Satiren des Mittelalters: Lateinisch und deutsch 9783534262755, 9783534738175, 9783534738182, 3534262751

Seit dem 11. Jahrhundert kennen wir mittelalterliche Satiren in Versform. Die meist anonym überlieferten Gedichte knüpfe

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German Pages 219 Year 2013

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Titel
Impressum
Inhalt
Einleitung
Texte
11. Jahrhundert
1 Ordo monasticus ecclesiasticus esse solebat
2 Questus, quos fundo, ueniunt de corde profundo
3 Sermones
12. Jahrhundert
4 Res monet et tempus fratrum describere questus
5 Tinniunt auricule
6 Desevré solent estre, ch'oï dire iadis
7 Iussa lupanari meretrix exire parari
8 Missus sum in uineam circa horam nonam
9 Adde, quod superbia sequitur doctores
10 A la feste suis venuz et ostendam, quare
11 Si licenter ponere possem os in celum
12 Ni lauare laterem
13 Pastores ecclesie, principes inferni
13. Jahrhundert
14 O curas hominum
15 Uehementi nimium commotus dolore
16 Sol Cancri per regna means
17 Licet mundus uaria sorde sit pollutus
14. Jahrhundert
18 Pater, fili, spiritus
14./15. Jahrhundert
19 Collacionis gratia
Anhänge
Literatur
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Satiren des Mittelalters: Lateinisch und deutsch
 9783534262755, 9783534738175, 9783534738182, 3534262751

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TEXTE ZUR FORSCHUNG

BAND 105

SATIREN DES MITTELALTERS

Lateinisch und deutsch von Udo Kindermann

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2013 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: COMPUTUS Druck Satz & Verlag, 55595 Gutenberg. Einbandgestaltung: Neil McBeath, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-26275-5 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-73817-5 eBook (epub): 978-3-534-73818-2

Inhalt

Einleitung Texte

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11. Jahrhundert Ordo monasticus ecclesiasticus esse solebat . . . . . . . . . . . . . Questus, quos fundo, ueniunt de corde profundo . . . . . . . . . Sermones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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12. Jahrhundert Res monet et tempus fratrum describere questus . . . . . . . . . Tinniunt auricule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desevré solent estre, ch’oï dire iadis ................... Iussa lupanari meretrix exire parari .................... Missus sum in uineam circa horam nonam . . . . . . . . . . . . . . Adde, quod superbia sequitur doctores ................. A la feste suis venuz et ostendam, quare . . . . . . . . . . . . . . . . Si licenter ponere possem os in celum . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ni lauare laterem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pastores ecclesie, principes inferni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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13. Jahrhundert O curas hominum ................................... Uehementi nimium commotus dolore . . . . . . . . . . . . . . . . . Sol Cancri per regna means . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Licet mundus uaria sorde sit pollutus . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 102 134 140

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Inhalt

18

Pater, fili, spiritus

14. Jahrhundert ...................................

157

19

Collacionis gratia

14./15. Jahrhundert ...................................

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Anhänge

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Literatur

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Einleitung Durch die hier abgedruckten, meist anonymen Texte soll die Entwicklung einer spezifisch mittelalterlichen Vers-Satire aus der entsprechenden römischen Textsorte illustriert werden. Den Kern dieser Auswahl bilden diejenigen metrischen und rhythmischen mittelalterlichen Gedichte in lateinischer Sprache, die von sich selbst sagen oder die zumindest zu erkennen geben, dass sie sich als Satiren verstehen. Diesem Kern werden weitere Gedichte angelagert, die von einer anderen mittelalterlichen Quelle als Satiren eingeschätzt werden, sowie solche Gedichte, die mit den ersten eine unterschiedlich ausgeprägte Familienähnlichkeit verbindet. Letztlich bestimmt und beschränkt also eine schon antik präformierte mittelalterliche Begrifflichkeit die Auswahl; sie könnte daher nicht als Basis einer formal sauberen induktiven Gewinnung eines ohnehin allenfalls fiktiven mittelalterlichen Satireverständnisses dienen. Sie schließt ferner u.a. satirische Prosatexte aus und auch Texte ganz unterschiedlicher Textsorten, bei denen lediglich ihre Stilhöhe mit dem homonymen mittelalterlichen Stilhöhen-Begriff satira (= mittleres Stilniveau) bezeichnet wurde. Es sei darauf hingewiesen, dass die für römische Satiren heute vielfach als konstitutiv angesehene, in der Antike besonders bei Horaz zu beobachtende Indirektheit des Tadelns von Fehlverhalten seit den Wiederanfängen der Satirendichtung im Mittelalter vielfach fehlt. Solche Gedichte, die man deswegen heute als Invektiven, beziehungsweise wegen der Direktheit bei der Darstellung eines positiv zu bewertenden Verhaltens als Moralpredigten ansehen könnte, sind gleichwohl in die Auswahl aufgenommen worden, insbesondere dann, wenn mittelalterliche Autoren sie mit dem (in seiner Semantik sicherlich nicht persistenten) Begriff Satiren bezeichneten. Ein nicht erst durch den Leser zu erkennendes, sondern durch den Satiriker direkt benanntes Fehlverhalten wird in mittelalterlichen Satiren auffällig häufig auch in einem klagenden Ton vorgebracht, wodurch die uncharmante Direktheit etwas kaschiert wird. Die eher intellektuelle Freude am Entdecken des satirisch Gemeinten wird durch die eher emotionale Freude am Einstimmen in eine Klage ersetzt. Die Textsorte Satire hat sich insofern erheblich verändert.

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Einleitung

Fast alle aufgenommenen Texte sind anonym oder unter einem Pseudonym überliefert; eine Kenntnis der Verfassernamen ist zum Verständnis der Gedichte nicht zwingend nötig.1 Anonym sind auch die Zudichtungen zu einzelnen Versen oder Strophen besonders beliebter Gedichte und die größeren Fortschreibungen solcher Gedichte.2 Zudichtungen sind besonders häufig anzutreffen. Mittelalterliche Satiren in Versform sind seit dem elften Jahrhundert greifbar.3 In ihnen wird die Textsorte der römischen Verssatiriker Horaz, Persius und Juvenal rezipiert, dreier Dichter, die – wohl nicht zufällig ebenfalls ab dem elften Jahrhundert – als ‚goldene‘, d. h. als vorzügliche Schulautoren gelten. Verssatiren werden im zwölften und dreizehnten Jahrhundert häufig. Die Satiriker des elften Jahrhunderts benutzen das von den römischen Satirikern seit Horaz für Satiren kanonisierte Versmaß, den quantitierenden daktylischen Hexameter, allerdings auch bisweilen zusammen mit je einem Pentameter, was strengem römischem Stilempfinden bei Satiren widersprochen hätte. Etwa ab dem zwölften Jahrhundert werden nicht-quantitierende Verse,4 meist in gereimter Form, bevorzugt; der schwieriger zu dichtende quantitierende Hexameter wird aber nicht völlig verdrängt. Das Mittelalter hat eine beachtliche Anzahl sehr langer, teilweise katalogartig und teilweise systematisch ihre Themen abhandelnder Verssatiren hinterlassen, die römischem Formempfinden, das Verssatiren äußerlich die Kleinform und innerlich eine scheinbare Zufälligkeit beim Abhandeln des Themas zuordnete, ebenfalls widersprochen hätten.5 Nach mittelalterlichem Empfinden wurden diese Großsatiren zweifellos als Satiren angese-

1 Die Pseudonyma konnten bisher nicht aufgelöst werden. Philologische Versuche von sehr unterschiedlicher Plausibilität, einzelne anonyme Gedichte einem Verfasser zuzuweisen, sind bei den jeweiligen Gedichten genannt. 2 Die wichtigsten davon werden im Anhang mitgeteilt. Darunter finden sich offenbar auch scheinbare Weiterdichtungen. Solche konnten sozusagen mechanisch entstehen, wenn der Handschriftenkopist den Anfang eines neuen, aber überschriftlosen Gedichtes nicht wahrgenommen hatte. 3 Literarische Produkte, die in unterschiedlicher Stärke von einem aggressiven, aber künstlerisch zum Ausdruck gebrachten Impetus gegen Normverletzungen geprägt sind, die insofern von satirischem Geist geprägt sind, sind wesentlich früher nachweisbar. 4 Betonungen zählende, sogenannte rhythmische Verse. 5 Das gilt genau genommen erst seit der augusteischen Zeit, als Horaz seine sermones als literarisches Pendant zu den philosophischen Diatriben kurz und unterhaltsam belehrender Straßenphilosophen erscheinen lassen will.

Einleitung

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hen6 und sie wurden von ihren Verfassern auch so bezeichnet.7 Aus Gründen des Umfangs werden sie hier jedoch nicht berücksichtigt; als Beispiel wird lediglich ein Auszug aus der relativ frühen Großsatire des pseudonymen Amarcius abgedruckt. Die Texte sind für ein Publikum geschrieben, das man im Mittelalter häufig pauschal ‚die Gelehrten‘, die clerici, nannte. Das sind Personen, die nicht unbedingt dem Klerus im engeren Sinne angehören, die aber Latein können mussten, um eo ipso als clerici bezeichnet zu werden. Als Adressaten der Satiren mussten sie mehr als nur ein bisschen Latein können, um die Satiren zu verstehen. Die zunächst sprachliche Begrenzung auf das Publikum der clerici hat eine einseitige Fokussierung der satirischen Kritik auf Fehlverhalten in dieser Personengruppe zur Folge gehabt. Dass die deshalb hauptsächlich kritisierten Kleriker besonders schlimme Zeitgenossen gewesen seien, ist daraus nicht abzuleiten.8 Sie sind eher als die fehlersensibelste Gesellschaftsgruppe anzusehen.9 Die vorliegende Auswahl bietet Lesetexte auf der Grundlage der jeweils angegebenen wissenschaftlichen Editionen. Deren Vers- und Strophenzählung wurde so weit wie möglich beibehalten. Häufig musste jedoch vom Text dieser Editionen abgewichen werden; das wird an den entsprechenden Stellen angegeben, sofern es sich nicht um Orthographisches oder um Interpunktionen handelt.10 6 Zu mittelalterlichen Aussagen über den Satire-Begriff siehe KINDERMANN 1978. 7 Z. B. verfasst Bernard von Morval 2966 Hexameter unter dem Titel De contemptu mundi, die er als Satire ansieht (hic satiram sequor 2, 133), oder Johannes von Garlandia beginnt die 662 Verse seiner moralisierenden Dichtung Morale scolarium mit der Aussage Scribo nouam satiram (Vs. 1). 8 Z. B. war der in Satiren überaus häufig kritisierte Kauf geistlicher Ämter und geistlicher Amtsleistungen im Bereich weltlicher Ämter weithin üblich und meist unanstößig. 9 Religion und ihre Institutionalisierung in der Kirche wird von den Kritikern nicht grundsätzlich in Frage gestellt, was vergleichbar ist mit heutiger satirischer Kritik an Auswüchsen einer nicht grundsätzlich in Frage gestellten Demokratie und ihrer Institutionalisierung in einem demokratischen Staat. 10 Die Orthographie in den Handschriften verleiht mittellateinischen Texten bereits äußerlich ein mittelalterliches Kolorit, das allerdings von einem Abschreiber zum anderen unterschiedlich ausfällt. Die Orthographie einer Handschrift sagt praktisch nichts über die Orthographie eines Verfassers aus. Über längere Zeiträume hinweg ist in den Handschriften durchaus die Tendenz festzustellen, dass sich z. B. der Gebrauch eines einfachen e statt eines ae (oder oe) mehr und mehr durchsetzt oder, dass ti und ci vor Vokalen im Hohen und späten Mittelalter sehr oft nicht einmal mehr graphisch unterschieden werden. Dieses Kolorit soll hier dadurch

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Einleitung

Die Übersetzungen sind lediglich als Einstiegshilfe zur lateinischen Lektüre gedacht. Sie sind sicher nicht fehlerfrei, was am Übersetzer, was aber auch an primären Verständnisschwierigkeiten liegt, die konstitutiv für satirisches Sprechen sind, das den Satiriker immer wieder veranlasst, sich undeutlich auszudrücken, um dem Leser eben nicht die bequeme Sicherheit, sondern die riskante Möglichkeit der Freude über ein unfestgelegt ‚richtiges‘ Verstehen zu bieten. Die Übersetzung gestattet sich bisweilen kleinere, meist interpretierende Ergänzungen. Als sprachliche Kunstwerke sind diese Satiren, die mit ihrem Esprit, der changierenden Polyvalenz ihres indirekten satirischen Sprechens, ihrem Anspielungs- und Bezügereichtum den Rezipienten intellektuell erreichen wollen, aber mit dem vielfach variierenden Klang ihrer Rhythmen und Reime diesen Rezipienten – unabdingbar für das Format – auch affektiv erreichen wollen, nur in einer Lektüre in der Originalsprache zu erfahren und zu würdigen. Selbst unter postmodernen Literaturstudenten begegnet immer wieder eine Neigung, schnelle Schlüsse aus der Textwelt der Satiren auf Gegebenheiten in der realen Umwelt des entsprechenden Gedichtes zu ziehen. Es sei daher auch hier die interpretatorische Selbstverständlichkeit hervorgehoben, dass ohne textexterne Zusatzinformationen natürlich weder z. B. ein kritisiertes Fehlverhalten auf die reale Welt rückübertragbar ist, noch auch die moralische Entrüstung eines sprechenden Ich auf den realen Verfasser des jeweiligen Gedichts. Der Satiriker ist ein Künstler, der in erster Linie Sprach-Kunst machen will über den Themenbereich ‚menschliches Fehlverhalten‘. Ob ein Satiriker sein Publikum jemals durch eine Satire tatsächlich moralisch bessern wollte, ist zweifelhaft. Der Themenbereich Fehlverhalten ist jedenfalls geschickt gewählt, denn der ist erfahrungsgemäß von höherem Interesse als es der Themenbereich normgerechtes Verhalten je sein könnte.

wenigstens angedeutet werden, dass ae und oe stets als e wiedergegeben werden und dass bei einigen Graphien, z. B. bei ti und ci vor Vokalen, mittelalterlich-inkonsequent geschwankt wird.

Texte

1 Ordo monasticus ecclesiasticus esse solebat Der Verfasser der folgenden Hexameter nennt in einer vorangestellten Widmung sein Gedicht eine herkömmliche Satire (satiram, carmen per secula clarum 2). Er attackiert ebenso scharf wie sprachlich kunstvoll die Verweltlichung der Gruppe der Ordens-Geistlichen innerhalb des Standes der Geistlichen. Da die Attacken eine große Anzahl von Menschen betreffen, bleiben sie im Allgemeinen und überzeugen eher durch die Verve einer mitreißenden Sprache und eine einhämmernde Metrik als durch plastische Verbildlichung, wenngleich der Hauptpunkt der Kritik, der Kauf geistlicher Ämter (die sogenannte Simonie), deutlich genug herauskommt. Das Gedicht stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Kanoniker Wilchard, der als Verfechter der gregorianischen Kirchenreform in Frankreich tätig war.11 Bei der Vielzahl der dieses Gedicht überliefernden Handschriften wären viele Text-Varianten zu erwarten. Deren Anzahl hält sich hier jedoch wegen der starken Reglementierung der Verse durch ihr Metrum: nur reine Daktylen sind zugelassen, und ihren Reim: dreifache Reimbindung jedes Verses,12 in Grenzen.13 Ob ein Satiriker jemals auch nur die Absicht hatte, durch seine Satire, also auf ästhetischem Wege, die in seinem Gedicht intendierten moralischen Verhaltensänderungen zu erreichen, ist, wie schon gesagt, sehr zweifelhaft. Dennoch könnte es bei diesem in der genannten Weise so streng formalisierten Gedicht tatsächlich einmal geschehen sein, dass aus ästhetischen Gründen – nach dem Ohrwurmprinzip – der eine oder andere Vers und mit ihm sein Inhalt im Gedächtnis eines Rezipienten hängen blieb; und dann könnte ein Satirenvers sogar tatsächlich einmal Verhalten beeinflusst haben. Lateinischer Text: KINDERMANN 1991, S. 44–45; davon bin ich abgewichen in Vers 2 cum] dum. 11 Wilchard von Lyon; siehe KINDERMANN 1991. – Es ist nachzuvollziehen, dass der vom Papst mit der Durchführung der Kirchenreform beauftragte Legat Hugo von Die die inhaltliche Aussage des Gedichts unterstützte (corroborat Widmung 3). 12 Sogenannte dreigeteilte Hexameter, hexametri tripertiti. 13 Zu einer wohl eigenen Zudichtung siehe den Anhang 1.

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Texte Sacrilegis monachis, emptoribus ecclesiarum, composui satiram, carmen per secula clarum, quam, quia uir magnus corroborat Hugo Diensis, noster amicus eam legat Hugo Suessionensis. *

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Ordo monasticus ecclesiasticus esse solebat, dura cibaria cum per agrestia rura colebat. Nulla pecunia, nulla negotia prepediebant; sobria copia, parua colonia sufficiebant. Pro uenialibus et capitalibus inuigilabant, tam uenialia quam capitalia nostra piabant. Sed miserabilis et lacrimabilis est sibi factus, ad capitalia post uenialia dampna redactus: Ordo monasticus ecclesiasticus est uiolenter, ecclesiastica comparat omnia dona patenter. Ordo monasticus ecclesiasticus est sine fructu; intrat ouilia desuper ostia non sine luctu. Ordo monasticus ecclesiasticus est sine sensu: Estimat omnia spiritualia diuite censu. Ordo monasticus ecclesiasticus est sine causa: Clamat ad ostia spiritualia iam sibi clausa. Ordo monasticus ecclesiasticus unde uocatur, quando tenacibus atque rapacibus assimilatur? Terra, pecunia, templa, palatia magna parantur, unde potentia siue superbia magnificantur. Uana superbia quid per inania ludificatur? Lucifer extulit et Deus expulit et cruciatur. Sed duo crimina per sua nomina nolo notare, que sapientia uel reuerentia nescit amare: Dicere planius est inhonestius, ultro patebit; ultro quis audiet, ultro subaudiet, ultro docebit. Sed dominus meus, omnipotens Deus, omnicreator, insipientibus et sapientibus auxiliator, hec pius auferat et bona conferat, ut mereantur spiritualia querere pascua, ne moriantur. *

1 Ordo monasticus ecclesiasticus esse solebat

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Gottesräuberischen Mönchen, die Kirchen kaufen, habe ich eine Satire geschrieben – Dichtung von langer Tradition; sie möge, da der große Hugo von Die hinter ihrer Aussage steht, mein Freund Hugo von Soissons lesen. * Der Stand der Mönche war ein kirchlicher Stand, als er mühsame Nahrung anbaute auf ländlichem Felde. Nicht Geld und nicht Geschäfte behinderten ihn; ein bescheidener Vorrat in einer kleinen Niederlassung war genug. Für kleine und große Sünden hielt man Nachtwachen, für unsere kleinen und großen Sünden leistete man Sühne. Doch sich selbst bejammerns- und beweinenswert ist dieser Stand geworden, da er erst zu leichten, dann zu schweren Sünden sich verleiten ließ. Der Ordensstand ist widerrechtlich ein kirchlicher Stand, denn alle geistlichen Gaben kauft er sich ungeniert. Der Ordensstand ist ein kirchlicher Stand, der keine Frucht bringt; nicht durch die Tür kommt er, sondern wie ein Dieb und Räuber dringt er ein in die Hürde, ein Anlass zur Trauer. Der Ordensstand ist ein kirchlicher Stand ohne Sinn, denn alle geistlichen Güter lässt er sich mit reichlichen Gebühren bezahlen. Der Ordensstand hat keinen Grund mehr, ein kirchlicher Stand zu sein, denn er brüllt vor dem Tor der geistlichen Ämter, die ihm von nun an verschlossen sind. Der Ordensstand – ein kirchlicher Stand? Warum soll er überhaupt so heißen, da er mit einem gierigen Raffer ähnlich ist? Länder und Geld und Kirchen und große Paläste erwirbt man, um Macht und Hochmut herauszustellen. Hochmut ist nichtig. Warum lässt er sich von Nichtigem täuschen? Luzifer hat sich hochmütig erhoben, Gott hat ihn vertrieben, jetzt leidet er. Zwei andere Sünden aber will ich nicht namentlich nennen, die mit Weisheit und Ehrwürde unvereinbar sind. Klarer zu sprechen wäre zu unanständig; es wird von selbst klar werden, von selbst wird man’s hören, wird es heraushören, wird sich’s zeigen. Aber mein allmächtiger Herr und Gott, der Schöpfer aller Dinge, der dem Toren und dem Weisen zur Seite steht, möge in seiner Güte dies beseitigen und Gutes geben, auf dass die Mönche würdig werden, nach geistlicher Nahrung zu suchen, um dem ewigen Tod zu entgehen.

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Texte

2 Questus, quos fundo, ueniunt de corde profundo Das folgende Gedicht ist anonym überliefert; sein letzter Herausgeber vermutet wegen stilistischer Ähnlichkeiten, dass es von Serlo von Bayeux verfasst sei.14 Inhaltlich geht es in dem Gedicht um die Kritik an der Beanspruchung von Kirchengut, von dem der Sprecher lebt, durch einen Ritter (miles 6; 34; 98), der sich damit aus der Gefangenschaft freikaufen will. Der Sprecher berichtet in elegischen Distichen und vorgeblich klagend (questus 1; queror atque gemo 2), tatsächlich aber invektivenartig über die näheren Umstände, wobei er wechselnde Adressaten apostrophiert.15 Die Wegnahme von (vermeintlichem) Eigentum provoziert beeindruckende verbale Wutausbrüche des Klerikers, die das sprachkünstlerische Ziel der Dichtung sind. Die Situation in der Textwelt hat sich schon längst gelöst, und der Sprecher ist in seine Rechte wieder eingesetzt worden (111–116). Eine gewisse künstlerische Spannung entsteht auch durch die Wahl des elegischen Distichon als Form, das nach herkömmlicher antiker Ansicht als besonders für Trauer und Klage und leise Töne geeignet galt, und dem Inhalt von maßlos erregter Aggressivität, die dem Gegner unter vielem Anderem auf ästhetisch wirksam niedrigem Niveau wünscht, er möge sich zu Tode entleeren (egerat et fecem uentris adusque necem 66). Einer solcherart invektivischen Satire (satira 89) wird im Gedicht eine giftige (toxica uerbis spicula 95–96), unheilbar verletzende und über die Einwirkung von scharfen Waffen hinausgehende Wirkung auf ihr Ziel zugeschrieben; diese maßlose Übertreibung soll vielleicht verhindern, dass man dies alles ganz ernst nimmt. Die für das Distichon verwendeten beiden daktylischen Verse sind – völlig unantikisch – in ihren Hauptzäsuren und paarweise am Ende zweisilbig-rein gereimt. Außertextlich kann sich das Gedicht eines Lateinkundigen nicht an einen des Lateinischen unkundigen Ritter gerichtet haben, sondern nur an einen anderen Lateinkundigen, einen Geistlichen; dass dies der im Text vorkommende mächtige Bischof Odo war, ist nicht ausgeschlossen. Wenn diese

14 BOUTEMY 1937, S. 309, Anm. X; weitere aus der Textwelt gewonnene biographische Argumente bei BOUTEMY 1938, S. 247–248. 15 Einen mehrfachen Wechsel der formalen Textobjekte (zweite und dritte Person) nimmt er dabei hin.

2 Questus, quos fundo, ueniunt de corde profundo

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angeblich klagende Satire ein rauer Spaß zwischen rauen Kirchenmännern16 war, dann waren sie im Lateinischen und auch seiner Prosodie gut zuhause. Lateinischer Text: BOUTEMY 1938, S. 244–247; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 14 linguam ei] lingua mei; mei] ei – 33 hec] et – 78 quōque] flecte – 90: docet] nocet – 93 huic] huc – 108 congrediatur] compediatur. Questus, quos fundo, ueniunt de corde profundo. Miretur nemo, si queror atque gemo, qui nec lamentis equabo uulnera mentis, nec grauibus fatis mens agit egra satis, dum teritur Martis ceruix mea nexibus artis: Est durum uati militis arma pati. Nostra solebat ali terra domus ecclesiali, nunc attrita perit, quam noua lima terit. Semper lex talis terre fuit ecclesialis, seruiat ut soli, qui regit astra poli. Proh dolor! Illa perit libertas, nam sibi querit a me seruiri dira cupido uiri. Se redimit captum. – Capto decerneret aptum oris linguam ei ferre iuuamen mei! Si prece, non rapto, petiisset opem sibi capto, non ego tardarem, quin prece digna darem. Nunc aratrum bobus nostrum spoliando duobus mauult predari quam sibi sponte dari. Qui tauris glebam bis quattuor ante colebam, heu, boue nunc solo iugera pauca colo! Huius spes anni mihi rapta furore tiranni, et labor ecce perit. Quis mihi uictus erit? Hostis atrox noscit, quia que sibi debita poscit, non ea debet ei reddere terra Dei. Seruit et ipsa seges, heu, diras undique leges: Certa lege molo, non ubicunque uolo. Grana molenda ferens et saxo frangere querens, huc domini solas cogor adire molas. Quod queror ecce iugum: Partem rapiunt sibi frugum quantamcunque uolunt, qui mea grana molunt. 16 Der historische Bischof Odo von Bayeux lässt sich auf seinem Bilder-Teppich bekanntlich mitten im Schlachtgetümmel von Hastings (1066) darstellen.

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Texte

Lege molendini misero iam proxima fini, que prius ampla fuit, nunc mea summa ruit. Que possedit auus, rapit hec mihi iugera prauus miles, et hec diro tradit habenda uiro. Priuetur uita, qui re nos priuat auita, uir ferus, et meritum sentiat interitum! Qui premis omne ferum, moderator prouide rerum, fac cadat iste rigor nequitieque uigor! Virgo, salus mundi, predonis tam furibundi, ut minus ipse fremat, colla superba premat. Ecclesiam cuius fraus et furor opprimit, huius frangens ceruicem, redde, Maria, uicem! Non a morte mala Michaelis protegat ala, nec seruet dirum contio sacra uirum! Debet tanta premi uiolentia, namque supremi nil famulis domini uilius huic homini. Petre, columna chori, sua premia redde furori, ut manifesta reum pena reuelet eum! Cum quo primates alii, quod precino uates, id uestra fatum sit prece, queso, ratum! Esto meus uindex, domini precursor et index, nam debent praui clade perire graui. Fac, cadat ira Dei super hunc, proles Zebedei, uerba superna canens et sine labe manens! Quas regit hic uillas, euertant, inque fauillas soluant et cineres tres alii proceres! Per lapidum iactus protomartyr sidera nactus uel conuertat eum, uel probet esse reum! Martyrii palma, qui sede fruuntur in alma, hoc fieri cogant, quod mea uerba rogant! Neue referre grauer graue quid, quoscumque cadauer pertulit Herodis, langueat iste modis! Uentre licet pleno comedat uelut ipsa Celeno, sufficiatque sibi copia nulla cibi! Interiore luto soluatur uita soluto, egerat et fecem uentris adusque necem! Clade sit hesterna grauior tibi sors hodierna, peior preteritis crastina, par meritis! Que nunc equatur sceleri, mox pena sequatur,

2 Questus, quos fundo, ueniunt de corde profundo multiplicata magis quam facinus, quod agis! Ad miseri morem doleas, moueatque dolorem sors tua nullius, sit tibi nemo pius! Omnia probra ferens panemque per omnia querens, exul egenus eas, nec reperire queas! Ut figuli testas hunc soluat trina potestas, qui sic me lacerat, conterit, et macerat! Que peto, cuncta petas. Genus, ordo, sexus, et etas, casu quōque meo, subdita queque Deo. Exul abire paro, pulsus de limine caro, has fugiens oras, cogor abire foras. Sors mea dura satis, quare precor, ut studeatis mecum clamare sidera, terra, mare. Sit de uindicta uox omnis et omnia dicta ad celi regem sidereumque gregem. Fundatur sanguis, precor, huius, atrociter, anguis, est quia dulcis ei sanguinis esca mei! Te, draco crudelis, quibus utor, uulnero telis; lesus ab angue fero que licet arma gero. An satira censes plus tela nocere, plus enses? Amplius ipsa nocet, res ut aperta docet. Corpora que ledunt, ab eis cito, crede, recedunt; non cito sospes erit, quem mea lingua ferit! Conferat huic herbas dulces medicus uel acerbas, fiat ut hic sanus, non dabit ulla manus. Non cedent herbis, herent que toxica uerbis. Spicula sunt uatis perniciosa satis. Exacuens uatem compellit ad impietatem transcendens metas militis impietas. Seui raptoris crescat dolor omnibus horis, hunc onus omne premat, perpetuoque gemat! Mane thoro surgens mox fatum sentiat urgens, et potans et edens, stans quoque siue sedens! Cum petet ipse thorum, tristem memoremque malorum cura uigil moueat, ne sopor hunc foueat! Ut spe non parua pubescant ipsius arua,

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has habeat leges mox peritura seges! Ingrediens Martem uim totam perdat et artem, turba perita rei congrediatur ei! Tot mala sint illi, quot sunt in fronte capilli, 110 quotque fouet uitia, tot ferat exitia! Quanta subire uirum cupio discrimina dirum, sit, precor, Odoni copia tanta boni! Quo cupit ipse modo, sit saluus episcopus Odo, qui mea iura regit, liberat, atque tegit! 115 Dextera clementis me traxit ab ore frementis. Gaudeat hic clemens, lugeat ille fremens! * Die Klagen, die ich ausschütte, kommen aus tiefem Herzen. Niemand wundere sich, dass ich klage und seufze, ich, dem weder Klagen genug sein werden für sein verwundetes Herz, noch ein gekränktes Herz für das schlimme Schicksal genug ist, 5 solange eine drückende Kriegslast meinen Nacken schindet: Es ist schwer für mich, einen Dichter, die Waffen eines Ritters zu ertragen. Stets wurde mein Haus durch Landbesitz der Kirche erhalten, jetzt wird es ruiniert und geht zugrunde, weil eine neue Raspel darüber herfällt. Stets war dies das Gesetz des Kirchenlandes, 10 dass es nur dem diene, der über die Sterne des Himmels herrscht. Wehe! Dieses Privileg ist dahin, denn es betreibt dieser unheilvolle Egoist, dass ihm ich dienstbar werde. Er kauft sich aus Gefangenschaft frei. – Für einen Gefangenen hätte er es aber als passend ansehen müssen, dass meines Mundes Rede ihn unterstütze. 15 Wenn er durch bitten, nicht durch wegnehmen Hilfe für seine Gefangenschaft gesucht hätte, würde ich jetzt nicht zögern, ihm zu geben, was seine Bitte verdiente. Wenn er jetzt aber meinem Pflug die beiden Zugochsen wegnimmt, will er lieber mit Gewalt nehmen als freiwillig bekommen.

2 Questus, quos fundo, ueniunt de corde profundo

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Ich, der ich einst mit zwei mal vier Ochsen meine Scholle bestellte, weh, ich pflüge jetzt nur noch ein paar Morgen mit einem einzigen Rind! Die erhoffte Ernte dieses Jahres ist mir genommen durch die Wut dieses Tyrannen und geht mir mit den Früchten meiner Arbeit verloren. - Wovon soll ich leben? Der abscheuliche Feind weiß, dass ihm das, was er als geschuldet fordert, das Land, das Gott gehört, nicht zu geben braucht. Unfrei ist selbst die Saat: Weh, überall unheilvolle Beschränkungen! Eine Verordnung verbietet mir, dort zu mahlen, wo ich es will. Wenn ich Korn zum Mahlen bringe und möchte, dass der Mühlstein es bricht, dann muss ich hierher kommen: ausschließlich zur Mühle des Herrn. Sieh die Waage, über die ich mich beklage: Von der Feldfrucht reißen an sich soviel sie nur wollen die, die sie mahlen. Durch die Mühlen-Vorschrift schon einem jämmerlichen Ende nahe ist mein Vermögen, das einst groß war, jetzt ruiniert. Und die Morgen Landes, die schon mein Großvater besaß, raubt mir der krumme Ritter und gibt sie einem grässlichen Manne zum Besitz. Dem werde das Leben geraubt, der mich des vorväterlichen Gutes beraubt, und der gefühllose Mann erfahre seinen verdienten Untergang! Der du alle Grausamkeit niederzwingst, vorsehender Lenker der Welt, lass diese Härte und die Macht des Unrechts zusammenbrechen! Die heilige Jungfrau, der Welten Heil, trete nieder des rasenden Räubers hochmütigen Nacken, auf dass er weniger wüte! Ihm, der die Kirche mit Tücke und Gewalt bedrängt, ihm brich den Nacken, Maria, vergelt’s ihm! Vor einem schlimmen Tode beschütze ihn nicht der Flügel des Erzengels Michael, noch errette die Gemeinschaft der Heiligen den grässlichen Mann! So großer Gewalt muss Einhalt geboten werden, denn nichts gilt diesem Manne weniger als die Diener des höchsten Herrn. Petrus, du Stütze der Gemeinschaft, gib dem Wüterich, was er verdient, damit eine augenfällige Strafe zeige, dass er schuldig ist. Zusammen mit ihm, ihr anderen hehren Gestalten: Was ich voraussage als Sänger, das sei auf eure Fürbitte hin beschlossenes Schicksal, bitte!

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Du sollst mein Rächer sein, Vorläufer und Künder des Herrn, Johannes, denn die Bösen müssen ein böses Ende nehmen. Lass den Zorn Gottes auf ihn herabkommen, Johannes, Sohn des Zebedäus, der du Worte vom Himmel kündest und der du bleibest ohne Makel! 55 Die Ortschaften, über die dieser Mensch herrscht, mögen zerstören und in Staub und Asche legen die drei anderen Großen! Der Erzmärtyrer Stephanus, der durch das Martyrium der Steinigung in den Himmel kam, er möge ihn entweder zur Umkehr bewegen oder zeigen, dass er schuldig ist! Die, die Krone der Märtyrer an himmlischer Stätte genießen, 60 mögen erwirken, dass geschehe, worum meine Worte bitten! Und es soll mir nichts ausmachen, etwas Schlimmes zu sagen: All das, was der Leib des Herodes erlitten, das möge jener erfahren! Mit vollem Bauch möge er fressen wie die Harpyie Celaeno selbst, und keine Fülle an Speise möge ihm genug sein! 65 Und an innerlicher, verflüssigter Fäulnis vergehe sein Leben, zu Tode entleeren möge er sich an dem, was der Bauch nicht mehr braucht! Schlimmer als das Unglück von gestern soll dir sein, was dir das Heute bringt, schlimmer denn alles, was war, das, was kommt, wie du’s verdienst! Der Strafe, die jetzt deinem Verbrechen angemessen ist, möge bald eine folgen, 70 die vielfach schlimmer ist als die Untaten, die du tust! Elendig mögest du leiden, doch Mitleid möge dein Schicksal bei keinem erregen, keiner sei dir barmherzig! Alle Schmach mögest du ertragen, überall um dein Brot betteln, als Verbannter heimatlos ins Elend gehen, aber nichts bekommen! 75 Wie Tongefäße möge der dreifaltige Gott ihn zerschlagen, weil er mich so peinigt, ruiniert und ausplündert! Alles was ich haben will, magst du haben wollen. – Doch Herkunft, Stand, Manneskraft und Jugend, das steht, was auch immer aus mir wird, ganz in Gottes Hand. Ich mache mich bereit, als Verbannter wegzugehen, vertrieben von meinem lieben Haus;

2 Questus, quos fundo, ueniunt de corde profundo

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diese Gestade zu fliehen werd’ ich gezwungen, und wegzugehn in die Ferne hinaus. Wirklich hart ist mein Schicksal, weshalb ich euch bitte, ihr wollet mit mir zu einem Aufschrei euch vereinigen, ihr Gestirne und Länder und Meere! Jede Stimme schreie Rache und alles dringe zum König des Himmels und zur himmlischen Schar. Vergossen werde, ich flehe, furchtbar das Blut dieser Schlange, weil ihr mein Blut so mundet! Dir, grausame Schlange, schlage ich Wunden mit den Waffen, über die ich verfüge. Weil diese wilde Schlange mich verletzt hat, führe ich zu Recht meine Waffen. Oder glaubst du, eine Satire schade weniger als ein Speer oder ein Schwert? Sie schadet mehr, wie klar zu sehen ist. Glaub mir, was den Körper verletzen kann, vergeht schnell, nicht so schnell aber wird der heil werden, den meine Zunge trifft. Ihm mag der Arzt süße oder bittere Kräuter geben – dass der von mir Getroffene wieder gesund wird, wird keine helfende Hand vollbringen, denn Heilkräuter vertreiben das Gift nicht, das an den Worten klebt. Ziemlich gefährlich sind die Pfeile des Dichters. Weil sie den Dichter aufbringt, treibt ihn zur Bosheit die alles Maß übersteigende Bosheit des Ritters. Des wüsten Räubers Schmerz wachse zu aller Stunde, alle Beschwernis belaste ihn, nimmer werde er froh! Morgens, wenn er das Lager verlässt, möge er spüren das drohende Schicksal, und dies genauso, wenn trinkt oder isst, wenn er steht oder sitzt! Und wenn er sein Lager aufsucht, möge er sich schmerzlich an seine Übeltaten erinnern, und wache Sorge möge ihn umtreiben und verhindern, dass Schlaf ihn erquicke! Dass erst hoffnungsvoll aufsprießen seine Felder, das sei die Regel – doch auch, dass alsbald dann die Ernte verdorre. Wenn er in den Kampf zieht, verliere er all seine Kraft, seine Kunst und ein kampferfahrener Haufe treffe mit ihm zusammen. Soviel Schlimmes widerfahre ihm wie er Haare hat auf dem Kopfe, soviel Tode erleide er wie er Sünden tut!

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Wie großes Übel ich diesem unheilvollen Mann wünsche, so große Fülle an Gutem begegne, so bet’ ich, dem Odo. Alles Heil, das er sich wünscht, widerfahre dem Bischof Odo, der über das herrscht, das befreit und das schützt, was meines Rechts ist! 115 Seine milde Rechte hat mich aus dem Maule jenes wutschnaubenden Tieres gezogen. Seine Milde bringe ihm Freude, Trauer jenem Manne seine Wut!

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3 Sermones De diuersis luxurie illecebris Der Name des Verfassers der Sermones ist unbekannt; sein Pseudonym Sextus Amarcius Gallus Piosistratus ist bisher unaufgelöst.17 Es wird vermutet, dass er am Ende des elften Jahrhunderts gelebt hat. Die Sermones rezipieren sehr stark die Satiren des Horaz, was z. B. durch unzählige, häufig abgewandelte Horaz-Zitate augenfällig wird. Die Sermones werden von ihrem Verfasser zwar nicht direkt als Satiren bezeichnet, und auch der an Horaz erinnernde Titel sermones stammt lediglich aus einem Bibliothekskatalog von 1185,18 aber um 1280 nennt ein Schullehrer in einer literaturgeschichtlichen Schrift diesen Amarcius ausdrücklich einen satyricus in der Horaz-Tradition.19 Dieser mittelalterliche Lehrer nimmt mithin keinen Anstoß daran, dass die Sermones eine als solche unantikische und insbesondere unhorazische Großform der Verssatire wären, in 2662 Hexametern20 und in vier systematischen Büchern, von denen die ersten beiden vitia behandeln, die letzten virtutes, und dass sie insoweit der Tradition der gedichteten Tugenden- und Lasterlehren nahestehen, die dem Mittelalter seit der Psychomachia des Prudentius bekannt sind. Das hier ausgewählte Kapitel21 befasst sich in praller Bildlichkeit und in sehr schwungvoller Rede, die über die Versgrenzen hinausschießt, mit ungesund-luxuriöser Lebensführung. Der imaginierte soziale Hintergrund wird bewusst offen gelassen: Der Fresssüchtige mit seinem einzigen Diener 349– 384 soll vielleicht auf das sich entwickelnde städtische Milieu verweisen, der Musiksüchtige (385–421) lässt einen Sänger höfischer Lieder kommen,22 was vielleicht auf Luxus beim Dienstadel verweisen soll, und ein jagdsüch17 Das Pseudonym ist in dieser Form lediglich in Überschriften überliefert; in einem epilogartigen Versgebet taucht außerdem der Name Amarcius als der des Betenden auf. 18 Bibliothekskatalog von Marienfeld (O. Cist.) in Westfalen, erhalten in der Handschrift Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Lat. Fol. 735 (hier: fol. 1r). 19 Hugo Trimb., Registrum 439: katholicus satyricus, amator honestatis, sowie 441: Oracium in satyris suis imitatus. 20 Die Hexameter sind entgegen vielfacher mittelalterlicher Übung ungereimt und sind auch im Gebrauch von Zäsuren, Dihäresen und Elisionen antikisch. 21 Sermones 1, 330–434: De diuersis luxurie illecebris. 22 Die Lieder des Sängers haben thematische Überschneidungen mit Liedertexten im etwa zeitgenössischen höfischen Liederbuch der Carmina Cantabrigiensia vom Niederrhein.

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tiger höherer Herr (hĕrus 422) geht auf die privilegierte Hochjagd und hält sich Falken oder Habichte in seiner Burg (421–434), was wohl auf Fehlverhalten beim Adel verweisen soll. Im Mittelalter wurden die Sermones des Amarcius selten gelesen: Sie sind nur in zwei Handschriften erhalten geblieben,23 und der oben genannte Lehrer nennt Amarcius schon im 13. Jahrhundert einen auctor rarus.24 Lateinischer Text: MANITIUS 1969, S. 69–77; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen (wodurch besonders die Verse 330, 390 und 401 anders verstanden werden): 330 furiate] turiace; pene] penne – 334 Protea] Prothea – 358 Consumat] Consummat – 366 apta] abta – 389 Coro] Choro – 390 mouet] vovet. Post versum 390 lacunam coniecit Manitius – 401 igni] iugi. Nec tu, furiate labes deterrima pene, tu, que blandiciis diuersicoloribus omne euum hominum: pueros iuuenesque senesque triunca fuscinula rapiens patulo detrudis Auerno, Luxuries, aberis. Tibi tot, quot Protea uultus 335 fama habuisse refert. Sed maxime aplestia mentes dissicit et uenas distendit et incitat inguen. Nunc de missilibus diuersis accipe Luxus! Huius flammifera lumbos transuerberat hasta blandius effusum detentans uulnere ceco. 340 Palpitat ille cadens coituque auertere pestem cogitat inmissam, uulnusque ita curat ut ille, qui lippo suadet uarias spectare figuras, aut qui fomentis credit parere podagram aureaque incassum dispendit frusta chirurgis. 345 Ast alium ceso de silua mille saporum

appetit hastili, ueribusque premit, duplicisque in miserum iuris truculentos depluit imbres. Ille labans nec iners iaculo stridente repugnans: „Si mihi perdicum nidore adolere supinas 23 In einer Dresdener Handschrift aus Merseburg und fragmentarisch in einer Kopenhagener (vermutlich aus Liesborn in Westfalen). 24 Ebenda, 451g.

