E R , nägld-Formel, 72 Anm. 22; L L P I N S K I , „Leadership", 509-514. Vgl. zu dieser Deutung mit weiterer Literatur F I S C H E R , Hebron, 2 1 7 - 2 2 0 ; während die Hirtenfunktion selbst alt sei, sei der Titel in 1 Sam - 2Kön nicht vor-dtr. 2 6 S E Y B O L D , Königtum, 30 Anm. 35. 27 Vgl. ab l S a m 9: l S a m 9,6.8.18f.; 10,15f. und vgl. zu Hl hi lSamll,9; 14,1.33.43 (2x); 15,16; 17,31; 18,20.24.26; 19,2.3.7.11.18.21; 20,9f.; 22,21.22 (2x); 23,1.11. 26; 24,2.19; 25,12.14.19.36f.; 27,11. 28 Vgl. B A U E R / L E A N D E R , Grammatik, 470. 29 So auch W A G N E R , Geist, 6 4 - 7 0 mit weiterer Literatur. 30 Vgl. T J 3 l S a m 13,14 V mX; 25,30 H1X; 2Sam 5,2 V HTI; 6,21 V mX; 7,8 ITH; l K ö n 14,7; 16,2; 2 K ö n 2 0 , 5 . Ausnahme ist Davids Einsetzung seines Nachfolgers nach l K ö n 1,35. 31 Jerobeam und Baesa erweisen sich nicht als würdig; vgl. l K ö n 14,7; 16,2; in Drohworten in Prophetenerzählungen (vgl. 2Kön 20,5); daher ist eine vor-dtr Verwendung denkbar. - Vgl. die 43 weiteren Belege für TU3 l S a m 9 , 1 6 ; 10,1; 13,14; 25,30;

1. Davids Königtum

über Juda und

Israel

37

pheten angekündigt, als "PJJ abgesetzt werden, nehmen die Judäer Hiskia und David ihr Amt so wahr, dass sie den ehrenvollen Titel zu Recht tragen. Aus 2Sam 5,2 ergeben sich konzeptionelle Verbindungen zwischen Hiskia und David in einer judäischen Geschichtsschreibung. D i e Entsprechung zwischen beiden und andererseits die Abgrenzung von den israelitischen Königen Jerobeam und Baesa in Prophetenworten l K ö n 14,7; 16,2 und von Saul wird in nachexilischer Zeit 32 verstärkt. 1.8 Philister sieg, Mitseinsformel Hiskia und Salomo

(2Sam

5,10.17-21.22-25);

Das Entsprechungsverhältnis zwischen den Königsgestalten Hiskia und David stellt 2Sam 5 unter anderem aufgrund der militärischen Auseinandersetzungen mit den Philistern V 17-21 3 3 als Feinden der beiden Könige her. 34 Die Feindgröße der Philister ist in die literarische Ausgestaltung des Saul-DavidGegensatzes eingebunden, daher legt sich nahe, sie zur Rekonstruktion historischer Realität zu berücksichtigen. Die Davidaussagen in 2Sam 5 , 1 7 - 2 1 . 2 2 - 2 5 ; 8,1 übertragen die Verhältnisse Israels unter Saul auf die im judäischen Königtum und übersteigern die Heldenkraft des judäischen Königs. Während die Philister eigentlich Israels Feinde waren, war Juda für die Philister auch aufgrund seiner Lage als Bergland verglichen mit der der philistäischen Ebene und der Schefela in der EZ I/II ökonomisch relativ unbedeu-

2Sam 6,21; 7,8; l K ö n 1,35; 14,7; 16,2; 2Kön 20,5; J e r 2 0 , l ; E z 2 8 , 2 ; Ps 76,13; Hi 29,10; 31,37; Prov 8,6; 28,16; Dan 9,25f.; 11,22; l C h r 5 , 2 ; 12,28; 13,1; 17,7; 27,4.16; 28,4; 29,22; 2Chr 6,5; 11,11.22; 19,11; 32,21; für Verantwortliche im oder über den Tempel in IChr 9,11.20; 11,2; 26,24; 2Chr 28,7; 31,12f.; 35,8 und vgl. Neh 11,11. Für Josia wird der Titel nicht verwendet. 32 Eine Reihe von Wendungen sind nicht vor-dtr, vgl. VEIJOLA, Dynastie, 64f. Zu 2Sam 5,2 DlUfjUi' (DJ) VlDnx DJ vgl. l S a m 4 , 7 ; 10,11; 14,21; 19,7; zur Formel DUZfW DJ Vinn DJ Gen 31,2.5; Ex 4,10; 5,7f.l4; 21,19.36; Dtn 4,42; 19,6; Jos 3,4; 4,18; 20,5; lSam 21,6; 2Sam 3,17; 2Kön 13,5; R t 2 , l l ; IChr 11,2 / / 2 S a m 5,2. V 2 XXVX13 hi vgl. noch in Num 27,17; Dtn 6,23; Jer 26,23; Ez 20,10; 34,13; IChr 11,2 (// 2Sam 5,2). 2Sam 5,1 f. ist aus judäischer Perspektive unter Einschluss Israels verfasst. „Wir sind dein Fleisch und Blut" (vgl. 2Sam 19,13 Männer Judas; 2Sam 19,14 Amasa; Ri 9,2) bezeichnet die Verwandtschaft zwischen Israel und Juda. 33 Erwogen wurde der Anschluss von 17-21 an V 3, wegen des direkten Bezugs zur Königswahl in 17a. Vgl SCHUNCK, „Schlupfwinkel", 110-113 mit der Annahme, „er ging zur Bergfeste hinab" könne sich kaum auf Jerusalem beziehen, sondern zeige Bezüge zu l S a m 2 2 , 5 und 1 (Feste Adullam), David komme von Hebron aus nach Adullam. Die Reihenbildung von 2Sam 5 macht dies aber unwahrscheinlich. 34 Das literarische Verhältnis von 2Sam 5 , 1 7 - 2 1 . 2 2 - 2 5 zu 2Sam 21,15-22; 23,8-17 kann hier nicht geklärt werden. In beiden Überlieferungen werden die Philister nur als Feinde erwähnt; bei der Darstellung kommt „alles auf die Person und ihr Heldentum, nichts auf die geschichtliche Verknüpfung" an, vgl. BUDDE, KHC Samuel, 224.

38

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

tend. 3 5 Die Zeichnung der Philister als Feinde Israels und als Nichtisraeliten (bzw. Nichtjudäer) verstellt als Chiffre jedoch den Blick auf die Rekonstruktion der EZ I. 3 6 Der ausgestaltete SD-Kontrast und die Abwertung der Philister als Feinde wirkt sich auf die Darstellung der Philister als einer sehr schematisch gezeichneten Größe der „anderen" oder „Nichtisraeliten" in den Texten aus. Der Philisterkampf in 2Sam 5,17-21 impliziert als Davidaussage einen Vergleich mit Saul, bei dem Realitäten des 8.-7. Jahrhunderts im Hintergrund stehen. Auch in späterer Zeit sind die Philister Chiffre für einen Erzfeind Israels. 3 7 Belege in l S a m 3 8 gestalten den vorgegebenen Gegensatz zwischen Saul und David weiter aus.

Für einen Verweiszusammenhang zwischen den Philisterkämpfen sprechen 2Sam 21,15-22; 23,8-13 und der Philisterkampf Hiskias. 39 Stellt die Mitseinsformel eine Entsprechung zwischen Hiskia und David her, so verstärkt dies der Philistersieg, 40 der David implizit auch mit Saul vergleicht. 41 Die gelungene Gottesbefragung in 2Sam 5 ist ein Bindeglied zu den Erzählungen vor Davids Herrschaft über Juda. 42 Gottesbefragungen und Philistersieg kennzeichnen David als den in der israelitisch-judäischen Geschichte einzigartigen, mit Gott verbundenen König, der die Feinde besiegte, an denen Saul scheiterte (lSam 31). Die in Varianten belegte Mitseins- oder Beistandsformel 43 steht vielfach in militärischen Kontexten, in denen das Mitsein Gottes als entscheidend 35 Vgl. NIEMANN, Geographie, 87. Dennoch wird man bei der Gebietszuschreibung von Asdod über Gath und Ekron bis an den Rand Kernjudas vorsichtig sein müssen, weil diese Informationen vor allem aus Erzählungen von lSam 5,1-12; 6,1 rückgeschlossen sind, vgl. DERS., Philister, 1282f. 36

37

V g l . MACHINIST, T r a d i t i o n s , 5 3 - 8 3 , b e s . 6 7 .

Vgl. zum archäologischen Hintergrund I. FINKELSTEIN, Settlements, 159-180; vgl. ferner KNAUF, Saul, 15-18 und NIEMANN, Geographie, 7 0 - 8 2 und zum (wirtschaftlichen) Gegensatz zwischen Philistern und Juda nach Sanherib exemplarisch BUNIMOVITZ/LEDERMAN, Beth Shemesh, 2 0 - 2 3 ; DIES., Iron Age, 121-147. 38 Vgl. u . a . l S a m 4 , l - 3 . 6 f . 9 f . l 7 ; 5,lf.8.11; 6,1 f.4.12.16-18.21; 7,3.7f. 10f.,13f.; 9,16. Die Philisterbelege im DtrG häufen sich in späten Erzählbereichen: Jos 2 Belege, Ri 34 Belege; l S a m 154 Belege; 2Sam 31 Belege und 1/2 Kön jeweils 3 Belege. Der Feindbegriff war in spätnachexilischer Zeit sehr beliebt, vgl. 40 Belege l S a m 17 - 18,6 (MT); bzw. 27 Erwähnungen in Ri 14 - 16. 39 Vgl. noch die (gescheiterte) Belagerung des philistäischen Gibbeton (nach NOTH, Könige, 343, Teil el-melät, ca. 5 km westlich von Geser und 8 km nördlich von Ekron) durch Nadab l K ö n 15,27. 40 2 Sam 5,17-21 und vgl. die endgültige Niederschlagung V 2 2 - 2 5 eingeleitet durch 715? IDCI. 41 Vgl. l S a m 14,47f.: Saul kämpfte mit den Philistern (DPI1?), während 2Sam 8,12 eher deren Niederlage betont; vgl. KLEIN, David versus Saul, 95-99. 42 Vgl. 2Sam 2 , 1 - 2 ; lSam 2 3 , 1 - 1 4 bei der Rettung Keilahs, und dazu unten Kap. 3, 3.3; vgl. ferner lSam 30. 43 Vgl. die 93 Belege unter anderem bei PREUSS, „...ich will mit dir sein!", 139-173. Die Sachgruppen erscheinen allerdings nicht zwingend; der grundsätzliche Unterschied zwischen dem Zuspruch von Gott und Menschen muss sich nicht im Sachgehalt der For-

1. Davids Königtum über Juda und Israel

39

für den Sieg galt,44 schwerpunktmäßig finden sich die Belege im selben Kontext in Chr.45 Die Formel ordnet man im DtrG als dtr bzw. spät-dtr46 ein, was sich kaum sprachlich begründen lässt und in Spannung zur Zuordnung zu älteren literarischen Werken47 bzw. als Element eines Berufungsberichtes steht.48 Neben dem Kriegskontext ist die nicht auf David eingeschränkte Verwendung für Herrschergestalten signifikant.49 Ihre spezifische Form mit der Ergänzung des Gottesnamens durch das Epithet rVHOX in 2Sam 5,10 findet sich nur noch in Ps 46,8.12 und 48,9 50 mel niedergeschlagen haben; ebenso wenig die Unterscheidung von „Verheißung, Zusage, Bitte oder Wunsch" als „promissorische" von „assertorischen" Aussagen. 44 Vgl. Gen 26,28; Num 14,43 (bezüglich Amaleks als Feind); Dtn 20,4; Jos 1,17; Ri 1,22; 2,18; 6,12f.; 2Kön 18,7; Sach 10,5; Ps 46,8.12; vgl. mittelbar auch in Ex 10,10 im Blick auf die Auseinandersetzung mit dem Pharaoh und innerhalb der Davidüberlieferung lSam 16,18; 17,35; 18,12.14.28; 2Sam 5,10. 45 Vgl. IChr 22,18 David: „JHWH, euer Gott, war mit euch."; 2Chr 13,12 Abia in der Kriegsrede; 14,10 Asa; 15,2 Prophet Asarja zu Asa, Judäern und Benjaminiten; 15,9 von Asa; 17,3 Josaphat; 20,17 Josaphats Heer; 25,7 Amazja; 32,7f. Hiskia von Juda über sein Heer; 35,21 Necho lässt Josia sagen, Gott sei mit ihm. Chr konzentriert sich unter anderem auf Bundesschlüsse in militärischer Bedrohung, vgl. KNOPPERS, Alliances, 601-626; lKön 15/2Chr 13,23 - 16,14; 2Kön 16,l-9/2Chr 28,1-21 drei Bündnisse zwischen Nordund Südreich: Josaphat - Ahab lKön 22,2-30/2Chr 18,1 - 19,3; Jehosaphat und Ahasia lKön 22,49f./2Chr 20,36f.; Amazja und israelitische Söldner 2Chr 25,1-13. JHWH verweigert sein Mitsein wegen der Israeliten unter den Soldaten. Die grundsätzliche Ablehnung des Nordreichs steht im Hintergrund der scharfen Verurteilung von Bundesschlüssen zwischen Judäern und Israeliten in Chr, in denen nur den Judäern das Mitsein JHWHs zugesprochen wird; vgl. 2Chr 13,8-12; 25,7f., vgl. KNOPPERS, Alliances, 621. Häufig findet sich die Formel bei Personen, die im judäisch-israelitischen Kampf für Juda Siege erringen bzw. erringen wollten, 2Chr 13,12; 15,2.9; 20,17; 32,7f.; 35,21. 46

Vgl. Jos 1,9.17; 3,7; 6,27; vgl SMEND, Gesetz, 494-509, und NENTEL, Trägerschaft, 24-26.45f., und zur Forschung ebd., 14f., mit Zuordnung von Jos 1,7-9 zu den von ihm als DtrS zusammengefassten Fortschreibungen. VEIJOLA, Dynastie, 84, ordnet die Formel in lSam 20,13, lKön 1,37 (David/Salomo) und in Jos 1,5.17; 3,7 (Mose/Josua) DtrG zu. 47 Vgl. die Frühdatierung von 2Sam 5,10 (bzw. 12) als Abschlussakkord einer AG, NOTH, ÜgSt, 63F.; GR0NB/EK, Aufstieg, 258; vgl. zur Formel WEISER, Legitimation, 335 (mit Abgrenzung der AG in 2Sam 7). 48 Vgl. „JHWH/Elohim ist mit" Ri 6,12f., lSam 10,7; 17,37b im vorprophetischen Berufungsbericht bei RICHTER, Berufungsberichte, 145f. und zur Ansetzung neben vielen anderen H.C.SCHMITT, Berufungsschema, 202-216: nach 722 v. Chr.; für Jer 1,4-10 auch noch im 6. Jhdt. Zum Aufgriff der Form in lSam 17, vgl. unten Kap. 4, 2.2.2. Vgl. 2Sam 5,10(. 12) als Abschlussakkord einer AG, NOTH, ÜgSt, 63f.; GR0NB/EK, Aufstieg, 258; vgl. zur Formel WEISER, Legitimation, 335 (mit Abgrenzung der AG in 2Sam 7). 49 Adressaten oder Subjekte sind David lSam 16,18; 18,12 (nicht LXX).14.28; 17,37; 20,13; 2Sam 5,10; 7,3.9; 17,14; Salomo lKön 1,37; vgl. IChr 22,11; 2Chr 1,1; Saul lSam 10,7; Hiskia 2Kön 18,7; Josua Dtn 31,8.23; Jos 1,9.17; 3,7; 6,27; Gideon Ri 6,12.16; alle Richter Ri 2,18; die Väter Ri 6,13; Josef Gen 39,2.23; 48,21; Abraham Gen 21,22; das Haus Joseph Ri 1,22; das Volk lKön 8,57 (dtr).

40

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

und weist zusammen mit Jes 6,3 auf die „JHWH, dem Gott der Heere" geschuldete Bewahrung Jerusalems in der Zionstheologie hin. Das Epithet beschreibt Davids Eroberung von der Bewahrung im späten 8. Jahrhundert her. 51 Während die Annalen Sanheribs 52 die Zerstörung des Umlands der Stadt festhalten, stellt die judäische Historiographie den Abzug der Assyrer im Jahr 701 als Bewahrung dar. Literarhistorisch kann man die Entsprechung zwischen Hiskia 2Kön 18,7f. und David sicher nach 701 einordnen; auch eine Kommentierung der Eroberung Jerusalems durch David in der Zeit nach 588 v. Chr. ist denkbar. Die Philister als Feinde fügte man in den Kontext der Hiskiaüberlieferung ein. 53 Die Geschehnisse unter Hiskia 701 v. Chr. in 2Kön 18-20 kommentierte man, in dem man die Ereignisse von 701 auf die Bedrohung von 588 v. Chr. bezog. 54 Die Bearbeitung der Hiskiatradition in 2Kön 18,6f. entstammt damit der Zeit Zedekias. In die Philister als Chiffre in 2Sam 5,17-21 fließen dann auch Züge des Assyreransturms des späten 8. Jahrhunderts ein. Für die Voraussetzung der babylonischen Eroberung spricht die Anspielung auf den Stadtbau durch David angesichts der Eroberung der Stadt im 6. Jahrhundert. 55

50 Abgesehen von der Parallelstelle IChr 11,9 und dem Abschluss der Gottesrede mit „Spruch JHWH Zebaoths" in Hag 2,4. 51 Das Epithet in Sam/Kön in der Verbindung niX3X m n ' ist 17 Mal belegt: lSam 1,3. 11; 4,4; 15,2; 17,45; 2Sam 5,10; 6,2.18; 7,8.26f.; lKön 2,5; 18,15; 19,10.14; 2Kön 3,14; (19,31 nur qere); vgl. Jes 37,16.32; 39,5 (nicht Parr. 2Kön). Die Erwähnungen in 1/2 Sam sind textlich unterschiedlich bezeugt: In lSam 1,20 ist der Titel in LXX nicht in MT belegt, in lSam 4,4 hingegen in MT nicht in LXX, in 2Sam 6,2 ist der Titel in MT und LXX, nicht aber in 4 QSam a belegt. Dazu kommt die eigentümliche Verwendung des Titels im Jeremiabuch, wo er im MT sehr häufig (82x), hingegen in LXX nur 12x genannt wird; vgl. in der Ergänzung auch Zebaoth lSam 17,45; vgl. ROFE, SEBÄ'OT, 311, und ZOBEL, MKDS, 876-892. Kaum stand eine alte Tradition des Heiligtums von Schilo 1 Sam 1,20; 4,4, die in Verbindung mit der Lade nach Jerusalem kam, am Ausgangspunkt, vgl. JANOWSKI, Keruben, 239f. Eher entstand die Bezeichnung zuerst in Jerusalem und wuchs dem, literarisch wohl später bezeugten, archäologisch bislang nicht belegten (vgl. GASS, Ortsnamen, 404) Tempel von Schilo zu, vgl. STOLZ, Kriege, 54; ZOBEL, 52 Vgl. FRAHM, Einleitung, 10f., zum dritten Feldzugbericht Sanheribs. Zur Deportationspraxis vgl. W. MAYER, Gedanken, 215-232, bes. 231. 53 Vgl. besonders HARDMEIER, Prophetie, 96.99. Sicher wirkten konzeptionelle Bezüge fort, die sich im Gebrauch der Mitseinsformel zeigen zwischen Hiskia, David, Saul und spätnachexilisch Gideon, Josua; vgl. die Mitseinsformel in der späten Erzählung lSam 17,37. 54 Vgl. HARDMEIER, Prophetie, 161-170. 55 Vgl. den Ausbau der Stadt Davids ringsherum 2Sam 5,9, vgl. Jer 52,4; 2Kön 25,1.

1. Davids Königtum über Juda und Israel

41

Bezüge zur Salomoüberlieferung zeigt Davids Palastbau nach 2Sam 5,11 durch die Erwähnung des Verhältnisses zu Hiram von Tyros. 56 lKön 5,15 in der Salomoüberlieferung verweist ausdrücklich auf ihn, ferner lKön 9,27; 10,11.22. Gehen die entsprechenden Notizen zu Salomo auf 2Sam 5,11 zurück? 57 Dafür sprechen die ausfuhrlicheren Erwähnungen von Tyros. 58 Weder der ausfuhrlich beschriebene Tempelbau noch lKön 5,15-32 (und 9,10-28 als innerer Rahmen um den Tempelbaubericht in der Salomoüberlieferung) waren alte Quellen des Dtr; 59 auch wenn man annimmt, der Vertrag sei von der Salomoüberlieferung her auf David übertragen 60 und in der Salomoüberlieferung sekundär ausgestaltet worden. 61

1.9 Das literarische

Wachstum von 2Sam 5

Eine Logik der Anordnung der Abschnitte in 2Sam 5 ergibt sich nur ausgehend von einem vorausgesetzten Überlieferungskontext. Folgendes literarisches Wachstum ist anzunehmen: 62 56

Baunotizen finden sich relativ selten in der sC, vgl. lKön 15,17.21 Baesa; 15,23 Asa; 16,24 Omri; 16,34 Hiel; 22,39 Ahab; 2Kön 14,22 Asarja; vgl. noch 2Kön 16,11.18 Ahas und dazu Kap. 5, 2.9. 57 Noth ordnete lKön 5,15-32 schon aufgrund seiner Thematik Dtr zu; die Notiz von Davids Bündnis mit Hiram und von Salomos Handelsflotte hatte literarische Priorität, vgl. NOTH, ÜgSt, 68. 2Sam 5,11 stand nach Noth ursprünglich mit 2Sam 8,9-11 als alten Notizen zusammen, wurde aber vom Dtr an seinen jetzigen Platz gesetzt; später wies man lKön 5,15-26.32 Dtr oder einer nach-dtr Redaktion zu, vgl. DONNER, Interdependence, 213; vgl. KRATZ, Komposition, 168. 58 Der Verweis auf David lKön 5,15 könnte 2Sam 5,11 literarisch vorangegangen sein.

lKön 5,15 2Sam 5,11 lKön 5,32 2Sam 5,11

naVur 1 « m a s m » ovn nVtf'i ITT"^ traxVn DTn nW'i rran nua'? t n a x m D'xyn i r a n nnV rpa-ua'i TP iax 'unm n? '»'im t r n x 'ssi

Vgl. DONNER, Interdependence, 212f.; SÄRKIÖ, Weisheit, 89. Außerdem findet sich D'HS 'X» auch in lKön 5,20.22.24. Särkiö ermittelt für lKön 5,15-26 eine Grundschicht (V 16.*19a.20.22-25 DtrH) mit einem Vertrag zwischen Hiram und Salomo, wobei Hiram Holz, Salomo jährlich Lebensmittel lieferte; DtrH lag demmach formal eine Art Briefwechsel vor. Allerdings fragt sich, wie das politische Verhältnis zwischen beiden Herrschern konkret aussah. „Es war aber Frieden zwischen Hiram und Salomo und sie schlössen einen Bund" (lKön 5,26a) wird (neben lKön 5,15.17-18.* 19a (das Wort W).\9b.2\.26b) DtrN zugeordnet, der die Periode Salomos als Zeit der Ruhe ausgestalten will, vgl. SÄRKIÖ, Weisheit, 77; vgl. die Zuweisung abgesehen vom Annalengut lKön 3,1-3; 6,1.7.37f.; 7,1; 9,24f.; 11,26.40-43; 12,2.20a.25-30a zu DtrS bei KRATZ, Komposition, 192. 59 Vgl. die Interpretation von FENSHAM, Treaty, 71-87, und NA'AMAN, History of Solomon, 65-67. 60 Vgl. SÄRKIÖ, Weisheit, 89. 61 Vgl. z. B. in lKön 9,26-28 (?); anders WÜRTHWEIN, ATD 11,1, 116. 62 V 3.17-21 gelten seit NöTH, ÜgSt, 63f. häufig als erste Stufe, während man die auffalligen Parallelen in l f . l l f . auf übergreifende (dtr) Redaktionen zurückführt. FISCHER,

42

Kapitel 2: Saul- und 5,*4f.6a. 7-10.17-21 3 11 13-16 lf.12 22-25

David-Überlieferungen

Notizen im Stil der Rahmenformulierungen von Kön (Quellenmaterial) Eroberung der Davidstadt, Philistersieg (David-Hiskia-Analogie) Älteste Israels; Salbung Bezug zur Salomoüberlieferung Frauen und Söhne Davids dtr erneuter Philisteransturm und endgültiger Sieg Davids

Als überlieferungsbildend erweisen sich demnach Analogien zu Herrschergestalten, besonders zu Hiskia, mit dem man die Situation der Belagerung und später der Eroberung Jerusalems verbindet. 2Sam 5,4f., die kurzen Berichte über Eroberung (V 6a. 7) und Ausbau Jerusalems (V 9) entsprechen stilistisch und formal etwa den Formulierungen der sC. 63 Die Eroberungsnotiz der Hauptstadt liefert eine für den Folgekontext ähnlich zentrale Information; auch V 7 - 9 wurden zusammen mit V 17-21 einer sC nicht vor der Hiskiazeit vorangestellt. Die Entsprechung zwischen David und Hiskia zeigt keine Hinweise auf dtr Verfasserschaft. Die Mitseinsformel 2Sam 5,10 reflektiert die Bewahrung des Zion, die ausgehend von der Erfahrung im späten 8. Jahrhundert, an das Zurückschlagen der Feinde in V 17-21 sachlich angeschlossen wurde. Das Bündnis mit Hiram von Tyros (V 11) beschrieb man analog zu Vorgängen unter Salomo. Die Analogien zur sC der Königebücher legen eine Entstehung ausgehend von der mittleren (bzw. späteren) Königszeit nahe, andere Überlieferungselemente, wie die Philister als Feinde, finden sich vorwiegend in der Erzählüberlieferung und sind in 2Kön 18,7 als Chiffre aus vorliegenden Überlieferungen über die vorstaatliche und frühstaatliche Zeit in 2Kön 18 eingefügt. Der Ausbau 64 der Stadt zur Bewahrung des Zion setzt ihre Belagerung, aber auch ihre Zerstörung im 6. Jahrhundert voraus. Ausgehend von der nachfolgenden Davidüberlieferung wurden 2Sam 5,13-16 mit weiteren Namen zugefügt. In ihrem Anfangsteil V 1 f. wuchs die Überlieferung. „Mein Volk Israel" (V 2) enthält die sicher erst nach der sC entstandene, jedoch wohl viel jüngere Vorstellung eines vereinten Königreiches (in Spannung zum Gebrauch Israels in V 3). Die in deutlich projudäischer Tendenz aus einigem Abstand auf die Geschichte der beiden unabhängigen Reiche zurückblickenden V 1 f sind möglicherweise dtr einzuordnen 65 und der erneute Philisteransturm wurde in spätnachexilischer Zeit Hebron, 212-268 rechnet mit einer Grundschicht und mehreren Redaktionen: V 3f.7b.9.10*.17-21* älteres Material; V 6-8.(18-20?) „Davidredaktion" 7. Jahrhundert; l f . l l f . dtr; 5.10b.13-16.22-25 und 6,1 spät-dtr. Zusätze. 63 Mit Ergänzungen bis in die späte nachexilische Zeit, vgl. die Formulierung in 6aß VIS 3BH1 '03'N mit Jos 24,18 (dtr) als engster Parallele; vgl. VERMEYLEN, Loi, 214. 64 Vgl. 3'30 ¡U3 5,9 und Jer 52,4; 2Kön 25,1. 65 Vgl. die unbestimmte Zuordnung bei DIETRICH, BE 3, 162.

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden 2Sam

2-4

43

ergänzt. Als Entstehungszeit ergibt sich eine Spanne vom 7. bis ins 3. Jhdt. Die Entsprechung zwischen David und Hiskia findet sich bereits in der ältesten Stufe, jedoch ist die sprachliche Ausformung der Entsprechung durch die Mitseinsformel erheblich jünger. Konzeptionell stellt der Abschnitt die Eroberung der Stadt Davids als Gründungsereignis der davidischen Königszeit voran. 66 Das Wachstum der vorausgehenden Davidüberlieferung in 2Sam 2 - 4 ist im folgenden zu überprüfen.

2. Israels Niederlage und das Ende der Sauliden 2Sam 2 - 4 2.1 Plot und Aufbau Versteht man 2Sam 2 - 4 als Teil der AG, 67 so befriedigt diese am entfalteten Plot gewonnene Zuordnung insofern, als 2Sam 2 - 5 in der jetzigen Leserichtung auf die folgende Hofgeschichte Davids zulaufen. Erst nach dem endgültigen Untergang des Reiches zur Zeit des Sauliden Ischbaal konnte man legitimierend Jerusalems Eroberung und Davids Königseinsetzung über ganz Israel erzählen. Innerhalb der Geschichtsdarstellung gelesen, entfalten 2Sam 2 - 4 , wie in dem von den Philistern bedrohten Israel im Ostjordanland aufgrund einer Hofintrige die Saulidendynastie abbricht, während „das Haus Davids" ohne Davids eigenes Zutun an Stärke gewinnt. Niedergang und Aufstieg sind vor dem Hintergrund der weiteren Geschichte des Königtums zu sehen, denn die Erzählfiguren als paradigmatische Vorzeitherrscher 68 nehmen die entgegengesetzten Verläufe ihrer jeweiligen Häuser vorweg (2Sam 3,1b), so dass historische und literarische Verweise auf die nachfolgenden Daviderzählungen 69 und in die weitere Königtumsgeschichte hinein zu erwarten sind. Besonders auffallig ist die thematische Dominanz von Krieg und Bündnis in dieser Vorgeschichte. Einem israelitisch-judäischen Krieg (2Sam2,12 - 3,6) folgt ein Bündnis zwischen den ungleichen Partnern (2Sam 3,12-21; 5,1-3), wobei jeweils

66 Damit sind die Aussagen ohne Parallelen in anderen Eroberungsberichten (die „Blinden und Lahmen" V 6b.8) in ihrer zeitlichen Ansetzung nicht näher bestimmt. 67 Vgl. ROST, Thronnachfolge, 8. Zur unterschiedlichen Abgrenzung vgl. DlETRICH/NAUMANN, Samuelbücher, 175-182; zur AG Davids vgl. ebda., 66-86. 68 Vgl. aber die Reflexion des Handelns Einzelner in 2Sam 2,18-24 unten 2.2.2. 69 Stilistisch (vgl. dazu in der TFG ROST, Thronnachfolge, 2.111-119) und aufgrund ihres Personenbestandes stehen 2Sam 2 - 4 zwar den folgenden Daviderzählungen nahe; vgl. besonders Joab, Abner und vgl. 2Sam 3,27; lKön 2,32. - Für eine literarische Einheit mit einer TFG in Rosts Abgrenzung legten sich aber, abgesehen von 2Sam 5,13-16, zunächst so gut wie keine literarischen Entstehungszusammenhänge nahe. Vielmehr könnte man aufgrund des kontinuierlichen Wachstums von 2Sam 5, das einer Überlieferung vorangestellt wurde, Ähnliches für 2Sam 2 - 4 vermuten.

44

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

Israel unterliegt. Nach 2Sam 2 - 4 scheinen Aufstieg oder Niedergang von der Gestaltung des zwischenstaatlichen Verhältnisses abzuhängen. Die Handlungsfolge in 2Sam 2-4 2 , 1 - 1 1 Bildung des judäischen Reiches in Hebron, Neuorganisation Israels in Mahanaim unter Ischbaal 1-3 David siedelt in Hebron (Gottesfrage) 4a Salbung Davids zum König über Juda 4b-7 Die Männer von Jabesch in Gilead bei David, der sich als König anbietet 8f. Ischbaals/Abners Königtum in Mahanaim 1 Of. Summar Regierungszeiten Ischbaal/David 2,12 - 3,6a Israelitisch-judäischer Krieg in Gibeon: Abner/Knechte Ischbaals vs. Joab/Knechte Davids 12-17 „Kampfspiel" 18-24 Abner - Asahel 2 5 - 3 , 1 Aufgabe Abners; Sieg der Männer Davids; Ende des Kampfs 3,2-5 Davids Söhne aus Hebron 3,6a Krieg 3,6b-39; 4 Aufstand in Israel, Tod Ischbaals als Folge der Schwäche des Sauliden 6-11 a) Vorspiel/Exposition: Abners Aufstand gegen Ischbaal 12-16 b) Abners Verhandlung mit David; Vorbedingung: Michal 17-19 c) Abners Eintreten für David bei den Ältesten Israels bzw. in Benjamin 20f d) Abners Rückkehr zu David nach Hebron 22-27 e) Joabs Rache für Asahel: Tötung Abners 28-39 f) Nachspiel: Davids Trauer/Abners Begräbnis (Zerujaden 38f.) 4,1 Ischbaals Handlungsunfähigkeit 4,2-7 Tötung Ischbaals 4,8-12 Präsentation vor David und Reaktion Davids

2Sam 2,4 - 4,12 lassen sich als narrativer Zusammenhang abgrenzen. 2Sam 2,1-11 setzen gestaffelt ein. Während 2Sam 2,8f. den Herrschaftswechsel der Sauliden zum Saulsohn Ischbaal erwähnen, so führen schon 2Sam 2,4b-5 die Kontrastrelation zwischen den Sauliden und David fort, was wiederum bereits für die Erwähnung der Ankunft der Männer aus Jabesch nach dem Begräbnis Sauls und nach der Salbung Davids über Juda gilt (2Sam 2,4a). Überblickt man die dann folgenden SD-Narrationen, vorläufig inklusive der summierenden Abschnitte, endet der in 2Sam 2,4 eröffnete Zusammenhang in 2Sam4,12 nach dem Mord am Sauliden Ischbaal, Davids Bestrafung der Mörder in 2Sam 4,11 f. und dem Begräbnis des Ermordeten. Die in Form einer „Hofgeschichte" dargestellten Geschehnisse in Israel nach Sauls Tod setzen entsprechende höfische Handlungen und Kontexte voraus, 7 0 die sie teilweise aus70 Vgl. die Einsetzung zum König (2Sam 2,8 "|"7Q hi), die Königsherrschaft (der Thron Davids 2Sam 3,10; der „König" bzw. das „Herrschen als König" 2 , 4 a . 7 . 9 - l 1.21.23; 3,31.33.36-39; 4,8). Zur expliziten Semantik vom Königtum kommen die Bezeichnung

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden 2Sam

2-4

45

fuhren. Davids Hof befindet sich in Hebron; nur drei Mal wird erwähnt, Ischbaals Hof sei in Mahanaim. 7 1 Handlungsträger sind der Militärbefehlshaber Sauls, Abner 2Sam 2,8a), und sein judäisches Pendant, Joab, dessen Funktion als Befehlshaber der judäischen Truppen nicht ausdrücklich benannt wird. Handlungsträger sind auch die Könige Ischbaal (in 2Sam 3,6-11.14f.; 4,1) und David (2Sam 2,4b-7; 3,[2-5.6a.] 12-14. 20f.28f.31.33-35.38f; 4,9-12). Die am Hof wichtigen Personen bestimmen das aus judäischer Perspektive Geschilderte. 2Sam 2 , 1 2 - 3 , 1 ordnet die Handlungsträger jeweils einer der beiden Kampfparteien zu, so dass sich Gegensatzpaare ergeben. Sauliden/A bner/Israel Abner, der Sohn Ners (2,12.17.24-26.29-31)

Knechte Ischbaals, des Sohnes Sauls (2,12.15) Männer Israels (2,17) Haus Sauls (3,1.6) Benjaminiten (2,15.25; 2,31)

David/'Joab/Juda Joab, der Zeruj asohn (2,13.14.18.24.26-28.30.32b) Asahel (2,18-24) Abischai (2,24) Knechte Davids (2,13.15.17.30f.) Davids Männer (2,31) Haus Davids (3,1.6) Volk (2,26f.) ganzes Volk (2,28.30)

„Das Volk/das ganze Volk", auch in Äußerungen israelitischer Figuren wie in 2Sam 2,26, bezeichnet stets Juda oder eine zugehörige Größe und entspricht darin der Verfasserperspektive. Abners und Joabs Truppen sind im Krieg, der mit einer Niederlage Israels endet (2,17). 12 Die Darstellung unterlegt der Handlungsabfolge in 2Sam 2 - 4 den Gegensatz zwischen dem Staat der Sauliden und dem davidischen Juda. Sie berichtet vom Handeln der Protagonisten Ischbaal und Joab bzw. David mit der Intention, den Zerfall des Saulidenreiches und das Aufblühen Judas zu erklären und dies in der Wertung der Protagonisten zu verdeutlichen. David errichtet seine Herrschaft, ohne gewaltsam nichtjudäisches Territorium zu unterwerfen, das Reich der Sauliden zerfallt aufgrund deren eigenen Handelns. David erwählt lediglich das judäische Hebron als Herrschaftssitz und entsendet Boten nach Jabesch in Gilead - ohne von den Männern in Gilead Antwort zu bekommen, ansonsten ist er nicht aktiv beteiligt, während Abner den Herrschaftssitz der Sauliden Mahanaim in Gilead errichtet und die Judäer angreift. Territorial bleibt Davids Herrschaft auf Juda beschränkt. Auch in der paradigmatischen Kampfszene zwischen Israel und Juda (2Sam 2,12 - 3,6a) beteiligt sich der judäische König David selbst nicht. Dem Ausgang der Parteien nach den Herrschern (2Sam 3,1.6 Haus Sauls/Davids; 3,10 Haus Sauls); 3,29, der Einsatz von Boten (2Sam 2,5.26; 3,12.14f.) und die Erwähnung von Knappen (2Sam 2,21; 4,12 "1173). 71 Hebron 2Sam 2,1.3; 3,2.5.20.22.27.32; 4,1; Mahanaim 2Sam 2,8.12.29; vgl. unten zur Topographie. 72 „Benjamin" wird stets zusammen mit anderen Größen erwähnt, was auf Ergänzung hinweisen kann: 2,15: die Benjaminiten/die Männer Ischbaals; 2,25: die Söhne Benjamins/Abner; 2,31: die Benjaminiter/die Männer Abners. Durch Hinzufugung der Benjaminiter ergeben sich jedoch keine neuen Aspekte fiir den Handlungsablauf.

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Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

der Kampfaktivität von den Israeliten (2Sam 2,14) steht die zunächst passive Rolle der Judäer gegenüber (2Sam 2,31). Darüber hinaus treten nur die Sauliden und Abner, bzw. später auch der judäische Feldhauptmann Joab als Handlungsträger auf, während David an den Kampfhandlungen nicht beteiligt ist. Alle Aktivitäten Ischbaals tragen zu Israels Niedergang bei. Abners Abwendung 2Sam 3,7-11 ist in Forderungen Ischbaals begründet. Erzählerkommentare verdeutlichen die ausdrücklich benannte Schwäche eines Königs gegenüber seinem Untergebenen als Grund für den Untergang eines Reiches (3,6-11; vgl. V 6: pTWlft; V 11 KT) und den Königsmord 4,1-12. Am Verhältnis Ischbaals zu Abner, der sich David zuwendet wird die Schwäche des Sauliden dargestellt (3,8-10). David nimmt Abners Angebot an, will aber Michal zurück (3,13-16). Abner einigt die Ältesten Israels (3,17-19) und zieht nach Hebron zu David (3,20f.).

Szenen wie 2Sam 2,18-24.32; 4,1-12 beschreiben primär nicht den israelitisch-judäischen Konflikt, sondern Einzelheiten bei der Tötung eines Menschen: Umstände, Motivation, Legitimation, Trauer um und Rache für gewaltsam Getötete, Wissen oder Nichtwissen um eine Tötung (2Sam 3,26). Der gewaltsame Tod und die folgenden Reaktionen sind in der Konstellation des israelitisch-judäischen Verhältnisses geschildert. Davids Trauer um Abner zeigt, dass er mit dem Untergang des israelitischen Reiches nichts zu tun hat (2Sam 3,37). 73 Dieselbe Ablehnung vorsätzlicher Tötung, gepaart mit proisraelitischem Handeln, steht hinter Davids Rache an den Königsmördern (2Sam 4,9-12). Die Erzählungen reflektieren das gewaltsame Todesgeschick im Rahmen einer Darstellung des israelitisch-judäischen Verhältnisses. 2.2 Einzelanalyse

und

Redaktionsgeschichte

2.2.1 Ein israelitisch-judäischer

Krieg 2Sam 2,12-17;

3,1.6

2Sam 2 - 4 ist durchgängig vom Kontrast zwischen den beiden Protagonisten in den Einzelabschnitten geprägt. Formal fallt in der Kriegsschilderung in 2Sam 2,12-17 und 3,1-6 der durch die Handlungsträger markierte Neueinsatz in 2Sam 2,12-17 auf: Abner, der Sohn Ners, und die Knechte Ischbaals einerseits, Joab, sowie die Knechte Davids andererseits. Mit XÜf beginnt in 2,12 74 ein Feldzugsbericht. 75 Abners und Ischbaals Knechte ziehen von Mahanaim nach Gibeon und begegnen Joab und Davids Knechten am Teich (V 13). Abners Vorschlag, die Knechte zum Kampf(-spiel) aufstehen zu lassen, nimmt Joab an, so dass je 12 Knechte

73 Auf dieser Ebene ist zu verstehen, dass David sich als Herrscher über ein israelitisches Teilgebiet angeboten (2Sam 2,4b-7) bzw. das Bündnisangebot aus dem benachbarten Reich angenommen hatte (2Sam 3,13). 74 Vgl. zu dieser Form in 2,12-16 BlETENHARD, General, 105-113, und RICHTER, Untersuchungen, 262-265. 75 Vgl. GUNN, Narrative Patterns, 287.

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden 2Sam 2 — 4

47

einander in voller Bewaffnung gegenüberstehen und kämpfen. Eine Ortsätiologie, die das Geschehen als Erklärung des Feldnamens bezeichnet, folgt (V 16b). Das „Kampfspiel" weitet sich zum „heftigen K a m p f (rUtf p HOnVö) zwischen den beiden Parteien aus, in dem die „Männer Israels" von den „Knechten Davids" geschlagen werden ('JD1? 113 ni 2,17a). Die Formel in 2Sam 2,17; 3,1.6 76 unterbricht als Zustandsschilderung stilistisch die Darstellung, um an paradigmatische Situationen unter Rehabeam und Jerobeam, Abia und Jerobeam, sowie Asa und Baesa lKön 15,77 bzw. an Auseinandersetzungen mit den Philistern zu erinnern. 2Sam 2,17; 3,1.6 ordnen die Auseinandersetzung damit in die Geschichte der Kriege zwischen beiden Staaten in der Königszeit ein, wobei 2Sam 3,1.6 sich von lKön 14,30; 15,6f.l6.32 insofern unterscheiden, als diese zuerst den Repräsentanten Judas und erst dann den Israels nennen. 2Sam 3,1.6 kehrt die Reihenfolge entsprechend der projudäischen Tendenz um und betont, anders als unter den Bedingungen der späteren Zweistaatlichkeit, den Sieg der Judäer mit einer Redewendung in 2Sam2,17 , 3D,7 ni, die in 2Kön 14,1278 einen israelitischen Sieg beschreibt; Amazja wird geschlagen, gefangen genommen, ein Teil der Mauer Jerusalems wird geschleift, der Tempelschatz geplündert (2Kön 14,8-14). 2Sam2,17 reflektieren mit der Aufnahme der Redewendung aus 2Kön 1479 diese judäische Niederlage unter umgekehrten Kräfteverhältnissen zur Zeit Ischbaals und Davids. Der judäische Sieg zu Zeiten des Dynastiegründers spiegelt wie die Legitimation Davids eine Idealvorstellung im Kontrast zur israelitischen Geschichte, die narrativ mit den Feldhauptmännern als Handlungsträgern entfaltet wird. Die Unfähigkeit der Israeliten zur Saulidenzeit wird mittelbar insofern deutlich, als das von israelitischer Seite angestrebte „Kampfspiel" zu einem „schweren Krieg" (2Sam2,17) eskaliert und schließlich zu einer israelitischen Niederlage führt. 76 r r n nanVa/nanVD rPH; vgl. FISCHER, Hebron, 126: „eine nicht sonderlich geschickte Naht". 77 Vgl. rpn n n r t o / n a n V ö rrn außer 2Sam 2,17; 3,1.6: lSam 14,52 (gegen die Philister); 19,8 der Krieg gegen die Philister zog sich hin; 2Sam 18,6 im Wald von Ephraim; 2Sam 21,15 (//IChr 20,5); 21,18f. (III Chr 20,6); 21,20 David-Philister; lKön 14,30 Rehabeam-Jerobeam; 15,6 Rehabeam-Jerobeam; lKön 15,7(//2Chr 13,2) Abia-Jerobeam; lKön 15,16.32 Asa-Baesa; l K ö n 2 2 , l : kein Krieg zwischen Aram und Israel; 2Chr 14,5 Asa. Vgl. noch die Formulierung „es war Frieden zwischen ... und ..." lSam 7,14 Israel und die Amoriter; 2Sam 17,3 (i. S. von Unversehrtheit) für das ganze Volk; l K ö n 2 , 3 3 David, seiner Dynastie und seinem Thron (als Wunsch); l K ö n 5 , 2 6 zwischen Hiram v. Tyros und Salomo. 78 VmiP' ^S1? m i n ' l i r i . Die Formulierung 'JS'? 1J3 ni findet sich nicht häufig im DtrG; 2Kön 14,12 ist der älteste Beleg, vgl. noch Ri 20,39 (2x); l S a m 4 , 2 f , 1 0 ; 7,10; 25,38; 26,10; 2Sam 2,17; 12,15; 18,7; lKön 8,33. 79 Vorausgesetzt wird vermutlich auch 2Sam 18,7 als Bestandteil des alten Kerns des Absalomaufstandes, vgl. AURELIUS, Unschuld, 402.