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contingat nares, necnon pipere atque piretro irritare gulam, gratoque rubore Falerni proluere, et stomachum monstris placare marinis, que fluuiis aiunt ignota minoribus, ut sunt Renus, Arar, Rodanus, Tanais, Padus, Hister, Araxes: Hoc equidem, reor, hoc medicamen reddere sanum me queat. – ‚I, puer, et propolas perspaciare, uenit ubi uinum, moratum, sicera, medo! Consumat Cererem sine Dacus Saxoque potu, at bonus et tenuis mea pernatet exta Lieus! Tu fora percurrens obsonia cara macelli huc eme, fer panes, et edules adde placentas! Uinctis deinde leuem scopis abradito limum, ut cum narcisso dempto obice lilia uernent! Iam picturato proscenia pegmate uela, fulcraque gemmatis scobe rasa thoralibus orna! Nescio, an esuriam, uel non … Tabulam tamen apta! Rumpe moram! Quid stas? Quid hiantem, pessime, uexas?‘ “ Dicit, et adducto procumbit cernuus armo perpetuo opperiens leti discrimina morbo; nam cibus inmodicus facit egrotare gulosum, dum certant elixa assis, mansueta ferinis. Isti cyaneo purganti flumine palmas astat deuote uilloso gausape uerna. Dein nitidus malas distendit panis edaces; tunc, quia uulgaris uentri sordet cibus albo, aggrauat ingentes patinas rombusque lupusque. Lancibus in pandis culter coclearue moratur, aurea blandito portantur cymbia potu. Chia ciphum tingunt abiecto uina Falerno, poma refutantur, nisi que dat Medica tellus Quid loquar astantes ficta ditescere laude mimos? Hi dominis astu per uerba iocosa plurima surripiunt, etiam scalpente datore sinciput, exhausto decrescit copia cornu.

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Alterius molles perturbat harundine Erinis auriculas resona. Tenui uolat illa susurro diffinditque cito cerebrum uitale uolatu ocior ac tigris rapidis agitata Molossis,

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nec tam pernici quassatur machina Coro. 390 Tum sese in sponda mouet ut lasciua puella.

„Cur in auaricia tantum plerique laborant? Uellem ori dulcis blandiretur cibus, aures mulcerent moduli, breuis hic quia mansio nobis. ‚Ue mihi‘ cur dicam, si morbo non agitar, si 395 turgentes papule, si torquens pleuresis absit? Non talis mihi mens. ‚Puer, o puer, ales adesto! Scin aliquem liricum, dic, aut gnauum chitaristam aut qui casta cauo concordet tympana plectro? Scito quidem, si non mulcebit lidius aures 400 has – sed curre, ardet mea mens in amore canendi ut torrela foco uel adunca cremacula igni.‘ “

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Ergo ubi disposita uenit mercede iocator taurinaque chelin cepit deducere theca, omnibus ex uicis populi currunt plateisque, affixisque notant oculis et murmure leni eminulis mimum digitis discurrere cordas, quas de ueruecum madidis aptauerat extis, nuncque ipsas tenuem, nunc raucum promere bombum – Sic quis ab externo dimotus climate celi, sol roseus uastos ubi rura per Afra uapores euomit, aspiret terris, qua frigida clausis omnibus hybernas exercet zona pruinas, obcalletque tenax emuncto stiria naso, secum miretur celum constare duabus unum naturis, estate geluque trementi. – Ille fides aptans crebro diapente canoras, strauerit ut grandem pastoris funda Goliath, ut simili argutus uxorem Sueuulus arte luserit, utque sagax nudauerit octo tenores cantus Pytagoras, et quam mera uox philomene, perstrepit. – Interea motus clangore tubarum urget herus celerem calcaribus ire caballum per saltus, nemora, et spissos caligine lucos. Hic tilias, fagos reboare inpellit et ornos, procerasque feras ferro sulcante trucidat, sed teneros pullos annexo fune domandos

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uenari atque plagis uiuos innectere feruet, ut muscis letum molitur aranea tela. Precipitique capit uolucres indagine ceruos, in qua conueniunt linces, capre, ursus aperque. Post hec irretit assuetos uiuere rapto accipitres pedicis, et captos sepe coronat, suppeditatque cibos, tuguri clausos ut in arce umbrosa uideat pluma candente nouari.

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* Auch du sollst nicht fehlen, du schlimmstes Verderben, mit dem Furien quälen, du, die du mit vielfältigen Verlockungen jedes Alter der Menschen, ob jung, ob alt, mit dem Dreizack aufgabelst und in den weiten Rachen der Hölle hinabstößt, du, die Genusssucht. So viel Gestalten hast du wie einst Proteus gehabt haben soll. Hauptsächlich ist es aber die Gestalt der Unersättlichkeit, die den Sinn des Menschen uneins macht mit sich selbst und die Adern schwellen lässt und das Glied.

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Höre nun von den unterschiedlichen Geschossen, die der Luxus versendet. Sein flammender Speer dringt in die Lenden und hält recht sanften Erguss in einer unsichtbaren Wunde zurück. Der Getroffene fällt, und zuckt, und will die Seuche loswerden durch Beischlaf, die in seine Eingeweide gesenkt wurde, doch dabei kuriert er die Wunde wie einer, der einem Triefäugigen rät, doch verschiedene Gestalten zu betrachten, oder wie einer, der glaubt, von warmen Umschlägen gehe die Gicht weg, und der den Chirurgen sinnlos Goldstücke zahlt.

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Auf einen anderen wieder wirft der Luxus mit einem aus dem Walde der 345 tausend Düfte geschnittenen Speere und greift ihn mit Bratspießen an und lässt von Doppelter Suppe auf den Ärmsten gewaltige Regenwetter niedergehen. Es wankt der Beschossene, doch wacker leistet er Widerstand mit einem zischenden Wurfnetz:

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„Wenn mir vielleicht der Bratendampf von Rebhühnern duftend in die 350 gerümpfte Nase zöge, und mit Pfeffer ich und Bertram

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die Kehle könnt’ kitzeln und mit wohlschmeckendem roten Falerner Wein sie spülen und den Magen zufriedenstellen mit seltenen Tieren des Meeres, die, wie man weiß, nicht in so zweitrangigen Gewässern vorkommen wie dem Rhein, der Saône, der Rhône, dem Don, dem Po, der Donau und dem Araxes, – ja, solche Medikation, meine ich, könnte gesund mich machen. – ‚Diener, geh also und mache die Runde bei den Händlern, dort, wo man Wein verkauft, und Beerenwein und Scherbet und Met. Dänen und Sachsen mögen ihr Brot essen, ohne etwas dazu zu trinken, doch meine Eingeweide soll guter und feiner Wein durchströmen. Du also eile über die Märkte und kauf teures Essen am Fleischmarkt für mich, bring Brot und und schmackhaften Kuchen. Dann nimm den Reisigbesen und kehre die leichte Schmutzschicht am Boden hinweg, damit blühende Narzissen und Lilien wieder ohne diesen Schleier hervorleuchten. Dann stell die Tafelbilder in den Vorraum, und schmücke die spangepolsterten Liegen mit den Edelstein-Decken. Ich weiß nicht genau, ob ich schon Hunger verspüre, doch deck schon den Tisch! Na los doch! Was stehst du da? Was quälst du mich, dem der Magen knurrt, du Schuft?‘ “ Spricht’s, und sinkt mit angewinkelten Armen nach vorn auf die Knie und erwartet in ewigem Kränkeln die Stunde des Todes. Denn maßloses Essen macht krank den Gourmand, da Gesottenes mit Gebratenem und Mildes mit Wildem sich in ihm nicht vertragen. Wenn er sich mit meerblauem Wasser die flachen Hände reinigt, steht mit ergebener Miene neben ihm der Diener und hält ein flauschiges Handtuch. Dann schwellt ihm die gefräßigen Backen ein weißes Brot auf. Dann liegen, weil ja gewöhnliche Speise die vornehme Blässe des Magens beflecken könnte, Steinbutte und Seebarsche schwer auf riesigen Schüsseln, auf gebogenen Schalen liegen Messer und Löffel. Goldene Becher mit lieblichem Wein trägt man auf,

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erst trinkt man Falerner Wein, dann netzen süße Weine von Chios den Becher. Obst nimmt man nur, wenn es Pfirsiche sind. Und, was soll ich über die fahrenden Sänger sagen, die herumstehen und reich werden, indem sie erdichtete Vorzüge besingen? Mit scherzenden Worten und Hinterlist ziehen sie den Herren viel Geld aus der Tasche, und auch wenn der Herr sich verblüfft am Kopf kratzt, leert sich das Füllhorn, und sein Vermögen nimmt ab. Eines Anderen zarte Öhrchen verwirrt diese Furie Genusssucht mit dem klingenden Flötenrohre, denn sie fliegt mit leisem Säuseln heran, doch dann dringt sie rasch ins Gehirn, das zum Leben gebraucht wird, in einem Anflug, der schneller ist als eine Tigerin läuft, die vor den Zähnen der Jagdhunde flieht, und wirkt mit mehr Gewalt ein als der zerstörende Nordwest-Sturm an einem Holz-Bau. Dann bewegt sie sich wie ein geiles Mädchen auf dem Bett. „Warum sind die meisten so geizig nur und mühen sich ab? Da möchte ich doch lieber, dass meinen Gaumen süße Speise kitzele und dass meine Ohren Melodien verwöhnen, denn nur kurz ist unser Erdenleben. Warum sollte ich ‚Weh über mich‘ rufen, wenn ich gesund bin, wenn die schwellenden Beulen mich nicht befallen haben und nicht die quälende Schwindsucht? Nein, so steht mir nicht der Sinn. ‚Diener, heda, Diener! Flugs herbei! Weißt du nicht einen Lyra-Spieler, sag, oder einen guten Zither-Spieler oder einen, der die koschere Handpauke mit der hohlen Laute zusammenklingen lassen kann? Aber merk dir, wenn die Weise diesen meinen Ohren missfällt, dann – doch lauf los, es glüht mein Herz vor Liebe zum Gesang wie ein Rost im Herd oder ein krummer Kesselhaken im Feuer.‘ “ Wenn also, nachdem das Honorar abgemacht ist, der Spielmann gekommen ist und langsam aus der Hülle aus Büffelleder die Lyra zieht, da kommen von allen Straßen und Plätzen die Leute gerannt und beobachten mit gebanntem Blick und mit leisem Raunen, wie um die Wette die Finger des Spielmanns über die Saiten laufen, die er aus feuchten Schafsdärmen gefertigt hat,

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und wie die Saiten bald ein zartes und bald ein tiefes Summen von sich geben. – Das ist so, wie wenn einer entfernt von der äußersten Klimazone der Erde, 410 von dort, wo die rosenrote Sonne ihre gewaltigen Glutwolken über Afrikas Landen ausspeit, wie wenn also von dort einer in einem anderen Land, dort wo die Zone des Frostes alles unwegsam macht und winterlichen Schnee verbreitet, den Atem aushaucht und ihm, wenn er sich schnäuzt, der Nasentropfen fest wird und hängen bleibt, sich der dann wundert, dass ein und derselbe Himmel 415 zwei Naturen haben könne, Gluthitze und zitternde Kälte. – Der Spielmann stimmt die volltönenden Saiten und trägt laut und mit vielen Quintenklängen vor, wie den großen Goliath die Schleuder des Hirten niedergestreckt hat, wie ein listiger Schwabe seine Frau auf ähnliche Weise wie sie ihn getäuscht hat, wie der kluge Pythagoras die Reihe der acht Töne 420 des Gesanges entdeckt hat, und wie so rein sei die Stimme der Nachtigall. Doch jetzt hat der Herr den Klang von Hörnern vernommen und kommt in Bewegung, und er spornt sein schnelles Pferd an zum Lauf über die Hügel und durch Wälder und nebelverhangene Haine. Linden und Buchen lässt er widerhallen und Eschen, 425 und ausgewachsenes Wild macht er nieder mit wundenschlagendem Eisen, doch zarte Jungtiere will er, um sie an der Leine zu zähmen, dadurch bejagen, dass er sie lebend in Netzen fängt, wie es ein Spinnennetz macht, das Fliegen dem Tode weiht. In wildem Kesseltreiben bejagt er die pfeilschnellen Hirsche, 430 doch auch Luchse, Ziegen, Bären und Eber werden zusammengetrieben. Später fängt er ans Raubleben gewöhnte Edelfalken mit Fußschlingen, und wenn er sie hat, lässt er ein Gitter um sie bauen, gibt ihnen zu fressen, damit er auf der Burg sehe, wie in der Volière sich zu dunklem Gefieder ihr helles Jugendkleid mausert.

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4 Res monet et tempus fratrum describere questus Der Verfasser des folgenden hexametrischen Gedichtes ist unbekannt. Der Herausgeber BEAUGENDRE schreibt es Marbod von Rennes zu, der jedoch nirgends als Verfasser des Gedichts bezeugt ist. Der Schauplatz der Textwelt ist Reims (Reme 91), und es werden Anspielungen auf Situationen und Übernamen (Spitznamen) gemacht, die nur mit zeitnahen Reimser Lokalkenntnissen auflösbar wären. Es ist daher naheliegend anzunehmen, dass das Gedicht für eine Rezeption durch ein Reimser Publikum bestimmt war.25 Da aber von näheren Beziehungen Marbods zu Reims nichts bekannt ist, spricht beides zusammen genommen für einen unbekannten, anderen Verfasser. Der Tenor des Gedichts ist nahezu ‚klassenkämpferisch‘. Die vorgeblich gegen alle guten Sitten unterdrückte und vielfach benachteiligte ‚Klasse‘ ist die der niederen (monastischen) Kleriker (Nos, uilis populus et non memorabile uulgus 32), die unterdrückende Klasse besteht aus den Oberen des Klerus und den Repräsentanten des Kirchenrechts. Das Kirchenrecht hatte tatsächlich seit dem neunten Jahrhundert einen renommierten Schwerpunkt in Reims, was ebenfalls für einen Lokalbezug zu Reims spricht. Der Sprecher des Gedichts gibt sich als Mitglied der unterdrückten Klasse aus (z. B. nos 10; mihi 118; respuo 119), das öfters die Oberklasse kritisiert habe (sepe redarguo fures 25). Auffällig sind unter anderem sieben Wiederholungen eines Themaverses (Altera prepositis, est altera regula nobis 12; 31; 104; 115; 131; 138; 145). Auffällig ist ferner ein allerdings nur schwach angedeutetes dramatisches Vorstellungsmodell mit auftretenden Personen (Prosilit in medio larue deformis imago 36; Prosilit in medio Radamantus gutture crasso 80; Ad respondendum sequitur uox prepositorum 161). Nimmt man eine dramatoïde Situation an,26 so wäre diese am ehesten in der nachweihnachtlichen Zeit an einem karnevalesken Fest des niederen Klerus vorstellbar.27 Die Sprecher hätten dort im Schutz von Gesichts-Masken (aber nicht so maskiert, dass man ohne eine Rollenbeschreibung im Text ausgekommen wäre) eine relativ freche Lippe riskieren können. Und man hätte heute in diesem Gedicht einen seltenen Beleg für ein Rollenspiel an einem Narrenfest. 25 Die in den Versen 2–6 detailliert benannten Adressatengruppen mögen intendiert gewesen sein, sie sind aber eher und zumindest teilweise sicher als fiktiv anzusehen, da z. B. Kinder und unverheiratete Mädchen (puer, innuba uirgo 5) nicht Latein konnten. 26 Sie könnte auch das Publikum durch den responsionsartigen Themavers Altera pepositis in die Präsentation einbeziehen. 27 Siehe KINDERMANN 1990 mit weiterer Literatur.

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Lateinischer Text: BEAUGENDRE 1708 (nachgedruckt 1893 in MPL, Bd. 171); davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 9 quis] quid – 11 res] os – 14 tacet] placet – 18 temptet] temeret – 23 uiuat] uiuet 26 furti] in re – 34 sic (1)] si – 37–38 om. codd. praeter cod. s. Gatiani – 43 rugit] rudit – 44 censete] censere – 63 rare] uere – 67 uenerentur] venerantur – 69 sibi] mihi; sit] fit – 74 denudauit] denudabit – 76 optime] optimo – 81 silere] timere – 83 Cleobos] Clodos – 84 binos] ternos – 87 mendicantem] medicantem – 88 ussit] cessit – tumefacta] tremefacta – 99 protinus] cutinus – 106 nos] non – 108 cantet] cantat; Gradale] Graduale – 118 spatula] pullula – 126 squalidos cogit euirescere ficos] calidos cogit reuirescere ficus (morbus ficus masculini generis est) – 127 iure] mense – 128 cammarus] gammarus; Tiberine uerne] tiberinus uerba – 131 potio] portio – 141 focus] rogus – 144 Sub causa] Sub cauda – 150 pendere] uendere – 153] Esopici] Exopici – 162 sequitur uox] surgit grex – 165 tota] nostra – 168 Sic] Si – 169 fit] sit. Res monet et tempus fratrum describere questus. Ecclesie proceres, presul, clerique priores, qui sapitis recte, qui uiuere uultis honeste, huc oculos cordis, huc aures flectite mentis. 5 Audiat omnis homo, iuuenis, puer, innuba uirgo, atque senes tremuli, que sit querimonia cleri. Quidquid penna notat, ueri de flumine manat. Qui dubitat uerum, sciat actus prepositorum; ex fructu poterit cognoscere, uipera quis sit. 10 Inter prepositos et nos fit regula discors;

res male pensatur, dum lanx non equa tenetur. Altera prepositis, est altera regula nobis. His licet impune facinus quodcunque patrare. Excoriant aras - tacet exsecranda potestas, 15 et spoliant sanctos - mutus tacet omnia custos. Si calices frangant, cortinas, pallia uendant, non mutire licet. – Quis demens talia culpet, quis temptet tales nunc diffamare latrones?

4 Res monet et tempus fratrum describere questus Qui reus est furti, donetur munere grandi. Ne reprobes furtum, metuis si uerberis ictum. Qui culpant fures, hos damnat regula uindex: „Non modicum peccat, qui publica crimina narrat. Omne genus scelerum sine iudice uiuat inultum. Viuere uis diues? Laudare memento latrones.” Est mihi pauperies, quia sepe redarguo fures furti, sed melius uolo uiuere semper egenus, quam socius furum sim, seruus diuitiarum. Optima paupertas, quam ditat mentis honestas. Non mihi sunt gaze, quas augent furta, rapine, fraus, preiudicium, periuria, factio, lucrum.

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Altera prepositis, est altera regula nobis. Nos, uilis populus et non memorabile uulgus, mercenaria plebs, cui uictus tota supellex, sic querimur rite, cur sic uiuamus inepte, quo bona nostra ruant, cur non communia fiant? Prosilit in medio larue deformis imago, hostis honestatis, fraudator religionis, fons et origo mali, sancti uiolator asyli, legum destructor, fraudis non fictus amator, testis nequitie, cui sunt periuria cure, qui subito mille mendacia ructat ab ore, dux homicidarum, spes et protectio furum – uox asini dulcis hec rugit cantica nobis: „Dicite, rectores cleri, censete priores: Quis furor hic subitus? Quis tam temerarius ausus hac in plebe uenit? Quenam uesania surgit? Quo strepitu seuit? Cur sic furibunda superbit? Non impunitus erit auctor murmuris huius, uiuet in exemplo multis pro crimine tanto.“ Prosequitur totus doctoris dicta maniplus, imperio larue sua stat sententia cuique. Burburus immitis, sphynx semper amica cruoris,

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bestia crudelis, ferus arbiter, impia pestis, quem nobis Stygiis Pluto transmisit ab undis, his primum uerbis ructat documenta furoris: „Est stulto similis, qui uult contendere dictis. Nos leges regimus, nos iura tenenda docemus. Si facimus furtum, uolumus sit semper inultum. Pro uoto regis pendet sententia legis. Incassum latrat, qui furum crimina culpat. Pro merito furti petiit fur ardua celi. Fas est prepositis propriis ignoscere culpis, nec, quamuis rare, licet horum furta notare. Rex et prepositi nulla sunt lege premendi. Si rex furatur, lex indiscussa tenetur. Pro culpa regis dormitat pagina legis. Quamuis sint fures, uenerentur ubique potentes. Palliat infamem sua prepositura latronem, scutum nequitie sibi sit fallacia lingue. Qui loquitur uerum, fiet hostis prepositorum. Sic censura petit, sic lex et regula promit. Qui contradicit, ferularum flagra subibit.“

Burbureis dictis fauet excoriator herilis, sanctorum costas qui denudauit et aras. 75 Qui morbum patitiur, egris persepe medetur: Sacrilego furi licet optime testificari, fur foueat furem, fouet ut meretrix meretricem. Laudando furem propriam sic augeo laudem, si furem reprobo, simili me polluo furto. 80 Prosilit in medio Radamantus gutture crasso:

„Censes egregie. Numerus facit arma silere. Stare simul liceat! Facinus, quos inquinat, equat.“ Laudat et hoc Catulus, Cleobos simul et Manicheus. Hic numerus furum bis binos complet et unum. 85 Sed quia de Catulo nunc cepit surgere sermo,

quis fuit in puero, quis uenit et unde notabo. Hunc mendicantem, nudum, uictumque petentem solibus estiuis ussit rota feruida solis.

4 Res monet et tempus fratrum describere questus Hinc tumefacta cutis, et nigri plena cruoris rumpitur et fedo deturpat membra ueneno. Hunc pedibus nudis transmisit Marlia Remis. Ethiopi similis uenit sine tegmine pellis, pauper, inops, nudus, tiliarum cortice cinctus. Talis erat primo, qui nunc se proluit auro, quem rota Fortune transuexit ad astra repente; nunc rigidus Cato, dat nobis iura tonando. Mirantur proceres morum probitate uigentes: ‚Nunc asinus pardis, nunc imperat upupa cygnis?‘ Si tamen in preceps uoluatur protinus anceps, tunc, licet inuitus, pardis se subdet asellus, et nimis elatus saliet de rupe Catellus. Qui stat, sepe cadit, currens uestigia ledit: Motibus incertis sic sic, fortuna, iocaris.

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Altera prepositis, est altera regula nobis. Nos uilis populus, ad pulpita sepe legamus, prepositi sedeant, nos stantes psallere cogant; hos risus pascet, nos cantio longa fatiget: Grex solito more cantet Alleluia, Gradale, prepositi uerbis contendant atque cachinnis: Hoc illis studium, hec utilitas seniorum, ac uelut oppansos teneat si cecus ocellos, nil de luce uidens, sed aperto lumine uiuens. Haut aliter tales uultu, non mente nitentes. Stare choro pulchrum, sed non est utile multum.

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Altera prepositis est altera regula nobis.

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Non est fas eque partiri fercula mense. sufficiat uictus nobis sine murmure paruus. Prepositis spatula, mihi sit tenuissima costa; os dabitur nudum, si coste respuo donum; si mutire uolo, depascar uerbere crebro. Prepositis triplex, nobis sit portio simplex. Post tenuem costam carnem non sumimus assam – prepositi teneris triplicant sua fercula pullis. Si ieiunamus paucis quandoque diebus,

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aut faba, que squalidos cogit euirescere ficos. Si semel in iure pisces contingat habere, cammarus, anguille (Tiberine uerne cloace) commaculant mensas, quos triuit longa uetustas. 130 Prepositi soli satientur pisce recenti. Altera prepositis, datur altera potio nobis. Nos infelices uini nescimus odores: Prepositi uinum, nos degustamus acetum. Surgimus a mensa, sed non sine murmuris ira: 135 Hunc quatit egra sitis, illum molestia uentris. Longa fames stomachi raro fit amica quieti; hoc domini culpant, qui tenso gutture ructant. Altera prepositis est altera regula nobis. Nos extra claustrum prohibemur figere gressum; 140 at dominis camere licet ad sua tecta redire. –

Fit focus in medio, celebrantur et orgia Baccho, siccantur cuppe spumanti nectare plene, tunc recitant leges. – Illic proscribimur omnes. Sub causa uitis titubat sententia legis. 145 Altera prepositis, est altera regula nobis.

Ille molendinos, hic nostros subripit agros, hic uillas decimat, hic uectigalia fraudat, hic siluas uendit, hic prata uirentia tollit, nec totus census nostros transfertur ad usus, 150 insuper ecclesias cogunt sibi pendere nostras. Hoc facit improbitas, non paupertatis honestas. Burburus hoc donum fecit sine laude bonorum. Esopicimures sic sicbonanostra furantes ut sorex granum corrodunt omnia fratrum, 155 dant paleas nobis, complent sua tecta medullis. Nec pudor est decimas, cum quartis tollere quartas: Galline, pulli, teneri cum matribus agni, uellera ueruecum, faba, lentes, cannuba, linum,

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et decime pecudum sunt omnes prepositorum. Stulta nimis res est, si clament talia fratres. Ad respondendum sequitur uox prepositorum. „Carpere nec lanam, tenuem nec texere telam, aut fuso tortum sapitis deuoluere linum. Talia prepositi faciant, operumue magistri; pro mercede sua sit eis decimatio tota. Dicite: Quid pecco, mihi si mea commoda quero? Qui sibimet nequam, cui fiet, dic, bonus unquam? Sic teneo placitum pro questu denariorum: Pars mea fit totum, partiri nescio nummum. Sufficiat uictus uobis et portio census; omne, quod est reliquum, fit fiscus prepositorum. Sic censent canones, sic tractauere priores, sic uolumus, sic laudamus, sic esse iubemus.“ Heu dolor! Heu luctus! O detestabile tempus! Heu facinus mirum! Cur tanta potentia furum? Dic, ubi rex, ubi lex, ubi ius, ubi regula uindex?

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* Die Sache verlangt es, und an der Zeit ist es, die Klagen der Brüder zu beschreiben. Führer der Kirche, Bischof und ihr Oberen des Klerus, die ihr das rechte Verständnis habt und die ihr recht leben wollt, richtet hierauf die Augen eures Herzens und die Ohren eures Verstandes. Ein jeder höre, ob Mann oder Kind, Mädchen ohne Mann oder zitternder Greis, was die Klage des Klerus ist.

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Was die Feder notiert, fließt aus dem Flusse der Wahrheit, und wer nicht glaubt, dass es wahr ist, der vernehme die Taten der Oberen, und schließlich wird er an der Frucht erkennen, wer die Alte Schlange ist. Die Oberen und wir werden nach ungleichem Maße gemessen; schlecht aber wird gewogen, wenn die Waagschalen nicht gleich gehalten werden.

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Eine andere Regel gilt für die Oberen, eine andere für uns. Sie können straflos jede Untat begehen. Wenn sie Altäre plündern, schweigt die Obrigkeit zu der verfluchten Tat, 15 wenn sie Reliquien rauben, wird stumm ihr Hüter und schweigt; wenn sie Kelche zerbrechen, Decken und Gewänder verkaufen, darf man nicht mucksen: Wer wäre schon so dumm, derlei zu missbilligen, wer wollte es heute wagen, solche Räuber offen zu benennen? Wer etwas gestohlen hat, soll dazu noch viel geschenkt bekommen! 20 Wenn du Prügel bekommen willst, tadle doch einen Dieb!

Wer einen Dieb einen Dieb heißt, den verurteilt und den straft diese Regel: „Ein schlimmes Verbrechen begeht, wer von Verbrechen offen spricht, die offen begangen wurden. Jeder Art Verbrechen soll leben, ohne Richter, ohne Strafe! Willst du in Reichtum leben, dann musst du die Räuber loben.“ 25 Ich aber bin arm, weil ich oft die Diebe Diebe nenne,

doch lieber will ich immer in Armut leben denn Komplize der Diebe und Sklave des Reichtums sein. Gar schön ist eine Armut, die ein ehrlicher Sinn reich macht. Ich habe keine Schätze, die durch stehlen wüchsen und rauben, 30 durch Betrug, durch Parteilichkeit und Meineid, Verschwörung und Profitgier. Eine andere Regel gilt für die Oberen, eine andere für uns. Wir nämlich sind die verachteten Leute, das Fußvolk, über das man nicht spricht, die Tagelöhner, deren ganze Habe aus ihrem täglichen Brot besteht. Daher beklagen wir uns zu Recht: Warum leben wir so unangemessen, 35 wohin verschwindet unser Gut so schnell, warum haben nicht alle etwas davon? Da springt in der Mitte auf das Trugbild eines hässlichen Geistes: ein Feind des Anstands, ein Verletzer heiliger Pflicht, Ursprung und Quelle des Übels, dem das heilige Asyl nichts gilt, ein Zerstörer der Gesetze, ein wahrer Liebhaber des Verbrechens, 40 ein Zeuge voll Schlechtigkeit, der auf Meineide sinnt, der aus dem Stegreif tausend Lügen ausspeit, ein Anführer von Mördern, auf dessen Schutz diese Diebe hoffen,

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und seine liebliche Esels-Stimme schreit uns folgenden Gesang zu: „Sagt, ihr Leiter des Klerus, sagt eure Meinung, ihr Vorgesetzten: Was ist das für ein plötzlicher Aufruhr? Welch verwegener Mut ist in diesem Pöbel da entstanden? Welch Wahnsinn hat sich aufgetan? Wie tobt er laut, was rast er in solcher Selbstüberschätzung? Der, der dieses Aufmucken begonnen hat, soll seine Strafe bekommen: Sein Leben lang wird er der Menge ein abschreckendes Beispiel für ein so großes Verbrechen sein.“

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Der ganze Haufe schließt sich der Rede des Doktors an 50 und, wie dieser böse Geist es verlangt, bleiben alle bei dieser Ansicht. Der grausame Burbur, das immer blutgierige Ungeheuer, die mörderische Bestie, der grausamer Richter und das ruchloses Scheusal, das Pluto von den Wellen des Höllenflusses Styx zu uns geschickt hat, speit mit diesen Worten jetzt erstmals Symptome von Wahnsinn aus: 55 „Ein Idiot, wer meinen Worten widersprechen will. Wir beherrschen die Gesetze und lehren, was für recht gehalten werden muss: Wenn wir uns etwas nehmen, verlangen wir, dass das stets unverfolgt bleibe; wie ein Befehl des Königs wiegt das Urteil im Namen des Gesetzes. Nutzlos kläfft, wer einen Dieb seiner Taten beschuldigt. Wegen seiner verdienstvollen Taten ist der Dieb nach ganz oben gekommen. Die Oberen haben das Recht, sich selbst von Schuld zu dispensieren, und es ist nicht zulässig, überhaupt niemals, ihre Diebstähle aufzuzeigen. Der König und die Oberen dürfen durch kein Gesetz eingeengt werden: Wenn der König etwas wegnimmt, gilt das Gesetz als beachtet und nicht verletzt: Vor einer Schuld des Königs bleibt das Gesetzbuch geschlossen. Auch wenn sie etwas wegnehmen, soll den Mächtigen überall mit Hochachtung begegnet werden. Einen ruchlosen Räuber schütze sein hohes Amt wie ein Schutzmantel, Täuschung durch Sprache soll seine Schlechtigkeit schützen. Wenn einer aber die Wahrheit sagt, soll er als Feind der Oberen gelten. So will es der Spruch des päpstlichen Stuhls, so lauten Gesetz und Regel. Wer dem widerspricht, der soll die Knute spüren.“

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Diesen Burbur-Worten stimmt der herrschaftliche Plünderer zu, der die Reliquien der Heiligen und die Altäre ihres Schmuckes beraubt hat. 75 Wer selbst krank ist, hilft oft Kranken: Ein Gottesräuber darf also ein hervorragender Zeuge sein, ein Dieb soll den anderen unterstützen, so wie eine Hure die andere. Wenn ich einen Dieb lobe, mehre ich damit mein Ansehen, wenn ich einen Dieb tadle, bleibt etwas von seiner Schurkerei an mir hängen. 80 Mitten im Raume springt mit dickem Hals auf der alte Rhadamanthys:

„Du hast ganz Recht. Unsere Anzahl lässt die Waffen schweigen. Halten wir zusammen! Mittäterschaft macht uns gleich.“ Catulus28 pflichtet dem bei, Kleobos zugleich und Manichäus. Diese fünf machen die Anzahl der Schurken voll. 85 Aber weil die Rede jetzt auf Catulus kommt,

will ich berichten, wer er als Junge war, als wer er kam und woher er kam. Nackt bettelte er und flehte um seinen Lebensunterhalt, da verbrannte ihn im Sommer die Glut der Sonnenscheibe, und so schwoll seine Haut auf, zeigte schwarze Flecken geronnenen Blutes, sie 90 brach auf und verunstaltete mit hässlichem Gift seine Glieder. Marly29 schickte ihn ohne Schuhe nach Reims. Schwarz wie ein Äthiopier kam er an, ohne Kleider, arm, bedürftig und nackt, mit einem Gürtel aus Lindenbast. So ging’s ihm zuerst. – Jetzt wälzt er sich in Geld, 95 weil ihn das Rad der Fortuna rasch zu den Sternen emporhob. Jetzt spricht er, rigide wie Cato, donnernd über uns Recht. Staunend fragen sich die Vornehmen, die Anständigen: „Herrscht jetzt ein Esel über Panther, ein Wiedehopf über Schwäne?“ Wenn ihn aber das ungewisse Glücksrad alsbald nach unten dreht, 100 dann wird der Esel sich gegen seinen Willen unterhalb der Panther wiederfinden, 28 Catulus ist eigentlich ein kleiner Hund (oder irgendein kleines Säugetier), hier ist vielleicht auch ein Wortspiel mit Cato (Censorius) in Vers 96 beabsichtigt. 29 Es gibt mehrere Orte Marly in Frankreich (und der französischen Schweiz). Wenn man wie hier ohne Zusatz von Marly spricht, denkt man am ehesten an das Marly am westlichen Stadtrand von Paris, knapp 170 km entfernt von Reims (seit dem 17. Jh.: Marly-le-Roi).

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und der viel zu hoch gekommene kleine Hund Catulus wird in den Abgrund stürzen. Wer steht, der fällt eben doch oft,30 und wer eilt, kommt ins Stolpern: Ungewiss rollt deine Kugel, Fortuna, und so treibst du dein Spiel. Eine andere Regel gilt für die Oberen, eine andere für uns. Wir nämlich, das gemeine Volk, sollen oft an den Stehpulten lesen, unsere Oberen aber sollen sitzen und uns zwingen, im Stehen zu singen. Sie sollen sich lachend amüsieren, uns soll langer Gesang ermüden: Das Fußvolk singe nach dem Brauch das Graduale und das Alleluja, die Oberen mögen schwätzen und lachen. Das ist deren Trachten, das ist der Nutzen der älteren Herren. Das ist so, wie wenn ein Blinder seine Augen weit vorstreckte und, obwohl er im hellen Lichte lebte, nichts vom Lichte sähe. Gerade so ist es mit denen, die im Gesicht, nicht im Kopfe glänzen. Im Chor zu stehen ist schön, aber von großem Nutzen ist das nicht.

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Eine andere Regel gilt für die Oberen, eine andere für uns.

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Was bei Tische aufgetragen wird, darf nicht gerecht aufgeteilt werden. Uns soll ohne Murren wenig zu essen genug sein. Für die Oberen gibt’s ein Schulterstück, für mich ein dünnes Rippchen, lehne ich das Rippchen ab, bekomme ich einen nackten Knochen, will ich mucksen, bekomme ich als Essen ein paar Hiebe. Dreifache Essensportionen stehen den Oberen zu, uns eine einfache. Nach dem dünnen Rippchen gibt’s für uns keinen Braten, die Oberen nehmen als dritten Gang zarte Brathühnchen. Wenn wir einmal ein paar Tage fasten, soll uns ein Käse mit Eiern reichen oder Bohnen, mit denen man eigentlich hässliche Feigwarzen vertreibt. Wenn es einmal Suppe mit Fisch gibt, verunzieren Krebse und Aale aus dem Abzugsgraben am Tiber die Tische, ganz alte, vergammelte Tiere – nur die Oberen sättigen sich an frischen Fischen. Andres gibt man uns und andres den Oberen zu trinken. Wir Unglücklichen wissen nicht, wie der Wein schmeckt, denn 30 Gegen des Paulus mahnenden Rat an die Korinther.

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die Oberen verkosten Wein, wir Essigwasser. Wir erheben uns vom Tisch, doch mit zornigem Brummeln, 135 denn den einen plagt schmerzlicher Durst, den anderen Magengrimmen, und ungestillter Hunger im Magen lässt einen nicht gut schlafen – und darüber regen sich die Herren auf, die aus aufgeweiteter Kehle rülpsen. Eine andere Regel gilt für die Oberen, eine andere für uns. Wir nämlich dürfen keinen Fuß vor das Kloster setzen, 31

140 doch den Hausbesitzern ist es erlaubt, in ihre Häuser zurückzukehren,

wo sie drinnen einen Ofen schüren und Sauforgien feiern und ganze Becher mit schäumendem Göttertrank leeren. Dann rezitieren sie Gesetzesvorschriften, und wir werden dort für rechtlos erklärt. Wenn es um Wein geht, wankt der Sinn des Gesetzes. 145 Eine andere Regel gilt für die Oberen, eine andere für uns.

Einer nämlich nimmt uns unsere Mühlen weg, der andere entzieht uns unsere Äcker, der wieder erlegt unseren Höfen einen Zehnt auf, und jener bringt uns um die Abgaben, die uns zustehen, der verkauft unsere Waldrechte, und jener entzieht uns grünende Weiden, und auch nicht der ganze Kirchenzehnt wird für unseren Bedarf abgeführt, 150 außerdem zwingen sie unsere Kirchen, an sie zu zinsen. Das geschieht aus Schlechtigkeit, nicht aus ehrbarer Bedürftigkeit. Der Burbur hat uns dieses Geschenk beschert, das die Guten missbilligen. Wie die Mäuse bei Äsop stehlen sie tatsächlich so, was uns gehört, wie die Spitzmaus am Korn, so nagen sie an allem, was uns Brüdern gehört, 155 sie lassen uns die Spelzen, doch was innen drin ist, verschleppen sie in ihre Häuser zu Hauf. Schamlos nimmt man den Zehnt und nimmt mit den Quartalen auch den Quartalspfennig. Hennen und Hühnchen, Lämmer und Schafe, Wolle und Bohnen, Linsen, Hanf und Flachs,

31 Zu camera in der Bedeutung Steinhaus siehe Papias, s.v., p. 47.

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und der Zehnt an Kleinvieh – alles gehört den Oberen. Und dann gilt es als allzu blöd, wenn die Brüder darüber klagen. Es folgt als Antwort darauf eine Stimme der Oberen: „Ihr könnt weder Wolle zupfen noch feines Gewebe weben oder fertiges Garn von der Spindel nehmen. So etwas sollen Obere tun, oder Aufseher über die Arbeit. Und der ganze Zehnt soll ihr Lohn sein. Sagt, was tue ich Schlechtes, wenn ich meinen Nutzen suche? Wer zu sich selbst nicht gut ist – wie kann der je zu anderen gut sein? So lautet für mich die Abmachung über die Einkünfte: Ich bekomme alles, Teilen kenne ich nicht. Euch soll eure Kost genügen und etwas von den Abgaben, alles andere geht in die Kasse der Oberen. So bestimmt es das Kirchenrecht, so will es der Brauch, so wollen wir es, so ist es richtig, so soll es sein.“ Schmerz und Jammer! Abscheuliche Zeit! Kaum glaubliches Tun! Warum haben Ausplünderer so viel Macht? Wo ist der König, wo ist das Gesetz, wo sind Recht und Regel, solches zu strafen?

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5 Tinniunt auricule Der vatikanische Codex Latinus 4389 überliefert einige Gedichte, von denen zumindest die ersten sieben von ein und demselben, aber unbekannten Verfasser32 zu stammen scheinen. Beide der hier ausgewählten Gedichte geben vor, zu einem Narrenfest der Weihnachtszeit33 vorgetragen zu werden. In der Strophe 4,3 des ersten Gedichts fällt die Bezeichnung satira.34 Im ersten Gedicht (Tinniunt auricule, hier Nummer 5) bittet der Sprecher scheinbar um Pardon für das folgende, (nur scheinbar) sehr kritische Gedicht (Desevré solent estre, hier Nummer 6). Eine solche Apologie des Satirikers für sein Tun gehört zu den Topoi der Gattung seit ihren frühesten römischen Vertretern; es scheint aber auch im mittelalterlichen script des Narrenfest-Vortrags verankert gewesen zu sein, sich in gespielter Entschuldigung an den Herrn des Festes zu wenden. Die Abfolge der betonten und unbetonten Silben alterniert im ersten Gedicht in der üblichen Weise, im zweiten ist das nicht der Fall.35 Lateinischer Text: BISCHOFF 1930, S. 78–79; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 2,4 exclusis] exclusus – 4,1 Ego] Ergo – 9,6 barbatum] barbarum – 10,1 Corpus] Patrem – 10,6: defectus] detectus.