48

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

Bilden die von diesen Formulierungen 2,17; 3,1.6 eingerahmten Abschnitte 2,12-16.18-32 und 3,2-5 nicht apriorisch ältere Quellenstücke, ist zu erwägen, ob sie im Zusammenhang mit den redaktionell der Geschichte der Könige von Israel und Juda eingefügten Formulierungen entstanden. Die Formel, die in lKön 14,30; 15,7.16 Bestandteil der sC der Königebücher ist,80 wurde dieser Quelle eingefügt (lKön 15,6.32). 2Sam2,17; 3,1.6 kommentieren analog zu Geschehnissen der sC und reflektieren damit den israelitisch-judäischen Krieg innerhalb einer Vorgeschichte der beiden Staaten unter Umkehrung des Kräfteverhältnisses zwischen Juda und Israel. 2.2.2 Homizid und Blutschuld. Abner, Asahel, Joab 2Sam

2,18-24.32

2Sam 2,18-24.32 bieten eine Nahaufnahme des in 2,12-17 aus Großperspektive erzählten Zweikampfs zwischen Abner und Asahel, der mit der versehentlichen Tötung des Asahel endet, wie die Szene ausführlich schildert. 2,18

Einführung der drei Zerujasöhne. Charakteristik Asahels: leichtfußig wie eine Gazelle

19

1. Verhaltensschilderung Asahels: rechts oder links abzuweichen

Verfolgung Abners von hinten, ohne nach ' i n s ^KHifJ? TTT1

nnx nnxa Vwaiprr'Mn i'O'n - ^? naV? norxVi 20f.

Abner erkennt Asahel Warnung 1: „Wende dich nach rechts oder links...!" iVixDfcrVj; i s i ' ö ' - V » i 1 ? ntM 2. Verhaltensschilderung

Asahels:

mnxö mo1? "?xnü;y nax-xVi

Weigerung, von Abner abzulassen

22

Warnung 2: Verweis auf Asahels Bruder Joab als potentiellem Bluträcher: „Warum sollte ich dich zu Boden schlagen? Wie könnte ich dann noch deinem Bruder Joab ins Angesicht sehen?"

23

3. Verhaltensschilderung Asahels: Weigerung, von Abner zu weichen moV i s ö ' I Tod Asahels durch den Schaft von Abners Speer in Asahels Leib

mnxo m n n xxm w'anrrVx m n n 'inxa max man Der Abschnitt ist steigernd aufgebaut. Drei Verhaltensschilderungen heben Asahels Willen hervor, Abner zum Kampf herauszufordern, obwohl er schwächer ist. Abner ruft Asahel in drei Sätzen dazu auf, abzulassen 80 JEPSEN, nimmt aber l K ö n 14,30; dass man die

Quellen, 36, sieht in ihr eine der charakteristischen Wendungen der sC, l K ö n 15,6.32 (nicht LXX) aus; vgl. WÜRTHWEIN, A T D 11,2, 507f. zählt 15,7.16 zur dtr Grundschrifit ohne 15,6.32. Die Doppelungen legen nahe, Formel als Kommentar einfügte.

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden 2Sam

2-4

49

(V 21). Asahel schlägt diese Ratschläge aus und wird schließlich ohne jede Absicht Abners vom Schaft des Speeres erschlagen. Die ausführliche Schilderung des Herausdringens des Schaftes am Rücken hebt das Versehen der Tat Abners hervor. Gleichwohl ruft sie Asahels Brüder auf den Plan, die Abner verfolgen (V 24 ITl), um Blutrache zu üben. Die aufwändig geschilderte Absichtslosigkeit Abners spielt auf die Unterscheidung zwischen willentlicher oder absichtsloser Tötung eines Menschen an, wie in der Weiterführung des apodiktischen Rechtssatzes Ex 21,12 in Ex 21,13f. 81 Diese vorausgesetzte Unterscheidung zwischen vorsätzlichem und versehentlichem Totschlag wirkt sich auf Figurenverständnis, -interpretation und die Rekonstruktion diachroner Figurengestaltung aus. Denn Joabs Reaktion in 2Sam 3,27bß entspricht intentional den Schilderungen seiner auf eine davidfreundliche Bearbeitung zurückgehenden Morde in 2Sam. 82 Die Abwertung der Joabfigur zugunsten Davids wuchs literarisch an. Für eine spätere Wachstumsstufe in 2Sam 2,18-24 spricht, dass auch diese Szene von den späteren Morden Joabs her betrachtet, Joab abwertet, wobei mit Abner eine weitere Figur in die Problematik um vorsätzliche Tötung einbezogen wird. Diesen tötet Joab zum einen, weil er von ihm Böses ahnt (2Sam 3,25); zum anderen jedoch, weil er sich für die Tötung des Asahel rächt, wie 3,27bß präzisiert. Kannte 3,27bß die Einschränkung der Blutschuld nach Ex 21,13f. im Fall einer absichtslosen Tötung, hätte Abner nicht dafür sterben müssen. Die betonte Unschuld Abners bei der Tötung Asahels ohne Vorsatz nach 2,18-24.32a legt eine Ergänzung nahe. Denn die Schilderung der Tat Joabs betont indirekt Abners Absichtslosigkeit und seine Freiheit von Blutschuld. 2Sam 2,18-24.32a schildern Abner als tragische Figur, wie David 2Sam 3,33f. formuliert: Er stirbt schuldlos und zu Unrecht wie ein von Meuchlern (nVlS7-,>33) hingerichteter Tor (V33). Die Verschiebung von Joab zu Abner in 2Sam 2,18-24.32a rückt dessen Geschick als unschuldigen, tragisch Getöteten in den Vordergrund. Ebenso spricht die Erweiterung der Sippe Joabs durch die beiden Brüder, Abischai und Asahel, für die Voranstellung dieser Episode vor eine bereits existierende Joabüberlieferung. Abischai nennen im Folgenden nur 2Sam 16,9; 19,22; dies erklärt sich durch spätere Voranstellung von 2,18-24. Tötung und dadurch bedingte 81

E x 2 1 , 1 3 f . wird meist als Zusatz zum Bundesbuch verstanden, der zwischen versehentlicher und geplanter Tötung gegenüber dem überschriftartig vorangestellten na 1 m a - S a t z Ex 21,12 unterscheidet, vgl. dazu unten Kap. 3, 2.2. 82 Vgl. WORTHWEIN, Erzählung, 64-68: In 2Sam 16,5-14 ist der Redegang zwischen Abischai und David in 9 - 1 2 Zusatz; ferner 2Sam 14,2-22; 2Sam 18,2b-4a; vgl. die Redaktion der TFG „S 2" bzw. „S 3" bei LANGLAMET, Pour ou contre, 321-379, und 481-526; DERS. Ahitofel et Houshai, 57-90; DERS., Maison und vgl. BLETENHARD, General, 2 2 7 - 2 2 8 zu Langlamet und 2 5 3 - 2 7 3 zur prosalomonischen Redaktion S 3 in 2,18-24; 3,12-12.17.19.21.22b.24bß.26aba.27ay.31-38.

50

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

Blutschuld finden sich durchgängig in der Davidüberlieferung. 83 David wird auf der dunklen Folie des mordlustigen Joab als über alles Recht der Tora hinaus vorbildlich gesinnter König dargestellt. Abners Tod nach 2Sam 3,22-27ba und der Tod Amasas 20,4f.8-13 (ergänzt durch die Tötung Absaloms 2Sam 18,10-14) begründen zu seinen Gunsten die auf Joab lastende „Blutschuld" (lKön 1,5; 2,28-34) und seine Verurteilung. 2Sam 2,18-24.32a heben hingegen durch die ausführliche und differenzierte Schilderung Abners Unschuld stärker als Joabs Schuld hervor. Weitete man die projudäisch/prodavidische Perspektive sukzessive auf die Joabfigur aus, so variiert die vorangestellte Abner-Asahel-Episode, indem sie Abners tragische Unschuld hervorhebt, der aus Rache für den Totschlag des Bruders stirbt. 2.2.3 Homizid und Blutschuld. Israel und Juda 2Sam 2,25-31 Abgesehen vom Joab-Abner-Asahel-Komplex thematisieren 2Sam 2,25-31 das Kriegsgeschehen unabhängig von einer möglichen Blutschuld Abners gegenüber dem Zerujaden Joab. Diese Abschnitte sehen von Asahels Tötung ab und führen den Bericht über die Auseinandersetzung der Israeliten (bzw. der Benjaminiten 2Sam 2,25) mit den Judäern fort. Auch sie behandeln rechtmäßige oder unrechtmäßige Tötung. Die Benjaminiten sammeln sich hinter Abner (2Sam 2,25), der den Heerführer Joab aus Juda auf die bitteren Folgen des Kampfes hinweist. Abners Kapitulation 2Sam 2,26 mit der Bitte, das Volk möge aufhören, „hinter seinen Brüdern her" zu jagen ( v n x " n n x ö W X a v n ) , greift Joab im folgenden (2Sam 2,27) auf, bevor er den Krieg zwischen den beiden als „Brüder" verstandenen Staaten beendet. Diese Interpretation des Geschehens in 2Sam2,12 - 3,1 als Bruderkrieg überträgt die Vorstellungen einer Blutschuld durch vorsätzliche Tötung eines Volksgenossen auf das Geschehen im israelitisch-judäischen Krieg. Die Abner-Asahel-Joab-Erzählung und der Bruderkrieg zwischen Juda und Israel verweisen durch parallele Gestaltung der beiden Verfolgungsszenen aufeinander: Asahel verfolgt Abner und wird „hinter ihm" getötet; das Volk, Juda, soll aufhören, hinter Abner herzuziehen. 84 Der von Israel aus-

83 2Sara 16,7.9 Schimi nennt David D'QT 2Sam 16,9 der Zerujade Abischai will Schimi töten HTH n a n aVsn V?p' HöV; 2Sam 18,10-14 Mord Joabs an Absalom 0lVtP'3X 3*73 (D'üatf) Spn; 2Sam 18,15 Knechte Joabs töten Absalom mQ hi; 2Sam 19,22 Abischai: Tötung Schimis W n o r K1? nXT nnnn; 2Sam 20,9 Tod Amasas durch Joab n i ö qal; 2Sam 20,22 Tod des Ephraimiters Scheba durch Joab erzwungen; lKön 1,52 bedingte Verschonung Adonias n m 13"SSön nsVQKI; l K ö n 2 , 2 4 f . Tod Adonias durch Benaja m ö ; lKön 2,29 Benaja tötet Joab am Altar 3 VJD/Din 'ÖT 84-, - r w o 2,26-28; //hinter Abner her: 2,24.30; Asahel hinter Abner: 2,19(2x).21f. Vgl. neben den sprachlichen Bezügen die sachliche Parallele zwischen „Blutschuld" und Bruderkrieg. Die redaktionell ergänzten Blutschuldszenen stehen im Sachzusammenhang mit

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden 2Sam

2-4

51

gelöste, als Bruderkrieg verstandene israelitisch-judäische Konflikt verursacht als absichtliche Tötung eine Blutschuld, die auf Israel lastet und in letzter Konsequenz zu dessen Untergang führen muss. Begrifflich und konzeptionell kennen prophetische Kreise Judas in der eingefügten nachexilischen Prophetenerzählung lKön 12,21-24 85 die Vorstellung einer israelitisch-judäischen Bruderschaft. Aus dieser Sicht einer in idealer Vorzeit vereinigten Monarchie aus judäischer Perspektive 86 muss ein Bruderkrieg (vgl. 2,26f.) zwischen Juda und Israel verwerflich erscheinen. Dieses Geschichtsbild steht hinter der narrativen Ausgestaltung von 2Sam 2.87 Literarisch bildet in 2Sam 2 - 4 der Bericht eines israelitisch-judäischen Konfliktes 2,12-17 einen Ausgangspunkt. 2,25-30(ohne Asahel).31.32b, mit der Vorstellung Israels und Judas als Brüder, wurde ergänzt. Von diesen Abschnitten lassen sich Erörterungen um die vorsätzliche und unbeabsichtigte Tötung des Asahel durch Abner in 2,18-24.30b(Asahel).32a. abheben. 2.2.4 Homizid und Blutschuld. Abner und Joab 2Sam 3,6b-39 Innerhalb von 2Sam 2 - 4 eröffnen 2Sam 3,6b als einen weiteren Zusammenhang neben dem israelitisch-judäischen Krieg Abners Aufstand im Saulidenreich (Streit um Rizpah 3,6b—11; offener Aufstand; Kollaboration mit David 3,12-21). Motivlich bleibt die Erzählung darin bei Bund und Krieg als Möglichkeiten des zwischenstaatlichen Verhältnisses. Als weitere Motivik wird die Tötung Abners durch Joab hinzugefügt (3,22-39), auf den Kampfszenen zwischen Israel und Juda, da beide Male eine Verfolgung des Nordreiches durch „das Volk", die Judäer, beschrieben wird. Asahel wird dabei getötet; wobei möglicherweise die ausgeschlagene Warnung des Amazja von Juda 2Kön 14,8-11 als geschichtlicher Vorgang im Hintergrund steht. Hätte Abner nicht Einhalt geboten, ginge ganz Israel zugrunde. Das Verbot des Krieges bezieht sich auf einen Konflikt innerhalb eines Volkes, dessen Angehörige als „Brüder" verstanden werden; auf dieses Gemeinwesen bezieht sich auch das Gebot der Blutrache bzw. das Verbot des Mordes. 85 Auch aufgrund der Parallelen liegt nachexilische Zeit nahe: Neben dem „ganzen Haus Juda" nennt der Einschub noch den „(Stamm) Benjamin" als zur Herrschaft Rehabeams gehörig (12,21.23). Dies weist ihn als späteren Zusatz aus, denn er entspricht dem Selbstverständnis der nachexilischen Gemeinde als aus Judäern und Benjaminiten bestehend, vgl. Es 1,5; 4,1; 10,9; Neh 11,4.25.31; 11,36. Zum sekundären Charakter von 12,21-24 gegenüber dem „Reichsteilungsbericht", vgl. NOTH, Könige, 279f; JEPSEN, Quellen, 5f.; WORTHWEIN, ATD 11,1, 160f. 86 Einer vergleichbaren Perspektive gehört Samuel als prophetische Gestalt der Frühzeit zu, vgl. unten Kap. 4, 2.5 zur prophetischen Redaktion. 87 Gemeinsame Erzählzüge erweisen beide Abschnitte als deutlich als aufeinander bezogen, vgl. KUNZ, „Schwert", hier 58f. Strukturell lassen sich die beiden Geschichtsnarrationen auf das Gegeneinander von Juda und Israel in der Überlieferung der späten Königszeit zurückführen, das auch lKön 12,(20.)21-24 verarbeitet.

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Kapitel

2: Saul- und

David-Überlieferungen

die bereits die Asahel-Abner-Szene 2,18-24.32a hinweist. Diese steht zwar im Rahmen der Verhältnisbestimmung zwischen Israel und Juda, wie auch Ischbaals Ermordung 4,1-12. Doch thematisieren sowohl 2,18-24.32a, als auch 4,1-12 die Tötung und deren Beurteilung. 4,8b interpretiert Ischbaals Tod als Rache; David weist diese Deutung zurück und tilgt die entstandene Blutschuld (4,1 lb). 3,6b - 4,12 werten, indem sie einen Aufstand von Höflingen gegen den israelitischen König 88 berichten (2Sam 3,6b). Der Stärke Abners korreliert Ischbaals Schwäche (2Sam4,la). Diese programmatischen Feststellungen 2Sam 3,6b - 4,12 werten durch die Darstellung der Konstellation eines unfähigen, schwachen Königs und eines starken Feldhauptmanns in Israel. Die Interaktionen zwischen Untergebenem und König vollziehen sich in dem zugunsten Abners verschobenen Machtgefalle; dieser bemächtigt sich Rizpahs (3,7), was der schwache König 89 ebenso erdulden muss (3,II), 9 0 wie den Aufstand gegen sich im eigenen Königshaus (2Sam 3,12). Seiner Illoyalität gegenüber Ischbaal korreliert die Loyalität gegenüber David (3,13). 2Sam 3,6b-27aba.31-38 schließen literarisch an 2,25-31.32b an. Mit diesen Erzählzügen verdichten die Figuren die Reflexion von Bundesverhältnissen. Die Erzählung benennt diese nicht explizit, sondern bezeichnet sie präzise mit Hilfe der Figurenkonstellationen als ihrem genuinen Darstellungsmittel. In Abners Bitte 3,12 wird dessen hierarchische Unterordnung deutlich und in seinem Handeln zugleich seine Überlegenheit gegenüber Ischbaal. Die Bundesverhältnisse bilden das motivliche Zentrum der Erzählung. 91 Nur 3,12.21 formulieren das Bittgesuch des Feldhauptmanns Israels an den König von Juda abstrakt als Bündnis, dem er sich unterwirft und der deshalb Forderungen an ihn richten kann, wie Abners Frage 3,12a („Wem gehört das Land?") andeutet. 3,12-13a 13b—16 17 18

„Bund" r p - D n~D (2x) B u n d e s s c h l u s s g e s u c h A b n e r s A b n e r führt D a v i d Michal zu. A b n e r gewinnt die Ältesten Israels für David. Zitat J H W H - S p r u c h

88 Vgl. zur T h e m a t i k des A u f s t a n d e s bzw. des Machterhaltes des K ö n i g s in den Daviderzählungen in 2 S a m CONRAD, T h r o n f o l g e Davids, 166. 89 Aus Angst, A b n e r zu verlieren, XI 1 ; vgl. entsprechend Sauls Angst vor David l S a m 18,12.29. 90 Zu e r w ä g e n ist, ob 2 S a m 3,9f. späterer Zusatz ist, so bes. a u f g r u n d der Parallele des S c h w u r e s mit d e m N a m e n des S c h w ö r e n d e n (statt b + P r o n o m i n a l s u f f i x ) in l K ö n 1,30 und a u f g r u n d des übertragenen G e b r a u c h e s von KD3 als „ K ö n i g t u m " wie in l K ö n L,37(2x).47(2x); 2,33.45, VEIJOLA, Dynastie, 59f.; vgl. f ü r 3,10 auch SCHULTE, G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g , 166. 91 Vgl. zum Bundesverhältnis als Sachzentrum der E r z ä h l u n g auch MCCARTHY, Treaty, 19 A n m . 33; 289; DERS., Berit, 6 5 - 8 5 , 7 3 - 7 6 . 7 9 zu 2 S a m 3,21; 5 , 1 - 3 ; vgl. KALLUVEETTIL, Declaration, 13; mit Verweis auf DlVlP' 2 S a m 3 , 2 1 - 2 3 .

2. Israels Niederlage 19 20f.

und das Ende der Sauliden

2Sam

2-4

53

Abner gewinnt die Ältesten Benjamins für David. 9 2 Abners Zug mit 20 Männern nach Hebron zu David. Sammlung (?Hp) der Männer Israels um David als König wird in Aussicht gestellt. „Bund" ganz Israels mit David

Handlungsvollzüge zwischen den Einzelfiguren zeigen, dass diese zwischenstaatliche Konstellationen abbilden. Wie die programmatische Formel zum Krieg zwischen Israel und Juda in 2Sam 3,1.6 bzw. 2,17 und die Wendung 'JD1? 1J3 ni 2Sam 2,17a bezeichnet die Botensendung 2Sam 3,12 ein Geschehen zwischen Staaten 9 3 und entspricht insofern dem Charakter von 2Sam 2 - 4 als Vorgeschichte zur Königsgeschichte. 9 4 Homizid in 3,22-27a Mittelbar fuhrt dieser Abschnitt thematisch Vasallität und Bundestreue fort. Er setzt einen in der Feindschaft der beiden Staaten begründeten Argwohn zwischen den Feldhauptmännern Israels und Judas voraus. Neben Joabs grundsätzliches Misstrauen (2Sam 3,25) tritt die Rache als Motivation für den Totschlag. V 27bß ergänzt, dass Abner für das Blut Asahels, Joabs Bruder, starb und fuhrt die Blutschuld im Rahmen der Fehde zwischen Abner und Joab in der Narration vom Tod Abners an. 9 5 Dass diese Perspektive nachgetragen ist, lässt sich daraus folgern, dass Joabs Begründungen dafür, dass Abner getötet werden muss, in V 24f. ganz anderer Art sind als die Frage der Blutschuld bzw. -räche in V 27bß und V 30. Der Erzähler hebt hervor, dass David von diesen Aktivitäten Joabs nichts weiß (2Sam 3,26b) und erst später von Abners Tod unterrichtet wird, der nach V 2 l b . 2 2 b . 2 3 b „in Frieden" geht, nachdem David ihn entlässt bzw. sendet (DlVtSa l^H ... nVlT). Joab schlägt Abner (HD!) im Tor in den Leib, so dass er stirbt. Die Schilderung in 2 7 b a zeigt wörtliche Parallelen zur Tötung Asahels (2Sam 2,23) und spielt auf diese an. 9 6 Der in der Erzählung geführte Diskurs um Blutschuld und Blutrache setzt bereits das Verständnis Judas und Israels als Brüder voraus, wie in 2Sam 2,27. 9 7

92

VEIJOLA, Dynastie, 60-63, versteht 3,17-19 als dtr Nachholung und theologische Legitimationsaussagen. 3,18 sei als Variante zur Retterformel in l S a m 9,16 gebildet, was als alte Überlieferung vorausgesetzt wird. Die Begründung für die Zuweisung zu Dtr aufgrund des Titels m i r ' 1327 in 3,18 befriedigt nicht. 93 Vgl. CPDXbD nbu; in Auseinandersetzungen zwischen Israel und Juda, sowie anderen Staaten, l K ö n 20,2; 2 K ö n 14,8; 16,7; 17,4; 19,9; vgl. auch l K ö n 19,2. 94 Diese berührt sich sprachlich nicht mit älteren Quelldokumenten der Königebücher, sondern findet sich in jüngeren Schichten, wie 2 S a m 3 , 1 7 D f ' i ' B ' D l ViarrDS zeigt; vgl. Ex 4,10; IChr 11,2 (//2Sam 5,2); zu DIPV1Z7 ViariX vgl. l S a m 4 , 7 ; 10,11; 14,21; 19,7; 2Sam 5,2 zu DTO'Vtf Vion vgl. Gen 31,2.5; Ex 5,7f.l4; 21,29.36; Dtn 4,42; 19,6; Jos 3,4; 4,18; 20,5; l S a m 2 1 , 6 ; 2Kön 13,5; Ruth 2,11. 95 Vgl. MERZ, Blutrache, 77, der Joabs Rache als „Privatangelegenheit" bezeichnet. Da sich Joab für Asahel rächt, der im Krieg gefallen ist, und da Abner als Israelit einem fremden Volk angehört, wurde eingewandt, hier handele es sich nicht um legitime Blutrache, denn diese sei bei einer Tötung im Kriegsfall ausgeschlossen, vgl. KOCH, Blut, 142, der aufgrund dieser Schwierigkeit 2Sam 2,22; 3,22ff. einer älteren Zeit zuordnet, in der der Ausschluss von Blutrache im Kriegsfall noch umstritten gewesen sei. 96 Vgl. die Wortfolge m a / i r a n / r o : . 97 BlETENHARD, General, 269, sieht in der Rachethematik 2,27bß die Rechtfertigung der Bestrafung Joabs im Rahmen der prosalomonischen Redaktion (S 3). Jedoch thematisiert die Erzählung die Schwierigkeiten im Umgang mit der Blutrache anhand der Figur Abners mit der Intention, die Plausibilität von Rache als Instrument einer innerhalb des

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Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

2Sam 3,27bß.30 sind daher literarisch gewachsen, schließen motivlich und sachlich an den David-Joab-Kontrast an. Davids Umgang mit Homizid Davids Reaktion auf Joabs Mord 2Sam 3,28-39 spiegelt den Gegensatz zwischen beiden Figuren. David distanziert sich nach 3,28f. von Joabs Mord an Abner, und die detailliert geschilderte Klage Davids über Abner (3,31-39) mit einem eigenen Lied (3,33b.34) und Fasten bis zum Ende des Tages verstärken diesen Gegensatz. Das Volk bekennt sich zum König (2Sam 3,36) und bestätigt dessen Schuldlosigkeit an Abners Tod (V 37). David rühmt Abner als „großen Fürsten" Israels. Mit seinem Eingeständnis der Machtlosigkeit gegenüber den Zerujasöhnen 2Sam 3,39 verwirft er die Bluttaten Joabs, die seiner Bestrafung nach lKön 2,5f.31bf. entspricht. Joabs planvoll ausgeübte Rache wurde als verschärfter Tatbestand neben der Tötung in 2Sam 3,27bß.30 ergänzt; 98 ebenso in V 39, der in den Zusammenhang des planvoll verübten Mordes und damit der Blutschuldfrage gehört, zumal David in V 39 die Tat der Zerujaden ausdrücklich als das „Böse" (nsnn) wertet. Als nachgetragen erweisen sich damit 2Sam 3,27bß.28f.30.39. Das Interesse der Nachinterpretation nimmt die vorgegebene projudäisch-prodavidische Tendenz von 3,31-38 auf: David trauert um den zu Unrecht gestorbenen israelitischen Feldherrn Abn e r . " Als Geschichtserzählung heben sich 2Sam 3,7-39 formal von den Notizen in 3,6 ab, gleichwohl reflektieren auch sie das israelitisch-judäische Verhältnis. Sie verweisen noch nicht wie 2,25-31 auf ein Geschwisterverhältnis zwischen Israel und Juda, fordern aber zur Trauer um einen Volksgenossen auf. 1 0 0 Dem Krieg zwischen den Völkern entspricht in der Figurenkonstellation die Darstellung des Dynastiegründers Davids als Gegenfigur des Sauliden bzw. des Mörders Joab. Das Figurenbild wandelt sich, indem Israel und Juda in ein intergentales Verhältnis als Brüder gestellt werden. Die Erzählungen erörtern unter dieser Voraussetzung die Beurteilung einer absichtsvollen Tötung als Rache eines Judäers an einem Israeliten und weisen Joab die Schuld zu.

2.2.5 Homizid, Blutschuld und Rebellion. David, Ischbaal und seine Mörder 2Sam 4,1-12 Vom Mord an Ischbaal durch Bandenführer aus seinem Reich (4,2), die ihre Trophäe David präsentieren, erzählen 4,l-5.7-8a. 1 0 1 Die Tat ist narrativer Reflex israelitischer Königsmorde. 102 Vom israelitisch-judäischen Verhältnis wird ferner durch Davids Rache erzählt (TO DT TIN U7p3 2Sam 4,11). Davids positiver Wertung entspringt auch der Hinweis auf die Familienverbandes begangenen Tat auf der Ebene zwischen Israel und Juda zu reflektieren. Den Rückschluss aus der Erzählung auf eine historische Praxis der Blutrache wies schon LUTHER, Novelle, 194 zurück. Das nicht historisch zu verstehende Motiv der Blutrache verbindet nach Luther die Teile der TFG. Das Verständnis Judas und Israels als Brüder weist in nachexilische Zeit, vgl. oben 2.2.3. 98 Insofern ist zu erwägen, ob auch V 37 als Unschuldsbezeugung Davids zu dieser Nachinterpretation gehört. 99 Vgl. zur positiven Wertung Davids aufgrund seiner Trauer BARMASH, Quandary, 10. 100 Vgl. auch „das ganze Volk" 3,31f.34f.36(2x).37 und „ganz Israel" 3,37. 101 Zum Textwachstum vgl. unten zur Redaktionsgeschichte. 102 Vgl. lKön 15,27 Nadab; 16,10 Elah; 2Kön 15,14 Schallum; 15,25 Pekachja; 15,30 Pekach; und vgl. Amazja von Juda 2Kön 14,19.

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden 2Sam

2-4

55

Sorge um die rechtmäßige, mit Ortsangabe erwähnte Bestattung. 103 Verwiesen wird auf die Behandlung des Boten in 2Sam 1,15f., der Saul getötet hatte. 2Sam 1 versteht Sauls Tod innerhalb einer Folge von Tötungen durch aufrührerische Mitglieder des Königshauses, 104 d.h. durch illoyale Untergebene. Wie die Auseinandersetzung zwischen Joab und Abner in 2Sam 3, die mit Joabs Mord an Abner endet, spielen auch 2Sam 4,6. 8b-12a auf die Blutschuld bzw. -räche an.105 David rächt eine vorsätzlich verübte Tötung. Gemäß der Entsprechung zur Schuld Joabs verwendet 2Sam 4,6 dieselbe Formulierung wie 2Sam 2,23; 3,27 (U?'onn ( " V x ) H33), während 4,7 anders formulieren. 4,6 als Überarbeitung verdeutlicht das Blutschuldmotiv. Die Interpretation des Mordes an Ischbaal als einer von JHWH dem König gewährten Rache an Saul und seinen Nachkommen (rtOp] i m 4,8b) und Davids Reaktion, der das zu unrecht vergossene Blut von den Mördern zurückfordert (Dl TIN 4,11), entspringen dieser Perspektive. 2Sam 4,6.8b-12a sind eine Überarbeitung mit Betonung des Blutschuldmotivs. 2.2.6 Davids Genealogie 2Sam 3,1.2-5 Von 2Sam 3,1.6a als Rahmen heben sich 2Sam 3,2-5 mit Angaben über Davids Söhne aus Hebron ab. Sie entstammen den folgenden Daviderzählungen um Amnon (2Sam 3,2; 13), Absalom (2Sam 3,3; 13-19) und Adonia (2Sam 3,4; 2Kön 1) als Protagonisten. Inhaltlich hängen die Ausführungen nicht von der SD-Kontrastrelation ab. Die Familientafel 106 wurde als Notiz den Daviderzählungen vorangestellt, ähnlich wie 2Sam 5,13-16. 103

Vgl. 2Sam 2,32; 3,32: die Männer Davids begraben Asahel in Bethlehem 4,12 13p; Abner, Ischbaal in Hebron; und vgl. 2Sam 21,1-14. Vgl. zu Begräbnissen und Begräbnisorten in der sC unten Kap. 5, 2.8. 104 YG] z u m Jextwachstum unten. 105 Sie setzt die Tötung des Boten nach 2Sam 1,13-16 in der Überarbeitungsschicht von 2Sam 1 voraus; vgl. die Formulierung ,I7/11? T J ö n 2Sam l,5a.6a,13a und 4,10 und vgl. dazu unten 4.5. 106 Entgegen der Annahme, sie gehöre zum Grundbestand der Erzählung, legt sich redaktionelle Verknüpfung nahe. „Achinoam aus Jesreel" und „Abigail" weisen alle auf lSam ( l S a m 25,42f.; 27,3; 30,5; 2Sam 2,2), vgl. schon EISSFELDT, Komposition, 26; FISCHER, Hebron, 129. Hingegen weist Absalom, der Sohn Maachas, der Tochter Talmis, des Königs von Geschur, auf die Notiz von Absalom in 2Sam 15,8 hin. Nach 2Sam 13,37 war Absalom nach Geschur geflohen und blieb dort beim Vater seiner Mutter, Talmi. 2Sam 15,8 erwähnt ein Gelübde Absaloms in Geschur in Aram, er wolle in Hebron ein Opfer darbringen, sofern er nach Jerusalem zurückkehren dürfe. Es wurde erwogen, diese Notiz von Geschur in Aram von den übrigen Erwähnungen des Ortes zu sondern und als redaktionsgeschichtliche Klammer einer „israelitisierenden" Bearbeitung des AbsalomAufstandes zu verstehen, während die übrigen Erwähnungen Geschurs, neben 2Sam 3,6 vor allem in lSam 27,8 und Jos 13,2 ein südliches Geschur bezeichnen, gegen das David nach l S a m 2 7 , 8 Streifzüge durchfuhrt und das später zu seinem von Hebron aus be-

56 2.2.7

Kapitel 2: Saul- und Davids

und Ischbaals

Reich

2Sam

David-Überlieferungen 2,1-11

(2,1-3.4a.

4b-7.8-11)

Die aneinander gereihten Angaben über Herrschaftsbereich und -dauer, Regierungsort, Genealogie, Salbung, die Anfrage der Männer aus JabeschGilead 2,4b-7, sowie Ischbaals Königtum 2,8-11 bereiten in der SaulDavid-Überlieferung auf das Folgende vor. 107 Entstanden sind die Abschnitte jedoch aus den später folgenden. Denn 2Sam 2 schreibt den Gegensatz zwischen den beiden Königen David und Ischbaal unter Rückgriff auf den Überlieferungsbestand der sC fort. Die formal der sC nachgestalteten Angaben über Regierungszeiten und Herrschaftsgebiete des saulidischen Königs werten diesen allein aufgrund der viel längeren Regierungszeit Davids ab. 108 2Sam2,10f. wurde als relativ späteste Regierungsnotiz zu David verfasst. 109 Literarisch geht die zweijährige Regierungszeit Ischbaals auf die Parallelen in der sC zurück. Zweijährige Regierungszeiten, beendet durch einen folgenden Putschversuch werden zwei Mal erwähnt: vom Jerobeamsohn Nadab (lKön 15,25-27), der von Baesa abgelöst wird, sowie von Baesas Sohn Elah, der von Simri ermordet wird herrschten Gebiet gehört, vgl. F I S C H E R , Hebron, 133-139. Vgl. zur Voranstellung systematisierender Genealogien im Absalomaufstand auch ADAM, Absalomaufstand, (im Druck). Vgl. zur Einordnung der Ortsnamen in 2Sam 2 - 4 ausgehend von den Quellen der Königebücher, unten zur Topographie. 107

V g l . M c C a r t e r , A B 9, 9 0 ; GR0NB/EK, A u f s t i e g , 2 2 3 f .

108 Yg] z u 2Sam 2,10f. auch oben 1.4 zu 2Sam 5,4f. Die Zurückfuhrung einer Grundform von 2Sam 2,10f. auf Dtr kann bestenfalls als Verlegenheitslösung gelten. Vgl. die zweijährige Regierungszeit Elahs, des Sohnes Baesas lKön 16,8. 109 y g ! Q , a , n m e h r f a c h in der sC lKön 11,42; 14,20; 2Kön 10,36; vgl. nur „die Tage..." lKön 2,11; 5,15; 11,25; 14,20.30; 15,6.14.16.32; 16,15.34; 21,29; 2Kön 10,36; 13,3.22; 15,13.18.29.37; 20,1; 23,29; 24,1; gegen die dtr Zuordnung von lKön 11,41-43; 14,19f.; 2Kön 10,34f. bei F I S C H E R , Hebron, 90 Anm 171. D ' D ' H I S O » T P ! 2 S a m 2 , l l findet sich im DtrG nur noch 1 Sam 27,7, wobei • 1 I£Hn H i m t O O'Ö'' schwer zu verstehen ist. Sind Tage oder Jahre gemeint? Vgl. E P O T I N S D Ö Ex 23,26; Num 14,34; Ez4,4f.9; Hi 38,21; Koh 2,3; 5,17; 6,12; 7,2; IChr 27,24 (2x). Da die übrigen Erwähnungen nicht früh sind, legt sich eine Weiterentwicklung von D'OTl zu D ' ä ' n 1DDD nahe. - D i e Angabe des Herrschaftsbereiches mit Vi? findet sich sonst nicht im Bezug auf das judäische Herrschaftsgebiet; bei israelitischen Königen wird festgehalten, sie herrschten „über" Israel. Vgl. B E G R I C H , Chronologie, 186f.; vgl. F I S C H E R , Hebron, 92. Sachlich erklärt sich dieser Unterschied aus der Annexion weiterer Gebiete im größeren israelitischen Staat, m i n ' n ' 3 findet sich nicht in 2Sam 5,4f (nur m i n ' ) ; lKön 2,10f. und ist daher möglicherweise in 2Sam 2,10f. erst hinzugefügt. Der Halbsatz 2Sam 2,10b kann gut sekundär sein; die Angabe des Herrschaftsgebietes in 2,1 l a ß hebt den Ausgangspunkt der judäischen Monarchie in Hebron hervor. Geht man von einer Überarbeitung von 2Sam 2,10f. aus, deutet nichts auf dtr Ursprung. Die Voranstellung der Angabe der Regierungszeiten an den Beginn der Davidüberlieferung und nicht an deren Ende, wie in der sC, spricht für Abhängigkeit von dieser, vgl. Bin N u n , Formulas, 422. Vgl. die fehlende (in LXX [B]) / unvollständige (MT) Angabe lSam 13,1, die den SD-Kontrast verstärkt. Zu •'ÖTI nSDD TTH lSam 27,7 als redaktionelle Brücke vgl. auch KREUZER, Saul, 263-265.

2. Israels Niederlage und das Ende der Sauliden 2Sam

2-4

57

(lKön 16,8-10). Ischbaals zweijährige Herrschaft als erster Nachfolger eines Dynastiegründers, seine Entmachtung durch den Feldhauptmann, sowie seine Ermordung durch Bandenführer entspricht derjenigen Nadabs und Elahs. Neben der Abfolge der Regierungszeiten entspricht die Verlegung des Residenzortes dem Geschehen in den Anfangen Israels. Zu den mit Jerobeam bzw. Nadab verbundenen Städten Sichern und Pnuel (lKön 12,25) tritt Thirza unter Baesa und Elah (lKön 15,33; 16,6.8f.) als Hauptstadt. Die Erzählung von Ischbaal entstand daher literarisch als Vorgeschichte der israelitischen Königsgeschichte, die den Aufstand und Verlust der Königsmacht an Usurpatoren 110 (lKön 15,27; 16,9) 2Sam 2 - 4 erzählend ausführt. Diese mutmaßliche Entstehungsgeschichte erklärt weitere Einzelheiten. Die Episode blickt auf die im folgenden berichtete judäisch-israelitische Königsgeschichte zurück und setzt den Verlust des israelitischen Herrschaftsbereichs sowie Davids Bedeutung als Dynastiegründer voraus. Entsprechend sind die Figuren gezeichnet: David als fähiger Herrscher Uber Juda (2Sam 2,10b; vgl. „Haus Judas" V 4a.7b; „Männer Judas" V 4a; „Juda" V 1) und Ischbaal als schwacher Nachfolger eines Dynastiegründers, der über ein unzusammenhängendes Reich mit entlegener Hauptstadt herrscht. In V 9 beschreiben „Gilead" und „die Aschuriter" 111 keine in der späteren Königszeit zu Israel gehörigen Gebiete. Von „Jesreel, Ephraim, Benjamin und ganz Israel" 112 aus gesehen, liegt die Hauptstadt in Gilead fernab. Die Gebietsbeschreibung ist ebenso wie die Umstände der Wahl des Regierungssitzes einer israelkritischen Geschichtssicht geschuldet. Wählt David Hebron als Hauptstadt aufgrund eines Orakels, 113 muss der israelitische König seinem Feldhauptmann gehorchen, der ihn „nimmt" (Tip1?), hinüber nach Mahanaim in Gilead bringt ("OS hi) und dort zum König einsetzt (l^D hi; 2Sam 2,8). Der projudäische Bericht konstruiert eine Rollenumkehrung in der Hierarchie des Saulidenstaats. Auch 2Sam 2,1-3 1 1 4 ist im SD-Kontrast gestaltet und wurde daher anderen Davidüberlieferungen vorangestellt: tlp"? qal / "I^D hi für die Einsetzung eines Königs wird mit unter110

Vgl. zu dieser Thematik in der sC Kap. 5, 2.3; 2.6; 3.1. Für das Gentilizium „die Aschuriter" wurde das sich nördlich und östlich des Sees Kinneret erstreckende Gebiet erwogen, das assyrisch dominiert war und in das die Assyrer nach der Zerstörung Hazors 732 v. Chr. sukzessive eindrangen, während südlich und südwestlich von Hazor möglicherweise noch unabhängiges Territorium existierte. Spätere Begrifflichkeit vermutet KUNZ, „Schwert", 77. 112 Vgl. zum für einen israelitischen König außergewöhnlichen Territorium: NA'AMAN, Kingdom of Ishbaal, 33-37 (allerdings mit der problematischen Konjektur mit der syr. Übersetzung und der Vulgata von ' n C s n in mU7'JH); vgl. kritisch dazu FISCHER, Hebron, 76f. Was mit den „Aschuritern" gemeint ist, ist kaum erklärbar. Bei der Beschreibung fällt der unterschiedliche Gebrauch der Präpositionen auf: Vx (Gilead, die Aschuriter, Jesreel); bn (Ephraim, Benjamin, Israel in seiner Gänze). 113 Vgl. 2Sam 2,1-3 und ISam 22,15.20; 23,2.4.9-12; 30,7-8; 2Sam 5,19.23; vgl. WEISER, Legitimation, 335. 114 Der Abschnitt wurde entsprechend alter Annalentexte ausgestaltet, die das Verb n b r mehrfach verwenden (V 1 3x; V 2.3); vgl. für ein Heraufziehen zum Kampf bzw. für das Erscheinen des Königs an einem bestimmten Ort; vgl. lKön2,34; 15,17.19; 16,17; 2Kön 12,19; 14,11; 15,14; 16,9.12; 17,5 u. a.; vgl. auch lKön 20,1.26.33; 22,29. 111

58

Kapitel 2: Saul- und David-Überlieferungen

schiedlichen Wertungen gebraucht. In 2Kön 14,21 wird mit üpb qal / "[bD hi die Einsetzung des Asarja durch das ganze Volk von Juda (nach dem Tod Amazjas) beschrieben. 2Kön 23,30 berichtet von der Einsetzung des Joahas, des Sohnes Josias, durch das Landvolk (riKH 0V), während 2Kön 23,34 Pharaoh Necho Joahas ab- und Eljakim als König einsetzt. Die Einsetzung eines Herrschers außerhalb der rechtmäßigen dynastischen Folge diskreditiert die Souveränität des judäischen Königtums. Den als unrechtmäßig empfundenen Eingriff der Neubabylonier beschreiben np'7 qal / l"7Q hi. Der rechtmäßige judäische König stirbt, von Necho nach Ägypten verschleppt. Nach 2Kön 24,17 setzt Nebukadnezzar Mattanja/Zidkia ein. 115 Die Einsetzung eines Königs durch einen fremden Herrscher gilt als Unterwerfung. 116 Der Eingriff in die Autonomie des Staates durch Unterbrechung der dynastischen Folge etwa durch Einsetzung eines fremden Herrschers ist nach Jes 7,6 das entscheidende Ziel der Verschwörung fl^a hi) gegen Juda. 117 Ausgehend von der sC als Geschichtsüberlieferung zur Königszeit, werden die Eingriffe in die Autonomie bzw. in die Dynastie, wie sie paradigmatisch im syrisch-ephraimitischen Krieg geschildert werden, als geschichtlicher Hintergrund von 2Sam 2 - 4 * deutlich. 118 Judäischer Retrospektive entspringt ferner Davids ohne Echo verhallendes Angebot einer Herrschaft über die Bewohner Jabeschs (2,6). 119 Die Ablehnung begründet den Untergang dieser israelitischen Verbündeten im Ostjordanland mit Israels Einnahme 733/722, die die Erzählung als geschichtliches Ereignis reflektiert. 120 Literarisch entstanden 2Sam 2,1-11 ausgehend von 2Sam 2,11, indem man zunächst V 10, dann V 8-9, V 4b-7, 4a, 2-3 1 2 1 und schließlich V 1 voranstellte. Für die Voranstellung der Abschnitte in 2Sam 2,1-11 als Zusammenfassung bzw. Überleitung sprechen weitere Eigenheiten. 122 115 Vgl. das Wegführen Jojachins npV qal 24,12; vgl. 2Chr 36,4.10; Jer 37,1; Ez 17,16. Abwertend ist die Einsetzung eines Königs durch eine einzelne Person im Fall von Abimelech Ri 9,6.16.18. Vgl. ferner zur Einsetzimg zum König durch Samuel lSam8,22; 11,15 (durch das Volk); 12,1 (Samuel); 15,11.35 (JHWHs Reue über die Einsetzung zum König). 116 Während Juda bzw. das Landvolk aus judäischer Sicht zu Recht einen König einsetzen, um die königliche Sukzession zu garantieren. Ausgehend von 2Kön 23f. reflektiert 2Sam 2,8 auch Erfahrungen mit den Ägyptern bzw. Babyloniern im 6. Jahrhundert. 117 In dem von Abner abhängigen Königtum offenbart sich die Schwäche des amtierenden Königs, der Abner wie einem mächtigen feindlichen König ausgeliefert ist; anders

FISCHER, Hebron, 79f. 118 Für die Reflexion der Ereignisse im 8. Jahrhundert spricht auch das autonome Verhalten des Feldherrn nach 2Sam 2,9, für das sich Analogien in der vergleichsweise autonomen Stellung der Feldherrn im nA Reich in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts finden. Schamschu-ilu war Feldherr Adad-neräris III, als solcher einflussreich und führte vergleichsweise selbständig Militäraktionen durch; vgl. W. MAYER, Politik, 293; KUNZ, „Schwert", 78. 119 raun naton nifry. 120 David belohnt die Männer von Jabesch als mögliche Untergebene für ihre Loyalität gegenüber ihrem König und handelt insofern klug. Die Formel „(dieses) Gute tun" bietet den Jabeschiten den Beistand als König an, vgl. nmün rv&W Ri 8,35; 9,16; lSam 24,19; lKön 8,66 (JHWH an David); 2 Chr 24,16; vgl. KALLUVEETTIL, Declaration, 44f. und zum außerbiblischen Material MORAN, Note, 173-176. Das Verhältnis ist hierarchisch und nicht grundsätzlich vom „Vasallenvertrag" verschieden; anders FISCHER, Hebron, 67. 121 Die Angaben in 2Sam 2,2b über Davids Frauen, mit denen er nach Hebron zog, stammen aus 2Sam 3,3. 2Sam 2,1-3 spielt das gehäufte nVv (5 Mal) auf Davids „hinauf-

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden 2Sam

2-4

59

Zur präziseren Bestimmung des Wachstums von 2Sam 2,1-3 ist zu bedenken, dass von der Kampfschilderung in 2Sam 2,12-16 her betrachtet, der vorangehende Abschnitt 2,1-3 als Vorabklärung über die Gründung des judäischen Herrscherhauses in Hebron als Voraussetzung einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Könighäusern erscheint. Die Legitimierung des Residenzortes durch eine Gottesbefragung hebt dessen Bedeutung bereits vor deren Wahl durch David (2Sam 2,3) hervor. Die im DtrG nur an wenigen Stellen 1 2 3 belegte Formel p ' i n s TTI 2Sam 2,1 führt in 2Sam jeweils größere Überlieferungskomplexe ein, 1 2 4 die jedoch nicht auf derselben literarischen Ebene liegen. 125 Die Formel gibt ein nicht näher bestimmtes zeitliches Nacheinander an, zum Beispiel bei Reihungen. 1 2 6 Während sich die Formel „es war aber Krieg zwischen ... und ..." kaum bereits im Textbestand dieser Quellen selbst findet,

steigen" nach Jerusalem als seiner späteren Hauptstadt und auf dessen unkriegerische Einnahme an, vgl. hingegen rtby mit den Philistern als Subjekt in der Bedeutung „zum Krieg ziehen gegen" 2Sam 5,17.19.22f. (vgl. später 2Sam 6,2.12.15.17f.)122 Ygi (jj e Bezeichnung der Judäer als „Haus Judas" 2Sam 2,4.7.10f.; mit der nächsten Parallele im DtrG lKön 12,21.23 (späterer Einschub, vgl. N o r a , Könige, 278f.) und (abgesehen von Hos 5,12.14) verstärkt in nachexilischen Texten, vgl. 2Kön 19,30; Jes 22,21; 37,31 und die dtr-jeremianischen Texte Jer3,18; 5,11; 11,10.17; 12,14; 13,11; 22,1; 27,21; 31,27.31; 32,2; 33,14; 36,3; 38,22. Vgl. KAISER, Grundriss, 79. Vgl. ferner Ez 4,6; 8,17; 9,9; 25,3.8.12; Hos 1,7; Zeph 2,7; Sach 8,13.15.19; 10,3.6; 12,4; Neh4,10; IChr 28,4; 2 C h r l l , l (//lKön 12,21); 19,11; 22,10; vgl. FISCHER, Hebron, 61f. Diese Belege verbinden häufig das Haus Juda mit dem Haus Israel, gehen also von den beiden Staaten Israel und Juda aus. Das Haus Juda und Ephraim in Hos 5,12.14 und die Anspielung auf den Ruf Ephraims an den Großkönig von Assur, der ihm zum Untergang wird (5,13), nehmen thematisch auf die Quellen von Kön Bezug. Hosea bezichtigt Ephraim, Assur gerufen zu haben; die Überlieferung der Samuelbücher nennt das Haus Sauls. Die Erwähnungen in 2Sam können zeitgleich zu der Bezeichnung in Hos 5,12.14 verwendet worden sein, setzen die Zweistaatlichkeit voraus und lassen ein Ende dieser Quellen in der Zeit Hiskias annehmen, vgl. dazu unten Kap. 5, 1 und 2.1. 123

Vgl. Ri 16,4; lSam 24,6; 2Sam 2,1; 8,1; 10,1; 13,1; 15,1; 21,18; 2Kön 6,24. Vgl. zu dieser Funktion DIETRICH/NAUMANN, Samuelbücher, 257; allerdings wird die Formel unterschiedlich eingeordnet: als Kennzeichen früher Historiographie von SEELIGMANN, Erzählung, 310.319, als dtr hingegen von CARLSON, David, 21.42, und als Merkmal der Davidredaktion des 7. Jh. bei FISCHER, Hebron, 46-50. 125 Die Formel findet sich an redaktionellen Nahtstellen in 2Sam. In 2Sam 8,1 leitet sie im Summar von Unterwerfungen Davids ein: Philister, Moab, Hadadeser von Zoba, Aram-Damaskus; Edom im Salztal; bzw. beim Friedensschluss mit Thoi von Hamath, dem Abschluss der AG Davids nach HERTZBERG, Samuelbücher, 237; CAMPBELL, 1 Samuel, 314. lSam 10,1 leitet die Formel die Episode vom Zusammenbruch der diplomatischen Beziehungen zu den Ammonitern und damit verbunden den Krieg gegen diese ein. 13,1 steht die Formel zur Einfuhrung der vorangestellten Amnon-Thamar-Episode, während sie in 15,1 einen Kernabschnitt des Absalomaufstandes einleitet. 126 Vgl. im Anhang der Samuelbücher 2Sam 21,18 „Und es geschah danach, dass es noch einen Krieg gab nan^O " T W ' n m in Gob gegen die Philister"; 2Sam 21,19: „Und es gab nochmals Krieg gegen die Philister in Gob" HönVon T l j r ' n m ; 2Sam 21,20 „Und es gab nochmals Krieg in Gat ..." Htinbö T U P T i m ; vgl. die Häufung der Philisteranstürme 2Sam 5,22-25 mVs"? QWVD 71» IDD'1. Die Formel „es gab Krieg zwischen ... und ..." und die Formel „Und es geschah danach" verknüpfen die genannten Situationen. 124

60

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

sondern wohl bald ergänzt wurde, findet sich p '"inx T H in den Königebüchern (außer in 2Kön 6,24) zur Zuordnung der Ereignisse zu einem bestimmten König sonst nicht. 127 Die Unbestimmtheit der Formel p '""inx TP1 weist auf einen Abstand zu den berichteten Ereignissen hin. 1 2 8

2.3 Das literarische Wachstum von 2Sam 2 — 4 Die folgende Übersicht stellt das literarische Wachstum dar. Israelitisch-judäischer Kampf in Gibeon (Ausgangspunkt)

Aufstand in Israel/ Reaktion Judas

2Sam 2,12-17.25-30 (ohne Asahel).31.32b 3,1.6a

Tötung/ Blutschuld 2,18-24.30b(Asahel). 32a

3,6b-l 1 3,12-21. 22-27aba.31-38

3,27bß.28-30.39

4,l-5.7-8a

4,6.8b-12a.

Die paradigmatische Konfliktsituation, ausgelöst durch Israels Aggression gegen Juda, halten 2Sam 2 in der Form eines Kriegsberichts fest. 129 Die in 2Sam 2,12-17; 3,1.6 geschilderten Konflikte werden ergänzt um eine Erzählung von Abners Aufstand gegen Ischbaal, der die Herrschaft über Israel David zuwendet, von Abners Tod durch Joab, sowie vom Tod des Ischbaal (2,25-31.32b (ohne Asahel 2,30); 2Sam 3,6b-27aba.31-38; 4,1-5. 7-8a). 2Sam 2-5 kommt ohne vorgegebene literarische Quellenstücke aus und entsteht um Orte als Kristallisationskerne: Hebron (2Sam 2,1.3.11.32; 5,1.3; 4,1.8.12); Mahanaim (2,8); Jerusalem (5,6) und die Davidstadt (5,7.9); Gibeon (2,12f.l6.24). 127 Vgl. den Anschluss mit der Formel „in den Tagen des ..." oder „im Jahr x des y". 128 Kaum Schlussfolgerungen flir die Redaktionsgeschichte von 2Sam kann man aus der Formel zur Einleitung einer Erzählsequenz in lSam 24,6 ziehen. In 2Kön 6,24 leitet sie den gesamten Überlieferungskomplex von der Belagerung Samarias durch Benhadad von 2Kön 6,24-7,20 als Einschub in die Eliageschichten ein; vgl. Ri 16,4 zur Einfügung Delila-Erzählung nach 16,1-3. Die Formel dürfte kaum nur einer durchgängigen Redaktion von 2Sam zuzuordnen sein. Die Verwendung in 2Sam dürfte als Basis zu klein sein, außerdem finden sich auffällige Bezüge zur Formel „es war aber Krieg zwischen ... und ...". Leicht abgewandelte Formeln legen eine Entwicklung nahe; diese finden sich allerdings an redaktionell weniger bedeutsamen Stellen, vgl. p '"inxft Jos 8,34; 10,26; 1 Sam 24,9 (vgl. p ' i n s H'm 24,6) und p '"lllX Gen 6,4; 15,14; 23,19; 25,26; 32,21; 41,31; 45,15; Ex 3,20; 11,1.8; 34,32; Lev 16,26.28; Num4,15; 8,15.22; 9,17; Jos 8,34; 10,26; lSam 9,13; 24,9; 2Sam 3,28; 21,14; 24,10; Jes 1,26; Jer 16,16; 21,7; 34,11; 46,26; 49,6; Joel 3,1 (2x); 2Chr 32,23; 33,14. 129

Vgl. dazu unten Kap. 5, 2.4.

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden 2Sam

2-4

61

Überlieferungswachstum

Orte

Hebron

2,11 • Regierungszeit Davids

2,4-7 -* Salbung, Anfrage aus Jabesch

2,1-3 Gottesbefragung; 1. Regierungssitz Davids

Tötung mit Vorsatz 3,31-39 Begräbnis und Klage um Abner

-»- 2,10 Regierungszeit Ischbaals

5,3 Salbung Mahanaim •

->- 2,8-9 Ischbaaals Regierungssitz, Herrschaftsgebiete

Jerusalem

Davidstadt

Gibeah lKön 15,22

4,1-12 Mord an Ischbaal; Ahndung Davids 5,1 f. Einsetzung zum König über Israel [dtr?]

5,4.5b.7 Regierungszeit, Einnahme 5,22-25 erneute Verteidigung, Sieg

5,7.9 Eroberung 17-21 Verteidigung •> Gibeon

-*• Niederlage Israels 2,12-17 (2,17a; 3,1.6) 130

Totschlag Asahels 2,18—24.32 13 '

2,1-11 wuchs von 2Sam 2,11 aus. Überlieferungen der Regierungsdaten Ischbaals wurden vorangestellt, dessen kurze Regierungszeit entsprechende israelitische Herrschaftsfolgen spiegelt (2,10); ihr stehen seine Einsetzung (2,8-9), die Anfrage der Männer aus Jabesch in Gilead (2,4-7), 1 3 2 sowie die Wahl Hebrons als Hauptstadt (2Sam 2,1.3*) und die Salbung voran.

130 131 132

Vgl. die Präzisierung n n x nsaJTBftn 2,25. Vgl. die Präzisierung n » n j 2,24. Vgl. lSam 31,11-13.

62

Kapitel 2: Saul- und

Auseinandersetzung

um hierarchische

David-Überlieferungen

Verhältnisse

Dem Charakter einer Vorgeschichte entsprechend, sind die in 2Sam 2 - 4 beschriebenen Ereignisse nur vage chronologisch verortet (2Sam2,l p - n n N TP1), spielen jedoch auf klar bestimmte hierarchische Verhältnisse der Königszeit an, die sie narrativ an den Gegensatzpaaren IschbaalAbner, David-Joab und David-Abner reflektieren. 133 Ischbaal-Abner König-Knecht-Verhältnis: gestört (2Sam 2,8) Schwacher König (2Sam 3,6b- 11; XV V 11) Auflehnung des starken Knechts (2Sam 3,8-11)

David-Abner König-Knecht-Verhältnis: intakt (2Sam 3,12-21) Starker König Unterordnung Abners (2Sam 3 , 1 3 - 1 6 )

Der durch Usurpation und Königsmord gescheiterten Saulidendynastie steht ein intaktes Verhältnis des judäischen Königs zu seinem Vasallen gegenüber. Die projudäische Darstellung schließt an die kritische Sicht Israels in der sC an.134 Die Figurenkonstellation Abner-Ischbaal verbindet die Erzählung von Aufständen in der Vorzeit der israelitisch-judäischen Zweistaatlichkeit einseitig mit dem israelitischen Königtum, während Abner als Vertreter Israels mit dem judäischen König paktiert und diesem gegenüber loyal ist.135 Die Erzählform ermöglicht im Unterschied zum Bericht die Darstellung der Bundesverhältnisse ohne abstrakte Vertragsterminologie, 136 was die Abgrenzung dtr Einfügungen nicht vereinfacht. 2Sam 3,6b-21 reflektieren Vasallität und Bundestreue in hierarchischen Verhältnissen, bzw. im besonderen Fall zwischen den Staaten Israel und Juda jedenfalls auch in sogenannter dtr Sprache (3,12.21); der Sache nach geht es aber auch jenseits der abstrakten Terminologie fast durchgehend um Bund, Loyalität und Bundesbrüche. Tötung mit und ohne Vorsatz Die israelitisch-judäischen Konflikte werden aus juridischer Perspektive als Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit vorsätzlicher Tötung bzw. der Blutrache dargestellt. Dabei wird die Figurenkonstellation ergänzt um 133

Dieselbe Konstellation wiederholt sich im Verhältnis zwischen Ischbaal und Baana/Rekab und David - Baana/Rekab in 2Sam 4 , 1 - 7 bzw. 4,7-12: Während Ischbaal versagt und es zum Königsmord kommt, übt David seine Königsgewalt aus und tötet die Mörder. 134 Vgl. dazu unten Kap. 5, 2.1, 2.3, 2.4, 2.7, 2.8. 135 Ygi z u Einzelzügen (Ischbaals zweijährige Regierungszeit 2Sam 2,10; der erzwungene Hauptstadtwechsel u.a.) als Reflexionen des israelitischen Königtums oben 2.2.7. 136

V g l . z u m S a c h b e z u g KALLUVEETTIL, D e c l a r a t i o n , 1 2 f . ; M C C A R T H Y , Berit,

79; DERS., Treaty, 19.289.

73-76.

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden 2Sam

2-4

63

Asahel und seine ungewollte Tötung (2Sam 2,18-24.30b(Asahel).32a). In 3,22-27.28-39 nehmen 2Sam 3,27bß.28-30.39 die Ebene individueller Rache auf. Auch die Überarbeitung in 2Sam 4,6.8b-12a betont die Blutschuld der beiden Bandenführer und Davids adäquate Reaktion darauf. 137 Tötung mit und ohne Vorsatz prägt die Figurenbildung im Rahmen der folgenden Joab-David-Konstellation. Joabs rechtmäßige Bestrafung für seine vorsätzlich begangene Tötung stellt ihn als dunkle Gegengestalt einem unschuldigen David gegenüber, vgl. 2Sam 3,26b.28f. Mittels der Joabfigur führt die judäische Geschichtsschreibung eine „prodavidische" (projudäische) Tendenz in der Vorgeschichte der Dynastie weiter. 138 Die an Asahel, Abner und Joab dargestellte Blutschuldmotivik aufgrund vorsätzlicher Tötung (2Sam 2,18-24.26-28.30b.32a; 2Sam 3,23-27aba. 31-38 mit 3,27bß.28-30.39 als Überarbeitung; 2Sam 4 , l - 5 . 8 a . l 2 b mit 2Sam 4,6.8b-12a als Überarbeitung) lässt sich zwar von der Israel-JudaKontrastrelation abheben, die die Blutschuldmotivik ausspart (vgl. 2,12-17; 3,6b-21). Spätestens die spätnachexilische Geschichtsreflexion greift jedoch die durch vorsätzliche Tötung verursachte Blutschuld innerhalb des israelitisch-judäischen Bruderverhältnisses auf. 2Sam 2,2531.32b verstehen die Auseinandersetzung zwischen Israel und Juda auf Staatsebene als unangemessene Rache für begangene Tötungen. Grundzüge des literarischen

Wachstums

Die Davidüberlieferung in 2Sam 2 - 4 wurde sukzessive über einen längeren Zeitraum, ausgehend von einer Vorstufe nicht vor dem 7. Jahrhundert, 139 bis in späte nachexilische Zeit ergänzt. Literarisch wächst die Überlieferung anhand der Thematik des Aufstandes im israelitischen Königreich an. Zur Ausführung der Erzählinhalte ergänzte man Figuren aus Joabs Sippe.

137 Die Tötung des Boten in 2Sam l,15f. setzt ebenfalls diesen Horizont voraus, vgl. dazu unten 4.5. 138 Damit bestätigt sich grundsätzlich das Modell sukzessiver redaktioneller davidbzw. salomofreundlicher Überarbeitung, vgl. LANGLAMET, Maison, 509-513, (S 2/S 3). Eine salomokritische Grundschicht S 1 (vgl. LANGLAMET, Pour ou contre, 485ff. und 5 2 5 - 5 2 8 in 2Sam * 1 0 - 1 2 + 1 3 - 1 4 ( ? ) + 1 5 - 2 0 + l K ö n 1-2,35 und vgl. die zusammenfassende Darstellung bei BLETENHARD, General, 2 5 0 - 2 5 2 ) legt sich allerdings nicht nahe. 139 Vgl. zur Datierung der Grundschicht einer Davidredaktion in der spätvorexilischen Zeit bei FISCHER, Hebron, 279-281, sowie die Ansetzung der Überarbeitungen S 3 durch BlETENHARD, General, 321, vor und um das Exil.

64

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

2.4. Exkurs: Topographie und Topologie: Hebron, Gilead, Gibeah/Geba/Gibeon Die Erzählungen in 2Sam 2 - 4 verweisen auf vorgegebene Kontexte, anhand derer sich Figurenwertung und Erzählerintention erschließen lassen. Auch die Topographie bietet einen Deuterahmen dieser Erzählungen innerhalb der Gesamtkönigsgeschichte. 2Sam 2 - 4 erwähnen erstmals Davids Hof in Hebron zusammen mit der verlegten Saulidenresidenz. Die Bedeutung der Orte erschließt sich in der Topographie der SDErzählungen durch Abners Verlegung des Saulidenhofes nach der Niederlage in Gilboa aus dem Herkunftsgebiet nach Mahanaim in Gilead (2Sam 2,9). 2.4.1 Hebron, Mahanaim und der

Saul-David-Kontrast

Die Vermutung, der Handlungszusammenhang zwischen der erzwungenen und der frei gewählten Verlegung des Regierungssitzes führe einen judäisch-israelitischen Gegensatz fort, wird durch die nur drei Mal genannte Saulidenresidenz 140 als Auszugs- bzw. Heimkehrort der Knechte Ischbaals 2Sam 2,12.29, bzw. in Frontstellung bei der Aufzählung des Herrschaftsgebietes Ischbaals 2Sam 2,9, gefolgt von den „Aschuritern", Jesreel, Ephraim, Benjamin, ganz Israel eher bestätigt. Die auffallige Reihung der Völker bzw. Herrschaftsgebiete erscheint als Kontrast zu David und zu dessen judäischem Herrschaftsgebiet. 141 2.4.2 Gilead Der Grund für die Verlegung der Residenz mag im übergreifenden Erzählzusammenhang in der Abgelegenheit oder Sicherheit in Gilead im Ostjordanland vor den aus dem Westen eindringenden Philistern liegen. Während dies dem Philisterbild des ersten Samuelbuches entspricht, war Gilead in der israelitisch-judäischen Königszeit zeitweise ein höchst umstrittenes Gebiet, das siedlungsgeographisch, „nicht in einem ganz abseitigen Winkel des Ostjordanlandes" 142 lag, sondern in einer Gegend, die lange besiedelt war und deren Bedeutung in der Eisenzeit erheblich stieg.

140 Hingegen wird Hebron viel häufiger genannt, vgl. 2Sam 2,1.3.32; 3,20.22.27.32 (Abners Begräbnisort); 4,1.8.12 (Begräbnis des Hauptes Ischbaals); vgl. Hebron im folgenden Textzusammenhang: 2Sam 5,1.3(2x).5. Dass Mahanaim als „geschichtliche Konstruktion" des Verfassers ergänzt wurde, vermutet FISCHER, Hebron, 85. 141 Vgl. oben 2.2.7 zu 2Sam 2,1-11. 142 NOTH, Gilead und Gad, 507; dafür spricht auch die wirtschaftliche Bedeutung durch die Produktion von Balsam Jer 8,22; 46,11; vgl. den Export nach Ägypten nach

G e n 3 7 , 2 5 . V g l . a u c h OTTOSSON, G i l e a d ,

1020-1022.

2. Israels Niederlage und das Ende der Sauliden 2Sam

2-4

65

Die Ausdehnung Gileads Gileads Kerngebiet könnte um I/irbet Gel 'ad liegen, „in einer Lage, die schon von Natur eine Grenzlage" 143 am West- bzw. Nordwestende des ammonitisehen Gebietes war. 144 Noth identifizierte den „Berg Gilead" mit dem Berg bei IJirbet Gel 'ad südlich des Jabbok, 145 als Ausgangspunkt der Benennung Gilead. Die an der Topographie von Hirbet Gel 'ad und ihrem Verhältnis zur el-buqe 'o-Ebene als ammonitischem Kernland gewonnene Beobachtung entspricht insofern dem Bild der Texte, als Gilead zunächst nicht zum Stammland Israels gehörte, das jedoch immer deutlicher Ansprüche auf dieses Gebiet erhob. Mit Gilead als Grenzregion aus westjordanischer Sicht sind die Kriegsberichte von der Einnahme oder vom Verlust des Gebiets zu erklären. Die Ausweitung und Systematisierung des Gebietes gehören der späteren Überlieferung an. 146 Ein früheres Stadium der Geschichte Gileads spiegelt nach Noth zunächst die Jephtatradition in Ri 10,17 - 11,11. 29.*32.33a, wobei die Integration Gileads in das Stämmesystem in Jos 13,24-28 als Nachtrag zum DtrG gewertet wird. 147 Der stark bewaldete und erst später besiedelte 'aglun kam nach Noth noch nicht in den von ihm als alt bestimmten Richtergeschichten, sondern erst auf einer späteren Überlieferungsstufe hinzu; für eine frühere Überlieferungsstufe geht Noth nur von Jabesch und Thisbe in Gilead (nördlich des Jabbok) aus; einen Grund für die Spärlichkeit der Notizen über Gilead sieht Noth in der schwachen und dünnen Besiedlung im 'aglun.148 Ort und Begriff von Gilead weiten sich im Rahmen einer retrospektiven Geschichtsdarstellung aus und das Gebiet wird dem eigenen Land als fiktives Staatsgebiet eingegliedert. Daher sind die Erwähnungen in der frühen Königszeit lSam 11; 2Sam 18,19-32 für die Festlegung des Gebietes um Gilead zentral, 149 dessen Größe seit der Zeit der zwei Staaten Israel und Juda in der Erinnerung zunahm,

143

144

NOTH, Gilead und Gad, 508.

Zu dessen späterer Erweiterung, vgl. YOUNKER, Ammonites, 1 8 9 - 2 1 8 . Vgl. NOTH, Das Land Gilead, 355f.; übereinstimmend auch von DE VAUX, Notes, 16-47. Kritisch dazu LEMAIRE, Galaad, 43-46 zur Lokalisierung nördlich des Jabbok. 146 Das israelitisches Siedlungsgebiet im Ostjordanland wuchs topographisch, nachträglich teilte man es in zwei Hälften unter Og von Basan und Sihon von Hesbon, Dtn 3,8.12; 4,47-49, was als Schematisierung Gebietsansprüche Israels legitimierte, vgl. NOTH, Das Land Gilead, 353. Num 32 und Jos 13 über die Aufteilung Gileads bzw. die Jepthaüberlieferung in Ri 12,1-7 spiegeln spätere Vorgänge. Die Jephtaüberlieferung hängt von Sauls Kampf als König in Jabesch Gilead lSam 11 ab (vgl. dazu WAGNER, Geist, 97-99), dessen Scheitern in Gilead ein Gegenstück in der Überlieferung von Salomo hat, zu dessen Herrschaftsgebiet lKön 4,17-19 das Ostjordanland zählen. Ri 21 ist Wirkungsgeschichte von Saulüberlieferungen, die die negative Haltung zu den Gileaditen aus Jabesch widerspiegelt. Die Bewohner Jabeschs taten sich in Mizpa nicht mit den Israeliten zusammen. Die genealogische Verbindung der Jabeschiten aus dem Ostjordanland mit den Benjaminiten wird als Teil der Vorgeschichte Sauls dargestellt. Ri 1 7 - 2 1 als nachexilische Konstruktion (BECKER, Richterzeit, 297) entspringen der kritischen Haltung gegenüber Saul, die sich bereits gegenüber den Benjaminiten als seinen Vorfahren zeigt. Hinter den Geschehnissen steht kein „historisches Faktum", mit WELLHAUSEN, Prolegomena, 232f., gegen SCHUNCK, Benjamin, 58 (im Gefolge von NOTH, EISSFELDT). 147 Vgl. NOTH, Das Land Gilead, 362. 14g Vgl. NOTH, Das Land Gilead, 367. 149 YGJ NOTH, Das Land Gilead, 375; die Lokalisierung Mahanaims auf den tulul eddahab (bzw. auf dem teil heggag) wird argumentativ mit lSam 11 und 31 gestützt. Vgl. auch COUGHENOUR, Search, 5 7 - 6 6 , mit Diskussion bisher erwogener Alternativen. 145

66

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

wie vermutet wird, ausgehend vom kleinen, eng umgrenzten Gebiet um den Berg Gilead selbst, über Jabesch und Mahanaim in den SD-Erzählungen. 1 5 0 Gilead in den Quellen der Königebücher In der sC der Königebücher 1 5 1 wird Gilead in der Notiz zum Feldzug Tiglat-Pilesers III 734 v. Chr. in 2Kön 15,29 erwähnt, im Zusammenhang mit der Eroberung von Ijon, Abel Beth-Maacha, Janoach, Kedesch, Hazor, Galiläa, sowie dem Land Naphtali. In den beiden folgenden Jahren wandte sich der assyrische König gegen Damaskus, das er 732 einnahm. In diese Zeit datiert man auch die Eroberung der in Israel bzw. im Umkreis Israels gelegenen in 2Kön 15,29 erwähnten Städte und Landschaften. 1 5 2 Zwar spricht das Schweigen der Annalen Tiglat-Pilesers zu den in 2Kön genannten Orten nicht gegen die Herkunft der Notiz aus dem 8. Jahrhundert. 1 5 3 Denn die Erwähnung konkreter Orte hängt vom jeweiligen Horizont der Liste ab. 2Kön 15,29 bezieht, anders als die Beschreibungen Tiglat-Pilesers, Tyros und Gaza bis zur Grenze Ägyptens nicht ein, sondern beschränkt sich auf das Territorium im Umkreis des israelitischen Staates. Dennoch kann aus der Erwähnung der Orte bzw. Landschaften in 2Kön 15,29 keine israelitische Herrschaft gefolgert werden. 1 5 4 Eine weitere Erwähnung Gileads in den Quellen der Königebücher findet sich im Zusammenhang des Aufstandes ("Wp) des Pekach. Nach 2Kön 15,25 tötete er zusammen mit fünfzig Männern aus Gilead Pekachja. Dies ist für die territoriale Ausdehnung Gileads unergiebig. Die Notiz belegt vermutlich nicht Gileads Zugehörigkeit zu Israel; sie kann auch eine außerisraelitische Einmischung in die israelitische Thronfolge durch die Gileaditen als Gegenspieler des amtierenden Königs andeuten. Die Gau- und Vögteliste lKön 4,7-19 nennt in V 13f. zwei Gaue Gileads mit den Hauptstädten Ramot Gilead und Mahanaim. 1 5 5 Die mit „Gilead" verbundene geographi-

150 Ab einem bestimmten Zeitpunkt in „die Zugehörigkeit des Landes Gilead zum israelitischen Siedlungsgebiet in das geschichtliche Bewusstsein des israelitischen Volkes eingegangen", NOTH, Das Land Gilead, 388; Hervorhebung im Original; vgl. aus später judäischer Sicht Ob 1,19 und Ps 60,8-10 = Ps 108,8-10. 151 Gilead in prophetischen Überlieferungen lKön 17,1, sowie 2Kön 9,1 f.4.14 und 2Kön 10,33 bleibt unberücksichtigt. 152 v g l . REHM, 2. Könige, 153. Vgl. zu den Erwähnungen Tiglat-Pilesers ALT, Tiglath-

p i l e s e r I I I , 1 5 0 - 1 6 2 ; SCHEDL, B e m e r k u n g e n , 8 8 - 1 1 8 ; VOGT, T e x t e , 3 4 8 - 3 5 4 ; THIELE, 8 3 - 1 0 3 ; DERS., S y n c h r o n i s m s , 2 6 6 - 2 9 7 ; M . WEIPPERT, M e n a h e m , 2 6 - 5 3 ; SHEA, S a m a r i a O s t r a c a , 1 6 - 2 7 ; DERS., M e n a h e m , 4 3 ^ 1 9 . 153 Vgl. TADMOR, Inscriptions, 202f. (Inschrift 13); 188f. (Inschrift 9); 138f. (Inschrift 4); vgl. GALLING, Textbuch, Nr. 25-27, vgl. TETLEY, Chronology, 156. 154 Sicher lagen sie im Horizont des nordisraelitischen Staates; vgl. als Hinweis auf die israelitische Herrschaft in Hazor auch lKön 9,15. 155 Der in 4,19 aufgeführte Gau ist vermutlich mit LXX als „Gad" zu verstehen, wenngleich dann hier die sonst nicht belegte Constructusverbindung 13 f i x zu lesen wäre; vgl. NOTH, Könige, 74. Die Doppelheit zweier Gaue Salomos in unmittelbarer Nachbarschaft, in Mahanaim und in Ramoth Gilead, (mit dem „Landstrich" Vnn Argob in Basan) könnte nahelegen, dass das Siedlungsgebiet der Israeliten südlich oder gar nördlich des Jabbok kaum irgendwo wesentlich über den Bereich des gebel aglun hinausging und dass auch die Grenze des Staates Israel von David an nur noch ein kleines Gebiet nordöstlich und vielleicht nördlich davon eingeschlossen haben dürfte, vgl. NOTH, Das Land Gilead, 387. Die israelitische Stämmegeographie nennt dieses Gebiet „Manasse" (ebda.)

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden

2Sam

2-4

67

sehe Größe ist nur zu erschließen. Nach Noth handelt es sich bei dem ersten der beiden Gaue um das nördliche Gilead, in dem, wie er selbst einschränkt, israelitische Siedlungen neben nichtisraelitischen Stadtstaaten gelegen haben dürften. 1 5 6 Die Unsicherheit dieser Überlegungen gründet in der aus heutiger Sicht kaum wahrscheinlichen Lokalisierung von Ramoth-Gilead. 1 5 7 Wenig hilfreich für die Frage der geographischen Erstreckung ist, wie schon Noth bemerkte, der z. T. sekundäre V 13b mit Anleihen aus Num 32,41. 1 5 8 Das Gebiet „Gilead südlich des Jabbok" kann dann in der Gauliste Salomos als Bereich israelitischer Siedlung im mittleren Ostjordanland gelten. 1 5 9 Gilead war in der älteren Überlieferung nicht Kernland sondern randständiges Territorium Israels, das nur in einer Idealperspektive beherrschtes Gebiet war. Dass das nur schwer erreichbare Mahan a i m 1 6 0 als Zufluchtsort Davids galt, gehört zur narrativen Ausgestaltung der Überlieferung, die dessen faktische Randlage im israelitischen Reich in der Königszeit betont. Die Konzeption der Gau- und Vogtliste von l K ö n 4 , 7 - 1 9 erwähnt nur die israelitischen Stämme, 1 6 1 wobei die in Ri 1,27-35 beanspruchten Gebiete in direkte Gaue aufgeteilt sind; ein eigenes Machtzentrum im Gebiet Josephs wird nicht mehr genannt, weil es aus der Perspektive eines großsalomonischen Reiches nicht entstehen sollte. 1 6 2 Die Gauliste dürfte deshalb zumindest in ihrer jetzigen Form, wenn nicht von jeher, aus judäischer Perspektive verfasst worden sein. Gilead, unsicheres Gebiet im Ostjordanland Unter den wenigen Erwähnungen Gileads in den Samuelbüchern kommt lSam 13,7a besondere Bedeutung für die Verhältnisbestimmung Gileads zum Westjordanland zu. 1 6 3 Aus zwei Gründen ist der Schluss auf Gileads Zugehörigkeit zu den westjordanischen Reichen problematisch. Die Schilderung des nur teilweise erfolgreichen Feldzuges Sauls gegen die Philister in l S a m 1 3 - 1 4 will Saul gegenüber Jonatan abwerten. l S a m 1 3 , l - 7 a kann man schon deshalb kaum zur Rekonstruktion geschichtlicher Verhältnisse in Gilead heranziehen. Ferner ist die Dynamik der Erzählung zu beachten. Nach dem anfänglichen Sieg erleidet der König einen Misserfolg. Die Flucht der Männer Israels über den Jordan nach Gad und Gilead bildet den Höhepunkt ( l S a m 13,7a). Diese Flucht ist als Folge einer Niederlage im Westen geschildert. Eine ähnliche Perspektive aus dem Westen bietet l S a m 31,7. Sogar die Menschen von jenseits des Jordans ( p T f i "DSD) sahen Sauls Niederlage gegen die Philister auf dem Gebirge Gilboa und flohen aus ihren Städten ( O ' i y r r n x "DTS'"!).164 Entsprechend blickt die Beschreibung der Kriegsfolgen in l S a m 13,7a bereits auf den Verlust der Territorien östlich des Jordan zurück. Die Erzählung erklärt mit dem Sieg der Philister über Saul auch den Verlust des Ostjordanlandes.

und gibt ihm damit den Namen eines der judäischen Könige für ein tatsächlich nie wirklich von Juda erobertes Gebiet. 156 Vgl. NOTH, Könige, 72, mit Verweis auf DERS., Gilead und Gad, 4 6 - 6 1 . 157 Vgl. zur Problematik der Lokalisierung KNAUF, Ramthalon, 3 3 - 3 6 . 158

159

V g l . NOTH, K ö n i g e , z . S t .

Vgl. NOTH, Könige, ebda. 160 Unwahrscheinlich ist die Gleichung Mahanaims mit teil heggag südlich des Jabbok, oberhalb von tulül ed-dahab (2149.1771) vgl. NOTH, Könige, 72f. 161 Die Erwähnung Judas in 4,19bß gilt als Zusatz; vgl. NOTH, Könige, 74; METTINGER, Officials, 121-124. 162 Vgl. METTINGER, Officials, 115f.119.126. 163 Vgl. NOTH, Gilead und Gad, 489. 164 Vgl. dazu unten 4.2 und 4.3.

68

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

Auch die Erwähnung Gileads als Fluchtgebiet Judas aus westjordanischer Perspektive (Mahanaim 2Sam 17,24.27; Gilead 2Sam 17,26) in der Absalomüberlieferung spricht insofern gegen eine durchgängige Zugehörigkeit Gileads zum israelitischen Reich seit der Saulidendynastie, als diese Orte Fluchtpunkte aus dem unmittelbaren Regierungsgebiet bezeichnen. Barsillais Verhalten gegenüber den Flüchtlingen aus dem Westen, besonders gegenüber David, spiegelt das Verhältnis Gileads zu Juda. 1 6 5 Indem die Erzählungen mit Gilead Fluchtsituationen 1 6 6 außerhalb des Kernlandes verbinden, entsprechen sie einer westjordanischen Perspektive auf ein durch Invasionen (aus judäischer und israelitischer Sicht gesehen) von Osten her bedrohtes Gebiet. 1 6 7 Der rhetorischen Frage des israelitischen Königs l K ö n 2 2 , 3 kann man den israelitischen Anspruch auf dieses Gebiet entnehmen, den die geschilderte Niederlage als gescheitert und damit als grundsätzlich überzogen zurückweist. Die Verlegung des israelitischen Regierungssitzes nach Mahanaim in Gilead spiegelt in ähnlicher Weise den unrealistischen Anspruch auf das durch die Aramäerstaaten bedrohte und heftig umkämpfte Gebiet. Dieses ordnete man im Sinne der Kontrastrelation zwischen Saul und David dem saulidischen Königshof in der Frühzeit zu, im Wissen um seinen Verlust spätestens mit der assyrischen Invasion durch Tiglat-Pileser III. 1 6 8 Anhand des Sauliden Ischbaal und des Davidsohnes Absalom setzt die Vorgeschichte sich retrospektiv mit der israelitisch-judäischen Königszeit auseinander. Das Verhältnis der davidisch-judäischen Monarchie wird bei Davids Herrschaftsangebot an die Männer aus Jabesch in Gilead im Ostjordanland 2Sam 2,4b-7 deutlich. David bietet eine judäische Herrschaft an, was ohne Reaktion verhallt, während V 8 die Übersiedlung des Sauliden nach Mahanaim in Gilead berichtet. Der Ablehnung des Angebotes des Idealkönigs David, in dem (später verlorengegangenen) Gebiet „Gilead" das judäische Königtum aufzurichten, folgt die Verlagerung der bereits im Westjordanland gescheiterten Saulidenherrschaft. Die Sauliden verlieren Gilead aufgrund der Schwäche ihres von seinen eigenen Männern ermordeten Königs (2Sam 4,1). 2Sam 4 spielt dabei auf die Beseitung Pekachjas mit Hilfe von fünfzig Gileaditen an (2Kön 15,25). Insgesamt begründen 2Sam 2 - 4 den Verlust Gileads narrativ durch eine Vorgeschichte, die Verhältnisse der mittleren bzw. späten Königszeit reflektiert.

165 Vgl. 2Sam 17,27; 19,32; IKön 2,7. Gilead ist weder Judäer noch Israelit. Vgl. zur Rolle und Funktion Barsillais in den Abschieds- und Begrüßungsszenen ADAM, Absalomaufstand, (im Druck). Zum literarischen Wachstum vgl. COOK, Notes, 164.171 und vgl. den jüngsten Versuch einer literarischen Schichtung der Aufstandserzählung von AURELIUS, Unschuld, 391^(12. 166 Ygi G i [ e a ( j j m Anhang der Samuelbücher in 2Sam 24,6 als Teil des israelitischen Reiches aus später Perspektive. 167 Vgl. das umstrittene Ramoth-Gilead in IKön 22,3f.6.15.29 und dazu H. WEIPPERT, Ahab, 457^179. Nach dieser Rekonstruktion gehören die Erwähnungen Gileads in V 3 und 29 zum Grundstock von IKön 22. 168 Dass Mahanaim in 2Sam 3 nicht genannt und folglich von einem Konflikt in Benjamin auszugehen ist, bemerkt COOK, Notes, 145-177. FISCHER, Hebron, 140f., hält die Verlegung des Hofes nach Mahanaim für ein Produkt der Davidredaktion, die Ischboschet nach 2Sam 2,8f. als israelitischen König und als Nachfolger Sauls verstanden habe, und will von dieser Überarbeitung eine Grunderzählung von Abner unterscheiden.

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden

2Sam

2-4

69

2.4.3 Gibeah/Geba/Gibeon - Israel, Benjamin und Juda in der Königszeit Während man Gibeah (HS3J) bzw. Geba (S31) zumeist miteinander identifiziert, 1 6 9 unterscheidet man davon das benjaminitische Gibeon als Ort der Schlacht nach 2Sam 2f. Die Bedeutung des benjaminitischen Gibeah/Geba kann nicht ausschließlich vom Gebrauch in der Saul- und der Davidüberlieferung her erhoben werden, denn die Lage dieses Ortes in den Erzählungen kann sich der projudäischen Ausgestaltung verdanken. Die kurze Notiz der sC in l K ö n 15,22 erwähnt den Ausbau von „Geba in Benjamin" SD1 zusammen mit Mizpa unter Asa nach einem durch Asa veranlassten Schlag gegen Israel durch Benhadad von D a m a s k u s 1 7 0 und kommentiert das Geschehen: „Es war aber Krieg zwischen Abia und Jerobeam", 1 7 1 wie in 2Sam 2,17; 3,1.6. Der Vorgang ist paradigmatisch für das israelitisch-judäische Verhältnis. 1 7 2 Nach l K ö n 15,16-22 ist die Einnahme des benjaminitischen Geba Folge eines geschickten Schachzuges Asas gegenüber dem mächtigeren aggressiven Nachbarn, der auf judäischem Territorium Rama in B e n j a m i n 1 7 3 errichtete. Parallelen zum Krieg in 2Sam 2 - 3 liegen in der israelitisch-judäischen Konstellation. Anders als in l K ö n 15,16-22 siegen die Judäer ohne Bundesgenossen durch eigene militärische Überlegenheit gegen Israeliten. Das Bündnisverhalten ist beide Male entscheidend. Abners Illoyalität führt zum Untergang Israels, während Juda durch den 169 Der Gebrauch der beiden Bezeichnungen in der Saulüberlieferung legt die Identifikation nahe, vgl. M I L L E R , Art. Gibea, 9 2 2 und zum Problem auch G A S S , Ortsnamen, 4 0 5 - 4 1 0 , mit der Unterscheidung zwischen der Stadt Gibeah und dem Regierungssitz (Gibeah-Sauls/7e// el-Fül). Die Lokalisierung ist nicht geklärt. Der Vorschlag A L B R I G H T S , Gibeah sei in Teil elFül zu lokalisieren, ist nicht gesichert; vgl. Gibeah, 8 - 1 1 ; und D E R S . , Excavations. Vgl. zum Vorschlag, Geba (bisher ohne Grabung) 9 km nordöstlich von Jerusalem als Lokalisierung anzunehmen: A R N O L D , Gibeah, 59f.; gegen Teil el-Fül, 45f. Anders schlägt V A N D E R T O O R N , Saul, 5 1 9 - 5 4 2 , El-Gib (traditionell mit Gibeah identifiziert) 4 km östlich von Rama als Ort Sauls vor. Vgl. zur Diskussion auch V E R M E Y L E N , Loi, 27 Anm. 70, 55 Anm. 2 und A R N O L D , Art. Gibeah. 170 Vgl. dazu Kap. 5, 2.5 Exkurs. 171 l K ö n 15,7; vgl. 15,6 Rehabeam-Jerobeam; vgl. Abia und Asa, Abia und Jerobeam, sowie Rehabeam und Jerobeam. l K ö n 15,6 fehlt in LXX. Wurde der Zusatz im Text ausgehend von l K ö n 15,16 in l K ö n 15,7b eingefügt und dann nur im MT auch noch in 15,6? Die Übertragung bereits auf das Verhältnis zwischen Jerobeam und Rehabeam wäre dann aus der späteren Zeit zunehmend in die Vorzeit verlagert und in M T wiederholt worden. 172 Die paradigmatische Bedeutung des Vorfalls unterstreicht seine Wirkungsgeschichte in 2Chr 13. Die Einnahme von benjaminitischem Territorium durch den judäischen Staat wird ausgeweitet, bereits Asa zugeordnet und damit weiter an den Beginn der Geschichte der „geteilten" Reiche gerückt. Jerobeam schreibt Chr in diesem Zug die Eroberung Bethels, Jeschanas und Efrons zu. Nach R. W. K L E I N , Campaign, 2 1 0 - 2 1 7 ist dies als Überlieferungswachstum ohne Bedeutung für die israelitisch-judäische Geschichte der Königszeit, denn die Informationen entstammen der Jos 18,21-24 überlieferten Liste, die dem Chronisten in anderer Form vorlag. Nach WELTEN, Geschichte, 116-129 kommt die Episode ganz ohne Verwendung älterer Quellen aus. 173 Meist identifiziert mit er-Ram (1722.1402), vgl. GASS, Ortsnamen, 244. Ab wann genau man mit „Benjamin" eine Wertung verband, kann hier nicht geklärt werden; l S a m 9,1 wertet bereits ausgehend von l K ö n 15,22.