32 Unter anderem wegen der altfranzösischen Phrasen in Gedicht 2 war der Verfasser vermutlich Franzose; dazu passt die nur die Textwelt betreffenden Mitteilung in Gedicht 5, dass er aus Chartres stamme (Carnotensis patria 5,2,3). Eine in Erwägung gezogene Zuweisung an Peter von Blois ist nicht stichhaltig; vgl. WOLLIN 1998, S. 137–139. 33 Tinniunt 7,4–6: Decembrica iudicari lege, d. h., die Aussage des Gedichts sollte nicht nach dem Kirchenrecht, sondern nach dem – fiktiven – Narrenrecht im Dezember beurteilt werden. BISCHOFF (1930, S. 88) vermutet als Zeit des Vortrags der Gedichte 1–7 die Tage um den 28. Dezember. Zu den Narrenfesten siehe KINDERMANN 1990. 34 Allerdings wird das Gedicht nicht direkt damit bezeichnet, auch nur etwas undeutlich ist die Bemerkung in Gedicht 4, dass die getadelten kirchlichen Großen das Salz der Satire nicht gern hätten (Hii sunt, qui satiros aspernantur sales 4,7,1: Sie sind es, die das Salz der Satire zurückweisen), da das Wort satira im Mittellateinischen auch allgemein die Bedeutung Tadel haben kann (vgl. 17,44,2). 35 Dass in Gedicht 6 ein neues Versmaß Verwendung finden werde, wird bereits in Gedicht 5 gesagt (metri lege uersa 5,13,6). Es scheint ab Str. 2 aus rhythmischen Pendants von metrischen Daktylen zu bestehen; anders BISCHOFF (1930, S. 81): Alexandriner.

5 Tinniunt auricule 1 Tinniunt auricule, prurientis lingule motus excitatur: Qua retarder gratia, quin ex habundatia cordis os loquatur. 2 Sed id potest obici, quod sermone didici loqui nimis duro, quod exclusis propriis meis parco uitiis, aliena curo. 3 Nolunt aures tenere, nolunt rodi temere tam mordaci uero. „Excessi“ confiteor et, confessus, mereor ueniam, quam quero. 4 Ego tibi consulo, quisquis es, qui titulo satirarum gaudes: Tedia ne parias, saltem breui facias, quod turpiter audes. 5 Si quid tamen dicimus, quod indignus animus ferat auditoris, nec est uis, nec ratio sisti nos iudicio nisi iunioris.

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Texte 6 Nam habemus iudicem piumque ‚pontificem‘, qui nos possit pati, qui nobis obediens et nostre conpatiens sit infirmitati: 7 Gauchelinum scilicet, qui de nobis iudicet ut de suo grege, quos decet Decembrica magis quam canonica iudicari lege. 8 Gauchelinus gaudeat, suo cum tot uideat subditos honori, cui cedit ad gloriam, quod maiores etiam deferunt minori. 9 Deferunt, et merito, cum sit ex abscondito raptus in preclarum, magnis minor inperat et inberbis superat populum barbatum. 10 Corpus habet paruulum, set stature modulum redimit affectus, in quo possunt animi quantitate redimi corporis defectus.

5 Tinniunt auricule 11 Laudis nostre terminus noster ille dominus Raginaudus erit, qui maior est omnibus et tamen minoribus sese parem gerit. 12 Hunc mores auunculi sollempnesque tituli capiant heredem; sic sub ipso militet, eius ut hereditet mores atque sedem. 13 Quia parit tedium copia similium, recreant diuersa, ne uertar in tedia, conuertor ad alia metri lege uersa. * 1 Es klingen die Ohren, es juckt die Zunge und will sich regen. – Welche Rücksicht soll mich davon abhalten, dass aus der Überfülle des Herzens mein Mund spreche? 2 Man könnte mir entgegenhalten, dass ich in einer Sprache zu sprechen gelernt habe, die zu hart ist, und dass ich mich selbst ausnehme und

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Texte meine Fehler übergehe und mich um fremde kümmere. 3 Zarte Ohren möchten nicht, sie wollen nicht unverblümt so beißende Wahrheit hören. Ich gebe zu zu übertreiben, und weil ich es zugebe, verdiene ich den Pardon, um den ich bitte. 4 Ich rate, jedem, der gerne als Satiriker auftritt: Errege keinen Widerwillen und sage das wenigstens kurz, was du dich frech zu sagen traust. 5 Wenn ich trotzdem etwas sage, was einen Zuhörer möglicherweise verärgert, gibt es weder eine Macht, noch einen Grund, mich vor ein Gericht zu stellen, es sei denn vor das Gericht eines Jungen. 6 Denn wir haben einen solchen Richter und so gütigen ‚Bischof‘, dass er mich nicht unerträglich fände, mir Gehör schenkte und Verständnis hätte für meine Schwäche. 7 Gozelin ist nämlich der, der über mich richten möge, weil ich zu seinem Haufen gehöre, der ich eher nach Narren-

5 Tinniunt auricule denn nach Kirchenrecht beurteilt werden muss. 8 Gozelin freue sich, dass er so viele Untertanen seines Amtes sehe, das dafür berühmt ist, dass Ältere es auch einem Jüngeren übertragen. 9 Sie übertragen es, und verdientermaßen herrscht – aus der Verborgenheit ins helle Licht gezogen – ein Jüngerer über die Älteren, und ein Bartloser überragt das Volk derer mit Bärten: 10 Sein Körper ist klein, aber die Kleinheit der Statur wird durch eine Leidenschaft wett gemacht, in der die Größe des Herzens die Kleinheit des Körpers wett machen kann. 11 Mein letztes Lob soll unserem Herrn gelten, Reginald, der höher steht als alle und trotzdem mit den Geringeren sich gemein macht. 12 Der Charakter des Onkels und dessen ehrwürdige Titel mögen ihn als Erben gewinnen, so möge er sich unter ihm bewähren,

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Texte dass er von ihm ebenso den Charakter erbe wie das hohe Amt. 13 Weil aber viel Ähnliches langweilt und Abwechslung erfrischt, wende ich mich, um nicht langweilig zu werden, anderem zu, und zwar in anderem Versmaß.

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6 Desevré solent estre, ch’oï dire iadis Das Gedicht, zu dem die Einleitung zum vorausgehenden zu vergleichen ist, beginnt volkssprachig und hat volkssprachige Versatzstücke in dem Teil, der allgemein Zustände an ‚anderen‘ Höfen kritisiert (Strophen 1–4). Die Motivation dafür ist nicht klar erkennbar. Möglicherweise sollte das Altfranzösische den Vermittler der Ansichten in diesen Strophen als Repräsentanten einer allgemeinen Stimmung im Volke charakterisieren. Möglicherweise sollte sie aber auch andeuten, dass in dem Gedicht eben mit Sprache, und überhaupt, gespielt werde, und dass die inhaltlich ungeheuerlichen Vorwürfe doch nicht ganz so ernst genommen werden sollten. Unklar bleibt auch, wer der als positiver Kontrast in Strophe 5,1 gelobte, gerechte Herr ist; man könnte an den bereits im vorausgehenden Gedicht gepriesenen Reginald denken (5,11,3). Ob mit Strophe 7 ein unvermittelter gedanklicher Neueinsatz folgt oder ein neues Gedicht, ist schwer zu sagen, sodass die Strophen 7–10 hier nicht als Zudichtung abgetrennt wurden. Lateinischer Text: BISCHOFF 1930, S. 80–81; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 6,2 corda] mores – 6,3 sit] stans – 6,4 et] det – 10,3 gemina] germina. Solent, sunt und noster werden als mögliche altfranzösische Graphien für seulent, sont und notre, und nicht als Latein angesehen (1,1; 1,3; 3,1); sunt könnte dabei auf anglonormannische Affinitäten des Verfassers oder eines Abschreibers hinweisen. 1 Desevré solent estre, ch’oï dire iadis, di a demonibus et demones a dis, mes or sunt tuit ensemble: enfer et paradis, un a l’un fet des dos, et fit endiadis. 2 C’apel ge paradis? Potentum curiam, que se constituit inferni sociam, cum lesa sequitur fide perfidiam, et ius determinat per iniustitiam. 3 Cist noster paradis non patet pauperi, nam in hoc superant infernum superi,

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quod apud superos sunt mille Cerberi, cum unus solus sit ad portas inferi. 4 Si pauper i apele, quid querat, queritur, si pulsat uidua, repulsam patitur. A curialibus nullus admittitur, nisi spes preuenit et res subsequitur. 5 Id nostri procul est a domo domini, cuius iusticia se negat nemini; cuius in curia neminem memini, qui plus non deferat Deo quam homini. 6 Quippe cum similis sit ipse talium, sibi conciliat corda similium, sit ut par equitas in ore parium et de similibus idem iudicium. 7 Mores desipiunt, usus degenerat, uirtutes seruiunt et luxus imperat; Fortuna negligit, quid in quem conferat; qui bonis deficit, malis exuberat. 8 Etatem preuenit uelox ingenium, usurpant iuuenes senis officium; iam quisque sincopat etatis medium a puericia uergens in senium. 9 Si quem cupiditas semel inebriat, nil haurit sitiens, quo minus siciat. nil illi satis est, nil illum saciat, dum parcens habitis habendis inhiat.

6 Desevré solent estre, ch’oï dire iadis 10 Quid mando prodigus harene semina, quid mea nititur in cassum pagina, qui Idram fodio dans Idre gemina? Secta repullulant in triplum crimina. * 1 Getrennt sind immer, so hörte ich einst, Götter von Dämonen und Dämonen von Göttern; heute aber sind Hölle und Paradies zusammen, aus zweien ward eins, sie bilden ein Hendiadyoin. 2 Was nenne ich Paradies? Den Hof der Mächtigen, der sich mit der Hölle zusammengetan hat, indem er den Glauben verrät und dem Unglauben anhangt und in Ungerechtigkeit bestimmt, was Recht sei. 3 Dieses unser Paradies ist für Arme nicht offen, denn darin sind die oben besser als die Unterwelt, dass es bei denen oben tausend Höllenhunde gibt, aber nur einen einzigen vor den Toren zur Unterwelt. 4 Wenn ein Armer da anklopft, fragt man: Was willst du denn? Klopft eine Witwe an, weist man sie vor die Tür. Die am Hofe lassen keinen ein, es sei denn, man erhofft sich etwas von ihm und bekommt das dann auch. 5 Solches Verhalten gibt es nicht im Hause unseres Herrn, der gegen alle gerecht ist; an seinem Hof kenne ich keinen, der Gott nicht mehr die Ehre gäbe als den Menschen.

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6 Da er selbst solchen Menschen ähnlich ist, gewinnt er die für sich, denen er ähnlich ist, so dass gleiches Recht bei Gleichen gilt und dass Vergleichbares gleich beurteilt wird. 7 Die Sitten werden unsinnig, Her-kommen ver-kommt, Tugenden gehorchen, und Liederlichkeit diktiert. Dem Glück ist es gleich, was es wem gibt; wer wenig Gutes hat, hat an Schlechtem die Fülle. 8 Flotte Begabungen greifen ihrem Lebensalter vor, Junge nehmen für sich in Anspruch, was sich für Alte gehört, und jeder verkürzt sein mittleres Alter, indem er vom Kind sogleich zum Alten werden will. 9 Wen einmal Gier trunken macht, der trinkt er nicht, um seinen Durst zu stillen. Nichts ist ihm genug, nichts stellt ihn zufrieden, solange er nicht nutzt, was er hat, und nur nach dem giert, was er noch nicht hat. 10 Doch, was säe ich viele Samen in unfruchtbaren Sand, was müht sich meine Dichtung vergeblich ab, da ich doch dieser Hydra einen Kopf abschlage und damit zwei hochwachsen lasse? Und für jede Sünde wachsen sogar dreie nach.

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7 Iussa lupanari meretrix exire parari Das Gedicht mit dem Incipit Iussa lupanari meretrix exire parari wird in einer Handschrift36 des zwölften oder dreizehnten Jahrhunderts überliefert und steht dort innerhalb einer Gruppe unterschiedlicher Gedichte, die einem nicht weiter bekannten Hugo zugeschrieben werden, der wegen seiner überragenden dichterischen Befähigung den studentischen Titel Primas erhalten haben soll. In dem Gedicht wird scheinbar das Verhalten einer Hure getadelt. Dass nicht die Hure kritisiert wird, sondern der Dumme, der sich von ihr einwickeln lässt, wird erst im letzten Wort des Gedichtes klar. Adressiert wird ein unbenannter, wohlhabender Hausbesitzer, der öfters (Vers 6) und mit viel Aufwand Hurenbesuch empfängt. Schon der Reim der Mittelzäsur der Hexameter mit dem Versende gibt dem Gedicht ein unverkennbar mittelalterliches Flair. Dennoch atmet es in seiner Darbietungsform den Geist der vollendeten urbanen Satire des Horaz insofern, als es ohne Pathos ein menschliches Fehlverhalten in einer überschaubaren Situation erzählend so nachzeichnet, dass der Leser ohne direkte Aussprache eines Tadels das Dargestellte von sich aus als tadelnswert und als abzulehnen empfindet. Lateinischer Text: MEYER 1907, S. 57–58; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 7 quam qua] quamquam – 10 Fragrat] Flagrat; unguentis] + menta + – 36 utique] uterque. Iussa lupanari meretrix exire parari prouida uult ante – quamuis te sepe uocante. Conponit uultum, meliorem dat sibi cultum, illinit unguento faciem. – Prodit pede lento, cum uenit, ingressa residet spirans quasi fessa, seque uerecunde uenisse refert aliunde quam qua uenit heri, simulans timuisse uideri. Cuius in aduentum famulorum turba sequentum extendit leta cortinas atque tapeta. Fragrat tota rosis et unguentis preciosis uestibus instrata domus ut sit ei tua grata. 36 Oxford, Bodleian Library, Ms. Rawlinson G. 109, fol. 10–12.

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Omnia magnifice disponis pro meretrice: Maiori cura cocus aptat fercula plura, que, quasi morosa, quasi comis, deliciosa 15 singula percurrit, degustat pauca, ligurrit. Seruit tota domus. Cum uina dat optima promus, sorbillat paullum, uix adprecians ea naulum. Tecum nocte cubat quasi uirgo, que modo nubat: Clamat, dum scandis, quia res nimis est tibi grandis; 20 anxia cum lite iurat non posse pati te; cumque gemens plorat, aditum stringendo minorat, qui, si sit patulus, uix inpleat hunc bene mulus. Cras, ubi dimittis, obnubit timpora uittis, ne quis noscat eam, dum transuolat illa plateam. 25 Cum domus exilis habet hanc, casa sordida uilis,

tunc sibi de riuo potum petit; in lare priuo inplent lactuce festiua fercula luce aut olus aut fungi. Bene si quando uolet ungi, tunc emit exta bouis sacianda cadauere quouis 30 uel capre uel ouis, pecudumue pedes tribus ouis. Uel panis duri calefacto frustula iuri frangens infercit, alia cui nocte pepercit. Uilia tunc uilla, que fece fluunt, emit illa. Fraude acetigeri ne quid ualeat retineri, 35 in uirga numerum designat utique dierum; uenditor et uilli metretas conputat illi pro quadrante decem, prebens ad prandia fecem. Tunc si scurra pedes pede nudo pulsat ad edes, mimus siue calo, uel suetus ludere talo 40 pene rigente, malo celer hostia frangere palo leno discinctus – cicius te mittitur intus. Plus habet inde pedes quam Peleus aut Diomedes nobiliorue Pelops: Ita currit ad hostia uelox. Ad uocem lixe properat, metuens ea rixe, 45 turpis et inconpta, post scurram currere promta, quelibet inmunda loca poscat, non pudibunda, spe leuis argenti stabulo caput abdet olenti: quolibet inpelli leuis ibit amore lucelli.

7 Iussa lupanari meretrix exire parari

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Sicut apis melli semel heret, dura reuelli, sic uolat ad munus meretrix, quod scurra dat unus; quo semel accepto cuiuis se uendet – inepto.

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* Als man ihr sagt, sie solle aus ihrem Hurenhaus kommen, will die Hure in weiser Voraussicht sich erst noch herrichten – da kannst du sie rufen lassen, sooft du willst. Sie bringt ihr Aussehen in Ordnung, verbessert ihre Erscheinung, cremt sich das Gesicht. – Dann geht sie langsam ihren Weg; ist sie angekommen und eingetreten, setzt sie sich hin und atmet durch, als 5 ob sie müde geworden sei, und sie sagt, sie habe aus Rücksicht einen anderen Weg genommen als gestern, gibt vor, sie habe nicht gesehen werden wollen. Zu ihrer Ankunft hat die brave Schar der Diener freudig Gardinen und Teppiche entfaltet. Nach Rosen und kostbaren Ölen duftet 10 dein ganzes Haus, ist mit Teppichen bedeckt, damit es ihr besser gefalle: Prächtig lässt du alles herrichten für die Hure. Der Koch bereitet noch sorgfältiger als sonst und noch mehr Gänge zu, sie aber tut, als ob sie ungnädig sei, dann freundlich, und geht feinschmecklerisch alles durch, einiges wenige kostet sie, nascht daran. 15 Das ganze Haus steht zu ihren Diensten. Wenn der Kellermeister vom besten Weine auffährt, schlürft sie ein kleines bisschen davon – und tut ihn als billig ab. In der Nacht schläft sie mit dir wie eine Jungfrau, die gerade die Hochzeitsnacht feiert, sie schreit, wenn du sie besteigst, weil dein Teil allzu zu groß ist, ängstlich streitet und schwört sie, sie könne dich nicht aushalten 20 und während sie weint und klagt, macht sie ihren Eingang enger, den, wenn sie ihn offen ließe, ein Maultierhengst kaum ganz ausfüllen könnte. Wenn du sie am Morgen wegschickst, verschleiert sie sich wie eine Braut, damit man sie nicht erkenne, wenn sie durch die Gassen huscht.

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25 Wenn sie dann wieder in ihrem armseligen Häuschen ist, ihrer billigen,

schmutzigen Hütte, dann trinkt sie aus dem Wassergerinne; in ihrem eigenen Haus gibt es – an Festtagen – Gartensalat als Mahlzeit, oder Kohl oder Pilze. Wenn es einmal etwas Fettes geben soll, kauft sie, um satt zu werden, Innereien von einem krepierten Rind, einer 30 Ziege oder einem Schaf, oder kauft Schweinsfüße zum Preis von drei Eiern. Oder sie brockt Stückchen trocken Brot in eine wieder aufgewärmte Suppe, die sie sich vom letzten Abend aufgehoben hat, und macht sie so dicker. Billigen, ganz trüben Wein kauft sie sich. Damit kein bisschen Essigwein heimlich einbehalten werde, markiert 35 sie für alle Fälle auf dem Kerbholz die Anzahl der Einkaufstage; der Verkäufer berechnet ihr für fünf Liter Wein einen Heller, und gibt ihr die Hefe dazu, als Mittagessen. Kommt dann ein Tagedieb zu Fuß und ohne Schuhe und klopft an, oder ein Spielmann oder ein Pferdeknecht oder ein Glücksspieler 40 mit steifem Glied, schnell dabei, mit seinem schmutzigen Pfahl die Pforte einzurennen ein Zuhälter, mit schon offener Kleidung – er kommt schneller rein als du. Schneller ist sie dann zu Fuß als ein Peleus oder Diomedes oder der edle Pelops, so schnell rennt sie an die Tür. Wenn ein fahrender Händler ruft, beeilt sie sich, denn sie fürchtet sich vor Schelte, 45 ist bereit, ungeschminkt und ungekämmt einem Tagedieb hinterherzulaufen in welches schmutzige Loch er will, ist ihr gleich, und sie wird sich, wenn schnelles Geld winkt, in ein stinkendes Bordell verfügen: Leicht lässt sie sich zu allem verleiten, aus Liebe – zu einem bisschen Geld. Wie eine Biene, wenn sie einmal am Honig hängt, nur schwer davon abzubringen ist, 50 so drängt es eine Hure zum Lohn, die sie von einem Tagedieb bekommt, und wenn sie den einmal bekommen hat, wird sie sich weiter verkaufen an jeden – Dummen.

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8 Missus sum in uineam circa horam nonam Das Gedicht Missus sum in uineam ist anonym überliefert. Ohne sichere Gründe wurde Walter von Châtillon als Verfasser vermutet.37 Das Gedicht ist eine etwas unregelmäßige Perle, aber es ist jedenfalls eine Perle unter den mittelalterlichen Verssatiren. Benützt ist die (rhythmische) Vagantenstrophe mit (metrischer) Auctoritas.38 Es evozierte eine so große Anzahl von Zudichtungen, dass diese teilweise den Charakter neuer Redaktionen annehmen und es nicht schwer fiele, einen relativ klaren, vermutlich ursprünglichen Gedankengang herauszuschälen, z. B. den der Strophen 1–9 und 12 (oder 20), und eine größere Anzahl von Strophen als vermutlich nicht ursprünglich zu verwerfen. Es ist aber zu berücksichtigen, dass das Gedicht auch gern in seiner großen, mehr zersungenen und angesetzten Form rezipiert wurde – weil vielleicht jede Strophe schöner war als der darin enthaltene Gedanke wichtig. In einen an sich kohärenten und homogenen Gedankengang über die Vergeblichkeit von Bildung ohne hinzutretenden Reichtum wurde hinter Strophe 17 als Strophe 18 eine diesen Gedankengang unterbrechende kritische Auseinandersetzung mit dem Hochmut akademischer Lehrer eingefügt, und in einer Handschrift aus Hannover39 hat diese an sich hübsche Einfügung ihrerseits eine Ausgestaltung in sechs weiteren Strophen erfahren (18a–18f), die zusammen mit Strophe 18 durchaus eine eigene, abgeschlossene Satire über dieses Thema ergeben und die hier deshalb als eine solche Tochtersatire abgedruckt werden. Der erste Vers der Einleitungsstrophe lässt hohe Dichtung erwarten: Gott selbst habe den Sprecher berufen, für ihn in seinem Weinberg zu arbeiten (Missus sum in uineam), in dem sich alle um Lohn verdingten.40 Weil alle

37 STRECKER 1929, S. XI–XVI. 38 Eine Auctoritas ist eine aus einer ‚Autorität‘ (meist einem klassischen Dichter) so entnommene Zeile, dass sie thematisch und klanglich zu den vorausgehenden Zeilen passt, sie scheinbar bestätigt. 39 Hannover, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek, Handschrift IV 534, fol. 5ra. 40 Die scheinbar übergenaue Angabe auch noch der Berufungsstunde kündigt die Sprechsituation im Gedicht an: Es spricht der ältere Akademiker, da nach Gregors d. G. Bibelkommentar um die neunte Stunde die Älteren mit Lebenserfahrung zur Arbeit im Weinberg des Herrn berufen wurden; die Ablehnung eines studium in Strophe 12 braucht sich nicht auf ein gegenwärtiges Studium des sprechenden Ichs zu beziehen.

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nach einem belohnenden Kranze (corona 1, 3) 41 strebten, wolle sich der Sprecher auch nicht mehr zurückhalten, sondern aus Empörung dichten wie einst der Satiriker Juvenal, so sagt er mit einem passenden Juvenalzitat in Vers 4. In den Strophen 1–3 werden mit einem antiken Vers als bekräftigender Autorität nach Juvenal in Strophe 1 auch Persius in Strophe 2 und Horaz in Strophe 3 zitiert, also die vollständige, klassisch gewordene römische Verssatirker-Trias. Der Verfasser wollte das Gedicht damit offensichtlich in die Tradition der römischen Verssatire stellen. In den metapoetischen Eingangsstrophen 2–4 verkündet der Dichter-Sprecher seine individuelle Poetik: Ausgelassen wolle er sein in seinen rhythmischen Vaganten-Versen und feierlich-ernst in den als Auctoritates zitierten metrischen Versen (2,1). Dass er die hohen Anforderungen erhabener Dichtung nicht erfülle, sei ihm bewusst (Strophe 3).42 Doch wolle er durch seine Reimereien (rimuli 4,2) reich werden (impleri diuitiis 4,3). Da man darüber erstaunt sein muss, begründet der gesamte Rest des Gedichtes (Strophen 5 ff.) unausgesprochen und augenzwinkernd diesen Gedanken: Weil überall nur das Geld zähle und geistige, insbesondere theologisch-philosophische Fähigkeit und Beschäftigung so wenig einbrächten, müsse man eben irgendwie anders Reichtum erwerben. Dass nun Reimereien als Lösung des Problems angegeben sind,43 relativiert und ermöglicht gleichzeitig die übertrieben Klagen. Lateinischer Text: STRECKER 1929, S. 82–89; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 10, 4 mathesis] genesis – 12, 3 ferat] ferret; Ausscheidung von Strophe 18–18f als eigener Satire unter dem Titel Adde, quod superbia sequitur doctores.

41 Die Erwartung liegt nahe, dass man sich mit der Arbeit im Weinberg des Herrn (unter dem häufig die Kirche verstanden wird) um eine himmlische Krone, das Ewige Leben also, bemühe; hier wird corona jedoch allgemeiner, im Sinne von Belohnung (mit unvermeidbarem Anklang an die Dichterkrone) gebraucht. 42 Das ist ebenso kokett gesagt wie bei dem antiken Vorbild Horaz, der behauptet hatte, seine hexametrischen Dichtungen seien nahe an der unpoetischen Alltagsrede (sermoni propiora Sat. 1,4,42). 43 Zumal nach Strophe 7,4 und 8,4 selbst ein Homer nicht reüssieren würde.

8 Missus sum in uineam circa horam nonam

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1 Missus sum in uineam circa horam nonam – Suam quisque nititur uendere personam. Ergo, quia cursitant omnes ad coronam, semper ego auditor tantum, nunquamne reponam? Iuv. 1,1 2 Rithmis dum lasciuio, uersus dum propino, rodit forsan aliquis dente me canino, quia nec afflatus sum pneumate diuino neque labra prolui fonte caballino. Pers. 1,1 3 Licet autem proferam uerba parum culta et a mente prodeant satis inconsulta, licet enigmatica non sint uel occulta: Est quodam prodire tenus, si non datur ultra. Hor., Epist. 3,4 (quadam) 4 Cur sequi uestigia ueterum refutem adipisci rimulis corporis salutem, impleri diuitiis, et curare cutem? Quod decuit magnos, cur michi turpe putem? Ov., Am. 2,8,14 5 Qui uirtutes appetit, labitur in imum, querens sapientiam irruit in limum; imitemur igitur hec dicentem mimum: O cives, cives, querenda pecunia primum. Hor., Epist. 1,1,53 6 Hec est, que in sinodis confidendo tonat, in electionibus prima grande sonat;

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intronizat presules, dites impersonat: Et genus et formam regina pecunia donat. Hor., Epist. 1,6,37 7 Adora pecuniam, qui deos adoras. Cur struis armaria, cur libros honoras? Longas fac Parisius vel Athenis moras: Si nichil attuleris, ibis, Homere, foras. Ov., Ars 2,280 8 Disputet philosophus uacuo cratere; sciat, quia minus est scire quam habere. Nam si pauper fueris, foras expellere, ipse licet uenias musis comitatus, Homere. Ov., Ars 2,279 9 Sciat artes aliquis, sit auctorum plenus – Quid prodest, si uixerit pauper et egenus? Illinc cogit nuditas uacuumque penus, hinc usura uorax auidumque in tempore fenus. Lucan. 1,181 10 Si Joseph in uinculis Christum prefigurat, si tot plagis Pharao durum cor indurat, si filiis Israel exitus obturat: Quid ualet hec mathesis, si paupertas iecur urat? 11 Quid ad rem, si populus sitit ante flumen, si montis ascenderit Moyses cacumen et si archam federis obumbrauit numen? Malo saginatas carnes quam triste legumen. 12 Illud est, cur odiens studium repellam paupertatem fugiens uitamque misellam:

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Quis ferat uigilias frigidamque cellam? Tutius est iacuisse thoro, tenuisse puellam. Ov., Her. 3,117 13 Quidam de scientia tantum gloriantur et de pede Socratis semper cornicantur et dicunt, quod opes his, qui philosophantur, non bene conueniunt nec in una sede morantur. Ov., Met. 2,846 14 Idcirco diuitias forsan non amatis, ut eternam postmodum uitam capiatis? Hëu, mentes perdite! Numquid ignoratis, quod semper multum nocuit differre paratis? Lucan. 1,281 15 Si pauper Diogenes fuit huius sortis, si Socrates legitur sic fuisse fortis, Iuuenalis extitit magister cohortis marmoreisque satur iacuit Lucanus in hortis. ~ Iuv. 7,79–80 16 Heu, quid confert pauperi nobilis propago, quid Tityrus patula recubans sub fago? Ego magis approbo rem, de qua nunc ago; nam sine diuitiis uita est quasi mortis imago. Cato 3, praef. 6 17 Semper habet comitem paupertas merorem, perdit fructum Ueneris et amoris florem, quia iuxta nobilem uersificatorem non habet unde suum paupertas pascat amorem. Ov., Rem. 749

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[18] 19 Sit pauper de nobili genere gigantum, sciat, quantum currat Sol et Saturnus quantum, per se solus habeat totum fame cantum – Gloria quantalibet quid erit, si gloria tantum? Iuv. 7,81 20 Audi, qui de Socrate disputas et scribis, miser, uaca potius potibus et cibis. Quod si diues fieri noles uel nequibis, inter utrumque tene, medio tutissimus ibis. Ov., Met. 2,137

* 1 Um die neunte Stunde erst bin ich in den Weinberg des Herrn geschickt worden. Jeder versucht, sich zu verkaufen, und wenn denn alle nach einem Preis streben, soll ich da immer nur zuhören, nie etwas dazu sagen? 2 Wenn ich in rhythmischen Versen lustig bin und in metrischen ernst, kritisiert mich einer vielleicht bissig, dass ich nicht von göttlichem Geist inspiriert bin und nicht aus der Dichterquelle getrunken habe. 3 Ja, vielleicht sind meine Worte nicht ausgefeilt genug, sind zu wenig erwogen, sind vielleicht nicht rätselhaft, nicht dunkel, aber: Jeder so gut halt wie er kann!

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4 Warum sollte ich nicht den Spuren der Alten folgen wollen und mit meinen Reimereien für mein leibliches Wohl sorgen, Reichtümer scheffeln und auf der faulen Haut liegen? Was für jene Großen recht war, warum sollte das schlecht für mich sein? 5 Wer nach Ehrenhaftigkeit strebt, fällt runter, wer nach Weisheit strebt, fällt in den Dreck; darum wollen wir es mit einem Künstler halten, der so spricht: Trachtet, ihr Bürger, zuallererst danach, Geld zu erwerben. 6 Geld, das ist es, das auf Kirchenversammlungen voll Zuversicht tönt, das bei Wahlen die erste Geige spielt, das Prälaten auf ihren Thron setzt und Reiche zu Personen von Stande macht, ja: Adel und Schönheit verleiht eine Königin, die Geld heißt. 7 Bete lieber das Geld an, statt zu Göttern zu beten. Warum sammelst du Bibliotheken, hältst Bücher in Ehren? Du kannst lange in Paris oder in Athen gewesen sein, mein lieber Homer: Wenn du nichts gibst, fliegst auch du raus. 8 Ein Philosoph mag vor seinem leeren Becher sitzen und diskutieren; doch er möge wissen, dass es weniger bringt zu wissen als zu haben. Denn wenn du arm bist, wirst du rausgeworfen, selbst wenn du mitsamt den Musen daherkommst, mein lieber Homer. 9 Mag einer die Literatur kennen, vollgestopft sein mit all ihren großen Autoren – Was hilft ihm das, wenn er arm und bedürftig leben muss? Nichts anzuziehen hat er dann und nichts zu essen, und es bedrängen ihn Zinsen und wachsende Schulden.

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10 Ob nun der verkaufte Joseph in Fesseln eine Präfiguration Christi ist, ob wegen der so vielen Plagen der Pharao sein hartes Herz verstockt, ob er den Söhnen Israels den Auszug verweigert – was bringt solches Wissen, wenn einem wegen der Armut der Magen knurrt? 11 Was soll’s, ob das Volk dürstete an der bitteren Quelle Mara, ob Moses ganz hinauf auf den Berg Sinai stieg, und ob die Wolke des Herrn die Bundeslade überschattete? Lieber ist mir’s doch, Mastfleisch zu essen als traurige Bohnen. 12 Daher mag ich das Studium nicht, lehn es ab, will keine Armut und kein ärmliches Leben – denn wer möchte nächtliches Studieren in kalter Zelle ertragen? Besser ist’s doch man liegt im Bett und ein Mädchen daneben. 13 Manche machen sich nur wichtig mit scheinbarer Gelehrsamkeit und kreischen immer etwas von der Zweifüßigkeit des Sokrates, und sie sagen, dass Reichtum und Philosophieren nicht gut zusammenpassen und nicht in einem Hause wohnen können. 14 Verabscheut ihr vielleicht den Reichtum deshalb, damit ihr später das Ewige Leben gewinnet? Ach, ihr Dummköpfe! Wisst ihr denn nicht, dass Aufschub noch immer geschadet hat, wenn etwas reif war? 15 Mag der bedürfnislose Philosoph Diogenes so gelebt haben, mag der Philosoph Sokrates so tapfer gewesen sein, wie man liest – der Dichter Juvenal brachte es zum Offizier, und der Dichter Lucan lag satt in seinen marmorgeschmückten Gärten. 16 Ach, was hilft dem Armen seine edle Abkunft, oder dass er Vergils Tityrus unter der schattigen Buche kennt?

8 Missus sum in uineam circa horam nonam Ich glaube eher, dass das richtig ist, worüber ich jetzt spreche: Ohne Reichtum ist das Leben ein halber Tod. 17 Armut wird ständig von Traurigkeit begleitet. Armut verdirbt den Genuss an der Liebe und die Schönheit der Liebe, denn, wie schon der hochangesehene Dichter sagt, hat ja die Armut nichts, um ihre Liebe zu ernähren. [18] 19 Ein Armer kann vom uralten Adel der Giganten abstammen, wissen mag er, wie der Sonne Lauf ist und wie der des Saturn, er mag allein für sich ein ganzes Ruhmeslied haben – Ruhm mag so groß sein wie er will, was soll’s wenn es nur beim Ruhm bleibt? 20 Hör, du Armer, der du über Sokrates diskutierst und schreibst: Nimm dir lieber Zeit zum Essen und zum Trinken. Aber wenn du nicht reich werden willst oder kannst, dann bleib zwischen beidem, das ist am besten.

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9 Adde, quod superbia sequitur doctores Zu diesem Gedicht vergleiche man die Einleitung zu dem vorausgehenden. Das Gedicht ist anonym. Es wird in nur einer Handschrift zusammen mit dem hier vorausgehenden Gedicht Missus sum in uineam circa horam nonam überliefert und stellt eine verstechnisch passende, den Gedankengang aber störende Zudichtung zur dortigen Strophe 17 dar, als welche es sich vielleicht selbst durch sein Anfangswort Adde zu erkennen geben will. Da die sieben Strophen der Zudichtung ein in sich relativ geschlossenes Bild eines eitlen Professors zeichnen, werden sie hier als Beispiel einer eigenen Tochtersatire wiedergegeben. Lateinischer Text: STRECKER 1929, S. 86–89, als Strophen 18, 18a–18f des Gedichtes Missus sum in uineam (hier Nr. 8); davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 18b, 2–3 mentumque inberbum subicit] manifestat limbum subiectis. 18 Adde, quod superbia sequitur doctores: Inflati scientia respuunt minores. Ergo sic impletum est, quod dicunt auctores: Inquinat egregios adiuncta superbia mores. Claud., De IV cons. Hon. 305 18a Statim ut inceperit quis philosophari, inflatur, occursibus amat salutari, letatur ab omnibus locum sibi dari et cathedras primas, et doctor ubique uocari. ~ Mt. 23,6–7 18b Loquitur sublimia, se prebet acerbum, mox dilatat fimbrias mentumque inberbum subicit; set audiat sapientis uerbum: Desine grande loqui, frangit Deus omne superbum. Prud., Psych. 285

9 Adde, quod superbia sequitur doctores

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18c Uelut alter igitur Censorinus Cato eructat parabolas sermone cribrato, de corde sententias nimium elato eliquat, ac tenero subplantat uerba palato. Pers. 1,35 18d Stultus et scientie cultu destitutus, quibusdam panniculis uerborum indutus uideri pre ceteris conatur astutus, rancidulum quiddam balba de nare loqutus. Pers. 1,33 18e Exultans scematibus diuersis ornari se credit pre omnibus mira cornicari, set auctorem nouerit ista sibi fari: Metiri se quemque decet propriisque iuuari. Avian. 5,1 18f Quisquis est huiusmodi, non se diu fraudet, desistat, qui talibus implicari gaudet; sua semper negligat, aliena laudet. Quod natura negat, nemo feliciter audet. Aesop. Lat. 1,17,15; ~ Maximian., Eleg. 5,54 * 18 Dazu kommt, dass die Herren Doktoren die Hochnäsigkeit im Gefolge haben: Aufgeblasen von Wissen verachten sie unter ihnen Stehende. Und so erweist sich als richtig, was die Dichter sagen: Auch die beste Gesittung wird schlecht, wenn Hochmut dazukommt.

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18a Sobald einer auch nur anfängt, Philosophie zu lehren, bläst er sich auf. Wenn ihm andere begegnen, liebt er es, dass man ihn zuerst grüßt. Er hat es gern, dass alle ihm Platz machen und ihn vorne sitzen lassen und ihn überall Herr Doktor nennen. 18b Er spricht erhaben, gibt sich streng, streicht seine Stirnfransen auseinander, sein bartloses Kinn reckt er hoch; doch er höre auf das weise Wort: Lass ab, hochfahrend zu reden, denn Gott macht alle Hochfahrt zuschanden. 18c Und so speit er wie ein neuer Cato, der Zensor, in gewählter Rede Gleichnisse aus, seinem gar hocherhabenen Herzen entwringt er Sätze und bringt mit zartem Gaumen die Worte zum Stolpern. 18d Dumm und ohne die Wissenschaft zu pflegen, bekleidet mit ein paar Wortfetzen nur, versucht er, als schlauer zu erscheinen als alle anderen, indem er stotternd etwas Ungenießbares näselt. 18e Er prahlt, wenn verschiedene Wort- und Sinnfiguren seine Rede schmücken, glaubt, dass er Erstaunlicheres kreische als alle anderen; doch er höre, was der Dichter ihm zu sagen hat: Jeder messe sich selbst und gebe sich damit zufrieden. 18f Wer von solcher Art ist, soll sich nicht lange selbst betrügen, aufhören soll, wer sich in so etwas wohlfühlt, er soll nie das eigene Können, soll das der anderen gut finden, denn was einem die Natur verweigert, kann keiner sich erfolgreich anmaßen.

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10 A la feste suis venuz et ostendam, quare Das folgende Gedicht ist anonym überliefert. Ohne sichere Gründe wurde Walter von Châtillon als Verfasser vermutet.44 Obwohl der Gedankengang mehrfach gestört ist, ist der Gesamtsinn erkennbar: die Kritik am Establishment der Intellektuellen. Sie wird sprachlich (lingue flagello 3,4) in der Haltung satirischen Zuschnappens (morsibus satiricis 3,4) als Satire (satira 15,4) realisiert. Verwendet sind rhythmische Vagantenstrophen. Das Gedicht stellt sich in den Zusammenhang mit einem Bakelfest (feste 1,1; baculifer 4,2; mit direkter Anrede des baculifer in 5,1). Wenn der Sprecher behauptet, zu einem Bakelfest hin gekommen zu sein (venuz 1,1), könnte das bedeuten, dass er bei dem Fest lateinsprechender Kleriker als auswärtiger Gast gesehen werden will, als einer, der von seiner Hände Arbeit leben muss (fodere 14,3), statt in Paris studieren zu können, und der scheinbar ungeschickt immer wieder in die Volkssprache zurückfällt. Die Volkssprache findet jedoch auch in anderen, ähnlichen Satiren Verwendung, in denen nicht dieses Szenario in der Textwelt aufgebaut wird. Lateinischer Text: STRECKER 1929, S. 122–127; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 2,2 corus efficit probus] cor lacuna reprobus – 3,1 Ergo] Ego; arbores] qui turres – 3,2 uindico] radico – 4,1 Ergo] Ego – 5,1 Qui] Si; offendisse] offendēre – 5,2 si auarus] ab auaris – 6,1–2] 6,3–4 mutavi – 6,2 exaltabis] exaltabit – 6,3 agut] aguz – 6,4 uita, quia sentinam] nam – 10,4: Sodomite] sunt herite – 11,2 inimici] coni. 1 A la feste sui venuz et ostendam, quare: Singulorum singulos mores explicare, reprobare reprobos et probos probare et edos ab ouibus ueni segregare. 2 Ex quo mundi prius est chaos dissolutum, corus efficit probus cum scola uirtutum, ne miretur reprobus se non esse tutum ab eo, cui pectus est uitiis exutum.