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Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

scheidend. Abners Illoyalität fuhrt zum Untergang Israels, während Juda durch den Bündnisbruch mit Israel dieses durch die Aramäer unter Druck setzen kann. 174 Gibeah/Geba Abgesehen von HSDS als Bezeichnung für „Hügel" 1 7 5 verweist der Ort wie lKön 15,22 auf den israelitisch-judäischen Kontrast. 176 Im Zusammenhang mit Saul ist der Ortsname keiner quellenhaften Grundschicht der Überlieferung zuzuweisen (lSam 10,5 Gibeah Gottes; lSam 10,10), sondern der Kontrastrelation zwischen David und Saul verhaftet (z. B. 10,26; 15,34), innerhalb derer ihn die Fluchtgeschichten stilisieren. 177 Die scheinbar neutrale Erwähnung Gibeahs widerlegt nicht die negative Konnotation des Ortes durch die Verbindung mit den Sauliden in lSam 11,4; 13,2.15; 14,2.16 178 sowie in der negativen Wirkungsgeschichte in Ri 19. 179 Sauls Stammsitz in Gibeah 1 8 0 (lSam 9,1), ist im Saul-David-Kontrast verortet. Weder finden sich weitere Angaben zum Ort selbst, noch eine Beschreibung eines Weges dorthin oder einer geographischen Auffälligkeit, 181

174

Auf die Verbindung zwischen Geba/Gibeah in lKön 15,22 und Gibeon 2Sam 2,12f. 16.24 als Ort des Krieges ist unten einzugehen. 175 lSam 26,3 Hügel Hachila als Ort Sauls; 2Sam 2,24f. Höhe Amma. Vgl. lSam 7,1; 2Sam 6,3 Haus des Abinadab: Stand das Haus Abinadabs in Kirjath-Jearim, ist „Hügel" als Bedeutung anzunehmen. Auch wenn Gibeah als Ortsname anklingt, so ist auch dies nicht wertneutral, denn 2Sam 6,1-19 werten Ussa im Vergleich zu David ab. Er lässt keinen Raum für die Willenserklärung JHWHs, sondern überfuhrt die Lade offensichtlich gegen JHWHs Willen. Der Gibeonit kommt deswegen zu Tode, was den Zorn Davids hervorruft (6,8 V m n ) . David ist ehrfurchtsvoll-abwartend geschildert (6,9-12); ihm gelingt es, in einer rite vollzogenen Kultprozession mit Opfern und kultischem Tanz selbst die Lade JHWHs „hinaufzufuhren" (2Sam 6,15). 176 Sam - Kön erwähnen Gibeah insgesamt 25 Mal. In Kön findet sich keine weitere Erwähnung des Ortes. lKön 14,23; 2Kön 16,4; 17,10 bezeichnen mit 2731 Kulthöhen. lSam 13,3.16; 14,5 gehören in den Kontext der SD-Kontrastrelation ebenso 2Sam 5,25 Davids Erfolg gegenüber den Philistern, vgl. lSam 14,52; vgl in Kön nur 2Kön 23,8 dtr zur Kultzentralisation. 177 lSam 23,19; 26,1; vgl. noch 2Sam 23,29 Ittai aus Gibeah in Benjamin. Zu Alter und Herkunft von 2Sam 21 - 24 vgl. DIETRICH/NAUMANN, Samuelbücher, 157-168. Die Form der Heldenliste, sowie einzelne Inhalte (21,1-14; 23,16-17) weisen auf späte Entstehung hin. VlXtf nSDJ 2Sam 21,6 (LXX Taßarov); vgl. lSam 11,4; 15,34; Jes 10,29 ist kaum vorexilisch und die Auslieferung der Sauliden kein wertneutraler Kontext. 178 Davids Siege über die Ammoniter gegen deren Hauptstadt Rabba in 2Sam 10-12 dürften im Hintergrund entsprechender Bemühungen Sauls im Ostjordanland stehen. 179 Vgl. zur literarischen Einordnung nicht in die frühe Königszeit BECKER, Richterzeit, 297; vgl. KRATZ, Komposition, 216f. als späte stammesgeschichtliche Anhänge; mit altem Kern aus der Davidzeit in Ri 19* hingegen JÜNGLING, Richter 19, 263.284.293; v g l . SCHERER, Ü b e r l i e f e r u n g e n , 1 7 1 .

180 Möglicherweise verband man mit Gibea und Geba unterschiedliche Erinnerungen; Gibeah Sauls könnte einen Festungsort bezeichnen 1 Sam 1 l,4f.; 15,34; 2Sam 21,6; Jes 10,29; und vgl. lSam 10,26; 22,6; 23,19; 26,1, während man mit Geba Ri 19,15; 20,15 einen benjaminitischen Ort mit Bewohnerschaft verband, vgl. GASS, Ortsnamen, 406. 181 Der Weg des Assyrerkönigs aus Sicht von Jes 10,29 fuhrt durch das Gibeah Sauls bzw. Geba und ist mit dem Untergang des Nordreiches verbunden, für den Saul noch für

2. Israels Niederlage

und das Ende der Sauliden

2Sam

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außer seiner Lage in Benjamin. Gibeah war niemals Ort eines Königs nach oder vor Saul, was k a u m in der Kleinheit des Reiches selbst begründet liegen kann. Als innerbiblische Wirkungsgeschichte spielt Hos 9,9 auf die mit Gibeah assoziierten Tage der Verderbnis und damit auf das Saulidenreich an ( n i S ü n / / 1117). Hos 5,8 nennt Gibeah und Rama als Städte und B e n j a m i n in der Komposition, die die Geschehnisse des syrischephraimitischen Kriegs reflektiert. Hosea 10,9 (vgl. die Höhen Israels in 10,8) weist auf Israels Sünde „seit den Tagen Gibeahs." Gibeah steht hier metonymisch f ü r die Frühzeit der Königsgeschichte und ihr von j e h e r schuldhaftes Verhalten, auf die Israels gegenwärtige Schuld (Xün) bezogen wird. Diese prophetische Perspektive verschweigt den Dynastiebegründer Saul. Gibeon G i b e o n 1 8 2 ist in seiner Bedeutung ebenso unbestimmt wie Geba/Gibeah („Hügel"). Die N a m e n s f o r m 1 8 3 ist vergleichbar Beschreibewörtern auf -ön >]i, bei denen es sich fast durchweg u m Denominative handelt; eine Bildung, die sich m e h r f a c h bei Ortsnamen findet.184 Die f ü n f f ü r ein von Gibeah unabhängiges Gibeon genannten B e l e g e 1 8 5 erge-

lange Zeit stand, der hier j e d o c h Unheil f ü r Jerusalem ankündigt, vgl. BARTH, JesajaWorte, 76. 182 Die Lokalisierung Gibeons mit el-gib vgl. PRITCHARD, Gibeon, ist nicht gesichert, vgl. zustimmend HANDY, Art. Gibeon, 922f.; verhalten hingegen NOTH, Könige, 50: „möglich". Methodisch ist gegen ARNOLDS Vorgehen in DERS., Gibeah, 20f., einzuwenden, dass er von einer scheinbar gesicherten Lokalisierung von Gibeon ausgeht und schon aus diesem Grund den Ort von Gibeah und Geba unterschieden wissen will. Vgl. kritisch zu Pritchards Vorschlag WANKE, Art. Gibeon, 256f. 183 Vgl. RICHTER, Materialien, 56. 184 Vgl. m p - p o i p „östlicher"; p"? - l'Un1?; DJS - p ö S K ; vgl. ferner IlV'X/pVplP'K/ i n s ; vgl. BAUER/LEANDER, Grammatik, § 61q0 und R. MEYER, Grammatik, § 41,2; BORÉE, Ortsnamen, 58.62, Lokalendung. 185 Vgl. ARNOLD, Gibeah, 21 A n m . 4, 141: 1. Die Liste der benjaminitischen Städte Jos 1 8 , 2 1 - 2 8 mit dem Gebietszuwachs der judäischen Städte in Benjamin nach dem Fall des Assyrerreiches (etwa nach 620 v. Chr.; vgl. ALT, Judas Gaue, 281.284.287), die u. a. Geba 273a, Gibeon IIJDJ, Gibeath flSDJ von Kirjath(-Jearim) erwähnt. Will m a n hier nicht von zwei verschiedenen Listen ausgehen, müsse man drei Orte mit der Wurzel 1731 unterscheiden: Geba, östlich und Gibeon westlich der palästinischen Wasserscheide, sowie den „ H ü g e l " von Kirjath Jearim; vgl. zur Unterscheidung Gibeon/Gibeah/Geba: ARNOLD, Gibeah, 20f. und vgl. zu Gibeat-Kirjath-Jearim auch Jos 15,9; ARNOLD, Gibeah, 39f. 2. Jos 21,17 erwähnt neben Gibeon und seinen Weideplätzen Geba und dessen Weideplätze. 3. Beide werden in Genealogien unterschieden, vgl. IChr 8,6 (vgl. l C h r 6 , 4 5 ; 2Chr. 16,6) Geba und 8,29 Gibeon. 4. Benjaminitische Bürger beim Wiedera u f b a u Jerusalems w e r d e n einerseits mit dem Herkunftsbegriff „Gibeoniten" bezeichnet (Neh 3,7); andererseits werden 5. benjaminitische Bürger in Neh 12,29 „aus den Gefilden von Geba und A s m a w e t h " vermutlich von den Gibeoniten unterschieden. Die beiden letzten Belege entsprechen aber der V e r w e n d u n g des Denominativs f ü r die Bewohnerschaft. Deshalb können die in Neh 3,7 benannten Bürger aus Gibeah g e k o m m e n sein. Ob die E r w ä h n u n g einer Person Gibeons aus Gibeon in der genealogischen Liste in l C h r 8 , 2 9 gegen eine Identifikation mit G e b a spricht, ist äußerst fraglich, zumal dort ausdrücklich auch Kisch, der Vater Sauls erwähnt wird, der nach dieser Liste in Gibeon(!), nicht aber in G e b a wohnt.

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Kapitel

2: Saul- und

David-Überlieferungen

ben kein eindeutiges Bild, ab w a n n b z w . in welchen Kreisen die beiden Orte identifiziert w u r d e n , bzw. w o und wie lange m a n sie unterschied. „ G i b e o n i t e n " konnte die B e w o h n e r eines Ortes G e b a / G i b e a h bezeichnen, wie in der nachexilischen Erzählung 2 S a m 21,1—4. 9 und diese Identifikation findet sich auch in L X X . 1 8 6 Gibeon wird g e h ä u f t im J o s u a b u c h und m e h r f a c h in der chronistischen Ü b e r l i e f e r u n g erwähnt, nicht j e d o c h im R i c h t e r b u c h . 1 8 7 Eine spätere E i n g l i e d e r u n g in Israel in narrativer F o r m nach Jos 9 als ein zunächst n o c h von Israel u n a b h ä n g i g e s Gebiet G i b e o n entspricht der Intention, Judas B e t e i l i g u n g an der E i n n a h m e zu relativieren. Die Gibeon später eingezeichneten Züge einer K ö n i g s s t a d t (Jos 10,2) 1 8 8 stehen nicht am U r s p r u n g der Überlieferung, sondern sind ein wirkungsgeschichtlicher R e f l e x auf Sauls R e i c h . 1 8 9 D i e Gauliste unter S a l o m o f u h r t G i b e o n mit der großen bamah auf ( l K ö n 3,4f.). W ä h r e n d l K ö n 3,5 und das korrespond i e r e n d e 9,2 dtr s i n d , 1 9 0 weist nichts auf eine dtr Interpretation der großen bamah in l K ö n 3,4 hin, so dass man zunächst ältere vor-dtr Ü b e r l i e f e r u n g erkennen wollte, nach der G i b e o n als benjaminitisches Heiligtum S a l o m o u n t e r s t a n d . 1 9 1 W u c h s die K o m p o s i t i on der S a l o m o ü b e r l i e f e r u n g hingegen in zwei R a h m u n g e n u m den T e m p e l - und Palastbau 1 K ö n 6,1 - 9,9, zunächst in 5 , 1 5 - 3 2 ; 9 , 1 0 - 2 8 und sodann in l K ö n 3 , 4 - 5,14 und 1 0 , 1 - 2 9 zu S a l o m o s Pracht und Weisheit, liegt nahe, dass in 3,4 - 5,14 nach-dtr Erweiterungen v o r l i e g e n . 1 9 2

Die Lokalisierung der Handlung in Gibeon in 2Sam 2 , 1 2 - 3 , 1 ist der Erzählintention geschuldet, nach der die Israeliten auf benjaminitischem Territorium 193 gegen die Judäer, antraten und besiegt wurden. Geba/Gibeah und Gibeon in Benjamin beziehen sich zwar weitgehend auf unterschiedli-

186 V g l d i e Identifikation Gibeahs mit G i b e o n in L X X vs. M T : 2 S a m 5,25 SHJD; L X X r a ß a c o v ; 2 S a m 2 1 , 6 VlSltf n » 3 1 ; L X X T a ß a c o v ; 2Chr 13,2 LXX k n o T a ß a c ü v . V o n Gibeon ist neben der E i g e n s c h a f t als Königsstadt nach Jos 10,2 lediglich die Zugehörigkeit zum benjaminitischen/israelitischen Territorium bekannt, vgl. zur V e r m i s c h u n g der Orte auch DEMSKY, Geba, 2 6 - 3 1 . 187 D o r t steht Gibeah in B e n j a m i n ; Ri 1 9 - 2 1 bezeichnet die B e w o h n e r Gibeahs nicht als G i b e o n i t e n , sondern stets als „ M ä n n e r von G i b e a h " . Vgl. Gibeon Jos 9,3.17; 10,1.2. 4 - 6 . 1 0 . 1 2 . 4 1 ; 11,19; 18,25; 21,17; 2 S a m 2 , 1 2 f . l 6 . 2 4 ; 3,30; 2 S a m 20,8; l K ö n 3 , 4 f . ; 9,2; Jes 28,21; J e r 2 8 , l ; 41,12.16; N e h 3,7; 7,25; I C h r 8,29(2x); 9,35(2x); 14,16; 16,39; 21,29; 2 C h r 1,3.13. 188 Vgl. dazu die Diskussion u m G i b e o n als Königsstadt Sauls bei BLENKINSOPP, Saul, 1 - 7 , EDELMAN, Saul Ben Kish, 1 4 2 - 1 5 9 ; KNAUF, Roi, 90 und NIEMANN, Shadow, 267f. 189 Vgl. zur V e r b i n d u n g Gibeons mit den Sauliden BLENKINSOPP, Gibeon, 5 8 - 6 4 . 190 Vgl. NOTH, Könige, 45.50. 191 Vgl. WÜRTHWEIN, A T D 11,1, 32f.; bzw. bereits zur Zeit Sauls, vgl. oben BLENKINSOPP, G i b e o n . GLEIS, B a m a h , 95; vgl. ferner 9 4 - 1 0 1 , weist „ g r o ß " dtr zu, weil dies Gibeon und seine große bamah als Zentralheiligtum charakterisierte, die dem königlichen H e i l i g t u m in J e r u s a l e m vorausging. 192 Vgl. KRATZ, Komposition, 167f.; anders rechnet SÄRKIÖ, Weisheit, 25.39.43.57 mit vor-dtr Material in 3,4f. 14. 193 v g l . die B e n j a m i n i t e n als Handlungsträger und B e n j a m i n als S t a m m e s g e b i e t 2 S a m 2,9.15.25.31; 3,19; 4,2. Die V e r b i n d u n g G i b e o n s / B e n j a m i n s mit den Sauliden ist deutlich.

3. David als Vasall der Philister

lSam 27,1 - 28,2; 29

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che Orte, doch steht die Einnahme Gebas nach l K ö n 15,22 durch die Judäer am Ausgangspunkt der Überlieferungen. 194

3. David als Vasall der Philister lSam 27,1 - 28,2; 29 2Sam 2 - 4 erzählen von der Konstellation zwischen Israel und Juda und den Bezügen zu deren Verbündeten anhand von Interaktionen der Einzelfiguren, z. B. David-Ischbaal, Abner-David, Abner-Ischbaal. Als Funktionsträger ihrer Reiche repräsentieren sie diese. 195 Ihre jeweilige Stellung innerhalb hierarchischer Verhältnisse ist eine entscheidende Voraussetzung für die Bearbeitung der Themen Loyalität und Bundesbruch (bzw. Krieg) zwischen Staaten. Im Fall der Geschichtserzählungen von 2Sam 2 - 4 bilden die Interaktionen zwischen den Erzählfiguren das israelitischjudäische Verhältnis als kulturgeschichtliche Vorgabe ausgehend von Ereignissen der späteren Königszeit ab (mimesis II). Diese Darstellungstechnik lässt sich auch für weitere Daviderzählungen vermuten. Die vorgegebene Motivik von Bündnisbruch und Herrschaftswechsel könnte dann wie in 2Sam 2 - 4 als Folge von Fortschreibungen umgesetzt worden sein. Der Plot der Daviderzählung thematisiert Bündnisbruch und Loyalität im Verhältnis Davids zu Saul und den Sauliden. Im folgenden wird Davids Lossagung von Saul und seine Flucht zu Achisch von Gat untersucht und ihr Verhältnis zur älteren Überlieferng von der judäischen Geschichte ermittelt. 3.1 Plot und Aufbau Figurenkonstellation und Handlungsabfolge in lSam 27,1 - 28,2; 29 unterscheiden sich von der Fluchterzählung lSam 26, sowie von lSam 28,3-25 und 30. Die Philistererzählungen bilden eigenständige Erzähleinheiten. 196 Im Plot der Saul-David-Geschichten verändert sich mit Davids Lossagung von Saul zu Achisch als neuem Herrn die Figurenkonstellation. Den Anschluss zur Fluchtsituation schaffen 27,1-4. Diese rahmt das Stichwort „verfolgen" 27,1.4, sowie üVö (V 1 3x) und m n (V 4). Innerhalb 194 v g l . den Krieg aufgrund der von den Benjaminiten an einem Leviten bzw. an dessen Frau verübten Schuld Ri 20 als benjaminitisch-judäischer Konflikt. 195 Vgl. zu ihrem Verständnis als Allegorie KURZ, Metapher, bes. 60-63; vgl. CANCIKLlNDEMAIER, Allegorie, 4 2 4 - 4 2 9 und vgl. oben Kap. 1, 3.3. 196 lSam 26,25b schließt die Erzählung ab; lSam 27,1 setzt neu ein. lSam 29,1 nimmt den Zusammenzug der Heere nach 28,1 f. auf. Der Wechsel zur Figurenkonstellation David-Achisch(-die Philisterfürsten) allein muss nicht auf literarische Eigenständigkeit von l S a m 2 7 , l - 28,2; 29 hinweisen, wird aber innerhalb einer AG als quellenbedingt verstanden, vgl. STOLZ, ZBK, 168

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Kapitel

2: Saul- und

David-Überlieferungen

dieser Inklusion halten 27,2f. fest, dass David zu Achisch von Gat überlief (vgl. „Achisch"/„in Gat"). VI

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Mit der Figurenkonstellation, in der der Philister Achisch als hierarchisch Übergeordneter an die Stelle Sauls tritt, vergleichen die Erzählungen implizit Saul und David. 197 David schlägt, anders als Saul, Israels Erzfeinde zwar nicht militärisch aber durch List. Im Erzählzusammenhang impliziert Davids Wechsel zu den Philistern auch einen Vergleich zwischen Saul und dem Philisterfürsten als Herrn Davids. Anstelle des israelitisch-judäischen Verhältnisses thematisieren die Erzählungen Judas Vasallenstatus gegenüber einer Feindmacht. Die Ausgestaltung von lSam 27. 29 verstärkt diese im Plot angelegte Parallelisierung Israels mit den Fremdmächten in der gerafften Aufstiegsschilderung Davids, der „Gnade in den Augen" des Königs findet (lSam 27,5), als dessen Untergebener (vgl. 27,12 7327) am Königshof lebt, 198 die judäische Grenzstadt Ziklag als Lehen erhält, in der er siedelt ( a t f ' lSam 27,6), ein Ort auf dem Land m f o n T » (27,5) außerhalb der Hauptstadt (naVöDH Vi? 27,5). lSam 27,1 - 28,2 entfalten Davids relative Autonomie im hierarchischen Verhältnis, durch das er sich aus Achischs unmittelbarer Kontrolle löst und diese Chance nützt, um den verhassten feindlichen König zu täuschen, indem er Raubzüge ( W S ) gegen dessen Feinde vorgibt (27,10). 199 Die weitgehend als wörtliche Rede gestalteten Erzählungen 27,1 - 28,2; 29 führen dieses hierarchische Verhältnis zwischen David und Achisch und grundsätzlich den Umgang des Königs mit Untergebenen thematisch aus.

197

Die Philister sind Feinde beider Könige; l S a m 14,47-52; 2Sam 5 , 1 7 - 2 5 ; 8 , 1 1 - 1 5 . Vgl. schon BUDDE, KHC Samuel, 104; vgl. KLEIN, David versus Saul, 9 5 - 9 8 . 198 Vgl. zum Verhältnis Achischs zu David als Bundesverhältnis in 27,12 KALLUVEETTIL, Declaration, 1 6 5 - 1 9 6 . 199 Dass David die Überfallenen tötet, beraubt Achisch der Kontrollmöglichkeit, wird vom Erzähler als List interpretiert und ist nicht aus neuzeitlichem Empfinden heraus als „Grausamkeit" Davids zu werten.

3. David als Vasall der Philister

lSam 27,1 - 28,2; 29

75

3.2 Achischs Vertrauen zu David Die Erzählform direkter Rede sowie die Terminologie betonen das Bundesverhältnis zwischen den beiden Protagonisten. Achischs Vertrauen auf David (lSam 27,12 p X hi) wird wertend beschrieben: Er rechnet nicht mit einer List seines Dieners und vertraut David in unangemessener Weise. 200 Der Handlungsverlauf führt die von Achisch vorausgesetzte Vertrauenswürdigkeit seines Untergebenen David aus.201 Achisch setzt voraus, David sei Israelit; der Erzähler rechnet mit dem Wissen des Lesers um Davids judäische Identität. Aufgrund seines Vertrauensverhältnisses gewährt Achisch David die herausragende Stellung als Leibwächter 202 und sagt ihm eine Karriere im Krieg gegen Israel voraus (lSam 28,1). Allein die überschwänglich zugesagte fortwährende Dauer des Dienstes erweist den Philister als leichtgläubig. 203 Davids geschicktes Verhalten ihm gegenüber hebt die Gesprächssequenz formal durch die abschließende längere direkte Rede zwischen Achisch und David hervor. l S a m 27,1 2f. 4 5 6 7 8f. 10-28,2

Direkte Rede: Erzählung: Erzählung: Direkte Rede: Erzählung: Chronologische Notiz Raubzüge Davids Direkte Rede:

David Hinwendung zu Achisch Abwendung von Saul David Ätiologie Ziklag David Achisch-David

Die Vertrauensmotivik am Ende des Dialoges erhöht die Erwartung, David werde mit den Philistern gegen Saul kämpfen (lSam 29). David ist als nur scheinbar treuer, tatsächlich betrügerischer Vasall des Achisch gezeichnet 200 3 hi bleibt (im weisheitlichen Kontext) exklusiv dem Verhältnis zu J H W H vorbehalten, vgl. 24 Belege für 3 J Ö S : Gen 15,6; Ex 14,31; 19,9; Num 14,11; 20,12; Dtn 1,32; 28,66; 2 K ö n 17,14; Jer 12,6; Jon 3,5; Mi 7,5; Ps 78,22.32; 106,12; 119,66; Prov 26,25; H i 4 , 1 8 ; 15,15.31; 24,22; 39,12; 2Chr 20,20. An allen neun Stellen in Hi ist die Wendung 3/V ]QX mit einer Negation verbunden und Ausdruck dafür, dass es als äußerst riskant erscheint, sich auf jemanden zu verlassen (vgl. H i 4 , 1 8 ; 9,16 Zweifel an Gottes Hören; 15,15.22; 24,22; 39,12; und vgl. textlich schwierig Hi 15,31; 29,24a; 39,24). Vgl. die Warnung vor Vertrauen gegenüber Brüdern Jer 12,6 und vor Vertrauen gegenüber Nächsten und Freunden Mi 7,5; vgl. JEPSEN, JOS, 322-324. Für das Vertrauen eines Volkes auf den Herrscher vgl. Ri 9,26 3 201 Achisch vermutet, David habe sich in Israel verhasst gemacht, vgl. 27,12 WH2 hi, (vgl. l S a m 13,4; 2Sam 10,6; 16,21 ni; Ex 5,21; 7,18.21; 8,10; 16,20.24 qai) und könne daher nicht mehr zurück, sondern werde für immer DVl2?V bei Achisch bleiben. 202 tfjpi, ¡ s t s o n s t „¡cht belegt. 203

Die nicht leicht zu interpretierende Zeitangabe über Davids Aufenthalt bei Achisch Q'UHn nSDIJO 27,7 teilt möglicherweise bewusst nur eine ungefähre Vorstellung über Davids Verbleib mit. Die klare Begrenzung steht Achischs H o f f n u n g entgegen, David werde für immer bei ihm bleiben (27,12; 28,2).

76

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

(27,10), Achisch als naiver Herr, der Davids judäische Identität und Interessen nicht durchschaut, der ihm unbedacht eine Vertrauensstellung und die Teilnahme an Feldzügen zusagt. David beantwortet dies mit dem vieldeutigen Hinweis, Achisch werde „erfahren, was dein Knecht tut" (28,2). Davids klugem Taktieren steht Achischs naives Vertrauen unter Annahme dauerhafter Loyalität entgegen (27,12; 28,2). lSam 29,1-11 führt das Vertrauensverhältnis zwischen Knecht und Herr weiter aus und schließt in der narrativen Struktur an lSam 27,1 - 28,2 an, indem der Schwerpunkt (wie in lSam 27,10 - 28,2) in der direkten Rede liegt. 29,1 Einleitung: 2 3a 3b 4 5

Heere in Aphek/Jesreel (vgl. 28,1) Philisterheer und Davids Männer Anschuldigung: „diese Hebräer"

I. Loyalitätsversicherung Achischs: „Er war mit mir ... Ich habe nie etwas an ihm gefunden ..." Beharren der Philister auf den Beschuldigungen Zitat des Siegesliedes

6 7

2. Loyalitätsversicherung Achischs: „Du bist recht,... Ich finde kein Böses ..." Aufforderung zur Rückkehr Unschuldsbeteuerung Davids: „... Was hast du an deinem Knecht gefunden, dass ich nicht ...mit den Feinden meines Herrn, des Königs kämpfen darf?"

9 10

3. Loyalitätsversicherung Achischs: „Ich weiß, dass du gut bist .... wie ein Engel Gottes." Aufforderung zur Rückkehr (mit den „Knechten deines Herrn")

11

Abschluss:

Rückkehr Davids, Philisterauszug

Die Redepartien führen das Vertrauensverhältnis des (Groß-)Königs zu seinem Vasallen 204 aus. Die Loyalitätsversicherungen sind steigernd angeordnet 205 und verweisen mehrfach auf den Beginn des Vasallitätsverhältnisses. 206 Während man die Loyalitätsversicherungen in lSam 27,1 - 28,2; 29 als positive Erzählerwertungen des Vertrauens zwischen Achisch und

204

Vgl. auch BRUEGGEMANN, Intentionality, 26f.: „the crucial rhetorical factor in the narrative"; zur Bundesmotivik vgl. KALLUVEETTIL, Declaration, 165f.171-173.196. 205 Die Formulierung 3 XSÜ bezeichnet die Integrität des Knechts, vgl. in 1 Sam 29,3 HÖ1KD 13 'nSSÖ-SV; 29,6 Hin 13 ' n X ^ X 1 ? ; 29,8 T73S3 TISSD-nül. 206 Yg[ j V on dem Tag an, als er gefallen ist, bis zum heutigen Tag" 29,3, vgl. 29,6 „seit dem Tag, an dem du zu mir gekommen bist"; 29,8: „seit dem Tag, an dem ich vor dich kam, bis zu diesem Tag".

3. David als Vasall der Philister

lSam 27,1 - 28,2; 29

11

David verstehen könnte, 207 zeigen einzelne Formulierungen eine kritische Sicht auf dieses Verhältnis. Achischs Bezeichnung Davids als einen „Boten Gottes" (29,9) stellt sein Vertrauen als übertrieben und unklug dar. Die Betonung von Davids Anerkennung als vertrauenswürdigem Knecht durch Achisch 208 wertet letzteren ab. Im einseitig integren Verhältnis gehört dem betrügerischen (27,8-11) judäischen Vasallen David die Sympathie; der leichtfertig vertrauensselige (|ÖS ni) verhasste Philisterfürst wird als zurecht betrogen dargestellt. 209 Die Parteilichkeit des Erzählers 210 dient der Identifikation der Rezipienten mit dem Vasallen und der Abwertung des als Großkönig 211 geschilderten Philisterfürsten. 3.3 Die Transparenz der Figuren auf geschichtliche

Größen

212

Davids Vasallenverhältnis gegenüber Achisch entspricht strukturell jenem gegenüber Saul und er ist aus judäischer Perspektive ähnlich verhasst 207

Vgl. die Zurückweisung möglicher Verdächtigungen durch 2 SSÖ 29,3.6.8 sowie durch l ' j n i n s s a 27,5, vgl. l S a m 16,22; 20,3.29. 208 Vgl. BRUEGGEMANN, Intentionality, 28. Die Terminologie spiegelt das hierarchische Verhältnis. Der frühere 1TTK Davids ist Saul in 29,3 (auch in 29,10?). Die Verhältnisbegriffe nennen explizit Davids Vasallenstatus; vgl. l S a m 29,3 Vmtf 29,4 l ' H S ; 29,8 'JTK; 29,10 p n x ' i n s . David ist durch seine Zugehörigkeit als Vasall/ Knecht beschrieben und die Philisterfursten erfragen ausdrücklich diesen Status: „Ist dieser nicht David?". Davids Loyalitätsverpflichtung überhaupt und im Besonderen gegenüber Achisch werden dargestellt: Als Knecht Sauls (VlXtP' "731? V 3; vgl. diese Bezeichnung im Plural vor allem in späten Stellen l S a m 16,15; 17,8; 18,5[nur MT].23f.30 [nur MT]; 21,8; 22,9), wird er mit Saul gegen die Philister kämpfend im Siegeslied genannt (V 5; vgl. l ' n s V 4; in der Rede Achischs " p n x V 10). Achisch versteht David nicht nur als (ehemaligen) Knecht Sauls, der nun „mit den Knechten deines Herrn" ("piTN H S S ) gehen soll, sondern drückt mit der Bezeichnung als „Bote Gottes" auch sein übertriebenes Vertrauen ihm gegenüber aus. 209 Die Erzählung urteilt nicht negativ über den Vasallen David als möglichen Verräter; anders BRUEGGEMANN, Intentionality, 28. 210 Vgl. die Wertungen durch Hinweis auf die Sicht der entsprechenden Figuren: 29,6 „recht und gut ... in meinen Augen" T1D/HP''; „nicht gut ... in den Augen der Fürsten der Philister"; 29,9 „gut in meinen Augen" und ferner „gut"/„nicht gut" D1D/31D X1? V 6.9 oder schlecht H5J1 V 6. LXX verstärkt dies mit der Einfügung in 29,10b ÖXl ÜyaQÖq o ü fevocmiöv |IOD- K a i ö p B p i o a x s fev t p ö5q>, K a i ( p c o n o d t c o b | a t v , K a i 7IOp£Ü9r|Te. Die Formulierung „Böses/Gutes vergelten" l S a m 24,17.19; vgl. 26,23 bezeichnet ein Verhalten im Bundesverhältnis, vgl. dazu Kap. 3, bes. Anm. 27 und BRUEGGEMANN, Intentionality, 27. 211 Vgl. Achischs Titel " p » l S a m 27,2.5; 21,11.13 gegenüber KP 1 Sam 29,3.4(2x).9 bzw. p O 1 Sam 29, 6f. 212 Der N a m e ist in der Inschrift aus dem 7. Jhdt. aus Ekron belegt (pj?S "lil>; vgl. "Iii? l S a m 29,3.4(2x).9) bei DOTHAN/GITIN/NAVEH, Inscription, 1 - 1 6 , und NAVEH, Achish - Ikausu, 36f. und Ikausa von Ekron in der Liste über Lieferanten von Baumaterial für Asarhaddons Palast in Niniveh 6 8 0 - 6 6 9 v. Chr., A N E T , 291 sowie in Assurbani-

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Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

wie der Israelit Saul. Beide Erzählungen bilden hierarchische zwischenstaatliche Verhältnisse ab, l S a m 2 7 , l - 28,2 setzt jedoch die Möglichkeit der Landvergabe voraus. Davids Ablösung des Bundesverhältnisses mit Israel durch Hinwendung zum (Groß-)König der Philister (27,1) als Erzfeind Israels entspricht konzeptionell geschichtlichen Erfahrungen Judas, die sich aus Davids Unschuldsbekenntnissen gegenüber dem Großkönig erschließen lassen. Die Redewendung „etwas finden an" 3 ... NXD findet sich im konzeptionell verwandten Kontext der geschichtlichen Erfahrung des Untergangs Israels nach 2Kön 17,4. Der vom assyrischen Großkönig aufgedeckte Aufstand seines israelitischen Vasallen 213 Hosea durch den Großkönig, führt zur Gefangennahme des tributpflichtigen Knechts (17,3 IDV/nrUft) und Israels Untergang. Das Verhalten gegenüber einem Großkönig, der im besonderen Fall die Macht repräsentiert, die Israel vernichtet und Juda bedroht, führt zum Untergang eines Staates. Der Vorgang gibt die Struktur der Reflexion der Vasallenrolle vor. Davids Integrität beschreiben l S a m 2 7 . 29 als Verhalten in einem politischen Bündnis, 214 wobei David seine Entscheidungsbefugnis in seinem Status als Vasall gegenüber Achisch zu seinen Gunsten ausschöpft, sich gleichwohl als loyaler König präsentieren kann. Die Bedeutung der Loyalität des Vasallenkönigs gegenüber seinem Großkönig ergibt sich aus der damit verbundenen Frage nach dem Überleben des Staates überhaupt. Figurenkonstellation und Motivik der Achisch-David-Erzählungen spiegeln die israelitisch-judäische Geschichte, besonders im neunten und achten Jahrhundert. Davids Flucht vor seinen Herrn, der ihn töten will (27,1), greift israelitisch-judäische Auseinandersetzungen auf. Nach einer pals Feldzug nach Ägypten 667 v. Chr., ANET, 294. Vor allem seit der assyrischen Eroberung im späten 8. Jahrhundert gewann Ekron an Bedeutung. Die Verbindung des Stadtfursten mit den Assyrern bestätigt die Verwendung der Philister als überzeitliche Chiffre für Feinde, unter anderem auch fiir die Assyrer. 213 -Iip'p W i m nWS-lVD s s n ' l . Die Redewendung fällt wegen der selten verwendeten Abstrakta als Objekte des Verbs auf. Meist steht an der Stelle ein Gegenstand. Unter den Abstrakta ist am häufigsten (42x) die Redewendung „Gnade in den Augen von ... finden" (... fn XXD) belegt; vgl. Gen 6,8; 18,3; 30,27; 32,6; 33,8.10.15 usw. Vgl. in lSam 8,15 (dtr): nichts finden in meiner Hand (nülXÖ ' T 3 XSÜ); vgl. lSam 25,28 nichts finden in deiner Hand; vgl. Jer 2,5 Unrecht; Jer 5,26 Gottlose; 11,9 Verschwörung ( W p ) unter den Männern Jerusalems und den Bewohnern Judas; Ez 28,15 Schandtat; Zeph 3,13 Lügenzunge; Mal 2,6 Trug auf den Lippen; Hi 17,10 Weisheit; Böses/Bosheit (HJ7T) finden: Dtn 31,17.21 (ohne 3); Jer 23,11; Lob/Dank ( m i n ) finden Jes 51,3; Gutes (31ü 131) finden IKön 14,13; ("DT n n » ) Dtn 24,1. Zu „etwas Böses finden an" vgl. Samuel in lSam 12,5 n m x » ' T 3 anxSÖ X1? '3. Neben häufig belegtem „Gnade finden in den Augen von" und „Aufstand finden bei ..." ist diese Wendung die engste Entsprechung zur Beschreibung der Integrität Davids als Knecht nach lSam 29. 214

Nicht nur in vorexilischer Zeit, vgl. z. B. später der Aufstand der Männer Judas und der Bewohner Jerusalems gegen JHWH nach Jer 11,9 (UPp).

3. David als Vasall der Philister ISam 27,1 - 28,2; 29

79

Phase stabiler Grenzverläufe greift Israel auf Juda über, das sich mächtigere Verbündete sucht und sich damit in deren Abhängigkeit begibt. 215 In die Problematik von Judas Hinwendung zu einem äußerst verhassten und mit Israel verfeindeten Volk zeichnen die Erzählungen David als Ideal eines klugen, um das Wohl des eigenen Volkes besorgten, dem Großkönig gegenüber illoyalen Vasallen ein. Die Legitimation des Davididen als Vasall unter fremder Oberherrschaft kann auf die Zeit Manasses deuten, 2 1 6 der in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts länger als jeder andere judäische König herrschte und sich als „Sohn des Königs" Asarhaddon bezeichnete. 2 1 7 In seiner Zeit des später umstrittenen 2 1 8 assurhörigen Königs kam wohl auch Ziklag 2 1 9 an der Südgrenze zum Gebiet Judas (Jos 15,31). Die mutmaßliche Funktion der Ortsliste Jos 15,20-63 als Verwaltungseinteilung setzt ein Staatsgebilde mit zentraler Grenzkontrolle möglicherweise zur Zeit Manasses voraus. 2 2 0 Die beschriebene Herr215 216

Vgl. lKön 15,16-22; 2Kön 16,5.7-9 und dazu unten Kap. 5. Vgl. NOBEL, Davids Aufstieg, 57f.l47 mit Datierung um 800 v. Chr. und vgl.

DIETRICH, B E 3 , 2 4 9 . 217

Manasse wird ca. 673 v. Chr. von Asarhaddon als Lieferant von Baumaterial erwähnt (TUAT 1,397), um 669 oder 667 von Assurbanipal, nach dem er wie weitere Vasallen an dem Feldzug gegen Ägypten teilnahm; vgl. TIMM, Manasse, 723f. Vgl. zu den engen Beziehungen zwischen Assyrien und Juda auch DALLEY, Evidence, 387-401; zum Ägyptenfeldzug vgl. ONASCH, Eroberungen, 149f., und Teil 2, 187; vgl. den Einschub in Prisma C, eine Liste mit 22 Namen von Königen, darunter Manasse; zum Siegel vgl. AVIGAD/SASS, Corpus, Nr. 16 und S. 467 und Nr. 1006 mit derselben Inschrift aus Moab. Zurecht nehmen AVIGAD/SASS keine leibliche Abstammung an, vgl. auch GÖRG, „Königssohn", 7-11, zum entsprechendem funktionalen Verständnis des Sohnestitels in Ägypten im Alten Reich und im 1. Jahrtausend; vgl. 1 Kön 22,26 und dazu BRIN, Title, 433^165. Vgl. zur Verbindung einer Funktion mit einer bestimmten Person, an deren Stelle ein Nachfolger trat, ALT, KS 3,198-213 und vgl. HAAG, p , 672 und 679 zu Ps 2,7. Als biologische Abstammung will LEMAIRE, Note, 59-65, bes. 65 die Verbindung verstehen. 218 Vgl. die dtr Kritik 2Kön 23,26; 24,3 und *21,2-16 und zur Rekonstruktion SPIECKERMANN, Juda, 160-170; EYNIKEL, Portrait, 232-261: Manasse ist Gegenbild zu Josia, Ahab und Hiskia; HALPERN, Manasseh, 473-514. Der historische Manasse muss keineswegs unpatriotisch und proassyrisch gewesen sein, vgl. STRAVRAKOPOULOU, King Manasseh, 99-119. Zu Manasse als Bauherr vgl. KNAUF, Hezekiah, 281-300. Zur Datierung von ISam 27,1 - 28,2 in die Hiskia- oder Manassezeit vgl. bereits CASPARI, KAT VII, 349. 219 Zur Lokalisierung vgl. DE VOS, Los, 353f.369—371. Zu möglichen Spuren judäischer Besiedlung im Negev, vgl. ebda., 341-373; JERICKE, Landnahme, 329-353, ferner FLNKELSTEIN, Fringe, 103-126. 220 Abweichend von der Datierung in die Josiazeit, ALT, Judas Gaue, 276-288. Für den Kernbestand der Südgrenze Judas in der literarisch uneinheitlichen Ortsliste wird EZ II, genauer die Manassezeit erwogen; so auch im ersten Distrikt Judas Jos 15,2lb—32, vgl. DE VOS, Los, 337, 527; zum literarischen Quellenwachstum für den den ersten Distrikt 132-136; 155-165; 301-303; 341-344. FRITZ, Josua, 162 setzt die Gaueinteilung im 9./8. Jhdt. ab Abia/Asa an; vgl. zu weiteren Vorschlägen, DE VOS, Los, 483-530. Die Befestigung der Südgrenze in der Wüste war problematisch; sie war nur von geringer Bedeu-

80

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

schaftskonstellation fand sich analog in Juda auch in späteren Zeiten, wie die sprachliche Gestaltung des Textes zeigt. 2 2 1 Mit den „Philistern" als den Feinden schlechthin 2 2 2 verband man verschiedene historische Konkretionen. Gat verlor vermutlich im 9.1%. Jahrhundert durch den Krieg der Aramäerstaaten gegen die Philisterstädte unter Hasael von D a m a s k u s 2 2 3 seine Unabhängigkeit und geriet dann im 8. Jhdt. unter assyrische Herrschaft. Beide Unterwerfungen, besonders die spätere, stehen im Hintergrund der Darstellung.224 Die Zeitangabe in l S a m 2 7 , 7 „Anzahl der T a g e " (vgl. auch 2 S a m 2 , l l ) variiert die u n g e f ä h r e A n g a b e Ü'Q'S in der sC, durch die die Episode in die Chronologie der Könige von Israel u n d Juda eingefugt wird. 27,8 erwähnt Geschuriter, Girsiter und Amalekiter. Das aramäische Geschur verbindet die Vorgeschichte zum A u f s t a n d mit A b s a l o m ; 2 2 5 Jos 13,2 mit den Philistern, 13,11 mit Gilead und 13,13 versteht es als nicht erobertes Gebiet. - Die Girsiter sind nur hier erwähnt. N i m m t man keinen B e z u g zu D ' n j an, kann über ihre H e r k u n f t und Zugehörigkeit nichts gesagt werden. Die Amalekiter sind C h i f f r e für Israels bzw. Judas E r z f e i n d . 2 2 6 Sam 27,10 entstand in exilisch-nachexilischer Zeit bzw. wurde in dieser Zeit überarbeitet, denn m m 1 27,10 ist als L a n d s c h a f t s b e z e i c h n u n g aus nachexilischer Zeit be-

tung, vgl. DE VOS, Los, 492. Nicht überzeugend ist das Argument f ü r die Datierung in die Manassezeit, die Bezeichnung „Bach Ägyptens", der mit dem wadi el aris gleichzusetzen sei, sei erst nach dem Feldzug Sargons II nach Raphia (720) denkbar, vorher trage er die Bezeichnung „Bach Besor", vgl. l S a m 3 0 , 9 f . , vgl. DE VOS, Los, 498.526 mit HOOKER, Location, 2 0 3 - 2 1 4 . D e V o s ' literargeschichtliche Einordnung von l S a m 30 ist problematisch. Es ist weder die logische Folge von 2 9 , 1 - 1 1 noch die Voraussetzung für 31, vgl. VERMEYLEN, Loi, 175, mit Datierung des Kernbestandes nicht vor 587 (DtrH). 221 „Fürsten" D ' n o der Philister, vgl. in der Ladeüberlieferung l S a m 5,8.11; 6,4.12.16; ferner l S a m 7 , 7 ; Jos 13,3; Ri 3,3; 16,5.8.18.23.27.30; Sir 46,18; vorwiegend nachexilisch. „Philisterland" t r n t f t s m t i 27,7.11 findet sich nur noch in l S a m 6 , l ; VTS 27,1 ist Gegenbegriff zum Gebiet Israels, vgl. das „Gebiet (des Nordreichs) Israel" "«-lüv V o i 27,1; 2 K ö n 10,32; 14,25; vgl. 2 S a m 2 1 , 5 und l K ö n 1,3; l S a m 11,3.7 und Ri 19,29. D ' i a s „Hebräer" für David und seine Männer weist ebenfalls in die Ladeerzählung und ist kaum vorexilisch, vgl. l S a m 4,6.9; l S a m 13,3.7.19; 14,11.21; wobei 14,21 zwischen ü ' i a s ? und „Israeliten" unterscheidet. 222 Vgl. MACHINIST, Traditions, 6 7 - 6 9 . Vgl. zu den Philistern als Chiffre f ü r Feinde des 7. und 6. Jhdt. NIEMANN, Philister, 1283 und DERS., Geographie, 87f. 223 Vgl. diese Vermutung a u f g r u n d von 2 K ö n 12,18 bei JEPSEN, Israel und Damaskus, 162 A n m . 30, und NA'AMAN, Wars, 2 1 0 - 2 1 2 , mit Verständnis von Am 6,2 als Anspielungen auf diese Zerstörung im späten 9./ frühen 8. Jhdt. durch Hasael, vgl. DERS., History of David, 176-178; vgl. die Erwägung des Ausgräbers zum Zerstörungshorizont in der EZ IIA durch Hasael, MAEIR, Teil es-Safi, 244.246. 224 v g l . die Wirkungsgeschichte der Unabhängigkeit Gats und der Einflussmöglichkeiten der Philister auf Juda in der Davidüberlieferung, vgl. 2Sam 15,18f. und vgl. den judäisch-philistäischen K a m p f gegen einen Gatiter 2Sam 21,19f.22. Mit dem Verbot der K o n t a k t a u f n a h m e Schimis zu Achisch rDSÖ~|3, K ö n i g von Gat, wendet Salomo die Gefahr einer Verschwörung ab, l K ö n 2 , 3 9 - 4 1 . 225 Vgl. 2 S a m 13,37f.; 14,23.32; 15,8. Zu dem in der Überlieferung verstärkten Bezug Geschurs zu Absalom, vgl. vom Verfasser, Motivik, Figuren und Konzeption der Erzählung vom Absalomaufstand. 226 Vgl. den Exkurs 4.5.1.