44 STRECKER 1929, S. XI–XVI.

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3 Ergo uentus turbinis arbores impello, qui uindico fertiles, steriles euello. Abbates, pontifices, decanos flagello morsibus satiricis et lingue flagello. 4 Ergo quasi gladius nulli parcens reo solum baculiferum digna laude beo, nam ipse ditabit nos annuente Deo. Hodie beatus uir, qui sperat in eo. 5 Qui times, baculifer, offendisse Deum, si auarus facias opus Fariseum, celebra muneribus diem iubileum; nam si largus fueris, non fraudasti eum. 6 As lecheors seies avers, largus seies apud pauperes, propterea exaltabis capud. Set lenonum loculos, dunt ci a tant agut, uita, quia sentinam eorum uita put. 7 Hii sunt ciues, apud quos uiuitur inpure: masculos demasculant uirginum mixture; hii sunt, qui legalium spreto rerum iure nolunt esse pugiles in campo nature. 8 Hiis iehennam preparat arbiter eternus, istos manet patulis faucibus infernus, kar si gent ne receit ignis sempiternus, pur nient dutereit turmenz de enfern nuls. 9 Set de istis actenus sat dictum uidetur. Ad prelatos deinceps stilus conuertetur,

10 A la feste suis venuz et ostendam, quare quorum si quis opera bene contempletur, uix erit in milibus unus, qui laudetur. 10 Cardinales etenim et metropolite, decani, pontifices et archileuite, omnes aurum sitiunt, omnes Giezite, et ex hiis, quod peius est, quidam Sodomite. 11 Ecce nouos protulit terra Filisteos, inimici multi sunt uorantes Hebreos. Nullos Dauid preualet extirpare reos. Set Deus et dominus subsannabit eos. 12 Prebende nunc temporis ducuntur ad forum, Simonia pullulat et dilatat chorum; set disperdet dominus iter inpiorum, conquassabit capita in terra multorum. 13 Profuit antiquitus litteratum esse, cum floreret studium copiosa messe, set modernis fodere magis est necesse quam uatum Parisius scolis interesse. 14 Quid ergo sciencie domum tibi struis? Sapiens si pauper es, nec uales nec cluis, set si ditat opibus te fortuna suis, diffusa est gratia in labiis tuis. 15 Uera sunt, ut arbitror, ea, que auditis: quod nulla rependitur talio peritis. Set ne uelud inprobus eloquar inuitis, iam satira faciat finem sue litis. *

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1 Zu diesem Feste bin ich gekommen und will erklären, warum. Ich bin gekommen, um die Gesinnung eines jeden aufzudecken, um zu verwerfen die Verwerflichen, den Ehrlichen die Ehre zu geben und die Schafe von den Böcken zu trennen – dazu bin ich gekommen. 2 Seitdem die alte Unordnung der Welt abgeschafft ward, erreicht der ordentliche Chor zusammen mit der tugendhaften Schola, dass der Schlechte damit rechnen muss, dass er nicht sicher ist vor einem, dessen Herz rein ist. 3 Also bin ich wie ein Sturmwind, der die Bäume schüttelt, und ich rette die, die Früchte bringen, und reute die aus, die keine Früchte bringen. Äbte, Bischöfe und Dekane geißle ich mit der Geißel der Zunge und dem Biss der Satire. 4 Wie ein Richtschwert, das keines Schuldigen schont, schone ich keinen und preise nur den Stabträger mit verdientem Lob, denn er wird uns beschenken, wie Gott es will. Glücklich ist heute der Mann, der auf ihn seine Hoffnung setzt. 5 Da du Gott nicht beleidigen willst, Stabträger, indem du geizig wärest wie die Pharisäer, feiere durch Geschenke diesen Jubeltag, denn wenn du freigiebig warst, dann hast du Gottes Willen getan. 6 Wende dich ab von Speichelleckern; sei großzügig zu den Armen, dann wirst du dein Haupt hoch erhoben tragen. Doch meide die Kämmerchen der Zuhälter, wovon es hier eine Menge gibt, denn ihre Lebensweise stinkt wie Schiffsjauche. 7 Das sind Zeitgenossen, bei denen man verkommen lebt, bei denen die Übernahme von Weiblichem die Männer entmannt.

10 A la feste suis venuz et ostendam, quare

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Sie sind es, die das Recht der rechten Dinge missachten, nicht auf dem Felde der Natur kämpfen wollen. 8 Für sie hält der Richter des Jüngsten Gerichts die Hölle bereit, die mit weitem Schlund auf sie wartet. – Denn wenn diese Leute nicht die Hölle verschlänge, brauchte man bei gar nichts mehr die Höllenstrafe zu fürchten. 9 Doch damit ist über solche Leute wohl genug gesagt. Den hohen Geistlichen soll sich mein Lied zuwenden, von denen, wenn man sie recht nach ihren Taten beurteilt, es kaum einen unter tausend gibt, der Lob verdiente. 10 Ja, Kardinäle und Erzbischöfe, Dekane, Bischöfe und Erzdiakone, sie alle dürsten nach Gold, alle verkaufen die Gnade wie Giezi, und einige davon sind, was noch schlimmer ist, homosexuell. 11 Siehe, die Erde hat neue Philister hervorgebracht, viele Feinde sind es, die das auserwählte Volk verschlingen; doch es fehlt ein David, sie, die schuldig sind, zu töten. Aber Gott, der Herr, wird sie zu Schanden machen. 12 Geistliche Ämter werden heute auf den Markt gebracht, der Ämterkauf nimmt zu und lässt die Zahl der Plätze im Chorgestühl anwachsen; doch der Herr wird den Zug der Ruchlosen verderben, wird vieler Häupter auf der Erde zerschmettern. 13 Einstmals nützte es, gelehrte Bildung erworben zu haben, als das Studium noch reich erblühte zu reicher Ernte. Heute aber muss man eher mit seinen Händen arbeiten als in Paris bei den Professoren Literaturvorlesungen hören.

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14 Warum also erbaust du dir der Weisheit Haus? Wenn du ein Weiser bist, aber ohne Geld, dann kannst du nichts und giltst du nichts, wenn dir aber Fortuna ihre Gaben gibt, dann freilich liegt Anmut auf deinen Lippen. 15 Ich glaube, es stimmt, was man hört, nämlich dass dem Kundigen nicht nach seinem Wert vergolten wird. Aber damit ich mich nicht übermäßig denen aufdränge, die mich nicht hören wollen, soll meine Satire jetzt ein Ende machen mit ihrem Streiten.

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11 Si licenter ponere possem os in celum Das folgende Gedicht in Vagantenstrophen ist anonym und in nur einer Handschrift45 überliefert; der Herausgeber stellt es aus stilistischen Gründen in die Nähe Walters von Châtillon.46 In ziemlich lockerer Ordnung wird das Verhalten aller geistlichen Stände resigniert und sarkastisch beklagt; dies wird als Satire bezeichnet (Hanc descripsi satyram 21,1). Bemerkenswert ist die starke Verwendung einer meist biblischen Bildlichkeit. Zur tatsächlichen, nicht etwa wie bei Horaz gespielten Lockerheit der Komposition tragen insbesondere die Strophen 22–27 bei. Lateinischer Text: WORSTBROCK 1972, S. 202–207; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 9,1 nusquam] nunquam – 11,4: gule symbola] symbola gule – 12,3: Ipsaque] Ipsa de – 13,1 quia] dic, quid – 17,4 promissi doni] promissionis – 18,4: dilatatur] ditatur – 21,4: causa prolatata] hinc et sine data. – Die Strophen 26, 28 und 29 scheinen Zudichtungen zu sein. 1 Si licenter ponere possem os in celum, traherem de pharetra bisacutum telum et notarem aliquos scripto per obelum, qui pro domo domini nullum habent zelum. 2 De primis ecclesie copia daretur sumendi materiam, sed eos tuetur illa legislacio, qua scriptum habetur: ‚Si contingat bestia montem, lapidetur.‘ 3 Olim erat celsus mons ordo prelatorum, quando uita floruit honestate morum. Sed postquam obsorduit luto uiciorum, lacerari meruit lingua subiectorum.

45 Vorau, Stiftsbibliothek, Ms. 401, fol. 134ra – 135ra; aus dem 13. Jahrhundert. 46 WORSTBROCK 1972, S. 202.

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4 Ordo cleri factus est sal infatuatum. Nullus est, qui debitum iam obseruet statum, nec audet arguere proximi reatum, cuius consciencia fertur in peccatum. 5 Auri color optimus iam est immutatus, lapis sanctuarii per plateas stratus. Aurum esse debuit quilibet prelatus, sed, ut uerum fatear, uix est deauratus. 6 Abutuntur plurimi kathedrali sede. Extra uiam ambulant claudi dextro pede. De hiis ego fateor, et tu mihi crede: Uix in libro legere norunt a b c d. 7 Isti uiam Balaam ex Bozor secuti, student auaricie magis quam saluti, nam rebus ecclesie male solent uti. Raro Christum predicant, sed sunt canes muti. 8 Tu, qui patrimonio crucifixi gaudes, qui de dote uidue uanas emis laudes, dic: Quas unquam fundere Deo preces audes, cum ipsius unicam sponsam sic defraudes? 9 Heu, nusquam reperio alterum Zacheum, qui conscendat arborem ad uidendum Deum. Immo plures uideo blasphemantes eum, qui derident hodie caluum Helyseum. 10 O, si fari liceat salua pace cleri: Nullus est, qui pauperum uelit misereri.

11 Si licenter ponere possem os in celum Ergo bene sequitur, si tu uis fateri, quod sint mercennarii nec pastores ueri. 11 Hii non placant superos, sed magis irritant: De prebenda pauperum caros suos ditant, instruunt conuiuia, diuites inuitant, et per gule symbola ius prophanum uitant. 12 Regnat auaricia, dea Romanorum, Symon Magus uendicat sibi Petri thorum, ipsaque iusticia uile facit forum, nam reos iustificat precio nummorum. 13 Si de papa queritur, quia sit Romanus: Uox ipsius uox Iacob, Esau sunt manus; cui si multum dederis, licet sis prophanus, iudicat te uenia dignum Gracianus. 14 Gracianus discutit merita causarum, studet, ut exhauriat diuitem auarum. Sic ipsum alloquitur: „Noli dare parum! Litis estimacio centum est marcarum.“ 15 Pauper Romam ueniens tenui crumena a nullo respicitur facie serena. Immo, si redierit sine graui pena, dicat Deo gracias dulci cantilena. 16 Sed si diues fuerit curiam ingressus, illi datur facilis ad papam accessus. Sed si pauper uenerit, nudus et oppressus, uix ad limen atrii audet ferre gressus.

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17 Causam fouent diuitis plurimi patroni, quorum nullus obuiat allegacioni. Perorando similes crederes Katoni, quibus linguam acuit spes promissi doni. 18 Sed de causa pauperis quis sollicitatur? Nemo, quia nemini quicquam inde datur. Ue radici pessime, de qua propagatur ramus auaricie, qui sic dilatatur! 19 Tu, si causam habeas et uelis causari, nunquam Romam uenias litem contestari. Roma gerit speciem diuitis auari: Roma nunquam potuit auro satiari. 20 Recte Roma dicitur, quia MAnus ROdit, diuites amplectitur et egenos odit, ut causam exaggeret, iura legum fodit et, ut uerum fatear, falsitate prodit. 21 Hanc descripsi satyram uenia prefata. Res est hec in curia satis usitata: Quod nisi preueniant Romam tua data, sine scripto redies causa prolatata. 22 Olim erat celsus mons uita clericorum, quando se continuit in uirtute morum, modo pudet dicere, quod est indecorum, in ruinam factus est clerus populorum. 23 Nam suis excessibus nullam ponunt metam, sed in uanitatibus uitam ducunt letam,

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uitam, dico, lubricam, uitam indiscretam. Propter hoc redarguit asina prophetam. 24 Bene nouit rusticus, quid agat in rure; loycus de loyca disputat secure. Idyota clericus inscius scripture nescit, quid respondeat de diuino iure. 25 Uestes Aaron facte sunt uestes garcionum, nusquam tintinabula suum reddunt sonum; stultus sibi uendicat Salomonis thronum nec habens sciencie nec doctrine donum. [26] 27 Ex quo mundo uiuere plus non acquieui, de mundi miseria scribere decreui, sed stilo non potui consummare breui. Ideo quod ceperam opus non compleui. * 1 Dürfte und könnte ich mich in den Himmel erheben, würde ich aus meinem Köcher den doppeltgespitzten Pfeil ziehen und ich würde mit diesem Kritiker-Zeichen für ‚Falsch!‘ einige zeichnen, die sich nicht um das Haus des Herrn kümmern. 2 Die Höchsten der Kirche böten mir Stoff dafür, doch sie stehen unter dem Schutz jenes biblischen Gesetzes, in dem es da heißt: ‚Wenn ein Tier den Berg berührt, so soll das Tier gesteinigt werden.‘ 3 Ein hoher Berg dieser Art war – früher – der Stand der Prälaten, damals, als sich ihr Leben durch ehrbare Sitten auszeichnete.

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Doch nachdem ihr Stand unter dem Schmutz von Lastern verkommen ist, ist es gerechtfertigt, dass die Zunge ihrer Untergebenen sie jetzt schilt. 4 Dieser Stand des Klerus ist unbrauchbar geworden wie geschmackloses Salz. Keinen gibt es mehr, der die Pflichten seines Standes ernst nähme. Keiner wagt es, eines Kollegen Schuld aufzudecken. Durch Mitwisserschaft wird er selbst schuldig. 5 Des Goldes heller Glanz ist dunkel geworden, mit den Steinen des Tempels pflastert man die Straßen. Aus Gold hätte ein jeder Prälat sein sollen, doch, um die Wahrheit zu sagen: Er ist höchstens vergoldet. 6 Gar viele missbrauchen ihren Bischofsstuhl. Weil sie lahm sind auf dem rechten Fuße, der zu Christus führen würde, wandeln sie nicht auf dem rechten Weg. Über sie muss ich dir sagen, und bitte glaub es mir: Wenn sie ein Buch nehmen, können sie kaum die Buchstaben entziffern. 7 Sie haben sich auf den Weg gemacht wie Bileam aus Petor, sind mehr habgierig als um das Heil besorgt, denn sie missbrauchen meist die Güter der Kirche. Sie predigen selten den Weg zu Christus, sind Wachhunde, die nicht anschlagen. 8 Du, der du dich des Erbes des Gekreuzigten erfreust, der du dir vom Scherflein der Witwe eitle Ehren erkaufst, sprich: Welche Bitten wagst du je vor den Herrn zu bringen, du, der du seine einzige Braut, die Kirche, so bestiehlst? 9 Wehe, nirgends finde ich einen zweiten Zachäus, der auf einen Baum stiege, um Gott den Herrn zu sehen. Im Gegenteil, ich finde viele, die seiner fluchen, und die heute lachen über den kahlköpfigen Propheten Elisa.

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10 Ja, man kann, mit des Klerus Verlaub, sagen: Es gibt keinen, der sich der Armen erbarmte. Daraus folgt aber wohl, wenn man so will, dass sie alle Mietlinge sind, aber keine wahren Hirten. 11 Sie versöhnen nicht mit dem Himmel, sie erzürnen ihn nur noch mehr: Mit den Stiftungen für Arme machen sie ihre Günstlinge reich, sie richten Gelage aus, zu denen sie Reiche einladen, und entziehen sich durch typische Völlerei dem weltlichen Recht. 12 Es herrscht die Habsucht, sie ist Göttin in Rom, der ämterkaufende Zauberer Simon beansprucht die Wohnstatt Petri, und die Justiz selbst trägt sich zu Markte, denn sie gibt Schuldigen Recht, wenn Schuldige Geld geben. 13 Wenn man nach dem Papst fragt, weil der doch in Rom sei: Seine Stimme verrät den untergeschobenen Sohn Jakob, seine Hände fühlen sich an wie die des echten Sohns Esau. Wenn man ihm viel gibt, dann erhält man durch das Kirchenrecht des Gratian Gnade, auch wenn man ein Schandkerl ist. 14 Das Kirchengericht fragt: ‚Was ist der möglichen Gewinn aus einem Prozess?‘ Es bemüht sich, den reichen Geizhals abzuschöpfen, und spricht zu ihm: ‚Gib nicht zu wenig. Dein Streitfall wird auf hundert Mark Silbers veranschlagt.‘ 15 Ein Armer jedoch, der mit schmalem Geldbeutel nach Rom kommt, wird von niemandem freundlich angesehen. Ja, wenn er von dort ohne größere Buße wieder zurückkehrt, soll er jubelnd ein ‚Dank sei Gott‘ singen.

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16 Wenn hingegen ein Reicher an die Kurie gekommen ist, wird ihm leicht Audienz beim Papst verschafft; anders ein Armer, mittellos und ausgebeutet – der darf es kaum wagen, bis zur Schwelle des Vorhofes vorzudringen. 17 Das Anliegen eines Reichen wird von sehr vielen Anwälten gefördert, von denen keiner sich gegen das wendet, was der Reiche geltend macht. In ihren Plädoyers wirken sie wie redestarke altrömische Katonen, denen die Hoffnung auf eine versprochene Gabe die Zunge geschärft hat. 18 Wer aber vertritt das Anliegen eines Armen? Niemand, denn niemand hat etwas davon. Wehe über die schlechte Wurzel, aus der der Baum der Habgier entspringt, der sich derart auswächst. 19 Wenn du ein Anliegen hast und willst es vor Gericht bringen, geh nie nach Rom, um über das Strittige einen Prozess in Gang zu bringen! Rom agiert wie ein reicher Geizhals: Rom kriegt von Geld nie genug. 20 Rom ist zu Recht die Abkürzung für Raffgier Ohne Maßen. Rom liebt die Reichen, Rom hasst die Armen. Dort gräbt man Gesetzesvorschriften aus, um einen Streitfall aufzublasen, und, fürwahr, wenn man sie dann kundgibt, verdreht man sie. 21 Mit Verlaub, wie gesagt, habe ich diese Satire geschrieben. Es ist an der Kurie ein beliebter Brauch, dass man dann, wenn man nicht im Voraus schon Geld nach Rom geschickt hat, ohne Entscheid nach Hause geht, weil der Prozess hinausgeschoben wurde. 22 Ein herausragender Berg war einst auch das Leben des Klerus, solange es tugendhaft und gesittet verlief;

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aber jetzt, man schämt sich, es zu sagen, weil es eine Schande ist, jetzt ist der Klerus zum Verderben der Völker geworden. 23 Denn für seine Exzesse kennt er keine Grenzen. Er verbringt ein lustiges Leben mit Nichtigkeiten, besser gesagt: ein unstetes Leben, ein unordentliches Leben. Wegen derlei hat die Eselin den Propheten Bileam getadelt. 24 Der Bauer weiß genau, was er auf dem Lande tun muss, der Gelehrte disputiert sicher über die Wissenschaftlichkeit, aber der Kleriker, der Idiot, kennt die Heilige Schrift nicht, und er weiß nicht, was er sagen soll, wenn man ihn nach den Zehn Geboten fragt. 25 Aarons priesterliche Kleider bekleiden heute Küchenknechte, nirgends hört man den Ton der Kleider-Schellen; ein Dummer strebt nach Salomons, des Weisen, Thron, einer der weder Wissen noch Bildung erhalten hat. [26] 27 Seitdem ich mich nicht mehr damit zufrieden gab, für die diesseitige Welt zu leben, wollte ich über das Elend dieser Welt schreiben. Aber darüber ließ es sich nicht in Kürze berichten, und so ist das Werk, das ich begann, unvollständig geblieben.

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12 Ni lauare laterem Das folgende Gedicht ist durch eine einzige Handschrift und vielleicht nur unvollständig überliefert worden. Es ist anonym; ohne Angabe zwingender Gründe hält es der Herausgeber der Werke des Petrus von Blois für möglich, dass das Gedicht von diesem Petrus verfasst wurde.47 Der Sprecher bezeichnet die Dichtung, in der er auftritt, wohl als Satire, jedenfalls verwendet er das Wort (satyra 2,6) so, dass dieser Zusammenhang nahegelegt wird. Das wäre nicht wegen des durchaus üblichen Inhalts, jedoch wegen der hier für eine Satire gewählten äußeren Form immerhin sehr auffällig, da es sich um eine anisostrophische, zweisilbig-rein endgereimte, rhythmische Sequenz, zudem eine mit Refrain handelt. Anisostrophie und Refrain weisen auf ursprüngliche Musikgebundenheit und eine nicht durchkomponierte Melodie hin. Thema ist die ohnmächtige Verzweiflung über die Käuflichkeit der Kurie und des hohen Klerus, gegen die auch eine Satire nichts ausrichten könne (nichil unquam proderit / satyre seueritas 2,5–6). Rom soll helfen, Rom, das selbst verderbte. Lateinischer Text: WOLLIN 1998, S. 221–229; davon bin ich abgewichen im Refrain, Zeile 5: corrige] corripe. 1 Ni lauare laterem me crederem, corrigendis uiciis operam inpenderem; sed inpensa seriis hec periret opera: Late feruent scelera. Lotus later plus lutescit, mentis lepra plus crudescit, dum tanguntur ulcera. Roma potens, gladium ultionis arripe! A te tamen incipe; Symonis flagicium in te prius corrige. 47 WOLLIN 1998, S. 93–94.

12 Ni lauare laterem 2 Nulla uel correctio uel ultio huic mederi poterit hominum flagicio; nichil unquam proderit satyre seueritas: Paucis placet ueritas, nec est ulli tuta satis, omnis enim a prelatis prodiit iniquitas. Roma potens, gladium ultionis arripe! A te tamen incipe; Symonis flagicium in te prius corrige. 3 Morum formam destruit turpis uita presulum, que speculum uite dare debuit. Scandalizant populum prelatorum crimina. Parit morbus capitis in subditis membris morbi semina. Roma potens, gladium ultionis arripe! A te tamen incipe; Symonis flagicium in te prius corrige. 4 Arte Symon magica Petri domum uendicat, et implicat orbem clade publica. Uidet hec, nec uindicat pontifex pontificum,

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Texte dum commissum negligit, nec corrigit gregem Gieziticum. Roma potens, gladium ultionis arripe! A te tamen incipe; Symonis flagicium in te prius corrige. 5 Nulla morum maior in-curia quam in curia, in qua iuris seuit in-iuria: Cum stateram iuris uibrat, culpis opes equilibrat, gaudens orbem regere sub pondere, numero, mensura. Roma potens, gladium ultionis arripe! A te tamen incipe; Symonis flagicium in te prius corrige. 6 Nil ferentes excludit uicio meretricio: Danti patet aperto gremio. Cardinales, canes muti, silent munus assecuti. Aurum dum porrigitur, negligitur canonum censura. Roma potens, gladium ultionis arripe! A te tamen incipe; Symonis flagicium in te prius corrige.

12 Ni lauare laterem 7 Tantus eris horum in oculis, quantum eris erit in loculis. Non defertur moribus: Auri sonus auribus exauditur sedulis. Si canones aut leges pauper allegaueris, nil proderis, nisi dulces muneris blandicias alleges. Roma potens, gladium ultionis arripe! A te tamen incipe; Symonis flagicium in te prius corrige. 8 Sacro nullus placet collegio, nisi placet illos obsequio. Ius expirat pauperum, quia caret munerum dulci patrocinio. Superflue laboras, siquid imploraueris nec dederis. Si nichil attuleris, ibis, Homere, foras. Roma potens, gladium ultionis arripe! A te tamen incipe; Symonis flagicium in te prius corrige. * 1 Wenn ich nicht glauben müsste, dass ich damit einen Lehmziegel wüsche, würde ich auf die Besserung von Lastern

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Texte meine Mühe verwenden. Doch wenn diese Mühe mit ernsthaften Worten unternommen würde, würde sie umsonst sein, denn weithin lodern die Verbrechen. Und ein Lehmziegel, der gewaschen wird, wird nur noch lehmiger, und der Aussatz in der Gesinnung verschlimmert sich, wenn man in der Beule bohrt. Mächtiges Rom, nimm das Schwert der Rache in deine Hand! Doch beginne mit dir, und tilge zuerst bei dir die Schande der Simonie. 2 Keine Zurechtweisung, keine Strafe wird abhelfen können diesem ehrlosen Handeln von Menschen; nichts wird jemals die Strenge einer tadelnden Satire nützen, denn wenigen gefällt es, wenn die Wahrheit gesagt wird, und für keinen ist sie sicher genug, denn alles Unrecht kam von den Führern der Kirche. Mächtiges Rom, nimm das Schwert der Rache in deine Hand! Doch beginne mit dir, und tilge zuerst bei dir die Schande der Simonie. 3 Die Schönheit der Moral wird zerstört durch das schändliche Leben der Kirchenführer, das das Vorbild für ein Leben hätte sein sollen. Ärgernis geben dem Volk die Verfehlungen der Kirchenführer. Eine Erkrankung am Haupte

12 Ni lauare laterem führt bei den Gliedern, die ihm dienen, zur Ansteckung. Mächtiges Rom, nimm das Schwert der Rache in deine Hand! Doch beginne mit dir, und tilge zuerst bei dir die Schande der Simonie. 4 Der Zauberer Simon will mit seinen dunklen Künsten das Haus Petri kaufen und verwickelt in öffentliches Unheil die Länder der ganzen Welt. Dies sieht, doch er schreitet nicht ein, der Bischof der Bischöfe, solange er seinen Auftrag vernachlässigt und die sakramenteverkaufende Rotte nicht zurechtweist. Mächtiges Rom, nimm das Schwert der Rache in deine Hand! Doch beginne mit dir, und tilge zuerst bei dir die Schande der Simonie. 5 Nirgends ist die Vernachlässigung der Sitten größer als an der Kurie, an der das Recht sich in Ungerechtigkeit ergeht: Wenn man dort auf der Waage des Rechtes wägt, wägt man Geld gegen Schuld auf und freut sich, auf solche Weise die Welt zu regieren nach Gewicht und Maß und Zahl. Mächtiges Rom, nimm das Schwert der Rache in deine Hand! Doch beginne mit dir, und tilge zuerst bei dir die Schande der Simonie.

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Texte 6 Wenn einer nichts mitbringt, lässt ihn die Kurie nicht ein, sie verhält sich wie eine Hure: Wenn einer ihr etwas gibt, öffnet sie ihm ihren Schoß. Die Kardinäle sind Wachhunde, die aber nicht anschlagen und still bleiben, wenn sie etwas bekommen haben. Wenn man Geld hinüber schiebt, vergessen sie, was das Kirchenrecht vorschreibt. Mächtiges Rom, nimm das Schwert der Rache in deine Hand! Doch beginne mit dir, und tilge zuerst bei dir die Schande der Simonie. 7 So viel gilt man in ihren Augen, wie viel Geld man im Geldbeutel hat. Man kommt nicht wegen seines Verhaltens vor Gericht, sondern dann, wenn beflissene Ohren Geld klimpern hören. Wenn man Vorschriften des Kirchenrechts oder Gesetze vorbringt, aber arm ist, erreicht man damit nichts, wenn man nicht beliebte, wohlstimmende ‚Gaben‘ mitbringt. Mächtiges Rom, nimm das Schwert der Rache in deine Hand! Doch beginne mit dir, und tilge zuerst bei dir die Schande der Simonie. 8 Keiner findet Gnade vor dem Heiligen Kollegium, der nicht vor dessen Kardinälen kriecht. Nichts gilt das Recht der Armen, weil es keine beliebten Geschenke als Fürsprecher hat. Umsonst strengt man sich an, wenn man um etwas bittet,

12 Ni lauare laterem

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ohne dafür bezahlt zu haben. Wenn du nichts mitbringst, kannst du der Dichterfürst Homer sein und fliegst trotzdem raus. Mächtiges Rom, nimm das Schwert der Rache in deine Hand! Doch beginne mit dir, und tilge zuerst bei dir die Schande der Simonie.

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13 Pastores ecclesie, principes inferni Das folgende Gedicht in Vagantenstrophen ist ebenfalls anonym. Es gibt sich empört. Die Empörung richtet sich gegen Priester, die ihr Amt falsch ausüben. Sie, und nicht etwa (Kirchen-)Juristen, werden als Gesetzes-Kundige und Gesetzes-Lehrer angesprochen, was aber wegen der wörtlichen Anspielung auf den ersten Timotheus-Brief des Paulus als Bibel-Kundige und Bibel-Lehrer zu verstehen ist. Auffällig ist ein nicht motivierter Wechsel der Sprechhaltung in der 5. und von der 7. bis 11. Strophe, was auf eine Interpolation bereits im ersten Teil des Gedichts hindeuten könnte.48 Den Rest des Gedichts ab Strophe 1349 kann man sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit als hinzugeschrieben ansehen, da er aus gedanklich relativ ungeordneten Strophen besteht.50 Lateinischer Text: WALTHER 1934, S. 529–534; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 4,3 cum] in – 5,1 licite] licita – 5,2 qui] et – 6,1 qui] uos – 12,4 angelis equales] anglis coequales. 1 Pastores ecclesie, principes inferni, qui non bona queritis pastoris eterni, amisistis gloriam luminis superni deputati rabidis ignibus inferni. 2 Christum enim uenditis, et felle potatis, eius sacrum lancea latus perforatis. Precio, non precibus aurem commodatis, nam qui gratis accipit, debet dare gratis. 3 Ue uobis, ypocrite, uos ypocrisantes luci datis tenebras, lucem tenebrantes; 48 In diesem Bereich tritt auch eine Tonbeugung auf (5,1: íllicíta), wie sie in den anderen Strophen nicht vorkommt. 49 Abgedruckt im Anhang. 50 Diese Strophen wurden dem Titel Sermo Goliae ad praelatos von BOUTEMY 1935, S. 379–388, herausgegeben.

13 Pastores ecclesie, principes inferni magna pretermittitis mentam decimantes, a uia iusticie prorsus deuiantes. 4 Ue, qui uestris oculis estis sapientes amara pro dulcibus pocula prebentes, cum liris et cytharis ad mensam sedentes, opus sanctum Domini non respicientes! 5 Ue, qui quasi licite illicita iungunt nec non qui illicite licita disiungunt. Uerbis coram positis fallaces emungunt, qui caninis dentibus, detrahentes, pungunt! 6 Ue uobis, pastores et qui legis doctores, immo mercenarii, legis peruersores, et matris ecclesie dilapidatores, symonie subditi Symonis cultores! 7 Usurpato nomine sunt legis periti, nam sunt lege perditi, cum sua dimitti credunt posse crimina, mollibus uestiti, delicate uariis dapibus nutriti. 8 Quorum deus dicitur uenter incrassatus, ciborum edulio nimis dilatatus. Quibus quando fuerit aureus oblatus, pupillus et orphanus iacet uiduatus. 9 In Moysi cathedra contendunt sedere, primosque recubitus in cenis habere; imponentes sarcinas, quas illi mouere suo nolunt digito, sed neque uidere.

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10 Sacerdotes Domini uolunt appellari, sed sacerdotaliter nolunt operari; nam quecumque predicant populum sectari, ab ipsis conspicimus minus obseruari. 11 Unde restat merito, quod eorum dicta sine fructu maneant, uento derelicta; se fideles simulant in fide non ficta; que cauenda predicant, non cauent delicta. 12 Iudicabit Dominus, quos predixi tales, passuros perpetuo penas infernales. Sed qui uita, moribus sunt spirituales, erunt in celestibus angelis equales. * 1 Ihr Hirten der Kirche, nein: ihr Fürsten der Hölle, die ihr nicht nach den Gütern des Ewigen Hirten trachtet, ihr habt die Zier des himmlischen Lichtes verloren, seid bestimmt für die verzehrenden Flammen der Hölle. 2 Denn ihr verkauft Christus51 und gebt ihm Galle zu trinken, ihr durchbohrt seine heilige Seite mit der Lanze. Ihr schenkt nur dem Geld Gehör, nicht den Bitten, doch gilt: Wer umsonst erhält, soll umsonst auch geben. 3 Weh über euch, ihr Heuchler, die ihr mit eurer Heuchelei Schatten über das Licht werft, das Licht verdunkelt! Großes lasst ihr stehen und reutet Belangloses aus, und so verlasst ihr ganz und gar den Weg der Gerechtigkeit.

51 Christi mystischen Leib, d. h., die Kirche.

13 Pastores ecclesie, principes inferni

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4 Weh über euch, die ihr euch weise dünkt, bittere Kelche zu trinken gebt statt süßer, selbst aber mit Musik bei Tische sitzt und nicht auf das heilige Werk des Herrn bedacht seid! 5 Weh über die, die, als sei es erlaubt, verbinden, was nicht verbunden werden darf, und die rechtmäßig Verbundenes unerlaubt trennen! Gegen den offenkundigen Wortlaut betrügen diese Fälscher, wie Hunde beißen sie zu und richten Schaden an. 6 Weh über euch, ihr Hirten und ihr Schriftgelehrten, die ihr doch eher Mietlinge seid und Verdreher der Schrift und Verschwender des Kirchenguts und als Kirchenamtsverkäufer Diener des Zauberers Simon! 7 Den Namen Gesetz-Kundige maßen sie sich nur an, denn nach dem biblischen Gesetz sind sie verloren, wenn sie glauben, ihre Vergehen könnten vergeben werden, sie, die sich in weiche Kleider kleiden und üppig und abwechslungsreich ernähren. 8 Denn ihr Gott heißt Dicker Bauch, aufgebläht von zu viel Essen. Wenn man ihnen ein Goldstück hinhält, lassen sie Waisenkinder schutzlos in der Gosse liegen. 9 Sie behaupten, auf dem Lehrstuhl Mose zu sitzen und verlangen die besten Plätze bei Tische; sie erlegen Lasten auf, die sie weder anrühren noch auch nur ansehen möchten.

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10 Sie wollen Priester des Herrn genannt werden, wollen aber nicht wie Priester handeln, denn an nichts, was sie dem Volk zu tun predigen, halten sie sich selbst, wie man sehen kann. 11 Das Ergebnis ist daher zu Recht, dass ihre Worte keine Frucht tragen und in den Wind geschlagen werden. Sie tun so, als hingen sie treu am wahren Glauben, aber die Sünden, deren Unterlassung sie predigen, begehen sie selbst. 12 Der Herr wird die, die ich so beschrieben habe, richten. Ewige Höllenstrafen werden sie erleiden. Die aber, die in Leben und Moral den rechten Geist besitzen, die werden im Himmel Engeln gleich stehen.

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14 O curas hominum Das folgende, anonyme Gedicht wird unter anderem in der Sammlung der Carmina Burana überliefert.52 Es beginnt mit den selben Worten wie die Gedichte des Satirikers Persius und will sich deshalb wohl in die geistige Tradition der antiken Satire stellen, obwohl es eine hochmittelalterlich-moderne äußere Form wählt. Teilweise mitüberlieferte Neumen zeigen, dass es gesungen wurde. Sehr allgemein und in preziöser Ausdrucksweise wird die Korruption thematisiert, die man sich wohl eher an einer geistlichen Kurie vorzustellen hat, wo es sinnvoll ist, auf das Kirchenrecht (explicas decreta 3,5) zu verweisen und wo man auf Lateinisch nach kirchenrechtlichen Fundstellen gefragt wird (unde locus, si queritur 3,12). Dann müsste man, so wie das auch der präsumtive mittelalterliche Fortsetzer des Gedichtes53 tut, allerdings auch den Begriff Hof eines Fürsten (aula principis 2,1) auf eine fürstliche geistliche Kurie beziehen. Die Aufführung des musikbegleiteten Werkchens hat man sich dann ebenfalls in geistlicher Umgebung zu denken. Lateinischer Text: SCHUMANN & BISCHOFF 1970, S. 1; davon bin ich abgewichen in 2,5 tenui] tenuis. 1 O curas hominum, quos curat curia, o, quorum studia non habent terminum! Talium si fidem incurreret, desereret Pylades Atridem. Alter enim Theseus suum fastidit Thesea, ubi regnat Proteus et Fati ludit alea.

52 Nummer 187. 53 Die im Anhang 14 abgedruckten Oxforder Randverse zu diesem Gedicht.

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Texte 2 Ab aula principis, si nichil habeas, oportet abeas. Spem uanam concipis tenui fortuna; omnimoda ad commoda omnium mens una: A quo nil emungitur, opus perdit et operam; quod ‚habenti dabitur‘, tenent omnes ad litteram. 3 In leuum uertitur censure leuitas, fracta seueritas danti remittitur. Explicas decreta ad libitum, si sonitum dederit moneta. Plenis ere sacculis rei pena diluitur. Locum dic a loculis, ‚unde locus‘ si queritur. * 1 Ach, die Sorgen derjenigen Menschen, deren sich die Kurie annimmt, ach, ihre Bemühungen haben keine Aussicht auf Erfolg! Verfiele ein Pylades einer Verlässlichkeit wie der solcher Leute, würde er seinen Freund Orest aus der Familie des Atreus verlassen. Denn selbst ein Freund und Zweites Ich

14 O curas hominum

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wendet sich ab vom Freunde, wo eine Wandelgestalt wie Proteus das Sagen hat und das Schicksal Würfel spielt. 2 Vom Hofe eines Durchlauchten muss man, wenn man nichts hat, gehen. Nichtige Hoffnung fasst man, wenn man wenig Vermögen hat; denn für alle Gelegenheiten gilt, da sind sich alle einig: Der, von dem nichts zu holen ist, bemüht sich umsonst. Denn an das ‚Wer hat, dem wird noch gegeben‘ halten sich alle ganz wörtlich. 3 Dem, der gibt, zum Vorteil wird ein günstiger Spruch gefällt, die Strenge erfährt eine Ausnahme, er wird freigesprochen. Vorschriften des Kirchenrechts kann man vorbringen wie man will, wenn die Münzen klingen. Ein Sack voller Geld – und die Strafe eines Schuldigen ist hinweg. Das Wort locus als Absatz der Vorschrift leite ab von loculi, dem Wort für Geldschatulle, wenn man dich nach der Fundstelle fragt.

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Texte

15 Uehementi nimium commotus dolore Das folgende Gedicht, das zwischen 1241 und 1243 entstanden ist,54 ist anonym; es wurde dem kaiserlichen Minister Pietro della Vigna zugewiesen, jedoch wird diese Angabe bestritten.55 Einige Italianismen in Reim56 und Lexik57 machen, wenn schon nicht diesen, so doch irgendeinen italienischen Verfasser für diese Vagantenstrophen wahrscheinlich. Die Verwendung spezifischer Topik der römischen Verssatire bereits in Strophe 1 (und 2,1) im Zusammenhang mit der Bezeichnung sermo, die Horaz für seine Satiren gewählt hatte, lässt annehmen, dass sich der Verfasser in der Tradition der römischen Verssatire sah.58 Das Gedicht gibt sich zunächst scheinbar als Angriff auf die Hohe Geistlichkeit, um dann aus deren Fehlverhalten das eigentlich kritisierte, unheilvolle Wirken der Bettelmönche (besonders der Dominikaner und Franziskaner) abzuleiten,59 auf das man seit den Pastoral-Privilegien Gregors IX. an der Kurie und überall im Lande stoße. Für mittellateinische Satiren etwas eher Seltenes ist eine lange durchgehend ironische Passage: die Strophen 41–48 über angebliche Wundertaten.60

54 Das Gedicht ist wegen des in Strophe vorausgesetzten Todes Gregors IX. sicher nach dem 22. August 1241 geschrieben worden und wegen der in Strophe 89 ausgedrückten Hoffnung auf eine Papstwahl vermutlich vor dem 25. Juni 1243, als Innozenz IV. gewählt wurde, jedenfalls wird für die Textwelt dieser Anschein erweckt. Die dazwischen liegende Wahl Coelestins IV. war am 25. Oktober 1241, also sehr zügig erfolgt, sodass sie den Wunsch nach einer Papstwahl im Gedicht nicht motiviert hätte. Coelestin IV. regierte bis zu seinem Tode am 10. November jedoch nur 17 Tage und erst dann fand man fast zwei Jahre keinen Nachfolger, was den Wunsch nach einem Papst im Gedicht schon eher motivieren konnte. 55 CIAN 1900. 56 In Strophe 12. 57 Z. B. 58,1 und 93,4: contrata = contrà, contrada. Die in Strophe 63 hergestellte Kombination einer Affinität von Mendikanten zu Käsetorten (caseatae) und ihre Scheu, nach Italien zu gehen, könnte auf eine Perspektive des Gedichts aus Sizilien auf das italienische Festland deuten, denn die cassate waren in Sizilien entstanden, waren für die Insel charakteristisch und vielleicht besser (pinguiores 63,2) als die in Festland-Italien. – Die vom Vers nahegelegte Form fuisset statt esset in 18,4 hingegen ist eher eine poetische Lizenz als Einfluss eines italienischen fosse. 58 Das schließt die Konnotation einer Straf-Predigt (sermo) nicht aus. 59 Ab Strophe 16. 60 Virtus (43,2) wird im Mittellateinischen häufig in der Bedeutung Wunder gebraucht.

15 Uehementi nimium commotus dolore

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Lateinischer Text: CASTETS 1888, S. 438–451; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 2,1 dentem] dentes – 3,4 ydromeli] ypomenes – 4,1 conciliis] consiliis – 5, 1 est] sit – 5, 4 patris] pater – 6, 2] et prelatus] post sublatum – 8,1 flectit] splendet; colla] collis – 8,3 genua] ienua – 10,1 miscunt] miscent – 11,3 tradit] rodit – 14,4 atque quidam carceri] et quidam in carcere – 16,3 nec] non – 17,2 deberem] deberent – 18,1 secerneret] non crederet – 20,4 fideicommissarii] fide commissarii – 21,3 encenia] enxennia – 25,1 ius] hec – 27,1 mutata] mutatur; quam] a – 27,2 nunc] in – 28,3 cumera] chimera – 30,1 penitenciam] penitencias – 31,1 cum] si; cuicumque] cuiquam – 31,4 dummodo] dum tamen – 36,1 felonia] feminea – 36,3 suum] secum – 37,4 et ceperunt] inceperunt – 39,3 qui] quum; tamen] tantum – 41,4 nec] et – 45,1 Ab eis] Et omnes – 45,4 ut] sic – 47,2 sed nec] sed uero – 47,3 Dominum] animas – 52,1 nunc] non – 55,4 sed] et – 59,3 ubi sunt uel] uel ubi sunt – 59,4 indemnes] his demptis – 60,2 ne] non – 60,3 a uiduis] auidius; amatis] armatis – 62,2 cenis] renis – 62,3 sic] hac – 63,4 Pilato] Platone – 65,4 excolantes] excolentes – 67,4 quasi] quamuis – 71,3 nec ex] sed ut – 78,2 sed] et – 78,3 et] sed – 79,4 quit] quis – 82,2 dignorum] digniorum – 83,3 et] set – 85,1 liuoris] prioris – 88,3 ecclesie] studentium – 91,4 quodlibet] quilibet – 95,2 is] uos – 95,3 eos] sese – 96,3 sicuti] sicut – 98,3 suarum] suam. 1 Uehementi nimium commotus dolore sermonem aggrediar furibundi more, et quosdam redarguam in meo furore nullum mordens odio uel palpans amore. 2 In prelatis igitur primo dentem figo, quorum uita subditis mortis est origo et malorum omnium corrodit rubigo, per quam grex inficitur, dum serpit serpigo. 3 Est abhominabilis prelatorum uita, quibus est cor felleum linguaque mellita; dulce canit fistula eorum, et ita propinant ydromeli, miscent aconita.

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4 Fluxum in conciliis agunt, et non fructum: Uide patrimonium Christi iam destructum! Et plorat ecclesia, nec dimittit luctum frequentans suspirium ab ymo deductum. 5 Uita siue moribus si quis est insignis, caret beneficio, quod prestant indignis cognatis et filiis suisque priuignis, in quibus luxurie patris ardet ignis. 6 Fur, ut gregem rapiat et perdat et mactet, et prelatus properat, non ut eum lactet, set ut prauis usibus lac et lanam tractet, cum spem non in Domino, sed in nummis iactet. 7 Prelato pecunie ostendas aceruum, si uis eum humilem tibi non proteruum: Dum sectant cum Simone Helisei seruum, relaxant iusticiam uel dirumpunt neruum. 8 Non flectit humilitas colla prelatorum, sed superbe satagunt non tantum minorum sibi flecti genua, sed superiorum, cum Deus humiliet colla superborum. 9 Prefecit ecclesie Christus piscatorem, ut haberet humilem per secla pastorem, nunc uero non eligunt Petro successorem, Constantino similem sed querunt rectorem. 10 Bella miscunt pariter et sediciones inter plebem, milites, reges, et barones,

15 Uehementi nimium commotus dolore unde fiunt hodie tot occasiones, quod fere se perimunt omnes nationes. 11 Regnum regnum destruit et gens perdit gentem, diues mactat pauperem et pauper potentem, pater tradit filium et ipse parentem, nec fratrem inuenies fratrem diligentem. 12 Partes mundi quatuor nunc guerra lacessit, nec mare nec fluuius nec terra quiescit; omnis homo fulminat et arma capescit, et pestis discordie tota die crescit. 13 Totus est in cedibus orbis inuolutus, et hinc inde gladius uersatur acutus, est uasallus domini cruore pollutus, nec hospes ab hospite potest esse tutus. 14 A prelatis omnia hec ortum traxerunt. Sed ipsos pericula non pretermiserunt, nam nauali prelio quidam perierunt, atque quidam carceri obtrusi fuerunt. 15 Credo, quod Gregorius, qui dictus est nonus, fuit apostolicus uir, sanctus, et bonus; sed per mundi climata strepit eius sonus, quod ad guerras fuerat semper nimis pronus. 16 Hic de suis finibus coegit exire antiquam Concordiam, et fecit abire ultra mundi limites; nec potest quis scire, ubi nunc permaneat, uel saltem audire.

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17 Uir sanctus sic fecerat. Nam Pre-dicatores, quos deberem dicere pre-uaricatores, semper secum habuit, et Fratres Minores, qui suum peruerterant sensum atque mores. 18 Si papa secerneret istos detractores, amicos discordie et seminatores, imperator hodie inter amatores fuisset ecclesie atque defensores. 19 Isti, si pontificum non sunt electores, statim eligencium sunt reprehensores, et electos reprobant, quamuis sanctiores ipsis sint et litteris eminenciores. 20 Aduocati, medici, et procuratores, tutores, et iudices sunt, et curatores, uoluntatis ultime sunt ordinatores, fideicommissarii et executores. 21 Cunctorum contractuum sunt mediatores, defensores criminum et palliatores; si dentur encenia, sunt adulatores, si cessant seruicia, sunt accusatores. 22 Ergo mimi merito uel ioculatores dici possunt seculi uel baratatores. Aliorum ordinum fiunt contemptores, nam se credunt aliis excellenciores. 23 Per fora, per nundinas atque per plateas discurrunt, per cameras, nec uitant coreas,

15 Uehementi nimium commotus dolore et si fiunt nupcie, mox uadunt ad eas – quod non credo doceat Baruch nec Micheas. 24 Cumque per prouinicias sunt inquisitores, malos beatificant, dampnant meliores, et qui cibos preparant eis lautiores, fiunt inter ceteros laude digniores. 25 Non solum ecclesias grauant ius dicendo, sed parochialia iura minuendo, propter quod sunt clerici facti non soluendo, quia fratres preualent in accipiendo. 26 Ista priuilegia sunt eis indulta a papa Gregorio, quibus est suffulta eorum presumpcio superba et stulta, et parochialia iura sunt sepulta. 27 Mutata ecclesia quam statu priore per hec priuilegia nunc deteriore: Plorant suo canones carere uigore, plorant suo clerici priuari honore. 28 Iis dantur omnia, nec deest reuera, quod mensura, numerus capit et statera. Seculares clerici sunt quasi cumera: Sic respondet hospiti suo mus in pera. 29 Creuit inter ordines fratrum zizania, qua Rachel inficitur, fatigatur Lya; propter ipsos deserunt omnes loca pia et dimittunt pauperes ieiunos in uia.

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30 Cumque penitenciam confessis iniungunt, quos deberent pungere, adulantes ungunt, quos deberent ungere, increpant et pungunt, et, cum possunt, aliquid ab eis emungunt. 31 Sed cum penitencia sit cuicumque data a suo presbitero, ut reddat ablata, fratres penitenciam laxant et peccata, dummodo pecunia sit eis oblata: 32 Hi sibi restitui faciunt usuras et id, quod adquiritur per falsas mensuras. Inde libros faciunt et magnas structuras, sed propter hoc anime non sanant fissuras. 33 Erat nostris partibus uir exercens fenus, uir nequam, uir Belial, uir nimis obscenus, monetam falsificans summi regis, plenus omni labe, respuens femineum genus. 34 Hic semper discordias inter fratres seuit, Dei et ecclesie semper iussa spreuit, furtis, homicidiis et rapinis creuit, et domum illicito thesauro repleuit. 35 Hic mittebat fratribus hora matutina oua, pisces, caseos, meliora uina, pastillos, artocreas; et eius rapina erat fratrum fertilis frequenter coquina. 36 Hunc cum de felonia quidam accusaret, et coram episcopo causam uentilaret,

15 Uehementi nimium commotus dolore libellumque curie suum presentaret, et cause notarius acta compilaret, 37 ecce, fratres ueniunt cappis eleuatis parte fere media, brachiis nudatis, extractis capuciis, oculis elatis, et ceperunt dicere uultibus iratis: 38 „Cur est accusatio contra iustum mota, cuius est a crimine uita munda tota? Cuius est confessio nobis bene nota, per quam conscientia est a labe lota.“ 39 Fratrum testimonio fuit absolutus ille tot sceleribus tantisque pollutus, qui non tantum pristinam uitam est secutus, sed fuit maioribus culpis inuolutus. 40 Inde fuit postmodum facta cantilena: „Bonum testimonium bona facit cena fecundique calices et diues crumena.“ Ista fratres diligunt nec spernunt terrena. 41 Olim, in principio, uestitu contenti et uictu residuum dabant indigenti; nunc questores olei, uini, et frumenti, nec sunt ad pecuniam congregandam lenti. 42 Si ordo huiusmodi non esset egressus, mundus tot pericula non esset perpessus. Antequam prosequerer eorum excessus, scio, quod millesies prius essem fessus.

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43 Sed sicut de uiciis recitaui quedam, ita de uirtutibus nunc sermonem edam, et ipsos offendere nullomodo credam, sed per uiam mediam, ut decet, incedam. 44 Sunt ab eis mortui plures suscitati, ceci, surdi, debiles, infirmi sanati; fugatique demones, leprosi mundati et aperti carceres, naute liberati. 45 Ab eis audiuimus aquam factam uinum, per Iohannem scilicet et per Iacobinum, (quod gustatum fuerat per architriclinum) ut fecisse legimus beatum Martinum. 46 Loquebatur Dominus eis, cum uolebant, et ad ipsos angeli boni descendebant, et mali similiter eis apparebant, qui suis per omnia mandatis fauebant. 47 His nunquam apostoli fecere maiora, sed nec his similia; nam quacumque hora inuocabant Dominum fratres, sine mora fiebant miracula laude digniora. 48 Uisiones aliquas per raptum uiderunt, sed non licet homini loqui, que fuerunt. De futuris etiam plura predixerunt, que sicut predixerant ita contigerunt. 49 Signa quidem plurima sunt ab eis facta, que fuissent omnia hoc scripto redacta,

15 Uehementi nimium commotus dolore sed cum uellem scribere, penna fuit fracta et bissexti numerus creuit in epacta. 50 Uos precor, hoc credite, qui signa uidistis, nam et ego crederem, sed sum nimis tristis, hec namque miracula, que nunc audiuistis, uersa sunt in nichilum in diebus istis: 51 Partem quoque maximam subtraxere fures, deinde residuum comedere mures – sed, si scire forsitan ueritatem cures, testes tibi dabimus, qui uiderunt, plures. 52 Qui nunc habent biblias sibi preparatas, sic fantur episcopis: „Multum diffamatas habetis dioceses et coinquinatas; nobis constat hereses ibi seminatas. 53 Nec utuntur clerici uestri uestimentis, nec tonsuris congruis in iure contentis, et tenent focarias, quod clamor est gentis, quod ex gradientibus patet argumentis. 54 Aut hec inquisitio nobis committetur aut in uos infamia tota conuertetur.“ Annuunt episcopi, nam quisque ueretur, ni faueret fratribus, quod accusaretur. 55 Inquirentes igitur primo clericorum de uita et moribus, post hec laicorum: Scribunt fratres diuitum peccata reorum, sed non curant scribere culpas egenorum.

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56 Dehinc reum conuocant, et turba reiecta dicunt: „Ista crimina tibi sunt obiecta. Pone libras quindecim in nostra collecta, et tua flagicia non erunt detecta.“ 57 Reus dat denarios, fratres scriptum radunt. Sic infames plurimi per nummos euadunt. Qui uero pecuniam, quam petunt, non tradunt, simul in infamiam et in penam cadunt. 58 Post hec ad episcopos sic bursis repletis reuertentes inquiunt: „Gaudere debetis, nam plebem catholicam et bonam habetis: Credunt euangeliis et sanctis prophetis.“ 59 Adulantes uiciis fiunt ‚Canes‘ muti, cum timent pericula imminere, tuti ubi sunt uel aliquod munus assecuti, indemnes nec uicio parcunt nec uirtuti. 60 Et hoc est, quod dixerat Uerbum Ueritatis: Occisores corporum ne pertimeatis. Sic fratres a uiduis non timent amatis, quod ipsos dilapident magnis caseatis. 61 Sic se gerunt maxime in illis contratis, que carent heretice labe prauitatis. Sed partes Ytalie non inquirunt satis, ubi uulpes latitant, caudis intricatis. 62 His triti uerberibus et afflicti penis, quas ferunt in prandiis fratres et in cenis,

15 Uehementi nimium commotus dolore ut sic seua uulnera pellant ab egenis, predicatum nequeunt ire Sarracenis. 63 Dum parcunt Ytalie, aut timent de morte aut in terris aliis pinguiores forte caseatas comedunt, et post uinum forte disputant de Pontio Pilato uel sorte. 64 Inquirunt, ut populis inducant tremorem magis quam, ut heresis euellant errorem, quia multi tribuunt eis per timorem, qui non darent penitus ipsis ob amorem. 65 Dei atque proximi simulantes zelum non uerentur ponere suum os in celum, et secum ypocrisis deportantes uelum excolantes culicem glutiunt camelum. 66 Ingerunt consiliis se non inuitati, quicquid agant layci, quicquid litterati et maiores clerici seu magni prelati, spernunt et uituperant, nisi sint uocati. 67 Hi portantes gladium more furibundi: Per iura, que nesciunt, et summam Raymundi credunt se confundere nec posse confundi omnes, quasi fuerint in iure profundi. [68] 69 Per ipsam causidici sunt fratres effecti, ipsam habent sociam mense, uie, lecti, ut uideri ualeant in iure prouecti, nec curant de bibliis, quas solent amplecti.

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70 Eneruant et destruunt iuris equitatem, nec secuntur canonum meram ueritatem. Plenam esse clauibus negant potestatem, quod quidem hereticam sapit prauitatem. 71 De occultis iudicant ut de manifestis, et quem nec confessio conuincit nec testis, nec ex euidentia de peccatis gestis, dampnant decretalibus spretis et digestis. 72 Quos uolunt absoluere, absoluunt – uel ligant, quos uolunt alleuiant, quos uolunt fatigant. Si qui eos forsitan secreto castigant, tempus querunt, talibus ut penam infligant. 73 Omnis homo gaudeat! Tot ‚papas‘ uidemus! Non ergo de curia Romana curemus, nam cuncta cum fratribus hec expediemus – dummodo pecuniam, quam petunt, portemus. 74 Hos prelati, pessima qui fama laborant, quorum multa crimina famam decolorant, ne ipsos redarguant, pascunt et honorant, et timore criminum ut deos honorant. 75 Utque per episcopos fratres uenerantur, sic per ipsos crimina sua palliantur. Dum sese funiculo tali federantur, his crescit presumpcio, illi deprauantur. 76 Nam si de his quispiam esset accusatus, fratres clamant: „Sanctior non uiuit prelatus.“

15 Uehementi nimium commotus dolore Quiuis Simoniacus notus et probatus sic prelatus remanet, et secum reatus. 77 Et cum more solito faciunt sermonem, uidentur in cathedra dare lectionem. Hoc ad suam faciunt ostentacionem, sed non audientium ad instructionem. 78 Horum non inuenies quemquam uerbo parcum, sed pudet inducere Matheum uel Marcum; et per Aristotilem et per Aristarcum in prauum, dum predicant, conuertuntur arcum. 79 Cum deberent populum ad bonum hortari, querunt, cur oportuit spheram rotundari, et querunt de circulo, si posset quadrari, trigono quadrangulus, si quit alternari, 80 sol, quot debet gradibus in signo morari, unde possunt grandines estate creari. De his et similibus non deberent fari, cum non possit populus his edificari. 81 Ecce, palam predicant, quod non est peccatum retinere decimas, quod est reprobatum per Romanam curiam et legis mandatum, Augustini etiam decreto firmatum. 82 Uerum de Concordia, que iam exulauit, quidam fide dignorum sic mihi narrauit, qui Cisterciensium ordinem intrauit ipsorumque manibus se recommendauit:

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83 Fratres eam diligunt et habent honori, nec ipsam dimitterent, si deberent mori; et preces cotidie fundunt creatori, quod ipsos confederet ipsius amori. 84 Monuerunt attamen ipsam, ut rediret ad Romanam curiam et cum eis iret. – Que respondit flebilis, quod nunquam ueniret, quamdiu in curia dictos fratres sciret: 85 ‚Ipsi nam Discordiam, liuoris amicam michiqueque contrariam et hostem antiquam, fouent, et me deprimunt cedis inimicam, dum latenter liliis immiscent urticam. 86 Deo et hominibus et mari et uentis, toti mundo conqueror, necnon elementis de predictis fratribus, qui suis figmentis me fugant de medio uniuerse gentis. 87 Cessare non poterit strepitus bellorum, Ordo ni cassabitur fratrum P-erditorum, nam dicit ueridicus sermo seniorum: Pacem terris abstulit aduentus eorum. 88 Per hos fratres omnium quies perturbatur, unionis uinculum per ipsos uastatur; libertas ecclesie sic eliminatur, quod per priuilegia nullus iam curatur. 89 Radius Concordie per hos eclipsatur, et pacis stabilitas ruinam minatur,

15 Uehementi nimium commotus dolore omnisque securitas procul effugatur, et uix quies modica aliquibus datur. 90 Sed si papam Dominus nobis talem daret, eorum consilium qui non approbaret, et qui supercilium eorum calcaret, quin, irem ad curiam, nichil me tardaret. 91 Qui postquam silentium fratribus imponet, credo, quod hanc gratiam Deus mihi donet, quod rancorem pristinum uterque deponet atque meis precibus quodlibet componet, 92 imperator scilicet et papa futurus. Recedet Discordia et pax erit murus: Omnis homo poterit dormire securus, a nullo calumpniam uel dampnum passurus. 93 Nam cum in capitibus pax erit firmata, in membris per consequens erit reformata: Mons, uallis, planicies quiescent, et strata, domus, habitaculum, et omnis contrata. 94 Imperator etenim semper fuit talis, quod eius iusticia non pepercit malis, quamuis esset etiam suus commensalis uel amicus quilibet magis specialis. 95 Cui det longo tempore Christus imperare! Scit is et ecclesie hostes superare et scit cum imperio eos gubernare, ut eum ecclesia possit commendare.‘

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96 Ille qui, dum Lazarum suscitaret, fleuit, qui pro nobis triduo sepulcro quieuit, papam nobis suscitet sicuti consueuit

97 et fratrum consilio diu exulatam reuocet Concordiam a nobis optatam. Ipsorum a curia turbam effrenatam pellat, ut custodiat pacem illibatam.” 98 Equus meus debilis et fessus anhelat, campum non deficere, sed uires reuelat, nec suarum uirium paruitatem celat, timensque deficere, cursum non protelat. * 1 Übermäßige Erbitterung veranlasst mich, jetzt eine wütende Strafpredigt zu halten. In meiner Wut will ich einige tadeln, will aber keinen aus Hass verletzen, keinem aus Liebe schmeicheln. 2 Als Erstes verbeiße ich mich denn in die Hohe Geistlichkeit, deren Vorbild ihre Untergebenen ins ewige Verderben führt und deren Fäulnis aus allen Sünden sich weiter verbreitet und, solange die Maden aus ihrer Krankheit weiterkriechen, ihre Herde infiziert. 3 Das Leben dieser Prälaten ist verabscheuungswürdig. Sie haben Bitterkeit im Herzen und Süße auf der Zunge, sie flöten süß, und so stoßen sie mit süßem Met an – in den sie Eisenhut-Gift mischen.

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4 Ihr Ziel auf Kirchenversammlungen ist das Hin und Her, nicht ein Ergebnis: Sieh, wie deshalb das Erbe Christi schon zerstört ist. Und die Kirche weint und trauert ohne Unterlass, seufzt immer wieder aus tiefster Seele. 5 Führt jemand ein besonders tugendhaftes Leben, bekommt er keine Stelle, weil sie diese Stellen für unwürdige Verwandte, für Söhne und Stiefsöhne brauchen, in denen die heiße Geilheit ihrer Väter lodert. 6 Ein Dieb eilt, dass er die Herde raube, vernichte und schlachte, und ein Prälat eilt nicht etwa, dass er die Herde nähre, sondern dass er sich ihre Milch und Wolle hole, zu unrechtem Gebrauch, weil er seine Hoffnung nicht auf den Herrn setzt, sondern aufs Geld. 7 Zeig einem Prälaten einen Haufen Geld, wenn du willst, dass er dir gegenüber demütig ist, und nicht unverschämt. Solange sie zur Sekte des ämterkaufenden Magiers Simon und Elisas sakramenteverkaufenden Knechts Giezi gehören, lassen sie die Gerechtigkeit schleifen oder befreien aus Haft. 8 Den Hals der Prälaten beugt keine Demut, im Gegenteil, voll Hochmut haben sie genug damit zu tun, dass sich vor ihnen nicht nur die Knie der Niedrigeren beugen, sondern auch die der Höheren im Stande – wo doch Gott die Hochmütigen zu Schanden macht. 9 Christus hat seiner Kirche einen Fischer an die Spitze gestellt, damit ein demütiger Hirte sie durch die Zeiten führe, jetzt aber wählt man keinen Nachfolger für den Fischer Petrus, sondern sucht einen Führer nach der Art eines Kaisers Konstantin.

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10 Kriege und Aufstände verursachen sie zwischen dem Volk und der Ritterschaft, den Königen und den Baronen, weshalb es heute so viele Gelegenheiten gibt, dass fast alle Völker einander umbringen. 11 Ein Reich zerstört das andere, ein Volk vernichtet das andere, der Reiche tötet den Armen und der Arme den Mächtigen, der Vater verrät den Sohn und der Sohn den Vater, und es gibt den Bruder nicht mehr, der seinen Bruder liebte. 12 In allen vier Himmelsrichtungen zerfleischt Krieg jetzt die Welt, Meer nicht, und Fluss nicht, und das Land nicht finden Ruhe, jeder tobt, greift sofort zu den Waffen, und die Pest der Zwietracht nimmt von Stunde zu Stunde zu. 13 Morden überzieht den ganzen Erdkreis, allenthalben führt man scharfe Schwerter, vom Blut seines Herrn ist der Gefolgsmann befleckt, und der Gast kann nicht mehr sicher sein beim Gastfreund. 14 An all dem sind die Prälaten schuld. Aber auch sie sind Gefahren nicht entgangen, denn einige sind bei einer Seeschlacht ertrunken, und andere wurden in den Kerker geworfen. 15 Ich glaube, dass Gregor, den man den Neunten nennt, ein apostelngleicher Mann war, gut und heiligmäßig. Doch seine Name hallt deshalb in allen Gegenden der Welt nach, weil er stets allzu sehr auf Kriege setzte. 16 Er zwang die alteingesessene Eintracht dazu, aus ihrem Gebiet zu weichen,

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jagte sie hinaus über die Grenzen der Welt, und niemand kann in Erfahrung bringen, wo sie sich jetzt aufhält, nicht einmal gerüchteweise. 17 Das hatte der heilige Mann bewirkt, denn er hatte den Prediger-Orden, den ich einen Räuber-Orden nennen sollte, immer um sich, und Franziskaner-Minderbrüder, die seinen Sinn und Charakter verdorben hatten. 18 Wenn der Papst sich von diesen Verleumdern getrennt hätte, von diesen Freunden und Verbreitern der Zwietracht, dann fände man heute den Kaiser unter denen, die die Kirche lieben und sie verteidigen. 19 Wenn diese Mönche nicht zu Bischofswahlberechtigten gehören, dann greifen sie sofort die Wahlmänner an und sie beschimpfen die Gewählten, obwohl die heiligmäßiger sind als sie selbst, und gebildeter auch. 20 Advokaten spielen sie, und Ärzte und Verwalter, Wächter und Richter und Vormünder, Einleiter von Erbschaftsverfahren, Verwalter und Vollstrecker von Erbschaften. 21 Bei allen Vertragsabschlüssen sind sie die Makler, sind Verteidiger und Verschleierer von Untaten. Gibt man ein Gelage, sind sie überfreundlich, gibt es nichts mehr, werden sie giftig. 22 Zu Recht also kann man sie Schauspieler oder Gaukler nennen, oder aller Welt Betrüger. Auf andere Orden schauen sie herab, denn sie halten sich für besser als die Anderen.

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23 Über die Plätze und Märkte und Straßen huschen sie, durch die Häuser; sie gehen auch da hin, wo man tanzt, und sind gleich zur Stelle, wenn es eine Hochzeit gibt. Die Lehre des Baruch ist das kaum, auch die nicht des Micheas. 24 Und wenn sie als Inquisitoren außerhalb der Stadt sind, preisen sie die Sünder als Heilige und verdammen die Guten, und wer ihnen erwählteste Gaumenfreuden bereitet, kommt bei ihnen besser als alle anderen weg. 25 Sie belasten die Kirchen nicht nur durch das Recht, das sie sprechen, sondern auch durch Minderung der Rechte von Pfarren, und so haben Pfarrer ihre wirtschaftliche Existenz verloren, weil die Ordensbrüder das meiste in ihre eigene Tasche leiten. 26 Diese Privilegien wurden ihnen von Papst Gregor dem Neunten verliehen und stützen jetzt ihre dumme und hochmütige Anmaßung, und die Rechte der Pfarrer sind gestorben. 27 Der frühere Zustand der Kirche hat sich verändert, er ist durch diese Privilegien jetzt schlechter geworden, denn die Kirchenrechtsvorschriften trauern, weil sie nicht mehr ihre Verbindlichkeit haben, und die Kleriker trauern, weil sie ihre ehrenvollen Einkünfte verlieren. 28 Den Mönchen aber wird alles gegeben, und, in der Tat, nichts fehlt ihnen, was man messen kann, oder zählen, oder wägen. Die Weltgeistlichen sind dagegen wie ein Kornbehälter: So vergilt es die Maus im Quersack ihrem Wirte.

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29 Zwischen den Mönchsorden ist ein Unkraut aufgewachsen, durch das die wie Rachel Kontemplativen entweiht werden und die wie Lea Aktiven erlahmen; jener Brüder wegen verlassen alle ihre Stätten frommen Lebens und schicken, anders als Jesus bei Markus, die Armen hungrig nach Hause. 30 Und wenn jene Privilegierten den Beichtenden die Buße auferlegen, umschmeicheln sie salbungsvoll die, denen sie wehtun sollten, und die, die sie beruhigen sollten, schelten sie und tun ihnen weh, und, wenn es geht, betrügen sie sie noch um etwas. 31 Während jedem von seinem rechtmäßigen Priester als Buße auferlegt wird, dass er gestohlenes Gut wieder zurückgibt, befreien jene Brüder von Buße und Sünden unter der Auflage, dass das gestohlene Geld an sie selbst fließt: 32 Die Erträge von Wucherzinsen lassen sie an sich selbst erstatten, auch den Gewinn, den falsches Gewicht gebracht hat. Davon machen sie Bücher und gewaltige Bauten, aber deshalb heilen sie nicht Sprünge in einer Seele. 33 Bei uns gab es einen Zinshai, einen liederlichen Mann, einen Teufel und Dreckskerl, der die Münzen des hohen Königs fälschte, voll war von aller Schande und nur Männern zugetan. 34 Er säte stets Zwietracht unter Brüdern, missachtete stets die Gebote Gottes und der Kirche, machte Gewinn durch Betrug, durch Raub und durch Mord, und füllte sein Haus mit Schätzen aus seinen Untaten an. 35 Dieser Mann schickte schon in der Morgenstunde jenen Brüdern Eier und Fisch, Käse und guten Wein,

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Brötchen und Speckbrote; und von dem, was er geraubt hatte, wurde der Speisezettel der Brüder oft recht üppig. 36 Als ihn jemand wegen seiner Missetaten vor Gericht zog und vor dem Bischof die Sache darstellen wollte, und seine Anklageschrift am Bischofshof vorlegte, und der Schreiber eine Akte über den Fall zusammenstellte, 37 schau, da kommen die Brüder gerannt, die Gewänder hochgerafft bis fast zum Bauch, die Arme entblößt, die Kapuzen abgesetzt, die Augen zum Himmel erhoben und beginnen mit Zornesmiene zu reden: 38 „Warum wird eine Untersuchung gegen diesen Gerechten eingeleitet, dessen ganzes Leben rein von Schuld ist? Seine Beichte ist uns bekannt, durch die er sein Gewissen gereinigt hat.“ 39 Aufgrund des Zeugnisses der Brüder wurde er freigesprochen, er, den so viele und so schlimme Verbrechen beflecken; und er hat nicht nur sein früheres Leben fortgesetzt, sondern sich in noch größere Schuld verstrickt. 40 Deshalb hat man später ein Lied darüber gedichtet, das besingt, dass ein gutes Essen ein gutes Zeugnis bewirkt, zusammen mit reichlich Wein und mit viel Geld. So etwas lieben die Brüder, Weltlichem sind sie nicht abgeneigt. 41 Früher, ganz zu Anfang, waren sie zufrieden damit, Kleidung und Nahrung zu haben, und gaben alles andere den Armen. Heute sind sie hinter Öl und Wein und Brot her und sind auch beim Ansammeln von Geld nicht faul.

15 Uehementi nimium commotus dolore 42 Wenn der Orden nicht derart ausgeartet wäre, wäre der Welt so viel Schlimmes erspart geblieben. Aber ehe ich all ihre Exzesse aufzählen könnte, würde mich, das weiß ich, tausendmal die Kraft verlassen. 43 Doch so, wie ich einiges über ihre Fehler berichtet habe, will ich jetzt auch über ihre Wunder-Leistungen sprechen, wobei ich, nach meiner Ansicht, ihnen nicht zu nahe treten, sondern mich brav zurückhalten werde. 44 Von ihnen sind viele Tote zum Leben erweckt worden, es wurden Blinde, Taube, Krüppel und Kranke geheilt; böse Geister wurden ausgetrieben und Leprakranke geheilt, es wurden Kerker geöffnet und gefangene Seeleute befreit. 45 Durch sie, so haben wir gehört, ist Wasser zu Wein verwandelt worden, nämlich durch Johannes und Jakobus, Wein, den sogar der Truchsess für gut befand, wie wir das vom Heiligen Martin lesen. 46 Gott sprach zu ihnen, sooft sie das wollten, und gute Geister stiegen zu ihnen herab, und böse erschienen ihnen in ähnlicher Weise, die all das tun mussten, was sie ihnen befahlen. 47 Die Apostel vollbrachten niemals Größeres, ja nicht einmal Ähnliches. Denn zu jeder Stunde, da die Brüder den Herrn anriefen, ereigneten sich unverzüglich Wunder, und zwar noch viel bemerkenswertere. 48 Sie hatten in ihrer Verzückung bedeutende Gesichte, aber keinem Menschen ist es erlaubt zu sagen, welche Gesichte.

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Auch haben sie vieles über die Zukunft vorausgesagt, was sich dann so zutrug, wie sie es vorausgesagt hatten. 49 Sie ließen auch gar viele Zeichen geschehen, die ich alle aufgeschrieben hätte, aber als ich sie aufschreiben wollte, da zerbrach darüber meine Feder, und Schaltjahre vergingen. 50 Ich bitte euch, glaubet dies, ihr, die ihr die Zeichen gesehen habt, denn auch ich würde das glauben, aber leider, leider, haben sich diese Wunder, von denen ihr jetzt gehört habt, in jenen Tagen in nichts aufgelöst: 51 Und den größten Teil haben Diebe gestohlen, den Rest haben Mäuse gefressen –, aber wenn es dir vielleicht um die Wahrheit geht, werde ich dir viele Zeugen benennen, die das gesehen haben. 52 Sie, die jetzt Bibeln haben, die mit einer Kapitelzählung für sie hergestellt wurden, sprechen so zu den Bischöfen: „Ganz übel beleumundete Diözesen habt ihr, und verseuchte; wir sind überzeugt, dass in ihnen Häresien aufgegangen sind. 53 Und eure Kleriker tragen auch nicht die vorgeschriebene Kleidung, und sie haben nicht die Tonsuren, die im Kirchenrecht stehen, und sie halten sich dienstbare Frauen, wie das Volk behauptet und wie man an den Beweisen sieht, die auf zwei Beinen herumlaufen. 54 Entweder vertraut ihr es uns an, das zu untersuchen, oder der ganze Skandal wird auf euch zurückfallen.“ Die Bischöfe stimmen dann zu, denn jeder hat Angst, dass er selbst zum Beklagten wird, wenn er den Brüdern nicht nachgibt.

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55 Die Brüder untersuchen zunächst das Leben und die Moral der Kleriker, dann kommen die Laien dran: Sie schreiben auf, was die Reichen gefehlt haben, Schuld von Armen aufzuschreiben, interessiert sie nicht. 56 Dann rufen sie den Angeschuldigten zur Seite und sagen ihm: „Folgende Vorwürfe werden gegen dich erhoben. Leg 15 Pfund Silber in unsere Gabensammlung, und deine Verfehlungen werden nicht aufgedeckt werden.“ 57 Der Angeschuldigte gibt das Geld und die Brüder streichen die Anklagepunkte. So gehen die meisten Schurken wegen solcher Zahlungen durchs Netz. Die aber, die das geforderte Geld nicht geben, verfallen Schande und Strafe. 58 Nachdem sie so ihre Geldsäcke gefüllt haben, kehren die Brüder zu den Bischöfen zurück und sagen: „Ihr habt Grund zur Freude, denn ihr habt ein gutes und katholisches Kirchenvolk, das an die Lehre der Evangelien und der heiligen Verkünder glaubt.“ 59 Bei Sünden wedeln sie freundlich mit dem Schwanz, diese dominikanischen Wach-Hunde Gottes, und sie werden still, wenn sie eine drohende Gefahr spüren; aber sobald sie sicher sind oder erkauft, dann fallen sie, ohne Risiko, über Sünder wie über Gerechte her. 60 All so sprach bei Lukas und Matthäus die Stimme der Wahrheit: Fürchtet nicht die, die Körper töten können. Daher haben die Brüder keine Furcht vor den geliebten Witwen, dass die sie unter großen Käsetorten begrüben.

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61 So verbringen sie ihre Zeit hauptsächlich in den Straßenzügen, die frei sind von der Schande häretischer Schlechtigkeit. Doch jene Teile Italiens untersuchen sie zu wenig, wo sich die Häretiker-Füchse verstecken, weil sie den Schwanz einziehen. 62 Bereits durch jene Schläge zermürbt und mit jenen Strafen gestraft, die sie bei den täglichen Mahlzeiten ertragen müssen, um dadurch schweres Leid von Bedürftigen zu wenden, sind die Brüder nicht in der Lage, zu den Heiden predigen zu gehen. 63 Sofern sie Italien verschonen, tun sie das entweder, weil sie doch um ihr Leben fürchten, oder weil sie vielleicht in anderen Landen fettere Käsetorten essen und nach einem starken Wein dann über Pontius Pilatus oder den Häufelschluss disputieren. 64 Sie führen die Inquisition mehr durch, um den Leuten Furcht einzuflößen, als um den Irrglauben auszurotten, denn viele, die ihnen aus Liebe gar nichts geben würden, geben ihnen dann etwas, wenn sie Furcht vor ihnen haben. 65 Sie heucheln Eifer für Gott und den Nächsten, und sie scheuen sich nicht, wie vom Himmel herab zu reden, und verstecken sich hinter ihrer Heuchelei, wenn sie eine Mücke aus dem Becher fischen, aber ein Kamel verschlucken. 66 Sie drängen sich ein in Beratungen, zu denen sie nicht eingeladen sind, und was Laien verhandeln, was Gelehrte verhandeln und höhere Kleriker oder hohe Prälaten, das gilt ihnen nichts, und sie kritisieren es, wenn sie nicht beigeladen wurden.

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67 Wie Rasende führen sie ein Schwert: Mit einem Recht, das sie nicht kennen, und mit der Summe des Raimund von Penyafort glauben sie, alle widerlegen zu können, selbst aber unwiderlegbar zu sein, als ob sie große Rechtskundige wären. [68] 69 Durch diese Summe sind die Brüder zu Prozessrednern geworden, sie schleppen die Summe mit sich bei Tisch, auf dem Weg und im Bett, damit es so aussieht, als verstünden sie viel vom Recht, aber sie kümmern sich nicht um die Bibeln, die sie in den Händen halten. 70 Sie schwächen und zerstören die Gleichheit des Rechts, und sie halten sich auch nicht an die reine Lehre der Kirchenrechtsvorschriften. Sie bestreiten die volle Binde- und Lösegewalt der Kirche, was deutlich nach übler Ketzerei riecht. 71 Was unbekannt ist, darüber urteilen sie so, als sei es bekannt; auch wenn einer nicht durch Geständnis oder durch Zeugen überführt ist und auch nicht durch Evidenz seiner Übeltaten, verurteilen sie ihn, unter Missachtung der Decreta und der Digesta. 72 Wen sie freisprechen wollen, den sprechen sie frei – oder auch nicht; wem sie die Strafe mildern wollen, dem mildern sie sie, anderen verschärfen sie sie. Wenn jemand sie etwa insgeheim tadelt, warten sie nur auf eine Gelegenheit, Rache zu nehmen. 73 Jedermann freue sich! So viele ‚Päpste‘ sehen wir nun! Also brauchen wir uns nicht mehr um die Kurie in Rom zu kümmern, denn alles werden wir mit den Brüdern klären – wenn wir nur so viel Geld heranschaffen, wie sie haben wollen.

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74 Besonders übel beleumdete Prälaten, deren Ansehen von vielen Vergehen befleckt ist, nähren und ehren diese Brüder, damit sie nicht selbst angegriffen werden, und erweisen ihnen aus Furcht vor Anschuldigungen fast göttliche Ehren. 75 Und in dem Maße, wie die Bischöfe die Brüder hofieren, verdecken diese deren Verbrechen. Solange sie sich mit einem solchen Seil verbinden, werden die Brüder hochmütiger und die Bischöfe schlechter. 76 Denn wenn irgendeiner von ihnen angeklagt würde, schrien die Brüder sofort: „Nirgends gibt es einen Prälaten so heiligmäßig wie diesen.“ Jeder bekannte und nachweislich simonistische Prälat bleibt auf diese Weise Prälat, und mit ihm seine Schuld. 77 Wenn sie dann nach ihrer üblichen Art eine Predigt halten, scheinen sie von einem Lehrstuhl herab eine Vorlesung zu halten. Das tun sie, um sich selbst in Szene zu setzen, aber nicht, um ihre Zuhörer zu belehren. 78 Keiner von ihnen kann seinen Wortschwall bremsen, doch Matthäus oder Markus zitiert er nicht; und mit Aristoteles- und Aristarchzitaten fassen sie in ihren Predigten das falsche Ziel ins Auge. 79 Während sie eigentlich das Volk zum Guten ermahnen sollten, stellen sie die Frage nach dem Sinn der Rundung der Kugel, stellen die Frage, ob ein Kreis quadriert werden könne, ob in ein Dreieck ein Viereck verwandelt werden könne, 80 in wie vielen Dekanaten eines Tierkreiszeichens die Sonne stehen müsse und weshalb im Sommer der Hagel entstehen könne.

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Über solches und Ähnliches sollten sie eigentlich nicht sprechen, denn damit kann man das Volk nicht geistlich stärken. 81 Seht nur, öffentlich predigen sie, es sei keine Sünde, wenn man den Kirchenzehnt nicht abliefere – was verworfen wird von der Kurie in Rom und von der Vorschrift des Gesetzes, zusätzlich durch einen Lehrsatz des Augustinus. 82 Nun ja, über die Eintracht, die jetzt verbannt ist, hat mir ein vertrauenswürdiger Mann, der in den Orden der Zisterzienser eintrat und sich in dessen Obhut begab, Folgendes erzählt: 83 „Meine Brüder lieben und ehren die Eintracht und würden lieber sterben als sie aufzugeben, und sie beten täglich zum Schöpfer, er möge ihnen die Liebe zu ihr eingeben. 84 Sie haben sie auch schon aufgefordert, zurückzukehren an die Kurie in Rom. Sie würden sie begleiten. – Sie hat ihnen unter Tränen geantwortet, dass sie nie kommen werde, solange sie die obengenannten Brüder in der Kurie wüsste. 85 ‚Denn die halten es mit der Zwietracht, der Freundin des blassen Neides, dem Gegenteil von mir, mit meiner alten Feindin. Mich aber, die ich Blutvergießen ablehne, unterdrücken sie, solange sie heimlich Nesseln unter die Lilien mischen wollen. 86 Vor Gott und den Menschen, vor dem Meer und den Winden, vor aller Welt klage ich, und vor den Elementen über die obengenannten Brüder, dass sie mit ihren Lügereien mich aus der Mitte des ganzen Volkes vertreiben.

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87 Nicht wird der Kriegslärm auf der Welt enden können, ehe der Orden der Verworfenen Brüder aufgehoben wird, da doch ein wahrer Spruch der Älteren besagt: Als sie kamen, vertrieben sie den Frieden aus der Welt. 88 Die Ruhe aller wird durch diese Brüder gestört, das Band der Gemeinschaft wird durch sie zerschnitten; die Freiheit der Kirche wird dadurch aufgehoben, dass man sich wegen dieser Privilegien um keinen mehr kümmert. 89 Das Licht der Eintracht verdunkelt sich durch diese Brüder, und die Beständigkeit des Friedens droht zusammenzubrechen, und alle Sicherheit wird weit weggedrängt, und kaum noch ein bisschen Ruhe gibt es für manche. 90 Aber wenn der Herr uns einen solchen Papst gäbe, der deren Einflüsterungen nicht nachgäbe, der ihre Hochmut zuschanden machte, ja, dann würde mich nichts zurückhalten, an die Kurie zurückzukehren. 91 Sobald der Papst die Brüder zum Schweigen bringt, wird Gott mir, glaube ich, gnädig gewähren, dass beide ihren alten Groll aufgeben und nach meinen Bitten alles gütlich regeln, 92 beide, das heißt der Kaiser und der künftige Papst. Dann wird die Zwietracht weichen, und der Friede wird eine Schutzmauer sein, hinter der jeder Mensch in Ruhe wird schlafen können, und keiner wird ihn falsch beschuldigen oder schädigen. 93 Denn wenn an den Häuptern fester Friede eingezogen ist, wird der sich in der Folge auch an den Gliedern wieder neu bilden:

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Berg und Tal und Ebene werden in Ruhe sein, und die Straße, das Haus und die Wohnung und jedes Wohnquartier. 94 Denn der Kaiser war immer so eingestellt, dass seine Gerechtigkeit keinen Bösen schonte, selbst nicht, wenn er sein Tischgenosse gewesen wäre oder irgendein ganz spezieller Freund. 95 Christus gebe ihm eine lange Zeit der Herrschaft! Der Kaiser weiß sowohl, wie man die Feinde der Kirche überwindet, als auch, wie man sie als Kaiser regiert, so dass die Kirche ihn belehnen kann‘. 96 Christus, der weinte, als er den Lazarus auferweckte, er, der für uns drei Tage im Grabe ruhte, er möge uns einen Papst berufen, wie er es früher tat.

97 Und er möge die Eintracht, die auf Rat jener Brüder vertrieben wurde, wieder für uns zurückrufen, die wir uns nach ihr sehnen. Den wildgewordenen Haufen jener Brüder möge er von der Kurie vertreiben, damit Friede sei auf Dauer.“ 98 Geschwächt und ermüdet keucht mein Dichterross, es zeigt damit an, dass es ihm nicht an Themen, aber an Kräften mangelt. Es will auch seiner Kräfte geringes Maß nicht verhehlen, und weil es fürchtet zusammenzubrechen, stürmt es nicht mehr weiter.

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16 Sol Cancri per regna means Dieses in elegischen Distichen abgefasste Gedicht ist anonym überliefert. Der Herausgeber vermutet aufgrund der Überlieferung des Gedichts in der Nachbarschaft von Gedichten Galfrids von Vinsauf in einer Handschrift diesen Galfrid als Verfasser.61 In der Textwelt des Gedichts blickt der Sprecher von außen auf das von seiner natürlichen Lage begünstigte Frankreich und dessen angeblich degenerierte Bewohner. Er kritisiert ihre aufgeblasene Zügellosigkeit, insbesondere auch ihre aufwändige, erotische Bekleidung, die in lächerlichem Widerspruch zur schmalen Kost (Verse 61–76) stünden. Nach dieser Haltung gegenüber Franzosen zu urteilen, könnte der Text zwar auch einen seinen Landsleuten gegenüber überaus kritischen Franzosen zum Verfasser62 haben, dem (abgesehen von aller heftigsten Kritik) aber als einem daran Gewöhnten u. a. der lichtdurchflutete Himmel (perlucidus aer 5) über Frankreich so aufgefallen wäre, dass er ihn für erwähnenswert hielt.63 Da ein Schlussgedanke fehlt, ist das Gedicht möglicherweise unvollständig. Lateinischer Text: FARAL 1936, S. 51–63; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 24 indicium] iudicium – 38 syncopat] syncopatur – 45 quod] quid – 47 leua] lena – 48 libata] libido – 49 medio decliuis adempto] mete decliuis inempte – 51 quod] quid – 58 carcer] cancer – 59 ut] sic – 69 cocta] docta – 70 sugat] fugat – 73 illam] illud – 74 uestem] uescia. Sol Cancri per regna means canescere messes imperat, immo meti possit adulta seges; alludens etiam Cereri, sua munera Gallis dispensat Liber liberiore manu. 5 Cana seges, pregnans uitis, perlucidus aer illos exhilarans precinit omen opum. Pollicitis opibus fidens in gaudia Gallus effluit, atque suas Gallia iactat opes. 61 Edmond Faral (FARAL 1936, S. 54). 62 Der auctor (12), der den aufgeblasenen Franzosen (trans hominem se Gallus agens 11) ganz klein macht (citra pecudem deicit 12), wird wohl eher den Schöpfer-Gott als den Gedichtverfasser bezeichnen. 63 Die Distanzierung von jedenfalls der nordfranzösischen Phonetik (Verse 37–38) als blasiert wäre bei einem Nordfranzosen ebenfalls auffällig.