3. David als Vasall der Philister lSam 27,1 - 28,2; 29

81

legt; 227 '"jXöriTn DJ3 und ' j y n DJ3 sind singulär. 228 Aphek als Versammlungsort des Heeres 29,1 erinnert in der Königsgeschichte an kriegerische Auseinandersetzungen mit den Aramäern. 229 Jesreel ist mit Erinnerungen an die Omridenzeit unter Ahab und an die Nimsidenzeit verbunden. 230

3.4 Literarische

Entwicklung

Die Erinnerungen an Aramäerüberfalle im Israel der Omridenzeit und an die judäische Grenzfestung Ziklag seit Manasse/Josia bilden den Ausgangspunkt der literarischen Überlieferung, für die sonst keine Quellen zur Verfügung standen. 231 BesonderslSam 27,1 - 28,2 bewerten das listenreiche Verhalten des judäischen Königs gegenüber dem Vertreter einer Fremdmacht positiv und beschreiben Möglichkeiten im Umgang mit einem Großkönig, wie sie sich Juda im 7. Jahrhundert boten. 232 Wie die Ergänzungen der Feinde Judas, sowie die Parallele lSam 21,11-16 zeigen, wurde die Erzählung bis weit in die nachexilische Zeit hinein bearbeitet. 3.5 lSam

21,11-16

Das Motiv des betrügerischen Höflings von lSam 27 greift 21,11-16 als spätere Überlieferung auf. Die Ausgangssituation ist wie in l S a m 2 7 die Flucht vor Saul. Wiederum misstraut nicht Achisch selbst, sondern seine Umgebung David und erinnert ihn an dessen frühere Funktion in Juda. Achischs Höflinge erkennen in David den in den Reigentänzen besungenen „König des Landes" (21,12 zitiert 29,5). Davids Rettung vor Achisch glückt, weil er sich verrückt stellt 233 und wie ein Wahnsinniger an die Tore klopft. 2 3 4 Auch hier gelingt es David, Achisch zu betrügen. Die Episode spielt mit diesem Motiv: In Wirklichkeit wähnt sich der Philisterkönig von lauter Verrückten umgeben (lSam 21,16). Achischs Abweisung der Hinweise und Ratschläge seiner Ratgeber im Thronrat wird als töricht beschrieben und als Unterlegenheit gegenüber David, den er 227

Vgl. 2Sam 24,7; 2Chr 28,18. Vgl. Jerachmeel noch Jer 36,26 und IChr 2 (5x). 229 Vgl. lKön 20,26.30; 2Kön 13,17; vgl. zur Lokalisierung mit Ras el-cin (1435.1680) in der Scharonebene GASS, Ortsnamen, 138-150. 230 Vgl. lKön 18,45.46; 21,1.4.6.7 u.ö. und zur Nimsidenzeit 2Kön 8,29; 9,15-17. 30.36; 37; 10,1.6.7.11. 231 Dass 27,11 die Lokalisierung in Gat voraussetze und insofern zu Davids Aufenthalt in Ziklag in Spannung stünde, hat zur Abtrennung von V 7-12 als Zusatz gefuhrt (WELLHAUSEN, Composition, 251), bzw. zur literarischen Trennung von 27,1—4 und V 8-12 von V 5-7 (ELSSFELDT, Komposition, 19). Dies ist nicht zwingend, denn 27,11 müssen nicht Davids ständigen Aufenthalt in Gat voraussetzen. 232 Die Intention der Erzählung, David von dem Vorwurf zu entlasten, er habe auf der Seite der Philister gegen Saul gekämpft und sei daher Schuld an dessen Tod, vgl. H E R T Z BERG, Samuelbücher, 1 8 2 ; STOLZ, ZBK, 1 7 5 ; GRONES,€K, Aufstieg, 1 9 9 , tritt demgegenüber zurück. 233 Wörtl. den Verstand ändern DSD ilitC pi und vgl. dazu „verständig" in lSam 25,33 in der Anrede an David O ö » ö T m i ) ; vgl. Ps 119,66. 234 Vgl. »Jnw'ö lSam 21,15, vgl. 21,16. 228

82

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

nicht durchschaut. Davids Inszenierung rettet ihm das Leben. Die Parallele zwischen lSam 27. 29 und 21,11-16 liegt in der gelungenen Täuschung über seinen wahren Zustand bzw. sein wahres Handeln ( l S a m 29), 2 3 5 was 21,11-16 gegenüber lSam 27. 29 2 3 6 steigert. Die Wachstumsrichtung der Überlieferung entspricht der im ersten Samuelbuch. Das zitierte Siegeslied passt besser in die Schlachtvorbereitung in 1 Sam 29 als in 21,11-16. Letzteres wirkt stilisiert, bzw. für modernes Empfinden komisch, 2 3 7 ist jedoch der Intention geschuldet, Davids Überlegenheit und Achischs Unfähigkeit zu steigern. Von einem „historischen" Aufenthalt Davids bei den Philistern ist sie weiter entfernt als lSam 27. 29. Bestätigt wird die Abhängigkeit von lSam 27. 29 durch das Fehlen einer Anspielung von lSam 27. 29 auf Davids ersten Kontakt zu Achisch.

4. Sauls Tod 1 Sam 31 (2Sam 1) Die Erzählungen in 2Sam 2 - 4 und lSam 27 - 28,2; 29 setzen einen impliziten Kontrast zwischen Saul und David voraus. Sauls Scheitern und sein Tod in der Schlacht nach 1 Sam 31 und die damit verbundenen Gebietsverluste im Ostjordanland (Gilead) könnten, ebenso wie die detaillierte Schilderung der Todesumstände und der Bestattung eine entsprechende Wertung nahe legen. 4.1 Plot und Aufbau In der Handlungsfolge führt 1 Sam 31 die Fluchtgeschichten 238 fort, nach denen nicht der Judäer David den König des Nordreichs tötete, wozu er Gelegenheit gehabt hätte, sondern die übermächtigen Philister Sauls Ende besiegelten. lSam 31 lässt sich wie folgt gliedern: 31,1 f.

Notiz: Die Philister schlagen die Israeliten auf dem Gebirge Gilboa, Flucht der Israeliten ^¡OSr '©'3X lOJ'l, Tod Sauls und seiner drei Söhne

3

Narrative Entfaltung: Saul erbebt vor den Philistern bzw. ist verletzt (LXX 2 3 9 )

235 Vgl. HENTSCHEL, NEB 33, 146f. Nach BUDDE, KHC Samuel, 146, steht lSam 21,11-16 im Widerspruch zur Aufnahme Davids bei Achisch nach lSam 27 und ist wie lSam 16,1-13; 19,18-24 als „Midrasch" vorangestellt, um den Aufenthalt Davids in Philistäa als bloßen Versuch zu beschreiben. 236 Vgl. u. a. VERMEYLEN, Loi, 134f. Daher wird man kaum eine positive „Entwicklung" der Figur Davids („klüger, gelassener, vorsichtiger und ehrfurchtiger"; vgl. J. KLEIN, Davids Flucht, 178.184) von 1 Sam 21 zu lSam 27. 29 annehmen, sondern die Veränderung in Zusammenhang mit dem literarischen Wachstum erklären. 237 Vgl. CRUSEMANN, Witze, 215-226, allerdings mit einer Datierung in die Davidbzw. Salomozeit. 238 Vgl. dazu Kap. 3. 239 Zusatz in LXX K a i fetpau)iaTlo0ri ei? xa Ü7toxöv5pta.

4. Sauls Tod lSam 31 (2Sam 1) 4 5

Direkte Rede Saul-Waffenträger; Tod Sauls Tod Waffenträger

6

Tod Sauls, seiner drei Söhne, des Waffenträgers und aller seiner Leute (Wiederaufnahme)

7

Reaktion 1: Flucht der Israeliten, die sich „gegenüber der Ebene" (=in Transjordanien) befanden; Verlassen der Städte

83

l o r i o n s n - n s IDTS'I ..."«nar "»ic'a« 102 »D 8 9 10

Reaktion 2: Plünderung der Philister Schändung der Leichen Sauls und seiner Söhne Hängung Sauls am Astartetempel in Beth-Schean

11-13

Reaktion 3: Rückholung der Gebeine Sauls und seiner Söhne, Trauer der Jabeschiten und Verbrennung

Eine Grunderzählung in * l - 6 entstand unter Kenntnis von 2Sam 1 als Variante und wurde erweitert. Die zusammenfassende Notiz V lf. gestaltete man durch die namentliche Erwähnung dreier Saulsöhne V 2 aus 2 4 0 und betonte neben dem Schlachtausgang und der folgenden Flucht weitere Züge der Erzählfiguren. Sauls Freitod, die Weigerung des Waffenträgers und die Behandlung seiner Leiche werden aufwändig gestaltet. Die Rolle des Waffenträgers weicht von der im Parallelbericht 2Sam 1 ab. Die drei Reaktionen auf Sauls Tod entstanden vermutlich sukzessiv. V 7 nimmt die Flucht der Israeliten nach V lf. zunächst wieder auf und ergänzt die Perspektive des Ostjordanlandes. V 8 - 1 0 setzt mit der Plünderung der Philister neu ein und V 11-13 erwähnt die Reaktion der Jabeschiten. Die Bestattung bzw. die ehrenvolle oder unehrenvolle Behandlung einer Leiche thematisieren auch lSam 17,44.46; 2Sam 21,1-14. 2 4 1 Eine Entsprechung im parallelen Chronikbericht fehlt, was auf ein besonderes Interesse der Samuelüberlieferung an dieser Thematik hinweist. 2 4 2

4.2 Philisterkampf

und

Philisterpolemik

Der im Berichtstil verfasste V 1 mit dem Hinweis auf die Flucht der Israeliten und auf die Gefallenen auf dem Gebirge Gilboa wertet Saul als König bereits ab. Durch die Flucht aus Transjordanien 243 (V 7 D'IViTnx "DTVI 103,1) werden die Folgen seiner Niederlage über das Westjordanland (bis Beth-Schean) hinaus im Ostjordanland sichtbar. l S a m 3 1 markiert einen

240 V g l VERMEYLEN, Loi, 183. 241

Die SD-Erzählungen schildern David als vorbildlich, vgl. 2Sam 3,28-35; 21,12-14. Zum Verhältnis zwischen IChr 10 und l S a m 3 1 vgl. VERMEYLEN, Loi, 178-181, der als Vorstufe einen einfacher strukturierten Bericht mit lSam 31,1-6.7*.8—10a. 11. 12*. 13 annimmt; und zuvor HO, Conjectures, 82-106, nach dem Chr nicht die gegenwärtige Fassung von 1 Sam 31 vorlag. 243 Terminologisch ist p T n "DSD V 7 dtr Bezeichnung für das Ostjordanland in späten dtr Texten, vgl. in Dtn 1,1.5; 3,8.20.25; 4,41.46f.; 11,30; Jos l,14f.; 2,10 u.ö. vgl. den Hinweis bei VERMEYLEN, Loi, 179. 242

84

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

Tiefpunkt der frühen Königszeit in Israel. Trotz seiner Teilsiege 244 konnte Saul sich gegen die Philister nicht wehren. Implizit prägt der SD-Kontrast die Darstellung. Der Entwendung der Waffen des Gegners sowie der Rüstung als Trophäe und deren Aufstellung im heimischen Tempel steht Davids Erfolg beim Philisteransturm 2Sam 5,21 mit der Entwendung der nnnBty der Philister gegenüber. 245 Sprachliche Eigenheiten 246 legen eine exilisch-nachexilische Entstehungszeit der jetzigen Textform nahe. 4.3 Beth-Sch(e)an, Gilboa, Jabesch - Gilead und die Ammoniter Die Orte der Erzählung lassen einen geschichtlichen Horizont der Philisterbedrohung erkennen. Den Herkunftsort der Feinde, Beth-Schean, 247 erwähnt die Gauliste Salomos, 248 (drei Mal wird er mit Sauls Tod verbunden 249 ), und ordnet ihn damit dem mit Saul assoziierten Tiefpunkt der israelitischen Geschichte zu, dem Israels Glanzzeit unter dem Judäer Salomo entgegensteht. Dieser israelitisch-judäische Kontrast prägt auch das Bild der Philister. Deren in lSam 31,lf genannte Siedlung in Beth-Schean bezeugt nicht die Präsenz der nach dem Niedergang der spätbronzezeitlichen Kultur eingewanderten Seevölker in der Stadt,250 sondern ist Teil der Chiffrierung und Stilisierung der Philister als Feinde schlechthin. Ebenso wie Sauls Niederlage stehen Israels Feinde nach lSam 31 paradigmatisch für Gegner in der Frühzeit des Staates, so dass der Horizont über die unmittelbaren Philisterstreitigkeiten hinausweist. Der Erzähler setzt eine Beobachtung des Geschehens vom Ostjordanland aus voraus, von wo aus das Gebirge Gilboa251 bei guter Sicht ein-

244

Vgl. lSam 14,47. Vgl. „Haus der n n n t f ï " lSam 31,10; vgl. auch lSam 17,51 zur Entwendung der Waffe. 246 Vgl. ferner die Abwertung der Philister als „Vorhäute" lSam 31,4; lSam 17,26.36. 247 Vgl. Ri 1,27 im „negativen Besitzverzeichnis"; BECKER, Richterzeit, 35, spät-dtr; KRATZ, Komposition, 205.216, als nach-dtr Anhang. Vgl. die Zuordnung Bethscheans zum Stammesgebiet Manasses Jos 17,11.16 als Nachtrag. 248 lKön 4,12 (2x) im fünften Distrikt; vgl. IChr 7,29. Eine im 8. Jhdt. verschriftlichte und im 7. Jhdt. überarbeitete Liste mit älterer Quelle vermutet NA'AMAN, List, 426f.; mit Einordnung ins 10. Jhdt., vgl. NIEMANN, Shadow, 279-288; KAMLAH, Regionalfursten, 57-78. 249 lSam 31,10.12; 2Sam 21,12; die Schreibweise ist hier llP'TPn, man wird aber von einer Identität mit ausgehen können, vgl. BORÉE, Ortsnamen, 78 Anm. 6. 250 Seevölkerpräsenz in Beth-Schean ist auch aufgrund des mangelnden archäologischen Befundes für Philisterkeramik kaum wahrscheinlich. Die anthropoiden Sarkophage belegen keine Philisterpräsenz, vgl. neben vielen anderen AHLSTRÖM, History, 317-324, vgl. zur Diskussion GASS, Ortsnamen, 88. 251 Der Gebirgszug wird stets mit Saul und seinem Tod verbunden; in unterschiedlicher Bezeichnung: in der Wendung i n ^ j n "im in lSam 31,1.8 und 2Sam 1,6; als ' i n in 245

4. Sauls Tod lSam 31 (2Sam 1)

85

sehbar ist. 252 Die über Israels weiteres Geschick entscheidende Schlacht führt unmittelbar zu Landverlusten im Ostjordanland. Sauls Bündnis mit den Jabeschiten verbindet die literarische Überlieferung mit einer Niederlage gegen die Philister im Westen. Die Episode über die Jabeschiten (V 11-13) weist auf die Verbindung zwischen Gilead und Saul hin. 2 5 3 Sie fuhrt den Verlust eines israelitischen Gilead narrativ aus. Ebenso wie 2Sam 2 , 4 - 5 auf Beziehungen Sauls ins Ostjordanland und auf die Zurückweisung einer möglichen judäischen Herrschaft über Jabesch zurückblicken 2 5 4 und der Konzeption des SD-Kontrastes zugehören, bildet der Anspruch auf das Ostjordanland einen Teil dieses Kontrastes. Die Ammoniterkriege 2 5 5 Israels 2 5 6 gestalten den SD-Kontrast aus; Davids Vertreibung der Aramäer jenseits des Jordan ( p T H "QS 2Sam 10,17) und die Beendigung der Koalition zwischen Aramäern und A m m o n i t e r n 2 5 7 hebt dessen Leistung verglichen mit Sauls Teilsieg hervor. 2 5 8 Die projudäisch-israelkritische Tendenz spiegeln

2Sam 1,21; als »3*7313 in 2Sam 21,12; 2 2 h l i m in IChr 10,1.8. Identifiziert wird er mit dem Gebel Fuqua', vgl. HAMILTON, Art. Gilboa, 1019; vgl. SIMONS, Texts, § 92. 252 Nach V 7 beobachten die ostjordanischen Israeliten das Geschehen, vgl. „die in der Ebene und die gegenüber des Jordans wohnten" ¡705771 T3V3 // ] T l ' n 13S3. 253 Vgl. 2Sam 21,12; vgl. noch IChr 10,11 f. ( / / l S a m 31). 254 Ri 21,8-10.12.14 und 2Sam 21,12 gehören zur Wirkungsgeschichte der Saulüberlieferung in l S a m 11;31 und 2Sam 2. „Gilead" als Ortsname (und als Person) findet sich in Sam/Ri nur in Verbindung mit Jabesch, abgesehen vom Ortsnamen "IVbl HOI 2Kön 8,28 (// "11?"71 niDT 2Chr 22,5) in der Notiz von der Schlacht des Omriden Joram gegen Hasael. Vgl. Gilead als Personenname in variierenden Genealogien N u m 26,29; 36,1; 2Chr 2,21.23 als Sohn des Machir und als Enkel Manasses; Num 26,30-32. Jos 17,2 unterscheidet sechs Söhne Jeser (Abieser) Helek, Asriel, Sichern, Schemida und Hepher; vgl. abweichend IChr 7,14-19. Nach Ri 11,1 f. ist Gilead Vater Jephtas, seine Mutter eine Prostituierte. IChr 5,14 nennt einen Gileaditen als Vater der elf in IChr 5,12f. genannten Söhne; vgl. GRAHAM, Art. Gilead, 1019f. In R i 5 , 1 7 ; 10,18; l S a m 13,7; 2Sam 2,9 ist Gilead Landesbezeichnung; vgl. zu Gilead oben 2.4.2. 255

Herrschaftsgebiet und Kultur der aus Feindbildperspektive porträtierten Ammoniter lassen sich nur umrisshaft rekonstruieren; vgl. zum Territorium in minimalistischer Perspektive HÜBNER, Ammoniter, 131-157; vgl. DERS., Art. Ammon, 414; vgl. HERR/ NAJJAR, Iron Age, 323.329 mit Bezug auf HÜBNER, 331.333f.336. Mit mehr historischen Anhaltspunkten im biblischen Text will MACDONALD, Jordan, 157-165, rechnen; vgl. YOUNKER, Ammonites, 194-196.206-209; MACDONALD, Ammonite Territory, 3 0 - 3 9 ; zur Tendenz der biblischen Überlieferung vgl. HÜBNER, Ammoniter, 2 8 3 - 2 9 2 und zu ammonitischen Textzeugnissen (Inschriften) ebda., 15-129. 256 2Sam 10-12 setzt einen Kampf Israels voraus, vgl. Israel in 2 S a m 8 , 1 5 ; 10,9 (2x).15.17f. 19(2x); 11,1. 257 Vgl. 2Sam 10,17-19. 258 Auf diesen Kontrast weisen auch die drei Teile des in den David-Bathseba-Stoff eingefügten Ammoniterkriegsberichtes Davids hin, 2Sam 10,6 - 11,1; 12,26-31; nach ROST, Thronnachfolge, 74.80 eine eigene Quelle der TFG, die erweitert wurde. 1 0 , l - 6 a bilden eine gemeinsame Einleitung, 11,1 schildern das Zusammenziehen des Heeres, 12,26-31 Joabs Krieg gegen die Ammoniter. Hinzu kommen Konflikte mit den für Israel noch bedrohlicher geschilderten Aramäerstaaten (vgl. PLTARD, Ancient Damascus, 89ff.) in der Ergänzung der Ammoniterkriegsberichte; vgl. HÜBNER, Ammoniter, 172. Der

86

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

wirkungsgeschichtlich auch die summarischen A m m o n i t e r n o t i z e n . 2 5 9 Das S u m m a r über m e h r e r e K r i e g s z ü g e D a v i d s ins O s t j o r d a n l a n d in 2 S a m 8 , 1 2 (// I C h r 1 8 , 1 1 ) e n t s p r i n g t d e r s e l b e n p r o j u d ä i s c h e n G e s c h i c h t s s i c h t . 2 6 0 D a z u f u g t s i c h G i l e a d s A m b i v a l e n z in der Erzählüberlieferung.261

B e r i c h t ü b e r e i n e a m m o n i t i s c h - a r a m ä i s c h e K o a l i t i o n in 2 S a m 1 0 , 6 b - 1 4 ist e i n S o n d e r e l e m e n t . O r t s - s t a t t P e r s o n e n n a m e n k e n n z e i c h n e n d i e A r a m ä e r t r u p p e n , d i e s i c h in H e r kunft und Zusammensetzung von den A r a m ä e r n der inneraramäischen Koalition

von

2 S a m 1 0 , 1 6 - 1 9 a unterscheiden. D i e A m m o n i t e r w e r b e n Söldner bei den A r a m ä e r n an ( 2 S a m 1 0 , 6 b 1 3 4 ; ; v g l . z u m V o r g a n g "DiP in K A I N r . 2 4 , 7 u n d v g l . K A I B d . 2, 32 f . m i t e i n e r a s s y r i s c h e n P a r a l l e l e v o n A d a d - n e r ä r i III). J o a b b e s i e g t d i e K o a l i t i o n m i t A b i s c h a i v o r d e r S t a d t ( 1 0 , 1 4 ) o h n e d i e s e z u e r o b e r n . 2 S a m 10,16—19a e r w ä h n e n e i n e v o n H a d a d E s e r a n g e f ü h r t e i n n e r a r a m ä i s c h e K o a l i t i o n , d i e D a v i d b e i H e l a m (DVTI) s c h l ä g t . D i e s u n t e r b r i c h t 1 0 , 6 b - 1 4 ; 11,1; 1 2 , 2 6 - 3 1 . D i e E r g ä n z u n g 2 S a m 1 0 , 1 6

19a e r w ä h n t d e n a r a -

m ä i s c h e n K o a l i t i o n s p a r t n e r u n d s t e l l t d e n d a v o n u n a b h ä n g i g e n , in s i c h

geschlossenen

B e r i c h t v o n D a v i d s S i e g ü b e r H a d a d - E s e r in e i n e n g r ö ß e r e n Z u s a m m e n h a n g . S i e ist d a h e r als E r w e i t e r u n g e r k e n n b a r . V g l . z u d e n i m e r s t e n J a h r t a u s e n d d y n a s t i s c h b e z e i c h n e t e n A r a m ä e r s t a a t e n SADER, L e s e t a t s , b e s . 2 1 3 . 2 7 2 . 2 7 7 f . ; u n d DION, L e s A r a m e e n s . 259

N a c h Ri 3 , 1 2 - 2 0 ( z u m K a m p f g e g e n d e n M o a b i t e r k ö n i g E g l o n V 12.14f.17, vgl.

l S a m 12,9, b z w . M o a b R i 3 , 2 8 - 3 0 a l s E h u d s G e g n e r ) , k ä m p f e n a u c h A m m o n i t e r

und

A m a l e k i t e r g e g e n I s r a e l ( V 13a). D i e O r t s a n g a b e n b e z i e h e n s i c h n i c h t a u f a m a l e k i t i s c h e s oder ammonitisches Gebiet, m a n kann daher annehmen, dass die A m m o n i t e r und die A m a l e k i t e r in R i 3 , 1 3 a s p ä t e r e r g ä n z t w u r d e n . E r w ä g t m a n e i n e v o r - d t r Q u e l l e d e r J e p h t a ü b e r l i e f e r u n g R i 1 0 , 1 7 f . ; 1 1 , 1 - 1 1 * . 2 9 . 3 2 - 3 3 * v g l . HÜBNER, A m m o n i t e r , 167f.; v g l . m i t g e r i n g e r e m v o r - d t r B e s t a n d BECKER, R i c h t e r z e i t , 2 1 4 - 2 1 7 , s o stellt d i e s e d a s i s r a e l i t i sche Gilead den A m m o n i t e r n als F e i n d g r ö ß e gegenüber. Dieser Konflikt zwischen A m m o n i t e r n u n d G i l e a d i t e r n in d e r n o r d w e s t l i c h e n A m m o n i t i s ( v g l . HÜBNER, A m m o n i t e r , 168) w i r d a u s v o r s t a a t l i c h e r Z e i t b e r i c h t e t , u n d in d i e B e s c h r e i b u n g d e s a m m o n i t i s c h e n T e r r i t o r i u m s s p i e l e n w e i t e r e I n t e r e s s e n h i n e i n , v g l . in d e r s p ä t e r e n A u s d e u t u n g R i 11,33 mit drei namentlich genannten (Aroer, Minnith, A b e l - K e r a m i m ) von insgesamt 2 0 eroberten Städten, die den siegreichen Jephta verherrlichen will. Vgl. zu den anderen biblischen

Städten

Jazer

(Num 21,24;

IMakk

5,8);

Rabba,

die

„königliche

Stadt"

( 2 S a m 1 2 , 2 6 ; D t n 3 , l l ; J o s 1 3 , 2 5 ; 2 S a m 11,1 u . ö . , d i e „ W a s s e r s t a d t " 2 S a m 1 2 , 2 7 ) ; A i ( J e r 4 9 , 3 ) ; H e s c h b o n ( J e r 4 9 , 3 ) MACDONALD, J o r d a n , 1 6 5 - 1 6 9 , u n d DERS. A m m o n i t e T e r r i t o r y , 3 0 - 5 6 . D i e F o r m d e r H e l d e n e r z ä h l u n g b e s t i m m t d i e A u s s a g e in R i 1 1 , 3 0 - 4 0 : A b g e s e h e n v o m Helden werden Figuren nicht namentlich bezeichnet; nur (Ammoniter) bzw. Funktionsbezeichnungen („Herrscher"; „König"

Volksname

V 13) w e r d e n

genannt. Spätere Ausdeutungen (vgl. 11,30^10) heben ebenfalls den Helden hervor und verkürzen die Feindschilderungen (11,33). Vieles sträubt sich g e g e n eine chronologische E i n o r d n u n g , v g l . j e d o c h d e n V e r s u c h e i n e r R e k o n s t r u k t i o n b e i HÜBNER,

Ammoniter,

1 5 9 - 2 2 8 , mit Herrscherliste 208f. Die schon legendarisch ausgestalteten Erzählungen der A m m o n i t e r k r i e g e D a v i d s u n d S a u l s g e h e n als ä l t e r e S t u f e d e r Ü b e r l i e f e r u n g

voraus.

Verbindungen zwischen der Saulgestalt und Jephta bildet die Ergänzung des vorschnellen, tragischen G e l ö b n i s s e s Ri 1 1 , 3 0 - 4 0 vgl. l S a m 14,36^16. 260 v g l . d i e S c h l u s s z u s a m m e n f a s s u n g e n

l S a m 14,47f. und 2 S a m 8 , 1 1 - 1 5 und

dazu

BUDDE, K H C S a m u e l , 104, u n d J. KLEIN, D a v i d v e r s u s S a u l , 9 5 - 1 0 1 . 261

Vgl. oben 2.4.2; b e s o n d e r s J u d a s / D a v i d s Z u f l u c h t nach 2 S a m 16,14b; 17,24, wäh-

r e n d S a u l s N i e d e r l a g e e i n e F l u c h t v o r d e n P h i l i s t e r n in d a s G e b i e t v o n G a d u n d G i l e a d auslöst, vgl. D , " m

l S a m 13,7a; v g l . 13,3.

4. Sauls Tod lSam 31 (2Sam 1) 4.4 Integrität des Leichnams - Sauls

87

Bestattung

Die Schändung des verstorbenen israelitischen Königs sowie seine Bestattung durch die Bewohner von Jabesch als Reaktionen auf seinen Tod bilden eine eigenständige Thematik innerhalb der Erzählung. lSam 31 weitet das Motiv des tragischen Todes durch den Waffenträger verglichen mit dem Bericht der Chronik aus. Nach lSam 31 verweigert der Waffenträger die Tötung (V 4aß). 2Sam 1,5-10 hebt die Unwürdigkeit des Todes durch den amalekitischen Diener hervor, wie unten auszuführen ist. Die in 1 Sam 31 detailliert berichtete Verstümmelung von Sauls Leiche 262 greift wie 2Sam 21,1-14 den Umgang mit dem physisch nicht mehr integren Leichnam 2 6 3 auf. Beide Erzählungen legen am Beispiel Sauls bzw. der Sauliden und deren Bestattung durch den Judäer David (2Sam 21,13f.) 264 den Respekt vor der körperlichen Integrität eines Toten dar. Sauls Verbrennung 2 6 5 mit Ausnahme der Gebeine durch die Jabeschiten und die anschließende Aufbewahrung der nicht verbrannten Knochen versteht man häufig mit Hinweis auf die Bestattung der Gebeine Sauls in 2 Sam 21,13 als ehrwürdige Tat der loyalen Jabeschiten. 266 Allerdings ist die Verbrennung Verstorbener nirgends sonst positiv belegt. 267 Ausgedrückt wird vielmehr Sauls schmachvolles Geschick noch im Tod. 268 Daher ist kaum eine Ver262 Die Sieger stellen den Kopf als Trophäe im Tempel zur Schau, wie IChr 10 betonen, vgl. HUNZIKER-RODEWALD, Sauls Kopf, 280-300. 263 Vgl. auch IChr 10,9f. und vgl. m l , „Kadaver" bzw. „Aas" l S a m 31,10.12(2x); vgl. in dieser Bedeutung Ri 14,8f. Die meisten Belege weisen in nachexilische Zeit, vgl. Ps 110,6; Ez 1,11.23; Nah 3,3; Neh 9,37; Da 10,6; vgl. HSIl IChr 10,12. 264 Vgl. auch l S a m 17,51.54 und zur Darstellung von Geiern mit Eingeweiden bzw. abgeschlagenen Köpfen (der Gegner) in neuassyrischen Schlachtdarstellungen sowie zu ähnlicher Motivik bereits zur Zeit Sargons des Großen und auf der Geyer-Stele des Eannatum von Lagasch, JEAN, Rapaces, 85-96. Zur körperlichen Integrität Verstorbener vgl. VERNANT, Beautiful Death, bes. 70-74. - Auf die mögliche Herkunft der Redewendung der Auslieferung an „die Vögel des Himmels und die wilden Tiere" l S a m 17,44.46 aus entsprechenden griechischen Parallelen kann hier nicht eingegangen werden, vgl. jedoch unten Kap.4, 2.2.3 und vgl. 2Sam 2 1 , 1 - 1 4 und die Bezüge zur sophokleischen Antigone. Griechischer Einfluss auf l S a m 17 liegt angesichts der hellenistischen Entstehungszeit nahe. 265 IChr 10 erwähnt nur die Bestattung ohne Verbrennung; vgl zu den Unterschieden zwischen l S a m 31 und IChr 10 besonders HO, Conjectures, 82-106; vgl. auch VERMEYLEN, Loi, 178-183. Sie lassen charakteristische Themen der Gestalt Sauls in der Darstellung des DtrG hervortreten. Chr nennt keine Verbrennung und ergänzt den Tod des ganzen Hauses Sauls (10,6) - entsprechend können weitere Saulidenerzählungen in der Chronik entfallen, während 2Sam die Saulidenepisoden fortfuhrt. 266 VG] n e b e n vielen anderen ZWICKEL, I Sam 31, 170. Die Verbrennung von Leichen ist in Palästina weitgehend unüblich, so dass man von der möglicherweise zur Einäscherung genutzten Anlage in Amman nicht auf einen Brauch schließen darf.

267 v g l . hingegen die Verbrennung als Strafe für Verbrechen Lev 20,14; 21,9. 268 Vgl. BUDDE, KHC Samuel, 192.

88

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

Schreibung anzunehmen, 2 6 9 vielmehr entspricht eine unwürdige Bestattung 270 Sauls Tragik im gesamten Plot. Sein vorweggenommener Tod kann die Schändung seines Leichnams durch die Philister nicht verhindern, 271 die seinen Kopf und seine Rüstung umhersenden (V 9). Sauls Befürchtung, Opfer des Mutwillens seiner Gegner zu werden, entspricht der des Zedekia Jer 38,19, dem vor der Auslieferung an die zu den Babyloniern übergelaufenen Judäer bangt; die Feinde könnten dann ihren Mutwillen mit ihm treiben. Die durch den Neueinsatz als Erweiterung gekennzeichneten Verse 31,8-10 wird man kaum vor dieser Zeit ansetzen. 272 Zu erwägen ist ein Bezug auf die Schändung der Leiche des Ptolemaios IV Philopator durch Verbrennung und anschließende Beisetzung der Urne. Dies lief ägyptischen Vorstellungen vom Jenseits zuwider und sollte den von Usurpatoren 204 v. Chr. beseitigten Herrscher posthum diskreditieren und dadurch die Ptolemäerdynastie schwächen. 273 Dass seine vermeintlich loyalen Verbündeten Saul nicht den üblichen Begräbnisriten gemäß beisetzen, sondern seinen Leichnam durch Verbrennung schänden, kommentiert 2Sam 2,5f. ironisch aus judäischer Sicht 274 und dürfte auf diese Vorgänge am Ende des dritten Jhdt. anspielen. 275 4.5 2Sam

1

Mit der Geschichte eines amalekitischen Knechts, der Saul den Todesstoß versetzte, erzählt 2Sam 1, wie David im benachbarten Juda die Nachricht vom Tod des Nordreichskönigs Saul erreicht und von dessen Reaktion. Form und Schilderung des Todes Sauls im Botenbericht von lSam 31 un-

269 Oder ein später Zuwachs, wie BUDDE, KHC Samuel, 192. Das siebentägige Fasten (V 13) ist keinesfalls abwertend und steht in einer gewissen Spannung zum Verbrennen des Toten. 270 Ygj z u m Verbrennen von Menschengebeinen im Zusammenhang mit dem Entweihen eines Altares 2Kön 23,16-20 in Korrespondenz mit lKön 13. Das Verbrennen Nichtswürdiger (VS'VA V 6) erwähnt 2Sam 23,6. Vgl. die Einschätzung von VERMEYLEN, Loi, 180f. 271 V?n hitp; vgl. lSam 6,6 ftir das Verhalten der Philister. 272 V 8 setzt mit m n ö ö 'TTl neu ein. 273 Vgl. POLYBIOS, Geschichte XV, 25 und zur Interpretation vgl. GRIMM, Pharaonen, 238. Die Beseitigung stand im Zusammenhang mit einem Staatsstreich der beiden wichtigsten Männer am ptolemäischen Hof, Sosibios und Agathokles II, vgl. HÖLBL, Geschichte, l l l f . ; 114; 116f.; 119f.

274 275

Vgl. ton v 5; naiwn v 6.

Als Wirkungsgeschichte schließt Ri 9,54f. an deren abwertende Tendenz an. Abimelechs Todesumstände sind durch die Verletzung durch eine Frau (V 53) und die Handlung des Waffenträgers noch erniedrigender, vgl. WORTHWEIN, Abimelech, 20; vgl. hingegen den heroischen Freitod Ri 16,30. Vgl. noch die spätere Interpretation als Strafe für Sauls pflichtwidriges Handeln IChr 10,13 (^SÖ).

4. Sauls Tod ¡Sam 31 (2Sam 1)

89

terscheiden sich von 2Sam 1. Mit der Trauer über das Haus Israels 276 als Reaktion auf den Boten 277 reagiert der judäische König David als vorbildlicher Bündnispartner der Sauliden. Dies entspricht der Tendenz der übrigen SD-Erzählungen, David als israelfreundlichen König darzustellen. Darin erschöpft sich jedoch die Aussage von 2Sam 1,1-16.17-27 nicht. Vieles deutet auf eine Erweiterung der Erzählung, deren Akzent sich durch Bearbeitung von der Reaktion Davids auf den Tod Sauls hin zur Frage nach der Integrität des Boten und dessen Schicksal verschob. Als Wachsturasstufe in 2Sam 1 kann ein Botenbericht von einem „Mann" (V 2) aus dem Heer Sauls und der Bericht von der Reaktion Davids angenommen werden, der sich von dem Bericht eines „Jungen", der dann als Amalekiter bezeichnet wird (V 8.13), abhebt: 2Sam 1,laßyb^aO^b.5-10.12aßba 2 .13-16 als eine spätere Stufe unterscheiden sich von einem älteren Botenbericht in 2Sam l,l-2*.3-4.1 l-12*.17.18aaCl»X , - l).19-27. 2 7 8 Die beiden Fassungen sind sprachlich unterschiedlich gestaltet. Die erste bezeichnet den Boten als tf'X (V 2a), die spätere nennt ihn dreimal iV TUDH nsnn (V 5a.6a.13a). Der erste Botenbericht entspricht dem von lSam 31; der zweite, ausfuhrlichere, widerspricht ihm ausdrücklich. Dieser Widerspruch 279 zwischen 2Sam 1,5-10 und lSam 31,1-7 war dem Verfasser der Überarbeitung von 2Sam 1 bewusst und liegt in der gegenüber der Grundfassung geänderten Aussageabsicht von 2Sam 1 begründet. Die Grundfassung des Botenberichts läuft auf Davids Verhalten angesichts der Todesnachricht von Saul, also auf dessen Trauer um den König im Nachbarstaat zu.

Das Botenmotiv in 2Sam l , * l - 4 und Davids Reaktion auf den Tod des Königs in 2Sam 1,11 f. gehören sachlich zu einem Schlachtbericht wie 1 Sam 31 und dienten als literarischer Ausgangspunkt dieser ausführlicheren Überlieferung. 280 Im Plot der David- und SD-Erzählungen ist diese Kriegserzählung 281 dem Gegensatz zwischen Saul und David entsprechend gestaltet. Die erweiterte Fassung, nach der ein Bote David eine andere 276

b X M V N , 3"'75; h a l t e n BUDDE, K H C S a m u e l , 1 9 5 , ACKROYD, S a m u e l , 2 2 , CASPARI,

KAT VII, 404 und DRIVER, Notes, 233, für sekundär. Auffällig sind die zehn Belege für die Constructusverbindung im DtrG in Jos 21,45; lSam7,2f.; 2Sam 6,5.15; 12,8; 16,3; lKön 12,21; 20,31. 277 Die auffallige Formparallele von 2Sam l,3f. zum Botenbericht in lSam4,16f. ist mehrfach beobachtet und ausgewertet worden. Vgl. zuletzt FISCHER, Hebron, 18f.; zuvor GUNN, Narrative Patterns, 286-317, und DERS., Battie Report, 513-518. Im Rahmen des literarischen Wachstums der Samuelbücher ist davon auszugehen, dass der Botenbericht in lSam4,16f. von dem in 2Sam 1,3f. abhängt, und die Ladegeschichte die SD-Narrationen voraussetzt und diesen vorangestellt wurde. 278 Vgl. FISCHER, Hebron, 14.18.23. 279 Vgl. FISCHER, Hebron, 21 f. 280 lSam 31 kannte dann eine Grundfassung von 2Sam 1 und entwickelte sich aus dies e r , v g l . VERMEYLEN, L o i , 1 8 2 . 281

Vgl. zu den Merkmalen der Gattung BLETENHARD, General, 105-108 zur Struktur der Schlachtberichte mit den Abschnitten: Nennung der Gegner; eigentliche Schlachtschilderung; Schilderung von Erfolg bzw. Niederlage; Abschluss mit Informationen zur Rückkehr des Heeres.

90

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

Version vom Tod Sauls berichtet, setzt die ältere voraus. Der gefälschte Botenbericht, den David sofort als solchen durchschaut, legt einen anderen Schwerpunkt, indem er das Verhältnis zwischen Bote und König grundsätzlich bedenkt. Davids Überlegenheit im Umgang mit falschen Boten zeigt sich auf dem Hintergrund weiterer Botenszenen der Davidüberlieferung 282 umso deutlicher. Die Botenszenen betonen ein bestimmtes Moment des Verhältnisses zwischen Knecht und König und thematisieren das Botenverhältnis als besondere Form hierarchischer Unterordnung. Weitere Szenen der Davidgeschichte verdeutlichen die Brisanz von Botengestalt und -geschehen: Nach 2Sam 17 bringt eine Frau die Botschaft an Ahimaaz/Jonatan; nach 2Sam 15,13 wird eine wichtige politische Entscheidung des Volkes für Absalom David von einem Boten überbracht; 2Sam 18,11.19-32 verwenden die Redewendung „der ihm verkündete" I1? T l ö n / t l l hi. Davids Titel T31 (133 hi) bezeichnet ihn daher als offiziellen Empfanger von Boten. 283

Die Behandlung des Boten ist Inhalt der überarbeiteten Fassung, nach der ein Amalekiter David berichtet. Nach der korrekten Abfolge des Botenauftritts mit Verneigung, 284 Sprechaufforderung und Botenbericht entlarvt David den Boten in der ergänzten Fassung. 2 Sam 1 stellt einen loyalen und einen lügenden Boten als zwei Handlungsoptionen des Botenverhältnisses vor: Die überarbeitete Szene mit dem Boten, der den König belügt, von diesem jedoch entlarvt wird, unterstreicht Davids Fähigkeiten als kluger König. 285 Neben dem Botenverhältnis greift die Erzählung noch ein weiteres Motiv auf, das sich nicht zwingend aus dem Voranstehenden ergibt und daher eigenständig ist: David ahndet die Tötung Sauls, indem er den Knecht umbringen lässt (V 14-16). Dies berührt sich mit der ausdrücklichen Weige-

282 vgl. die Wendung ib TJOn. 283

Vgl. die Bezeichnung für Saul lSam 9,16; 10,1; 13,14; für David 25,30; 2Sam 5,2; 6,21; 7,8; lKön 1,35; für Jerobeam lKön 14,7; 16,2 und für Hiskia 2Kön 20,5 und vgl. oben 1.7. 284 m n hist „sich verneigen" (2Sam 1,2) steht im Textbereich der Davidüberlieferung in 2Sam für das Niederfallen vor dem König, während es ansonsten für das Niederfallen vor JHWH oder vor fremden Göttern als zeichenhafte Handlung für die Unterwerfung steht. Vgl. die Einteilung der Belege für m n hist im DtrG nach Objekten in dtr Texten: gegenüber Göttern bzw. gegenüber JHWH und dann gegenüber einem Menschen (dem König). Nur wenige der Belege für diesen Gebrauch finden sich nicht im Textbereich von lSam 1 6 - lKön lf.: vgl. 2Kön2,15; 4,37 und vgl. FISCHER, Hebron, 16f. - l S a m 2 , 3 6 bezeichnet die Unterwerfung des elidischen unter das zadokidische Priestertum. 285 Davids Klage über Saul und Jonatan (2Sam 1,17-27), die die beiden Helden verherrlicht und zum Kampf mit dem Bogen auffordert, muss nicht zum ersten Botenbericht hinzugehören und kann später ergänzt sein.

4. Sauls Tod lSam 31 (2Sam 1)

91

rung des Knechtes lSam 31,4. Die Problematik der Schuld durch Homizid thematisieren auch die Fluchtgeschichten. 286 Literarisch setzt die überarbeitete Fassung in 2Sam 1 die Auseinandersetzung mit der Blutschuld durch vorsätzliche Tötung voraus, die in 2Sam 2,18-24.30 (Asahel).32a; 3,27bß.28-30.39; 4,6.8b-12a ergänzt wurde. Noch später wurde der Amalekiter V 8.13 hinzugefügt. 2 8 7

4.5.1 Exkurs: Amalek Das Wachstum der Überlieferung der in verschiedenen Zusammenhängen als Feinde Israels genannten Amalekiter ist ausgehend von der Davidzeit vergleichsweise klar zu bestimmen: Spätere Traditionen verlagern die Auseinandersetzung Judas bzw. Israels immer mehr in die Frühgeschichte zurück: Saul l S a m 14,48; 15; Deborahlied Ri 5,14; Gideon Ri 6,3.33; 7,12; Ehud Ri 3,13; Mose Ex 17,8-16; Num 13,29; 14,25.41-45; Abraham Gen 14,7 2 8 8 und verknüpfen Amalek mit den ostjordanischen Feinden Israels. Ausgehend von l S a m 15,8 wird der Amalekiterkönig Agag zum Erzfeind schlechthin (Num 24,7; Est 3,1 und in der frühjüdischen Tradition). Im DtrG wird Amalek als Erzfeind stilisiert, dessen Feindschaft gedacht werden soll (Dtn 25,17-19). Auch wenn man die Davidüberlieferungen als ältesten Haftpunkt der Amalekitertradition verstehen möchte, 2 8 9 ist es nicht wahrscheinlich, dass die Amalekiter historische Feinde Judas im 10. Jhdt. sind. Als historische Größe dieser Zeit werden sie in den stererotypen Schilderungen nicht greifbar. 2 9 0 Vielmehr ergänzen die Amalekiterkriege in der Davidüberlieferung überall andere Feindschilderungen: Unbenommen der Tatsache, dass l S a m 3 0 mit einem Angriff auf Ziklag einen älteren geschichtlichen Kern enthalten m a g , 2 9 1 sind we-

286 Y g j

zu

d i e s e m Motivzusammenhang auch im folgenden Kap. 3.