16 Sol Cancri per regna means Gallia, terra ferax, Gallos incristat; et altum non fastidit iter, ingerit ipse tumor. Trans hominem se Gallus agens, sibi cornua sumit – sed citra pecudem deicit auctor eum. Inuigilat uinis, Ueneri, studioque lacune; instimulant facinus uina, lacuna, Uenus. Preterea Uenus in Gallis exorbitat, et iam altera dissueto limite carpit iter: Naturam uelut obiurgans effeminat mores, illuditque uiris nomen inane uiri; masculat has, effeminat hos, fit sexus uterque neuter: ubi Gallus, hermaphroditus ibi. Molle genus pecudum muliebres mollit in usus nil preter sexum non muliebre gerens. Pectoris interpres lasciuit sensus, et eius indicium Ueneris uaticinatur opus: Uultus ut accedat, coma compta recedit ad aures, nescio qua fluidas arte domanti comas. Castigat cilii siluam uolsella nigrorem empticium cilio conciliante manu. Languescens coitu radiis obliquat ocellus huic aut huic, ac si dicat: „Amice, ueni!“. Palleret facies, sed eam medicamine tinxit Bacchus, ne pallor ipse loquatur opus. Basia ne ledant, iuuenescunt labra reciso uellere, ne uellus sordeat oris eis. Emptus adulter odor ori succurrit olenti, allia ne pueros alliet oris odor. Aspera uerba timens illeso lingua palato palpitat, et bleso syncopat ore sonos. Quod caput a scapulis distinguit, pumice rasum emicat et capiti respuit ire comes. Histrio se iactat humeris, gestuque superbo corporis aerias itque reditque uias. Mendicat manibus cirotheca nouella nitorem, poscit enim scabies aut color ater opem, quod manice laqueis artantur in anteriora

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a cubitis infra luxuriante toga. Leuo se lateri scurrilis leua maritat, pascat ut intuitus dextra libata toge. Uana toge breuitas – medio decliuis adempto – 50 scurriuago gestu lambit utrumque genu. Quod uelit inferior regio, predicta reuelant, et qua precipue militat ipsa Uenus. De facili patent obnoxia crura precanti, que Uenus impatiens imperat, usque pati. 55 Effluit in rugas calige tumor, ut caligarum sumptus et in dapibus dapsile nomen emat. Rugarum scabie dempta se ducit ad unguem calceolus, petulans carcer utrique pedum. Ne det iter strepitum, talus, ut respuat imum, surgit, et anterior portio palpat humum. 60 Sed male ridiculo respondet mensa tumori: Spondet namque tumor plurima, mensa parum. In uitium tria conspirant: uas, fercula, mensa: Uas modicum, pauca fercula, mensa breuis. 65 Mensa breuis paucis se destinat, et sibi pauca seruit seruili more ministra dapum. Se radix olide pani confederat herbe, allia, non alia, panis inunctus olet; uel manus in melius domat allia cocta liquere, ut liquidum sugat offa liquoris onus. 70 Si plerumque tamen festo festiua resultet mensa, celebrat eam turba togata fabe; uel candore suo lasciuior exuit illam uestem et ad mensam detunicata uenit. 75 Ne quis ad hec ueniat, suadet timor ostia claudi, ac si conclament ostia: „Nemo domi!“ * Die Sonne wandert durch das Sternbild des Krebses und lässt das Korn hell werden, ja, die gereifte Saat könnte schon gemäht werden, und der Getreidegöttin Ceres spielt zu und er verteilt seine Gaben an die Gallier

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mit ganz großzügiger Hand Liber, der Gott des Weines. Weißgraues Getreide und Weinstöcke mit Trauben und ein lichtdurchfluteter Himmel machen die Gallier froh, verheißen kommenden Reichtum. Im Vertrauen auf diesen versprochenen Reichtum freut sich der Gallier ausgelassen, und es rühmt sich das Land seiner Schätze. Galliens fruchtbares Land lässt dem gallischen Gockel den Kamm schwellen, und der scheut sich nicht, hoch hinaus zu wollen, und die Aufgeblasenheit ist selbst wieder Antrieb. Übermenschlich groß macht sich der Gallier, der Mut eines Stieres erwächst ihm, doch zu geringerem Stand als dem eines Haustiers wirft ihn der Schöpfer hinab.

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Die Nächte weiht er dem Wein, der Venus, dem Trieb nach dem Loch; zur Schandtat treiben ihn an der Wein, das Loch und die Venus. Außerdem verlässt die Venus bei den Galliern ihre Bahn, und ist schon 15 eine andere geworden und geht auf ungewohnter Bahn ihren Weg: Als ob sie mit der Natur Streit haben wolle, macht sie alle in ihrem Verhalten zu Weibern, und spottet des Mannes mit dem leeren Namen Mann. Frauen macht sie zu Männern, Männer zu Frauen, und beide Geschlechter werden eines, das keines von beiden ist: Wo ein Gallier ist, ist ein Zwitter. 20 Diese kraftlosen Haustiere sind verweichlicht zur Weiberrolle, nichts, was nicht weibisch wäre, ist an ihnen, außer ihrem Geschlecht. Als Deuter des Inneren gibt sich das Sinnliche zügellos, und das, was es anzeigt, verheißt Sex: Damit das Gesicht größer werde, muss das Haar sich kämmen lassen und bis zu den Ohren zurückgehn, wobei irgendeine Kunst wallende Haare im Zaum hält. Eine Pinzette lichtet den Wald über dem Augenlid, doch Schwärze, die man kaufen muss, trägt die Hand über dem Lide auf. Schlaff vom Beischlaf schielt das Auge gleichzeitig zu ihr hier und ihm dort, als wollte es sagen: „Komm, Liebling!“ Bleich wäre das Gesicht, doch hat es mit seiner Medizin der Weingott Bacchus gefärbt, um zu verhindern, dass schon die Bleiche das Treiben verrate.

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Damit Küsse nicht kratzen, werden die Lippen wieder wie bei einem Knaben, indem man das Haar beseitigt, damit die Behaarung am Mund nicht anwidere. 35 Eingekaufter, fremder Geruch hilft dem nach Knoblauch stinkenden Mund, auf dass Mundgeruch nicht die Knaben ‚wegstinke‘. Die Zunge fürchtet sich, unfein zu sprechen, schlägt deshalb nicht an den Gaumen, sondern streichelt ihn nur, und in stammelndem Mund lässt sie Laute verschwinden. Was zwischen Kopf und Schultern ist, ist mit Bimsstein geschabt 40 und glänzt, und will nicht mehr zum Kopfe gehören. Wie ein Schauspieler wirft sich der Gallier in die Schultern, und mit stolzer Bewegung des Körpers durchteilt er im Hin- und Herschreiten den Äther.

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Glanz für die Hände täuschen neue Handschuhe vor, denn Schmutz und Schwärze der Hände brauchen diese Hilfe, weil die Ärmel des Kleides nach vorne durch Schnüre zusammengehalten werden, während es vom Ellenbogen locker herabfließt. Die närrische linke Seite des Kleides verbindet sich fest mit der linken Körperseite, damit die rechte Seite, die locker sitzt, einen Einblick freigibt. Das Kleid ist von eitler Kürze – die Hälfte des nach unten fallenden Stoffs ist weggelassen – und es umspielt bei der clownhaften Bewegung beide Knie. Was der Unterleib will, das enthüllt solche Kleidung, und den Ort, wo meistens die Venus kämpft. Leicht öffnen sich die Schenkel, willfährig, dem, der sie um das bittet, was die unbeherrschte Liebe will, stets zu Diensten zu sein. Es zerfließt in Falten ein aufgeblasener Stiefel, damit der Geldaufwand für dieses Schuhwerk auch bei Banketten das Etikett ‚großzügig‘ erkaufe. Wo der Falten Unebenheit aufhört und sich das Stiefelchen zu den Zehen hinzieht, wird es für jeden Fuß zum frivolen Einschluss. Damit das Gehen kein Geräusch macht, wird die Ferse erhöht, so dass sie nicht mehr auf den Boden kommt; und der vordere Teil des Fußes berührt nur sanft den Boden.

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Doch schlecht entspricht dieser lächerlichen Aufgeblasenheit die Essenstafel, denn viel verspricht diese Aufgeblasenheit und allzu wenig die Tafel. Zum Mangel verschwören sich drei: Teller, Gänge und Tafel: Die Teller sind klein, die Gänge sind klein, und kurz ist die Tafel. Die kurze Tafel lässt nur Wenige zu, und für sich noch wenig serviert untertänig eine Küchenmagd. Eine Knolle der stinkenden Pflanze vereint sich mit Brot, nach Knoblauch, nichts anderem, riecht ein bestrichenes Brot; oder es presst eine Hand gekochten Knoblauch aus, dass er sich zu etwas Besserem verflüssigt, damit ein Mehlkloß des Saftes flüssige Ladung aufsaugen kann. Doch meist, wenn an Festen die festliche Tafel widerhallt, bevölkert sie eine Schar hülsentragender Bohnen, oder sie werden, wenn sie weiß sind, kokett, und entledigen sich jener Hülle und kommen hüllenlos zu Tisch. Die Furcht, es könne jemand auf diesen Anblick stoßen, lässt die Gallier die Türen schließen, so, als sollten beide Türflügel, geschlossen, deutlich verkünden: „Keiner zuhause“.

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17 Licet mundus uaria sorde sit pollutus Der Verfasser der folgenden Vagantenstrophen mit metrischer Auctoritas ist unbekannt. Einige, allerdings sehr schwache Indizien deuten darauf hin, dass er Franzose war.64 In Strophe 35 wird vom Templerorden so gesprochen, als sei er noch nicht aufgehoben.65 Da der Orden 1314 vernichtet wurde, wurde das Gedicht wohl vor 1314 geschrieben. Der Sprecher im Gedicht deutet an, wie einst Juvenal empört zu sein und aus Empörung über die Zeitumstände zur Feder greifen zu müssen. Er will, mit Gottes Hilfe (Str. 4), eine Satire (satira 3,1) schreiben und in ihr eine wahre (uerum loquar 3,1) und nützliche (utilis est 5,4) Darstellung der Unzulänglichkeiten der Menschenwelt geben. Solche Darstellungen werden im Mittelalter oft (zumindest ansatzweise) systematisch aufgebaut und sind seit dem Hochmittelalter vielleicht auch deshalb besonders beliebt, weil sie zu Ergänzungen geradezu einladen, so auch bei diesem Gedicht: Es hat zwar mit den Strophen 1–4 eine durch eine Anrufung Gottes (stilum meum dirige 4,3) gut markierte Einleitung66 und mit Strophe 44 eine markierte Schluss-Strophe;67 in den Handschriften folgen diesem so abgeschlossenen Gedicht jedoch unterschiedliche Zudichtungen in wechselnden Gruppen.68 Auch bei den hier zum Gedicht gezählten Strophen 31–43, in denen einige Orden behandelt werden, ist es denkbar, dass einige aus Zudichtungen von anderen Verfassern bestehen, die Gutes über ihren eigenen oder Boshaftes über einen anderen Orden in den Text einbringen wollten. Das sprechende Ich scheint sich in der Textwelt als Fahrender zu sehen, der sich nach Vortrag seiner Satire davonmachen will (uolebam assumere baculum et peram 44,3). Lateinischer Text: WERNER 1914, S. 360–373; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 3,2 et] set – 4,3 forma] foue – 6,4 uicus] intus – 8,1 Dic] Hic – 8,4 amicicia est] amicicie – 11,1 labat] latrat – 13,3 Ire] Ira – 14,1 vere] terre – 16,1 Hostias] Hostes non – 17,4 medico] modico – 18,4 respondent] 64 Die Dominikaner werden hier – wie vorzugsweise in Frankreich – Jakobiten genannt; in 35,1–2 reimt ein proteruum mit einem uerbum, in der zugedichteten Strophe 51 reimen sich sequestra – dextra – uestra – extra. 65 Dies könnte theoretisch fingiert sein, jedoch ist in diesem Fall kein Motiv für eine Fiktion ersichtlich. 66 Eine ebenfalls ganz klare Markierung der beiden großen Themenabschnitte „weltliches Leben“ und „monastisches geistliches Leben“ bildet die Strophe 30. 67 Simulierte Furcht vor Rache ‚erzwingt‘ ein Ende des Gedichts. 68 Siehe Anhang.

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respondet – 20,3 optatum] optat et – 21,4 auidumque] rapidumque – 23,1 habent] fortasse amant – 25,2] esse uis] vis esse – 27,2 exclamari] exclamare – 28] 29 mutavi – 28,1 predam] preda; ligurrit peplos] liguri … os – 29] 28 mutavi – 29,1 conclamitant] contaminant – 29,2 dolo] dolum; favent] fovent – 30,3 effectu] affectu – 31,1 claustri clausam] claustra clausa – 32,4 quocumque] quicumque – 33,4 inpediunt] inpendiunt – 36] 37 mutavi – 37,1 et] set – 40,3 inopibus] in opibus – 41,4 maiore] maiori; discit] discat – 44,1 malis] binis – 44,2 abhorret] abhorrens – 44,3 uolebam] uolebat. 1 Licet mundus uaria sit sorde pollutus, licet sit in sordibus totus inuolutus, usque modo tacui paucaque locutus temporibus longis sapientum dogma secutus. 2 Huic mundo de cetero quis enim applaudet? Iam actiuus patitur, nec natura gaudet, set ignis perpetuus sic agentem claudet. – Quod natura negat, nemo feliciter audet. 3 Uerum sub hac satira loquar, nichil fingam, et in quantum potero calamum restringam, ne in multiloquio uicium attingam; uirtutem primam esse puto compescere linguam. Dist. Cat. 1,3 4 Rex ergo, qui rector es, qui res omnes formas, qui forma consimili deforme reformas, stilum meum dirige, stili forma normas! In noua fert animus mutatas dicere formas. Ov., Met. 1,1 5 Ecce, pax expellitur, set nequit expelli furor litis litigans in lite rebelli;

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dissidet discordia, set non discors belli. – Utilis est rudibus presentis cura libelli. inter alios Hug. Trimb., Reg. 783 6 Unda sordis sordidos animos inundat, set exul mundicia uix inmundos mundat. Omnis uirtus uicium in omne redundat, turpibus obscenis quis enim non uicus abundat? Iuv. 2,8-9; 7 His pauci temporibus sunt a labe loti. Expirat iusticia, iusti sunt ignoti; fideles, ut fides est, ualde sunt remoti: Iura fidemque nepos nescit seruare nepoti. 8 „Dic, amice, qualiter amas?“ – „Amo, si des, munera ni dederis, amorem elides.“ Nec amo, nec amor est, nec amantes uides. Nomen amicicia est, nomen inane fides. Ov., Ars 1,740 9 Illum amicicia mulcet et emollit, quem fortuna prospera prosperum extollit, set illum uix respicit, quem sub pede molit. Prospera sors caros dat amicos, aspera tollit. Anonym. (Carmina Helfenbergeri 3,1,9) 10 Diues amicicia gaudet et amico, set pauper in ostio iacet cum mendico. Quid plura? Ueridico uerbo tibi dico: Dum miser est aliquis, oculo spectatur iniquo. Anonym. (Carmina Helfenbergeri 3,10)

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11 Amor carens munere labat in obliquum, et amicis oculum ostendit iniquum. Pauper totum populum sentit inimicum. Equor erit siccum, cum pauper habebit amicum. Anonym. (Carmina Helfenbergeri 3,1,11; Proverbia Wratislaviensia 14) 12 Largus, doctus, prouidus, pulcher esse queris? Sis semper in copia. Copiosus eris, eris heres: Socios plures consequeris. – Tempora si fuerint nubila, solus eris. Ov., Trist. 1,9,5 13 In terris non germinat germen uere uitis, set omnes inebriat ebriosa sitis, ire furor pullulat, nullus homo mitis. Pax opulenta fugit ueniuntque pericula litis. Aesop. Lat. 12,26 14 Bonum vere negligunt pacem negligentes. Feruore discriminis sunt multi feruentes. Olim recti fuerant rectumque tenentes, mollia secure peragebant ocia gentes. Ov., Met. 1,100 15 Primo tempus aureum argento mutatur, mutatur argenteum, ferro superatur. Regnat ergo ferreum, ferrum dominatur, uulnificusque calibs uasta fornace uagatur. Verg., Aen. 8,446 16 Hostias arietes nutrit nobis dumus, et ubique sanguinis fusi uolat fumus;

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ut boues ad uictimam omnes dati sumus: Luxuriat Frigio sanguine pinguis humus. Ov., Her. 7,12 17 Mea nescit fabrica fabricare pontes super mare naufragum naufragans insontes. Mari sic postposito riui sequar fontes: Quid prodest medico magnos promittere montes? Pers. 3,64 18 In montanis collibus non ascendam nimis – est enim difficilis ascensus sublimis –, set loquar de uallibus et de rebus imis: Non eodem cursu respondent ultima primis. Dist. Cat. 1,18 19 Cultores agricole iurgia sequntur, per quos rus amplectitur, aruaque coluntur, absque uerbo fidei nunc inueniuntur: Rara fides ideo est, quia multi multa loquuntur. Dist. Cat. 1,13 20 Burgensis in opere uacat lucratiuo, lucri memor inmemor non est optatiuo, optatum coniungitur modo coniunctiuo, fenora coniungit, nec gaudet honore datiuo. 21 Spernit et uituperat musicorum genus: Cantus burse tinniens solus est amenus. Fenus amat, fenore uellet esse plenus, dat auidumque usura uorax in tempore fenus. ~ Lucan. 1,181

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22 Aurum semper cumulat, numquam requiescit, finem tamen cumulo cumulare nescit; in habendis opibus totus exardescit: Crescit amor nummi, quantum pecunia crescit. Iuv. 14,139 23 Nummos semper numerant, nummos habent ciues. Quid prodest per numerum numerari diues? Ignis flammam preparat, frigus parat niues: O diues, diues! Non omni tempore uiues! Anonym. (WERNER 21966, O, 3) 24 Nescis enim hominem fore terre limum, nescis lutum luteum augmentare fimum? Census sensum auferet, cum ferat in imum. O ciues, ciues! Querenda pecunia primum. Hor., Epist. 1,1,53 25 Uis in templo domini felix esse ciuis, esse uis cum angelis et cum rediuiuis, de rebus nullatenus cures transitiuis! Fac bene dum uiuis, post mortem uiuere si uis. Anonym. (Proverbia Wratislaviensia 2,19) 26 Miles a milicia uiuit dissolutus, rapine terribilis sordibus inbutus; predo predam sequitur, predam assequtus uiuitur ex rapto, nec hospes ab hospite tutus. Ov., Met. 1,144 27 Miles apte militat ante regis tronos, dum rex prede percipit exclamari sonos.

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Ad predam non expedit tales esse pronos: Non habet euentus sordida preda bonos. Ov., Am. 1,10,48 28 Lustrat predam, ligurrit peplos Alamannos, spoliatus spoliis frustra petit pannos. Reges, duces, comites dic esse tirannos: Filius ante diem patrios inquirit in annos. Ov., Met. 1,148 29 Castrenses conclamitant solum, set non soli dolo fauent militum: Ut consortes doli iura fori iudicant. Dicunt iura poli: In res alterius spem lucri ponere noli. ~ Dist. Cat. 1,19 30 Ecce, mundum uideo turpi fraude cecum: Lex perit, ius perditur, omne perit equum, Ius datur pro precio uel effectu precum. His tactis alium Musa refrenat equum. 31 Regularis, quisquis es, claustri clausam petas, ut fructum a regula fructuosa metas. Ordo niger ordinis iam excessit metas: Diuicias multas habuit, dum floruit, etas. ~ Mart. 10,86,3 32 Albus frater regulam tenet - hoc ignoras? Arua fodit manibus, exit quando foras, dum laborat, debitas hore legit horas. Pro lucro tibi pone diem, quocumque laboras. Dist. Cat. 1,34

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33 Augustini populus extra colit forum, iactus nescit colere claustrum siue chorum, cuius nouit macula maculare thorum: Sepius inpediunt iustos peccata malorum. Pamphilus 193 34 Hospitantes hospites – hospites puellis– sunt hospitalarii; sub dulcore mellis dulce parat felleum gens parata bellis. Ex Aaron digitis insanit turba rebellis. Theodul., Ecl. 146 35 De templi militibus nil dico proteruum, mulcet mulierculas quorum molle uerbum: Gens fera, gens aspera, uulgus et acerbum, desine grande loqui! Frangit Deus omne superbum. Prud., Psych. 353 36 Ad urbes non flectitur heremite lumen, set montis amplectitur excelsi cacumen. Potum negans nectaris, numquam negat flumen: Potus erat flumen, antrum domus, esca legumen. ~ Hildeb. Cenom., Vita Mariae Aeg., 99 (1,6) 37 Heremita latitat, et sub umbra pellis latens semper habitat in siluarum cellis. Hec est uita fructibus contenta tenellis: Fercula nunc audi ‚nullis‘ ornata macellis ... Iuv. 11,64 38 Guillelmita moribus animum adornat, in rebus celestibus eius mens et cor nat.

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Hunc Deus uirtutibus omnibus exornat. Nobilitas sola est, animum que moribus ornat. Galt. Cast., Alex. 1,104 39 Suam habens animam deuote contritam, amat pacienciam uelut margaritam. Imiteris igitur fratrem Guillelmitam, securam quicumque cupis deducere uitam. Dist. Cat. 4,1 (13) 40 Minores magnificat diuina magestas, quos magnos humiliat humilis honestas. Cum eis inopibus nulla sit potestas, plura petunt et plura uolunt, quibus instat egestas. Pamph. 321 41 „Ego“, dixit dominus, „ad uocem inclinor egeni, set diuiti mortis dampna minor.“ Cur Minores optime uiuunt? Ut opinor: A boue maiore discit arare Minor. Aesop. Lat. 50,10 42 Iacobite predicant multaque loquntur de multis, que scripta sunt, nec intelliguntur. In eorum habitu plures assumuntur, qui sua consumunt; cum deest, aliena sequntur. ~ Dist. Cat. 3,21 43 Post assumptos calices sunt ueri prophete, tunc scripture penitus sue sunt explete, fantur de zodiaco stellaque Boete; nam miranda canunt, set non credenda poete. Dist. Cat. 3,1 (18)

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44 De his malis plurima loquturus eram, set abhorret calamus satiram austeram. Uolebam assumere baculum et peram: Ferre minora uolo, ne grauiora feram. Poenitentiarius lupi 146 * 1 Obwohl die Welt schmutzig ist von Schmutz jeder Art, obwohl dieser Schmutz sie überall überzieht, habe ich bis jetzt geschwiegen, habe kaum etwas gesagt, habe mich also lange an das gehalten, was Weise empfehlen. 2 Wer findet diese Welt sonst in Ordnung? Jetzt, da sie noch existiert, ist sie krank, erfreut sich nicht ihrer eigentlichen Natur, doch das ewige Feuer wird ihrem Treiben ein Ende setzen. Niemand kann letztlich etwas tun, was seine Natur verbietet. 3 Die Wahrheit will ich in Form dieser Satire sagen, nichts erfinden, und mich, soweit ich kann, beim Schreiben zurückhalten, um nicht in den Fehler des Zuviel zu verfallen; ich halte es für eine der besten Eigenschaften, seine Zunge zu bändigen. 4 So denn, Himmelskönig, der du lenkest, der du alles formst, der du nach ähnlicher Form das, was formlos ward, neu formst, lenke du meine Feder, forme die Regeln meines Schreibens, denn schreiben will ich über das, was seine Form verloren hat. 5 Siehe, ausgetrieben wird der Friede, aber die Streitsucht, die wild Streit sucht im Widerstreiten, kann man nicht austreiben; uneins ist die Zwietracht, nur darin einig zu streiten. Es nützt den Unkundigen, wenn sie sich mit dieser Schrift befassen.

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6 Eine schmutzige Flut schwappt in die Köpfe, die verschmutzen, doch da die Sauberkeit vertrieben ist, kann sie sie kaum vom Schmutze säubern. Alle Tugend schwappt über zu jedem Laster, denn welche Straße wäre nicht voll von schmutzigen Ferkeln? 7 Wenige sind in diesen Zeiten ohne Schandflecken. Die Gerechtigkeit erstirbt, und Gerechte kennt man nicht mehr, Treue und Getreue sind ganz selten, der Bruder weiß nicht mehr das Recht getreulich dem Bruder zu wahren. 8 „Sag mir, Freund, welcher Art ist deine Liebe?“ – „Ich liebe dich, wenn du etwas gibst; wenn du mir nichts gibst, vertreibst du diese Liebe.“ Es gibt kein „Ich liebe“ und keine Liebe, und Liebende sieht man auch nicht. Leere Worte nur sind Liebe und Treue. 9 Freundschaft erfreut und verwöhnt den, den ein glückliches Geschick zu Wohlstand erhoben hat, den aber beachtet sie kaum, den das Geschick unter dem Fuße zertritt: Ein glückliches Los bringt liebe Freunde ein, ein unglückliches vertreibt sie. 10 Ist einer reich, hat er Freundschaft und Freunde, doch ist einer arm, bleibt er mit dem Bettler im Vorraum. Was soll ich noch sagen? Ich sage dir ein wahres Wort: Wenn einer arm ist, dann sieht man ihn ungnädig an. 11 Ohne Geschenke gerät Liebe ins Wanken, zeigt Freunden ein unfreundliches Gesicht; ist jemand arm, dann merkt er, dass alle Leute ihm feind sind. – Erst wenn das Meer ausgetrocknet ist, wird auch ein Armer Freunde haben.

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12 Großzügig und gelehrt willst du sein, und klug, und schön? Da musst du immer viel Geld haben. Wirst du wohlhabend sein oder etwas erben – dann wirst du viele Freunde gewinnen. Doch wenn die Zeiten schlechter werden, wirst du alleine sein. 13 Nirgends auf Erden gibt es die Frucht des Wahren Weinstocks, vielmehr leben alle im Rausch eines Säufer-Durstes, die Zorneswut greift um sich, und keiner ist mehr friedfertig; der Friede, der Wohlstand bringt, entflieht, und es kommt der Streit mit seinen Gefahren. 14 Die, die den Frieden missachten, missachten wahrlich ein Gut. Viele glühen in der Leidenschaft nach Riskantem. Früher gab es Gerechte und Rechtsgetreue, und es genossen die Völker in sicherer Ruhe den Wohlstand. 15 Erst wird das Goldene Zeitalter zum Silbernen, das Silberne wandelt sich, und das Eisen gewinnt die Oberhand, und also herrscht jetzt das Eiserne Zeitalter, in dem das eiserne Schwert die Macht hat, und Wunden schlagendes Eisen wird in riesigen Öfen erschmolzen. 16 Wie bei Abrahams Opfer haben sich Widder im Gestrüpp verfangen, und überall steigt der Dampf vergossenen Blutes empor. Wir sind alle wie Rinder zum Schlachtopfer bestimmt: Der Boden trägt üppige Frucht, weil [trojanisches] Blut ihn fett macht. 17 Meine Kunst kann keine Brücken bauen über das Schiffe zerschellende Meer, das Unschuldige verschlingt. Darum lasse ich das Meer und folge den Wassern der Bäche. Was hilft es, später einem Arzt für die Heilung goldene Berge versprechen zu müssen?

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18 Auf bergigen Höhen will ich nicht zu weit hinaufsteigen – denn schwierig ist der Aufstieg in die Höhe –, vielmehr will ich über die Niederungen sprechen und über die Dinge dort unten: Nicht alles folgt dem geraden Kurs. 19 Landpachtende Bauern prozessieren, sie, die das Land nutzen und die Felder bebauen, selbst bei ihnen gilt heute kein Treuwort mehr. Weil viele vielerlei reden, kann man sich nur auf wenig verlassen. 20 Der Bürger verbringt seinen Tag mit Gewinn bringendem Tun. Er denkt an das, was er gewonnen hat, dazu fällt ihm sofort im Optativ ein neuer Wunsch ein, den Wunsch fügt er in der Form des Konjunktivs an, er fügt Zinsen an Zinsen an, aber den Gebe-Fall namens Dativ hat er nicht die Ehre zu kennen. 21 Musikantenvolk verachtet er und schimpft darauf, nur der klingende Sang der Geldbörse, der ist für ihn schön. Zinsen, die mag er, an Zins kann er nicht genug haben; es bringt gefräßiger Zins mit der Zeit auch gefräßigen Wucher. 22 Er häuft stets Geld auf Geld, ohne Rast und Ruh, und nie ist ihm die Spitze des Geldhaufens hoch genug; alles in ihm giert nach Reichtum. Ja, so wie das Geld wächst, wächst die Gier nach dem Gelde. 23 Die Städter zählen immer Geld und besitzen das Geld. Doch was hilft es, wenn man genug hat, um als Reicher zu gelten? Glut bringt Flammen, Kälte bringt Schnee: Reicher Mann, reicher Mann, nicht ewig wirst du leben!

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24 Hast du denn nicht verstanden, dass der Mensch zu Staub wird, nicht verstanden, dass wertloser nasser Staub zum Mist kommt? Der Gewinn wird dir den Verstand rauben; er führt dich in die Hölle mit dem Motto: Es soll euer erstes Ziel der Gelderwerb sein, ihr Bürger! 25 Willst du aber einmal glücklich im Hause des Herrn wohnen, zusammen sein mit den Engeln und den Auferstandenen, dann hänge dein Herz nicht an vergängliche Dinge, sondern handle stets gut, solange du lebst, wenn du auch nach deinem Tode leben willst. 26 Liederlich lebt vom Kriegsdienst der Ritter, besudelt von schrecklichem Raube, er verfolgt seine Beute wie ein Raubtier, und wenn er sie hat, dann lebt er wie ein Raubtier, und kein Gast ist mehr sicher. 27 Ein Ritter dient tauglich vor dem Thron seines Königs, solange der König den Ruf „Beute“ vernimmt. Doch es nützt nichts, wenn der Ritter auf Beute aus ist, denn unrechtes Beutegut gedeiht eben nicht gut: 28 (29) Der Ritter schaut auf die Beute, ist begierig auf alemannische Prunkgewänder, doch schon nimmt man ihm die Beute weg, und vergeblich bittet er um ein paar Lumpenkleider. Könige, Fürsten und Grafen mag man ungerechte Tyrannen nennen, aber man kann die Rechnung eben nicht ohne den Wirt machen. 29 (28) Die Beamten am Hofe jubeln zwar nur Beifall, aber sie unterstützen nicht eine einzelne tückische Tat der Ritter, sondern sprechen als deren Komplizen auch noch das weltliche Marktrecht. Das Christsein aber gebietet: Setze deine Hoffnung nicht auf Gewinn aus dem Gut eines Anderen.

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30 Du siehst: Die Welt ist offenbar durch schändlichen Trug geblendet. Das Gesetz verschwindet, das Recht wird ruiniert, alle Gerechtigkeit verschwindet. Recht wird nach Bezahlung oder wirksamer Fürsprache gesprochen. Nachdem dieses Thema behandelt ist, soll meine Muse nun ein anderes Pferd lenken. 31 Du – wer auch immer du bist – magst die Abgeschlossenheit eines Klosters mit Klosterregel suchen, damit du die Frucht einer fruchtbringenden Regel erntest, aber bedenke: Der Orden der schwarzen Benediktinermönche hat bereits die Grenzen eines Ordens überschritten. Viel Reichtum brachte ihm die Zeit, während der er in Blüte stand. 32 Doch jetzt lebt, wie du weißt, der Zisterzienser mit seinem weißen Habit nach der Benediktinerregel: Mit eigener Hand bestellt er das Feld und außerhalb des Klosters, bei der Arbeit, betet er zur vorgeschriebenen Stunde seine Stundengebete. Es gilt: Jeder Tag, an dem man arbeitet, ist ein Gewinn. 33 Die Augustinerchorherren bewohnen außerhalb des Klosters den Markt. Würfelspiel lässt sie nicht in ihrem Kloster, nicht im Chor sein, denn sie wissen, dass diese Schändlichkeit ihre Wohnstatt schänden könnte. Ja, die Sünden der Schlechten behindern oftmals die Gerechten. 34 Gastgeber für Gäste, und zwar Gastgeber für Mädchen, sind die Hospitalier. Unter des Honigs Süße hat dieses Krieger-Volk bittere Süße im Sinn. Nach dem Gold, das Aarons Hände formten, ist der abtrünnige Haufe verrückt.

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35 Was die Tempelrittermönche angeht, die mit schmeichelndem Wort die Frauen betören, sage ich, noch mit Zurückhaltung: Ihr wilden Kerle mit rauen Sitten, ihr abstoßendes Gesindel, hört auf, hochtönend zu reden, denn Gott wird alle Hochfahrt zu Schanden machen. 36 (37) Ein Eremit verschwendet keinen Blick auf Städte, er schwärmt für Bergeshöhn, er mag keinen Nektar trinken, mag stets nur Wasser. Es heißt: Ein Fluss gab ihm das Wasser, eine Höhle die Wohnung und Bohnen die Nahrung. 37 (36) Abgeschieden lebt ein Eremit, unter dem Schutz eines Felles lebt er stets abgeschieden in Klausen im Walde; so ein Leben ist zufrieden mit jungen Früchten vom Felde als Nahrung – doch lass dir erzählen von den Mahlzeiten, die da ohne Fleisch auskommen … 38 Der Wilhelmit schmückt seinen Geist mit Sittsamkeit, sein Geist und sein Herz verweilen bei Himmelsdingen, der Herr gibt ihm alle Tugenden zur Zier, denn jener Adel ist edel allein, der den Geist mit Tugend ziert. 39 Seine Seele hält der Wilhelmit in frommer Zerknirschung, Geduld liebt er wie ein Kleinod. Darum lebe wie ein Wilhelmitenbruder, wer du auch bist, der du dein Leben harmlos leben willst. 40 Gottes Majestät erhöht die Minderbrüder, die groß sind, sich in ehrlicher Bescheidenheit aber klein machen. Weil sie in ihrer Armut keine Macht haben, fordern sie viel und wollen viel, sie, die die Armut bedrängt.

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41 „Ich leihe mein Ohr dem Rufe des Armen“, sprach der Herr, „doch dem Reichen drohe ich den ewigen Tod an.“ Warum leben die Minoriten so gut? Weil, wie ich meine, der junge Minorit vom alten [Ochsen] lernt, wie man ackert. 42 Die Predigerordensmönche von St-Jacques predigen und reden viel über viel, was geschrieben steht, aber nicht verstanden wird. Viele versammeln sich unter ihrem Habit, die erst das Ihre verbrauchen und dann auf fremdes Gut aus sind. 43 Wenn sie genug getrunken haben, sind sie wahre Propheten, dann erfüllen sich ganz ihre Schriften. Sie reden vom Kreis der Sternzeichen und vom Himmelsfuhrmann Bootes; allerdings: Dichter singen gar Wunderliches – aber man muss es nicht glauben. 44 Über diese Missstände wollte ich eigentlich viel schreiben, doch meine Feder verabscheut harten Tadel, und so wollte ich lieber Stock und Ranzen nehmen: Ich will wenig zu tragen haben, um nicht viel ertragen zu müssen.

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18 Pater, fili, spiritus Dieses Gedicht in Vagantenstrophen wird unter dem Pseudonym eines Bischofs mit dem Allerweltsnamen Bruno überliefert. Seine Amtsbezeichnung deutet möglicherweise auf einen Kinder-Bischof als Sprecher hin, der als Angehöriger des Niederen Klerus in den traditionellen Tagen der ‚Verkehrten Welt‘ um den 26. Dezember die Macht übernommen hatte und seine Dichtung vor einem Publikum von (ehemaligen) Lateinschülern vortrug. Das Gedicht strukturiert sich entlang der seit Jahrhunderten kaum veränderten Abfolge der sieben Schulfächer. Jedem einzelnen der Schulfächer und damit allem, was man je gelernt habe, so wird argumentiert, widerspreche das, was der Papst von seinem Klerus verlange: eine Abgabe auf die dem Klerus zustehende Kirchensteuer (den Papstzehnten). Lateinischer Text: KINDERMANN 2011, S. 279–381. 1 Pater, fili, spiritus sancte septi-formis, regum rex altissime, Ihesu, numquid dormis? Nonne mundum prospicis, quam nunc est e-normis, quot et quantis maculis factus est de-formis? 2 ‚Papa‘ ‚pa‘-uor ‚pa‘-uperum est definit-iuus. In eo GRAMMATICE perturbatur riuus, nam qui fore debuit gratie dat-iuus, factus est ecclesie rerum ablat-iuus. 3 O subtilis LOYICA, quid ad hec uis fari, que nos doces speciem

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Texte non posse mutari? Nonne pastor ouium uult lupus uocari, minare de cetero non uult, sed minari? 4 O dulcis RETHORICA, dole peritura! Tua iam simplicia infringuntur iura, decimam ecclesia iure receptura sub tributo ponitur decimam datura. 5 Numquid et tu pateris, o GEOMETRIA? Per papam indebite mensuratur uia, per quem in ecclesia fit hec Simonia; da succursum breuiter, o Ihesu, Messia. 6 Dolet ARISMETICA, quod ipsa grauetur, que docet, per numerum ut res ordinetur. Papa clerum numerat non, ut conseruetur, immo quod ecclesie rebus spolietur. 7 Nonne doles, MUSICA, prorsus deprauata,

18 Pater, fili, spiritus per clerum antiquitus dulciter prolata? Papa tibi nocuit decima rogata. Uoce lacrimabili nunc es subplantata. 8 Taceant ASTROLOGI amplius probare solem astris ceteris lucem ministrare; papa, sol ecclesie, studet hoc falsare, qui totam ecclesiam uult obtenebrare. * 1 Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist, dessen Gabe siebenfältig ist, höchster König aller Könige, Jesu, du schläfst doch wohl nicht? Schaust du auf die Welt, wie sie aus der Norm geraten ist, wie viel große Flecken sie entstellen? 2 Das Wort Papst bedeutet jetzt eigentlich ‚der Schrecken der Armen‘. Bei Papst stockt der Satzbau der Grammatik, denn er, der der Dativ als der Gebefall der Gnaden sein sollte, ist jetzt zum Ablativ, also zum Nehmefall, für die Güter der Kirche geworden.

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Texte 3 Oh feine Kunst der Logik, was willst du zu Folgendem sagen, du, die du uns lehrst, eine Spezies könne sich nicht verändern? Will aber nicht der Hirte der Herde jetzt den unter den Begriff Wolf fallen, und sie auch nicht mehr vorantreiben, sondern bedrohen? 4 Ach, du liebe Redekunst, traure, dass du bald untergehen wirst. Denn schon werden deine klaren Gesetze gebrochen, wenn die Kirche, der man die Abgaben nach dem, was Recht ist, geben soll, jetzt abgabepflichtig gemacht wird und sie nun Abgaben geben soll. 5 Du leidest doch auch, Geometrie? Der Papst vermisst unzulässig die Wegstrecken, da durch ihn in der Kirche (Laufbahn-)Ämter über Wegabkürzungen verkauft werden. – Hilf rasch diesem Übel ab, o Jesu, du Erretter. 6 Die Arithmetik trauert, weil sie schwer belastet wird. Sie lehrt, dass durch zählen die Dinge geordnet werden. Nun, der Papst zählt seinen Klerus ab, aber nicht, damit er ihn in Ordnung halte, sondern damit der Klerus des Besitzes der Kirchengüter beraubt werde.

18 Pater, fili, spiritus 7 Du bist doch auch traurig, Musik, die du ganz und gar verunstaltet wurdest, du, die dich der Klerus einst so schön hervorbrachte. Der Papst hat dir geschadet, dadurch dass er Abgaben verlangt hat: Mit Jammergeheul bist du jetzt unter die Räder gekommen. 8 Höret auf, ihr Astronomen, noch weiterhin zu beweisen, dass die Sonne den übrigen Himmelskörpern das Licht gibt, denn der Papst, die Sonne der Kirche, will dieses Gesetz verfälschen, indem er die ganze Kirche verfinstern will.

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19 Collacionis gratia Ein 1449 an der Universität Köln immatrikulierter Student namens Konrad Moersseltz hat in späteren Jahren das folgende, anonyme Gedicht in eine Sammelhandschrift69 eingetragen. Das Gedicht ‚berichtet‘ (narrabo 4) in offener Übertreibung über Missstände (insania 4) in der Kirche70 und über Defekte der rechtsrheinischen Bevölkerung in einer Weise, dass ein Kölner daran durchaus Gefallen finden konnte.71 Als Strophenform wurde eine Variation der rhythmischen Hymnenstrophe gewählt.72 Lateinischer Text: ROTH 1891, S. 32–37; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 21 sacrum] sacra – 22 qui] que – 28 commodosius] commosius – 41 in perditorum] de prestitorum – 50 de] sub – 60 fili] filij – 64 explicare] replicare fort. recte – 70 qua iam] qua – 71 quem suscitat] quam suscitauit – 77 tanta] tenta – 88 ut sine Dei uenia] quod nisi deus faciat – 92 tritico] tertico – 103 edisseram] ediceram – 110 caritatem] caritate – 118 alterius capere] alta quidem sapere – 119 premere] fremere – 120 aliquem] aliqua – 121 esset] essent – 124 quam] quem – 127 discerni] hic discerni – 128 nec priores] nec priores nec – 131 pro] omnes – 137 celum] om. – 138 a] de – 142 Sunt] Hii sunt – 143 e-lati] deprauati – 145 quos et] quos – 146 tractatur] trahitur – 149 abhominabilesque] abhominabiles facti – 151 faciat] seminat fortasse recte – 155 siciunt] faciunt – 160 fortilicia] sortalicia – 168 seculum quassatum] seculo passatum – 174 curtisanis] cortizanis – 177 recolendas] et klausulas – 186 et] est – 189 a] de – 194 de moribus] moribus – 201 induti] imbuti – 216 ac] a – 225 et] in – 227 est seruus] a seruo – 234 spectator] suspector – 241 manicis] manitis – 243 incedit equitando] intendit 69 Darmstadt, UB, Hs. 675, hier fol. 272v – 273v. 70 Auch religio genannt, z. B. in Vers 30. 71 Möglicherweise stammt das Gedicht von einem Mönch des im 15. Jahrhundert wirtschaftlich und moralisch sehr heruntergekommenen Klosters Corvey in Westfalen: Eine Bamberger Handschrift schreibt es Bernard von Westerrode zu (Bamberg, StB, Msc. Patr. 106, fol. 2r); dass dieser Bernhard Mönch im westfälischen Corvey war, teilen STAUB & KNAUS in der Beschreibung der Darmstädter Handschrift (UB, Hs. 675) mit (1979, S. 162). – Verlockend, aber natürlich rein spekulativ wäre es, die invektivischen Aussagen über Westfalen innerhalb des Gedichts auf Gegebenheiten in der realen, außertextlichen Umwelt des Verfassers in seinem westfälischen Kloster zurückzuführen. 72 Eine Gruppierung von je zwei rhythmischen akatalektischen jambischen Dimetern, denen ein katalektischer folgt, in der üblichen Notierung nach NORBERG: 2*8pp+7p. Das Reimschema (aabccb) ließe auch eine strophische Auffassung des erzählenden Gedichts zu.

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equestrando – 250 sed] quod – 264 ut Nero] sub celo – 272 quot sint] quotas – 291–293 & 304–306: ex ms. Bamb. 106, fol. 3v. – 291,3 abactis] neglectis – 292 nituntur deuastare hos] h. n. d. – 293 deberent defensare quos] q. deb. def. – 304 tunc nos non letabimur] tunc dilatabimur – 305 sed subito] subito. Collacionis gratia sum pertracturus aliqua de statu clericali. Narrabo de insania, que regnat in ecclesia processu terminali. Ubique nunc religio recedit a uestigio sanctorum precessorum, mundanis est mundanior et uanis multo uanior ubilibet locorum. Non est in ea sanitas, sed uanitatum uanitas et omnia neglecta. Permixta secularibus et feminis et maribus omnino fit despecta. A maximis ad minimum uix habet unum filium religio tam sacrum, qui pure propter dominum religionis habitum portare uideatur. Sed nunc permulti, proch dolor, conuersi quidem non ad cor, sed magis ad pulmonem, ut uiuant commodosius et bibant gloriosius, intrant religionem. Non sic, uos impii, non sic! sed tamquam puluis estis hic, qui rapitur de terra. Si uiuitis neutraliter,

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Texte torquemini penaliter sub miserorum serra. Indigni Deo domino, despecti quoque seculo peribitis in guerra. Uos omnes esse timeo in perditorum numero dampnabili reuera. Omnes ad clericalia recurrunt, ut per talia, que sua sunt, acquirant. Messyam non inueniunt, nec inuenire cupiunt; spontanee delirant de Christi patrimonio; de pompis et preconio uiuentes intumescunt; intenti uoluptatibus et mundi sophismatibus de cappis erubescunt. Non solum noto monachos, sed etiam canonicos et fictas moniales, qui propter Ihesum minime uidentur esse filie et fili spiritales, sed magis ut deliciis fruantur et diuiciis et ceteris cupitis. Que explicare nequeo nec uolo neque debeo, de istis ypocritis. A quibus multa patitur, confunditur et quatitur nauicula marina, in qua iam dormit dominus, quem suscitat discipulus

19 Collacionis gratia et postulat diuina. Ue mundo nunc ab scandalis a clericis et laycis in mundo constitutis: Impellitur nauicula, iam tanta sunt pericula et uix est spes salutis. Uix tamen surgit aliquis et rogat dominum pro hiis periculis instanter, ne nauis sancte fidei mergatur ab ypocrisi, que regnat habundanter in cunctis terre finibus cum uentis et turbinibus innumeris tam dire, ut sine Dei uenia de speciali gratia, timendum est perire in die propinquissimo zizania cum tritico et e conuerso quidem. Nam Sathan est in foribus multimodis coloribus ad destruendam fidem, quam Christo suo sanguine construxit in examine cruente passionis, dum perfidos dampnauerat et credulos saluauerat in propriis personis. Quid amplius edisseram, si uera loqui debeam, de uita clericorum? Prelati sedent hodie in opulenta requie de sorte miserorum uiuendo superuacue, qui caritatem maxime

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Texte deberent exercere pre ceteris fidelibus, in omnibus hominibus uirtutes exhibere, cum bonis exemplaribus tam feminis quam maribus uiam salutis dare. Non alterius capere, non premere, non rapere, non aliquem trufare, hec esset meritoria seruorum Dei gloria fidelium tutela, per quam manerent principes et Christiani simplices in fidei sequela. Sed ubi possunt discerni, cum nec priores moderni pro Deo famulentur; ymmo pro temporalibus quasi pro spiritalibus insistere uidentur. Maiores cum minoribus, indocti cum doctoribus et ceteri de clero non habent rectum spiritum, nec curant celum meritum a Christo, deo uero. Sub cuius umbra latitant et sua bona dissipant in pompa seculari. Sunt Py-lati, non pre-lati, plus quam tyranni e-lati, uirtutibus ignari, per quos et grex fidelium tractatur ad interitum Messya permittente. Corrupti simul pereunt, abhominabilesque sunt dyabolo suadente.

19 Collacionis gratia Non est, qui bonum faciat, non est qui Deum diligat: Inutiles effecti ad munera respiciunt, iusticiam non siciunt deliciis illecti, non uiuunt Christianiter, nec iuste nec humaniter in seculo presenti, ut magna fortilicia, et plura beneficia possideant intenti. Eorum uere spiritus inanis est et irritus ad Dei famulatum. Ab istis omnis grauitas egreditur et prauitas in seculum quassatum. Emergit insolencia, recedit conscientia communiter a clero. Que, qualis, quanta furia committitur in curia, de curtisanis quero. Nam illi sciunt practicam de Symone trufaticam: scripturas recolendas, quas ille mille artifex diabolus, eorum rex, inuenit exercendas, ut pauperes abiciant et diuites alliciant in modis et in formis. Quid aliud per atria quam patens ydolatria et clericus enormis? Non psallitur Dauitice, sed prorsus ypocritice

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Texte a beneficiatis. Qui qualiter et quomodo seruire solent domino, iam dicebatur satis. Nunc de eorum uestibus, de moribus et gestibus ad modicum tractabo, in quibus fatualiter et uere laycaliter incedunt, increpabo. Canonici cum ceteris collegiorum sociis mundaniter induti in uariis et serico uestitu uadunt Iherico mollissimis induti. Ne quid eorum corpora sustineant, uel aspera tenerrimos offendant, de preciosis pellibus subtilibus et mollibus camisias emendant. Ut placeant hominibus, nituntur suis crinibus incedere politis. Coronas in capitibus gerunt de pilis mitibus ac rebus exquisitis. Sic ymitantur dominum, qui pro salute hominum est spinis coronatus, sic seruiunt altissimo, qui non pepercit filio, dum stetit ymmolatus in cruce nudis genibus et manibus et pedibus et dextra perforatus. Sic deridetur dominus. Est seruus nichilominus

19 Collacionis gratia in uia prosperatus: Prebendas habet quatuor, et est ecclesie pastor uel pocius mercator. Si, forte, chorum uisitat, non propter Deum ibi stat, presencie spectator. Mox habita presentia, cum magna uehemencia recurrit ad mundana sequentibus consociis, in seculi negociis multiplicat prophana. Cum longis, amplis manicis et actibus tyrannicis incedit equitando. Persequitur deificos, subsannat scientificos in malis gloriando. Eligitur prepositus, decanus uel scholasticus, ut alios defendat, sed semetipsum destruit, et omnia, que reperit, dyabolo commendat. Uocatur tamen arduus, uir probus, atque strenuus – in terra Westphalorum, que plena est maleficis, raptoribus, ueneficis, sentina miserorum, in qua laudatur impius peccator imperterritus in laycis et clero, qui clausa conscientia non pertimescit aliqua nepharia, ut Nero.

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Texte Nil plus de hac materia tractabo nimis seria, de aliis intentus. Deplangam singularius, et arguam mordacius studentium conuentus: lam fit magister artium, qui nescit ‚Quot sint partium‘ de uero fundamento. Habere nomen appetit, sed rem non curat, neque scit examine contempto. Iam fiunt baccalarii pro munere denarii quamplures ydiote. In artibus et aliis egregiis scientiis sunt bestie promote. Quid dicam de presbiteris, quos presul sine litteris ad ordines deducit, in quibus nec scientia nec uite condecentia ad minimum relucet? Apparet de militibus, qui bellant pro diuitibus pauperibus abactis: Nituntur deuastare hos, deberent defensare quos sermonibus et factis. Ut mihi dicunt sompnia, peruerse fiunt omnia, que cernimus in mundo. lam dies est nouissima, ut credo, propinquissima dolore cum profundo. Peccatis exigentibus

19 Collacionis gratia citissime peribimus propheta conquerente. Heu, tunc nos non letabimur, sed subito damnabimur malifica cum gente.

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* Als erbauliche Tischlesung will ich das Thema ‚Der Zustand des Klerus‘ behandeln. Berichten will ich von dem Wahnsinn, der in der Kirche regiert und auf das Ende zusteuert. Überall entfernt sich heute das geistliche Leben vom Wege der heiligmäßigen Alten, weltlicher ist es als die Welt und eitler noch denn die Eitelkeit, wo immer man hinblickt. Nichts ist mehr gesund in ihm, alles ist von allergrößter Nichtigkeit, und nichts hat mehr Geltung. Weil das geistliche Leben verstrickt ist in die Welt, wird es von Männern wie Frauen zutiefst verachtet. Vom Obersten bis zum Geringsten hat das geistliche Leben kaum einen Sohn, der so heiligmäßig wäre, dass man glaubte, er trage nur um des Herrn willen den Habit des Klerikers. Nein, heute haben sich viele, o weh, nicht mit dem Herzen dem geistlichen Leben zugewandt, sondern mehr nur mit den Lippen. Auf dass sie bequemer leben können und prahlender trinken, darum werden sie Religiosen. So nicht, ihr Pflichtvergessenen, so nicht!

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Texte Vielmehr seid ihr wie der Staub hier auf Erden, den der Wind verweht. Wenn ihr nicht in der Entscheidung für Gott lebt, werdet ihr qualvoll bestraft unter der Foltersäge der Verdammten. Unwürdig in den Augen des Herrn und verachtet auch in den Augen der Welt werdet ihr im Kampf zwischen Gut und Böse untergehen. Ihr alle, so fürchte ich, gehört zur Zahl derer, die in der Tat verdammt sind. Alle nehmen ihre Zuflucht zum Stand des Klerus, damit sie so ein Erbe, das auf Griechisch Kleros heißt, erlangen. Den Erlöser finden sie nicht, sie suchen ihn auch gar nicht; aus sich heraus faseln sie etwas vom Erbe Christi; sie nähren sich von Prozessionen und der Verkündigung und werden fett; sie sinnen auf die Erfüllung ihrer Lüste und auf das Trugwissen der Welt, und schämen sich ihrer Kapuzenmäntel. Nicht nur auf Mönche zeige ich, sondern auch auf Stiftsherren und falsche Nonnen, die offenbar keineswegs um Jesu willen geistliche Töchter und Söhne geworden sind, sondern damit sie Genüsse genießen und in Reichtum schwelgen können und in allem, was sie sich sonst noch wünschen. Das kann ich nicht genauer ausführen, und will es nicht, und brauch’ es nicht, über diese Scheinheiligen. Von ihnen erleidet es viel, es wird herumgeworfen und geschüttelt:

19 Collacionis gratia das kleine Schiff auf dem See, in dem der Herr schon schläft, als ein Jünger ihn weckt und um göttliches Eingreifen bittet. Weh heute über die Welt wegen der Ärgernisse, die von Geistlichen und Laien auf der Welt gegeben werden! Sie werfen das Schifflein hin und her, schon ist die Gefahr so groß, und es gibt kaum Hoffnung auf Rettung. Und trotzdem steht keiner auf und fleht den Herrn an, nicht zuzulassen, dass in diesen Gefahren das Schiff des heiligen Glaubens durch die Heuchelei untergehe, die es überall gibt, die bis an die Grenzen der Erde herrscht mit Wind und unzähligen Stürmen, und dies so wild, dass ohne eine Gnade Gottes in Gestalt eines Wunders man befürchten müsste, dass schon sehr bald der Schwindelhafer und der Weizen gemeinsam zugrunde gehen. Denn der Satan streicht in vielerlei Gestalt umher auf den Plätzen, um das Gebäude des Glaubens zu vernichten, das Christus mit seinem Blute kunstvoll errichtet hat in der Prüfung seines schlimmen Leidens, als er die Ungläubigen der Verdammnis, die Gläubigen aber dem Heile bestimmte, einen jeden Einzelnen persönlich. Was soll ich noch vorbringen, wenn ich die Wahrheit sagen soll über das Leben des Klerus? Die Oberen des Klerus sitzen heute in satter Ruhe da.

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Texte Sie führen von dem Wenigen, das die Armen im Leben haben, ein Leben im Überfluss, sie, die die Nächstenliebe in besonderm Maße verwirklichen müssten und vor allen anderen Christgläubigen in allem den Menschen ein tugendhaftes Leben zeigen müssten, die als gute Vorbilder den Männern und Frauen den Weg zum Heil eröffnen müssten. Nicht dem Anderen das Seine nehmen, nicht unterdrücken, nicht raffen, nicht irgendjemanden betrügen, das wäre ein verdienstvoller Ruhm für die Diener Gottes und ein Schutz für die Herde der Gläubigen, und so würden die Führer der Kirche und die einfachen Christen in der Gefolgschaft des Glaubens bleiben. Doch wo kann man solche erkennen, wenn selbst die heutigen Oberen nicht um Gottes Willen dienen? Nein, hinter weltlichen Gütern sind sie her, als ob es geistliche Güter wären. Hohe und niedrige, dumme und gelehrte und überhaupt alle Kleriker sind nicht vom rechten Geist beseelt, und sie kümmern sich nicht um den Himmel, der uns von Christus, dem wahren Gotte, verdient wurde. Unter seinem Schirm verstecken sie sich und verschwenden die Güter auf ihrem prachtvollen Gang über die Welt. Pi-latusse müssten sie heißen, nicht Prä-laten. Sie tragen den Kopf höher als Despoten, Tugend ist ein Fremdwort für sie, die die Herde der Gläubigen in den Abgrund treiben – der Heiland lässt das zu.

19 Collacionis gratia Die von ihnen Verdorbenen gehen mit zugrunde, und sind ein Gräuel – der Teufel ist der Ratgeber dabei. Keinen gibt’s, der Gutes täte, keinen gibt’s, der Gott liebte: Nutzlos geworden schauen sie auf Bestechung und dürsten nicht nach Gerechtigkeit, verlockt von sinnlichen Genüssen. Sie leben nicht christlich, nicht gerecht, nicht menschlich in dieser Welt, sondern nur darauf bedacht, dass sie große Schlösser und noch mehr Pfründen in ihren Besitz bringen. Ihr Geist ist in Wahrheit leer und nicht brauchbar zum Dienste Gottes. Von ihnen gehen alle Last und Schlechtigkeit in die Welt hinaus, um sie zu beuteln. Die Rücksichtslosigkeit erhebt sich und das Gewissen geht überall beim Klerus zurück. Welch schlimmer und großer Wahnsinn herrscht an der Kurie, frage ich mit Blick auf die Kurialen. Sie nämlich beherrschen die trügerische Methode des Zauberers Simon, das Hervorzaubern von Schriften, die zu Tausenden kunstreich ihr König, der Teufel, erfunden hat, damit sie sie anwenden, um Arme abzuweisen und Reiche heranzulocken, mit all den Modalitäten und Formalitäten. Nichts anderes gibt es in den Gängen als offenen Götzendienst und eine ungeheuerliche Priesterschaft.

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Texte Man preist den Herrn nicht mehr mit David-Psalmen, sondern nichts als Scheinheiligkeit ist das, was Pfründeninhaber singen. Wie und auf welche Weise sie dem Herrn zu dienen pflegen, ist damit genug gesagt. Darum will ich jetzt etwas über ihre Kleidung, über ihre Sitten und ihr Gehabe berichten, will rügen, wie sie sich albern und sehr weltlich damit bewegen. Die Chorherren und die anderen aus den Stiftern sind voll weltlicher Gesinnung und gehen in bunten und seidenen Gewändern ohne Mitleid weiter nach Jericho, ganz weich gekleidet. Damit ihre Körper nichts auf sich spüren müssen, oder Raues die zarten Herren kratze, machen sie mit teuren, ganz weichen Fellkrägen ihre Chorröcke noch angenehmer. Um den Menschen zu gefallen, legen sie Wert darauf, mit eleganten Frisuren einherzustolzieren. Mitren schier tragen sie auf ihren Köpfen, gefertigt aus weichem Filz und mit erlesenem Schmuck. Auf solche Art folgen sie dem Herrn nach, der für das Heil der Menschen eine Krone aus Dornen tragen musste. So dienen sie dem Allerhöchsten, der seinen eigenen Sohn nicht dem Leiden entzog, als der als Opfergabe am Kreuze hing, mit unbedeckten Knien, durchbohrt die Hände und Füße, die rechte Seite geöffnet.

19 Collacionis gratia Das ist Spott über den Herrn! Seinem Diener jedoch geht es auf seinem Weg recht gut: Der Pfründen hat er vier und ist Pfarr-Herr einer Kirche, besser gesagt Käufer einer Kirche. Wenn er, zufällig einmal, im Chor zu finden ist, ist er nicht Gottes wegen dort – er kontrolliert die Anwesenheit. Hat er die Anwesenheit des Chorvertreters festgestellt, eilt er mit Élan sofort wieder zurück zu seinen weltlichen Geschäften, und seine Genossen folgen ihm, um in den Geschäften der Welt vielfach ihr unheilig Werk zu tun. Mit langen, weiten Ärmeln und fürstlichem Gehabe stürmt er einher. Er verfolgt die, die am Reiche Gottes bauen, er verlacht die, die an der Wissenschaft bauen, sein Ruhm sind die Schlechten. Er wird zum Propst gewählt, zum Dekan oder Schulleiter, um andere zu schützen, aber er richtet sich selbst zu Grunde und er gibt alles, was er erwirbt, in die Hand des Teufels. Doch wird er ein aufrechter Mann geheißen, tüchtig und wacker – im Land der Westfalen, das voll ist von Verbrechern, von Räubern und Giftmischern, ein Sammelbecken elender Kerle, wo der berühmt ist, der ruchlos ist und unerschrocken sündigt, ob Laie oder Kleriker, der sein Gewissen verschlossen hat und nichts Verwerfliches scheut, wie Nero einst.

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Texte Nichts weiter will ich über diese überaus ernste Sache sagen, will mich anderem zuwenden. Insbesondere muss ich beklagen und auf das Schärfste tadeln die Kollegien der Studenten: Heute wird hier einer Magister Artium, der nicht einmal die kleine Elementargrammatik richtig beherrscht. Einen Titel will er haben, aber um sein Fach kümmert er sich nicht und weiß nichts darüber, und Examen zu machen, verschmäht er. Heute werden die Bakkalaurei, die Bestechungsgelder gezahlt haben, jede Menge Idioten. An der Artes-Fakultät und an den anderen hohen, wissenschaftlichen Fakultäten werden Ochsen zum Doktor promoviert. Was will ich da über die Priester sagen, die ihr Bischof, ohne dass sie lesen könnten, in die Laufbahn der Weihen bringt, Menschen, bei denen weder Wissen noch Schicklichkeit des Lebens auch nur im Geringsten zu sehen ist? Über die Ritter, die für die Reichen kämpfen und die Armen vertreiben, ist dies meine Meinung: Sie plündern die aus, deren Schutz sie sein sollten in Wort und Tat. Wahre Träume sagen mir: Alles was geschieht, geschieht schlecht, was auch immer wir auf der Welt sehen. Schon ist der Jüngste Tag, wie ich glaube, ganz nahe, mit unermesslichem Schmerz. Die Sünden erfordern es,

19 Collacionis gratia dass wir sehr bald zu Grunde gehen, wie klagend der Prophet sagt. Wehe, dann wird keine Freude sein, sondern wir werden sogleich verdammt werden mit den Gottlosen zusammen.

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Anhänge Zum Gedicht 1 (Ordo monasticus) In mehreren Handschriften werden im Anschluss an das Gedicht mit dem Incipit Ordo monasticus ecclesiasticus esse solebat zehn schwer verständliche Verse an den in dem davor stehenden Widmungsgedicht bereits genannten Bischof Hugo von Die überliefert. Wenn der Inhalt dieser Anschlussverse ein reales außertextliches Signifikat hatte, müsste dies eine lediglich zu erschließende, vorausgehende Kritik oder Ablehnung durch den Bischof gewesen sein.73 Denn die folgende Aussage setzt wohl etwas derartiges voraus: Wenn Euch, Herr Bischof, mein Gedicht gefallen hätte und es Euch motiviert hätte, wäret ihr jetzt noch deutlich berühmter (Vers 10).74 Eine solche Rede an den Bischof, der als sonderbevollmächtigter Kommissar des Papstes zum disziplinarischen Durchgreifen in kirchlichen Kreisen angehalten war, wäre bemerkenswert kühn gewesen. Sie widerspricht auch der Aussage der ersten Widmung, dass ebendieser Bischof Hugo von Die sich hinter die Verse der Satire stelle (composui satiram, quam corroborat Hugo Diensis 2–3). Lediglich wegen der Verwendung des selben, höchst komplizierten Versmaßes wie im eigentlichen Gedicht wird allgemein gleichwohl vermutet, dass das Widmungsgedicht und die jetzt folgenden Verse vom selben Verfasser stammen wie das Hauptgedicht. Lateinischer Text: KINDERMANN 1991, S. 45; davon bin ich abgewichen in 4 corrigit omnia uestra per omnia] uestra calumpnia corrigit omnia. Presul amabilis et uenerabilis, Hugo Diensis, uestra scientia nostra superflua radit ut ensis. Uir memorabilis, irreparabilis, omnis honestas, corrigit omnia uestra per omnia digna potestas. Anglia, Scothya, Gallia, Grecia uos reueretur, quod sapientia, quod reuerentia uestra meretur. Carmina metrica, dicta poetica si placuissent, nostra precamina iusta per omnia uos monuissent, 73 Vgl. nostra superflua radit 2. 74 Hugo von Die bemühte sich vordringlich um die Reform des Weltklerus in Frankreich, so dass ihm die Aufforderung zu einer Reform auch des Ordensklerus zweitrangig erschienen sein könnte.

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10 ius ut ab omnibus hec facientibus optinuissent,

Affrica, Parthia, Pontus et Asia uos coluissent. * Lieber und verehrter Bischof Hugo von Die, Eure Weisheit schneidet wie eine scharfe Klinge ab, was bei uns überflüssig ist. Gepriesener Herr, unersetzlicher, gänzlich von Ehre, 5 die Euch gebührende Macht über alles bringt alles in die rechte Ordnung. England, Schottland, Gallien und Griechenland verehren Euch, wie das ja Eure Weisheit und Eure hohe Würde verdienen. Wenn Euch aber metrische Dichtung und poetische Sprache gefallen hätten, wenn Euch unsere in allem gerechten Bitten motiviert hätten 10 und so das, was recht ist, bei allen, die derlei tun, durchgesetzt hätten, dann hätten Euch auch Afrika, Persien, Pontus und Kleinasien verehrt. **

Zum Gedicht 4 (Res monet) Das Gedicht mit dem Incipit Res monet et tempus findet mit der resümierenden Klage der Verse 174–176 einen erkennbaren Abschluss. Mit diesen Versen endet es auch in drei der vier bekannten Handschriften.75 In der Vorlage der Ausgabe von BEAUGENDRE jedoch, einer seit 1940 verschollenen Handschrift aus Tours-Saint-Gatian,76 folgen die hier wieder abgedruckten 24 weiteren Verse, die jedenfalls – thematische – Berührungen mit dem Gedicht Res monet zeigen. Lateinischer Text: BEAUGENDRE 1708, Sp. 1735; davon bin ich abgewichen an folgender Stelle: 11 pugnare] purgare.

75 London, British Library, Ms. Cotton, Vitellius A XII, fol. 126r–127r (= Vorlage einer Ausgabe von WRIGHT 1872, Bd. 2, S. 213–218); London, British Library, Additional Ms. 24199, fol. 71r.; und Oxford, Bodleian Library, Ms. Digby 65, fol. 10r–10v. 76 Handschrift 164.

Zum Gedicht 4 (Res monet)

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Fraus superat leges, excecant munera reges, regula cum iure dormitat iudice fure. Pro capitis uitio membrorum pallet imago; principe funesto ruit ecclesiasticus ordo. Is finem fecit. Sed cur sua larua remansit? Crudelis Uerres, fraterque Simonis, Ulixes, infamis cleptes, quid uiuit in orbe superstes? Proh Dee! Quid cessas? Cur non hunc fulmine quassas? Omne decus templi periit sub iudice tali. Quod fuerat firmum, ruit hoc luctante reuulsum. Omnia turbauit, nec adhuc pugnare quiescit. Cur tenet imperium? Cur se uult esse magistrum? Et cur doctores sub se premit atque priores, quem decet ex atauis asinum deducere siluis. Pegaseo monte qui suxit mella sophie, permixtus musis, dicat mihi, littera quid sit, uel quid prepositus, quid clericus aut uicedomnus. Hec mihi non soluet – nisi quis mussando susurret – tale decus uite, tam splendida gemma sophie, ecclesie lampas, que dat pro luce tenebras, insulsus doctor, fatuorum stultus amator. Imperet hic breuiter, rapiet quem Pluto patenter, et sibi prepositum faciet super agmina furum. Illic sceptra regat, neque hic periuria pangat.

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* Trug obsiegt über das Gesetz, Bestechung macht die Herrscher blind, Recht und Regel schlafen, wenn ein Dieb der Richter ist. Wenn das Haupt krank ist, erblassen als sein Spiegelbild die Glieder; wenn ihr Führer heillos ist, bricht die Ordnung der Kirche zusammen. Jener fand ein Ende. Aber warum blieb sein böser Geist zurück? Warum lebt ein grausamer Ausbeuter Verres, ein Bruder des Ämterverkäufers Simon, ein listiger Odysseus,

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ein ehrloser Dieb immer noch hier auf Erden? Oh Gott, was zögerst du? Warum erschlägst du ihn nicht mit einem Blitz? Aller Glanz der Kirche ging unter, als solch einer ein Richter war. 10 Was fest war, ist seinetwegen nun losgerissen und geht unter. Alles hat er in Aufruhr gebracht und hört immer noch nicht auf mit seinem Streit. Warum hat er das Sagen? Warum will er der Meister sein? Und warum unterdrückt er die Doktoren und Kirchenvorsteher, er, der lieber einen Esel aus seinen angestammten Wäldern führen sollte? 15 Er, der auf dem Dichterberg Helikon den Honig der Weisheit gesaugt hat,

umgeben von den Musen, er sage mir, was ein Apostolischer Brief sei, oder was ein Vorgesetzter, was ein Kleriker oder ein Verweser. Er wird es nicht können – es sei denn jemand sagte vor – , er, die große Zierde des Lebens, der so glänzende Stein der Weisheit, 20 die Leuchte der Kirche, die Schatten statt Licht spendet, der dumme Doktor, der dumme Freund von Dummen. Seine Macht dürfte wohl kurz sein: Ihn wird offenkundig Pluto holen, der Gott der Unterwelt, und bei sich einsetzen als Führer des Heeres der Gauner. Dort mag er das Szepter schwingen, aber hier keine Lügen schwören. **

Zum Gedicht 9 (Adde, quod) Die Doktoren-Satire Adde, quod superbia sequitur doctores wird in der Handschrift aus Hannover77 durch folgende, thematisch unpassende Zudichtung abgeschlossen, die der Herausgeber wohl nur in formaler Hinsicht als eine Schlussstrophe anspricht.78 Lateinischer Text: STRECKER 1929, S. 86–87; davon bin ich abgewichen in Vers 3 autem] enim. Penas et supplicia supreme diei ad mentes reducite, sancti fratres mei. 77 Hannover, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek, Handschrift IV 534, fol. 5ra. 78 STRECKER 1929, S. 88.

Zum Gedicht 11 (Si licenter)

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Licet autem criminis simus omnes rei, magna tamen spes est in bonitate Dei. Ov., Pont. 1, 46 Pein und Strafen des Jüngsten Gerichts führet euch wieder vor Augen, meine Brüder in Christo. Wenn wir auch alle Sünder sein mögen, so gibt es doch eine große Hoffnung auf die Güte Gottes. **

Zum Gedicht 11 (Si licenter) Lateinischer Text: WORSTBROCK 1972, S. 206–207; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 28,4: uellem frui] frui – 29,1 reuocauit] revocavi – 29,2 Atropos] Lachesis. In diesem Gedicht ist die Strophe 26 eine an dieser Stelle unpassende, gedankliche und größtenteils wörtliche Wiederholung der Strophe 10; sie wird daher als Zudichtung angesehen. 26 Adhuc quedam referam, salua pace cleri. [Nullus est, qui pauperum uelit misereri. Inde bene sequitur, si tu uis fateri, quod sint mercennarii, non pastores ueri.] Weiteres noch will ich berichten, mit des Klerus Verlaub. [Es gibt keinen, der sich der Armen erbarmte. Daraus folgt aber wohl, wenn man so will, dass sie alle Mietlinge sind, und keine wahren Hirten.] Auch die Strophe 28 desselben Gedichts fällt aus dessen Gedankengang heraus und wird daher ebenfalls als Zudichtung angesehen: 28 In procinctu positus more sum Hebrei, nec est mihi certus hic locus requiei, quamdiu perambulo terram Pherezei. Uellem frui requie, pace iubilei.

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Kampfbereit bin ich wie das Volk Israel, auch ich habe hier keinen sicheren Ort der Ruhe, solange ich auf dem Land von Pharisäern wandle – Ich möchte Ruhe genießen und den Frieden der Versöhnung. In Strophe 29 wird vermutet, dass der Dichter seine Dichtung beendet habe, weil er gestorben sei (Atropos fati rupit filum 29,3). Diese Vermutung scheint von einem Dritten zu stammen, da der Dichter kein erkennbares Motiv hatte, selbst in die Rolle eines Dritten zu schlüpfen und eine metapoetische Aussage zu formulieren, die zudem der Aussage in der vorausgehenden Strophe 27 widerspricht. (Dort wird eine nicht in Kürze zu bewältigende Überfülle des Stoffs als Grund für die Beendigung der Dichtung angeführt.) Man wird daher auch Strophe 29 als Zudichtung ansehen können. 29 Tandem uictus tedio reuocauit stilum, puto, quia Atropos fati rupit filum; nam si mare transeas, Eufratem et Nilum, nec fidem reperies, nec tutum asilum. Es hat ihn schließlich der Überdruss übermannt, und er hat seine Feder hingelegt, weil ihm, glaub’ ich, die Parze den Lebensfaden gekappt hat. Ja, ob man über das Meer, den Euphrat oder den Nil fährt, wird man keine Treue finden und keine sichere Zuflucht. **

Zum Gedicht 13 (Pastores ecclesie) In den präsumtiven Zusatzstrophen zum Gedicht mit dem Incipit Pastores ecclesie principes inferni lassen sich Konglomerate von einander näherstehenden Strophen abgrenzen, z. B. die Wehklagen der Strophen 20–27, die neben ähnlichem Inhalt einen gleichen Strophenanfang haben. Ganz eigenen Charakter haben die Strophen 29 (28) – 32a zum Opfertode Christi, die alle mit einer Anrufung Christi beginnen, die fromm sind, und nicht satirisch. Andere Strophen wiederum scheinen ohne auch nur den Versuch einer gedanklichen Einbindung hinzugeschrieben worden zu sein.

Zum Gedicht 13 (Pastores ecclesie)

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Lateinischer Text: WALTHER 1934, S. 531–534; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 13,1 convellit] convenit – 14,3 carens] cauens – 19,3 pectora] pecora – 23,1 liuoris] meroris – 27,2 ualeas] studeas – 27,4 panem] manum; catinum] cacinum – 31b,1 medius] melius – 31b,3 Qui] Cum – 31b,4 et] non – 32b,3 abigunt] arguunt. 13 Petrus Petrum conuellit uersibus et metro, ut per metrum Petrus sit generosus Petro. Sicud quondam Moyses acquieuit Ietro, sic, quod justum petimus, non repellas retro! Petrus bestürmt Petrus mit Rhythmen und Metren, dass Petrus ein Metrum dem Petrus schenke. So wie einst Moses auf seinen Schwiegervater Jethro hörte, so höre du auf meine gerechte Bitte. * 14 Fraus est in notariis, sed fraus est ignota. Hac in parte curie fides est remota: Carta carens precio non carebit nota, sed scriptum reperies apicem pro jotha. Es gibt Betrug bei den Notaren, aber der Betrug bleibt unbemerkt. In diesem Bereich der Kurie gibt es keine Zuverlässigkeit: Ein Schriftstück, für das nicht bestochen wurde, wird zwar Text enthalten, aber anders als es bei Matthäus gesagt ist, werden die Worte verändert sein. * 15 Suscitauit Dominus simplex atque brutum, ut peccantes arguat, subiugale mutum. Iam se mundus erigit contra Dei nutum, iam Johannem uideo mollibus indutum.

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Der Herr hat ein einfaches, dummes Tier aufgerufen, dass es die Sünder rüge: Bileams stummes Lasttier. Doch heute, da sich die Welt Gottes Willen widersetzt, heute sehe ich den Bußprediger Johannes in Samt und Seide daherkommen. * 16 Iam pusille fidei Petrus naufragatur, inter fluctus ambulans fluctibus grauatur. A legis doctoribus lex euacuatur, nec in cruce Domini quisquam gloriatur. Schon wird Petrus kleingläubig und geht unter, während er auf dem Wasser geht, sinkt er ins Wasser. Von den Lehrern des göttlichen Gesetzes wird das Gesetz ausgehöhlt, und keiner setzt seinen Ruhm in das Kreuz des Herrn. * 17 Uitam claudit hominum paucitas dierum, nec est inter homines, qui discernat uerum. Iam plebs iuste murmurat contra Dei clerum. Facta est confusio, perit ordo rerum. Wenige Tage nur sind dem Leben der Menschen beschieden, doch keiner ist unter den Menschen, der die Wahrheit erkennte. Heute murrt das Volk zu Recht gegen den Klerus. Verwirrung herrscht und die Ordnung zerbricht. 18 Puer senem arguit dignitate pari, Rachel plorans filios non uult consolari. Iam ruinas Iericho uides innouari, nec iam mala Sodome possunt exstirpari. Ein Knabe wie Daniel, von Gott mit dem Ansehen des Alters begabt, muss wieder lüsterne Greise beschuldigen,

Zum Gedicht 13 (Pastores ecclesie)

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eine Rachel wieder ohne Trost um ihre Söhne weinen. Heute eilt man wieder in den Untergang wie einst Jericho, auch die Übel von Sodom lassen sich heute nicht ausrotten. 19 Iam in mundi uespere mala conualescunt, in senili corpore sordes iuuenescunt, suis in stercoribus pectora putrescunt, et languente capite membra conlanguescunt. Schon neigt sich die Welt ihrem Ende zu, die Übel gewinnen an Stärke, in ihrem alten Körper geht junger Schmutz auf, im eigenen Kot fault die Brust, und wenn der Kopf welkt, welken mit ihm die Glieder. * 20 Ue, qui propter munera iustum condempnatis! Glucientes bubalum culicem liquatis, per errorum deuia grauiter erratis, nec iam dona gratie gratus habet gratis. Wehe über euch, die ihr, bestochen, den Gerechten verurteilt! Einen Ochsen schluckt ihr hinunter, doch eine Mücke fischt ihr aus dem Becher. Über die Abwege des Irrtums geht ihr in eine völlig falsche Richtung, und so bekommt heute auch der Gott Wohlgefällige nicht mehr die Gaben der Gnade umsonst. 21 Ue, qui in sudario ponitis talentum, qui nec unum spargitis, ut metatis centum! Male concupiscitis aurum et argentum: Hoc in cardinalibus uetus est fermentum. Wehe über euch, die ihr euer Talent in ein Tuch gewickelt habt und nicht ein Talent ausgebt, um hundert zu gewinnen! Schlecht ist eure Gier nach Gold und Geld: Diese alte Fäulnis gehört zu den Kardinal(s)-Sünden.

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22 Ue, pastores Israhel, gregem non pascentes et a grege Domini lupos non arcentes! Erratis pro precio Christum non sequentes, qui se dedit precium ad saluandas gentes. Wehe über euch, ihr Hirten des erwählten Volkes, die ihr die Herde nicht weidet, die Herde des Herrn nicht schützet vor den Wölfen! Falsch handelt ihr, weil das Geld euch besticht, dass ihr Christus nicht nachfolgt, Christus, der sich als Preis hingab zur Rettung der Menschen. 23 Ue uobis, ypocrite, filii liuoris, qualis quisque lateat, iam apparet foris: Qui lux esse debuit uite melioris, per exemplum factus est laqueus erroris. Wehe über euch, ihr Heuchler, ihr Söhne der Missgunst, denn wie einer im Inneren ist, wird nun äußerlich klar: Der, der Licht für ein besseres Leben hätte sein sollen, ward durch sein Beispiel zum Fangstrick des Irrtums. 24 Ue, qui super cathedram Moysi sedetis! Lex a uobis legitur, quam uos non inpletis; eius in ecclesia speciem tenetis, cuius procul dubio uitam non habetis. Wehe über euch, die ihr auf des Mose Thron sitzet! Ihr lest das Gesetz, das ihr nicht erfüllt. Ihr wahrt in der Kirche seinen Schein, aber ihr lebt ganz gewiss nicht danach. 25 Ue, qui mundum iudicas sub humano die! Sub te pugna geritur Dauid et Golie. Post uite periculum, post laborem uie nosti dare miseris literas Urie.

Zum Gedicht 13 (Pastores ecclesie)

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Wehe über dich, der du die Welt richtest nach dem Rechte der Menschen, denn unter dir kämpft ungleich ein David mit einem Goliath! Du verstehst es, nach lebensgefährlichen Taten und mühevollem Weg den Elenden einen Urias-Brief in den Tod zu geben. 25a Ue, qui donis hominum faues et personis, et ad uocem pauperum aures non apponis! Hic eclipsim patitur lumen rationis, ubi causa geritur precibus et donis. Wehe über dich, der du nach dem Geld der Menschen und ihrem Ansehen gehst und den Armen dein Ohr nicht leihst! Das erhellende Licht einer Beweisführung erlischt dort, wo ein Prozess nach Gefälligkeit und Bestechung abläuft. 26 Ue, qui per sententiam inpium non feris, et cum pereuntibus per consensum peris! Cum offensas principum tangere uereris, turpis lucri gratiam pro mercede queris. Wehe über dich, dessen Urteil nicht den Gottlosen trifft und der du als Mitwisser mit den Verdammten verdammt wirst! Indem du dich scheust, Vergehen der Oberen zu belangen, suchst du als Dank nicht gerechten Lohn, sondern schändliche Bereicherung. 27 Ue, qui male spolias Grecum et Latinum, ut in auro ualeas coronare uinum! Non sic Christus habuit pondus metallinum panem cum discipulis mittens in catinum. Wehe über dich, der du schlimm die ganze Welt ausplünderst, damit du deinen Wein in einem goldenem Becher haben kannst. Christus hatte nicht dies schwere Metall, als er mit den Jüngern das Brot in die Schüssel tauchte.

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28 Ueniamus igitur ad agonem Christi, qui pro nobis uoluit ad tribunal sisti. Quodsi bene nouimus opus Antichristi, non ad Christum pertinent seductores isti. Wenden wir uns also dem Leiden Christi zu, der für uns vor Gericht gestellt werden wollte. Wenn wir nun die Werke des Teufels recht kennen, gehören jene Betrüger nicht zu den Christen. 29 Christus semet obtulit hostiam pro mundo, Christus crucem subiit, mundus pro immundo, ut suos educeret lacu de profundo numero celestium collocans iocundo. Christus gab sich als Opferlamm für diese Welt hin, Christus nahm das Kreuz auf sich, er, der Reine, für die unreine Welt, damit er die Seinen herausführe aus den Tiefen der Hölle und sie zur frohen Schar der Himmelsbewohner geselle. 29a Christus semet obtulit hostiam pro mundo, et, qui cedrus fuerat, factus est harundo; sub Herode passus est mundus ab immundo, ut suos reduceret lacu de profundo. Christus gab sich als Opferlamm für diese Welt hin, und er, eine Zeder, ward zum Schilfrohr; er, der rein war von Sünde, erlitt den Tod unter dem sündigen Herodes, um die Seinen wieder herauszuführen aus den Tiefen der Hölle. 30 Christus morti datus est patris ex decreto, cuius Ionas meminit positus in ceto; Christus fellis poculum bibens cum aceto dixit „Consummatum est“ ordine completo.