287

V 8 und 13 lassen sich leicht herauslösen. Beide haben nur die Identität des Boten als Amalekiter zum Thema, die ausdrücklich von Saul bzw. David erfragt wird, und tragen zur Handlungsabfolge nichts bei. Daher legen sich mindestens drei literarische Schichten nahe. Möglicherweise geht die Verlängerung des Trauerns durch Fasten bis zum Abend und die „Nationalisierung" („über das Volk JHWHs/über das Haus Israel") in V 12 auf eine Überarbeitung zurück, vgl. FISCHER, Hebron, 31 ff. 288 YGJ DAZU TIMM, Amalekiter, 386; SCHMITT, Sieg, 335-344. Vgl. ferner GÖRG, Amalek, 14f. TANNER, Amalek, 345, vermutet Fragmente älterer Erzählungen hinter Ex 17,8-16; Num 14,39^15; l S a m 15 und Dtn 25,17-19, die in einem dtr Umfeld ausgestaltet wurden. Spuren vorexilischer Amalekiterüberlieferung vermutet er in Gen 14,7; 36,12.16; Num 24,20; Ri 5,14; 12,15; TANNER, Amalek, 292 Anm. 293; geht aber auch vom teils späten Ursprung aus, vgl. zu Ex 17 als exilisch-nachexilische Lehrerzählung (mit SCHMITT) TANNER, Amalek, 73-75. In einer Untersuchung zur Gewalt in alttestamentlichen Texten behandelt die Thematik ROOZE, Amalek. 289

Vgl. TIMM, Amalekiter, 386. Vgl. SCHUIL, Amalek, 225. Schuil will einen Ursprung der Amalekiter im Sinai sehen und geht von einer späteren Siedlung in Teil Masos aus, 160-180.225. Die Aussagen über Amalek erlauben jedoch keine derartigen historischen Schlüsse. 291 An drei alte Überlieferungen als Quellen von l S a m 3 0 denkt TANNER, Amalek, 287f.: Eine Erzählung von einem Überfall durch eine Räuberbande während Davids Abwesenheit (V 1-3)*.4.(6?).9*.11.14*.15-17.18*; eine ätiologische Sage zur Entstehung 290

92

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

der 2Sam 1 noch lSam 30 als Amalektexte altes Überlieferungsgut der Davidzeit, sondern verdanken sich als literarische Stilisierungen der SD-Kontrastrelation: David besiegt die Amalekiter (fast) vollständig, Saul scheitert, 2 9 2 weil er den Bann nicht an ihnen vollzieht ( l S a m 15). In ihrer Feindpolemik hängt 2Sam 1 sachlich mit den übrigen Amalekitergeschichten zusammen.

5. Ausblick: Die Sauliden 2Sam 6,16.20-23; 9; 16,1-4; 19,25-31 Während das Schweigen der späteren israelitischen Königsüberlieferung über die Saulidenherrschaft deren literarische Ergänzung als Vorgeschichte der israelitisch-judäischen Geschichte bestätigt, erwähnen Daviderzählungen in 2Sam die Sauliden bzw. den Benjaminiter Saul 66 Mal. 293 Dem Handlungsverlauf entsprechend erhoffen sich die Sauliden nach Ende ihrer Herrschaft eine Umkehrung der Verhältnisse und sind daher durchweg als Rebellen gegen David geschildert. Ihre Aufstandsversuche führen einen israelitisch-judäischen Gegensatz mittels der Erzählfiguren fort. So verdichten die literarisch gegenüber einer älteren Erzählung vom Absalomaufstand sukzessiv zugewachsenen 294 , exilisch-nachexilischen Audienz-

des Rechtssatzes zur Beuteverteilung, die sich im jetzigen Bestand von V 10.21-24.25a findet; eine möglicherweise alte Ortsliste in V 27-30. TANNER, ebda. 289, erwägt aber, dass erst auf einer späteren Ebene in V 6*.7.17bß(?).23*.25*.26* die Räuberbande mit Amalek identifiziert wurde. 292 YG] z u m Gegensatz schon GR0NB/EK, Aufstieg, 47. 293 2Sam 1,1.2.4-6.12.17.21.23f.; 2,4f.7.8(2x).10.12.15; 3,l(2x).6(2x).7f.l0. 13f.; 2Sam 4,lf.4(2x).8(2x).10; 5,2; 6,16.20.23; 7,15; 9,lf.3.6f.9(2x); 12,7; 16,5.8; 19,18.25. In den Anhängen zu den Samuelbüchern noch in 2Sam 21,lf.4.6.7(2x).8.1 lf.(2x).13f.; 22,1. Das Schweigen bezüglich Sauls ist umso bedeutsamer, als die Königebücher David 97 Mal namentlich erwähnen, davon 17 Mal innerhalb der Genitivverbindung „Stadt Davids" als Bezirk Jerusalems: l K ö n 2 , 1 0 ; 3,1; 8,1; 9,24; 11,27.43; 14,31; 15,8.24; 22,51; 2Kön 8,24; 9,28; 12,22; 14,20; 15,7.38; 16,20. 12 Mal wird David in lKön lf. erwähnt, 66 Mal im übrigen Textbestand; vgl. zur Zuordnung H. WEIPPERT, Ätiologie, 364-368. 294 Vgl. erstmals COOK, Notes, 145-177.169-171 für 16,1-4; 19,25-31; 16,5-14; 17,27; vgl. zu einer Grundschicht der Absalomerzählung, KRATZ, Komposition, 182.190: 15,1-6.13; 18,1 - 19,9a; vgl. AURELIUS, Unschuld, 402: 2Sam I3,l-29.34a.37aß.38b.39; 14,33aßyb; 15,1-6.13; 18,l-2a.4b.6-9.15b-18. Vgl. grundsätzlich zur Redaktionsgeschichte der Thronfolgeerzählung DIETRICH/NAUMANN, Samuelbücher, 198-207; LANGLAMET, Pour ou contre, 321-379, und 481-526; DERS., Ahitofel et Houshai, 57-90; und DERS., Maison, 481 f.; VEIJOLA, Dynastie, und DERS., David und Meribaal, 338-361; DERS., Salomo, 58-83; SCHULTE, Geschichtsschreibung, 180 zum Umfang der Bearbeitung; KAISER, Thronnachfolgeerzählung, 5 - 2 0 ; vgl. zur Literatur 5-7; DERS., Geschichtswerk, 100f.; FISCHER, Flucht, 43-69.

5. Ausblick: Die Sauliden 2Sam 6,16.20-23;

9; 16,1-4; 19,25-31

93

szenen anlässlich des Abschieds und der Begrüßung Davids thematisch Loyalität und Illoyalität gegenüber dem König. Die fast durchgehend konzentrisch angeordneten 2 9 5 Abschieds- und Begrüßungsszenen beurteilen die verschiedenen Beteiligten. Literarisch wuchs der Erzählbestand um diesen bereits durch die sC vorgegebenen Themenkomplex herum an, innerhalb dessen Figurenkonstellation und Handlungsstruktur in 2Sam 16,1 —4 und 19,25-31 israelitische Aufstandsbemühungen gegen den judäischen König beschreiben. Als Sauls „Sohn" 2 9 6 steht Mephiboschet für die Hoffnung auf Wiedererrichtung des saulidischen Königtums, kündigt daher seine Loyalität gegenüber David auf und paktiert mit den Aufständischen. Die hierarchische Relation Mephiboschets 2 9 7 und Zibas zu David bildet den Rahmen der Aufstandsmotivik. Sie sind als Kontrastfiguren des treuen und des illoyalen Knechts gestaltet. Die Folgen ihres Verhaltens werden bei der abschließenden Rückkehr des judäischen Königs deutlich. Ziba wird aufgrund seiner Loyalität der Besitz des illoyalen Mephiboschet zuerkannt (2Sam 16,4; 19,30f.). Formal ist 2Sam 16,1-4 ein Dialog in drei Redegängen: V 1 Einleitung; V 2f.4 David-Ziba. Ziba wendet sich dem judäischen König (David) zu, während sein Herr die Restituierung seines Königtums erhofft und offen rebelliert. Zibas Huldigungsgeschenk und das Aufdecken der Rebellion des Sauliden belohnt der König mit „Gnade" (V4 in). Bei der Rückkehr Davids, 2Sam 19,25-31, muss Mephiboschet sein Verhalten rechtfertigen. Auch dieser Abschnitt besteht im Wesentlichen aus einem Dialog. 19,25.26a

Einführungsnotiz: Mephiboschet und Zug nach Jerusalem

26b-29 30 31

Dialog König-Mephiboschet (König 26b; Mephiboschet 27-29) Entscheidung des Königs Mephiboschets Verzicht.

Mephiboschets Rechtfertigungsversuch aufgrund des Fehlverhaltens seines Knechts Ziba fallt als Diskreditierung auf Mephiboschet selbst zurück. Als unkluger Knecht verliert er sein Land zugunsten des klug agierenden Ziba, dem er freiwillig eine Hälfte überlässt 19,31. Der Knecht wird seinem Verhalten entsprechend entlohnt (2Sam 16,4.30). Mit der 295 Bis zum Jordanübergang des Königs werden zunehmend illoyale Untergebene aufgezählt: Nebenfrauen 2Sam 15,16f.; Ittai von Gat 15,18-22; Huschai 15,32-37; Mephiboschet und Ziba 16,1-4; Schimi 16,5-13. In den Begrüßungsszenen folgen auf die illoyalen Schimi 19,17-24 und Mephiboschet 19,25-31 die loyalen Ziba 19,30 und Barsillai 19,32-41 (vgl. 17,27-29). Den Audienzszenen schließen sich im Plot 19,40 - 20,2 Schebas Lossagung und 20,3 die Erwähnung der Nebenfrauen an. Vgl. GUNN, Jerusalem, 109-113; CONROY, Absalom, 89; SACON, Literary Structure, 34; FISCHER, Flucht, 44-48. 296 2Sam 16,3 bezeichnet nicht zwangsläufig eine leibliche Verbindung, sondern die Zugehörigkeit zum Palast, vgl. oben 3.3 zu Manasse, Anm. 221. Für die allegorische Repräsentanzfunktion des Sauliden für Israel (bzw. Benjamin) macht es wenig Unterschied, ob Mephiboschet Sauls oder Ischbaals Sohn war. 297 Für die Namensform Mephiboschet in Sam gegenüber dem neutralen Merib(b)aal in IChr 8,34; 9,40 spricht die grundsätzliche Abwertung der Sauliden, die in den Samuelbüchern als ungehorsame und unkluge Knechte stilisiert werden. Für eine Unterscheidung zwischen Meribaal und Mephiboschet plädiert auch TSEVAT, Ishboschet, 71-87, allerdings unter Hinweis auf eine (weniger wahrscheinliche) positive Bedeutung ausgehend von akkad. bästu „dignity, pride, vigor" statt „Schande".

94

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

Funktionsbezeichnung „König" 2 9 8 spricht der Erzähler paradigmatisch das Verhalten des Knechts gegenüber dem König an. Die lehrhaften Erzählungen verdeutlichen anhand stilisierter Figuren deren grundsätzliche Funktion in einer hierarchischen Struktur. Dies zeigt auch die Konstellation Mephiboschet - Ziba 2Sam 9. Von einer Exposition V 2aa und einer Notiz zum Abschluss V 12 im Berichtstil (Nominalsätze) hebt sich ein Mittelteil mit drei Audienzszenen des Knechts beim König ab, mit der Grundfassung 2 9 9 in V 2 a ß . b - 7 a . * 8 - l la. 1. Szene V *2aßb^l Bericht; Dialog: David-Ziba (3x) 2. Szene V *5- 7a.8 Bericht; Dialog: David-Mephiboschet (2x) 3. Szene V 9 - 1 Oaß. 11 a Bericht; Dialog: David-Ziba (1 x) Dass David als Treueerweis (V 7 10n) Mephiboschet den gesamten Besitz seines (Groß-) Vaters Saul zuweist, was er vor Ziba als Zeuge ausdrücklich wiederholt (V 9), erwähnt bereits die Besitztümer, die später (2Sam 19,30f.) ganz Ziba zugesprochen werden. David setzt Ziba als Knecht ein und verpflichtet ihn zur Loyalität gegenüber dem Sauliden. Zibas späterer Loyalitätsbruch zugunsten Davids weist ihn als loyalen Knecht Davids aus. 2Sam 9 erklärt dann 2Sam 16,1-4; 19,25-31, indem Ziba als von David eingesetzter Knecht Mephiboschets interpretiert wird. 3 0 0 Bereits 2Sam 4,4 bereitet als redaktioneller Verweis auf die Episode 2Sam 9,1-13 vor, indem Mephiboschet und Ischbaal unterschieden werden. 3 0 1 Eine redaktionelle Bearbeitung (in 2Sam 9,1.3.6.7a.b.l0aßyb.l lb. 13) könnte auch für die Einfuhrung Jonatans als Sohn Sauls in lSam 13f. verantwortlich sein. 3 0 2 Bereits die Grundfassung von 2Sam 9 ist aus einem vorliegenden Gegensatz zwischen Sauliden und David ergänzt, während die Genealogie nachträglich eingefugt wurde. Die Mephiboschet-Ziba-Szenen 16,1-4; 19,25-31 sind in die Reihe der Audienzszenen eingefügt, die das Motiv des israelitischen Aufstands gegen Juda durch die auf 298

Vgl. 2Sam 16,2-4 „der König" bzw. Mephiboschets Selbstbezeichnung „dein Knecht" 2Sam 19,27(2x).28f. 299 v g l . die vor-(bzw. nicht-dtr) Grundschicht nach VEIJOLA, David und Meribaal, 82f. Veijola ordnet die Redaktion in Zusätzen zu 2Sam 9 , 1 . 3 . 6 . 7 a . 7 b . l 0 a ß y b . l l b . l 3 aufgrund der Bezüge zu weiteren Saulidenerzählungen wie 2Sam 21,1-14 Dtr zu. Die Anspielung der Episode auf das hierarchische Verhältnis an sich zeigen die Funktionsbezeichnungen ins? (V 2(2x).6.8.10(2x).l l(2x).12; Zibas Knechte: V 10(2x)) l^O (2.4(2x).5.9.1 l(2x). 13) bzw. IHK (V 9-11) sowie terminologisch zum Bundesverhältnis gehörend t o n V 1.3.7. 300 Vgl. zu 2Sam 9 als Abschluss der AG bei NÜBEL, Davids Aufstieg, 76-78.94f. Bereits VRIEZEN, Compositie, hier 169, zählte 2Sam 9 mit ROST zur TFG, verweist jedoch auf den Saul-David-Jonatan-Zusammenhang (ab lSam 16,14; auch mit 2Sam 21,1-14) als Teil eines großen politisch-historischen Werkes. Nach Langlamet baute man die Geschichte vom Aufstand Absaloms in den ersten Jahren der Regierung Salomos zu einer Thronfolgeerzählung aus, deren erster Auflage noch vom Thronfolgeerzähler später die Mephiboschetszenen eingefugt wurden, 2Sam 9; 16,1-4; 19,25-31 und ebenso die eng mit ihnen verbundenen Schimi- und Barsillaiszenen 2Sam 16,*5-14; 19,*17-24.32-41a; lKön 2,*36^16; vgl. LANGLAMET, Rezension zu WÜRTHWEIN; vgl DERS., Pour ou contre, 519; vgl. DERS., Absalom, 163f. und VEIJOLA, Dynastie; 114-137. So entstand die über die TFG hinausgehende „histoire de David"; vgl. LANGLAMET, Rezension zu SCHULTE, 441. 301 Vgl. FISCHER, Hebron, 143-147.207. Nur 2Sam 4,4; 9,3; 21,7 erwähnen Mephiboschets Abstammung von Jonatan. 302 Vgl. zur Konzeption der Figur des Jonatan bereits JOBLING, Narrative, 6-14.

6. Strukturen

und Themen einer Geschichte

der frühen

Königszeit

95

geschichtliche Größen transparenten Figuren variieren 3 0 3 und diese in ihrem Verhältnis zu David darstellen. In den Lehrerzählungen stehen die Sauliden und David als konträre Figuren, anhand derer das Vasallen-Herr-Verhältnis narrativ erklärt wird. Literarischer

Ausgangspunkt

Fortschreibung *

2Sam 1,1-2*.3-4.11-12*.17. 18aa0öX'1). 19-27 • Entwicklung

der

Blutschuldmotivik/ weitere Ergänzungen

l,laßyb.2aa,b.5-10. 12aßba 2 .13-16

Amalek 1,13b

lSam 31,1-6

+31,7+8-10+11-13

Saulidenepisoden

Ausgangspunkte 2Sam 19,25-31—*• 2Sam * 9 — • 2Sam 4,4 —>- Jonatan *lSam 13-14 I 16,1-4 1 > 2Sam 6,16.20-23 3 0 4

In der Figurenkonstellation Sauliden - David variieren die Erzählungen Loyalität und Aufstand und schreiben so einen alten Gegensatz zwischen Israel und Juda fort.

6. Strukturen und Themen einer Geschichte der frühen Königszeit Die Erzählungen über Saul und David spiegeln das israelitisch-judäische Verhältnis der späteren Königszeit und entstanden als Reflexion der Zeit der Zweistaatlichkeit. Anspielungen auf paradigmatische Orte (z. B. Hebron, Gibea/Geba/Gibeon) und auf Gestalten der Königsgeschichte (Jerobeam, Asa, Hiskia, Josia und Zedekia) prägen Handlung und Figurenbildung. Die Erzählfiguren stehen für die von ihnen repräsentierten Größen. Der durchgängig wertende Figurenkontrast zwischen Saul und David setzt die Konfliktkonstellation zwischen Israel und Juda fort. Mittels hierarchischer Figurenkonstellationen, wie zwischen David und dem Philisterfürsten (lSam 27,1 - 28,2; 29), bilden die Erzählungen geschichtliche Größen303

Vgl. z. B. Ittai von Gat 2Sam 15,18-22. Auch diese Szene reflektiert die erzwungene Aufgabe der Herrschaftsansprüche der Sauliden. Michal verhält sich gegenüber dem König als überhebliche israelitische Königstochter und als unwürdig angesichts der Erwählung Davids vor Saul (6,22); vgl. HU 2Sam 6,16; V 20-23 variieren entsprechend Niedrigkeitsaussagen; vgl. lSam 6,22; 2,7. Als Parallele zur Fensterszene 2 S a m 6 , 1 6 ( ¡ i b m IptC') vgl. 2 Kön 9,30. Anders ebenfalls thematisch begründete Zuweisung als Fragment einer Thronfolgegeschichtsquelle bei ROST, Thronnachfolge, 14.36.103.108.109. 304

96

Kapitel 2: Saul- und

David-Überlieferungen

Verhältnisse ab. Als geschichtstheologische Reflexionen judäischer Geschichte mit legitimatorischer Tendenz setzen sie die Identifikation mit Juda als kleinerem Partner in Bündnissen voraus. Thematisch ist das hierarchische Verhältnis zwischen ungleichen Partnern ("l^tt/TSJ?) transparent auf Konstellationen der späteren Königszeit, etwa auf die Relation eines Vasallen(-fiirsten) zu seinem (Groß-)König. 305 Die Erzählungen entfalten die Struktur hierarchischer Verhältnisse über Funktionsbegriffe („Knecht/Vasall" ("Dy)/„König") oder Handlungsvollzüge. Ihre literarische Komplexität entstand durch mehrfache Überarbeitung. Fortschreibungen und Verdoppelungen von Erzählstoffen in Parallelepisoden, Figurenausgestaltung, Ausweitung genealogischer Kontexte 306 sowie die Weiterfuhrung der Motivik 307 bedingen ihr literarisches Wachstum.

305 Dies ist der mimesis I RIC'3X1 zwar inhaltlich denkbar, aber nicht syntaktisch, da die weiteren, n a c h f o l g e n d e n Prädikatverben dann im Plural stehen müssten, vgl. VEIJOLA, Keila, 27. 104 In V 7 ist schwer verständlich, was mit 733 pi gemeint ist. Will man keine Verschreibung aus 7DÜ annehmen, vgl. BUDDE, K H C Samuel, 156, ist sinngemäß von „Gott hat ihn a u f g e g e b e n in meine H a n d " auszugehen. 105 In V 13 ist die genaue Anzahl der Männer Davids als Glosse zum vorangehenden VIP'JXI zu verstehen mXQ UfttfD). Die Angabe müsste sonst auch in V 3 genannt sein, w o die Männer zum ersten M a l auftreten, vgl. VEIJOLA, Keila, 28. 106 Die Problematik des wayyiqtol als Einleitung in 23,1 bleibt bestehen. 107 Zur Bezeichnung der Reaktion des Adressaten, vgl. VEIJOLA, Keila, 29. 108 Deren mittleres Glied mit der eigentlichen Nachricht, wiederholt in der G r u n d schicht der Erzählung I S a m 23,1.7.13 konstant vier Worte, die mit der Ortsbezeichnung Keilah enden: V Iba nyspn D'önVj ETntC^D H3H; 7a nVspn 117 X3 '3; 13ba 0*703 '3

n V s p ö i n vgl. VEIJOLA, Keila, 30.

3. Verrat und Gottesbefragungen "713 hi/ho + V m n "IÖX1? + Nominalsatz oder 'D + qatal wayyiqtol (Subjekt: Adressat)

¡Sam

23,1-15.19-28

117

Adressat Botschaft Reaktion des Adressaten

Die Einsätze in 1 Sam 23 verknüpfen ähnlich strukturierte Episoden der Fluchtgeschichten. 109 Eine bestimmte Information löst ein Ereignis aus, wie in lSam 23,1-15*. V 1 markiert den Impuls für das Geschehen. David erhält eine Nachricht ( i n 1 ? 17JP1 V 1) und befragt JHWH, ob er nach Keilah ziehen soll (V 2-5). Der zweite Teil der Episode beginnt mit derselben Einleitungsformulierung (VlNUft Hl' , 1 V 7), die wiederum den Impuls für Sauls Aufbruch mit dem Heerbann nach Keilah liefert (V 8). 110 Entsprechend schließt der Abschnitt mit der Mitteilung an Saul, David habe sich gerettet, woraufhin Saul von seinem Auszug gegen David ablässt (1"Un VliWTl pu V 13). Die neue Sachlage zwingt Saul zur Aufgabe seiner Pläne. v v v v

l 7 11 13

-m1? n r i ->• v 4f. -m1? n n —> v 8 xr-un v n Tin VuwVi

ir/i^n rr tv

In ihrer Endform gliedert sich die Ortsüberlieferung zu Keilah und Ziph lSam 23,1-15 in zwei aufeinander bezogene Szenenfolgen' 1 ' mit unterschiedlichen Protagonisten. David und die Bewohner Keilahs handeln in V 1-5 bei der Befreiung einer Stadt von den Philistern. Das Verfolgungsmotiv schildern V 7-13. Den Geschehensverlauf bestimmt in dieser Endfassung Davids durch die Gottesbefragungen hervorgehobenes Wissen. Zwei einander z. T. entsprechende Szenenfolgen ergeben sich. VI V 2 V 3 V 4 V 5[.6]

109

1. 2. 3. 4. 5.

Szene: Szene: Szene: Szene: Szene:

David erfahrt vom Philisterkrieg David befragt J H W H Davids Männer halten David ihre Angst vor David befragt erneut J H W H David und seine Männer ziehen los und besiegen die Philister

Vgl. im Kontext von Flucht und Verfolgung Davids in l S a m 18,20.24.26; 19,2f. 20,9f.; 22,21f.; vgl. ferner in l S a m 14,33; 2Sam 2,4f.; 3,23f.; 11,10; 19,9; 20,17f.; abgewandelt lSam 27,4; l K ö n 2,29.41f. Häufiger als ein 'D-Satz ist durch eingeleitetes Zitat, Gen 38,13f.24; Jos 10,17f.; l S a m 15,12f.; 19,19f.; 2 S a m 6 , 1 2 ; 1,51 f.; 2Kön 6,13f.; 8,7f.; Jes 7,2. 110 Vgl. dieselbe Struktur in 23,19 (erster Verrat der Ziphiter mit direkter Rede); in 24,2 (Verrat der Ziphiter ...iV n r i ) und mit direkter Rede in 26,1. 111 Zu vermuten ist eine Entstehung in zwei Stufen. Ausgehend von 23,7~9a. 10-13 entstand 23,1-5; schließlich wurden V 6.9b ergänzt. 7.11; lKön 1ÖS"? lKön

118 V V V V V

Kapitel 3: Sauls Tötungsabsicht 7 8 9a 12(9b) 13a 13b

6. Szene: 7. Szene: 8. Szene: 9. Szene: 10. Szene:

und Davids

Flucht

Saul wird von Davids Einzug in Keilah benachrichtigt Saul bietet das Volk zum Feldzug gegen Keilah auf Zwei Gottesbefragungen Davids Davids Flucht von Keilah Saul wird David Flucht gemeldet und er lässt vom Feldzug ab

l S a m 23,14f. lenken zur Verfolgung Davids und zur Fluchtmotivik zurück. 1 1 2 Das Scheitern der Pläne Sauls und Davids Flucht werden auf JHWHs Eingreifen zurückgeführt, der den Verfolgten nicht ausliefert ( T O i n j V 14). J H W H s Zuwendung zu David konkretisiert sich in Davids Wissen um Sauls Vorhaben. In der Szenenfolge wird dies in V 1.7.13 und V 11 auf das Motiv mit derselben Terminologie und der Formel für die Übermittlung von Botschaften (133 hi/pu) deutlich: David, der bereits einen Verdacht vom Hörensagen hat (»ötf »ötf V 10; saitf 1WX3 V 11), bittet, J H W H möge ihm kundtun, ob Saul herabkommen werde. Die Gottesbefragungen als Kern der Geschichtserzählung sind im Folgenden im Kontext der SD-Erzählungen zu besehen.

3.2.1

Gottesbefragungen

Direkte Gottesbefragungen und in einer Frage mündende Gebete V 2-4 und 10-12 113 interpretieren Listigkeit, Klugheit und Wissen als Form göttlicher Zuwendung und göttlichen Schutzes. Die Befragungen sind dreiteilig aufgebaut: 1. Eine Frage mit "7Kli> leitet ein; ggf. mit präzisierender Alternativfrage mit der Formel T 3 1113 oder T 3 130 ( l S a m 23,12.21). 1 1 4 Es folgt 2. ein Gottesspruch als Antwort, eingeleitet durch l ö X ' 1 l S a m 2 3 , 2 (vgl. 2 S a m 5 , 1 9 ) . Entweder folgt ein Marschbefehl umschrieben durch "I1? „ziehe hin!" l S a m 2 3 , 2 bzw. Dlp 1 Sam 23,4 oder eine Übereignungsformel, umschrieben durch T 3 ] n 3 ( l S a m 23,4; 2Sam 5 , 1 9 ) / T 3 n3D ( l S a m 23,1 lf.). 3. Kampfbericht und Siegesmeldung, umschrieben durch y i T"?'! schließen ab. Die formal variierenden Befragungen beschreiben JHWHs auf unmittelbare strategische Entscheidungen bezogene Wissensvermittlung an David. Dieses Motiv fuhrt V 6.9b mit der Einfügung des Abjathar durch priesterliche Tradenten fort. 1 1 5

112

Vgl. ITHS» im Hügelland der Wüste Ziph; W'p3 V 14f. In V 10 ist die Konstruktion K131? VlXU7 ttf'pDÖ ungewöhnlich, vgl. BUDDE, KHC Samuel, 157; vgl. analog gebildete Formulierungen über Saul l S a m 19,2 fPönV ... 20,1 'tfB3 - nX U?'p3Q ' 3 , 23,15 1»'S3 - ri8 ©'pD1?; und vgl. 24,10 inSTI i n . Sprachlich auffällig ist die Konstruktion TS 1 ? nnu?'1? in V 10. In der Konstruktion mit V folgt dem Partizip häufig ein Infinitiv constructus, nicht aber ein nachfolgendes Objekt; vgl. 113

CONRAD, 114

nntf,

1235

Beide Male m r P 3 Vxtf. Im zweiten Teil des Abschnittes leitet T H lOK 1 ! (V 10a. 12a) ein und eine mit Fragepartikel beginnende Frage (V 1 l a a ß . l 2 a ß ) führt sie fort. Vgl. zur Form von Gottesbefragungen RICHTER, Untersuchungen, 2 2 f . l 8 2 , ausgehend u.a. von l S a m 23,1-13. 115 Abjathar wird hier ebenso unvermittelt eingefügt wie Ahija in l S a m 14,18f.; vgl. auch l S a m 2 2 , 2 0 - 2 3 als Parallele zur Flucht Davids i m / U ^ D für die Rettung Abjathars. Die Verbindung Abjathars und des Ephods V 6 mit David soll die Bedeutung der im Zusammenhang mit David positiv gewerteten Eliden hervorheben.

4. Motivlicher

Rückraum und Entstehung der

Fluchtgeschichten

119

Sauls Vorwürfe lSam 22,15, 116 die Priester seien divinatorisch für David tätig geworden und man enthalte ihm Informationen am Hof (V 8.17), deuten die Tragweite eines Streites um das Erlangen von Herrschaftswissen an. Davids Gottesbefragungen (DTJ^iO bXW V 13.15) im folgenden Kontext 117 setzen Davids Fähigkeit voraus, der Saul sich durch Tötung der Priester beraubte. Die Erlangung von Herrschaftswissen 118 bearbeiten die SD-Erzählungen weiter, wie in 2Sam 5,17-21.22-25 deutlich wird. Der Verweigerung der Antwort an Saul nach lSam28,6 steht die gelungene Divination als Form der Zuwendung JHWHs und als Grundlage von Davids militärischem Erfolg gegenüber. Das Verhältnis des israelitischen und des judäischen Königs zu den Propheten als möglichen Trägern solchen Wissens ist gegensätzlich. David erhält Hinweise von Gad, dem Propheten (22,5), während Saul dieses Wissens entbehren muss. 119 So verdeutlichen die Erzählungen am Motiv der Gottesbefragungen JHWHs Erwählung Judas. Nachdem die Fluchtmotivik, ihr juridischer Zusammenhang, sowie die Gottesbefragungen als Ausdruck der Zuwendung JHWHs zu David als Inhalt der Erzählungen verdeutlicht wurden, ist ihr historischer Ort ausgehend von den vorausgesetzten geographischen Angaben näher zu bestimmen.

4. Motivlicher Rückraum und Entstehung der Fluchtgeschichten 4.1 Der geographische Raum der

Fluchtgeschichten

lSam 23,19 gibt als Sitz des israelitischen Königs knapp Gibeah 120 an und erwähnt mehrere Orte im Süden Judas. Vom judäischen Keilah 121 (lSam 23,1.3-5.10-13) zieht David nach Ziph (V 14) bzw. in die nach 116

Vgl. die auffällige Bezeichnung Priester JHWHs, V 11.19 D^rD/frO; V 17.21 ^HD mn* und dazu unten Kap. 4 1.1. 117 Vgl. z. B. in lSam 23,2.4; 2Sam 2.5, bzw. die Verweigerung einer Antwort an Saul lSam 14,18; vgl. 14,3. 118 Vgl. zu den damit verbundenen Vorstellungen Kap. 4, 1.2 Exkurs. 119 Vgl. hierzu thematisch lSam 28,3-25. 120 Vgl. Kap. 2, 2.4.3 Exkurs. 121 Es sei denn, man verstünde „Juda" im Unterschied zu „Keilah" als Hinweis darauf, dass Keilah gerade schon außerhalb des Einflussbereichs der Judäer liegt. Vgl. lSam 23,3: „Wir furchten uns (schon) hier in Juda, wie sehr werden wir uns furchten, wenn wir nach Keilah zu den Schlachtreihen der Philister ziehen?" Keilah wird identifiziert mit ifirbet Qilä (1503.1134) 13,5 km nw. von Hebron; nach Jos 15,44 liegt es am Rande Judas; vgl. Keilah noch in Neh 3,17f.; lChr4,19.

120

Kapitel 3: Sauls Tötungsabsicht

und Davids

Flucht

dieser Stadt benannte Wüste. 122 Den Ort lokalisiert Jos 15,55 an der Südgrenze Judas. 123 Auch die Wüste Maon (lSam 23,25; 25,lf.) bzw. das dort gelegene Karmel (25,2.40) verbindet Jos 15,55 mit der judäischen Südgrenze, ebenso En-Gedi (lSam 24,1 f.) in Jos 15,62.124 Gath 125 liegt in relativer Nähe (lSam 27,2-4) des judäischen Berglandes südlich von Jerusalem in Richtung Hebron. Wenn auch einige Ortsangaben rätselhaft bleiben, 126 so setzt die Lokalisierung der Verfolgung des Judäers David im Süden Judas den weiteren Umkreis der in 2Sam 2,1.11 genannten Herrschaft in Hebron als Bezugspunkt voraus. Dies bietet einen Ausgangspunkt für die literarische Entwicklung der Erzählungen. Die Ortsliste in Jos 15,20-62 erwähnt auch Keilah an der judäischen Südgrenze (V 44), 127 die judäische Königsstadt Ziklag (V 31), sowie EnGedi (V 62). Die Fluchtgeschichten entfalten ihre Thematik der Verfolgung im geschichtlichen Kontext der Entstehung dieser Liste. Sie spiegelt eine Distrikteinteilung bei der Neuorganisation der Verwaltung im 7. Jhdt., wahrscheinlich zur Zeit Manasses. 128 Die durch ausgeprägte Be122 Vgl. 23,15. Horescha l S a m 2 3 , 1 5 f . l 8 f lässt sich als Orts- oder Landschaftsname nicht weiter einordnen und ist nur durch seine Zuordnung zu den Ziphitern lokal näher bestimmt. 123 Vgl. IChr 2,42; 2Chr 11,8; l S a m 2 6 , 2 (vgl. als Name HD'T IChr. 4,16). Davon zu unterscheiden ist das Jos 15,24 genannte, im SW des Negeb, sw von Kurnub gelegene Ziph, das kaum zu lokalisieren ist. Als Vorschlag kommt lediglich Hirbet ez-Zefe (1480.0470 oder 1450.0470) in Betracht, das allerdings zu weit südlich liegt, vgl. DE V o s , Los, 358. 124 Vgl. noch Ez 47,10; Hohes Lied 1,14; griech Sir 24,14. 125 Telles-Säfi (1357.1235). 126 Yg] die Bezeichnung IlD 1 ^'' (Wüste) bzw. als Orts- oder Gebietsname in l S a m 23,19.24; 26,1.3. 127 Zur Annahme, hinter Keilah stecke das im 14. Jahrhundert in der AmarnaKorrespondenz belegte Kelti, das seinen unabhängigen Status als Stadtstaat noch bis zur Überlieferung von l S a m 2 3 halten konnte, vgl. NOTH, Ansiedlung, 194; aufgenommen

b e i VEIJOLA, K e i l a , 3 7 . 128 Vgl. zur Datierung in die Josiazeit, ALT, Judas Gaue, 176-188. FRITZ, Josua, 162, setzt die Entstehung der Gaueinteilung im 9./8. Jhdt. (ab Abia und Asa von Juda) an. Vgl. zur Datierung der Liste auch SPIECKERMANN, Juda, 150, Anm. 268. In die Zeit Manasses datiert DE VOS, Los, 526f. Entscheidend für seine Datierung der Grenze in die EZ HC ist die Bezeichnung „Bach Ägyptens", der mit dem wädl el-'ArTs (0500.0400) gleichgesetzt wird, die erst mit dem Feldzug Sargons II nach Raphia (720 v. Chr.) galt; zuvor lokalisierte man aufgrund von l S a m 3 0 , 9 f . 2 1 den Bach Ägyptens mit dem n t i o n VnJ. Die frühe Ansetzung der Angaben in l S a m 3 0 leuchtet nicht ein, dennoch spricht für die Manassezeit, dass erst eine gut funktionierende Zentralgewalt eine Grenze in der Wüste errichten konnte, angesichts des archäologischen Befundes für die EZ I/II im Negev, vgl. bei JERICKE, Landnahme, 73.158f.265-267. Ob die Liste die Städte von den Grenzen ( n s p ö Jos 15,21a) des Landes Juda gegen das Gebiet von Edom hin auflistet, oder ob n x p ü als Nordgrenze zu verstehen ist, wie bei FRITZ, Josua, 165, der V 2 1 a für einen redaktionellen Nachträg hält, kann hier offen bleiben.

4. Motivlicher

Rückraum und Entstehung

der

Fluchtgeschichten

121

Siedlung markierte Südgrenze findet in der neuassyrischen Zeit Anschluss an Handel und Wirtschaft und erlangt militärisch als Abgrenzung gegen Ägypten Bedeutung. 129 Der judäische König muss sich an der Südgrenze Judas an schwer zugänglichen Orten, in „Höhlen" (rt"!VO 24,4) und „Zufluchten" 130 verbergen (23,19 1DD), während der israelitische König die Bewohner Ziphs zum Aufstand gegen ihn anstacheln kann und auch Keilah sich gegen die judäische Herrschaft erhebt. 4.2 Die Ausgestaltung zu Fluchtgeschichten

durch ubti / / /77J7

Flucht- und Verfolgungsmetaphorik reflektieren Judas durch Israel mit bewirktes Geschick in den Erzählungen auf mehreren zeitlichen Ebenen. Davids Rettung nach lSam 23,13; 27,l(3x) sowie nach 19,10-12.17f. ist terminologisch mit der Erinnerung an die assyrische Bedrohung im 8./7. Jhdt. verknüpft; 131 beschreibt Judas Rettung als geschichtliches Ereignis. 132 Die Flucht (013) aus einem Herrschaftsgebiet und die damit verbundene Unterordnung unter eine andere Territorialgewalt erwähnen die Geschichtserzählungen mehrfach. 133 4.3 Das literarische Wachstum von lSam 22 - 26 lSam 23,1-15.19-28; 24 und 26 entfalten ausgehend von der Saul-DavidKontrastrelation und einer Lokalisierung der judäischen Herrschaft in Hebron ( 2 S a m 2 , l l ) das Verfolgungsmotiv, das thematisch an die Überlieferung eins israelitischen Übergriffes auf Juda anschließt (2Sam 2,12-17; 3,1.6). Die Erzählungen beziehen diese Verfolgung auf Ereignisse in Städten an der Südgrenze Judas (24,2; 23,7.19; später in 26,1-2). Für eine Fol129

Vgl. DE VOS, Los, 526; mit einer Datierung der Südgrenze in die EZ HC. So die wörtliche Übersetzung abgeleitet von I I S „fliehen"; häufig mit „Festungen" wiedergegeben; vgl. I I S Num 35,20.22 und vgl. dazu oben. Vgl. als Zufluchtsorte: W i m nnsöa 23,19; vgl. in der Ein- und Ausleitung der En-Gedi-Episode 24,1. 23 ' - r r r » irmD/rmsarr1?}?; vgl. 23,14 rvnx&a oder im Hügelland der Wüste Ziph (23,14 «l'rnaiaa Ina). Vgl. annpv 'W'Drns m s ( l S a m 24,12) bei der Beschreibung Sauls. 131 Vgl. die Überleitung lSam 27,1^1 vom israelitisch-judäischen Verhältnis zum Philisterverhältnis und die dahinter stehende assyrische Bedrohung, vgl. oben Kap. 2, 3. 132 Vgl. Jes 31,5; BARTHEL, Prophetenwort, 448f.451 zu Jes 31,5.8f als josiazeitlicher Neuinterpretation mit BARTH, Jesaja-Worte, 85.88-90.210. Vgl. ü"7» Jes 20,6 und Davids Flucht vor Absalom, die diesen Motivzusammenhang aufgreift 2Sam 15,14 ma/tiVD. 133 Insbesondere bei Absaloms Versuch, die Stämme Israels hinter sich zu versammeln, vor denen der Judäer David ins Ostjordanland fliehen muss, 2Sam 15,14 (vgl. die spätere Ergänzung 19,10 und Absaloms Flucht vom Hof Davids in der Vorgeschichte 2Sam 13,34.37f., als Motiv aus 2Sam 15,14 entwickelt). Vgl. zum Motiv noch Jerobeam lKön 11,40; 12,2; Jotham Ri 9,21; Jiphtach Ri 11,3 und zur Bedeutung „ausweichen, entweichen von einer andauernd gefahrlichen Situation", GAMBERONI, m a , 779. 130

122

Kapitel 3: Sauls Tötungsabsicht

und Davids

Flucht

ge von Fortschreibungen des Erzählbestandes ausgehend von l S a m 2 4 spricht die Form der Reihung an sich unabhängiger Episoden, die als Handlungsfolge nur einseitig aufeinander aufbauen: Voranstehendes erklärt Folgendes, während spätere Erwähnungen die voranstehenden nicht voraussetzen. Kontinuierliche Fortschreibung von Figurendeutungen sowie Einfügungen im Anfangsbereich der Überlieferung erklären dies am besten. Literarisches

Wachstum der

Fluchterzählungen

Literarischer A usgangspunkt

24,l-6.7aa.l la-23 En-Gedi

Fortschreibungen

26,1-8.10. 1lb-25 Ziph

-»>

2 3 , 1 9 - 2 8 - » - 2 3 , 7 - 9 a . l 0 - 1 3 - > 23,l-5.6.9b Horescha, Hachila, Jeschimon, Maon

Keilah

priesterlich 23,6.9b Ergänzungen: Messianische Redaktion: Weisheitliche Lehrerzählung: Jonatan-David: Samuel

* *22,6-23

24,7aßb.l lb; 26,9.11a.23 2 5 , l b - 4 2 (43f.) 23,15-18 25,1

Kapitel 4

Motivik, Form und Überlieferungsbildung in lSam 1 6 - 2 2 Die Folge aneinander gereihter Erzählungen 1 Sam 16 — 22 führt Motivik, Figurenbestand und -konstellation vorhergehender Überlieferung aus l S a m * 2 3 - 2 7 fort. Die literarische Entwicklung wird in zwei Schritten nachgezeichnet: zunächst in der Fortführung des Aufstands- und Verfolgungsmotivs, exemplarisch an 1 Sam 22,6-23; 1 9 - 2 1 , 1 ; sodann anhand der Fortschreibungen und Ausarbeitungen zu einer Vita Davids in 1 Sam 18,17-30; 1 7 , 1 - 1 8 , 5 ; 16,1-13; 10,17-27. Eine kurze Reflexion über die Gattung der Herrscherviten folgt.

1. Aufstand und Verfolgung an Sauls Hof 1 Sam 22,6-23; 19,1-21,1 1.1 Aufstand und Gottesbefragungen

lSam

22,6-23

Sauls Verdächtigung der Benjaminiten und sein Mord an den Priestern von Nob wirft innerhalb einer ausgehend von 1 Sam 16 - 22 konzipierten Handlungsfolge viele Fragen nach dem weiteren Geschick der Figuren auf. Denn Davids und Abjathars Ergehen bleiben ebenso offen wie die Folge, die Sauls Untat an den Priestern haben wird. 1 Die Entstehung der Episoden in lSam 1 6 - 2 2 als Fortschreibungen eines vorgegebenen Bestandes erklärt die Unstimmigkeiten der Handlungsfolge. Versteht man 1 Sam 22,6-23 als der Überlieferung von der israelitisch-judäischen Königszeit vorangestellt, werden Zusammenhänge mit dieser deutlich; besonders anhand der Orte (Gibea, Rama; Nob), der Terminologie ("HP'?), sowie der Eponyme und Patronyme beteiligter Figuren 2 in den drei Szenen: V 6-10 Szene 1: V 11-19 Szene 2: V 20-23 Szene 3:

1

2

Thronrat Sauls in Gibeah unter der Tamariske in Rama Ahimelech und die Priester von Nob, Vernichtung Nobs V 19 Flucht Abjathars und Davids Zusicherung des Schutzes

Vgl. STOLZ, Z B K , 146.

Vgl. die Benjaminiten, der Judäer David, Sohn Isais, der Edomiter Doeg, die Priesterschaft.

124

Kapitel 4: Motivik, Form und Überlieferungsbildung

in lSam

16-22

Die narrative Gestaltung durch die überwiegende Verwendung direkter Rede entspricht dem Stil der Hoferzählungen lSam 1 9 - 2 1 . Nur kurze Redeeinleitungen, die Situationsbeschreibung zu Beginn (V 6), sowie knappe Handlungsberichte (V 11.19f.) unterbrechen die direkte Rede. Die Erzählmotive werden im Gespräch entwickelt. Den Benjaminiten wirft der König einen Aufstand durch den Bundesschluss mit dem „Sohn Isais" V 8) zu ihren Gunsten vor (V 7f.). Ebenso verdächtigt er die Priester des Aufstandes (V 13). Mit diesem Vorwurf knüpft die Geschichtserzählung an die judäisch-israelitische Königsgeschichte an. 1.1.1 Der Vorwurf des Aufruhrs und der

Priestermord

Der Vorwurf des Aufruhrs müsste die sofortige Bestrafung der Knechte nach sich ziehen. Saul kann jedoch weder seine Vermutungen substantiieren noch die nötige Strafe durchsetzen. Die V 6 - 8 beschriebene Szene wirkt bereits insofern grotesk. 3 Der Eindruck verstärkt sich, indem explizit die Loyalität zwischen Saul und seinen Knechten 4 thematisiert wird. Aus judäischer Perspektive ist Sauls Rebellionsverdacht gegenüber den Benjaminiten abwertend beschrieben. 5 lSam 22,6-8 verdichtet das problematische israelitisch-judäische Verhältnis durch die Lokalisierung in „Gibeah unter der Tamariske 6 in Rama" (V 6) und die Erwähnung der Benjaminiten. 7 In diesem geschichtlichen Horizont eröffnet die Erzählung eine kritische Sicht auf den kampfbereiten Saul, 8 der im Thronrat 9 an historischer Stätte seinen Vertrauten ein Bündnis mit dem Sohn Isais unterstellt, 1 0 um von diesem Grundbesitz und militärische Ämter zu erlangen. Die Erzählung setzt damit Vorgänge wie 2Sam 3,7-21 sie schildern voraus. Im größeren Zusammenhang der Auseinandersetzung mit dem Niedergang des israelitischen Staates hat die Desorientierung des Königs Erklärungswert. Seine falschen Vermutungen über die Konspiration an seinem Hof, seine Unfähigkeit, der Intrige an seinem Hof Herr zu werden, weisen darüber hinaus eine mögliche Schuld der Judäer am Untergang ihres Nachbarreiches zurück. Saul ist auch unfähig, sich divinatorischer Hilfe zu bedienen. Die für das „Herrschaftswissen" zuständigen Priester verdächtigt er der Konspiration und der Divination für David und beseitigt sie. 1 1

3

4 5

V g l . VERMEYLEN, L o i , 137f.; BERGES, V e r w e r f u n g , 138.