Zum Gedicht 13 (Pastores ecclesie)

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Christus ergab sich dem Tode, des Vaters Willen gehorsam, an den sich Jonas im Wal erinnerte. Als Christus den Becher mit Galle und Essig geleert hatte, sprach er: „Es ist vollbracht.“ So ward Gottes Wille erfüllt. 31 Christus mori uoluit firma ratione. Preda factus eripit predam a predone. Sub Pilato mutus est potens in sermone, hic qui Salomonior erat Salomone. Christus hatte die feste Absicht zu sterben. Als Opferlamm entreißt er das Lamm dem Schlächter. Deshalb bleibt er stumm, er, der Redemächtige, vor Pilatus, er, der weiser war als Salomo in all seiner Weisheit. 31a Christus pro Bersabee celos inclinauit, quam ex patris solio solus adamauit. Liber inter mortuos mortem non expauit, propter quod et dominus illum exaltauit. Christus hat den Himmel für die Kirche79 bewegt, weil er sie allein liebte vom himmlischen Throne des Vaters. Unter den Toten frei fürchtete er den Tod nicht; deshalb hat Gott, der Herr, ihn auch erhöht. 31b Christus inter scandala medius profecit, peccatori similis peccatum non fecit, qui humani corporis speciem obiecit, et in fortitudine fortem interfecit.

79 Der alttestamentliche ‚Typus‘ David gilt typologisch als Präfiguration seines neutestamentlichen ‚Antitypus‘ Christus. Diese Parallelisierung Davids mit Christus hat bisweilen auch zu einer Parallelisierung der von David geliebten BathSeba mit der von Christus als seine Braut geliebten Kirche geführt. Die Kirche im Zusammenhang mit Christus wiederum als Bath-Seba zu bezeichnen, ist ein poetisch verfremdender Symmetriebruch.

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Christus schritt mitten durch die Ärgernisse, ward einem Sünder ähnlich, doch er sündigte nicht, er, der menschliche Gestalt angenommen hatte und in seiner Stärke den Tod, den Starken, getötet hat. 32 Christus paciencie tribuit doctrinam nostre carnis induens uestem cilicinam; hoc illis in tempore fecit in ruinam, qui tenere renuunt eius disciplinam. Christus lehrte die Lehre der Erduldung, indem er das härene Gewand unseres Fleisches anzog. Er tat es zum Niedergang derer in der Welt, die sich weigern, sich an seine Lehre zu halten. 32a Christus dedit animam mundi pro salute, et pro mundo moritur mundus absolute. Sed iam pro uocalibus successerunt mute, rosa cessit lilio, lilium cicute. Christus gab sein Leben für die Rettung der Welt, und für die Welt stirbt er, der in jeder Hinsicht Reine. Aber auf klingende Laute sind jetzt stumme gefolgt, auf Rosen Lilien, auf Lilien der Schierling. * 32b Ecce, dicat aliquis, factus es ut Dina, qui relictis propriis tractas peregrina: Iam cortinas abigunt saga cilicina, locis dignioribus detrahit sentina. Siehe, mag einer sagen, du bist geworden wie Dina, hast deine Leute verlassen, gibst dich mit Fremdem ab: Grobe Tücher ersetzen schon die feinen Vorhänge, Schmutz entzieht dich einem würdigeren Orte.

Zum Gedicht 14

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* 33 Super gregem Domini uigilent pastores, et paulatim transeant ad honestos mores, ut honestis moribus congruant honores, ne maiorum meritis pereant minores! Die Hirten sollen über die Herde des Herrn wachen und allmählich übergehen zu ehrbaren Sitten, damit ehrbare Sitten zu den ehrbaren Ämtern passen, damit die Kleinen nicht aus Verschulden der Großen zu Grunde gehen. **

Zum Gedicht 14 (O curas) An den Rand einer Handschrift80 des Gedichts mit dem Incipit O curas hominum sind diese beiden Strophen entweder aus dem ursprünglichen Bestand nachgetragen oder sie sind neu hinzugefügt worden. Lateinischer Text: SCHUMANN & BISCHOFF 1970, S. 1; davon bin ich abgewichen an folgender Stelle: 5, 11 deformatur] conformatur. 4 Honorum titulis carens ambitio cum ficto gaudio pretendit singulis osculum amoris, sed eminet, cum obtinet baculum pastoris: Quos mens intus clauserat, mores ostentat libere, quod occultum fuerat, uerbo prodit et opere.

80 Oxford, Bodleian Library, Additional Ms. A 44, fol. 63r.

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Anhänge 5 Indignos allici uerbis alliciunt, dolose capiunt nummosos aulici. Sed hi, quos inuadunt per retia subtilia, similes euadunt. Donum Sancti Spiritus sic uenit iam Simonibus, deformatur penitus, si danda fides canibus. 4 Der Bewerber, der noch keine Ehrentitel trägt, entbietet jedem mit gespielter Freude den Kuss der Bruderliebe. Aber der Ehrgeiz bricht hervor, wenn er den Hirtenstab erhalten hat. Den Charakter, den der Sinn innen verschlossen hatte, zeigt er jetzt unbefangen; was verborgen war, zeigt er jetzt in Wort und Tat. 5 Leute mit Geld, die es nicht wert sind, gerufen zu werden, rufen die Höflinge mit Worten herbei und mit List fangen sie sie ein. Doch die, über die sie ihre Netze werfen, die feinmaschigen, sind ihnen ähnlich und entkommen deshalb. Die Gabe des Heiligen Geistes wird so Simonisten verkauft

Zum Gedicht 15 (Uehementi nimium)

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und sie wird völlig entstellt, wenn man Ungläubigen glauben muss. **

Zum Gedicht 15 (Uehementi nimium) Im Gedicht mit dem Incipit Uehementi nimium commotus dolore scheint die folgende Strophe eine später eingefügte Erläuterung zum Titel des mehrfach bearbeiteten kanonistischen Sammelwerks Summa des Dominikaners Raimund von Penyafort zu sein. Mit dem Titel, der aus dem kleinsten Teil (der fünf alten Kompilationen zum Kirchenrecht Gratians) abgeleitet worden sei, könnte der Titel Liber extra gemeint sein, der tatsächlich der übliche wurde (Der ausführlichere Titel wäre: Liber Decretalium extra Decretum Gratiani vagantium). Lateinischer Text: CASTETS 1888, S. 447–448; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 68,3 tum a parte] dum aperte – 68,4 summarium] tuum. 68 Hanc de penitencia Raymundus notauit, ubi de contractibus et causis tractauit; tum a parte minima totum nominauit, sed nomen summarium simul usurpauit. Raymund schrieb diese Bußsumme, in der er über Kirchenstrafen, Verträge und Rechtsfälle handelte; dann benannte er das ganze Werk nach seinem kleinsten Teil doch er nannte es eine Summe. **

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Zum Gedicht 17 (Licet mundus) Das Gedicht mit dem Incipit Licet mundus uaria sorde sit pollutus hat offenbar in größerem Umfang Anlass zu Zudichtungen oder Beischreibungen gegeben:81 Der Schlussstrophe (oben die Strophe 44) folgen nur zum Teil kohärente Strophen von weniger ernsthaftem Ethos. Die Strophen 46–50 handeln von anderen Ordensgemeinschaften (von sündigen Nonnen, trinkenden Angehörigen eines Vaganten-Ordens, trinkenden Brüdern vom Sack und dummen Karmeliten). Diese Strophen haben wohl einen eigenen Abschluss mit den Strophen 51–52. In der Sankt Gallener Handschrift, der die Ausgabe WERNERS von 1914 folgt, schließen sich weitere Strophengruppen an: über den Stand der Juristen (53–57), der Studenten (58–59), der Kleriker (vom Kleriker im Allgemeinen, dann in hierarchischer Stufung vom Kaplan bis zu Kardinälen und bestechlichen Beamten an der Kurie; 60–79). An diesen Strophen fallen dichterische Qualitätsunterschiede gegenüber den ersten 44 Strophen ins Auge, und solche auch innerhalb der Strophen 45–75. Dass die Strophen 53–79 nicht zum ursprünglichen Bestand des Gedichts gehörten, macht eine Handschrift aus Wien wahrscheinlich, die nicht das hier als ursprünglich angesehene Gedicht, sondern ausschließlich hier als Zusatz angesehene Strophen82 überliefert, dazu noch weitere 15 disparate Strophen über Fehlverhalten kirchlicher und weltlicher Amtsträger (16–81) und die vielfache Nichtigkeit menschlichen Handelns (82–96); die Strophen 29–30 sind vielleicht als Abschluss anzusehen. Die Strophen 82–96 verdienen Beachtung als gelungenes selbständiges Gedicht mit spätmittelalterlich-desillusioniertem gedanklichen Tiefgang. Lateinischer Text: WERNER 1914, S. 367–373 (nach dem Codex Sangallensis 1008); davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 45,2: dationibus] ligonibus – 47,1 nouo] nouum – 47,3 Potator] Potatur – 48,1 Est] Hec – 48,2 tegere] regere – 49] 50 mutavi – 50,2 Carmeli] carmine – 52,1 in] ut – 53,1 degunt] legunt – 53,4 et cui] qui – 58,3 prophana] per phana – 62,1 Nemo] Omnis – 63,1 in mola] in multa – 63,2 pollutis operibus] secutus cod. Vindob., 81 Besonders in diesem Gedicht ist auch mit scheinbaren Weiterdichtungen zu rechnen, die dadurch entstehen, dass ein Kopist den Beginn eines neuen, überschriftslosen Gedichts nicht bemerkt und weiterschreibt. 82 Genau genommen überliefert der Wiener Kodex die Strophen 62–75, unter Auslassung der Strophe 64.

Zum Gedicht 17 (Licet mundus)

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solitis uirtutibus – 67,2 mactandum] mulgendum – 69,3 ducit] secutus cod. Vindob., dicit – 72,1 presuli] cardine – 73,2 tu] te – 74,1 Nam ni cardinalibus cara dona dones] Nisi cardinalibus soluas, nisi dones secutus cod. Vindob. – 78,3 quodlibet] quilibet. Ab Strophe 80 wurde der Text des Codex Vindobonensis 3121 nach der Ausgabe von WATTENBACH 1870, Sp. 87–90, herangezogen; zu den Abweichungen davon siehe unten zu Strophe 80. Aus dem Codex Sangallensis: 45 Sorores piissime replent bursam fisci diuersis dationibus, ut sic adipisci celi possint gloriam et lucri nancisci: Parcite, formose, precium pro nocte pacisci! Ov., Am. 1,10,47 Die gar frommen Ordensschwestern füllen den Geldbeutel durch ein Geben verschiedener Art, um so glanzvoll reich und selig werden zu können. Ach, ihr Schönen, nehmet doch kein Geld für die Nacht! 46 Dicit frater: Celitus tunc summe decoror, a piis sororibus quando clam exoror. Quid enim ulterius in sermone moror? Et fas omne facit fratre marita soror. Ov., Her. 3,134 Spricht der Klosterbruder: Im Himmel zeichnet es mich einmal sehr aus, wenn ich mich durch fromme Schwestern heimlich erbitten lasse. Was soll es da länger bei Worten bleiben? Und göttliches Recht ist ja mit der Schwester, die sich mit dem Bruder verbindet. * 47 Nouum genus ordinis de nouo repertum, dat humano generi uite modum certum:

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Potator! Est poculum salutis apertum. Fecundi calices quem non fecere disertum. Hor., Epist. 1,5,19 Ein neuer Orden wurde jüngst erfunden, der den Menschen die sichere Lebensregel gibt: „Es soll getrunken werden!“ Frei ist der Becher des Heils. Volle Becher lockern bekanntlich die Zunge. 48 Est Saccorum regula: „Uilis indumento!“ Nescit tamen tegere gulam a pigmento. O frater, qui splendido bibis in argento, paupertatis onus pacienter ferre memento. Dist. Cat. 1,21 Die Regel der Sackträgermönche heißt: „Ärmliche Kleidung!“ Doch damit schützt sie nicht die Gurgel vor Würzwein. Sackmönchbruder, wenn du aus glänzendem Silbergefäß trinkst, denke daran, dass du die Last der Armut geduldig ertragest. 49 Bacum - ut inmemores regis sempiterni nunquam uolunt spernere, nec ab eo sperni desiccando calices. Eruntque superni potores bibuli media de nocte Falerni. Hor., Epist. 1,18,90 Bacchus wollen sie – als hätten sie des ewigen Himmelskönigs vergessen – niemals verschmähen, noch jemals von ihm verschmäht werden, wenn sie ihre Kelche leeren. Und im Himmel werden sie fleißig Falerner Wein trinken zu mitternächtlicher Stunde. 50 Quid dicam de fratribus de monte Carmeli, qui dicuntur Carmeli corui uel cameli? Non nouerunt, qualiter funere crudeli corruit a sella fractis ceruicibus Heli?

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Zum Gedicht 17 (Licet mundus)

Was soll ich von den Brüdern vom Berge Karmel sagen, von denen man sagt, sie seien Helis Raben vom Karmel oder auch Kamele? Sie wissen nicht, welch schrecklichen Todes Heli starb, als er vom Sitz stürzte und sich den Hals brach. 51 O uos omnes, quorum est mansio sequestra: Est magis fructifera, dum laborat, dextra. Quid prodest nunc, dicite, religio uestra? Iliacos muros intus peccatur et extra. Hor., Epist. 1,2,16 Oh, ihr alle, die ihr hinter Klostermauern wohnt, wisset: Mehr Ertrag bringt eine Hand, wenn sie arbeitet. Sagt doch, was nützt euer Religiosen-Leben, da doch innerhalb der Mauern [Trojas] genauso gesündigt wird wie draußen? * 52 Concrescat in pluuia doctrina, quam pluo; magis fluens lacrimis ad maiora fluo. Ne Musam redarguant in sermone suo uerbula sicca, Deus, inplue rore tuo! cf. Dtn. 32,2 (ut ros) Meine Lehre werde zu Regen, den ich herabregne; stärker noch strömen meine Tränen, sie strömen mit mir zu Höherem. Damit, wenn ich sie spreche, meine trockenen Worte nicht meine Muse Lügen strafen, netze sie, Herr, mit deinem Tau. * 53 Sunt enim, qui legibus degunt et decreto – de his tamen adloquor in ore faceto,

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cum dicat satiricus sermone completo: Quid de quoque uiro et cui dicas, sepe uideto. Hor., Epist. 1,18,67 Ja, es gibt Leute, vom Recht leben und vom Kirchenrecht – doch über sie spreche ich mit netten Worten zu euch, weil schon der Satiriker Horaz am Ende eines Gedichtes sagt: Achte stets darauf, was über wen du wem sagst. 54 Dum sanctorum regulas canonista docet, falsa canit sepius, ut quis eum uocet, uel quod inter principes sedem suam locet, nam quandoque uiris uera referre nocet. Wenn der Kanonist Kirchenrecht heiligen Herkommens lehrt, trägt er öfters Falsches vor, damit ihn jemand (be-)ruft, oder damit er einen Sitz ganz vorne bekommt, denn manchmal schadet es einem, das Wahre vorzutragen. 55 Non curant de legibus lectores moderni: Legunt, set non eligunt per leges discerni, nec timent sentenciam iudicis eterni, que tradit iniustos cruciatibus ignis Auerni. Die heutigen Professoren kümmern sich nicht um die Gesetze, sie lesen über sie, wollen aber selbst nicht nach ihnen beurteilt werden, und sie fürchten auch nicht den Spruch des ewigen Richters, der die Ungerechten den Feuerqualen der Hölle überantwortet. 56 Iudices, qui iudicant, cur iniuriantur? Licet ipsi iudicent, tamen iudicantur. Iura, non iniurie, ab eis nascantur! Ipsē etiam leges cupiunt, ut iure regantur. Warum urteilen Richter, wenn sie urteilen, gegen die Gerechtigkeit? Mögen sie so urteilen, doch auch über sie wird ein Urteil gesprochen werden.

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Zum Gedicht 17 (Licet mundus) Recht, aber nicht Ungerechtigkeit soll aus ihrem Munde kommen. Die Gesetze selbst verlangen, dass sie recht angewandt werden. 57 Patrono causidico nullam fidem dico: Ubi contra nullum est, dicit: „Contradico“. Rectum raro sequitur, utitur obliquo. Hosti pro modico fit amicus et hostis amico.

Salom. et Marcolf. 22,7 Ad. Ich traue keinem Anwalt vor Gericht. Auch wo nichts strittig ist, ruft er: „Widerspruch!“ Selten geht er den geraden Weg, benützt Winkelzüge. Gibt ihm der Gegner nur ein wenig mehr, wird er sein Freund und der Gegner seines bisherigen Freundes. * 58 Quam plures per studia diuersa discurrunt, et in fine fatui ad sua recurrunt! Heliconis inscii prophana ligurrunt, celum, non animum mutant, qui trans mare currunt. Hor., Epist. 1,11,27 Wie viele irren von einem Studium zum anderen und kehren am Ende als Narren nach Hause zurück! Von hoher Dichtung wissen sie nichts, sind begierig nach Banalem, denn das Klima, nicht ihren Geist wechseln die, die übers Meer eilen. 59 Studere continue multis multum piget, set quisque continuo usu se fatiget, ut doctrine docilem auem inuestiget: Intercisa perit, continuata uiget. Matth. Vind., Tobias 876 Beharrlich zu studieren, behagt vielen gar nicht, dennoch mühe sich ein jeder beharrlich,

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der gelehrten Eule Wissenschaft zu folgen: Setzt man aus, geht sie verloren, bleibt man dran, wird sie mächtig. * 60 Clericorum anime caritate calue uix carebunt carcere, uix eruntque salue, clare canunt clerici (nec sunt clause ualue): Unica spes uite nostre, Uenus inclita, salue! ~ Salve regina Die Seelen der Kleriker sind leer an Nächstenliebe und werden kaum aus dem Kerker der Seele entkommen und kaum das Heil erlangen, denn die Kleriker singen laut (und schließen dabei nicht einmal die Tür): „Sei gegrüßt, du unseres Lebens einzige Hoffnung, glorreiche – Göttin der Liebe, Venus.“ 61 Inspiratum spiritum, clerice, confundis, dum opem et operam das rebus inmundis. Propter opes nauigas Ueneris in undis – Luxuriant animi rebus plerumque secundis. Ov., Ars 2,437 Wider den Geist Gottes, den du empfangen hast, handelst du, Kleriker, wenn du dein Sinnen und Trachten auf Unkeusches richtest. Wegen seiner Schätze befährst du das gefährlichen Meer der Venus – doch bedenke: Wenn es meistens gut geht, werden die Menschen übermütig. 62 Nemo fere clericus inuenitur parcus, semper est in ocio, quod non docet Marcus; testatur Ouidius, dicit Aristarcus: Ocia si tollas, periere Cupidinis arcus. Ov., Rem. 139 Fast kein Kleriker ist zu finden, der enthaltsam lebte, denn immer hat er Muße, gegen den Rat des Markus;

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Zum Gedicht 17 (Licet mundus) es bezeugt auch Ovid und es lehrt Aristarch diese Regel: Nimm die Muße weg, und Cupidos Bogen verschießt keine Pfeile. 63 Sacerdos, qui sacra dat, dum in mola molit, pollutis operibus se non bene polit. Seruitorem impium - credo - Deus nolit: Inpia celestes non bene dextra colit.

Ov., Her. 7,130 Der Priester, der das heilige Opfer vollzieht, aber mit seinem Stößel in ihrem Mörser stampft, vervollkomnet sich nicht durch die schmutzigen Akte. Ich glaube, dass Gott einen Diener nicht will, der nicht fromm ist, denn es heißt ja: Nicht gut dient eine sündige Rechte den Göttern. 64 Capellanus dignus est regere capellam. Ut bene concuciat geminorum cellam, uix aut numquam recolit uirginem tenellam: Tucius est iacuisse thoro, tenuisse puellam. Ov., Her. 3,117 Einem Kaplan ziemt es, die Kapelle leiten. Damit er die Zwei in der Zelle richtig zu ihrer Tätigkeit anregt, denkt er selten oder nie an Jungfräulichkeit. Besser ist’s auf dem Bett zu liegen, ein Mädchen im Arm. 65 Pre-bet iter pre-sb-iter ad lucra prophanus, et diues efficitur a pleb-e pleb-anus; cuncta uorans deuorat, ut can-is, de-can-us: Medee faciunt ad scelus omne manus. Ov., Her. 6, 128 Weltpriester zu werden – das ist ein Weg, reich zu werden; und auch als Armeleutepriester wird man reich – von den armen Leuten; ein Dekan ist einer, der alles frisst, was er kriegt, wie ein Hund: Alles, was eine Medea in die Hand bekommt, nutzt sie zur Untat.

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66 Pre-latus pre aliis datus honestati colletatur inpiis, set non pietati. Dicit, quando dicitur „Parce paupertati!“, „Confiteor, possum uix grauiora pati.“ Ov., Pont. 1,2,13 Ein Prälat sollte ein Prä an Anstand haben, doch er erfreut sich an Lieblosem, nicht an Liebe. Wenn man sagt: „Schau auf die Armut!“, sagt er: „Ja, ja, sie wäre mir das Schlimmste.“ 67 Cornuti pontifices cornu sunt discordes, ad mactandum uitulos, ut lupi, concordes; gregis bibunt sanguinem, ut uero concordes: Sordibus inbuti nequeunt dimittere sordes. Aesop. Lat. 38, 11 Bischöfe, deren Mitren Hörner haben, unterscheiden sich im Gehörn, einig sind sie sich beim Töten der Kälber wie ein Wolfspack. Sie saufen das Blut der Herde, so dass man mit dieser Wahrheit übereinstimmt: Freundlich maskierte Habgier bleibt allemal Habgier. 68 Olim erant presules modico contenti; modo querunt copiam auri uel argenti, nec ponuntur animo frena cupienti. Alta petit liuor, perflant altissima uenti. Ov., Rem. 369 Früher waren Bischöfe mit Bescheidenem zufrieden, heute wollen sie Gold und Silber in Menge, und ihr ehrgeiziger Sinn kennt keine Zügel. Doch oben ist man dem Neid ausgesetzt, und ganz oben toben raue Winde. 69 Pastor, qui uocatus est ad summum honorem, non pascit, sed pascitur, suum mutat morem.

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Zum Gedicht 17 (Licet mundus) Ouem plenam uellere ducit meliorem. Nullus amor durat, nisi fructus seruet amorem.

Aesop. Lat. 27,11 Der Seelenhirte, der in ein ganz hohes Amt berufen ist, hütet nicht mehr, sondern weidet selbst; er verändert seinen Charakter: Er meint, dass das Schaf, das den meisten Gewinn bringt, auch das beste Schaf ist. Keine Liebe hält an, wenn nicht ihr Nutzen sie erhält. 70 Ad pastoris pascua pauper quando sonat, uentus cito uentilat, aer cito tonat; set dum diues loquitur, hunc turba coronat. – Et genus et formam regina pecunia donat. Hor., Epist. 1,6,37 Wenn ein Armer seinen Schäflein zur geistlichen Weide läutet, ist das ein kurzer Lufthauch, ein Ton im Äther, der schnell verklingt, aber wenn ein Reicher spricht, dann umringt ihn eine Menge von Menschen. – Das Geld verleiht Schönheit und Stand, denn das Geld ist der König. 71 Quicquid petit, inpetrat diues inpetrator, si sit lege muneris cinctus legislator; orat frustratorie pauper exorator, cantabit uacuus coram latrone uiator. Iuv. 10,22 Ein Reicher setzt alles, was er erreichen will, durch, wenn er mit dem Gesetz der Bestechung bewaffnet sein eigenes Recht schafft; ein armer Bittsteller hingegen bittet vergeblich. Doch, wenn der Räuber kommt, singt fröhlich der Arme, denn er hat nichts, was ihm genommen werden kann. 72 Cardinalis presuli scribit: „Frater care! Des dona! Si dederis, potes inpetrare.

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Danti semper dabitur; hoc est regulare. Crede michi, res est ingeniosa dare.“ Ov., Am. 1,8,62 Der Kardinal schreibt dem Bischof: „Lieber Bruder, gib Geschenke, dann kann deinem Wunsch entsprochen werden. Wer gibt, dem wird gegeben, so lautet die Regel. Glaube mir, zu schenken ist immer ein guter Einfall.“ 73 Inquit egens: „Egeo.“ – „Quid enim inploras? Hanc ingratus gratiam tu frustra laboras. Te pulsantem nescio. Uade! Tolle moras!“ – Si nichil attuleris, ibis, Homere, foras! Ov., Ars 2,280 Der Arme sagt: „Ich brauche etwas.“ – „Was willst du denn? Wenn du dich nicht erkenntlich zeigst, bemühst du dich um die erbetene Gunst vergeblich. Ich kenne dich nicht, der du anklopfst. Hinweg, aber schleunig!“ – Wenn du nichts mitgebracht hast, wirst selbst du rausfliegen, großer Homer. 74 Nam ni cardinalibus cara dona dones, insolute remanent tue questiones. Ut legant pecuniam, legunt lectiones. Ut iugulent homines, surgunt cum nocte latrones. Hor., Epist. 1,2,32 Denn wenn du den Kardinälen nicht teure Geschenke machst, bleiben deine Gesuche unbeantwortet. Papiere mit Gesuchen lesen sie nur deshalb, weil es ihre Absicht ist, dazwischen Geld zu finden. Räuber stehen in der Nacht auch nur deshalb auf, weil es ihre Absicht ist, Menschen zu morden. 75 Pape camerarius sic eterna querit: Ore gerit dulcia, set cum cauda ferit.

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Zum Gedicht 17 (Licet mundus) Hic metit, hic colligit, ubi numquam serit. Collige de multis: Grandis aceruus erit.

Ov., Rem. 424 Der Kämmerer des Papstes sucht so das ewige Heil: Er spricht mit freundlicher Zunge, doch er schlägt mit dem Schwanz zu wie ein Skorpion. Er erntet dort und bringt dort ein, wo er niemals sät. Sammle von den Vielen, dann wird der Haufen groß sein. 76 Quosdam foris uideo mundos ueste munda, intus tamen furiunt mente furibunda, ut lapis terribilis eiectus a funda: Quod flumen placidum est, forsan latet altius unda. Dist. Cat. 4,31 Äußerlich sehen mir manche sauber aus in ihrer ordentlichen Kleidung, innerlich aber rasen sie irren Sinnes, wie der furchtbare Stein, den die Schleuder versandt hat. Ja, unter einem stillen Wasser kann sich in der Tiefe ein Strudel verstecken. 77 Si sit camerarius in honesto cultu, quid prodest, ni caueat mentis a tumultu? Sordes diu nequeunt tegi sub singultu. O quam difficile est crimen non prodere uultu! Ov., Met. 2,447 Wenn der Kämmerer ein gepflegtes Äußeres hat, was hilft das, wenn er seinen unordentlichen Sinn nicht zügelt? Schmutziger Geiz lässt sich nicht lange durch Jammern kaschieren. Ja, es ist schwer, die Schlechtigkeit nicht im Gesicht zu verraten. 78 Antequam notarius data scripta legat, exoptat, quod cupidam manum munus tegat; uncta manu munere quodlibet allegat, qui fugit oblatum, retribuisse negat. Matth. Vind., Tob. 770

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Ehe der Notar einen Blick auf die übergebenen Schriftstücke wirft, will er in seiner gierigen Hand eine Gabe spüren. Wenn seine Hand dann damit geschmiert ist, macht er alles geltend. Wer das Angebot ablehnt, hat dann eben die Notariatsgebühr verweigert. 79 Uice-can-cellarius uice-m gerens can-is rodit, rumpit literas dentibus prophanis; spernit eternalia, curat de mundanis: Sic faciunt stulti, quos gloria uexat inanis. Dist. Cat. 2,16 Der Vizekanzler ist wie ein Hund, er benagt und zerreißt mit seinen schändlichen Zähnen das, was geschrieben steht. Das ewige Heil ist ihm egal, wichtig ist ihm das Diesseits. Doch so treiben es nur Dumme, die eine dumme Ruhmsucht plagt. ** Aus dem Codex Vindobonensis 3121: Lateinischer Text: WATTENBACH 1870, Sp. 87–90; davon bin ich abgewichen an folgenden Stellen: 80,2 ut] si – 82,3 conuariantur] contrariantur – 84,4 leditque] lesura – 85,3 est (1)] de; est ullis] de illis – 85,4 rerum uacuis exsucta] regum teneris exuta – 88,3 reges ut] Si reges – 89,2 iuncto] iuncta – 90,4 modicas] modica; contendunt] clauduntur – 92,2 fides est] fidesque – 93,1 quia] quies – 94,3 Ne] Non – 96,3 nostrum ministerium] ut nostrum misterium. 80 Dum scribit grossarius scripta pulcriora, ordinat, ut munera fiant largiora, „Scribam,“ dicit gentibus, „large sine mora. Grata superueniet, que non sperabitur hora.” Hor., Ep. 1,4,14 Wenn der Großschreiber schönere Schriftstücke herstellt, will er, dass auch großzügigere Geschenke kommen.

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Zum Gedicht 17 (Licet mundus) „Dann werd’ ich gleich großzügig schreiben“, sagt er den Leuten. „Unverhofftes ist doppelt schön.“ 81 De procuratoribus hic pauca dicuntur: Si quid eis dederis, multa promittuntur; promissa uerumtamen uix expediuntur. – Sepe minus faciunt homines, qui magna minantur.

Aesop. Lat. 25,7 Über die Bevollmächtigten hier nur ein paar Worte: Wenn man ihnen etwas gegeben hat, versprechen sie viel, doch selten liefern sie das, was sie versprochen haben. Ja, häufig tun Menschen wenig, die großtun. * 82 Ecce temporalibus donis dominantur, qui spiritualibus rebus famulantur. Sunt enim contraria, que conuariantur: Non bene conueniunt, nec in una sede morantur. Ov., Met. 2,847 Siehe, von weltlichen Gaben lassen sich die beherrschen, die Geistlichem dienen. In der Tat ist es Gegensätzliches, was da durcheinander geht: Es passt nicht zusammen und es verträgt sich nicht. * 83 Parum palam pallidus loquar, quod audiui: Reges, duces, comites, quamdiu sunt uiui, bella gerunt, sanguine fuso madent riui – Quicquid delirant reges, plectuntur Achiui. Hor., Epist. 1,2,14 Nicht ganz öffentlich, weil ich mich fürchte, will ich sagen, was ich gehört habe:

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Könige, Fürsten und Grafen führen Zeit ihres Lebens Kriege, und es fließt das Blut in Strömen, doch den Wahnsinn ihrer Herren bezahlen die Untertanen. 84 Quid prodest aspicere turbam morientem, quid tellurem rubeam sanguine ruentem, rex, quid prodest regere bellicosam gentem? Non honor est, sed onus species, leditque ferentem. ~ Ov., Her. 9,31 Doch was nützt es, einen Haufen Sterbender zu sehen und die Erde rot von Blut überströmt, König, was nützt es, ein Volk von Kriegern zu regieren? Keine Ehre, sondern eine Last ist der Anblick, schädlich für den, der ihn ertragen muss. 85 Quid prodest in ultimo papa suis bullis, quid rector regimine, quid gallina pullis, quid frater est fratribus, quid ullus est ullis? Ossa uides rerum uacuis exsucta medullis. Iuv. 8,90 Was nützt irgendwem am Ende ein Papst mit seinen Bullen, was ein Herrscher mit seiner Herrschaft, eine Henne mit ihren Küken? Was bedeutet ein Bruder den Brüdern oder irgendwer irgendwem? Nichts als Knochen bleiben sichtbar von der Geschichte, ausgesaugt, ohne Mark. 86 Quid iuuat excolere uitam speciebus, qui scis uitam breuibus finire diebus? Nocte fulgent sidera, mane lucet Phebus. – Ludit in humanis diuina potentia rebus. Ov., Pont. 4,3,49 Was hilft es, sein Leben mit Schein zu schmücken, wenn man doch weiß, dass es nach kurzer Zeit ein Ende hat?

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Zum Gedicht 17 (Licet mundus)

In der Nacht, da funkeln die Sterne, am Morgen da leuchtet die Sonne.– Für den allmächtigen Gott sind die Dinge der Menschen nur Spielzeug. 87 Quid iuuat in sedibus altis collocari, quid in regionibus multis dominari, quid honor, quid gloria, et quid uenerari? Omnia mors perimit condicione pari. Was hilft es, auf hohen Thronen zu sitzen, was, über viele Gegenden zu herrschen, was die Ehre, was der Ruhm, was das Ansehen? Alles nimmt uns der Tod, alles allen gleichermaßen. 88 Bona temporalia ad quid acquiruntur? Cum sint casualia, casu consumuntur. Reges ut aspiceres, quando moriuntur! Alba ligustra cadunt, uaccinia nigra leguntur. Verg., Ecl. 2,18 Wozu erwirbt man zeitliche Güter? Der Zufall nimmt sie wieder, denn es sind seine Güter. Dass du zusehen könntest, wenn Könige sterben! Aber die Menschen lassen weiße Ligusterblüten liegen, und sammeln schwärzliche Purpurblumen. 89 Magnus etiam Macedo, dignus meo stilo, qui subiecit omnia regna, iuncto Nilo nunc iacet exiguo sepultus asilo: Omnia sunt hominum tenui pendentia filo. Ov., Pont. 4,3,35 Auch der große Alexander, würdig meiner Feder, der alle Reiche unterwarf – in einem Grab unfern dem Nil liegt er jetzt, einer ganz kleinen Bleibe: Alles Menschengeschick hängt an einem dünnen Faden.

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90 Dic, ubi Eacides, ubi Palamedes, ubi fortis Hercules, ubi Diomedes? Miser statim uenies statimque recedes: Corpora magna patrum modicas contendunt in edes. Sag mir, wo ist Pyrrhus aus dem Hause des Aiax, wo ist Palamedes, wo der starke Herkules, wo der Diomedes? Armselig kommt man auf einmal und armselig geht man auf einmal: Körper auch der großen Männer der Vergangenheit ziehen nach dem Tod in ziemlich kleine Behausungen. 91 Miser uili transitu uiuens more bruti, cur tantum desideras deseruire cuti? Pone gule terminos, hereas uirtuti: Pauca uoluptati debentur, plura saluti. Dist. Cat. 2,28 Du Elender, der du dein Leben wertlos über die Erde schleppst wie ein Tier, warum willst du nur deinem Körper dienen? Beherrsche deine Genusssucht, achte stets auf Tugend, denn wenig braucht die Lust, viel das Seelenheil. 92 Si mala sunt dulcia, bona sunt amara, regnat infidelitas, fides est ignara, omnis cessat caritas, iniqua sunt cara, nullus amor superest, fratrum quoque gratia rara. ~ Ov., Met. 1,145 Wenn das Übel süß ist und das Gute bitter, wenn Unglaube herrscht, der Glaube unbekannt ist, wenn die Nächstenliebe aufhört und man das Unrecht liebt, dann gibt es keine Liebe mehr, und selbst in der Familie kaum Freundlichkeit.

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Zum Gedicht 17 (Licet mundus) 93 Hic labor est labilis, uita quia pena, fetor delectabilis, dulcia uenena. Dic michi: Quid horrea tibi prosunt plena? Nudus in ignota solusque iacebis arena.

~ Verg., Aen. 5,871 Hier auf Erden ist alles Mühen hinfällig, da das Leben eine Strafe ist; Stinkendes finden wir delikat und Giftiges süß. Sag mir: Was nützen dir volle Vorratskammern? Nackt und allein wirst du dereinst auf unbekanntem Boden liegen. 94 Omnibus omnipotens iusta cuncta serit. Ad Deum reuertere, culpa cito ferit! Ne expectes crastinum, tuta mora perit. Qui non ēst hodie, cras minus aptus erit. Ov., Rem. 94. Für alle ist der Allmächtige ein gerechter Richter. Wende dich also wieder Gott zu, denn schnell rächt sich die Schuld. Warte nicht auf morgen, nur kurz dauert die Sicherheit. Wer sich heute nicht stärkt, wird morgen weniger taugen. 95 Non loquor ulterius, sed scire potestis, uos, qui celos tangitis, qui sublimes estis, quid uolo, quid iubeo, de quo sum hic testis. Imponit finem sapiens in rebus honestis. Iuv. 6,443 Weiter will ich nicht sprechen, doch ihr, ihr, deren Häupter an den Himmel stoßen, ihr ganz da oben, ihr könnt verstehen, was ich will, was ich fordere, wovon ich hier Zeugnis ablege. Ein kluger Mann macht seinen Schluss in Ehren. *

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96 Oremus communiter diuinum solamen, Patrem atque Filium et Sanctum Spiramen: Nostrum ministerium sit nobis iuuamen. Per omnia secula seculorum. Amen. Bitten wir gemeinsam um den göttlichen Trost den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist: Unser Dienst bringe uns göttliche Hilfe. Von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Literatur BEAUGENDRE 1708: Antonius Beaugendre, Venerabilis Hildeberti, primo Cenomanensis Episcopi, deinde Turonensis Archiepiscopi, Opera, tam edita quam inedita. Accesserunt Marbodi, Redonensis Episcopi, ipsius Hildeberti supparis, Opuscula, Paris 1708; nachgedruckt: MPL, Bd. 171, Paris 1893 (Das Gedicht Querimonia cleri unter dem Titel Versus canoniales: Sp. 1732–1735). BISCHOFF 1930: Bernhard Bischoff, Vagantenlieder aus der Vaticana, in: Zeitschrift für romanische Philologie 50 (1930), S. 76–97. BOUTEMY 1935: André Boutemy, Étude sur le Sermo Goliae ad praelatos, in: Revue belge de philologie et d’histoire 14 (1935), S. 369–388. BOUTEMY 1937: André Boutemy, Notice sur le recueil poétique du manuscrit Cotton Vitellius A xii du British Museum, in: Latomus 1 (1937), S. 278–313. BOUTEMY 1938: André Boutemy, Deux poèmes inconnus de Serlon de Bayeux et une copie nouvelle de son poème contre les moines de Caen, in: Le Moyen Age. Revue trimestielle d’histoire et de philologie, 3me serie, tome 9 (= tome 48 de la collection; 1938), S. 241–269. CASTETS 1888: Louis Castets, Prose latine, attribuée à Pierre della Vigne, in: Revue des langues romanes, quatrième série 2, Bd. 32 (1888), S. 431 (438) –453. CIAN 1900: Vittorio Cian, Una satira Dantesca prima di Dante, in: Nuova Antologia. Rivista di lettere, scienze ed arti, Bd. 35 (1900) (= Quarta serie, Bd. 86), S. 43–64. DREVES 1894: Guido Maria Dreves, Zur Geschichte der fête des fous, in: Stimmen aus Maria-Laach 46 (1894), S. 571–587.

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Literatur

FARAL 1936: Edmond Faral, Le manuscrit 511 du ‚Hunterian Museum‘, in: Studi medievali, nuova serie, 9 (1936), S. 51–53 (auch in HARBERT 1975, S. 37–40). HARBERT 1975: Bruce Harbert, A Thirteenth-Century Anthology of Rhetorical Poems. Glasgow MS Hunterian V.8.14 (= Toronto Medieval Texts, 4), Toronto 1975. HILKA & SCHUMANN & BISCHOFF 1970: Alfons Hilka, Otto Schumann und Bernhard Bischoff, Carmina Burana, 1. Band: Text, 3. Die Trink- und Spielerlieder, die geistlichen Dramen, Nachträge, Heidelberg 1970. HILKA & SCHUMANN 1930: Alfons Hilka und Otto Schumann, Carmina Burana, 1. Band: Text, 1. Die moralisch-satirischen Dichtungen, Heidelberg 1930. KINDERMANN 1978: Udo Kindermann, Satyra. Die Theorie der Satire im Mittellateinischen. Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte (= Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, Bd. 58), Nürnberg 1978. KINDERMANN 1990: Klerikerfeste, in: Lexikon des Mittelalters, Band 5, München und Zürich 1990, Sp. 1206-1207. KINDERMANN 1991: Udo Kindermann, Der Satiriker Wilchard von Lyon, in: Mittellateinisches Jahrbuch 23 (1988; Druck 1991), S. 37–45. KINDERMANN 2011: Udo Kindermann, ‚Bruno episcopus, Pater fili spiritus‘, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 128 (= Kanonistische Abtheilung 97) (2011) , S. 375–383. MEYER 1907: Wilhelm Meyer aus Speyer, Die Oxforder Gedichte des Primas (des Magister Hugo von Orléans), in: Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-historische Klasse 1907, Heft 1 und 2, Berlin 1907. MPL (+ Bandzahl): Jaques-Paul MIGNE: Patrologiae cursus completus, ... Series Latina, 221 Bde., Paris 1841–1864. ROTH 1891: Ferdinand Wilhelm Emil Roth, Mittheilungen zur Literatur des Mittellateins, in: Romanische Forschungen 6 (1891), S. 17–56.

Literatur

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STAUB & KNAUS: Kurt Hans Staub und Hermann Knaus, Bibelhandschriften. Ältere theologische Texte (= Die Handschriften der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, Bd. 4), Wiesbaden 1979. STRECKER 1929: Karl Strecker, Moralisch-satirische Gedichte Walters von Châtillon aus deutschen, englischen, französischen und italienischen Handschriften, Heidelberg 1929. WALTHER 1934: Hans Walther, Eine unbekannte mittellateinische Satire gegen die Geistlichkeit, in: Historische Vierteljahrsschrift 27 (1934), S. 522–534. – Einige Ergänzungen dazu bei WILMART 1937, S. 329–338. WATTENBACH, Wilhelm, Lateinische Reime des Mittelalters, III, in: Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Neue Folge 17 (1870), Sp. 88–90. WERNER 1914: Jakob Werner, Ein satirischer Rhythmus des dreizehnten Jahrhunderts, in: Festgabe Hugo BLÜMNER überreicht zum 9. August 1914, Zürich 1914, S. 358–363. WERNER 21966: Jakob Werner, Lateinische Sprichwörter und Sinnsprüche des Mittelalters, aus Handschriften gesammelt, 2. Aufl., Heidelberg 1966. WILMART 1937: André Wilmart, Poèmes de Gautier de Châtillon dans un manuscrit de Charleville, in: Revue Bénédictine 49 (1937), S. 121– 169 und 322–365. WOLLIN 1998: Carsten Wollin, Petri Blesensis Carmina (= Corpus Christianorum, continuatio mediaevalis, Bd. 128), Turnhout 1998. WORSTBROCK 1972: Franz Josef Worstbrock, Zu Gedichten Walthers von Châtillon und seiner ‚Schule‘, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 101 (1972), S. 200–208. WRIGHT 1872: Thomas Wright, The Anglo-Latin Satirical Poets and Epigrammatists of the Twelfth Century (= Rerum Britannicarum medii aevi scriptores, 59), 2 Bde., London 1872.