Vgl. -itop, in», rna v 7f.

Vgl. zu den Benjaminiten Kap. 2, 2.4.2 Gilead; 2.4.3 Gibeon. "7UW; vgl. nur noch zwei weitere Belege in Gen 21,33; lSam 31,13 Sauls Grab in Jabesch befindet sich unter einer Tamariske. 7 Vgl. oben Kap. 2, 2.4.3 und zu lKön 15,22 Kap. 5, Exkurs 2.5. 8 lSam 22,6 bildet den Ausgangspunkt der Speerwurfszene 20,33. 9 Vgl. „seine Knechte standen um ihn" (rV» Q ' r m v n » V 6b.7a). 10 Vgl. die gehäuften Patronyme. Die Stammeszuordnung hebt die unterschiedlichen Bezugsgrößen der Figuren hervor ' © " ' " P V 7-9.13; T Ö 1 p V 7 vgl. besonders in Erzählungen von Sauls Hof lSam 16,18; 17,13.58; 20,27.30f. vgl. noch lSam 25,10; 2Sam 20,1; 23,1. 11 Vgl. zu dieser Kategorie unten den Exkurs 1.2. 6

1. Aufstand

und Verfolgung

in Erzählungen

von Sauls

Hof

125

In mehrerer Hinsicht spielt die Episode auf parallele Ereignisse an. in ISam 22,8.13 steht für erfolgreiche 1 2 Putsche gegen israelitische Könige, 1 3 die, verglichen mit Juda, den Eindruck politischer Instabilität erwecken. 1 4 Indem ISam 2 2 , 6 - 2 3 Saul als typischen israelitischen König zeichnen, verdichten sie Königsüberlieferungen. Der Mord an der Priesterschaft von N o b (V 11-19) erfolgt aufgrund des Verdachts eines Aufstandes (HP"p V 13) Ahimelechs mit dem „Sohn Isais" (V 12-16). Sauls Anschuldigung der Illoyalität bezieht sich zunächst auf Ahimelech, dann unmittelbar auf David in seiner wichtigen Stellung am Königshof (733 ni V 14) als „Schwiegersohn des Königs" 1 5 und „Befehlshaber der Leibwache". 1 6 Die Hinrichtung der JHWH-Priester 1 7 von Nob spiegelt die Beseitigung der Baalspropheten bzw -priester nach 2Kön 10,25 1 8 durch Jehus „Läufer" 1 9 und deren Haupt-

12 Anders verlaufen Aufstände in Juda, bei denen nach dtr Lesart dennoch ein Davidide, als Sohn des Geputschten, den Thron besteigt, vgl. 2Kön 12,20-22 Verschwörung gegen Joasch; Amazja wird König dtr; WÜRTHWEIN, ATD 11/2, 359; vgl. 2 K ö n 2 1 , 2 3 f . Amon; dtr, WÜRTHWEIN, A T D 11/2, 444. Nach Amazja wird sein Sohn Asarja König, 2Kön 14,18-22; dtr, WÜRTHWEIN, A T D 11/2, 373. Vgl. Ataljas Versuch 2Kön 11,14 mit dem Ruf "W'p "ItC'p, die Einsetzung Joaschs als Aufruhr gegen den König zu unterbinden; 2Kön 11,13-16 sind literarisch vom übrigen Kapitel zu trennender Einschub, vgl.

WÜRTHWEIN, A T D 1 1 / 2 , 3 5 1 . 13 Vgl. l K ö n 15,27 Baesa gegen Nadab; vgl. l K ö n 16,9.16.20 Simri gegen Asa; 2 K ö n 9 , 1 4 ; 10,9 Jehu gegen Joram; 2Kön 15,10 Schallum gegen Sacharja; 2Kön 10,25 Pekach gegen Pekachja, 2Kön 15,30 Hosea ben Elah gegen Pekah. 14 Vgl. dazu im Einzelnen unten Kap. 5. 15 Ausgehend von diesem Titel entsteht 18,17-30, vgl. unten 2.1. 16 Vgl. ni/nw'»- 1 ?!* 10 nur noch 2Sam 23,23 (//IChr 11,25) für Benaja; vgl. Jes 11,14. Die genaue Funktion des/der r w a u t o bleibt unklar. Vgl. msm't KAI 181,28 die „Untertanen" der Stadt DIbän, die Krongut war; AviSHUR/HELTZER, Studies, 95 denken hier ausgehend von den biblischen Belegen an eine militärische Einheit. Die Helden Davids sind doppelt gestuft; Benaja wird gegenüber den übrigen Helden als Anführer der nSDW'O 2Sam 23,23 aufgewertet; vgl. Abischai nach 23,19 n u ^ l P ' r r i y i 1W. Vgl. zur späteren Einfügung des Benaja in die Liste der dreißig ZERON, Heldenliste, 2 0 - 2 8 : von allen anderen Helden wird nur eine, von Benaja werden drei Heldentaten berichtet (Tod zweier Söhne (LXX) Ariels aus Moab; eines Löwen; eines Ägypters). Die Titel Davids in ISam 2 2 , 6 - 2 3 nehmen Material der Liste in 2Sam 23 auf, 22,14 i r V 3 3 1333; vgl. Abischai 23,19; vgl. // IChr 11,21 und 1333 Sam 23,23//IChr 11,25. Vgl. zu Abischai nur noch ISam 26,6-9. Die Ähnlichkeit von 2Sam 2 0 - 2 3 über Benaja („... er war geehrt unter den dreissig, aber an die drei reichte er nicht") mit V 18f. (über Abischai) zeigt, dass der Abischaitext zunächst weitgehend übernommen und weitere Heldentaten später hinzugefügt wurden und zugleich seine Rolle im Verhältnis zu Joab nach l K ö n 2,28-35 geklärt werden musste. Deshalb steht der relativ ausführliche Abschnitt über Benaja zwischen den beiden Brüdern Joabs, Abischai (V 18f.) und Asahel (V 24), vgl. BlETENHARD, General, 56f. 17

V 17.21, vgl. m r r ' 7 ]H3, bzw. m n * , 3 n 3 als Amt, aus dem Jerobeam die Leviten vertrieb, 2Chr 11,14; 13,9, vgl. die Constructus-Verbindung noch Lev 7,35; Jes 61,6. 18 Dafür sprechen mehrere Bezüge zwischen den Texten. Vgl. WÜRTHWEIN, A T D 11/2, 341, als Teil der ursprünglichen Rezension (A) des Massakers Jehus an den Priestern. 3 i n 'S1? H33 ISam 22,19(2x); vgl. 2Kön 10,25; vgl. noch Jos 8,24; 10,28.30.32.35. 37.39; 11,1 lf. 14; 19,47; Ri 18,27; 20,37.48; 21,10; in Sam nur noch ISam 15,8;

126

Kapitel 4: Motivik, Form und Überlieferungsbildung

in lSam

16-22

leute. Keiner der von Jehu Zusammengetriebenen soll sich retten (übti 2Kön 10,25); nur Abjathar entkommt (üVü lSam 22,20). 2 0 lSam 22,6-23 zeichnet Saul auf der Folie Jehus, der Israel von den Baalspropheten befreite, wertet ihn als paradigmatischen israelitischen König im Unterschied zu Jehu jedoch rein negativ. 2 1 Nur kurz erwähnt die dritte Szene V 20-23 Davids im Gegenzug zu Saul geschildertes weiteres Schicksal mit Abjathar. 2 2

1.1.2 Zur literarischen

Entwicklung

22,6-23 schließt nicht an die Handlungsfolge der ihr jetzt voranstehenden Episoden an, sondern ist im Blick auf einen anderen Kontext entstanden und lSam 23 - 26* vorangestellt worden. Literarischer Ausgangspunkt ist eine Ortsüberlieferung zu Nob (V II) 2 3 als Anspielung auf den Jes 10,32 genannten Ort, die die Episode im Schatten der über Israel heraufziehenden Assyrer verortet. Die Erzählung vom Priestermord gestaltete man ausgehend von der Jehu-Überlieferung und auf der Grundlage israelitischjudäischer Erzählungen aus 2 S a m 2 - 4 zu lSam 22,6-9.11-16.17*.19-23 aus. Der Edomiter Doeg (V 9f.l8f.) setzt die exilisch-nachexilische Feindschaft zu Edom voraus. Auf späte Bearbeitung nach Einfügung von

2Sam 1 5 , 1 4 ; einzige Parallele in Kön 2Kön 10,25, nach S . O T T O , Jehu, 1 1 4 , dtr Bearbeitung. 19 Vgl. 2Kön 10,19; Baal-Verehrer 2Kön 10,21. Vgl. zur vor-dtr Darstellung Jehus, die diesen nicht ausdrücklich kritisiert, C R Ü S E M A N N , Aporiendarstellung, 68. Nach S . O T T O , Jehu, 114, gehört zur Grundschicht zumindest die Nennung der Baalspriester in 2Kön 10,19a. 2Kön 10,17aßb.l9b.21aa.25b-31a.32-36 sind dtr Bearbeitung; vgl. zur Wertung Jehus ebda., 116. 20 Über die Zahl der vernichteten Priester gibt 2Kön 10 keine Auskunft. 80 Männer stehen außerhalb des Baalstempels nach 2Kön 10,24; nach lSam 22,18 fallen 85 Priester. 21 Die Weigerung der „Läufer" Sauls, die „Priester JHWHs" zu töten (V 17) verstärkt das negative Bild von Saul. D'ST - „Läufer". Der seltene Terminus ist im persischen Reich in Est 3,13.15; 8,10 für Reiter bzw. in 8,14 für die Fahrer von Gespannen gebräuchlich. Als Bezeichnung eines Amtsträgers am israelitischen bzw. judäischen Hof wird der Begriff (stets mit Artikel) „die Läufer" in der Überlieferung dreier Könige verwendet 14,27f. als Bewacher des Königshauses Rehabeams (//2Chr 12,10f.), von Jehu 2Kön 10,25; vgl. W Ü R T H W E I N , ATD 11/2, 341, als Teil der ursprünglichen Rezension (A) des Massakers Jehus an den Priestern; vgl. ferner im Bericht von der Inthronisation Joaschs in 2Kön 11,4-20; V 4.6.11.19 (nach W O R T H W E I N , ATD 11/2, 344-351, jeweils in Nachträgen eingefügt); vgl. ferner 2Chr 30,6.10. 22 Das Verhältnis zur Elidenüberlieferung in lSam und zu l K ö n 2 , 2 6 f . bzw. 1,19.25 kann hier nicht grundlegend behandelt werden. lSam 22,20-23 geht literarisch lSam 2,33 voraus. 23 Als früheste Erwähnung kann Jes 10,32 gelten; das redaktionell gebildete 10,27-32 datiert B A R T H , Jesaja-Worte, 64-69.74 zwischen 717 und 620 v. Chr.; vgl. zum redaktionellen Charakter von 10,27b -34 B L U M , Testament, 567. Sonst ist der Ort in lSam 21,2 (abhängig von 22,9.11) und Neh 11,32 nur in persischer Zeit belegt.

1. Aufstand und Verfolgung in Erzählungen von Sauls Hof

127

lSam 17 geht V 10b („Schwert Goliaths") zurück. 24 Das Bündnis zwischen Jonatan und David (V 8) setzt lSam 23,16-18 voraus. 1.2 Exkurs: Unheilsherrscher,

Heilsherrscher,

Herrschaftswissen

Die Konflikte um Gottesbefragungen und um Rollen der Priester in 1 Sam 22,6-23 bilden einen Kern der Erzählung. Ihr Hintergrund liegt in einer langen und im ersten Jahrtausend virulenten Auseinandersetzung um das königliche „Herrschaftswissen", die man in Mesopotamien anhand der als Kontrastfiguren stilisierten Herrscher der Akkad-Dynastie, Sargon und Naram-Sin, führte; verstärkt in der Omenliteratur noch während der Kanonisierung im ersten Jahrtausend. 25 Das Unglück des „Unheilsherrschers" Naram-Sin, eines Enkels Sargons, sah man in dessen mangelnder Kommunikation mit der Gottheit begründet; dem Heilsherrscher Sargon schrieb man ein sicheres Umgehen mit dem Herrschaftswissen zu. Vier Überlieferungen sind vom Gegensatz zwischen Heils- und Unheilsherrscher geprägt und behandeln den Umgang des Königs mit Omina. „Fluch über Akkad" erwähnt Naram-Sins Gleichgültigkeit gegenüber Orakeln bzw. seinen Unmut über ungünstige Orakel (Z. 94-101). Trotz eines missglückten Omens zieht Naram-Sin schließlich aus (Z. 94-102). 2 6 Die Kutha-Legende von Naram-Sin 27 war als populärste der akkadischen Königslegenden ausschlaggebend für dessen Ruf als „Unheilsherrscher." 28 Das Werk urteilt über ihn im Vergleich mit seinem Vorgänger Enmerkar. In der kürzeren jungbabylonischen Version der Kutha-Legende 29 ist die Erzählung in einen diskursiven durch Einleitung und ermahnenden Schluss angedeuteten Rahmen eingebettet. Naram-Sin ist in der 24 Die Erzählung setzte in spätnachexilischer Zeit lSam 21,1-10 aus sich heraus, vgl. VERMEYLEN, Loi, 132f. 1 Sam 21,2a.9f. hält VERMEYLEN für älter; Zufügungen in den übrigen Abschnitten aus der persischen Zeit; Doeg, 21,8, sei späterer Einschub. 25 Vgl. FLNKELSTEIN, Historiography, 466. Die Orientierung späterer Darstellungen an der Akkadzeit zeigt sich auch an dem in der Omenliteratur vorausgesetzten geographischen und kulturellen Rahmen dieser Periode. 26 Nach COOPER, Curse, 55. Dieser Text wurde allerdings nur bis in aB Zeit überliefert, vgl. die Zusammenstellung der Textvertreter ebda., 41.44 27 Der Text ist gut bezeugt. Kompositionen dieser Legende sind aB, mB und nA überliefert; vgl. zu einer der beiden aB Handschriften eine vermutlich aus Sippar stammende Tontafel BM 17215: WALKER, Tablet, 191-195. Vgl. ferner zwei akkadische Manuskripte aus Boghazköy, eine späte Version in sechs Abschriften aus Niniveh, eine Abschrift aus Sultantepe und eine aus Kiä; ferner bis zu vier hethitische Versionen aus Boghazköy; vgl. WESTENHOLZ, Legends, 263; FOSTER, Muses, 257ff. Der Topos des Unheilskönigs in Verbindung mit Naram-Sin fand durchaus zu einer gewissen Verbreitung. Inwiefern Naram-Sin als König stets mit Divination verbunden war, ob sein Name also in weiten Kreisen diese Konnotation hatte, ist unsicher. 28 Der Begriff wurde von GÜTERBOCK, Tradition, 75, eingeführt. Vgl. ferner FlN-

KELSTEIN, Historiography, 4 6 7 . 29 Gliederung der aB Fassung: a) weggebrochener Text unbekannter Länge; b) NaramSin berät sich und handelt; c) Dreimalige Niederlage Naram-Sins; d) Zusammenbruch Naram-Sins; e) Zerstörung des Landes Akkade; f) Bruch unbestimmter Größe; g) (sehr bruchstückhaft) kurze Beschreibung der Schlacht und Zerstörung; vgl. WESTENHOLZ, Legends, 267.

128

Kapitel 4: Motivik, Form und Überlieferungsbildung

in ISam

16-22

Kutha-Legende zugleich Handelnder und Erzähler. 3 0 Nach einer ersten Omenkonsultation (Z. 7 2 - 7 8 ) erleidet Naram-Sin eine Niederlage (Z. 79-87), weil er nach einem negativen Orakel in den Krieg zog (Z. 78-83). Der König klagt sich selbst an, sein Land nicht beschützt zu haben. 3 1 Nachdem Ea ein neues Omen erwirkt hat und Naram-Sin erfolgreich auszieht, befragt er Istar bezüglich der Gefangenenbehandlung und erhält den Bescheid, er solle die Gefangenen am Leben lassen. Der Unheilsherrscher missachtet zunächst die Omina, muss dann aber erkennen, dass sie für sein Handeln richtungsweisend sind. Ist das Verhältnis des Königs zu Omina und Divination als thematischer Schwerpunkt des Epos deutlich, so ist die genaue Aussageabsicht nicht deutlich und wird unterschiedlich beurteilt. Sinn und Funktion der Kutha-Legende wird jedoch in der didaktischen Präsentation normgerechten Umgangs mit divinatorischer Praxis gesehen. Die Legende erstellt demnach einen Verhaltenskodex für die königliche Kommunikation 3 2 mit den Göttern. Naram-Sins Verhalten bleibt problematisch, weil der König grundsätzlich den göttlichen Auftrag hätte abwarten müssen. 3 3 Möglicherweise steht die Auseinandersetzung um die Divinations- und Omenpraxis im ersten Jahrtausend im Hintergrund der nA Fassung der Kutha-Legende. 3 4 Besonders die vielen Orakelanfragen der späten Sargoniden Asarhaddon und Assurbanipal belegen die Bedeutung der Divination zu dieser Zeit, in der kaum eine andere Gruppe von Gelehrten und Zeichendeutern als Spezialisten so bedeutsam waren wie die Haruspices. 3 5 Zu den Hinweisen auf eine ausfuhrliche Omenpraxis im späten 8. Jhdt. durch Sargon II ( 7 2 2 - 7 0 5 ) gehört besonders der Bericht von Sargons 8. Feldzug 714 v. Chr. in das Gebiet der Mannäer, südlich des Urmia-Sees, gegen die Urartäer, den Fürsten von Na'iri und das Fürstentum von Musasir. In der Musasir-Episode wird die Einnahme und Zerstörung des feindlichen Tempels auf mehreren Ebenen begründet. Rechtlich, 3 6 durch astrologische Zeichen 3 7 und durch Leberschau. Die ausdrückliche göttliche Aufforderung zum kultischen Frevel in Marduks Auftrag an Assur und die Absicherung durch günstige Vorzeichen dienten der Rechtfertigung.

30

Vgl. zur Gliederung WESTENHOLZ, Legends, 295; Übersetzung und Textzitate nach dieser Ausgabe. 31 „/ am a king who has not protected this land and a shepherd who has not safeguarded his people." III l l f . aB Version; vgl. nA Version Z. 91f.; WESTENHOLZ, Legends 273. 32 PONGRATZ-LEISTEN, Herrschaftswissen, 10. Vgl. auch EVANS, Naram-Sin, 104. 33 Vgl. PONGRATZ-LEISTEN, Herrschaftswissen, 10; vgl. auch die wesentliche Botschaft dieses Textes nach FOSTER, Muses I, 262: Könige, die angesichts ungünstiger Omina Projekte ausfuhren, sind zur Katastrophe verdammt. 34 Während die späten assyrischen Könige Astrologie als Form der Divination bevorzugten, sei die Leberschau zu einer spezialisierten Technik mit begrenzter Anwendung geworden. Die nA Fassung der Kutha-Legende betone die Effizienz der Opferschau gegenüber anderen Formen der Divination, namentlich gegenüber der Astrologie im zweiten Drittel des ersten Jahrtausends; vgl. OPPENHEIM, Perspectives, 42 und GRAYSON, Rezension, 171. 35 Vgl. STARR, Queries, XXXII.XXXV. 36 Vgl. OPPENHEIM, Assur, 133-147, hier 136. 37 usaniha massarta (Z 318): „(die Eklipse) dauerte eine Wache lang" und lenkt den Mondschatten auf „Gutium", das f ü r die dort ansässigen Mannäer steht, vgl. PONGRATZLEISTEN, Herrschaftswissen, 236f.

1. Aufstand

und Verfolgung

in Erzählungen

von Sauls

Hof

129

Divinatorische Praxis thematisiert auch der vermutlich von Asarhaddon stammende Text „ The Sin of Sargon ", 3 8 der die Aufteilung der Divinationsexperten in verschiedene Gruppen zur Kontrolle berichtet (Z. 2 1 ' ) . 3 9 Weitere Texte spiegeln die Auseinandersetzung des Königs mit Divination. 4 0 Für die Geschichtsschreibung sind die Konflikte um Divination und Herrschaftswissen bedeutsam, weil die Niederschrift der Omina und der Ereignisse als narü41 ein begründetes Handeln späterer Könige ermöglichen sollte; so wurde die Bedeutung der Kutha-Legende durch das Verlesen deutlich und als solche war sie für die Nachkommen bedeutsam. Weil nach der jungbabylonischen Fassung der Kutha-Legende Enmerkar den späteren Generationen keine schriftliche Überlieferung (narü)42 hinterlassen hatte, hielt Naram-Sin in Anweisungen für den zukünftigen Herrscher fest, er müsse eine Stele errichten, 4 3 damit die dort verschriftlichten Omina die geschichtliche Erfahrung früherer Herrscher vermittle. Die Figurenkonstellation der SD-Erzählungen setzt diesen Diskurs um Divinationsexperten in der späten Sargonidenzeit voraus, wenn sie den König mit direktem Zugang zur

38

K 4730+; vgl. PARPOLA/TADMOR/LANDSBERGER, Sin, 3 3 - 4 4 ; vgl. LIVINGSTONE, Poetry, Nr. 33. 39 Sargon interpretieren PARPOLA/TADMOR/LANDSBERGER, Sin, 46, als Gegenfigur zu Naram-Sin in der Kutha-Legende. Formale Ähnlichkeiten, wie der sogenannte pseudonarü-StW und der A u f b a u von „Sin of Sargon" wie ein Epitaph könnten d a r a u f h i n w e i s e n : 1. Selbstidentifikation des Verstorbenen; 2. Historischer Abschnitt in der 1. Pers. Singular; 3. Schwur; 4. Anrede an die Nachlebenden; 5. Segen (und Fluch?). Interpretation und Verbreitungsgrad sind sehr unsicher, Kolophon und Unterschrift sind nicht erhalten. 40 Vgl. „Sargon, König der Schlacht" (sar tamhäri), in dem möglicherweise ein Modell des rechten Verhaltens eines Herrschers entworfen wird, vgl. LlVERANl, Naram-Sin, 37. Sargons Erfolg beruht darauf, dass er eine göttliche Anweisung Iätars im Traum erhielt und diese ausfuhrt. Hingegen entpuppt sich der Traum seines Gegners Nur-Daggal, von Enlil eingegeben, als falsch. Sargon und Nur-Daggal sind als gegensätzliche Charaktere geschildert; vgl. LlVERANl, Naram-Sin, 36. - War Sargon als Modell eines positiven Verhaltens eines Königs in Syropalästina bekannt? Der Text ist aus mB Zeit tradiert; ein Fragment einer ausführlicheren oder parallelen Fassung aus dem 7. Jahrhundert, beschädigt und voller Fehler, findet sich in Assurbanipals Bibliothek, vgl. FOSTER, Muses I, 250f. Diese Tafel wurde wahrscheinlich in Hattuscha gefertigt und nach El-Amarna in Ägypten gesandt. Das Interesse der Hethiter an Sargon lag in seiner Eroberungstätigkeit und im Bezug zu Anatolien begründet, vgl. zur hethitischen Version GÜTERBOCK, König der Schlacht, 14-26. 41 Vgl. zu dieser von GÜTERBOCK eingeführten literarischen Gattung unten Kap. 5, 2.2. Abschnitt k Z. 131-146 der Kutha-Legende spielt auf prophetische Texte und Omenliteratur an. Auffällig ist auch die Einleitung des Textes mit den Worten „Open the tabletbox and read out the stela (tupsenna pitema narä sitassi), [which I, Naram-Sin], son of Sargon, [have inscribed and left for] future days." (Z. 1-3). 42 Z. 28-30, WESTENHOLZ, Legends, 307 „He, whose wisdom (and) whose weapons paralyzed, caught, and annihilated that army on a stela he did not write (ina nare ul istur) (and) did not leave (it) to me, myself, he did not make a name for himself so that I could not pray for him." Vgl. die mittelbabylonische Version aus Boghazköy, Kbo 19 98; Seite b Zeile 2 7 4 ' ; WESTENHOLZ, Legends, 285f. 43 Z. 151.154: „I made a tablet-box for you and inscribed a stela (narä asturka) for you. ...Read this stele!", WESTENHOLZ, Legends, 327.

130

Kapitel 4: Motivik, Form und Überlieferungsbildung

in lSam

16-22

Gottheit schildert und sein verlässliches, eindeutiges Wissen für den militärischen Ernstfall, jenseits der Problematik einander widerstreitender Divinationsexperten, hervorhebt. Züge Sauls als „Unheilsherrscher", der die Priester tötet ( l S a m 22,6-23) und sich so des Offenbarungsempfangs beraubt, werden auf diesem Hintergrund entworfen. 4 4 Noch die Amalekiterkriegsberichte 4 5 heben Davids Gottesbefragungen mit der Siegeszusage hervor. Literarisch sind Sauls Gottesbefragungen mit Hilfe der Priester auf der Ebene des Gegensatzes zwischen Saul und David im Bezug auf die Priester ergänzt 4 6 und stilisieren Saul als defizitären König. Auch die Gottesbefragungen, die David als Herrscher mit unmittelbarem Gotteskontakt auszeichnen, ergänzen Erzählungen, vgl. lSam 23,1-5. 9 - 1 3 ; 2Sam 5,17-21.22-25 4 7 bzw. Berichte (2Sam 2,1).

1.3 Aufstieg und Verfolgung an Sauls Hof lSam 19 - 21,1 Die Einzelepisoden in lSam 1 9 - 2 1 , 1 führen Sauls Tötungsabsicht und den Aufstand Davids am Hof ausgehend von der Motivik der Flucht *lSam 23 - 27 aus. 1.3.1 Der Aufbau der idealtypischen Hofszene lSam 19 — 21,1 1 Sam 20 gliedert sich auf der Textoberfläche (mit dtr Ergänzungen) in vier Szenen: *lb—23 24-34 35-40 41 f; 21,1

Szene Szene Szene Szene

1 2 3 4

Gesprächsgang mit vier Redegängen Davids/Jonatans Neumondfest am Hof Sauls (24-26 Tag 1 / 27-34 Tag 2) Jonatans Pfeilschuss auf dem Feld David und Jonatans Gespräch, Rückkehr Jonatans

Die unterschiedlich breit ausgemalten Szenen bestehen überwiegend aus direkter Rede 4 8 unterbrochen von kurzen Handlungsbeschreibungen. Der Spannungsbogen baut sich von Szene 1 her auf und widmet sich thematisch der Erkenntnis der Intention Sauls. Jonatan und David entwickeln in dem ausfuhrlichen Gesprächsgang eine List zur Erkenntnis von Sauls Plan ( l S a m 2 0 , * l - 2 3 ) . Sie sind durch diesen Gesprächsgang als Verbündete ge44 Vgl. die literarisch in den Kontext eingefügte Erzählung 1 Sam 28,3-25 und vgl. KLEINER, En-Dor, 6f. und religionsgeschichtlich zur Totenbefragung B. B. SCHMIDT, Dead, bes. 4 1 ^ 6 . 2 0 1 - 2 4 5 . 45 Vgl. dazu Kap. 2, Exkurs 4.5.1; vgl. auch lSam 30,7f. zur Gottesbefragung mit einem Priester. 46 Vgl. die Einfügung von lSam 14,3a.l8f. aus dem Kontext der Ladeüberlieferung; anstelle der Lade erwähnt LXX das Ephod. 47 Innerhalb der Befragungsszenen sind 2Sam 5,22-25 und auch lSam 23,3-5 (vgl. einleitendes 10' lSam 23,4; 2Sam 5,22) als Wiederholungen wiederum nachgetragen. 48 Vgl. den Ortswechsel aufs Feld in V I I b ; Davids Versteck V 24a; der Übergang von Szene 1 zu Szene 2, die am folgenden ersten Tag des Neumondes stattfindet; der genaue Bericht von der Sitzordnung am Tisch des Königs am ersten Neumondtag (V 24f.), der Sauls Gedanken nachträgt (V 26); der Übergang vom ersten zum zweiten Neumondtag V 26f.; die Nacht nach dem zweiten Neumondtag V 34f. und Jonatans Aufbruch zum „Feld, dem Ort Davids" am Morgen V 35; V 40a.41 und lSam 21,1 berichten Handlungen, V 40b.42 enthalten ein Gespräch Jonatans mit dem Knaben und mit David (mit Redeeinleitung).

1. Aufstand

und Verfolgung

in Erzählungen

von Sauls

Hof

131

kennzeichnet; für Saul wird dies erst in der Szene 2 offenbar. Szene 3 berichtet lediglich das bereits bekannte Ergebnis der Auseinandersetzung zwischen Saul und Jonatan bei David, und Szene 4 fügt ein Gespräch zwischen beiden a n . 4 9 Die Szenenfolge ist innerhalb der Topologie von Sauls H o f entfaltet. David k o m m t zu Jonatan „hinein", V l b , aufs Feld hinaus (SS' V I I b ; Szene 1), an den Tisch des Königs (Szene 2) und an den „(Aufenthalts-)Ort Davids" ( i n TJ71Ü V 35a) auf dem Feld ( m i t f n 35a). Dort begegnen sich auch David und Jonatan nach Szene 4, die Szene 2 am Tisch des Königs bildet den Höhepunkt. A u f dem H ö h e p u n k t der A b f o l g e in Szene 2 im Speerwurf Sauls gegen Jonatan wendet Sauls Tötungsabsicht sich gegen seinen eigenen mit David verbündeten, aufrührerischen Sohn.

Die Verlangsamung der Erzählung durch Gespräche dient einer stilisierten Darstellung des hierarchischen Systems des Königshofes, das keine bestimmten historischen Hintergründe nennt. Zur Idealtypik der Szene trägt die vage geographische Lokalisierung des Hofes bei. 50 Einer differenzierten Beschreibung der inneren Machtsphäre steht eine schematische Wahrnehmung des Endes der Einflusssphäre gegenüber. 51 Ebenso idealtypisch wie der Gegensatz Hof - Feld wird Sauls Herrschaft über David dargestellt, dessen Funktion am Hof gar nicht expliziert wird. 52 Sauls Speer-

49 Die geschilderte Begegnung sollte gerade vermieden werden. David stand auf 3J1H ^XXÜ. „ N e g e v " spielt auf S ü d j u d a an, wo sich David verbirgt, vgl. 22,1; 23,7. 50 Ortsnamen fehlen und die Ortsangaben in l S a m 18 - 20 sind relativ: 19,8-10 „sein (=Sauls) Haus; l S a m 19,11 „Davids H a u s " in der Stadt oder bei der Festung Sauls und für Sauls Boten erreichbar. Die konzentrische A n o r d n u n g des Herrschaftsbereichs ist beschrieben, vgl. „die Stadt" ( T S n 20,40; 21,1), im Palast der Tisch des Königs mit der Familie des Königs und den Höflingen (20,5.18.25.27.29.34), an dem David einen festen Platz hat (V 18.25.27); Saul sitzt an der Wand; A b n e r an seiner Seite. Die Entfernung von Sauls Hof beschreiben relative Ortsangaben, vgl. „ F e l d " l S a m 19,3; und vgl. „Versteck"/,, verstecken" l S a m 19,2; 20,19; vgl. 20,5.1 l(2x).19.24. Absolute Ortsangaben finden sich in l S a m 17,1-3.19 „Socho in J u d a ... zwischen Socho und Aseka, in EphesDamim; im Terebinthental", bzw. durch einander gegenüber liegende Berge lokalisiert. l S a m 18,6 formuliert von der Handlungsabfolge her „bei ihrer A n k u n f t " (DS13D) und ist im Kontext auf die Schlacht in l S a m 17 und das Lager der Israeliten bezogen. l S a m 18,6 gliedert das Folgende ausdrücklich an Davids Schlacht gegen den Philister in l S a m 17 an, von der er zurückkehrte, ohne einen Ort zu nennen. 51

Sie endet am „ F e l d " V I I . Sauls Einfluss auf David wird verbal mit TpD beschrieben, vgl. die Erzähleräußerung 20,25bß.27 „es wurde bemerkt, dass Davids Platz leer w a r " i n D l p a IpD'T ni und vgl. "7J7D 20,18: einmal von David (20,6; mit Inf. cstr. betont), einmal von Jonatan im Hinblick auf Sauls Reaktion (20,18; 2x ni). IpD bestimmt David topologisch als Höfling Sauls. IpD „Aushebung" bzw. „ M u s t e r u n g " des Volkes zur Gewinnung zukünftiger Soldaten vgl. a s n m TpS Jos 8,10; 2Sam 24,2; l S a m 11,8; 13,15, 15,4 usw.; vgl. ferner ANDRÉ, "7i?D, 711. Mit der M u s t e r u n g durch den König traten die Soldaten in dessen Dienst und nach der Schlacht w u r d e n sie erneut „gemustert" (vgl. l S a m 14,17). Über diese spezifische Bedeutung im militärischen Kontext ist im umfassenderen Sinn die königliche Verfügungsgewalt über Untertanen bezeichnet, die er „zur Verantwortung ziehen" bzw. „heimsuchen" kann, vgl. KBL, Bd. 3, 901, unter 4./5.; vgl. ANDRÉ, ìpD, 708f.: „Anwe52

132

Kapitel 4: Motivik, Form und Überlieferungsbildung

in lSam

16-22

wurf nach Jonatans Frage „Was hat er getan?" im dramatischen Zentrum der Erzählung, 53 in der sich die Problematik der Tötungsabsicht szenisch verdichtet, wirkt stilisiert. Diese Idealtypik der Darstellung setzt sich in lSam 19,1-17 fort. Botensendung und Illoyalität der Nachkommen dienen der Beschreibung des Zerfalls dieser Machtsphäre. Jonatan als Bote des Höflings David unterhöhlt Sauls Macht am eigenen Hof (vgl. 2Sam 4), wie mit ironischen Zügen dargestellt wird. Die auktoriale Perspektive wechselt in V llb.14f.17 zur direkten Rede der Beteiligten. Die Handlungsstruktur ist durch Sauls dreimalige Botensendung geprägt. Die Tochter betrügt ihn durch ihre Fluchthilfe (V 17 n 1 ?^) und indem sie eine Puppe anstelle des Verfolgten schickt. 54 Das durchgängig verwendete n^ttf zeigt Sauls Machtverlust. Ebenso wie ¡Y^' in 19,11.14a. 15.17 wiederholt Vbn Davids Rettung V llb.12b.17a; vgl. zuvor 19,10. 55 Das Täuschungsmotiv findet sich in 2Sam 19,27 56 im Zusammenhang mit Loyalität und Aufruhr in hierarchischen Herrschaftsverhältnissen. lSam 19 platziert es am neuralgischen Punkt der dynastischen Machtübergabe als dem Thema der judäischen Königsgeschichte schlechthin. 1.3.2 Die literarische Entwicklung in lSam 19 - 21,1 Die Handlungsabfolge von l S a m 1 9 - 2 0 bereitet sachlogische Probleme. l S a m 19,3 ist die Angabe „auf dem Feld" für den Aufenthaltsort Davids in sich unverständlich und wird erst von l S a m 20 her klar. Bereits l S a m 19,11-17; 1 - 7 lassen Sauls Tötungsabsicht erkennen. Trotzdem fragt David, wer ihn über Sauls Absichten informieren wird (1J3 hi 20,10), die er bereits von Jonatan bzw. Michal kennen müsste ( l S a m 19,2.11 152). Die Stringenz der Handlungsfolge in l S a m 1 9 - 2 0 wurde der Motivik nachgeordnet, 5 7 und dies hat auch Konsequenzen für die Literargeschichte.

senheit prüfen/Volkszählung/sich um jemanden kümmern/jemanden verurteilen/beauftragen/richten (mit J H W H als Subjekt)". ANDRÉ leitet von der Grundbedeutung „genau beobachten" her und nimmt ein Machtgefalle vom Beobachter zum Beobachteten an. 53 Die wörtliche Rede 20,26b und im Dialog 2 7 b - 3 2 bewirken eine Steigerung vom ersten auf den zweiten Neumondtag. 54 Vgl. zu den Teraphim VAN DER TOORN / LEWIS, B'Din, 765-778. Zur Figur des betrogenen Vaters vgl. Gen 31,34 ( l S a m 19,13). Vgl. HEfl „täuschen" neben l S a m 19,17 in der Verwechslungsgeschichte Gen 29,25; und in l S a m 28,12; Prov 26,19. Die Erwähnung der Teraphim lSam 19,11-17 und Gen 29 im Zusammenhang einer Täuschung passt zur Ableitung von hethitisch tarpassa!*trapan„Stellvertreter", evtl. mit einer Verbindung zu griech. dspdrctov, vgl. WILLI-PLEIN, Terafim, 172-175. 1 , , , i 55 Vgl. üVö/nVffi ' l S a m 20,29 „Entlass mich, ... dass ich mich rette..." nu 7DS... :n 71£ 83; und Sauls Befehl Sin n i ö " p 'D 'Vtf ins npl lSam 20,31b. 56 Vgl. Jos 9,22. 57 Auch Davids Funktion in l S a m 1 6 - 2 2 ist nicht einheitlich. In l S a m 2 0 fehlt eine genaue Verwandtschafts- oder Funktionsbezeichnung; der voranstehende Abschnitt l S a m 18,17-30 (und 22,14) ergänzt diese mit l ^ D n ] n n und reagiert damit auf die Un-

1. Aufstand und Verfolgung in Erzählungen von Sauls Hof

133

lSam 1 9 , 1 - 1 7 ; 1 8 , 1 7 - 3 0 wurden von * l S a m 2 0 her im Anfangsbereich fortgeschrieben. 58 Daher erklärt sich die juridisch-ethische Bewertung der Figuren in l S a m 1 9 , 1 - 7 als weitere Ausweitung, 59 ebenso wie Sauls B e fehl zur Gefangennahme Davids. Die thematisch-motivlichen Linien lassen sich entlang lexikalischer Felder zwischen l S a m 1 9 , 1 - 7 . 8 - 1 0 . 1 1 - 1 7 ; 2 0 und in weiteren Textbereichen verfolgen. Mit dem Homizid 6 0 verbinden die Erzählungen die Intentionalität von Sauls Handeln, 61 das mittelbar durch das Aussenden von Boten zur Gefangennahme 62 sowie unmittelbar in Sauls Speerwurf deutlich wird. 63 Die parallel stehenden Begriffe „senden"/„retten" 6 4 beschreiben Verfolgung, 6 5 Flucht und Verbergen Davids. 6 6 Generalisierend wertet die Erzählung Sauls Handeln 67 als willentliche Tötung schuldhaft. 68 U m sich retten zu können, muss David um Sauls Absichten wissen, was (vgl. 1313 hi) im Handlungsverlauf entscheidend ist. 69 Die Tötungsabsicht antizipiert das Scheitern der Sauliden nach lSam 3 1 7 0 und begründet geschichtstheologisch Sauls Blutschuld und sei-

klarheit in lSam20. Als Heerführer (vgl. lSam 18,13 l'WliP/lS, 16 Qn'JD"? lOI XXT>) stünde David in Spannung zu Abner am judäischen Hof nach 20,25 (vgl. hingegen in 2Sam 2 - 3); vgl. zuvor 14,51 (ohne Funktionsbezeichnung), lSam 17,55-57 (nurMT). 5 8 Als ursprünglicher literarischer Kontext von lSam 20 scheidet lSam 19,18-24 aus; vgl. unten zu lSam 16/1 Sam 19,18-24. 59 Vgl. 20,32 ntpy na mit 20,ib: 'rpäw 'jdV na und vgl. 19,4 ivn iV-mo viz/va. Jonatan stellt JHWHs helfendes Eingreifen im Kampf neben Davids Handeln: lSam 19,5 nVP i!7S,1. Vgl. Davids Schuld 131» na /"P3X 'JSV KüiT (20,1b); lSam 19 im Gespräch Jonatan - Saul, sowie im (unübersetzbaren, nur aus nachstehenden Äußerungen in lSam 19 - 20 verständlichen) Erzählerkommentar 1 Sam 18,6, 7T7~nx ]1V VlXB7 TPI. Vgl. ferner 1 Sam 24,12 und 26,21 und die andere Akzentuierung des Vergehens Sauls gegen die Gebote JHWHs in der spät-dtr Ergänzung lSam 13,13b—14. 6 0 lSam 19,lb.2b.lla.15.17 ma hi bzw. 19,6.11b pu, bzw. 19,5 '¡» Dia KtOT; vgl. lSam 20,3.31 ma; 20,32 n»V nab"; 20,8.33 ma hi. 61 lSam 19,10 manV Vixtf tfpa, vgl. 20,lb 'tcorriK tfpaa; vgl. 20,29a. X3 ^nVt». 62 lSam 19,14 npV ...rfW; 19,15 ma hi ...rhui\ vgl. 20,31 npi rhv). 6 3 Vgl. lSam 20,33; 19,9f.; 18,10f. nur MT; vgl. dazu unten 2.1. 6 4 lSam 19,17a rftltf/üVa; V 17b ma hi ... nbw V lOf. „retten" und V 12 üVo/ m a ; vgl. 20,29b noVax. 6 5 Vgl. auch lSam 18,11 (nurMT); 19,9f. 6 6 Vgl. lSam 19,2f. Dt£>' nnx IW'H mwn ino 2.3; vgl. 20,5.19.24a rnf»3 m o und 20,35 mtc. 6 7 Vgl. lSam 19,4f. i x a "l^-aiB VtPSa; vgl. JHWHs Handeln ... m i r Ü71P1 V 5; vgl. 20,1b TPiov ,3D,7 na; 20,32 nöw na. 6 8 Vgl. 19,4 xon KIV; v 5b '¡73 m a xcmn na1?! vgl. 20,lb i m na und '3sV xon TOX; vgl. die Wertung im sperrig formulierten Erzählerkommentar 18,9 IIS blXtö TP! m - n x und 24,12 iV 'nxon-xVi, sowie 26,21 'nxün Viku? nasn. 69 Vgl. 1 » V 2.7.11; vgl. 20,9f. "7JJ hi und 20,2 '3TX 20,9(3) VT. 7 0 Vgl. Sauls Warnung an Jonatan, den Sohn Isais zu erwählen (ina lSam 20,30), weil so sein eigenes Königtum keinen Bestand haben werde (]"D pi V 30). Saul wirkt tragisch.

134

Kapitel 4: Motivik, Form und Überlieferungsbildung

in ¡Sam

16-22

nen Tod, während Davids „Entkommen" auf Judas Rettung anspielt. 71 Erzählerisch endet lSam 1 9 - 2 1 , 1 mit Davids Entlassung nach Bethlehem in „seine Stadt" (20,6)72 durch Jonatan. 1.3.3 Davids Wissen um Sauls

Tötungsabsicht

Bereits die Lokalisierung am Königshof und der Höhepunkt am Tisch des Königs mit dem Speerwurf 20,33 zeigen die zentrale Funktion der Tötungsabsicht in der Erzählung. Erzähltechnisch aufwändig wird Davids Wissen um Sauls Intention dargestellt. David zitiert Sauls Gedanken (V 3aßba.6b.7) und dadurch verdeutlicht der Erzähler Davids Wissen. Zitate weisen den abwesenden David als allwissenden Höfling aus, der Saul durchschaut und seine Reaktion abschätzen kann. David geht davon aus, dass Saul Jonatan die Tötungsabsicht verheimlicht - damit dieser sich nicht gräme (3S1? ni V 3aß). Dem SD-Kontrast entsprechend, schätzt Saul David hingegen falsch ein, indem er annimmt, David sei unrein und bleibe deshalb dem Tisch des Königs fern (V 26). Jonatan nimmt an, er wisse alles von Saul ('JTK-nx n 1 » ' xVl ... ntPV XV V 2), während David kritisch anmerkt, warum Saul ihm möglicherweise etwas verschweigen könnte (nST"J7T",7!< jroiiT' V 3). Jonatan wird zum Boten und Informanten Davids, der Saul kennt (V 2f.9f.) und sein Wissen an David weitergibt (113 hi V 9f.). 7 3 Die Zitate in direkter Rede verdeutlichen das Loyalitätsverhältnis zwischen David und Jonatan. 1 Sam 20,28b.29 verfahrt Jonatan weisungsgemäß und zitiert David. 7 4 Sauls Reaktion auf Jonatans Aussage V 30a ( i m ) nimmt Davids Vorhersage terminologisch auf (Hin D81 V 7 b a ) .

1.3.4 Bundesvorstellungen

und dtr Redaktion

Anhand der Konstellation David-Saul und David-Jonatan reflektiert die Erzählung das israelitisch-judäische Verhältnis in der Handlungsabfolge und in zwei Redegängen. Der erste Redegang findet sich in V la.2-7.9-11. Der zweite, lSam 20,lb.8.12-17, beschreibt das Verhältnis durch explizite Bundesterminologie (10n, rp*ia).

71 üVö 1 Sam 20,29 spielt auf das Entkommen eines Restes im Exil in der nachexilischen Prophetie an, vgl. Hasel, üVd, 600-602, bes. Jes 10,20-23: am Ende Israels als staatlicher Größe wird Gottes Plan mit einem Rest weitergeführt; 66,19 (üb'D); bzw. Jes 20,6; 31,5; 34,15; 37,38; 46,2.4; 49,24f.; 66,7 (D^O). 72 Vgl. Michals Rat an David, sich zu retten l S a m 19,11 f. ( ü V ö / m n ) und Davids Entkommen vor Sauls Speerwurf (üVü V 10), sowie im später eingefugten V 18. 73 Zur Vermittlung von Informationen in der höfischen Kommunikation vgl. die vorangehenden Episoden l S a m 19 (vgl. V 2.7.11); 18,17-30 (18,20.24.26 und die Verben für die Mitteilung wie i m pi 18,23; 1DX 18,23.25(2x)). Wird nach 18,17-30 David jeweils von Sauls Knechten informiert, präsentiert 1 Sam 20 David als durch den Saulsohn Jonatan informierten Höfling, während alle anderen aufgrund Davids und Jonatans geheimer Absprache von diesem Wissen ausgeschlossen waren, l S a m 20,39. 74

ViW V6; vgl. //V 28b; D n ' r n ' a ... VxtP'3 V W l . Abgesehen davon weicht V 29 leicht von V 6 b - 7 ab.

1. Aufstand

und Verfolgung in Erzählungen

von Sauls Hof

135

Bei der terminologischen Verdichtung des zentralen Topos' 7 5 spricht viel dafür, dass die Bundesschlüsse Jonatans mit David und die benjaminitischen 7 6 Überlieferungen von Schimi in 2Sam 16,5-14; 19,17-31; lKön 2,36-46 7 7 nicht (erst) dtr verbunden wurden. 7 8 Für die in der Überarbeitung von 1 Sam 20 anstelle der Funktionsbegriffe Knecht/Herr verwendeten Abstrakta „Bund" (V 8), Bundestreue/Loyalität ("TOn V 14f.); bzw. JHWHBund, JHWH-Bundestreue ( m m rV-Q / m m Ton V 8.14) finden sich nur teilweise parallele Constructusverbindungen im DtrG. Für m m I V O reichen diese hin, um die Wendung als „dtr" zu bezeichnen; 7 9 hingegen ist m m TDH kaum spezifisch dtr. 8 0 l S a m 2 0 und 2Sam 9 bezog man auch vor bzw. jenseits der dtr Redaktion aufeinander, 8 1 wobei die Erweiterungen sich intentional insofern mit denen der Dtr decken, als sie das hierarchi-

75

Nach VEIJOLA, David und Meribaal, 73, ist die Terminologie dtr und betont Davids Treue zu Jonatan, indem sie Meribaal zu Davids Tischgenossen macht. 1 2Sam 9,7b.l0.1 l b . l 3 a OVnn) in^ur ?!? (an1?) "73S entstammt nach V E I J O L A , David und Meribaal, 73, l S a m 2 0 . Die Überarbeitung von 2Sam 9,1 *3.*6.*7a.7b.l0aßyb.l lb.13 sieht er auch 2Sam 4,3b-4; 31,2b.7 am Werk. Für dtr in lSam 20 sprechen die terminologische Eigenart von V 8.12-17.23.40-42 mit der Bundesterminologie (H1D V 15f.; t o n niPS V8.14), der erzählerische Neueinsatz in V 11 f., die Verkehrung der Rollen zwischen David und Jonatan, weil letzterer in V 12-17 als Bittsteller gegenüber David erscheint, sowie formalen Doppelungen: Jonatans Rede wird zweimal eingeleitet, ohne dass David gesprochen hätte, lSam 20,12.18. Nach VEIJOLA glich man 2Sam 9 an 1 Sam 20 an: Meribaal ist der Sohn Jonatans, nicht Sauls Sohn (2Sam 9,6a.7a); ersetzt wurde in 2Sam 9,3 die genealogische Bezeichnung VlSltf1? durch IMim"? und V 1 eingefügt, der ohne die Einleitung in V 2 seltsam in der Luft hängt, weil kein Adressat Davids genannt ist, vgl. VEIJOLA, ebda., 67.69. 76 Vgl. LANGLAMET, Maison, 36 4 6 ; 194-213; vgl. zu den Sachbezügen McCARTER, AB 9, 16f.; STOLZ, ZBK, 18; VERMEYLEN, Loi, 275ff. 77 Vgl. zu den Saulidenepisoden oben Kap. 2, 5. 78 Die Übereinstimmung der dtr Redaktion in lSam 20,8.12-17.23.42b mit derjenigen von 2Sam 9 (VEIJOLA) ist schwer zu belegen, denn lSam 20 weicht sprachlich in den dtr Partien von 2Sam 9 ab. Explizite Bundesterminologie (H'-Q 20,8; vgl. 23,18; fTD 20,15(2x) mit der Bedeutung „entziehen/ausrotten"; 20,16; vgl. auch 23,18) nimmt 2Sam 9 nicht auf. Für MW ( l S a m 20,42a; auch in der Grundschicht von lSam 20 in V 3) fehlt eine terminologische Entsprechung in 2Sam 9. Von der dtr Begrifflichkeit findet sich in 2Sam 9 Dl? 10n HiPy, vgl. lSam 20,8.14; 2Sam 9,1.3.7a; vgl. ferner lSam 20,14 m r p non mit DTlVx l o n 2Sam 9,3. n n s , das man in lSam 20,17(3x) der dtr Redaktion zuordnen möchte, findet sich in 2Sam 9 in den dtr Passagen nicht. Die Schuld, die in lSam 20,1 ( S D n / p y ) die dtr Redaktion thematisiert (vgl. lSam 19,4.5), diskutiert 2Sam 9 nicht. - 2Sam 9 schließt in den dtr Abschnitten begrifflich nur selektiv an dtr Passagen in 1 Sam 20 an. Es handelt sich daher um (mindestens) zwei dtr Bearbeiter in beiden Abschnitten; oder lSam 20 wurde später als 2Sam 9 in dtr Duktus um weitere Bundesterminologie ergänzt. 79 V g l . 20,8 m m r r - D : Dtn29,11.24; Jos 23,16; l K ö n 6 , 2 1 ; Jer 22,9; 2Chr 6,11; 29,10; in der Verbindung m m m a p I X Num 10,33; 14,44; Dtn4,23; 10,8; 31,9.25f.; Jos 3,3.17; 4,7.18; 6,8; 8,33; lSam 4,3-5; l K ö n 6 , 1 9 ; 8,1.6; Jer 3,16; IChr 15,25f.28f.; 16,37; 17,1; 22,19; 28,2.18; 2Chr 5,2.7. 80 Vgl. 1 Sam 20,14 m m IDn vorwiegend in (späten) Psalmen belegt, Jes 63,7; Ps 33,5.22; 89,2; 94,18; 103,17; 107,43; 117,2; 119,41.64.149; Thr 3,22. 81 Vgl. die Unsicherheit der Zuordnung zu Dtr bei VEIJOLA, David und Meribaal, 83.

136

Kapitel

4: Motivik,

Form und Überlieferungsbildung

in lSam

16-22

sehe Bundesverhältnis durch explizite abstrakte Terminologie („Bund") hervorheben. Wie 2 S a m 9 bezeichnen sie ein hierarchisches Verhältnis und transformieren damit das Vasallen- und Aufstandsmotiv b e g r i f f l i c h . 8 2

Mit Jonatan führen die SD-Erzählungen eine Idealfigur ein, die Davids Integrität jenseits aller juridischen Normen verdeutlicht: David erbarmt sich nach 2Sam *9 des Sauliden. 83 Diese Idealisierung entspricht der Davidfigur in den Fluchterzählungen. Die Jonatanfigur entsteht aus der Tendenz der Davidüberlieferung, der sich die übrigen Sauliden als Gegenfiguren zu David ebenfalls verdanken. 84 Diese Erweiterung der Figuren um Jonatan als einen Repräsentanten Israels, der für ein glaubwürdiges Konzept israelitischer Bundesschlusspolitik mit Juda steht, wird durch die semantische Ausgestaltung der Bundesszenen (3HX85, 7"ID86) deutlich, die ins Sachzentrum der SD-Überlieferung führt. Dies zeigt sich auch am Übergang von der nicht-dtr Überlieferung zur dtr Redaktion im ergänzten Redegang. Der den Dtr zugeordnete Bundesgedanke benennt das hierarchische Verhältnis terminologisch explizit. Innerhalb der Geschichtskonzeption von Sam/Kön rechtfertigt sich Juda/David gegenüber dem israelitischen Königshaus und beharrt auf eigener Schuldlosigkeit. 87 Sauls 82

Vgl. die Verhältnisbestimmung zur Bundestheologie bei MCCARTHY, Compact, 79, allerdings mit Datierung in die Salomozeit; und zu l S a m 2 0 , 1 1 - 1 7 , DERS., Berit, 7 1 - 7 3 . 83 Das verstärken auch ausdrückliche Anspielungen in der topologischen Begrifflichkeit in l S a m 20 und 2Sam 9: Meribaal isst am Tisch des Königs David wie einst David am Tisch Sauls. David erweist damit seine Bundestreue ( 1 0 n ) gegenüber den Sauliden. 84 Vgl. oben Kap. 2, 5 und vgl. bereits JOBLING, Narrative, 7f. 85 Vgl. I S a m 18,3; 20,8; 2 3 , 1 6 - 1 8 . 3HX l S a m 18,3; 20,17 bezeichnet nicht das Verhältnis zwischen Individuen, sondern das Bündnisverhältnis zwischen Staaten; vgl. NISSINEN, Liebe, 2 5 0 - 2 6 3 ; MORAN, Love, 7 7 - 8 7 ; MCCARTHY, Treaty, 160f. A n m . 6. l S a m 2 0 betont den „ B u n d e s e r w e i s " bzw. die „Bundestreue", die Jonatan von David einfordert: IDn 20,14; vgl. niil' "TOn 20,15. Die Hierarchie im ergänzten Redegang hebt die Überordnung Judas hervor: 20,8 verdeutlicht mit der Formulierung rp"D S13 hi Davids Vorrang und Jonatans U n t e r o r d n u n g und spiegelt weniger die geschichtliche Realität als Vorstellungen j u d ä i s c h e r Geschichtsschreibung. Die Bundesaussagen sind gegenüber 18,3; 23,18 durch Mantel und W a f f e als Bundeserweis veranschaulicht in 18,4. Das Bundesverhältnis zwischen Israel und Juda mit der W e n d u n g V "irn in 20,30 für Jonatans Erwählung des Sohnes Davids findet sich nur hier und verstärkt die Einzigartigkeit der Z u w e n d u n g eines Sauliden zum Bethlehemiten David. Vgl. als dichteste Sachbezüge 2 S a m 6,21; l S a m 16,8-10. 86 Vgl. 20,30 m n s n r T O r p Sohn einer „verdrehten Aufruhr", ist nicht auf die physische H e r k u n f t der Mutter zu beziehen, so u. a. STOEBE, K A T VIII/1, 378f., sondern spielt mit "HD auf A u f l e h n u n g gegen das durch Tributgaben konstitutierte Abhängigkeitsverhältnis an, vgl. N e h 2 , 1 9 ; 6,6 und von den j u d ä i s c h e n Königen 2 K ö n 18,7.20; 24,1.20 und vgl. SCHWIENHORST, TO, 3f. Vgl. zu T W auch Kap. 5, Exkurs 2.7, zu m s ni auch qal Dan 9,5; Est 1,16 und hi 2 S a m 7,14; 19,20; 24,17; l K ö n 8,47 „sich vergehen". 87

l S a m 19,4f. weisen eine mögliche „ S c h u l d " Davids gegenüber Saul nXün/|15? I S a m 20,1b in Verbindung mit dessen Tötungsabsicht ( l S a m 24,12; 26,21) zurück.

1. Aufstand und Verfolgung in Erzählungen

von Sauls Hof

137

„Schuld" (KUH lSam 19,4f.) beschreibt hingegen die durch die Tötungsabsicht bedingte Verfehlung in expliziter Terminologie. 88 Ihren geschichtstheologischen Hintergrund hat diese Reflexion in Bundesverletzungen. 89 Die Erzählung wurde im Schlussteil V 40- 42 erweitert. Die Begegnung zwischen Jonatan und David musste nach der Erzähllogik der früheren Fassung vermieden werden. 9 0 Die Hofgeschichte Sauls führt die Motivik fort. Der Speerwurf hat ausgehend von 20,33 in lSam 19,9f. „den bösen Geist von JHWH" als Ursache und wird in lSam 18, lOf. weiter ausgebaut, angeschlossen über Stichworte. l S a m 2 0 wird über V l a 9 1 mit dem später eingefügten 19,18-24 verbunden. 9 2 - Sprachliche Eigenarten im nicht-dtr Textbestand von lSam 20,1 - 21,1 weisen auf nachexilische Entstehungszeit. rvoVö 20,31 ist ein junger Terminus. 9 3 Das jährliche Opferfest • 1 Q l n TOT n n D r á r r ^ 1 ? ... (20,6), ist sonst nur als Opfer anlässlich der Wallfahrt in der nachexilischen Jugendgeschichte Samuels erwähnt. 9 4

1.4

Zwischenergebnis

Die hierarchische Knecht-König-Relation bildet den Sachzusammenhang von lSam 1 9 - 2 0 . Sauls Schuld wird Davids Loyalität, seinem Unwissen Davids königliches Herrschaftswissen gegenüber gestellt. Die Figuren sind auf geschichtstheologische und juridische Reflexionen der Tötungsabsicht hin transparent. Eine Grunderzählung um Davids und Jonatans Plan, Sauls Tötungsabsicht zu eruieren (20,la-7.9-11.18-22.24-39; 21,1) setzte weitere Dialoge aus sich heraus (19,1—6.7f. 11-17). 95 Sprachlich den Dtr nahe 88

Vgl. die sachliche Nähe von 19,4f. zum Bundeskonzept, MCCARTHY, Treaty, 216. Vgl. nur Kün 2Kön 18,14 und dazu unten Kap. 5, Exkurs 2.7. 90 Das israelitisch-judäische Verhältnis beschreibt lSam 20,42 mit einem Schwur SNIP zwischen ebenbürtigen(?) Partnern „im Namen JHWHs". VEIJOLA, Dynastie, 83, und ihm folgend VERMEYLEN, Loi, 124f. sehen V 42b als nach-dtr nachexilische Ergänzung. Die Verbindung zwischen 42a und 21,1 (D1VBi'7 " i V ^ ; vgl. DlVC1? iVn auch in 13b) wird von 42b vorausgesetzt, weil hier mit SIT die Perspektive der Nachkommen Davids in den Blick kommt; vergleichbar mit Ps 89,5 ( ü V l i n » ) , das VERMEYLEN, Loi, 125, in persische Zeit datiert; mit Entsprechung in den Ergänzungen 20,14-15a, die mit o V u n v ebenfalls in die Zukunft blicken und in V 14 die Perspektive der Nachkommen Jonatans im Blick haben; vgl. nur noch IChr 8,34^(0; 9,40-44. Dieser Schicht ordnet VERMEYLEN, Loi, 124, auch lSam 20,23 zu ( D V l s n v ) . Die Chronik führt Jonatan in IChr 8,40, als Statthalter des Stammes Benjamin ein. 89

91

V g l . VERMEYLEN, L o i , 1 1 9 .

92

Vgl. n W 19,20.2l(2x). Die Verarbeitung eines vorliegenden Motivs zeigt sich im Zitat des Sprichworts lSam 10,1 lf. in 19,24. Vgl. zu 19,18-24 unten 2.5 93

Vgl.

FABRY/RINGGREN/SEYBOLD,

"I 1 ?», 9 4 1 f., z u m

aramäischen

Einfluss auf

die

Form. 94 Vgl. lSam 1,21; 2,19; lSam 1,21 - 7,2 sind keinesfalls alte Quellen, vgl. auch KRATZ, Komposition, 191. Auf das Opfer spielt auch lSam 20,29 mit "PS3 ...nnsWO TOT an. Die Constructusverbindung ist sonst nicht belegt. 95 Verglichen mit 2Sam 4 erscheint Sauls Machtlosigkeit in lSam 19,11-17 tragikomisch.

138

Kapitel 4: Motivik, Form und Überlieferungsbildung

in lSam

16-22

stehende Ergänzungen in 2 0 , l b ( , n x u r r n 0 1 ^ U r n o ) ^ . 12-17.23.40-42 beziehen sich auch auf Sauls willentliche und damit schuldhafte Tötung. Über Stichwortanschluss wurde 19,18-24 ergänzt. 19,9f. ist Motivdoppelung zu 20,33. Ein Wechsel der Funktions- und Verwandtschaftsbezeichnungen innerhalb von lSam 1 6 - 2 0 deutet auf Entstehungszusammenhänge zwischen den Überlieferungen hin. lSam 22,14; 19,11-17 setzen David als Michals Mann voraus, was lSam 18,20-30 erklären. 96 20,1 - 2 1 , 1 lassen seine Funktion am Hof insofern vage, als sie weder Titel noch Funktionsbeschreibung Davids nennen, während lSam 22,14 Davids Stellung und Funktion präzise bezeichnet. 97 Vorausgesetzte Erzählkontexte 23,1.5.7-9a-13 \ 23,19-28 24,l-6.7aa.l la-23 26,1 8.10.1 l b - 2 5

Ausgangserzählung lSam 2 0 , l a - 7 . 9-11.18-22.2421,1

*22,6-23 *2Sam 9

Redigierte

Fassung

20,ibCnsBn-nm 'n»-na).8. 12-17.23.40-42

•19,1- 6.7f. 11-17 Prophetenerzählung lSam 19,18-24 20,33 (22,6 m n )

>• 19,9f.

>• 18,10f.

2. lSam 1 6 - 2 0 als Ausgestaltungen zur Vita Davids Aus in sich abgeschlossenen, biographisch angeordneten Episoden in lSam 1 6 - 2 0 entsteht formal eine Vita, 99 deren Anfange die literarisch jüngsten Teile bilden. Die Episoden gestalten Motive vorliegender Überlieferungen, Sauls Tötungsabsicht und Davids Position am Hof als

96

97 98

18,21.22.23.26 l ^ a n Inn hitp.

insöir'Q-Vs im i^on inn.

Vgl. die Erwähnung der Brüder Davids 20,29 auch lSam 17,12-18.28-29 (MT). Die Verwendung dieser Gattung wird gelegentlich im Blick auf die gesamte Davidüberlieferung erwogen, vgl. P F E I F F E R zitiert von S M I T H , Biography, 1 6 7 - 1 6 9 ; vgl. zum Genre der Davidüberlieferung G U N N , Story, 1 9 - 3 0 und I S S E R , Sword, 5 6 - 5 9 . Die Bedeutung der Vita für das literarische Wachstum wird hier auf Abschnitte aus lSam 1 6 - 2 0 begrenzt; vgl. W E L L H A U S E N , Composition, 2 4 8 , zu 1 7 , 1 - 1 8 , 5 : „legendarische Jugendgeschichte"; vgl. unten 3 . 1 . 3 . 99

2. ISam 16 - 20 als Ausgestaltungen

zur Vita

Davids

139

„Schwiegersohn des Königs" (22,14) erzählerisch in Davids Anfänge an Sauls Hof hinein aus, bzw. entfalten Aspekte der Vita eines Höflings. 2.1 Konzeptionelle

Zusammenhänge des Textwachstums MT/LXX ISam 18

lSam 18,1-30 beschreiben wie die Flucht- und Hofgeschichten 1 0 0 Davids Stellung am israelitischen Hof und sein Verhältnis zur Saulidendynastie mit prodavidischer Tendenz. 101 18,17-30 führen dies durch Heirat (ISam 22,14), 102 sowie durch weitere Reflexionen zur Tötungsabsicht aus. Die List des israelitischen Königs wendet sich gegen diesen selbst, 103 wie der Aufbau mit den Redeeinleitungen ' l Ö i n / I J ' V i n T I in ISam 18 zeigt. V 20a V V V V

20b 21 22 23

i T r n x

... V3D

anxro

Vistió ... n : 3 n x Vixití Vixtf ViKtf n a »

V 25a V 25b V 26aa V 26aß V27

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V 28

S T 1 VlKB?" ¡ O ' l

Sachverhalt: Michals Liebe Mitteilung an Saul Sauls Absicht Sauls Befehl I Ausführung Befehl I Antwort Davids Bericht der Knechte zu Befehl I Sauls Befehl II Sauls Absicht Ausführung Befehl II Reaktion Davids Handlungsbericht David Handlungsbericht Saul Zusammenfassende Reaktion Sauls

Lediglich die einleitende Darstellung des Sachverhalts, der Handlungsbericht V 27 und die Schilderung von Sauls Reaktion V 28 unterbrechen die direkte Rede in ISam 18,(17-19).20-30. Wie in ISam 20 lässt sich aus der Verwendung der direkten Rede für den Inhalt Wesentliches entnehmen, denn höfische Kommunikation und Davids

100 Yg[ Xopologie, Gesprächsform und Zitattechnik in ISam 19f. zur Beschreibung der Stellung Davids am Hof, ohne Erwähnung eines Titels; vgl. lediglich allgemein ISam 16,23 ^DV 105? und 18,13 T^X—1Ü?. 101 Davids Heirat mit einer israelitischen Königstochter spiegelt die für die Davididen problematische Verbindung zu den Omriden unter Joram/Ahasja. 2Kön 8,18.27 (dtr) setzt das ältere 8,26 sC voraus, vgl. JEPSEN, Quellen, 33. 102 )nn und aufeinander bezogen findet sich nur in ISam 18,17-30 drei bzw. vier Mal, V 22f.26; in V 21 3 j n n hitp bezogen auf Saul; vgl. noch ] n n V 21.27; verbal V 18 und l K ö n 3,1; Ri 15,6; 19,5; 2Kön 8,27. Das Motiv der Vorhäute als Brautpreis entspringt der Philisterpolemik. Die Zufügung der „zwei Bedingungen" in M T V 21b (der folgende Text nennt nur eine) spielt möglicherweise auf die 200 Philistervorhäute an, die David bringt (V 27). Dann wäre die Steigerung bereits in ISam 18,17-30 angedeutet. 103

Anders als im Falle Jorams und Ahasjas.

140

Kapitel

4: Motivik,

Form und Überlieferungsbildung

in lSam

16-22

daran e r k e n n b a r e Stellung am israelitischen H o f ist auch das T h e m a dieses Abschnittes, wie sich an den beteiligten Gesprächspartnern K ö n i g Saul, seinen H ö f l i n g e n und dem J u d ä e r David erkennen lässt. wayyiqtol-Formen leiten die Gespräche ein. Die Wertung des Erzählers über Sauls A b s i c h t V 25b unterbricht die wayyiqtol-Folge durch die Einleitung mit 1 und N e n n u n g des Subjekts (x-qatal): „ D e n n / a b e r Saul dachte...". Dies lenkt den Blick auf inhaltlich e n t s p r e c h e n d e H e r v o r h e b u n g e n am A n f a n g u n d am E n d e des Abschnittes. V 2 0 b . 2 1 . 2 8 . 2 9 a berichten Sauls Reaktion auf Davids Ansinnen bzw. auf dessen E r f o l g bei der B e s c h a f f u n g des Brautpreises f ü r die Königstochter. Dreimal beschreibt der Erzähler Sauls Innenperspektive, seine Wertungen und sein Streben, David m ö g e nicht durch ihn, sondern durch die Philister fallen (V 21a.25b); bis Saul erkennen muss, „dass J H W H mit D a v i d w a r " (V 28a) und ihn noch größere A n g s t ü b e r f a l l t . 1 0 4 Die a u s f u h r l i c h e Darstellung der K o m m u n i k a t i o n dient der Introspektion, mit d e m Ziel, die willentliche Tötung (vgl. V 2 5 b ) als vorausgesetzte j u r i d i s c h e Problematik hervorzuheben. Die E r z ä h l u n g reflektiert dies geschichtstheologisch, indem sie die mit Juda und Israel v e r b u n d e n e n Figuren Saul und David wertet. Saul ist als tragischer Held gezeichnet. Er will D a v i d mit Hilfe der Philister töten, wird aber selbst durch die Philister sterben. Die a u s f u h r l i c h e O f f e n l e g u n g von Sauls G e d a n k e n dient der E n t f a l t u n g des Tun-ErgehensZ u s a m m e n h a n g e s : Saul fallt durch die Hand der Philister selbst in die für David gegrabene Grube.105 Der als G e g e n f i g u r zu Saul stilisierte D a v i d 1 0 6 wird in l S a m 1 8 , 1 8 - 3 0 als „niedrig" und a r m 1 0 7 und insofern als messianische Gestalt g e z e i c h n e t . 1 0 8 Seine Stilisierung zum kriegstüchtigen Helden und loyalen Untertanen in l S a m 1 8 , 2 0 - 3 0 , der als Schwiegersohn Sauls als N a c h f o l g e r zur Herrschaft über Israel ausersehen ist, entstand in nachexilischer Zeit. Formal verdeutlicht die Episode den G e g e n s a t z zwischen Davids Tatkraft und Sauls Erfolglosigkeit durch die vier Verbalsätze mit H a n d l u n g s v e r b e n V 27, denen die a u f w ä n dige wörtliche Wiedergabe der G e d a n k e n Sauls g e g e n ü b e r steht. D i e s e T e n d e n z , David als erfolgreichen z u k ü n f t i g e n K ö n i g im Vergleich zu Saul zu stilisieren 1 0 9 und sein Verhältnis zu Jonatan darzustellen, verstärkt der literarisch spätere M T . L X X [ B ] enthält nur l S a m 1 8 , 2 0 - 2 l a . 2 2 - 2 6 ( o h n e Ü'QTI IX KVl).27-29a. Der Abschnitt 1 8 , 1 7 - 3 0 unterstreicht mit V 1 7 - 1 9 Davids Bedeutungslosigkeit und steigert Sauls V e r b l e n d u n g , der h o f f t , die Philister könnten David töten (vgl. DTUCVD'T in 17b.21a) und Davids J H W H - K r i e g e seien e r f o l g l o s . 1 1 0

104 v g l (jj e Mitteilung über die Einschätzungen der j e w e i l i g e n Personen in V 20b „Dies f a n d er (Saul) gut"; vgl. V 26b. 105 Vgl. VS3 in l S a m 18,25b; l S a m 3 1 , 1 . 4 f . 106 D a v i d iä S S t s i c h a i s „armer und u n b e d e u t e n d e r M a n n " (V 23 nVpn vgl. nVp ni Dtn 25,3; Jes 3,5; 16,14; Prov 12,9; Sir 10,19; 25,8; V?p qal Hi 40,4; l S a m 2,30) auf die A u f g a b e ein, hundert Philister zu töten. 107 Das Lied der H a n n a l S a m 2 , 1 - 1 0 k o m m e n t i e r t in weisheitlicher Sprache das Königtum mit Niedrigkeits- und Hoheitsaussagen, vgl. V 8 Dlp/Dll hi und die A n k ü n d i g u n g V 10b o n hi. 108 Ygl. K N I E R I M , Messianologie, 1 1 8 , der die P r ä g u n g von l S a m 9 - 3 1 durch messianische T h e o l o g i e hervorhebt, die D a v i d als w a h r h a f t Gesalbten darstellt, vgl. Hffi'Ö 9,16; 10,1; 1 5 , 1 . 1 7 ; 16,3.12f.; m t f ö 1 2 , 3 . 5 ; 16,6. 109 Vgl. auch A U L D / H O , Making, 38 zu l S a m 17,1 - 18,5; K L E I N , Samuel, 187. 110 Vgl. die Mitseinsformel 18,14 L X X / M T ; 18,12b (MT). 1 8 , 1 7 - 1 9 spielt auf Sauls List an, vgl. V 2 1 a . 2 5 b und verschiebt Sauls Tötungsabsicht in die Frühzeit.

2. lSam 16 - 20 als Ausgestaltungen

141

zur Vita Davids

Zum anderen wird Sauls in lSam 18,20-30 auf mehreren Ebenen reflektiertes Geschick als König, der seiner eigenen List zum Opfer fällt und sich als unklug im Sinne des weisheitlichen Königsideals erweist, um lSam 17 - 18,16 ergänzt, die auf 18,17-30 zuführen. 18,29b ist kompositorisch bedeutungsvoll, da hier im Gegenzug zu Michals Liebe zu David (V 20a) als Ausgangspunkt der Erzählung abschließend Sauls Feindschaft gegenüber David von diesem Zeitpunkt an erklärt wird. Die Feindschaft zwischen Saul bzw. den Sauliden und David erwähnt 19,17 als Grund für Davids Flucht vor Saul. 1 1 1 19,17 setzte 18,29b aus sich heraus, das die Feindschaft zwischen beiden Protagonisten weiter an den Beginn der SD-Überlieferung verlegt.

Die Technik der Fortschreibung lässt sich besonders deutlich an 18,20-30 nachvollziehen. Das literarische Wachstum, 18,20-29a.30 + 29b + 17-19 (MT), das eine bestimmte Texttendenz verstärkt, lässt sich nicht unmittelbar aus der auf den ersten Blick formal „glatten" Struktur des MT V 17-30 erschließen, da sich auf der Textoberfläche kein Anlass zur literarischen Scheidung in den jeweils mit TP1 eingeführten Sätzen erkennen lässt. V1 V 6 V9

-DTV OVDD i m DK132 ITH Vixttf i m

Einleitung Verhältnis Jonatan-David (MT Zusatz

1-5)

Einleitung Siegesliedszene (auch LXX[B]) Sauls Einstellung zu David (auch LXX[B])

V 10

mnaa i m

V 14

idtt-Vs"? n n i m

Einleitung Erzählerwertung (auch LXX[B])

V 17

Einleitung Merab-Überlieferung (MT Zusatz

V 19

VISIT' -IÖK'I nn nsa i m

V 29

a ' s Visu? i m

Einleitung Sauls Feindschaft gegen David (MT Zusatz 29b-30)

V 30b

Dnxs n a i m

Einleitung Erzählerwertung (MT Zusatz)

Einleitung Speerszene (MT Zusatz) 17-19)112

Einleitung Abschluss der Merab-Überlieferung (MT Zusatz 17-19)"3

TP1 verbindet in 18,1-16 die unterschiedlichen Episoden und Textgattungen. Doch finden sich nur in V 6 und 9 Entsprechungen in LXX. In V 10. 29b.30b wird '¡"PI als Einleitung der Fortschreibung verwendet. Ebenso wird die in MT ergänzte Merab-Überlieferung mit einem literarkri111

Vgl. 2Sam 4,8 „dein (=Davids) Feind" und Davids Zurückweisung; vgl. lSam 26,9-11 und oben Kap. 3, 2.5; vgl. ferner 2Sam 4,9-12. 112 lSam 18,17-19 ergänzt MT im Wesentlichen ein Gespräch mit Einleitungen: VliW IBX'1 V 17a; 1ÖX Vwizn V 17b; i n -IÖX'1 V 18. n n T H V 19 leitet den Abschluss der Merab-Überlieferung ein. 113 Die ergänzten Verseinleitungen (V 19.30) schließen formal an V 1 und V 10 an. Sie haben die Form T P ! + Präposition + Infinitiv: „es war als x geschah"; vgl. lSam 18,6 LXX/MT und verweisen auf eine erfolgte (nV3) oder gleichartige (D) Handlung, mit der sie die Beschreibung des Verhältnisses zwischen Saul und David verbinden. Dies ist nicht grundsätzlich textpragmatisch auszuwerten; in *lSam 1 8 - 2 0 sollen die Handlungsbeschreibungen Aussagen über die Beziehung zwischen den Figuren machen.

142

Kapitel 4: Motivik, Form und Überlieferungsbildung

in lSam

16-22

tisch zunächst unverdächtigen "IDX'I eingeführt (V 17). Weil die Fortschreibungen die Einleitungsformulierung aufgreifen, wirkt lSam 18,1-30 MT zwar formal geschlossen, doch ist der Abschnitt ganz aus der kürzeren Fassung von LXX[B] entstanden. Die folgenden Bezüge von lSam 18,1-16 zu weiteren Überlieferungen deuten daraufhin, dass diese bereits die kürzere Fassung und die Erweiterungen des MT 1 1 4 aus sich heraus setzten. Die Ergänzungen von MT in 18,1—4 sind um das Motiv des Bundes zwischen David und Jonatan herum gruppiert und greifen Sache und Terminologie aus 20,8; hi V 14a abhängig. Das 23,16-18 auf. Der Erzählerkommentar in 18,5a ist von mehrfach wiederholte Verb 1 1 5 bezeichnet Hiskia 2Kön 18,7, den König in den Königssprüchen Prov 14,16, 116 Josua Jos 1,7.8, sowie den Frommen Ps 1,3. Die Zusammenstellung der paradigmatischen Könige David und Hiskia steht damit in Verbindung mit der weisheitlich-spät-dtr Deuteschicht, 117 die auch die Mitseinsformel einfügte und deren späte Schichten den Gebrauch des Verbs verändern. 118 David erweist sich bei Auszügen gegen die Philister erfolgreicher als alle anderen Knechte Sauls, hat sich als Judäer am israelitischen Hof einen Namen gemacht, Sauls Höflinge übertroffen, kommt aber aus einer in Israel unbedeutenden judäischen Sippe (V 18, Zusatz MT), und in seinem Erfolg bzw. seiner Klugheit gegenüber dem mächtigen Saul entspricht ihm allein Hiskia. Diese Beschreibungen Davids übertragen Verhältnisbestimmungen zwischen Israel und Juda auf David als Erzählfigur. 119 Die Fortschreibung von MT V 12b verstärkt durch die Wiederholung der Mitseinsformel ausdrücklich den Verweis auf Hiskia. Der Zusatz 1ÖS m n ' entstammt V 14b. 120 Die Gegnerschaft der Philister fügt sich in diese Linie ein. Die Ergänzungen verstärken Davids Züge als Kriegsherr. 121 Bekanntes Material regruppieren auch die weiteren Abschnitte. Während sich für den Empfang bei der Rückkehr V 6 keine genaue Herkunft angeben lässt, 122 zitiert V 7 das Siegeslied aus 29,5 (weiter verarbeitet in 21,12). Der Erzählerkommentar 18,9 setzt offensichtlich 20,1.8 voraus. Der Zorn Sauls 18,8 wiederholt diese Reaktion aus 20,7.30(.34). 123 Das zunehmend ausfuhrlicher 124 erzählte

114

Vgl. auch die Übersicht zu den Ergänzungen bei KLEIN, Samuel, 187. Vgl. LXX-Text lSam 18,14f.; MT auch 18,5.30; 18,30 qal Hapaxlegomenon; fehlt in den übrigen SD-Erzählungen. 116 Vgl. Prov 15,24; 16,20.23; 17,2. 117 Sie kann sprachlich nicht den Dtr zugewiesen werden; vgl. oben Kap. 2, 1.8 und unten Kap. 5, 3.1 zuVDitf. 118 Vgl. 'nie qal lSam 18,30; Zusatz MT. 119 Diese Ausgestaltungen der Figur bewegen sich auf der Ebene der mimesis II, vgl. oben Kap. 1, 4. 120 Vgl. 2Sam 5,10 „JHWH Zebaoth" und vgl. 2Kön 18,7b. 121 Vgl. lSam 18,5b mit seinen Bezügen in der kürzeren LXX-Fassung: Für Davids Einsetzung über die Kriegsleute in V 5b [HOnVa 'IP'JK bv] tri» vgl. CPU> V 13a; für den Auszug SX' V 13b; für DSH-VD neben vielen anderen 2Sam 3,36; für ' J ' » a QU VlSltf ' i n s vgl. 18,22 Knechte Sauls. 122 Vgl. aber die Doppelung in 6aa „bei ihrer Ankunft, als David zurückkehrte", vgl. 115

M C C A R T E R , A B 8, 3 1 0 , KLEIN, S a m u e l , 1 8 7 . 123

VlXtf1? - i m . Zu rDlVa im selben Vers vgl. 20,31a. TIJ7 V 9 (sofern man nicht von T » ableiten will; vgl. lSam 2,29.32; DRIVER, Notes, 152) spielt auf p » lSam 20,1.8 an.

2. lSam 16 - 20 als Ausgestaltungen

zur Vita

Davids

143

Speerwurfmotiv 18, lOf. entstammt 20,33 bzw. 19,9f. Die im jetzigen Ablauf nachstehenden Szenen setzten die ausführlicheren Voranstehenden aus sich heraus. 1 2 5

An die Stelle eines durchgängigen Plots und erzählerischer Geschlossenheit tritt die Auflistung analog verstandener Vorgänge am Hof Sauls immer früher in Davids Leben. Sauls List, die sich gegen ihn selbst wendet, wird dem weitgehend passiven David, der nur erfolgreich reagiert, gegenübergestellt. 126 Während das israelitische Königshaus als höchst gefährdet erscheint, steigt der judäische Dynastiegründer David zum "I^On ]nn in Israel auf. Den spätdeuteronomistisch-weisheitlichen Fortschreibungen sind besonders die MT-Zusätze zuzurechnen, die sich sprachlich abheben lassen. Bereits die Vorlage von LXX wiederholt oder schreibt sukzessive bekannte Motive fort (vgl. lSam 29,5 in 18,7; 19,9-11 in 18,10f.). 2.2 Der Sieg des jungen judäischen Höflings lSam

17-18,5

Davids Philistersieg geht in der jetzigen biographischen Anordnung in LXX und MT im Rahmen einer Hofgeschichte Sauls seinen weiteren Taten voran. Die Entstehung von lSam 17 - 18,5 ist nun zu beschreiben. 2.2.1 LXX[B] versus MT in der jüngeren

Forschung

Ordnet MT 18,1-16, wie beschrieben, lediglich Material der älteren LXXFassung neu an, so entstand auch die längere Erzählvariante vom Philisterkampf aus der kürzeren 127 lSam 17,1-11.32-40.42-49.51-54, an die sich 124

Vgl. l S a m 20,33 m n r r n x "nxiC VD'H; H 3 3 V 3 3 a ; l S a m 19,9 ergänzt H i n ' ITH n s n als Grund für den Speerwurf; l S a m 18,10f. (nur MT) ergänzt K33 hitp und vgl. oben Kap. 1, 1.6. Ausgangspunkt ist 22,6. 125 Vgl. zu Vx n s n OTI^X r r n rf7X lSam *16,14-23. Vgl. S33 hitp l S a m 10,5f.l0-13; 19,18-24; ferner l K ö n 18,29; 22,8.10.18 (=2Chr 18,7.9.17); Num 11,25-27; Jer 14,14; 23,13; 26,20; 29,26f.; Ez 13,17; 37,10; 2Chr 20,37. Das Verb wird abwertend in der Bedeutung „vorgeben, zu prophezeihen" gebraucht (außer Jer 26,20; Ez 37,10 und 2Chr 20,37). 18,12a XV entstammt 18,29. Zu 18,13 XS'/XID vgl. 18,16 und 2Sam 5,2. Der Erzählerkommentar 18,15b V I III „furchten" variiert XV. Die Angabe aus 18,16 bfOttP- 1 ?:) n n m entstammt 2Sam 5,5; vgl. nur noch 2Chr 30,1.6. 126 Yg] (jj e F 0 i g e von Handlungsverben in l S a m 18,26f., die Davids Erfolg knapp zusammenfasst. Die Kontrastrelation der beiden Figuren bietet den Ausgangspunkt dieser Erzählungen, die konkrete Figurenausgestaltung (mimesis ¡1, RLCCEUR) setzt das Motiv der willentlichen Tötung bzw. List Sauls und der Loyalität Davids um, so dass Charaktere entstehen, deren Handlungen im Einzelnen aufgezeigt werden. 127

Für LXX als ältere Fassung, aus der M T hervorging, siehe STOEBE, Goliathperikope, 412; BARTELMUS, Heroentum, 135 (mit vierstufigem Wachstum aus l S a m 21,15-22; unter dem Einfluss des Heroenkonzepts auf David übertragen ( 1 7 , 1 - 1 1 . 3 2 - 3 6 b a . 38^14.48-54) und schließlich im Sinne eines JHWH-Kriegs-Konzeptes bearbeitet

144

Kapitel 4: Motivik, Form und Überlieferungsbildung

in ISam

16-22

18,6 128 als Überleitung zum Siegeslied anschließt. Für die Frage nach dem Ursprung von 18,1-16 war entscheidend, dass die Doppelungen innerhalb der Komposition MT 129 fortschreiben und nicht deren Ursprünglichkeit gegenüber einer kürzeren Fassung belegen. 130 Entsprechend können auch zwei Ausgestaltungen von LXX gegenüber MT nicht die Kenntnis der längeren Version nachweisen. 131 Eine Beobachtung zur Anordnung der Überlieferung bestätigt vielmehr die Entstehung der längeren aus der kürzeren Fassung. Die gegenüber LXX ergänzten Abschnitte vervollständigen Davids Vita: ISam 17,12-31 will die Herkunft des Judäers David, 17,55-58; 18,2 seine Integration in den Saulidenhof nach dem Philistersieg (LXX[B]); im 2./1. Jhdt. erneut überarbeitet und auf die macht), vgl. McCARTER, AB 9, 307; AULD/HO, Making, MT auf Basis von ISam 9,1 - 10,16 annehmen. Für MT Kürzung/Harmonisierung in LXX plädiert ROFÉ, Battie,

Josephsnovelle transparent ge24, die eine Ausgestaltung des als ursprüngliche Fassung und 119.122; KAISER, David, 186f.

A n m . 13; STOLZ, Z B K , 114; BARTHÉLÉMY, N i v e a u x , 5 4 ; GOODING, A p p r o a c h , 8 4 ; DIET-

RICH, David und Goliat, 176-179. NITSCHE, David, 57 Anm. 117 und 93f. sieht in LXX und MT konkurrierende Rezensionen, wobei zwei ursprünglich selbständige Texte dann im MT kompositionell miteinander verbunden wurden. Tov, Text, 277f. nimmt Einfügung der Version des MT in eine kürzere, eigenständige der LXX an.

128 vgl. 'nuftsrrnx mann i n aWa oxiaa vri.

129

Deren Spannungen hat LXX nicht durch Kürzung geglättet. Vgl. die von DIETRICH, David und Goliat, aufgezählten Doppelungen: Vorstellung Davids 16,6ff.; 17,12ff.28; Einführung am Hof 16,14-23; 17,55-58; 18,2; Handlungsbeschreibung im Kampf 17,40.48b; Tötung Goliaths 17,50f.; Speerwurf auf David 18,10f.; 19,10; „Mitseinsformel" 18,12b.14; Heiratsintrige Sauls 18,17-19.20ff.; daher, so Dietrich, fehle 18,17-19 in LXX. 130 Anders besteht nach DIETRICH, David und Goliat, 177-179.184, ISam 17 aus zwei quellenhaft vorgegebenen Erzählungen. Eine (V l-9.48b.50.51b-53) vom Sieg eines Schleudersoldaten über Goliath von Gat und eine legendarisch ausgeschmückte vom Hirtenknaben David, der den Philister Goliath tötete und vor den König gerufen wurde (V 12-14a. 15b. 17f.20-23aa.24-34a.36.40.42aba.43 [48?]. 51.54-58); redaktionell ergänzt ferner V 10f.l4b.l5a.l6.19.23aßb.34b-35.37-39.41b.42bß.44-46.[47], Schleudersoldat und Hirtenjunge sind unterschiedliche Formen königlicher Herrschaftsmetaphorik, die kaum literarisch so zu trennen sind. 131 In 17,36b ergänzt LXX: ot>xi 7 c o p e u o o | i a i Kai 7iaxdÇ(û aÙTÔv Kai àcpe^rô Gli|I£pOV Ô v e i S o ç fe^ I a p a r | i . Vgl. die Ergänzung in LXX 17,43: Kai MGoiÇ; K a i EÎTTEV Aarn.5 Ot>xi. T^ X £ i p r a KUVOÇ. David kommt auch mit einem Stein zu dem Philister und erwidert Goliath, als er ihn schmäht. Anders sieht KAISER, David, 186f. Anm. 13, LXX als Harmonisierung von MT: LXX stellt hinter 17,36ba den Text von MT aus 17,26aß "7X1 UP VSÜ HDin V o m unter Umwandlung der dritten in die erste Person: K a i Kaxd^co ai)TÔv Kai ä(feX& o r i n e p o v 6 v s i 8 o ç ëÇ I o p a r ^ . LXX schließt die rhetorische Frage aus 17,26bß an: 5 u m TÎÇ Ö à7C8pÎTp.TlTOÇ OUTOÇ Ôç œ v e i ô t o e v 7tap